Insolvenzrecht in der Bankpraxis 9783504387921

Das neue Autorenteam um den Herausgeber und Autor Dr. Manfred Obermüller bekräftigt mit der Neuauflage des Handbuchs den

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German Pages 2000 [2318] Year 2023

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Table of contents :
Vorwort zur zehnten Auflage
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Musterverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Erster Teil Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht
A. Entwicklung des Insolvenzrechts
B. Grundzüge des Insolvenzrechts
C. Verfahrensvoraussetzungen
D. Insolvenzeröffnungsverfahren
E. Eröffnetes Insolvenzverfahren
F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten
G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse
H. Eigenverwaltungsverfahren
I. Insolvenzplanverfahren
J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen
K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren
L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen
Zweiter Teil Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen
A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung
B. Auswirkungen der Insolvenz auf Zinsen und Provisionen
C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte
Dritter Teil Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz
A. Überweisungsverkehr
B. Scheckverkehr
C. Wechselgeschäft
D. Lastschriftverkehr
E. Kassenverkehr
F. Zahlungsverkehrssysteme
G. Cash-Pool
H. Kreditkartengeschäft
Vierter Teil Akkreditiv- und Dokumentengeschäft
A. Dokumentenakkreditiv
B. Dokumenteninkasso
Fünfter Teil Kreditgeschäft
Einleitung
A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen
B. Allgemeine rechtliche Grenzen in der Krise und bei drohender Insolvenz in der Übersicht
C. Die besonderen Risiken der vorinsolvenzlichen Sanierungsbegleitung, insbesondere durch neue Kredite
D. Handlungsoptionen einer vorinsolvenzlichen Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung
E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite
F. Avalkredite
G. Konsortialkredite und Unterbeteiligungen
Sechster Teil Kreditsicherheiten
A. Bestellung von Kreditsicherheiten
B. Verwertung von Kreditsicherheiten. Part 1
B. Verwertung von Kreditsicherheiten. Part 2
Siebenter Teil Leasing, Factoring und Forfaitierung
A. Leasing
B. Factoring
C. Forfaitierung
Achter Teil Kapitalmarktgeschäft
A. Effektengeschäft
B. Devisengeschäft
C. Derivate-Geschäft
D. Rahmenverträge über Finanzleistungen
E. Finanzsicherheiten
F. Verbriefung von Bankforderungen
Stichwortverzeichnis
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Insolvenzrecht in der Bankpraxis
 9783504387921

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Obermüller Insolvenzrecht in der Bankpraxis

Insolvenzrecht in der Bankpraxis herausgegeben von

Dr. Manfred Obermüller bearbeitet von

Andreas Büchel Rechtsanwalt, Leipzig

Dr. Herwart Huber Rechtsanwalt, Köln

Dr. Thomas Ingelmann Rechtsanwalt, Hamburg

Univ.-Prof. Dr. Sebastian Mock, LL.M. (NYU) Attorney-at-Law (New York) Wirtschaftsuniversität Wien

Dr. Manfred Obermüller Rechtsanwalt, Bad Camberg

Dr. Martin Obermüller Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.

10. neu bearbeitete Auflage 2023

Zitierempfehlung: Verfasser in Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. … bzw. M …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-43012-2 © 2023 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: PMGi – Agentur für intelligente Medien GmbH, Hamm Druck und Verarbeitung: Druckerei C.H. Beck, Nördlingen Printed in Germany

Vorwort zur zehnten Auflage Mit der aktuellen 10. Auflage liegt nach sieben Jahren wieder eine vollkommen überarbeitete Neuauflage des Handbuchs zum Insolvenzrecht in der Bankpraxis vor. Als ich 1969 nach einem Thema für eine Dissertation suchte, empfahl mir mein Vater, damals Syndikus der Deutschen Bank Düsseldorf, angesichts der als Rekord angesehenen Zahl von 2.494 Unternehmensinsolvenzen einmal alle Rechtsfragen zu erörtern, denen sich eine Bank gegenübersieht, wenn einer ihrer Kunden in Konkurs fällt. Daraus entstand 1972 bei inzwischen 3.097 Unternehmensinsolvenzen eine Arbeit unter dem sperrigen Titel „Die rechtliche Stellung des Kreditinstituts im Konkurs des Bankkunden“, die mir für das Berufsleben eine Richtung vorgab. Nachdem ich 10 Jahre lang praktische Erfahrungen im Insolvenzrecht sammeln konnte, gelang es 1982, das Werk mit einer 2. Auflage wiederaufleben zu lassen. Eine weiter steigende Zahl von Insolvenzen, die 2003 mit 39.320 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, bescherte dem Werk, das seinen Titel mehrfach an die Entwicklung der Gesetzgebung anpassen musste, anhaltende Relevanz für die tägliche Arbeit vor allem der Banken und Insolvenzverwalter1. Seitdem erschweren es der Gesetzgeber durch ständige Änderungen von Gesetzen und die Rechtsprechung durch oft mehr oder weniger überraschende Entscheidungen nicht nur den Gläubigern, sondern auch den Insolvenzverwaltern, die Entwicklungen nachzuvollziehen und den Überblick über die aktuelle Rechtslage zu behalten. Dies will das vorliegende Buch dem Leser auch in seiner inzwischen 10. Auflage an den Schnittpunkten zwischen Bankrecht und Insolvenzrecht erleichtern. Die Neuauflage bringt das Standardwerk daher wieder umfassend auf den neuesten Stand. In den sieben Jahren seit der letzten Auflage dieses Buches ist die Insolvenzordnung erneut nicht zur Ruhe gekommen. In diesen Zeitraum fielen u.a. das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen, das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts. Die wohl größte Änderung des Rechts der Unternehmensinsolvenzen seit Einführung der Konkursordnung und damit einen Paradigmenwechsel, der sich in umfassenden Änderungen auch in der Neuauflage niederschlägt, brachte aber das 2021 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts mit dem StaRUG mit sich. Das ESUG hatte noch die Stellung der Gläubiger gegenüber dem Insolvenzgericht und ihren Einfluss auf die Auswahl des Insolvenzverwalters sowie die Verfahrensart wesentlich gestärkt. Aber während die früheren Gesetze von der KO bis zum ESUG für Unternehmensinsolvenzen noch das Ziel der Befriedigung der Gläubiger verfolgten, stellt das StaRUG – ohne dies ausdrücklich zu sagen – nunmehr die Erhaltung des Unternehmens in den Vordergrund. Ebenfalls eingearbeitet wurde die umfangreiche Rechtsprechung der letzten Jahre. Beinahe 750 neue Gerichtsentscheidungen, die Themen des Buches betreffen, sind zwischenzeitlich veröffentlicht, darunter die viel diskutierten Urteile des BGH zur Vorsatzanfechtung, die von den bis 2021 entwickelten Grundsätzen des BGH nur wenig übrig lassen, sowie die Entscheidungen zu Lösungsklauseln und zum Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters.

1 Im Sinne der Gleichbehandlung werden die männlichen und weiblichen Formen der Begriffe bzw. für alle Geschlechter das generische Maskulinum genutzt.

V

Vorwort Erhalten bleibt das bewährte Grundkonzept des Handbuchs, nach dem anhand der typischen Geschäftsvorgänge innerhalb der Bank die Auswirkungen der Insolvenz des Kunden in den verschiedenen Sparten des Bankgeschäfts dargestellt werden. Zahlreiche Hinweise in den Fußnoten auf weiterführende Literatur bieten die Möglichkeit, die häufig nur schwer durchschaubare Rechtsentwicklung in den verschiedenen Bereichen weiter zu verfolgen. Im Vordergrund der Bearbeitung steht die Darstellung der Konsequenzen, die sich durch ein drohendes oder eröffnetes Insolvenzverfahren für die Beziehungen zwischen Gläubigern einerseits und Schuldnern bzw. ihren Insolvenzverwaltern andererseits ergeben. Das Insolvenzrecht regelt aber nicht nur das Verhältnis zwischen insolvenzreifen oder insolventen Schuldnern und ihren Gläubigern. Fast noch bedeutsamer sind die Rückwirkungen des Insolvenzrechts auf Geschäfte unter solventen Parteien, die sich für den Fall der (nicht absehbaren) Insolvenz ihres Geschäftspartners schützen wollen und müssen. Notwendig für eine solche Absicherung unter Geschäftspartnern sind in erster Linie insolvenzfeste Kreditsicherheiten, daneben aber auch international übliche Klauseln über die Beendigung von Verträgen und Aufrechnungs- bzw. Nettingvereinbarungen. Die Bestrebungen nach solchen Vorsorgemaßnahmen kollidieren jedoch oft mit dem vom deutschen Gesetzgeber und der Rechtsprechung hochgehaltenen Prinzip der Gläubigergleichbehandlung, das solche „Vorrechte“ zu unterbinden versucht. Hier zeigt das Buch die Möglichkeiten und zugleich die Grenzen für insolvenzfeste Vertragskonstruktionen auf. Ergänzt werden die Ausführungen weiterhin durch mehr als 60 Mustertexte, deren schnelle Weiterverarbeitung in elektronischer Form ab sofort für alle Käufer des Handbuchs über die Datenbank von Otto Schmidt ermöglicht wird. Mithilfe der vorne im Buch eingedruckten Zugangsdaten können sie kostenfrei direkt auf die Muster und erstmals auch auf das Gesamtwerk zugreifen. Die neuen Recherchemöglichkeiten schließen zudem den Zugriff auf die in der Datenbank enthaltene Rechtsprechung mit ein – ein echter Mehrwert der elektronischen Komponente, die nunmehr Bestandteil des Werks ist. Mit Freude und Stolz konnte ich verzeichnen, dass sich das Handbuch in der Praxis zu einem Standardwerk entwickelt hat und andere Autoren Teile daraus übernommen oder darauf aufgebaut haben. Mit dieser 10. Auflage möchte ich mich nunmehr nach 50 Jahren von meinen Lesern verabschieden und das Werk für künftige Auflagen vollständig in jüngere Hände legen. Ich freue mich, dafür mit den Herren Andreas Büchel, Dr. Herwart Huber und Dr. Thomas Ingelmann Autoren gefunden zu haben, die über eine langjährige Praxis in der Rechtsabteilung einer deutschen Großbank verfügen, und in Herrn Prof. Dr. Sebastian Mock einen Insolvenzexperten, der bereit war, sich der diffizilen Materie des Kapitalmarktrechts zu widmen. Für die Berücksichtigung der Position der Insolvenzverwalter sorgt wie schon in der 9. Auflage mein Sohn Dr. Martin Obermüller. Mein Dank gilt nicht nur den Co-Autoren, sondern auch dem Verlag, insbesondere Frau Nadja Röhling, die gezeigt hat, wie effektiv die Bearbeitung eines solchen Projekts sein kann. Wir hoffen, dass das Buch den gleichen Anklang findet wie die Vorauflagen. Für Anregungen und Anmerkungen sind wir dankbar; diese können Sie uns unter [email protected] jederzeit mitteilen. Bad Camberg, im März 2023

VI

Manfred Obermüller

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Seite V

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Musterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXIII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXVII

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXXVII

Erster Teil Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht (Martin Obermüller) A. Entwicklung des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1.1

Seite 1

B. Grundzüge des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.5

3

C. Verfahrensvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.15

5

D. Insolvenzeröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.230

53

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.280

62

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.460

99

G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.710

160

H. Eigenverwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.800

176

I. Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.900

189

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1000

210

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1100

236

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1300

269

Zweiter Teil Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen (Büchel) A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung . . . . . . . . . . . .

2.2

311

B. Auswirkungen der Insolvenz auf Zinsen und Provisionen . . . . . . . . . . . . . 2.320

437

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.346

445

VII

Inhaltsübersicht

Dritter Teil Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz (Büchel)

Rn. 3.2

Seite 467

B. Scheckverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.350

566

C. Wechselgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.500

597

D. Lastschriftverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.650

627

E. Kassenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.900

674

F. Zahlungsverkehrssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1000

689

G. Cash-Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1070

710

H. Kreditkartengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1150

729

A. Überweisungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Vierter Teil Akkreditiv- und Dokumentengeschäft (Ingelmann) A. Dokumentenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.10

745

B. Dokumenteninkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.130

779

Fünfter Teil Kreditgeschäft (Huber) A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.7

795

B. Allgemeine rechtliche Grenzen in der Krise und bei drohender Insolvenz in der Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.71

817

C. Die besonderen Risiken der vorinsolvenzlichen Sanierungsbegleitung, insbesondere durch neue Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.79

820

D. Handlungsoptionen einer vorinsolvenzlichen Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.96

827

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . 5.494

994

F. Avalkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1012

1222

G. Konsortialkredite und Unterbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1112

1255

VIII

Inhaltsübersicht

Sechster Teil Kreditsicherheiten (Manfred Obermüller)

Rn. 6.3

Seite 1271

B. Verwertung von Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.900

1521

A. Bestellung von Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Siebenter Teil Leasing, Factoring und Forfaitierung (Manfred Obermüller) A. Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.2

1891

B. Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.260

1946

C. Forfaitierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.420

1980

Achter Teil Kapitalmarktgeschäft (Mock) A. Effektengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.2

1983

B. Devisengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.288

2063

C. Derivate-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.363

2080

D. Rahmenverträge über Finanzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.490

2114

E. Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.577

2141

F. Verbriefung von Bankforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.636

2158

IX

X

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Seite V

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Musterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXIII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXVII

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXXVII

Erster Teil Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht (Martin Obermüller) A. Entwicklung des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1.1

Seite 1

B. Grundzüge des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.5

3

C. Verfahrensvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Insolvenzeröffnungsvoraussetzungen für Regelinsolvenzverfahren . . . 1. Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Drohende Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gläubigerantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antragsrecht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kriterien einer Bank für die Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . d) Rücknahme des Gläubigerantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schuldnerantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsformspezifische Eröffnungsvoraussetzungen für Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schadenersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachlass, Gütergemeinschaft und Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schadenersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.15 1.20 1.21 1.24 1.26 1.28 1.31 1.50 1.53 1.60 1.61

5 5 6 6 7 10 11 16 18 21 21

1.72 1.74 1.77 1.80

24 25 25 26

1.90 1.94 1.94 1.95 1.96 1.98

29 30 30 31 31 31

1.110 1.110 1.113 1.116 1.120

31 31 32 32 33 XI

Inhaltsverzeichnis Rn. 1.121 1.122 1.127 1.129 1.133 1.135 1.140

Seite 33 33 35 35 35 36 36

1.142 1.146 1.146 1.150 1.153 1.158 1.160 1.169 1.170 1.172 1.173 1.175 1.180 1.190 1.191 1.192 1.194 1.195 1.200 1.201 1.202 1.203 1.204 1.204 1.205 1.209 1.211 1.215 1.215 1.217 1.219 1.221 1.223 1.224 1.225 1.229

37 37 37 38 39 39 40 41 41 42 42 42 43 45 45 45 45 45 46 46 46 47 47 47 47 48 48 48 48 48 49 49 49 49 50 52

D. Insolvenzeröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.230 I. Entscheidung über Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.231

53 53

3. Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzfähigkeit und Haftungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schadenersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . 4. Partnerschaftsgesellschaft Angehöriger Freier Berufe . . . . . . . . . . 5. Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung, Europäische Gesellschaft oder Europäische Genossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . 6. Offene Handelsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzfähigkeit und Haftungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schadenersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Kommanditgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. GmbH und UG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schadenersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzantragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insolvenzantragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anzeigepflicht an Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Schadenersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Kommanditgesellschaft auf Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Genossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schadenersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schadenersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Fehlerhafte Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Bankinsolvenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Kapitalverwaltungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XII

Inhaltsverzeichnis

II. Einsetzung eines vorläufigen Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorläufiger Verwalter ohne Beschränkungen des Schuldners . . . . 2. Vorläufiger Verwalter mit allgemeinem Verfügungsverbot . . . . . . a) Fortführung des Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkungen eines allgemeinen Verfügungsverbots . . . . . . . . . 3. Vorläufiger Verwalter mit besonderem Verfügungsverbot . . . . . . 4. Vorläufiger Verwalter mit besonderen Ermächtigungen . . . . . . . . 5. Vorläufiger Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . 6. Vorläufiger Verwalter mit Sicherheitenverwertungssperre . . . . . . III. Auswahl des vorläufigen Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Haftung des vorläufigen Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1.240 1.242 1.244 1.245 1.247 1.253 1.254 1.255 1.256 1.260 1.261

Seite 56 56 57 57 58 60 60 60 61 62 62

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verlust der Verfügungsbefugnis des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Massebestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neuerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstände des Neuerwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freigabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussonderungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dingliche Aussonderungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schuldrechtliche Aussonderungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ersatzaussonderungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Durchsetzung des Aussonderungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Absonderungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundpfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pfandrechte an beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pfandrechte an Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung . . . . . . . . . e) Zurückbehaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verfahrensrechtliche Stellung der Absonderungsberechtigten g) Ersatzabsonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Masseanreicherung durch Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtshandlungen und Unterlassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßgebender Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bargeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anfechtungsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtungsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nahestehende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrere Anfechtungsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Durchsetzung des Anfechtungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wiederaufleben der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Abtretung des Rückgewähranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.280 1.281 1.284 1.285 1.286 1.287 1.290 1.291 1.295 1.301 1.304 1.310 1.314 1.315 1.321 1.324 1.325 1.330 1.337 1.350 1.352 1.353 1.355 1.356 1.356 1.360 1.363 1.366 1.367 1.372 1.373 1.374 1.375 1.380 1.381 1.385

62 62 63 63 63 64 65 65 66 67 68 69 70 70 71 71 71 72 74 74 75 75 75 76 76 77 78 79 79 81 81 81 82 83 83 85 XIII

Inhaltsverzeichnis

6. Die einzelnen Anfechtungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kongruente Deckung (§ 130 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inkongruente Deckung (§ 131 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO) d) Anfechtung entgeltlicher Verträge mit nahestehenden Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anfechtung einer Sicherung oder Befriedigung von Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Unentgeltliche Leistungen (§ 134 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anfechtung unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen . . . . IV. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufrechnungserleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufrechnungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenseitige Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Verfahrenseröffnung . . . 2. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vor Verfahrenseröffnung . . . . F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswahl des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftskundigkeit des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unabhängigkeit des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwahl des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abwahl im Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abwahl im eröffneten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonderinsolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schuldner als Eigenverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Person des Eigenverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abwahl des Eigenverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sachwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Haftung des Eigenverwalters und des Sachwalters . . . . . . . . . 7. Schutzschirmverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gläubigerausschuss im Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zur sofortigen Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur nachträglichen Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gläubigerantrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fakultativer vorläufiger Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . e) Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV

Rn. 1.390 1.391 1.395 1.396

Seite 85 87 88 89

1.399

90

1.400 1.403 1.405 1.410 1.412 1.414 1.420 1.421 1.426 1.451 1.451 1.456

90 91 91 92 93 93 94 94 97 97 97 99

1.460 1.461 1.462 1.464 1.465 1.470 1.471 1.473 1.477 1.480 1.481 1.500 1.502 1.506 1.508 1.510 1.514 1.520 1.522

99 99 100 101 101 103 103 104 105 107 107 109 109 111 111 111 112 113 113

1.524

114

1.533

116

1.535 1.545 1.547

117 120 121

Inhaltsverzeichnis

2. Gläubigerausschuss im eröffneten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gläubigerausschuss bis zum Berichtstermin . . . . . . . . . . . . . . b) Gläubigerausschuss nach dem Berichtstermin . . . . . . . . . . . . c) Gruppen-Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gruppenzugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufgaben, Rechte und Pflichten des Gläubigerausschusses . . . . . . a) Mitwirkung bei der Verwalterauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitwirkungsrechte bei Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unabhängige Wahrnehmung der Interessen der Gesamtgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Überwachung und Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Auskunftsansprüche und Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . f) Kassenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Genehmigungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Organisation der Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftung der Gläubigerausschussmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vergütung und Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Höhe der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rang der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorschuss auf die Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Festsetzung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Veröffentlichung von Vergütungsentscheidungen . . . . . . . . . g) Besteuerung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ende des Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gläubigerbeirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gläubigerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teilnahmeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) „Gläubigerfreie Gläubigerversammlung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anleihegläubigerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse . . . . . . . . . . . . . . I. Anmeldung und Prüfung der Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anmeldefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Form und Inhalt der Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausfallgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahren zur Feststellung der Forderungen . . . . . . . . . . . . . . b) Streitige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abgetretene Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1.550 1.552 1.555 1.558 1.560 1.561 1.566 1.590 1.591 1.604

Seite 121 122 122 123 123 123 125 129 129 132

1.616 1.618 1.624 1.630 1.633 1.637 1.640 1.644 1.645 1.649 1.651 1.654 1.658 1.660 1.662 1.663 1.666 1.670 1.680 1.681 1.686 1.690 1.691 1.692 1.698 1.699 1.700

134 135 137 139 141 143 145 147 147 148 149 150 151 151 152 152 153 154 155 155 157 157 157 157 159 160 160

1.710 1.711 1.712 1.713 1.716 1.721 1.723 1.724 1.726 1.728

160 160 161 161 161 164 164 165 165 166 XV

Inhaltsverzeichnis

XVI

3. Rücknahme der Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Teilnahme der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwertung der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortführung des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsveräußerung und übertragende Sanierung . . . . . . . . . . . . III. Verteilung der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verteilung bei Abwicklung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Absonderungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Massegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nachrangige Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sonderinsolvenzrecht der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verteilung bei Einstellung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verteilung bei Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachtragsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1.729 1.730 1.740 1.741 1.743 1.749 1.760 1.761 1.762 1.764 1.768 1.771 1.773 1.775 1.776 1.780 1.781

Seite 166 167 167 167 168 169 170 170 171 171 172 173 173 174 174 175 175

H. Eigenverwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Antragsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorläufige Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Form des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für die Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrenstechnische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchführung der vorläufigen Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutzschirmverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fortgang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufhebung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorteile und Nachteile des Schutzschirmverfahrens . . . . . . . . . . . IV. Eröffnete Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anordnung der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einschränkung der Rechte des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichten des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechte und Pflichten des Sachwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufhebung der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fortgang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.800 1.802 1.803 1.804 1.805 1.806 1.810 1.814 1.820 1.830 1.832 1.836 1.840 1.843 1.845 1.850 1.851 1.852 1.854 1.859 1.861 1.870 1.871

176 176 177 177 177 177 178 179 180 181 182 183 184 184 185 185 185 185 186 187 187 188 189

I. Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wege zur Begrenzung des Nachforderungsrechts der Gläubiger . . . . . II. Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbereitung des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einleitung des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.900 1.901 1.903 1.906 1.910

189 189 190 192 192

Inhaltsverzeichnis

3. Inhalt des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Form des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorlagerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gliederung des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anzahl der Stimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stimmrecht der besicherten und der nachrangigen Gläubiger. c) Obstruktionsverbot und Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . d) Taktische Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Wirkungen des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Beendigung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zwangsvollstreckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überwachungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zeitrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftsrechtliche Anzeigepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzrechtliche Antragspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wertpapierrechtliche Anzeigepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Konstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stundung fälliger Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reduzierung von Krediten durch Sale and Lease Back-Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusage neuer Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kreditversicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anleihegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Staatliche Finanzierungshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beseitigung der Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Genussrechtsausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umwandlung von Forderungen in Kapital . . . . . . . . . . . . . . . d) Umwandlung von Forderungen in Genussrechte . . . . . . . . . . e) Umwandlung von Forderungen in Wandelschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Interimslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sanierungsmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fortgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Verfahrens . . . . . . . . . . 1. Recht und Pflicht zur Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisation der Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Restrukturierung ohne gerichtliche Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1.912 1.916 1.917 1.926 1.940 1.946 1.947 1.950 1.952 1.958 1.960 1.966 1.967 1.968

Seite 193 195 195 197 202 204 204 205 205 207 207 209 209 209

1.1000 1.1010 1.1011 1.1013 1.1014 1.1016 1.1018 1.1023 1.1030 1.1035 1.1036

210 213 213 214 214 214 215 216 217 217 217

1.1039 1.1040 1.1044 1.1046 1.1048 1.1052 1.1055 1.1062 1.1071 1.1076

218 218 219 220 220 222 223 225 228 230

1.1080 1.1083 1.1090 1.1096

231 232 234 236

1.1100 1.1104 1.1105 1.1110 1.1111

236 239 239 240 241 XVII

Inhaltsverzeichnis

b) Restrukturierung mit gerichtlicher Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Veränderungen auf Bankenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorbereitung eines Restrukturierungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswahl der betroffenen Rechte und Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . a) Gestaltbare Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahl der Planbetroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Darstellender Teil eines Restrukturierungsplans . . . . . . . . . . . . . . 3. Gestaltender Teil eines Restrukturierungsplans . . . . . . . . . . . . . . . a) Änderung der Rechte der Planbetroffenen . . . . . . . . . . . . . . . b) Einteilung in Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anlagen zum Restrukturierungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Muster für einen Restrukturierungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fortgang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Durchführung des Abstimmungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Form des Abstimmungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderliche Mehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abstimmungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fortgang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Maßnahmen zum Schutz des Restrukturierungsverfahrens . . . . . . . . . 1. Anzeige des Restrukturierungsvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbot der Ausnutzung von Lösungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbot von Leistungsverweigerungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beendigung gegenseitiger Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vollstreckungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verwertungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicherungsübereignungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherungsabtretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Restrukturierungsbeauftragter und Gläubigerbeirat . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestellung auf Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestellung von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Von Amts wegen bestellter Restrukturierungsbeauftragter . . . b) Fakultativer Restrukturierungsbeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fakultativer Restrukturierungsbeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . b) Von Amts wegen bestellter Restrukturierungsbeauftragter . . . 5. Ende des Amts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gläubigerbeirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Entscheidung über den Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestätigung eines selbstorganisierten Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestätigung im gerichtlichen Abstimmungsverfahren . . . . . . . . . . 4. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Wirkungen des angenommenen Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVIII

Rn. 1.1112 1.1117 1.1120 1.1124 1.1125 1.1127 1.1132 1.1133 1.1134 1.1139 1.1142 1.1144 1.1146 1.1150 1.1152 1.1153 1.1154 1.1156 1.1164 1.1170 1.1174 1.1178 1.1181 1.1183 1.1185 1.1186 1.1187 1.1188 1.1189 1.1190 1.1191 1.1192 1.1194 1.1195 1.1197 1.1200 1.1201 1.1202 1.1206 1.1207 1.1209 1.1211 1.1212 1.1215 1.1218 1.1221

Seite 241 242 242 244 244 245 246 246 246 247 248 249 249 250 250 250 250 251 252 252 253 254 255 255 256 256 256 257 257 257 257 257 258 258 259 259 259 259 260 260 261 261 261 262 263 264

Inhaltsverzeichnis

VIII. Ablehnung des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX.Insolvenz nach Bestätigung des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswirkung von Leistungssstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzanfechtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtung wegen Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung . . . b) Anfechtung gestützt auf Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit . . c) Anfechtung von Planregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Auswirkungen der Anfechtungsbeschränkungen auf Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zahlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von der Schuldknechtschaft zum Null-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Altorientalische Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Griechisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Römisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konzeption der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Systematik der Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahrensschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung des Personenkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Selbständige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Außergerichtliche Schuldenbereinigung für Verbraucher . . . . . . . . . . 1. Form des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mindestangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbraucherkreditrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitwirkung von Beratern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Prüfung der Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorschlag mit überobligatorischen Leistungen . . . . . . . . . . . . b) Vorschlag unter Einbeziehung der Leistung Dritter . . . . . . . . c) Null-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Reaktion der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zwangsvollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablehnung durch Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antrag des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag eines Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1.1224 1.1230 1.1231 1.1236 1.1237 1.1238 1.1239 1.1241

Seite 265 265 265 266 266 266 267 267

1.1243 1.1244

268 268

1.1300 1.1301 1.1302 1.1305 1.1307 1.1308 1.1310 1.1315 1.1316 1.1320 1.1321 1.1322 1.1330 1.1331 1.1333 1.1334 1.1336 1.1338 1.1339 1.1341 1.1342 1.1344 1.1345

269 269 269 271 271 272 273 274 274 274 274 275 275 275 276 276 276 277 277 277 278 278 279

1.1350 1.1351 1.1352 1.1353 1.1354 1.1355 1.1356 1.1360 1.1362 1.1362 1.1365

281 281 281 281 281 281 282 282 283 283 283 XIX

Inhaltsverzeichnis

2. Inhalt des Antrags eines Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beibringungspflicht des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitwirkung der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schuldenbereinigungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reaktion auf Insolvenzantrag und Schuldenbereinigungsplan . . . a) Maßnahmen des Insolvenzgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßnahmen der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entscheidung des Insolvenzgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fortsetzung des Verfahrens über den Schuldenbereinigungsplan . a) Einholung von Stellungnahmen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . b) Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einhellige Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mehrheitliche Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulassung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abtretung des Arbeitsentgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingangsentscheidung des Insolvenzgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidung über schon vorliegende Versagungsgründe . . . b) Entscheidung über die Person des Treuhänders . . . . . . . . . . . c) Fortgang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulassung des Restschuldbefreiungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirkung der Beendigung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . b) Abtretung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt . . . . . . . . . . . . . . c) Obliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Treuhänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Versagung der Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Recht auf Versagungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Glaubhaftmachung der Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . d) Zweckmäßigkeit des Versagungsantrags der Bank . . . . . . . . . e) Vorzeitiger Versagungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fortgang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erteilung der Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Widerruf der Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1.1367 1.1368 1.1369 1.1375 1.1378 1.1379 1.1381 1.1385 1.1386 1.1387 1.1389 1.1390 1.1394 1.1401 1.1410 1.1411 1.1412 1.1420 1.1423 1.1424 1.1426 1.1430 1.1431 1.1432 1.1434 1.1440 1.1442 1.1443 1.1450 1.1461 1.1470 1.1471 1.1474 1.1475 1.1476 1.1479 1.1482 1.1485 1.1490

Seite 284 284 285 286 287 287 287 288 288 288 289 289 290 292 292 292 293 293 294 294 295 295 296 296 297 297 298 298 299 302 303 303 304 305 305 306 306 307 309

2.2 2.4 2.5

311 311 312

Zweiter Teil Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen (Büchel) A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung . . . . . . . . . I. Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschluss neuer Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XX

Inhaltsverzeichnis Rn. 2. Fortdauer bestehender Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 3. Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 II. Vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . 2.11 1. Bankvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.15 2. Kontokorrentvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.16 a) Ermittlung des Saldos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.17 b) Fortdauer des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.20 c) Kündigung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.23 3. Sparvertrag, Termineinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.25 4. Währungskonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.26 a) Währungsguthaben des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.29 b) Währungsschulden des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.30 5. Besondere Kontoformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.32 a) Einzelkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.33 b) Gemeinschaftskonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.34 c) BGB-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.35 d) Treuhandkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.37 e) Anderkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.40 f) Sonderkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.43 g) Sperrkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.44 h) Konten zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.45 i) CpD-Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.47 6. Schrankfächer und Verwahrstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.48 7. Depotverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.49 8. Vollmachten und Vertretungsberechtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.50 a) Vollmachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.51 b) Vertretungsberechtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.53 9. Pfändungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.55 a) Pfändung vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . . 2.56 b) Pfändung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . 2.67 c) Ansprüche des Drittschuldners gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.72 d) Drittschuldnererklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.73 e) Pfändungsschutzkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.78 10. Unkenntnis der Bank von dem Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . 2.80 11. Kontoführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.81 III. Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.90 1. Verwalter ohne Mitwirkungsbefugnisse oder Sachwalter . . . . . . . . 2.91 2. Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.93 3. Kontoführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.94 a) Konto des Kunden ohne Verfügungsverbot und Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.94a b) Konto des Kunden bei Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . 2.95 c) Konto des Kunden bei besonderem Verfügungsverbot . . . . . . 2.96 d) Treuhandkonto des vorläufigen Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . 2.97 e) Anderkonto des vorläufigen Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.101 f) Beendigung des Kontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.102

Seite 312 312 313 314 314 315 316 317 319 319 319 320 320 320 321 321 322 322 323 323 323 324 324 324 324 324 325 326 326 331 333 334 336 339 339 340 340 341 341 341 342 342 342 346 349

XXI

Inhaltsverzeichnis

IV. Eröffnetes Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhaltens- und Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontokorrentverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . b) Fehlbuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rang der Saldoforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auszahlung von Guthaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kontoabschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fortführung des Kontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bauspareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermögenswirksames Sparen und Prämiensparen . . . . . . . . . d) Termineinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zinslose Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Währungskonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einzelverfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfügungsbefugnis über Konten des Schuldners . . . . . . . . . . . . . a) Einzelkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konten für Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Wohnungseigentümergemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Treuhandkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anderkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Tankstellenkonten und sonstige Agenturkonten . . . . . . . . . . . f) Sonderkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Sperrkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Konten zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Konten Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) CpD-Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Vollmachten und Vertretungsberechtigungen . . . . . . . . . . . . . 7. Pfändungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pfändungen im letzten Monat vor Eröffnungsantrag oder später . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pfändungen früher als im letzten Monat vor Eröffnungsantrag c) Pfändungen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . d) Pfändungen künftiger Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Pfändungsschutzkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorhandene Pfändungsschutzkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neueröffnung eines Pfändungsschutzkontos . . . . . . . . . . . . . . c) Umwandlung vorhandener Einzelkonten in Pfändungsschutzkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Umwandlung vorhandener Gemeinschaftskonten in Pfändungsschutzkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rückumwandlung von Pfändungsschutzkonto in herkömmliches Girokonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXII

Rn. 2.103 2.104 2.105 2.105a 2.106 2.112 2.113 2.115 2.116 2.118 2.118a 2.118c 2.119 2.120 2.120a 2.121 2.124 2.128 2.132 2.135 2.136

Seite 350 350 351 351 352 354 355 355 355 356 357 357 357 358 359 359 360 361 363 364 364

2.139 2.143 2.150 2.156 2.158 2.159 2.166 2.169 2.171 2.173 2.179

365 367 369 371 371 372 376 377 378 378 380

2.180 2.181 2.183 2.183a 2.184 2.185 2.188

381 381 382 383 383 385 390

2.189

391

2.189f

392

2.189h 2.190

393 393

Inhaltsverzeichnis

9. An Dritte verpfändete Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Wirkung einer Leistung der Bank an den Kontoinhaber . . . . . . . . 11. Verrechnung mehrerer Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anderkonten und offene Treuhandkonten . . . . . . . . . . . . . . . b) Baugeldkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Schrankfachmietverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kündigung durch den Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigung durch die Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Verwahrvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf den Bestand des Depotvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf die Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Neue Bankverträge mit natürlichen Personen als Schuldner . . . . . a) Konto für unpfändbare Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konto mit massezugehörigen Werten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konto mit vollständiger Freigabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Neue Bankverträge mit dem Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . a) Auswahl der Hinterlegungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überwachungspflichten der Hinterlegungsstelle . . . . . . . . . . . c) Fortführung des Firmenkontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konto auf den Namen des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wechsel des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Wechsel der Kontoform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anlageformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zwangsvollstreckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Fehlüberweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zahlungseingang auf einem Insolvenz-Sonderkonto (Typ 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zahlungseingang auf einem offenen Treuhandkonto des (vorläufigen) Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zahlungseingang auf einem Konto bei der Hinterlegungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kassenführung durch Sachwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustimmungsvorbehalt für den Sachwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren . . . . . . . . 1. Verbraucherinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren . . . . . . . . b) Gerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren . . . . . . . . . c) Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Restschuldbefreiungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 2.191 2.192 2.196 2.198 2.199 2.201 2.203 2.207 2.208 2.210 2.211 2.214

Seite 394 394 395 395 396 397 397 398 398 399 400 400

2.215

401

2.220 2.228 2.230 2.231 2.231c 2.232 2.233 2.236 2.242 2.245 2.260 2.264 2.266 2.267d 2.268

402 404 404 405 406 406 407 408 409 410 419 421 422 426 427

2.271

427

2.277

429

2.279 2.280 2.282 2.287 2.290 2.294 2.295 2.296 2.299 2.300 2.301

431 431 431 433 433 434 434 434 436 436 436

XXIII

Inhaltsverzeichnis

B. Auswirkungen der Insolvenz auf Zinsen und Provisionen . . . . . . . . . . I. Vor Insolvenzeröffnung entstehender Zinsanspruch . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf Zinsansprüche . . . . . . . . . 1. Verzugszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entschädigungsansprüche bei Abbruch von Kreditverträgen . . . . a) Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufhebungsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nichtabnahmeentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entschädigung für Abbruch von Kreditverhandlungen . . . . . 3. Sicherheiten für die Hauptforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mitschuldner der Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Provisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auswirkungen des Insolvenzplans auf Zinsansprüche . . . . . . . . . . . . . V. Bilanzielle Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auskunftspflichten der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anzeigepflicht aufgrund des Eröffnungsbeschlusses . . . . . . . . . . . a) Umfang der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterlassen der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auskunftspflicht auf Anfordern gegenüber dem Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wiederholung bereits erteilter Auskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Freistellungsbefugnis des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auskunftspflicht gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter . a) Verwalter ohne Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwalter mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verwalter im Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sachwalter bei Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sachwalter im Schutzschirmverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Verbraucherinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auskunftsanforderungen durch das Insolvenzgericht . . . . . . . b) Auskunftsanforderungen durch den Treuhänder . . . . . . . . . . 10. Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auskunftsansprüche der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auskunftsansprüche im Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auskunftsansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auskunftsansprüche gegenüber dem Gläubigerausschuss . . . . . . . 4. Auskunftsansprüche nach Beendigung des Insolvenzverfahrens . . III. Auskunftsrechte der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bankauskunftsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berechtigung zur Erteilung einer Bankauskunft . . . . . . . . . . . b) Inhalt einer Bankauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenz des Auskunftssuchenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV

Rn. 2.320 2.321 2.323 2.326 2.327 2.327a 2.327e 2.327f 2.327g 2.328 2.332 2.335 2.338 2.339

Seite 437 437 438 438 439 439 441 441 441 442 442 443 445 445

2.346 2.347 2.348 2.349 2.354

445 446 446 446 447

2.355 2.359 2.363 2.366 2.367 2.371 2.373 2.374 2.374a 2.375 2.375a 2.375b 2.376 2.377 2.377

447 449 451 452 452 454 454 454 455 455 455 455 456 456 456

2.378 2.386 2.387 2.400 2.401 2.405 2.406 2.407 2.415

456 459 459 459 460 460 460 461 463

Inhaltsverzeichnis

3. Schufa-Meldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Übermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berechtigung zur Übermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachträglicher Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aktualisierung und Nachmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 2.416 2.417 2.419 2.422 2.425

Seite 463 463 464 465 465

Dritter Teil Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz (Büchel) A. Überweisungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Insolvenz des Überweisungsauftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausführung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag . . . . . 2. Ausführung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag . . . . a) Ausführung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausführung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechte des späteren Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Überweisungen nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . a) Verwalter mit allgemeinem Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überweisung durch vorläufigen Verwalter mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . 4. Überweisungsaufträge nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . a) Vorliegende Überweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Überweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kriterien für die Zurechnung der Kenntnis bestimmter Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erwerb bestimmter Kenntnisse während der Ausführung . . . 5. Überweisungsaufträge im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Überweisungsaufträge im Schutzschirmverfahren . . . . . . . . . . . . . 7. Überweisungsaufträge bei Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz des Überweisungsbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berechtigung der Bank zur Gutschrift im Verhältnis zum Überweisungsauftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gutschrift auf dem Konto der insolvenzreifen Empfängerbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gutschrift auf dem Konto des insolvenzreifen Überweisungsbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsbegünstigten nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsbegünstigten nach Eröffnungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.2 3.7 3.8 3.9

467 469 469 469

3.11

470

3.12 3.21 3.27

470 473 477

3.29

478

3.41 3.44 3.46 3.47 3.50

482 483 483 484 485

3.60 3.65 3.72 3.74 3.75 3.100

489 492 495 495 495 496

3.101

496

3.102

496

3.110

500

3.125

505

3.133

507

XXV

Inhaltsverzeichnis

2. Verpflichtung der Bank zur Gutschrift im Verhältnis zum Überweisungsbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verrechnung der Zahlungseingänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Aufrechnungsbeschränkungen im Allgemeinen . . . . . . . . b) Aufrechnungserweiterungen und -beschränkungen . . . . . . . . c) Anfechtungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Deckung durch Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verrechnung der Eingänge bei offener Kreditlinie . . . . . . . . . 4. Eingänge bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . a) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Benachteiligungsvorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kenntnis der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eingänge zwei bis drei Monate vor Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . a) Anfechtbarkeit kongruenter Deckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtbarkeit inkongruenter Deckungen . . . . . . . . . . . . . . . c) Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Eingänge im letzten Monat vor Insolvenzantrag oder nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtbarkeit kongruenter oder inkongruenter Deckungen . b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtshandlung und die Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Eingänge nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . . . . . a) Allgemeines Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einsetzung eines vorläufigen Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Herausgabe anfechtbar verrechneter Eingänge . . . . . . . . . . . . . . . 9. Eingänge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . a) Entgegennahme von Zahlungseingängen im Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entgegennahme von Zahlungseingängen auf abgetretene Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entgegennahme von Zahlungseingängen ohne Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entgegennahme von Zahlungseingängen und Zulassung von Zahlungsausgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Eingänge nach Einstellung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . 11. Eingänge im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderfälle von Überweisungsaufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Daueraufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unwiderrufliche und bestätigte Überweisungsaufträge . . . . . . . . . a) Bestätigte Überweisungsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Überweisung aufgrund eines Avis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gutschrift vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . b) Gutschrift nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . c) Vorgezogene Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXVI

Rn.

Seite

3.136 3.141 3.144 3.146 3.153 3.156 3.170 3.201 3.202 3.203 3.212 3.222 3.223 3.224

507 509 510 510 512 517 523 536 536 537 540 542 542 542

3.227

543

3.230 3.231

544 544

3.236 3.239 3.240 3.241 3.245 3.246 3.247

545 546 547 547 550 550 551

3.248

551

3.250

552

3.251

552

3.253 3.254 3.257 3.300 3.300 3.302 3.303 3.305 3.319 3.321 3.322 3.323

554 555 555 556 556 556 556 557 561 562 562 562

Inhaltsverzeichnis Rn. 4. Fortzahlung von Renten nach dem Tod des Empfängers . . . . . . . . 3.324 a) Rückforderung nach Einzug durch Verwalter . . . . . . . . . . . . . 3.325 b) Rückforderung vor Einzug durch Verwalter . . . . . . . . . . . . . . 3.326 B. Scheckverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Insolvenz des Scheckausstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einlösung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag . . . . . . . 2. Einlösung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag . . . . . a) Einlösung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einlösung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einlösung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . . . . a) Allgemeines Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . 4. Einlösung von Schecks nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitpunkt der Einlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einlösung trotz Kenntnis der Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . c) Einlösung ohne Kenntnis der Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . d) Einlösung wegen Gefahr im Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bestätigter Scheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Einlösung von kartengarantierten eurocheques . . . . . . . . . . . . 5. Einlösung im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz des Scheckeinreichers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berechtigung zur Übernahme des Einzugsauftrags . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen der Insolvenz auf die Erteilung neuer Einzugsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neue Einzugsaufträge vor Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Einzugsaufträge nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . c) Neue Einzugsaufträge nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . d) Neue Einzugsaufträge im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen der Insolvenz auf laufende Einzugsaufträge . . . . . . a) Auswirkungen von Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen der Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . c) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verrechnung der Zahlungseingänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Generelle Anfechtungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Scheckeinzug bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantrag . . . . . . . . c) Scheckeinzug zwei bis drei Monate vor Insolvenzantrag . . . . . d) Scheckeinzug im letzten Monat vor Insolvenzantrag oder nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Scheckeinzug nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . f) Scheckeinzug nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reiseschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Seite 563 564 564

3.350 3.351 3.352 3.353

566 566 566 567

3.354

567

3.357 3.358 3.359 3.363 3.365 3.367 3.369 3.370 3.372 3.378 3.379 3.380 3.381 3.383 3.384

568 568 568 570 570 570 571 573 573 574 575 575 575 575 576

3.386 3.387 3.388 3.395 3.403 3.404

576 576 576 578 580 580

3.404 3.405 3.407 3.412 3.414 3.421 3.440

580 581 581 582 582 586 593

3.447 3.451 3.457 3.461

594 594 596 597

XXVII

Inhaltsverzeichnis

C. Wechselgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Insolvenz des Wechselakzeptanten beim Domizilwechsel . . . . . . . . . . 1. Einlösung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag . . . . . . . 2. Einlösung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag . . . . . a) Einlösung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einlösung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einlösung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . . . . a) Allgemeines Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorläufiger Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . 4. Einlösung von Wechseln nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . a) Einlösung trotz Kenntnis der Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . b) Einlösung ohne Kenntnis der Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . c) Einlösung wegen Gefahr im Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz des Wechselausstellers oder -indossatars beim Domizilwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inkassowechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berechtigung zur Übernahme des Einzugsauftrags . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen der Insolvenz auf die Erteilung neuer Einzugsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neue Einzugsaufträge vor Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Einzugsaufträge nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . c) Neue Einzugsaufträge nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . d) Erteilung neuer Einzugsaufträge im Planverfahren . . . . . . . . . 3. Auswirkungen der Insolvenz auf laufende Einzugsaufträge . . . . . . a) Auswirkungen von Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag. b) Auswirkungen der Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . c) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verrechnung der Zahlungseingänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Generelle Anfechtungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wechseleinzug bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantrag . . . . . . c) Wechseleinzug zwei bis drei Monate vor Insolvenzantrag . . . d) Wechseleinzug im letzten Monat vor Insolvenzantrag oder nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wechseleinzug nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . f) Wechseleinzug nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . IV. Diskontwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenz des Akzeptanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rückbelastungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Protest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Warnpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unerledigtes Diskontangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Akzeptantenwechsel und Scheck-/Wechsel-Verfahren . . . . . . . . . . . . 1. Akzeptantenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Scheck-/Wechsel-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVIII

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D. Lastschriftverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abwicklung des Lastschriftverfahrens im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . 1. Ehemaliges Einzugsermächtigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. SEPA-Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz des Zahlungspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einlösung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag . . . . . . . a) Erhebung des Erstattungsanspruchs durch Verwalter . . . . . . . b) Erhebung des Erstattungsanspruchs durch den Kunden . . . . . c) Wirkung der Erstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung von Belastungsbuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einlösung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag . . . . . a) Einlösung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einlösung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einlösung nach Anordnung von Verfügungsbeschränkungen . . . a) Bearbeitung in Kenntnis der Verfügungsbeschränkungen . . . b) Ausführung ohne Kenntnis der Verfügungsbeschränkungen . 4. Einlösung nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einlösung trotz Kenntnis von der Insolvenzeröffnung . . . . . . b) Einlösung ohne Kenntnis von der Insolvenzeröffnung . . . . . . c) Maßgebender Zeitpunkt für die Unkenntnis . . . . . . . . . . . . . . 5. Einlösung im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insolvenz des Zahlungsempfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berechtigung der Bank zum Lastschrifteinzug im Verhältnis zum Zahlungspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Warnpflicht der Gläubigerbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Warnpflicht der Zahlstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen der Insolvenz auf die Erteilung neuer Einzugsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neue Einzugsaufträge vor Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Einzugsaufträge nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . c) Neue Einzugsaufträge nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . d) Erteilung neuer Einzugsaufträge im Planverfahren . . . . . . . . . 3. Auswirkungen der Insolvenz auf laufende Einzugsaufträge . . . . . . a) Auswirkungen von Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen der Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . c) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfügung über den Lastschriftbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verrechnung der Zahlungseingänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Generelle Anfechtungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lastschrifteinzug bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantrag . . . . . c) Lastschrifteinzug bis zu drei Monaten vor Insolvenzantrag . . d) Gutschrift vor und Einlösung nach Verfahrenseröffnung . . . . e) Lastschrifteinzug nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . f) Lastschrifteinzug nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 3.650 3.651 3.655 3.660 3.665 3.666 3.669 3.671 3.680 3.684 3.690

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E. Kassenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auszahlungen über die Kasse oder einen Geldausgabeautomaten . . . . 1. Auszahlung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag . . . . . . 2. Auszahlung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag . . . . a) Auszahlung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auszahlung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auszahlung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . . a) Allgemeines Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . 4. Auszahlung nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auszahlung ohne Kenntnis von der Insolvenzeröffnung . . . . b) Auszahlung trotz Kenntnis der Insolvenzeröffnung . . . . . . . . c) Maßgebender Zeitpunkt für die Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzahlungen durch den Kunden über die Kasse . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einzahlungen vor Verfügungsverbot bzw. Verfahrenseröffnung . . a) Einzahlungen bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantrag . . . . . . . b) Einzahlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzahlungen im letzten Monat vor Insolvenzantrag oder nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzahlungen nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . a) Allgemeines Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorläufiger Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . 3. Einzahlungen nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einzahlungen durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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F. Zahlungsverkehrssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Arten und Verfahrensweisen der Zahlungsverkehrssysteme . . . . . . . . 1. Arten von Zahlungsverkehrssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeldete Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bruttosysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nettosysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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g) Lastschrifteinzug im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Verweigerung der Einlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erhebung des Erstattungsanspruchs durch den Zahlungspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wiederherstellung des ursprünglichen Saldos . . . . . . . . . . . . . b) Direktanspruch der Bank gegen den Zahlungspflichtigen . . . . c) Einbehalten des Lastschriftgegenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausgleich zwischen Zahler und Zahlungsempfänger . . . . . . .

XXX

Inhaltsverzeichnis Rn. III. Zahlungsverkehr bei Insolvenz eines Teilnehmers eines Zahlungsverkehrssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1020 1. Vor Verfahrenseröffnung eingebrachte und am Tag der Verfahrenseröffnung bearbeitete Zahlungsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1022 a) Fortgeltung der Zahlungsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1023 b) Saldierung der Zahlungsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1024 c) Spitzenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1026 d) Widerruf von Zahlungsaufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1029 2. Nach Verfahrenseröffnung eingebrachte und am Tag der Verfahrenseröffnung bearbeitete Zahlungsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1031 a) Ausführung aus Guthaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1033 b) Ausführung aus Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1036 c) Subsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1039 3. Vor oder nach Verfahrenseröffnung eingebrachte und nach dem Tag der Verfahrenseröffnung bearbeitete Zahlungsaufträge . . . . . 3.1040 4. Zahlungsaufträge nach vorläufigen Maßnahmen der BaFin . . . . . 3.1042 a) Zahlungen entgegen Veräußerungs- und Zahlungsverbot . . . 3.1043 b) Zahlungen entgegen Annahmeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1047 5. Zahlungsaufträge vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . 3.1048 a) Anfechtungsausschluss durch die Systemtechnik . . . . . . . . . . 3.1050 b) Anfechtungsausschluss mangels Gläubigerbenachteiligung . . 3.1051 c) Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger . . . . . . . . . . 3.1055 6. Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1056 a) Sicherungszessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1057 b) Sicherheiten im Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1059 IV. Abwicklung über zentrale Kontrahenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1060 1. Begriff des zentralen Kontrahenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1061 2. Insolvenzrechtliche Konsequenzen ohne Sonderregelung . . . . . . . 3.1062 3. Entwicklung der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1063 a) Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 . . . . . . . . . . . . 3.1064 b) Umsetzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 . . . . . . . . . . . 3.1065 4. Wirkung der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1066 a) Rechte des zentralen Kontrahenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3.1066a b) Rechte des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3.1066b c) Art und Weise der Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1067 G. Cash-Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragsgestaltung und wirtschaftlicher Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsgestaltung und Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftlicher Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesellschaftsrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überwiegende Zahlungen von Tochtergesellschaft an Muttergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verletzung der Grundsätze der Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . b) Verletzung der Grundsätze der Kapitalaufbringung . . . . . . . . c) Haftung wegen Insolvenzverschleppung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen auf die kontoführende Bank . . . . . . . . . . . . . .

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H. Kreditkartengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1150 I. Rechtsnatur und Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1151 1. Kartenzahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1152 2. Vertragsbeziehungen beim Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1154 3. Insolvenzrechtliche Stufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1156 II. Kreditkartengeschäft während eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1157 1. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1159 2. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1163 3. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1165 a) Kreditkarte als Bargeldersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3.1165a b) Kreditkarte mit Rahmenkreditabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3.1165b III. Kreditkartengeschäft im Insolvenzantragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 3.1166 1. Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1168 a) Abwicklung ohne Kenntnis der Verfügungsbeschränkungen . 3.1172 b) Abwicklung in Kenntnis der Verfügungsbeschränkungen . . . 3.1174 2. Einsetzung eines vorläufigen Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1184

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2. Überwiegende Zahlungen der Muttergesellschaft an eine Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtbare Rückführung von Gesellschafterdarlehen . . . . . . b) Auswirkungen auf die Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorsichtsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen der Insolvenz auf die Cash-Management-Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anordnung eines Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf den Bestand der Vereinbarung . . . . . . . . . b) Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt gegen eine Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt gegen die Muttergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzanfechtung durch den Verwalter der Tochtergesellschaft (Ursprungskontoinhaber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verrechnung von Zahlungseingängen bei debitorischen Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verrechnung von Zahlungseingängen bei kreditorischer Kontoführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anfechtung gegenüber der Muttergesellschaft . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung gegenüber der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzanfechtung durch den Verwalter der Muttergesellschaft. a) Anfechtung der Verrechnung von Zahlungseingängen . . . . . . b) Anfechtung von Zahlungsausgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXII

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Inhaltsverzeichnis

IV. Kreditkartengeschäft im eröffneten Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . 1. Rückgriff auf Kontoguthaben oder Insolvenzforderung . . . . . . . . . a) Abwicklung ohne Kenntnis der Lage des Karteninhabers . . . . b) Abwicklung in Kenntnis der Lage des Karteninhabers . . . . . . c) Verfahrenseröffnung zwischen Kartenzahlung und Verbuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückgriff auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung des Hauptkarteninhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung des Zusatzkarteninhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 3.1185 3.1188 3.1189 3.1190

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3.1192 3.1196 3.1197 3.1198

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4.10 4.10 4.14

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Vierter Teil Akkreditiv- und Dokumentengeschäft (Ingelmann) A. Dokumentenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz des Akkreditivauftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Akkreditive vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen oder Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Akkreditivabwicklung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Akkreditivabwicklung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Akkreditive nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . . . a) Allgemeines Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . 3. Akkreditivaufträge nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzeröffnung vor Avisierung und Honorierung . . . . . . b) Insolvenzeröffnung nach Eröffnung eines widerruflichen Akkreditivs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenz nach Eröffnung eines unwiderruflichen Akkreditivs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insolvenzeröffnung zwischen Dokumentenvorlage und Honorierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Akkreditive im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insolvenz des Akkreditivbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einreichung der Dokumente vor Verfügungsverbot und vor Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einreichung der Dokumente nach Verfügungsverbot . . . . . . . . . . a) Anordnung eines Verfügungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einsetzung eines vorläufigen Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einreichung der Dokumente nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . 4. Einreichung auf Akkreditive mit hinausgeschobener Zahlung . . . 5. Besonderheiten bei Bevorschussung des Akkreditivs . . . . . . . . . . . a) Besicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXIII

Inhaltsverzeichnis

b) Akkreditiveröffnung und Dokumentenvorlage vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen und vor Verfahrenseröffnung . c) Akkreditiveröffnung bzw. Bestätigung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Akkreditiveröffnung und Dokumentenvorlage nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Forfaitierung von Akkreditiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einziehungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Schutzzusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Benachrichtigungspflichten der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenz des Akkreditivbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kenntnis der Insolvenz nach Akkreditiveröffnung . . . . . . . . . b) Kenntnis der Insolvenz vor Akkreditiveröffnung . . . . . . . . . . 2. Insolvenz des Akkreditivauftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sonderformen von Akkreditiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Commercial letter of credit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Back-to-back-Akkreditive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Akzeptleistungs-Akkreditive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Dokumenteninkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Insolvenz des Inkassobezogenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz des Einreichers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auftragserteilung und Dokumentenübergabe vor Verfügungsverbot und vor Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicherung der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfügungsverbot vor Weitergabe der Dokumente . . . . . . . . . c) Insolvenzeröffnung vor Weitergabe der Dokumente . . . . . . . d) Insolvenzeröffnung nach Weitergabe der Dokumente . . . . . . 2. Auftragserteilung und Dokumentenübergabe nach Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . 3. Inkassoaufträge nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten bei Akzept von Wechseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wechsel für sicherungshalber abgetretene Forderung . . . . . . . b) Wechsel ohne sicherungshalber abgetretene Forderung . . . . .

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5.7 5.8

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Fünfter Teil Kreditgeschäft (Huber) A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum Begriff der „Krise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXIV

Inhaltsverzeichnis

II. Wege zur Früherkennung der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Indizien für Kreditinstitute (aus der direkten Geschäftsbeziehung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Indizien für Lieferanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insolvenzprognose durch Diskriminanzanalyse und Financial Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufsichtsrechtliche Vorgaben für die interne Organisation der Bearbeitung von Krisenengagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sofortmaßnahmen bei einer krisenhaften Entwicklung eines Kunden. 1. Erfassung des Gesamtengagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Überprüfung der Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherungsübereignungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grundschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bürgschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Maßnahmen gegenüber dem Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicherheitenverstärkung und Sicherheitenerhaltung . . . . . . . . b) Vorbereitung der Kreditkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gespräche mit dem Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Compliance-relevante Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entscheidung über das weitere Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. (Vorinsolvenzliche) Begleitung des Kunden, insbesondere bei dessen geplanter Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Schweigendes“ Stillhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückführung des Engagements, insbesondere durch Kreditkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Allgemeine rechtliche Grenzen in der Krise und bei drohender Insolvenz in der Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die besonderen Risiken der vorinsolvenzlichen Sanierungsbegleitung, insbesondere durch neue Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangssituation: Jedes Krisenszenario ist (ein kleines bisschen) anders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besondere Risiken des Kreditgeschäfts in der Krise und Haftung . . . . 1. „Rettungschance“ sollte zwingend gegeben sein . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zu beachtende Risiken als „Geschäftsgrundlage“ für eine (freie) Sanierungsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sittenwidrigkeit des Kreditvertrags (§ 138 BGB) . . . . . . . . . . . b) Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorinsolvenzlicher Erwerb von Unternehmensanteilen („Rettungserwerb“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ansprüche Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Restrukturierungsbegleitung nach dem StaRUG . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 5.17

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822 822 823

5.87 5.88 5.94 5.95

823 823 826 826 XXXV

Inhaltsverzeichnis

D. Handlungsoptionen einer vorinsolvenzlichen Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Stillhalte-Vereinbarung („Standstill“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des Stillhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schweigendes Stillhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beredtes Schweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang eines beredten Schweigens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen eines beredten Schweigens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neuhereinnahme von (Kunden-)Sicherheiten („Nachbesicherung“) bzw. „Ausnutzen“ bereits vorhandener Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einflussnahme auf den Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einflussnahme auf Dritte (Geschäftspartner des Unternehmens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einbindung mehrerer Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausgestaltung einer Stillhaltevereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. (Stundungs-)Vereinbarungen im Privatkundengeschäft . . . . . . . . a) Stundungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Forderungsbeschränkungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vollstreckungsbeschränkungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Neue Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Frisches Geld“ ist oft Sanierungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff des Sanierungskredits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsätzliche Berechtigung zur Einräumung neuer Kredite . . . . 4. Das Sanierungskonzept als entscheidende Grundlage für eine Sanierung(sfinanzierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Langjährige Anforderungen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . b) Ausdifferenzierung durch die Rechtsprechung in jüngerer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussfolgerungen aus den Vorgaben der Rechtsprechung . . 5. Die Beauftragung des Sanierungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter . . . . b) Interessenlage des Kreditinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitergabe des Sanierungskonzepts an das Kreditinstitut und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Muster für die Anforderung eines Sanierungskonzepts . . . . . . 6. Kredit(e) zur Überbrückung des Prüfungszeitraums („Überbrückungskredit“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der entscheidende Zweck: die Überbrückung des Prüfungszeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Laufzeit des Überbrückungskredits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besicherung des Überbrückungskredits . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verlängerung des Überbrückungskredits . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kündbarkeit des Überziehungskredits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Unbedenklichkeit des „fachgerechten“ Überbrückungskredits 7. Prüfung des Sanierungskonzepts durch das Kreditinstitut . . . . . . a) Zeit der Konzepterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVI

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831 832

5.117 5.127 5.131 5.136 5.138 5.139 5.144 5.146 5.149 5.149 5.153 5.157

834 838 838 840 847 847 850 851 852 852 854 855

5.158 5.159

856 856

5.166 5.180 5.184 5.185 5.186

857 862 863 863 864

5.192 5.198

867 870

5.199

872

5.200 5.204 5.208 5.209 5.210 5.211 5.215 5.215

872 873 875 875 876 876 877 877

Inhaltsverzeichnis

b) Anforderungen an die Prüfung des vorgelegten Sanierungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tauglichkeit des eigenen Sanierungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . d) Prüfungsdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Prüfungsanforderungen für „kleine“ Unternehmen . . . . . . . . 8. Der Sanierungskredit(vertrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überwachung der Plandurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erforderlichkeit einer Sanierungsabschlussbestätigung? . . . . . d) Die Ausgestaltung einer Sanierungsabschlussbestätigung . . . . e) Die Abschlussbestätigung in der praktischen Umsetzung . . . . 9. Besicherung des Sanierungskredits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Die Relevanz des Sanierungskonzepts für weitere Sanierungsfinanzierungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auszahlung eines außerhalb der Krise gewährten Kredits . . . b) Prolongation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. „Neue Finanzierung“ nach § 12 StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen einer Restrukturierungsfinanzierung, auch aus Sicht eines Kreditinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aussagen des StaRUG zur Vermeidung eines Finanzierungsrisikos in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fachgerechtes Restrukturierungskonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . d) Finanzierung zur Überbrückung des Zeitraums bis zum Plan („Zwischenfinanzierung“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Arten von neuen Finanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Aufnahme in den Plan und Erforderlichkeit der neuen Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Folgen unterlassener Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schadenersatzansprüche des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . b) Schadenersatzansprüche Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Ersatzansprüche der Bank gegen Organe des Kunden . . . . . . . . . . 14. Strafbarkeit und Haftung von Verantwortlichen der Bank . . . . . . a) Strafrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivilrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Kredite zur Durchführung einer stillen Liquidation . . . . . . . . . . . . 16. Verweigerung neuer Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Sonderprobleme bei Finanzierung von Leveraged Buyouts . . . . . . III. Kündigung von Krediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fristablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einschränkungen bei der Fristbemessung/Verbot der Kündigung zur Unzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot der rechtsmissbräuchlichen Kündigung . . . . . . . . . . . c) Weitere Grenzen aus Treu und Glauben, z.B. Schaffung eines Vertrauenstatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn.

Seite

5.216 5.222 5.223 5.224 5.225 5.226 5.231 5.233 5.246 5.253 5.255

877 880 881 881 882 882 884 884 889 892 893

5.257 5.258 5.259 5.262 5.264

894 894 894 895 895

5.264

895

5.265 5.268

896 897

5.270 5.272

899 900

5.275 5.279 5.280 5.281 5.286 5.291 5.296 5.297 5.303 5.305 5.307 5.308 5.311 5.315 5.318

901 903 903 904 906 907 909 909 911 912 913 913 914 915 916

5.323 5.329

918 921

5.333 5.341

922 925 XXXVII

Inhaltsverzeichnis

a) Wichtiger Grund und Unzumutbarkeit der Vertragsweiterführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unrichtige Angaben über die Vermögensverhältnisse . . . . . . c) Wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . d) erfolgloses Nachbesicherungsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sonstige (wichtigen) Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Einhaltung von Finanzkennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Unterscheidung zwischen zugesagten und ausgezahlten Krediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zumutbarkeit eines Kündigungsaufschubs . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kündigung trotz besonderer Härten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kündigungsverbot wegen Existenzgefährdung . . . . . . . . . . . . b) Kündigung trotz Gefahr strafrechtlicher oder ordnungswidrigkeitenrechtlicher Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kündigungsrechte bei Sanierungskrediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kündigungsausschluss bei planmäßigem Sanierungsverlauf . . b) Kündigungsrechte außenstehender Banken . . . . . . . . . . . . . . . c) Kündigungsrechte beim Überbrückungskredit . . . . . . . . . . . . 6. Ausübung des Kündigungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umfang des Kündigungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mehrere Darlehensnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zweckmäßigkeit der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Form der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsfolgen einer unzulässigen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen einer zulässigen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rückzahlungen aufgrund einer Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . 9. Besondere Bestimmungen im Verbraucherdarlehensrecht . . . . . . a) Fristablauf bzw. ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Leistungsverweigerungsrecht nach § 499 Abs. 2 BGB. c) Kündigungsausschluss bei unzureichender Kreditwürdigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Forderungsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarkeit mit guten Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zivilrechtliche Wirkungen eines Forderungsverzichts ohne Zusatzerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Form des Forderungsverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Forderungsverzicht mit Verfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Forderungsverzicht mit Besserungsversprechen . . . . . . . . . . . . . . a) Zivilrechtliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzverfahrensrechtliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirkungen einer Beendigung der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Formulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVIII

Rn.

Seite

5.348 5.349

929 930

5.352 5.362 5.365 5.368

932 937 938 940

5.369 5.370 5.371 5.372

940 940 941 941

5.373 5.374 5.375 5.378 5.381 5.383 5.383 5.385 5.387 5.389 5.390 5.393 5.402 5.402 5.404 5.407 5.410 5.413 5.414

941 942 943 944 945 946 946 946 947 948 948 949 952 952 954 955 956 956 957

5.415 5.417 5.428 5.429 5.430

958 958 964 964 965

5.431 5.433 5.437 5.439 5.441 5.446 5.448 5.451

965 967 969 970 970 971 972 972

Inhaltsverzeichnis

6. Bilanzielle und steuerrechtliche Wirkungen eines Forderungsverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bilanzielle Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuerrechtliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rangrücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt einer Rangrücktrittsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Form des Rangrücktritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bilanzielle und steuerrechtliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Wirkungen einer Beendigung der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite . . . . . . . . . . . . . . I. Rückwirkungen eines Insolvenzverfahrens durch eine Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtung wegen einer vorsätzlichen Benachteiligung . . . . . . . . a) Abschluss eines Kreditvertrags und Auszahlung der Kreditsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschluss eines Kreditvertrags und Auszahlung der Kreditsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anfechtung entgeltlicher Verträge mit nahestehenden Personen . a) Abschluss eines Kreditvertrages und Auszahlung der Kreditsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtung der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen . . . . . . . 5. Anfechtung wegen einer kongruenten Deckung . . . . . . . . . . . . . . a) Abschluss eines Kreditvertrags und Auszahlung der Kreditsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anfechtung wegen einer inkongruenten Deckung . . . . . . . . . . . . . a) Auszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anfechtung einen Monat vor Insolvenzantrag (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Anfechtung nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarung und Auszahlung von Krediten . . . . . . . . . . . . . b) Rückzahlung von Krediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zahlungssperre nach § 15b InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zahlungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückführung ohne Verletzung der Zahlungssperre . . . . . . . . . 9. Konzernkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kreditvereinbarung ohne gesamtschuldnerische Haftung . . . . b) Kreditvereinbarung mit gesamtschuldnerischer Haftung . . . . c) Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn.

Seite

5.454 5.454 5.457 5.464 5.466 5.470 5.471 5.481 5.482 5.487 5.488

974 974 975 979 980 981 982 987 987 989 990

5.494

994

5.495 5.503

994 997

5.504 5.505 5.544

997 998 1021

5.545 5.546 5.551

1022 1022 1024

5.554 5.555 5.556 5.557

1025 1025 1026 1026

5.558 5.559 5.579 5.581 5.582

1026 1027 1035 1036 1036

5.615 5.616 5.617 5.618 5.619 5.620 5.634 5.635 5.638 5.642 5.644

1047 1047 1047 1048 1048 1048 1056 1057 1057 1058 1059 XXXIX

Inhaltsverzeichnis

10. Sicherheitenfreigabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicherheiten aus dem Vermögen des Kreditnehmers . . . . . . . b) Sicherheiten aus dem Vermögen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. COVID-19-Pandemie-Gesetzgebung und die noch relevanten Bestimmungen, vorallem das Anfechtungsprivileg . . . . . . . . . . . . . . a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) COVInsAG „kurz gefasst“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Relevanz des COVInsAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die nächste Krise bringt die Fortsetzung: das COVInsAG mutiert zum SanInsKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kreditgeschäft nach Insolvenzantragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. (Nur) Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters . . . . . . . . a) Bestehende Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinem Verfügungsverbot a) Bestehende Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt . . . . . a) Bestehende Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorläufiger Insolvenzverwalter mit Einzelermächtigung . . . . . . . . 6. Der vorläufige Sachwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestehende Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Der vorläufige Sachwalter mit Zustimmungsvorbehalt gemäß § 270c Abs. 3 Satz 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestehende Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Exkurs: Schutzschirmverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestehende Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Verwalterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befristungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Massekostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Prozesskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Besonderheiten bei Negativ- und Positiverklärung . . . . . . . . . . . . a) Negativerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Positiverklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorzeitige Zahlung von Insolvenzgeld durch Insolvenzgeldvorfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen für Ansprüche auf Insolvenzgeld . . . . . . . . . . . . 2. Finanzierungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Risiken durch Antragsrücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Risiken durch Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XL

Rn. Seite 5.647 1059 5.648 1060 5.649 1060 5.658 1063 5.661 5.661 5.662 5.665

1064 1064 1065 1067

5.665a 5.666 5.669 5.674 5.675 5.677 5.678 5.679 5.683 5.687 5.688 5.689 5.706 5.707 5.709 5.711

1068 1069 1070 1072 1072 1073 1073 1073 1074 1075 1075 1076 1090 1090 1091 1092

5.717 5.718 5.719 5.720 5.721 5.724 5.725 5.728 5.731 5.746 5.752 5.753 5.754 5.760

1100 1100 1101 1101 1101 1102 1102 1103 1104 1110 1112 1112 1113 1115

5.762 5.765 5.766 5.769 5.770 5.771

1116 1117 1118 1119 1119 1120

Inhaltsverzeichnis

4. Umfang des Insolvenzgeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirksamer Erwerb von Insolvenzgeldansprüchen durch die Bank a) Abtretbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abtretung an Gläubiger des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . c) Missbrauchsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Individuelle Vorfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rang der Ansprüche auf Arbeitsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Bankaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) KWG-Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Abwicklung und Kontoführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters (bzw. des eigenverwaltenden Schuldners) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgaben der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Vertragsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verträge mit den Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertrag mit dem vorläufigen Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kreditgeschäft im eröffneten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Behandlung (noch) bestehender Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Krediteröffnungsverträge („Kontokorrentkredite“ oder auch „Kreditlinien(verträge)“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Darlehen (Festbetragskredite oder auch Tilgungskredite) . . . . c) Aval-, Akzept- und Diskontkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kredite an mehrere Kreditnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neue Kredite („Massekredite“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rang der Neukredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besicherung der Neukredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verbundhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbuchung der Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bewertung der Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Muster eines Massedarlehens (Kreditlinie) sowie eines unechten Massedarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Besonderheiten bei Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kreditgeschäft in der Insolvenz natürlicher Personen . . . . . . . . . . a) Besonderheiten bei Selbständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten durch Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kredite im Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestehende Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rückzahlung von „Verwalterkrediten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prolongation von „Verwalterkrediten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neue Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Modalitäten der Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfang des Vorrangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dauer des Vorrangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorrang bei Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 5.774 5.774 5.776 5.783 5.784 5.787 5.790 5.795 5.797 5.800 5.801 5.802 5.803

Seite 1121 1121 1121 1123 1123 1124 1125 1126 1128 1129 1129 1130 1130

5.804 5.805 5.808 5.809 5.812 5.814 5.814

1130 1131 1132 1132 1137 1143 1143

5.815 5.817 5.824 5.826 5.828 5.833 5.836 5.839 5.840 5.841

1144 1145 1147 1148 1149 1150 1151 1152 1153 1153

5.842 5.844 5.850 5.852 5.854 5.858 5.859 5.860 5.861 5.862 5.866 5.867 5.870 5.871

1153 1162 1169 1169 1170 1171 1171 1171 1172 1172 1173 1173 1174 1174

XLI

Inhaltsverzeichnis Rn. 5.872 5.873 5.876 5.877 5.880 5.881 5.883 5.888 5.890 5.892 5.893 5.894 5.895 5.896 5.900 5.903 5.905 5.911 5.913 5.922 5.923 5.927 5.928 5.930 5.932 5.933 5.934 5.935 5.937 5.938 5.940 5.941 5.942 5.943 5.945 5.946 5.947 5.949 5.951 5.955 5.956 5.957 5.984 5.1009 5.1011

Seite 1175 1176 1177 1177 1178 1178 1179 1180 1180 1181 1181 1182 1182 1182 1184 1185 1186 1188 1188 1191 1191 1192 1192 1193 1193 1194 1194 1194 1196 1196 1197 1197 1198 1198 1199 1199 1200 1200 1201 1202 1203 1203 1211 1220 1221

F. Avalkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1012 I. Arten von Avalkrediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1013

1222 1222

4. Formulierung der Kreditzusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kündigungsausschluss bei debt-equity-swap . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Behandlung von Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betroffene Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Verein, Stiftung . . . . . . . . . e) Aktiengesellschaft, Europäische Gesellschaft (SE) . . . . . . . . . . f) Zusammenrechnung von Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Körperschaften und Anstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arten der Beteiligung als Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mittelbare Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Treuhänder und Treugeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Pfandgläubiger und Sicherungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . e) Unterbeteiligte und Nießbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Konsortien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Neu eingetretene Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ausgeschiedene Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Wandelgenussrechtsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geldkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kreditzusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Lieferantenkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nutzungs- oder Gebrauchsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Leasinggeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Durchlaufende und durchgeleitete Kredite . . . . . . . . . . . . . . . h) Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Wertpapierpensions- und Wertpapierleihgeschäfte . . . . . . . . 5. Sanierungsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweck des Beteiligungserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erstmaliger Beteiligungserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufstockung einer unter 10 % liegenden Beteiligung . . . . . . . d) Aufstockung einer über 10 % liegenden Beteiligung . . . . . . . . e) Erstmaliger Kredit eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zeitliche Bindung des Sanierungsprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anteilserwerb im Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kredite des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besicherung durch den Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beseitigung der Nachrangigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Vergleich mit Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XLII

Inhaltsverzeichnis

II. Insolvenz des Avalauftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neue Avalaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Avalauftrag vor Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Avalauftrag nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Avalaufträge nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Avalaufträge im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestehende Avale in der Insolvenz des Auftraggebers . . . . . . . . . . a) Befreiung von der Avalverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inanspruchnahme des Avals vor Verfahrenseröffnung . . . . . . c) Inanspruchnahme des Avals nach Verfügungsverbot . . . . . . . d) Inanspruchnahme des Avals nach Verfahrenseröffnung . . . . . e) Inanspruchnahme im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Missbräuchliche Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Wiederaufleben von Avalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Avalprovision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Avalprovision als Bereitstellungsprovision? . . . . . . . . . . . . . . . b) Avalprovision für eine bereits übernommene Bürgschaft . . . . c) Rückerstattung nicht verbrauchter Provisionen . . . . . . . . . . . d) Gläubiger als Garantieauftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insolvenz des Avalbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inanspruchnahme des Avals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bürgschaft auf erstes Anfordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Freigabe der Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 5.1018 5.1019 5.1019 5.1034 5.1041 5.1044 5.1045 5.1046 5.1049 5.1053 5.1056 5.1086 5.1087 5.1090 5.1091 5.1093 5.1095 5.1103 5.1105 5.1108 5.1108 5.1110 5.1111

Seite 1224 1224 1224 1229 1230 1231 1231 1232 1233 1234 1235 1245 1245 1246 1247 1248 1249 1253 1253 1254 1254 1254 1255

G. Konsortialkredite und Unterbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konsortialgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen der Insolvenz des Kreditnehmers . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen der Insolvenz des Konsortialführers . . . . . . . . . . . . a) Konsortialführer als Zahlstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konsortialführer als Sicherheitentreuhänder . . . . . . . . . . . . . . c) Auswechselung des Konsortialführers wegen Insolvenz . . . . . d) Folgen einer Insolvenz eines Konsorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen einer Insolvenz des Kreditnehmers . . . . . . . . . . . . a) Abstimmungserfordernisse im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . b) Fehlen einer Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vertragliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen einer Insolvenz des Hauptbeteiligten . . . . . . . . . . . 4. Auswirkungen einer Insolvenz des Unterbeteiligten . . . . . . . . . . .

5.1112 5.1113 5.1114 5.1115 5.1119 5.1120 5.1128 5.1139 5.1146 5.1147 5.1148 5.1150 5.1152 5.1154 5.1157 5.1158 5.1159

1255 1256 1256 1256 1257 1258 1261 1264 1266 1266 1266 1267 1267 1267 1268 1269 1269

6.3 6.5

1271 1272

Sechster Teil Kreditsicherheiten (Manfred Obermüller) A. Bestellung von Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Grenzen für die Bestellung von Sicherheiten . . . . . . . . . . .

XLIII

Inhaltsverzeichnis

1. Knebelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Knebelung durch Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stille Geschäftsinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kenntnis der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Haftung als Verfügungsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . 3. Gläubigergefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übermäßige Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Undurchsichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewusstsein der Gläubigergefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kreis der gefährdeten Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kreditbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konzernfinanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesellschaftsrechtliche Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anfechtung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Drittsicherheiten, Gläubigerwechsel und Bargeschäfte . . . . . . . . . a) Drittsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gläubigerwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bargeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtung nachträglicher Besicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherheitenbestellung bis zu zehn Jahren vor Insolvenzantrag . . . a) Erwerb von Kreditsicherheiten durch Rechtsgeschäft . . . . . . . b) Erwerb von Kreditsicherheiten durch Zwangsvollstreckung . . c) Besicherung von Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sicherheitenbestellung bis zu vier Jahren vor Insolvenzantrag . . . a) Bestellung von Sicherheiten durch Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerb von Pfandrechten durch Zwangsvollstreckung . . . . . . c) Sicherheitenbestellung als unentgeltliche Leistung . . . . . . . . . 5. Sicherheitenbestellung ein bis zwei Jahre vor Insolvenzantrag . . . 6. Sicherheitenbestellung zwei bis drei Monate vor Insolvenzantrag . a) Sicherheitenbestellung nach Nr. 13 AGB Banken . . . . . . . . . . b) Revolvierende Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besicherung bestehender und künftiger oder prolongierter Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sukzessive Kreditauszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Konzentration auf einen einzigen Sicherungsgegenstand . . . . f) Sicherheitenbestellung aufgrund konkreter Verpflichtung . . . g) Sicherheitenerwerb nach Nr. 14 und 15 AGB Banken . . . . . . . h) Durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erlangte Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Aufwertung vorhandener Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Anfechtungszeitraum bis einen Monat vor Insolvenzantrag . . . . . a) Durch Rechtsgeschäfte erlangte Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . XLIV

Rn. Seite 6.10 1274 6.11 1274 6.21 1277 6.32 1280 6.36 1281 6.43 1282 6.50 1283 6.53 1284 6.62 1287 6.66 1288 6.70 1289 6.74 1290 6.80 1292 6.82 1292 6.88 1293 6.90 1293 6.97 1295 6.99 1296 6.100 1296 6.101 1296 6.102 1297 6.109 1299 6.110 1300 6.146 1313 6.150 1314 6.153 1314 6.154 1315 6.157 1316 6.158 1316 6.160 1316 6.161 1317 6.173 1323 6.180 1324 6.190 1327 6.201 1328 6.204 1329 6.207 1330 6.213 6.214 6.215 6.216 6.219

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b) Durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erlangte Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhalten der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sicherheitenbestellung nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strafbarkeit wegen Gläubigerbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . 9. Sicherheitenbestellung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen a) Anordnung eines Verfügungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorläufiger Verwalter mit Prüfungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . c) Vorläufiger Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . d) Vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . e) Vorläufiger Verwalter mit besonderer Ermächtigung . . . . . . . f) Vorläufige Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Sicherheitenbestellung nach Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besicherung durch den Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besicherung durch den Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Sicherheitenbestellung im Schutzschirmverfahren . . . . . . . . . . . . . 12. Sicherheitenbestellung im Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . a) Berechtigung des Verwalters zur Besicherung . . . . . . . . . . . . . b) Gründe für die Forderung nach Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . c) Geeignete Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Durchführung der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Sicherheitenbestellung im Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . a) Berechtigung zur Sicherheitenbestellung während der Planvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherheiten vor Bestätigung des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sicherheitenbestellung durch den Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sicherheitenbestellung durch mehraktige Rechtshandlungen . . . . . . . 1. Grundschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eintragung von Fremdgrundschulden im Insolvenzantragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eintragung von Eigentümergrundschulden vor Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eintragung von Zwangshypotheken im Insolvenzantragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eintragung von Grundpfandrechten nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Besonderheiten bei Gesamtgrundschulden . . . . . . . . . . . . . . . f) Gesetzlicher Löschungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Rückgewähranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Globalzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mantelzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abtretung von Ansprüchen aus einer Lebensversicherung . . . d) Abtretung von Kontokorrentforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anschlusszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1365 1368 1369 1370 1375 1375 1384 1387 1393 1397 XLV

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f) Abtretung von Mietforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Abtretung von Einspeisevergütungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Lohn-, Gehalts- und Rentenabtretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Gewerbliche Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Abtretung von Kryptowerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Abtretungsverbote und Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . 3. Pfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicherung fälliger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherung künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pfandrecht an künftigen Forderungen und Zinsen . . . . . . . . . d) Pfandrecht an Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Pfandrecht an Gesellschaftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verpfändung zur Sicherung von Forderungen aus einer Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) AGB-Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Gesetzliche Pfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erwerb vollen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerb von Anwartschaftsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Restschuldversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksamkeit der Sicherungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten bei verbundenen Geschäften . . . . . . . . . . . . . 6. Aufrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufrechnungsbeschränkungen und Aufrechnungserweiterungen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufrechnung ohne vertragliche Absprachen . . . . . . . . . . . . . . c) Aufrechnung aufgrund vertraglicher Absprachen . . . . . . . . . . d) Konzernverrechnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Konzernfinanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unter-Deckung-Nehmen von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abtretung nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abtretung vor Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abtretung früher als drei Monate vor dem Insolvenzantrag . . . . . 4. Sicherungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufrechnung vor Widerruf der Einziehungsermächtigung . . . b) Aufrechnung nach Widerruf der Einziehungsermächtigung . c) Aufrechnung in der Krise des Zedenten . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bestehende Sicherheiten für bedingte Forderungen und bedingte Sicherheiten für bestehende Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenwärtige Sicherheiten für künftige Forderungen . . . . . . . . . . a) Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Künftige Sicherheiten für gegenwärtige Forderungen . . . . . . . . . . a) Verpflichtung zur Sicherheitenbestellung im Insolvenzfall . . . b) Sicherheitenbestellung mit Wirkung für den Insolvenzfall . . . c) Verwertung im Insolvenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XLVI

Rn. 6.433 6.445 6.446 6.460 6.472 6.481 6.500 6.503 6.504 6.506 6.510 6.516

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VI. Treuhandhaltung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anlässe für Treuhandhaltung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . a) Konsortialkreditverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbundfinanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesamttreuhandverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sicherheitenpoolverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten von Sicherheitenpools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsmuster und Vertragsinhalt von Sicherheitenpools . . . . . . a) Mustervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Insolvenzfestigkeit der Poolbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beseitigung von Abgrenzungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . b) Anteil des Schuldners am Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirksamkeit der Zusammenfassung bestehender Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wirkung der Zusammenfassung unwirksamer Sicherheiten . . 5. Saldenausgleich im Sicherheitenpool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interner Saldenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Externer Saldenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Externer Saldenausgleich als Konzernverrechnungsklausel . . 6. Sicherheitenpool unter Erweiterung des Sicherungszwecks . . . . . . a) Insolvenzfestigkeit von Treuhandkonstruktionen . . . . . . . . . . b) Verschieben von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zahlungseingänge auf Sicherheiten eines Poolpartners . . . . . . . . . 8. Beendigung des Pools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befriedigung der gesicherten Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertung der Poolsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auflösung des Pools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Steuerliche Folgen von Sicherheitenpools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwertung durch den Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertung durch die Poolmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwertung durch den Poolführer als Treuhänder . . . . . . . . . d) Poolführerentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Pool unter Beteiligung eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Sicherheitenpoolvertrag als Betriebsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . 12. Verfahrensrechtliche Stellung des Sicherheitenpools . . . . . . . . . . . a) Anmeldung der Forderungen und der Sicherheiten . . . . . . . . b) Vertretung in der Gläubigerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stimmrecht als Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stimmrecht als Absonderungsberechtigte im Planverfahren . e) Insolvenz des Drittsicherungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Sicherheitenabgrenzungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Gesamttreuhandverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 6.702 6.703 6.703 6.704 6.705 6.706 6.711 6.715 6.716 6.717 6.740 6.742 6.745

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B. Verwertung von Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sicherheitenverwertung außerhalb eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . 1. Verwertungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwertungsberechtigung der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.900 6.902 6.903 6.904

1521 1522 1522 1522 XLVII

Inhaltsverzeichnis

b) Übertragung der Verwertungsberechtigung auf den Kunden . c) Anfechtung des Verwertungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verzicht auf die Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kreis der gesicherten Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen für die Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Androhung der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Widerruf der Einziehungsbefugnis und Veräußerungsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aufschub der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sicherstellungsmaßnahmen bei Grundpfandrechten . . . . . . . f) Besonderheiten bei revolvierenden Kreditsicherheiten . . . . . . g) Freigabeanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichung von gesetzlichen Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrere Sicherheiten oder mehrere Sicherungsgeber . . . . . . . c) Rücksichtnahme auf Schuldnerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abstimmung mit dem Sicherungsgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Werbemaßnahmen bei der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sicherheitenerlöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwendung des Erlöses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherheitenerlöskonto für vom Kunden gestellte Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sicherheitenerlöskonto für Drittsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 6. Umsatzsteuer bei der Verwertung außerhalb eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einziehung von Zessionen durch den Sicherungsnehmer . . . . c) Verwertung von Grundstücken und Zubehör . . . . . . . . . . . . . 7. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kosten der Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kosten der Verwertung des Sicherungsguts . . . . . . . . . . . . . . . II. Sicherheitenverwertung innerhalb eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . 1. Sicherungsübereignungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwertungsrecht des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auskunftsansprüche der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitteilung der Veräußerungsabsicht durch den Verwalter . . . d) Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Überlassung an den Gläubiger zur Verwertung oder Freigabe f) Durchführung der Verwertung durch den Verwalter . . . . . . . g) Durchführung der Verwertung durch den Gläubiger . . . . . . . h) Kostenbeteiligung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Steuern bei der Verwertung von Sicherungseigentum . . . . . . . j) Abgrenzung zwischen Verwertung von Zessionen und Verwertung von Sicherungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sicherungsabtretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . XLVIII

Rn. Seite 6.905 1522 6.909 1524 6.909a 1524 6.910 1524 6.913 1525 6.914 1525 6.917 1526 6.923 6.930 6.940 6.960 6.972 6.973 6.980 6.985 6.989 6.993 6.995 6.1000 6.1001

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6.1231 6.1240 6.1241

1610 1611 1611

Inhaltsverzeichnis

3.

4.

5.

6.

7. 8.

9.

b) Umfang des Verwertungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auskunftsansprüche der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitteilung der Verwertungsabsicht durch den Verwalter . . . . e) Verzinsungspfllicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Überlassung zur Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Durchführung der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Kostenbeteiligung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Steuern bei der Verwertung von Zessionen . . . . . . . . . . . . . . . Sicherungsübertragung von Rechten und sonstigen Vermögenswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicherungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten bei Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mobiliarpfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pfandrecht an Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pfandrecht an Forderungen und Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwertung vor Pfandreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einfacher Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlängerter Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erweiterter Eigentumsvorbehalt und Kontokorrentvorbehalt . d) Konzernvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Umgekehrter Konzernvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Durchsetzung des Eigentumsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zusammentreffen von Eigentumsvorbehalt und Vorkasse . . . Verwertung unbeweglicher Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwertung durch den Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertung durch den Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . d) Einstweilige Einstellung der Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . . e) Wiederaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kostenbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klärung der Verwertungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertung durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwertung durch den Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwertungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung vom Gläubiger auf den Verwalter . . . . . . . . . . . . b) Erleichtertes Verwertungsverfahren bei Grundstücken . . . . . . c) Erleichtertes Verwertungsverfahren bei Pfandrechten an Sachen oder Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ablösung des Sicherungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Übernahme des Sicherungsguts durch die Bank . . . . . . . . . . .

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1626 1626 1627 1627 1628 1629 1629 1631 1635 1637 1638 1639 1640 1640 1641 1643 1644 1645 1645 1645 1651 1654 1657 1657 1657 1660 1667 1668 1668 1668 1668 1670 1670 1673

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XLIX

Inhaltsverzeichnis

10. Streitigkeiten über Absonderungsrechte und Aussonderungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Freigabe von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleich und Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zweckmäßigkeit der Sicherheitenverwertung . . . . . . . . . . . . . d) Haftung für fehlerhafte Sicherheitenverwertung . . . . . . . . . . . e) Gerichtliche Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verhältnis zu Drittschuldnern und sonstigen Dritten . . . . . . . 11. Kollision mit strafprozessualen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strafprozessuale Einziehung und Vermögensarrest . . . . . . . . . b) Betroffenes Sicherungsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf die Position des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Grundpfandrechte der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Mobiliarpfandrechte der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Sicherungsabtretungen an die Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Sicherungsübereignungen an die Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Sicherheitenerlöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwertung durch den Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertung durch die Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Direkte Verbuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Tilgungsreihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sicherheitenerlöskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Anmeldung von Ausfallforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Form und Inhalt der Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teilnahme am Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berechnungsbasis für die Quote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Persönliche Zwangsvollstreckungsunterwerfung . . . . . . . . . . . e) Abstraktes Schuldversprechen gegenüber Sicherheitentreuhänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ermittlung des Ausfalls vor Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Mustertext für die Anmeldung gesicherter Forderungen . . . . h) Anmeldung und Verteilung im Insolvenzplanverfahren . . . . . i) Folgen unterlassener Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sicherheitenverwertung im Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwertung von Sicherungsübereignungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antragsverfahren ohne vorläufige Maßnahmen oder mit Verwalter mit Prüfungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwalter mit Verwertungsverbot für sicherungsübereignete Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verwalter mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schutzschirmverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verwendung des Erlöses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L

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1735 1739 1740 1740

Inhaltsverzeichnis

g) Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Verwertungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Umsatzsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwertung von Sicherungsabtretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antragsverfahren ohne vorläufige Maßnahmen oder mit Verwalter mit Prüfungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwalter mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verwalter mit Verwertungsverbot für sicherungshalber abgetretene Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verwendung des Erlöses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Verwertungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Umsatzsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwertung sicherungshalber übertragener Rechte . . . . . . . . . . . . 4. Verwertung von Mobiliarpfandrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verwertung unbeweglicher Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . b) Einstweilige Einstellung der Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . . c) Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kosten und Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Freihändige Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zeitpunkt der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sicherheitenverwertung bei Vorlage eines Insolvenzplans . . . . . . . . . . 1. Aufschub der Verwertung durch den Verwalter . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufschub der Verwertung durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitpunkt der Aussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Aussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eingriffe in die Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Scheitern des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Plan ohne Eingriff in Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Plan mit Eingriff in Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wirkungen des angenommenen Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fortfall der Wirkungen des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schutzschirmverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Sicherheitenverwertung im Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . 1. Verwertungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betroffene Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit einer Verwertungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umfang der Verwertungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zeitliche Wirkung der Verwertungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsmittel gegen die Verwertungssperre . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollstreckungen in unbewegliches Vermögen . . . . . . . . . . . . . b) Aufrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

3. Eingriffe in den Bestand der Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betroffene Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Abstimmung gegen den Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Wirkungen des angenommenen Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Sicherheitenverwertung im Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sicherheitenverwertung während eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestellung neuer Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortsetzung der Sicherheitenverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkung von Absonderungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sicherheitenverwertung während eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fortsetzung der Sicherheitenverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung von Absonderungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherheitenverwertung während eines Insolvenzverfahrens . . . . . a) Fortsetzung der Sicherheitenverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten durch Zession der Ansprüche auf Arbeitsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anmeldung des Ausfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sicherheitenverwertung während der Wohlverhaltensperiode . . . a) Aussetzung der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriffe in Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz der Abtretung an den Treuhänder . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sicherheiten nach Erteilung der Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . 6. Sicherheiten nach Versagung der Restschuldbefreiung . . . . . . . . . VIII. Verwertung von Drittsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bürgschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhaber des Verwertungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fälligkeit der verbürgten Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fälligkeit der Forderung gegen den Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . d) Zahlung des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Insolvenz des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Streitigkeiten über die Hauptforderung oder die Sicherheiten. g) Bürgschaft als Sicherheit für Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . 2. Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fälligkeit der verbürgten Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Forderungsübergang bei Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Forderungsanmeldung bei ausbleibender Zahlung . . . . . . . . . 3. Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fälligkeit der Verpflichtungen des Beitretenden . . . . . . . . . . . b) Zahlung des Beitretenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenz des Beitretenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1811 1812 1813 1813 1813 1814 1815 1815 1816 1816 1817 1817 1819 1820 1824 1828 1830 1830 1831 1831 1832 1832 1833 1834 1835

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4. Patronatserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz der Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz der Muttergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenz von Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft . . . d) Patronatserklärung als Sicherheit für Gesellschafterdarlehen . 5. Abkaufsverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz der Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz der Muttergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Organschaftserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz der Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz der Obergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenz der Obergesellschaft und der Untergesellschaft . . . 7. Zurücktreten mit Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz des Kreditnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz des zurückgetretenen Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kommanditrevers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz der Kommanditgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz des Kommanditisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Parallel Debts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Dingliche Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz des Kreditnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz des Sicherungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenz des Kreditnehmers und des Sicherungsgebers . . . . . IX.Verkauf der Kreditforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung an einen einzelnen Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbriefungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Synthetische Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kaufgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kollision mit dem Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivilrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kreditwesenrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insolvenz des Kreditnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Andere Transaktionsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Novation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausgliederungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Auswirkungen auf einen Sicherheitenpool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stille Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Offene Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Auskunftsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 6.2126 6.2127 6.2134 6.2136 6.2137 6.2142 6.2144 6.2149 6.2160 6.2164 6.2179 6.2183 6.2190 6.2191 6.2193 6.2200 6.2201 6.2204 6.2206 6.2210 6.2211 6.2231 6.2250 6.2260 6.2263 6.2266 6.2267 6.2269 6.2270 6.2271 6.2273 6.2274 6.2281 6.2293 6.2297 6.2316 6.2317 6.2320 6.2321 6.2323 6.2324 6.2326 6.2329 6.2333 6.2337

Seite 1836 1837 1839 1839 1839 1841 1841 1842 1845 1846 1850 1852 1853 1854 1855 1855 1856 1856 1857 1858 1859 1864 1869 1870 1871 1872 1873 1873 1874 1874 1875 1875 1877 1880 1881 1885 1885 1886 1886 1887 1887 1887 1888 1888 1889

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Siebenter Teil Leasing, Factoring und Forfaitierung (Manfred Obermüller) A. Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz des Leasingnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leasingverträge im Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verzug vor Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verzug nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zahlung nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kündigungsrechte des Leasingnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leasingverträge im eröffneten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mobilienleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Immobilienleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesellschafter des Leasingnehmers als Leasinggeber . . . . . . . . d) Leasing als Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sale and Lease Back . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insolvenz des Leasinggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswirkungen eines allgemeinen Verfügungsverbots . . . . . . . . . . a) Leasingraten für die Grundmietzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leasingraten für einen Verlängerungszeitraum . . . . . . . . . . . . c) Restwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abschlusszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einzug der Leasingraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen sonstiger Sicherungsmaßnahmen nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berechtigung zum Einzug der Leasingraten . . . . . . . . . . . . . . . b) Zahlung an den Leasinggeber trotz Sicherungsabtretung . . . . 3. Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf das Mobilienleasing . a) Ablehnung der Vertragserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfüllung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sicherungsübereignung des Leasingguts . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sicherungsabtretung der Leasing-Forderungen . . . . . . . . . . . . 4. Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf das Immobilienleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verlust des Anspruchs auf die Leasingraten . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenz des Leasingnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Leasing im Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzplan des Leasingnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mobilienleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Immobilienleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzplan des Leasinggebers im Mobilienleasing . . . . . . . . . . a) Leasingvertrag mit Wahlrecht des Insolvenzverwalters . . . . . . b) Leasingvertrag ohne Wahlrecht des Insolvenzverwalters . . . . 3. Insolvenzplan des Leasinggebers im Immobilienleasing . . . . . . . .

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Rn. 7.2 7.4 7.10 7.11 7.12 7.16 7.25 7.28 7.30 7.31 7.50 7.60 7.64 7.65 7.70 7.71 7.74 7.75 7.77 7.79 7.80

Seite 1891 1891 1893 1893 1893 1894 1896 1897 1897 1897 1901 1903 1904 1904 1905 1905 1907 1907 1907 1908 1908

7.82 7.83 7.84 7.90 7.92 7.93 7.100 7.108

1909 1909 1909 1910 1911 1911 1912 1915

7.140 7.143 7.148 7.150 7.160 7.161 7.162 7.165 7.167 7.169 7.171 7.178

1923 1924 1924 1925 1925 1926 1926 1927 1927 1927 1929 1932

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V. Leasing im Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Restrukturierungsverfahren des Leasingnehmers . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anzeige des Restrukturierungsvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . d) Restrukturierungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Restrukturierungsverfahren des Leasinggebers . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anzeige des Restrukturierungsvorhabens und Stabilisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Restrukturierungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen eines Restrukturierungsverfahrens auf die Leasing-Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anzeige des Restrukturierungsvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . d) Restrukturierungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz des Anschlusskunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forderungsübergang vor Verfügungsverbot und Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Factoring als Austausch gleichwertiger Leistungen . . . . . . . . . b) Aufrechnung mit Gegenforderungen aus früheren Geschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weiterleitung von Zahlungen auf nicht offengelegte Zessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen eines Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung neuer Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzug abgetretener Forderungen durch den Factor . . . . . . . . c) Einzug abgetretener Forderungen durch den Anschlusskunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einzug abgetretener Forderungen durch den vorläufigen Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen der Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung neuer Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzug abgetretener Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzug von Forderungen aus beiderseits nicht voll erfüllten Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insolvenz des Drittschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Insolvenz des Factors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Factoring im Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzplan des Anschlusskunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung neuer Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzug abgetretener Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 7.179 7.180 7.181 7.182 7.191 7.198 7.210 7.211

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1953 1953 1954

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7.317 7.320 7.321 7.330

1960 1961 1961 1962

7.349 7.360 7.365 7.370 7.371 7.372 7.373

1967 1970 1971 1972 1972 1972 1972 LV

Inhaltsverzeichnis

2. Insolvenzplan des Drittschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insolvenzplan des Factors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Factoring im Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Restrukturierungsverfahren des Factors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Restrukturierungsverfahren des Anschlusskunden . . . . . . . . . . . . a) Ankauf neuer Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzug abgetretener Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Restrukturierungsverfahren des Drittschuldners . . . . . . . . . . . . . . C. Forfaitierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz des Forfaitisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forfaitierung vor Verfügungsverbot und vor Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forfaitierung bei Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt . 3. Forfaitierung bei Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Forfaitierung im Insolvenzplanverfahren und Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. Seite 7.380 1974 7.381 1974 7.390 1974 7.391 1975 7.393 1975 7.394 1975 7.400 1977 7.411 1979 7.420 7.420 7.422

1980 1980 1980

7.423 7.424 7.426

1980 1981 1981

7.428

1981

8.2 8.3 8.4 8.8 8.9 8.10 8.11 8.18 8.19 8.23 8.24 8.26 8.27 8.29 8.31 8.31

1983 1984 1984 1985 1985 1985 1985 1987 1987 1988 1988 1989 1989 1989 1990 1990

8.32 8.45 8.57 8.80

1990 1993 1997 2002

Achter Teil Kapitalmarktgeschäft (Mock) A. Effektengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragsformen und Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfache Effektenkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Festpreisgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kassa-, Termin- und Tafelgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kassageschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tafelgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eigentumsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übereignung effektiver Stücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übereignung im Effektengiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz des Verwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aussonderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgleichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kassageschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenz des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verkaufsorder vor Verfügungsverbot und Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verkaufsorder nach Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verkaufsorder nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenz des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LVI

Inhaltsverzeichnis

IV. Insolvenz des Kunden im Optionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Optionsgeschäfte vor Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag . a) Unterhaltung ausreichender Vermögenswerte . . . . . . . . . . . . b) Barausgleich aus der täglichen Kontraktneubewertung . . . . . . c) Glattstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erfüllung einer ausgeübten Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Optionsgeschäfte nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag a) Wirksamkeit der Beendigungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen eines Insolvenzfalls vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abrechnung aufgrund von Lösungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . 3. Optionen bei Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestehende Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Optionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Tafelgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Emissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausführung der Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mandatsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übernahmevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kommissionsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Auskunftspflichten gegenüber Börsenvorstand . . . . . . . . . . . . 2. Emissionsbank als Kreditgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gläubigerrechte im Vorfeld einer Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . b) Maßnahmen zur Abwendung einer Insolvenz . . . . . . . . . . . . . c) Maßnahmen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . d) Abschlagszahlungen und Schlussverteilung . . . . . . . . . . . . . . . e) Pflichten der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schuldscheindarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Pfandbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rang in der Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besicherte Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unbesicherte Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zinsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nachrangige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur und Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wertausgleich und Sicherheitenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertpapierdarlehen ohne Rahmenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 8.84 8.87 8.89 8.98 8.101 8.105 8.108 8.111

Seite 2003 2004 2005 2008 2008 2009 2010 2010

8.112 8.123 8.128 8.128 8.135 8.139 8.142 8.143 8.144 8.148 8.154 8.155 8.157 8.159 8.163 8.167 8.167 8.171 8.188 8.198 8.209 8.211 8.214 8.217 8.218 8.219 8.220 8.221 8.223 8.227 8.229 8.231 8.232 8.233 8.234 8.239

2010 2013 2015 2015 2018 2019 2019 2019 2020 2021 2023 2023 2024 2025 2026 2027 2027 2028 2034 2037 2040 2041 2042 2044 2044 2044 2044 2044 2045 2046 2047 2047 2047 2048 2048 2049

LVII

Inhaltsverzeichnis

3. Wertpapierdarlehen mit Rahmenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen von 1999 . . . . . . . . . b) Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen von 2022 . . . . . . . . . VIII. Pensionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsabschluss und Leistungsaustausch vor dem Insolvenzfall . 3. Pensionsgeschäfte nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . a) Pensionsgeschäfte ohne Insolvenzklausel . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pensionsgeschäfte mit Insolvenzklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pensionsgeschäfte nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . a) Pensionsgeschäfte über Finanzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pensionsgeschäfte ohne Finanzleistungseigenschaft . . . . . . . .

Rn. 8.241 8.242 8.259 8.260 8.262 8.264 8.266 8.267 8.270 8.273 8.274 8.277

Seite 2051 2051 2055 2055 2056 2057 2057 2057 2058 2059 2059 2060

B. Devisengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Arten, Rechtsnatur und Zweck der Devisengeschäfte . . . . . . . . . . . . . 1. Arten und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsgestaltung bei Devisentermingeschäften . . . . . . . . . . . . . . II. Devisentermingeschäfte bei Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschluss vor Verfügungsverbot und Verfahrenseröffnung . . . . . 2. Erfüllung vor Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fälligkeit und Nichterfüllung bei Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . a) Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . c) Sonderregelungen in Rahmenvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 4. Fälligkeit nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . a) Zahlungsunfähigkeit als gesetzlicher Rücktrittsgrund . . . . . . . b) Zahlungsunfähigkeit als vertraglicher Rücktrittsgrund . . . . . . c) Kollision des Rücktritts mit dem Wahlrecht des Verwalters . . d) Erklärungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anfechtung der Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Devisentermingeschäfte bei Anordnung vorläufiger Maßnahmen. a) Allgemeines Verfügungsverbot ohne Verwalterbestellung . . . b) Allgemeines Verfügungsverbot mit vorläufiger Verwaltung . . c) Vorläufige Verwaltung ohne Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . 6. Devisentermingeschäfte im eröffneten Verfahren . . . . . . . . . . . . . a) Abschluss neuer Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf schwebende Devisentermingeschäfte . . . . 7. Devisentermingeschäfte im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Devisenkassageschäfte bei Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschluss vor Verfügungsverbot und Verfahrenseröffnung . . . . . 2. Erfüllung vor Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fälligkeit und Nichterfüllung bei Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . 4. Fälligkeit nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . 5. Devisenkassageschäfte bei Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Devisenkassageschäfte bei Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.288 8.289 8.290 8.293 8.295 8.297 8.298 8.299 8.302 8.305 8.308 8.310 8.311 8.312 8.317 8.319 8.321 8.325 8.326 8.327 8.331 8.334 8.336 8.336 8.340 8.352 8.354 8.355 8.356 8.357 8.358 8.359 8.360

2063 2063 2063 2064 2064 2064 2064 2065 2065 2066 2067 2067 2067 2068 2069 2070 2070 2071 2072 2072 2073 2073 2073 2073 2075 2078 2078 2078 2078 2078 2079 2079 2079

LVIII

Inhaltsverzeichnis

C. Derivate-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Swap-Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Klassische Swap-Geschäfte bei Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschluss vor Verfügungsverbot und Verfahrenseröffnung . . . . . 2. Erfüllung vor Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zug um Zug Austausch von Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausgleich von Differenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anfechtungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nichterfüllung vor Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kündigung bestehender Geschäfte vor Verfahrenseröffnung . . . . a) Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reichweite der Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen der Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Swap-Geschäfte bei Anordnung vorläufiger Maßnahmen . . . . . . . a) Allgemeines Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorläufige Verwaltung mit Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . c) Vorläufige Verwaltung ohne Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . 6. Swap-Geschäfte im eröffneten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschluss neuer Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus schwebenden SwapGeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abrechnung beendeter Swap-Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung von Geschäftsvorfällen vor Verfahrenseröffnung 7. Swap-Geschäfte im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Credit Default Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenz des Referenzschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Cash Settlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Physical Settlement – Zulässigkeit der Abtretung . . . . . . . . . . c) Physical Settlement – Zulässigkeit von Aufrechnungen . . . . . 2. Insolvenz einer Vertragspartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Credit Default Swaps vor Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . b) Credit Default Swaps bei Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . 3. Credit Default Swap auf eigenen Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Credit Default Swap im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tochtergesellschaft als Sicherungsgeberin . . . . . . . . . . . . . . . . b) Muttergesellschaft als Sicherungsgeberin . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Credit Linked Notes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Basismodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Credit Linked Notes auf Risiko des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzfestigkeit direkter Vereinbarungen zwischen Emittenten und Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzfestigkeit des Erwerbs von dritter Seite . . . . . . . . . . .

Rn. 8.363 8.364 8.365 8.367 8.370 8.371 8.372 8.378 8.379 8.381 8.383 8.384 8.389 8.392 8.393 8.395 8.396 8.401 8.402 8.407 8.410 8.412 8.412

Seite 2080 2080 2080 2081 2083 2084 2084 2085 2085 2086 2086 2086 2087 2088 2088 2089 2089 2091 2091 2092 2093 2093 2093

8.415 8.417 8.434 8.436 8.438 8.443 8.444 8.448 8.454 8.460 8.461 8.465 8.470 8.472 8.473 8.475 8.476 8.477 8.478

2094 2095 2100 2100 2101 2102 2102 2103 2104 2106 2106 2107 2108 2109 2109 2110 2110 2110 2110

8.479 8.487

2111 2113

LIX

Inhaltsverzeichnis

D. Rahmenverträge über Finanzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen des Insolvenzrechtlichen Rechtsrahmens . . . . . . . . . . . . . II. Beendigung von Finanzleistungsgeschäften aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 104 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstände von Finanzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Edelmetallgeschäfte (§ 104 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 InsO) . . . . . . . b) Lieferungen von Finanzinstrumenten und vergleichbaren Rechten (§ 104 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, Abs. 1 Satz 4 InsO) . . . . . . c) Geldleistungen (§ 104 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 InsO) . . . . . . . . . . . d) Lieferungen und Geldleistungen aus derivativen Finanzinstrumenten (§ 104 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 InsO) . . . . . . . . . . . . e) Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten der Geschäfte über Finanzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beiderseits nicht voll erfülltes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmte Erfüllungszeit oder -frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Markt- oder Börsenpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beteiligungserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . a) Forderung wegen Nichterfüllung eines Einzelgeschäfts . . . . . . b) Forderung wegen Nichterfüllung mehrerer Geschäfte . . . . . . c) Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verrechnung anderer Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Berücksichtigung im Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beendigung vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . III. Beendigung von Finanzleistungsgeschäften mit Rahmenvertrag . . . . . 1. Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstände und Arten von Finanzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Markt- oder Börsenpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beiderseits nicht voll erfülltes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbeziehung anderer Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen eines Insolvenzfalls vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksamkeit der vorzeitigen Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Forderung wegen Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . IV. Verträge über Finanzleistungen nach ausländischen Rechten . . . . . . . E. Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertpapierfirmen oder Kapitalverwaltungsgesellschaften . . . . . . . 3. Finanzinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Juristische Personen des Privatrechts, Personengesellschaften, Einzelkaufleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LX

Rn. 8.490 8.491

Seite 2114 2114

8.494 8.495 8.496

2115 2115 2115

8.497 8.499

2116 2117

8.501 8.505 8.506 8.507 8.510 8.514 8.516 8.517 8.518 8.520 8.525 8.526 8.533 8.534 8.538 8.540 8.542 8.543 8.544 8.546

2117 2118 2119 2119 2120 2122 2122 2123 2123 2123 2125 2125 2128 2128 2129 2129 2130 2130 2130 2131

8.547 8.548 8.554 8.564 8.574 8.575

2132 2132 2134 2137 2140 2141

8.577 8.579 8.580 8.581 8.583 8.584

2141 2142 2142 2142 2143 2143

8.585

2143

Inhaltsverzeichnis

II. Sicherungsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zugelassene Sicherungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Form der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sicherungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Juristische Personen des Privatrechts, Personenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, zentrale Abwicklungseinrichtungen und öffentliche Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßgebliche Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wirksamkeit der Besicherung durch Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . 1. Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtung wegen kongruenter oder inkongruenter Deckung b) Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung . . . . . . . . . . c) Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistungen . . . . . . . . . . . . V. Verwertung von Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwertungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eröffnetes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art und Weise der Verwertung von Pfandrechten . . . . . . . . . . . . . a) Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwertung durch Aufrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Verbriefung von Bankforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz der Drittschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchsetzung der Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insolvenz der Zweckgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweckgesellschaft mit Begrenzung auf vorhandene Liquidität . . . 2. Zweckgesellschaft ohne Begrenzung auf vorhandene Liquidität . . a) Auswirkungen auf den Forderungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf den Dienstleistungsvertrag . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen auf die Kreditverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Insolvenz des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. ABS-Transaktionen in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. ABS-Transaktionen im Insolvenzantragsverfahren . . . . . . . . . . . . a) Bestehende ABS-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue ABS-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. ABS-Transaktionen im eröffneten Insolvenzverfahren . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf den Dienstleistungsvertrag . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf den Kaufvertrag durch Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 8.587 8.588 8.591 8.594

Seite 2144 2144 2145 2146

8.595

2146

8.603 8.604 8.606 8.607 8.608 8.610 8.611 8.614 8.618 8.622 8.623 8.624 8.625 8.628 8.629 8.630 8.631 8.634

2148 2148 2149 2149 2149 2150 2150 2151 2153 2155 2155 2155 2155 2156 2156 2156 2156 2157

8.636 8.637 8.641 8.642 8.645 8.648 8.649 8.651 8.652 8.656 8.659 8.660 8.661 8.662 8.663 8.667 8.668 8.669

2158 2159 2160 2160 2161 2162 2162 2163 2163 2163 2165 2165 2165 2165 2165 2166 2167 2167

8.670

2167

LXI

Inhaltsverzeichnis

c) Auswirkungen des Wahlrechts des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Zweckgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen des Wahlrechts des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Kreditnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einzugsbefugnis für Zinsen und Tilgungen im eröffneten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Behandlung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollübertragung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Treuhandverwaltung von Buchgrundschulden . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einsatz eines Refinanzierungsregisters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff des Refinanzierungsunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff des Refinanzierungsmittlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art des Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Begriff des Gegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Register und Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Wirkung der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Durchsetzung des Aussonderungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtung der Übertragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung der Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sofortige Sicherheitenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachträgliche Sicherheitenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXII

Rn.

Seite

8.674

2169

8.676

2170

8.683 8.690 8.691 8.694 8.698 8.700 8.704 8.706 8.707 8.711 8.712 8.718 8.720 8.721 8.722 8.723

2172 2174 2174 2174 2176 2177 2178 2178 2179 2180 2181 2183 2183 2183 2184 2184 2187

Musterverzeichnis Erster Teil Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht (Martin Obermüller) Rn.

Seite

M1

Antrag zur Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 22a Abs. 2 InsO (Antragsausschuss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.543

119

M2

Vertraulichkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.628

139

M3

Geschäftsordnung (Satzung) des (vorläufigen) Gläubigerausschusses . . 1.638

143

M4

Anmeldung der Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.720

163

M5

Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.939

200

M6

Rangrücktrittserklärung und Genussrechtserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1088

233

M7

Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1348

280

M8

Ergänzung Planänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1349

280

Zweiter Teil Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen (Büchel) M9

Drittschuldnererklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.77

335

M 10 Zusatzvereinbarung zur Kontoeröffnung von Insolvenz-Sonderkonten . 2.252

413

Fünfter Teil Kreditgeschäft (Huber) M 11 Stillhaltevereinbarung unter Einbindung mehrerer Kreditinstitute . . . . . 5.137

840

M 12 Stundungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.142

848

M 13 Forderungsbeschränkungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.145

851

M 14 Anforderung eines Sanierungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.198

870

M 15 Außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs . . . . . . . . . . . . . . 5.397

950

M 16 Außerordentliche Kündigung wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.398

951

M 17 Außerordentliche Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung . . . . . . 5.399

952

M 18 Mahnung beim Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.421

960 LXIII

Musterverzeichnis Rn. M 19 Erlassvertrag mit Verfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.438

Seite 969

M 20 Verzichtsvereinbarung mit Besserungsversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.451

973

M 21 Rangrücktrittsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.490

990

M 22 Forderungsrücktrittsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.491

992

M 23 Bestätigung der Zahlungsfähigkeit (Zusatz zu einer Ratenzahlungsvereinbarung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.607

1045

M 24 Sicherheitenfreigabe unter einer aufschiebenden Bedingung . . . . . . . . . 5.657

1063

M 25 Vereinbarung zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs . . . . . . . . . . 5.697

1079

M 26 Vereinbarung über die Überlassung von Sicherheitenerlösen im Insolvenzeröffnungsverfahren (Regelverfahren) als Massedarlehen . . . . . . . . 5.704

1084

M 27 Vereinbarung über die Überlassung von Sicherheitenerlösen im Insolvenzeröffnungsverfahren (vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren nach § 270c InsO) als Massedarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.716

1094

M 28 Zahlung eines Massekostenvorschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.749

1111

M 29 Schreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters an Arbeitnehmer . . . . . . 5.796

1127

M 30 Vertrag über den Ankauf und die Abtretung von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt (Arbeitnehmer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.809

1132

M 31 Vertrag über den Ankauf und die Abtretung von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt (Betriebsrat) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.810

1134

M 32 Arbeitnehmerliste zum Vertrag über den Ankauf und die Abtretung von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.811

1136

M 33 Rahmenvertrag mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter zum Ankauf von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.812

1137

M 34 Rahmenvertrag bei vorläufiger Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.813

1140

M 35 Vereinbarung über eine Kreditlinie als Massedarlehen . . . . . . . . . . . . . . 5.842

1153

M 36 Vereinbarung über die Überlassung von Sicherheitenerlösen im eröffneten Insolvenzverfahren (Regelverfahren) als „unechtes“ Massedarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.843

1157

M 37 Vereinbarung über die Überlassung von Sicherheitenerlösen im eröffneten Insolvenzverfahren (Eigenverwaltungsverfahren) als „unechtes“ Massedarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.849

1163

M 38 Zusage eines Plafondskredits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.872

1175

M 39 Rangrücktrittsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.981

1210

LXIV

Musterverzeichnis

Sechster Teil Kreditsicherheiten (Manfred Obermüller)

Rn. M 40 Klauseln zur Rückübertragung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.248

Seite 1343

M 41 Vereinbarung über ein einheitliches Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.626

1450

M 42 Sicherheitenpoolvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.716

1473

M 43 Sicherheitenabgrenzungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.853

1516

M 44 Androhung der Sicherheitenverwertung und Widerruf der Einziehungsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.927

1529

M 45 Widerruf der Einziehungs- und Veräußerungsermächtigung . . . . . . . . . 6.928

1530

M 46 Offenlegung von Zessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.929

1531

M 47 Rechnung an Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1020

1555

M 48 Gutschrift an späteren Insolvenzschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1021

1556

M 49 Abrechnung des Insolvenzverwalters über Verwertungserlös . . . . . . . . . 6.1206

1597

M 50 Hinweis an den Insolvenzverwalter auf Dreifachumsatz . . . . . . . . . . . . . 6.1208

1598

M 51 Rechnung des Insolvenzverwalters als Erwerber an Gläubiger . . . . . . . . 6.1211

1599

M 52 Gutschrift und Abrechnung des Sicherungsnehmers gegenüber dem Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1215

1601

M 53 Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1219

1603

M 54 Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1219

1604

M 55 Gutschrift der Bank mit Rechnungswirkung für den Insolvenzverwalter 6.1222

1605

M 56 Vertragliche Zwangsverwaltung durch Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . 6.1488

1679

M 57 Übersendung der Kontoauszüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1566

1706

M 58 Anmeldung der Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1622

1721

M 59 Hinweis an den vorläufigen Insolvenzverwalter wegen Sicherheitenerlös (Sicherungsübereignung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1705

1741

M 60 Hinweis an den vorläufigen Insolvenzverwalter auf Dreifachumsatz . . . 6.1717

1746

M 61 Hinweis an den vorläufigen Insolvenzverwalter wegen Sicherheitenerlös (Sicherungsabtretung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1792

1766

M 62 Mitteilung von Sicherungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2248

1868

Achter Teil Kapitalmarktgeschäft (Mock) M 63 Sonderbedingungen für Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.369

2081 LXV

LXVI

Abkürzungsverzeichnis

a.A.

anderer Ansicht

abgedr.

abgedruckt

ABl.

Amtsblatt

AbrStV

Abrechnungsstellenverordnung (Verordnung über Abrechnungsstellen im Scheckverkehr)

ABS

Asset Backed Securities

Abschn.

Abschnitt

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (Band und Seite)

a.E.

am Ende

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

a.F.

alte Fassung

AFG

Arbeitsförderungsgesetz

AfP

Archiv für Presserecht (Band und Seite)

AG

Amtsgericht oder: Zeitschrift Die Aktiengesellschaft (Jahrgang und Seite)

AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

AGGVG

Ausführungsgesetz zum GVG (Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit)

AG ZPO

Ausführungsgesetz zur ZPO

AktG

Aktiengesetz

ALG

Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte

AnfG

Anfechtungsgesetz

Anm.

Anmerkung

AnwBl.

Anwaltsblatt (Jahrgang und Seite)

AO

Abgabenordnung

AO-StB

Der AO-Steuer-Berater (Jahrgang und Seite)

AP

Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts

ArbG

Arbeitsgericht

ArbR

Arbeitsrecht Aktuell (Jahrgang und Seite)

Aufl.

Auflage

AuR

Arbeit und Recht (Jahrgang und Seite)

AWD

Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters

LXVII

Abkürzungsverzeichnis BaFin

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAGE

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Band und Seite)

BAK

Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen

BAnz.

Bundesanzeiger (Tag und Seite)

BauR

Baurecht (Jahrgang und Seite)

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayObLGSt

Entscheidungssammlung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen

BayRS

Bayrische Rechtssammlung

BayVwBl.

Bayerische Verwaltungsblätter (Jahrgang und Seite)

BayWG

Bayerisches Wassergesetz

BB

Betriebs-Berater (Jahrgang und Seite)

BBankG

Gesetz über die Deutsche Bundesbank

BBesG

Bundesbesoldungsgesetz

BBI

Bankbetriebliche Informationen der Volksbanken und Raiffeisenkassen (Jahrgang, Heft und Seite)

BeamtVG

Beamtenversorgungsgesetz

Begr.

Begründung

BetrAVG

Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

BezG

Bezirksgericht

BFB

Bankgeschäftliches Formularbuch, 18. Ausg. 1969, fortgeführt als Bankrecht und Bankpraxis (BuB)

BFH

Bundesfinanzhof

BFuP

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Jahrgang, Heft und Seite)

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt (Jahrgang, Teil und Seite)

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Band und Seite)

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Band und Seite)

BI

Bank-Informationen (Jahrgang, Heft und Seite)

BK InsO

Berliner Kommentar zur InsO

BKR

Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (Jahrgang und Seite)

BlStSozArbR

Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Jahrgang und Seite)

BMF

Bundesministerium der Finanzen

BMJ

Bundesministerium der Justiz

LXVIII

Abkürzungsverzeichnis BMJV

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

BörsG

Börsengesetz

BörsZulVO

Börsenzulassungs-Verordnung

BRAK

Bundesrechtsanwaltskammer

BR-Drucks.

Bundesrats-Drucksache (Wahlperiode, Nr. und Seite)

Brem.GBl.

Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen

BSG

Bundessozialgericht

BStBl.

Bundessteuerblatt (Jahrgang, Teil und Seite)

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache (Wahlperiode, Nr. und Seite)

BuB

Bankrecht und Bankpraxis, Loseblattsammlung

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band und Seite)

BVR

Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V.

CMR

Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr

DB

Der Betrieb (Jahrgang und Seite)

DepG

Depotgesetz

Der Konzern

Zeitschrift für Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Bilanzrecht und Rechnungslegung der verbundenen Unternehmen (Jahrgang und Seite)

DGVZ

Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung (Jahrgang und Seite)

Diss.

Dissertation

DNotZ

Deutsche Notar-Zeitschrift (Jahrgang und Seite)

DR

Zeitschrift Deutsches Recht (Jahrgang und Seite)

DStR

1. Deutsche Steuer-Rundschau (bis 1961) (Jahrgang und Seite) 2. Deutsches Steuerrecht (ab 1962) (Jahrgang und Seite)

DStRE

Deutsches Steuerrecht, Beilage Entscheidungsdienst (Jahrgang und Seite)

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung (Jahrgang und Seite)

DtZ

Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift (Jahrgang und Seite)

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt (Jahrgang und Seite)

DZWIR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahrgang und Seite)

EFG

Entscheidungen der Finanzgerichte (Jahrgang und Seite)

EG(-Vertrag)

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EGInsO

Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung

EInsO

Entwurf einer Insolvenzordnung

LXIX

Abkürzungsverzeichnis ERA

Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive (Publikation Nr. 600 der Internationalen Handelskammer)

ESUG

Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen

EStG

Einkommensteuergesetz

EU

Europäische Union

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft

EuInsVO

Europäische Insolvenzverordnung

EuR

Europarecht (Jahrgang und Seite)

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahrgang und Seite)

EvBl.

Evidenzblatt für Rechtsmittelentscheidungen (Jahr und Nr.), Österreich

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

eWpG

Elektronische Wertpapiere

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Jahrgang und Seite)

FB/Finanz-Betrieb

Zeitschrift für Unternehmensfinanzierung und Finanzmanagement (Jahrgang und Seite)

FG

Finanzgericht

Finanz-Betrieb

Zeitschrift für Unternehmensfinanzierung und Finanzmanagement

FLF

Factoring, Leasing, Forfaitierung (Jahr, Heft und Seite)

FK-InsO

Frankfurter Kommentar zur InsO

FMSA

Finanzmarktstabilisierungsanstalt

FMStBG

Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz

FMStErgG

Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz

FMStFG

Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz

FMStFortG

Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz

FMStFV

Finanzmarktstabilisierungs-Fonds-Verordnung

FMStG

Finanzmarktstabilisierungsgesetz

FMStGÄndG

Gesetz zur Erleichterung von Sanierung von Unternehmen

FN

Fachnachrichten des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

Fn.

Fußnote

FoVo

Forderung & Vollstreckung (Jahrgang und Seite)

FS

Festschrift

GA

Archiv für Strafrecht, begründet von Goltdammer (Jahrgang und Seite)

GBl.

Gesetzblatt

GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GebrMG

Gebrauchsmustergesetz

GenG

Genossenschaftsgesetz

LXX

Abkürzungsverzeichnis GesO

Gesamtvollstreckungsordnung

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GmbHR

GmbH-Rundschau (Jahrgang und Seite)

GO

Gemeindeordnung

GrErwStG

Grunderwerbsteuergesetz

GS

Großer Senat

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen (Jahrgang, Teil und Seite)

GwG

Geldwäschegesetz

Habil.

Habilitationsschrift

HFA

Hauptfachausschuss

HFR

Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Jahr und Nr.)

HGB

Handelsgesetzbuch

HK-InsO

Heidelberger Kommentar zur InsO

h.L.

herrschende Lehre

h.M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

IBR

Immobilien- & Baurecht (Jahrgang und Seite)

ICC

International Chamber of Commerce

IDW

Institut der Wirtschaftsprüfer

IFLR

International Financial Law Review (Jahrgang und Seite)

IFSR

International Financial Reporting Standards

IGZ-Info

Zeitschrift des Bundesverbandes Zwangsverwaltung IGZ e.V. (Heft, Jahrgang und Seite)

InsbürO

Zeitschrift für Insolvenzsachbearbeitung und Entschuldungsverfahren (Jahrgang und Seite)

InsO

Insolvenzordnung

InsOÄndG

Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001

InsVV

Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung

InsVZ

Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung (Jahrgang und Seite)

InVo

Insolvenz und Vollstreckung (Jahrgang und Seite), ab 2008 FoVo = Forderung & Vollstreckung

ISDA

International Swaps and Derivates Association

LXXI

Abkürzungsverzeichnis IStR

Internationales Steuerrecht (Jahrgang und Seite)

IVG

Immobilien- und Vollstreckungsrecht (Jahrgang und Seite)

JBl.

Juristische Blätter (Österreich) oder: Justizblatt

JM

Juris Monatszeitschrift (Jahrgang und Seite)

JR

Juristische Rundschau (Jahrgang und Seite)

JStG

Jahressteuergesetz

JuS

Juristische Schulung (Jahrgang und Seite)

JW

Juristische Wochenschrift (Jahrgang und Seite)

JZ

Juristenzeitung (Jahrgang und Seite)

KfH

Kammer für Handelssachen

KG

Kammergericht oder: Kommanditgesellschaft

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KO

Konkursordnung

KredReorgG

Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz (Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten)

KSchG

Kündigungsschutzgesetz

KSI

Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (Jahrgang und Seite)

KStG

Körperschaftsteuergesetz

KSVG

Kommunalselbstverwaltungsgesetz (Saarland)

KTS

Zeitschrift für Insolvenzrecht – Konkurs Treuhand Sanierung (Jahrgang und Seite)

KuT

Konkurs- und Treuhandwesen, Monatsschrift für Wirtschaft und Recht (Jahrgang und Seite)

KWG

Gesetz über das Kreditwesen

LBS

Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar

LG

Landgericht

LKrO

Landkreisordnung

LM

Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring

LNR

LexisNexis Insolvenzrechtsportal

LS

Leitsatz

LSG

Landessozialgericht

Ltd.

Limited (Private Company Limited by Shares)

LZ

Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (Jahrgang und Spalte)

LXXII

Abkürzungsverzeichnis MaBV

Makler- und Bauträger-Verordnung

MAH

Münchener Anwaltshandbuch

MaRisk

Mindestanforderungen an das Risikomanagement

MarkenG

Markengesetz

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahrgang und Seite)

MittBayNot

Mitteilungen der Bayerischen Notarkammer (Jahrgang und Seite)

MittRhNotK

Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer (Jahrgang und Seite)

MoMiG

Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen

MoPeG

Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz

MuSchG

Mutterschutzgesetz

MwStR

MehrwertSteuerrecht (Jahrgang und Seite)

nds.

niedersächsisch

Neubearb.

Neubearbeitung

n.F.

neue Fassung

NJOZ

Neue Juristische Online-Zeitschrift (Jahrgang und Seite)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Jahrgang und Seite)

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungs-Report (Jahrgang und Seite)

N.N.

non notus

NotBZ

Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis (Jahrgang und Seite)

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht (Jahrgang und Seite)

n.v.

Nicht veröffentlicht

NWB

Neue Wirtschaftsbriefe

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Jahrgang und Seite)

NZI

Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung (Jahrgang und Seite)

NZM

Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (Jahrgang und Seite)

ÖBA

Österreichisches Bank Archiv (Jahrgang und Seite)

ÖBl.

Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahrgang und Seite)

OFD

Oberfinanzdirektion

OGH

Oberster Gerichtshof (Österreich)

OGHZ

Sammlung der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone (Band und Seite)

OHG

Offene Handelsgesellschaft

ÖJZ

Österreichische Juristen-Zeitung (Jahrgang und Seite) LXXIII

Abkürzungsverzeichnis OLG

Oberlandesgericht

OLGE

Sammlung der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (Band und Seite)

OLGR

OLGReport (Jahrgang und Seite)

OLGZ

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen (Jahrgang und Seite)

OVG

Oberverwaltungsgericht

PatG

Patentgesetz

PartGG

Partnerschaftsgesellschaftsgesetz

PfandBG

Pfandbriefgesetz

PKoFoG

Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz

PSV

Pensions-Sicherungs-Verein

RechKredV

Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung

RegE

Regierungsentwurf

RefE

Referentenentwurf

RettungsG

Rettungsübernahmegesetz

RFH

Reichsfinanzhof

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt (Jahrgang und Seite)

RGRK + Bearbeiter

Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, 12. Aufl. 1974 ff.

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Band und Seite)

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band und Seite)

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft (Jahrgang und Seite)

Rn.

Randnummer

RNotZ

Die Rheinische Notar-Zeitschrift (Jahrgang und Seite)

Rpfl.

Der deutsche Rechtspfleger (Jahrgang und Seite)

RPflG

Rechtspflegergesetz

Rspr.

Rechtsprechung

RStBl.

Reichssteuerblatt (Jahrgang und Seite)

RVG

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz

RVO

Reichsversicherungsordnung

SAG

Sanierungs- und Abwicklungsgesetz

SanInsFoG

Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz

SchG

Scheckgesetz

LXXIV

Abkürzungsverzeichnis SchVG

Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen

Seuff.A.

Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte (Band und Nr.)

SG

Sozialgericht

SGB

Sozialgesetzbuch

SolvV

Solvabilitätsverordnung (Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und FinanzholdingGruppen)

Sp.

Spalte

SparkG

Sparkassengesetz

StaRUG

Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz

Stbg

Die Steuerberatung (Jahrgang und Seite)

StEK

Steuererlasse in Karteiform

SteuK

Steuerrecht kurzgefaßt (Jahrgang und Seite)

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

str.

strittig

Tz.

Textzahl

UBGG

Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften

UmwG

Umwandlungsgesetz

UR

Umsatzsteuer-Rundschau (Jahrgang und Seite)

UStAE

Umsatzsteuer-Anwendungserlass

UStB

Der Umsatz-Steuer-Berater (Jahrgang und Seite)

UStG

Umsatzsteuergesetz

UStR

Umsatzsteuerrichtlinien

UVR

Umsatzsteuer- und Verkehrssteuer-Recht (Jahrgang und Seite)

VbrInsFV

Verbraucherinsolvenzformularverordnung

VerbrKrG

Verbraucherkreditgesetz

VerkProspG

Verkaufsprospektgesetz

VersR

Versicherungsrecht (Jahrgang und Seite)

VerwArch

Verwaltungs-Archiv (Jahrgang und Seite)

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

LXXV

Abkürzungsverzeichnis VglO

Vergleichsordnung

VGR

Gesellschaftsrechtliche Vereinigung

VVG

Versicherungsvertragsgesetz

VwBl.

Verwaltungsblatt

WarnR

Warneyer, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts (Jahrgang und Nr.)

WEG

Wohnungseigentumsgesetz

WG

Wechselgesetz

WiB

Wirtschaftsrechtliche Beratung (Jahrgang und Seite)

wistra

Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer und Strafrecht (Jahrgang und Seite)

WM

Wertpapier-Mitteilungen (Jahrgang und Seite)

WoGG

Wohngeldgesetz

WPg

Die Wirtschaftsprüfung (Jahrgang und Seite)

WpHG

Wertpapierhandelsgesetz

WPrax

Wirtschaftsrecht und Praxis – Beratungsreport

WpÜG

Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

WpÜGAngVO

WpÜG-Angebotsverordnung

WuB

Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht

WuW

Wirtschaft und Wettbewerb (Jahrgang und Seite)

ZAP

Zeitschrift für die Anwaltspraxis (Jahrgang und Seite)

ZBB

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Jahrgang und Seite)

ZfB

Zeitschrift für Betriebswirtschaft (Jahrgang und Seite)

ZfIR

Zeitschrift für Immobilienrecht (Jahrgang und Seite)

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Jahrgang und Seite)

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Jahrgang und Seite)

ZInsO

Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht (Jahrgang und Seite)

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahrgang und Seite)

ZKW

Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (Jahrgang und Seite)

ZPO

Zivilprozessordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahrgang und Seite)

ZUM

Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Jahrgang und Seite)

ZVG

Zwangsversteigerungsgesetz

ZVglRWiss

Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft (Jahrgang und Seite)

ZVI

Zeitschrift für Verbraucher-Insolvenzrecht (Jahrgang und Seite)

ZwVwV

Zwangsverwalterverordnung

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozess (Band und Seite)

LXXVI

Literaturverzeichnis

Achsnick/Krüger, Factoring in Krise und Insolvenz, 2. Aufl. 2011 Achterberg/Lanz, Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, 3. Aufl. 1967 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 5. Aufl. 1987 ff. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020 Albsmeier-Splitthoff, Unentgeltliche Verfügungen zugunsten Dritter auf den Todesfall bei Sparkonten und Depots, Diss. Bielefeld 1993 Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei, 2005 Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021 Ansmann, Schuldverschreibungsgesetz, 1933 ΑΡΙΣτΟτΕΛΗΣ ΑΘΗΝΑΙΩΝ ΠΟΛΙτΕΙΑ, 324 v. Chr. Assies/Beule/Heise/Strube, Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2019 Assies/Ristelhuber/Osterspai, Die Kundeninsolvenz in der Bankpraxis, 2005 Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Prospektrecht Kommentar, 4. Aufl. 2022 Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl. 2020 Auhagen, Die Garantie einer Bank, auf „erstes Anfordern“ zu zahlen, Diss. 1966 Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 2. Aufl. 1999 Bärmann, Recht der Kreditsicherheiten in europäischen Ländern, Teil I, 1976 Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020 Baumgarte, Leasing-Verträge über bewegliche Sachen im Konkurs, Diss. 1980 Baur, Sanierungen, 1978 von Bayer, Theorie des Concurs-Processes, 1844 Beck´scher Bilanz-Kommentar, 13 Aufl. 2022 Benzler, Nettingvereinbarungen im außerbörslichen Derivatehandel, 1999 Bergisch Märkische Bank, Juristisches Formularbuch, 1913 Berliner Kommentar Insolvenzrecht s. Blersch/Goetsch/Haas Berner, Sicherheitenpools der Lieferanten und Banken im Insolvenzverfahren, Diss. 2006 Berninghaus, Die Stornierungsbefugnis der Banken, 1980 Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl, Handbuch der übertragenden Sanierung, 2002 Bien, Die insolvenzrechtliche Stellung des Refinanzierers der Leasinggesellschaft beim Finanzierungsleasing nach der InsO, Diss. 2000 Bigalke, Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von gesicherten Kreditgebern, 1994 Binder, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht, Diss. 2005 Binz, Konkurrierende Insolvenzpläne, Diss. 2001 LXXVII

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LXXXVIII

Erster Teil Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht A. Entwicklung des Insolvenzrechts Am 1.1.1999 ist die Insolvenzordnung in Kraft getreten und hat in den alten Bundesländern die einst als „Perle der Reichsjustizgesetze“ bezeichnete Konkursordnung vom 10.2.18771 und die Vergleichsordnung vom 26.2.1935 und in den neuen Bundesländern die Gesamtvollstreckungsordnung in der Fassung vom 23.5.1991 abgelöst. Die InsO hat jedoch die Probleme des Unternehmensinsolvenzrechts nicht beseitigt2. So sind ständig intensive Reformbemühungen3 im Gange, so dass die seinerzeit vielfach verwendete Bezeichnung der neuen InsO als „Jahrhundertgesetz“ nicht nur mit einem großen Fragezeichen versehen4, sondern von der „Dauerbaustelle Insolvenzordnung“ gesprochen werden muss5. Dazu schrieb Ernst Jaeger6 schon 1930: „Jeder Eingriff in das feine Gefüge des Meisterwerks, das die Reichskonkursordnung unstreitig darstellt, muß mit äußerster Sorgfalt erwogen werden. Zu verpfuschen ist sehr leicht, zu verbessern aber schwer“. Mit den Ergebnissen befasst sich dieses Buch.

1.1

Die bedeutendsten Änderungen seit dem Inkrafttreten der InsO im Jahre 19997 sind:

1.2

– das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) für systemrelevante Kreditinstitute8 nebst SRM Verordnung9, das Kreditinstitute der Anwendung des Insolvenzrechts weitgehend entzogen hat,

1 Zur Geschichte der Konkursordnung s. von Wilmowski, Deutsche Reichs-Konkursordnung, 4. Aufl. 1889, § 2. 2 Graf-Schlicker NZI 2001, 569. 3 Entwicklungslinien des Insolvenzrechts, s. Paulus KTS 2000, 239; zu Versuchen zur Wiederherstellung des Fiskusprivilegs s. Lenger/Müller NZI 2011, 903; zu den Vorstellungen der „Ampel“ im Koalitionsvertrag 2021–2025 s. Hirte FS Gehrlein 2022, S. 245. 4 Uhlenbruck NJW 2000, 1386. 5 Vgl. Pape ZInsO 2016, 125; Pape ZInsO 2019, 57; Sternal NZI aktuell 2005, Heft 8, S. IV/V; Smid DZWIR 2009, 397; Weitzmann ZInsO 2022, 447; Beissenhirtz ZInsO 2022, 385; dazu passend „Baukasten Restschuldbefreiung und das Licht am Ende des Tunnels“ von Grote ZInsO 2006, 119; positiv zur Änderungsbereitschaft des Gesetzgebers Kirchhof ZInsO 2008, 395. 6 Jaeger, Protokolle des I. Internationalen Kongresses für Gläubigerschutz, 1930, S. 195. 7 Pape ZInsO 2019, 57; Zusammenstellung der Änderungen s. Pape/Reichelt/Schulz/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2022, S. 48–96. 8 S. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2104/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (BRRD-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2014, 2091. 9 Die Vorschriften der SRM Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds, ABl. L v. 30.7.2014, S. 225 ff.) entsprechen im Wesentlichen denen des SAG. Die SRM Verordnung findet nur Anwendung auf Institute, die der direkten Aufsicht der EZB unterliegen (Art. 2 SRM Verordnung).

Martin Obermüller | 1

Erster Teil Rz. 1.2 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

– das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)1, – das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte2, – das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen3, – das heftig diskutierte4 Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen5 und – das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens6.

1.3

Keines dieser Gesetze hat aber eine so weitgehende Umgestaltung des Insolvenzrechts zur Folge gehabt wie das am 1.1.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungsund Insolvenzrechts mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen 1 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582; zur Entwicklung s. Diskussionsentwurf v. 9.7.2010 (abgedr. ZInsO 2010, 1440); RefE v. 25.1.2011 (abgedr. ZInsO 2011, 269 mit Kritik Foerste ZInsO 2015, 832; Huber ZInsO 2015, 713; Jacobi/Böhme ZInsO 2015, 724; Würdinger KTS 2015, 315.); RegE v. 4.3.2011, BR-Drucks. 127/ 11; RegE v. 4.5.2011, BT-Drucks. 17/5712; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 26.10.2011, BT-Drucks. 17/7511; Beschlussempfehlung des Bundesrats v. 25.11.2011, BR-Drucks. 679/1/11 (abgedr. ZInsO 2011, 2318) mit Anm. Hirte ZInsO 2011, 2319; Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG-Evaluation) v. 7.12.2011 (BGBl. I 2011, 2582) vom August 2018 – ZInsO 2018, 2400; Kurzbericht Jacoby/Madaus/Sack/Schmidt/Thole ZInsO 2018, 2402; zu möglichen Konsequenzen s. Pape ZInsO 2018, 2725; Beissenhirtz ZInsO 2019, 180; Buchalik ZInsO 2019, 465; Weitzmann BB 2019, 521; zur europarechtlichen Kompatibilität s. Piekenbrock NZI 2012, 905. 2 Gesetz v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379; zur stichtagsbezogenen Anwendbarkeit s. Blankenburg ZInsO 2015, 293. 3 Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 13.4.2017 – BGBl. I 2017, 866, s. dazu Schmidt KTS 2018, 1. 4 S. Positionspapier des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) ZInsO 2013, 2312; dazu Bork AnwBl. 2014, 513; Bork ZIP 2014, 797; Fawzy/Köchling ZInsO 2014, 1073; Ganter WM 2014, 49; Gehrlein DB 2013, 2843; Gehrlein NZI 2014, 481; Kayser NJW 2014, 422; Marotzke ZInsO 2014, 417; Marotzke ZInsO 2014, 745; Paschen ZInsO 2014, 2485; Strandmann ZInsO 2014, 538; Thole ZIP 2013, 2081. 5 Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017 – BGBl. I 2017, 654; zur Entwicklung s. RefE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 16.3.2015, abgedr. ZInsO 2015, 624 mit Kritik Blank/Blank ZInsO 2015, 1705; Foerste ZInsO 2015, 832; Frind ZInsO 2015, 1001; Huber ZInsO 2015, 713; Jacobi/ Böhme ZInsO 2015, 724; Willemsen/Kühn BB 2015, 3011; Würdinger KTS 2015, 315.; RegE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.9.2015, abgedr. ZInsO 2015, 2073 – mit Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrats (Rechtsausschuss, Finanzausschuss, Wirtschaftsausschuss) v. 13.11.2015, BR-Drucks. 495/1/15; Stellungnahme des Bundesrats v. 27.11.2015, BR-Drucks. 495/ 15, abgedr. ZInsO 2015, 2525; Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutzv. 16.2.2017 – BT-Drucks 18/11199, abgedr. ZInsO 2017, 378; Kritik von Berner ZInsO 2015, 2457; Dahl/Schmitz/Taras ZInsO 2016, 20; Huber ZInsO 2015, 2297; Kayser/Heidenfelder ZIP 2016, 447; Pape ZInsO 2015, 2545; Schmidt ZInsO 2015, 2473 und Entschließung des BAKInsO ZInsO 2015, 2480. 6 Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3328.

2 | Martin Obermüller

B. Grundzüge des Insolvenzrechts | Rz. 1.5 Erster Teil

für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG)1. Während die früheren Gesetze von der KO bis zum ESUG für Unternehmensinsolvenzen noch das Ziel der Befriedigung der Gläubiger verfolgten, bringt das StaRUG einen Paradigmenwechsel2 und stellt – ohne dies ausdrücklich zu sagen – nunmehr die Erhaltung des Unternehmens in den Vordergrund. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Position der Kreditinstitute, die im folgenden dargestellt werden sollen. Dabei wird zunächst in der nachfolgenden allgemeinen Übersicht der Schwerpunkt auf die Bereiche der Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren gelegt, in denen die Banken eine aktive Rolle spielen wie z.B. als Insolvenzantragsteller, in der Gläubigerversammlung oder im Gläubigerausschuss, und in denen sie in Auseinandersetzungen mit Insolvenzverwaltern geraten können wie z.B. über Insolvenzanfechtungen oder Absonderungsrechte.

1.4

Weitere Änderungen drohen aufgrund des Bemühens der EU-Kommission, einen einheitlichen wettbewerbsfähigen Binnenmarkt voranzutreiben, das zum Entwurf einer Richtlinie „zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts“3 geführt hat. Im Wesentlichen beinhaltet der Vorschlag der Kommission, der durch eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates umgesetzt werden soll, die folgenden Bereiche:

1.4a

– Einführung eines „Pre-Pack“-Insolvenzverfahrens, – Stärkung des „Asset Tracing“ in grenzüberschreitenden Verfahren durch verbesserten Zugang zu Informationen und Registern, – Vereinfachte Abwicklungsverfahren für Kleinstunternehmen, – Anforderungen zur Verbesserung der Vertretung von Gläubigerinteressen im Verfahren durch Gläubigerausschüsse, – Regelungen zur rechtzeitigen Antragstellung durch die Geschäftsleiter und – Mindestanforderungen an die Insolvenzanfechtung. Da die Einzelheiten der Umsetzung noch nicht erkennbar sind, kann darauf in diesem Buch noch nicht eingegangen werden4.

B. Grundzüge des Insolvenzrechts Wenn ein Schuldner oder Unternehmen in eine wirtschaftliche Notlage geraten ist und Versuche einer Sanierung oder Bemühungen um eine außergerichtliche Lösung5 gescheitert sind, 1 Eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3256; zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes v. 31.10.2022 – BGBl. I 2022, 1966. 2 Buth/Hermanns ZInsO 2020, 1. 3 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts v. 7.12.2022 (COM(2022) 702 final). 4 S. aber schon jetzt Kritik von Smid/Wehdeking ZInsO 2023, 198; Thole ZIP 2023, 389; Frind ZInsO 2023, 419. 5 Zum außergerichtlichen Vergleich s. Künne, Außergerichtliche Vergleichsordnung, 6. Aufl. 1955; zum außergerichtlichen Insolvenzplan s. van Zwoll ZInsO 2008, 418; zu den Vorteilen einer außergerichtlichen Sanierung s. Ehlers ZInsO 2010, 257.

Martin Obermüller | 3

1.5

Erster Teil Rz. 1.5 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

bleibt ihm nur noch der Weg in gerichtliche Verfahren und zwar entweder in ein förmliches Insolvenzverfahren oder eine Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens:

1.6

Das Insolvenzverfahren eröffnet zwei Wege1: – Als Liquidationsverfahren ist es grundsätzlich auf eine vollständige Abwicklung des Schuldnerunternehmens und eine Verwertung seines Vermögens ausgerichtet. Für den danach verbleibenden Teil seiner Schulden haftet der Schuldner weiter. – Als Planverfahren dient es der Herabsetzung der Verbindlichkeiten des Schuldners zum Zweck seiner Sanierung und damit zur Erhaltung seines Betriebs, also der wirtschaftlichen Gesundung.

1.7

Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen soll ein Insolvenzverfahren abwenden, wenn es in einer Unternehmenskrise im Kern allein darum geht, eine Teilmenge der Gläubiger zu einem Sanierungsbeitrag durch Verzicht auf ihre Rechte oder deren Einschränkung mit Unterstützung einer qualifizierten Mehrheit der betroffenen Gläubiger zu bewegen2.

1.8

Die Wahl zwischen diesen Wegen hängt wesentlich davon ab, welches Ausmaß die wirtschaftliche Krise des schuldnerischen Unternehmens angenommen hat. Liegt „lediglich“ drohende Zahlungsunfähigkeit vor, so stehen ihm sowohl der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen als auch beide Varianten des Insolvenzverfahrens zur Verfügung. Sind bereits Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten, so ist seine Auswahl auf ein Insolvenzverfahren beschränkt.

1.9

Sonderregelungen gibt es für – Verbraucher und wirtschaftlich Selbständige in der Form des Schuldenbereinigungsverfahrens und des Restschuldbefreiungsverfahrens (Einzelheiten s. Rn. 1.1300 ff.) und – Kreditinstitute und Wertpapierfirmen im Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) für systemrelevante Kreditinstitute3 nebst SRM Verordnung4 zusammen mit dem KWG und den Finanzmarktstabilisierungsgesetzen (Einzelheiten s. Rn. 1.225 ff.).

1.10

Für grenzüberschreitende Insolvenzen gelten die Bestimmungen der §§ 335–358 InsO, sofern Unternehmen mit Sitz, Niederlassung oder Vermögenswerten in Staaten außerhalb der

1 Zur Notwendigkeit eines eigenständigen Sanierungsverfahrens s. Uhlenbruck NZI 2008, 201; Tagung des BMWi und BMJ – Bericht Paulus WM 2010, 1337. 2 Begr RefE SanInsFoG v. Teil A. I S. 93. 3 S. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2104/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (BRRD-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2014, 2091. 4 Die Vorschriften der SRM Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds, ABl. L v. 30.7.2014, S. 225 ff.) entsprechen im Wesentlichen denen des SAG. Die SRM Verordnung findet nur Anwendung auf Institute, die der direkten Aufsicht der EZB unterliegen (Art. 2 SRM Verordnung).

4 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.20 Erster Teil

Europäischen Union betroffen sind. Soweit Insolvenzen Mitgliedstaaten der EU1 berühren, findet die Europäische Verordnung über Insolvenzverfahren (EuInsVO2) Anwendung3.

1.11–1.14

frei

C. Verfahrensvoraussetzungen Das Insolvenzverfahren ist, wie früher das Konkurs-4 und Vergleichsverfahren, ein kollektives Vollstreckungsverfahren, in dem der Schuldner sein Vermögen freiwillig oder zwangsweise der Gesamtheit seiner Gläubiger zur Verfügung stellt, damit deren Forderungen aus dem Verwertungserlös oder den künftigen Erträgen befriedigt werden5. Dies geschieht grundsätzlich durch eine Liquidation des Unternehmens, die aber durch einen Insolvenzplan vermieden werden kann (§ 1 InsO).

1.15

Aufbau und Gliederung der InsO folgen zum einen dem Prinzip, allgemeinen Bestimmungen spezielle Regelungen folgen zu lassen, zum anderen orientiert sich die Aufteilung der InsO am typischen Ablauf eines Insolvenzverfahrens6, beginnend mit den Eröffnungsvoraussetzungen. Dabei unterscheiden die verfahrensrechtlichen Vorschriften der InsO in manchen Punkten nach der Größe des schuldnerischen Unternehmens7.

1.16

1.17–1.19

frei

I. Insolvenzeröffnungsvoraussetzungen für Regelinsolvenzverfahren Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, zwecks Abgrenzung zum Verbraucherinsolvenzverfahren oft als Regelinsolvenzverfahren bezeichnet, setzt die Insolvenzfähigkeit des Schuldners, einen Insolvenzgrund (§§ 16 ff. InsO) und einen Insolvenzantrag voraus.

1 Ausgenommen Dänemark, Norwegen und Island; zur Schweiz s. Liersch/Walther ZInsO 2007, 582. 2 Verordnung des Rates (EG) Nr. 1346/2000 v. 29.5.2000, ABl. L 160/1 v. 30.6.2000; zum Anwendungsbereich s. Piekenbrock ZIP 2014, 250; zur Reform s. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren, COM (2012) 744 v. 12.12.2012, Stellungnahme des Rats der Europäischen Union v. 28.6.2013 und Einigung von Europarat und Europaparlament auf Vorschlag v. 22.11.2014, abgedr. ZInsO 2015, 78; VO (EU) Nr. 848/2015 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung), ABl. L 141/19 v. 5.6.2015 und ZInsO 2015, 1540, gültig gemäß Art. 92 Satz 2 EuInsVO ab dem 26.6.2017 für Verfahren, die danach eröffnet werden, Art. 84 Abs. 1 EuInsVO); dazu Vallender ZIP 2015, 1513; Albrecht ZInsO 2015, 1077; Wenner ZIP 2017, 1137. 3 Zu Zielkonflikten im europäischen Insolvenzrecht s. Koller IPRax 2014, 490. 4 Zur Geschichte der Konkursordnung s. von Wilmowski, Deutsche Reichs-Konkursordnung, 4. Aufl. 1889, § 2. 5 Uhlenbruck, Insolvenzrecht, 1979, Rn. 11; Aufgaben und Prinzipien des Insolvenzrechts s. von Wilmowsky, FS 100 Jahre Rechtswissenschaft in Frankfurt, 2014, 655. 6 Humberg in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2017, § 1 Rn. 17. 7 Einzelheiten s. Müller ZInsO 2019, 125.

Martin Obermüller | 5

1.20

Erster Teil Rz. 1.21 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1. Insolvenzfähigkeit 1.21

Die Insolvenzfähigkeit ihres Schuldners ist für die Kreditentscheidung einer Bank von erheblicher Bedeutung1. Wenn nämlich einem Kunden die Insolvenzfähigkeit fehlt, wie dies im öffentlich-rechtlichen Bereich des Öfteren vorkommt2, so bedeutet dies für die Bank, dass sie an der Durchsetzung ihrer Forderungen in einem kollektiven Vollstreckungsverfahren gehindert ist und sich mit der Einzelvollstreckung unter Beachtung der Beschränkungen des § 882a ZPO begnügen muss, durch die u.U. das wesentliche Vermögen ihres Schuldners vor einer Zwangsvollstreckung geschützt ist3. Der Ausschluss der Insolvenzfähigkeit ist also nicht automatisch, wie es manchmal fälschlich angenommen wird, ein Indiz für besonders gute Bonität. Die Bank muss daher jeweils prüfen, ob für den Ausschluss der Insolvenzfähigkeit eine Haftung anderer staatlicher Organe gesetzlich verankert ist. So konnte beispielsweise die ehemalige Gewährträgerhaftung4 ein Äquivalent bieten.

1.22

Das Insolvenzverfahren kann grundsätzlich über das Vermögen jeder natürlichen und grundsätzlich auch jeder juristischen Person sowie über Personengesellschaften eröffnet werden (§§ 11, 12 InsO). Die Insolvenzfähigkeit beinhaltet stets die Möglichkeit eines Liquidationsverfahrens oder eines Planverfahrens.

1.23

Ausnahmen von der Insolvenzfähigkeit gelten für einzelne Kreditinstitute und für manche juristische Personen des öffentlichen Rechts. a) Kreditinstitute

1.24

Kreditinstitute sind zwar grundsätzlich insolvenzfähig, aufgrund zahlreicher Sonderregelungen kommt jedoch das normale Insolvenzverfahren nur eingeschränkt oder überhaupt nicht zur Anwendung (Einzelheiten s. Rn. 1.225 ff.).

1.25

Für Kreditinstitute mit Sonderaufgaben galten Ausnahmen von der Insolvenzfähigkeit, die zum Teil durch Umwandlung mancher Institute in Aktiengesellschaften überholt sind. Als Beispiele können angeführt werden – die Deutsche Genossenschaftsbank, ehemals eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist in ihrer heutigen Rechtsform als DZ Bank AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank insolvenzfähig (§ 11 Abs. 2 DG Bank-UmwandlungsG). – die Deutsche Girozentrale – Deutsche Kommunalbank, die als Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit errichtet wurde5, ist als DGZ Deka Bank insolvenzfähig6;

1 S. auch Kropf ZInsO 2012, 1667 zu den Auswirkungen von „Basel III“. 2 Zu den Vorteilen eines Ausschlusses der Insolvenzfähigkeit s. Janssen ZInsO 2018, 2677. 3 Vgl. die Darstellung der Problemkreise bei Cromme ZBB 1996, 230; Fink ZInsO 1999, 127; Josten BKR 2006, 133; Loh/Wimmer WM 1996, 1941. 4 Zur ehemaligen Gewährträgerhaftung s. Möschel WM 2001, 1895; Füßer ZBB 2002, 300; Gruson WM 2003, 321; Witte/Rafiqpoor WM 2003, 1885. 5 3. Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen v. 6.10.1931, BGBl. III 7621-2. 6 Für ihre Verbindlichkeiten haftet der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (Art. 2 § 1 der 3. Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen v. 6.10.1931, BGBl. III 7621-2).

6 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.26 Erster Teil

– die Sparkassen, Anstalten öffentlichen Rechts1, sind insolvenzfähig2. Entsprechendes gilt für die Landesbanken3; – die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank, die als bundesunmittelbare Anstalt öffentlichen Rechts nur durch Gesetz aufgelöst werden konnte4, unterliegt nach ihrer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft5 den Regeln des Aktiengesetzes. – die Landwirtschaftliche Rentenbank, die als bundesunmittelbare Anstalt öffentlichen Rechts mit Haftung des Bundes organisiert ist, kann nur durch Gesetz aufgelöst werden6; – Die Deutsche Bundesbank und die Landeszentralbanken können als bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 2 BBankG) nur durch Gesetz aufgelöst werden (§ 44 BBankG). – Die Europäische Zentralbank unterliegt als supranationale Einrichtung7 nicht dem nationalen Insolvenzrecht. – die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die als Anstalt öffentlichen Rechts errichtet8 und auf die das Vermögen der Deutschen Ausgleichsbank übertragen wurde9; kann nur durch Gesetz aufgelöst werden10. Dies schließt die Insolvenzfähigkeit zwar nicht aus, jedoch kommt ihr vor allem angesichts der Haftung des Bundes nur noch theoretische Bedeutung zu; – die IKB Deutsche Industriebank AG. Ihre Insolvenzfähigkeit wird in § 1 des Gesetzes über die Industriekreditbank11 als selbstverständlich unterstellt. b) Juristische Personen des öffentlichen Rechts Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich insolvenzfähig (§ 11 Abs. 1 Satz 1 InsO), jedoch gibt es hier zahlreiche Ausnahmen12:

1 Zum „Eigentum“ an Sparkassen s. Burgard WM 2008, 1997. 2 Zur ehemaligen Gewährträgerhaftung s. Möschel WM 2001, 1895; Füßer ZBB 2002, 300; Gruson WM 2003, 321; Witte/Rafiqpoor WM 2003, 1885. 3 Art. 4 des Gesetzes über die Bayerische Landesbank; § 11 SpkG Berlin; § 7 Abs. 2 Staatsvertrag Norddeutsche Landesbank; § 55 SparkG Nordrhein-Westfalen; § 38 Abs. 2 Satz 2 saarländisches SparkG; Art. 6 Abs. 1 Staatsvertrag Hessen-Thüringen; zur Privatisierung s. Kronberger Kreis, Privatisierung von Landesbanken, 2001; zur Hilfe nach dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz s. Ewer/Behnsen BB 2008, 2582. 4 § 16 des Gesetzes über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank v. 11.7.1989, BGBl. III 7625-10. 5 Vgl. § 8 Abs. 2 DSL Bank-Umwandlungsgesetz v. 16.12.1999, BGBl. I 1999, 2441. 6 §§ 1a, 16 des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank v. 12.12.2013, BGBl. I 2013, 4120. 7 Häde WM 2006, 1605. 8 § 1 des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau v. 23.6.1969, BGBl. I 1969, 573. 9 Art. 1 § 1 Förderbankenneustrukturierungsgesetz v. 15.8.2003, BGBl. I 2003, 1657. 10 § 13 Abs. 1 des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau v. 23.6.1969, BGBl. I 1969, 573. 11 BGBl. III 7627-1. 12 Vgl. auch die Übersicht bei Gundlach/Frenzel/Schmidt NZI 2000, 561; Siegmund ZInsO 2012, 2324; Becker FS Smid 2022, 37.

Martin Obermüller | 7

1.26

Erster Teil Rz. 1.26 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

– Unzulässig ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bundes oder eines Bundeslandes (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO)1. Auch ist kein Insolvenzverfahren über andere Staaten vorgesehen2. – Für die Gemeinden haben die Bundesländer3 Ausnahmen von dem Grundsatz der Insolvenzfähigkeit aufgrund des Vorbehaltes in Art. IV des Einführungsgesetzes zur Konkursordnung4 durch besondere gesetzliche Regelungen zugelassen5, deren Gültigkeit von § 12

1 Paulus WM 2002, 725; Paulus ZRP 2002, 383; Buhlert DZWIR 2002, 275; zur Möglichkeit des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit eines deutschen Bundeslandes s, Käppler WM 2017, 1391. 2 Zur Diskussion über ein Insolvenzverfahren für Staaten s. Paulus ZRP 2002, 383, Paulus RIW 2009, 11; Paulus ZIP 2011, 2433; Hitzel KTS 2015, 441; Paulus ZInsO 2018, 4; Hirte ZInsO 2018, 1; Hornschläger/Skauradszun KTS 2012, 1; Kluth NZI 2015, 844; Langen ZInsO 2014, 1894 und Schwarz ZRP 2003, 170; zur gerichtlichen Durchsetzung von Forderungen aus ausländischen Staatsanleihen s. Cranshaw DZWIR 2007, 134 und OLG Frankfurt v. 13.6.2006 – 8 U 107/03, NJW 2006, 2931; BGH v. 19.12.2017 – XI ZR 796/16, ZIP 2018, 244; BverfG v. 3.7.2019 – 2 BvR 824/15, 825/15, ZInsO 2019, 1783; s. auch Paulus KTS 2013, 155 „Staatenpleiten und Bankenpleiten: eine gewollte Mesalliance“; Paulus ZInsO 2014, 2315; zum fehlenden Leistungsverweigerungsrecht eines Staates gegenüber seinen privaten Anleihegläubigern wegen Restrukturierung der Staatsschulden s. BGH v. 24.2.2015 – XI ZR 193/14, ZIP 2015, 769. 3 Rechtsvergleichend zu USA s. Mears ZInsO 2015, 1813. 4 Einführungsgesetz zu dem Gesetz betreffend Änderungen der Konkursordnung v. 17.5.1898 (RGBl. I, 248). 5 Baden-Württemberg: keine Insolvenzfähigkeit der Körperschaften und Anstalten (§ 45 AG GVG v. 16.12.1975, GBl. S. 868); Bayern: keine Insolvenzfähigkeit der Gemeinden (Art. 77 GO), Körperschaften, Stiftungen, Anstalten (§ 25 AG GVG v. 23.6.1981, BayRS 300-1-1J); Berlin: keine Insolvenzfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes Berlins unterliegen (§ 1 Gesetz über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts v. 27.3.1990, GVBl. S. 682); Brandenburg: keine Insolvenzfähigkeit für Gemeinden und Landkreise (§§ 118 Abs. 2, 131 Abs. 2 BbgKVerf); Bremen: keine Insolvenzfähigkeit: Körperschaften, Anstalten, Stiftungen, die der Aufsicht des Landes Bremen unterliegen. Ausnahme: öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, öffentlich-rechtliche Bank- und Kreditinstitute einschließlich der Sparkassen, es sei denn es besteht die unbeschränkte Haftung einer Gebietskörperschaft als Gewährträger (§ 4 AG ZPOAusfG v. 19.3.1963, Brem.GBl. S. 51); Hamburg: keine Insolvenzfähigkeit für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht der Stadt Hamburg unterliegen (§ 1 Gesetz über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts v. 25.4.1988, GVBl. S. 49); Hessen: keine Insolvenzfähigkeit für Gemeinden und Landkreise (§ 146 GemO, § 54 Abs. 1 LKrO) und für unter Landesaufsicht stehende juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 26 Abs. 1 Satz 2 VerwaltungsvollstreckungsG), Ausnahme: öffentlich-rechtliche Bank- und Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen (§ 26 Abs. 2 VerwaltungsvollstreckungsG); Mecklenburg-Vorpommern: keine Insolvenzfähigkeit für Gemeinden und Landkreise (§§ 62 Abs. 3, 120 Abs. 1 Kommunalverfassung); Niedersachsen: keine Insolvenzfähigkeit für Gemeinden, Landkreise (§ 136 Abs. 2 GemO, § 68 Abs. 1 LKrO); Nordrhein-Westfalen: keine Insolvenzfähigkeit für Gemeinden, Landkreise (§ 128 Abs. 2 GemO, § 57 Abs. 3 LKrO); Rheinland-Pfalz: keine Insolvenzfähigkeit für Körperschaften, Stiftungen, Anstalten. Ausnahme: Handwerksinnungen, Kreishandwerkerschaften (§ 8a AG ZPO/ZVGAG v. 30.8.1974, GVBl. S. 371); Saarland: keine Insolvenzfähigkeit für Gemeinden, Landkreise, Stadtverbände (§§ 138 Abs. 2, 192 KSVG); Sachsen: keine Insolvenzfähigkeit für Gemeinden, Landkreise (§ 122 Abs. 4 GemO, § 65 Abs. 2 LKrO); Sachsen-Anhalt: keine Insolvenzfähigkeit: juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen. Ausnahme: öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, soweit keine unbeschränkte Haftung einer Gebietskörperschaft oder eines kommunalen Zweckverbandes als Gewährträger besteht, öffentlich-rechtliche Bank- und Kreditinstitute, Handwerksinnungen und Kreishandwerkerschaften (§ 6 AG InsO v. 17.11.1998,

8 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.26 Erster Teil

Abs. 1 Nr. 2 InsO bestätigt wird1. Neben dieser Beschränkung der Gläubigerrechte sprechen auch die sog. Basel III – Regelungen für eine Zurückhaltung in der Kreditvergabe an Gemeinden2. – Kommunale Eigengesellschaften in der Rechtsform einer GmbH oder AG sind stets insolvenzfähig; daran ändert auch eine etwaige Haftung der Gemeinde für ihre Schulden aus konzernrechtlichen Gesichtspunkten3 nichts. Eigenbetriebe und Regiebetriebe von Kommunen sind dagegen keine rechtlich selbständigen Einheiten, so dass es für ihre Insolvenzfähigkeit auf die ihres Trägers ankommt4. – Die Kirchen und ihre Organisationen, soweit sie als Körperschaften öffentlichen Rechts anerkannt sind, sind ebenfalls nicht insolvenzfähig5. – Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich insolvenzfähig. Bund und Länder können jedoch kraft Gesetzes Sonderregelungen treffen6. Der Insolvenzfähigkeit öffentlich-rechtlicher Anstalten7 kommt allerdings nur theoretische Bedeutung zu, da die auf Gesetz bzw. allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen8 beruhende Anstaltslast9 den Träger verpflichten kann, die wirtschaftliche Basis der Anstalt zu sichern, sie für die gesamte Dauer ihres Bestehens funktionsfähig zu halten10.

1 2 3 4 5

6

7 8

9

10

GVBl. LSA S. 396); Schleswig-Holstein: keine Insolvenzfähigkeit für Gemeinden, Landkreise (§ 131 Abs. 2 GemO, § 70 Abs. 2 LKrO); Thüringen: keine Insolvenzfähigkeit für Gemeinden, Landkreise (§§ 69 Abs. 3, 114 Kommunalordnung); die Länder Berlin, Bremen und Hamburg sind aufgrund ihres Länderstatus nicht insolvenzfähig. Lörler Neue Justiz 1996, 462; für eine Gesetzesänderung Paulus ZInsO 2003, 869; Paulus ZInsO 2014, 2465; und Hornfischer KTS 2008, 423 unter Hinweis auf das sächsische OVG v. 3.5.1930 (Jahrbücher des Sächs. OVG Bd. 35 [1932], S. 78). Josten BKR 2006, 133; Kropf ZInsO 2012, 1667; Hartmann-Wendels, Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 2016, 72. OLG Celle v. 12.7.2000 – 9 U 125/99, DB 2000, 2261; s. ergänzend Parmentier ZIP 2001, 551; von und zu Franckenstein WM 2004, 511; Siegmund ZInsO 2012, 2324; zu kommunalen Krankenhäusern s. Veith BankPraktiker 2006, 18; Ringstmeier InsbürO 2018, 106; Vallender ZInsO 2016, 773. Gundlach/Frenzel/Schmidt NZI 2000, 561. BVerfG v. 13.12.1983 – 2 BvL 13,14,15/82, NJW 1984, 2401 = BVerfGE 66, 1; BT-Drucks. 12/7302 S. 156; AG Potsdam v. 1.8.2001 – 35 IN 538/01, DZWIR 2001, 526; kritisch dazu Janssen DÖV 2019, 81 und ZInsO 2018, 2677, der zumindest ein Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung zulassen will; Janssen WM 2019, 243. BVerfG v. 23.3.1982 – 2 BvL 13/79, ZIP 1982, 713; BVerfG v. 5.10.1993 – 1 BvL 34/81, NJW 1994, 1465; vgl. Everhardt/Gaul BB 1976, 467; Kleber ZIP 1982, 1299; Stoll KTS 1992, 521 sowie für die öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten in Bayern Peitsch BayVwBl. 1971, 178, 254; vgl. auch Säuberlich BB 1979, 168; für juristische Personen des öffentlichen Rechts in Hessen BVerfG v. 6.12.1983 – 2 BvL 1/82, ZIP 1984, 344; umfassende Darstellung bei Siegmund ZInsO 2012, 2324. Zur Anstalt nach den Finanzmarktstabilisierungsgesetzen Döge ZBB 2009, 419. Ahlers ZKW 1974, 57; Everhardt/Gaul BB 1976, 467; Preußisches OVG v. 4.6.1897 – I 872, Preußisches VwBl. 19, 280 f.; Schmidt ZKW 1981, 762; eine allgemeine Gewährträgerhaftung oder Anstaltslast wird vom BVerfG v. 28.6.1983 – 1 BvL 20/79, BVerfGE 64, 248; BVerfG v. 5.5.1987 – 1 BvR 1113/85, BVerfGE 75, 318 abgelehnt, so dass letztlich immer der Einzelfall zu prüfen ist. Zu Begriff und Umfang vgl. Oebbecke DVBl. 1981, 960; Oebbecke ZKW 1982, 60; Koenig WM 1995, 821; Thode BB 1997, 1749; Gerick BB 1998, 494; zu den Änderungen für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute wegen Kollision mit dem Beihilfeverbot des EU-Vertrages s. Möschel WM 2001, 1895. Wettbewerbsenquete BT-Drucks. 5/3500 S. 48; Stern FS Maurer, 2001, 816; Thode/Peres VerwArch 1998, 449.

Martin Obermüller | 9

Erster Teil Rz. 1.26 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

– Gesetzliche Krankenkassen sind insolvenzfähig (§ 160 SGB V)1. Wird eine Krankenkasse zahlungsunfähig oder ist sie voraussichtlich nicht in der Lage, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (drohende Zahlungsunfähigkeit), oder tritt Überschuldung ein, hat der Vorstand der Krankenkasse dies der zuständigen Aufsichtsbehörde unter Beifügung aussagefähiger Unterlagen unverzüglich anzuzeigen2. Der Insolvenzantrag kann nur von der Aufsichtsbehörde gestellt werden.

1.27

frei

2. Insolvenzgründe 1.28

Das Gesetz hat unterschiedliche Voraussetzungen aufgestellt, unter denen ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann. Dabei sind zwei große Gruppen zu unterscheiden, nämlich einerseits die Privatpersonen, die Einzelkaufleute sowie die Personengesellschaften und andererseits die juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts. Während für die erstgenannte Gruppe nur die drohende oder schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzgrund darstellt, können für die zweitgenannte Gruppe sowohl die Überschuldung als auch die drohende oder schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzgrund bedeuten3.

1.29

Die strengere Regelung, die für die juristischen Personen, also für die kapitalbezogenen Unternehmen, gilt, erklärt sich daraus, dass diese nur mit ihrem Betriebsvermögen, aber nicht mit dem Vermögen der hinter ihnen stehenden Gesellschafter, also nur in begrenztem Umfang, haften, während für die Verbindlichkeiten der Einzelpersonen und der Personengesellschaften, also der personenbezogenen Unternehmen, natürliche Personen mit ihrem gesamten gegenwärtigen und künftigen Vermögen einstehen müssen.

1.30

Den Eintritt eines Insolvenzgrundes ihres Kunden rechtzeitig zu erkennen oder vorauszusehen ist für eine Bank nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch aus Rechtsgründen wichtig. Denn an die Zahlungseinstellung oder die Zahlungsunfähigkeit knüpfen u.a. die Anfechtungstatbestände der §§ 130–133, 137 InsO4 an, die vor allem für die Bestellung und Erhaltung von Kreditsicherheiten von Bedeutung sind. Für einen Außenstehenden läßt sich die Zahlungseinstellung seines Kunden eher erkennen als die Überschuldung, denn eine Zahlungseinstellung liegt vor, wenn sich für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängt, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen5. Demgegenüber ergibt sich eine Überschuldung zunächst aus internen Informationen des Kundenunternehmens, auf die die Bank in der Regel keinen Zugriff hat.

1 Weiterführend Lundberg/Sänger ZInsO 2010, 1211; Lundberg/Sänger ZInsO 2012, 1556; Siegmund ZInsO 2012, 2324. 2 Einzelheiten s. Lundberg/Sänger ZInsO, 2010, 1905. 3 Zur Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen s. IDW Standard 11, neue Fassung veröffentlicht in IDW Life Heft 1/2022; zur überarbeiteten Fassung s. Weber/Nentwig ZInsO 2022, 857; zur Abweichung des S 11 von der BGH-Rechtsprechung s. Philipp/Säuberlich ZInsO 2022, 677. 4 Übersicht bei Baumgartner/Conrad ZInsO 2005, 1304. 5 BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZInsO 2009, 2148; BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222; BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 175/02, ZIP 2003, 410; BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, ZIP 2002, 87.

10 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.34 Erster Teil

a) Zahlungsunfähigkeit Nach der Definition des Gesetzgebers in § 17 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Den genauen Zeitpunkt zu ermitteln, in dem die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, fällt oft nicht leicht1.

1.31

Am ehesten ist die Zahlungsunfähigkeit an einer Zahlungseinstellung zu erkennen, wie auch die gesetzliche Vermutung in § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO zeigt. Unter einer Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten eines Schuldners zu verstehen, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Das heißt, es muss sich für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen2. Das ist auch dann der Fall, wenn der Schuldner zwar noch einen beträchtlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten bezahlt, ein erheblicher Teil dieser Verbindlichkeiten aber nicht beglichen wird3.

1.32

aa) Fälligkeit Fällig in diesem Sinne ist eine Verbindlichkeit dann, wenn sie ernsthaft eingefordert wurde4. Es muss also eine Gläubigerhandlung wie das Übersenden einer Rechnung5 vorliegen, aus der sich der Wille ergibt, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen. Nicht erforderlich ist es, dass der Gläubiger sein Zahlungsverlangen regelmäßig oder auch nur ein einziges Mal wiederholt6. Hat der Gläubiger aber in eine spätere oder nachrangige Befriedigung eingewilligt, darf die Forderung für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden. Auf eine rechtlich bindende Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger kommt es insofern nicht an7. Das Merkmal des ernsthaften Einforderns dient nämlich lediglich dem Zweck, solche Forderungen auszunehmen, die rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind8.

1.33

Dazu gibt es im Bankgeschäft typische Abläufe:

1.34

– An einem ernsthaften Einfordern fehlt es beispielsweise, wenn die Bank Kontoüberziehungen stillschweigend duldet, ohne die sofortige Rückführung auf die vereinbarte Linie ausdrücklich zu verlangen9.

1 Koppel ZInsO 2017, 74. 2 BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZInsO 2009, 2148; BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222; BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 175/02, ZIP 2003, 410; BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, ZIP 2002, 87. 3 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222. 4 Eine Regelung im Rahmen eines Stillhalteabkommens, dass das „nicht ernsthafte Einfordern“ einer Forderung die Fälligkeit derselben nicht beeinträchtigt, hat erkennbar die insolvenzrechtliche Bedeutung des Herausschiebens des Zeitpunktes einer möglichen Zahlungsunfähigkeit, lässt aber die zivilrechtliche Fälligkeit unberührt (OLG Bremen v. 24.11.2017 – 2 U 62/17, ZInsO 2018, 1861). 5 BGH v. 14.7.2011 – IX ZB 57/11, ZIP 2011, 1875 = ZInsO 2011, 1742. 6 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235; Schulz ZIP 2009, 2281. 7 BGH v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666. 8 BGH v. 19.12.2017 – II ZR 88/16, ZInsO 2018, 381 Rn. 16; s. dazu Müller BB 2018, 466; Frystatzki ZInsO 2018, 601; Kuna DStR 2018, 693; Mylich ZIP 2018, 514; Plagens/Hartmann DStR 2018, 2161. 9 OLG Düsseldorf v. 20.1.2020 – I-12 U 23/19, ZIP 2020, 2140 = ZInsO 2020, 2157.

Martin Obermüller | 11

Erster Teil Rz. 1.34 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

– Auch das bloße „Einfrieren“ einer Kreditlinie steht einer Kündigung nicht gleich und kann schon deshalb für sich allein die Annahme, der Kreditnehmer habe damit seine Zahlungen eingestellt, nicht begründen1. Vielmehr dürfen nach einer solchen Erklärung lediglich die nicht ausgenutzten Teile einer Kreditlinie nicht mehr in Anspruch genommen werden; dies bedeutet aber nicht, dass auch die schon ausgezahlten Kredite ernsthaft zurückgefordert werden. – Dagegen reicht bei befristeten Krediten für den Eintritt der Fälligkeit der Ablauf der vereinbarten Frist ohne zusätzliche Aufforderung2. Danach hat die Bank einen Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens nach § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 BGB, nicht auf Fortzahlung der Vertragszinsen oder von Überziehungszinsen3. Ob daraus schon auf ein ernsthaftes Einfordern geschlossen werden kann, muss bezweifelt werden. Vielmehr hängt dies vom weiteren Verhalten der Bank ab. Wenn die Bank der Schuldnerin nach Fristablauf keine Verzugszinsen berechnet, sondern das Konto mit Zinsen in Höhe des bisher geltenden Zinssatzes belastet, ist dies so zu verstehen, dass sie die weitere Entwicklung, beispielsweise das Ergebnis von Verhandlungen des Kreditnehmers über ihre Ablösung durch eine andere Bank abwarten und nicht die sofortige Rückzahlung einfordern will. bb) Zahlungsstockung

1.35

Ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, ist eine Tatfrage, die sich nur aus der Gesamtlage des Schuldners, dem Gesamtverhalten seiner Gläubiger im kritischen Zeitpunkt und der in Zukunft zu erwartenden Entwicklung beurteilen lässt4. Eine bloße Zahlungsstockung ist für die Annahme einer Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO noch nicht ausreichend.

1.36

Für die Abgrenzung, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist oder nur eine rechtlich unerhebliche Zahlungsstockung vorliegt, kommt es zunächst auf die zeitliche Komponente an: Gelingt es dem Schuldner, binnen drei Wochen die notwendigen finanziellen Mittel zur Begleichung seiner fälligen Schulden zu beschaffen, handelt es sich nur um eine Zahlungsstockung5. Diese von der Rechtsprechung eingeführte Frist lehnt sich an der Frist des § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO an, aus der sich ergibt, dass das Gesetz eine Ungewissheit über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit längstens drei Wochen hinzunehmen bereit ist. Zahlungsunfähigkeit tritt erst ein, wenn feststeht, dass der Mangel an Zahlungsmitteln über diese Frist hinaus andauern wird6, etwa weil erhoffte Kredite nicht gewährt werden oder Außenstände nicht eingezogen werden können.

1.37

In einer derartigen Situation gehört es zu den Aufgaben der Geschäftsleitung, sich Gewißheit durch die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz zu verschaffen. Deshalb ist eine Prognose darü1 BGH v. 17.1.2002 – IX ZR 170/00, ZInsO 2002, 200. 2 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZIP 2013, 79 = ZInsO 2013, 76; OLG Düsseldorf v. 20.12.2018 – 10 U 70/18, ZInsO 2020, 104. 3 BGH v. 18.3.2003 – XI ZR 202/02, BGHZ 154, 230 (236) = ZIP 2003, 840. 4 RG v. 5.12.1905 – VII 114/05, JW 1906, 92; RG v. 1.6.1911 – VII 582/10, JW 1911, 724. 5 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426; BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222; OLG Düsseldorf v. 8.3.2012 – I-12 U 34/11, ZInsO 2012, 786; weiterführend Ganter ZInsO 2011, 2297. 6 RG v. 17.12.1901 – VII 386/01, RGZ 50, 41; RG v. 12.5.1908 – VI 401/07, JW 1908, 459; RG v. 6.7.1909 – VII 85/09, JW 1909, 466; RG v. 23.11.1909 – VII 39/09, JW 1910, 29; RG v. 24.9.1926 – VI 185/26, JW 1927, 386; zur Bedeutung einer Stundung s. OLG Düsseldorf v. 1.10.2014 – I-12 U 23/14, ZInsO 2014, 2117.

12 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.39 Erster Teil

ber zu erstellen, ob innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen1. Das geschieht durch eine Finanzplanrechnung, aus der sich die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage ergeben2. cc) Liquiditätsprüfung Ausgangspunkt für die Frage der Zahlungsunfähigkeit ist grundsätzlich3 die Liquiditätsbilanz. Diese ist nicht mit einer Handelsbilanz gleichzusetzen, denn die Handelsbilanz ist nicht einmal geeignet, eine Überschuldung darzutun4. In der Liquiditätsbilanz sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag und innerhalb von drei Wochen fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten5.

1.38

– Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 vom Hundert seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 vom Hundert erreichen wird. – Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 vom Hundert oder mehr, ist dagegen regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist6. Den Gläubigern muss es zuzumuten sein, diese 3 Wochen abzuwarten7. Veränderungen der Liquidität innerhalb dieses 3-Wochen-Zeitraums werden bei dieser Methode allerdings nicht hinreichend berücksichtigt, sodass die Effektivität dieses Verfahrens zweifelhaft bleibt. 1 BGH v. 21.8.2013 – 1 StR 665/12, ZIP 2013, 2469 = ZInsO 2013, 2107; weiterführend zur Fortbestehensprognose Kühne/Nickert ZInsO 2014, 2297. 2 Einzelheiten s. BGH v. 4.12.2018 – 4 StR 319/18, ZInsO 2019, 258 Rn. 11 zur betriebswirtschaftlichen Methode. 3 Die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz ist allerdings nicht zwingend, die Zahlungsunfähigkeit kann vielmehr auch mit anderen Mitteln dargelegt werden. So wird es etwa für zulässig erachtet, die Zahlungsunfähigkeit in Form eines Liquiditätsstatus auf den Stichtag in Verbindung mit einem Finanzplan für die auf den Stichtag folgenden drei Wochen, in dem tagesgenau Einzahlungen und Auszahlungen gegenübergestellt werden, vorzunehmen (BGH v. 28.6.2022 – II ZR 112/21, ZIP 2022, 1606 = ZInsO 2022, 1793 Rn. 14 mit Anm. Berbuer ZInsO 2022, 1769; Hochdorfer BB 2022, 2067; Brünkmans/Clev ZInsO 2022, 2272; Comtesse ZInsO 2022, 2329; Sikora BBK 2023, 219). 4 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 53/19, ZIP 2022, 704 = ZInsO 2022, 716 Rn. 25, 27 mit Anm. Gehrlein ZInsO 2022, 720; BGH v. 8.3.2012 – IX ZR 102/11, ZInsO 2012, 732 Rn. 4 f.; BGH v. 5.2.2015 – IX ZR 211/13, ZInsO 2015, 841. 5 BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, ZInsO 2012, 976; BGH v. 19.12.2017 – II ZR 88/16, ZInsO 2018, 381 Rn. 41; s. dazu Müller BB 2018, 466; Frystatzki ZInsO 2018, 601; Kuna DStR 2018, 693; Mylich ZIP 2018, 514. 6 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, ZIP 2013, 2323 = ZInsO 2013, 1419; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die strafrechtliche Betrachtung s. OLG Düsseldorf v. 23.5.2005 – III – 2 Ss 32/05 – 18/ 05 III, InVo 2005, 354. 7 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426; BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222; BGH v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2002, 1666.

Martin Obermüller | 13

1.39

Erster Teil Rz. 1.40 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.40

Die Aussicht auf den Zufluss solcher weiterer Zahlungsmittel muss hinreichend konkret sein1; die bloße Behauptung des Schuldners, er könne sich durch außerordentliche Maßnahmen neue Mittel verschaffen, reicht nicht aus2. Es müsste also beispielsweise eine Kreditzusage einer Bank vorliegen, die nur deshalb noch nicht ausgenutzt werden konnte, weil bestimmte Auszahlungsvoraussetzungen, wie die Bestellung von Grundpfandrechten, noch nicht erfüllt sind, oder der Schuldner müsste mit Zahlungseingängen von Seiten seiner Debitoren zuverlässig rechnen3. Eine Erklärung des Schuldners, trotz entsprechender Bemühungen habe noch keine Bank eine kurzfristige Finanzierung zugesagt, stellt dagegen ein Eingeständnis der Zahlungsunfähigkeit dar4.

1.41

Kommt es später zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Insolvenzverwalter, in der der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit eine Rolle spielt wie dies beispielsweise bei der Anfechtung von Sicherheitenbestellungen nach §§ 130, 131, 132 InsO der Fall ist, kann der Prozessgegner des Insolvenzverwalters verlangen, dass nachträglich eine Liquiditätsbilanz durch einen Sachverständigen erstellt wird5. Deren bedarf es im Insolvenzanfechtungsprozess zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend, wenn auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte6.

1.42

Die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz ist in der Regel eine unternehmensinterne Maßnahme, in die eine Bank nicht automatisch Einblick erhält. Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung wird sie daher am ehesten durch äußere Vorgänge erhalten, die eine Zahlungseinstellung zumindest indizieren. Um ein solches äußeres Verhalten handelt es sich bei der Zahlungseinstellung7. Die Zahlungseinstellung beinhaltet die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit. Ist eine Zahlungseinstellung eingetreten, wird für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich8. dd) Indizien für eine Zahlungseinstellung

1.43

Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden9. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es nicht einer darüber hinausgehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 %10. Hier wird später rückblickend der Tatrichter, ausgehend von den festgestellten Indizien, eine Gesamtabwägung vornehmen, ob eine Zahlungseinstellung gegeben ist. 1 BGH v. 24.11.1998 – XI ZR 113/98, WM 1999, 15; BGH v. 27.4.1995 – IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929; RG v. 26.9.1902 – II 150/02, JW 1902, 546 Nr. 13. 2 BGH v. 27.4.1995 – IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929; RG v. 20.12.1901 – VII 388/01, Recht 1902, Nr. 371; RG v. 1.6.1911 – VII 582/10, JW 1911, 724 Nr. 33; RG v. 19.12.1916 – VII 319/16, WarnR 1917 Nr. 96. 3 BGH v. 25.9.1997 – IX ZR 231/96, ZIP 1997, 1926. 4 LG Berlin v. 3.5.2004 – 86 T 385/04, ZInsO 2004, 875. 5 BGH v. 26.3.2015 – IX ZR 134/13, ZIP 2015, 1077 = ZInsO 2015, 1056. 6 BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 342/18, ZInsO 2019, 2313. 7 Humberg in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2015, § 17 Rn. 41. 8 BGH v. 5.3.2020 – IX ZR 171/18, ZInsO 2020, 893 Rn. 11 m.w.N. 9 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 = ZInsO 2013, 2109; OLG Düsseldorf v. 13.12.2018 – 12 U 17/18, ZInsO 2019, 1478. 10 BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, ZInsO 2012, 976.

14 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.47 Erster Teil

Starke Indizien für eine Zahlungseinstellung sind z.B. Wechselproteste oder das Unterlassen von Zahlungen, die für die Aufrechterhaltung des Betriebes von größter Bedeutung sind wie die Zahlung für Mieten1, Energielieferungen und die Begleichung von Löhnen und Gehältern2, aber auch von Zahlungen an solche Gläubiger, von denen bekannt ist, dass sie mit Insolvenzanträgen sehr schnell bei der Hand sind wie der Fiskus und die Krankenkassen und Sozialversicherungsträger3; dies gilt jedoch nicht, wenn es sich um bestrittene Forderungen handelt4. Allein aus einer Zahlungsvereinbarung des Schuldners mit dem Gerichtsvollzieher muss der Gläubiger nicht zwingend auf dessen Zahlungseinstellung schließen, wenn ihm keine über die grundsätzliche Fähigkeit und Bereitschaft des Schuldners, die ausstehende Schuld kurzfristig in Teilbeträgen zu tilgen, hinausgehenden negativen Tatsachen bekannt werden5.

1.44

frei

1.45

ee) Ratenzahlungen Die Zahlungsunfähigkeit kann auch dadurch beseitigt werden, dass der Gläubiger mit oder auch ohne Vereinbarung einer Stundung erklärt, er werde vorläufig stillhalten, wenn der Schuldner bestimmte Ratenzahlungen leiste6 (s. auch Rn. 5.531). Forderungen, die rechtlich oder auch nur tatsächlich – also ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind, dürfen bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden; unter eine derartige Stundung fällt auch ein bloßes Stillhalteabkommen. Anderenfalls müsste bei typischen Ratenzahlungsvergleichen trotz vertragsgemäß oder erwartungsgemäß laufender Zahlung stets die gesamte Hauptforderung in eine Liquiditätsbilanz eingesetzt werden7. Der Schuldner erlangt die zwischenzeitlich verlorene Zahlungsfähigkeit zurück, wenn er die Raten im Wesentlichen vereinbarungsgemäß erbringt und die Zahlungen auf die Forderungen anderer Gläubiger wieder aufnimmt.

1.46

Soweit es für Gläubiger, die sich in der späteren Insolvenz eines solchermaßen zahlenden Schuldners Anfechtungen ausgesetzt sehen, auf deren Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit (s. Rn. 1.390 f.) oder von Umständen ankommt, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (z.B. Anfechtungen kongruenter oder inkongruenter Deckungen nach §§ 130, 131 InsO oder vorsätzlicher Benachteiligungen nach § 133 InsO), entstehen schwierige Abgrenzungsfragen. Ein Ratenzahlungsvergleich eines größeren Unternehmens muss für sich allein – ohne weitere Indizien – aus der Sicht des Gläubigers noch nicht zu einem zwingenden Schluss auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens führen8. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn das Unternehmen diesen Vergleich erst mit Verzögerung, nach Androhung der Zwangsvollstreckung, erfüllt. Um diese Abgrenzungsprobleme abzumildern, sieht § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO in der Neufassung9 die gesetzliche und ggf. vom Insolvenz-

1.47

1 OLG Hamburg v. 15.10.2021 – 11 U 207/20, ZInsO 2021, 2695. 2 BGH v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, ZIP 2008, 706= ZInsO 2008, 378. 3 BGH v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457; BGH v. 28.4.2022 – IX ZR 48/21, ZInsO 2022, 1498 Rn. 31 ff. 4 OLG Düsseldorf v. 19.1.2006 – I-6 U 2/05, ZIP 2006, 1100 = GmbHR 2006, 535. 5 BGH v. 6.7.2017 – IX ZR 178/16, ZIP 2017, 1677 = ZInsO 2017, 1881 Rn. 20. 6 BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420. 7 Kirchhof WuB VI A § 17 InsO 1.08. 8 OLG Karlsruhe v. 7.11.2013 – 9 U 119/11, ZIP 2014, 934 = ZInsO 2015, 152. 9 Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017 – BGBl. I 2017, 654; Kritik von Ber-

Martin Obermüller | 15

Erster Teil Rz. 1.47 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

verwalter zu widerlegende Vermutung vor, dass ein Gläubiger, der mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt hat, zur Zeit dieser Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

1.48

Aber wenn danach der Schuldner die Raten nur unregelmäßig zahlt und der Bank weitere ernsthaft eingeforderte Forderungen bekannt sind, soll dies die Vermutung drohender Zahlungsunfähigkeit und einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners begründen1. Eine Kenntnis von drohender Zahlungsunfähigkeit und einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners wird dem Gläubiger nämlich unterstellt, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in einem beträchtlichen Umfang nicht ausgeglichen werden und dem Gläubiger nach den Umständen bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt2; letztere Unterstellung ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn der Gläubiger weiß, es mit einem unternehmerisch tätigen Schuldner zu tun zu haben, bei dem das Entstehen von Verbindlichkeiten, die er nicht im selben Maße bedienen kann, auch gegenüber anderen Gläubigern unvermeidlich ist3. Dennoch wird die Bank in der Praxis die Raten vereinnahmen und abwarten müssen, ob es zu einer Insolvenzeröffnung kommt (s. auch Rn. 5.533 ff.). Dann aber ist angesichts der Gefahr anlaufender Zinsen (s. Rn. 1.375) eine schnelle Entscheidung vonnöten. ff) Zahlungsunwilligkeit

1.49

Hingegen liegt Zahlungsunfähigkeit noch nicht vor, wenn ein Schuldner nur zahlungsunwillig ist oder sich scheut, seine Vermögenswerte zur Befriedigung seiner Gläubiger zu versilbern4. Ein solches Verhalten ist für den Schuldner jedoch riskant. Denn maßgeblich ist der nach außen hervortretende, objektive Eindruck5: Wenn sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängt, dass der Schuldner außerstande sei, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen, liegt auch dann Zahlungseinstellung im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO vor, wenn der Schuldner in Wirklichkeit nur zahlungsunwillig ist.

1.50

Um dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, in einem frühen Stadium, in dem Sanierungsbemühungen noch größere Aussichten auf Erfolg haben, ein Insolvenzverfahren einzuleiten, gestattet die InsO in § 18 InsO dem Schuldner auch schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag. Dritten steht dieses Antragsrecht nicht zu. Dadurch soll vermieden werden, dass Außenstehende den Schuldner schon im Vorfeld der Insolvenz unter Druck setzen können6.

b) Drohende Zahlungsunfähigkeit

1 2 3 4 5 6

ner ZInsO 2015, 2457; Huber ZInsO 2015, 2297; Kayser/Heidenfelder ZIP 2016, 447; Pape ZInsO 2015, 2545; Schmidt ZInsO 2015, 2473 und Entschließung des BAKInsO ZInsO 2015, 2480. BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420. BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 = ZInsO 2009, 819; BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 = ZInsO 2009, 1909. BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 = ZInsO 2009, 1909. OLG Düsseldorf v. 5.11.1982 – 5 Ss 418/82 – 315/82 I, I, DB 1983, 168; zur Abgrenzung s. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 287/13, ZInsO 2014, 1661. BGH v. 12.10.2017 – IX ZR 50/15, ZIP 2017, 2368 = ZInsO 2017, 2539 = Ries ZInsO 2017, 2683. Schwemer WM 1999, 1155.

16 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.52 Erster Teil

Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Bei der Prüfung, ob die Zahlungsunfähigkeit droht, kann der Schuldner auch diejenigen Verbindlichkeiten berücksichtigen, die zwar bestehen, aber noch nicht fällig sind1, aber deren Fälligkeit im Prognosezeitraum mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintreten wird2. Dabei ist eine erkennbare, unaufhaltsame Verschlechterung des operativen Geschäfts in die Bewertung einzubeziehen3. Im Gegensatz zur Zahlungsunfähigkeit liegt bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit das Übergewicht der Zahlungspflichten nicht in der Gegenwart, sondern in der Zukunft und verlangt somit eine zeitraumbezogene Betrachtung der künftigen Vermögenslage4. Anders als die auf einen bestimmten Zeitpunkt bzw. auf 3 Wochen (s. Rn. 1.38) bezogene Betrachtung bei der Frage, ob die Zahlungsunfähigkeit schon eingetreten ist, kommt es hier also auf die künftige Entwicklung innerhalb eines Zeitraumes an, für den die gesamte Entwicklung unter Gegenüberstellung der vorhandenen Mittel und der zu erwartenden Einnahmen einerseits und der bestehenden, wenn auch nicht fälligen sowie der künftigen, nicht vermeidbaren Verbindlichkeiten auszuwerten ist. Als Prognosezeitraum sieht § 18 Abs. 2 Satz 2 InsO 24 Monate vor5.

1.51

Diese an sich sinnvolle Regelung erleichtert andererseits aber Missbräuche durch Schuldner, die wissen, wie man „gekonnt Pleite geht“6. Da eine Bewertung viele Prognoseelemente enthält, kann der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit notfalls sogar gestaltend inszeniert werden7. Dies gilt in gleicher Weise für Unternehmen, die auch wegen Überschuldung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen können. Denn wenn ein Unternehmen bei der Aufstellung des Überschuldungsstatus die drohende Zahlungseinstellung erkennt, kann es bei der Bewertung seiner Aktiva nicht mehr ohne Weiteres die Fortbestandswerte zugrunde legen. Es kommt dann meist schon durch den Wechsel des Bewertungsmaßstabs zu einer Überschuldung und damit zu einem Insolvenzgrund8.

1.52

1 Übersicht über die Rechtsprechung zur drohenden Zahlungsunfähigkeit s. Staufenbiel/Baziuk ZInsO 2016, 1726; Hiebert ZInsO 2016, 1738; zum Nachweis der drohenden Zahlungsunfähigkeit s. auch Möhlmann WPg 1998, 947. 2 BGH v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, ZIP 2014, 183 = ZInsO 2014, 77; weiterführend zur Fortbestehensprognose Kühne/Nickert ZInsO 2014, 2297. 3 Ehlers ZInsO 2005, 169. 4 Groß/Hess WPg 1999, 422. 5 Zu den verschiedenen Prognosezeiträumen s. Müller/Dressler ZInsO 2022, 1385. 6 S. den Beispielsfall bei BGH v. 28.6.1994 – VI ZR 252/93, ZIP 1994, 1365 = AfP 1994, 218 Rn. 3, 18 ff.; Hollinderbäumer BB 2013, 1223. 7 Ehlers ZInsO 2005, 169; vgl. auch zum Fall Suhrkamp BGH v. 17.7.2014 – IX ZB 13/14, ZInsO 2014, 1552; BVerfG v. 18.12.2014 – 2 BvR 1978/13, ZIP 2015, 80; s. dazu Fölsing ZInsO 2015, 88; LG Berlin v. 20.10.2014 – 51 T 696/14, ZIP 2014, 2197; AG Charlottenburg v. 9.2.2015 – HRB 153203 B, ZInsO 2015, 413 zum Prüfungsrahmen des Registergerichts mit Anm. Horstkotte ZInsO 2015, 416; Böcker ZInsO 2015, 773; Böcker DZWIR 2015, 125; Fölsing ZInsO 2014, 1591; Hölzle ZIP 2014, 1819; Marotzke ZInsO 2015, 325; Meyer DB 2015, 538; Möhlenkamp BB 2013, 2828; Müller DB 2014, 41; Pleister/Tholen ZInsO 2015, 414; Schäfer ZIP 2014, 2417; Schäfer ZIP 2015, 1208; Stöber ZInsO 2013, 2457. 8 Schwemer WM 1999, 1155.

Martin Obermüller | 17

Erster Teil Rz. 1.53 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

c) Überschuldung

1.53

Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (§ 19 Abs. 2 InsO). aa) Positive Fortbestehensprognose

1.54

Diese im Finanzmarktstabilisierungsgesetz1 zunächst für die Zeit vom 18.10.2008 bis 31.13.20132 vorgenommene und aufgrund von Art. 18 des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess3 jetzt wieder auf Dauer weiter geltende Änderung des Überschuldungsbegriffs bedeutet eine Rückkehr4 zum modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff der Konkursordnung5. – Bis dahin bewirkte nach dem mit der InsO eingeführten Überschuldungsbegriff eine positive Fortführungsprognose nur, dass die Aktiva des Unternehmens nicht nach Liquidations-, sondern nach den regelmäßig höheren Fortführungswerten zu bestimmen waren. Wurde selbst bei Ansatz von Fortführungswerten im Status eine Überschuldung festgestellt, dann führte bislang regelmäßig kein Weg an einem Insolvenzantrag vorbei. Dieses ökonomisch völlig unbefriedigende Ergebnis, dass auch Unternehmen, bei denen die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie weiter erfolgreich am Markt operieren können, zwingend ein Insolvenzverfahren zu durchlaufen haben, wird künftig vermieden. – Nunmehr gilt eine grundsätzlich zweistufige Prüfungsreihenfolge: – Auf der ersten Stufe ist die rechnerische Überschuldung zu Liquidationswerten zu prüfen6 und, wenn die Prüfung zu einer rechnerischen Überschuldung führt, – auf der zweiten Stufe, ob eine positive Fortführungsprognose besteht, d.h. die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist7. Davon

1 Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG) v. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982; weitere Dokumentationen s. ZBB 2009, 82; Überblick s. Brück/Schalast/Schanz BB 2008, 2526; Ewer/Behnsen NJW 2008, 3457; Horn BKR 2008, 452; Ziemons DB 2008, 2635; nicht zu verwechseln mit dem Stabilitätsgesetz (Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft v. 8.6.1967, BGBl. I 1967, 582), s. dazu Greitemann FS Knorr, 1968, 257. 2 Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 24.9.2009, BGBl. I 2009, 3151; zur Bedeutung dieser Neufassung für strafrechtliche Altfälle s. Bittmann wistra 2009, 138; Drukarczyk/Schüler ZInsO 2017, 61; Grube/Röhm wistra 2009, 81; Schmitz wistra 2009, 369. 3 Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften v. 5.12.2012, BGBl. I 2012, 2418. 4 Zu den Gründen für die Rückkehr s. Bitter/Hommerich, Die Zukunft des Überschuldungsbegriffs, 2012. 5 Eckert/Happe ZInsO 2008, 1098: „Totgesagte leben länger“; zum 30-jährigen Krieg um den prognostischen Überschuldungstatbestand s. K. Schmidt DB 2008, 2467; Drukarczyk/Schüler ZInsO 2017, 61; zur Abschaffung des Überschuldungsbegriffs s. Klöhn ZRI 2020, 2; zu den strafrechtlichen Konsequenzen s. Büttner ZInsO 2009, 841. 6 Begründung Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG) v. 14.10.2008 – BT-Drucks. 16/10600, S. 13 zu Art. 5. 7 Schröder in Hamburger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2022, § 19 Rn. 11.

18 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.56 Erster Teil

zu unterscheiden ist die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose, in die die Fortführungsprognose einfließen und günstigenfalls den Insolvenzgrund vermeiden sollte1. Der Schuldner ist also im insolvenzrechtlichen Sinn nicht überschuldet, wenn er trotz rechnerischer Überschuldung zu Liquidationswerten mittelfristig zahlungsfähig ist2. Eine Prüfung der rechnerischen Überschuldung soll rechtlich sogar entbehrlich sein, wenn die positive Fortführungsprognose bereits feststeht3. Eine positive Fortbestehensprognose setzt in subjektiver Hinsicht den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe4 und in objektiver Hinsicht voraus, dass die Unternehmensleitung aufgrund einer sorgfältigen, betriebswirtschaftlichen Analyse der Rentabilität des Unternehmens, seiner Finanzierung sowie fundierter Erwartungen für seine künftige Entwicklung zu der Überzeugung gelangt, dass die Gesellschaft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit lebensfähig ist und in absehbarer Zeit, d.h. für eine Prognosezeitraum von 12 Monaten (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO)5, mit ihrer Liquidation nicht gerechnet werden muss6. In dem Zeitraum vom 9.11.2022 bis einschließlich 31.12.2023 tritt an die Stelle des Zeitraums von zwölf Monaten ein Zeitraum von vier Monaten (§ 4 Abs. 2 SanInsKG).

1.55

bb) Negative Fortbestehensprognose Verfügt das Unternehmen dagegen nicht über genügend Zahlungsmittel und wird deshalb eine Prüfung der rechnerischen Überschuldung erforderlich, so ist, falls nicht schon der Insol-

1 Zu den Anforderungen an eine Fortführungsprognose im Rahmen des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB und an eine Fortbestehensprognose im Rahmen des § 19 InsO s. Gehrlein WM 2018, 1; Ganter NZI 2014, 673; Hermanns/Blome ZInsO 2018, 362; Kühne/Nickert ZInsO 2014, 2297. 2 Diese muss anhand einer Prognoserechnung aufgrund einer nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen durchzuführenden Ertrags- und Finanzplanung nachgewiesen werden (LG Göttingen v. 3.11.2008 – 10 T 119/08, ZIP 2009, 382; Gehrlein ZInsO 2018, 354); kritisch zum neuen Überschuldungsbegriff Bork ZIP 2019, Beilage zu Heft 43, 1. 3 Schröder in Hamburger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2022, § 19 Rn. 12; Fischer NZI 2016, 665, 666; Goette DStR 2016, 1684, 1687 f.; a.A. Schmerbach in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn. 15. 4 BGH v. 23.1.2018 – II ZR 246/15, ZIP 2018, 576 = ZInsO 2018, 815 Rn. 23 m.w.N.; abschwächend für sog. Start-up Unternehmen OLG Düsseldorf v. 20.7.2021 – I-12 W 7/21, ZInsO 2021, 1802 (s. dazu Mock BB 2022, 1929); OLG Düsseldorf v. 9.2.2022 – I-12 U 54/21, ZInsO 2022, 1135. 5 Zusammenstellung der zu den Zeiträumen bisher vertretenen Auffassungen s. Schmerbach in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn. 41. 6 So für die vorübergehend überholte (BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZIP 2007, 676) sog. zweistufige Prüfungsmethode, vgl. BGH v. 13.7.1992 – II ZR 269/91, WM 1992, 1650; OLG Düsseldorf v. 23.9.1994 – 17 U 210/93, ZIP 1995, 465; Moxter WPg 1980, 345 ff.; Bönkhoff, Die Kreditwürdigkeitsprüfung, 1983, S. 29 ff.; Drukarczyk WM 1994, 1737; Zilias WPg 1977, 448; Auler DB 1976, 2170; Mühlberger GmbHR 1977, 149; Pribilla KTS 1958, 6; Menger GmbHR 1981, 221; kritisch Kupsch WPg 1982, 273; zum Inhalt der Fortbestandsprognose s. Aleth/Harlfinger NZI 2011, 166; Bork ZIP 2000, 1709; Ehlers NZI 2011, 161; Frystatzki NZI 2011, 173; Sikora ZInsO 2010, 1761; Abgrenzungskriterien enthält die Empfehlung Nr. 4 der Union Européenne des Experts Comptables Economiques et Financiers (UEC) abgedr. in FN 1978, 289.

Martin Obermüller | 19

1.56

Erster Teil Rz. 1.56 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

venzgrund der Zahlungsunfähigkeit vorliegt, bei der Aufstellung des Überschuldungsstatus, in dem Vermögenswerte und Verbindlichkeiten einander gegenüberzustellen sind1, von dem Liquidationswert auszugehen. cc) Bewertungsmaßstab

1.57

Grundsätzlich ist die Handelsbilanz nicht geeignet, eine Überschuldung darzutun2. Allerdings kann der Insolvenzverwalter seiner Darlegungslast im Haftungsprozess gegen Geschäftsführer schon damit genügen, dass er eine Handelsbilanz mit dem Ausweis eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages vorlegt und erläutert, ob und ggf. welche Abweichungen nach Insolvenzrecht bestehen und dass danach eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne gegeben ist3. Die Ansätze der Jahresbilanz4 können aber Ausgangspunkt für eine Feststellung der Überschuldung sein5. Dabei kommt es darauf an, ob das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung von stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (negative Fortführungsprognose)6. Stille Reserven können nämlich nicht nur eine buchmäßige Überschuldung neutralisieren, sondern auch der Annahme der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft entgegenstehen, soweit sie von einem externen Gläubiger als hinreichende Kreditsicherheit angesehen werden7. Daher müssen die Ansätze der Jahresbilanz berichtigt werden.

1.58

Beim Passivvermögen sind lediglich die echten Schulden, also ohne Stammkapital und Rücklagen aufzuführen8. Auch die nachrangigen Verbindlichkeiten, zu denen vor allem die Gesellschafterdarlehen ohne Nachrangvereinbarung im Sinne von § 39 Abs. 2 InsO gehören, zählen grundsätzlich zu den Passiva im Überschuldungsstatus (Einzelheiten s. Rn. 5.471 ff.). Um die Rückstellungen ist die Passivseite nicht zu berichtigen. Sie können nur dann gekürzt werden, wenn sie zu hoch angesetzt sind. In gleicher Weise sind auch die auf der Passivseite aufgeführten Wertberichtigungen zu behandeln9.

1.59

Der Liquidationswert der Aktiva entspricht dem um die Verwertungskosten und Umsatzsteuer verminderten Preis, der bei einer planmäßigen Verwertung der Wirtschaftsgüter im Falle der Auflösung des Unternehmens zu erzielen ist10. Dabei ist von einer Einzelverwertung 1 BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235; BGH v. 18.12.2000 – II ZR 191/99, ZIP 2001, 242; BGH v. 30.1.2003 – 3 StR 437/02, ZInsO 2003, 519; OLG Düsseldorf v. 25.11.1996 – 5 Ss 303/96 – 93/96 I, DB 1997, 418. 2 BGH v. 8.3.2012 – IX ZR 102/11, ZInsO 2012, 732 Rn. 4 f.; BGH v. 5.2.2015 – IX ZR 211/13, ZInsO 2015, 841. 3 BGH v. 5.11.2007 – II ZR 262/06, ZIP 2008, 72 = ZInsO 2007, 1349. 4 Zu Jahresabschlüssen nach IAS/IFRS als Ausgangspunkt für den Überschuldungsstatus s. Kebekus ZGR 2008, 275; Hirte ZGR 2008, 284; Luttermann ZIP 2012, 305. 5 BGH v. 18.12.2000 – II ZR 191/99, ZIP 2001, 242; BGH v. 2.4.2001 – II ZR 261/99, WM 2001, 959; wohl auch BGH v. 16.5.1958 – 2 StR 103/58, BB 1958, 891; OLG Brandenburg v. 23.7.2008 – 7 U 217/07, ZInsO 2008, 1081. 6 BGH v. 12.7.1999 – II ZR 87/98, ZIP 1999, 1524 = WM 1999, 1828. 7 BGH v. 2.4.2001 – II ZR 261/99, ZIP 2001, 839 = WM 2001, 959. 8 Kohlmann/Giemulla GmbHR 1978, 55; vgl. auch BayObLG v. 30.7.1981 – RReg 3 St 83/81, ZIP 1982, 444. 9 OLG Hamburg v. 23.12.1980 – 7 U 67/79, BB 1981, 1441. 10 Kadenbach in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 19 Rn. 28.

20 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.62 Erster Teil

auszugehen, es sei denn, dass die begründete Erwartung einer Veräußerung des Unternehmens als Einheit oder in größeren Teileinheiten besteht. Dabei dürfen die Wirtschaftsgüter nicht mit ihrem um die normalen Abschreibungen für Anlagen verminderten Anschaffungswert angesetzt werden, denn dies gibt nicht die „wahren“ Werte wieder, die sie am Bewertungsstichtag tatsächlich hatten und die für den Überschuldungsstatus maßgeblich sind. Dies wird schon daran deutlich, dass andernfalls so genannte Abschreibungsgesellschaften in der Regel überschuldet wären, da sie gerade den Zweck haben, aufgrund von Abschreibungen bestehende Verluste ihren Gesellschaftern zuzuweisen. Vielmehr sind die Vermögensgegenstände unter Berücksichtigung der konkreten Verwertungsmöglichkeiten aufzunehmen1.

3. Insolvenzantrag Den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens können grundsätzlich sowohl der Schuldner als auch dessen Gläubiger stellen, gegenüber manchen Schuldnern ist das Antragsrecht jedoch Behörden vorbehalten. Die überwiegende Anzahl der Gläubigeranträge stammt in der Praxis von öffentlich-rechtlichen Gläubigern, insbesondere vom Fiskus und den Sozialversicherungsträgern; der Anteil von privatrechtlichen Gläubigern ist gering2.

1.60

a) Gläubigerantrag Ein Gläubiger kann den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung oder eingetretener, nicht aber wegen drohender Zahlungsunfähigkeit stellen (§ 13 Abs. 1 InsO). Das Antragsrecht steht auch einem nachrangigen Gläubiger3 und einem Pfandgläubiger4 zu. Voraussetzung ist, dass der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung hat5 und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht (§ 14 Abs. 1 InsO)6. Die Anforderungen des § 13 Abs. 1 InsO muss ein Gläubiger dagegen nicht erfüllen.

1.61

War in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt worden, so wird der Antrag nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 InsO)7. In diesem Fall hat der Gläubiger auch die vorherige Antragstellung glaubhaft zu machen.

1.61a

aa) Form des Gläubigerantrags Der Insolvenzantrag ist schriftlich zu stellen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO) und muss die ladungsfähige Anschrift des Antragstellers und des Antragsgegners enthalten8. Wird der Insolvenz1 2 3 4 5 6 7 8

Müller in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2004, § 19 Rn. 43 ff. Brzoza ZInsO 2022, 121. BGH v. 23.9.2010 – IX ZB 282/09, ZIP 2010, 2055; Gehrlein ZInsO 2019, 1973. Gundlach/Müller ZInsO 2018, 2742; Schmerbach in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 13 Rn. 10; Wegener in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 13 Rn. 28. Zum Antragsrecht eines künftigen Massegläubigers s. Müller/Rautmann ZInsO 2015, 2365; zur Ermessensausübung des Fiskus vor einem Insolvenzantrag s. Bruns/Schaake ZInsO 2011, 1581. Zur Schadenersatzpflicht wegen unberechtigter Insolvenzanträge s. OLG Koblenz v. 17.11.2005 – 10 W 705/05, ZInsO 2005, 1338; zur „Gegenglaubhaftmachung“ des Schuldners s. LG Düsseldorf v. 25.9.2012 – 25 T 490/12, NZI 2013, 94. Zu den Anwendungsproblemen s. Laroche/Meier/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender ZIP 2013, 1456. LG Düsseldorf v. 7.2.2022 – 25 T 2/22, ZInsO 2022, 2636.

Martin Obermüller | 21

1.62

Erster Teil Rz. 1.62 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

antrag durch einen Rechtsanwalt, eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht, so ist er als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 130d Abs. 1 ZPO)1, anderenfalls ist er unwirksam2. bb) Glaubhaftmachung der Gläubigerforderung

1.63

Für eine titulierte Forderung genügt die Vorlage des Titels. Ein Eröffnungsgrund lässt sich natürlich am einfachsten durch die Vorlage einer Fruchtlosigkeitsbescheinigung des Gerichtsvollziehers oder einer eidesstattlichen Versicherung des Schuldners glaubhaft machen3.

1.64

Eine nicht titulierte Forderung ist nach Grund und Höhe schlüssig darzulegen4. Ihren Bestand, die Fälligkeit und das Ausbleiben der Zahlungen hat der Gläubiger glaubhaft zu machen5. Ist der Schuldner nur dann zahlungsfähig oder überschuldet, wenn die von dem antragstellenden Gläubiger geltend gemachte Forderung besteht, reicht die Glaubhaftmachung der Forderung nicht aus. In diesem Fall hat der Gläubiger den Bestand seiner Forderung zu beweisen, wenn ihr der Schuldner substantiiert widerspricht6. Gläubiger bestrittener Forderungen haben allerdings kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Insolvenzantrag, wenn der Bestand der Forderung nur in einem Zivilprozess endgültig und zweifelsfrei geklärt werden kann7. Das Gericht kann den Insolvenzantrag dann sogar ohne Prüfung der Schlüssigkeit der Einwendungen des Schuldners abweisen8.

1.65

Dagegen können Einwendungen gegen eine titulierte Forderung – dazu gehören auch vollstreckbare notarielle Urkunden – nur in dem für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren geltend gemacht, aber nicht dem Insolvenzantrag entgegengehalten werden9. Die Vorlage eines ausschließlich dinglichen Titels wie z.B. einer Grundschuldbestellungsurkunde mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung soll jedoch insoweit nicht ausreichen10. Stützt ein Gläubiger seinen Eröffnungsantrag dagegen auf die Übernahme der persönlichen Haftung des Schuldners für einen Grundschuldbetrag – wie in den üblichen Grundschuldbestellungsfor-

1 AG Hamburg v. 21.2.2022 – 67h IN 29/22, ZInsO 2022, 595; Büttner InsBüro 2022, 155; Frind ZInsO 2022, 579; Keller ZVI 2022, 167; Kollbach ZInsO 2022, 624 mit Erwiderung Beth ZInsO 2022, 750; OLG Düsseldorf v. 21.3.2022 – I-12 U 61/21, ZInsO 2022, 1178. 2 So für Schriftsätze eines als Rechtsanwalt zugelassenen Insolvenzverwalters BGH v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, ZIP 2023, 92 Rn. 6 ff. 3 Sie dürfen jedoch nicht bereits über ein Jahr alt sein (LG Düsseldorf v. 29.3.2007 – 25 T 100/07, NZI 2007, 530). 4 BGH v. 22.9.2005 – IX ZB 205/04, NZI 2006, 34; soll der Insolvenzgrund allein aus einer solchen Forderung eines einzelnen Gläubigers hergeleitet werden, muss deren Berechtigung zur Überzeugung des Gerichts feststehen (BGH v. 8.11.2007 – IX ZB 201/03, ZInsO 2007, 1275). 5 Wege zur Glaubhaftmachung s. Wegener in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 14 Rn. 34 mwN. 6 BGH v. 14.1.2021 – IX ZB 12/20, ZIP 2021, 302 = ZInsO 2021, 377. 7 LG Meiningen v. 13.4.2000 – 4 T 13/00, ZIP 2000, 1451; BGH v. 14.12.2005 – IX ZB 207/04, ZIP 2006, 247; BGH v. 13.6.2006 – IX ZB 214/05, ZIP 2006, 1456. 8 BGH v. 1.2.2007 – IX ZB 79/06, NZI 2007, 350. 9 BGH v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452; BGH v. 14.1.2010 – IX ZB 177/09, ZInsO 2010, 331. 10 OLG Frankfurt v. 11.5.2001 – 26 W 37/01, ZInsO 2002, 75.

22 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.69 Erster Teil

mularen des Kreditgewerbes1 vorgesehen – und bildet diese Forderung zugleich den Insolvenzgrund, wird die Forderung durch die Vorlage einer vollstreckbaren Urkunde bewiesen2. cc) Rechtsschutzbedürfnis für den Insolvenzantrag Ein rechtliches Interesse an der Eröffnung hat ein Gläubiger, dem eine Forderung gegen den Schuldner zusteht und der einen Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht hat3.

1.66

Demgegenüber fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Gläubiger dinglich vollständig gesichert ist und deshalb keinen Ausfall befürchten muss4. Nur wegen einer Forderung, die auch ohne die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Sicherheit vollständig befriedigt werden kann, darf ein Insolvenzverfahren nämlich nicht eröffnet werden. In der Regel ermöglicht eine werthaltige Sicherheit die Befriedigung des gesicherten Gläubigers in angemessener Frist5. Dagegen besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Insolvenzantrag, wenn eine Verwertung des belasteten Grundstücks nicht möglich ist oder nicht zu einer alsbaldigen Befriedigung des Gläubigers führen würde6, z.B. wenn eine Zwangsversteigerung wegen Suizidgefahr des Schuldners in absehbarer Zeit nicht stattfinden kann7.

1.67

Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig sein, wenn es dem Antragsteller (ausschließlich) um die Erreichung anderer Ziele als diejenigen der Befriedigung der eigenen Forderung im Rahmen des Insolvenzverfahrens geht8. Auch fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für sogenannte Druckanträge, d.h. Insolvenzanträge, bei denen das wahre Ziel des Gläubigers nicht die Durchführung des Insolvenzverfahrens ist, sondern das Ausüben von Druck auf den Schuldner, um diesen zur Zahlung zu bewegen oder noch pfändbare Vermögensgegenstände zwecks Zugriffs durch die Zwangsvollstreckung auszukundschaften9. Ein Schuldner, der Anlass zu der Annahme hat, dass ein Gläubiger einen derartigen missbräuchlichen Insolvenzantrag einreicht, kann dem vorbeugend durch Hinterlegung einer Schutzschrift nach § 945a ZPO begegnen10.

1.68

Allein der Umstand, dass eine Bank aufgrund einer fälligen und (nach einer oder mehreren Mahnungen immer noch) unbefriedigten unstreitigen Forderung einen Insolvenzantrag stellt, kann jedenfalls dann nicht rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig sein, wenn sie einen schlüssigen Vortrag für einen Insolvenzgrund liefert. Vielmehr müssen dem Insolvenzgericht weitere Indizien vorliegen, die ihm die Überzeugung vermitteln, dass das Ziel des Insolvenz-

1.69

1 S. z.B. Muster für die Bestellung einer Buchgrundschuld bei Wenzel in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017, Rn. 4/2064, Muster für die Bestellung einer Eigentümer-Briefgrundschuld bei Wenzel in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017, Rn. 4/2188. 2 BGH v. 23.6.2016 – IX ZB 18/15, ZIP 2016, 1447 = ZInsO 2016, 1575. 3 BGH v. 5.5.2011 – IX ZB 251/10, ZInsO 2011, 1216. 4 BGH v. 29.11.2007 – IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281 = ZInsO 2008, 103 Rn. 11; BGH v. 8.7.2010 – IX ZB 45/10, ZInsO 2010, 1662; BGH v. 5.5.2011 – IX ZB 250/10, NZI 2011, 632. 5 BGH v. 10.12.2020 – IX ZB 24/20, ZIP 2021, 136 = ZInsO 2021, 250 Rn. 12; LG Bonn v. 12.7.2021 – 6 T 84/21, ZInsO 2022, 1504. 6 BGH v. 23.6.2016 – IX ZB 18/15, ZIP 2016, 1447 = ZInsO 2016, 1575 Rn. 20. 7 BGH v. 10.12.2020 – IX ZB 24/20, ZIP 2021, 136 = ZInsO 2021, 250 Rn. 13; s. dazu Zschieschack NZI 2021, 183. 8 OVG Lüneburg v. 17.10.2018 – 9 ME 106/18, ZInsO 2018, 2701; LG Hamburg v. 16.4.2019 – 411 HKO 14/17, zitiert bei Keller, ZfIR 2021, 249. 9 LG Ulm v. 15.10.2018 – 2 T 21/18, ZInsO 2018, 2657. 10 Einzelheiten s. s. Büttner ZInsO 2021, 433.

Martin Obermüller | 23

Erster Teil Rz. 1.69 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

antrags darin liegt, einen zahlungsunwilligen Schuldner zur Zahlung zu zwingen oder den Schuldner zum Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung, zur Anerkennung einer bestrittenen Forderung oder zu Teilzahlungen zu bewegen1 dd) Pflichten des Gläubigers aus dem Insolvenzantrag

1.70

Weitergehende Pflichten sind mit dem Insolvenzantrag nicht verbunden. So ist ein Gläubiger nicht verpflichtet, Tatsachen darzulegen, die einen Anfechtungsanspruch gegen ihn belegen könnten; eine solche Weigerung macht einen von ihm gestellten Insolvenzantrag nicht unzulässig2.

1.71

Wenn ein insolvenzreifer Schuldner Zahlungen leisten will, mit deren Anfechtung der Gläubiger nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens rechnen muss, ist der Gläubiger nicht verpflichtet, diese anzunehmen und auf seinen Insolvenzantrag zu verzichten3. b) Antragsrecht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

1.72

Gegenüber Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen, Zahlungsinstituten, E-Geld-Instituten und Kapitalverwaltungsgesellschaften ist dem Gläubiger dieses Antragsrecht genommen4 und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)5, dem früheren Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen bzw. Versicherungswesen, übertragen worden (§ 46b Abs. 1 Satz 4 KWG, § 312 Abs. 1 VAG, § 21 Abs. 4 Satz 4 ZAG und § 43 Abs. 1 KAGB6). Im Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit einer Bank darf die Bundesanstalt den Antrag jedoch nur mit Zustimmung des Instituts stellen (§ 46b Abs. 1 Satz 5 KWG)7. Vor der Entscheidung über einen Antrag, der wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt wurde, sind die organschaftlichen Vertreter des Instituts dagegen nicht einmal anzuhören8. Auch der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von gesetzlichen Krankenkassen kann nur von der Aufsichtsbehörde gestellt werden (§ 160 Abs. 3 Satz 1 SGB V).

1.73

Der Staatsanwaltschaft steht ein eigenes Antragsrecht zu, wenn bei der Vollziehung eines Vermögensarrests der Wert des erfassten Gegenstands nicht ausreicht, um die Ansprüche der durch eine Straftat Verletzten zu befriedigen (§ 111i Abs. 2 StPO)9. Dieses Antragsrecht tritt neben das Insolvenzantragsrecht des Schuldners und der Gläubiger.

1 2 3 4 5 6

7 8 9

Wegener in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 14 Rn. 73 ff. BGH v. 7.2.2008 – IX ZB 137/07, ZIP 2008, 565 = ZInsO 2008, 320. LG Berlin v. 17.3.2021 – 84 T 45/21, ZInsO 2021, 738. Wimmer ZInsO 2002, 897; Paulus ZBB 2002, 492. Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, 1310, s. dazu Hagemeister WM 2002, 1773. Zu den Entscheidungskriterien des BAK s. VG Berlin v. 31.10.1995 – 25 A 313/95, WM 1996, 295; allgemein zu Bankinsolvenzen s. Rn. 1.225 ff.; Pannen, Sanierung – Abwicklung – Insolvenz bei Kreditinstituten, 4. Aufl. 2021; zu den EG-Richtlinien über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten s. Wimmer ZInsO 2002, 897. Einzelheiten s. Pannen in Smid, Neue Fragen des deutschen und internationalen Insolvenzrechts, 2005, S. 34 ff. AG Hamburg v. 12.9.2005 – 67c IN 312/05, ZIP 2005, 1748 = ZInsO 2005, 1003. Einzelheiten s. Laroche ZInsO 2017, 1245; Laroche ZInsO 2022, 62; Blankenburg ZInsO 2017, 1453; Weyand ZInsO 2017, 1199; Tschakert ZInsO 2022, 74 und unten Rn. 6.1530 ff.; zur Konkur-

24 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.78 Erster Teil

c) Kriterien einer Bank für die Antragstellung Banken halten sich mit Anträgen auf Eröffnung von Insolvenzverfahren gern zurück1. Sie scheuen weniger die Zweitschuldnerhaftung für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters2, sondern vor allem die Auswirkungen auf die öffentliche Meinung, die stets eher geneigt ist, die Schuld für eine Insolvenz den Banken zuzuweisen als dem Unternehmen. Die Sorge vor Schadenersatzansprüchen des Schuldners sollte eine Bank dagegen nicht von einem Insolvenzantrag abhalten, wenn ihr Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt und auch nicht erkennbar ist, wann er seine Zahlungen wieder aufnehmen wird3.

1.74

Oft ist ein Insolvenzantrag wesentlich effektiver als der Versuch einer Einzelzwangsvollstreckung. Ein Insolvenzverwalter besitzt erheblich bessere Möglichkeiten als ein Vollstreckungsgläubiger. Diesem bleiben trotz des Rechts, den Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu zwingen, häufig beträchtliche Vermögenswerte verborgen, während der Verwalter durch die Postsperre, die Übernahme der Geschäftsbücher und aufgrund seiner Stellung im Betrieb gegenüber den Mitarbeitern ganz andere Chancen erwirbt, verschobenen Geldern nachzuspüren oder auch nur die Tatbestandsvoraussetzungen für Ansprüche aus nicht oder nicht formgerecht eingezahlten Geschäftsanteilen, für verbotene Einlagenrückgewähr oder zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen zu ermitteln.

1.75

Eine Antragspflicht trifft den Gläubiger nicht. Soweit das Antragsrecht nur der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zusteht, obliegt dieser gegenüber den Gläubigern die Amtspflicht4 zur sorgfältigen Prüfung und Entscheidung.

1.76

d) Rücknahme des Gläubigerantrags Wenn der Kreditnehmer die von der Bank geltend gemachten Forderungen angesichts ihres Insolvenzantrags begleicht, hat sich für die Bank das Interesse an einer weiteren Verfolgung des Antrags in der Regel erledigt. Sie muss dann einen Weg suchen, sich von dem Antrag zu lösen, um dem Risiko vorzubeugen, dass ihr Insolvenzantrag als unbegründet abgewiesen wird und ihr die Verfahrenskosten auferlegt werden (§ 14 Abs. 3 Satz 1 InsO).

1.77

Zwar wird der Antrag nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird, er kann jedoch aus anderen Gründen scheitern.

1.78

– Zulässig wäre eine Rücknahme des Antrags, denn seinen Insolvenzantrag kann ein Gläubiger zurücknehmen, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig ab-

1

2 3 4

renz dieses Antragsrechts mit dem der BaFin s. Gondert WM 2018, 845; zum Rechtsweg gegen diesen Antrag s. OLG Stuttgart v. 9.8.2022 – 302 AR 16/22, ZInsO 2022, 2266 mit Anm. Seeger. Demgegenüber braucht ein gläubiger Katholik – wie das Erzbischöfliche Offizialat Freiburg entschieden hat (2.12.1993 – Nr. 3497, NJW 1994, 3375) – vor einem Insolvenzantrag gegen einen katholischen Schuldner nicht zurückzuschrecken; ein Insolvenzantrag widerspricht weder Sittengesetzen noch dem kanonischen Recht, wenn er als letztes Mittel gegen den säumigen Schuldner eingesetzt wird. S. dazu OLG Düsseldorf v. 7.2.2009 – I-10 W 123/08, ZIP 2009, 1172. OLG Düsseldorf v. 28.10.1993 – 10 U 17/93, ZIP 1994, 479 = BB 1994, 172; BGH v. 3.10.1961 – VI ZR 242/60, KTS 1961, 183; Übersicht bei Pape ZIP 1995, 623. BGH v. 12.7.1979 – III ZR 154/77, WM 1979, 934; BGH v. 21.10.1982 – III ZR 20/82, ZIP 1982, 1301.

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Erster Teil Rz. 1.78 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

gewiesen ist (§ 13 Abs. 2 InsO). Allerdings verpflichtet eine Rücknahme (§ 4 InsO, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO) den Gläubiger, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. – Sinnvoll ist es daher, dass die Bank ihren Insolvenzantrag für erledigt erklärt. Im Falle einer beiderseitigen Erledigungserklärung entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (§ 4 InsO, § 91a ZPO), im Falle einer einseitig bleibenden Erledigungserklärung prüft das Gericht, ob die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein Ereignis nach Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet geworden ist1. Eine Kostentragungspflicht des Gläubigers kann dann nicht damit begründet werden, dass der Insolvenzantrag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO weiterhin zulässig ist2.

1.79

frei e) Schuldnerantrag

1.80

Die Insolvenzordnung räumt grundsätzlich jedem Schuldner das Recht zum Insolvenzantrag ein3. Lediglich Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen, Zahlungsinstituten, E-GeldInstituten und Kapitalverwaltungsgesellschaften ist dieses Antragsrecht verwehrt und allein der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zugebilligt worden (s. Rn. 1.72). Für Unternehmen, die unerlaubte Bankgeschäfte betreiben und für die die BaFin deshalb einen Abwickler eingesetzt hat, steht diesem das Antragsrecht zu, und zwar auch dann, wenn das Unternehmen neben Bankgeschäften auch solche tätigt, auf die sich der Aufgabenbereich des Abwicklers nicht erstreckt4. aa) Antragspflicht

1.81

Manche Schuldner sind nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, den Antrag zu stellen, wenn ein Insolvenzgrund vorliegt. Sofern eine Antragspflicht besteht (s. dazu Rn. 1.90 ff.), müssen die Schuldner ihren Antrag spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen (§ 15a Abs. 1 Satz 2 InsO); in dem Zeitraum vom 9.11.2022 bis einschließlich 31.12.2023 tritt an die Stelle des Zeitraums von 6 Wochen ein Zeitraum von acht Wochen (§ 4a Abs. 2 SanInsKG). Unterlassen sie dies, so können sie sich schadenersatzpflichtig und strafbar machen5. Der Schadenersatzanspruch kann während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Verwalter geltend gemacht werden (§§ 92, 93 InsO).

1.82

In besonderen Ausnahmesituationen hat der Gesetzgeber die Pflicht zum Insolvenzantrag vorübergehend ausgesetzt. So kamen Schuldnern im Jahre 2002 ein Hochwasser und eine

1 Hausherr in Prütting/Gehrlein, ZPO, 13. Aufl. 2021, § 91a Rn. 56. 2 BGH v. 23.9.2021 – IX ZB 66/20, ZIP 2021, 2399 Rn. 14 = mit Anm. Laroche NZI 2022, 25. 3 Zu den inhaltlichen Mindestanforderungen an einen Insolvenzantrag s. § 13 InsO, BGH v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358 = WM 2003, 396; Schmidt ZInsO 2014, 2352 und Entwurf des BMJV für eine Verordnung zur Einführung eines Formulars für den Antrag des Schuldners v. 27.2.2014; zum Insolvenzantrag des Schuldners, der nur einen Gläubiger hat, s. Antoni DZWIR 2009, 362. 4 BGH v. 24.7.2003 – IX ZB 4/03, ZIP 2003, 1641 = WM 2003, 1800. 5 Zur Kritik an dem Bestrafen des wirtschaftlichen Scheiterns s. Richter ZInsO 2017, 2298.

26 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.82 Erster Teil

Bundestagswahl zu Hilfe: Durch Art. 6 Abs. 2 des Flutopfersolidaritätsgesetzes1 wurden die Insolvenzantragsfristen für die vom Hochwasser betroffenen Unternehmen zunächst bis zum 31.13.2002 verlängert und später2 bis zum 31.3.2003 ausgedehnt. Daran schloss sich 10 Jahre später das Gesetz über die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasserbedingter Insolvenz3 an, das die Insolvenzantragpflicht aussetzte, solange die Antragspflichtigen ernsthafte Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen führten und dadurch begründete Aussichten auf Sanierung bestanden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31.12.2013. Dieselbe Regelung findet sich für Regenfälle und Hochwasser aus dem Mai und Juni 2016 in § 1 des Gesetzes zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasser- und starkregenfallbedingter Insolvenz wieder4. Dem folgte im Jahre 2020 das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht5, das mit Hilfe von § 1 CovInsAG6, die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags zunächst vom 1.3.2020 bis zum 30.9.2020 ausgesetzt hat und sich noch heute auswirkt. Die überstürzte Sondergesetzgebung stellt das gesamte Rechtssystem der InsO infrage7. Die letzten Folgeregelungen galten zunächst bis 30.9.2023 (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG). Inzwischen wird das CovInsAG durch das SanInsKG fortgeführt und bis 31.12.2023 verlängert (§ 4 Abs. 2, § 4a SanInsKG)8. Während die Hochwassergesetze das Recht der Gläubiger zur Stellung eines Insolvenzantrags unberührt ließen, hatte § 3 CovInsAG deren Antragsrecht während der Zeit vom 28.3.2020 bis zum 28.6.2020 beschränkt auf Eröffnungsgründe, die bis zum 1.3.2020 eingetreten waren. Angesichts des ständigen Wechsels der Gesetzgebung sind Schuldner und Gläubiger gut beraten, in Insolvenzlagen die Entwicklung der Gesetzgebung tagesaktuell zu beobachten.

1 Gesetz zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften und zur Errichtung eines Fonds „Aufbauhilfe“ (Flutopfersolidaritätsgesetz) v. 19.9.2002, BGBl. I 2002, 3651. 2 § 1 der Verordnung zur Verlängerung der Unterbrechung von Insolvenzantragsfristen v. 16.12.2002 (BGBl. I 2002, 4543). 3 Art. 3 § 1 des Gesetzes über die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasserbedingter Insolvenz v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2401, 2402. 4 Art. 3a § 1 des Neunten Gesetzes zur „Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ‒ Rechtsvereinfachung sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ v. 26.7.2016 – BGBl. I 2016, 1824; BR-Drucks. 343/16 v. 24.6.2016; zu den Folgerungen aus diesen Gesetzen s. Paulus/Berg ZIP 2021, 1742; Wipperfürth InsbürO 2022, 33. 5 Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht v. 27.3.2020 – BGBl. I 2002, 569; Entwurf s. BT-Drucks. 19/18110 v. 24.3.2020 mit Änderungen aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) v. 25.3.2020 – BT-Drucks. 19/18129); s. dazu Bitter ZIP 2020, 685; Brünkmans ZInsO 2020, 797; Hölzle/Schulenberg ZIP 2020, 633; Jarchow/Hölken ZInsO 2020, 730; Morgen/Schinkel ZIP 2020, 660; Obermüller ZInsO 2020, 1037; Poertzgen ZInsO 2020, 825; Rauscher COVuR 2020, 2; Thole ZIP 2020, 650; Tresselt/Kienast COVuR 2020, 21; Ziegenhagen ZInsO 2020, 689. 6 Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung dser Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz = Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht v. 27.3.2020 – BGBl. I 2020, 569. 7 Pape ZInsO 2020, 1347. 8 Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz), eingeführt durch Art. 9 des Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes v. 31.10.2022 – BGBl. I 2022, 1966.

Martin Obermüller | 27

Erster Teil Rz. 1.83 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

bb) Form des Insolvenzantrags

1.83

Der Insolvenzantrag ist schriftlich einzureichen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO). Formulare für den Antrag sind für Unternehmen bisher nicht vorgeschrieben1. Viele Insolvenzgerichte stellen jedoch Merkblätter und Formulare zur Verfügung, denen zu folgen sich empfiehlt.

1.84

Ein Schuldner, der selbst den Insolvenzantrag einreicht, soll ein Verzeichnis seiner Gläubiger, in dem die Gläubiger individualisierbar angegeben werden2 und ihrer Forderungen beifügen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 InsO). Wenn sein Geschäftsbetrieb nicht eingestellt ist, soll er in dem Verzeichnis – die höchsten Forderungen, – die höchsten gesicherten Forderungen, – die Forderungen der Finanzverwaltung, – die Forderungen der Sozialversicherungsträger und – die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung besonders kenntlich machen.

1.85

Diese Angaben sind verpflichtend, wenn – der Schuldner Eigenverwaltung beantragt, – der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale, nämlich – mindestens 6.000.000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne des § 268 Abs. 3 HGB, – mindestens 12.000.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag, – im Jahresdurchschnitt mindestens fünfzig Arbeitnehmer, – erfüllt hat, oder – die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde (§ 13 Abs. 1 Satz 6 InsO). Außerdem muss des Schuldner Angaben zur Bilanzsumme, Umsatz und Anzahl der Arbeitnehmer liefern (§ 13 Abs. 1 Satz 5 InsO).

1.86

Damit erhält das Gericht die notwendigen Informationen, um festzustellen, ob es einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen muss und, wenn dies zu bejahen ist, welche Gläubiger für die Beteiligung im Ausschuss anzusprechen sind. Reicht dem Gericht dies nicht, so kann es vom Schuldner oder vom vorläufigen Verwalter, falls es diesen schon vor der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses bestellt hat, verlangen, dass dem Gericht Personen be-

1 Entwurf einer Verordnung zur Einführung eines Formulars für den Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und zur Änderung der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet v. 27.2.2014. 2 AG Hannover v. 8.7.2015 – 909 IN 407/15, ZIP 2015, 2088.

28 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.92 Erster Teil

nannt werden, die als Mitglieder eines vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen (§ 22a Abs. 4 InsO). Ein Insolvenzantrag des Schuldners, der die genannten Pflichtangaben nicht oder nicht vollständig enthält, ist insgesamt unzulässig. Er kann nicht etwa als wirksamer Insolvenzantrag behandelt werden, der lediglich nicht zur Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses verpflichtet. Sonst stünde es im Belieben des Schuldners, ob er die Anforderungen des § 22a InsO erfüllt.

1.87

Ist der Insolvenzantrag auf Eigenverwaltung gerichtet, so ist noch eine Fülle weiterer Unterlagen beizufügen (s. § 270a InsO; Einzelheiten s. Rn. 1.804), für Verbraucherinsolvenzanträge sind amtliche Formulare zu verwenden (§ 305 Abs. 5 InsO; Einzelheiten s. Rn. 1.1367).

1.88

Der Antrag eines Gläubigers muss die Anforderungen des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht erfüllen

1.89

II. Rechtsformspezifische Eröffnungsvoraussetzungen für Insolvenzverfahren Insolvenzfähigkeit, Insolvenzgründe, Insolvenzantragsrecht und -pflicht, Schadenersatzpflicht und Strafbarkeit wegen unterlassener Insolvenzanträge sind unterschiedlich geregelt je nach Rechtsform des Schuldners, hängen also davon ab, ob es sich um eine natürliche Person bzw. eine Personengesellschaft oder um eine juristische Person handelt. Die verfahrensrechtlichen Vorschriften der InsO unterscheiden des weiteren bei Unternehmen in manchen Punkten nach deren Größe1.

1.90

Die Eröffnungsvoraussetzungen sind für jeden Schuldner einzeln zu prüfen.

1.91

Dies gilt auch, wenn alle Schuldner einem Konzern angehören. Werden mehrere Unternehmen eines Konzerns insolvent, findet keine Konzerninsolvenz2 in dem Sinn statt, dass automatisch über den gesamten Konzern ein Insolvenzverfahren eröffnet wird3; ebenso ist eine Zusammenfassung von Verfahren mit Bildung einer Gesamtmasse nicht möglich4; eine Ver-

1.92

1 Einzelheiten insbesondere zu KMU s. Müller ZInsO 2019, 125. 2 Diskussionsentwurf des BMJ eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzenv. 3.1.2013, abgedr. ZInsO 2013, 130; Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 30.1.2014 – BT-Drucks. 18/407; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) v. 8.3.2017 – BT-Drucks. 18/11436; Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 13.4.2017 – BGBl. I 2017, 866, s. dazu Schmidt KTS 2018, 1. 3 Rotstegge, Konzerninsolvenz, 2007, § 3 (S. 58 ff.). 4 Ehricke DZWIR 1999, 353; Graeber NZI 2007, 265; Hirte FS K. Schmidt, 2009, 641; Paulus DStR 2003, 31; Prütting FS Metzeler, 2003, 3; Sester ZIP 2005, 2099; BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/ 74, WM 1975, 1182; OLG Oldenburg v. 25.10.1954 – 3 W 76/54, MDR 1955, 175; AG Göttingen v. 6.5.2002 – 74 IN 138/02, NZI 2002, 560; zur gemeinschaftlichen Sanierung von Konzernunternehmen s. Ehricke ZInsO 2002, 393; Mankowski NZI 2008, 355; Paulus ZIP 2005, 1948; zur GmbH & Co. KG s. K. Schmidt GmbHR 2002, 1209; Piepenburg NZI 2004, 231; zur Simultaninsolvenz der Gesellschaften in der GmbH & Co. KG s. K. Schmidt GmbHR 2003, 1404; zur Behandlung von Konzerninsolvenzen nach der EuInsVO s. Vallens/Dammann NZI 2006, 29; Schilling ZInsO 2006, 113; zur Besonderheit bei Unternehmensverträgen s. Sämisch/Adam ZInsO 2007, 520.

Martin Obermüller | 29

Erster Teil Rz. 1.92 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

mögensvermischung kann aber zu einer Durchgriffshaftung führen1. Um die im Fall einer Konzerninsolvenz zu eröffnenden Einzelverfahren über die Vermögen konzernangehöriger Unternehmen in einem größeren Umfang aufeinander abzustimmen, sind in §§ 3a ff., 56b, 269a–269i InsO Rechtsgrundlagen geschaffen worden, die eine koordinierte Insolvenzabwicklung im Konzernkontext ermöglichen2. Sie beschränken sich auf Regelungen über die Schaffung eines einheitlichen Gruppen-Gerichtsstands für Konzernunternehmen3 und über die Zusammenarbeit der Insolvenzgerichte, Gläubigerausschüsse und Insolvenzverwalter bzw. die Einsetzung desselben Insolvenzverwalters für alle oder mehrere Verfahren4.

1.93

Auf die Besonderheiten der Insolvenz einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in Deutschland soll hier nicht eingegangen werden5. Für ausländische Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland gilt dagegen grundsätzlich das ausländische Recht, auch wenn sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland haben6.

1. Natürliche Personen a) Insolvenzfähigkeit

1.94

Natürliche Personen sind stets insolvenzfähig. Zu diesem Personenkreis gehören alle rechtsfähigen, natürlichen Personen, also auch Minderjährige, unter Betreuung Stehende7, jeder

1 S. BGH v. 14.11.2005 – II ZR 178/03, BKR 2006, 207; zur Ausdehnung eines Hauptinsolvenzverfahrens auf eine in einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Gesellschaft s. EuGH v. 15.12.2011 – C-191/10, ZIP 2012, 183. 2 Vgl. RegE eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 30.1.2014 – BT-Drucks. 18/407 mit Änderungen des Bundestags v. 9.3.2017 – BT-Drucks. 18/11436, dazu Rede von Hirte ZInsO 2017, 592. 3 Einzelheiten s. Blankenburg ZInsO 2019, 169; Köster/Kirchhoff/Schwarze InsbürO 2022, 461; zum Konzerninsolvenzstrafrecht s. Brand ZInsO 2019, 2091. 4 Zur Rechtsstellung des Koordinators im Gruppen-Koordinationsverfahren s. Fehrenbach KTS 2022, 479; zum Insolvenzgericht als Institution, seiner gerichtsverfassungsrechtlichen Einbindung und Struktur, seinen Funktionen und der Stellung der Gerichtspersonen s. Smid ZInsO 2022, 2653. 5 S. stattdessen Albrecht ZInsO 2013, 1623; Mock/Schildt ZInsO 2003, 396; zur englischen Ltd. s. Kuntz NZI 2005, 424; Lawlor NZI 2005, 432; Melchior AnwBl. 2011, 20; Rossbach, Europäische Insolvenzverwalter in Deutschland, 2006; zur Flucht deutscher Unternehmen ins Ausland s. Andres/Grund NZI 2007, 137; Ballmann BB 2007, 1121; Tschauner BankPraktiker 2006, 360; zu den Brexit-Folgen s. Süß ZIP 2018, 1277; Gelrich NZI 2021, 256; Behme ZIP 2021, 2557; Keller ZInsO 2022, 733; OLG München v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart, ZIP 2021, 2178 ff.; BGH v. 16.2.2021 – II ZB 25/17, ZIP 2021, 566; BFH v. 13.10.2021 – I B 31/21, ZInsO 2022, 775; Entschließung des Deutschen Bundestags zur Auswirkung des Brexit auf „Scheinauslandsgesellschaften“ v. 13.12.2018, ZInsO 2019, 378; zur Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer einer Ltd. s. Bittmann/Gruber GmbHR 2008, 867; zur polnischen Sp. zo.o. s. Schmidt ZInsO 2010, 900. 6 BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, ZInsO 2005, 541; AG Bad Segeberg v. 24.3.2005 – 17 C 289/04, ZInsO 2005, 558; Ausnahmen s. AG München v. 1.4.2005 – 1506 IN 356/04, ZIP 2005, 1052; Poertzgen ZInsO 2017, 1932; zu Scheinauslandsgesellschaften s. Hirte/Mock ZIP 2005, 474; Leutner/ Langner ZInsO 2005, 575; Redeker ZInsO 2005, 1035; zum „Schuldbefreiungstourismus“ s. Knof ZInsO 2005, 1017; Cranshaw ZInsO 2012, 153; Stürner KTS 2017, 291; zum maßgeblichen Recht bei Formwechseln s. OLG Düsseldorf v. 19.7.2017 – 3 Wx 171/16, ZIP 2017, 2057; zum Prioritätsprinzip s. Herchen ZIP 2005, 1401. 7 Weiterführend Beth ZInsO 2012, 316; Breiling, InsbürO 2019, 26; Pollmächer, InsbürO 2019, 28.

30 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.110 Erster Teil

Einzelunternehmer und jeder Einzelkaufmann. Verstirbt der Schuldner während eines Insolvenzverfahrens, so wird dieses als Nachlassinsolvenzverfahren fortgesetzt1. b) Insolvenzgründe Insolvenzgrund für eine natürliche Person ist allein die drohende oder schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit, nicht aber die Überschuldung.

1.95

c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht Jede natürliche Person kann die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragen. Verbraucher müssen zunächst das Schuldenbereinigungsverfahren (s. Rn. 1.1360 ff.) vorschalten; wirtschaftlich Selbständige können den Insolvenzantrag mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung verbinden (s. Rn. 1.1425 ff.).

1.96

Eine Antragspflicht besteht für natürliche Personen nicht.

1.97

d) Schadenersatzpflicht Da für natürliche Personen keine Verpflichtung zur Antragstellung besteht, können diese den Gläubigern gegenüber grundsätzlich nicht zum Schadenersatz wegen verspäteten oder unterlassenen Insolvenzantrags verpflichtet sein, es sei denn, sie verstoßen gegen Strafbestimmungen.

1.98

1.99–1.109

frei

2. Nachlass, Gütergemeinschaft und Wohnungseigentümergemeinschaft a) Insolvenzfähigkeit

1.110

Insolvenzfähig sind auch – der Nachlass (§ 11 Abs. 2 Nr. 2, §§ 315 ff. InsO)2, – das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 11 Abs. 2 Nr. 2, §§ 332 ff. InsO)3, – das Gesamtgut einer gemeinschaftlich verwalteten Gütergemeinschaft (§ 11 Abs. 2 Nr. 2, §§ 333 f. InsO)

1 BGH v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798 – ZInsO 2008, 453; Einzelheiten s. Wipperfürth ZInsO 2021, 2182. 2 Weiterführend Schmidt-Kessel WM 2003, 2086; Lissner ZInsO 2017, 2253; Hermreck NJW Spezial 2017, 149; Joannidis/Weiß ZInsO 2016, 1889; Joannidis/Malso/Weiß ZInsO 2017, 1192; Weiß ZInsO 2017, 2306; insbesondere zu Vermögensänderungen zwischen Todesfall und Eröffnung eines Insolvenzverfahrens s. Roth ZInsO 2010, 118; zu insolventen Erben s. Fischinger ZInsO 2013, 365; Büttner ZInsO 2013, 588; zum Insolvenzplan s. du Carrois, Insolvenzplan im Nachlassinsolvenzverfahren, 2009; zu den Besonderheiten der Vor- und Nacherbschaft im Insolvenzverfahren s. Arend/Messing InsbürO 2019, 327; zu internationalen Nachlassinsolvenzverfahren s. Mankowski ZIP 2011, 1501; zum Austausch eines Erben wegen Insolvenz s. OLG Düsseldorf v. 12.1.2017 – I-3 Wx 257/16, ZInsO 2017, 767. 3 Zum Insolvenzverfahren über das Vermögen des allein verwaltenden Ehegatten s. Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259.

Martin Obermüller | 31

Erster Teil Rz. 1.110 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

– aus einer selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners herrührendes Vermögen nach Maßgabe des § 35 Abs. 2 InsO, über das zugunsten von Neugläubigern ein zweites Insolvenzverfahren stattfinden kann1.

1.111

Für die Wohnungseigentümergemeinschaft war dies umstritten. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nach der Rechtsprechung rechtsfähig, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt2. Aus der Rechtsfähigkeit hätte man auf die Insolvenzfähigkeit schließen können3. Ein Insolvenzverfahren über das Gemeinschaftsvermögen wird jedoch durch § 9a Abs. 5 WEG ausgeschlossen.

1.112

Auch die Bruchteilsgemeinschaft ist nicht insolvenzfähig4. b) Insolvenzgründe

1.113

Für Nachlässe und fortgesetzte Gütergemeinschaften sind Insolvenzgrund die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung (§§ 320, 332 Abs. 1 InsO).

1.114

Für einen Nachlass reicht die drohende Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund aus5, wenn ein Erbe, der Nachlassverwalter oder ein anderer Nachlasspfleger oder ein Testamentsvollstrecker die Eröffnung des Verfahrens beantragt haben (§ 320 InsO).

1.115

Für ein Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft genügt die drohende Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund, wenn der Antrag von beiden Ehegatten gestellt wird (§ 333 Abs. 2 InsO).

1.116

Zum Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über einen Nachlass sind berechtigt jeder Erbe, der Nachlassverwalter sowie ein anderer Nachlasspfleger, ein Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses zusteht, und jeder Nachlassgläubiger (§ 317 Abs. 1 InsO), also auch die Bank beispielsweise aus einem Kredit an den Verstorbenen. Wird der Antrag nicht von allen Erben oder wird er von einem Gläubiger gestellt, so ist er zulässig, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird (§ 317 Abs. 2 InsO)6.

1.117

Erben und Nachlassverwalter sind zum Insolvenzantrag verpflichtet (§ 1980 Abs. 1, § 1985 Abs. 2 BGB), wenn sie von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Kenntnis erlangen7. Den Erben trifft diese Pflicht erst mit der Annahme der Erbschaft, selbst wenn andere Erbprätendenten seine Erbenstellung in Zweifel ziehen8.

c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht

1 BGH v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326 = ZInsO 2011, 1349. 2 BGH v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, ZIP 2005, 1233. 3 Bork ZIP 2005, 1205; Bork ZInsO 2005, 1067; Fischer NZI 2005, 586; Gundlach/Frenzel/Schmidt DZWIR 2006, 149; AG Mönchengladbach v. 24.2.2006 – 32 IN 26/06, NZI 2006, 245; a.A. Häublein ZIP 2005, 1720; AG Dresden v. 12.1.2006 – 531 IN 3653/05, ZIP 2006, 343; AG Dortmund v. 12.1.2006 – 531 IN 365/05, DZWIR 2006, 175; Praxishinweis s. Drasdo NZI 2006, 209. 4 Bork ZIP 2001, 545; a.A. AG Göttingen v. 18.10.2000 – 74 IN 131/00, ZIP 2001, 580. 5 Einzelheiten s. Roth ZInsO 2009, 2265. 6 BGH v. 19.5.2011 – IX ZB 74/10, ZInsO 2011, 1352. 7 Zur Nichterfüllung dieser Pflicht durch Nachlasspfleger und Fiskalerben s. Nöll ZInsO 2012, 814; Poertzgen ZInsO 2013, 517. 8 BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 199/03, WM 2005, 237; s. auch Marotzke ZInsO 2011, 2105.

32 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.123 Erster Teil

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut kann jeder Ehegatte beantragen (§ 333 Abs. 2 InsO). Wird der Antrag nicht von beiden Ehegatten gestellt, so ist er zulässig, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Gesamtguts glaubhaft gemacht wird (§ 333 Abs. 2 InsO). Einem Gläubiger steht das Antragsrecht nur wegen solcher Forderungen zu, deren Erfüllung er aus dem Gesamtgut verlangen kann (§ 333 Abs. 1 InsO). Das Gesamtgut haftet für eine Verbindlichkeit aus einem Rechtsgeschäft, das ein Ehegatte während der Gütergemeinschaft vornimmt, nur dann, wenn der andere Ehegatte dem Rechtsgeschäft zustimmt oder wenn das Rechtsgeschäft ohne seine Zustimmung für das Gesamtgut wirksam ist (§ 1460 Abs. 1, §§ 1437 ff. BGB). um Abgrenzungsproblemen aus dem Weg zu gehen, empfiehlt es sich für eine Bank, für einen Kredit die Ehegatten als Gesamtschuldner zu verpflichten; es reicht auch, wenn ein Ehegatte den Kreditvertrag als Antragsteller und der andere als Mitantragsteller unterzeichnet.

1.118

Bei der Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es mangels entsprechender Vorschriften anders als bei allen anderen Verbänden, bei denen die Mitglieder nicht persönlich haften, keine Insolvenzantragspflicht und demgemäß auch keine daran anknüpfenden Haftungen1.

1.119

d) Schadenersatzpflicht Soweit Erben und Nachlassverwalter einen Insolvenzantrag stellen müssen, verpflichtet sie ein Unterlassen zum Schadenersatz gegenüber den Gläubigern (§ 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB).

1.120

3. Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesellschaften bürgerlichen Rechts spielen insolvenzrechtlich2 vor allem bei den Arbeitsgemeinschaften, insbesondere im Baugewerbe eine Rolle. Dagegen gehören die im Vordringen befindlichen PPP d.h. Public Private Partnerships nicht dazu; hier wird keine Gesellschaft gebildet, sondern eine langfristige Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch schuldrechtliche Austauschverträge vereinbart3.

1.121

a) Insolvenzfähigkeit und Haftungsobjekt Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist insolvenzfähig (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Davon ausgenommen ist die reine Innengesellschaft4.

1.122

Haftungsobjekt für die Gesellschaftsgläubiger ist das gesamthänderisch gebundene Gesellschaftsvermögen. Ihre Ansprüche gegen die einzelnen Gesellschafter aufgrund ihrer persönlichen Haftung analog § 128 HGB5, die daneben weiter bestehen, können die Gläubiger nicht

1.123

1 Bork ZIP 2005, 1205. 2 Zu den ab 1.1.2024 kommenden zivilrechtlichen Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021 – BGBl. I 2021, 3436; s. Heckschen AnwBl. 2022, 31; zur Auswirkung auf die Unternehmensbewertung s. Walter ZIP 2022, 2587. 3 Horn/Peters BB 2005, 2421. 4 AG Köln v. 6.10.2003 – 71 IN 168/03, NZI 2003, 614. 5 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, ZIP 2001, 330 = WM 2001, 408.

Martin Obermüller | 33

Erster Teil Rz. 1.123 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

selbst verfolgen; sie verlieren auch ihre Berechtigung, nach dem Anfechtungsgesetz vorzugehen1 und können nicht einmal mehr aus einem Titel, den sie schon gegen einen Gesellschafter erstritten haben, die Zwangsvollstreckung betreiben2. Dies obliegt vielmehr dem Verwalter (§ 93 InsO)3, der die Gesellschafter zur Zahlung derjenigen Beträge anhalten muss, die zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich sind4. Dabei darf er keine Zahlungen einfordern, die über den Betrag hinausgehen, der bei Berücksichtigung des Liquidationswerts der bereits vorhandenen Insolvenzmasse zur Befriedigung aller Insolvenzgläubiger der Gesellschaft erforderlich ist5. Notfalls kann er gegen die Gesellschafter jeweils ein gesondertes Insolvenzverfahren erwirken. Soweit es sich bei den Gesellschaftern um natürliche Personen handelt, kommen sie in den Genuss der Restschuldbefreiung; der Gesellschaft selbst kommt dies nicht zugute.

1.124

Wenn sich die Bank den direkten Zugriff auf den Gesellschafter erhalten will, muss sie von ihm eine Bürgschaft hereinnehmen oder von ihm eine sonstige Mithaftung (z.B. Schuldbeitritt, Garantie, Patronatserklärung) verlangen. Diese wird von den Beschränkungen des § 93 InsO nicht erfasst6. Ebenso bleiben Sicherheiten, die der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft bestellt hat, unberührt7; ihre Verwertung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen (s. Rn. 6.2050 ff.).

1.125

Die bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts gelegentlich anzutreffende vertragliche Haftungsbeschränkung auf denjenigen Gesellschafter, der das konkrete Geschäft eingegangen ist oder im Einzelfall die Leistung zu erbringen hat, ändert nichts an der Insolvenzfähigkeit der Gesellschaft; sie hindert lediglich denjenigen Gläubiger, der die Haftungsbeschränkung akzeptiert hat, an einer Teilnahme am Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft. Problematisch für die Insolvenzabwicklung ist eine vertragliche Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen, wenn diese nicht mit sämtlichen Vertragspartnern ausdrücklich und individualvertraglich8 vereinbart wird. Der Verwalter, dem die Durchsetzung der persönlichen Haftung der Gesellschafter zugewiesen ist (§ 93 InsO), kann diese Ansprüche dann nur wegen bestimmter Forderungen geltend machen. 1 OLG Stuttgart v. 14.5.2002 – 1 U 1/02, BB 2002, 2086. 2 OLG Jena v. 17.12.2001 – 6 W 695/01, NJW-RR 2002, 626; KG v. 7.1.2016 – 1 W 1039/15, ZIP 2016, 227 = ZInsO 2016, 411. 3 BGH v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79 = DB 2007, 51; s. dort insbesondere zur Haftung eines nachträglich beigetretenen Gesellschafters; Rechtsprechungsüberblick s. Runkel/Schmidt ZInsO 2007, 505, 578. 4 Hess/Obermüller, Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der Insolvenzordnung, 1996, Rn. 22; Prütting ZIP 1997, 1725. 5 RegE InsO BT-Drucks. 12/2443 S. 140; zur Quotenhaftung s. BGH v. 8.2.2011 – II ZR 243/09, ZIP 2011, 914 = NJW 2011, 2045; BGH v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, ZIP 2011, 909 = NJW 2011, 2040 = K. Schmidt NJW 2011, 2001. 6 BGH v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, BB 2002, 1665; Bitter ZInsO 2002, 557; K. Schmidt ZGR 1996, 209; K. Schmidt ZGR 1998, 633; Haas/Müller NZI 2002, 366; Theißen ZIP 1998, 1625; ebenso für die steuerliche Haftung aus §§ 69, 34 AO BFH v. 2.11.2001 – VII B 155/01, ZInsO 2002, 126; OLG Schleswig v. 21.9.2001 – 1 U 207/00, ZIP 2001, 1968; a.A. LG Bayreuth v. 30.5.2000 – 33 O 244/00, ZIP 2001, 1782; Bork NZI 2002, 362; Kesseler ZInsO 2002, 549. 7 BGH v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, ZIP 2002, 1492 = BB 2002, 1665; kritisch Kesseler DZWIR 2003, 488. 8 BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, WM 1999, 2071; zur quotalen Haftung der Gesellschafter für eine Darlehensschuld der GbR bei Abweichung der tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse vom Gesellschaftsvertrag s. BGH v. 27.11.2012 – XI ZR 144/11, ZIP 2013, 266.

34 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.133 Erster Teil

Gläubiger einzelner Gesellschafter können nur auf den (in der Insolvenz wertlosen) Anteil des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen zugreifen bzw. ein eigenes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters beantragen, in dem ihre Forderungen mit denen des Verwalters der Gesellschaft konkurrieren. Sie können aber nicht am Insolvenzverfahren über die Gesellschaft teilnehmen, da dazu ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist (§ 736 ZPO).

1.126

b) Insolvenzgründe Insolvenzgrund für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die drohende oder schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit.

1.127

Die Überschuldung stellt nur bei solchen Gesellschaften bürgerlichen Rechts einen Insolvenzgrund dar, bei denen kein Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 19 Abs. 3 Satz 1 InsO). Wenn jedoch zu den Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der eine natürliche Person persönlich haftet, ist die Überschuldung kein Insolvenzgrund (§ 19 Abs. 3 Satz 2 InsO).

1.128

c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht Neben den Gläubigern ist bei den Gesellschaften bürgerlichen Rechts jeder Gesellschafter insolvenzantragsberechtigt (§ 15 Abs. 1 InsO); auf die Vertretungsbefugnis nach dem Gesellschaftsvertrag kommt es nicht an.

1.129

Wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf eingetretene Zahlungsunfähigkeit gestützt und nicht von allen Gesellschaftern gestellt, so ist er zulässig, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird (§ 15 Abs. 2 InsO). Wird der Antrag auf drohende Zahlungsunfähigkeit gestützt und nicht von allen Gesellschaftern gestellt, so ist für seine Zulässigkeit weiterhin erforderlich, dass der oder die Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind (§ 18 Abs. 3 InsO).

1.130

Eine Verpflichtung zur Antragstellung besteht für diesen Personenkreis nicht.

1.131

Wenn jedoch kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, greift eine Antragspflicht ein (§ 15a Abs. 1 Satz 3 InsO). Von dieser Ausnahme gibt es wiederum eine Rückausnahme: Wenn sich unter den Gesellschaften, die den Gesellschafterkreis der BGB-Gesellschaft bilden, eine Personengesellschaft wie eine OHG oder KG befindet und wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, entfällt die Antragspflicht. Damit ist nach dem Gesetzeswortlaut nur eine persönliche Haftung auf der zweiten Ebene für den Ausschluss der Antragspflicht geeignet, während eine natürliche Person als persönlich haftender auf höheren Ebenen nichts an der Antragspflicht für eine solche BGB-Gesellschaft ändert1.

1.132

d) Schadenersatzpflicht Soweit für den Personenkreis, der bei personenbezogenen Unternehmen zum Insolvenzantrag berechtigt ist, keine Verpflichtung zur Antragstellung besteht, können diese den Gläubigern gegenüber nur dann zum Schadenersatz verpflichtet sein, wenn sie gegen Strafbestimmungen2 1 Hirte ZInsO 2008, 689; Haas ZInsO 2007, 617. 2 Beispiele s. Gehrlein ZInsO 2018, 1550 und unten Rn. 6.240.

Martin Obermüller | 35

1.133

Erster Teil Rz. 1.133 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

verstoßen. Wenn dagegen eine Antragspflicht besteht, haften die Verpflichteten nach § 823 Abs. 2 BGB auf Schadenersatz1.

1.134

frei e) Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

1.135

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft führt ebenso wie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters zur Auflösung der Gesellschaft (§ 728 BGB).

1.136

Sieht der Gesellschaftsvertrag für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters die Fortsetzung der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern vor, so scheidet der insolvente Gesellschafter aus; die Auseinandersetzung zwischen ihm und den verbleibenden Gesellschaftern findet außerhalb des Insolvenzverfahrens statt (§ 84 InsO)2. Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus, so hat dies die liquidationslose Vollbeendigung der Gesellschaft und die Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem letzten verbliebenen Gesellschafter zur Folge3.

1.137–1.139

frei

4. Partnerschaftsgesellschaft Angehöriger Freier Berufe 1.140

Für die Partnerschaftsgesellschaft Angehöriger Freier Berufe verweist § 1 Abs. 4 PartGG4 allgemein auf die Regelungen über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, so dass im wesentlichen auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden kann.

1.141

Für Verbindlichkeiten der Partnerschaft haften den Gläubigern neben dem Vermögen der Partnerschaft grundsätzlich die Partner als Gesamtschuldner. Allerdings ist die Berufshaftung aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt, wenn die Partnerschaft eine zu diesem Zweck durch Gesetz vorgegebene Berufshaftpflichtversicherung unterhält (§ 8 Abs. 4 PartGG)5. Kredite, die die Bank der Partnerschaftsgesellschaft eingeräumt hat, fallen auch dann nicht unter diese Ausnahme, wenn sie für deren Geschäftsbetrieb bestimmt sind.

1 Gehrlein BB 2008, 846. 2 Zu den Besonderheiten bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer nur aus zwei Personen bestehenden Gesellschaft s. BGH v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, ZIP 2008, 1677 = ZInsO 2008, 973 und Marotzke ZInsO 2009, 590; zu den Folgen einer Insolvenz beider Mitglieder einer Arge s. OLG Hamm v. 8.4.2013 – I-8 U 122/12, ZInsO 2013, 2558. 3 BGH v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, ZIP 2008, 1677 mit Anm. K. Schmidt ZIP 2008, 2337. 4 Übersicht bei Mahnke WM 1996, 1029. 5 Eingefügt durch Art. 1 des Gesetzes v. 15.7.2013 (BGBl. I 2013, 2386); Einzelheiten s. Seibert DB 2013, 1710; Ring WM 2013, 237.

36 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.147 Erster Teil

5. Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung, Europäische Gesellschaft oder Europäische Genossenschaft Auf die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung finden nach § 1 des EWIVAG1 im Wesentlichen die Vorschriften über die OHG, mithin auch deren Insolvenzregeln entsprechende Anwendung2, so dass auf die folgenden Ausführungen (Rn. 1.146 ff.) verwiesen werden kann. Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens können auch die Geschäftsführer stellen. Bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, sind deren Geschäftsführer und die Abwickler verpflichtet, diesen Antrag zu stellen (§ 11 EWIVAG).

1.142

Für die Europäische Gesellschaft gelten hinsichtlich der Folgen einer Zahlungsunfähigkeit, Zahlungseinstellung oder ähnlicher Vorgänge die Vorschriften des im Sitzland der Gesellschaft anwendbaren Aktienrechts3.

1.143

Für die Europäische Genossenschaft gelten hinsichtlich der Folgen einer Zahlungsunfähigkeit, Zahlungseinstellung oder ähnlicher Vorgänge ebenfalls die Vorschriften des im Sitzland der Gesellschaft anwendbaren Rechts4.

1.144

frei

1.145

6. Offene Handelsgesellschaft a) Insolvenzfähigkeit und Haftungsobjekt Die offene Handelsgesellschaft ist insolvenzfähig (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO).

1.146

Haftungsobjekt für die Gesellschaftsgläubiger ist das gesamthänderisch gebundene Gesellschaftsvermögen. Ihre Ansprüche gegen die einzelnen Gesellschafter aufgrund ihrer persönlichen Haftung (§ 128 HGB, §§ 427, 431 BGB)5, die daneben weiter bestehen, können die Gläubiger nicht selbst verfolgen6. Dies obliegt vielmehr dem Verwalter (§ 93 InsO)7, der die Gesellschafter zur Zahlung derjenigen Beträge anhalten muss, die zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich sind, d.h. er darf keine Zahlungen einfordern, die über den Betrag hinausgehen, der bei Berücksichtigung des Liquidationswerts der bereits vorhandenen Insolvenzmasse zur Befriedigung aller Insolvenzgläubiger der Gesellschaft erforderlich ist8.

1.147

1 Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) v. 14.4.1988 (BGBl. I 1988, 514). 2 BT-Drucks. 12/2443, S. 112; s. auch Knoll/Schüppen WiB 1994, 889. 3 Art. 63 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (ABl. L 294/22 v. 10.11.2001). 4 Art. 72 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates v. 22.7.2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (ABl. L 207/22 v. 18.8.2003). 5 Zum Ausgleichsanspruch eines vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommenen Kommanditisten gegen seine Mitgesellschafter gemäß § 110 Abs. 1, § 128 Satz 1, § 162 Abs. 2 HGB i.V.m. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB s. OLG Düsseldorf v. 18.7.2013 – I-6 U 147/12, ZIP 2013, 1860. 6 S. aber Gundlach/Frenzel/Schmidt DZWIR 2007, 142 zu § 93 Abs. 5 AktG. 7 Rechtsprechungsüberblick s. Runkel/Schmidt ZInsO 2007, 505, 578; zu den Besonderheiten bei Mehrfach-Komplementären und der Insolvenz aller Kommanditgesellschaften s. Bork KTS 2008, 21. 8 RegE InsO BT-Drucks. 12/2443 S. 140; zu den Einwendungen der Gesellschafter gegen ihre persönliche Haftung s. Sander ZInsO 2012, 1285; zur Quotenhaftung s. BGH v. 8.2.2011 – II ZR 243/09,

Martin Obermüller | 37

Erster Teil Rz. 1.147 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

„Faktisch ist es aber so, dass das Vermögen der Gesellschafter meist nicht so unbeschränkt ist wie deren Haftung“1. Notfalls muss der Insolvenzverwalter der Gesellschaft gegen die Gesellschafter jeweils ein gesondertes Insolvenzverfahren erwirken2.

1.148

Wenn sich im Fall einer solchen Doppelinsolvenz3 die Bank den direkten Zugriff auf den Gesellschafter erhalten will, muss sie von ihm eine Bürgschaft oder eine sonstige Mithaftung hereinnehmen. Diese wird von den Beschränkungen des § 93 InsO nicht erfasst4. Aus der Bürgschaft kann der Gläubiger unmittelbar vorgehen5 und ist nicht davon abhängig, ob und wann der Verwalter die Rechte aus § 93 InsO geltend macht; Zahlungen aus der Bürgschaft kommen zunächst dem Gläubiger zugute; im Fall der Insolvenz des Gesellschafters konkurrieren seine Bürgschaftsforderungen mit den Ansprüchen des Verwalter aus § 93 InsO, so dass er sowohl die Quote auf die Bürgschaftsforderung erhält als auch über seine Quote im Insolvenzverfahren der OHG seinen Anteil an der vom Verwalter für die Gläubigergesamtheit erzielten Quote. Ebenso bleiben Sicherheiten, die der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft bestellt hat, unberührt6; ihre Verwertung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen (s. Rn. 6.1101 ff.).

1.149

Gläubiger einzelner Gesellschafter können nur auf den (in der Insolvenz wertlosen) Anteil des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen zugreifen bzw. ein eigenes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters beantragen, in dem ihre Forderungen mit denen des Verwalters der Gesellschaft konkurrieren. Sie können aber nicht am Insolvenzverfahren über die Gesellschaft teilnehmen. b) Insolvenzgründe

1.150

Insolvenzgrund für die offene Handelsgesellschaft sind die drohende und die eingetretene Zahlungsunfähigkeit.

1.151

Von dem Grundsatz, dass bei Personenhandelsgesellschaften nur die Zahlungsunfähigkeit und nicht die Überschuldung einen Insolvenzgrund bildet, gilt insoweit eine Ausnahme, als die Überschuldung bei solchen offenen Handelsgesellschaften einen Insolvenzgrund darstellt, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 15a Abs. 1 Satz 3,

1 2

3 4

5 6

ZIP 2011, 914 = NJW 2011, 2045; BGH v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, ZIP 2011, 909 = NJW 2011, 2040 mit Anm. K. Schmidt NJW 2011, 2001. Reiswich ZInsO 2014, 2411; Göcke KTS 2009, 144. Zur Frage, ob der Gesellschafter dann einen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen kann, s. Fuchs ZIP 2000, 1089; zur Frage der Doppelanmeldung von Forderungen gegen die Gesellschaft und den Gesellschafter als Bürgen s. K. Schmidt/Bitter ZIP 2000, 1077; zur Frage der Ausfall- oder Doppelanmeldung durch den Insolvenzverwalter der Gesellschaft s. Reiswich ZInsO 2014, 2411; zu Insolvenzanfechtungen bei einer Doppelinsolvenz s. BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, ZIP 2008, 2224 = ZInsO 2008, 1275; Jeitner NZI 2009, 673. Ausführliche Darstellung bei Reiswich ZInsO 2010, 1809. BGH v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, BB 2002, 1665; Bitter ZInsO 2002, 557; K. Schmidt ZGR 1996, 209; K. Schmidt ZGR 1998, 633; Haas/Müller NZI 2002, 366; Theißen ZIP 1998, 1625; ebenso für die steuerliche Haftung aus §§ 69, 34 AO BFH v. 2.11.2001 – VII B 155/01, ZInsO 2002, 126; OLG Schleswig v. 21.9.2001 – 1 U 207/00, ZIP 2001, 1968; a.A. LG Bayreuth v. 30.5.2000 – 33 O 244/00, ZIP 2001, 1782; Bork NZI 2002, 362; Kesseler ZInsO 2002, 549. S. Rn. 6.2053 ff. und LG Bayreuth v. 30.5.2000 – 33 O 244/00, ZIP 2001, 1782. BGH v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, ZIP 2002, 1492 = BB 2002, 1665; kritisch Kesseler DZWIR 2003, 488.

38 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.158 Erster Teil

§ 19 Abs. 3 Satz 1 InsO). Wenn jedoch zu den persönlich Haftenden eine andere Gesellschaft gehört, bei der eine natürliche Person persönlich haftet, ist die Überschuldung kein Insolvenzgrund (§ 19 Abs. 3 Satz 2 InsO). Die offene Handelsgesellschaft wird aufgelöst, wenn über ihr Vermögen oder über das Vermögen eines ihrer Gesellschafter, auch eines Kommanditisten, das Insolvenzverfahren eröffnet wird (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB)1.

1.152

c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht Neben den Gläubigern ist jeder Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft insolvenzantragsberechtigt (§ 15 Abs. 1 InsO).

1.153

Wird der Antrag nicht von allen persönlich haftenden Gesellschaftern gestellt, so ist er zulässig, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird (§ 15 Abs. 2 InsO). Wird der Antrag auf drohende Zahlungsunfähigkeit gestützt und nicht von allen Gesellschaftern gestellt, so ist für die Zulässigkeit weiter erforderlich, dass der oder die Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind (§ 18 Abs. 3 InsO).

1.154

Eine Verpflichtung zur Antragstellung besteht für diesen Personenkreis nicht.

1.155

Ist bei einer OHG kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person (sog. GmbH & Co.)2, so haben die organschaftlichen Vertreter und die Abwickler der zur Vertretung der OHG ermächtigten Gesellschafter nicht nur das Antragsrecht (§ 15 Abs. 3 InsO), sondern auch eine Antragspflicht bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§ 15a Abs. 1 Satz 3 InsO). Der Antrag ist ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen (§ 15a Abs. 1 Satz 2 InsO).

1.156

Von dieser Ausnahme gibt es wiederum eine Rückausnahme: Wenn sich unter den Gesellschaften, die den Gesellschafterkreis der OHG bilden, eine weitere Personengesellschaft wie eine OHG oder KG befindet und wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, entfällt die Antragspflicht. Damit ist nach dem Gesetzeswortlaut nur eine persönliche Haftung auf der zweiten Ebene für den Ausschluss der Antragspflicht geeignet, während eine natürliche Person als persönlich haftender auf höheren Ebenen nichts an der Antragspflicht für eine solche OHG ändert3.

1.157

d) Schadenersatzpflicht Soweit für den Personenkreis, der bei personenbezogenen Unternehmen zum Insolvenzantrag berechtigt ist, keine Verpflichtung zur Antragstellung besteht, können diese den Gläubigern gegenüber lediglich dann zum Schadenersatz verpflichtet sein, wenn sie Straftaten wie z.B. Bankrottdelikte, insbesondere Verschleuderung, Verheimlichen und Beiseitebringen von Vermögensgegenständen, Gläubigerbegünstigung und Schuldnerbegünstigung (§§ 283 ff. StGB) begangen haben.

1 Zu den Rechtsfolgen einer Auflösung durch Insolvenz s. im Einzelnen Gehrlein ZInsO 2018, 1173. 2 Allgemein zu Besonderheiten der insolventen GmbH & Co. s. Schmittmann ZInsO 2005, 1314; K. Schmidt KTS 2011, 161. 3 Hirte ZInsO 2008, 689; Haas ZInsO 2007, 617.

Martin Obermüller | 39

1.158

Erster Teil Rz. 1.159 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.159

Soweit kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, besteht nicht nur eine Insolvenzantragspflicht bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, sondern auch ein Verbot, nach Eintritt eines dieser Ereignisse Zahlungen zu leisten (§ 15b Abs. 1 Satz 1 InsO)1.

7. Kommanditgesellschaft 1.160

Die Kommanditgesellschaft ist insolvenzfähig (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Auf die Kommanditgesellschaft finden die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung (§ 161 Abs. 2 HGB). Für ihre Insolvenzfähigkeit, die Eröffnungsgründe, die Antragsrechte und -pflichten sowie die Schadenersatzansprüche kann daher auf die obigen Ausführungen (s. Rn. 1.146 ff.) verwiesen werden.

1.161

Haftungsobjekt für die Gesellschaftsgläubiger ist das gesamthänderisch gebundene Gesellschaftsvermögen. Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist (§ 171 Abs. 1 HGB). Soweit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird oder ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet (§ 172 Abs. 4 HGB).

1.162

Die Haftungsansprüche können die Gläubiger nicht selbst verfolgen. Dies obliegt vielmehr dem Verwalter (§ 93 InsO, § 171 Abs. 2 HGB). Er muss die Gesellschafter zur Zahlung derjenigen Beträge anhalten, die zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich sind, d.h. er darf keine Zahlungen einfordern, die über den Betrag hinausgehen, der bei Berücksichtigung des Liquidationswerts der bereits vorhandenen Insolvenzmasse zur Befriedigung aller Insolvenzgläubiger2 der Gesellschaft erforderlich ist3.

1.163

Zur Masse im Insolvenzverfahren der KG gehört dann auch die primär einzufordernde Einlage, nicht dagegen die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern. Diese Sonderzuordnung bringt aber nur die Zweckbindung der Haftung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger zum Ausdruck. Es handelt sich bei der „Sondermasse“ nicht um ein „dinglich“ separiertes Sondervermögen, sondern die Sonderzuordnung wirkt sich nur obligatorisch und rechnerisch aus4. Der Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet, den benötigten Betrag auf alle Gesellschafter (entsprechend den geschuldeten Haftsummen) zu verteilen und die noch rückständigen Haftsummen von den Gesellschaftern in der Weise zu fordern, dass alle gleichmäßig belastet sind5. Auch für den sog. Innenausgleich unter den Kommanditisten, der notwendig wird, wenn diese unterschiedlich in Anspruch genommen werden, ist der Insolvenzverwalter nicht zuständig6. 1 Einzelheiten s. Rn. 5.620 und Gehrlein ZInsO 2022, 1481. 2 Zum Meinungsstreit über die Einbeziehung von Massegläubigern s. Heitsch ZInsO 2019, 1649. 3 RegE InsO BT-Drucks. 12/2443 S. 140; zu den Einwendungen der Gesellschafter gegen ihre persönliche Haftung s. Sander ZInsO 2012, 1285. 4 OLG München v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028 = ZInsO 2020, 907; dazu Anm. Heitsch ZInsO 2020, 915. 5 LG Dortmund v. 28.8.2018 – 1 S 248/17; OLG Jena v. 11.4.2018 – 2 U 375/16, ZInsO 2018, 1221; LG Hamburg v. 22.10.2018 – 325 O 82/18, ZInsO 2018, 2612. 6 LG Dortmund v. 28.8.2018 – 1 S 248/17; a.A. wohl OLG Hamburg v. 18.7.2018 – 11 U 150/16, ZInsO 2018, 2032.

40 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.171 Erster Teil

Im Fall einer sog. GmbH & Co. KG1, also einer KG, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, finden grundsätzlich getrennte Insolvenzverfahren über die KG und die GmbH statt2. frei

1.164

1.165–1.168

8. Stille Gesellschaft Die stille Gesellschaft des Handelsgesetzbuches ist nicht insolvenzfähig3. Zulässig ist jedoch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Inhabers der stillen Gesellschaft; dessen Insolvenz oder die Insolvenz des Stillen lösen die Gesellschaft auf4. An die Auflösung schließt sich die Auseinandersetzung an, die nach § 84 InsO außerhalb des Insolvenzverfahrens stattfindet5. Verbleibt danach ein Guthaben zugunsten des Stillen, so kann er dies als Insolvenzforderung anmelden6.

1.169

9. GmbH und UG Die zahlenmäßig in Deutschland am stärksten vertretene Gesellschaftsform ist die GmbH; ihre Parallele, die englische „Limited“, spielt entgegen anders lautenden Erwartungen bisher nur eine untergeordnete Rolle7.

1.170

Eine Unterform der GmbH ist die sog. Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt8), deren Besonderheiten9 jedoch nicht die Behandlung in der Insolvenz betreffen10, so dass die folgenden Ausführungen zur GmbH in vollem Umfang auch für die Unternehmergesellschaft Anwendung finden.

1.171

1 Allgemein zu Besonderheiten der insolventen GmbH & Co. s. Schmittmann ZInsO 2005, 1314. 2 Zur Sinnhaftigkeit dieser Trennung s. K. Schmidt KTS 2011, 161; zur Simultaninsolvenz der Gesellschaften in der GmbH & Co. KG s. K. Schmidt GmbHR 2003, 1404. 3 Zum Sanieren oder Ausscheiden aus der stillen Gesellschaft s. Mock ZInsO 2017, 140. 4 OLG Brandenburg v. 9.6.2004 – 7 U 212/03, GmbHR 2004, 1390; Obermüller DB 1973, 268; K. Schmidt KTS 1977, 1 ff., 65 ff.; zur Situation des atypisch stillen Gesellschafters s. Renner ZIP 2002, 1430. 5 Einzelheiten s. Stöber FS Pannen 2017, 713. 6 Eckhardt in Jaeger, InsO, 2007, § 84 Rn. 42. 7 Zu insolvenzrechtlichen Fragen der in Deutschland tätigen Ltd. s. Köke ZInsO 2005, 354; Melchior AnwBl. 2011, 20; zu Missbrauchsfällen s. Bischoff ZInsO 2009, 164; Lotz ZInsO 2010, 1634; zu den Brexitfolgen s. Süß ZIP 2018, 1277; Gelrich NZI 2021, 256; Behme ZIP 2021, 2557; Keller ZInsO 2022, 733; OLG München v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart, ZIP 2021, 2178 ff.; BGH v. 16.2.2021 – II ZB 25/17, ZIP 2021, 566; BFH v. 13.10.2021 – I B 31/21, ZInsO 2022, 775; Wells/ Aconley ZInsO 2022, 698; Entschließung des Deutschen Bundestags zur Auswirkung des Brexit auf „Scheinauslandsgesellschaften“ v. 13.12.2018 – ZInsO 2019, 378. 8 Zur Geschäftsführerhaftung bei Fehlen dieses Zusatzes s. LG Düsseldorf v. 16.10.2013 – 9 O 434/ 12 U, ZIP 2014, 1174. 9 S. dazu Hirte ZInsO 2008, 933; zur Zulässigkeit der Bezeichnung „gUG (haftungsbeschränkt)“ für eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft s. BGH v. 28.4.2020 – II ZB 13/19, ZIP 2020, 1236 = NJW 2020, 2035. 10 Zum „Erfolgsmodell“ Unternehmergesellschaft s. Gude ZInsO 2010, 2385; Hoffmann ZInsO 2011, 711.

Martin Obermüller | 41

Erster Teil Rz. 1.172 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

a) Insolvenzfähigkeit

1.172

Als juristische Person ist die GmbH insolvenzfähig (§ 11 Abs. 1 InsO)1. Auch die Vorgesellschaft einer GmbH verfügt als notwendige Vorstufe zu der mit der Eintragung entstehenden juristischen Person über eigene Rechte und ist daher ebenfalls insolvenzfähig2. b) Insolvenzgründe

1.173

Für die GmbH bilden sowohl die drohende und eingetretene Zahlungsunfähigkeit als auch die Überschuldung einen Insolvenzgrund (§ 17 Abs. 1, §§ 18, 19 Abs. 1 InsO).

1.174

Nachdem die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens eingetreten ist oder sich seine Überschuldung herausgestellt hat, greift eine Zahlungssperre ein (§ 15b Abs. 1 InsO)3. Für deren Auswirkungen auf das Kreditgeschäft kann auf die späteren Ausführungen verwiesen werden (Einzelheiten s. Rn. 5.620 ff.). c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht

1.175

Wer das Amt eines GmbH-Geschäftsführers übernimmt, muss sich bewusst sein, dass er in schlechten Zeiten, d.h. in der Krise der Gesellschaft und im Insolvenzverfahren, nicht nur haftungsrechtlichen Risiken, sondern auch erheblichen verfahrensmäßigen Beschränkungen unterworfen ist. aa) Insolvenzantragsrecht

1.176

Wenn ein Insolvenzgrund vorliegt, sind die Geschäftsführer zum Insolvenzantrag berechtigt4. Wird der Antrag nicht von allen Mitgliedern der Geschäftsführung gestellt, so ist er zulässig, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird (§ 15 Abs. 2 Satz 1 InsO). Ein auf drohende Zahlungsunfähigkeit gestützter Insolvenzantrag5, der nicht von allen Mitgliedern der Geschäftsführung gestellt wird, ist nur wirksam, wenn der Antragsteller alleinvertretungsberechtigt ist (§ 18 Abs. 3 InsO)6.

1.177

Falls es sich um eine Überschuldung handelt oder die Zahlungsunfähigkeit nicht nur droht, sondern schon eingetreten ist, sind die Geschäftsführung als Organ sowie jeder Geschäftsführer auch zur Antragstellung verpflichtet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO)7. Dazu zählt auch der sog.

bb) Insolvenzantragspflicht

1 Weiterführend Oberle in Priester/Mayer/Wicke, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 5. Aufl. 2018, § 65 Rn. 3–9. 2 BGH v. 9.10.2003 – IX ZB 34/02, ZInsO 2003, 990. 3 Zur Neuregelung s. Bitter GmbHR 2022, 57; Klöhn/Zell NZI 2022, 673. 4 Weiterführend Oberle in Priester/Mayer/Wicke, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 5. Aufl. 2018, § 65 Rn. 54. 5 Zu Risiken der Geschäftsführer wegen Insolvenzantrags bei drohender Zahlungsunfähigkeit s. Tetzlaff ZInsO 2008, 226. 6 Kritisch zu dieser Vorschrift Meyer-Löwy/Pickerill GmbHR 2013, 1065. 7 Zu den Grundsätzen des „wrongful trading“ als Alternative zur gesetzlichen Antragspflicht s. Hirte ZInsO 2010, 1986.

42 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.180 Erster Teil

tatsächliche oder faktische Geschäftsführer1. Den Antrag müssen sie ohne schuldhaftes Zögern, spätestens2 aber innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung stellen. Die Frist wird durch die Aufnahme außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen mit den Gläubigern nicht verlängert3. Auf diesen Umstand muss die Geschäftsführer deren anwaltlicher Berater hinweisen4; die Bank, die die Sanierung durch Verzichte oder Neukredite unterstützen soll, trifft dagegen keine solche Hinweispflicht. Im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft, wenn also die Gesellschaft keinen Geschäftsführer hat (§ 35 Abs. 1 GmbHG) und kein Notgeschäftsführer rechtzeitig bestellt werden kann5, ist auch jeder Gesellschafter zur Antragstellung berechtigt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 InsO) und verpflichtet (§ 15a Abs. 3 InsO)6.

1.178

cc) Anzeigepflichten Schon bevor ein Insolvenzgrund eingetreten ist, haben die Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung einzuberufen, wenn sich aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Zwischenbilanz ergibt, dass ein Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals entstanden ist (§ 49 Abs. 3 GmbHG). Eine Verpflichtung der Geschäftsführer, diesen Verlust auch den Gläubigern der GmbH anzuzeigen, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Allerdings sehen Kreditverträge insbesondere durch die Vereinbarung sog. Financial Covenants7 oft solche oder sogar weitergehende Unterrichtungspflichten vor.

1.179

d) Schadenersatzpflicht Ein Geschäftsführer, der den Insolvenzantrag verspätet stellt, haftet gegenüber den Gesellschaftern (§ 43 GmbHG)8. Die Verpflichtung des Geschäftsführers einer GmbH aus § 43 Abs. 1 GmbHG, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt, besteht grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft, 1 BGH v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, ZIP 1983, 173; BGH v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, ZInsO 2000, 391; BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, ZInsO 2013, 443; Ehlers ZInsO 2008, 524; Gundlach/Müller ZInsO 2011, 1055; zum Begriff s. BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44; LG Augsburg v. 15.1.2014 – 2 Qs 1002/14, ZInsO 2014, 2579; LG Hannover v. 8.2.2016 – 1 O 169/13, ZInsO 2016, 806 = mit Anm. Wilhelm V ZInsO 2016, 809; LG Kleve v. 21.3.2017 – 4 T 577/16, ZIP 2017, 1955 = Köhler-Ma/de Bruyn ZIP 2018, 261; Horstkotte ZInsO 2018, 2331. 2 Zum Charakter dieser Regelung als Suspension der bereits entstandenen Antragspflicht s. Poertzgen ZInsO 2008, 944. 3 KG v. 26.4.2000 – 23 U 9752/97, ZInsO 2001, 79; BGH v. 12.2.2007 – II ZR 308/05, ZIP 2007, 674 = ZInsO 2007, 374; a.A. Geißler ZInsO 2012, 167. 4 BGH v. 26.10.2000 – IX ZR 289/99, ZIP 2001, 33 = ZInsO 2001, 72. 5 Zu den Anforderungen s. OLG Düsseldorf v. 8.6.2016 – I-3 Wx 302/15, ZIP 2016, 2314. 6 Zu Verfahrensfragen s. Horstkotte ZInsO 2009, 209; Spiekermann ZInsO 2022, 1592; zur Erstreckung der Insolvenzantragspflicht des Gesellschafters einer GmbH bei Führungslosigkeit einer Komplementär-GmbH auf die GmbH & Co. KG s. Löser ZInsO 2010, 799, und auf den faktischen Geschäftsführer Brand/Brand NZI 2010, 712; zur Insolvenzantragspflicht minderjähriger GmbHGesellschafter s. Jungmann ZIP 2020, 1690; für eine extensive Auslegung des Begriffes der Führungslosigkeit Passarge/Brete ZInsO 2011, 1293. 7 Krolak/Morzfeld/Remmen DB 2009, 1417; Hornuf/Reps/Schäferling ZBB 2013, 202; Zülch/Holzamer/Böhm/Kretzmann BB 2014, 2117; Bestandsaufnahme s. Hoffmann ZBB 2007, 413. 8 Zur D&O-Versicherung s. Huss/Nordhausen ZInsO 2022, 807; zum Gegenanspruch des Geschäftsführers s. OLG Düsseldorf v. 9.12.2021 – 12 U 23/21, ZIP 2022, 1438 = ZInsO 2022, 1068.

Martin Obermüller | 43

1.180

Erster Teil Rz. 1.180 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

nicht hingegen im Verhältnis zu außenstehenden Dritten1; Gläubiger der Gesellschaft sind für Schadenersatzansprüche auf § 823 Abs. 2 BGB, § 15a Abs. 4 InsO2 oder § 826 BGB3 verwiesen.

1.181

Werden Schadenersatzansprüche von Gläubigern erhoben4, so ist zwischen den sog. Altgläubigern, deren Forderungen schon vor der insolvenzverschleppenden Handlung begründet waren, und den sog. Neugläubigern zu unterscheiden, die erst nach Beginn der Insolvenzverschleppung eine Forderung gegen die Insolvenzschuldnerin erworben haben5. Der Schaden der Altgläubiger kann nur in dem Unterschiedsbetrag zwischen der Insolvenzquote, die im Falle einer rechtzeitigen Insolvenzeröffnung erzielt worden wäre, und derjenigen Insolvenzquote liegen, die tatsächlich gezahlt wurde (sog. Quotenschaden6). Dieser Schadenersatzanspruch kann als sog. Gesamtschaden nur von dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (§ 92 InsO)7; seltsamerweise sollen Schadensersatzansprüche gegen den Schuldner wegen Vermögensverschiebungen, die er vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, nicht darunter fallen8. Die sog. Neugläubiger haben ihren Schaden in der Regel erst dadurch erlitten, dass sie während des durch die Verzögerung des Insolvenzantrags gewonnenen Zeitraums der Kreditnehmerin im Vertrauen auf deren Kreditwürdigkeit Leistungen auf Kredit erbracht haben; ihr Schaden besteht in dem gesamten Ausfall9. Ihren Schadenersatzanspruch können sie nur individuell durchsetzen.

1 BGH v. 7.5.2019 – VI ZR 512/17, ZIP 2019, 1325 = ZInsO 2019, 1665. 2 Einzelheiten s. Haas/Kolmann/Pauw in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 92 Rn. 79 ff.; Übersicht bei Arends/Möller GmbHR 2008, 169; Barthen/Staab ZInsO 2019, 1285; Poertzgen ZInsO 2010, 785; Rodewald GmbHR 2009, 1301; Strohn ZInsO 2009, 1417; Beispiele s. Gehrlein ZInsO 2018, 1550; zur Managerhaftung als Haftungsressource s. Ehlers ZInsO 2008, 524; zum Ausschluss von Ansprüche gegen einen Geschäftsführer aus § 64 GmbHG auf Ersatz von Zahlungen trotz Insolvenzreife vom Versicherungsschutz aus einer D&O-Versicherung s. OLG Düsseldorf v. 20.7.2018 – 4 U 93/16, ZIP 2018, 1542; zu den Rechtsgrundlagen s. Poertzgen ZInsO 2010, 416; 2010, 460; zur steuerlichen Haftung s. Sonnleitner/Winkelhog BB 2015, 88; Rechtsprechungsüberblick s. Priebe ZInsO 2014, 1190. 3 BGH v. 7.5.2019 – VI ZR 512/17, ZIP 2019, 1325 = ZInsO 2019, 1665. 4 Zur Verjährung s. OLG Saarbrücken v. 6.5.2008 – 4 U 484/07-165, ZIP 2009, 565. 5 OLG Düsseldorf v. 20.6.1985 – 6 U 78/84, WM 1985, 1013; BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, ZIP 1998, 776 = WM 1998, 944; BGH v. 14.10.1985 – II ZR 276/84, ZIP 1986, 456 = WM 1986, 237 = WuB IV A § 826 BGB 3.86 Uhlenbruck. 6 BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, WM 1998, 944; BGH v. 28.4.1997 – II ZR 20/96, WM 1997, 1679; BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103 = WM 1994, 1428 insoweit unter Aufgabe von BGH v. 16.12.1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100. 7 Zur Abgrenzung zwischen Gesamtschaden und Einzelschaden s. BGH v. 13.12.2018 – IX ZR 66/ 18, ZIP 2019, 380 = ZInsO 2019, 380; BGH v. 17.12.2020 – IX ZR 21/19, ZIP 2021, 205 = ZInsO 2021, 246 Rn. 20 ff.; OLG Düsseldorf v. 14.11.2022 – I-12 W 17/22, ZInsO 2023, 154. 8 BGH v. 21.10.2021 – IX ZR 265/20, ZIP 2022, 42 Rn. 10; wohl aber Schäden aus einer deliktischen Verschiebung von Vermögenswerten, BGH v. 19.5.2022 – III ZR 11/20, ZInsO 2022, 1603 Rn. 11. 9 BGH v. 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671; BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657; BGH v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, ZInsO 2005, 1043; OLG Düsseldorf v. 20.6.1985 – 6 U 78/ 84, WM 1985, 1013; OLG Naumburg v. 6.2.1997 – 7 U 105/96, GmbHR 1998, 183; dies entspricht der Rechtsprechung zu der Berechnung der Schadenersatzpflicht des wegen verspäteten Insolvenzantrags persönlich haftbaren Geschäftsführers einer GmbH, s. BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103 m.w.N.; BGH v. 7.11.1994 – II ZR 138/92, ZIP 1995, 31; BGH v. 7.11.1994 – II ZR 108/93, ZIP 1995, 211 und Uhlenbruck ZIP 1994, 1153.

44 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.195 Erster Teil

So ist beispielsweise eine Bank, die der GmbH einen Kontokorrentkredit eingeräumt hat, insoweit Neugläubigerin, als sich die Kreditinanspruchnahme während des Zeitraums der Insolvenzverschleppung erhöht hat, kann also den Erhöhungsbetrag in voller Höhe als Schaden geltend machen1, während der Saldo zu Beginn des Zeitraums nur insoweit als Schaden geltend gemacht werden kann, wie die darauf entfallende Quote sich durch die Verzögerung des Antrags verschlechtert hat.

1.182

1.183–1.189

frei

10. Aktiengesellschaft Mit den Insolvenzantragrechten und -pflichten einer Aktiengesellschaft2 müssen sich nicht nur deren Vorstände beschäftigen, sondern manchmal auch Mitarbeiter oder Vorstände von Kreditinstituten, die Positionen im Aufsichtsrat oder – falls vorhanden – Beirat eines Unternehmens, mit dem ihr Institut in enger Geschäftsbeziehung steht, übernommen haben. Denn auch für sie persönlich können Risiken damit verbunden sein.

1.190

a) Insolvenzfähigkeit Als juristische Person ist die Aktiengesellschaft insolvenzfähig (§ 11 Abs. 1 InsO).

1.191

b) Insolvenzgründe Für die Aktiengesellschaft bilden sowohl die drohende und eingetretene Zahlungsunfähigkeit als auch die Überschuldung einen Insolvenzgrund (§ 17 Abs. 1, §§ 18, 19 Abs. 1 InsO).

1.192

Nachdem die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer Aktiengesellschaft eingetreten ist, dürfen die Vorstände keine Zahlungen leisten (§ 15b Abs. 1 Satz 1 InsO). Für deren Auswirkungen auf das Kreditgeschäft kann auf die späteren Ausführungen verwiesen werden (Einzelheiten s. Rn. 5.620 ff.).

1.193

c) Insolvenzantragsrecht Wenn ein Insolvenzgrund vorliegt, ist der Vorstand zum Insolvenzantrag berechtigt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 InsO). Wird der Antrag nicht von allen Vorstandsmitgliedern gestellt, so ist der Eröffnungsgrund glaubhaft zu machen und das Gericht hat die übrigen Mitglieder zu hören (§ 15 Abs. 2 Satz 3 InsO). Keine Antragsberechtigung besteht für die Mitglieder eines Beirats3.

1.194

d) Insolvenzantragspflicht Falls es sich um eine Überschuldung handelt oder die Zahlungsunfähigkeit nicht nur droht, sondern schon eingetreten ist, so ist jeder Vorstand auch zur Antragstellung verpflichtet (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO). Den Antrag muss er ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von drei Wochen stellen.

1 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZIP 2007, 676. 2 Zur Stellung der Europäischen Aktiengesellschaft („SE“) s. Harig/Lampe NZI 2022, 961. 3 Humberg in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2015, § 15 Rn. 4.

Martin Obermüller | 45

1.195

Erster Teil Rz. 1.196 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.196

Demgegenüber trifft den Aufsichtsrat grundsätzlich keine Antragspflicht1. Wenn er aber einen Insolvenzgrund bemerkt, hat er darauf hinzuweisen, dass der Vorstand den Insolvenzantrag rechtzeitig stellen muss und keine Zahlungen leisten darf, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbar sind2; erforderlichenfalls muss er ein ihm unzuverlässig erscheinendes Vorstandsmitglied abberufen3.

1.197

Im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Antragstellung berechtigt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 InsO) und verpflichtet (§ 15a Abs. 3 InsO). Aktionären steht kein Antragsrecht zu und daher trifft sie auch keine Antragspflicht4.

1.198

Die Mitglieder eines Beirats trifft auch im Fall der Führungslosigkeit keine Insolvenzantragspflicht5.

1.199

frei e) Anzeigepflicht an Hauptversammlung

1.200

Schon bevor ein eigentlicher Insolvenzgrund eingetreten ist, hat der Vorstand der Aktiengesellschaft die Hauptversammlung einzuberufen6 und ihr anzuzeigen, wenn sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz ergibt oder bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen ist, dass ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals entstanden ist (§ 92 AktG). Eine Bank, die an der Emission der Aktien mitgewirkt hat, trifft dagegen keine Anzeigepflicht. f) Veröffentlichungspflicht

1.201

Wenn die Aktien der insolventen Gesellschaft oder sonstige von ihr emittierte Wertpapiere zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, ist deren Vorstand zur Veröffentlichung nach Art. 7, 17 Abs. 1 MMVO7 verpflichtet. Die Veröffentlichungspflicht trifft nur den Emittenten8 und erstreckt sich nicht auf die Kreditinstitute, die die Wertpapiere an der Börse eingeführt haben.

1.202

Da es sich bei den Vorschriften über den Insolvenzantrag um ein Schutzgesetz handelt, können sich Mitglieder des Vorstandes, im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft auch die Mitglieder des Aufsichtsrats den Gläubigern des Unternehmens gegenüber auch dann scha-

g) Schadenersatzpflicht

1 2 3 4 5 6 7 8

Weiterführend zur Rolle des Aufsichtsrats in Unternehmenskrisen s. Scheffler BB 2014, 2859. BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, ZIP 2009, 860. OLG Düsseldorf v. 31.5.2012 – I-16 U 176/10, ZIP 2012, 2299. Nicht aber entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO auch ein Aktionär (Zabel DZWIR 2009, 500; Schmahl NZI 2008, 6; a.A. Barthel ZInsO 2010, 1776). Humberg in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2015, § 15 Rn. 4. Zu Form und Inhalt s. Obermüller/Werner/Winden/Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 5. Aufl. 2011, S. 23 ff. Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch v. 12.6.2014 (Marktmissbrauchsverordnung) – ABl. L 173/1. Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 2011, § 5 Rn. 27; zu den Pflichten des Insolvenzverwalters des Emittenten s. Grub/Streit BB 2004, 1397; Siebel NZI 2007, 498; BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4.04, ZIP 2005, 1145; Hirte ZInsO 2006, 1289; Kocher NZI 2010, 925; Streit NZI 2005, 486.

46 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.208 Erster Teil

denersatzpflichtig machen, wenn sie den Antrag nicht rechtzeitig stellen (§ 823 Abs. 2 BGB, § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO)1.

11. Kommanditgesellschaft auf Aktien Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist insolvenzfähig (§ 11 Abs. 1 InsO). Auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien finden die für die Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung (§ 278 Abs. 3 AktG). Für ihre Insolvenzfähigkeit, die Eröffnungsgründe, die Antragsrechte und -pflichten – sie treffen die persönlich haftenden Gesellschafter2 (§ 283 Nr. 14 AktG, §§ 15, 15a Abs. 1 InsO) – sowie die Schadenersatzansprüche kann daher auf die obigen Ausführungen (s. Rn. 1.171 ff.) verwiesen werden.

1.203

12. Genossenschaft a) Insolvenzfähigkeit Als juristische Person ist die Genossenschaft insolvenzfähig (§ 11 Abs. 1 InsO).

1.204

b) Insolvenzgründe Bei den Genossenschaften ist zu unterscheiden zwischen der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht und der Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht.

1.205

Bei der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht bilden im Hinblick auf die in der Haftungsbegrenzung liegenden Gefahren für die Gläubiger sowohl Zahlungsunfähigkeit als auch Überschuldung einen Insolvenzgrund (§ 98 GenG). Der Tatbestand der Überschuldung ist bei einer Genossenschaft mit beschränkter Nachschusspflicht erfüllt, wenn diese 1/4 des Betrages der Haftsummen aller Mitglieder übersteigt (§ 98 Nr. 1 GenG).

1.206

Bei der Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht ist dagegen nur die Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzgrund, weil die Mitglieder unbeschränkt mit ihrem ganzen Vermögen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haften3. Wird sie jedoch aufgelöst, so ist nunmehr auch die Überschuldung ein Insolvenzgrund (§ 98 Abs. 1 Nr. 3 GenG).

1.207

Nachdem die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer Genossenschaft eingetreten ist, dürfen die Vorstände keine Zahlungen leisten (§ 15b Abs. 1 Satz 1 InsO). Für deren Auswirkungen auf das Kreditgeschäft kann auf die späteren Ausführungen verwiesen werden (Einzelheiten s. Rn. 5.620 ff.).

1.208

1 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, NJW 1979, 1823; OLG Düsseldorf v. 23.6.1972 – 16 U 44/72, DB 1974, 712; OLG Köln v. 13.7.1982 – 14 U 3/82, ZIP 1982, 1086; OLG Düsseldorf v. 20.12.2013 – I17 U 51/12, ZIP 2015, 73; zur D&O-Versicherung s. Huss/Nordhausen ZInsO 2022, 807. 2 Bei einer GmbH & Co. KGaA (zur Zulässigkeit dieser Rechtsform s. BGH v. 24.2.1997 – II ZB 11/ 96, ZIP 1997, 1027 = BB 1997, 1220; Einzelheiten s. Overlack in Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht, 1997, 237 ff.) die Geschäftsführer der GmbH. 3 Zu den Voraussetzungen der wirksamen Inanspruchnahme aufgrund einer genossenschaftlichen Nachschusspflicht s. LG Lübeck v. 13.7.2004 – 11 O 39/04, ZInsO 2005, 271; OLG Schleswig v. 11.2.2005 – 1 U 113/04, ZInsO 2005, 996; OLG Hamburg v. 4.4.2008 – 11 U 208/06, DB 2008, 1738.

Martin Obermüller | 47

Erster Teil Rz. 1.209 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht

1.209

Wenn ein Insolvenzgrund vorliegt, ist der Vorstand zum Insolvenzantrag berechtigt. Wird der Antrag nicht von allen Vorstandsmitgliedern gestellt, so ist der Eröffnungsgrund glaubhaft zu machen und das Gericht hat die übrigen Mitglieder zu hören (§ 15 Abs. 2 InsO).

1.210

Falls die Zahlungsunfähigkeit nicht nur droht, sondern schon eingetreten ist, ist jeder Vorstand auch zur Antragstellung verpflichtet (§ 15a Abs. 1 InsO). Das Gleiche gilt bei Überschuldung, sofern sie einen Insolvenzgrund darstellt. Den Antrag muss er ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und von sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung stellen. Im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Antragstellung berechtigt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 InsO) und verpflichtet (§ 15a Abs. 3 InsO). d) Schadenersatzpflicht

1.211

Wenn der Vorstand gegen das Zahlungsverbot oder die Insolvenzantragspflichten der § 15a Abs. 1 Satz 1, § 15b Abs. 1 Satz 1 InsO verstößt, macht er sich den Gläubigern der Genossenschaft gegenüber persönlich schadenersatzpflichtig (§ 823 Abs. 2 BGB). Nach Verfahrenseröffnung übt der Verwalter diese Rechte der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus (§ 34 Abs. 5 Satz 3 GenG, § 92 InsO).

1.212–1.214

frei

13. Verein a) Insolvenzfähigkeit

1.215

Der rechtsfähige Verein ist als juristische Person insolvenzfähig1 (§ 11 Abs. 1 InsO).

1.216

Der nicht rechtsfähige Verein wird durch § 11 Abs. 1 Satz 2 InsO ausdrücklich einer juristischen Person gleichgestellt und ist damit auch insolvenzfähig. Im Grundsatz kann über das Vermögen eines Gebietsverbands einer politischen Partei, der als nicht eingetragener Verein organisiert ist, ein Insolvenzverfahren eröffnet werden; der Parteienstatus schließt die Insolvenzfähigkeit nicht von vornherein aus2. b) Insolvenzgründe

1.217

Für den eingetragenen – also den rechtsfähigen – Verein sind sowohl drohende und bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit als auch Überschuldung Insolvenzgründe (§ 19 Abs. 1 InsO)3.

1.218

Da der nicht eingetragene, also nicht rechtsfähige Verein im Wesentlichen nach den Vorschriften über die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts behandelt wird (§ 54 BGB), sollte man annehmen, dass für ihn nur die Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzgrund darstellt. Hier hat aber das Gesetz in § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Ausnahme gemacht, indem es ihn insoweit

1 Zur Auswirkung der Verfahrenseröffnung auf die Gemeinnützigkeit s. Denkhaus/Mühlenkamp ZInsO 2002, 956; Matzke ZInsO 2010, 2314; zu den Sonderproblemen von Sportvereinen s. Kreißig, Der Sportverein in Krise und Insolvenz, 2004. 2 BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 4/18, ZIP 2021, 372 = ZInsO 2021, 306. 3 Rugullis DZWIR 2008, 404.

48 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.224 Erster Teil

einer juristischen Person gleichsetzt, d.h. für ihn ist sowohl Zahlungsunfähigkeit als auch Überschuldung ein Insolvenzgrund. c) Insolvenzantragsrecht und -pflicht Wenn ein Insolvenzgrund vorliegt, ist der Vorstand zum Insolvenzantrag berechtigt1. Wird der Antrag nicht von allen Vorstandsmitgliedern gestellt, so ist der Eröffnungsgrund glaubhaft zu machen. Das Gericht hat die übrigen Mitglieder zu hören (§ 15 Abs. 2 InsO).

1.219

Falls die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist oder Überschuldung vorliegt, ist jeder Vorstand auch zur Antragstellung verpflichtet (§ 42 Abs. 2 BGB; hier schließt § 15a Abs. 7 InsO die Anwendung des § 15a InsO über Pflichten bei Führungslosigkeit und Strafbarkeit aus).

1.220

d) Schadenersatzpflicht Den Insolvenzantrag muss der Vorstand ohne schuldhaftes Zögern stellen. Die Vorstände sind den Gläubigern für den Schaden verantwortlich, der durch die Verzögerung des Insolvenzantrags entsteht (§ 42 Abs. 2 BGB; diese Vorschrift geht § 15a InsO als Sonderregelung vor2). Die Haftung ehrenamtlich tätiger Vereinsvorstände ist auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt (§ 31a BGB)3.

1.221

frei

1.222

14. Stiftung Selbständige Stiftungen privaten oder öffentlichen Rechts sind als juristische Personen rechtsund damit auch insolvenzfähig (§ 11 Abs. 1 Satz 1 InsO)4. Die für die Insolvenz relevante Vorschrift des § 42 BGB findet auf die Stiftung entsprechende Anwendung (§ 86 BGB). Ab 1.1.2026 treten Änderungen im Stiftungsrecht ein, u.a. wird die Stiftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden ist, aufgelöst (§ 87b BGB)5.

1.223

15. Fehlerhafte Gesellschaft Eine in Vollzug gesetzte fehlerhafte Gesellschaft ist hinsichtlich des von ihr gebildeten Gesellschaftsvermögens insolvenzfähig i.S.v. § 11 Abs. 1, 2 Nr. 1 InsO6.

1 2 3 4

Einzelheiten s. Rugullis NZI 2007, 323; Stöber FS Smid 2022, 319. Müller ZIP 2010, 153; so inzwischen klarstellend § 15a Abs. 7 InsO. Weiterführend Kreutz DZWIR 2013, 497. Bach/Knof ZInsO 2005, 729, s. dort insbesondere auch zur Insolvenzfähigkeit der unselbständigen Stiftung; weitere Einzelheiten s. Roth/Knof KTS 2009, 163; Hüttemann/Rawert ZIP 2013, 2136; zum Steuerprivileg bei Insolvenz s. Pöhlmann/Fölsing ZInsO 2010, 612; Matzke ZInsO 2010, 2314; Sommer ZInsO 2014, 1642. 5 Eingefügt durch Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes v. 24.6.2021 – BGBl. I 2021, 2947; s. dazu RegE eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts v. 31.3.2021 – BT-Drucks 19/28173. 6 BGH v. 16.10.2006 – II ZB 32/05, ZIP 2006, 2174.

Martin Obermüller | 49

1.224

Erster Teil Rz. 1.225 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

16. Bankinsolvenzen 1.225

Für die Behandlung drohender oder eingetretener Insolvenzen von Kreditinstituten gelten umfangreiche Sonderregelungen. Praktisch führen sie dazu, dass staatliche Eingriffe Insolvenzverfahren über Kreditinstitute, die eine bestimmte, gesetzlich nicht näher festgelegte Größenordnung überschreiten, verhindern werden1. Die Verfahren dienen der Abwehr einer Systemgefährdung und damit dem Schutz anderer Institute und der Gesamtwirtschaft vor den zu erwartenden Auswirkungen der Insolvenz eines Kreditinstituts. Die Maßnahmen dürfen nur zur Sicherstellung der Finanzmarktstabilität und nicht etwa im Interesse des Schutzes eines einzelnen Kreditinstituts, seiner Anteilseigner und seiner Gläubiger2 vor einer Insolvenz ergriffen werden. Damit stehen sie in krassem Gegensatz zu den Regelungen des Insolvenzrechts, das dem Schutz der Gläubiger dient und vom Prinzip der Gläubigerautonomie3 beherrscht wird.

1.226

Dazu ist ein umfangreicher Gesetzesrahmen geschaffen worden4, bei dessen Anwendung den verschiedenen Behörden der Bankenaufsicht die entscheidende Rolle zukommt. Das neue Recht ist von einem erstaunlichen Vertrauen in das Mikromanagement von Krisen durch die Abwicklungsbehörden geprägt5. Für in Deutschland tätige Banken sind dies die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Kooperation mit der Deutschen Bundesbank6, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA7, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA8 sowie die Europäische Zentralbank9. Für den Fall einer Schieflage ist zudem eine organisatorisch von der BaFin getrennte Abwicklungsbehörde10, die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet

1 Zur Diskussion über die Rolle des Staates s. Leyens AnwBl. 2010, 584 m.w.N.; Binder ZHR 179 (2015), 83; weitere Empfehlungen s. Gutachten zum 68. Deutschen Juristentag 2010 Band I E (Hellwig), F (Höfling), G (Zimmer); Mülbert JZ 2010, 834; Spindler AG 2010, 601. 2 Zur Gläubigerbeteiligung in einer Bankenkrise s. Burkert/Cranshaw DZWIR 2015, 443; zur Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union s. EuGH v. 5.5.2022 – C-83/20, ZInsO 2022, 1403. 3 Zu Inhalt und Bedeutung s. Graf-Schlicker FS Smid 2022, 133; Biel/Wittmann ZInsO 2022, 2105. 4 Überblick s. Steck/Petrowski DB 2015, 1391; Fischer/Boegl in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, 6. Aufl. 2022, § 118 Rn. 56 ff. 5 Binder ZHR 179 (2015), 83. 6 Vgl. Gerd Waschbusch, Bankenaufsicht, Die Überwachung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute nach dem Gesetz über das Kreditwesen, 2000, S. 8. 7 S. Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 12 in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 2019/2175 v. 18.12.2019 ABl. L 334/1. 8 S. Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 84 in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 2019/2175 v. 18.12.2019 ABl. EU Nr. L 334/1. 9 S. Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (SSM Verordnung), ABl. L 287 v. 29.10.2013, S. 63; die EZB übt die direkte Bankaufsicht über die gemäß Art. 6 Abs. 4 SSM Verordnung bestimmten sog. bedeutenden Kreditinstitute aus. 10 Nicht zu verwechseln mit dem Abwickler, den die Aufsicht nach § 37 KWG bei Unternehmen, die ohne Erlaubnis Bankgeschäfte betreiben, einsetzen kann (zur Rechtsfigur des Abwicklers s. Bernsau ZInsO 2016, 1957).

50 | Martin Obermüller

C. Verfahrensvoraussetzungen | Rz. 1.226 Erster Teil

worden1. Auf europäischer Ebene ist für einige Kreditinstitute der Single Resolution Board (SRB) für Abwicklungsentscheidungen zuständig2. Ihre Aufgaben und Befugnisse ergaben sich zunächst aus den zur Überwindung der weltweiten Finanzmarktkrise des Jahres 2008 geschaffenen Finanzmarktstabilisierungsgesetzen3, nämlich dem FMStG4, bestehend aus dem FMStFG5 und dem FMStBG6, der FMStFV7, gefolgt von dem FMStErgG8, dem RettungsG9, dem FMStFortG10, dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht11, dem KredReorgG12 und dem RStruktFG13. Die Maßnahmen nach diesen Gesetzen waren meist im Volumen oder zeitlich beschränkt, wurden danach aber wieder in gewissem Umfang ermöglicht14 Seit dem Inkrafttreten des SAG15 und der sog. SRM Verordnung16 haben diese Gesetze jedoch ihre Bedeutung verloren. Maßgeblich sind nunmehr SAG und SRM – Verordnung und – vor allem für kleinere Kreditinstitute – weiterhin das KWG.

1 2 3 4

5

6 7 8 9 10 11 12 13

14

15 16

S. §§ 62 ff. des Gesetzes zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen (SAG). S. Art. 42 ff. SRM-Verordnung. Überblick s. Obermüller/Obermüller ZInsO 2010, 305; Obermüller/Kuder ZInsO 2010, 2016. Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes v. 17.10.2008 – BGBl I 2008, 1982; weitere Dokumentationen s ZBB 2009, 82; nicht zu verwechseln mit dem Stabilitätsgesetz (Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft v. 8.6.1967 – BGBl I 1967, 582), s dazu Greitemann FS Knorr 1968, 257. Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds = Art 1 FMStG, zuletzt geändert durch das 3. Finanzmarktstabilisierungsgesetz (Drittes Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes v. 20.12.2012 – BGBl. I 2012, 2777 mit Geltung ab 1.1.2013; s. dazu Brandi/Richters DB 2013, 2917). Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen sowie Risikopositionen von Unternehmen des Finanzsektors durch den Fonds „Finanzmarktstabilisierungsfonds – FMS“. Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung – FMStFV) v. 20.10.2008. Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz – FMStErgG) v. 7.4.2009 – BGBl. I 2009, 725; Kritik s. Marotzke JZ 2009, 763. Gesetz zur Rettung von Unternehmen zur Stabilisierung des Finanzmarkts (= Art 3 FMStErgG); zur verfassungsrechtlichen Problematik s. Engels BKR 2009, 365. Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung v. 17.7.2009 – BGBl. I 2009, 1980. Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht v. 29.7.2009 – BGBl. I 2009, 2305. Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz v. 9.12.2010 (BGBl. I 2010, 1900); aufgehoben zum 31.12.2021; „Requiem“ für das Gesetz s. Pannen FS Smid 2022, 591. Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) v. 9.12.2010 (BGBl. I 2010, 1900); Überblick s. Obermüller NZI 2011, 81; Bachmann ZBB 2010, 459; Riethmüller WM 2010, 2295; Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw BB 2011, 66; Schelo NJW 2011, 186; Schuster/Westpfahl DB 2011, 221. S. Zweites Finanzmarktstabilisierungsgesetz (2. FMStG) v. 24.2.2012, BGBl. I 2012, 206 (Nr. 10); Drittes Finanzmarktstabilisierungsgesetz (Drittes Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes v. 20.12.2012 – BGBl. I 2012, 2777; Geltung ab 1.1.2013 mit Übersicht von Brandi/Richters DB 2012, 2917). Sanierungs- und Abwicklungsgesetz v.m 10.12.2014 – BGBl. I 2014, 2091. Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 – ABl. EU Nr. L 225/1.

Martin Obermüller | 51

Erster Teil Rz. 1.226a | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.226a

Sobald die Behörden der Bankenaufsicht eingreifen, bleibt für die Anwendung des Insolvenzrechts kein Raum. Sie nehmen die Abwicklung nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen vor1. Erst wenn die behördlichen Maßnahmen nicht zur Abwendung einer Insolvenz führen, richtet sich das Verfahren im wesentlichen nach den Vorschriften der InsO, allerdings sind einige Besonderheiten zu beachten2.

1.227

Eine Darstellung dieser aufsichtsbehördlichen Verfahren vor Eintritt einer Insolvenz würde den Rahmen dieses Buches sprengen, das die Position der Bank in der Insolvenz eines (Unternehmens- oder Privat-)Kunden zum Gegenstand hat. Daher soll für die Einzelheiten auf die bankaufsichtsrechtliche Literatur verwiesen werden3.

1.228

Um zu gewährleisten, dass die erwähnten Sonderregeln eingehalten werden können, ist Gläubigern das Recht, einen Insolvenzantrag gegen ein Kreditinstitut, ein Versicherungsunternehmen, ein Zahlungsinstitut oder ein E-Geld-Institut zu stellen, genommen4 und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen worden (§ 46b Abs. 1 Satz 4 KWG, § 312 Abs. 1 VAG, § 21 Abs. 4 Satz 4 ZAG und § 43 Abs. 1 KAGB5).

17. Kapitalverwaltungsgesellschaften 1.229

Kapitalverwaltungsgesellschaften müssen in der Rechtsform einer Gesellschaft des Handelsrechts geführt werden (§ 17 KAGB). Offene Investmentvermögen können sich als InvAG mit variablem Kapital (§ 108 KAGB) oder als offene InvKG (§ 124 KAGB) organisieren (§ 91

1 Rechtsschutz gegen Maßnahmen der EZB gewährt das Rechtsschutzsystem der Europäischen Union (Freis-Janik in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 2.386; Müller/Fischer/Müller WM 2015, 1505); Maßnahmen der BaFin basieren auf dem VwVfG und unterliegen den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfen nach der VwGO (Freis-Janik in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 2.399). 2 Einzelheiten s. Obermüller in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 103 Rn. 9 ff. 3 S. stattdessen umfassend Pannen, Sanierung-Abwicklung-Insolvenz bei Kreditinstituten, 4. Aufl. 2021, Kap. 2; Kraatz, Sanierungsplanung von Banken, 2022; Freis-Janik in Kümpel/Mülbert/Früh/ Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, 2. Teil Abschnitt 7; Fischer/Boegl in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 118 ff.; zu den Finanzmarktstabilisierungsgesetzen Binder WM 2008, 2340; Böckenförde NJW 2009, 2484; Brandi/Richters DB 2012, 2917; Döge ZBB 2009, 419; Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek WM 2009, 821; Jaletzke/Veranneman, Finanzmarktstabilisierungsgesetz, 2009, Roitzsch/Wächter DZWIR 2008, 1; Roitzsch/Wächter ZIP 2008, 2301; Spindler DStR 2008, 2268; Stengel DB 2011, 11; Ziemons DB 2008, 2635; zum Finanzmarkt-/Versicherungsaufsicht-Stärkungsgesetz s. Fischer/Lepper BB 2009, 962; zum Restrukturierungsgesetz Auerbach/Donner BB 2011 Beilage 4, S. 17; Feyerabend/Behnes/Helios BB 2011 Beilage 4, S. 5; Feyerabend/Behnes/Helios BB 2011 Beilage 4, S. 30; Feyerabend/Behnes/Helios BB 2011 Beilage 4, S. 38; Spetzler KTS 2010, 433; zu den Bad Bank-Modellen s. Karpenstein ZBB 2009, 413; international Binder ZBB 2009, 19; Luttermann RIW 2009, 1; Flägel/Smith RIW 2009, 51 (USA); Anning/Terlau RIW 2009, 54 (Großbritannien); Dammann/Samol RIW 2009, 57 (Frankreich)Inwinkl RIW 2009, 60 (Österreich). 4 Wimmer ZInsO 2002, 897; Paulus ZBB 2002, 492. 5 Zu den Entscheidungskriterien des BAK s. VG Berlin v. 31.10.1995 – 25 A 313/95, WM 1996, 295; zu den EG-Richtlinien über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten s. Wimmer ZInsO 2002, 897.

52 | Martin Obermüller

D. Insolvenzeröffnungsverfahren | Rz. 1.232 Erster Teil

KAGB)1. Sie sind insolvenzfähig. Einen Insolvenzantrag gegen eine Kapitalverwaltungsgesellschaft kann nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht stellen (§ 43 Abs. 1 KAGB). Das Sondervermögen wird von der Insolvenz nicht erfasst und geht grundsätzlich auf die Verwahrstelle über (§ 99 Abs. 3, § 100 Abs. 1 KAGB)2.

D. Insolvenzeröffnungsverfahren Auf den Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat das Gericht zu prüfen, ob die Eröffnungsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist das Gericht überzeugt, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des Verfahrens vorliegen und die Kosten des Verfahrens gedeckt sind (§ 26 Abs. 1 InsO)3, so beschließt es die Eröffnung, anderenfalls ordnet es zunächst einmal nähere Ermittlungen an. Dabei muss es entscheiden, ob und ggf. welche Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind.

1.230

I. Entscheidung über Sicherungsmaßnahmen Während der Dauer dieses Eröffnungsverfahrens, das sich über eine geraume Zeit, oft über mehrere Monate erstrecken kann, sind vorläufige Maßnahmen zweckmäßig oder notwendig. Deshalb kann das Gericht, wenn ein zulässiger Insolvenzantrag vorliegt4, alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO)5. Die angestrebte Vermeidung nachteiliger Veränderungen bezieht sich, anders als im Anfechtungsrecht, nicht auf die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger, sondern auf den Schutz der Insolvenzmasse vor Manipulationen und Veränderungen. Geschützt werden dadurch nicht nur die Gläubiger von Insolvenzforderungen, sondern auch die Aussonderungsberechtigten und Absonderungsberechtigten insbesondere auch vor solchen Gläubigern, die noch im Eröffnungsverfahren Befriedigung oder zusätzliche Sicherung suchen, auch wenn diese anfechtbar sein mögen6. Die Sicherungsmaßnahmen dienen dem Interesse aller Beteiligten an der wertmäßigen Erhaltung des schuldnerischen Vermögens (Werterhaltungsfunktion), zugleich aber auch der Verhinderung einer Vorwegnahme der Vermögensverwertung durch Auflösung des Vermögensverbundes (Bestandserhaltungfunktion) und zwar im alleinigen Interesse des Schuldners7.

1.231

Zu diesem Zweck kann8 das Gericht ohne vorherige Anhörung des Schuldners9 insbesondere einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen10 und weitere Sicherungsmaßnahmen treffen. Die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters kommt vor allem in Betracht, wenn Sicherungs-

1.232

1 Köndgen/Schmies in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 93 Rn. 10 ff.; Winterfeld in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 107 Rn. 76 ff. 2 Einzelheiten s. Fürbaß WM 2018, 2311. 3 Zum Massekostenvorschuss s. unten Rn. 5.746. 4 BGH v. 22.3.2007 – IX ZB 164/06, ZIP 2007, 878 = ZInsO 2007, 440. 5 S. Hamburger Leitlinien zum Insolvenzeröffnungsverfahren NZI 2004, 133 und Frind/Rüther/ Schmidt/Wendler ZInsO 2004, 24. 6 Haarmeyer ZInsO 2001, 203. 7 Haarmeyer ZInsO 2001, 203; Pohlmann, Befugnisse und Funktionen des vorläufigen Insolvenzverwalters, 1998, Rn. 94 ff. 8 Zu den Entscheidungskriterien s. Stephan NZI 1999, 104; Haarmeyer ZInsO 2001, 203. 9 BGH v. 14.7.2011 – IX ZB 57/11, ZIP 2011, 1875. 10 Zu den Entscheidungskriterien s. Stephan NZI 1999, 104; Haarmeyer ZInsO 2001, 203; zu den Einflussnahmemöglichkeiten der Gläubiger s. Rn. 1.468 f., 1.591 ff.

Martin Obermüller | 53

Erster Teil Rz. 1.232 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

maßnahmen erforderlich sind oder noch Verwaltungsmaßnahmen und Verfügungsgeschäfte zulässig sein sollen oder getroffen werden müssen, um die Insolvenzmasse für die Eröffnung aufzubereiten, das Verfahren mithin überhaupt erst eröffnungsfähig zu machen1.

1.233

Das Insolvenzgericht muss von Amts wegen jeden Einzelfall darauf überprüfen, ob und ggf. welche Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind; hierbei ist das Merkmal der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu beachten2. Eine schematische Bestellung eines vorläufigen Verwalters verbietet sich schon im Hinblick auf den durch das Haushaltsbegleitgesetz 20113 eingeführten und durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts4 modifizierten § 55 Abs. 4 InsO5, demzufolge Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus bestimmten Steuerschuldverhältnissen – insbesondere Umsatzsteuern6 –, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit dessen Zustimmung oder nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters7 begründet werden, nach Verfahrenseröffnung als Masseschulden gelten8. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der schwache vorläufige Insolvenzverwalter in der Phase des vorläufigen Verfahrens nicht anstelle des Schuldners selbst die Umsatztätigkeit ausübt, sondern nur „neben“ dem unternehmerisch tätigen zukünftigen Insolvenzschuldner eine mitbestimmende Funktion innehat, können mit „Zustimmung“ des vorläufigen Insolvenzverwalters vom Schuldner „begründete“ Umsatzsteuerverbindlichkeiten nach dem Gesetzeszweck nur die Steuern sein, die durch

1 Tätigkeitsbeschreibung bei Titz/Tötter ZInsO 2006, 976. 2 LG Berlin v. 3.7.2002 – 86 T 430/02, ZInsO 2002, 837; vgl. Vallender in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 21 Rn. 8; Laroche in HK-InsO, 10. Aufl. 2020, § 21 Rn. 8. 3 Art. Nr. 2 HBeglG 2011, BGBl. I 2010, 1885. 4 Art. 5 Nr. 14 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3256. 5 Zur Kritik an dieser Vorschrift s. Beck ZIP 2011, 551; Heinze ZInsO 2011, 603; Kahlert ZIP 2011, 401; Kahlert ZIP 2010, 1887; Nawroth ZInsO 2011, 107; Onusseit ZInsO 2011, 641; Schacht ZInsO 2011, 1048; Schmittmann ZInsO 2011, 105; Schmittmann ZIP 2011, 1125; Schmittmann ZIP 2012, 249; Sinz/Oppermann DB 2011, 2185; Sterzinger BB 2011, 1367; Welte/Friedrich-Vache ZIP 2011, 782; zur Anfechtung solcher Umsatzsteuerforderungen s. Roth ZInsO 2011, 1779; zur praktischen Umsetzung s. Rennert-Bergenthal/Dähling ZInsO 2011, 1922; Roth ZInsO 2014, 309; OFD Münster/OFD Rheinland v. 5.9.2011 – S 0550 – 22 – St 32 – 41/S 7532 – 14 – St 44 – 32 -S 0550 – 1042 – St 315/S 7271 A – 1000 – St 444/O 2006 – LZ 251, ZInsO 2011, 1942; BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05, ZInsO 2012, 213. 6 Zur Aufteilung von Einkommensteuerforderungen s. FG Düsseldorf v. 19.11.2020 – 14 K 303/18 E, ZInsO 2021, 462. 7 Bis zur Änderung von § 55 Abs. 4 InsO durch Art. 4 Nr. 14 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3256 war § 55 Abs. 4 InsO im Eigenverwaltungsverfahren nicht anwendbar, sofern das Insolvenzgericht dem vorläufigen Sachwalter keine Mitbestimmungsbefugnisse eingeräumt hat (OLG Jena v. 22.6.2016 – 7 U 753/15, mit Anm. Sterzinger NZI 2016, 784; BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 167/16; ZInsO 2018, 2796; BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 167/16, ZInsO 2018, 2796 Rn. 17; BFH v. 7.5.2020 – V R 14/19, ZIP 2020, 1624 Rn. 16 ff.; LG Dresden v. 11.2.2019 – 10 O 1838/18, ZInsO 2019, 510; FG Münster v. 12.3.2019 – 15 K 1535/18 U, ZIP 2019, 1238; FG Köln v. 11.4.2019 – 12 K 2583/17, ZIP 2020, 40; Kahlert ZIP 2012, 2089; Klusmeier ZInsO 2014, 488; Hobelsberger DStR 2013, 2545); ebensowenig im Schutzschirmverfahren (FG Münster v. 13.8.2020 – 5 K 96/17 U, ZInsO 2020, 2269). 8 Einzelheiten s. BMF-Schreiben v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05, ZInsO 2015, 1195 = Nowak ZInsO 2015, 1189 und Übergangsregelung laut BMF-Schreiben v. 18.11.2015 – IV A 3-S 0550/10/10020-05, 2015/1037464. § 55 Abs. 4 InsO ist nur auf Masseverbindlichkeiten, nicht aber auch auf Vergütungsansprüche zugunsten der Masse anzuwenden und enthält keine Regelung zur Vergütung von Vorsteuerüberhängen (BFH v. 23.7.2020 – V R 26/19, ZIP 2020, 2248, ZInsO 2020, 2506; BMF-Schreiben v. 11.1.2022 – IV A 3 - S 0550/21/10001 :001).

54 | Martin Obermüller

D. Insolvenzeröffnungsverfahren | Rz. 1.236–1.239 Erster Teil die Fortführung des Unternehmens im Insolvenzeröffnungsverfahren verursacht wurden, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter zugleich mit dieser Handlungsweise (Unternehmensfortführung) einverstanden war; für umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten ist dabei auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen1. Darüber hinaus will das BMF § 55 Abs. 4 InsO auch auf den sog. schwachen Insolvenzverwalter anwenden, wenn ihm zahlreiche Rechte durch das Insolvenzgericht eingeräumt oder Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden2. Ist dagegen bei einer Tätigkeit ohne Wissen und Billigung des Insolvenzverwalters unklar, ob es sich umsatzsteuerrechtlich um eine solche des Insolvenzschuldners handelt, entsteht keine Masseverbindlichkeit3. Der Anwendungsbereich von § 55 Abs. 4 InsO ist allerdings stark reduziert durch die überraschende Entscheidung des BFH4, wonach – wenn der Insolvenzverwalter eines Unternehmers das Entgelt für eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte Leistung vereinnahmt – die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-, sondern auch bei der Sollbesteuerung eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet.

Den Gerichten wird insbesondere empfohlen5, von der Möglichkeit, ein allgemeines Verfügungsverbot zu erlassen, nur zurückhaltend Gebrauch zu machen und sich zur Sicherung der Vermögenswerte des Schuldners grundsätzlich auf die Anordnung zu beschränken, dass seine Verfügungen nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Dies soll dazu dienen, den Verwalter vor der mit einem allgemeinen Verfügungsverbot verbundenen Aufgabe, das Unternehmen fortzuführen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO), zu verschonen und das Entstehen von Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 InsO) zu verhindern6. Auch ein Zustimmungsvorbehalt sollte – wenn er für die Fortführung des Betriebs nicht erforderlich ist – unterbleiben, um zu verhindern, dass nach § 55 Abs. 4 InsO Masseverbindlichkeiten begründet werden, die nicht unbedingt notwendig sind7.

1.234

Gegen solche Anordnungen soll nur dem Schuldner, nicht aber einem dadurch ebenfalls belasteten Gläubiger ein Beschwerderecht zustehen8. Im Beschwerdeverfahren kann nur die Rechtmäßigkeit bereits getroffener Maßnahmen überprüft, aber keine neue Maßnahme angeordnet werden9.

1.235

frei

1.236–1.239

1 BFH v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451; BFH v. 28.5.2020 – V R 2/20, ZInsO 2020, 1931 Rn. 16; zur (zweifachen) Berichtigung der Umsatzsteuer durch bei und nach Bestellung eines vorläufigen Verwalters s. BFH v. 1.3.2016 – XI R 21/14, ZInsO 2016, 1486; BFH v. 1.3.2016 – IX ZR ZR 9/15, ZInsO 2017, 1633; BFH v.6.9.2016 – V B 52/16, ZInsO 2016, 2449; Keilbach NZI 2022, 256. 2 BMF-Schreiben v. 11.1.2022 – IV A 3 - S 0550/21/10001 :001, Dok 2022/0027292 (abgedr. ZInsO 2022, 516) Rn. 2; s. auch Busch/Heckmann InsBüro 2022, 387. 3 BFH v. 6.6.2019 – V R 51/17, ZIP 2019, 2420= ZInsO 2019, 97 Rn. 18. 4 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZInsO 2011, 823 mit zustimmender Anm. Wäger DStR 2011, 1925; Wäger ZInsO 2014, 1121 und Kritik de Weerth ZInsO 2011, 853; DAV ZInsO 2011, 1449; Debus/ Schartl ZIP 2013, 350 (zu masseschonenden Handhabungen); Depré/Lambert, Kreditsicherheiten, 2011, 214; Dobler ZInsO 2011, 1098; Dobler ZInsO 2011, 1775; Frank/Heinrich ZInsO 2011, 1826; Heinze DZWIR 2011, 276; Kahlert DStR 2011, 921; Kahlert DStR 2011, 1973; Klusmeier ZInsO 2011, 1340; Onusseit DZWIR 2011, 353; Rattunde InsVZ 2010, 321; Schacht ZInsO 2011, 1787; Welte/Friedrich-Vache ZIP 2011, 1595; ebenso inzwischen BFH v. 11.7.2013 – XI B 41/13, ZInsO 2013, 1739. 5 Uhlenbruck/Schröder/Schulte-Kaubrügger DZWIR 1999, 12. 6 Kirchhof ZInsO 1999, 365; demgegenüber will Ahrendt (ZInsO 1999, 450) auch hier § 55 Abs. 2 InsO analog anwenden. 7 AG Düsseldorf v. 8.2.2011 – 503 IN 20/11, ZIP 2011, 443 = EWiR § 21 InsO 6/11 S. 259. 8 LG Göttingen v. 24.6.2004 – 10 T 75/04, ZInsO 2004, 1046. 9 BGH v. 1.12.2005 – IX ZB 208/05, ZIP 2005, 2333 = ZInsO 2005, 1321.

Martin Obermüller | 55

Erster Teil Rz. 1.240 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

II. Einsetzung eines vorläufigen Verwalters 1.240

Wenn das Gericht einen vorläufigen Verwalter einsetzt, kann es ihn mit unterschiedlichen Befugnissen ausstatten: – Der Verwalter kann auf die Aufgabe beschränkt sein, zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt, und ggf., ob eine für die Verfahrenseröffnung ausreichende Masse vorhanden ist (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 InsO)1. – Das Gericht kann anordnen, dass Verfügungen des Insolvenzschuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO). – Das Gericht kann ein allgemeines Verfügungsverbot verhängen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO) mit der Folge, dass der Verwalter die Masse zu sichern und zu erhalten und das Unternehmen einstweilen fortzuführen hat (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 InsO). – Das Gericht kann dem Verwalter einzelne, genau beschriebene Ermächtigungen einräumen und spiegelbildlich dem Schuldner entsprechende Beschränkungen auferlegen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 InsO). – Es kann Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagen oder einstweilen einstellen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO). – Das Gericht kann für Mobiliarsicherheiten und Aussonderungsrechte eine Verwertungssperre anordnen und den Einsatz dieser Vermögenswerte zur Fortführung des Unternehmens gestatten (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO).

1.241

Da der Umfang der Befugnisse des vorläufigen Verwalters sehr unterschiedlich sein kann2, muss sich die Bank stets durch Einsicht in den Beschluss des Gerichts über seine konkrete Verfügungsmacht vergewissern3, bevor sie Geschäfte mit ihm tätigt.

1. Vorläufiger Verwalter ohne Beschränkungen des Schuldners 1.242

Das Gericht kann einen vorläufigen Verwalter einsetzen, ohne gleichzeitig ein Verfügungsverbot zu verhängen oder einen Zustimmungsvorbehalt anzuordnen. Der vorläufige Verwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume des Verwalters zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen; der Schuldner hat ihm Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten und ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen (§ 22 Abs. 3 InsO); Auskunftsansprüche gegen Dritte stehen ihm nicht zu (Einzelheiten s. Rn. 2.367 ff.). Im Übrigen hat das Gericht seine Pflichten und damit auch seine Aufgaben und Rechte im Einzelnen festzulegen. Diese dürfen nicht über die Befugnisse hinausgehen, die dem vorläufigen Verwalter im Fall der Anordnung eines Verfügungsverbots zustehen würden (§ 22 Abs. 2 InsO). Verbindlichkeiten, die der

1 RegE InsO BT-Drucks. 12/2443, S. 117; AG Düsseldorf v. 8.2.2011 – 503 IN 20/11, ZIP 2011, 443 = EWiR § 21 InsO 6/11 S. 259; zur Bestellung eines Sachverständigen s. Vallender ZInsO 2010, 1457. 2 Smid WM 1995, 785; Beispiele s. AG Düsseldorf v. 7.1.1999 – 503 IN 4/99, DZWIR 1999, 108; AG Krefeld v. 21.1.1999 – 92 IN 3/99, DZWIR 1999, 109; AG Neuruppin v. 5.1.1999 – 15 IN 4/99, DZWIR 1999, 107. 3 BGH v. 3.2.1993 – 3 StR 606/92, ZIP 1993, 1100 = BB 1993, 603; Treffer DB 2002, 2091.

56 | Martin Obermüller

D. Insolvenzeröffnungsverfahren | Rz. 1.245 Erster Teil

Schuldner eingeht, führen im eröffneten Verfahren nicht zu Masseschulden, auch wenn der vorläufige Verwalter dem Abschluss der Verträge zugestimmt hat1. Die Aufgabe eines solchen vorläufigen Verwalters kann sich schon in der Prüfung erschöpfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken wird. Das Gericht kann ihn aber beispielsweise auch beauftragen, als Sachverständiger zu begutachten, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen2. Die Position eines solchen Sachverständigen kann aber nicht dahin ausgeweitet werden, dass er Außenstände einziehen und freies Vermögen verwerten darf3.

1.243

2. Vorläufiger Verwalter mit allgemeinem Verfügungsverbot Ein allgemeines Verfügungsverbot sollte nur zusammen mit der Einsetzung eines vorläufigen Verwalters angeordnet werden. Die isolierte Anordnung nur eines allgemeinen Verfügungsverbots ist zwar rechtlich zulässig4, in der Praxis jedoch sehr selten, da es zu einer völligen Lähmung des schuldnerischen Betriebs führen kann. Wird ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, so gehört zu den Aufgaben des vorläufigen Verwalters die Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens.

1.244

a) Fortführung des Geschäfts Die Sicherungsfunktion erschöpft sich nicht in der Übernahme des Besitzes und Inventarisierung. Vielmehr obliegt dem vorläufigen Verwalter grundsätzlich auch die Fortführung des Geschäfts (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO)5. Dazu kann u.U. auch die Verwertung des Vermögens, z.B. die Einziehung von Forderungen notwendig sein, um Ausfälle zu vermeiden. Dies bedeutet aber nicht, dass der vorläufige Verwalter berechtigt oder verpflichtet wäre, Masse zur Deckung der Verfahrenskosten zu schaffen6.

1 BGH v. 13.1.2011 – IX ZR 233/09, ZInsO 2011, 388; AG Mönchengladbach v. 4.5.2000 – 5 C 12/ 00, n.v.; OLG Köln v. 29.6.2001 – 19 U 199/00, ZIP 2001, 1422; LAG Frankfurt v. 6.2.2001 – 4 Sa 1583/00, ZInsO 2001, 562; BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZInsO 2002, 819; Meyer DZWIR 2001, 309. 2 OLG Bamberg v. 25.1.2005 – 1 W 1/05, ZInsO 2005, 202. 3 OLG Nürnberg v. 20.2.2006 – 2 W 267/06, ZIP 2006, 1503 = ZInsO 2006, 761. 4 OLG Jena v. 12.4.2000 – 5 U 135/99, DZWIR 2000, 513. 5 Zu den hierfür notwendigen Kompetenzen des vorläufigen Verwalters s. Hölzle ZIP 2011, 1889; zur (zweifachen) Berichtigung der Umsatzsteuer durch bei und nach Bestellung eines vorläufigen Verwalters s. BFH v. 1.3.2016 – XI R 21/14, ZInsO 2016, 1486; zur Fortführung des Geschäfts durch einen nur mit einem Gutachten über die Zahlungsunfähigkeit beauftragten Sequester vgl. OLG Düsseldorf v. 2.6.1981 – 9 U 203/80, ZIP 1982, 727; zu den Auswirkungen auf die Verwaltergebühren s. Haarmeyer ZInsO 2019, 2502. 6 BGH v. 15.3.2012 – IX ZR 249/09, ZIP 2012, 737 = ZInsO 2012, 693.

Martin Obermüller | 57

1.245

Erster Teil Rz. 1.246 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.246

Die Fortführung kann ggf. in Übereinstimmung mit dem Schuldner auch durch Bildung einer Auffanggesellschaft bewirkt werden1. In Ausnahmefällen kommt auch eine Betriebsveräußerung durch den vorläufigen Verwalter in Betracht2. b) Wirkungen eines allgemeinen Verfügungsverbots

1.247

Das allgemeine Verfügungsverbot ist ein gerichtliches Verfügungsverbot, das bereits mit seinem Erlass und nicht erst mit der Zustellung an den Schuldner wirksam wird3. Es ist wie jede andere Verfügungsbeschränkung des § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen (§ 23 InsO) und im Grundbuch einzutragen (§ 32 InsO). Es bezieht sich auf rechtsgeschäftliche Verfügungen, auf Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung und auf Leistungen an den Schuldner. Rechtliche Verpflichtungen kann der Schuldner dagegen theoretisch weiter eingehen4, seine Verpflichtungsfähigkeit bleibt erhalten5. aa) Rechtsgeschäftliche Verfügungen

1.248

Das Verfügungsverbot hat die Unwirksamkeit aller nach seinem Erlass vorgenommenen rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Schuldners über Vermögensgegenstände zur Folge, die zur Masse gehören würden (§ 24 Abs. 1, §§ 81, 82 InsO). Unter Verfügungen in diesem Sinne werden alle Rechtshandlungen verstanden, die auf das Vermögen des Schuldners unmittelbar einwirken6, also die Übertragung, Belastung, Änderung und Aufhebung von Rechten7, die

1 Brandstätter, Die Prüfung der Sanierungsfähigkeit notleidender Unternehmen,1993, S. 272 ff.; Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, 2. Aufl. 1988, S. 440 ff.; Lieder DZWIR 2004, 452; Wiethege, Die Auffanggesellschaft, 1958; zu strafrechtlichen Risiken bei Übertragung von Aktiva in eine Auffanggesellschaft s. AG Ingolstadt v. 28.5.2004 – 8 Ls 31 Js 5828/04, EWiR § 283 StGB 1/04 S. 1245; zu Krediten an die Auffanggesellschaft s. LG Schwerin v. 10.2.2006 – 1 O 120/ 04, ZIP 2006, 720. 2 Vgl. dazu Obermüller/Hess, InsO, 4. Aufl. 2003, Rn. 715 ff.; Bissels/Schroeders NZI 2017, 159; Waas/Hoffmann/Palonka BB 2008, 2682; zum Einsatz von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQM) bzw. Transfergesellschaften s. BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 572/11, ZInsO 2013, 946; Bichlmeier DZWIR 2006, 239; Heeseler InsbürO 2020, 199; Hinrichs/Kleinschmidt ZInsO 2012, 949; Krieger/Fischinger NJW 2007, 2289; Leister ZInsO 2009, 1944; Leister/Fischer ZInsO 2009, 985; Lindemann ZInsO 2012, 605; Ries NZI 2002, 521; Soltész/Winzer DB 2013, 105; Staufenbiel ZInsO 2010, 497; Thum BB 2013, 1525; für die Sequestration s. OLG Düsseldorf v. 13.12.1991 – 22 U 202/91, ZIP 1992, 344. 3 BGH v. 19.9.1996 – IX ZR 277/95, ZIP 1996, 1909 = WM 1996, 2078; OLG Köln v. 29.9.1995 – 26 U 11/95, ZIP 1995, 1684 = NJW-RR 1996, 1330. 4 BGH v. 19.4.2018 – IX ZR 230/15, ZIP 2018, 1082 = ZInsO 2018, 1253 Rn. 53 m.w.N. 5 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, ZIP 2006, 431 = ZInsO 2006, 208; BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, ZIP 2007, 2273 = ZInsO 2007, 1216; BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 1/09, ZIP 2010, 138 = ZInsO 2010, 133; BGH v. 21.12.2013 – BGH v. 21.11.2013 – IX ZR 52/13, ZIP 2014, 32 = ZInsO 2014, 33; LG Kiel v. 4.1.2021 – 1 S 237/18, ZInsO 2021, 548. 6 BGH v. 13.3.2014 – IX ZR 147/11, ZIP 2014, 1037 = ZInsO 2014, 1011. 7 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26; BGH v. 4.11.2009 – XII ZR 170/07, ZIP 2010, 332; BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 1/09, ZInsO 2010, 133; BGH v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, ZIP 2011, 1419; BGH v. 19.4.2018 – IX ZR 230/15, ZInsO 2018, 1253 Rn. 53.

58 | Martin Obermüller

D. Insolvenzeröffnungsverfahren | Rz. 1.251 Erster Teil

Einziehung von Forderungen1 und die Ermächtigung eines Dritten durch den Schuldner, für ihn eine Leistung entgegenzunehmen2, soweit der eingezogene Forderungsbetrag nicht in die Masse gelangt, und die Begleichung von Schulden, die Genehmigung im ehemaligen Lastschrift – Einzugsermächtigungsverfahren3 sowie die Bestellung von Sicherheiten. Unwirksam ist auch eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB4. Verstößt der Schuldner gegen eine Verfügungsbeschränkung, so ist diese Verfügung nach § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam. Anders als das Veräußerungsverbot des § 106 KO, das als gerichtliches Verbot im Sinne der §§ 135, 136 BGB einzuordnen war5 und verbotswidrig vorgenommene Verfügungen nur den Gläubigern gegenüber6, also relativ unwirksam machte, handelt es sich hier durch die Verweisung auf die §§ 81, 82 InsO um eine absolute Unwirksamkeit7. Dies bedeutet, dass gutgläubiger Erwerb nur im Bereich des Liegenschaftsrechts einschließlich des Erwerbs von Rechten an Schiffen, Schiffsbauwerken und Luftfahrzeugen möglich ist (§ 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO), während die Verpfändung beweglicher Sachen und die Sicherungsübereignung nach Anordnung eines Verfügungsverbots nicht mehr wirksam vorgenommen werden können.

1.249

bb) Zwangsvollstreckungen Grundsätzlich werden Zwangsvollstreckungen der Gläubiger durch die Anordnung des Verfügungsverbots nicht verhindert, denn diese richtet sich gegen den Schuldner und nicht gegen den Gläubiger. Um aber zu vermeiden, dass das Schuldnervermögen zerschlagen und eine spätere Sanierung von vornherein vereitelt wird, lässt § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu, dass das Gericht die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen untersagt bzw. einstellt, so dass die davon betroffenen Gegenstände nach der Insolvenzeröffnung ggf. in die Masse fallen. Diese Regelung war erforderlich, weil das allgemeine Vollstreckungsverbot des § 89 InsO nur für das eröffnete Insolvenzverfahren gilt.

1.250

Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen kann vom Insolvenzgericht nicht schon in der Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO eingestellt werden. Hierfür gelten die Sonderregelungen der §§ 30d ff., 153b ff. ZVG (Einzelheiten s. Rn. 6.1390 ff.).

1.251

1 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch/Beth in BK InsO, Stand 2017, § 24 Rn. 7; s. auch schon den Wortlaut von § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO. 2 BGH v. 12.7.2012 – IX ZR 210/11, ZIP 2012, 1565 Rn. 7. 3 BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 Rn. 19 m.w.N. = ZIP 2007, 2273. 4 BGH v. 13.3.2014 – IX ZR 147/11, ZIP 2014, 1037 = ZInsO 2014, 1011. 5 OLG Köln v. 22.5.1970 – Ss 69/70, KTS 1971, 51; OLG Köln v. 19.10.1978 – 7 U 1/78, WM 1979, 1342; OLG Stuttgart v. 22.11.1984 – 8 W 240/84, KTS 1985, 349; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, ZIP 1989, 1593; OLG Köln v. 15.4.1997 – 22 U 143/96, InVo 1998, 40; LG Frankenthal v. 24.8.1981 – 1 T 201/81, Rpfl. 1981, 438. 6 RG v. 24.4.1909 – V 61/09, RGZ 71, 40; BGH v. 13.1.1956 – V ZB 49/55, BGHZ 19, 359; OLG Köln v. 15.4.1997 – 22 U 143/96, InVo 1998, 40; LG Frankenthal v. 24.8.1981 – 1 T 201/81, Rpfl. 1981, 438; offengelassen in BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737 = WM 1997, 831; BGH v. 6.11.2000 – II ZR 67/99, ZIP 2001, 28 = WM 2000, 2563. 7 Begründung RegE InsO 1994 – BT-Drucks 12/7302 – zu § 92 InsO; Kirchhof WM 1996, 1028; Kießling/Singhof DZWIR 2000, 353.

Martin Obermüller | 59

Erster Teil Rz. 1.252 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

cc) Leistungen an den Schuldner

1.252

Steht dem Schuldner eine Forderung gegen einen Dritten zu, so wird letzterer durch eine Zahlung, die er im Eröffnungsverfahren nach Anordnung eines Verfügungsverbots an den Schuldner leistet, von seiner Schuld nur befreit, wenn er das Verfügungsverbot nicht gekannt hat (§ 24 Abs. 1, § 82 Satz 1 InsO). Auf die Kenntnis des Leistenden kann nicht schon aus dem Umstand geschlossen werden, dass er von dem Insolvenzantrag wusste. Aus diesem Wissen ergibt sich auch keine gesteigerte Nachforschungspflicht hinsichtlich der Bonität seines Vertragspartners1. Hat er vor der öffentlichen Bekanntmachung der Verfügungsbeschränkung geleistet, so wird vermutet, dass er die Eröffnung nicht kannte (§ 82 Satz 2 InsO). Diese Regelung wirkt sich für die Kreditinstitute vor allem im Zahlungsverkehr mit dem Schuldner aus (s. Rn. 3.60)2.

3. Vorläufiger Verwalter mit besonderem Verfügungsverbot 1.253

Das Insolvenzgericht kann die Befugnisse des vorläufigen Verwalters ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gegenüber dem Kreditinstitut des Schuldners dadurch erweitern, dass es ihm ein besonderes Verfügungsverbot, insbesondere ein solches bezüglich seiner Vermögenswerte bei diesem Kreditinstitut auferlegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO). Dies stellt ein rechtliches Minus zu einem allgemeinen Verfügungsverbot dar. Das besondere Verfügungsverbot kann isoliert oder ergänzend zu einem Zustimmungsvorbehalt mit der Folge erteilt werden, dass der vorläufige Verwalter ermächtigt wird, über bestimmte Gegenstände des Schuldnervermögens zu verfügen3.

4. Vorläufiger Verwalter mit besonderen Ermächtigungen 1.254

Ferner kann das Insolvenzgericht den vorläufigen Verwalter auch ohne begleitendes allgemeines Verfügungsverbot dazu ermächtigen, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen, soweit dies für eine erfolgreiche Verwaltung nötig ist4. Solche Verbindlichkeiten führen zu Masseschulden. Eine pauschale Ermächtigung, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln, reicht dazu nicht5. Auch eine Ermächtigung, auch schon als vorläufiger Insolvenzverwalter Anfechtungen zu erklären, kann das Gericht nicht erteilen6.

5. Vorläufiger Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt 1.255

Das Insolvenzgericht kann dem vorläufigen Insolvenzverwalter auch einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt zugestehen. Dadurch geht dem Schuldner die Verwaltungs- und Ver1 BGH v. 15.11.1999 – II ZR 98/98, ZIP 2000, 146. 2 Zum Verhältnis von § 82 InsO zu den Befreiungswirkungen von Legitimationspapieren nach § 808 BGB s. BGH v. 10.3.2010 – IV ZR 207/08, ZIP 2010, 890 = ZInsO 2010, 810. 3 BGH v. 16.6.2005 – IX ZB 264/03, ZIP 2005, 1372 = ZInsO 2005, 804. 4 BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = ZInsO 2002, 819 mit Analyse von Haarmeyer ZInsO 2002, 845; BGH v. 16.6.2005 – IX ZB 264/03, ZIP 2005, 1372 = ZInsO 2005, 804; Schmidt ZInsO 2006, 177; weiterführend Laroche NZI 2010, 965; Marotzke ZInsO 2004, 113 und Kirchhof ZInsO 2004, 57. 5 OLG Hamm v. 28.11.2002 – 27 U 87/02, ZInsO 2003, 474; BGH v. 16.6.2005 – IX ZB 264/03, ZInsO 2005, 804; BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 15/02, ZIP 2003, 1260 = ZInsO 2003, 960; a.A. für die Umsatzsteuer FG Saarland v. 4.2.2003 – 2 V 256/02, ZInsO 2003, 333 und Blank ZInsO 2003, 308. 6 OLG Hamm v. 2.11.2004 – 27 W 44/04, ZIP 2005, 361.

60 | Martin Obermüller

D. Insolvenzeröffnungsverfahren | Rz. 1.257 Erster Teil

fügungsbefugnis nicht vollständig verloren1 und seine Verpflichtungsfähigkeit bleibt erhalten2. Dieser allgemeine Zustimmungsvorbehalt ist milder und weniger einschneidend als ein allgemeines Verfügungsverbot, daher verhältnismäßiger3, und schont das Ansehen des Schuldners im Rechtsverkehr4. Dies hat zur Folge, dass Verfügungen des Schuldners nur mit nachträglicher Genehmigung oder aufgrund vorheriger Einwilligung des vorläufigen Verwalters wirksam und im Fall der Verweigerung absolut unwirksam sind5; eine Verurteilung des Schuldners zur Abgabe einer Willenserklärung gem. § 894 Satz 1 ZPO kann diese Zustimmung nicht ersetzen6. In diesem Rahmen verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, wenn es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person handelt, bei ihrem gesetzlichen Vertreter7. Ein solcher Verwalter hat u.a. die gesetzliche Pflicht, für die vorläufige Fortzuführung des schuldnerischen Unternehmens zu sorgen, soweit nicht das Insolvenzgericht ausnahmsweise einer Geschäftsschließung zustimmt8. Verbindlichkeiten, die mit seiner Zustimmung eingegangen werden, stellen keine Masseverbindlichkeiten dar; eine analoge Anwendung von § 55 Abs. 2 InsO ist nicht möglich9. Außerhalb eines Verfügungsverbots oder einer Einzelermächtigung kann auch der mitbestimmende vorläufige Insolvenzverwalter keine Masseverbindlichkeiten begründen10.

6. Vorläufiger Verwalter mit Sicherheitenverwertungssperre Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO11 kann das Gericht anordnen, dass Gegenstände, die zur Sicherheit übereignet sind12, vom Gläubiger nicht verwertet, sondern vom vorläufigen Verwalter zur Fortführung des Unternehmens eingesetzt werden dürfen, sofern sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind (Einzelheiten s. Rn. 6.1683). Auch kann das Gericht anordnen, dass Forderungen, die zur Sicherheit abgetreten sind, vom Gläubiger nicht verwertet, sondern vom vorläufigen Verwalter eingezogen werden dürfen.

1.256

Dementsprechend wird die Bank als Sicherungsnehmerin von sicherungsübereigneten Gegenständen und sicherungshalber abgetretenen Forderungen durch einen Verwertungsstopp in der Ausübung ihrer Rechte im Eröffnungsverfahren eingeschränkt. Der vorläufige Insolvenz-

1.257

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12

OLG Naumburg v. 12.2.2004 – 11 Wx 16/03, WM 2005, 173. LG Kiel v. 4.1.2021 – 1 S 237/18, ZInsO 2021, 548 = Bultmann ZInsO 2021, 549. Bork ZIP 1999, 781; Kießling/Singhof DZWIR 2000, 353; Mankowski NZI 2000, 572. Gerhardt ZZP 109 (1996), 415; Kießling/Singhof DZWIR 2000, 353. OLG Naumburg v. 12.2.2004 – 11 Wx 16/03, WM 2005, 173; Mankowski NZI 2000, 572. BGH v. 4.7.2018 – IV ZR 297/16, ZIP 2018, 1506= ZInsO 2018, 1789. BGH v. 22.10.2019 – VII R 30/18, ZIP 2020, 911 Rn. 26 ff. Wiester ZInsO 1998, 99; zu den Entscheidungskriterien s. AG Aachen v. 29.3.1999 – 19 IN 53/99 II, ZIP 1999, 1494 = NZI 1999, 279. BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZInsO 2002, 819; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 61/08, ZInsO 2009, 1102; OLG Hamm v. 28.11.2002 – 27 U 87/02, ZInsO 2003, 474; LAG Hamm v. 12.11.2003 – 2 Sa 844/03 u. 2 Sa 1186/03, ZInsO 2004, 576; LG Leipzig v. 30.8.2001 – 11 O 2044/01, ZIP 2001, 1778; AG Leipzig v. 4.9.2001 – 8 C 2818/01, ZIP 2001, 1780; AG Wuppertal v. 13.6.2001 – 96 C 96/01, ZIP 2001, 1335; Förster ZInsO 2001, 790 mit weiteren Hinweisen auf den Streitstand; Meyer DZWIR 2001, 309; Übersicht bei Prütting/Stickelbrock ZIP 2002, 1608. BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 61/08, ZIP 2009, 1477 = ZInsO 2009, 1102. Eingefügt durch Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens v. 13.4.2007, BGBl. I 2007, 509. Zur Erfassung von Aussonderungsrechten durch diese Vorschrift s. Kritik von Kirchhof ZInsO 2007, 227; Ganter NZI 2007, 549; Heublein ZIP 2009, 11; Vallender in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 21 Rn. 38g m.w.N.

Martin Obermüller | 61

Erster Teil Rz. 1.257 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

verwalter darf jedoch ohne entsprechende Vereinbarung mit der Bank weder das Sicherungsgut veräußern noch die eingezogenen Forderungen zur Unternehmensfinanzierung verwenden. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter zedierte Forderungen ein, verringert sich der Sicherheitenerlös schon im Eröffnungsverfahren um die Feststellungs- und Verwertungskosten.

1.258–1.259

frei

III. Auswahl des vorläufigen Verwalters 1.260

Die Auswahl und Bestellung des vorläufigen Verwalters obliegt grundsätzlich dem Insolvenzgericht. Dabei ist es an die Kriterien des § 56 InsO (Einzelheiten s. Rn. 1.462 ff.) gebunden. Bei bestimmten Verfahren muss jedoch zunächst ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt werden, der an der Auswahl des vorläufigen Verwalters mitwirken kann.

IV. Haftung des vorläufigen Verwalters 1.261

Überschreitet der vorläufige Verwalter seine Befugnisse und greift er z.B. in die Rechtsstellung von dinglich Berechtigten wie Sicherungseigentümern oder Inhabern von Zessionen ein, so haftet er gegenüber dem Sicherungsnehmer auf Schadenersatz (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 60 InsO)1. Außerdem kann die Bank gegen ihn mit einer einstweiligen Verfügung vorgehen2.

1.262–1.279

frei

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren 1.280

Entscheidet das Insolvenzgericht, das Insolvenzverfahren zu eröffnen, so muss es den Eröffnungsbeschluss unter Angabe von Datum und Stunde3 öffentlich bekannt machen (§§ 30, 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO), Registergerichte und Grundbuchämter benachrichtigen und den Beschluss den Gläubigern und Schuldnern des Schuldners besonders zustellen (§§ 31, 32, 33 InsO).

I. Verlust der Verfügungsbefugnis des Schuldners 1.281

Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Schuldner bleibt zwar Eigentümer des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens, seine Einwirkungsmöglichkeiten auf dieses Vermögen werden jedoch mit dem Ziel, die gemeinschaftliche Befriedigung aller persönlichen Gläubiger ungestört zu erreichen, auf den Insolvenzverwalter übertragen. Auf die Struktur der betroffenen Gesellschaft hat die Verfahrenseröffnung dagegen keinen Einfluss4.

1 BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 422/98, ZIP 2000, 895; LG Düsseldorf v. 10.7.1996 – 34 O 49/96, WM 1997, 1345; s. auch Pape ZInsO 2019, 2033 und Rn. 6.1517 ff. 2 OLG Köln v. 19.9.1983 – 12 U 40/83, ZIP 1984, 89. 3 Zur Unzulässigkeit und den Folgen einer Vor- oder Rückdatierung s. Greiner ZInsO 2017, 1076. 4 BGH v. 11.1.2007 – IX ZB 271/04, ZInsO 2007, 267.

62 | Martin Obermüller

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.286 Erster Teil

Die Verfügungsbeschränkung des Schuldners hat die Wirkung eines gesetzlichen Veräußerungsverbots im Sinne des § 135 BGB1. Verfügungen2 des Schuldners nach Insolvenzeröffnung, die die Insolvenzmasse betreffen, sind nicht nur den Insolvenzgläubigern gegenüber, sondern absolut unwirksam (§§ 81, 91 InsO)3. Diese Wirkungen treten schon mit der Insolvenzeröffnung (§ 27 InsO) und nicht erst mit der öffentlichen Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses, seiner Zustellung an den Schuldner oder seiner Rechtskraft4 ein.

1.282

Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse wird durch den Insolvenzverwalter ausgeübt (§ 80 InsO)5.

1.283

II. Massebestandteile Zur Insolvenzmasse gehört das gesamte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende, Vermögen des Schuldners, das zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 35 InsO) vorhanden ist, später erworben oder im Wege der Anfechtung zurückgeholt wird. Zur Insolvenzmasse gehören auch im Ausland befindliche Werte6, die Geschäftsbücher des Schuldners (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO) sowie sein Name, die Firma seines Unternehmens und die Firma einer Kapitalgesellschaft7.

1.284

1. Neuerwerb Vom Insolvenzbeschlag wird nicht nur das im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung vorhandene Vermögen des Schuldners erfasst, sondern auch der sog. Neuerwerb.

1.285

a) Gegenstände des Neuerwerbs Dies bedeutet für natürliche Personen, dass das, was der Schuldner nach diesem Zeitpunkt, etwa aus einem neuen Arbeitsverhältnis – soweit es die Freigrenzen der §§ 850 ff. ZPO überschreitet – oder aus einer Erbschaft oder durch Schenkung, erwirbt (Neuerwerb), ebenfalls in die Insolvenzmasse einbezogen wird8. Dagegen sind aufgrund des Pfändungsschutzes des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder 1 RG v. 30.4.1909 – II 615/08, RGZ 71, 40. 2 Zur Auswechselung des Begriffs der Rechtshandlung in § 7 KO gegen den Begriff der Verfügung in § 81 InsO s. von Olshausen ZIP 1998, 1093. 3 Kießling/Singhof DZWIR 2000, 353 m.w.N. 4 BGH v. 27.9.1956 – II ZR 213/54, WM 1956, 1473. 5 Zur Auswirkung der InsO auf den Meinungsstreit, wie die Rechtsstellung des Verwalters einzuordnen ist, s. Hess/Obermüller, Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der Insolvenzordnung, 1996, Rn. 671 ff. 6 BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, ZIP 1983, 961; zu Kryptowerten i.S.v. § 1 Abs. 11 Satz 4 KWG s. Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101. 7 LG Düsseldorf v. 14.4.1976 – 32 O 336/75, KTS 1976, 308; BGH v. 25.10.1982 – NotZ 12/82, NJW 1983, 756 m.w.N.; OLG Hamm v. 6.1.1998 – 15 W 407/97, ZIP 1998, 746; Übersicht bei Riegger BB 1983, 786; zur Firmenänderung bei einer fortgeführten Firma s. OLG Düsseldorf v. 8.3.2019 – I-3 Wx 207/18, ZIP 2019, 1767. 8 Zu den Neuregelungen der § 35 Abs. 2 und 3, § 295a InsO aufgrund des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3328 s. Frind ZInsO 2021, 231; Lissner ZInsO 2022, 2177.

Martin Obermüller | 63

1.286

Erster Teil Rz. 1.286 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst1. Ein Schuldner kann einen wirtschaftlichen Neuanfang also grundsätzlich nicht mehr über den Neuerwerb während des laufenden Verfahrens erlangen, sondern nur auf dem Weg über die Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO; s. im Einzelnen Rn. 1.1420 ff.), den Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO; s. im Einzelnen Rn. 1.903 ff.) oder über die Verbraucherinsolvenz (§§ 304 ff. InsO; s. im Einzelnen Rn. 1.1300 ff.), wobei die Gläubiger in der Regel zumindest einen Teil ihrer Forderungen einbüßen. b) Freigabe

1.287

Wenn es sich bei dem Insolvenzschuldner um einen Selbständigen handelt oder er eine selbständige Tätigkeit aufnehmen möchte, muss sich der Insolvenzverwalter entscheiden, ob Vermögen aus dieser Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehören soll, was zur Folge hätte, dass auch die Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können (§ 35 Abs. 2 InsO)2, oder ob er, um das Entstehen von Masseschulden aus der fortdauernden selbständigen Tätigkeit des Schuldners zu verhindern, diese Tätigkeit und damit auch den daraus resultierenden Neuerwerb freigibt3.

1.288

Die Freigabeerklärung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, aus der sich unmissverständlich der Wille zu einem dauernden Verzicht auf die Massezugehörigkeit ergibt4. Diese Freigabeerklärung kann sich auf das Vermögen und die Verbindlichkeiten beschränken, die nach der Verfahrenseröffnung angefallen sind5. Eine Freigabeerklärung wirkt grundsätzlich erst ab ihrem Zugang beim Insolvenzschuldner (ex nunc)6. Die Überleitung der Vertragsverhältnisse, die der selbständigen Tätigkeit des Schuldners dienen, wirkt nicht auf Forderungen und Verbindlichkeiten zurück, soweit diese vor Wirksamwerden der Erklärung entstanden sind7.

1 Einzelheiten s. Spiekermann ZInsO 2019, 250. 2 Zur Entwicklung von § 35 InsO s. Ahrens ZInsO 2022, 2389; zur praktischen Umsetzung s. Ganter ZInsO 2016, 825; Gehrlein ZInsO 2017, 1352; Gehrlein FS Pannen 2017, 359; Grote ZInsO 2011, 1489; Haarmeyer ZInsO 2007, 696; Peters WM 2012, 1067; Berger ZInsO 2008, 1101; Wischemeyer ZInsO 2009, 2121; zu steuerlichen Folgen s. BFH v. 16.4.2015 – III R 21/11, ZIP 2015, 1935; BFH v. 16.7.2015 – III R 32/13, ZInsO 2016, 100. 3 Zur Freigabe als „kleine“ übertragende Sanierung s. Wischemeyer ZInsO 2009, 937; Ehlers FS Haarmeyer, 2013, 15; zur Freigabe von Dauerschuldverhältnissen nach § 108 InsO s. Ries ZInsO 2009, 2030; zur Kontoführung s. OLG Hamm v. 16.1.2017 – 31 U 226/15, ZInsO 2018, 725 und Rn. 2.231b, 6.365. 4 BFH v. 18.12.2019 – XI R 10/19, ZIP 2020, 1307 = ZInsO 2020, 1320 Rn. 20; BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZInsO 2003, 413; Wipperfürth ZInsO 2021, 1148. 5 Schmidt/Lambertz ZInsO 2007, 1246; Smid DZWIR 2008, 133; zur Reichweite der Freigabe s. Gehrlein ZInsO 2016, 825; Gehrlein ZInsO 2017, 1352; Schmidt ZInsO 2016, 1235; Gehrlein ZInsO 2016, 1238; Pape FS Smid 2022, 249; BGH v. 25.1.2018 – IX ZA 19/17, ZIP 2018, 543 = ZInsO 2018, 671; zu den verschiedenen Freigabebegriffen s. Wipperfürth ZInsO 2019, 977; Wipperfürth ZInsO 2020, 1359; Überblick über dann mögliche Zweitinsolvenzverfahren s. Schmerbach ZInsO 2009, 2078; zu den Grenzen des Pfändungsschutzes BGH v. 25.1.2018 – IX ZA 19/17, ZInsO 2018, 671; zu den steuerlichen Folgen s. FG München v. 29.5.2008 – 14 K 4598/06, ZInsO 2008, 1025. 6 Lüdtke in Hamburger Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2021, § 35 Rn. 267; Berger ZInsO 2008, 1101. 7 BFH v. 18.12.2019 – XI R 10/19, ZIP 2020, 1307 = ZInsO 2020, 1320 Rn. 22.

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E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.293 Erster Teil

Bleibt die selbstständige Tätigkeit wirtschaftlich erfolglos, endet sie in der „Zweitinsolvenz“. Wirtschaftet der Schuldner hingegen mit Erfolg, muss er befürchten, dass das Insolvenzgericht auf Antrag des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung die Freigabeerklärung für unwirksam erklärt (§ 35 Abs. 2 Satz 3 InsO), weil die Gläubiger nicht am Erfolg der Tätigkeit teilhaben, sondern auf das fiktive Einkommen aus einem angemessenen Dienstverhältnis beschränkt bleiben (§ 295a Abs. 2 InsO)1.

1.289

2. Aussonderungsrechte Aus der Insolvenzmasse ausgesondert werden Gegenstände2, die aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts eines Dritten dem Schuldner nicht gehören. Aussonderungsansprüche bestimmen sich nach den außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Gesetzen (§ 47 InsO). Der Verwalter soll zwar berechtigt und verpflichtet sein, diese Gegenstände zunächst in Besitz zu nehmen3. Wenn er aber über Gegenstände verfügt, die einem Aussonderungsrecht unterliegen, macht er sich dem Aussonderungsberechtigten gegenüber schadenersatzpflichtig; dies gilt auch dann, wenn er das Aussonderungsrecht aufgrund fehlerhafter rechtlicher Beurteilung nicht anerkennt4.

1.290

a) Dingliche Aussonderungsrechte Dingliche Aussonderungsrechte gewähren das Eigentum5, gewerbliche Schutzrechte wie Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Marken, Internet-Domains6 und persönliche Daten7.

1.291

aa) Eigentum Der Eigentümer kann in der Insolvenz des Besitzers (Eigen-, Fremd-, mittelbaren oder unmittelbaren Besitzers) die Herausgabe seines Eigentums verlangen (§ 985 BGB), solange dem Besitzer kein Recht zum Besitz zusteht (§ 986 BGB). Dasselbe Recht steht dem Miteigentümer gegen den besitzenden Schuldner zu8. Sofern der Schuldner selbst Miteigentümer ist, vollzieht sich die Auseinandersetzung außerhalb des Verfahrens (§ 84 InsO). Ausgenommen davon ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§ 51 Nr. 1 InsO) das Sicherungseigentum.

1.292

bb) Eigentumsvorbehalt Das wichtigste Aussonderungsrecht ist der Eigentumsvorbehalt (§ 449 Abs. 1 BGB) des Warenlieferanten des Schuldners9. Während Sicherungseigentum und Sicherungszession nur Absonderungsrechte begründen, gewährt der Eigentumsvorbehalt ein Recht auf Aussonderung. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Zipperer ZInsO 2019, 1741. Zu Ordnungsfunktion und „Gegenstand“ der Aussonderung s. Hoffmann KTS 2022, 316. Gundlach/Frenzel/Jahn DZWIR 2007, 320. OLG Köln v. 27.10.1995 – 19 U 140/95, BB 1995, 2554; BGH v. 9.5.1996 – IX ZR 244/95, ZIP 1996, 1181 = WM 1996, 1242. Zum sog. virtuellen Vermögen s. Kirstein ZInsO 2008, 830. Adolphsen in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 40 Rn. 20. OLG Düsseldorf v. 27.9.2012 – I-6 U 241/11, ZInsO 2013, 260; zur Aussonderung von (Cloud-) Daten s. Jülicher ZIP 2015, 2063. Adolphsen in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 47 Rn. 9; Ganter in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 47 Rn. 45. Zum Eigentumsvorbehalt im internationalen Warenverkehr s. Primozic/Boller ZInsO 2016, 721.

Martin Obermüller | 65

1.293

Erster Teil Rz. 1.293 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Es unterliegt jedoch gewissen Modifikationen im Antragsverfahren und im eröffneten Verfahren (s. im Einzelnen Rn. 6.1330, 6.1811). Der Eigentumsvorbehalt ist nichtig, soweit der Eigentumsübergang durch eine so genannte Konzernklausel davon abhängig gemacht wird, dass der Käufer Forderungen eines Dritten, insbesondere eines mit dem Verkäufer verbundenen Unternehmens erfüllt (§ 449 Abs. 3 BGB; Einzelheiten s. Rn. 6.1340 ff.). cc) Leasing

1.294

Als Eigentümer besitzt der Leasing-Geber ein Aussonderungsrecht und kein Absonderungsrecht (s. Rn. 7.36). b) Schuldrechtliche Aussonderungsrechte

1.295

Das Aussonderungsrecht kann, wie der Wortlaut des § 47 InsO zeigt, nicht nur auf dingliche, sondern auch auf persönliche, also schuldrechtliche Ansprüche gestützt werden. Schuldrechtliche Aussonderungsrechte bilden die uneigennützigen Treuhandverhältnisse, die Herausgabeansprüche von Vermietern, Verpächtern, Verleihern, Verpfändern, Auftraggebern und der Hinterleger von Wertpapieren (§ 32 DepotG) (s. z.B. Rn. 8.27 ff.), auch wenn sie nicht Eigentümer der herauszugebenden Sache sind1. aa) Treuhandverhältnisse

1.296

Bei Treuhandverhältnissen ist zwischen der Insolvenz des Treugebers und der Insolvenz des Treuhänders zu unterscheiden2.

1.297

In der Insolvenz des Treuhänders gewähren sowohl die eigennützige als auch die uneigennützige Treuhand3 dem Treugeber ein Aussonderungsrecht4.

1.298

In der Insolvenz des Treugebers gehört bei einem uneigennützigen Treuhandverhältnis das Treugut zur Insolvenzmasse des Treugebers; sein Insolvenzverwalter kann also Herausgabe des Treuguts vom Treuhänder verlangen5. Bei einem eigennützigen Treuhandverhältnis wird dem Treuhänder trotz seiner formellen Eigentümerstellung in der Insolvenz des Treugebers kein Aussonderungsrecht, sondern nur ein Absonderungsrecht zugebilligt. Wichtigste Anwendungsfälle sind die Sicherungsübereignung und die Sicherungsabtretung, für die dies ausdrücklich im Gesetz niedergelegt ist (§ 51 Nr. 1 InsO). Durch besondere Ausgestaltung können auch an Bankkonten in der Insolvenz des Kontoinhabers von Dritten Aussonderungsrechte geltend gemacht werden (s. im Einzelnen Rn. 2.144 ff.).

1 Einzelheiten s. Gundlach/Frenzel/Schmidt DZWIR 2001, 95. 2 Grundlegend Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, 2006. 3 Zur Abgrenzung s. Adolphsen in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 40 Rn. 52. 4 RG v. 10.10.1917 – V 159/17, RGZ 91, 14; BGH v. 25.11.1992 – VIII ZR 176/91, ZIP 1993, 123 = WM 1993, 213 = WuB VI. B. § 43 KO 1.93 – Obermüller; BGH v. 11.13.1962 – VIII ZR 129/62, WM 1964, 179; BGH v. 14.1.1969 – VI ZR 191/67, WM 1969, 475. 5 BGH v. 10.4.1962 – VI ZR 63/61, NJW 1962, 1200; RG v. 6.11.1934 – VII 105/34, RGZ 145, 253.

66 | Martin Obermüller

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.302 Erster Teil

bb) Wertpapierrechnung Wertpapiere, die eine inländische Bank im Ausland für einen Depotkunden angeschafft und darüber eine Gutschrift in Wertpapierrechnung erteilt hat, geben dem Kunden in der Insolvenz der Bank ein Aussonderungsrecht, da die Bank die Wertpapiere treuhänderisch verwahrt; sie erwirbt Treuhandeigentum zwar nicht vom Treuhänder, sondern für ihn, aber beim Erwerb wird die Treuhandeigenschaft offen gekennzeichnet1.

1.299

cc) Konsortialkredite Man sollte meinen, dass in gleicher Weise wie bestimmte Kontoformen auch das Treuhandverhältnis, das der Führer eines Konsortialkredits für die Konsorten mit der Haltung der Kreditsicherheiten übernimmt, in seiner Insolvenz den Konsorten ein Aussonderungsrecht gewährt2. Diese Auffassung ist jedoch auf Widerspruch gestoßen3.

1.300

c) Ersatzaussonderungsrechte Ist ein Gegenstand, dessen Aussonderung hätte verlangt werden können, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder nach der Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert4 worden, so kann der Aussonderungsberechtigte die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung verlangen, soweit diese noch aussteht (§ 48 Satz 1 InsO). § 48 Satz 1 InsO wollte die frühere Regelung des § 46 KO übernehmen5, hat sie jedoch ausgedehnt6. Nicht von § 48 InsO erfasst sind jedoch die Fälle der dinglichen Surrogation (z.B. nach § 1048 Abs. 1 Satz 2, §§ 1247, 1287, 1370, 1473, 1646, 2019, 2041 BGB), weil hier die Ersatzgegenstände bereits mit originären Aussonderungsrechten belastet sind7. Deshalb kann das Surrogat originär nach § 47 InsO ausgesondert werden.

1.301

Auch wenn der Schuldner schon vor der Verfahrenseröffnung die Gegenleistung eingezogen hatte, diese aber in der Masse noch unterscheidbar vorhanden ist, wird die Ersatzaussonderung zugelassen8. Unterscheidbarkeit ist gegeben, wenn der Insolvenzverwalter oder der Schuldner die Gegenleistung, ohne sie zuvor mit Vermögen der Insolvenzmasse bzw. seinem Vermögen zu vermengen, auf ein Sonderkonto genommen hat9. Unterscheidbarkeit liegt auch vor, wenn die Gegenleistung nach Verfahrenseröffnung auf das laufende Konto bei einem Kreditinstitut gelangt ist10, weil bei Beträgen, die vom Leistenden unmittelbar auf ein Konto des Verwalters oder ein seiner Verfügung unterliegendes Konto des Schuldners gelangt sind, die

1.302

1 BGH v. 7.4.1959 – VIII ZR 219/57, WM 1959, 686; Paul WM 1975, 3. 2 So Obermüller DB 1973, 1833; s. im Einzelnen unten Rn. 5.1122. 3 Brinkmann in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 80; Ganter FS Kreft, 2004, 251. 4 Zum Begriff der Veräußerung s. OLG Düsseldorf v. 24.1.2003 – 16 U 112/02, ZIP 2003, 1306. 5 BGH v. 17.9.1998 – IX ZR 300/97, ZIP 1998, 1805. 6 Einzelheiten s. Ganter NZI 2005, 1. 7 Geißler ZInsO 2017, 2727 m.w.N. 8 Rechtsausschussbericht RegE InsO 1994 – BT-Drucks. 12/7302 -zu § 55 EInsO; Ganter ZInsO 2020, 1752; Geißler ZInsO 2017, 2727 Gundlach DZWIR 1998, 133; kritisch Smid ZInsO 2020, 1573. 9 BGH v. 28.10.1953 – II ZR 240/52, BGHZ 10, 384; BGH v. 11.6.1959 – VII ZR 53/58, BGHZ 30, 185; Geißler ZInsO 2017, 2727. 10 BGH v. 15.11.1988 – IX ZR 11/88, ZIP 1989, 118.

Martin Obermüller | 67

Erster Teil Rz. 1.302 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Aussonderungsfähigkeit durch die einzelnen Buchungen gegeben ist1. Der Ersatzaussonderungsanspruch besteht jedoch nur mit der Einschränkung, dass der Saldo stets die Höhe des Ersatzaussonderungsanspruchs überstiegen haben muss. Anderenfalls richtet er sich nur auf die Höhe des nach der Gutschrift eingetretenen niedrigsten Saldos, wobei eine Wiederauffüllung des Kontos durch andere Gutschriften den Anspruch nicht wieder aufleben lässt2.

1.303

Da die Ersatzaussonderung eine echte Aussonderung ist, kann sie nur wegen individuell bestimmter Gegenstände oder Rechte, nicht wegen einer Geldsumme oder eines Wertbetrages geltend gemacht werden3. d) Durchsetzung des Aussonderungsrechts

1.304

Der Aussonderungsberechtigte muss sein Recht im eröffneten Verfahren gegenüber dem Insolvenzverwalter und bei Anordnung eines Verfügungsverbots oder eines Verwertungs- bzw. Einziehungsverbots nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter geltend machen. Faktisch ist für die Durchsetzung des Aussonderungsrechts entscheidend, dass der Insolvenzverwalter von dem Aussonderungsrecht überhaupt Kenntnis erlangt, d.h. er muss zumindest konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen fremder Rechte an Gegenständen, die er im Besitz des Insolvenzschuldners vorfindet, haben; eine Nachforschungspflicht besteht grundsätzlich nicht4. Solange im Eröffnungsverfahren weder ein Verfügungsverbot noch ein Verwertungs- bzw. Einziehungsverbot nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO erlassen sind, kann der Schuldner, selbst wenn ein Zustimmungsvorbehalt verhängt wurde, Aussonderungsgegenstände herausgeben5.

1.305

Aussonderungsberechtigte und Ersatzaussonderungsberechtigte sind vom Insolvenzverfahren nicht betroffen. Sie sind weder zur Abstimmung noch überhaupt zur Teilnahme an der Gläubigerversammlung berechtigt (§ 74 InsO). Dies gilt auch für das Planverfahren. Selbstverständlich können Aussonderungsberechtigte auf freiwilliger Basis dem Planverfahren beitreten. Daran können vor allem Leasinggeber Interesse haben, denen mit der Beendigung des Leasingvertrages und der Verwertung des Leasingguts manchmal weniger gedient ist als mit der Fortsetzung des Vertrages, wenn auch mit ermäßigten Konditionen.

1.306

Verweigert der Insolvenzverwalter die Herausgabe des auszusondernden Gegenstands oder die Anerkennung des Aussonderungs- oder Ersatzaussonderungsrechts, so ist der Aussonderungsberechtigte nicht etwa befugt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten, um das Aussonderungsgut zu besichtigen, zu inventarisieren oder gar abzuholen6. Auch kann das Insolvenzgericht den Verwalter nicht zur Herausgabe anhalten7. Vielmehr ist der Aussonderungsgläubiger auf den Rechtsweg verwiesen. Auch darf der Verwalter die vorzeitige Herausgabe des Aussonderungsguts nicht von der Zahlung eines Geldbetrags abhängig machen8. Er

1 Raiser VersR 1954, 203; OLG Köln v. 13.3.1998 – 3 U 146/97, OLGR 1998, 215 = ZIP 1998, 1544; BGH v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, ZIP 1999, 626; weiterführend Krull ZInsO 2000, 304. 2 BGH v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, ZIP 1999, 626; BGH v. 18.4.2002 – IX ZR 219/01, ZInsO 2002, 670; OLG Schleswig v. 27.7.2016 – 9 U 34/16, ZIP 2016, 1932; Gundlach DZWIR 1998, 12. 3 Vgl. BGH v. 8.3.1972 – VIII ZR 40/71, BGHZ 58, 257. 4 Barnert KTS 2005, 4431. 5 OLG Naumburg v. 27.5.2009 – 5 U 36/09, ZInsO 2009, 1448. 6 LG Düsseldorf v. 27.4.1967 – 11b T 6/64, KTS 1964, 246. 7 RG JW 1883, 123. 8 LG Braunschweig v. 20.10.2000 – 10 O 1019/00, DZWIR 2001, 303.

68 | Martin Obermüller

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.310 Erster Teil

haftet dem Aussonderungsberechtigten persönlich für den Betrag, der gleichwohl in die Masse gezahlt wurde. Für die Zuständigkeit sind die §§ 12 ff. ZPO und § 72a Abs. 1 Nr. 7 GVG1 maßgebend (§ 4 InsO). Eine eigene Zuständigkeit für sämtliche Aktiv- und Passivprozesse des Insolvenzverwalters hat die InsO nicht eingerichtet. Sie hat lediglich den Meinungsstreit, ob der allgemeine Gerichtsstand für Klagen gegen den Verwalter an seinem Wohnsitz oder am Sitz des Schuldners liegt2, dahingehend geregelt, dass für alle Klagen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, der Sitz des Insolvenzgerichts maßgebend ist (§ 19a ZPO). Die ausschließliche Zuständigkeit nach § 180 InsO beschränkt sich auf Streitigkeiten über die Anmeldung von Forderungen durch Insolvenzgläubiger. Dazu zählen zwar die Absonderungsberechtigten, nicht aber die Aussonderungsberechtigten und Ersatzaussonderungsberechtigten. Die örtliche Zuständigkeit für deren Aktivprozesse richtet sich also nach dem Sitz des Insolvenzgerichts, während für Passivprozesse die allgemeinen Grundsätze gelten3, d.h. eine negative Feststellungsklage gegen denjenigen, der sich eines Aussonderungsrechts berühmt, müsste der Verwalter am Gerichtsstand seines Gegners erheben, wenn nicht ein Sondergerichtsstand wie z.B. der dingliche Gerichtsstand (§ 24 ZPO) gegeben ist.

1.307

1.308–1.309

frei

3. Absonderungsrechte Die gewöhnlichen Insolvenzgläubiger haben keine direkten Rechte an der Insolvenzmasse, sondern nur einen Anspruch auf eine etwaige Quote, die sich nach der Verwertung der Masse ergibt. Dagegen können bestimmte Gläubigergruppen, die das Gesetz abschließend aufzählt4, abgesonderte Befriedigung verlangen. Dabei handelt es sich um Gläubiger, denen – ein Recht auf Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen (§ 49 InsO), – ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, – ein Pfändungspfandrecht oder – ein gesetzliches Pfandrecht zusteht (§ 50 InsO), – eine bewegliche Sache zur Sicherung übereignet (§ 51 Nr. 1 InsO), – ein Recht zur Sicherung übertragen ist (§ 51 Nr. 1 InsO), – ein Zurückbehaltungsrecht nach dem Handelsgesetzbuch (§ 369 HGB) oder wegen eines Verwendungsersatzanspruchs (§ 51 Nr. 2, 3 InsO) – eine Finanzsicherheit (§ 1 Abs. 17 KWG). zusteht. Dagegen wird Massegläubigern selbst im Fall der Masseunzulänglichkeit grundsätzlich kein Absonderungsrecht zugebilligt5. 1 Eingefügt durch Art. 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften v. 12.12.2019 – BGBl. I 2019, 2633. 2 BGH v. 27.10.1983 – 1 ARZ 334/83, ZIP 1984, 82. 3 OLG Schleswig v. 26.7.2001 – 5 U 80/00, ZIP 2001, 1594; BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 203/02, ZIP 2003, 1419 = ZInsO 2003, 707. 4 Zur Kreditsicherung im Rahmen der EuInsVO s. Dammann FS Pannen 2017, 141. 5 BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 120/10, ZIP 2011, 1723; a.A. Becker ZIP 2013, 1554.

Martin Obermüller | 69

1.310

Erster Teil Rz. 1.311 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.311

Die Rechte der Absonderungsberechtigten sind sehr unterschiedlich ausgestaltet. Teilweise ist nur der Gläubiger zur Verwertung berechtigt, teilweise, nämlich bei den besitzlosen Mobiliarsicherheiten1 ist primär der Insolvenzverwalter verwertungsberechtigt, sofern er den Besitz an dem Sicherungsgut erlangt; in diesen Fällen kann er Kostenbeiträge für die Kosten der Feststellung und Verwertung des Sicherungsguts vereinnahmen.

1.312

Diese Unterscheidung ist von beiden Seiten zu beachten: Ein Insolvenzverwalter, der ohne ein eigenes Verwertungsrecht Absonderungsrechte verwertet, macht sich gegenüber dem Gläubiger schadenersatzpflichtig2.

1.313

Maßgebend für die Abgrenzung ist in erster Linie die Art des Sicherungsgegenstands. a) Grundpfandrechte

1.314

Ein Gläubiger, dem ein Recht auf Befriedigung aus einem Grundstück3 mittels einer Grundschuld oder Hypothek zusteht, ist berechtigt, die Verwertung der Immobilie im Wege der Zwangsversteigerung oder der Zwangsverwaltung zu betreiben (§ 165 InsO)4. b) Pfandrechte an beweglichen Sachen

1.315

Auch Mobiliarpfandrechte kann der Pfandgläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens verwerten (Einzelheiten s. Rn. 6.1302). aa) Vertragspfandrechte

1.316

Sachen, an denen der Gläubiger ein Vertragspfandrecht erworben hat, sind vom Verwertungsrecht des Verwalters grundsätzlich ausgenommen5 (Einzelheiten s. Rn. 6.1304). Denn für das Verwertungsrecht des Verwalters ist zwingende Voraussetzung, dass er die von dem Absonderungsrecht betroffene Sache in Besitz hat (§ 166 InsO). Diese Pfandrechte konnten nur unter einem Besitzverlust auf Seiten des Schuldners begründet werden.

1.317

Demgegenüber darf der Verwalter gesetzliche Pfandrechte, zu deren Begründung der Gläubiger nicht den Besitz erwerben musste, verwerten, sofern er die Pfandobjekte seinerseits in Besitz nehmen kann6 (Einzelheiten s. Rn. 6.1305).

bb) Gesetzliche Pfandrechte

1 Zur Dogmatik der besitzlosen Mobiliarsicherheiten s. Henckel FS Zeuner, 1994, 193. 2 OLG Hamm v. 18.3.1999 – 27 U 209/97, DZWIR 1999, 338 = EWiR § 82 KO 1/99, 849 (Lüke); OLG Hamm v. 18.4.2000 – 27 U 125/99, ZInsO 2001, 178; Gundlach/Frenzel/Schmidt NZI 2001, 350; zum Haftungsmaßstab s. OLG Köln v. 19.4.2001 – 12 U 151/00, ZIP 2001, 1821; Einzelheiten s. Rn. 6.1517 ff. 3 Zu den „lockeren“ wesentlichen Bestandteilen s. Gehrlein ZInsO 2017, 573. 4 Obermüller/Hess, InsO, 4. Aufl. 2003, Rn. 1363 ff.; Einzelheiten s. unten Rn. 6.1360 ff. 5 Hess/Obermüller, Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der Insolvenzordnung, 1996, Rn. 1226. 6 Hess/Obermüller, Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der Insolvenzordnung, 1996, Rn. 1227.

70 | Martin Obermüller

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.325 Erster Teil

Gesetzliche Pfandrechte, zu deren Begründung und Aufrechterhaltung der Pfandgläubiger den Besitz erwerben muss wie z.B. das Werkunternehmerpfandrecht (§ 647 BGB), kann der Pfandgläubiger verwerten.

1.318

cc) Pfändungspfandrechte Für Pfändungspfandrechte kommt es darauf an, ob der Gläubiger sein Pfandrecht schon vor der Insolvenz geltend gemacht und den Pfandgegenstand zum Zweck der Verwertung an sich gezogen hat, oder ob sich der Pfandgegenstand noch im Gewahrsam des Schuldners (§ 808 Abs. 2 Satz 2 ZPO) befindet. Im letzteren Fall kann der Verwalter den Besitz an der Sache ergreifen und die Verwertung übernehmen. Im ersteren Fall wird er Anfechtungsmöglichkeiten überprüfen1.

1.319

Soweit der Verwalter zur Verwertung des Pfandrechts nicht befugt ist, steht ihm auch kein Kostenbeitrag für die Masse zu. Denn weder Feststellungs- noch Verwertungskosten können bei ihm anfallen.

1.320

c) Pfandrechte an Forderungen Verpfändete Forderungen werden im Insolvenzverfahren stets vom Pfandgläubiger verwertet.

1.321

Gepfändete Forderungen darf in der Insolvenz des Pfändungsschuldners der Pfandgläubiger einziehen.

1.322

Der Übergang des Verwertungsrechts auf den Verwalter beschränkt sich nämlich auf die Sicherungsabtretung (§ 166 Abs. 2 InsO).

1.323

d) Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung Eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, darf der Insolvenzverwalter freihändig verwerten, wenn er sie in seinem Besitz hat (§ 166 Abs. 1 InsO)2 (Einzelheiten s. Rn. 6.1108). Eine Forderung, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat, darf der Verwalter einziehen oder in anderer Weise verwerten (§ 166 Abs. 2 InsO; Einzelheiten s. Rn. 6.1240 ff.).

1.324

e) Zurückbehaltungsrechte Während das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB gegenüber den Gläubigern in einem Insolvenzverfahren versagt3, gewähren das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht des § 369 HGB und das Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen ein Absonderungsrecht. Vereinbarte Zurückbehaltungsrechte wie etwa Nr. 21 Abs. 4 Satz 1 AGB-Sparkassen haben im Insolvenzverfahren dagegen keine Wirkung4.

1 2 3 4

Näheres s. BGH v. 21.3.2000 – IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898 = ZInsO 2000, 333. Funk, Die Sicherungsübereignung in Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenz, 1996. BGH v. 23.5.2003 – V ZR 279/02, ZIP 2003, 1406 = ZInsO 2003, 767; a.A. Stamm KTS 2021, 467. BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 9/12, ZIP 2013, 179 = ZInsO 2013, 136 Rn. 9; Lohmann in Kayser/ Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 51 Rn. 46 m.w.N.

Martin Obermüller | 71

1.325

Erster Teil Rz. 1.326 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

aa) Kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht

1.326

Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht des § 369 HGB ist zwar nur ein persönliches Recht1, gewährt dem Gläubiger aber ein Recht zur Befriedigung nach den für das vertragliche Pfandrecht geltenden Vorschriften (§ 371 Abs. 2 HGB, §§ 1228 ff. BGB). Es kann nur an beweglichen Sachen und Wertpapieren begründet werden. Zum Pfandverkauf bedarf der Gläubiger eines vollstreckbaren Titels (§ 371 Abs. 3 HGB), den er sich auch noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschaffen kann2. Das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO steht dem nicht entgegen, denn das Erstreiten eines Titels gehört noch nicht zu den Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Wegen nicht fälliger Forderungen kann das Zurückbehaltungsrecht nicht mehr geltend gemacht werden, da die frühere Vorschrift des § 370 HGB, die dies gestattete, durch Art. 40 EGInsO aufgehoben wurde. bb) Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen

1.327

Das Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen kommt nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen (§§ 102, 292, 304, 536a, 539, 590b, 591, 601, 670, 675, 683, 693, 850, 972, 994 ff., 1000, 1049, 1216, 2022 BGB) zum Zuge. Es gewährt ein Absonderungsrecht, soweit der Wert der Sache infolge der Verwendungen in dem Zeitpunkt noch erhöht ist, in dem das Absonderungsrecht geltend gemacht wird3.

1.328

Das Verwertungsrecht steht grundsätzlich nicht dem Absonderungsberechtigten, sondern dem Insolvenzverwalter zu4; der Absonderungsberechtigte kann lediglich vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös beanspruchen. Daher darf der Gläubiger in Gegenstände, an denen er ein Absonderungsrecht besitzt, auch nicht vollstrecken, denn dadurch würde das Verwertungsrecht des Verwalters verletzt5.

1.329

frei f) Verfahrensrechtliche Stellung der Absonderungsberechtigten

1.330

Die Absonderungsberechtigten sind unabhängig davon, ob der Verwalter oder der Gläubiger selbst zur Verwertung befugt ist, am Verfahren beteiligt, soweit ihnen der Schuldner auch persönlich haftet, und nicht nur wegen des Ausfalls Insolvenzgläubiger (§ 52 Satz 1 InsO). Der absonderungsberechtigte Gläubiger als Inhaber seines Sicherungsrechtes ist dagegen insoweit nicht Insolvenzgläubiger6. Die Quote erhält er nur auf seinen Ausfall (§ 52 Satz 2 InsO). aa) Mitwirkungsrechte

1.331

Demgemäß kann der Absonderungsberechtigte an der Gläubigerversammlung teilnehmen und abstimmen (§ 74 Abs. 1, § 76 Abs. 2 InsO)7. Das Stimmrecht richtet sich nach der Forde1 RG v. 29.5.1908 – VII 322/07, RGZ 69, 16; RG v. 23.1.1920 – II 397/19, RGZ 98, 70. 2 Ganter in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 51 Rn. 231. 3 Bähr/Lau in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 51 Rn. 20. 4 BGH v. 23.5.2003 – V ZR 279/02, ZIP 2003, 1406 = ZInsO 2003, 767. 5 Hintzen ZInsO 1998, 174. 6 BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 Rn. 14; Eckardt, ZIP 1999, 1734 (1741). 7 Zum Ausschluss des Stimmrechts des Mehrheitsgläubigers wegen Befangenheit aufgrund einer Interessenkollision s. AG Göttingen v. 28.7.2009 – 71 IN 151/07, ZInsO 2009, 1821.

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E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.336 Erster Teil

rungshöhe; wenn der Schuldner dem Absonderungsberechtigten nicht persönlich haftet, ist der Wert des Absonderungsrechts maßgebend. Mindestens fünf Absonderungsberechtigte können die Einberufung einer Gläubigerversammlung veranlassen, wenn ihre Forderungen bzw. Absonderungsrechte mindestens ein Fünftel aller Stimmrechte ausmachen (§ 75 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Den Wert der Absonderungsrechte hat das Gericht zu schätzen. Nach welchen Maßstäben es die Schätzung vorzunehmen hat, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Einer aufwendigen Ermittlung von Schätzgrundlagen steht die Kürze der verfügbaren Zeit entgegen. Das Gericht kann sich deshalb auf das Gläubigerverzeichnis, die Forderungsanmeldungen der Gläubiger nebst beigefügter Unterlagen, die Forderungstabelle sowie etwaige Stellungnahmen des Verwalters beschränken1. Wenn der Rechtspfleger die angemeldete Forderung bei der Entscheidung über das Stimmrecht nicht in voller Höhe anerkennt2, kann der Gläubiger eine Neufestsetzung des Stimmrechts durch den Richter beantragen (§ 77 InsO, § 18 Abs. 3 RPflG)3. Der Richter kann das Stimmrecht neu festsetzen4 und die Wiederholung der Abstimmung anordnen, wenn sich die Entscheidung des Rechtspflegers auf das Ergebnis einer Abstimmung ausgewirkt hat. Falls mehrere Stimmrechtentscheidungen des Rechtspflegers angegriffen werden, ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, d.h. eine Auswirkung auf das Abstimmungsergebnis ist auch dann zu unterstellen, wenn erst eine Addition sämtlicher vom Rechtspfleger nicht anerkannter Stimmrechte zu einem anderen Ergebnis geführt hätte5.

1.332

Im Gläubigerausschuss sollen die absonderungsberechtigten Gläubiger mit einem Vertreter berücksichtigt werden (§ 67 Abs. 2 InsO).

1.333

Im Planverfahren bilden die Absonderungsberechtigten eine eigene Gruppe, wenn der Plan Eingriffe in ihre Position vorsieht (§ 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO). Ihre Rechte sind im Termin einzeln zu erörtern. Ein Stimmrecht wird ihnen zugebilligt, wenn das Absonderungsrecht weder vom Verwalter noch von einem absonderungsberechtigten oder nicht nachrangigen Gläubiger bestritten wird (§ 238 InsO).

1.334

bb) Verteilung Bei der Verteilung der Insolvenzmasse sind die Absonderungsberechtigten insoweit zu berücksichtigen, wie sie auf ihr Absonderungsrecht verzichten oder bei der Verwertung ausgefallen sind (§ 52 InsO)6.

1.335

cc) Vergleich über Absonderungsrechte Über die Wirksamkeit von Absonderungsrechten kommt es zwischen dem Insolvenzverwalter und der Bank häufig zu Meinungsverschiedenheiten. Der Verwalter ist grundsätzlich berechtigt, diese Streitigkeiten außergerichtlich durch einen Vergleich beizulegen. Derartige 1 BGH v. 16.7.2009 – IX ZB 213/07, ZIP 2009, 1528. 2 Zur Begründungspflicht s. BVerfG v. 4.8.2004 – 1 BvR 698/03, ZIP 2004, 1762 = ZInsO 2004, 1027. 3 Weiterführend Plathner/Sajogo ZInsO 2011, 1090. 4 BGH v. 23.10.2008 – IX ZB 235/06, ZIP 2008, 2428; Kompromissvorschläge s. Wenzel ZInsO 2007, 751; vgl. auch Rn. 1.693. 5 AG Mönchengladbach v. 31.10.2000 – 32 IN 53/00, NZI 2001, 48. 6 OLG Köln v. 3.3.2000 – 2 W 31/00, NZI 2000, 33; s. auch Rn. 6.1576.

Martin Obermüller | 73

1.336

Erster Teil Rz. 1.336 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Vergleiche sind jedoch in krassen Fällen, in denen der Verwalter seine Vertretungsmacht im Zusammenwirken mit dem Gläubiger missbraucht oder in denen er sich über eine im Zeitpunkt des Vergleichs völlig eindeutige Rechtslage hinwegsetzt, wegen offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig1. g) Ersatzabsonderung

1.337

Ein Ersatzabsonderungsrecht entsteht in analoger Anwendung des § 48 InsO dann, wenn durch eine unberechtigte Veräußerung ein Absonderungsrecht nicht mehr ausgeübt werden kann2. Deshalb kann beispielsweise ein Sicherungszessionar aus einer Globalzession im Fall der Einziehung der zur Sicherung abgetretenen Forderung durch den Schuldner oder den vorläufigen Insolvenzverwalter trotz Widerrufs der Einziehungsermächtigung die Ersatzabsonderung der Gegenleistung auch dann verlangen, wenn und soweit diese vor Verfahrenseröffnung in die spätere Masse gelangt ist und nach Eröffnung noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist3. Ein Guthaben, das durch die belegmäßig dokumentierte Gutschrift des Entgelts für einen massefremden Gegenstand auf dem allgemeinen Konto des Verwalters entsteht, büßt seine Unterscheidbarkeit nicht allein dadurch ein, dass anschließend das Konto mit Zahlungsausgängen belastet wird4. Steht ein Betrag materiell nicht der Masse zu, so muss er so lange als noch vorhanden gelten, wie das Konto eine ausreichende Deckung aufweist5.

1.338–1.349

frei

III. Masseanreicherung durch Insolvenzanfechtung 1.350

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird dem Insolvenzverwalter durch die Anfechtung eine Handhabe gegeben, vor der Verfahrenseröffnung rechtswirksam eingetretene Schmälerungen des Schuldnervermögens oder der Masse, insbesondere Vermögensverschiebungen, wieder rückgängig zu machen, die in der Zeit der Krise zum Nachteil der Gläubiger vorgenommen worden sind6. Das Insolvenzanfechtungsrecht nach §§ 129 ff. InsO ist auch auf Rechtshandlungen im vorläufigen Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren anwendbar7. Die reine Existenz der Insolvenzanfechtung soll auch präventive Wirkung haben und verhindern, dass solche Handlungen überhaupt vorgenommen werden8. Außerhalb des Insolvenzverfahrens sind Gläubiger auf die Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz verwiesen9.

1.351

Die Insolvenzanfechtung hat für den Zahlungsverkehr und die Kreditsicherung erhebliche Bedeutung10; deshalb soll sie hier ausführlich dargestellt werden.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OLG Düsseldorf v. 20.10.1994 – 6 U 80/94, ZIP 1995, 55; s. auch Rn. 6.1510 f. Ganter NZI 2008, 583. Ganter NZI 2005, 1. BGH v. 22.2.2007 – IX ZR 2/06, ZIP 2007, 827. BGH v. 8.5.2008 – IX ZR 229/06, ZIP 2008, 1127. BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, ZIP 1995, 134 = WM 1995, 450; BGH v. 15.1.1964 – VIII ZR 236/62, WM 1964, 196; zur Gläubigerbenachteiligung als Grundvoraussetzung aller Anfechtungstatbestände s. Gehrlein ZInsO 2017, 128. OLG Dresden v. 18.6.2014 – 13 U 106/14, ZIP 2014, 1294. Steffek ZRP 2007, 228. Weiterführend Huber ZIP 1998, 897; Zenker NJW 2007, 1038. Zur Ermittlung von Anfechtungsansprüchen s. Kirstein ZInsO 2014, 1522.

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E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.355 Erster Teil

1. Anfechtungsgegenstand Die Anfechtung richtet sich gegen Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen (§ 129 InsO)1.

1.352

a) Rechtshandlungen und Unterlassungen Rechtshandlung ist jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst. Hierzu gehören Verfügungen, Willenserklärungen und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen2.

1.353

Unterlassungen sind den positiven Handlungen ausdrücklich (s. § 129 Abs. 2 InsO) gleichgestellt. Voraussetzung ist, dass das Unterlassen wissentlich und willentlich geschieht3. Bei unbewussten oder fahrlässigen Unterlassungen fehlt es an der zum Begriff der Rechtshandlung erforderlichen Willensbetätigung. Nicht anfechtbar ist die Unterlassung eines Erwerbs oder eine sonstige unterlassene Vermögensmehrung, denn diese bewirkt keine Schmälerung der Haftungsmasse.

1.354

b) Maßgebender Zeitpunkt Die Anfechtung erfasst Rechtshandlungen, die sich innerhalb eines bestimmten, je nach Anfechtungsnorm unterschiedlich langen Zeitraums vor dem Insolvenzantrag oder nach dem Insolvenzantrag ereignet haben. Als Eröffnungsantrag gilt auch der Antrag auf Einleitung des Schutzschirmverfahrens4. Der Anfechtungszeitraum verlängert sich ggfls. um die Dauer der Rechtshängigkeit eines Restrukturierungsverfahrens (§ 91 StaRUG) unabhängig davon, ob der Anfechtungsgegner in das Restrukturierungsverfahren einbezogen wurde5. Eine Rechtshandlung gilt in dem Zeitpunkt als vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 140 InsO); spätere Veränderungen führen im Allgemeinen nicht dazu, dass eine zum Zeitpunkt der Rechtshandlung unanfechtbare Handlung nachträglich – rückwirkend – als anfechtbar anzusehen ist6. Bei mehraktigen Entstehungstatbeständen ist auf die Situation bei deren Vollendung, also dem letzten zur Erfüllung des Tatbestands erforderlichen Teilakt abzustellen7. Für die Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften, zu deren Wirksamwerden die Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich ist, also insbesondere für den Erwerb von Grundschulden und

1 Zur Abgrenzung von unmittelbarer zu mittelbarer Benachteiligung s. Gehrlein ZInsO 2021, 2701. 2 BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182. 3 BGH v. 30.4.1959 – VIII ZR 179/58, KTS 1960, 38; BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080, BGH v. 24.10.1996 – XI ZR 284/95, WM 1996, 2250; zur Abgrenzung bei der Duldung von Vollstreckungsmaßnahmen s. OLG Düsseldorf v. 14.11.2019 – I-12 U 17/19, ZInsO 2020, 413 und Rn. 5.529. 4 OLG Dresden v. 18.6.2014 – 13 U 106/14, ZIP 2014, 1294. 5 Hölzle/Curtze ZIP 2021, 1293. 6 BGH v. 6.12.2018 – IX ZR 143/17, ZIP 2019, 679 = ZInsO 2019, 723 Rn. 12; BGH v. 21.1.1999 – IX ZR 429/97, ZIP 1999, 316 = ZInsO 1999, 163. 7 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZInsO 2007, 91; BGH v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, ZIP 2004, 1819; BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, XI ZR 284/95, WM 1996, 2250; BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, WM 1998, 248; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793.

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1.355

Erster Teil Rz. 1.355 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Schiffshypotheken, ist jedoch die Lage in demjenigen Zeitpunkt ausschlaggebend, in dem die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden und der Gläubiger den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat (§ 140 Abs. 2 InsO)1.

2. Anfechtungsgrund a) Gläubigerbenachteiligung

1.356

Voraussetzung sämtlicher Anfechtungstatbestände ist die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger durch Handlungen in Bezug auf Vermögensbestände des Insolvenzschuldners2. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn eine Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt oder verzögert, d.h. wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten3. Notwendig ist die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit, so dass die Benachteiligung einzelner Gläubiger nicht ausreicht4. Die Benachteiligung der Aus- und Absonderungsberechtigten gibt ebenfalls einen Anfechtungsgrund, sofern der Schuldner diesen Gläubigern auch persönlich haftet. In diesem Fall sind sie nämlich nach der Definition des § 52 InsO ebenfalls Insolvenzgläubiger. Auch die nachrangigen Gläubiger sind in den Schutzbereich der Anfechtungsvorschriften einbezogen5.

1.357

Grundsätzlich ist jede Rechtshandlung selbständig auf ihre Ursächlichkeit für die konkret angefochtene gläubigerbenachteiligende Folge zu überprüfen, denn die einzelne anfechtbare Rechtshandlung begründet ein eigenes selbständiges Rückgewährschuldverhältnis6. Deshalb ist der Eintritt der Gläubigerbenachteiligung isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen; eine Vorteilsausgleichung findet nicht statt7. Sogar einzelne abtrennbare Wirkungen einer einheitlichen Rechtshandlung können angefochten werden8. Die Frage, ob eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, ist allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Eine Saldierung der Vor- und Nachteile der Rechtshandlung findet nicht statt; eine Vorteilsausglei1 BGH v. 8.10.1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008 m.w.N.; unter der Geltung der Konkursordnung kam es demgegenüber für die Anfechtbarkeit nach der heftig kritisierten Auffassung der Rechtsprechung (BGH v. 13.11.1961 – VIII 156/60, WM 1961, 1371; zur Kritik s. Jaeger/Henckel, KO, § 30 Rn. 94 ff. m.w.N.) auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs an. 2 BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 176/98, ZIP 1999, 1269; BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061. 3 BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 130/07, ZIP 2009, 83 = DZWIR 2009, 81; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 73/11, ZInsO 2012, 971; BGH v. 15.9.2016 – IX ZR 250/15, ZIP 2016, 2329 = ZInsO 2016, 2345 Rn. 13. 4 BGH v. 23.9.1981 – VIII ZR 245/80, ZIP 1981, 1229; zur Anfechtung in Verfahren ohne angemeldete Gläubiger s. Brete/Thomsen ZInsO 2017, 920. Ist nur ein Insolvenzgläubiger vorhanden, stellt dieser die Gläubigergesamtheit dar; seine Benachteiligung kann die Anfechtung einer Rechtshandlung rechtfertigen BGH v. 14.2.2019 – IX ZB 25/17, ZInsO 2019, 691 Rn. 10. 5 OLG München v. 23.11.2001 – 23 U 2639/01, ZIP 2002, 1210 = ZInsO 2002, 538. 6 BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, ZIP 2007, 2084 = ZInsO 2007, 1107. 7 BGH v. 11.3.2010 – IX ZR 104/09, ZIP 2010, 793 = ZInsO 2010, 711; BGH v. 28.1.2016 – IX ZR 185/13, ZIP 2016, 426 = ZInsO 2016, 444 Rn. 17; BGH v. 18.7.2019 – IX ZR 259/18, ZInsO 2019, 1790 Rn. 12 m.w.N.; BGH v. 21.11.2019 – IX ZR 238/18, ZInsO 2020, 86 Rn. 13; Gehrlein ZInsO 2021, 2701. 8 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = ZInsO 2009, 1585.

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E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.360 Erster Teil

chung nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen ist nicht zulässig1. Der Eintritt der Gläubigerbenachteiligung ist isoliert auf die angefochtene Rechtshandlung zu betrachten. Zugunsten des Anfechtungsgegners sind lediglich solche Folgen zu berücksichtigen, die an die angefochtene Rechtshandlung selbst anknüpfen2. An einer Benachteiligung fehlt es, wenn Vermögensgegenstände verkauft werden, deren Rückgewähr nicht zu einer Mehrung der Insolvenzmasse führt. Beispielsweise kann die Veräußerung eines über den Verkehrswert hinaus dinglich belasteten Grundstücks nicht angefochten werden3. Ebenso wenig kann die Begleichung einer Forderung angefochten werden, deren Gläubiger vollwertige Sicherheiten aus dem Vermögen des Schuldners besaß4. Demgegenüber ist die Belastung eines Grundstücks mit einer sog. Schornsteinhypothek, also einem Grundpfandrecht, das vom Wert des Grundstücks nicht gedeckt ist, durchaus als Gläubigerbenachteiligung anzusehen5. Die Grundschuld erschwert nämlich die freihändige Verwertung und gibt der an sich wertlosen Grundschuld einen Lästigkeitswert, dessen Realisierung der Masse zusteht.

1.358

An einer Gläubigerbenachteiligung fehlt es auch dann, wenn der Schuldner einen Gläubiger durch eine Verfügung über unpfändbare Gegenstände befriedigt6. Dann nämlich ist die Verfügung nicht anfechtbar, weil diese Gegenstände von vornherein nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 36 InsO gehören7.

1.359

b) Bargeschäfte Bargeschäfte, also Geschäfte, bei denen gleichwertige Leistungen Zug um Zug ausgetauscht werden, können grundsätzlich nicht angefochten werden (§ 142 InsO)8. Eine Gläubigerbenachteiligung scheidet nämlich aus, wenn ein Vermögensgegenstand veräußert wird und ein angemessener Kaufpreis in die Masse fließt, und zwar selbst dann, wenn der spätere Gemeinschuldner den Kaufpreis nach Erhalt beiseite bringt9. Die Gleichwertigkeit der gegenseitigen Leistungen10 muss grundsätzlich nicht nur im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorgelegen,

1 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = ZInsO 2009, 1585 Rn. 26; OLG Brandenburg v. 18.10.2022 – 7 U 23/21, ZInsO 2023, 221. 2 BGH v. 28.1.2016 – IX ZR 185/13, ZInsO 2016, 444 Rn. 17; OLG Brandenburg v. 18.10.2022 – 7 U 23/21, ZInsO 2023, 221. 3 RG v. 15.6.1897 – II 106/87, RGZ 39, 89; BGH v. 5.12.1985 – IX ZR 165/84, ZIP 1986, 452 = WM 1986, 296. 4 BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630; BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, ZInsO 2008, 1275; BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZInsO 2009, 1585; BAG v. 21.2.2008 – 6 AZR 273/07, ZIP 2008, 1184; OLG Nürnberg v. 30.1.2008 – 4 U 792/07, DZWIR 2008, 481; Spliedt ZIP 2009, 149. 5 OLG Hamburg v. 9.5.2001 – 8 U 8/01, ZIP 2001, 1332; s. auch Rn. 6.136. 6 AG Kassel v. 14.11.2017 – 435 C 1558/17. 7 BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, ZIP 2016, 1174 = ZInsO 2016, 1206. 8 Daher kann eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO nicht Teil eines Bargeschäfts nach § 142 InsO sein (BGH v. 10.3.2022 – IX ZR 4/21, ZIP 2022, 650 Rn. 22; s. dazu Neu/Ljumani ZInsO 2022, 1155). 9 BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, ZIP 1980, 518 = WM 1980, 779. 10 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, WM 1977, 254; BGH v. 21.13.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, ZIP 1980, 518 = WM 1980, 779.

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1.360

Erster Teil Rz. 1.360 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

sondern auch im Zeitpunkt des Leistungsaustauschs noch bestanden haben1. Wird aber eine bei ihrer Begründung ausgewogene Schuld getilgt, so führt eine Entwertung der Gegenleistung zwischen Entstehung und Tilgung nur dann zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung, wenn die nachträgliche Entwicklung dem Schuldner das Recht gegeben hätte, sich in günstiger Weise vom Vertrag zu lösen oder eine Herabsetzung der eigenen Leistung zu fordern2. Zulässig bleibt lediglich die Anfechtung vorsätzlicher Benachteiligungen des § 133 InsO3, die voraussetzt, dass der Schuldner unlauter handelte und der Geschäftspartner dies erkannt hat4.

1.361

Im Bereich der Kreditsicherheitenbestellung ist die notwendige Gleichwertigkeit gegeben, wenn die Sicherheit von ihrem Wert her die Höhe des Kredits nicht wesentlich überschreitet; die übliche Differenz zwischen Sicherheitenwert und Kredit, die schon wegen möglicher Wertschwankungen des Sicherungsgegenstandes gebräuchlich ist, schadet nicht.

1.362

Der Leistungsaustausch muss – damit ein Bargeschäft angenommen werden kann – nicht unbedingt Zug um Zug vorgenommen werden. Vielmehr darf zwischen dem Austausch der gegenseitigen Leistungen, z.B. zwischen der Auszahlung eines Kredits und der Bestellung der Sicherheiten, eine kürzere Zeitspanne liegen. Diese Zeitspanne richtet sich „nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ (§ 142 Abs. 2 Satz 1 InsO5), d.h. sie darf nicht so lang sein, dass das Rechtsgeschäft unter Berücksichtigung der üblichen Zahlungsbräuche den Charakter eines Kreditgeschäfts annimmt. Auf die Sicherheitenbestellung übertragen bedeutet dies, dass zwischen der Auszahlung des Kredits und der Begründung der Sicherheit lediglich die übliche Bearbeitungszeit vergehen darf und dass mit der Bearbeitung unverzüglich begonnen werden muss.

3. Anfechtungsberechtigter 1.363

Anfechtungsberechtigt ist nur der Insolvenzverwalter; die Ermittlung von Anfechtungstatbeständen kann er jedoch Dritten überlassen6. Bei Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) steht das

1 BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, WM 1977, 254; OLG Karlsruhe v. 3.1.1984 – 10 U 388/82, WM 1984, 1193; BGH v. 10.12.1998 – IX ZR 302/97, ZIP 1999, 146 = WM 1999, 225; vgl. auch BGH v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, ZIP 1983, 32 = WM 1983, 62 zu dem Zeitpunkt, in dem bei einer Anfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 AnfG a.F. die Unentgeltlichkeit gegeben sein musste. 2 BGH v. 6.4.1995 – IX ZR 61/94, ZIP 1995, 1021 = WM 1995, 1155. 3 Beispiel s. OLG Saarbrücken v. 10.5.2011 – 4 U 297/10, ZIP 2011, 1480 und Rn. 6.140. 4 Geändert durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017 – BGBl. I 2017, 654; zur Entwicklung s. RefE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 16.3.2015 (abgedr. ZInsO 2015, 624, mit Kritik Blank/Blank ZInsO 2015, 1705; Foerste ZInsO 2015, 832; Frind ZInsO 2015, 1001; Huber ZInsO 2015, 713; Jacobi/Böhme ZInsO 2015, 724; Würdinger KTS 2015, 315.); RegE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.9.2015, abgedr. ZInsO 2015, 2073; Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutzv. 16.2.2017 – BT-Drucks 18/11199, abgedr. ZInsO 2017, 378. 5 Eingfügt durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017 – BGBl. I 2017, 654; zur Position der Arbeitnehmer s. Wroblewski AuR 2018, 168; Tolani ZIP 2018, 1997. 6 Laubereau ZInsO 2016, 496; zur Auswirkung auf die Vergütung des Insolvenzverwalters s. Ganter ZInsO 2016, 677; Karrenstein ZInsO 2021, 1668; Knapp ZInsO 2021, 1943. Zum Auskunfts-

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E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.368 Erster Teil

Anfechtungsrecht dem Sachwalter zu (§ 280 InsO). Der vorläufige Verwalter im Antragsverfahren ist zur Anfechtung dagegen nicht berechtigt. Er muss also die Verfahrenseröffnung abwarten. Ein ehemaliger (abgewählter) Verwalter kann nicht anfechten oder sich auf die Anfechtbarkeit berufen und etwa in einem gegen ihn gerichteten Schadenersatzprozess wegen Verschlechterung einer Sicherheit deren Anfechtbarkeit einwenden. Auch der Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren kann das Anfechtungsrecht ausüben; die entgegenstehende Vorschrift des § 313 Abs. 2 Satz 1 InsO wurde durch das „Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“1 abgeschafft2.

1.364

Für die Ausübung des Anfechtungsrechts genügt jede erkennbare – auch konkludente – Willensäußerung, dass der Insolvenzverwalter eine Gläubigerbenachteiligung in der Insolvenz nicht hinnehme3. Er trägt im Prozess die Darlegungs- und Beweislast4.

1.365

4. Anfechtungsgegner Anfechtungsgegner können nur Insolvenzgläubiger sein. Davon erfasst sind auch die nachrangigen Gläubiger (§ 39 InsO), von denen die bedeutendste Gruppe diejenigen Gläubiger bilden dürften, die als Gesellschafter beteiligt oder deren Forderungen durch Gesellschafter besichert sind.

1.366

a) Nahestehende Personen Von Anfechtungsgegnern, die zu den sog. nahestehenden Personen gehören, wird vermutet, dass sie bestimmte Kenntnisse zum Beispiel über die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag oder über die Gläubigerbenachteiligung besitzen (§ 130 Abs. 3, § 131 Abs. 2 Satz 2, § 132 Abs. 3, § 145 Abs. 2 Nr. 2 InsO).

1.367

Ist der Gemeinschuldner eine natürliche Person, so sind nahestehende Personen5:

1.368

– der Ehegatte oder Lebenspartner des Schuldners, auch wenn die Ehe oder Lebenspartnerschaft erst nach der Rechtshandlung eingegangen oder im letzten Jahr vor der Handlung beendet worden ist; – Verwandte des Schuldners oder des Ehegatten oder Lebenspartners in auf- und absteigender Linie und voll- und halbbürtige Geschwister des Schuldners oder des Ehegatten oder Lebenspartners sowie die Ehegatten oder Lebenspartner dieser Person; – Personen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner leben oder im letzten Jahr vor der Handlung in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner gelebt haben.

1 2 3 4 5

anspruch des Insolvenzverwalters zur Ermittlung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen s. Hölken DZWIR 2022, 515. Gesetz v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379. Zu den Wirkungen s. Vallender NZI 2014, 535. BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 209/06, ZIP 2008, 888. Zu deren Umfang s. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 210/04, ZIP 2007, 1913. Einzelheiten s. App FamRZ 1996, 1523.

Martin Obermüller | 79

Erster Teil Rz. 1.369 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.369

Ist der Gemeinschuldner eine juristische Person (z.B. eine GmbH, Genossenschaft oder Aktiengesellschaft) oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (z.B. eine BGB-Gesellschaft, eine OHG oder KG), so sind nahestehende Personen: – die persönlich haftenden Gesellschafter der OHG oder KG, – natürliche oder juristische Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital der GmbH bzw. Aktiengesellschaft als Gesellschafter oder Aktionäre oder der KGaA oder Kommanditgesellschaft als Kommanditisten beteiligt sind1. Ausreichend sind auch mittelbare Beteiligungen, sofern der Beteiligte aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit hat, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten (§ 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO)2.

1.370

Eine Bank gehört in der Regel nicht zu den nahestehenden Personen im Sinn des § 138 InsO3. Als nahestehend können zwar grundsätzlich auch Personen eingestuft werden, denen als gewerbliche Dienstleister alle über die wirtschaftliche Lage des Auftraggebers erheblichen Daten üblicherweise im normalen Geschäftsgang zufließen, so dass sie über den gleichen Wissensvorsprung verfügen, den sonst ein mit der Aufgabe befasster leitender Angestellter des Schuldnerunternehmens hätte wie z.B. ein Wirtschaftsprüfer oder ein Steuerberater4. Kreditinstitute können unter den Begriff der nahestehenden Personen nur durch gesellschaftsrechtliche Verbindungen mit dem Schuldnerunternehmen fallen. So kann eine Bank ausnahmsweise als nahestehend eingeordnet werden, wenn sie über eine Kapitalbeteiligung an dem Schuldnerunternehmen verfügt, wobei diese auch unterhalb der 25 %-Schwelle des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO liegen kann5. Damit relativiert der BGH seine frühere Entscheidung6, derzufolge § 138 Abs. 2 InsO aus Gründen der Rechtsklarheit für eine Wertung sonstiger Einflussmöglichkeiten unter Einbeziehung sämtlicher gesellschaftsrechtlicher Befugnisse eines mit weniger als 25 % beteiligten Gesellschafters keinen Raum lässt.

1.371

Die Mitgliedschaft eines Organs oder Mitarbeiters eines Kreditinstituts in einem Vertretungs- oder Aufsichtsorgan des Schuldners führt nicht zur Einordnung des Kreditinstituts als nahestehende Person. Zwar haben diese Mitarbeiter die Möglichkeit, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten, jedoch sind sie kraft Gesetzes in den Angelegenheiten des Schuldners zur Verschwiegenheit verpflichtet (so z.B. Mitglieder eines Aufsichtsrats nach § 116 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG)7. Zwar soll einem Sanierungsberater sein Mandat die Stellung einer nahestehenden Person verschaffen können, wenn es nach seiner rechtlichen und tatsächlichen Prägung ihm den typischen Wissensvorsprung über die wirtschaftliche Lage des Mandanten vermittelt, den sonst nur damit befasste leitende Angestellte des Unternehmens haben8. Diese Rechtsprechung kann jedoch nur das Organ oder den Mitarbeiter der Bank selbst treffen und nicht die dahinterstehende Bank. 1 Sogar die Eltern des alleinigen Geschäftsführers und Gesellschafters können unter diesen Begriff fallen (OLG Düsseldorf v. 18.11.2004 – J-12 U 45/04, ZInsO 2005, 215). 2 Einzelheiten s. Hirte ZInsO 1999, 429. 3 Zu Finanzinvestoren als nahestehende Personen i.S.d. §§ 111a–c AktG s. Florstedt ZIP 2021, 53. 4 RegE InsO 1994 – BT-Drucks. 12/2443 zu § 155 InsO. 5 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, ZIP 2012, 2449 = ZInsO 2012, 2335. 6 BGH v. 23.11.1995 – IX ZR 18/95, ZIP 1996, 83. 7 Paulus (WM 2000, 2225) nimmt an, deren Verschwiegenheitspflicht ende jedenfalls dann, wenn trotz Ablaufs der Dreiwochenfrist der damaligen § 64 GmbHG, § 92 AktG – heute § 15a Abs. 1 InsO – kein Insolvenzantrag gestellt worden sei. 8 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = ZInsO 2022, 640 Rn. 68.

80 | Martin Obermüller

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.374 Erster Teil

b) Mehrere Anfechtungsgegner Ein und dieselbe Rechtshandlung kann u.U. gegenüber verschiedenen Geschäftspartnern des Insolvenzschuldners Anfechtungsansprüche auslösen. Dies geschieht in erster Linie bei Anweisungen bzw. Überweisungen im Zahlungsverkehr (s. z.B. Rn. 3.22 ff.). Erteilt der Kunde seiner Bank einen Zahlungsauftrag zugunsten eines seiner Gläubiger, so wird durch die Ausführung einerseits die Bank von ihrer Guthabenschuld gegenüber dem Kunden frei, andererseits erhält der Gläubiger Erfüllung seiner Forderung. Bei einer derartigen Doppelwirkung einer Leistung hat der Insolvenzverwalter die Wahl, welchen Leistungsempfänger er in Anspruch nimmt. Es können, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, beide in Anspruch genommen werden und haften ggf. als Gesamtschuldner1.

1.372

5. Durchsetzung des Anfechtungsrechts Was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entzogen worden ist, muss2 zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§ 143 Abs. 1 InsO), und zwar grundsätzlich „in Natur“3, denn es handelt sich nicht um einen Schadenersatzanspruch, sondern um einen schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch4. Bei einem anfechtbaren Erwerb von Grundpfandrechten hat die Bank in der Form des § 1168 Abs. 2 BGB auf das anfechtbar erworbene Recht zu verzichten, so dass dem Schuldner als Eigentümer des belasteten Grundstücks das Grundpfandrecht gemäß §§ 1168, 1192, 1200 BGB zusteht. Eine anfechtbar übertragene Forderung ist zurückabzutreten5. Bei anfechtbar begründetem Pfandrecht kann der Insolvenzverwalter vom Pfandrechtsgläubiger nicht nur den Verzicht auf das Pfandrecht verlangen, sondern auch die Rückgabe der verpfändeten Sache. Eine Vorteilsausgleichung findet nicht statt6, wohl aber sind notwendige Verwendungen zu ersetzen7

1.373

a) Fälligkeit Der Rückgewähranspruch entsteht mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Eine ausdrückliche Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter ist nicht erforderlich8.

1 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, ZIP 2008, 372. 2 Zur Disposition über Anfechtungansprüche im Regelverfahren und im Insolvenzplan s. Thole ZIP 2014, 1653. 3 Zur Fristwahrung für die Verfolgung des Wertersatzanspruchs s. BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 245/ 06, ZIP 2008, 2136 = ZInsO 2008, 910; zur Fristwahrung bei Gläubigeranfechtung s. OLG Düsseldorf v. 13.7.2017 – I-12 U 67/16, ZInsO 2018, 31. 4 BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176; KG v. 26.4.2012 – 1 W 96/12, ZInsO 2012, 1170. 5 BGH v. 4.5.1970 – VIII ZR 163/68, BB 1970, 730; OLG Düsseldorf v. 11.7.2019 – I-12 U 7/19, ZInsO 2019, 2475. 6 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, ZIP 2013, 1180 = ZInsO 2013, 1143 Rn. 7; Borries/Hirte in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 143 Rn. 106 m.w.N. 7 OLG Düsseldorf v. 11.7.2019 – I-12 U 7/19, ZIP 2019, 2314 = ZInsO 2019, 2475. 8 BGH v. 5.6.2008 – 17/07, ZInsO 2017, 2008, 738.

Martin Obermüller | 81

1.374

Erster Teil Rz. 1.375 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

b) Verzinsung

1.375

Bei anfechtbar vereinnahmten Zahlungen kann der Verwalter Zinsen auf den zurückzugewährenden Betrag in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz (§ 288 BGB) verlangen1, auch wenn es sich bei dem Anfechtungsgegner um den Fiskus handelt2. Aufgrund von Art. 103j EGInsO3 muss dabei zeitlich unterschieden werden: aa) Zinsen bis zum 5.4.2017

1.376

Für die Zeit bis zum 5.4.2017 kann der Insolvenzverwalter Zinsen ab Verfahrenseröffnung beanspruchen4. Dabei handelt es sich um Verzugszinsen. Für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung kann der Insolvenzverwalter seit Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung nicht die pauschalen Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz, sondern Herausgabe der sog. Nutzungen fordern. Als Nutzungen können angesehen werden z.B. die tatsächlich mit dem Anfechtungsbetrag erwirtschafteten Tageszinsen5. Darüber hinaus kann der Insolvenzverwalter einen höheren Zins als den tatsächlich erzielten geltend machen, wenn er darlegen und beweisen kann, dass die Bank es schuldhaft unterlassen hat, höhere Zinsen zu erwirtschaften6. Der BGH begründet seine Entscheidung damit, es sei nicht mit dem verfahrenseigenen Hauptzweck einer optimalen gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung zu vereinbaren, wenn die vor Insolvenzeröffnung gezogenen Zinsen aus dem Anfechtungsbetrag beim Anfechtungsgegner verblieben. Verzugszinsen in analoger Anwendung des § 288 BGB kann der Insolvenzverwalter auch dann verlangen, wenn sich der Rückgewähranspruch nicht auf eine Geldschuld, sondern beispielsweise auf eine Freigabeerklärung oder die Herausgabe einer Sache richtet7. Auch wenn eine Aufrechnung wegen einer Anfechtung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 1 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZInsO 2008, 803; AG Dortmund v. 10.7.2012 – 412 C 4319/12, ZInsO 2013, 395. 2 BGH v. 24.5.2012 – IX ZR 125/11, ZIP 2012, 1299 unter Aufhebung der gegenteiligen Entscheidung des OLG Hamm v. 12.7.2011 – I-27 U 25/11, ZIP 2011, 1676; OLG Köln v. 20.6.2007 – 2 U 4/07, ZIP 2007, 1959; LG Dresden v. 16.11.2012 – 10 O 1993/12, ZInsO 2012, 2345; LG Kaiserslautern v. 25.2.2014 – 2 O 494/13, NZI 2014, 457. 3 Eingefügt durch Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017 – BGBl. I 2017, 654; zur Entwicklung s. RefE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 16.3.2015 (abgedr. ZInsO 2015, 624 mit Kritik Blank/Blank ZInsO 2015, 1705; Foerste ZInsO 2015, 832; Frind ZInsO 2015, 1001; Huber ZInsO 2015, 713; Jacobi/Böhme ZInsO 2015, 724; Würdinger KTS 2015, 315.); RegE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.9.2015, abgedr. ZInsO 2015, 2073; Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz v. 16.2.2017 – BT-Drucks 18/11199, abgedr. ZInsO 2017, 378. 4 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, ZInsO 2007, 261; BGH v. 13.12.2007 – IX ZR 116/06, ZIP 2008, 455; OLG Hamm v. 16.5.2006 – 27 U 190/05, ZInsO 2006, 1170; ebenso für die Anfechtung von Aufrechnungen BGH v. 24.9.2015 – IX ZR 55/15, ZInsO 2015, 94; kritisch aus dogmatischer Sicht Marotzke Liber amicorum Henckel 2015, 212; Rechtsprechungsüberblick s. Graf NZI 2021, 163; a.A. OLG Hamburg v. 7.10.2016 – 1 U 292/15, ZIP 2016, 2080, wonach die Verzinsungspflicht nach § 187 Abs. 1 BGB erst mit dem Folgetag der Fälligkeit, also dem Folgetag der Insolvenzeröffnung beginnt. 5 LG Dresden v. 4.3.2011 – 10 O 2322/10, ZInsO 2011, 1986. 6 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, ZIP 2007, 488 = ZInsO 2007, 261. 7 BGH v. 25.4.2006 – XI ZR 271/05, ZIP 2006, 1402 = ZInsO 2006, 774 mit Anm. Stapper/Jacobi ZInsO 2006, 973.

82 | Martin Obermüller

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.381 Erster Teil

InsO unwirksam ist und die durch die Aufrechnung nicht erloschene Hauptforderung in der ihr eigenen Rechtsnatur weiter besteht, gilt nichts anderes. Denn der Zinsanspruch der Masse bestimmt sich einheitlich nach § 143 Abs. 1 InsO1. bb) Zinsen nach dem 5.4.2017 Für die Zeit nach dem 5.4.2017 kann der Insolvenzverwalter Zinsen nur beanspruchen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs vorliegen oder die Rechtshängigkeit eingetreten ist (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 291 BGB); ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

1.377

cc) Steuerliche Wirkung Der BFH2 sieht die von der Bank gezahlten Verzugszinsen beim Empfänger als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG an. Diese Kapitalerträge werden in den hier zu betrachtenden Fällen von der Bank, also von einem inländischen Kreditinstitut im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7b EStG geschuldet. Die Einkommensteuer ist demnach als Kapitalertragsteuer durch Abzug vom Kapitalertrag zu erheben. Die Bank als Schuldner der Verzugszinszahlung hat gemäß § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 5 EStG die Kapitalertragsteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggfs. Kirchensteuer) einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Die üblichen Befreiungstatbestände (Freistellungsauftrag, Nichtveranlagungsbescheinigung etc.) sind von der Bank zu berücksichtigen.

1.378

frei

1.379

c) Wiederaufleben der Forderung Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt seine Forderung wieder auf (§ 144 Abs. 1 InsO). Mit der Forderung leben rückwirkend und kraft Gesetzes auch deren Sicherungen wieder auf, sofern sie unanfechtbar begründet worden sind (Einzelheiten s. Rn. 5.650 ff.).

1.380

d) Gerichtliche Durchsetzung Auch wenn der Rückgewähranspruch kraft Gesetzes mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entsteht3, wird eine Bank nicht sofort tätig werden, sondern zumindest eine Anforderung durch den Insolvenzverwalter abwarten. Dieser sollte keine Klage4 erheben, ohne zu1 BGH v. 24.9.2015 – IX ZR 55/15, ZIP 2016, 30 = ZInsO 2015, 94 unter Aufhebung des Urteils des OLG Zweibrücken v. 11.3.2015 – 1 U 56/14, ZInsO 2015, 1515. 2 BFH v. 24.5.2011 – VIII R 3/09, DStR 2012, 400; ebenso AG Frankfurt a.M. v. 19.2.2016 – 32 C 1074/15 (41), WM 2017, 715. 3 Henckel in Jaeger, InsO, 2008, § 143 Rn. 7. 4 Zum Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten s. GmS-OGB v. 27.9.2010 – Gms-OGB 1/09, ZIP 2010, 2418 mit Kritik von Ries ZInsO 2010, 2382; Ries ZInsO 2012, 1751; Krüger/Wigand ZInsO 2011, 1441; Kreft ZInsO 2009, 578; Kreft ZIP 2013, 241; Kirchhof ZInsO 2009, 1791; zur Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch gegen den Rückgewähranspruch s. BGH v. 11.13.2009 – IX ZR 195/07, ZInsO 2009, 185; zur Unzuständigkeit der Sozialgerichte s. BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 36/ 09, ZInsO 2011, 723; OLG Frankfurt v. 20.7.2012 – 5 W 18/12, ZIP 2012, 1880; OLG Frankfurt v. 6.8.2012 – 19 W 33/12, ZIP 2012, 1879; Huber ZInsO 2011, 519; für Finanzgerichte s. Urban

Martin Obermüller | 83

1.381

Erster Teil Rz. 1.381 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

vor erkennen zu lassen, dass er die entstandene Gläubigerbenachteiligung nicht hinnehmen, sondern die entsprechenden Vermögensverschiebungen rückgängig machen wolle. Denn anderenfalls muss er, wenn der Anfechtungsgegner auf die Klage ein sofortiges Anerkenntnis abgibt, die Kosten tragen (§ 93 ZPO)1. Wenn aber die Bank seiner Aufforderung nicht nachkommt, ist der Insolvenzverwalter auf den Rechtsweg verwiesen2. Ihm obliegt dann im Grundsatz die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Voraussetzungen der Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung3, soweit ihm keine gesetzlichen Vermutungen oder eine Beweislastumkehr zu Hilfe kommen (z.B. § 130 Abs. 2, 3, § 131 Abs. 1, § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 InsO). Der Insolvenzverwalter kann, um mögliche Anfechtungsansprüche dem Grunde und vor allem der Höhe nach prüfen zu lassen, auf Privatsachverständigengutachten zurückgreifen. Die Gerichte zählen die Kosten für ein solches Gutachten zu den nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähigen notwendigen „Kosten des Rechtsstreits“4 und nehmen auf die Situation des Insolvenzverwalters auch in zeitlicher Hinsicht Rücksicht5.

1.382

Wenn eine Bank die Forderung des Insolvenzverwalters nicht sofort anerkennen, sondern sich einen gewissen Zeitraum für die Prüfung ausbedingen will, muss sie die Modalitäten mit dem Insolvenzverwalter klären. Unter professionellen Gegnern sollte dies kein unüberwindbares Problem darstellen. Gelingt ein Arrangement aber nicht rechtzeitig und klagt der Insolvenzverwalter sofort, so kann ein etwaiges Anerkenntnis bereits verspätet sein. Ist die Bank zur Rückerstattung bereit, so sollte sie – wenn die Ausführung etwas Zeit in Anspruch nehmen könnte – den Insolvenzverwalter darüber unterrichten; ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis kann in einer solchen Mitteilung in der Regel nicht gesehen werden6.

1.383

Angesichts der gegenwärtigen Niedrigzinsphase kann die Bank in Fällen, in denen die Anfechtbarkeit umstritten ist, nach Wegen suchen, dem Verzugszins für die Zeit bis zur rechtskräftigen Klärung zu entgehen. Dazu könnte sie an den Insolvenzverwalter unter Vorbehalt zahlen. Dies setzt allerdings das Einverständnis des Insolvenzverwalters voraus, denn einer Zahlung unter Vorbehalt kommt keine Erfüllungswirkung zu und ihre Zurückweisung stellt keinen Verstoß gegen das Schikaneverbot dar7.

1.384

frei

1 2 3 4 5 6

7

ZInsO 2011, 2015 m.w.N.; OLG Düsseldorf v. 12.4.2018 – I-12 W 1/18, ZInsO 2018, 1372; BAG v. 17.9.2014 – 10 AZB 4/14, ZIP 2014, 2309 = ZInsO 2014, 2456; zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach erfolgreicher Insolvenzanfechtung s. BMF-Schreiben v. 3.7.2017 – III C 2 - S 7330/ 09/10001 :004, BStBl. I 2017, 885; BFH v. 15.12.2016 – V R 26/16, NZI 2017, 270; BFH v. 29.3.2017 – XI R 5/16, ZIP 2017, 1121 = DStR 2017, 1200. LG Düsseldorf v. 26.3.2017 – 8 O 470/16, ZInsO 2017, 1452. Zur internationalen Zuständigkeit s. OLG Düsseldorf v. 4.10.2018 – I-12 U 46/17, ZIP 2018, 2378 = ZInsO 2018, 2697. BGH v. 27.9.2018 – IX ZR 313/16, ZIP 2018, 2124 = ZInsO 2018, 2519 Rn. 4. OLG Düsseldorf v. 2.7.2018 – I-12 W 8/18, ZIP 2018, 2125. OLG Düsseldorf v. 9.7.2018 – I-12 U 20/17, ZIP 2019, 87 = ZInsO 2018, 2604. So darf Vorbringen, das ein Sachverständigengutachten veranlasst hätte, nicht als verspätet zurückgewiesen werden, wenn sich aufdrängt, dass dieses Gutachten in der Zeit zwischen dem Ende der versäumten Frist und der darauf folgenden mündlichen Verhandlung ohnehin nicht eingeholt hätte werden können (OLG Düsseldorf v. 27.10.2016 – I-12 U 74/15, ZInsO 2017, 1430). BGH v. 15.3.2012 – IX ZR 34/11, ZInsO 2012, 828.

84 | Martin Obermüller

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.390 Erster Teil

e) Abtretung des Rückgewähranspruchs Der Insolvenzverwalter muss den Rückgewähranspruch nicht selbst durchsetzen, sondern kann ihn einem interessierten Dritten für eine angemessene Gegenleistung überlassen1. Der Rückgewähranspruch ist nämlich, nachdem der Insolvenzverwalter ihn ausgeübt hat, abtretbar2. Ist der Rückgewähranspruch bestritten und sollten dem Verwalter Fehler bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten des Anfechtungsprozesses unterlaufen sein, kann dies – ein Verschulden vorausgesetzt – zu seiner Haftung nach § 60 InsO führen, nicht jedoch zu einer Unwirksamkeit der Abtretung wegen Insolvenzzweckwidrigkeit3.

1.385

Ein Erwerber für den Rückgewähranspruch wird sich jedoch nur in seltenen Fällen finden. Für einen Handel in Forderungen ist dieser Anspruch nicht geeignet. Denn das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters erlischt mit der vorbehaltlosen Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens (§§ 200, 207 ff., 258 ff. InsO)4. Ob dies auch nach einer Abtretung gilt, ist zwar streitig, aber allein schon diese Unsicherheit wird einen adäquaten Preis für den Forderungskauf vereiteln.

1.386

frei

1.387–1.389

6. Die einzelnen Anfechtungstatbestände Die Insolvenzordnung hat die ohnehin schon unübersichtlichen Anfechtungstatbestände der Konkursordnung weiter aufgefächert, zeitlich ausgedehnt und verobjektiviert5. Angesichts der Verkomplizierung der Anfechtungstatbestände empfiehlt es sich für die Fallbearbeitung, zunächst zu ermitteln, zu welchem Zeitpunkt sich die anzufechtende oder angefochtene Handlung ereignet hat, und dann die Anfechtungsvorschriften herauszusuchen, die den betreffenden Zeitpunkt von ihrer Reichweite her erfassen. Dazu soll folgende, erstmals vom Verfasser veröffentlichte6 und seitdem von diversen Autoren7 aufgegriffene Tabelle dienen:

1 Laubereau ZInsO 2016, 496; zur Auswirkung auf die Vergütung des Insolvenzverwalters s. Ganter ZInsO 2016, 677; BGH v. 16.12.2021 – IX ZB 24/21, ZIP 2022, 284; zur Disposition über Anfechtungansprüche im Regelverfahren und im Insolvenzplan s. Thole ZIP 2014, 1653. 2 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 172/11, ZInsO 2013, 441; BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, ZInsO 2011, 1154 unter Aufhebung von OLG Zweibrücken v. 22.4.2010 – 4 U 128/09, ZIP 2010, 1505; BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 16/18, ZInsO 2019, 2164 Rn. 9 ff.; Thole ZIP 2014, 1653; einschränkend Smid ZInsO 2015, 1716. 3 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 172/11, ZIP 2013, 531 = NJW-RR 2013, 610. 4 Vgl. etwa BGH v. 2.4.2009 – IX ZB 182/08, ZIP 2009, 825 Rn. 22. 5 Zu den rechtssystematischen Zusammenhängen der Anfechtungtatbestände s. Schoppmeyer WM 2018, 301, 353. 6 Obermüller WM 1994, 1829. 7 S. z.B. Messner/Hofmeister, Endlich schuldenfrei – Der Weg in die Restschuldbefreiung, 1998, S. 36; Kirchhof ZInsO 1998, 3; Rauch/Zimmermann, Grundschuld und Hypothek, 2. Aufl. 1998, Kap. 4 Rn. 347; Kebekus/Sabel/Schlegel, Cross Border Insolvencies, 2007, 26.

Martin Obermüller | 85

1.390

Erster Teil Rz. 1.390 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung Rückwirkung bis

Anfechtungsvorschrift

Anfechtungstatbestand

Wirtschaftli- Kenntnis des Gläubiche Lage des gers Schuldners

10 Jahre vor Antrag

§ 133 Abs. 1 InsO

Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung

Unerheblich

Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz

Drohende Zahlungseinstellung

Vermutung für Kenntnis

§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO

Besicherung Gesellschafterdarlehen

Unerheblich

Unerheblich

§ 133 Abs. 2 InsO

Kongruente oder inkongruente Deckung

Unerheblich

Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz

Drohende Zahlungseinstellung

Vermutung für Kenntnis

§ 133 Abs. 3 InsO

Kongruente Deckung

Zahlungseinstellung

Vermutung für Kenntnis

§ 134 Abs. 1 InsO

Unentgeltliche Leistung

Unerheblich

Unerheblich

2 Jahre vor Antrag

§ 133 Abs. 4 InsO

Vorsätzliche Gläu- Unerheblich bigerbenachteiligung durch Verträge mit nahestehenden Personen

Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz (wird widerleglich vermutet)

1 Jahr vor Antrag

§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO

Befriedigung Gesellschafterdarlehen

Unerheblich

3 Monate vor Antrag

§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO

Kongruente DeZahlungsckung (Sicherung/ unfähig Befriedigung)

Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder zwingende Schlussfolgerung

§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO

Inkongruente Deckung

Zahlungsunfähig

Unerheblich

§ 131 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 InsO

Inkongruente Deckung

Unerheblich

Kenntnis der Benachteiligung oder zwingende Schlussfolgerung

§ 131 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 3 InsO

Inkongruente Unerheblich Deckung nahestehender Personen

Kenntnis der Benachteiligung; die Kenntnis wird vermutet

§ 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO

Unmittelbare Benachteiligung

Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder zwingende Schlussfolgerung

4 Jahre vor Antrag

86 | Martin Obermüller

Unerheblich

Zahlungsunfähig

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.393 Erster Teil Rückwirkung bis

Anfechtungsvorschrift

Anfechtungstatbestand

Wirtschaftli- Kenntnis des Gläubiche Lage des gers Schuldners

1 Monat vor Antrag

§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO

Inkongruente Deckung

Unerheblich

Unerheblich

nach Antrag

§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO

Kongruente Deckung

Bestehende Zahlungsunfähigkeit

Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit/des Antrags oder zwingende Schlussfolgerung

§§ 132 Abs. 1 Nr. 2, 130 Abs. 2 InsO

Unmittelbare Benachteiligung

§ 131 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO

Inkongruente Deckung

Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit/des Antrags oder zwingende Schlussfolgerung Unerheblich

Unerheblich

a) Kongruente Deckung (§ 130 InsO) Anfechtbar sind Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben. Die Rechtshandlungen können von dem Schuldner oder von einem Dritten vorgenommen worden sein. Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn ein Dritter Zahlungen an den Schuldner auf dessen Konto leistet und damit den dort ausgewiesenen debitorischen Saldo zurückführt.

1.391

Die Anfechtung setzt voraus, dass

1.392

– die betreffende Rechtshandlung in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag oder nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist, – der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und – der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag kannte. Wenn der Eröffnungsantrag auf Überschuldung oder auf drohende Zahlungsunfähigkeit (§§ 18, 19 InsO) gestützt wird, die Zahlungsunfähigkeit aber noch nicht eingetreten ist, sind also kongruente Deckungen, die nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen werden, nicht nach § 130 InsO anfechtbar1, sofern dem Gläubiger der Eröffnungsantrag unbekannt geblieben war. Eine einmal erlangte Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 82 Satz 1 InsO kann regelmäßig nur dadurch wieder beseitigt werden, dass der Gläubiger zuverlässige Kenntnis von dem Abschluss des Insolvenzverfahrens erhält2. Für diese Kenntnis genügt aber bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO)3; unerheblich ist lediglich, ob der Anfechtungsgegner die notwendige Schlussfolgerung tatsächlich 1 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 = ZInsO 2007, 816. 2 LAG Düsseldorf v. 3.5.2012 – 11 Sa 196/12, ZIP 2012, 1726. 3 Laut Paulus (WM 2000, 2225) handelt es sich dabei um eine Vorschrift, von der hinlänglich bekannt sei, dass sie eine auf Druck der Bankenlobby Gesetz gewordene Abmilderung des ursprünglich vorgesehenen Kennenmüssen darstelle, und die er mit Gerhardt (FS Brandner, 1996, 605) als Rechtsblindheit titulieren werde.

Martin Obermüller | 87

1.393

Erster Teil Rz. 1.393 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

auch gezogen hat1. Gegenüber nahestehenden Personen wird vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannten. So kann ein Gläubiger aufgrund von Presseberichten, auch wenn sie keine amtliche Verlautbarung enthalten, gehalten sein, sich nach der Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu erkundigen2. Dies hängt davon ab, wie konkret und wie verlässlich diese Berichte sind, insbesondere, ob sie durch weitere Verdachtsmomente gestützt werden, die der Gläubiger selbst gewonnen hat. Wenig hilfreich ist insoweit die Rechtsprechung3, die es den Gerichten gestattet, Gläubigern, die sich vorsorglich nach etwa vorliegenden Insolvenzanträgen erkundigen, die Auskunft zu verweigern. Eine Kenntnis von drohender Zahlungsunfähigkeit und einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners wird dem Gläubiger unterstellt, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in einem beträchtlichen Umfang nicht ausgeglichen werden und dem Gläubiger nach den Umständen bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt4; um daraus auf eine Kenntnis eingetretener Zahlungsunfähigkeit schließen zu müssen, ist es zumindest erforderlich, dass der Gläubiger weiß, es mit einem unternehmerisch tätigen Schuldner zu tun zu haben, bei dem das Entstehen von Verbindlichkeiten, die er nicht im selben Maße bedienen kann, auch gegenüber anderen Gläubigern unvermeidlich ist5. Wenn ein Gläubiger zunächst die Zahlungsunfähigkeit angenommen hat, kann diese Kenntnis nachträglich wieder entfallen, wenn er aufgrund neuer, objektiv geeigneter Tatsachen zu der Ansicht gelangt ist, nunmehr sei der Schuldner wieder zahlungsfähig6.

1.394

Die Fristen, innerhalb derer die anfechtbare Handlung vorgelegen haben muss, beginnen mit dem Anfang des Tages, der durch seine Zahl dem Eingangsdatum des Eröffnungsantrags entspricht (§ 139 Abs. 1 Satz 1 InsO)7. b) Inkongruente Deckung (§ 131 InsO)

1.395

Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte8: – Inkongruente Deckungen innerhalb des letzten Monats vor dem Eröffnungsantrag sind unabhängig davon anfechtbar, ob der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war; auf den Kenntnisstand des Anfechtungsgegners kommt es ebenfalls nicht an. – Inkongruente Deckungen, die innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag zustande kommen, sind anfechtbar, wenn der Schuldner zu dieser Zeit bereits zahlungsunfähig war, ohne dass es auf den Kenntnisstand des Anfechtungsgegners ankommt. 1 BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 201/08, ZIP 2009, 2306 = ZInsO 2009, 2244 mit Anm. Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367; Vollrath ZInsO 2011, 1665. 2 BGH v. 19.7.2001 – IX ZR 36/99, ZIP 2001, 1641 = WM 2001, 1777. 3 OLG Brandenburg v. 7.8.2001 – 11 VA 21/01, ZInsO 2001, 850. 4 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 = ZInsO 2009, 819; BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 = ZInsO 2009, 1909. 5 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 = ZInsO 2009, 1909. 6 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, ZIP 2008, 930; BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 188/07, ZInsO 2009, 145. 7 Zur Fristberechnung s. Haarmeyer ZInsO 1999, 275. 8 Beispiele s. Pape FS Gehrlein 2022, 409 (413 ff.).

88 | Martin Obermüller

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.397 Erster Teil

– Inkongruente Deckungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag sind auch dann anfechtbar, wenn der Schuldner zu diesem Zeitpunkt noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet war, dem Gläubiger aber zur Zeit der Handlung bekannt war, dass die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden. Der Insolvenzverwalter hat also lediglich zu beweisen, dass dem Anfechtungsgegner entweder die Benachteiligung der anderen Gläubiger positiv bekannt war oder dass er Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 133 Abs. 2 InsO). Gegenüber nahestehenden Personen (§ 138 InsO) wird die Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger vermutet. c) Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO)

Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder danach mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat (§ 133 Abs. 1 InsO)1. Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung ist schon gegeben, wenn der Schuldner die Benachteiligung neben anderen Zielen im Auge gehabt2, sie als mutmaßliche Folge seines Handelns – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebenswerten anderen Vorteils3 – erkannt und gebilligt hat und dies dem anderen Teil bekannt war4. Die bloße Hoffnung des Insolvenzschuldners, dass er in absehbarer Zeit seine Gläubiger voll werde befriedigen können, steht einem Benachteiligungsvorsatz nicht entgegen5.

1.396

Die Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis auf Seiten des Anfechtungsgegners trägt grundsätzlich der Verwalter. Die Beweislast wird ihm erleichtert durch die Vermutung der Kenntnis, falls der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dann beschränkt sich die Beweislast auf die Darlegung der drohenden oder schon eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, der objektiven Gläubigerbenachteiligung und der Kenntnis dieser Umstände auf Seiten des Anfechtungsgegners6. Gelingt dem Verwalter der Beweis dieser Tatsachen, so muss der Anfechtungsgegner beweisen, dass er dennoch von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nichts wusste, und dazu konkrete Umstände vortragen7. Weiß der Geschäftspartner des Schuldners von der Zahlungsunfähigkeit, so hat er in der Regel auch Kenntnis von einer Gläubigerbenachteiligung durch Zahlungen, die der Schuldner noch erbringt8. Hat der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit und den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners erkannt, obliegt ihm der Beweis, dass seine Kenntnis aufgrund nachträglich eingetretener Umstände entfallen ist. Ein Gläubiger, der von der einmal eingetre-

1.397

1 Rechtsprechungsübersicht s. Gehrlein ZInsO 2018, 2557; Änderung der Rspr. durch BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = ZInsO 2021, 1627 Rn. 31, 36 ff. = m. Anm. Foerste ZInsO 2022, 2053; Frind ZInsO 2022, 1885; Ganter NZI 2021, 720; Gehrlein ZInsO 2021, 2061; Gehrlein ZInsO 2022, 905; Huber ZInsO 2021, 2649; Pape ZInsO 2023, 411; Rickert/Klupsch ZInsO 2021, 2244; Rüppell DB 2021, 2141; Schmidt ZInsO 2021, 1714; Schultz ZInsO 2022, 1434; Maier ZInsO 2021, 2005; Trams NJW-Spezial 2021, 533; BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = ZInsO 2022, 640 Rn. 19. 2 BGH v. 31.10.1962 – VIII ZR 133/61, WM 1962, 1371; BGH v. 26.6.1997 – IX ZR 203/96, ZIP 1997, 1509 = WM 1997, 1633. 3 OLG Düsseldorf v. 12.11.2105 – I-12 U 18/15, ZIP 2016, 236 = ZInsO 2016, 44. 4 BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182; BGH v. 23.9.1981 – VIII ZR 245/80, ZIP 1981, 1229; BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZInsO 2007, 819. 5 BGH v. 26.6.1997 – IX ZR 203/96, ZIP 1997, 1509 = WM 1997, 1633. 6 Weiterführend BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799 = WM 2003, 1923. 7 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 = ZInsO 2007, 819. 8 BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 188/07, ZIP 2009, 189 = ZInsO 2009, 145; Guski WM 2009, 1071.

Martin Obermüller | 89

Erster Teil Rz. 1.397 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

tenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste, hat darzulegen und zu beweisen, warum er später davon ausging, der Schuldner habe seine Zahlungen möglicherweise allgemein wieder aufgenommen1. Für kongruente Deckungen gilt die Vermutung einer Kenntnis des Gläubigers nicht schon dann, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte, sondern erst bei Kenntnis von einer schon eingetretenen Zahlungsunfähigkeit (§ 133 Abs. 3 Satz 1 InsO). Damit trägt der Insolvenzverwalter die volle Beweislast für die Kenntnis des Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners.

1.398

Die Reform des Anfechtungsrechts2 hat diese Anfechtungsmöglichkeiten eingeschränkt und durch § 133 Abs. 2 InsO die zehnjährige Anfechtungsfrist auf 4 Jahre gegenüber Rechtshandlungen, die dem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, verkürzt. Für die Anwendung der verkürzten Frist ist unerheblich, ob es sich um eine kongruente oder inkongruente Deckung handelt. Damit findet die zehnjährige Anfechtungsfrist im Wesentlichen nur noch auf andere benachteiligende Rechtshandlungen – Bankrott- und Verdunkelungshandlungen, Vermögensverschleuderung, benachteiligende Belastungen von Vermögenswerten, Beiseiteschaffen von Vermögen, Zwangsvollstreckungshandlungen, Drohungen mit Insolvenzanträgen und sonstige Erschwerungen des Zugriffs der Gläubiger – Anwendung3. d) Anfechtung entgeltlicher Verträge mit nahestehenden Personen

1.399

Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden, es sei denn, dass dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsabschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war (§ 133 Abs. 4 InsO). Die Beweislast wird dem Verwalter erleichtert. Sie wird nicht nur für die Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern auch für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses umgekehrt, um betrügerischen Rückdatierungen besser zu begegnen4. e) Anfechtung einer Sicherung oder Befriedigung von Gesellschafterdarlehen

1.400

Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters5 auf Rückgewähr seines Darlehens Sicherung oder Befriedigung gewährt hat (§ 135 InsO).

1.401

Die Anfechtung ist nur möglich, – wenn das Sicherungsgeschäft in den letzten zehn Jahren6 vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag, oder 1 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 = ZInsO 2016, 214 Rn. 27. 2 Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017 – BGBl. I 2017, 654. 3 Pape ZInsO 2018, 296. 4 Begr RegE InsO 1992 – BT-Drucks 12/2443, S. 160; Borries/Hirte in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 197. 5 Zu mittelbar beteiligten Gesellschaftern und verbundenen Unternehmen s. OLG Düsseldorf v. 23.5.2022 – I-12 U 42/21, ZInsO 2022, 1572 m.w.N.; OLG Düsseldorf v. 20.10.2022 – I-24 U 98/ 21, ZInsO 2022, 2357. 6 Zur Unangemessenen Länge dieser Frist angesichts der Neuregelung von § 133 Abs. 2 InsO durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017 (BGBl. I 2017, 654) s. Marotzke ZInsO 2017, 2264.

90 | Martin Obermüller

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.405 Erster Teil

– wenn die Befriedigung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem vorgenommen wurde. Anfechtbar ist auch eine Rechtshandlung, durch die einem stillen Gesellschafter1 im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts oder nach diesem Antrag die Einlage ganz oder teilweise zurückgewährt oder sein Anteil an dem entstandenen Verlust ganz oder teilweise erlassen wird (§ 136 InsO).

1.402

f) Unentgeltliche Leistungen (§ 134 InsO) Anfechtbar sind unentgeltliche Leistungen des Schuldners, wenn sie innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt wurden. Dazu zählen nicht nur Verfügungen, also Rechtsgeschäfte, durch die bestehende Rechte mit unmittelbarer Wirkung aufgehoben, übertragen, belastet oder verändert werden, sondern auch verpflichtende Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen2 und auch sonst jede Vermögensentäußerung, das Unterlassen eines Rechtsbehelfs und der Verzicht auf die Unterbrechung einer Verjährungs-, Ersitzungs- oder Ausschlussfrist3. Ausgenommen von der Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistungen sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke geringen Werts (§ 134 Abs. 2 InsO). Auch die Übertragung von Geldern durch den Schuldner auf einen Treuhänder zum Zweck der Befriedigung seiner Gläubiger stellt keine unentgeltliche Leistung dar4.

1.403

Das Merkmal der Unentgeltlichkeit in § 134 Abs. 1 InsO darf nicht im Sinn von Schenkungen verstanden werden, denn eine Bereicherung und eine Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung sind nicht erforderlich5. Wenn der Schuldner eine Zwischenperson eingeschaltet hat, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen, ob es sich aus der Sicht des Empfängers um eine Leistung des Schuldners oder der Zwischenperson handelte6. Die Beweislast für die Unentgeltlichkeit trifft den Insolvenzverwalter7, an dessen Beweisführung allerdings keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen8. Die Beweislast für den Wegfall der Bereicherung trägt der Anfechtungsgegner9.

1.404

g) Anfechtung unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen Als Auffangtatbestand für bestimmte Rechtshandlungen, die für die Gläubiger nachteilig sind, ohne dass sie von der Anfechtung wegen kongruenter (§ 130 InsO) oder inkongruenter Deckung (§ 131 InsO) erfasst werden, dient § 132 InsO: Danach können Rechtsgeschäfte, durch deren Vornahme die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden10, angefoch-

1 Zum mittelbaren stillen Gesellschafter s. LG Stuttgart v. 15.6.2022 – 27 O 335/21, ZInsO 2022, 1635. 2 BGH v. 15.4.1964 – VIII ZR 232/62, KTS 1964, 182; BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, KTS 1972, 91. 3 BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182. 4 BGH v. 7.9.2017 – IX ZR 224/16, ZIP 2017, 1863 = WM 2017, 1910; s. dazu Bork NZI 2018, 1; Spatz DZWIR 2018, 171. 5 RG v. 19.2.1918 – VII 407/17, RGZ 92, 228; Baumert ZIP 2010, 212. 6 BGH v. 5.7.2018 – IX ZR 126/17, ZIP 2018, 1505 = ZInsO 2018, 1721. 7 BGH v. 9.3.2017 – IX ZA 16/16, ZInsO 2017, 1892. 8 OLG Bamberg v. 14.5.2003 – 4 U 187/02, ZInsO 2003, 1047. 9 BGH v. 17.12.2009 – IX ZR 16/09, ZIP 2010, 531. 10 Zur Abgrenzung zu mittelbarer Benachteiligung s. Gehrlein ZInsO 2021, 2701.

Martin Obermüller | 91

1.405

Erster Teil Rz. 1.405 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

ten werden. Dies gilt auch für einseitige Rechtsgeschäfte wie die Kündigung. So kann künftig beispielsweise eine Kreditkündigung, durch die eine Aufrechnung mit Kontoguthaben ermöglicht wird, angefochten werden. Dagegen bildet die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung, die durch eine vorzeitige Rückzahlung eines Kredits bewirkt wird, keine Grundlage für die anfechtungsrechtliche Rückforderung der Hauptschuld selbst, wenn der Schuldner die Forderung bei Eintritt der Fälligkeit ebenfalls rechtlich wirksam hätte erfüllen können1. Als Beispiel für unmittelbare Benachteiligung durch Unterlassungen nennt die Begründung zur InsO u.a. den Verzicht des Schuldners auf einen Protest nach Wechselrecht, durch den er Rechte verliert, die den Protest voraussetzen2.

1.406

Die weiteren Anfechtungsvoraussetzungen staffeln sich nach Zeitabschnitten: – Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen der obigen Art, die in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden, sind anfechtbar, wenn zur Zeit des Rechtsgeschäfts der Schuldner zahlungsunfähig war und der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit kannte (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Überschuldung und die drohende Zahlungsunfähigkeit genügen dagegen für eine Anfechtung nicht. – Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen der obigen Art, die nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden, sind anfechtbar, wenn der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

1.407

Der Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnungsantrag wird die Kenntnis von Umständen gleichgesetzt, die zwingend darauf schließen lassen (§ 132 Abs. 3, § 130 Abs. 2 InsO)3. Gegenüber nahestehenden Personen wird die Kenntnis vermutet.

1.408

Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder die Zahlungseinstellung als komplexe Rechtsbegriffe nur, wenn er die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft bewerten kann4. Die Kenntnis einzelner Tatsachen, die für eine Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung sprechen, kann deshalb nicht genügen, wenn sie nur die ungewisse Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit befürchten lassen. Die Anforderungen an die Kenntnis sind allerdings für institutionelle Gläubiger oder Gläubiger mit „Insiderkenntnissen“ deutlich geringer als für sonstige Dritte oder beispielsweise für Arbeitnehmer5.

1.409

frei

IV. Aufrechnung 1.410

Eine Schmälerung der Masse kann auch durch Aufrechnungen eintreten. Das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Ausübung einer im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestehenden Aufrechnungsbefugnis bleibt nämlich grundsätzlich erhalten (§ 94 InsO). Dies gilt auch dann, wenn die Aufrechnungslage im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht gegeben ist, aber später eintritt. Sind die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen im Zeitpunkt

1 BGH v. 13.3.1997 – IX ZR 93/96, ZIP 1997, 853. 2 RegE InsO 1992 BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 3 Indizien für die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit s. BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 79/07, ZIP 2009, 573 = ZInsO 2009, 518. 4 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, ZIP 2009, 526 = ZInsO 2009, 515. 5 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, ZInsO 2009, 515; s. auch Bork ZIP 2007, 2337; Zwanziger BB 2007, 42.

92 | Martin Obermüller

E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.415 Erster Teil

der Verfahrenseröffnung aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet, so kann erst aufgerechnet werden, wenn diese Aufrechnungshindernisse beseitigt sind (§ 95 Abs. 1 InsO)1. Von diesen Regeln lässt die InsO Ausnahmen zu, die die Aufrechnung teils erleichtern, teils erschweren.

1.411

1. Aufrechnungserleichterungen Nicht fällige Forderungen gelten zwar nach § 41 InsO mit Verfahrenseröffnung als fällig. Diese Fiktion kann jedoch nicht zur Herstellung einer sonst nicht vorhandenen Aufrechnungslage verwandt werden (§ 95 Abs. 1 Satz 2 InsO). Vertragliche Vereinbarungen, die eine vorzeitige Fälligkeit der Forderung der solventen Partei herbeiführen oder der solventen Partei für den Fall der Insolvenz ihres Vertragspartners die Aufrechnung auch schon vor Fälligkeit ihrer Forderung gestatten, sind aber zulässig. Aufrechnungsvereinbarungen werden nämlich ausdrücklich anerkannt (§ 94 InsO).

1.412

Die InsO erlaubt auch die Aufrechnung von Forderungen, die auf verschiedene Währungen oder Rechnungseinheiten lauten, wenn diese Währungen oder Rechnungseinheiten am Zahlungsort der Forderung, gegen die aufgerechnet wird, frei getauscht werden können (§ 95 Abs. 2 InsO).

1.413

2. Aufrechnungshindernisse Die Aufrechnungsbefugnisse der Insolvenzgläubiger werden durch § 96 InsO beschränkt. Soweit der Gläubiger eine Aufrechnung mit einer bedingten oder noch nicht fälligen Forderung vornehmen möchte und den Eintritt der Bedingung oder der Fälligkeit abwarten muss, kann er nicht mehr aufrechnen, falls der Schuldner seine Gegenforderungen schon zu einem früheren Zeitpunkt geltend machen konnte (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO). Soweit der Gläubiger mit einer unbedingten und fälligen Forderung eine Aufrechnung gegen eine bedingte Forderung des Insolvenzschuldners vornehmen möchte, hindert ihn die Vorschrift des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht2. Sie findet auch keine Anwendung auf synallagmatisch verbundene Forderungen aus demselben Schuldverhältnis3. Eine schon vor der Verfahrenseröffnung erklärte Aufrechnung wird mit der Verfahrenseröffnung unwirksam, wenn ein Aufrechnungshindernis im Sinne des § 96 InsO vorliegt4.

1.414

Auflösende Bedingungen werden von dieser Regelung dagegen nicht erfasst5. Die Aufrechnungsbeschränkungen beziehen sich auch nicht auf Massegläubiger6 außer im Fall der Masseunzulänglichkeit7.

1.415

1 Zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast s. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 149/11, ZIP 2012, 1254. 2 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, ZIP 2004, 1608. 3 OLG Jena v. 28.11.2012 – 7 U 348/12, IBR 2013, 265; BGH v. 7.2.2013 – IX ZR 218/11, ZIP 2013, 526. 4 BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, ZIP 2006, 2178 = ZInsO 2206, 1215. 5 Adam WM 1998, 801. 6 BGH v. 7.7.2005 – IX ZR 241/01, ZIP 2005, 1519; BGH v. 2.7.1959 – VIII ZR 194/58, BGHZ 30, 250; OLG Köln v. 18.2.1987 – 2 U 132/86, ZIP 1987, 928 m.w.N.; Begründung RegE InsO 1992 zu § 96 – das ursprünglich (§ 320 Abs. 2 RegE InsO 1992) vorgesehene Aufrechnungsverbot für den Fall der Masseunzulässigkeit hat der Rechtsausschuss nicht übernommen. 7 OLG Karlsruhe v. 23.7.2003 – 6 U 203/01, ZIP 2003, 2082 = ZInsO 2003, 856.

Martin Obermüller | 93

Erster Teil Rz. 1.416 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.416

Die Aufrechnung ist ferner unzulässig, wenn – ein Gläubiger erst nach Verfahrenseröffnung etwas zur Masse schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO), – ein Gläubiger seine Forderung erst nach Verfahrenseröffnung von einem Dritten erworben hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO), – ein Gläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO)1, – die Forderung des Gläubigers aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO), also Forderungen aus neuen Geschäften des Schuldners, da sich diese nur an etwaiges insolvenzfreies Vermögen halten können2.

1.417

Aufrechnungsverbote können nicht dadurch umgangen werden, dass diese Ansprüche einer vom Gesetz nicht anerkannten Verrechnung unterstellt werden3.

1.418–1.419

frei

V. Verträge 1.420

Für gegenseitige Verträge, Miet- und Pachtverträge, Dienstverhältnisse, Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge enthält die InsO eigene Regeln. Auf das Schicksal der Miet- und Pachtverträge soll unten im Zusammenhang mit dem Leasing-Geschäft näher eingegangen werden, die Auftrags- und Geschäftsbesorgungsverhältnisse werden bei der Behandlung des Bankvertrages und des Zahlungsverkehrs erörtert. Daher soll hier eine grobe Übersicht genügen:

1. Gegenseitige Verträge 1.421

Wenn ein zweiseitiger Vertrag von dem Schuldner und seinem Vertragspartner bei Insolvenzeröffnung nicht oder nicht vollständig erfüllt4 ist, hat der Insolvenzverwalter ab Verfahrenseröffnung5 das Wahlrecht, ob er den Vertrag erfüllen und die Erfüllung auch von dem Vertragspartner verlangen oder ob er die Vertragserfüllung ablehnen und den Vertragspartner auf eine Schadenersatzforderung wegen Nichterfüllung, die zu den Insolvenzforderungen zählt6, verweisen will (§ 103 InsO)7.

1 Zu den Schnittstellen zwischen Aufrechnung und Anfechtung s. Paulus ZIP 1997, 576; Adam WM 1998, 801. 2 LG Erfurt v. 30.10.2002 – 3 O 2992/01, ZIP 2002, 2325 = InVo 2003, 23. 3 BGH v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03, ZIP 2005, 1561 = WM 2005, 1675. 4 Zum Begriff der Erfüllung s. OLG Naumburg v. 20.2.2002 – 5 U 153/01, ZInsO 2002, 677. 5 Nicht aber schon als vorläufiger Verwalter im Antragsverfahren (OLG Jena v. 9.11.1995 – 1 U 456/ 95, ZIP 1996, 34 für die Gesamtvollstreckung; BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, ZIP 1995, 1204 = KTS 1995, 668 für den Konkurs; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 803; BGH v. 8.11.2007 – IX ZR 53/04, ZIP 2007, 2322 = ZInsO 2007, 1275 Rn. 9 für das Insolvenzverfahren). 6 Zur Aufrechnungsbefugnis des Vertragspartners gegen Forderungen des Schuldners aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung s. BGH v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, ZIP 1995, 926; OLG Düsseldorf v. 2.5.1996 – 6 U 8/95, ZIP 1996, 1749. 7 Zur Vertragsbeendigung als Sanierungsinstrument s. Looschelders ZIP 2021, 2461.

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E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.423 Erster Teil

Die rechtliche Einordnung dieser Regelung durch die Rechtsprechung hat sich im Laufe der Zeit mehrfach geändert: Im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts1 sind die Senate des BGH bis 1987 stets davon ausgegangen, dass derartige Verträge durch die Konkurseröffnung zunächst nicht berührt werden und erst der Erfüllungsverweigerung des Konkursverwalters gestaltende Wirkung zukomme2. Demgegenüber vertrat der BGH seit 19883 die Auffassung, bereits durch die Insolvenzeröffnung sei das Rechtsverhältnis zwischen dem Gemeinschuldner und seinem Vertragspartner derart umgestaltet worden, dass die gegenseitigen Erfüllungsansprüche erloschen seien und nur durch die Erklärung des Insolvenzverwalters, er wähle gemäß § 17 KO (= § 103 InsO) die Erfüllung, wieder entstehen könnten4. Diese teilweise heftig kritisierte5 Auslegung hat der BGH6 angesichts diverser ungewollter Folgen7 dahingehend konkretisiert, dass die Eröffnung des Verfahrens kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche im Sinn einer materiell-rechtlichen Umgestaltung bewirkt, sondern dass die noch offenen Ansprüche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit verlieren, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind8. Wählt der Verwalter Erfüllung, so erhalten die zunächst nicht durchsetzbaren Ansprüche die Rechtsqualität von originären Forderungen der und gegen die Masse.

1.422

Die Aufrechnungsmöglichkeiten hängen von dem Abwicklungsstand des gegenseitigen Vertrages bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab.

1.423

– Die Forderung des solventen Vertragspartners auf Schadenersatz wegen einer Ablehnung der Vertragserfüllung durch den Insolvenzverwalter wird erst durch die Verfahrenseröffnung begründet und mit ihrer Geltendmachung durch den Vertragspartner unbedingt und fällig. Daher kann sie zur Aufrechnung gegen eine schon bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens fällige Forderung des Schuldners nicht verwendet werden. Aufrechenbar ist aber eine Forderung des Vertragspartners auf Erfüllung für den Teil der Leistungen, die er vor der Verfahrensöffnung bereits erbracht hat9. Eine solche Schadenersatzforderung kann 1 Zu der damals noch in § 15 KO enthaltenen Regelung: RG v. 15.2.1884 – III 286/83, RGZ 11, 49; RG v. 1.2.1932 – VI 472/31, RGZ 135, 167; noch offengelassen in RG v. 16.2.1884 – I 504/83, RGZ 11, 136. 2 BGH v. 13.7.1967 – II ZR 268/64, WM 1967, 929; zuletzt BGH v. 29.1.1987 – IX ZR 205/85, ZIP 1987, 304 = WM 1987, 380. 3 BGH v. 11.2.1988 – IX ZR 36/87, ZIP 1988, 322; BGH v. 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236; BGH v. 22.6.1989 – IX ZR 279/88, ZIP 1989, 1413; BGH v. 4.3.1993 – IX ZR 169/92, WM 1993, 1057. 4 BGH v. 20.12.1988 – IX ZR 50/88, WM 1989, 229; BGH v. 7.6.1991 – V ZR 17/90, ZIP 1991, 945; BGH v. 4.3.1993 – IX ZR 169/92, ZIP 1993, 600; BGH v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, ZIP 1995, 926; BGH v. 27.2.1997 – IX ZR 5/96, JZ 1998, 154; BGH v. 8.1.1998 – IX ZR 131/97, BB 1998, 388; OLG Düsseldorf v. 12.7.1995 – 11 U 47/94, ZIP 1996, 337; kritisch Gerhardt FS Merz, 1992, 117; Dahncke, Zur Sicherungsabtretung von Forderungen, die im Konkurs des Zedenten dem § 17 KO unterliegen, 1997, 196; zur Aufrechnung s. Adam WM 1998, 801. 5 Bork FS Zeuner, 1994, 297: „Diese Deutung ist historisch nicht belegt, systematisch unstimmig und teleologisch unhaltbar“. 6 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZInsO 2002, 577; s. auch Besprechung von Graf/Wunsch ZIP 2002, 2117; BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, ZIP 2003, 1208; BGH v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZIP 2006, 87. 7 Beispiele s. Obermüller, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, 985 ff. 8 S. Übersicht bei Smid NZI 2004, 1; Kritik aus dogmatischer Sicht s. Marwedel ZInsO 2011, 937; von Wilmowsky ZIP 2012, 401; von Wilmowsky KTS 2011, 453. 9 S. auch die umfassende Darstellung bei Kayser WM 2008, 1525; kritisch von Wilmowsky KTS 2012, 285.

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Erster Teil Rz. 1.423 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

auch gegen eine Forderung der Masse auf Rückgabe einer etwa schon geleisteten Anzahlung verrechnet werden; es handelt sich um einen Rechnungsposten bei der Ermittlung des Ersatzanspruchs und nicht um eine Aufrechnung1. – Wenn der Verwalter sich für die Erfüllung des Vertrages entscheidet und die erbrachten und die bis zur Verfahrenseröffnung nicht erbrachten Teile der Vertragsleistung teilbar sind, wird das Vertragsverhältnis durch die Eröffnung des Verfahrens aufgespalten2. Forderungen aus seinen vor der Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen kann der Vertragspartner des Insolvenzschuldners nur als Insolvenzforderungen geltend machen3. Gegen Zahlungsansprüche der Masse aus deren vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen kann er mit Schadenersatzansprüchen wegen des Abbruchs des Vertrages aufrechnen4. – Wenn der solvente Partner seinerseits nach Verfahrenseröffnung Leistungen des Insolvenzschuldners empfangen hat, kann er gegen die daraus herrührenden Forderungen der Masse mit seinen Insolvenzforderungen nicht aufrechnen5.

1.424

Der Insolvenzverwalter kann nur dann die Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages verlangen oder die Erfüllung ablehnen, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung im Synallagma stehende Hauptleistungspflichten ganz oder teilweise ausstanden. Neben- und Nebenleistungspflichten, die mit den Vertragspflichten der anderen Vertragspartei nicht synallagmatisch verbunden sind, reichen nicht6. Das Wahlrecht steht dem Verwalter nicht zu, wenn der Anspruch des Vertragspartners durch eine Vormerkung im Grundbuch gesichert ist (§ 106 InsO)7; zur Si1 BGH v. 7.2.2013 – IX ZR 218/11, ZIP 2013, 526. 2 BGH v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, ZIP 1995, 926; BGH v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98, WM 2001, 1470; Thode ZfIR 2000, 165; Kreft FS Uhlenbruck, 2000, 387; Huber NZI 2002, 467; kritisch Kesseler ZIP 2005, 2046. 3 Umsatzsteuerlich wird diese Trennung bei Ist-Besteuerung nicht berücksichtigt, sondern die gesamte Lieferung oder Leistung als nach Verfahrenseröffnung erbracht und die Umsatzsteuer damit als Masseverbindlichkeit eingestuft (BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07, NZI 2009, 447 mit Anm. de Weerth und Kahlert DStR 2015, 1485; BFH v. 30.4.2009 – V R 1/06, NZI 2009, 662 mit Anm. de Weerth und Kritik von Fölsing NZI 2009, 794; zu den Folgen s. auch Onusseit ZIP 2009, 2180), denn hier ist auf den Zahlungszeitpunkt abzustellen (BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07, NZI 2009, 447). Dagegen ist bei Soll-Besteuerung die Vorsteuer aus noch unbezahlten Leistungen, welche vor Insolvenzeröffnung bezogen wurden, im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zu berichtigen (ständige Rechtsprechung, BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, ZIP 2010, 383 Rn. 27; de Weerth ZInsO 2008, 1252 [1254]). Eine etwaige Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters hinsichtlich einer vor Insolvenzeröffnung bezogenen unbezahlten Leistung führt zu einer erneuten Berichtigung der Umsatzsteuer (BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, ZIP 2010, 383 Rn. 41 unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung). 4 BGH v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, ZIP 2001, 31 = ZInsO 2001, 71; BGH v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98, ZIP 2001, 1380 = WM 2001, 1470; BGH v. 18.10.2001 – IX ZR 493/00, ZIP 2001, 2142 = NZI 2002, 95; BGH v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03, ZIP 2005, 1561 = WM 2005, 1675; Wazlawik DB 2002, 2587; dementsprechend für während des Verfahrens fällig gewordenen Mängelbeseitigungskosten BGH v. 22.9.2005 – VII ZR 117/03, ZIP 2005, 1972 = ZInsO 2005, 1165; s. auch die umfassende Darstellung bei Kayser WM 2008, 1525. 5 BGH v. 27.2.1997 – IX ZR 5/96, ZIP 1997, 688; BGH v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, NZI 2001, 23; BGH v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98, WM 2001, 1470; BGH v. 18.10.2001 – IX ZR 493/00, NZI 2002, 95; BGH v. 20.10.2011 – IX ZR 10/11, ZIP 2011, 2262; Thode ZfIR 2000, 165. 6 BGH v. 16.5.2019 – IX ZR 44/18, ZIP 2019, 1233 = ZInsO 2019, 1364; s. dazu Riewe NZI 2019, 587; Wilhelm BB 2019, 1614. 7 Zur Vormerkungsfähigkeit des Anspruchs s. BGH v. 9.3.2006 – IX ZR 11/05, ZIP 2006, 1141 = WM 2006, 869; OLG Düsseldorf v. 27.2.2020 – I-12 U 48/19, ZInsO 2021, 337; zum relevanten

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E. Eröffnetes Insolvenzverfahren | Rz. 1.451 Erster Teil

cherung genügen die bindende Bewilligung und der Eintragungsantrag des Begünstigten (§ 140 Abs. 2 InsO)1. Besonderheiten gelten insbesondere bei Insolvenzen von Bauträgern. Verpflichtet sich ein Bauträger gegenüber dem Erwerber zur Übereignung eines Grundstücks und zur Erstellung eines Hauses und wird zugunsten des Erwerbers eine Auflassungsvormerkung eingetragen, so ist in der Insolvenz des Bauträgers die Anwendung des § 103 InsO auch dann ausgeschlossen, wenn der Bauträger außer dem vorgemerkten Anspruch dem Gläubiger gegenüber noch weitere Verpflichtungen übernommen hat, diese aber noch nicht oder nicht vollständig erfüllt hat. Danach kann der Erwerber zwar nicht die Fertigstellung2, wohl aber die Übereignung des Bauwerks durchsetzen3.

1.425

2. Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge erlöschen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 115, 116 InsO). Sie gelten ausnahmsweise als fortbestehend, wenn mit dem Aufschub der Ausführung Gefahr verbunden ist oder wenn der Beauftragte ohne Verschulden die Eröffnung des Verfahrens nicht kennt. Die §§ 116, 115 InsO wirken nur für die Zukunft4 und berühren einen Auftrag, der bereits ganz oder teilweise ausgeführt ist, nicht5. Diese Regelungen betreffen insbesondere den Bereich des Zahlungsverkehrs.

1.426

1.427–1.450

frei

VI. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen 1. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Verfahrenseröffnung Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch Insolvenzgläubiger sowie Arreste6 und Beschlagnahmen7 sind während des Insolvenzverfahrens weder in das zur Insolvenzmasse gehörende noch in das insolvenzfreie Vermögen8 zulässig (§ 89 Abs. 1 InsO). Dies gilt auch für Forderungen der Finanzverwaltung9, Vollstreckungsakte im Verwaltungszwangsverfahren (§ 5

1 2 3 4 5

6 7 8 9

Zeitpunkt für eine Insolvenzanfechtung s. BGH v. 25.3.2021 – IX ZR 70/20, ZIP 2021, 967 = ZInsO 2021, 1077 mit Anm. Riewe NZI 2021, 577. BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 242/97, ZIP 1998, 836. OLG Koblenz v. 10.7.2006 – 12 U 711/05, ZInsO 2007, 1353. Weiterführend von Heymann/Wagner/Rösler, MaBV für Notare und Kreditinstitute, 2000. BGH v. 6.7.2006 – IX ZR 121/05, ZIP 2006, 1781 = ZInsO 2006, 1055; Goetsch in BK InsO, Stand 2010, § 115 Rn. 6; Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 115 Rn. 6; Wegener in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 115 Rn. 7. Schmidt in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 115 Rn. 7, 8; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1079; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 23 Anm. 2 – diese Vorschrift wurde inhaltlich unverändert als §§ 115, 116 InsO übernommen (Begründung RegE zu §§ 133, 134); insoweit entsteht ein Aufwendungsersatzanspruch (RG v. 16.11.1911 – IV 119/11, LZ 1912, Sp. 326; RG v. 24.5.1911 – VI/1910, LZ 1912, Sp. 329). Dies gilt auch für strafprozessuale Arreste (KG v. 6.7.2005 – 5 Ws 299–307, 334/05, NJW 2005, 3734 und unten Rn. 6.1530 ff.); zum persönlichen Arrest s. OLG Düsseldorf v. 29.9.2005 – II-4 UF 143/05, ZVI 2005, 545. Zur Wirkung von Beschlagnahmen nach § 111c StPO s. BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 41/05, ZIP 2007, 1338 = ZInsO 2007, 709 und Obermüller FS Feigen 2014, 203. BGH v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06, ZIP 2009, 818 = ZInsO 2009, 830. BFH v. 27.11.1974 – I R 185/73, BStBl. II 1975, 208.

Martin Obermüller | 97

1.451

Erster Teil Rz. 1.451 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

VwVG, § 251 Abs. 2 Satz 1 AO)1 und vorläufige Pfändungen nach der Europäischen Kontenpfändungsverordnung (EuKoPfVO)2. Mit einer Vorpfändung kann der Gläubiger nur dann ein Recht auf abgesonderte Befriedigung erwerben, wenn die nachfolgende Pfändung noch vor Insolvenzeröffnung zugestellt wird3. Sonstige vorbereitende Maßnahmen für eine zukünftige Zwangsvollstreckung wie Vollstreckbarkeitserklärung und Klauselerteilung sind jedoch zulässig4. In der Insolvenz einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird nur das Gesellschaftsvermögen und nicht das des Gesellschafters von dem Vollstreckungsverbot geschützt5.

1.452

Die Vollstreckung wegen Masseforderungen ist für die Dauer von sechs Monaten seit der Verfahrenseröffnung grundsätzlich unzulässig (§ 90 Abs. 1 InsO). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn die Masseforderung auf Ansprüchen aus einem gegenseitigen Vertrag beruht, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, oder auf einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter kündigen konnte, oder soweit der Verwalter die Gegenleistung für die Masse in Anspruch genommen hat (§ 90 Abs. 2 InsO).

1.453

Das Vollstreckungsverbot gilt auch für nachrangige Forderungen, wie z.B. während des Insolvenzverfahrens anfallende Zinsen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO)6 oder Forderungen aus Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO).

1.454

Bei einem Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO ist ein Pfändungsund Überweisungsbeschluss aufzuheben, um die Verstrickung zu beseitigen7. Die Pfändung ist nicht etwa nichtig, denn das wäre nur der Fall, wenn sie unter einem besonders schweren und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundigen Fehler leiden würde8.

1.455

Der Schuldner braucht bei der Zwangsvollstreckung in insolvenzgebundene Gegenstände keinen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zu stellen9. Ein solcher Antrag wäre ohnehin wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abzuweisen. Wohl aber können der Insolvenz-

1 Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 89 Rn. 4; zum Gläubigerwechsel s. VG Düsseldorf v. 22.4.2015 – 5 K 8185/14, ZInsO 2015, 1798. 2 Erwägungsgrund (8) der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 189/59 v. 27.6.2014. 3 RG v. 30.4.1936 – VI 447/35, RGZ 151, 205; LG Detmold v. 15.6.1976 – 2 T 146/76, KTS 1977, 126. 4 RG v. 22.1.1892 – III 317/91, RGZ 29, 76; RG v. 24.5.1895 – III 58/95, RGZ 35, 81; OLG Düsseldorf v. 23.1.2002 – 19 Sa 113/01, NZI 2002, 388; BGH v. 12.12.2007 – VIII ZB 108/06, ZInsO 2008, 158. 5 OLG Saarbrücken v. 29.7.2009 – 1 Ws 118/09, ZInsO 2009, 1704. 6 Begründung zu § 46 RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443. 7 BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, ZInsO 2017, 2267 Rn. 17; s. dazu Homann ZVI 2018, 137; AG Göttingen v. 26.10.2018 – 74 IK 155/18 GÖ, ZIP 2019, 685 = ZInsO 2019, 158; Kuleisa in Hamburger Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2021, § 88 Rn. 19; Mock in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 62; Fischer ZInsO 2003, 101; Fink ZInsO 2000, 353 m.w.N. 8 BGH v. 2.7.2020 – VII ZA 3/19, WM 2020, 1548 Rn. 16. 9 AG Göttingen v. 26.10.2018 – 74 IK 155/18, ZInsO 2019, 158.

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F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.461 Erster Teil

verwalter und der Drittschuldner Erinnerung einlegen1. Die Erinnerung kann auch ein anderer Insolvenzgläubiger einlegen2, was sich aber nur empfiehlt, wenn der Verwalter untätig bleibt.

2. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vor Verfahrenseröffnung Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die vor Verfahrenseröffnung zulässig waren, können mit der Rückschlagsperre (Einzelheiten s. Rn. 6.221, 6.228) und mit der Insolvenzanfechtung (Einzelheiten s. Rn. 6.221) beseitigt werden. frei

1.456

1.457–1.459

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten Das Insolvenzverfahren sieht die Einsetzung eines Insolvenzverwalters3, eines Treuhänders oder Sachwalters, eines Gläubigerausschusses, die Einberufung einer Gläubigerversammlung und ggf. einer Anleihegläubigerversammlung vor. Deren Rechte und Pflichten sollen im Folgenden kurz4 dargestellt werden.

1.460

I. Insolvenzverwalter Mit der Insolvenzeröffnung verliert der Schuldner die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird durch den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes5, Organ der Rechtspflege6 und

1 RG v. 22.1.1892 – III 317/91, RGZ 29, 76. 2 OLG Düsseldorf v. 8.10.1968 – 19 U 33/68, KTS 1969, 108. 3 Selbstverständlich kann es sich auch um eine Insolvenzverwalterin handeln (s. die ausführliche Begründung und Kritik am Gesetzestext von Hess/Weis, InVo 1997, 141). Im Sinne der Gleichbehandlung werden die männlichen und weiblichen Formen der Begriffe bzw. für alle Geschlechter das generische Maskulinum genutzt, von der Verwendung des generischen Femininums wird entgegen dem Referentinnenentwurf zum SanInsFoG im Einklang mit dem RegE v. 14.10.2020 abgesehen, dies u.a. entsprechend den verlautbarten Bedenken des Innenministeriums; vgl. beck aktuell, Heute im Recht, 12.10.2020, „Gesetzentwurf mit weiblichen statt männlichen Formen“, https://www.beck.de, Abruf: 12.10.2020 (Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2561); zur Frauenquote s. AG Frankfurt/O. v. 22.10.2013 – 3 IN 385/13, ZIP 2014, 641; zur Anrede in Formularen s. BGH v. 13.3.2018 – VI ZR 143/17, WM 2018, 778. 4 Ausführliche Darstellung bei Hess/Obermüller, Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der InsO, 1996. 5 BGH v. 26.1.2006 – IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260; zu den Theorien über Die Rechtsstellung des Verwalters s. Kleinfeller, KO, 1900, § 6 III A; Hess/Obermüller, Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der InsO,1996, Rn. 671; Windel in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2007, § 80 Rn. 15 ff.; Mock in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 61 ff.; zur geschichtlichen Entwicklung des Verwalterberufs s. Beck FS Smid 2022, 13; zur „Insolvenz“ der Verwaltertheorien s. Kluth NZI 2000, 351. 6 Marotzke ZInsO 2009, 1929.

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1.461

Erster Teil Rz. 1.461 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB1 ausgeübt (§ 80 InsO)2. Der Insolvenzverwalter wird bei Eröffnung des Verfahrens von dem Insolvenzgericht ernannt (§ 27 Abs. 1, § 56 InsO). Er steht unter der Aufsicht des Gerichts3, kann von einem Gläubigerausschuss überwacht werden (Einzelheiten s. Rn. 1.520 ff.) und bedarf für bestimmte Entscheidungen der Zustimmung der Gläubigerversammlung (Einzelheiten s. Rn. 1.680).

1. Auswahl des Verwalters 1.462

Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters gehört nach wie vor zu den Mysterien des Insolvenzverfahrens4 und das am heftigsten umstrittene Thema im Insolvenzrecht5; im Reformprogramm der Bundesregierung nahm es in der 17. Wahlperiode einen der ersten Plätze ein6. Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen hat hier eine Lösung gesucht, in der dem vorläufigen Gläubigerausschuss eine wichtige Rolle zukommt7.

1.463

Die Auswahl des richtigen Verwalters ist die wohl wichtigste Entscheidung im Insolvenzverfahren8. Das Gesetz fordert, als Insolvenzverwalter eine natürliche9, geschäftskundige, von den Beteiligten unabhängige Person zu bestellen (§ 56 Abs. 1 InsO)10.

1 LG Nürnberg-Fürth v. 6.11.2018 – 11 Ns 412 Js 45500/15, ZInsO 2019, 326; LG Stuttgart v. 5.2.2019 – 12 O 33/19, ZIP 2019, 585. 2 Zur Delegation seiner Aufgaben s. Haarmeyer ZInsO 2011, 1147 und BGH v. 24.1.1991 – IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262 = ZIP 1991, 324. 3 Zur Aufsicht nach § 58 InsO als Risikomanagementprozess s. Rechel ZInsO 2009, 1665; zu Inhalt und Grenzen s. Keller NZI 2009, 633; Ganter ZInsO 2017, 2517. 4 Pape ZInsO 2017, 1341; Zipperer, 20 Jahre Insolvenzverwalterbestellung – Variable und Konstante, ZInsO 2018, 2613. 5 Zu „Bewerberlisten“ und Rechtsmitteln wegen verweigerter Aufnahme s. OLG Düsseldorf v. 24.6.1996 – 3 VA 4/95, NJW-RR 1996, 1273; BVerfG v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00 und 1086/01, ZIP 2004, 1649; BVerfG v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; zu Prätendentenstreitigkeiten s. OLG Düsseldorf v. 31.8.2016 – I-3 VA 2/15, ZInsO 2016, 2255; zu verdeckten Disziplinarmaßnahmen gegen Insolvenzrichter s. OVG Hamburg v. 25.6.2018 – 3 Bs 73/18, ZInsO 2018, 1970. 6 Einzelheiten s. Leutheusser-Schnarrenberger ZInsO 2010, 614. 7 Einzelheiten s. Rn. 1.522 ff.; Gruber NJW 2013, 584 sieht darin eine neue Korrumpierungsgefahr. 8 Haarmeyer InVo 1997, 57; Smid ZInsO 2018, 1825. Zur Problematik der Vorauswahllisten s. BVerfG v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZInsO 2009, 1641 = Frind ZInsO 2009, 1638; BVerfG v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; BVerfG v. 15.2.2010 – 1 BvR 285/10, ZInsO 2010, 620; BGH v. 2.2.2017 – IX AR (VZ) 1/16, ZInsO 2017, 490 mit Entschließung BAKInsO e.V. ZInsO 2017, 532; BGH v. 13.1.2022 – IX AR (VZ) 1/20, ZInsO 2022, 294 = Anm. Haarmeyer ZInsO 2022, 299; Frind ZInsO 2022, 333; Rombach ZInsO 2022, 580; zum delisting s. AG Potsdam v. 5.1.2017 2017 – 3376 E/2-36, ZIP 2017, 784. 9 Eine juristische Person wird durch die Beschränkung des Amts des Insolvenzverwalters auf natürliche Personen nicht in ihren Grundrechten auf Gleichbehandlung und auf Berufsfreiheit verletzt (BVerfG v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, ZInsO 2016, 383 = Pape ZInsO 2016, 428; BGH v. 19.9.2013 – IX AR(VZ) 1/12, ZInsO 2013, 2103; kritisch dazu Bluhm ZIP 2014, 555); gegen die Zulassung juristischer Personen BAKInsO ZInsO 2015, 375. 10 Vorstrafen wegen Insolvenzdelikten stehen einer Bestellung grundsätzlich auch bei fehlendem Zusammenhang mit einer Verwaltertätigkeit entgegen (BGH v. 31.1.2008 – III ZR 161/07, ZIP 2008, 466 = ZInsO 2008, 267 unter Aufhebung von OLG Stuttgart v. 9.5.2007 – 4 U 204/06, ZInsO 2008, 45).

100 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.465 Erster Teil

a) Geschäftskundigkeit des Verwalters Ein eigenes Berufsbild des Insolvenzverwalters gibt es nicht1. Vorwiegend wird diese Funktion wahrgenommen von Rechtsanwälten, Kaufleuten2, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Notwendig ist eine hinreichende praktische Erfahrung3 hinsichtlich der vielfältigen Aufgaben eines Insolvenzverwalters4. Es ist wesentlich, dass der Verwalter diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die gerade für das konkrete Verfahren von Bedeutung sind5. Je nach Art der anstehenden Probleme kann z.B. ein im Arbeitsrecht besonders erfahrener, ein an Anfechtungsprozessen sehr interessierter oder ein politisch einflussreicher Verwalter gefragt sein6. Kein Kriterium darf dagegen die Ortsansässigkeit des Verwalters darstellen7, obwohl dies für viele Gerichte ausschlaggebend zu sein scheint. Noch unglücklicher wäre eine „automatisierte“ Verwalterauswahl nach einer Liste8, aus der die Verwalter der Reihe nach beauftragt werden9.

1.464

b) Unabhängigkeit des Verwalters Das Merkmal der Unabhängigkeit10 ist nach der Stärkung der Gläubigerautonomie11 durch das ESUG zunehmend zum Streitpunkt zwischen manchen Insolvenzgerichten und Gläubigern geworden12. Verbreitet ist die Vermutung und Befürchtung, dass derjenige, der von ei-

1 Zur Führung der Berufsbezeichnung „Insolvenzverwalter“ im Briefkopf eines Rechtsanwalts s. Onusseit ZInsO 2006, 241; kritisch Wernicke, Kartell der Plattmacher, 2010. 2 Der Insolvenzverwalter ist aber in dieser Funktion kein Kaufmann und wird auch dann nicht formell zum Kaufmann, wenn er ein in Insolvenz geratenes kaufmännisches Unternehmen fortführt (OLG Zweibrücken v. 16.11.2018 – 2 U 68/17, ZIP 2018, 2376). 3 Theoretische Kenntnisse aufgrund von Lehrtätigkeit genügen nicht (LG Neuruppin v. 19.10.2005 – 5 T 165/05, DZWIR 2006, 258). 4 Zur Amtsführung s. VID, InsO – Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung, 2014; zu den Versuchen einer Erfolgsprüfung s. BAKInsO ZInsO 2009, 1482. 5 Zur Problematik der Vorauswahllisten s. BVerfG v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZInsO 2009, 1641 = Frind ZInsO 2009, 1638; BVerfG v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; BVerfG v. 15.2.2010 – 1 BvR 285/10, ZInsO 2010, 620; BGH v. 2.2.2017 – IX AR (VZ) 1/16, ZIP 2017, 487 = ZInsO 2017, 490 mit Entschließung BAKInsO e.V. ZInsO 2017, 532; BGH v. 13.1.2022 – IX AR (VZ) 1/20, ZIP 2022, 279 = ZInsO 2022, 294. 6 S. Ergebnisse einer Befragung von Insolvenzgerichten und Kreditinstituten zum Anforderungsprofil des Insolvenzverwalters bei Degenhart ZInsO 2001, 337. 7 OLG Düsseldorf v. 27.1.2009 – I-3 Va 8/08, ZInsO 2009, 769; OLG Stuttgart v. 5.12.2005 – 19 VA 4/05, ZIP 2006, 342; zurückhaltender OLG Düsseldorf v. 20.1.2011 – I-3 VA 2/10, ZIP 2011, 341. 8 Illustriert wird dies auch durch einen kuriosen Fall, in dem Insolvenzrichter für sich vergeblich (OLG Düsseldorf v. 31.7.2009 – I-3 VA 1/09, ZIP 2009, 2070 = ZInsO 2010, 62) Prozesskostenhilfe begehrt haben, um dem Gesuch eines Rechtsanwalts auf Aufnahme in die Liste entgegenzutreten. 9 Frind ZInsO 2001, 481 m.w.N. 10 Ausführlich zum Merkmal der Unabhängigkeit Schumann FS Geimer, 2002, 1043; Hill ZInsO 2005, 1289; Römermann ZInsO 2013, 218; Fragebogen zur Unabhängigkeit s. Siemon ZInsO 2014, 938 und Erwiderung von Frind ZInsO 2014, 1315. 11 Zu Inhalt und Bedeutung s. Graf-Schlicker FS Smid 2022, 133; Biel/Wittmann ZInsO 2022, 2105. 12 Horstkotte ZInsO 2013, 160 m.w.N.; Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG-Evaluation) v. 7.12.2011 (BGBl. I 2011, 2582) vom August 2018 – ZInsO 2018, 2400; Kurzbericht Jacoby/Madaus/Sack/Schmidt/Thole ZInsO 2018, 2402; zu möglichen Konsequenzen s. Beissenhirtz ZInsO 2019, 180; Buchalik ZInsO 2019, 465; Pape ZInsO 2018, 2725; Weitzmann BB 2019, 521.

Martin Obermüller | 101

1.465

Erster Teil Rz. 1.465 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

nem Hauptgläubiger als Insolvenzverwalter empfohlen wird1, sich in besonderem Maße der fehlenden Unabhängigkeit und der Interessenkollision verdächtig mache2. Regelmäßig verfolgen die Großgläubiger mit ihren Vorstellungen keine unbilligen Ziele, sondern wollen nur eine qualifizierte Abwicklung sichern. Der Insolvenzrichter sollte deshalb, wenn keine konkreten Zweifel an der Unabhängigkeit des Vorgeschlagenen bestehen3, dem Vorschlag nachkommen.

1.466

Beliebte Argumente, mit denen manche Richter sich gegen Vorschläge von Gläubigern zu wehren pflegten, bezeichnet das Gesetz nunmehr ausdrücklich als unmaßgeblich: Einem Kandidaten darf zukünftig nicht schon dann die Eignung zum Amt des Insolvenzverwalters abgesprochen werden, wenn er – vom Schuldner oder einem Gläubiger vorgeschlagen wurde (§ 56 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 InsO), – den Schuldner vor dem Eröffnungsantrag in allgemeiner Form über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen beraten hat (§ 56 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 InsO). Eine außergerichtliche Sanierungstätigkeit schließt die Übernahme eines Insolvenzverwalteramtes jedoch ebenso aus4 wie die Zugehörigkeit des gewünschten Verwalters zu einer Sozietät, die von dem vorschlagenden Großgläubiger zahlreiche, zum Teil noch nicht abgeschlossene Mandate erhalten hat5. Wer als Restrukturierungsbeauftragter oder Sanierungsmoderator in einer Restrukturierungssache des Schuldners tätig war, kann für Unternehmen einer bestimmten Größenordnung (§ 22a Abs. 1 InsO) nur dann zum Insolvenzverwalter bestellt werden, wenn der vorläufige Gläubigerausschuss zustimmt.

1.467

§ 56 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 InsO wendet sich nur an das Gericht und entbindet einen Rechtsanwalt, der als Insolvenzverwalter vorgeschlagen wird, nicht von der Pflicht, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob er an einer Übernahme des Amtes durch Tätigkeitsverbote (§ 45 BRAO) gehindert ist6. Die Bestellung eines Verwalters können seine Mitbewerber weder anfechten noch einen vorläufigen Rechtsschutz zur Verhinderung der Bestellung beanspruchen7.

1.468

Da der Erfolg nicht nur eines Sanierungsverfahrens, sondern auch einer Liquidation mit davon abhängt, dass zwischen dem Verwalter und der Mehrheit der Gläubiger trotz aller Interessengegensätze eine konstruktive Zusammenarbeit stattfindet, sollten diejenigen Gläubiger, die letztlich die Hauptlast des Verfahrens, insbesondere bei dem Bestreben nach einer vollständigen oder teilweisen Fortführung des Unternehmens zu tragen haben, sich nicht scheuen, mit dem Gericht im Vorfeld Kontakt aufzunehmen, um einen geeigneten Verwalter zu finden8. Dies ist zwar ein heikles Unterfangen, denn bei der Besetzung des Insolvenzverwalteramtes muss das Gericht darauf achten, dass der Insolvenzverwalter sowohl von den Gläubigern als auch von dem Schuldner unabhängig sein soll. Manche Gerichte lehnen prin1 Zum sog. Bankenverwalter s. Förster ZInsO 2009, 554. 2 Obermüller/Hess, InsO, 4. Aufl. 2003, Rn. 562. 3 Fragebogen zur Prüfung der Unabhängigkeit s. Frind/Graeber/Schmerbach/Siemon/Stephan ZInsO 2012, 368. 4 OLG Celle v. 23.7.2001 – 2 W 41/01, ZIP 2001, 1597 = ZInsO 2001, 755. 5 BGH v. 22.4.2004 – IX ZB 154/03, ZIP 2004, 1113. 6 Landfermann WM 2012, 821; anders Römermann/Praß ZInsO 2011, 1576, die hier eine Kollision zwischen BRAO und InsO sehen. 7 BVerfG v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355. 8 Graeber DZWIR 2000, 455; zurückhaltend Frind DZWIR 2001, 497; zur Insolvenzverwalterauswahl aus Sicht der Kreditinstitute s. Wollgarten/Killig BankPraktiker 2009, 32.

102 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.472 Erster Teil

zipiell jeden Verwalter ab, der von einem Gläubiger vorgeschlagen wird. Geschickte Gläubiger nützen dies zu einer Negativauslese aus. Beides ist nicht korrekt. Vor allem in Fällen, in denen damit zu rechnen ist, dass der Insolvenzverwalter für das Antragsverfahren oder für das eröffnete Verfahren eine Finanzierung durch eine Bank benötigen wird, sollte das Insolvenzgericht berücksichtigen, dass es nicht reicht, wenn der Insolvenzverwalter das Vertrauen des Gerichts genießt. Er braucht auch das Vertrauen des Kreditinstituts, das dieses nicht jedem gelisteten Insolvenzverwalter schenken wird. So kann das Insolvenzgericht nicht erwarten, dass ein Insolvenzverwalter einen Kredit für das Unternehmen erhalten wird, wenn er schon einmal ein Verwalterdarlehen nicht oder nicht vollständig hat zurückzahlen können. Eine Verständigung des Inhalts, welchem Insolvenzverwalter die Bank im konkreten Fall ein Verwalterdarlehen einräumen würde (und welchem nicht), ist daher geboten. Der Gesetzgeber hat im SanInsFoG versucht, die Situation durch den Anspruch von Schuldnerunternehmen einer bestimmten Größenordnung (§ 10a Abs. 1 InsO) auf ein Vorgespräch zu klären, da die Vorabstimmung mit dem Insolvenzgericht seitens der Praxis als ein wesentlicher Erfolgsfaktor für erfolgreiche Eigenverwaltungen benannt wurde1; die Anhörung von Gläubigern hat das Gesetz in das Ermessen des Insolvenzgerichts und unter den Vorbehalt der Zustimmung des Schuldners gestellt (§ 10a Abs. 2 InsO).

1.469

2. Abwahl des Insolvenzverwalters Die Gläubiger können sowohl im Antragsverfahren als auch im eröffneten Verfahren für die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters sorgen.

1.470

a) Abwahl im Antragsverfahren Wenn nach § 22a InsO ein Gläubigerausschuss zu bestellen war und das Insolvenzgericht zur Abwendung nachteiliger Veränderungen der Insolvenzmasse den Gläubigerausschuss erst nach der Bestellung des vorläufigen Verwalters einsetzt, kann der Gläubigerausschuss in seiner ersten Sitzung eine andere Person zum Verwalter wählen (Einzelheiten s. Rn. 1.598 ff.).

1.471

Bereits im Antragsverfahren kann das Gericht gehalten sein, die Bestellung eines von ihm eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalters wieder aufzuheben, wenn die Großgläubiger des Schuldners wegen der Vorbefassung des Verwalters einhellig erhebliche Zweifel an seiner Unabhängigkeit äußern, auf die Gefahr einer Interessenkollision hinweisen und auf seine Ablösung drängen2. Eine fortdauernde Belastung des Verfahrens durch den Streit um die Person des vorläufigen Verwalters kann im Interesse des gebotenen zügigen Verfahrensfortgangs nicht hingenommen werden. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder ist dagegen kein hinreichender Grund für dessen Entlassung3.

1.472

1 Begründung RegE SanInsFoG v. 9.11.2020 – BT-Drucks. 19/24181 Teil B zu Art. 5 Nr. 6. 2 AG Flensburg v. 8.4.2003 – 56 IN 60/03, ZIP 2003, 920; zur Reichweite und Grenzen der richterlichen Kontrolle s. Frind ZInsO 2006, 182. 3 BGH v. 19.1.2012 – IX ZB 21/11, ZIP 2012, 583.

Martin Obermüller | 103

Erster Teil Rz. 1.473 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

b) Abwahl im eröffneten Verfahren

1.473

In der ersten Gläubigerversammlung können die Gläubiger eine andere Person zum Insolvenzverwalter wählen (§ 57 InsO)1. Ein entsprechender Antrag setzt die Benennung eines konkret zu wählenden anderen Insolvenzverwalters voraus. Beschränkt sich der Antrag auf die Forderung, der bisherige Insolvenzverwalter solle nicht Insolvenzverwalter bleiben, kann dies mangels konkretem Alternativ-Wahlvorschlag vom Insolvenzrechtspfleger als bloße Stellungnahme zum Tagesordnungspunkt „Wahl eines anderen Insolvenzverwalters“ gewertet werden2. Sofern das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss das schriftliche Verfahren angeordnet hat, muss es auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Wahl eines neuen Insolvenzverwalters auf schriftlichem Weg durchführen oder in das regelmäßige Verfahren übergehen3. Der Beschluss der Gläubigerversammlung ist keine gerichtliche Entscheidung und deshalb mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar4. Der Beschluss kann zwar nicht im Verfahren nach § 78 InsO aufgehoben werden5, das Gericht kann die Bestellung des Gewählten aber versagen, wenn dieser für die Übernahme des Amtes etwa wegen fehlender Erfahrung6 nicht geeignet ist (§ 57 Satz 3 InsO). Damit ist klargestellt, dass die Ernennung nicht schon mit der Begründung abgelehnt werden kann, der Wechsel sei untunlich, da ein neuer Verwalter sich erst einarbeiten müsse und zusätzliche Kosten entstehen, oder, der bisherige Verwalter habe aus Sicht des Gerichts ordentlich gearbeitet und sich keiner Verfehlungen schuldig gemacht7. Die Ernennung des gewählten Insolvenzverwalters darf auch nicht mit dem Hinweis versagt werden, das Insolvenzgericht selbst habe einen geeigneten Insolvenzverwalter eingesetzt. Die Eignung und die bisherige Amtsführung des vom Gericht ernannten Insolvenzverwalters steht in dem Verfahren, in dem es um die Ernennung des gewählten Insolvenzverwalters geht, nicht zur Diskussion8. Das Gericht hat nur die Eignung und die Objektivität des gewählten Insolvenzverwalters zu überprüfen.

1.474

Es kann auch nicht darauf ankommen, welche Erwartungen die wahlberechtigten Gläubiger mit der Wahl eines bestimmten Insolvenzverwalters möglicherweise verbinden, sondern es kann nur darauf abgestellt werden, ob objektive Gründe gegeben sind, die Zweifel an der Unparteilichkeit des gewählten Insolvenzverwalters rechtfertigen9. Es müssen somit konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der gewählte Insolvenzverwalter, an dessen persönlicher Integrität keine Zweifel geäußert werden, in irgendeiner Form von den Insolvenzgläubigern abhängig ist, oder aber es müssen sachliche Gründe dafür vorliegen, dass der gewählte Insolvenzverwalter die Interessen der Gläubiger, die keine besondere Verbindung zum Schuldner haben, nicht in der notwendigen objektiven Weise vertreten wird. Ausreichend für die Versagung der Bestellung kann dabei die konkrete Gefahr einer Interessenkollision sein, wenn der 1 Zur Verfassungskonformität des Rechts zur Wahl eines anderen Verwalters s. BVerfG v. 9.2.2005 – 1 BvR 2719/04, ZIP 2005, 537 = ZInsO 2005, 368. 2 AG Hamburg v. 22.6.2020 – 67h IN 118/19, ZIP 2020, 1929 = ZInsO 2020, 1835. 3 BGH v. 16.5.2013 – IX ZB 198/11, ZIP 2013, 1286 = ZInsO 2013, 1307. 4 OLG Zweibrücken v. 19.10.2000 – 3 W 198/00, ZIP 2000, 2173; AG Düsseldorf 29.3.2018 – 502 IN 216/15, ZIP 2018, 1992= ZInsO 2018, 2038; s. dazu Leithaus NZI 2019, 116; a.A. AG Holzminden v. 1.13.2000 – 10 IN 20/00, DZWIR 2001, 82. 5 BGH v. 17.7.2003 – IX ZB 530/02, ZIP 2003, 1613; BGH v. 7.10.2004 – IX ZB 128/03, ZInsO 2004, 1314; BVerfG v. 9.2.2005 – 1 BvR 2719/04, ZInsO 2005, 368. 6 OLG Hamm v. 24.2.1987 – 15 W 66/87, ZIP 1987, 1333. 7 OLG Schleswig v. 27.5.1986 – 1 W 42/86, WM 1986, 1199; KG v. 16.10.2001 – 7 W 130/01, ZIP 2001, 2240. 8 OLG Karlsruhe v. 5.8.1997 – 10 W 23/97, ZIP 1997, 1970. 9 Obermüller/Hess, InsO, 4. Aufl. 2003, Rn. 562.

104 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.477 Erster Teil

amtierende Verwalter einem Großgläubiger eine Insolvenzanfechtung angedroht hat und nun dieser Gläubiger die Wahl eines neuen Verwalters maßgeblich betreibt1. Andererseits kann allein die Tatsache, dass die Wahl eines neuen Verwalters nur mit den Stimmen weniger Großgläubiger zustande gekommen ist, eine Versagung der Bestellung nicht rechtfertigen2. Die Wahl eines neuen Verwalters durch die Gläubiger kann – wie erwähnt – nur in der ersten Gläubigerversammlung vollzogen werden3, danach können die Gläubiger zwar einen Antrag an das Gericht auf Entlassung des Verwalters stellen, dem aber nur stattzugeben ist, wenn ein wichtiger Grund (§ 59 InsO) vorliegt. Verweigert das Gericht die Bestellung des Gewählten, so ist eine erneute Wahl zulässig4.

1.475

Zwar können die Gläubiger einen Insolvenzverwalter, nachdem die erste Gläubigerversammlung abgelaufen ist, nicht mehr abwählen, auch wenn die Umstände, auf denen ihre Kritik beruht, erst nach dieser Versammlung eingetreten sind. Sie können aber unmittelbar, über den Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung darauf hinwirken, dass das Insolvenzgericht den Verwalter aus wichtigem Grund aus dem Amt entlässt (§ 59 Abs. 1 InsO)5. Dafür reicht aber ein Verstoß gegen Beschlüsse des Gläubigerausschusses nicht ohne Weiteres aus6. Die Entlassung des Insolvenzverwalters wegen ihm vorgeworfener Pflichtverletzungen setzt grundsätzlich voraus, dass die Tatsachen, die den Entlassungsgrund bilden, zur vollen Überzeugung des Insolvenzgerichts nachgewiesen sind. Ausnahmsweise können bereits konkrete Anhaltspunkte genügen, wenn der Verdacht im Rahmen zumutbarer Amtsermittlung nicht ausgeräumt und nur durch die Entlassung die Gefahr größerer Schäden für die Masse noch abgewendet werden kann7. Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter von Amts wegen oder auf Antrag des Verwalters, des Schuldners, des Gläubigerausschusses, der Gläubigerversammlung entlassen. In Insolvenzverfahren, die ab dem 1.1.2021 beantragt wurden, kann nunmehr auch jeder Insolvenzgläubiger die Entlassung des Insolvenzverwalters beantragen (Art. 103m EGInsO), jedoch nur, wenn er dies innerhalb von sechs Monaten nach der Bestellung beantragt und der Verwalter nicht unabhängig ist; dies ist von dem Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 InsO).

1.476

3. Haftung des Insolvenzverwalters Der Insolvenzverwalter8 ist für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Beteiligten gegenüber verantwortlich (§ 60 InsO)9. Insolvenzbeteiligte sind der Schuldner, die Insolvenz-

1 Haarmeyer ZInsO 1999, 563. 2 OLG Naumburg v. 26.5.2000 – 5 W 30/99, ZIP 2000, 1394; OLG Karlsruhe v. 5.8.1997 – 10 W 23/ 97, ZIP 1997, 1970; LG Lübeck v. 14.1.1986 – 7 T 1067/85, ZIP 1986, 520; Braun FS Uhlenbruck, 2000, 463. 3 LG Hamburg v. 2.10.2009 – 326 T 76/09, ZInsO 2010, 146; Kritik an der Beschränkung des Wahlrechts auf die erste Versammlung s. Becker NZI 2011, 961. 4 Str.; Kesseler KTS 2000, 491 m.w.N. auf den Streitstand. 5 Beispiele s. LG Stendal v. 20.1.1999 – 25 T 353/98, ZInsO 1999, 233; Gehrlein ZInsO 2011, 1713. 6 LG Traunstein v. 13.7.2009 – 4 T 1939/09, 4 T 1990/09, ZIP 2009, 2460. 7 BGH v. 8.12.2005 – IX ZB 308/04, ZIP 2006, 247 = ZInsO 2006, 147. 8 Zur Haftung des Eigenverwalters und seiner Organe s. Thole/Brünkmans ZIP 2013, 1097. 9 Überblick bei Meyer-Löwy/Poertzgen/Sauer ZInsO 2005, 691; Gehrlein ZInsO 2011, 1713; Pape ZInsO 2019, 2033; rechtshistorische Entwicklung s. Schultz ZInsO 2015, 529; zur Abgrenzung zwischen persönlicher Haftung und Haftung als Verwalter der Masse s. OLG Düsseldorf v. 5.4.2007 – I-19 U 5/07 (zitiert bei Müller ZInsO 2008, 79).

Martin Obermüller | 105

1.477

Erster Teil Rz. 1.477 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

gläubiger, die Massegläubiger sowie die Aus- und Absonderungsberechtigten1. Die Haftung des Insolvenzverwalters für Erfüllungsgehilfen (§ 60 Abs. 2 InsO i.V.m. § 278 BGB) ist ausgeschlossen, wenn er Angestellte des Schuldners, die nicht offensichtlich ungeeignet sind, im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzt2. Insoweit ist er nur für die Überwachung der Angestellten und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.

1.478

Der Verwalter hat bei seiner Tätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 2 InsO); die KO 1877 sprach in dem damaligen § 74 von der „Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters“. Durch die Bezugnahme auf die Sorgfalt eines Insolvenzverwalters wird deutlich, dass die Sorgfaltsmaßstäbe des Handelsund Gesellschaftsrechts (§ 347 Abs. 1 HGB3, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 34 Abs. 1 GenG und § 43 Abs. 1 GmbHG4) nicht unverändert auf den Insolvenzverwalter übertragen werden können, d.h. insolvenzrechtliche Besonderheiten zu beachten sind (z.B. benötigt der Insolvenzverwalter eine Einarbeitungszeit in die Strukturen des für ihn fremden Unternehmens). Ob der Insolvenzverwalter für eine unternehmerische Fehlentscheidung haftet, ist am Insolvenzzweck der bestmöglichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger unter Berücksichtigung der von den Insolvenzgläubigern getroffenen Verfahrensentscheidungen zu messen5. Neben der Haftung für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten6 haftet der Insolvenzverwalter auch nach den allgemeinen Tatbeständen wie z.B. unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung oder der sittenwidrigen Schädigung. Für schuldhafte Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters kann die Insolvenzmasse analog § 31 BGB haften; insoweit besteht eine gleichstufige Verpflichtung im Sinn einer Gesamtschuldnerschaft7.

1.479

Weiterhin haftet der Verwalter für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 61 InsO8. Dazu zählen beispielsweise von ihm aufgenommene Kredite. Dabei ist die Kenntnis der konkreten Pflichtverletzung im Einzelfall entscheidend, nicht der abstrakte Verstoß gegen die gesetzlichen Pflichten, hier der insolvenzspezifischen Pflicht, die Vorwegbefriedigung der Massegläubiger sicherzustellen9. Diese Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeiten nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich

1 BGH v. 5.3.1998 – IX ZR 265/97, WM 1998, 838; BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 422/98, ZIP 2000, 895; OLG Hamm v. 18.3.1999 – 27 U 209/97, DZWIR 1999, 338 = EWiR § 82 KO 1/99, 849 (Lüke); OLG Köln v. 19.4.2001 – 12 U 151/00, ZIP 2001, 1821; BGH v. 9.3.2006 – IX ZR 55/04, WM 2006, 918; schon eine fahrlässig falsche Beurteilung der Rechtswirksamkeit von Aussonderungsrechten führt zur Schadenersatzpflicht (OLG Köln v. 27.10.1995 – 19 U 140/95, WM 1996, 215); s. auch Rn. 6.1517 und Gundlach/Frenzel/Schmidt NZI 2001, 350. 2 Einzelheiten s. Gehrlein ZInsO 2020, 165. 3 Einzelheiten s. Steimle/Dornieden in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 347 Rn. 13 ff.; Schmidt in Ensthaler, HGB, 8. Aufl. 2015, § 347 Rn. 34 ff. 4 Einzelheiten s. Buck-Heeb in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 5. Aufl. 2021, § 43 Rn. 14 ff. 5 BGH v. 16.3.2017 – IX ZR 253/15, ZIP 2017, 779 = ZInsO 2017, 827; s. auch Weitzmann in Priester/Heppe/Westermann, Praxis und Lehre im Wirtschaftsrecht – 10 Jahre Österberg Seminare, 2018, 423. 6 S. zur Abgrenzung BGH v. 25.1.2007 – IX ZR 216/05, ZInsO 2007, 264; BGH v. 25.9.2008 – IX ZR 235/07, ZIP 2008, 2126. 7 OLG Celle v. 1.10.2003 – 9 U 100/03, EWiR § 60 InsO 1/04, 117 m.w.N.; BGH v. 1.12.2005 – IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194 = ZInsO 2006, 100. 8 Einzelheiten s. Hess/Obermüller, Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der InsO, 1996, Rn. 828, 829. 9 OLG Düsseldorf v. 30.11.2018 – I-4 U 5/18, ZInsO 2019, 200; s. dazu Eckert/Holze NZI 2019, 122.

106 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.482 Erster Teil

zur Erfüllung dieser Verbindlichkeiten nicht ausreichen würde. Die Beweislast für Letzteres trägt der Insolvenzverwalter.

4. Sonderinsolvenzverwalter Ist der Insolvenzverwalter wegen Krankheit, Interessenkollision oder aus anderen Gründen an der Ausübung seines Amtes gehindert, muss ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden1. Die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters ist insbesondere geboten, wenn Schadenersatzansprüche der Masse gegen den Insolvenzverwalter erhoben werden sollen2. Mindert der Verwalter durch ein pflichtwidriges Verhalten die Masse, so handelt es sich um einen Gesamtschaden (§ 92 InsO) der Gemeinschaft der Gläubiger3, dessen Durchsetzung während des Verfahrens einem Sonderverwalter oder einem neu bestellten Insolvenzverwalter obliegt und der nach Beendigung des Insolvenzverfahrens im Wege der Nachtragsverteilung von einem neu zu bestellenden Verwalter oder Nachtragsliquidator4 zu verfolgen ist5. Der Sonderinsolvenzverwalter wird vom Insolvenzgericht von Amts wegen oder auf Anregung von Gläubigern bestellt. Ein eigenes Antragsrecht steht einzelnen Gläubigern nicht zu6, wohl aber der Gläubigerversammlung7.

1.480

5. Vergütung Die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters werden vom Insolvenzgericht festgesetzt (§ 64 Abs. 1 InsO). Die Höhe richtet sich nach der InsVV. Honorarvereinbarungen mit Verfahrensbeteiligten dürfen Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht schließen. Vor Abschluss des Insolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter einen Vorschuss auf seine Vergütung beanspruchen (§ 9 InsVV)8.

1.481

Der Beschluss ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 InsO); den voll-

1.482

1 Keller in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 127 Rn. 21 m.w.N.; grundlegend Frege, Der Sonderinsolvenzverwalter, 2008. 2 LG Göttingen v. 3.7.2008 – 10 T 73/08, ZInsO 2008, 1143; AG Bad Homburg v. 3.12.2004 – 61 IN 207/03 S, ZInsO 2008, 1146; zur Antragsberechtigung von Gläubigern s. LG Lüneburg v. 20.3.2008 – 3 T 36/08, ZInsO 2008, 1158. Zum Aufgabenbereich s. Frege ZInsO 2008, 1130; Frege, Der Sonderinsolvenzverwalter, 2008; Lissner ZInsO 2014, 768; Lissner ZInsO 2016, 1409; Rechel ZInsO 2022, 565; zum Fehlen eines Beschwerderechts des Insolvenzverwalters s. BGH v. 20.2.2014 – IX ZB 16/13, ZInsO 2014, 601; zum Beginn der Verjährungsfrist s. OLG Düsseldorf v. 12.9.2022 – I12 U 4/22, ZIP 2023, 481. 3 Zur Abgrenzung zwischen Gesamtschaden und Einzelschaden s. BGH v. 13.12.2018 – IX ZR 66/ 18, ZIP 2019, 380 = ZInsO 2019, 380; OLG Düsseldorf v. 14.11.2022 – I-12 W 17/22, ZInsO 2023, 154. 4 Zu dessen Aufgaben und Vergütung s. OLG Düsseldorf v. 17.5.2019 – I-3 Wx 233/17, ZIP 2019, 1961 = ZInsO 2019, 2546. 5 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 93/08, ZInsO 2009, 2008; zur Nachtragsverteilung nach einem beendeten früheren Konkursverfahren s. OLG Düsseldorf v. 20.5.2014 – I-12 U 96/12, ZIP 2014, 2458; zur Nachtragsverteilung im Insolvenzplanverfahren s. Roth FS Smid 2022, 286. 6 Deshalb auch kein Beschwerderecht gegen die Ablehnung (BGH v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529 = ZInsO 2009, 476). 7 Frege, Der Sonderinsolvenzverwalter, 2008, Rn. 196. 8 Einzelheiten s. Vill ZInsO 2019, 2493.

Martin Obermüller | 107

Erster Teil Rz. 1.482 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

ständigen Beschluss können die Gläubiger in der Geschäftsstelle einsehen; Dritte haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Einblick1. Diese gesetzliche Regelung konterkariert der BGH jedoch mit seinen Entscheidungen, dass eine Veröffentlichung des Inhalts, es seien Vergütung und Auslagen durch Beschluss des Insolvenzgerichts festgesetzt worden, nicht ausreiche2, und eine auszugsweise öffentliche Bekanntmachung nur wirksam sei, wenn der Text folgende Mindestvoraussetzungen erfülle3: Enthalten sein müsse der vollständige – lediglich um die festgesetzten Beträge anonymisierte – Beschlusstenor, die Berechnungsgrundlage, die zugrunde gelegten Zuschläge und Abschläge einschließlich einer schlagwortartigen Bezeichnung und der im Rahmen der Gesamtschau festgesetzte Gesamtzuschlag oder -abschlag. Damit kann auch ein Unbeteiligter unschwer die Höhe des Honorars errechnen.

1.483

Dritte haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Einblick in die Verfahrensakte4. Ihnen kann Einsicht ohne Einwilligung der Verfahrensbeteiligten nur gestattet werden, wenn sie ein rechtliches Interesse dargelegt und glaubhaft gemacht hat. Abzuwägen ist bei der Entscheidung über das Einsichtsgesuch des Dritten das Interesse der Verfahrensbeteiligten an der Geheimhaltung des Verfahrensstoffs mit dem gegenläufigen, gleichfalls geschützten Informationsinteresse des Dritten5. Ein rechtliches Interesse ist beispielsweise anzunehmen, wenn die Akteneinsicht zur Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen durch den Antragsteller benötigt wird und diese einen Bezug zu dem Insolvenzverfahren haben6; auf Vergütungsentscheidungen kann das kaum zutreffen.

1.484

Der Gerichtsvorstand kann anonymisierte Abschriften von Entscheidungen des Insolvenzgerichts erteilen. Soweit die berechtigten Belange und Rechte der Beteiligten des Insolvenzverfahrens durch die Weitergabe einer Abschrift trotz Anonymisierung verletzt sein können, steht dem Gerichtsvorstand ein aufgrund der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens erweitertes Ermessen zu, ob und in welchem Umfang Schwärzungen vorzunehmen sind7. Hierbei ist das oft ins Feld geführte Argument, die uneingeschränkte Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen sei zur ordnungsgemäßen Kontrolle der Gerichtsverfahren durch die Öffentlichkeit zwingend erforderlich, dahin gehend einzuschränken, dass die gebotene Kontrolle der Insolvenzverfahren im Rahmen der fakultativ beteiligten Öffentlichkeit durch die Betroffenen, durch die Gläubiger selbst, gewährleistet ist und dort zu erfolgen hat8.

1.485–1.499

frei

1 OLG Frankfurt v. 13.12.2018 – 20 VA 16/17, ZInsO 2019, 1135; BayObLG v. 12.9.2019 – 1 VA 86/ 19, ZIP 2020, 333 = ZInsO 2019, 2060; Haarmeyer ZInsO 2019, 1352; Vill FS Gehrlein 2022, 571. 2 BGH v. 12.9.2019 – IX ZB 65/18, ZIP 2019, 2018 = ZInsO 2020, 35 Rn. 8. 3 BGH v. 14.12.2017 – IX ZB 65/16, ZIP 2018, 86 = ZInsO 2018, 135; um Abhilfe durch den Gesetzgeber ersucht der Gravenbrucher Kreis in seiner Stellungnahme zum RefE des BMJV v. 19.7.2018 einer Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekV) abgedr. ZInsO 2018, 2068. Im SanInsFoG wurde diese Anregung jedoch nicht aufgegriffen. 4 OLG Frankfurt v. 13.12.2018 – 20 VA 16/17, ZInsO 2019, 1135; BayObLG v. 12.9.2019 – 1 VA 86/ 19, ZIP 2020, 333 = ZInsO 2019, 2060; Haarmeyer ZInsO 2019, 1352; Überblick über die Rechtsprechung zur Akteneinsicht s. Lissner ZInsO 2022, 286. 5 BayObLG v. 2.9.2021 – 101 VA 100/21, ZIP 2022, 233 = ZInsO 2021, 2200; BayObLG v. 14.10.2021 – 102 VA 66/21, ZIP 2021, 2496 = ZInsO 2021, 2433 Rn. 26 ff. 6 OLG Stuttgart v. 11.1.2021 – 14 VA 15/20, ZIP 2021, 2098. 7 BGH v. 25.3.2021 – IX AR VZ 1/19, ZInsO 2021, 1162 Rn. 20 ff.; Vill FS Gehrlein 2022, 571. 8 Haarmeyer ZInsO 2021, 1476.

108 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.502 Erster Teil

6. Schuldner als Eigenverwalter Die Eigenverwaltung soll einen Erfolgsfaktor für die operative Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens bilden1. Der Gesetzgeber hat deshalb mit dem Ziel, einen Anreiz zur frühzeitigen Sanierung mit den Mitteln des Insolvenzrechts zu bieten2, mit dem ESUG3 Hindernisse auf dem Weg zur Eigenverwaltung ausgeräumt und insbesondere die Voraussetzungen für deren Anordnung – wie es in der Begründung heißt – maßvoll gelockert4, dem vorläufigen Gläubigerausschuss aber Mitspracherechte bei der Entscheidung über die Eigenverwaltung und der Auswahl des Sachwalter zugebilligt5. Das SanInsFoG hat die Regelungen zum Eigenverwaltungsverfahren, veranlasst durch die Studie zur Evaluation des ESUG, über weite Strecken neu gefasst6.

1.500

Das Eigenverwaltungsverfahren stellt anders als das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG keine eigenständige Verfahrensart dar, sondern eine Form des Regelinsolvenzverfahrens mit dem Bestreben, über einen Insolvenzplan eine Sanierung des Unternehmens zu erreichen. Die wesentlichen Unterschiede liegen in der Person des Eigenverwalters, den Antragsvoraussetzungen und den Verfügungsbeschränkungen.

1.501

a) Person des Eigenverwalters Auf die Ernennung eines Insolvenzverwalters kann verzichtet werden, wenn die Verwaltung dem Schuldner überlassen werden kann. Damit verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, die im Regelinsolvenzverfahren auf den Insolvenzverwalter übergeht, beim Schuldner, ihm obliegen auch die Pflichten des Insolvenzverwalters. Handelt es sich bei dem Insolvenzschuldner ausnahmsweise um eine natürliche Person, so wird diese der Eigenverwalter. Im Fall von juristischen Personen wird die Geschäftsführung bzw. der Vorstand als Organ Eigenverwalter. Anders als im Regelinsolvenzverfahren hat das Insolvenzgericht keine Auswahl, die oben dargestellten Kriterien (s. Rn. 1.463 ff.) finden keine Anwendung.

1 Buchalik, Sanieren statt Liquidieren, 2015, 35 ff. 2 Buchalik (Sanieren statt Liquidieren, 2015, 18) spricht von einer neuen Sanierungskultur. 3 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582; zur Entwicklung s. Diskussionsentwurf v. 9.7.2010, (abgedr. ZInsO 2010, 1440); RefE v. 25.1.2011 (abgedr. ZInsO 2011, 269); RegE v. 4.3.2011, BR-Drucks. 127/11; RegE v. 4.5.2011, BTDrucks. 17/5712; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 26.10.2011, BT-Drucks. 17/7511; Beschlussempfehlung des Bundesrats v. 25.11.2011, BR-Drucks. 679/1/11 (abgedr. ZInsO 2011, 2318) mit Anm. Hirte ZInsO 2011, 2319. 4 Begründung zum RegE ESUG BT-Drucks. 17/5712 Teil A II Nr. 5; zu den ersten Gerichtsentscheidungen s. Pape ZInsO 2013, 2129. 5 Zur Entwicklung innerhalb der ersten zwei Jahre seit Inkrafttreten s. Pape ZIP 2013, 2285; GrafSchlicker ZInsO 2013, 1765; Vallender DB 2015, 231; Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG-Evaluation) v. 7.12.2011 (BGBl. I 2011, 2582) vom August 2018 – ZInsO 2018, 2400; Kurzbericht Jacoby/Madaus/Sack/Schmidt/Thole ZInsO 2018, 2402; zu möglichen Konsequenzen s. Pape ZInsO 2018, 2725; Beissenhirtz ZInsO 2019, 180; Buchalik ZInsO 2019, 465; Weitzmann BB 2019, 521; zur Anfechtung der Bestellung s. OLG Düsseldorf v. 31.8.2016 – I-3 VA 1/15, ZInsO 2017, 1490. 6 S. Art. 5 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3256; Begr RegE SanInsFoG Teil B zu Art 5 Nr. 36 ff.

Martin Obermüller | 109

1.502

Erster Teil Rz. 1.503 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.503

Dies ist insofern problematisch, als in der Regel nicht erwartet werden kann, dass eine Person, die das Unternehmen in die Insolvenz geführt hat, geeignet ist, die Insolvenzmasse optimal zu verwerten und die Interessen der Gläubiger im erforderlichen Umfang zu berücksichtigen1. Dementsprechend wurden vor der Einführung des ESUG2 weniger als 1 % der eröffneten Unternehmensinsolvenzen in Eigenverwaltung abgewickelt3. Ausnahmsweise kann es aber durchaus Vorteile haben, den Schuldner im Grundsatz verwaltungs- und verfügungsbefugt zu lassen, wenn er dabei unter die Aufsicht eines Verwalters zu gestellt wird4.

1.504

Dies ist kaum bei Selbständigen oder Einzelkaufleuten, wohl aber bei juristischen Personen5 zu erwarten, wenn deren Sanierung bezweckt wird6. – Bei Selbständigen oder Einzelkaufleuten kann die Eigenverwaltung vertretbar sein, wenn diese aufgrund hoher und nicht absehbarer Forderungausfälle plötzlich und unverschuldet in die Insolvenz geraten und das komplexe Fachwissen des Schuldners für die Gläubiger gewinnbringend genutzt werden kann7. – Dagegen kann es bei juristischen Personen, wenn deren Gesellschafter oder der Aufsichtsrat bereits die Geschäftsführer bzw. die Vorstände, die für die Krise des Unternehmens verantwortlich gemacht werden konnten, ausgewechselt haben, in der Tat sinnvoll und erfolgversprechend sein, dass die neuen Geschäftsleiter8 auch in der Insolvenz verfügungs- und verwaltungsbefugt bleiben. Ihre Kenntnisse können auf diese Weise am besten genutzt werden, zumal die Einarbeitungszeit für den Insolvenzverwalter entfällt und letztlich Kosten und Aufwand für das Verfahren gespart werden.

1.505

Die Entscheidung über die Person des Eigenverwalters ist identisch mit der Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung. Wollen die Gläubiger angesichts der oben dargestellten Nachteile eine Eigenverwaltung verhindern, so sind ihre Möglichkeiten beschränkt. Sie können ihre Position nur über einen vorläufigen Gläubigerausschuss zur Geltung bringen (§ 270b Abs. 3 InsO): „An einen die vorläufige Eigenverwaltung unterstützenden einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses ist das Gericht gebunden. Stimmt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig gegen die vorläufige Eigenverwaltung, unterbleibt die Anordnung“. Erzielt der Gläubigerausschuss keine Einigkeit, entscheidet das Insolvenzgericht. 1 Kritisch zum Rechtsinstitut der Eigenverwaltung an sich u.a.: Grub in Kübler, Neuordnung des Insolvenzrechts, 1989, S. 90; Grub, ZIP 1993, 393 (395); Jaffé ZHR 175 (2011), 38; Leipold in Insolvenzrecht im Umbruch, 1991, S. 169; Smid/Nellesen InVo 1998, 113 (114); Schmidt WM 2017, 1735; Siemon/Harder NZI 2016, 434; befürwortend Leutheusser-Schnarrenberger ZInsO 2010, 614; zur Diskussion s. Eidenmüller ZHR 175 (2011), 11. 2 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582. 3 Jaffè ZHR 175 (2011) 38; zur veränderten Nutzung des Eigenverwaltungsverfahrens seit 2012 s. Kranzusch ZInsO 2016, 1077; Buchalik ZInsO 2019, 465. 4 Begründung RegE InsO zum 8. Teil, 1. Abschnitt, BR-Drucks. 1/92 S. 222 f.; s. auch Wallner ZIP 2015, 997. 5 Zur Aktiengesellschaft als typischer eigenverwaltender Schuldner s. Wehdeking DZWIR 2006, 451; Hofmann ZIP 2007, 260. 6 Dies entspricht auch der Auffassung des Gesetzgebers, Begründung RegE zum 8. Teil, 1. Abschnitt, BR-Drucks. 1/92 S. 222 (223); ebenso Vallender WM 1998, 2129 (2139). 7 Wuschek ZInsO 2012, 110. 8 Zur Einsetzung von Insolvenzspezialisten als Vorstände s. AG Duisburg v. 1.9.2002 – 62 IN 167/ 02, ZIP 2002, 1636; Kluth ZInsO 2002, 1001; Köchling ZInsO 2003, 53.

110 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.510 Erster Teil

b) Abwahl des Eigenverwalters Anders als im Regelinsolvenzverfahren ist eine Abwahl des Eigenverwalters nicht möglich. Die Gläubiger haben keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf einen Wechsel in der Person des Eigenverwalters. Für Personengesellschaften versteht sich das von selbst, denn anstelle des Komplementärs mit all seinen Haftungen (§§ 128 ff. HGB) läßt sich kein anderer setzen. Aber auch bei juristischen Personen bleiben hierfür die bisherigen Organe der Gesellschaft, also die Gesellschafter einer GmbH und der Aufsichtsrat einer AG zuständig. Ihre Rechte werden durch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalters nur insoweit verdrängt, wie sie sich auf die künftige Masse des insolvenzbedrohten Unternehmens beziehen1, der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe haben keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners (§ 276a Satz 1 InsO)2. Die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung ist nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt (§ 276a Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Maßnahme nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt (§ 276a Abs. 1 Satz 3 InsO). Im Übrigen bleiben die Organstruktur und die Organkompetenzen bei juristischen Personen grundsätzlich bestehen3.

1.506

In der Praxis hat es sich etabliert, dass die Geschäftsführung bzw. der Schuldner in der Eigenverwaltung von Restrukturierungs- und Sanierungsberatern unterstützt wird4. Dies hat zur Folge, dass in Eigenverwaltungsverfahren neben dem gerichtlich bestellten Sachwalter meist ein weiterer Sanierungsexperte tätig ist.

1.507

c) Sachwalter Für den Sachwalter gelten hinsichtlich Auswahl, Bestellung und etwaiger Abwahl aufgrund der Verweisung des § 274 Abs. 1 InsO auf §§ 56–60 InsO dieselben Grundsätze wie für den Insolvenzverwalter, sodass die Ausführungen zu Rn. 1.462 ff. im wesentlichen auch für den Sachwalter gelten.

1.508

frei

1.509

d) Haftung des Eigenverwalters und des Sachwalters Aufgrund der Verweisung des § 274 Abs. 1 InsO auf § 60 InsO haftet der eigenverwaltende Schuldner in gleicher Weise wie ein Insolvenzverwalter (Einzelheiten s. Rn. 1.477 ff.).

1 Weber KTS 1970, 73 ff., dieser noch zur Konkursordnung verfasste Beitrag hat auch unter der InsO seine Gültigkeit behalten und wird als meinungsbildend angesehen (Ott/Brauckmann ZIP 2004, 2117); Martin Obermüller, Möglichkeiten und Grenzen des Genussrechts als Sanierungsinstrument, 2008, F II 2 S. 166 ff.; OLG Hamm v. 2.9.2014 – 27 W 97/14, ZInsO 2014, 2452; s. auch Gehrlein ZInsO 2017, 1977. 2 Kritisch zu dieser Vorschrift wegen der praktischen Probleme Zipperer ZIP 2012, 1492. 3 Noack ZIP 2002, 1873; Übersicht bei Hauptmann/Müller-Dott BB 2003, 2521; zum Anspruch eines Aktionärs auf Einberufung der Hauptversammlung s AG Montabaur v. 19.6.2012 – HRB 20744, ZIP 2012, 1307; zur Unterscheidung zwischen dem sog. Verdrängungsbereich, dem Schuldnerbereich und dem Überschneidungsbereich s. Rn. 1.803; zur Haftung von Geschäftsleitern einer eigenverwaltenden juristischen Person s. Skauradszun DB 2015, 2559; Gehrlein ZInsO 2017, 849. 4 Reus/Höfer/Harig NZI 2019, 57.

Martin Obermüller | 111

1.510

Erster Teil Rz. 1.511 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.511

Handelt es sich bei dem eigenverwaltenden Unternehmen um eine juristische Person, so trifft die unter Rn. 1.477 dargestellte Haftung aus § 60 InsO wegen einer Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten und aus § 61 InsO wegen Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten deren Organe1; sie agieren nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als (gerichtlich bestellte) Liquidatoren. Obwohl § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO lediglich in Bezug auf die Rechtsstellung des „Schuldners“, also der Gesellschaft, auf die „allgemeinen Vorschriften“, nicht aber hinsichtlich der Organe verweist, soll dem fehlenden förmlichen Bestellungsakt der Geschäftsleiter kein Gewicht beigemessen werden, das es rechtfertigt, von der mit der Wahrnehmung der Aufgabe einhergehenden Haftung abzurücken2. Umstritten ist, ob dies auch in der vorläufigen Eigenverwaltung gilt3

1.512

Daneben haften diese nach § 15b InsO, d.h. wegen Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden, und für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten. § 15b InsO ist nach h.M. im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren (§ 270b InsO) und im Schutzschirmverfahren (§ 270d InsO) weiterhin anwendbar ist, weil in diesen Eröffnungsverfahren der Geschäftsführer im Amt bleibt4. Auch die Haftung nach § 43 GmbHG, § 93 Abs. 1 AktG wegen einer etwaigen Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters bleibt bestehen.

1.513

Der Sachwalter ist wie der Insolvenzverwalter für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Beteiligten gegenüber verantwortlich (§ 274 Abs. 1, § 60 InsO)5. Er haftet aber anders als ein Insolvenzverwalter nicht für die Erfüllung von Masseverbindlichkeiten; § 61 InsO fehlt in der Verweisungskette des § 274 Abs. 1 InsO.

7. Schutzschirmverfahren 1.514

Noch freier als bei der soeben erörterten Eigenverwaltung ist der Schuldner in dem sogenannten Schutzschirmverfahren des § 270d InsO, einer Art Eigenverwaltung zur Vorbereitung eines Insolvenzplanverfahrens: Wenn ein Schuldner nicht schon zahlungsunfähig ist, aber wegen drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung eines Insol-

1 BGH v. 26.4.2018 – IX ZR 238/17, ZInsO 2018, 1200 Rn. 47; Bitter/Baschnagel ZInsO 2018, 557 (569 ff.); Hofmann ZIP 2018, 1429; Horstkotte ZInsO 2018, 2331; a.A. OLG Düsseldorf v. 7.9.2017 – I-16 U 33/17, ZInsO 2017, 2084; Bachmann ZIP 2015, 101, 105 ff.; Bachmann/Becker NJW 2018, 2235; Baumert LMK 2018, 407918; Haas ZHR 178 (2014), 603, 611; Hacker, DB 2017, 2988; Jacoby FS Vallender, 2015, S. 261, 273; Pape ZInsO 2019, 2033; Poertzgen ZInsO 2019, 2352; Schwartz NZG 2018, 1013; Spliedt FS Vallender, 2015, S. 613, 627 ff.; Schulte-Kaubrügger ZIP 2019, 345; Skauradszun/Spahlinger DB 2015, 2559, 2561 f.; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1104 ff.; Weber/Knapp ZInsO 2014, 2245, 2250. 2 BGH v. 26.4.2018 – IX ZR 238/17, ZIP 2018, 977; s. dazu ZInsO 2018, 1200 Rn. 51; Gehrlein ZInsO 2018, 2234. 3 Befürwortend: Bitter ZIP 2018, 986; Hölzle, ZIP 2018, 1669; Gehrlein, ZInsO 2018, 2234, 2240; Swierczok/Baron von Hahn BB 2018, 1358; Podewils, jurisPR-HaGesR10/2018 Anm. 3; Kruth/Jakobs DStR 2019, 999, 1005; ablehnend: Baumert LMK 2018, 407918. 4 Bezogen auf die Vorgängervorschriften § 64 GmbHG, § 92 AktG Jacoby FS Vallender, 2015, S. 261, 275 f.; Klein/Thiele, ZInsO 2013, 2233, 2240; Klinck DB 2014, 938, 939 ff.; Spliedt FS Vallender, 2015, S. 613, 623 f.; Thole/Brünkmans ZIP 2013, 1097, 1100 f.; für weitere Anwendung, aber unter großzügiger Auslegung Bitter/Baschnagel ZInsO 2018, 557 (575 f.). 5 Zur Haftung des Eigenverwalters und seiner Organe s. Thole/Brünkmans ZIP 2013, 1097.

112 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.522 Erster Teil

venzverfahrens in Eigenverwaltung stellt, muss das Insolvenzgericht ihm bis zu drei Monate Zeit für die Ausarbeitung eines Insolvenzplans verschaffen (Einzelheiten s. Rn. 1.905 f.). frei

1.515–1.519

II. Gläubigerausschuss Eine Bank, die erhebliche Forderungen gegen das Schuldnerunternehmen gelten machen möchte, sollte eine Mitgliedschaft im (vorläufigen) Gläubigerausschuss anstreben. Diese kann vor allem im Hinblick auf den Informationsvorsprung gegenüber den anderen Gläubigern nicht hoch genug eingeschätzt werden1:

1.520

– Wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet oder nach Eröffnung wieder eingestellt, so können die Mitglieder des Gläubigerausschusses inzwischen Erkenntnisse gewonnen haben, aufgrund deren sie im Wege der Einzelvollstreckung auf Vermögenswerte des Unternehmens zugreifen können. masseunzulängliche und aus anderen Gründen nach Eröffnung eingestellte Verfahren. – Wird das Insolvenzverfahren durchgeführt, so besteht die Möglichkeit, auf die Abwicklungspolitik und die konkreten Handlungen des Insolvenzverwalters Einfluss zu nehmen. Daher ist es verwunderlich, dass die Gläubiger diese durch das ESUG2 gewonnenen Rechte nicht in dem erwarteten Umfang wahrnehmen3. Der Gläubigerausschuss ist ein selbständiges Organ der Rechtspflege4. Ein Gläubigerausschuss kann bereits im Eröffnungsverfahren oder erst im eröffneten Verfahren eingesetzt werden. Im eröffneten Verfahren ist wiederum zu unterscheiden zwischen dem nach Eröffnung bis zum Berichtstermin amtierenden (§ 67 InsO) und dem endgültigen Gläubigerausschuss (§ 68 InsO)5.

1.521

1. Gläubigerausschuss im Eröffnungsverfahren Der Gläubigerausschuss wird zwar grundsätzlich erst durch die Gläubigerversammlung bestellt; da aber die Gläubigerversammlung für gewöhnlich erst geraume Zeit nach der Verfahrenseröffnung zusammentritt, kann das Insolvenzgericht, wenn es dies für notwendig erachtet, schon vorher einen Gläubigerausschuss einsetzen (§ 67 Abs. 1 InsO)6. Im Insolvenzantragsverfahren ist die Einsetzung eines Gläubigerausschusses stets zulässig7. Die Entscheidung darüber liegt grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (§ 67 InsO). Dieses Ermessen des Insolvenzgerichts ist jedoch bei bestimmten Konstellationen ausgeschlossen oder beschränkt, 1 Buchalik/Haarmeyer, Der (vorläufige) Gläubigerausschuss, 5. Aufl. 2019, S. 29; Ehlers BB 2013, 259. 2 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582. 3 Biel/Wittmann ZInsO 2022, 2105. 4 Pape ZIP 2015, 1662. 5 Frind ZInsO 2011, 2249. 6 LG Duisburg v. 29.9.2003 – 7 T 203/03 und 235–258/03, NZI 2004, 95. 7 AG Köln v. 29.6.2000 – 72 IN 178/00, ZInsO 2000, 406 m.w.N. zum Streitstand; AG Duisburg v. 20.6.2003 – 62 IN 167/02, NZI 2003, 502 mit Anm. Haarmeyer ZInsO 2003, 940; LG Duisburg v. 29.9.2003 – 7 T 203/03 und 235–258/03, NZI 2004, 95; Ganter FS Fischer, 2008, 121; einschränkend Pape ZInsO 1999, 675; Vallender WM 2002, 2040; a.A. Uhlenbruck ZIP 2002, 1373.

Martin Obermüller | 113

1.522

Erster Teil Rz. 1.522 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

um den Gläubigern eine Möglichkeit zu verschaffen, sich bereits im Eröffnungsverfahren an der Auswahl des Verwalters zu beteiligen. Inzwischen hat sich nämlich die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Sanierungsversuch kaum erfolgversprechend sein kann, wenn die wesentlichen Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters keinen Einfluss haben. Nach anfänglichen Überlegungen, zur Summenmehrheit der InsO aus der Fassung des Jahres 1999 zurückzukehren, hat der Gesetzgeber mit dem ESUG1 ein nach der Größe des insolventen Unternehmens abgestuftes Modell entwickelt, in dem ein vorläufiger Gläubigerausschuss bei der Entscheidung über die Auswahl des vorläufigen Verwalters die maßgebliche Rolle spielen kann2. Damit „verlieren die Insolvenzrichter einen großen Teil ihrer gerne genossenen Macht: die eigentlich recht freie Verwalterauswahl. Damit verlöre der Job das, wie es ein Richter treffend ausdrückte, was ihm wirklich Spaß mache“3.

1.523

Zu den Techniken der Vorbereitung von Unternehmensinsolvenzverfahren gehört, dass der Schuldner bzw. seine Berater schon im Vorfeld die Zusammenstellung eines sog. präsumtiven Gläubigerausschusses in der Erwartung betreiben, dass die Personen, die das Gremium bilden, im Weiteren vom Insolvenzgericht zu Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses berufen werden4. Dies kann, muss aber nicht dem Insolvenzgericht die Auswahl der Mitglieder eines vorläufigen oder endgültigen Gläubigerausschusses erleichtern. a) Pflicht zur sofortigen Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses

1.524

Die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses vor der Bestellung des vorläufigen Verwalters wird vorgeschrieben für Unternehmen, die eine bestimmte Größenordnung erreichen und einen formgerechten Insolvenzantrag stellen. Davon gibt es aber auch Ausnahmen. aa) Größenordnung des Schuldnerunternehmens

1.525

Ein vorläufiger Gläubigerausschuss ist einzusetzen für Unternehmen, die mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale aufweisen, nämlich – mindestens 6.000.000 Euro Bilanzsumme nach Abzug des ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne von § 268 Abs. 3 HGB, – mindestens 12.000.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag, – im Jahresdurchschnitt mind. 50 Arbeitnehmer (§ 22a Abs. 1 InsO)5 und deren Geschäftsbetrieb noch nicht eingestellt ist (§ 22a Abs. 3 InsO).

1 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582; zur Entwicklung s. Diskussionsentwurf v. 9.7.2010 (abgedr. ZInsO 2010, 1440); RefE v. 25.1.2011 (abgedr. ZInsO 2011, 269); RegE v. 4.3.2011, BR-Drucks. 127/11; RegE v. 4.5.2011, BTDrucks. 17/5712; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 26.10.2011, BT-Drucks. 17/7511; Beschlussempfehlung des Bundesrats v. 25.11.2011, BR-Drucks. 679/1/11 (abgedr. ZInsO 2011, 2318) mit Anm. Hirte ZInsO 2011, 2319. 2 Gruber NJW 2013, 584 sieht darin eine neue Korrumpierungsgefahr. 3 Reuter INDat-Report 2011, Heft 3 S. 3 (Editorial). 4 Smid ZInsO 2020, 1279. 5 Damit lehnt sich das Gesetz an § 267 Abs. 1 Nr. 1–3 HGB an.

114 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.529 Erster Teil

Entscheidend ist, dass diese Merkmale im vorangegangenen Geschäftsjahr vorgelegen haben; etwaige Veränderungen bis zum Insolvenzantrag sind unerheblich. Das Insolvenzgericht sollte die Angaben des Schuldners lediglich auf Plausibilität überprüfen und im Zweifel als richtig unterstellen. Völlig verfehlt wäre es, hier eine „Prüfungsorgie“ zu veranstalten und etwa einen Gutachter, z.B. einen Wirtschaftsprüfer einzusetzen1, der die Größe des Unternehmens im vorangegangenen Geschäftsjahr penibel untersucht. Dies wäre der Bedeutung des Vorgangs nicht angemessen; ein nennenswerter Schaden durch eine formell nicht zwingend notwendige Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ist nicht zu erwarten. So stehen wesentliche Entscheidungen, bei denen die Gläubiger typischerweise konträre Interessen haben wie z.B. über Anfechtungen oder die Ausübung des Wahlrechts des Verwalters über die Erfüllung von Verträgen (§ 103 InsO) im Antragsverfahren noch gar nicht an. Auch würde das Ziel des Gesetzgebers, Sanierungen zu erleichtern, vereitelt, wenn das Eröffnungsverfahren auf diese Weise mit allen damit zwangsläufig verbundenen Nachteilen in die Länge gezogen würde2.

1.526

bb) Form des Antrags Welche Formerfodernisse der Insolvenzantrag des Schuldners erfüllen muss, hängt von der Größe des Unternehmens ab. Wegen der Einzelheiten kann auf die Ausführungen zu Rn. 1.84 ff. verwiesen werden.

1.527

cc) Befreiungstatbestände Von der Pflicht zur Einsetzung eines solchen Gläubigerausschusses vor der Bestellung des vorläufigen Verwalters kann sich das Gericht jedoch befreien, wenn es zu der Erkenntnis kommt, dass

1.528

– die zu erwartende Insolvenzmasse angesichts der Zeit und der Kosten eines Gläubigerausschusses zu gering ist oder – die mit der Einsetzung verbundene Verzögerung eine Verminderung des Schuldnervermögens zur Folge hat (§ 22a Abs. 2 InsO). dd) Relation zwischen Insolvenzmasse und Kosten Die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses kann schon dann unverhältnismäßig sein, wenn die dadurch verursachten Kosten für die Vergütung der Ausschussmitglieder und deren Versicherung einen Anteil von 7 % der voraussichtlichen Teilungsmasse überschreitet3. Ob die Relation zwischen der zu erwartenden Insolvenzmasse und der Zeit und den Kosten eines Gläubigerausschusses zu gering ist, muss das Gericht anhand der Informationen feststellen, die ihm der Schuldner liefert. Denn einen vorläufigen Verwalter, dem sonst die Aufgabe übertragen werden könnte, die Vermögenslage des Schuldners im Hinblick auf die Eröffnungsfähigkeit des Verfahrens zu überprüfen, kann es noch nicht bestellen. Eigene Ermittlungen muss es nicht, kann es aber unternehmen. 1 So der Vorschlag des BAKInsO ZInsO 2011, 2223. 2 Zu den Auswirkungen des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren auf die Insolvenzpraxis s. Zimmer ZInsO 2011, 2302. 3 AG Ludwigshafen v. 4.5.2012 – 3 f IN 103/12, ZIP 2012, 2310 = ZInsO 2012, 987.

Martin Obermüller | 115

1.529

Erster Teil Rz. 1.530 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.530

Eine Hilfe der Bank darf das Insolvenzgericht dabei allerdings nicht erwarten. Diese ist nämlich jedenfalls dann, wenn der Insolvenzantrag von einem Gläubiger eingereicht wurde, durch das Bankgeheimnis gehindert, dem Gericht Auskünfte zu erteilen1. Denn das Insolvenzgericht kann nicht einmal im eröffneten Verfahren Dritte zur Erteilung von Auskünften heranziehen und z.B. die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen anordnen2. Es darf nämlich nicht in den Bereich der Insolvenzabwicklung vordringen, der dem Insolvenzverwalter zugewiesen ist, also bei der Erfassung der Masse und der Insolvenzforderungen tätig werden3. Wenn der Insolvenzantrag dagegen von dem Schuldner eingereicht wurde, sollte es keine unüberwindbaren Schwierigkeiten bereiten, ihn zu einer Entbindung der Bank vom Bankgeheimnis zu bewegen.

1.531

Die Kosten eines Gläubigerausschusses sind zunächst einmal beschränkt: Die Mitglieder des Gläubigerausschusses erhalten für ihre Stellungnahme zu den Anforderungen, die an den Insolvenzverwalter erhoben werden, und zur Person des Insolvenzverwalters (§ 56a Abs. 1 InsO) einmalig 500 Euro pro Mitglied (§ 17 Abs. 2 InsVV). ee) Verminderung des Schuldnervermögens wegen verzögerter Verwalterbestellung

1.532

Das Gericht kann von der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses zunächst absehen und einen vorläufigen Verwalter bestimmen, wenn die mit der Zusammenstellung dieses Ausschusses verbundene Verzögerung eine konkrete Verminderung des Schuldnervermögens zur Folge haben wird. Dies gibt Gerichten, die dem starken Gläubigereinfluss ablehnend gegenüberstehen, die Möglichkeit, dem gesetzgeberischen Willen, wie er in § 22a Abs. 1 InsO zum Ausdruck gekommen ist, auszuweichen4. Allein die abstrakte Gefahr für das Schuldnervermögen reicht jedoch nicht. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 22a Abs. 3 InsO, aber auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Suche nach einem Gläubigerausschuss und dessen Verhandlungen führen zwangsläufig zu einer Verzögerung und jede Verzögerung erhöht die Gefahr für eine nachteilige Veränderung der Insolvenzmasse. Diese Gefahr hat der Gesetzgeber aber im Interesse einer stärkeren Berücksichtigung der Gläubigerautonomie5 in Kauf genommen. Deshalb muss sich das Gericht bemühen, möglichst schnell die erforderlichen Informationen zu sammeln, und kann notfalls zwischenzeitliche Sicherungsmaßnahmen treffen. b) Pflicht zur nachträglichen Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses

1.533

Hat das Gericht von der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses zunächst abgesehen, so muss es diese nachholen. Damit darf es sich nicht bis kurz vor der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Zeit lassen. Zwar deutet die Anordnung dieser Vorschrift in § 56a InsO, mithin im Abschnitt über die Verfahrenseröffnung darauf hin, dass dieser Gläubigerausschuss erst im eröffneten Verfahren für die Zeit zwischen dem Eröffnungsbeschluss und der ersten Gläubigerversammlung einzusetzen sei. Dabei dürfte es sich jedoch nur um einen Fehler in der Konstruktion des Gesetzes handeln, denn in der Begründung des 1 Einzelheiten zu den Auskunftspflichten im Antragsverfahren s. Rn. 2.366 ff. 2 AG Mönchengladbach v. 6.12.2002 – 32 IN 11/02, ZInsO 2003, 42 verlangt einen förmlichen Antrag des Verwalters auf eine Entscheidung nach §§ 421, 422, 424 ZPO; a.A. Gaiser ZInsO 2002, 472; Stephan WM 2009, 241. 3 OLG Koblenz v. 12.10.1970 – 4 W 228/70, KTS 1971, 220. 4 Landfermann WM 2012, 821. 5 Zu Inhalt und Bedeutung s. Graf-Schlicker FS Smid 2022, 133; Biel/Wittmann ZInsO 2022, 2105.

116 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.537 Erster Teil

Rechtsausschusses zu §§ 56 und 56a InsO wird betont, dass die Phase der Ungewissheit für den vom Insolvenzgericht eingesetzten Verwalter möglichst kurz gehalten werden müsse. Dem würde eine Verschiebung der Bestellung des vorläufigen Gläubigerausschusses auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung zuwiderlaufen. Auch ist zu berücksichtigen, dass das Insolvenzgericht grundsätzlich sofort einen Gläubigerausschuss hätte einsetzen müssen und nur ausnahmsweise zunächst den vorläufigen Verwalter bestellen durfte. Dann aber muss es die gewonnene Zeit nutzen und unverzüglich die Suche nach einem geeigneten Gläubigerausschuss beginnen. Die Rechte des vor der Bestellung eines vorläufigen Verwalters eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschusses und des nachträglich bestellten unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt, nämlich in seiner Mitwirkung an der Auswahl des Verwalters, auf die später (s. Rn. 1.591 ff.) noch zurückzukommen sein wird.

1.534

c) Gläubigerantrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses Den Eintritt der unter Rn. 1.532 beschriebenen Situation können die Gläubiger sowohl bei Unternehmen, die die Schwellenwerte des § 22a Abs. 1 InsO erreichen als auch bei solchen, die darunter liegen, durch eigene Initiative abwenden.

1.535

aa) Unternehmen oberhalb der Schwellenwerte des § 22a InsO Sind die oben genannten Schwellenwerte des § 22a Abs. 1 InsO erreicht und haben der Schuldner oder Gläubiger die Befürchtung, das Insolvenzgericht könne aus Sorge vor nachteiligen Veränderungen der Insolvenzmasse ohne vorherige Mitwirkung der Gläubiger sofort einen vorläufigen Verwalter ernennen, können sie einer solchen Entscheidung des Gerichts zuvorkommen. Wenn nämlich zusammen mit dem Insolvenzantrag schon konkrete, den Anforderungen des § 67 Abs. 2 InsO genügende Vorschläge unterbreitet werden und die Bereitschaftserklärungen der benannten Personen vorliegen, fällt es dem Gericht schwer, die Gefahr einer Verminderung des Schuldnervermögens aufgrund der mit der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses verbundenen Verzögerung zu begründen.

1.536

In der Auswahl der Mitglieder ist das Gericht grundsätzlich an den Vorschlag des Antragstellers gebunden1.

1.537

Dies begründet Haarmeyer2 wie folgt: „Für eine Sanierung unter Insolvenzschutz müssen die Interessen aller Gruppen schon im Vorfeld eines Verfahrens zum Ausgleich gebracht und ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt werden. Das führt vielfach und unvermeidlich auch dazu, dass es Befürworter wie Gegner einer Sanierung des Schuldners gibt. Vor diesem Hintergrund ist die vom Gesetzgeber gewollte verfahrenssichere Gestaltung vom ersten Tag – als Anreiz für eine frühzeitige Antragstellung – nur möglich, wenn Schuldner und Gläubiger für die Mitgliedschaft in einem vorläufigen Gläubigerausschuss Personen vorschlagen, die das zu realisierende Konzept auch mittragen und mitfinanzieren. Insoweit führt die autonome Gestaltungsmacht der Gläubiger im Eröffnungsverfahren auch dazu, dass das bisher den Gerichten vorbehaltene Benennungsrecht für Mitglieder eines vorläufigen Ausschusses notwendig auf den Antragsteller übergeht. Der Gesetzgeber hat dieses Benennungsrecht in § 22a Abs. 2 und 4 InsO ausdrücklich dem Antragsteller zugewiesen. In diesem Kontext ist es auch völlig legitim, dass sich der Schuldner wie entsprechend agierende Gläubiger beim Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses der Mitwirkung von Gläubigern versichert, die das Sa1 Fölsing ZInsO 2012, 2272. 2 Haarmeyer ZInsO-Newsletter 9/2012 S. 2.

Martin Obermüller | 117

Erster Teil Rz. 1.537 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht nierungskonzept mittragen und nicht gegen ein solches opponieren. Die Sollvorschrift des § 22a Abs. 2 InsO erstreckt sich nämlich nur auf die Verpflichtung zur Einsetzung des Gläubigerausschusses.“

1.538a

Keineswegs darf das Insolvenzgericht, das andere Personen im Gläubigerausschuss sehen möchte, mit der Begründung, die mit der Suche nach Alternativen verbundene Verzögerung würde das Schuldnervermögen gefährden, nach § 22a Abs. 3 InsO von der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses zunächst absehen und einen vorläufigen Verwalter bestimmen. Dies würde die Vorschrift des § 22a Abs. 2 InsO konterkarieren. bb) Unternehmen unterhalb der Schwellenwerte des § 22a Abs. 1 InsO

1.539

Auch wenn das Unternehmen des Schuldners die oben genannten Schwellenwerte des § 22a Abs. 1 InsO nicht erreicht, sind die Gläubiger kleinerer und mittlerer Unternehmen von einer Beteiligung am Insolvenzverfahren durch einen vorläufigen Gläubigerausschuss nicht völlig ausgeschlossen. Vielmehr können sie die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragen; diesem Antrag soll stattgegeben werden, wenn sie dem Gericht Personen benennen, die als Mitglieder dieses Ausschusses in Betracht kommen und deren Einverständniserklärungen dem Antrag beigefügt sind (§ 22a Abs. 3 InsO). Das Gericht ist zwar nicht gezwungen, diesem Antrag stattzugeben, jedoch handelt es sich um eine Sollvorschrift, so dass sich das Gericht nicht ohne wichtigen Grund weigern darf. cc) Antragsrecht

1.540

Das Antragsrecht auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses steht außer dem Schuldner auch einem etwa schon eingesetzten vorläufigen Verwalter und dem Wortlaut des § 22a Abs. 2 InsO zufolge auch jedem Gläubiger zu. Da das Gesetz allgemein von Gläubigern und nicht etwa von Insolvenzgläubigern spricht, muss das Antragsrecht nicht nur den absonderungsberechtigten Gläubigern, sondern auch den nachrangigen1 und etwaigen Massegläubigern zugestanden werden2. Einer Mehrheit der Gläubiger nach Summen oder Köpfen oder eine qualifizierte Minderheit wie sie z.B. in § 75 InsO für die Einberufung einer Gläubigerversammlung vorgesehen ist, bedarf es nicht. Der Vorschlag für die Besetzung des Gläubigerausschusses muss den Kriterien des § 67 Abs. 2 InsO entsprechen.

1.541

Angesichts der diversen Antragsberechtigungen kann es zu konkurrierenden Vorschlägen des Schuldners und von Gläubigern oder von mehreren Gläubigergruppen kommen. Die Antragsberechtigten sind nicht gezwungen, sich auf eine „Einheitsliste“ zu verständigen, auch wenn dies sinnvoll wäre. Deshalb sind solche Anträge zulässig, wenn sie die Kriterien des § 67 Abs. 2 InsO einhalten. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass ein Gläubigerausschusskandidat auf mehreren Listen erscheint. Das Insolvenzgericht hat dann die Aufgabe, zwischen den Listen oder aus den Listen zu wählen.

1.542

Wenn eine Bank es für sinnvoll hält, sich in dem Insolvenzverfahren zu engagieren, sollte sie sich nicht scheuen, ihr Antragsrecht auszuüben. Zweckmäßig ist es, mit dem Schuldner abzusprechen, dass sie den Antrag gleichzeitig mit seinem Insolvenzantrag einreicht; anderenfalls sollte sie dies nachholen, bevor das Insolvenzgericht sich entschließt, von der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses zunächst abzusehen, und einen vorläufigen Verwalter seiner Wahl bestellt. 1 Gehrlein ZInsO 2019, 1973. 2 Haarmeyer/Schildt in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 22a Rn. 106; Frind ZInsO 2011, 2249.

118 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.543 Erster Teil

1.543

Dafür kann folgendes Antragsmuster1 verwendet werden:

M 1 Antrag zur Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 22a Abs. 2 InsO (Antragsausschuss) In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des/der ... beantrage(n) ich/wir als Gläubiger des schuldnerischen Unternehmens die sofortige Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses zur Begleitung und Umsetzung eines von uns mitgetragenen Sanierungskonzeptes und benennen nach § 22a Abs. 2 InsO zu seiner Besetzung die nachfolgenden fünf Personen bzw. Unternehmen, die repräsentativ die beteiligten Gläubigergruppen abbilden: 1. A-Bank AG als Hausbank der Schuldnerin und Kreditgläubigerin vertreten durch Herrn/Frau ... 2. Herrn/Frau ... als Lieferant des Schuldners und Inhaber umfassender Eigentumsvorbehaltsrechte 3. Herrn/Frau ... für Finanzamt A 4. Herrn/Frau ... als Inhaber einer titulierten Forderung und Vertreter(in) der ungesicherten Gläubiger 5. Herrn/Frau ... BRMitglied/Gewerkschaft im schuldnerischen Unternehmen Die benannten Personen sind durch Herrn/Frau Rechtsanwalt ... über die Rechte und Pflichten als Mitgliedes eines vorläufigen Gläubigerausschusses belehrt worden und haben nach Belehrung schriftlich die Bereitschaft erklärt, in einem vorläufigen Gläubigerausschuss mitzuarbeiten (Anlage 1, im Original unterzeichnete Erklärung der Benannten). Diesem Antrag ebenfalls beigefügt sind die Nachweise der Inhaberschaft der Forderungen der benannten Personen gegenüber dem schuldnerischen Unternehmen (Anlage 2) sowie die Gläubigereigenschaft der Antragsteller (Anlage 3). Die benannten Personen haben erklärt, ihren Anspruch auf Vergütung für die Tätigkeit im Eröffnungsverfahren im Interesse einer Schonung der Masse auf den gesetzlichen Betrag von 500 Euro zu beschränken und haben zudem für die haftungsrechtliche Absicherung ihrer Tätigkeit bereits eine vorläufige Deckungszusage der Versicherung ... erhalten, die wir beifügen (Anlage 4). In ihrer konstituierenden Sitzung am ... haben sich die benannten Mitglieder des präsumtiven vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 56a Abs. 2 InsO einstimmig dafür ausgesprochen, dem Insolvenzgericht Herrn/Frau ... zum vorläufige(n) Insolvenzverwalter(in) vorzuschlagen (Anlage 5 Sitzungsprotokoll mit Beschlussfassung). Der/Die Vorgeschlagene ist ein (e) seit vielen Jahren und bei vielen Gerichten bestellte(r) und erfahrene(r) Insolvenzverwalter(in). Es handelt sich bei ihr/ihm um eine von den Gläubigern wie dem Schuldner dieses Verfahrens unabhängige Person im Sinne des § 56 Abs. 1 InsO. Zudem haben sich die Benannten für ihre weitere Tätigkeit auf die anliegende Satzung zur Gestaltung ihrer Tätigkeit als vorläufiger Gläubigerausschuss geeinigt und überreichen diese dem Gericht zur Kenntnis (Anlage 6 Satzung/Geschäftsordnung).

1 Übernommen aus Haarmeyer ZInsO 2012, 370.

Martin Obermüller | 119

Erster Teil Rz. 1.543 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht Für den Fall der Bestellung durch das Gericht beantragen wir schon jetzt, den vorläufigen Gläubigerausschuss in der vorgeschlagenen Besetzung auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss als Gläubigerausschuss bis zum Berichtstermin im Amt zu bestätigen. Ort, Datum ...

Unterschriften ...

Anlagen 1–6

dd) Ergänzende Informationen

1.544

Wird nach § 22a Abs. 2 InsO ein solcher Antrag gestellt, hat der Schuldner die Angaben über die Gläubigerstruktur (§ 13 Abs. 1 Satz 4 InsO) nachzureichen und deren Vollständigkeit und Richtigkeit zu versichern (§ 13 Abs. 1 Satz 6 und 7 InsO), falls dies nicht schon in seinem Insolvenzantrag enthalten ist. Unterlässt er dies, wird sein einmal zulässig gestellter Antrag nicht nachträglich unzulässig1. Dies ergibt sich zwar nicht aus der verunglückten Formulierung des Gesetzes, aber aus folgenden Überlegungen: Für die Entscheidung des Insolvenzgerichts, ob es einen vorläufigen Gläubigerausschuss bestellen soll, kommt es in diesem Fall nicht mehr auf die in § 13 InsO geforderten Angaben zur Gläubigerstruktur an. Das Gericht kann sich damit behelfen, dass es nach § 22a Abs. 4 InsO die Benennung von Kandidaten für den Gläubigerausschuss mit entsprechender Begründung verlangt. Wollte man aufgrund des Antrags eines Gläubigers dem Insolvenzantrag des Schuldners nachträglich die Wirksamkeit nehmen, so könnte dies ferner zur Folge haben, dass der Schuldner seine Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO verletzt und sich ohne eigenes Zutun strafbar gemacht hätte. d) Fakultativer vorläufiger Gläubigerausschuss

1.545

Selbst wenn weder die Voraussetzungen des § 22a InsO erfüllt sind, noch die Gläubiger, der Schuldner oder ein etwa schon vorhandener vorläufiger Verwalter einen Antrag nach § 22a Abs. 2 InsO gestellt haben, ist das Gericht keineswegs gehindert, einen vorläufigen Gläubigerausschuss zu bestellen2. Dann bleibt es zunächst einmal dem Ermessen des Insolvenzgerichts überlassen, ob es schon im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzt, damit bis zur Eröffnung wartet oder die Entscheidung der Gläubigerversammlung überlässt.

1.546

Damit sind die Gläubiger kleinerer und mittlerer Unternehmen von einer Beteiligung am Insolvenzverfahren durch einen vorläufigen Gläubigerausschuss aber nicht völlig ausgeschlossen. Vielmehr können sie die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragen; diesem Antrag soll stattgegeben werden, wenn sie dem Gericht Personen benennen, die als Mitglieder dieses Ausschusses in Betracht kommen und deren Einverständniserklärungen dem Antrag beigefügt sind (§ 22a Abs. 2 InsO). Das Gericht ist zwar nicht gezwungen, diesem Antrag stattzugeben, jedoch handelt es sich um eine Sollvorschrift, so dass sich das Gericht nicht ohne wichtigen Grund weigern darf.

1 Landfermann WM 2012, 821. 2 Buchalik/Haarmeyer, Der (vorläufige) Gläubigerausschuss, 5. Aufl. 2019, S. 46.

120 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.551 Erster Teil

e) Informationsbeschaffung Die oben dargestellte Abstufung zwischen den Kriterien, von denen die Pflicht zur sofortigen und zur nachträglichen Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses abhängt bzw. ein Gläubigerausschuss überhaupt nicht eingesetzt wird, zeigt, wie wichtig es nicht nur für den Schuldner, sondern auch für die Gläubiger ist, das Insolvenzgericht umfassend zu unterstützen, wenn sie an einem Insolvenzverfahren aktiv mitwirken wollen.

1.547

Deshalb ist es sinnvoll, dass sich der Schuldner und seine wesentlichen Gläubiger bereits im Vorfeld des Insolvenzantrags über einen vorläufigen Gläubigerausschuss und die Kandidaten für die Mitgliedschaft verständigen. Auch die Banken, die von der Krise ihres Kunden Kenntnis haben, sollten, wenn sie auf eine gute Insolvenzabwicklung Wert legen, darauf dringen, dass der Schuldner mit seinem Antrag die entsprechenden, mit den Gläubigern abgestimmten Vorschläge unterbreitet. Banken müssen wissen, dass sie nur dann die Aussicht haben, einen Einfluss auf die Auswahl des Insolvenzverwalters auszuüben, wenn der Schuldner einen korrekten Antrag einreicht und gleichzeitig einen Vorschlag für die Besetzung des Gläubigerausschusses mit entsprechenden Bereitschaftserklärungen der Kandidaten unterbreitet.

1.548

Ebenfalls empfehlenswert ist es angesichts der Vorschrift des § 22a InsO, dass diejenigen Gläubiger, die häufig oder zwangsläufig in Insolvenzverfahren engagiert sind wie Kreditinstitute, Fiskus und Sozialversicherungsträger, den Insolvenzgerichten unabhängig von konkreten Insolvenzverfahren Ansprechpartner benennen, die bereit sind, selbst in Gläubigerausschüsse einzutreten oder die entsprechenden Kontakte herzustellen. Die interessierten Gläubiger können zur Beschleunigung beitragen, indem sie ihre Bereitschaft im Voraus bekunden; das Amt können sie allerdings erst annehmen, wenn ihnen der entsprechende Beschluss zugestellt ist., die Gläubigerautonomie1 zu stärken2, die letzte Entscheidung über den Ablauf des Insolvenzverfahrens zu. Dies betrifft insbesondere die Dauer und Zulässigkeit einer Betriebsfortführung, den Auftrag an den Verwalter zur Erstellung eines Insolvenzplans oder den Abbruch von Sanierungsbemühungen3. Diese durch das ESUG4 gewonnenen Rechte nehmen die Gläubiger jedoch nicht in dem erwarteten Umfang dar5.

1.549

2. Gläubigerausschuss im eröffneten Verfahren Im eröffneten Verfahren ist zu unterscheiden zwischen dem nach Eröffnung bis zum Berichtstermin amtierenden (§ 67 InsO) und dem endgültigen Gläubigerausschuss (§ 68 InsO).

1.550

Dabei macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob es sich um ein Regelinsolvenzverfahren oder um ein Eigenverwaltungsverfahren handelt6. Denn auf die Eigenverwaltung sind grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften anzuwenden (§ 270 Abs. 1 Satz 2 InsO).

1.551

1 Zu Inhalt und Bedeutung s. Graf-Schlicker FS Smid 2022, 133. 2 Von Marotzke (ZInsO 2003, 726) als modernes Missverständnis bezeichnet, während Biel/Wittmann (ZInsO 2022, 2105) die geringe Mitwirkungsbereitschaft der Gläubiger bedauern. 3 RegE InsO 1992 Allg. Begründung A 4h; s. auch Pape NZI 2006, 65. 4 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582. 5 Biel/Wittmann ZInsO 2022, 2105. 6 Einzelheiten s. Hammes, Der Gläubigerausschuss in der Eigenverwaltung: Rechtsstellung und besondere Verantwortung, 2019.

Martin Obermüller | 121

Erster Teil Rz. 1.552 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

a) Gläubigerausschuss bis zum Berichtstermin

1.552

Wenn im Antragsverfahren noch kein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt wurde und auch nicht zu bestellen war, muss das Insolvenzgericht bei Verfahrenseröffnung zu entscheiden, ob dies nunmehr geschehen soll (§ 67 Abs. 1 InsO).

1.553

Wurde schon im Antragsverfahren ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt, so erhebt sich die Frage, ob das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss insoweit überhaupt noch tätig werden muss1. Eine Entscheidung wäre entbehrlich, wenn der nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, § 22a InsO im Antragsverfahren bestellte Gläubigerausschuss bis zum Berichtstermin im Amt bliebe. Da das Gesetz eine klare Trennung zwischen dem Antragsverfahren und dem eröffneten Verfahren vornimmt und auch mit Verfahrenseröffnung ein – wenn auch mit dem vorläufigen Verwalter meist identischer – Insolvenzverwalter zu bestellen ist, muss auch das Amt des vorläufigen Gläubigerausschusses mit Verfahrenseröffnung enden2. Da § 67 Abs. 1 InsO auf den vorläufigen Ausschuss des Eröffnungsverfahrens nicht und die übrigen Regelungen nur entsprechend mit Modifikationen anwendbar erklärt werden, ergibt sich daraus eindeutig, dass der Gläubigerausschuss nach Eröffnung ein gesondertes Gremium mit gesondertem Regelungsbereich ist3. Außerdem hat der vorläufige Gläubigerausschuss seine wichtigste Funktion, nämlich die Mitwirkung an der Verwalterauswahl nach § 56a InsO bereits vor der Verfahrenseröffnung erfüllt.

1.554

Demgemäß hat das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss neu zu befinden, ob der vorläufige Gläubigerausschuss in der bisherigen Zusammensetzung beizubehalten ist, in neuer Zusammensetzung fortgeführt werden oder ob das Insolvenzgericht auf einen Gläubigerausschuss verzichten kann. Ein Verzicht kann vertretbar sein, wenn die wesentlichen Weichenstellungen für das Insolvenzverfahren schon im Antragsverfahren stattgefunden haben. Wenn der Gläubigerausschuss beibehalten werden soll, erscheint es sinnvoll, ihn mit denselben Mitgliedern fortzuführen4 und allenfalls zu ergänzen. Falls dieser vorläufige Gläubigerausschuss einen vom Gericht nach § 56a Abs. 3 InsO bestimmten vorläufigen Verwalter abgewählt hat, sollte das Insolvenzgericht der Versuchung widerstehen, seinerseits den Gläubigerausschuss neu zusammenzustellen.

1.555

Ob für die Zeit nach dem Berichtstermin ein Gläubigerausschuss bestellt, ein im Eröffnungsverfahren schon eingesetzter beibehalten oder das Verfahren ohne Gläubigerausschuss durchgeführt werden soll5, bestimmt die Gläubigerversammlung. Die Entscheidung liegt in deren Ermessen (§ 68 InsO). Sie kann also auch dann, wenn das Schuldnerunternehmen die Schwellenwerte des § 22a Abs. 1 InsO erreicht und das Insolvenzgericht dementsprechend einen vorläufigen Gläubigerausschuss eingesetzt hat, bestimmen, das Insolvenzverfahren ohne Gläubigerausschuss fortzuführen.

b) Gläubigerausschuss nach dem Berichtstermin

1 Zur Einsetzung eines sog. Interimsausschusses s. Kühne in Borchardt/Frind, Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren, 2. Aufl. 2014, Rn. 1893. 2 Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2016, § 67 Rn. 4; Frind ZInsO 2011, 2249; Landfermann WM 2012, 821; Frind in Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 8. Aufl. 2021, § 67 Rn. 2; Huber/Magill ZInsO 2016, 200. 3 Frind ZInsO 2011, 2249. 4 Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2016, § 67 Rn. 4. 5 S. ausführlich W. Obermüller FS Möhring, 1975, 101 ff.; Uhlenbruck BB 1976, 1198.

122 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.561 Erster Teil

Die Entscheidung über diese Fragen trifft die Gläubigerversammlung mit der relativen Mehrheit der Stimmen (§ 68 Abs. 1 InsO). Sie kann auch vom Gericht bestellte Mitglieder abwählen und andere oder zusätzliche Mitglieder wählen (§ 68 Abs. 2 InsO). Das Gericht hat dann keine Möglichkeit mehr, die Zusammensetzung des Ausschusses zu korrigieren1, es sei denn, dass die Bestellung eines bestimmten Mitglieds den Interessen der Gläubiger nachweislich widerspricht2. Die Gläubigerversammlung kann dem Gläubigerausschuss auch das Recht einräumen, sich bei Verhinderung oder Wegfall gewählter Mitglieder selbst zu ergänzen3.

1.556

Wegen der Bedeutung und des Einflusses eines Gläubigerausschusses auf das Verfahren sollten die Kreditinstitute sich an der Wahl stets beteiligen, auch wenn sie kein Interesse an der Entsendung eines Mitglieds haben. Wenn sie dagegen einen Mitarbeiter in den Ausschuss entsenden wollen, kann ihnen die Teilnahme an der Abstimmung in der Gläubigerversammlung nicht entsprechend § 43 BGB mit der Begründung versagt werden, in eigener Sache dürften sie nicht abstimmen4.

1.557

c) Gruppen-Gläubigerausschuss In Konzerninsolvenzen kann das Insolvenzgericht des Gruppengerichtsstands einen Gruppen-Gläubigerausschuss bestellen (§ 269c InsO). Aufgabe und Ziel dieses Ausschusses ist es, die Insolvenzverwalter und Gläubigerausschüsse in den einzelnen Verfahren insolventer Konzernunternehmen zu beraten und zu unterstützen und eine abgestimmte Verfahrensabwicklung zu erleichtern oder im Fall der Fälle überhaupt erst zu ermöglichen. Er hat also – abgesehen von der Mitwirkung bei der Auswahl des Verfahrenskoordinators und dem Koordinationsplan – hauptsächlich eine koordinierende sowie beratende Funktion und aufgrund dieser Beschränkung weniger Mitwirkungs- und Entscheidungsbefugnisse als der Gläubigerausschuss in einem „normalen“ Insolvenzverfahren.

1.558

frei

1.559

3. Zusammensetzung Ein Gläubigerausschuss muss aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen5. Für die Zusammensetzung kommt es nicht nur auf die Qualifikation, sondern auch auf die Zugehörigkeit zu bestimmten Gläubigergruppen an.

1.560

a) Qualifikation Bei der Auswahl wird man im Allgemeinen auf sachkundige Personen6 wie Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer, Kaufleute, Rechtsanwälte7 u.a. zurückgreifen. 1 Hess/Weis InVo 1997, 1. 2 OLG Breslau v. 5.3.1932 – 5 W 644/32, LZ 1932, 626; OLG Köln v. 18.12.1935 – 9 W 262/35, JW 1936, 1143. 3 W. Obermüller FS Möhring, 1975, 101; Riedel in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 68 Rn. 6; Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 68 Rn. 4. 4 Raebel ZInsO 2010, 1226. 5 BGH v. 5.3.2009 – IX ZB 148/08, ZIP 2009, 727; LG Neuruppin v. 13.10.1997 – 5 T 271/97, ZIP 1997, 2130; AG Augsburg v. 25.3.2003 – 3 IK 1286/02, ZVI 2003, 294. 6 Plädoyer für die Professionalisierung des Gläubigerausschusses s. Heeseler NZI 2012, 440. 7 Ihre Tätigkeit im Gläubigerausschuss fällt nicht unter die Regeln des RVG.

Martin Obermüller | 123

1.561

Erster Teil Rz. 1.562 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.562

Auch juristische Personen können Mitglieder des Ausschusses sein1. Dies ergibt sich daraus, dass das Gesetz „Gläubiger“ schlechthin zulässt und juristische Personen Gläubiger sein können oder es sogar meistens sind. Die Wahl einer juristischen Person hat zudem den Vorteil, dass für einen verhinderten Vertreter ein der juristischen Person ebenfalls angehörender anderer Vertreter einspringen kann2; es obliegt dann der juristischen Person sicherzustellen, dass die entsandte Person die gesamten gesammelten Informationen so weiterleitet, dass ein etwa eingewechselter anderer Mitarbeiter über den Sachstand hinreichend unterrichtet ist3. Die Wahl einer juristischen Person bringt allerdings die Gefahr eines zu häufigen Wechsels des Vertreters mit sich, der manche Insolvenzgerichte vorzubeugen versuchen, indem sie im Bestellungsbeschluss den Vertreter namentlich benennen (z.B. „Herr/Frau A für B-Bank“). Dies führt dann zu einem Rechtsverhältnis eigener Art und zu den Fragen, ob für einen Wechsel die Entscheidung der Organe der juristischen Person ausreicht oder ob das Insolvenzgericht oder gar die Gläubigerversammlung mitwirken bzw. entscheiden dürfen oder müssen4. Da die Haftung gegenüber den Gläubigern für Fehler des Gläubigerausschusses stets die juristische Person und nicht ihren Vertreter trifft, liegt es nahe, dieser auch das alleinige Recht zum Austausch ihres Vertreters zuzubilligen5. Die Problematik ist jedoch bisher nicht gelöst. Deshalb empfiehlt es sich für die Bank, der Praxis des jeweiligen Insolvenzgerichts zu folgen. Juristische Personen können dieser Problematik aus dem Wege gehen, indem sie – was häufig geschieht – einen ihrer Mitarbeiter für die Mitgliedschaft vorschlagen. Dieser ist dann nicht Vertreter seiner Firma, denn das Amt ist höchstpersönlich.

1.563

Wird die juristische Person, die Mitglied in einem Gläubigerausschuss geworden ist, selber insolvent, dann kann ihr Insolvenzverwalter die Bevollmächtigung des Vertreters widerrufen und selber dessen Platz im Ausschuss einnehmen6.

1.564

Anders verhält es sich mit staatlichen Ämtern und Behörden, da ihnen die eigene Rechtsfähigkeit fehlt7, so dass z.B. ein Finanzamt nicht Ausschussmitglied sein kann, wohl aber Anstalten oder Körperschaften öffentlichen Rechts wie z.B. Sparkassen oder Landesbanken.

1.565

frei

1 BGH v. 11.12.1993 – IX ZR 35/93, ZIP 1994, 46; LG Duisburg v. 29.9.2003 – 7 T 203/03, NZI 2004, 95; LG Hildesheim v. 19.8.2021 – 6 T 53/21, ZInsO 2022, 19 mit Anm. Rimpf; Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2016, § 67 Rn. 10; Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 67 Rn. 8; Vallender WM 2002, 2040; Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren, 2000, Rn. 309; kritisch Schmidt ZInsO 2018, 2457; für Mitglieder des Aufsichtsrats der Insolvenzschuldnerin AG Hamburg v. 15.12.1986 – 65 N 771/86, ZIP 1987, 386; Begründung RegE zu § 78; zur GmbH als Gläubigerausschussmitglied s. Gundlach/Frenzel/Schmidt ZInsO 2007, 531. 2 Zu den Anforderungen an den anderen Vertreter s. Cranshaw/Portisch/Knöpnadel ZInsO 2015, 1. 3 Rimpf in Anm. zu LG Hildesheim v. 19.8.2021 – 6 T 53/21, ZInsO 2022, 19. 4 Umfassend zu diesem Problemkreis Löffler FS Pannen 2017, 481. 5 LG Hildesheim v. 19.8.2021 – 6 T 53/21, ZInsO 2022, 19 mit Anm. Rimpf. 6 OLG Celle v. 21.8.2018 – 13 U 104/17, ZInsO 2018, 2252; BGH v. 11.3.2021 – IX ZR 266/18, ZIP 2021, 859 = ZInsO 2021, 841 Rn. 24 mit Anm. Harbrecht NZI 2021, 536. 7 BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 35/93, ZIP 1994, 46; Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2016, § 67 Rn. 10.

124 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.568 Erster Teil

b) Gruppenzugehörigkeit Kein Gläubiger hat einen Anspruch darauf, selbst in den Ausschuss gewählt zu werden1. Jedoch sollen die wichtigsten Gruppen repräsentiert sein. Hier gibt es geringfügige Unterschiede zwischen dem Antragsverfahren und dem eröffneten Verfahren.

1.566

aa) Antragsverfahren Für die Auswahl der Mitglieder enthält das Gesetz grobe Vorgaben: Im vorläufigen Gläubigerausschuss sollen die wichtigsten Gruppen von Gläubigern repräsentiert sein. Das Gesetz nennt in der Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 InsO 4 Gruppen, nämlich die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen, die Kleingläubiger und die Arbeitnehmer.

1.567

– Kreditinstitute gehören oft zu den Absonderungsberechtigten. Es bietet sich daher an, dass sie einen Sitz im Gläubigerausschuss erhalten; bei Konsortien erscheint der Konsortialführer am ehesten geeignet2. – Die Forderungen des Fiskus und der Sozialversicherungsträger sind zwar nach § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 InsO gesondert aufzuführen. Daraus kann aber nicht das Postulat entnommen werden, diesen auch einen Sitz im vorläufigen Gläubigerausschuss einzuräumen. Denn insbesondere der Fiskus ist häufig nicht Insolvenzgläubiger, sondern Massegläubiger (vgl. § 55 Abs. 4 InsO). – Ein Arbeitnehmervertreter soll im Gläubigerausschuss anders als nach bisherigem Recht stets und seit Inkrafttreten des ESUG nicht nur dann berücksichtigt werden, wenn die Arbeitnehmer als Insolvenzgläubiger mit nicht unerheblichen Forderungen beteiligt sind (§ 67 Abs. 2 Satz 2 InsO). – Wer noch als Kleingläubiger einzuordnen ist, hängt von den Besonderheiten des konkreten Verfahrens ab; eine allgemeine Betragsgrenze lässt sich nicht ziehen3. Die Verweisungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO auf § 67 Abs. 2, 3 InsO sollen gewährleisten, dass im Gläubigerausschuss alle Gruppen von Gläubigern adäquat vertreten sind und keine ein Übergewicht hat, wie dies bei einer Besetzung nach reinen Summenmehrheiten oder durch Aufteilung der Kleingläubigergruppe in mehrere4 denkbar wäre. Damit würde der Ausschuss aus vier Mitgliedern bestehen. Soweit er seine Beschlüsse nur einstimmig fassen kann, ist diese Zahl ausreichend. Wenn es aber auf Mehrheiten ankommt, wäre eine ungerade Zahl, also mindestens fünf, zu bevorzugen. Dabei können auch andere Gruppen von Gläubigern berücksichtigt werden. In Betracht kommen auch Gläubiger von Gesellschafterdarlehen, die aufgrund einer Umwandlung von Forderungen in Kapital aus einer früheren Sanierung nicht nachrangig sind5. Empfehlenswert ist die Aufnahme eines neutralen Experten; dies ist seit Inkrafttreten des SanInsFoG wieder möglich, nachdem in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens zum ESUG die Verweisung in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO auf § 67 Abs. 3 InsO gestrichen und durch Art. 5 Nr. 12 SanInsFoG wieder eingeführt wurde. 1 Gaul KTS 1955, 181 f. 2 AG Kaiserslautern v. 15.6.2004 – IN 144/04, NZI 2004, 676. 3 Zur Abgrenzung s. AG Ludwigshafen v. 26.1.2021 – 3a IN 139/19, ZIP 2021, 809; LU ZInsO 2021, 460. 4 Zur Unzulässigkeit s. LG Neuruppin v. 19.4.2013 – 2 T 33/13, ZIP 2013, 1541 = ZInsO 2013, 1040. 5 Meyer-Löwy/Bruder GmbHR 2012, 432.

Martin Obermüller | 125

1.568

Erster Teil Rz. 1.569 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.569

Personen, die erst mit Verfahrenseröffnung Gläubiger werden, können schon jetzt zu Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses bestimmt werden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO). Dies sind im Wesentlichen – der Pensions-Sicherungs-Verein und die Kredit- oder Kautionsversicherer1; – die Bundesagentur für Arbeit, wenn sie Arbeitnehmern des Schuldners Insolvenzgeld zahlen muss2. Dann gehen nämlich die Lohnforderungen der Arbeitnehmer auf sie über. Zwar geschieht dies nicht „mit“ Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wie es in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO scheinbar gefordert wird, sondern nach § 169 Satz 1 SGB III erst mit Einreichen des Antrags auf Insolvenzgeld. Eine Auslegung von § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO in dem Sinn, dass nur solche Gläubiger erfasst werden, die unmittelbar durch die Verfahrenseröffnung Gläubiger werden, wäre jedoch zu eng und würde zu einer unverständlichen Benachteiligung gegenüber den beispielhaft genannten Versicherern führen. Vielmehr geht es darum, Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Vertrag einem Insolvenzgläubiger im Fall der Verfahrenseröffnung dessen Forderung abnehmen müssen und deshalb an einer guten Insolvenzabwicklung interessiert sind, sich schon jetzt engagieren können. – der Einlagensicherungsfonds, der bei Bankinsolvenzen aus denselben Gründen wie die Bundesagentur für Arbeit einen Vertreter schon in den vorläufigen Gläubigerausschuss entsenden kann, wenn die Entschädigung der Einleger noch nicht begonnen hat, mithin der Fonds noch nicht Gläubiger ist (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO).

1.570

Ausgeschlossen sind dagegen Forderungskäufer, solange der Kaufvertrag noch nicht vollzogen ist.

1.571

Die Entscheidung, wer aus den jeweiligen Gruppen diesem vorläufigen Gläubigerausschuss angehören soll, trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, wenn der Schuldner nach § 22a Abs. 1 InsO lediglich einen Insolvenzantrag gestellt hat3. Dabei indiziert § 13 Abs. 1 Satz 4 InsO, dass es nicht nur in der Gruppe der Insolvenzgläubiger (für die dies schon § 67 Abs. 2 InsO nahelegt), sondern auch bei den Absonderungsberechtigten unter den größten Gläubigern zu wählen hat. Anderenfalls würde die Pflicht des Schuldners zu deren Aufführung im Insolvenzantrag keinen Sinn machen. Hat der Schuldner dagegen über den Insolvenzantrag nach § 22a Abs. 1 InsO hinaus oder hat ein Gläubiger, der nach § 22a Abs. 2 InsO die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt, Kandidaten für den Gläubigerausschuss benannt und deren Einverständniserklärung beigefügt, steht dem Insolvenzgericht kein freies personelles Benennungsrecht mehr zu; vielmehr ist es beschränkt auf ein sachliches Zurückweisungsrecht, wenn die Kriterien der Repräsentativität und Integrität nicht erfüllt sind4. Das führt aber nicht dazu, dass das Insolvenzgericht selbst zu einer Änderung der personellen Zusammensetzung befugt ist, sondern es hat den Antragsteller auf seine Bedenken hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, eine andere Person zu benennen5.

1 Landfermann WM 2012, 821. 2 S. Arbeitsanweisung der Bundesagentur für Arbeit: „Insolvenzgeld – Auswirkungen des ESUG u.a. auf die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld und die Beteiligung der BA an Gläubigerausschüssen – HEGA 03/12 – 08, Geschäftszeichen OS 12 – 71187/71187.1/71188 Nr. 3.2, ZIP 2012, 669. 3 LG Kleve v. 4.4.2013 – 4 T 32/13, ZIP 2013, 992. 4 Haarmeyer ZInsO 2012, 2109; a.A. Frind ZInsO 2012, 2028; LG Kleve v. 4.4.2013 – 4 T 32/13, ZIP 2013, 992. 5 Haarmeyer ZInsO 2012, 2109.

126 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.578 Erster Teil

Wenn die Zusammensetzung eines Gläubigerausschusses nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, hat dies auf die Wirksamkeit von Handlungen des vorläufigen Verwalters keinen Einfluss. Denn der vorläufige Verwalter ist vom Insolvenzgericht wirksam bestellt. Dieses hat trotz der Vorgaben des vorläufigen Gläubigerausschusses eine eigene Entscheidung hinsichtlich der Eignung des Verwalters treffen müssen und getroffen, die es möglicherweise wieder ändern kann, die aber zunächst einmal Bestand hat.

1.572

Gläubiger haben keinen Anspruch, an dieser Auswahl mitzuwirken, und nicht einmal ein Anhörungsrecht. Hier besteht die Gefahr, dass solche Insolvenzgerichte, die bisher stereotyp jeden von einem Gläubiger vorgeschlagenen Insolvenzverwalter abgelehnt haben, bei Vorschlägen für Gläubigerausschüsse ebenso vorgehen. Banken, die an einer ordentlichen Insolvenzabwicklung interessiert sind, sollten sich dennoch nicht scheuen, dem Gericht ihre Bereitschaft zur Entsendung eines Vertreters in den vorläufigen Gläubigerausschuss anzuzeigen oder sich für einen Kandidaten aus einem anderen Institut stark zu machen. Insbesondere dann, wenn ein Vorschlag von einer breiten Mehrheit nach Summen aus verschiedenen Gläubigergruppen getragen ist, wird sich ein Gericht ihm kaum verschließen.

1.573

frei

1.574

bb) Eröffnetes Verfahren Im eröffneten Verfahren ist zu unterscheiden zwischen dem nach Eröffnung bis zum Berichtstermin amtierenden (§ 67 InsO) und dem endgültigen Gläubigerausschuss (§ 68 InsO).

1.575

Im Eröffnungsbeschluss soll das Insolvenzgericht nach § 67 Abs. 2 InsO zunächst für die Zeit bis zur ersten Gläubigerversammlung in den Gläubigerausschuss jeweils einen Vertreter der absonderungsberechtigten Gläubiger, der Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen, der Kleingläubiger und der Arbeitnehmer berufen.

1.576

Erst die Gläubigerversammlung im eröffneten Verfahren kann von dieser Empfehlung abweichen1 und im endgültigen Gläubigerausschuss einzelne der genannten Gruppen stärker berücksichtigen und andere übergehen2.

1.577

Die Wahl einer juristischen Person ist zulässig. Sie wird von ihren gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Vertretern, also Vorständen, Geschäftsführern, Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten, vertreten. Im Kreditgewerbe sind Einzelvertretungsberechtigte die große Ausnahme, das sog. Vier-Augen-Prinzip, demzufolge grundsätzlich nur zwei Mitarbeiter gemeinsam das Unternehmen nach außen rechtlich vertreten können, ist die Regel3. Dies hat zwar den Vorteil, dass für einen verhinderten Vertreter ein der juristischen Person ebenfalls angehörender anderer Vertreter einspringen kann4, bringt andererseits die Gefahr eines zu häufigen Wechsels des Vertreters mit sich. Dem versuchen manche Insolvenzgerichte vorzubeugen, indem sie im Bestellungsbeschluss den Vertreter namentlich benennen (z.B. „Herr/Frau A für B-Bank“); dies führt dann zu einem Rechtsverhältnis eigener Art. Das steht – jedenfalls soweit es um Kreditinstitute geht – in einem gewissen Widerspruch zu den Prizipien der Vertre-

1.578

1 AG Köln v. 22.7.2003 – 71 IN 453/02, ZInsO 2003, 957. 2 Blersch in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2006, § 68 Rn. 5; Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 68 Rn. 3; Heidland in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2001, 711; a.A. Vogt InVo 2001, 389. 3 Huber/Magill ZInsO 2016, 200. 4 Zu den Anforderungen an den anderen Vertreter s. Cranshaw/Portisch/Knöpnadel ZInsO 2015, 1.

Martin Obermüller | 127

Erster Teil Rz. 1.578 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

tungsberechtigung. In Ausnahmefällen erteilen Kreditinstitut deshalb auch einem einzelnen Mitarbeiter Einzelvertretungsbefugnis für einen bestimmten Vorgang oder Aufgabenkomplex, werden sich dabei jedoch den jederzeitigen Widerruf vorbehalten.

1.579

Anders verhält es sich mit staatlichen Ämtern und Behörden, da ihnen die eigene Rechtsfähigkeit fehlt1, so dass z.B. ein Finanzamt nicht Ausschussmitglied sein kann, wohl aber Anstalten oder Körperschaften öffentlichen Rechts wie z.B. Sparkassen oder Landesbanken.

1.580

Als Mitglieder sowohl des im Eröffnungsbeschluss bestellten als auch des endgültigen, also von der Gläubigerversammlung gewählten Gläubigerausschusses können außer Gläubigern und deren Vertretern auch andere Personen2 herangezogen werden (§ 67 Abs. 3 InsO). cc) Beteiligung der Bank

1.581

Obwohl auch juristische Personen Mitglied von Gläubigerausschüssen sein können, nehmen Kreditinstitute solche Mandate nur ungern selbst wahr. Hintergrund ist zum einen die Sorge, dass andere Gläubiger Vorwürfe gegen Gläubigerausschussmitglieder wegen angeblich fehlerhafter Ausübung ihres Amtes umso leichter erheben, je vermögender sie das Gläubigerausschussmitglied einschätzen. Zum anderen fürchten die Kreditinstitute im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung die sog. Big-pocket-Jurisdiction3. Stattdessen regen manche Kreditinstitute gern Mitarbeiter an, das Mandat persönlich wahrzunehmen. Dies geschieht dann zwar im Interesse der Bank, der Mitarbeiter handelt aber nicht als deren Vertreter. Er erhält grundsätzlich auch keine pfändbare Haftungsfreistellung durch die Bank.

1.582

Aus geschäftspolitischen Gründen wollen manche Banken nur in ausgewählten Einzelfällen und nur noch selbst als Mitglied eines vorläufigen Gläubigerausschusses tätig sein. Bei der Entscheidung, ob die Bank Ausschussmitglied wird, wird die Bank vor allem folgende Aspekte berücksichtigen: – Finanzierungsvolumen der Bank, – Konsortialführerschaft der Bank, – Größe des Unternehmens, – Erkenntnisse aus der Krise, – interne Kapazitäten, – interne Organisation (Abgabe des Engagements an spezialisierte Abwicklungsabteilung), – Abschluss einer angemessenen Haftpflichtversicherung für den Gläubigerausschuss durch den Insolvenzverwalter (ggf. flankiert durch eine Subsidiärversicherung der Bank selbst für Zeitraum bis zum Abschluss einer Haftpflicht und für den Fall, dass die Haftpflichtversicherung nicht ausreicht).

1.583–1.589

frei

1 BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 35/93, ZIP 1994, 46; Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2016, § 67 Rn. 10. 2 So die Empfehlung von Blersch in BK InsO, Stand 2000, § 69 Rn. 3. 3 Landläufiger Ausdruck für die Neigung mancher Gerichte, der wirtschaftlich schwächeren Partei Recht zu geben.

128 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.594 Erster Teil

4. Aufgaben, Rechte und Pflichten des Gläubigerausschusses Beim Gläubigerausschuss handelt es sich um ein unabhängiges und eigenständiges Organ der Insolvenzverwaltung, dessen Entscheidungen die Gläubigerversammlung weder aufzuheben noch abzuändern befugt ist1.

1.590

a) Mitwirkung bei der Verwalterauswahl Ist im Antragsverfahren nach § 22a InsO ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt, so hat er grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten wie der Gläubigerausschuss im eröffneten Verfahren. Die Rechte dieses vorläufigen Gläubigerausschusses hat § 56a InsO jedoch in einem wesentlichen Punkt gestärkt und ihm Mitwirkungsrechte bei der Auswahl des Insolvenzverwalters zugebilligt. Diese Mitwirkungsrechte unterscheiden sich danach, ob der vorläufige Gläubigerausschuss vor oder erst nach der Bestellung des vorläufigen Verwalters eingesetzt wird.

1.591

aa) Vorherige Bestellung des Gläubigerausschusses Dem vorläufigen Gläubigerausschuss, der nach § 22a InsO im Eröffnungsverfahren vor der Bestellung des vorläufigen Verwalters einzusetzen ist, muss das Insolvenzgericht Gelegenheit geben, sich zu dessen Anforderungsprofil zu äußern und eine bestimmte Person vorzuschlagen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 56a Abs. 2 InsO). Dieses Vorschlagsrecht steht dem vorläufigen Gläubigerausschuss auch vor der Bestellung des Verwalters im Eröffnungsbeschluss zu (§ 56a Abs. 1 InsO). Dadurch soll der über ein Jahrzehnt andauernde Streit um die Verfahren zur Auswahl des „richtigen“ Insolvenzverwalters2 entschärft werden.

1.592

Die Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses ist nicht zeitgleich mit der Bestellung der einzelnen Mitglieder, sondern erst nach dessen Konstituierung möglich. Hierzu muss den Mitgliedern, um sich auch im Hinblick auf mögliche Haftungsfolgen ausreichend auf das Amt vorbereiten zu können, genügend Zeit eingeräumt werden3. Der vorläufige Gläubigerausschuss ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, sich zu äußern. Er kann sich auch darauf beschränken, nur ein Anforderungsprofil zu entwickeln oder nur einen Insolvenzverwalter vorzuschlagen. Letzteres ist aber nicht sinnvoll, da es Zweifel aufkommen lässt, ob sich der Gläubigerausschuss ernsthafte Gedanken über die Eignung des Kandidaten für das konkrete Verfahren gemacht hat, und dem Insolvenzgericht, das dem Vorgeschlagenen die Eignung abspricht, freie Hand für die Auswahl eines anderen Kandidaten gibt.

1.593

Von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Verwalters darf das Insolvenzgericht nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person zur Übernahme des Amtes nicht geeignet ist (§ 56a Abs. 2 InsO4); wenn der Gläubigerausschuss nicht nur einen Namen genannt, sondern auch ein Anforderungsprofil entwickelt hat, bestimmt sich danach die Eignung. Wenn der vorläufige Gläubigerausschuss keine Zweifel an

1.594

1 Brand/Sperling KTS 2009, 355; Frege NZG 1999, 478; Knof in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 69 Rn. 1. 2 Zu „Bewerberlisten“ und Rechtsmitteln wegen verweigerter Aufnahme s. OLG Düsseldorf v. 24.6.1996 – 3 VA 4/95, NJW-RR 1996, 1273; BVerfG v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00 und 1086/01, ZIP 2004, 1649; BVerfG v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355. 3 AG München v. 14.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1308. 4 Zur Vorwirkung dieser Vorschrift s. AG Hamburg v. 18.11.2011 – 67g IN 459/11, ZIP 2011, 2372.

Martin Obermüller | 129

Erster Teil Rz. 1.594 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

der fachlichen Qualität und Unabhängigkeit des Vorgeschlagenen hegt, wird auch das Gericht etwaige Bedenken meist zurückstellen. Anderenfalls muss es seine abweichende Entscheidung begründen (§ 27 Abs. 2 Nr. 4 InsO). Unklar ist, ob der Begründungszwang erst für den Eröffnungsbeschluss oder schon für den Beschluss über den im Antragsverfahren eingesetzten vorläufigen Verwalter eingreift, da § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO nur auf § 56 InsO, nicht aber auf § 27 Abs. 2 Nr. 4 InsO verweist. Den Sinn des Begründungszwangs sieht der Gesetzgeber darin, dass sich die Beteiligten mit der gerichtlichen Entscheidung auseinandersetzen und eventuell in der Gläubigerversammlung dennoch die vorgeschlagene, aber zunächst abgelehnte Person zum Verwalter wählen können1. Dieser Zweck kann auch dann noch erreicht werden, wenn das Gericht die Begründung im Eröffnungsbeschluss nachliefert.

1.595

Wenn das Insolvenzgericht den vorgeschlagenen Verwalter für ungeeignet hält, kann es einen Insolvenzverwalter seiner Wahl einsetzen. Es ist nicht verpflichtet, vorher den vorläufigen Gläubigerausschuss zu unterrichten und ihm Gelegenheit zu geben, einen anderen Kandidaten zu benennen. Es muss aber ein vom vorläufigen Gläubigerausschuss aufgestelltes Anforderungsprofil berücksichtigen.

1.596

Kann sich der vorläufige Gläubigerausschuss nicht auf Kandidaten einigen und gelangt nur zu einem Mehrheitsvotum, ist das Gericht daran nicht gebunden, sollte aber die Argumente des vorläufigen Gläubigerausschusses in seine Überlegungen einbeziehen und insbesondere berücksichtigen, welche Mehrheiten in der Gläubigerversammlung zu erwarten sind. Darüber dürfte das Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses einen guten Überblick liefern.

1.597

Eine Bank, deren Vorstellungen im vorläufigen Gläubigerausschuss keine einheitliche Zustimmung oder noch nicht einmal eine Mehrheit gefunden haben, kann versuchen, das Gericht, das jetzt in seiner Entscheidung frei ist, von ihren Ideen zu überzeugen. Das Gericht kann ihre Argumente nicht schon mit der Begründung zurückweisen, nur der Gläubigerausschuss hätte einen Anspruch auf Anhörung. Aus § 56 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 InsO, der von „einem Gläubiger“ spricht, ergibt sich nämlich, dass auch einzelne Gläubiger berechtigt sind, Vorschläge zu unterbreiten. bb) Nachträgliche Bestellung des Gläubigerausschusses

1.598

Wenn das Insolvenzgericht zur Abwendung nachteiliger Veränderungen der Insolvenzmasse den Gläubigerausschuss erst nach der Bestellung des vorläufigen Verwalters einsetzt, kann der Gläubigerausschuss in seiner ersten Sitzung eine andere Person zum Verwalter wählen. Das Insolvenzgericht muss diesen ernennen, wenn die Wahl einstimmig ausfällt (§ 56a Abs. 3 InsO). Unklar ist, – ob es sich dabei nur um einen neuen vorläufigen Verwalter für die Zeit bis zum Eröffnungsbeschluss handeln soll, – ob dieser vorläufige Verwalter über den Eröffnungsbeschluss hinaus bis zur Gläubigerversammlung im Amt bleiben soll und ob damit auch schon der Insolvenzverwalter installiert ist, den die Gläubigerversammlung nur noch mit den Mehrheiten nach § 57 InsO abwählen darf. Dem Unternehmen würde ein ständiger Wechsel nur schaden. Es ist daher zu hoffen, dass die Insolvenzgerichte pragmatisch handeln und den vom vorläufigen Gläubigerausschuss abge1 Begründung zum RegE zum ESUG BT-Drucks. 17/5712 Teil B zu Nr. 7.

130 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.603 Erster Teil

wählten Verwalter nicht im Eröffnungsbeschluss wieder einsetzen in der Hoffnung, dass eine erneute Abwahl die dann erforderliche Kopfmehrheit verfehlt. Der praktische Unterschied zwischen der Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses vor der Bestellung des Verwalters und der Bestellung erst nach der Ernennung eines vorläufigen Verwalters ist erheblich. Denn die nachträgliche Bestellung beschert jedem einzelnen Gläubigerausschussmitglied ein erhöhtes Blockadepotenzial. Da bereits ein vorläufiger Verwalter im Amt ist, der nachteilige Veränderungen der Insolvenzmasse verhindern sollte, sind anders als bei einer Entscheidung vor der Bestellung eines vorläufigen Verwalters keine Eile geboten und kein Einigungszwang gegeben. Denn es ist bereits ein vorläufiger Verwalter im Amt, der etwaige Gefahren und Nachteile für die Insolvenzmasse abzuwehren hat. Es ergibt sich also dieselbe Situation wie in der ersten Gläubigerversammlung, in der sich Summenmehrheit und Kopfmehrheit gegenseitig blockieren können und der vom Gericht gewählte Verwalter im Amt bleibt.

1.599

cc) Fakultativer Gläubigerausschuss Wenn das Insolvenzgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss bestellt, obwohl weder die Voraussetzungen des § 22a InsO erfüllt sind noch die Gläubiger, der Schuldner oder ein etwa schon vorhandener vorläufiger Verwalter dies nach § 22a Abs. 2 InsO beantragt haben, stehen diesem Ausschuss im Hinblick auf die Auswahl des vorläufigen Verwalters nicht die Befugnisse wie dem nach § 22a InsO eingesetzten zu. Selbst ein einstimmiges Votum kann das Gericht übergehen, wobei sich dann allerdings die Frage stellt, weshalb es überhaupt einen solchen Ausschuss eingesetzt hat.

1.600

dd) Anforderungsprofil und konkreter Vorschlag In der Gestaltung des Anforderungsprofils ist der vorläufige Gläubigerausschuss frei. Er muss weder darauf achten, ob der von ihm favorisierte Verwalter auf der Vorauswahlliste des zuständigen Insolvenzgerichts steht, noch ist er durch die EU-Dienstleistungsrichtlinie1 gebunden. Bei der Darstellung des Anforderungsprofils sollte der Gläubigerausschuss klare Kriterien herausarbeiten und unbestimmte Rechtsbegriffe vermeiden. So ist es beispielsweise nicht sinnvoll, lediglich „einen in Sanierungen erfahrenen“ Verwalter zu fordern. Vielmehr sollte der Gläubigerausschuss angeben, wie viele Unternehmen der Verwalter schon saniert haben sollte und in welcher Größenordnung diese sich bewegt hatten.

1.601

Der vorläufige Gläubigerausschuss muss sich nicht auf die Festsetzung eines Anforderungsprofils beschränken, sondern kann auch mehrere oder nur einen Kandidaten vorschlagen. Den oder die Kandidaten kann das Insolvenzgericht nur ablehnen, wenn sie ungeeignet sind.

1.602

ee) Form der Mitwirkung Seine Mitwirkungsrechte bei der Auswahl des Insolvenzverwalters oder einer etwaigen Abwahl sollte der vorläufige Gläubigerausschuss dadurch wahrnehmen, dass er sich auf ein Anforderungsprofil und einen Vorschlag zur Person des Verwalters einigt. Seinen Beschluss kann er

1 Richtlinie 2006/123/EG v. 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376 v. 27.12.2006, S. 36–68; umgesetzt durch Gesetz v. 22.12.2010, BGBl. I 2010, 2248 in Form eines Art. 102a EGInsO.

Martin Obermüller | 131

1.603

Erster Teil Rz. 1.603 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

in einer Präsenzsitzung, einer Telefonkonferenz oder im Umlaufverfahren fassen, muss das Ergebnis aber für das Gericht schriftlich dokumentieren. Sofern ein Mitglied nicht mitgewirkt hat, muss – soweit Einstimmigkeit erforderlich war oder die Mehrheit von seiner Stimme abhängen konnte – dem Insolvenzgericht dargelegt werden, dass diesem Mitglied in angemessener Weise Gelegenheit zur Teilnahme gegeben worden ist. b) Mitwirkungsrechte bei Eigenverwaltung

1.604

Wird Eigenverwaltung angestrebt, so stehen dem vorläufigen Gläubigerausschuss Mitwirkungsrechte an der Entscheidung über die Eigenverwaltung und bei der Auswahl des Sachwalters zu. aa) Anhörung zum Antrag auf Eigenverwaltung

1.605

Vor der Entscheidung über den Antrag auf Eigenverwaltung und die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters1 muss das Gericht einem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zur Äußerung geben (§ 270b Abs. 3 InsO). Aus dieser Formulierung des Gesetzes könnte man folgern, dass bei Entscheidungen über eine Eigenverwaltung stets ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt werden muss. Dies ist jedoch nicht so gemeint, wie die Begründung für die insoweit fast gleiche Vorgängervorschrift (§ 270 Abs. 3 InsO a.F.)2 zeigt, die ein Anhörungsrecht nur einem nach § 22a InsO eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschuss gewähren will. Unterhalb der Grenzen des § 22a InsO muss kein Gläubigerausschuss eingesetzt werden, dementsprechend kann das Gericht ohne Anhörung von Gläubigern allein entscheiden. Einen etwa fakultativ bestellten Gläubigerausschuss muss das Gericht also nicht einbinden, wobei sich dann die Frage stellen würde, warum es ihn überhaupt bestellt hat. Von der Anhörung kann das Insolvenzgericht absehen, wenn der Schuldner mit dem Insolvenzantrag nicht nur einen Vorschlag für einen vorläufigen Gläubigerausschuss und die Bereitschaftserklärung der vorgeschlagenen Mitglieder, sondern auch deren Empfehlung zur Anordnung der Eigenverwaltung vorlegt.

1.606

Von der Anhörung des nach § 22a InsO eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschusses kann das Gericht auch absehen, wenn seit der Antragstellung zwei Werktage vergangen sind oder die Verzögerung offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners führt, die sich nicht anders als durch Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters abwenden läßt (§ 270b Abs. 3 Satz 2 InsO). Dies ist aber nur schwer vorstellbar. Die Suche nach einem Gläubigerausschuss und dessen Verhandlungen führen zwangsläufig zu einer Verzögerung und jede Verzögerung erhöht die Gefahr für eine nachteilige Veränderung der Insolvenzmasse. Diese Gefahr hat der Gesetzgeber aber im Interesse einer stärkeren Berücksichtigung der Gläubigerautonomie3 in Kauf genommen. Außerdem muss die nachteilige Veränderung offensichtlich sein, d.h. das Insolvenzgericht muss konkrete Anhaltspunkte haben und darf nicht etwa erst einen Sachverständigen einsetzen, der diese Umstände ermittelt; Umstände, die erst ermittelt werden müssen, sind eben nicht offensichtlich4. Deshalb

1 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung weiterer Vorschriften v. 6.7.2022 – BT-Drucks. 20/2653 zu Art. 11 Nr. 2. 2 Begründung zum RegE zum ESUG BT-Drucks. 17/5712 Teil B zu Nr. 42b Abs. 3. 3 Zu Inhalt und Bedeutung s. Graf-Schlicker FS Smid 2022, 133; Biel/Wittmann ZInsO 2022, 2105. 4 A.A. Frind ZInsO 2011, 2249.

132 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.611 Erster Teil

muss sich das Gericht bemühen, möglichst schnell selbst die erforderlichen Informationen zu sammeln, und kann notfalls zwischenzeitliche Sicherungsmaßnahmen treffen. Wenn das Insolvenzgericht von der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses absieht, muss es diesen nicht nachträglich bestellen und seine Meinung erfragen. Dies sieht das Gesetz nur für die Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters vor (s. § 56a Abs. 3 InsO), für die Eigenverwaltung fehlt eine entsprechende Vorschrift.

1.607

bb) Bindung an das Votum zur Anordnung Die Wirkungen von Beschlüssen des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Anordnung einer Eigenverwaltung sind unterschiedlich je nachdem, welche Mehrheiten zustande kommen:

1.608

– An einen die vorläufige Eigenverwaltung unterstützenden einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses ist das Gericht gebunden. – Stimmt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig gegen die vorläufige Eigenverwaltung, unterbleibt die Anordnung (§ 270b Abs. 3 Satz 3, 4 InsO); auf die Tragfähigkeit der Begründung kommt es nicht an1. – Erzielt der Gläubigerausschuss keine Einstimmigkeit, kann das Insolvenzgericht allein entscheiden, sollte aber die gewechselten Argumente des Gläubigerausschusses in seine Überlegungen einbeziehen. Im letzteren Fall ist die Ablehnung schriftlich zu begründen; § 27 Abs. 2 Nr. 4 InsO gilt entsprechend (§ 270b Abs. 4 InsO). So wird es der Gläubigerversammlung ermöglicht, auf Basis dieser Begründung die Entscheidung zu fällen, ob nachträglich dennoch eine Eigenverwaltung beantragt wird.

1.609

cc) Argumente für die Entscheidung des Gläubigerausschusses Zwar ist in der Regel nicht anzunehmen, dass Personen, die das Unternehmen in die Insolvenz geführt haben, geeignet sind, die Insolvenzmasse optimal zu verwerten, geschweige denn eine Sanierung erfolgreich zu gestalten. Diese Befürchtung hat sich beispielsweise auch in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement2 – MaRisk – niedergeschlagen. Diese verlangen die Abgabe von Problemengagements an Mitarbeiter oder Bereiche, die auf die Sanierung bzw. Abwicklung spezialisiert sind. Solche abstrakten und auf Erfahrungen gestützten Erwartungen lässt der Gesetzgeber aber für eine Ablehnung der Eigenverwaltung nicht ausreichen, vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen3.

1.610

Eine Zustimmung zur Eigenverwaltung wird dem Gläubigerausschuss jedoch leichter fallen, wenn er erwarten kann, dass Managementfehler, die zur Krise geführt haben4, sich nicht wie-

1.611

1 LG Halle v. 14.11.2014 – 3 T 86/14, ZIP 2014, 2355. 2 Rundschreiben 15/2009 (BA) – BA 54-FR 2210-2008/0001 der BaFin v. 14.8.2009 – MaRisk Nr. 1.2.5. 3 Begründung zum RegE zum ESUG BT-Drucks. 17/5712 Teil B zu Nr. 42a bb. 4 Dereinst stellte Uhlenbruck in einer Vortragsveranstaltung die These auf, Insolvenzen seien immer auf Managementfehler zurückzuführen. Dem Einwand, wenn ein Hühnerzuchtbetrieb insolvent geworden sei, weil alle Hühner im Jahrhunderthochwasser der Oder ertrunken seien, sei das nun wirklich kein Managementfehler, widersprach er: Hätte man Enten gezüchtet, wäre nichts passiert.

Martin Obermüller | 133

Erster Teil Rz. 1.611 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

derholen. Dies lässt sich insbesondere bei Sanierungen1 von juristischen Personen2 am ehesten darstellen. Haben die Gesellschafter oder der Aufsichtsrat bereits die Geschäftsführer bzw. die Vorstände, die für die Krise des Unternehmens verantwortlich gemacht werden konnten, ausgewechselt, so kann es in der Tat sinnvoll und erfolgversprechend sein, dass die neuen Geschäftsleiter3 auch in der Insolvenz verfügungs- und verwaltungsbefugt bleiben. Ihre Kenntnisse können auf diese Weise am besten genutzt werden, zumal die Einarbeitungszeit für den Insolvenzverwalter entfällt und letztlich Kosten und Aufwand für das Verfahren gespart werden. Ist die Geschäftsführung einer juristischen Person nicht schon vor dem Insolvenzantrag ausgetauscht worden, so kann dies noch im Verfahren nachgeholt werden. Die gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeiten bleiben erhalten, jedoch sind sowohl die Neubestellung als auch die Abberufung von Geschäftsleitern nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt (§ 276a Abs. 1 Satz 2 InsO). Selbst kann der Sachwalter solche Maßnahmen nicht anordnen, sondern sie nur anregen. dd) Bindung an das Votum zur Auswahl des Sachwalters

1.612

Für die Auswahl und Bestellung des vorläufigen Sachwalters gelten die Regelungen zur Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechend. Dem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des vorläufigen Sachwalters muss das Gericht – außer im Falle einer persönlichen Ungeeignetheit4 – Folge leisten (§ 270b Abs. 1 Satz 1, §§ 274, 56a Abs. 2 InsO). Abweichende Bestellungen muss das Gericht begründen (§ 270b Abs. 1 Satz 1, §§ 274, 27 Abs. 2 Nr. 4 InsO).

1.613

Ohne Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ist das Gericht nicht an etwaige Anregungen der Gläubiger gebunden.

1.614

Die Beteiligung des Ausschusses an der Auswahl des Sachwalters kann das Gericht mit der zunächst vorrangigen Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Frage der Eigenverwaltung verbinden. Im Einzelfall kann es aber auch zweckmäßig sein, den Ausschuss erst kurz vor der Verfahrenseröffnung zur Entscheidung über die Eigenverwaltung zu konsultieren und dabei die Erfahrungen mit dem Verhalten des Schuldners einzubeziehen, die während des Eröffnungsverfahrens gewonnen worden sind5.

1.615

frei c) Unabhängige Wahrnehmung der Interessen der Gesamtgläubigerschaft

1.616

„Unabhängig“ ist die Stellung der Mitglieder des Gläubigerausschusses nicht nur gegenüber dem Gericht6 und dem Insolvenzverwalter, dessen Tätigkeit sie zu überwachen haben, son-

1 Dies entspricht auch der Auffassung des Gesetzgebers, Begründung RegE InsO zum 8. Teil, 1. Abschnitt, BR-Drucks. 1/92 S. 222 (223); ebenso Vallender WM 1998, 2129 (2139). 2 Zur Aktiengesellschaft als typischer eigenverwaltender Schuldner s. Wehdeking DZWIR 2006, 451; Hofmann ZIP 2007, 260. 3 Zur Einsetzung von Insolvenzspezialisten als Vorstände s. AG Duisburg v. 1.9.2002 – 62 IN 167/ 02, ZIP 2002, 1636; Kluth ZInsO 2002, 1001; Köchling ZInsO 2003, 53. 4 OLG Düsseldorf v. 31.8.2016 – I-3 VA 1/15, ZInsO 2017, 1490. 5 Begründung zum RegE zum ESUG BT-Drucks. 17/5712 Teil B zu Nr. 42b Abs. 4. 6 BGH v. 12.7.1965 – III ZR 41/64, WM 1965, 1158 (1159).

134 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.618 Erster Teil

dern auch gegenüber der Gläubigerversammlung1. Die Aufgaben des Gläubigerausschusses ergeben sich ausschließlich aus dem Gesetz. Er steht zur Gläubigerschaft in keinem Auftragsverhältnis. Der Gläubigerausschuss unterliegt auch keinen Weisungen durch das Gericht; es kann wirksam gefasste Beschlüsse weder überprüfen noch deren Ausführung untersagen2; die Befugnisse des Insolvenzgerichts sind insoweit auf eine Rechtsaufsicht beschränkt. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben ihre Tätigkeit auf das Interesse der Gesamtgläubigerschaft auszurichten3 und müssen deshalb u.U. eine Entscheidung auch dann treffen, wenn sie den eigenen Interessen widerspricht4. Die Begünstigung eines Insolvenzgläubigers zum Nachteil der Übrigen stellt deshalb eine so schwere Pflichtverletzung dar, dass das Insolvenzgericht5 dieses Ausschussmitglied aus seinem Amt aus wichtigem Grund entlassen kann6. Andererseits ist kein Gläubiger von der Wählbarkeit schon deshalb ausgeschlossen, weil er seine Tätigkeit dazu benutzen könnte, Insiderinformationen7 für eigennützige Zwecke zu verwerten; diese Gefahr kann nicht durch ein „Veto“ des Insolvenzgerichts ausgeräumt werden8. Diese mittelbare Selbstbetroffenheit kann schlechterdings nicht als beachtliche Interessenkollision angesehen werden – sie ist immanenter Bestandteil der Gläubigerautonomie9. Allerdings muss sich ein Gläubigerausschussmitglied zumindest der Stimme enthalten bzw. von der Teilnahme an Beratungen absehen, wenn Rechtsgeschäfte der Insolvenzmasse mit ihm bzw. dem ihn entsendenden Unternehmen erörtert werden10. Für eine Bank wird es sich im Allgemeinen empfehlen, sich einer Wahl in den Gläubigerausschuss nicht zu verschließen11. Aufgrund ihrer Geschäftsverbindung mit dem Insolvenzschuldner wird sie auch in vielen Fällen in der Lage sein, dem Insolvenzverwalter sachdienliche Ratschläge zu geben.

1.617

d) Überwachung und Unterstützung Die Mitglieder des Gläubigerausschusses müssen den Insolvenzverwalter bei der Abwicklung des Verfahrens unterstützen und überwachen12. Sie haben das Recht, an der Gläubigerversammlung teilzunehmen13, sich über den jeweiligen Stand des Verfahrens zu unterrichten und die Bücher und den Schriftverkehr einzusehen sowie den Kassenbestand zu prüfen (§ 69

1 BGH v. 1.3.2007 – IX ZB 47/06, ZIP 2007, 781 = ZInsO 2007, 444; Frege/Nicht ZInsO 2012, 2217. 2 BGH v. 12.6.1965 – III ZR 41/64, KTS 1966, 17; BGH v. 11.3.2021 – IX ZR 266/18, ZIP 2021, 859 = ZInsO 2021, 841 Rn. 14 mit Anm. Harbrecht NZI 2021, 536. 3 Haenecke KTS 1983, 533. 4 Pape ZInsO 1999, 675; Pape WM 2006, 19. 5 Der Insolvenzverwalter ist in diesem Verfahren weder formell noch materiell Beteiligter, BGH v. 17.7.2003 – IX ZB 448/02, ZInsO 2003, 751. 6 BGH v. 15.5.2003 – IX ZB 448/02, ZIP 2003, 1259 = ZInsO 2003, 560; BGH v. 24.1.2008 – IX ZB 222/05, ZIP 2008, 652 = ZInsO 2008, 323; Pape WM 2006, 19. 7 Zur Verschwiegenheitspflicht s. Gundlach/Frenzel/Schmidt ZInsO 2006, 69; Eicke ZInsO 2006, 798; Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2000, § 69 Rn. 6; Pape ZIP 2015, 1662; Huber/Magill ZInsO 2016, 200. 8 LG Tübingen v. 5.10.1983 – 5 T 49/83, ZIP 1983, 1357. 9 Gundlach/Frenzel/Schmidt ZInsO 2005, 974. 10 Huber/Magill ZInsO 2016, 200; Vallender WM 2002, 2040; Pape ZInsO 1999, 675. 11 Zum Nutzen einer Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss s. Ehlers BB 2013, 259. 12 S. auch die Auflistung der Einzelvorschriften der InsO, aus denen sich Mitwirkungsrechte und -pflichten des Gläubigerausschusses ergeben, bei Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2000/2006, § 69 Rn. 7. 13 Wimmer DZWIR 1999, 62.

Martin Obermüller | 135

1.618

Erster Teil Rz. 1.618 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

InsO)1. Demgegenüber gehört es nicht zu den Aufgaben eines Gläubigerausschussmitglieds, Vertragsverhandlungen für die Insolvenzmasse zu führen oder gar durch Geschäftsabschlüsse Masseschulden zu begründen2. Vielmehr ist der Gläubigerausschuss auf Beratungs- und Kontrollaufgaben beschränkt, muss diese aber sorgfältig ausführen. Dazu gehört nicht nur eine Überwachung in rechtlicher Hinsicht, sondern auch eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Abwicklungsmaßnahmen3. Die Unterstützungspflicht geht aber nicht soweit, dass der Gläubigerausschuss eine beim Schuldner fehlende Sanierungskompetenz auszugleichen oder zu ersetzen hätte4. aa) Beauftragung Dritter

1.619

Die Mitglieder des Gläubigerausschusses müssen ihre Aufgaben grundsätzlich persönlich erfüllen. Sie können aber ausnahmsweise auch Hilfskräfte bzw. Dienstleister beauftragen und einzelne Tätigkeiten etwa an Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Sachverständige delegieren5. Bei der Beurteilung, ob die Beauftragung Dritter durch den Insolvenzverwalter gerechtfertigt ist, spielt einzig und allein die Erforderlichkeit, besondere Sachkunde hinzuzuziehen, eine Rolle6. Dies muss gleichermaßen für die Mitglieder des Gläubigerausschusses gelten. bb) Überwachung von Risikogeschäften

1.620

Soweit es sich dabei um risikobehaftete Geschäfte handelt, die Prognoseentscheidungen erfordern, sind diese zwangsläufig verbunden mit der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen. Hier hat der Gläubigerausschuss zu überwachen, ob der Insolvenzverwalter seine Entscheidungen auf der Grundlage umfassender Informationen trifft und die Risiken gegen die sich daraus ergebenden Chancen abwägt7. Die kaufmännische Verantwortung verbleibt jedoch bei dem Insolvenzverwalter; der Gläubigerausschuss kann nicht darauf bestehen, dass seine eigene Einschätzung an die Stelle der Bewertung des Insolvenzverwalters tritt. Hat der Insolvenzverwalter diese Abwägung sorgfältig vorgenommen worden, kann eine Pflichtverletzung nicht deshalb angenommen werden, weil die Maßnahme sich später als nachteilig erweist8. Die aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG abgeleitete sog. Business Judgement Rule9 trifft allenfalls den Insolvenzverwalter, nicht aber den Gläubigerausschuss, denn Letzterer hat keine Mitgeschäftsführungsbefugnis, sondern nur eine Überwachungsaufgabe.

1 Zu den Pflichten des Ausschusses s. BGH v. 27.4.1978 – VII ZR 31/76, WM 1978, 634 m.w.N. 2 BGH v. 22.4.1981 – VIII ZR 34/80, ZIP 1981, 1001 = VersR 1981, 847; Merz WM 1983, 106. 3 OLG Rostock v. 28.5.2004 – 3 W 11/04, ZInsO 2004, 814; LG Schwerin v. 10.2.2006 – 1 O 120/04, ZIP 2006, 720; Ganter FS Fischer, 2008, 121; Pape/Schmidt ZInsO 2004, 955. 4 Mock ZInsO 2019, 1991. 5 LG Bückeburg v. 8.7.2020 – 4 T 49/16, ZInsO 2020, 2062; Knof in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 69 Rn. 4. 6 AG Hannover v. 8.5.2020 – 904 IN 774/16-7, ZInsO 2020, 2067 mit Anm. Haarmeyer ZInsO 2020, 2068. 7 BGH v. 13.8.2009 – 3 StR 576/08, ZIP 2009, 1854; weiterführend Altenburg BB 2015, 323. 8 So für Kreditentscheidungen BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, ZIP 2002, 346 = WM 2002, 225. 9 S. Lutter ZIP 2007, 841; Buchta/Ott ZInsO 2015, 288; zu gesellschaftsrechtlichen Aspekten des Risikomanagements s. Krekeler ZBB 2012, 351.

136 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.624 Erster Teil

cc) Überwachungsinstrumente Das wichtigste Instrument des Gläubigerausschusses zur Überwachung des Verwalters ist die Kassenprüfung. Da diese aber zwangsläufig nachträglich vorgenommen wird, kann der Gläubigerausschuss daraus die Entwicklung des Unternehmens nur zeitversetzt nachvollziehen. Dadurch ist es für ihn insbesondere im Fall der Fortführung des Unternehmens schwierig, Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen. Insoweit muss er zunächst darauf vertrauen, dass ihn der Insolvenzverwalter rechtzeitig und umfassend unterrichtet. Grundsätzlich ist der Gläubigerausschuss auf die Informationen angewiesen, die ihm der Insolvenzverwalter erteilt. Der Gläubigerausschuss kann aber verlangen, dass der Insolvenzverwalter Mitarbeiter des Schuldnerunternehmens anweist, dem Gläubigerausschuss Auskünfte zu erteilen. Dies enthebt den Insolvenzverwalter nicht der eigenen Auskunftspflicht, sondern dient in erster Linie dazu, dem Gläubigerausschuss die Überprüfung der Tätigkeit und Angaben des Insolvenzverwalters zu ermöglichen.

1.621

Besonders zu achten hat der Gläubigerausschuss auf typische Fehlerquellen wie z.B.

1.622

– Vermischung der Gelder verschiedener Massen durch Verbuchung auf einem Sammelkonto1, – Geldanlage auf unklar bezeichneten Konten, welche dem konkreten Insolvenzverfahren nicht eindeutig zuzuordnen sind, – Übertragung von Geldern auf Konten bei nicht als Hinterlegungsstelle ausgewählten Banken, – Kredite aus Mitteln der einen Insolvenzmasse an eine andere Insolvenzmasse (auch wenn diese demselben Konzern angehört), – Vorlage von Eigenbelegen. dd) Reaktionsmöglichkeiten bei festgestellten Pflichtverletzungen Wenn der Gläubigerausschuss zu der Überzeugung kommt, dass eine bestimmte Maßnahme oder Handlung des Insolvenzverwalters einen Pflichtenverstoß darstellt, sind seine Mittel beschränkt auf eine Anzeige an das Insolvenzgericht, einen Antrag auf Einberufung einer Gläubigerversammlung (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder auf Abwahl des Verwalters (§ 59 Abs. 1 Satz 2 InsO), ggf. auf Aufhebung der (vorläufigen) Eigenverwaltung (§ 270e Abs. 1 Nr. 4, § 270f Abs. 1 InsO); er kann auch die Einsetzung eines Sonderverwalters anregen. Bleibt das Insolvenzgericht untätig, so ist der Gläubigerausschuss machtlos, aber auch exkulpiert.

1.623

e) Auskunftsansprüche und Verschwiegenheitspflicht Der Insolvenzverwalter ist – auch unaufgefordert – zur Unterrichtung des Ausschusses als solchem (nicht der einzelnen Mitglieder) verpflichtet, und zwar über alle Einzelheiten des Verfahrens und der Abwicklung einschließlich der kurz- oder längerfristigen Fortführung des Betriebs2. Ein Ausschussmitglied ist nicht darauf beschränkt, sich in einer Ausschusssitzung vom

1 Vgl. auch BGH v. 21.3.2013 – IX ZR 109/10, ZIP 2013, 1235 = ZInsO 2013, 986; BGH v. 25.6.2015 – IX ZR 142/13, ZInsO 2015, 1563. 2 BGH v. 22.4.1981 – VIII ZR 34/80, ZIP 1981, 1001 = VersR 1981, 847; Merz WM 1983, 106.

Martin Obermüller | 137

1.624

Erster Teil Rz. 1.624 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Verwalter unterrichten zu lassen. Vielmehr ist jedes Mitglied einzeln berechtigt, auch außerhalb von Ausschusssitzungen Auskünfte über den Verfahrensgang zu fordern1.

1.625

Gegenüber Dritten ist der Gläubigerausschuss zur Verschwiegenheit berechtigt und verpflichtet2. Das Recht zur Verschwiegenheit gilt auch gegenüber dem Insolvenzgericht; das Gericht hat daher weder gegen den Gläubigerausschuss noch gegen den Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Aushändigung der Protokolle. Allerdings wird eine Zusammenarbeit mit dem Insolvenzgericht meist empfehlenswert sein.

1.626

Den Informationsvorsprung, den das Gläubigerausschussmitglied durch seine Tätigkeit erhält, darf es im Zweifel nicht dazu benutzen, eigene Interessen auf Kosten der Gesamtheit der Gläubigergesamtheit durchzusetzen3. Sofern das Gläubigerausschussmitglied Mitarbeiter eines Gläubigerunternehmens ist und auf sein Betreiben persönlich in den Ausschuss gewählt wurde, soll sich aus dem Arbeitsverhältnis eine Informationspflicht gegenüber dem Gläubiger ergeben4. Dadurch gerät das Gläubigerausschussmitglied in ein Spannungsverhältnis zu dem Verbot der Verfolgung von Partikularinteressen5. Eine unzulässige Begünstigung ist anzunehmen, wenn ein Mitarbeiter seine als Gläubigerausschussmitglied gewonnenen Erkenntnisse zum einseitigen Vorteil seines Arbeitgebers benutzt6. Umgekehrt ist auch ein Mitarbeiter einer Bank, der Mitglied des Gläubigerausschusses ist, im Verhältnis zu den anderen Gläubigerausschussmitgliedern zur Wahrung des Bankgeheimnisses gehalten7, was aber letztlich nur formelle Bedeutung hat, da der Insolvenzverwalter die Informationen verlangen und der Gläubigerausschuss ihn seinerseits zu deren Einholung und Weitergabe bewegen kann. Wenn dagegen eine juristische Person als Gläubigerausschussmitglied bestellt wird, ist es dessen Mitarbeiter, der im Gläubigerausschuss die Funktion der juristischen Person wahrnimmt, nicht untersagt, die im Gläubigerausschuss gewonnenen Informationen im Unternehmen zumindest im Rahmen der sachgerechten Ausübung des Mandats weiterzugeben; eine Verwertung zum Nachteil anderer Gläubiger ist allerdings unzulässig8.

1.627

Der Auskunftsanspruch eines Gläubigerausschussmitglieds entfällt im Hinblick auf Tatsachen, die sich auf einen gerade gegen dieses Mitglied geplanten oder anhängigen Anfechtungsprozess beziehen9. Umgekehrt darf ein Mitglied des Gläubigerausschusses, das den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Insolvenzschuldnerin in einem Prozess des Insolvenzverwalters wegen Geschäftsführerhaftung anwaltlich vertritt und eine ausdrücklichen Verschwiegenheitsverpflichtung eingegangen ist, die anderen Ausschussmitglieder über den

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Blersch in BK InsO, Stand 2000, § 69 Rn. 4; Hoppe ZInsO 2017, 2249. Brand/Sperling KTS 2009, 355 m.w.N.; Frege/Nicht ZInsO 2012, 2217; Hoppe ZInsO 2017, 2249. Uhlenbruck ZIP 2002, 1373; Huber/Magill ZInsO 2016, 200. BGH v. 22.4.1981 – VIII ZR 34/80, ZIP 1981, 1001; a.A. Frege NZG 1999, 478; Haenecke KTS 1983, 533; Hegemanns, Der Gläubigerausschuss, 1986, 100; Pape ZIP 2015, 1662. Eicke ZInsO 2006, 798; Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2000, § 69 Rn. 6; Riedel in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 69 Rn. 9; zur Verschwiegenheitspflicht eines „beauftragten“ Rechtsanwalts s. Gundlach/Schmidt ZInsO 2008, 604. BGH v. 24.1.2008 – IX ZB 222/05, ZIP 2008, 652 = ZInsO 2008, 323; BGH v. 24.1.2008, ZIP 2008, 655 – IX ZB 223/05, ZInsO 2008, 323. Uhlenbruck ZIP 2002, 1373. Buchalik/Haarmeyer, Der (vorläufige) Gläubigerausschuss, 5. Aufl. 2019, S. 32; Huber/Magill ZInsO 2016, 200. Uhlenbruck BB 1976, 1199.

138 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.630 Erster Teil

Stand dieses Verfahrens wegen Interessenkollision nicht unterrichten; das Mitglied des Gläubigerausschusses ist zu entlassen, wenn es den Gläubigerausschuss zu beeinflussen versucht hat1. Angesichts der Abgrenzungsschwierigkeiten empfiehlt es sich, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses sich gegenseitig verpflichten, die Vertraulichkeit zu wahren. Davon kann ein Mitglied sich nur durch Zustimmung aller anderen Gläubigerausschussmitglieder wieder entbinden lassen. Eine solche Vertraulichkeitserklärung kann folgenden Wortlaut2 haben:

1.628

M 2 Vertraulichkeitsvereinbarung Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen ... ... ... ... ... als Mitglieder des Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. ... Die Gläubigerausschussmitglieder sind sich bewusst, dass das Insolvenzverfahren nicht öffentlich ist. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses vereinbaren nach Maßgabe der Insolvenzordnung eine umfassende Verschwiegenheit. Es ist ihnen insbesondere untersagt, im Gläubigerausschuss erlangte Informationen an Dritte (auch an die Presse) weiterzugeben. Bei Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht hat der Gläubigerausschuss das Recht, die Entlassung des Mitgliedes aus wichtigem Grund bei dem Insolvenzgericht anzuregen. Ort, Datum ...

Mitglied des Gläubigerausschusses ...

Ort, Datum ...

Mitglied des Gläubigerausschusses ...

1.629

frei f) Kassenprüfung Möglichst einmal monatlich, u.U. aber auch in größeren Intervallen muss der Ausschuss die Kasse durch ein Ausschussmitglied prüfen lassen (§ 69 InsO)3. In welchen zeitlichen Abständen der Gläubigerausschuss Geldverkehr und -bestand des Insolvenzverwalters prüfen muss, ist eine Frage der Umstände des jeweiligen Einzelfalls; erforderlich ist jedenfalls der unverzüg-

1 LG Kleve v. 15.5.2020 – 4 T 17/20, ZIP 2020, 1365. 2 Vorgeschlagen von Frege/Nicht ZInsO 2012, 2217. 3 Einzelheiten s. Gundlach/Frenzel/Jahn ZInsO 2009, 902; Pape ZIP 2015, 1662; OLG Celle v. 3.6.2010 – 16 U 135/09, ZIP 2010, 1862 = ZInsO 2010, 1233.

Martin Obermüller | 139

1.630

Erster Teil Rz. 1.630 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

liche Beginn der Prüfung nach Übernahme des Amts1. In besonderen Ausnahmefällen kann der Gläubigerausschuss einen Zwischenkassenabschluss verlangen2. Die Pflicht zur Prüfung der Kasse des Verwalters (§§ 69, 79 InsO) ist flexibel gestaltet. Sie muss nicht durch ein Mitglied des Gläubigerausschusses persönlich vorgenommen, sondern kann einem sachverständigen Dritten übertragen werden; Letzteren muss der Gläubigerausschuss sorgfältig auswählen und überwachen. Die Bestellung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses oder eines Dritten zur Kassenprüfung entbindet die Übrigen jedoch nicht von der Pflicht, sich um die Durchführung und das Ergebnis der Prüfung zu kümmern. Ein Gläubigerausschussmitglied hat Anspruch auf Aushändigung der für eine Kassenprüfung erforderlichen Unterlagen, wenn es darlegt und glaubhaft macht, dass ihm eine Prüfung am Verwahrungsort nicht möglich ist3.

1.631

Im Einzelnen gilt Folgendes: – Die Mitglieder des Gläubigerausschusses müssen sicherstellen, dass der Kassenprüfer in zeitlicher Hinsicht die Prüfungen ordnungsgemäß vornimmt, also unverzüglich mit der Prüfung beginnt. – Die Prüfungsintervalle richten sich nach dem Stand des Verfahrens, der Anzahl der Kontobewegungen und danach, ob der Betrieb fortgeführt wird. Bei Ungereimtheiten sind die Intervalle zu verkürzen. – Über die Ergebnisse der Kassenprüfung müssen sich die Mitglieder berichten lassen, und sie müssen sich vergewissern, dass die Prüfungen den an derartige Kontrollen zu stellenden Anforderungen genügen. – Hinsichtlich der Prüfungsintensität muss der Kassenprüfer die Geschäftsvorfälle anhand der entsprechenden Belege nachvollziehen können. Bei zu viel Eigenbelegen des Verwalters, unklaren Kontenbezeichnungen oder Überträgen auf Konten, die nicht als Hinterlegungsstelle bestimmt worden sind, müssen die Ausschussmitglieder sofortige Nachforschungen anstellen und den gesamten Geldverkehr des Insolvenzverwalters prüfen bzw. prüfen lassen. – Bei einer etwaigen Poolung der Gelder muss der Gläubigerausschuss unverzüglich tätig werden. – Die Gläubigerausschussmitglieder müssen sicherstellen, dass ihnen Verstöße, die im Zuge der Kassenprüfung entdeckt wurden, unverzüglich mitgeteilt werden.

1.632

Wenn der Gläubigerausschuss die Kassenprüfung einem besser qualifizierten Dritten übertragen hat, fallen die Kosten dieses Dritten der Insolvenzmasse zur Last. Einer Zustimmung des Insolvenzverwalters bedarf es nicht. Zwar gehört es zu den Aufgaben eines Gläubigerausschusses grundsätzlich nicht, nach außen hin aufzutreten – damit in der Regel auch nicht, Masseverbindlichkeiten durch Abschluss von Verträgen im Namen des insolventen Unternehmens zu begründen. Denn diese Aufgabe obliegt dem Insolvenzverwalter4. Eine Ausnahme davon bietet aber § 69 Satz 2 InsO, wonach ein Gläubigerausschuss den Geldverkehr und -bestand prüfen lassen kann. Wenn der Gesetzgeber den Gläubigerausschuss an sich oder seine 1 BGH v. 25.6.2015 – IX ZR 142/13, ZInsO 2015, 1563; BGH v. 9.10.2014 – IX ZR 140/11, ZIP 2014, 2242 mit Anm. Ampferl/Kilper ZIP 2015, 553; Wilhelm V./Oppermann/Chérestal ZInsO 2014, 2562; Kühne NZI 2015, 172; Lind/Ellrich DB 2014, 2819. 2 LG Frankfurt v. 17.2.1977 – 2/9 T 172/77, KTS 1977, 193. 3 BGH v. 29.11.2007 – IX ZB 231/06, ZIP 2008, 124 = ZInsO 2008, 105. 4 BGH v. 22.4.1981 – VIII ZR 34/80, ZIP 1981, 1001 = JZ 1981, 747.

140 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.634 Erster Teil

Mitglieder in ihrer Gesamtheit oder einzeln entsprechend ermächtigt, liegt es nahe, ihn oder diese auch zur Kostenfolge für den Insolvenzschuldner zu ermächtigen1. Die Rechnung ist nicht an die einzelnen Gläubigerausschussmitglieder oder den Gläubigerausschuss als Organ, sondern direkt an die Insolvenzmasse zu stellen. Sie stellen keine Auslagen im Sinne des § 54 Nr. 2 InsO dar, sondern Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO2 g) Genehmigungsvorbehalte Der Gläubigerausschuss hat nicht das Recht, dem Insolvenzverwalter Weisungen zu erteilen, jedoch hat der Insolvenzverwalter in einer Reihe von Fällen die Genehmigung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn ein solcher bestellt ist. Das gilt z.B.3 für

1.633

– die Veräußerung des Unternehmens4, – die Veräußerung eines Betriebs, – die Stilllegung des Unternehmens vor dem Berichtstermin (§ 158 InsO), – die Veräußerung eines Warenlagers im Ganzen, – die Veräußerung eines Grundstücks aus freier Hand, – die Beteiligung des Schuldners an einem anderen Unternehmen, – die Veräußerung einer Unternehmensbeteiligung, – die Veräußerung des Rechts auf wiederkehrende Einkünfte, – die Darlehensaufnahme, die die Masse erheblich belastet, – die Ablehnung oder Aufnahme eines bedeutsamen Rechtsstreits, – den Abschluss eines Vergleichs, – Vornahme von Abschlagsverteilungen5. Die Zustimmung muss grundsätzlich im Voraus erteilt werden und sich auf ein konkretes Geschäft beziehen. Sogenannte Vorrats- oder Generalbeschlüsse (z.B. Veräußerung von Grundstücken „zu einem angemessenen Preis“) sind unwirksam6. Zulässig ist es aber, dem Insolvenzverwalter einen bestimmten Rahmen vorzugeben, innerhalb dessen er ohne erneute Anrufung des Gläubigerausschusses entscheiden kann. Holt der Insolvenzverwalter die Zustimmung des Gläubigerausschusses nicht ein, wird davon die Wirksamkeit des Geschäfts nicht 1 FG Düsseldorf v. 19.7.2017 – 5 K 1959/15 U, ZInsO 2019, 2481 mit Anm. de Weerth ZInsO 2019, 2482. 2 So schon die Begründung im RegE, 12/2442, S. 132; Gerhardt in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2014, § 69 Rn. 18; Knof in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 69 Rn. 23. 3 S. auch die Auflistung der Einzelvorschriften der InsO, aus denen sich Mitwirkungsrechte und -pflichten des Gläubigerausschusses ergeben, bei Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2000/2006, § 69 Rn. 7. Zweifelhaft ist, ob die in § 160 Abs. 2 InsO genannten Geschäfte auch dann genehmigungsbedürftig sind, wenn der Gegenstand wegen Belastungen für die Insolvenzmasse keinen Wert beinhaltet (s. dazu Wischemeyer ZInsO 2016, 2460). 4 Zur Veräußerung im Antragsverfahren s. BGH v. 12.1.2006 – IX ZB 127/04, ZIP 2006, 672 = ZInsO 2006, 257. 5 Zur Sonderregelung bei bei Genossenschaften s. § 115a Abs. 1 GenG. 6 Zimmermann ZInsO 2012, 245 m.w.N.

Martin Obermüller | 141

1.634

Erster Teil Rz. 1.634 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

berührt (§ 164 InsO). Eine Zustimmung des Gläubigerausschusses enthebt den Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht von seiner eigenen Verantwortlichkeit1.

1.635

Der Gläubigerausschuss besitzt auch eine Reihe von Mitwirkungs- und Initiativrechten, die in der Regel dem Ausschuss als Organ und nicht dem einzelnen Mitglied zustehen2. Er ist z.B.3 befugt – zum Antrag auf Entlassung des Insolvenzverwalters (§ 59 Abs. 1 InsO), – zur Beschwerde gegen die Ablehnung des Entlassungsantrags (§ 59 Abs. 2 Satz 2 InsO), – zum Antrag auf Einberufung der Gläubigerversammlung (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 InsO)4, – zur Prüfung der Bücher, Geschäftspapiere und der Rechnungslegung des Verwalters und deren Kommentierung (§ 66 Abs. 2 Satz 2 InsO), – zur Anforderung von Auskünften von dem Schuldner über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§ 97 InsO), – zur Stellungnahme zum Antrag des Schuldners auf Einstellung des Verfahrens (§ 214 Abs. 2 InsO), – zur Mitwirkung bei der Aufstellung eines Insolvenzplans (§ 218 Abs. 3 InsO), – zur Mitwirkung an einem Antrag des Verwalters auf Zurückweisung eines zweiten Insolvenzplans des Schuldners (§ 231 Abs. 2 InsO), – zur Stellungnahme zu einem vom Gericht zugelassenen Insolvenzplan (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 InsO), – zur Mitwirkung an einem Antrag des Verwalters auf Fortsetzung der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse trotz Vorlage eines Insolvenzplans (§ 233 Abs. 1 Satz 2 InsO), – zur Stellungnahme zu einem von den Gläubigern angenommenen Insolvenzplan (§ 248 Abs. 2 InsO), – zur Entgegennahme von Berichten des Verwalters über den Stand und die weiteren Aussichten der Erfüllung des Insolvenzplans und zur Anforderung von Auskünften und Zwischenberichten während der Zeit der Überwachung (§ 261 Abs. 2 InsO).

1.636

Der Gläubigerausschuss besitzt aber nicht nur Rechte; aus der Zuweisung dieser im Vergleich zur Konkursordnung sehr detailliert geregelten Rechte ergibt sich umgekehrt auch die Pflicht,

1 OLG Hamburg v. 2.4.1982 – 11 U 187/80, ZIP 1982, 599. 2 Vgl AG Stendal v. 1.10.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 2030 zum Antrag auf Einberufung der Gläubigerversammlung (wegen anderer Punkte aufgehoben durch LG Stendal v. 22.10.2012 – 25 T 184/12, ZIP 2012, 2168); s. dazu Fölsing ZInsO 2012, 2272; Meyer-Löwy/Ströhmann ZIP 2012, 2432; Horstkotte ZInsO 2013, 160; Seidl ZInsO 2012, 2285. 3 S. auch die Auflistung der Einzelvorschriften der InsO, aus denen sich Mitwirkungsrechte und -pflichten des Gläubigerausschusses ergeben, bei Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2000/2006, § 69 Rn. 7. 4 Zur Verpflichtung des Insolvenzgerichts zur Einberufung ohne Ermessensfreiheit s. LG Göttingen v. 11.12.2012 – 10 T 63/12, ZInsO 2013, 144; zum Antrag auf Einberufung einer Gläubigerversammlung nach der Bestellung des Sachwalters, aber noch vor dem Berichts- und Prüfungstermin s. LG Stendal v. 22.10.2012 – 25 T 184/12, ZIP 2012, 2168.

142 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.638 Erster Teil

von diesen Rechten im gebotenen Umfang Gebrauch zu machen1. Für die Gläubigerausschussmitglieder ist es daher wesentlich, sich über den Umfang ihrer Rechte zu vergewissern. h) Organisation der Mitwirkung Seine Mitwirkungs- und Kontrollrechte übt der Gläubigerausschuss als Kollegium aus2, kann allerdings die Rechnungsprüfung auch einem sachverständigen Dritten übertragen. Seine Beschlüsse kann er in einer Präsenzsitzung, einer Telefonkonferenz oder im Umlaufverfahren fassen; sie sind gültig, wenn die Mehrheit der Mitglieder an der Sitzung teilgenommen hat und der Beschluss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst wird (§ 72 InsO). Jedes Mitglied des Gläubigerausschusses hat einen Anspruch gegenüber den übrigen Mitgliedern, ihm die Teilnahme an Ausschusssitzungen insbesondere durch Ladung zu diesen zu ermöglichen, selbst wenn die weiteren Ausschussmitglieder diese Teilnahme verhindern möchten3.

1.637

Der Gläubigerausschuss ist zwar nicht verpflichtet, sich eine Geschäftsordnung zu geben, dies kann sich aber häufig empfehlen. Dazu kann folgendes Muster4 dienen:

1.638

M 3 Geschäftsordnung (Satzung) des (vorläufigen) Gläubigerausschusses Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... Amtsgericht .../Geschäftszeichen: Der mit Beschluss der Gläubigerversammlung (alternativ: des Insolvenzgerichts) vom ... bestellte (vorläufige) Gläubigerausschuss, bestehend aus – Herrn/Frau ... – Herrn/Frau ... – Herrn/Frau ... – Herrn/Frau ... – Herrn/Frau ... hat sich in seiner konstituierenden Sitzung vom ... die nachfolgende Satzung gegeben: § 1 Selbstverpflichtung Die Mitglieder des Gläubigerausschusses verpflichten sich, ihr Amt gewissenhaft und einzig zum Wohle der Insolvenzgläubiger dieses Insolvenzverfahrens auszuüben. Sollten in der Person eines Mitgliedes Umstände eintreten, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung des Amtes begründen, so verpflichten sich die Mitglieder, dies den übrigen Mitgliedern sogleich mitzuteilen. Die übrigen Mitglieder haben darüber zu befinden, ob das betroffene Mitglied in dem Gläubigerausschuss verbleiben kann oder ob dessen Entlassung nach § 70 InsO bei dem Insolvenzgericht anzuregen ist.

1 Zu Macht und Ohnmacht des Gläubigerausschusses s. Gundlach/Frenzel/Jahn ZInsO 2007, 1028. 2 Riedel in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 69 Rn. 4. 3 OLG Celle v. 21.8.2018 – 13 U 104/17, ZIP 2019, 974 = ZInsO 2018, 2252 = mit Anm. Schmidt ZInsO 2018, 2457. 4 Weitgehend übernommen aus Haarmeyer ZInsO 2012, 372 bzw. Ingelmann/Ide/Steinwachs ZInsO 2011, 1059.

Martin Obermüller | 143

Erster Teil Rz. 1.638 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht Die Mitglieder verpflichten sich, – keine Gegenstände aus der Insolvenzmasse zu erwerben, und – dafür Sorge zu tragen, dass auch ihnen nahestehende Personen im Sinne des § 138 InsO keine Gegenstände aus der Insolvenzmasse erwerben. Eine etwaige Verwertungsvereinbarung mit einem Absonderungsberechtigten nach § 168 Abs. 3 InsO bleibt hiervon unberührt. § 2 Beschlüsse des Gläubigerausschusses/Einberufung (a) Beschlüsse werden grundsätzlich in Präsenzsitzungen gefasst. Diese werden durch den Vorsitzenden des Gläubigerausschusses einberufen. Der Gläubigerausschuss ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist. Sämtliche Beschlüsse des Gläubigerausschusses werden mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst. (b) Die Ladung der Mitglieder zu den Sitzungen erfolgt mit einer Mindestfrist von drei Werktagen durch den Vorsitzenden und ist vom Vorsitzenden terminlich mit den Mitgliedern zuvor abzustimmen. Mit der Ladung wird zugleich die Tagesordnung bekannt gegeben. (c) Zu den Sitzungen des Gläubigerausschusses ist grundsätzlich der Insolvenzverwalter einzuladen. (d) Über die Sitzungen des Gläubigerausschusses wird Protokoll geführt. (e) In Ausnahmefällen – insbesondere bei Eilbedürftigkeit – können Beschlüsse auch mittels E-Mail, per Fax, schriftlich oder telefonisch gefasst werden. § 3 Stimmverbote Ein Mitglied des Gläubigerausschusses unterliegt einem Stimmverbot, wenn über ein zwischen der Insolvenzmasse und ihm bzw. einem von ihm vertretenen Unternehmen zu schließendes Rechtsgeschäft oder einen zu führenden bzw. zu erledigenden Rechtsstreit abzustimmen ist. Das Stimmverbot gilt auch und insbesondere für Entscheidungen – über die Abberufung eines Mitglieds aus wichtigem Grund, – über die Einleitung oder Fortsetzung eines Anfechtungsprozesses gegen das Mitglied oder den von ihm vertretenen oder repräsentierten Gläubiger, – über den Ausschluss eines Mitgliedes von der Abstimmung wegen Stimmverbotes. Im Falle eines Stimmverbotes ist das betroffene Mitglied zugleich von der Teilnahme an der Beratung ausgeschlossen. Der Gläubigerausschuss soll das betroffene Mitglied anhören. Die Mitglieder verpflichten sich, den Gläubigerausschuss über Sachverhalte zu unterrichten, die zu einem Stimmverbot führen könnten. § 4 Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters Der Gläubigerausschuss bestellt aus seinen Reihen einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden. Der Vorsitzende ist der Ansprechpartner für die Insolvenzverwaltung und für das Insolvenzgericht. Er berichtet den Mitgliedern unverzüglich über die geführten Gespräche und etwaigen getroffenen Absprachen. § 5 Wahl des Kassenprüfers Der Gläubigerausschuss bestellt einen Kassenprüfer. Über den Umfang und die Häufigkeit der Kassenprüfung ergeht ein gesonderter Beschluss, der für den bestellten Kassenprüfer bindend ist. Die Kasse soll grundsätzlich alle drei Monate geprüft werden. Der Kassenprüfer erstellt über jede einzel144 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.640 Erster Teil

ne Kassenprüfung einen Bericht und leitet diesen den Mitgliedern, dem Insolvenzgericht sowie dem Insolvenzverwalter zu. § 6 Zweck- und Rechtmäßigkeitsprüfung der Handlungen der Insolvenzverwaltung Der Gläubigerausschuss nimmt seine vom Gesetz obliegenden Verpflichtungen zur Zweck- und Rechtmäßigkeitsprüfung wahr. Er kann hierfür einzelne Mitglieder beauftragen, seine Befugnisse gegenüber der Insolvenzverwaltung wahrzunehmen. Das Mitglied hat hierfür persönlich Einsicht in die Insolvenzunterlagen bei der Insolvenzverwaltung bzw. beim Insolvenzschuldner zu nehmen. § 7 Schweigepflicht Die Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Es ist ihnen insbesondere untersagt, im Gläubigerausschuss erlangte Informationen an Dritte (auch an die Presse) weiterzugeben. Bei Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht hat der Gläubigerausschuss das Recht, die Entlassung des Mitgliedes aus wichtigem Grund bei dem Insolvenzgericht anzuregen. § 8 Weisungsfreiheit Die Mitglieder sind nicht weisungsgebunden. Sollten einzelnen Mitgliedern von dritter Seite, z.B. von ihrem Arbeitgeber, Weisungen erteilt werden, hat das betreffende Mitglied dies im Gläubigerausschuss offenzulegen. ... Ort, Datum ... Unterschriften

Die Mitglieder eines Gläubigerausschusses sind oft auf organisatorische Unterstützung durch den Insolvenzverwalter oder das Personal des insolventen Unternehmens angewiesen. Dazu gehören die Einladungen zu den Sitzungen, die Bereitstellung eines Sitzungsraums, die Aufstellung der Tagesordnung, die Führung des Protokolls und die Übermittlung von Beschlüssen oder sonstigen Nachrichten an das Insolvenzgericht. Solche Dienstleistungen gehören zwar nicht zu den originären Aufgaben eines Insolvenzverwalters, sind aber zulässig und geben auch keinen Anlass, an seiner Unabhängigkeit zu zweifeln. Ihre Übernahme durch den Verwalter erspart der Masse Kosten. Denn wenn sich der Gläubigerausschuss dafür eines Dritten bedienen würde, wären dessen Kosten als Auslagen erstattungsfähig und würden die Masse mehr belasten als dies beim Einsatz von Mitarbeitern des Insolvenzverwalters oder des Unternehmens der Fall wäre. Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters würde erst dann gefährdet, wenn er sich dazu entschlösse, als persönlicher Berater oder Vertreter einzelner oder aller Gläubigerausschussmitglieder aufzutreten1 und diese beispielsweise bei der Abfassung von Rechtsbehelfen gegen abgelehnte Vergütungsanträge beraten würde.

1.639

5. Haftung der Gläubigerausschussmitglieder Die Mitglieder des Gläubigerausschusses sind den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern, nicht aber den Massegläubigern, den nachrangigen Gläubigern2 und den Aussonderungsberechtigten3 für die Erfüllung ihrer Pflichten ebenso verantwortlich wie 1 Graeber InsBüro 2014, 101. 2 A.A. Vortmann ZInsO 2006, 310. 3 Ganter FS Fischer, 2008, 121; Pape ZIP 2015, 1662.

Martin Obermüller | 145

1.640

Erster Teil Rz. 1.640 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

der Insolvenzverwalter und bei Verletzung ihrer Pflichten unter Umständen schadensersatzpflichtig (§ 71 InsO)1. So haftet der Gläubigerausschuss beispielsweise, wenn er es versäumt, die Berichte des Verwalters durch Prüfung der Kasse, der Konten und der dazugehörigen Belege zu kontrollieren, vorausgesetzt, er hätte bei dieser Prüfung erkennen können, dass der Insolvenzverwalter die Masse geschädigt hat, und bei sofortigem Einschreiten den Schaden abwenden können2. Wegen ihrer Verantwortung gegenüber den absonderungsberechtigten Gläubigern müssen die Mitglieder des Gläubigerausschusses auch das Verbot der Verwertung von Sicherheiten im Antragsverfahren durchsetzen.

1.641

Gefordert wird daher ein effizientes Risikomanagement, das in einem betriebswirtschaftlichen Prozess mit den Phasen Risikoidentifizierung, Risikomessung bzw. Risikobewertung, Risikomaßnahmen und Risikokontrolle abläuft3,

1.642

Die Ausschussmitglieder müssen sich über ihre Aufgaben und Pflichten rechtzeitig informieren und die Wahl ablehnen, wenn ihnen die nötigen Kenntnisse für die Ausübung des Amtes fehlen4. So kann z.B. ein Kaufmann fahrlässig handeln, wenn er sich wählen lässt, obwohl der Insolvenzverwalter darauf hinweist, dass im Ausschuss fast ausschließlich Rechtsfragen behandelt werden müssen5. Auch Krankheit des Ausschussmitglieds entbindet dieses nicht ohne weiteres von seinen Pflichten. Andererseits kann es sich aber damit entschuldigen, dass es gegen einen pflichtwidrigen Beschluss des Ausschusses gestimmt hat6. Einzelne Mitglieder des Gläubigerausschusses kann die Gläubigerversammlung von ihren Pflichten nicht entbinden7; denn sämtliche Mitglieder haben dieselben Pflichten.

1.643

Die Haftung trifft jeweils das einzelne Gläubigerausschussmitglied, das an der schadenstiftenden Handlung mitgewirkt bzw. den entsprechenden Beschluss befürwortet hat, als Gesamtschuldner8. Ansprüche gegen die Gläubigerausschussmitglieder verjähren in drei Jahren9. Die internationale Zuständigkeit für Haftungsklagen gegen Mitglieder eines Gläubigerausschus-

1 OLG Frankfurt v. 12.12.1989 – 22 U 19/88, ZIP 1990, 722; Pape ZIP 2015, 1662; zur Strafbarkeit s. Brand/Sperling KTS 2009, 355. 2 Zur Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses bei mangelhafter Überwachung des Verwalters s. BGH v. 27.4.1978 – VII ZR 31/76, WM 1978, 634 und Gundlach/Frenzel/Jahn ZInsO 2009, 1096; Merz WM 1983, 106. 3 Cranshaw/Portisch/Knöpnadel ZInsO 2015, 1. 4 Knof in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 71 Rn. 8; Vortmann ZInsO 2006, 310. 5 W. Obermüller FS Möhring, 1975, 106. 6 Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 71 Rn. 7; Riedel in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 71 Rn. 3; Frind in Hamburger Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2021, § 71 Rn. 7; Brinkmann, DB 2012, 1369, 1371; Skrotzki KTS 1967, 142. 7 RG v. 17.2.1936 – VI 372/35, RGZ 150, 287; BGH v. 27.3.1968 – VIII ZR 141/65, BGHZ 49, 123. 8 Cranshaw ZInsO 2012, 1151; Cranshaw/Portisch/Knöpnadel ZInsO 2015, 1. 9 OLG Saarbrücken v. 1.9.1998 – 4 U 634/97-174, NZI 1998, 44; allerdings soll die Verjährung gehemmt sein, solange „ein pflichtwidrig handelnder und unzureichend überwachter Verwalter Ansprüche nicht geltend macht“ (OLG Rostock v. 12.2.2007 – 3 U 45/06, ZIP 2007, 735 = ZInsO 2007, 1052 mit kritischer Anm. Kirchhof ZInsO 2007, 1122).

146 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.645a Erster Teil

ses richtet sich nach der EuInsVO1 und nicht nach der EuGVVO2, selbst wenn deliktische Ansprüche geltend gemacht werden3.

6. Vergütung und Versicherung Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben Anspruch auf Vergütung für ihre Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen (§ 73 InsO, § 17 InsVV). Dies gilt jedenfalls bei Fehlen abweichender Regelungen im Insolvenzplan auch für die Vergütung der Mitglieder eines nach § 261 Abs. 1 Satz 2 InsO fortbestehenden Gläubigerausschusses4.

1.644

a) Höhe der Vergütung Bei Bemessung der Höhe der Vergütung ist dem Zeitaufwand und dem Umfang der Tätigkeit Rechnung zu tragen (§ 73 InsO). Dabei sind die Tätigkeitszeiten in der Vorbereitung einer Ausschusssitzung, der Ausschusssitzung selbst sowie der Nachbereitung zu vergüten5. Dazu gehören auch die Zeiten für die An- und Abreise6, wenn das Gläubigerausschussmitglied während dieser Zeit gehindert ist, einer anderen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

1.645

Die Vergütung beträgt regelmäßig zwischen 50 Euro und 300 Euro pro Stunde (§ 17 InsVV). Für den Stundensatz sind der Umfang und die Schwierigkeit des Insolvenzverfahrens, der Aufgaben des Gläubigerausschusses in dem betreffenden Insolvenzverfahren, nicht versicherbare Haftungsrisiken, Art und inhaltlicher Umfang (Intensität) der Mitwirkung des Ausschussmitglieds sowie die Qualifikation und Sachkunde des jeweiligen Ausschussmitglieds zu berücksichtigen7. Der Höchststundensatz von 300 Euro kann nur bei außerordentlichem Umfang oder bei außergewöhnlichen Schwierigkeiten im Verfahren sowie bei besonderer Tätigkeit, besonderen Haftungsrisiken, besonderen Leistungen oder Qualifikationen des Gläubigerausschussmitglieds überschritten werden8. Eine pauschale bzw. prozentuale Vergütung der Mitglieder eines vorläufigen Gläubigerausschusses in Abhängigkeit von der Vergütung des vorläu-

1.645a

1 Verordnung des Rates (EG) Nr. 1346/2000 v. 29.5.2000, ABl. L 160/1 v. 30.6.2000; neu gefasst durch Verordnung (EU) Nr. 848/2015 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2015 über Insolvenzverfahren, ABl. L 141/19 v. 5.6.2015 und ZInsO 2015, 1540, gültig gemäß Art. 92 Satz 2 EuInsVO ab dem 26.6.2017 für Verfahren, die danach eröffnet werden, Art. 84 Abs. 1 EuInsVO); dazu Vallender ZIP 2015, 1513; Albrecht ZInsO 2015, 1077; Wenner ZIP 2017, 1137. 2 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats v. 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen, ABl. 351/1. 3 EuGH v. 20.12.2017 – C-649/16, ZIP 2018, 185 = ZInsO 2018, 375; s. dazu Swierczok DZWIR 2018, 162. 4 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 57/20, ZIP 2021, 1282 = ZInsO 2021, 1302 Rn. 13; s. dazu Freitag/Braukmann NZI 2021, 733. 5 AG Potsdam v. 5.8.2019 – 35 IN 51/18, ZIP 2019, 2422 = ZInsO 2019, 2131. 6 Blersch in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2015, § 17 Rn. 9; Lissner in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2017, § 17 Rn. 9. 7 BGH v. 14.1.2021 – IX ZB 71/18, ZIP 2021, 420 = ZInsO 2021, 409 (LS) = Weitzmann ZInsO 2021, 412; Leithaus NZI 2021, 461. 8 LG Köln v. 13.2.2015 – 13 T 196/14, ZIP 2015, 1450; zu Möglichkeiten einer Erhöhung s. auch AG Detmold v. 6.3.2008 – 10 IN 214/07, NZI 2008, 505; AG Braunschweig v. 21.6.2005 – 273 IN 211/ 99, ZInsO 2005, 870; AG Bremen v. 15.12.2015 – 40 IN 588/05 L, ZIP 2016, 633; AG Köln v. 9.9.1992 – 71 VN 3/92, ZIP 1992, 1492; LG Darmstadt v. 22.2.2022 – 5 T 175/21, ZIP 2022, 1987; LG Aachen v. 20.7.1992 – 3 T 265/93, LG Aachen v. 20.7.1992 – 3 T 265/91, ZIP 1993, 137; Zim-

Martin Obermüller | 147

Erster Teil Rz. 1.645a | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

figen Insolvenzverwalters ist grundsätzlich nicht zulässig1, kann aber in Ausnahmefällen wie z.B. in masselosen Verbraucherinsolvenzverfahren festgesetzt werden und sich an der Höhe der Vergütung des Treuhänders orientieren2.

1.646

Für die Vergütung eines Gläubigerausschussmitgliedes ist grundsätzlich ein einheitlicher Stundensatz anzusetzen, da das Gesetz bei der Höhe der Vergütung nicht zwischen den unterschiedlichen Tätigkeiten eines Ausschussmitgliedes differenziert3, das Gericht ist aber befugt, soweit es die Umstände des Einzelfalls rechtfertigen, den Stundensatz für die einzelnen Mitglieder des Gläubigerausschusses unterschiedlich zu bestimmen4. Ist ein Nichtgläubiger Mitglied des Gläubigerausschusses, kann das Gericht für die Vergütung einen an marktüblichen Bedingungen orientierten Stundensatz festsetzen, der dem Umfang der Tätigkeit entspricht5. Die Vergütungsregelungen gelten auch für Rechtsanwälte; ihre Tätigkeit im Gläubigerausschuss fällt nicht unter die Regeln des RVG.

1.647

Mit der Vergütung ist grundsätzlich auch der Einsatz von Hilfskräften bzw. Dienstleistern abgegolten, die das Gläubigerausschussmitglied in Anspruch nimmt. Nur wenn die Notwendigkeit besteht, für einzelne Fragen besondere Sachkunde hinzuzuziehen, kann der Gläubigerausschuss deren Kosten nach § 73 Abs. 1 InsO, § 18 Abs. 1 InsVV als Auslagen ersetzt verlangen. Dies setzt voraus, dass das Ausschussmitglied die Hinzuziehung solcher Hilfskräfte zur Erfüllung seiner Aufgaben aus einer ex ante-Perspektive für erforderlich halten durfte und nachweist. Maßgebend ist ein objektiver Maßstab unter Berücksichtigung der subjektiven Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Ausschussmitgliedes6. Das Gläubigerausschussmitglied sollte daher versuchen, den Insolvenzverwalter zur Erteilung des Auftrags an den Dienstleister zu veranlassen; die Vergütungsansprüche stellen dann Masseverbindlichkeiten dar7.

1.648

Die Vergütung und Erstattung etwaiger Auslagen werden analog §§ 8, 16 InsVV8 vom Insolvenzgericht ohne vorherige Anhörung der Gläubigerversammlung9 und des Schuldners10 festgesetzt. b) Rang der Vergütung

1.649

Die Ansprüche der Mitglieder des Gläubigerausschusses auf Vergütung führen zu Massekosten nach § 54 Nr. 2 InsO, die im Fall der Einstellung des Insolvenzverfahrens im Rang des

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

mer ZIP 2013, 1309; zur Forderung nach angemessener Vergütung s. Meyer-Löwy NZI 2008, Heft 10, VI. BGH v. 14.1.2021 – IX ZB 94/18, ZIP 2021, 581 = ZInsO 2021, 562 Rn. 23; LG Aurich v. 6.3.2013 – 4 T 204/10, ZInsO 2013, 631. BGH v. 8.10.2009 – IX ZB 11/08, ZIP 2009, 2453 = ZInsO 2009, 2165. LG Koblenz v. 15.7.2020 – 2 T 383/20, ZInsO 2020, 2349; a.A. AG Potsdam v. 5.8.2019 – 35 IN 51/ 18, ZIP 2019, 2422 = ZInsO 2019, 2131. BGH v. 14.1.2021 – IX ZB 71/18, ZIP 2021, 420 = ZInsO 2021, 409 Rn. 15 = Weitzmann ZInsO 2021, 412; Leithaus NZI 2021, 461. BGH v. 14.1.2021 – IX ZB 71/18, ZIP 2021, 420 = ZInsO 2021, 409 Rn. 16, 26; Knof in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 73 Rn. 14; Blersch in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2015, § 17 InsVV Rn. 3. LG Bückeburg v. 8.7.2020 – 4 T 49/16, ZInsO 2020, 2062. BFH v. 21.4.2022 – V R 18/19, ZIP 2022, 1879 = ZInsO 2022, 1919 Rn. 15. Madert AnwBl. 1999, 91. Blersch in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2015 § 17 InsVV Rn. 1 m.w.N. LG Göttingen v. 1.12.2004 – 10 T 128/04, ZIP 2005, 590.

148 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.653 Erster Teil

§ 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu bedienen sind. Sofern der Gläubigerausschuss in einem Überwachungsverfahren nach einem Insolvenzplan tätig bleibt und es danach zu einer Folgeinsolvenz kommt, stellen diese Kostenforderungen in dem Folgeverfahren nur Insolvenzforderungen dar1. Ihre Ansprüche auf Vergütung müssen die Mitglieder des Gläubigerausschusses so rechtzeitig geltend machen, dass sie noch vor der Aufhebung des Verfahrens berichtigt werden können. Gelingt es ihnen nicht, rechtzeitig eine Festsetzung durch das Insolvenzgericht zu erhalten, müssen sie nach § 187 Abs. 3 InsO die Zustimmung zur Schlussverteilung verweigern oder den Insolvenzverwalter ersuchen, eine Rückstellung zu bilden, um zu verhindern, dass die Insolvenzmasse ohne Berücksichtigung ihrer Forderung verteilt wird2.

1.650

c) Vorschuss auf die Vergütung Die Gläubigerausschussmitglieder können analog § 9 InsVV einen Vorschuss auf ihre Vergütung beanspruchen3. Der Vorschuss soll die voraussichtliche Gesamtvergütung nicht übersteigen4. Wird die endgültige Vergütung niedriger festgesetzt, so soll das Gläubigerausschussmitglied zur anteiligen Rückzahlung verpflichtet sein5. Diese Auffassung steht in Widerspruch zu dem Umstand, dass der Vorschuss die bereits erbrachte Leistung abdecken soll.

1.651

Ebenso wie bei der insolvenzgerichtlichen Zustimmung zur Entnahme eines Vorschusses auf die Vergütung des Insolvenzverwalters wird mit der Vorschussanordnung für ein Gläubigerausschussmitglied keine Entscheidung über dessen endgültige Vergütung getroffen. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine vorläufige Entscheidung, die auch hinsichtlich der Höhe der endgültigen Vergütung keine Bindungswirkung entfaltet6. Als Folge ihrer vorläufigen Wirkung kann die Bewilligung oder Ablehnung eines Vorschusses, anders als die endgültige Festsetzung der Vergütung und der zu erstattenden Auslagen, nicht mit der sofortigen Beschwerde nach § 73 Abs. 2, § 64 Abs. 3 InsO angegriffen werden7. Die Anordnung eines Vorschusses auf die Vergütung des Mitglieds des Gläubigerausschusses stellt keine vollstreckungsfähige Entscheidung dar, sondern lediglich eine insolvenzgerichtliche Erlaubnis8. Diese ist im Wege der Aufsicht durch das Insolvenzgericht durchzusetzen.

1.652

Da die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses analog § 9 InsVV einen Anspruch gegen die Masse auf Erstattung der Auslagen für die Prämie einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung haben, sind sie auch berechtigt, dafür einen Vorschuss zu beanspruchen, selbst wenn sie die Prämie noch nicht entrichtet haben9.

1.653

1 2 3 4 5 6

AG Düsseldorf v. 9.12.2016 – 504 IN 269/12, ZInsO 2017, 1696. LG Hamburg v. 14.2.2020 – 322 O 321/19, ZIP 2020, 925 = ZInsO 2020, 604. Stephan in Stephan/Riedel, InsVV, 2. Aufl. 2021, § 9 Rn. 6. BGH v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223 = ZInsO 2002, 1133. LG Göttingen v. 2.8.2001 – 10 T 40/01, ZInsO 2001, 846. BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 67/10, ZInsO 2011, 777 Rn. 6; BGH v. 14.7.2016 – IX ZB 23/14, ZIP 2016, 1599 Rn. 11. 7 BGH v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223; BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 67/10, ZInsO 2011, 777 Rn. 5; BGH v. 14.7.2016 – IX ZB 23/14, ZIP 2016, 1599 Rn. 11, jeweils zum Insolvenzverwalter; BGH v. 22.7.2021 – IX ZB 47/19, ZInsO 2021, 2133 Rn. 18 zum Gläubigerausschuss; a.A. Wilhelm V/Oppermann ZInsO 2013, 528. 8 BGH v. 22.7.2021 – ZB 47/19, ZInsO 2021, 2133 Rn. 23 ff. 9 AG Hannover v. 30.8.2016 – 908 IN 460/16, ZIP 2016, 2035.

Martin Obermüller | 149

Erster Teil Rz. 1.654 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

d) Juristische Person

1.654

Auch juristische Personen können Gläubigerausschussmitglieder sein1, oft aber sind Mitarbeiter von Unternehmen, die als Gläubiger bei der Insolvenzschuldnerin engagiert sind, Mitglieder des Ausschusses2. Dies erfordert eine unterschiedliche Behandlung der Vergütung. aa) Juristische Person als Gläubigerausschussmitglied

1.655

Wenn eine juristische Person Gläubigerausschussmitglied ist, steht der Vergütungsanspruch nur ihr zu3. Daher ist für die Höhe der Vergütung einer juristischen Person nicht auf die Person abzustellen, welche die juristische Person zulässigerweise als ihren Vertreter in den Gläubigerausschuss entsendet4. Auch ist für die Höhe der Vergütung nicht maßgebend, welche Kosten einer juristischen Person als Mitglied des Gläubigerausschusses für den von ihr entsandten Vertreter entstehen5. Vielmehr richtet sich die Vergütung in erster Linie nach Umfang und Schwierigkeit des Insolvenzverfahrens und der Aufgaben des Gläubigerausschusses in dem betreffenden Insolvenzverfahren. Die bei der juristischen Person vorhandene Qualifikation und Sachkunde können für die Höhe der Vergütung nur berücksichtigt werden, soweit diese nach den objektiv zu bestimmenden Anforderungen des Insolvenzverfahrens für die Tätigkeit als Mitglied des Gläubigerausschusses erforderlich waren6. Qualifikation und Sachkunde beeinflussen den Stundensatz bei einer juristischen Person daher nach Maßgabe der von ihr als Mitglied des Gläubigerausschusses objektiv zu erfüllenden Aufgaben. bb) Mitarbeiter der juristischen Person als Gläubigerausschussmitglied

1.656

Wenn ein Mitarbeiter eines Unternehmens, das als Gläubiger bei der Insolvenzschuldnerin engagiert ist, Gläubigerausschussmitglied ist, handelt es in dieser Eigenschaft privat und nicht als Vertreter oder Organ des Unternehmens. Daher steht ihm die Vergütung grundsätzlich persönlich zu; dies entspricht der Haftung, die den Mitarbeiter und nicht das Unternehmen trifft.

1.657

Problematisch sind Vereinbarungen zwischen dem Unternehmen und seinem Mitarbeiter, die eine Abführung der Vergütung an das Unternehmen vorsehen. Sie dürften wirksam sein, wenn sie mit einer Freistellung von der Haftung des Gläubigerausschussmitglieds gegenüber den Gläubigern verbunden sind und die Tätigkeit dem Arbeitsverhältnis zugeordnet wird. Sofern nennenswerte Beträge auflaufen, könnte aber der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung verletzt werden, wenn auf diese Weise das Unternehmen Gelder erhält, für die es keine eigene Leistung erbracht hat; die Freistellung des Mitarbeiters von sonstigen dienstlichen 1 BGH v. 11.12.1993 – IX ZR 35/93, ZIP 1994, 46; LG Duisburg v. 29.9.2003 – 7 T 203/03, NZI 2004, 95; Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2016, § 67 Rn. 10; Lind in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 67 Rn. 8; Vallender WM 2002, 2040; Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren, 2000, Rn. 309; kritisch Schmidt ZInsO 2018, 2457; für Mitglieder des Aufsichtsrats der Insolvenzschuldnerin AG Hamburg v. 15.12.1986 – 65 N 771/86, ZIP 1987, 386; Begründung RegE zu § 78; zur GmbH als Gläubigerausschussmitglied s. Gundlach/Frenzel/Schmidt ZInsO 2007, 531. 2 Zu den Besonderheiten bei beamteten Mitgliedern s. Gundlach/Schirrmeister ZInsO 2008, 896. 3 Gerhardt in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2007, § § 73 Rn. 13. 4 BGH v. 14.1.2021 – IX ZB 94/18, ZIP 2021, 581 = ZInsO 2021, 562 Rn. 15. 5 LG Düsseldorf v. 4.8.2022 – 25 T 396/21, ZInsO 2023, 178. 6 BGH v. 14.1.2021 – IX ZB 94/18, ZIP 2021, 581 = ZInsO 2021, 562 Rn. 17; LG Düsseldorf v. 4.8.2022 – 25 T 396/21, ZInsO 2023, 178.

150 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.661 Erster Teil

Pflichten zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als Gläubigerausschussmitglied stellt keine Leistung an die Masse dar. Das Gericht wird daher Mitglieder, die ihre Vergütung abzuführen haben, von der Honorierung ausnehmen müssen. e) Festsetzung der Vergütung Die Vergütung wird vom Insolvenzgericht durch Beschluss festgesetzt (§ 73 Abs. 2, § 64 Abs. 1 InsO). Vergütungsvereinbarungen mit dem Schuldner sind grundsätzlich nicht zulässig, die Vorschriften der Insolvenzordnung sind zwingend1. Eine Ausnahme gilt für die Vergütung der Mitglieder eines nach § 261 Abs. 1 Satz 2 InsO fortbestehenden Gläubigerausschusses. Dazu sind Vereinbarungen zulässig, wenn der Insolvenzplan abweichende Regelungen gestattet2.

1.658

frei

1.659

f) Veröffentlichung von Vergütungsentscheidungen Der Beschluss über die Vergütung des Gläubigerausschusses ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 InsO); den vollständigen Beschluss können die Gläubiger in der Geschäftsstelle einsehen.

1.660

Dritte haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Einblick in die Verfahrensakte3. Ihnen kann Einsicht ohne Einwilligung der Verfahrensbeteiligten nur gestattet werden, wenn sie ein rechtliches Interesse dargelegt und glaubhaft gemacht haben. Abzuwägen ist bei der Entscheidung über das Einsichtsgesuch des Dritten das Interesse der Verfahrensbeteiligten an der Geheimhaltung des Verfahrensstoffs mit dem gegenläufigen, gleichfalls geschützten Informationsinteresse des Dritten4. Der Gerichtsvorstand kann anonymisierte Abschriften von Entscheidungen des Insolvenzgerichts erteilen, ohne dass dies den Anforderungen an die Gewährung von Akteneinsicht unterliegt. Die Überlassung anonymisierter Entscheidungsabschriften an Dritte stellt weder eine Gewährung von Akteneinsicht dar noch ist sie mit ihr vergleichbar; § 299 Abs. 2 ZPO ist daher nicht anwendbar. Dies gilt auch für im Insolvenzverfahren getroffene gerichtliche Entscheidungen. Soweit die berechtigten Belange und Rechte der Beteiligten des Insolvenzverfahrens durch die Weitergabe einer Abschrift trotz Anonymisierung verletzt sein können, steht dem Gerichtsvorstand ein aufgrund der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens erweitertes Ermessen zu, ob und in welchem Umfang Schwärzungen vorzunehmen sind5. Hierbei ist das oft ins Feld geführte Argument, die uneingeschränkte Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen sei zur ordnungsgemäßen Kontrolle der Gerichtsverfahren durch die Öffentlichkeit zwingend erforderlich, dahin gehend einzuschränken, dass die gebotene

1.661

1 So für die Vergütung des Insolvenzverwalters BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, BGHZ 214, 78 Rn. 28 = ZIP 2017, 482. 2 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 57/20, ZIP 2021, 1282 = ZInsO 2021, 1302 Rn. 13 mit Anm. Freitag/ Braukmann NZI 2021, 733. 3 OLG Frankfurt v. 13.12.2018 – 20 VA 16/17, ZInsO 2019, 1135; BayObLG v. 12.9.2019 – 1 VA 86/ 19, ZIP 2020, 333 = ZInsO 2019, 2060; Haarmeyer ZInsO 2019, 1352. 4 BayObLG v. 2.9.2021 – 101 VA 100/21, ZIP 2022, 233 = ZInsO 2021, 2200; Vill FS Gehrlein 2022, 571. 5 BGH v. 25.3.2021 – IX AR VZ 1/19, ZInsO 2021, 1162.

Martin Obermüller | 151

Erster Teil Rz. 1.661 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Kontrolle der Insolvenzverfahren im Rahmen der fakultativ beteiligten Öffentlichkeit durch die Betroffenen, durch die Gläubiger selbst, gewährleistet ist und dort zu erfolgen hat1. g) Besteuerung der Vergütung

1.662

Die entgeltliche Beratungs- und Überwachungsleistung des Gläubigerausschussmitglieds ist umsatzsteuerlich eine „sonstige Leistung“ des entsprechenden Ausschussmitglieds (und nicht des Unternehmens), welche jedenfalls dann umsatzsteuerpflichtig ist, wenn alle Beteiligten im Inland ansässig sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG)2. Der Steuersatz beträgt derzeit 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG). Die Steuer wird nicht erhoben, wenn die Umsätze des Unternehmers „Gläubigerausschussmitglied“ zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000 Euro nicht überstiegen haben und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen werden (§ 19 Abs. 1 UStG – Kleinunternehmer-Regelung). Wird aufgrund der vorbezeichneten sog. Kleinunternehmer-Regelung Umsatzsteuer nicht erhoben, darf keine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erteilt werden. Wird diese dennoch erteilt, wird die Umsatzsteuer allein deshalb von dem Rechnungsaussteller geschuldet, weil sie in einer Rechnung offen ausgewiesen wurde. Auf die Nicht-Erhebung der Umsatzsteuer kann verzichtet werden (§ 19 Abs. 2 UStG). Ob ein solcher Verzicht vorteilhaft ist, kann nur im Einzelfall vom Gläubigerausschussmitglied bzw. dessen Steuerberater geprüft werden. h) Versicherung

1.663

Wegen ihres beträchtlichen Haftungsrisikos haben die Mitglieder sowohl des vorläufigen als auch des endgültigen Gläubigerausschusses jedenfalls in umfangreichen Insolvenzverfahren ein berechtigtes Interesse, sich durch eine angemessene Haftpflichtversicherung abzusichern3. Schließt das Mitglied in einem solchen Fall die Versicherung selbst ab – was bei einem vorläufigen Gläubigerausschuss, der nach § 22a InsO noch vor der Bestellung eines vorläufigen Verwalters eingesetzt wird, gar nicht anders geht4 –, hat es Anspruch auf Erstattung der verauslagten Prämien nach § 18 InsVV5. Anders als beim Insolvenzverwalter sind die Kosten der Haftpflichtversicherung nicht mit der Vergütung abgegolten; die Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 1 InsVV ist auf die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses nicht entsprechend anwendbar (vgl. § 10 InsVV). Wegen der Höhe der Prämien einer derartigen Versicherung kommt aber die Gewährung eines Vorschusses an das Ausschussmitglied in Betracht6. Teilweise wird es als zulässig angesehen, dass die Versicherungsprämien im Einverständnis des Insolvenzgerichts direkt aus der Masse bezahlt werden7. Dies gilt auch in der Eigenverwaltung. In diesem Fall kann auch der eigenverwaltende Schuldner ermächtigt werden, die Ver-

1 Haarmeyer ZInsO 2021, 1476. 2 Verfügung OFD Koblenz v. 24.7.1979 – S 7100 A – St 51, StEK UStG 1967 § 2 Nr. 109. 3 BGH v. 29.3.2012 – IX ZB 310/11, ZIP 2012, 876; zur Höhe s. Cranshaw/Portisch/Knöpnadel ZInsO 2015, 63; zur Mitversicherung von Insolvenzrichtern s. Siemon ZInsO 2015, 1968. 4 A.A. Hirte ZInsO 2012, 820, der hier die Notwendigkeit einer Versicherung generell verneint. 5 Haarmeyer/Mock in Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 18 Rn. 5 f.; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 3. Aufl. 2010, Rn. 789; Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2006, § 18 InsVV Rn. 7; Vortmann ZInsO 2006, 310, 314; Knof in Uhlenbruck/Hirte/ Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 73 Rn. 21 m.w.N. 6 BGH v. 29.3.2012 – IX ZB 310/11, ZIP 2012, 876 = ZInsO 2012, 826. 7 Blersch in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2006, § 18 InsVV Rn. 7; Haarmeyer/Mock in Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 18 Rn. 6 m.w.N.; Vallender WM 2002, 2040, 2049.

152 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.667 Erster Teil

sicherungsprämie der Masse zu entnehmen und direkt an den Versicherer zu zahlen1. Konstruktionen, nach denen die Masse sich stattdessen verpflichtet, die Schadenersatzverbindlichkeiten der Mitglieder des Gläubigerausschusses zu übernehmen, um sich die Last der Prämien zu ersparen2, dürften dagegen unzulässig sein3. Für die Auswahl des Versicherers spielen die Prämien die entscheidende Rolle. Denn die Versicherungswerke sind von sämtlichen deutschen Versicherungen mittlerweile nahezu unisono gleich4. In Einzelfällen soll es geboten sein, mindestens zwei Angebote einzuholen5.

1.664

Wenn die Insolvenzmasse die Kosten der Versicherung nicht aufbringt, gibt dies den Mitgliedern des Gläubigerausschusses einen wichtigen Grund, vom Insolvenzgericht ihre Entlassung aus dem Amt zu fordern6.

1.665

7. Ende des Amtes Die Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss besteht grundsätzlich für die gesamte Verfahrensdauer7 und endet erst mit der Aufhebung des Verfahrens. Wenn das Insolvenzverfahren durch einen Insolvenzplan abgeschlossen und eine Überwachung vorgesehen wird (§ 260 InsO), besteht das Amt des Gläubigerausschusses jedoch fort (§ 261 Abs. 1 Satz 2 InsO).

1.666

Selbst die Gläubigerversammlung kann ein von ihr einmal gewähltes Mitglied nicht wieder abwählen8. Der Wunsch nach einer Auflösung des Gläubigerausschusses oder dem Austausch von Mitgliedern kann insbesondere dann aufkommen, wenn sich die Zusammensetzung der Gläubigerschaft während des Verfahrens, etwa durch Abtretung von Forderungen geändert hat, aber ob die Gläubigerversammlung einen endgültig bestellten Gläubigerausschuss wieder auflösen kann, ist umstritten9. Wohl aber kann die Gläubigerversammlung, nicht jedoch ein einzelner Gläubiger die Entlassung eines Gläubigerausschussmitglieds beantragen10. Außerdem kann das Insolvenzgericht ein Ausschussmitglied aus wichtigem Grund entlassen (§ 70 InsO)11. Durch den wichtigen Grund wollte der Gesetzgeber die Unabhängigkeit der Ausschussmitglieder sichern, so dass das Merkmal grundsätzlich restriktiv zu interpretieren ist12.

1.667

1 2 3 4 5 6 7 8

9

10 11 12

AG Hannover v. 30.8.2016 – 908 IN 460/16 - 2, ZIP 2016, 2035 = ZInsO 2016, 1875. So der Vorschlag von Hirte ZInsO 2012, 840. Cranshaw/Portisch/Knöpnadel ZInsO 2015, 1. Steinwachs/Steinwachs ZInsO 2020, 2462. AG Landshut v. 18.7.2013 – IN 473/13, ZInsO 2020, 2549. BGH v. 29.3.2012 – IX ZB 310/11, ZIP 2012, 876 = ZInsO 2012, 826. Zur Auflösung des Gläubigerausschusses während des laufenden Insolvenzverfahrens s. Gundlach/Frenzel/Jahn ZInsO 2011, 708. BGH v. 11.3.2021 – IX ZR 266/18, ZIP 2021, 859 = ZInsO 2021, 841 Rn. 15; Riedel in Kayser/ Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 68 Rn. 7; Schmitt in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 68 Rn. 3; Frind in Hamburger Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2021, § 68 Rn. 3; Frege NZG 1999, 478; Gundlach/Frenzel/Jahn ZInsO 2011, 708; Pape ZInsO 1999, 675. Verneinend Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 68 Rn. 4; Frind in Hamburger Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2021, § 68 Rn. 3; bejahend Brinkmann ZIP 2019, 241; Mock ZInsO 2019, 1991; vermittelnd Gerhardt in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2007, § 68 Rn. 9; Knof in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 68 Rn. 3. AG Münster v. 3.12.2015 – 77 IN 53/13, ZInsO 2016, 586. Weiterführend Kühne in Borchardt/Frind, Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren, 2. Aufl. 2014, Rn. 1917 ff.; zur Entlassung eines „beauftragten“ Rechtsanwalts s. Gundlach/Schmidt ZInsO 2008, 604. LG Deggendorf v. 27.2.2013 – 13 T 18/13, ZIP 2013, 2371 = ZInsO 2013, 2282.

Martin Obermüller | 153

Erster Teil Rz. 1.667 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Ein wichtiger Grund kann in einer Krankheit oder der Befangenheit1 des Ausschussmitglieds liegen. Die Zerstörung eines Vertrauensverhältnisses zum Verwalter stellt dagegen keinesfalls einen Grund zur Entlassung dar, denn ein kontroverses Verhältnis zu dem Verwalter liegt in der Natur des Amtes2, jedoch darf sich ein Gläubigerausschussmitglied nicht zu Äußerungen hinreißen lassen, die geeignet sind, das Ansehen des Verwalters in der Öffentlichkeit herabzusetzen3.

1.668

Ein Mitglied des Gläubigerausschusses kann sein Amt nicht durch einseitige Erklärung niederlegen. Will er es vorzeitig beenden, so ist hierzu entweder ein Beschluss der ersten Gläubigerversammlung (§ 68 Abs. 2 InsO) oder eine Entlassungsentscheidung des Insolvenzgerichts (§ 70 InsO) erforderlich. Die Entlassung durch das Gericht kann nur aus wichtigem Grund erfolgen (§ 70 Satz 1 InsO). Ein wichtiger Grund liegt beispielsweise vor, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen dem beteiligten Gläubiger und dem Ausschussmitglied endet4 oder der Gläubiger seine Forderung verkauft und das Gläubigerausschussmitglied dadurch jegliche Beziehung zum Verfahren verliert5. Dagegen rechtfertigt die Ankündigung von Schadenersatzansprüchen gegen das Gläubigerausschussmitglied durch den Insolvenzverwalter nicht die Entlassung6. Strebt das Ausschussmitglied selbst seine Entlassung an, so sind an die Feststellung des wichtigen Grundes allerdings keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, denn es dient schwerlich der Förderung des Insolvenzverfahrens, ein Ausschussmitglied gegen seinen Willen im Amt zu halten7. So ist ein wichtiger Grund beispielsweise anzunehmen, wenn der Versicherungsschutz für die Gläubigerausschussmitglieder entfallen ist8.

1.669

frei

8. Gläubigerbeirat 1.670

Einen Gläubigerbeirat, der unentgeltlich tätig wird und bei dem die Haftung ausgeschlossen ist, sieht die InsO nicht vor. Auch in der Konkursordnung war er nicht vorgesehen, gleichwohl war anerkannt, dass anstelle eines Gläubigerausschusses auch ein Gläubigerbeirat eingesetzt werden konnte9. Aus dem Umstand, dass der Regierungsentwurf zur InsO in § 254 einen Beirat vorsah, der Gesetzgeber dies aber nicht übernommen hat, wird gefolgert, dass damit die Einrichtung eines Beirats ausgeschlossen sei10. Zwingend ist dies jedoch nicht.

1 Beispiel s. bei LG Kassel v. 14.8.2002 – 3 T 301/02, ZInsO 2002, 839. 2 LG Magdeburg v. 17.12.2001 – 3 T 1070/01, ZInsO 2002, 88; BGH v. 1.3.2007 – IX ZB 47/06, ZIP 2007, 781 = ZInsO 2007, 444; BGH v. 24.1.2008 – IX ZB 223/05, ZIP 2008, 655 = ZInsO 2008, 323. 3 AG Wolfratshausen v. 15.11.2002 – IN 194/01, ZInsO 2003, 96. 4 A.A. AG Aurich v. 15.7.2022 – 9 IN 91/11, ZIP 2022, 1823; LG Aurich v. 28.9.2022 – 7 T 167/22, ZIP 2023, 267. 5 AG Norderstedt v. 10.8.2007 – 66 IN 261/04, ZInsO 2007, 1008; a.A. Kühne in Borchardt/Frind, Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren, 2. Aufl. 2014, Rn. 1901. 6 LG Deggendorf v. 28.2.2013 – 13 T 18/13, ZIP 2013, 2371 = ZInsO 2013, 2282. 7 AG Duisburg v. 3.7.2003 – 62 IN 41/03 – ZInsO 2003, 862. 8 LG Göttingen v. 25.8.2011 – 10 T 50/11, NZI 2011, 909; BGH v. 29.3.2012 – IX ZB 310/11, ZIP 2012, 876. 9 RG v. 11.6.1936 – VI 18/36, JW 1936, 2927; RG v. 11.6.1936 – VI 18/36, HRR 1936, Nr. 1247; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 87 Rn. 9; Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren, 2000, Rn. 301. 10 Pape ZInsO 1999, 675.

154 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.682 Erster Teil

Ein Beirat mag sinnvoll sein, wenn die Gläubiger die umfassenden Mitwirkungs- und Kontrollrechte eines Gläubigerausschusses im Einzelfall für unnötig oder hinderlich ansehen, aber der Verwalter auf die Expertise Außenstehender zurückgreifen muss oder will und dazu einen festen Kreis von Ansprechpartnern braucht. Andererseits besteht die Befürchtung, dass ein solches Gremium, das keinerlei Haftung zu gewärtigen hat, weniger die Interessen aller Gläubiger wahrnimmt, sondern die bekannt gewordenen Informationen nutzt, um eigene Interessen zu verfolgen1.

1.671

Dagegen kann in einem Restrukturierungsverfahren, das gesamtverfahrensartige Züge aufweist, das Restrukturierungsgericht einen Gläubigerbeirat einsetzen (§ 93 Abs. 1 StaRUG)2.

1.672

frei

1.673–1.679

III. Gläubigerversammlung Der Gläubigerversammlung steht entsprechend dem Ziel des ESUG3, die Gläubigerautonomie4 zu stärken5, die letzte Entscheidung über den Ablauf des Insolvenzverfahrens zu. Dies betrifft insbesondere die Dauer und Zulässigkeit einer Betriebsfortführung, den Auftrag an den Verwalter zur Erstellung eines Insolvenzplans oder den Abbruch von Sanierungsbemühungen6. Die durch die Reform gewonnenen Rechte nehmen die Gläubiger jedoch nicht in dem erwarteten Umfang dar7.

1.680

1. Einberufung Die erste Gläubigerversammlung, der so genannte Berichtstermin, muss grundsätzlich innerhalb von sechs Wochen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einberufen und darf nicht über drei Monate hinaus angesetzt werden (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Eine weitere Gläubigerversammlung, die aber mit der Ersten verbunden werden kann, ist ebenfalls im Eröffnungsbeschluss durch das Gericht anzuberaumen (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Das Gericht soll auf den Berichtstermin verzichten, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist (§ 29 Abs. 2 Satz 2 InsO).

1.681

Eine Gläubigerversammlung muss im Übrigen innerhalb von zwei Wochen einberufen werden, wenn dies beantragt wird

1.682

– vom Insolvenzverwalter, – vom Gläubigerausschuss, – von mindestens fünf absonderungsberechtigten Gläubigern oder nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, deren Absonderungsrechte und Forderungen nach der Schätzung des In1 Obermüller/Hess, InsO, 4. Aufl. 2003, Rn. 618. 2 Einzelheiten s. Ahrens NZI 2021, Beil. 1 S. 57. 3 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582. 4 Zu Inhalt und Bedeutung s. Graf-Schlicker FS Smid 2022, 133. 5 Von Marotzke (ZInsO 2003, 726) als modernes Missverständnis bezeichnet, während Biel/Wittmann (ZInsO 2022, 2105) die geringe Mitwirkungsbereitschaft der Gläubiger bedauern. 6 RegE InsO 1992 Allg. Begründung A 4h; s. auch Pape NZI 2006, 65. 7 Biel/Wittmann ZInsO 2022, 2105.

Martin Obermüller | 155

Erster Teil Rz. 1.682 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

solvenzgerichts zusammen ein Fünftel der Summe erreichen, die sich aus dem Wert aller Absonderungsrechte und den Forderungsbeträgen aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger ergibt (§ 75 Abs. 1 Nr. 3 InsO), oder – von einem oder mehreren absonderungsberechtigten Gläubigern oder nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, deren Absonderungsrechte und Forderungen nach der Schätzung des Gerichts zwei Fünftel der in § 75 Abs. 1 Nr. 3 InsO bezeichneten Summe erreichen (§ 75 Abs. 1 Nr. 4 InsO).

1.683

Sind diese Quoren erfüllt, so hat das Gericht die Versammlung einzuberufen; ein Ermessensspielraum steht ihm nicht zu1, es hat auch nicht die Zweckmäßigkeit und Interessenmäßigkeit des Antrags zu untersuchen2. Das Antragsrecht steht den Gläubigern auch dann zu, wenn ihre Forderungen angemeldet, aber noch nicht geprüft oder vom Insolvenzverwalter oder einem Gläubiger bestritten sind3. Gegen die Ablehnung eines Einberufungsantrags steht den Gläubigern die sofortige Beschwerde zu, auch wenn die Ablehnung darauf gestützt war, nach der Schätzung des Gerichts sei das Quorum verfehlt4. Die Beschwerdebefugnis besitzen nur diejenigen Gläubiger, die auch das Einberufungsquorum erfüllen5.

1.684

Die Einberufung muss öffentlich bekannt gemacht werden (§ 74 Abs. 2 InsO). Dies kann unterbleiben, wenn in einer vorhergehenden Versammlung die Verhandlung vertagt wird (§ 74 Abs. 2 Satz 2 InsO)6. Ein Gläubiger kann sich also nicht darauf verlassen, über alle Versammlungen unterrichtet zu werden, wenn er das einschlägige Bekanntmachungsblatt bzw. den Bundesanzeiger verfolgt, vielmehr muss er sich auch über etwaige Vertagungen vergewissern. Die Tagesordnung ist im Beschluss und seiner Bekanntmachung allgemein verständlich darzustellen und darf nicht lediglich auf Gesetzesvorschriften verweisen7.

1.685

Bei der Gläubigerversammlung handelt es sich um eine Präsenzveranstaltung; zwar sind bisher bereits zwischen April 2020 und dem 31.8.2022 virtuelle Hauptversammlungen von Unternehmen zulässig8, diese Sonderregelungen aus dem Gesellschaftsrecht können aber nicht auf das Insolvenzrecht übertragen werden9. Die Gläubiger sind zur Teilnahme an der Gläubigerversammlung nicht verpflichtet. Das Insolvenzgericht kann daher auch nicht das Erschei1 2 3 4 5 6 7

OLG Celle v. 25.3.2002 – 2 W 9/02, ZIP 2002, 900 = ZInsO 2002, 373. LG Münster v. 21.1.2019 – 5 T 742/18, ZIP 2019, 486 = ZInsO 2019, 327. BGH v. 14.10.2004 – IX ZB 114/04, ZIP 2004, 2339. BGH v. 21.12.2006 – IX ZB 138/06, ZIP 2007, 551 = ZInsO 2007, 271. BGH v. 10.3.2011 – IX ZB 212/09, ZIP 2011, 673. Wimmer DZWIR 1999, 62. LG Saarbrücken v. 9.5.2007 – 5 T 108/06, ZInsO 2007, 824; BGH v. 20.3.2008 – IX ZB 104/07, ZIP 2008, 1030 = ZInsO 2008, 504. 8 § 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, eingefügt durch Art. 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht v. 27.3.2020 – BGBl. I 2020, 569; Entwurf s. BT-Drucks. 19/ 18110 v. 24.3.2020 mit Änderungen aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) v. 25.3.2020 – BT-Drucks. 19/18129; verlängert durch Art. 15 des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ und vorübergehenden Ausetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz 2021 – AufbhG 2021) v. 10.9.2021 – BGBl. I 2021, 4147. 9 Zur Forderung nach einer dauerhaften Gesetzesänderung s. Braegelmann/Horstkotte/Martini ZInsO 2020, 729; Blankenburg/Godzierz ZInsO 2020, 1285; Horstkotte ZInsO 2020, 1820.

156 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.692 Erster Teil

nen von Gläubigervertretern anordnen. Insbesondere Banken wird vorgeworfen, sich aus Gründen der Einsparung von Personalkosten immer weniger in den Verfahren zu engagieren. Dies mag bedauert werden, ist aber hinzunehmen. Jedenfalls sollten sich die Gläubiger anhand der Tagesordnung rechtzeitig informieren, ob Themen erörtert werden, die ihre speziellen Interessen berühren.

2. Entscheidungsbefugnisse Die Gläubigerversammlung trifft u.a. die Entscheidungen über besonders bedeutsame Rechtshandlungen, die der Verwalter zur Verwertung des Unternehmens treffen will1, über die Abberufung des Insolvenzverwalters, die Einsetzung eines Gläubigerausschusses und ggf. dessen Zusammensetzung und Befugnisse, über den Fortgang des Verfahrens, und zwar dahingehend, ob das insolvente Unternehmen liquidiert oder saniert werden soll2. Sie kann vom Insolvenzverwalter einzelne Auskünfte und einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung verlangen (§ 79 InsO). frei

1.686

1.687–1.689

3. Abstimmung Für das Zustandekommen von Beschlüssen der Gläubigerversammlung ist eine Abstimmungsmehrheit der teilnahmeberechtigten Gläubiger notwendig.

1.690

a) Mehrheiten Die Beschlüsse der Gläubigerversammlung werden grundsätzlich mit der Mehrheit der Stimmen der abstimmenden Gläubiger gefasst. Die Stimmenmehrheit ist nach Forderungsbeträgen zu berechnen. Das Stimmrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger bemisst sich nach der Höhe der gesicherten Forderung und nicht mehr wie im Konkursverfahren nur nach dem Ausfall, da sie in das Insolvenzverfahren stärker als in das Konkursverfahren eingebunden werden3. Bei absonderungsberechtigten Gläubigern, denen der Schuldner nicht persönlich haftet, tritt der Wert des Absonderungsrechts an die Stelle des Forderungsbetrags (§ 76 Abs. 2 InsO). Neben der Summenmehrheit ist auch die Mehrheit nach Köpfen erforderlich, wenn über die Wahl eines anderen Insolvenzverwalters (§ 57 Satz 2 InsO) oder einen Insolvenzplan (§ 244 Abs. 1) zu entscheiden ist.

1.691

b) Teilnahmeberechtigung Teilnahmeberechtigt sind außer den Insolvenzgläubigern auch die Absonderungsberechtigten und die Gläubiger aufschiebend bedingter Forderungen4 sowie die nachrangigen Gläubiger, d.h. vor allem die Gläubiger von Zinsforderungen und Gesellschafterdarlehen. Dabei kommt

1 Zur Übertragung der aktienrechtlichen Grundsätze für die Frage nach der Bedeutsamkeit einer Rechtshandlung auf das Insolvenzrecht s. Paulus/Merath ZInsO 2011, 1129. 2 S. auch Zusammenstellung bei Pape NZI 2006, 65. 3 Begründung RegE InsO 1992 zu § 87 EInsO. 4 VG Neustadt v. 17.11.2016 – 4 K 232/16 NW, ZInsO 2018, 531.

Martin Obermüller | 157

1.692

Erster Teil Rz. 1.692 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

es nicht darauf an, ob die Forderung bereits angemeldet ist. Andererseits genügt nicht die bloße Behauptung einer Forderung, sie muss zumindest glaubhaft gemacht werden1. Denn die Verhandlung ist nicht öffentlich2.

1.693

Zur Teilnahme an den Abstimmungen sind in erster Linie die Gläubiger unbestrittener Forderungen berechtigt. Mögliche Interessenkollisionen rechtfertigen keinen Ausschluss von der Abstimmung3. Nachrangige Gläubiger, also vor allem die Gläubiger von Gesellschafterdarlehen oder von Zinsen, sind nicht stimmberechtigt (§ 77 Abs. 1 Satz 2 InsO). Sind Forderungen streitig, so können sich die Parteien unbeschadet einer späteren Entscheidung über das Bestehen der Forderung über ein Stimmrecht des betreffenden Gläubigers einigen (§ 77 Abs. 2 InsO). Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet das Insolvenzgericht nach summarischer Prüfung4 über die Gewährung eines Stimmrechts5; die Entscheidung kann das Insolvenzgericht jederzeit ändern (§ 77 Abs. 2 Sätze 2 und 3 InsO). Die Festsetzung der Stimmrechte der Gläubiger durch das Insolvenzgericht muss vor dem Beginn der Abstimmung abgeschlossen sein6.

1.694

Stimmrechtsentscheidungen bedürfen einer Begründung, die erkennen lässt, dass das Gericht die materiellen Anforderungen an eine willkürfreie Anwendung der gesetzlichen Regelungen gewahrt hat7. Dabei wird auch berücksichtigt, ob ein Gläubiger aufgrund der Höhe seiner Forderungen bei voller Anerkennung seines Stimmrechts die Gläubigerversammlung dominieren und ihm dies wegen eines über das übliche Maß hinausgehenden Eigeninteresses einen Sondervorteil verschaffen würde8. Durch taktisch kluges Bestreiten von Forderungen Dritter können der Verwalter oder einzelne Gläubiger also auf den Ausgang der Abstimmung Einfluss nehmen; so sei „das Phänomen zu beobachten, dass zum Zweck des Fernhaltens dinglich gesicherter Gläubiger von den Abstimmungen ... die Rechte dieser Gläubiger auf einer eher schwachen tatsächlichen und rechtlichen Basis vornehmlich vom Verwalter bestritten werden, um die Mehrheitsverhältnisse in den Versammlungen zu verändern. Auch wenn der Grundsatz lauten sollte, dass im Zweifel zugunsten der Beteiligtenautonomie zu entscheiden ist und deshalb der zumindest teilweisen Bewilligung eines Stimmrechts der Vorzug vor der vollständigen Versagung zu geben ist, folgen die Insolvenzgerichte doch relativ häufig der Auffassung des Insolvenzverwalters und tun sich schwer, eine abweichende Stimmrechtsrechtsentscheidung zu treffen“9.

1 AG Aurich v. 25.4.2006 – 9 IN 41/2006, ZInsO 2006, 782 mit Anm. Hanken ZInsO 2006, 783. 2 AG Aurich v. 25.4.2006 – 9 IN 41/2006, ZInsO 2006, 782; bedenklich insoweit LG Frankfurt v. 8.3.1983 – 2/9 T 222/83, ZIP 1983, 344, das wegen „öffentlichen Interesses“ der Presse den Zutritt gestattet hat; Knof in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 74 Rn. 8; Schmittmann ZInsO 2010, 2044. 3 Grell NZI 2006, 77. 4 Riedel in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 77 Rn. 12; Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 77 Rn. 7, 9; Kompromissvorschläge s. Wenzel ZInsO 2007, 751; zu den Grenzen gerichtlicher Stimmrechtsbeschränkung s. Frind ZInsO 2011, 1726. 5 BGH v. 23.10.2008 – IX ZB 235/06, ZIP 2008, 2428. 6 BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, ZIP 2021, 203 = ZInsO 2021, 244 Rn. 16 mit Anm. Leithaus NZI 2021, 177. 7 BVerfG v. 4.8.2004 – 1 BvR 698/03, ZIP 2004, 1762 = ZInsO 2004, 1027. 8 AG Kaiserslautern v. 24.11.2005 – 71 IK 238/04, NZI 2006, 47; AG Göttingen v. 28.7.2009 – 71 IN 151/07, Rpfl. 2009, 695. 9 Pape WM 2003, 313.

158 | Martin Obermüller

F. Die am Insolvenzverfahren Beteiligten | Rz. 1.698 Erster Teil

Allerdings kann der Gläubiger, dessen Stimmrecht vom Rechtspfleger nicht anerkannt wurde, die Überprüfung dieser Entscheidung nach § 18 Abs. 3 RPflG beantragen1; diese Entscheidung ist dann unanfechtbar2. Auch kann er einen Antrag auf Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung stellen (§ 78 Abs. 1 InsO). Diese Anträge müssen noch in der laufenden Gläubigerversammlung gestellt werden; eine spätere Nachholung im schriftlichen Verfahren ist unzulässig3. Eine ohne Klärung der Stimmrechte vorgenommene Abstimmung ist zu wiederholen4.

1.695

Ob nur die Stimmen der in der Gläubigerversammlung anwesenden Gläubiger gezählt werden oder ob auch eine schriftliche Abstimmung möglich ist, kann dem Gesetz nicht klar entnommen werden. Aus dem Umstand, dass bestimmte Befugnisse wie z.B. die Einigung über das Stimmrecht (§ 77 Abs. 2 InsO) oder den Antrag auf Änderung eines zugesprochenen Stimmrechts das Erscheinen des betreffenden Gläubigers voraussetzen, im Übrigen aber auf das Erscheinen nicht abgestellt wird, und das Gesetz (§ 29 Abs. 2 Satz 2 InsO) für kleinere Verfahren generell ein schriftliches Verfahren nahelegt, kann geschlossen werden, dass eine schriftliche Abstimmung möglich ist, was vor allem in Großverfahren mit Tausenden von Gläubigern sehr zweckmäßig ist.

1.696

Eine Vertretung ist dagegen unstreitig zulässig. Juristische Personen werden in der Regel von vertretungsberechtigten Mitarbeitern (Handlungsbevollmächtigte müssen ihre Vollmacht schriftlich nachweisen)5 vertreten, beauftragen aber manchmal auch Rechtsanwälte6. Dem Insolvenzverwalter kann ein Gläubiger die Vollmacht allerdings nicht erteilen7. Dies verträgt sich nicht mit seiner gebotenen Unabhängigkeit. Ist der Insolvenzverwalter auch Rechtsanwalt, so kollidiert der der Vollmacht zugrunde liegende Auftrag zudem mit dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO), denn die Interessen einzelner Gläubiger sind selten identisch mit denen der Masse und denen anderer Beteiligter, auf die der Verwalter Rücksicht zu nehmen hat8.

1.697

c) Bindungswirkung Die Beschlüsse der Gläubigerversammlung sind unabhängig von der Zahl der erschienenen Gläubiger für die Nichterschienenen verbindlich. Auf Antrag des Insolvenzverwalters, eines absonderungsberechtigten oder nicht nachrangigen Insolvenzgläubigers können Beschlüsse der Gläubigerversammlung vom Insolvenzgericht aufgehoben werden, wenn sie dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widersprechen (§ 78 Abs. 1 InsO)9. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Versammlung einseitig einzelne Gläubiger oder auch nur die Mehr1 Riedel in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 77 Rn. 16. 2 Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung s. BVerfG v. 26.11.2009 – 1 BvR 339/09, ZIP 2010, 237 = ZInsO 2010, 35. 3 OLG Celle v. 21.2.2001 – 2 W 11/01, ZInsO 2001, 320; zu den Problemen im schriftlichen Verfahren s. LG Bückeburg v. 28.8.2017 – 4 T 57/17, ZInsO 2019, 1174; Pape ZInsO 2019, 1233. 4 BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, ZIP 2021, 203 Rn. 20. 5 LG München v. 30.3.1992 – 7 T 1398/92, ZIP 1992, 789; AG Ahrensburg v. 5.10.1991 – 7 N 98/86, KTS 1992, 223. 6 Zur Vertretung durch sonstige Dritte s. Weßling ZInsO 2020, 1922. 7 Römermann/Funke Gavilà ZInsO 2011, 1202; LG Hamburg v. 25.8.2014 – 326 T 81/14, ZIP 2014, 1889. 8 Nicht ausdrücklich so entschieden von BGH v. 23.10.2008 – IX ZB 235/06, ZIP 2008, 2428. 9 Zur Anfechtbarkeit möglicherweise nichtiger Beschlüsse der Gläubigerversammlung s. Kirchhof ZInsO 2007, 1196; Schultz ZInsO 2021, 2708.

Martin Obermüller | 159

1.698

Erster Teil Rz. 1.698 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

heit bevorzugt1, die Masse anreichernde Geschäfte aus unsachlichen Gründen verhindert2 oder den Verwalter zur Erfüllung anfechtbarer Ansprüche ermächtigt3. Dagegen fehlt es für einen Antrag auf Beschlussaufhebung in der Regel am Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Gläubigerversammlung eine Beschlussfassung mehrheitlich abgelehnt hat4. d) „Gläubigerfreie Gläubigerversammlung“

1.699

Wenn die Gläubigerversammlung beschlussunfähig ist5, weil kein Gläubiger erscheint oder Gläubiger zwar erscheinen, aber nicht abstimmen, gilt ihre Zustimmung zu Maßnahmen, die der Insolvenzverwalter vorgeschlagen hat, als erteilt (§ 160 Abs. 1 Satz 3 InsO). Dies setzt eine ordnungsgemäße Einberufung der Gläubigerversammlung voraus. Dazu gehört auch eine konkrete Tagesordnung, die den Gegenstand der Beschlussfassung so genau beschreibt, dass den Gläubigern eine sachgerechte Vorbereitung und eine Entscheidung, ob sie an der Gläubigerversammlung teilnehmen wollen, möglich sind6.

4. Anleihegläubigerversammlung 1.700

Ungesicherte Anleihen und Schuldscheindarlehen haben in der Insolvenz des Ausstellers den Rang einfacher Insolvenzforderungen. Besonderheiten gelten jedoch für Schuldverschreibungen insofern, als das Insolvenzgericht außer der Gläubigerversammlung unverzüglich noch eine Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger einzuberufen hat (Einzelheiten s. Rn. 8.184 ff.).

1.701–1.709

frei

G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse 1.710

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Verwalter dafür zu sorgen, dass die Forderungen, zu deren Befriedigung das Insolvenzverfahren durchgeführt wird, erfasst werden. Er muss die Insolvenzmasse in Besitz und Verwaltung nehmen (§ 148 InsO) und die Massegegenstände erfassen und aufzeichnen7, nach dem Berichtstermin verwerten (§ 159 InsO) und den Erlös verteilen.

I. Anmeldung und Prüfung der Forderungen 1.711

Um ihre Rechte wahrzunehmen, muss die Bank ihre Forderungen anmelden8 und deren Prüfung durch den Insolvenzverwalter „bestehen“.

1 LG Memmingen v. 5.2.2014 – 43 T 157/14, NZI 2014, 455. 2 LG Lüneburg v. 6.2.2020 – 3 T 4/20, ZIP 2020, 1033 = ZInsO 2020, 840. 3 BGH v. 12.6.2008 – IX ZB 220/07, ZIP 2008, 1384 = ZInsO 2008, 735 mit Anm. Gundlach/ Schmidt ZInsO 2008, 852. 4 BGH v. 28.5.2020 – IX ZB 64/17, ZIP 2020, 1474; Schultz ZInsO 2021, 2708. 5 Zur „gläubigerfreien Gläubigerversammlung“ s. Heukamp ZInsO 2007, 57. 6 Zimmermann ZInsO 2012, 245 m.w.N. 7 Zu den Rechnungslegungspflichten s. Hinweise des IDW ZInsO 2009, 74; Frystatzki NZI 2009, 581; Kloos NZI 2009, 586 und Blersch in BK InsO, Stand 2012, § 66 Rn. 1 ff. 8 Zum Ablauf des Verfahrens s. Geißler ZInsO 2019, 1633.

160 | Martin Obermüller

G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse | Rz. 1.716 Erster Teil

1. Anmeldung Für die Anmeldung im Insolvenzverfahren sieht das Gesetz Fristen und Formen vor und verlangt bestimmte Mindestangaben. Deren Einhaltung muss der Gläubiger in eigener Verantwortung prüfen, eine Hinweispflicht des Insolvenzverwalters besteht allenfalls bei offensichtlichen Mängeln1.

1.712

a) Anmeldefrist Forderungen gegen den Schuldner sind innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist, die zwischen zwei Wochen und drei Monaten liegen kann, beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 28 Abs. 1 InsO); die Anmeldefrist ist im Eröffnungsbeschluss enthalten, der im Internet unter www.insolvenzbekanntmachungen.de öffentlich bekannt zu machen ist (§§ 9, 30 Abs. 1 InsO)2 und den bekannten Schuldnern und Gläubigern zugestellt wird (§ 30 Abs. 2 InsO). Die Forderungen nachrangiger Gläubiger sind nur anzumelden, soweit das Insolvenzgericht besonders zur Anmeldung dieser Forderungen auffordert (§ 174 Abs. 3 InsO)3; die Entscheidung über die Aufforderung ist zu veröffentlichen und durch den Insolvenzverwalter gesondert den nachrangigen Gläubigern durch Zustellung bekannt zu machen4. Es handelt sich um eine Notfrist und keine Ausschlussfrist5, d.h. auch Forderungen, die nach Ablauf der Frist angemeldet werden, können im Prüfungstermin berücksichtigt werden, wenn weder der Verwalter noch ein Insolvenzgläubiger Widerspruch erhebt; andernfalls ist auf Kosten des nachträglich Anmeldenden6 ein neuer Prüfungstermin zu bestimmen oder die Prüfung im schriftlichen Verfahren anzuordnen (§ 177 Abs. 1 InsO).

1.713

Ob ihre Anmeldung zutreffend berücksichtigt ist, kann die Bank durch Einsicht in die Tabelle klären, die innerhalb des ersten Drittels des Zeitraums, der zwischen dem Ablauf der Anmeldefrist und dem Prüfungstermin liegt, in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsicht niederzulegen ist (§ 175 InsO)7. Bei der Aufnahme von Forderungen in die Tabelle ist der Verwalter an die Auffassung des Gläubigers gebunden; eine Zurückweisungsbefugnis besteht nicht, vielmehr ist der Verwalter auf ein Bestreiten im Prüfungstermin verwiesen8.

1.714

frei

1.715

b) Form und Inhalt der Anmeldung Die Forderung muss schriftlich von dem Gläubiger, bei juristischen Personen von vertretungsberechtigten Mitarbeitern (Handlungsbevollmächtigte müssen ihre Vollmacht schriftlich

1 OLG Stuttgart v. 29.4.2008 – 10 W 21/08, ZIP 2008, 1781. 2 S. auch Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekV) v. 12.2.2002 (BGBl. I 2002, 677) und Erste Verordnung zur Änderung dieser Verordnung v. 31.7.2019 – BR-Drucks 338/19. 3 S. dazu Rugullis ZInsO 2021, 2189. 4 AG Münster v. 10.8.2017 – 77 IN 24/17, ZIP 2017, 2493 = ZInsO 2017, 2025; s. dazu Riedel NZI 2017, 807; Kortleben ZInsO 2017, 2726. 5 Haarmeyer FS Smid 2022, 147. 6 Unabhängig davon, ob der Anmeldende die Verspätung selbst verschuldet hat (LG Krefeld v. 9.2.2017 – 7 T 156/16, ZIP 2017, 936 = ZInsO 2017, 610). 7 Zu Anmeldungen nach Einreichung des Schlussberichts s. Gerbers/Pape ZInsO 2006, 685. 8 LG Waldshut-Tiengen v. 26.1.2005 – 1 T 172/03, ZIP 2005, 499 = ZInsO 2005, 557.

Martin Obermüller | 161

1.716

Erster Teil Rz. 1.716 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

nachweisen)1 angemeldet werden. Die Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs nach §§ 4, 130d ZPO gilt hier nicht2. Der Gläubiger ist nur dann berechtigt, die Anmeldung durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments vorzunehmen, wenn der Insolvenzverwalter ausdrücklich zugestimmt hat (§ 174 Abs. 4 Satz 1 InsO); der Gläubiger kann dazu aber nicht verpflichtet werden. Für die Übermittlung einer Forderungsanmeldung gelten die Regelungen des § 130 Nr. 6 ZPO3: Die Weitergabe der Unterschrift in Kopie reicht aus, wenn ein Fax verwendet wird4 oder die Unterschrift auf einem pdf-Anhang einer email enthalten ist5.

1.717

Die Anmeldung muss den Betrag und den Grund der Forderung enthalten (§ 28 Abs. 2 InsO)6. Dazu hat der Gläubiger bei der Anmeldung den Grund der Forderung und den konkreten Lebenssachverhalt, aus dem die Forderung nach seiner Behauptung entspringt, anzugeben; eine schlüssige Darlegung der Forderung ist nicht erforderlich7. Eine als Forderung aus Darlehensvertrag zur Tabelle angemeldete Forderung kann, wenn ein Vertragsmangel gegeben ist, im Forderungsfeststellungsverfahren als Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung verfolgt und festgestellt werden8. Bei einer Sammelanmeldung einer Mehrzahl von Forderungen ist jede einzelne substantiiert darzulegen9. Kann eine Forderung auf mehrere rechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt werden, z.B. auf einen Zahlungsanspruch aus einem Darlehensvertrag und aus unerlaubter Handlung wie z.B. Kreditbetrug, so sollten im Hinblick auf ihre Einordnung in einem etwaigen Insolvenzplan oder einer Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO) beide beschrieben werden10. Für eine nach § 144 InsO aufgrund einer Anfechtung wieder aufgelebte Forderung muss deren Grund erläutert werden; der Hinweis auf § 144 InsO genügt nicht.

1 LG München v. 30.3.1992 – 7 T 1398/92, ZIP 1992, 789; AG Ahrensburg v. 5.10.1991 – 7 N 98/86, KTS 1992, 223; Einzelheiten zur Anleihegläubigerversammlung s. unten Rn. 8.184. 2 Beth ZInsO 2021, 2652; im Zuge der Verhandlungen zum Entwurf der sog. EU-Digitalisierungsverordnung drängt die Europäische Kommission darauf, Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter als „zuständige Behörden“ in den Anwendungsbereich der Verordnung einzubeziehen mit der Folge, dass grenzüberschreitende Forderungsanmeldungen künftig auch elektronisch möglich sein müssen (s. Entwurf einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit und des Zugangs zur Justiz in grenzüberschreitenden Zivil-, Handels- und Strafsachen, und zur Änderung bestimmter Rechtsakte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit v. 1.12.2021 – COM(2021) 759 final). 3 Radschuwait InsBüro 2018, 67. 4 GmS-OGB v. 5.4.2000 – GmS-OGB 1/98, ZIP 2000, 1356 = NJW 2000, 2340. 5 BGH v. 15.7.2008 – X ZB 8/08, NJW 2008, 2649; weitere Möglichkeiten s. Radschuwait InsBüro 2018, 67. 6 Einzelheiten zu den Anforderungen an eine ausreichende Individualisierung der Forderung s. BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZInsO 2013, 602; zur Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts s. AG Düsseldorf v. 17.10.2007 – 1502 IN 160/06, ZInsO 2008, 680. 7 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZIP 2013, 680 = ZInsO 2013, 602; BGH v. 25.6.2020 – IX ZR 47/ 19, ZIP 2020, 1561 = ZInsO 2020, 1761; OLG München v. 22.12.2017 – 13 U 927/15, ZInsO 2018, 326; OLG Celle v. 14.6.2018 – 5 U 17/18, ZInsO 2018, 2189. 8 BGH v. 12.11.2015 – IX ZR 313/14, ZIP 2016, 30 = ZInsO 2016, 93 mit Anm. Smid ZInsO 2016, 781. 9 BGH v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483 = ZInsO 2009, 381; OLG Jena v. 20.3.2013 – 2 U 554/12, NZI 2013, 399. 10 BGH v. 9.1.2014 – IX ZR 103/13, ZInsO 2014, 236 Rn. 8; AG Mannheim v. 18.3.2021 – 4 IN 1550/ 20, ZInsO 2021, 797.

162 | Martin Obermüller

G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse | Rz. 1.720 Erster Teil

Das Sicherungsgut, die Art und der Entstehungsgrund des Sicherungsrechts sind zu bezeichnen (§ 28 Abs. 2 InsO; Einzelheiten s. Rn. 6.1576 ff.).

1.718

Der Anmeldung sind etwaige urkundliche Beweisstücke in Kopie beizufügen (§ 174 InsO). Allerdings ist die Vorlage des Originaltitels im Prüfungstermin keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Feststellung einer titulierten Forderung zur Insolvenztabelle1. Daher ist es grundsätzlich auch nicht nötig, dass Gläubiger verbriefter Anleihen die Schuldverschreibungen und Zinsscheine im Original vorlegen (Einzelheiten s. Rn. 8.205).

1.719

Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, eine formal ordnungsgemäß angemeldete Forderung in die Tabelle einzutragen. Manche Amtsgerichte stellen den Gläubigern Formulare zur Verfügung, die für eine EDV-mäßige Bearbeitung geeignet sind. Allerdings muss eine Bank im Einzelfall prüfen, ob und inwieweit diese Formulare für sie verwendbar sind. Sofern sie nicht geeignet sind, kann für ungesicherte Forderungen auf das folgende Muster2 zurückgegriffen werden:

1.720

M 4 Anmeldung der Forderungen A.-Bank AG Filiale ... Herrn Insolvenzverwalter ... ... Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma ... – Anmeldung von Forderungen In dem o.g. Insolvenzverfahren melden wir hiermit als Ausfallforderungen folgende Forderungen an: (zutreffendes auswählen) 1. aus laufender Rechnung ... Euro 2. aus Darlehen, Kto-Nr. ... ... Euro 3. aus Akzepten und Solawechseln des Schuldners ... Euro 4. aus Wechseln, die wir dem Schuldner diskontiert haben ... Euro 5. aus von uns akzeptierten Tratten des Schuldners ... Euro 6. bedingte Forderungen aus Wechseln, aus denen der Schuldner als Austeller oder Girant haftet ... Euro 7. bedingte Forderungen aus Bürgschaften und Garantien, die wir für den Schuldner übernommen haben ... Euro

1 BGH v. 1.12.2005 – IX ZR 95/04, ZIP 2006, 192 = ZInsO 2006, 102. 2 Weitere Muster s. Hess/Binz,Formulare und Muster zum Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2000, D 35 ff.; Pannen, Formularbuch Insolvenzrecht, 2006, Teil 6 Rn. 108 ff.; auch schon Bergisch Märkische Bank, Juristisches Formularbuch, 1913, Formular 31–33.

Martin Obermüller | 163

Erster Teil Rz. 1.720 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht 8. bedingte Forderungen aus Akkreditiven, die die (Name der bestätigenden Bank) in unserem Auftrag bestätigt hat ... Euro 9. bedingte Forderungen aus unwiderruflichen Akkreditiven, die wir im Auftrag des Schuldners gestellt haben ... Euro 10. bedingte Forderungen aus Bürgschaften, die der Schuldner uns gegenüber für unsere Forderungen gegen (Name des Hauptschuldners) übernommen hat ... Euro 11. Ansprüche aus der Haftung des Schuldners als Mitinhaber/persönlich haftender Gesellschafter der (Name des Hauptschuldners) ... Euro Gesamtsumme ... Euro Die im Auftrag des Schuldners gestellten widerruflichen Akkreditive hatten wir im Einvernehmen mit Ihnen widerrufen. Zum Nachweis unserer Ansprüche fügen wir bei – Kontoauszüge, abgeschlossen auf den Tag der Insolvenzeröffnung – ... – ... ...

...

Ort/Datum

Unterschrift(en) der Bank

c) Ausfallgrundsatz

1.721

Eine gesicherte Forderung kann zwar in voller Höhe angemeldet werden, aber der Gläubiger kann bei der Schlussverteilung Befriedigung nur insoweit verlangen, als er bei der Verwertung ausgefallen1 ist (§ 52 InsO; Einzelheiten s. Rn. 6.1576 ff.). Die Anmeldung in voller Höhe kann auch dann nicht als Verzicht auf das Absonderungsrecht ausgelegt werden, wenn der Gläubiger keinen entsprechenden Vorbehalt macht2.

1.722

Haften für ein und dieselbe Forderung mehrere Personen als Mitschuldner (Wechsel- und Scheckforderungen, Bürgschaftsforderungen) und wird über das Vermögen einer oder mehrerer von ihnen das Insolvenzverfahren eröffnet, so kann die Bank als Gläubigerin bis zu ihrer vollen Befriedigung in jedem Verfahren ihre gesamte, zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens bestehende Forderung geltend machen (§ 43 InsO).

2. Prüfung 1.723

Die Feststellung der Forderungen findet im Prüfungstermin statt; der erste (allgemeine) Prüfungstermin wird von dem Gericht zusammen mit der Eröffnung des Verfahrens bestimmt (§ 29 Abs. 2 InsO). Das Verfahren wird schriftlich durchgeführt, wenn die Vermögensverhält-

1 Zum Ausfallbegriff im steuerlichen Sinn s. BFH v. 24.10.2017 – VIII R 13/15, ZIP 2018, 738. Zum steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG wegen Ausfalls einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre s. BFH v. 24.10.2017 – VIII R 13/15, ZIP 2018, 738. 2 OLG Nürnberg v. 17.11.2006 – 3 U 1793/06, ZIP 2007, 642.

164 | Martin Obermüller

G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse | Rz. 1.726 Erster Teil

nisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 InsO)1. a) Verfahren zur Feststellung der Forderungen In dem Prüfungstermin werden die angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach einzeln erörtert, bestritten oder anerkannt (§ 176 InsO). Sie gelten als festgestellt, soweit im Prüfungstermin weder von dem Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger Widerspruch erhoben wird (§ 178 Abs. 1 InsO). Nach der Erörterung hat das Gericht das Ergebnis in die Insolvenztabelle einzutragen (§ 178 Abs. 2 InsO).

1.724

Die Eintragung der anerkannten Forderung gilt allen Insolvenzgläubigern gegenüber wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 178 Abs. 3 InsO). Der Auszug aus der Insolvenztabelle, der allerdings erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erteilt werden darf2, stellt einen Vollstreckungstitel dar (§ 201 Abs. 2 InsO). Die davon erfassten Forderungen können aus einem etwaigen früheren Vollstreckungstitel nicht mehr vollstreckt werden3. Durch die Vorlage eines vollstreckbaren Auszugs aus der Insolvenztabelle kann der Gläubiger den Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO führen, wenn sich daraus ergibt, dass eine solche Forderung zur Tabelle festgestellt und vom Schuldner nicht bestritten worden ist4. Der Widerspruch des Schuldners gegen den angemeldeten Rechtsgrund hindert nicht die Vollstreckung aus der Eintragung in die Tabelle. Gegen diese kann sich der Schuldner im Wege einer Vollstreckungsgegenklage zur Wehr setzen5. Auf sonstigen Schuldurkunden wie notariellen Schuldanerkenntnissen oder gerichtlichen Titeln, die der Gläubiger vor der Verfahrenseröffnung erwirkt hat, ist die Feststellung zu vermerken (§ 178 Abs. 2 InsO); zu diesem Zweck kann das Gericht den Gläubiger auffordern, die Urkunden einzureichen. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann der Gläubiger aus dem Auszug weiter die Vollstreckung versuchen, sofern der Schuldner keine Restschuldbefreiung erhält.

1.725

b) Streitige Forderungen Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, eine formal ordnungsgemäß angemeldete Forderung in die Tabelle einzutragen. Hält er die Forderung für unberechtigt, so muss er dies durch Bestreiten geltend machen. Dies gilt sowohl für materielle als auch für insolvenzverfahrensrechtliche Einwendungen6. Den Gläubigern streitig gebliebener Forderungen bleibt es unbenommen, auf Feststellung zur Insolvenztabelle zu klagen (§ 179 Abs. 1 InsO)7. Wenn sie nicht von der Verteilung der Masse ausgeschlossen werden wollen, müssen sie dem Insolvenz1 2 3 4

Zur schriftllichen Forderungsprüfung in Großverfahren s. Pluta/Heidrich FS Smid 2022, 271. OLG Braunschweig v. 28.2.1978 – 2 W 77/77, MDR 1978, 853. AG Ahaus v. 25.1.2021 – 6 M 1988/20, ZInsO 2021, 740. BGH v. 4.9.2019 – VII ZB 91/17, ZIP 2019, 2070 = ZInsO 2019, 2212 Rn. 6; BGH v. 11.3.2020 – VII ZB 38/19, ZIP 2020, 826 = ZInsO 2020, 892 Rn. 10; zur Feststellung des Rechtsgrunds der unerlaubten Handlung im Zivilprozess s. Regenfus ZInsO 2021, 689. 5 BGH v. 18.6.2020 – IX ZB 46/18, ZIP 2020, 1526 = ZInsO 2020, 1586. 6 BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 315/14, ZIP 2017, 436 = ZInsO 2017, 496. 7 Dies kann nicht im Urkundenprozess geschehen (BGH v. 29.11.1984 – X ZR 39/83, WM 1985, 399 = WuB VI B § 146 KO 1.85 – Klimpe). Der Streitwert bemisst sich nach dem Betrag, der bei Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten gewesen wäre (BGH v. 21.3.2020 – IX ZR 26/18, ZInsO 2020, 1133).

Martin Obermüller | 165

1.726

Erster Teil Rz. 1.726 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

verwalter innerhalb von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung einer vorzunehmenden Verteilung den Nachweis über die Erhebung einer Feststellungsklage erbringen (§ 189 Abs. 1 InsO). Der obsiegende Teil kann die Berichtigung der Insolvenztabelle erwirken (§ 183 Abs. 2 InsO). Eine Feststellungsklage ist auch dann erforderlich, wenn der Schuldner zwar nicht die Forderung, wohl aber deren Rechtsgrund bestreitet und dies für die Einordnung der Forderung, z.B. als Masseforderung oder als Forderung aus unerlaubter Handlung von Bedeutung ist1. Wenn aber ein Gläubiger eine Forderung zur Aussonderung oder Absonderung oder als Masseforderung geltend macht, muss er diese Anforderungen nicht erfüllen; sie sind außerhalb des insolvenzrechtlichen Anmeldungs- und Feststellungsverfahren zu verfolgen2.

1.727

Solange der Insolvenzverwalter eine Forderung nur „vorläufig bestreitet“, ist die Feststellungsklage3 jedoch unzulässig; das „vorläufige“ Bestreiten bedeutet nämlich lediglich, dass der Insolvenzverwalter die Begründetheit der Forderung noch nicht abschätzen konnte, und hat nur ein Aufschieben seiner Erklärung für eine angemessene Frist4 zur Folge. Hat der Insolvenzverwalter eine rechtshängige Forderung vorläufig bestritten, sie nach Wiederaufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Rechtsstreits durch den Gläubiger aber anerkannt, so ist er nicht verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, wenn der Gläubiger den Rechtsstreit wieder aufgenommen hatte, ohne zuvor durch – ggf. mit Fristsetzung verbundene – Rückfrage ermittelt zu haben, ob der Insolvenzverwalter sein vorläufiges Bestreiten aufrecht erhalten werde5. c) Abgetretene Forderungen

1.728

Meldet eine Bank ausnahmsweise die ihr von einem dritten Kunden zur Sicherung abgetretene Forderung an und betreibt sie die Feststellung zur Insolvenztabelle, so muss sie einer Doppelanmeldung durch den Zedenten im Prüfungstermin widersprechen, da ihr andernfalls u.U. der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegengesetzt werden kann6.

3. Rücknahme der Anmeldung 1.729

Die Bank ist jederzeit berechtigt, ihre Anmeldung zurückzunehmen. Die Rücknahme einer Forderungsanmeldung stellt keinen Verzicht auf die Forderung dar, sondern lediglich einen Verzicht auf die weitere Teilnahme an der Verteilung7. Adressat der Rücknahmererklärung ist

1 BGH v. 18.5.2006 – IX ZR 187/04, ZInsO 2006, 704; BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZInsO 2013, 2206; zur Entbehrlichkeit einer solchen Prüfung s. OLG Düsseldorf v. 7.6.2013 – I-7 U 198/ 11, NZI 2014, 8; AG Düsseldorf v. 6.2.2018 – 502 IN 155/14, ZInsO 2018, 618; zur Deckung eines solchen Rechtsstreits durch eine Rechtsschutzversicherung s. LG Düsseldorf v.15.4.2021 – 9 S 38/ 19, ZInsO 2022, 91. 2 BGH v. 27.4.2017 – IX ZR 198/16, ZIP 2017, 1336 = ZInsO 2017, 1481. 3 LG Düsseldorf v. 8.4.1976 – 4 O 127/76, DB 1976, 2155 = BB 1977, 1673. 4 OLG München v. 12.7.2005 – W 1447/05, ZInsO 2005, 778. 5 OLG Düsseldorf v. 3.11.1981 – 16 W 46/81, ZIP 1982, 201; BGH v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576 = ZInsO 2006, 320. 6 BGH v. 15.1.1970 – II ZR 154/68, NJW 1970, 810. 7 AG Aurich v. 12.11.2021 – 9 IK 370/16, ZInsO 2022, 480.

166 | Martin Obermüller

G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse | Rz. 1.742 Erster Teil

grundsätzlich der Insolvenzverwalter. Nach Durchführung des Prüfungstermins und Niederlegung der Insolvenztabelle beim Insolvenzgericht kann die Rücknahme der Anmeldung einer Forderung zur Tabelle nur noch gegenüber dem Insolvenzgericht erklärt werden1.

4. Teilnahme der Bank Die angemeldete Forderung wird unabhängig davon, ob der betreffende Gläubiger im Termin anwesend ist oder nicht, geprüft2. Eine Anwesenheit der Bank, die eine Forderung angemeldet hat, ist also nicht erforderlich. Wenn die Bank aber die Anmeldung eines Dritten bestreiten will, muss dies im Prüfungstermin (§ 176 InsO) oder im Fall verspäteter Anmeldung im besonderen Prüfungstermin geschehen, es sei denn, es wird ein schriftliches Prüfungsverfahren angeordnet3. Wenn dagegen ein dritter Gläubiger die Anmeldung der Bank bestreitet, erhält die Bank vom Insolvenzgericht einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle, den sie in einer etwaigen Feststellungsklage zum Nachweis des Bestreitens vorweisen kann. frei

1.730

1.731–1.739

II. Verwertung der Insolvenzmasse Aufgabe des Insolvenzverwalters ist es, mit dem Ziel der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger (Insolvenzzweck)4 das vorhandene Vermögen zu liquidieren. Die Liquidation zieht sich in der Regel über einen größeren Zeitraum hin.

1.740

1. Liquidation Primäre Aufgabe des Verwalters ist die Verwertung der Insolvenzmasse5, mit der er nach dem Berichtstermin sofort beginnen kann, soweit die Beschlüsse der Gläubigerversammlung nicht entgegenstehen (§ 159 InsO). Zu diesem Zweck kann er die Massebestandteile einzeln, in Gruppen oder insgesamt verkaufen. Der Insolvenzverwalter muss sich bemühen, den bestmöglichen Erlös für die Masse zu erzielen6. Dieser kann angesichts der besonderen Umstände eines Verkaufs durch den Insolvenzverwalter (z.B. Zeitdruck, Unsicherheit über Gewährleistung oder Ersatzteillieferungen) durchaus erheblich unter dem Marktwert von Waren dieser Art liegen; eine Differenz von 20 % bezeichnet die Rechtsprechung unter solchen Verhältnissen eher als marginal7.

1.741

Der Insolvenzverwalter selbst sollte keine Massegegenstände erwerben. Denn ein Insolvenzverwalter darf keine Geschäftschance persönlich nutzen, die aufgrund der Umstände des jeweiligen Falls dem von ihm verwalteten Schuldnerunternehmen zuzuordnen ist. Der besonders günstige Eigenerwerb aus dem Vermögen der Schuldner ist mit einer ordentlichen und

1.742

1 OLG Brandenburg v. 13.3.2018 – 3 U 49/16, ZIP 2018, 1308; BGH v. 11.4.2019 – IX ZR 79/18, ZIP 2019, 1024 = ZInsO 2019, 1105; eine Rücknahme gegenüber dem Insolvenzverwalter, der sie nicht weiterleitet, reicht nicht (LG Stuttgart v. 28.1.2020 – 19 T 320/19, ZInsO 2020, 791). 2 Gerhardt in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2010, § 179 Rn. 2; Breutigam in Blersch/Goetsch/ Haas, BK InsO, Stand 2000, § 176 Rn. 11. 3 Breutigam in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2000, § 179 Rn. 3. 4 BGH v. 13.1.1983 – III ZR 88/81, ZIP 1983, 589 m.w.N.; Spickhoff KTS 2000, 15 m.w.N.; Klinck KTS 2019, 1. 5 BGH v. 21.9.2017 – IX ZB 84/16, ZIP 2017, 2018 = ZInsO 2017, 2286 Rn. 15. 6 Piekenbrock/Ludwig WM 2014, 2197. 7 BGH v. 11.7.2000 – 1 StR 93/00, ZIP 2001, 383 = ZInsO 2000, 662.

Martin Obermüller | 167

Erster Teil Rz. 1.742 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

gewissenhaften Insolvenzverwaltung unvereinbar1. Als besonders problematisch ist eine Verwertung auch dann anzusehen, wenn Vermögensgegenstände an einen Insider verkauft werden2.

2. Fortführung des Unternehmens 1.743

Unter Umständen kann auch die Fortführung eines im Insolvenzverfahren befindlichen Betriebs gerechtfertigt sein. Vor der Entscheidung zur Fortführung ist der Verwalter zu einer realistischen Einschätzung der Werthaltigkeit bestehender und künftig zu begründender Masseforderungen verpflichtet3. Welche Überprüfungen der Verwalter im Einzelnen anstellen muss, ist eine Frage des Einzelfalls. Maßstab aller unternehmerischen Entscheidungen des Insolvenzverwalters im Rahmen einer Betriebsfortführung ist der Insolvenzzweck der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger sowie das von den Gläubigern gemeinschaftlich beschlossene Verfahrensziel – Abwicklung des Unternehmens, Veräußerung oder Insolvenzplan – als Mittel der Zweckerreichung4.

1.744

Die Fortführung kann sich empfehlen, um Halbfertigfabrikate oder Bauten fertig zu stellen, die sich dann besser verkaufen lassen5, um Schadensersatzansprüchen Dritter aus nicht erfüllten Verträgen vorzubeugen oder um den Betrieb im Ganzen zu veräußern6. Für eine Bank, der Grundstücke verpfändet oder Maschinen zur Sicherung übereignet sind, ist es im Fall einer Betriebsfortführung in der Regel günstiger, dass der Verwalter mit der Verwertung ihres Sicherungsguts wartet und versucht, ihre Forderungen zunächst aus dem Verkaufserlös der fertig gestellten Waren zu befriedigen. Die Bank muss aber darauf achten, dass ihre Sicherheiten während der Fortführung nicht abschmelzen, was insbesondere bei Sicherungsabtretungen und Sicherungsübereignungen von Umlaufvermögen zu befürchten ist (Einzelheiten s. Rn. 6.370 ff.).

1.745

Wenn die Fortführung des Geschäfts auch im Interesse der Masse liegen kann, so darf sie jedoch niemals Selbstzweck oder Dauerzustand werden oder darauf hinauslaufen, durch jahrelange Fortsetzung des Geschäfts aus den Erträgnissen allmählich die Schulden abzudecken7. Ein solcher Fall kann beispielsweise gegeben sein, wenn die insolvenzbezogene Verwaltung vollständig in den Hintergrund getreten ist und echte unternehmerische Zwecke verfolgt werden, d.h. leitende Entscheidungen nicht vom Insolvenzzweck geprägt, sondern auf einen Gewinn bringenden Überschuss gerichtet sind8. Die Geschäftsfortführung darf vielmehr nur

1 OLG Köln v. 9.8.2017 – 2 U 77/15, ZInsO 2018, 460 im Anschluss an BGH v. 16.3.2017 – IX ZR 253/15, ZIP 2017, 779 = ZInsO 2017, 827 ff. 2 Markwardt NZI 2022, 106. 3 BGH v. 6.10.2011 – IX ZR 105/09, ZInsO 2012, 137. 4 BGH v. 12.3.2020 – IX ZR 125/17, ZIP 2020, 1080 = ZInsO 2020, 1180 mit Anm. Thole = BB 2020, 1359; Harder NJW Spezial 2020, 469; Jungmann NZI 2020, 651. 5 BGH v. 20.12.1976 – II ZR 215/75, WM 1977, 256; BGH v. 5.12.1991 – IX ZR 275/90, ZIP 1992, 120; Kübler ZGR 1982, 498; zur Entscheidung zwischen sofortiger Stilllegung und einstweiliger Unternehmensfortführung vgl. Plate KTS 1981, 325; zur Auswirkung auf Investitionszuschüsse vgl. OVG Koblenz v. 27.10.1982 – 2 A 52/82, ZIP 1983, 94; zu Fortführungsvereinbarungen in Insolvenzverfahren von Automobilzulieferern s. Hill ZInsO 2014, 1513. 6 BGH v. 9.11.1983 – VIII ZR 161/82, WM 1984, 144 = WuB VI B § 117 KO 2.87 – Obermüller. 7 BGH v. 9.11.1983 – VIII ZR 161/82, WM 1984, 144 = WuB VI B § 117 KO 2.87 – Obermüller. 8 BGH v. 30.1.1980 – IV ZR 86/78, ZIP 1980, 851.

168 | Martin Obermüller

G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse | Rz. 1.749 Erster Teil

zeitweilig erfolgen und muss dem Zweck der Abwicklung dienen1. Sie muss stets als Ausnahme gelten und kann in aller Regel nur in Betracht kommen, wenn es um den erfolgversprechenden Versuch eines für die Gläubiger günstigeren Insolvenzplans oder um das Aufarbeiten von Vorräten und um die Ausführung Gewinn bringender vorhandener Aufträge geht2. Hat die Gläubigerversammlung beschlossen, das Geschäft fortzuführen, so hat der Verwalter stets zu prüfen, ob die Fortführung des Geschäfts noch mit dem Insolvenzzweck vereinbar ist. Wenn er eine Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen befürchten muss, die bei einer Fortführung eine Schmälerung der Masse nach sich ziehen kann, so hat er auf eine erneute Beschlussfassung durch die Gläubigerversammlung hinzuwirken3. Werden durch die Fortführung des Geschäfts Masseansprüche begründet, so muss der Insolvenzverwalter darauf achten, dass sie aus der vorhandenen Masse erfüllt werden können und die Rechte anderer Massegläubiger nicht beeinträchtigt werden. Wenn also feststeht, dass der Betrieb nicht einmal mehr den Aufwand aus der Fortführung erwirtschaftet und die aus einer Fortführung erwachsenden Masseverbindlichkeiten nicht zu tilgen sind, so muss der Verwalter zur sofortigen Liquidation schreiten. Bei solchen unternehmerischen Entscheidungen steht dem Insolvenzverwalter ein Ermessensspielraum zu, der aber überschritten ist, wenn die Maßnahme aus der Perspektive ex ante angesichts der mit ihr verbundenen Kosten, Aufwendungen und Risiken im Hinblick auf die Pflicht des Insolvenzverwalters, die Masse zu sichern und zu wahren, nicht mehr vertretbar ist4.

1.746

Verletzt der Insolvenzverwalter diese Pflicht, so macht er sich den geschädigten Gläubigern gegenüber persönlich schadenersatzpflichtig. Für eine Schadenersatzpflicht reicht jedoch allein das Risiko einer Masseunzulänglichkeit nicht aus5. Wenn der Insolvenzverwalter zwar nicht sicher sein kann, aber die Aussicht besteht, die Masseverbindlichkeiten aus der Fortführung zu tilgen, so kann dem Insolvenzverwalter das Risiko des Scheiterns seines Plans in der Regel nicht aufgebürdet werden. Denn dieses Risiko ist auch für die Massegläubiger zu erkennen; ihnen obliegt es, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.

1.747

Das Gleiche gilt für die Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses.

1.748

3. Betriebsveräußerung und übertragende Sanierung Der Insolvenzverwalter kann den Betrieb mit Zustimmung des Gläubigerausschusses (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO) auch im Ganzen veräußern6. Eine Veräußerung des gesamten Betriebs

1 OLG Koblenz v. 16.2.1956 – 5 U 606/54, KTS 1956, 61; LG Wuppertal v. 29.9.1957 – 6 T 514 und 578/57, KTS 1958, 45. 2 BGH v. 10.4.1979 – VI ZR 77/77 – WM 1979, 942; Merz WM 1983, 106. 3 Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl. 1973, § 129 Anm. 9a. 4 BGH v. 12.3.2020 – IX ZR 125/17, ZIP 2020, 1080 = ZInsO 2020, 1180. 5 BGH v. 4.12.1986 – IX ZR 47/86, ZIP 1987, 115 = WM 1987, 144 = WuB VI B § 117 KO 2.87 – Obermüller – unter Aufgabe von BGH v. 10.4.1979 – VI ZR 77/77, WM 1979, 942. 6 Vgl. dazu Kübler ZGR 1982, 498; van Betteray/Gass BB 2004, 2309; Fröhlich/Köchling ZInsO 2005, 1121; Decker/Schäfer BB 2015, 198; zur Gewährleistung s. Kluth ZInsO 2002, 1115; Darstellung der Vor- und Nachteile aus Käufersicht bei Vallender GmbHR 2004, 543, 642 und Bromm ZRP 2010, 79; zur Veräußerung im Antragsverfahren s. BGH v. 12.1.2006 – IX ZB 127/04, ZInsO 2006, 257; zum Unternehmenskauf im Vorfeld der Verkäuferinsolvenz s. Wessels ZIP 2004, 1237; zur Wirkung der Firmenfortführung s. BGH v. 28.11.2005 – II ZR 355/03, WM 2006, 434; zur „Deal Protection“ s. Krüger/Kaufmann ZIP 2009, 1095; zur Bestimmung des Unternehmenswerts

Martin Obermüller | 169

1.749

Erster Teil Rz. 1.749 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

dient in der Regel nicht seiner Liquidation, sondern der sog. übertragenden Sanierung1. Dabei geht es anders als bei der operativen Sanierung schlicht um die „lastenfreie“ Veräußerung des vom insolventen Unternehmensträger getrennten Unternehmens im Wege des AssetDeals, d.h. einzelne Vermögenswerte werden als Funktionseinheit nicht Stück für Stück, sondern im „Paket“ an einen anderen Unternehmensträger veräußert, von dem man dann erhofft, dass er ggfls. notwendige Sanierungsmaßnahmen ergreifen und umsetzen wird2.

1.750

Für den Insolvenzverwalter einer Bank kann auch eine Veräußerung des Kreditportfolios (s. Rn. 6.2260) nützlich sein, um eine langwierige Abwicklung langlaufender Kreditverhältnisse zu vermeiden3.

1.751–1.759

frei

III. Verteilung der Insolvenzmasse 1.760

Nach dem allgemeinen Prüfungstermin kann – sooft aus der Liquidierung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens des Schuldners hinreichende Barmittel vorhanden sind – der Erlös ggf. durch Abschlagszahlungen4 nach einer im Gesetz geregelten Rangordnung unter die Gläubiger verteilt werden (§ 187 InsO). Den Gerichten ist es folglich verwehrt, Änderungen der Bestimmungen der §§ 208 ff. InsO durch Analogien vorzunehmen, Zwischenränge zu schaffen und auf diese Weise in die vom Gesetzgeber geschaffene Rangordnung einzugreifen5. Das Gesetz unterscheidet zwischen Absonderungsberechtigten (§§ 50 ff. InsO), Massegläubigern (§ 53 InsO), Insolvenzgläubigern (§ 38 InsO) und nachrangigen Insolvenzgläubigern (§ 39 InsO) und trifft Sonderregelungen für den Sozialplan. Verbleibt danach noch ein Überschuss, so ist er dem Schuldner herauszugeben bzw. – wenn der Schuldner eine juristische Person ist – unter den Anteilseignern zu verteilen (§ 199 InsO). Die Vorgehensweise ist unterschiedlich je nachdem, ob das Insolvenzverfahren zu Ende geführt oder vorzeitig mangels Masse eingestellt wird.

1. Verteilung bei Abwicklung des Verfahrens 1.761

Vor der Verteilung hat der Insolvenzverwalter ein Verzeichnis der Forderungen aufzustellen, die bei der Verteilung zu berücksichtigen sind. Er sollte schon aus haftungsrechtlichen Gründen vor der Aufstellung eines Verteilungsverzeichnisses einen Abgleich mit der Insolvenztabelle durchführen6. Das Verzeichnis ist auf der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten

1

2 3 4 5 6

s. OLG Düsseldorf v. 19.3.2013 – I-3 W 286/11, ZInsO 2013, 1706; Fegelein/Ludes ZInsO 2009, 1890; zur eingeschränkten Erwerberhaftung s. Niklas/Mäurer ZInsO 2022, 1950. Zipperer NZI 2008, 206; Köchling ZInsO 2009, 641; Schmerbach/Staufenbiel ZInsO 2009, 458; Einzelheiten s. Arends/Hofer-von Weiss BB 2009, 1538; Mückl/Götte ZInsO 2021, 418; Noack/ Bunke KTS 2005, 129; Uhlenbruck FS Haarmeyer 2013, 301; zu gesellschaftsrechtlichen Anforderungen s. BGH v. 18.2.2008 – II ZR 132/06, WM 2008, 784; zu den Hindernissen für eine übertragende Sanierung durch rechtsträgerspezifische Berechtigungen s. Bitter/Laspeyres ZIP 2010, 1157; zu den Auswirkungen der Finanzmarktkrise 2008 auf die übertragende Sanierung s. Fröhlich/Sittel ZInsO 2009, 858; Priebe ZInsO 2011, 467. Haarmeyer ZInsO 2020, 7. Pannen ZInsO 2009, 596. Zu den Voraussetzungen im Einzelnen s. Grub/Hohmann, InsbürO 2022, 114. BAG v. 25.8.2022 – 6 AZR 441/21, ZIP 2022, 2447. AG Düsseldorf v. 3.6.2020 – 502 IN 223/13, ZIP 2020, 1768 = ZInsO 2020, 1545.

170 | Martin Obermüller

G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse | Rz. 1.766 Erster Teil

niederzulegen. Der Bank ist zu empfehlen, ihr Einsichtsrecht wahrzunehmen, da Fehler nie auszuschließen sind. a) Absonderungsrechte Unabhängig von den Verteilungsgrundsätzen der Insolvenzordnung hat der Verwalter, der zur Sicherung übereignete Sachen veräußert oder zur Sicherung abgetretene Forderungen eingezogen hat (§§ 166 ff. InsO), den Erlös unverzüglich nach der Verwertung unter Abzug der Kostenbeiträge (§ 171 InsO) (Einzelheiten s. Rn. 6.1164 f.) an den gesicherten Gläubiger auszuzahlen. Mit dem Ausfall sind die Absonderungsberechtigten Insolvenzgläubiger (§ 52 InsO)1.

1.762

Soweit der Gläubiger selbst zur Verwertung der Sicherheit berechtigt ist wie z.B. bei Mobiliarund Immobiliarpfandrechten, hat er dem Verwalter nachzuweisen, dass und für welchen Betrag er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet oder bei ihr ausgefallen ist (§ 190 Abs. 1 InsO). Anderenfalls wird er bei der Verteilung im Hinblick auf seinen Ausfall nicht berücksichtigt.

1.763

b) Massegläubiger Aus der danach verbleibenden Insolvenzmasse sind vorweg die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseschulden zu befriedigen (§ 53 InsO).

1.764

Massekosten sind die Gerichtskosten, die Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse, also auch die Vergütung des vorläufigen und endgültigen Verwalters und des Gläubigerausschusses (§ 54 InsO). Dazu gehört auch die Rückzahlung eines von Dritten geleisteten Kostenvorschusses (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO)2.

1.765

Masseschulden sind3

1.766

– die Ansprüche, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in sonstiger Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden sind, ohne zu den Massekosten zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Zu diesen Masseschulden gehören z.B. Ansprüche der Vertragspartner aus den vom Insolvenzverwalter getätigten Verwertungsverkäufen, aus den von ihm aufgenommenen Darlehen und das Nutzungsentgelt für von ihm weiter verwandtes Sicherungsgut (Einzelheiten s. Rn. 6.1142). – Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung zur Insolvenzmasse gemäß § 103 InsO verlangt wird oder für die Zeit nach Eröffnung des Verfahrens erfolgen muss (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Dazu zählen beispielsweise die Ansprüche aus Leasingverträgen, für deren Erfüllung sich der Insolvenzverwalter entschieden hat (Einzelheiten s. Rn. 7.90 ff.). – Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Dazu zählen z.B. Bereicherungsansprüche der Bank, die darauf zurückzuführen sind, dass der Insolvenzverwalter Zahlungen auf ein von der Bank versehentlich ermitteltes Guthaben entgegengenommen hat (Einzelheiten s. Rn. 2.19). – Ansprüche, die durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, verursacht worden sind (§ 55 1 OLG Köln v. 3.3.2000 – 2 W 31/00, NZI 2000, 33. 2 Deppe InsbürO 2017, 367. 3 S. auch Überblick bei Onusseit ZInsO 2022, 1772.

Martin Obermüller | 171

Erster Teil Rz. 1.766 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Abs. 2 Satz 1 InsO). Dazu gehören beispielsweise Forderungen aus Krediten, die von einemim Antragsverfahren vom Insolvenzgericht zum Eingehen bestimmter Verpflichtungen besonders ermächtigten vorläufigen Verwalter begründet worden sind1. – Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO). – Ansprüche der Arbeitnehmer aus nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers aufgestellten Sozialplänen, die nicht mehr als ein Drittel der für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger vorhandenen Masse ausschöpfen und keine höheren Leistungen als zweieinhalb Monatsverdienste umfassen (§ 123 Abs. 2 InsO).

1.767

Diese Rangfolge ist gesetzlich vorgegeben. Ob ein Massegläubiger durch freiwilligen Rücktritt in den Rang eines Insolvenzgläubigers die Rangfolge ändern kann, ist umstritten2. Bereits bestehende Ansprüche von Gläubigern können nicht nachträglich zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet werden, da eine rückwirkende Anordnung der Entstehung von Masseverbindlichkeiten nicht möglich ist3. c) Insolvenzgläubiger

1.768

Nach Abdeckung der unter Rn. 1.764 ff. aufgeführten Forderungen werden die Insolvenzgläubiger befriedigt, d.h. diejenigen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). In diesen Rang gehören beispielsweise ungesicherte Forderungen aus Krediten, Anleihen und Schuldscheindarlehen. Später hinzutretende Gläubiger werden aus der Masse nicht bedient, obwohl Neuerwerb des Schuldners zur Masse gezogen wird (§ 35 Abs. 1 InsO). Eine Rangordnung unter den Insolvenzgläubigern gibt es nicht.

1.769

Die Zahlungen sind nicht in der Rangfolge des § 367 BGB, also zunächst auf Kosten, dann auf Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung, sondern jeweils quotal zu verteilen4. Bedeutung hat diese Regelung vor allem bei Bankinsolvenzen. Soweit nämlich eine Quote auf die Zinsen gezahlt wird, ist sie der Kapitalertragsteuer unterworfen. Dies lässt sich nicht durch Absprachen zwischen dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern, dass die Zahlungen zunächst auf die Hauptforderung und die Kosten geleistet werden, verhindern. Wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt, so liegt darin eine missbräuchliche Umgehung nach § 42 AO.

1 BGH v. 4.12.2014 – IX ZR 166/14, ZInsO 2015, 261. 2 Bejahend Smid ZInsO 2017, 1121, verneinend LG Neuruppin v. 3.5.2018 – 1 O 74/17, ZInsO 2018, 2365. 3 AG Köln v. 12.10.2018 – 74 IN 196/18, ZIP 2018, 2234 = ZInsO 2018, 160. 4 BGH v. 12.2.1985 – VI ZR 68/83, ZIP 1985, 488.

172 | Martin Obermüller

G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse | Rz. 1.774 Erster Teil

Für die danach verbleibenden Forderungen1 erhalten die Gläubiger einen Auszug aus der Tabelle, aus dem sie wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner weiter betreiben können, falls sich Vermögen findet (§ 201 InsO)2. Der Verweis auf die zur Tabelle festgestellten Forderungen reicht auch zum Nachweis der Höhe der Verbindlichkeiten, für die ein Kommanditist nach §§ 171, 172 HGB haftet, zum Zweck seiner persönlichen Inanspruchnahme3.

1.770

d) Nachrangige Insolvenzgläubiger Im Rang nach den unter Rn. 1.761–1.770 genannten Forderungen, d.h. bei einer Quote von 100 % für die einfachen Insolvenzgläubiger, werden die nachrangigen Gläubiger bedient4. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Gläubiger von Zinsen und Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 InsO)5 sowie um Forderungen, für die ausdrücklich ein Nachrang vereinbart ist (§ 39 Abs. 1 InsO).

1.771

Werden Forderungen aus Anleihen, die nicht als Nachranganleihen ausgestattet sind, von einem gemeinsamen Vertreter angemeldet, kann der Insolvenzverwalter oft nicht auf den ersten Blick unterscheiden, ob sich unter den Gläubigern solche befinden, die zu den Gesellschaftern des Emittenten oder einem gesellschafternahen Kreis gehören und deshalb kraft Gesetzes (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) in den Nachrang versetzt werden könnten. Insoweit trifft den Insolvenzverwalter eine Nachforschungspflicht, der er durch Abgleichen einer Liste der Gesellschafter mit dem Verzeichnis der Anleihegläubiger nachkommen kann6.

1.772

e) Anteilseigner Verbleibt nach der Verteilung an die Gläubiger noch ein Überschuss, so ist er dem Schuldner herauszugeben bzw. – wenn der Schuldner eine juristische Person ist – unter den Anteilseignern zu verteilen (§ 199 InsO).

1.773

Für Ansprüche aus Prospekthaftung ist zwischen gewöhnlichen (Dritt-)Insolvenzforderungen und dem mitgliedschaftlichen Bereich des § 199 InsO zu unterscheiden7. Als Anspruchsgrundlagen für Aktionäre wegen Fehlinformationen des Kapitalmarkts kommen insbesondere §§ 97, 98 WpHG wegen unterlassener oder fehlerhafter Veröffentlichung von Insiderinformationen sowie aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung in Betracht8. Soweit sie sich auf die Emission von Anleihen beziehen, werden sie

1.774

1 Zum steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG wegen Ausfalls einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre s. BFH v. 24.10.2017 – VIII R 13/15, ZIP 2018, 738. 2 Zur Rechtskraftwirkung der Tabelle s. Schack FS Smid 2022, 297. 3 BGH v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, ZIP 2018, 640 = ZInsO 2018, 870 mit Anm. Veil ZInsO 2018, 696; Werner ZInsO 2018, 2117. 4 Zur Hemmung und Verjährung nachrangiger Forderungen s. OLG Celle v. 30.8.2022 – 16 U 358/ 22, ZIP 2022, 2239 = ZInsO 2022, 2403. 5 Einschließlich deren Anspruch aus betrieblicher Altersvorsorge (LG Düsseldorf v. 23.8.2019 – 20 S 16/19, ZIP 2019, 1927). 6 Einzelheiten s. Schultz ZIP 2021, 2110. 7 Einzelheiten s. Ganter WM 2021, 763., insbesondere zur Konkurrenz zwischen Gläubigerschutz und Anlegerschutz; s. zu kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzansprüche auch Becker NZI 2022, 319. 8 Thole ZIP 2020, 2533.

Martin Obermüller | 173

Erster Teil Rz. 1.774 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

allgemein als Insolvenzforderungen angesehen1. Auch Schadensersatzansprüche aus Aktienemissionen sind dem zum Eigenkapitaltitel „Aktie“ zugehörigen Verlustrisiko zuzuordnen2. Sie gehören nicht zu den gewöhnlichen Drittgeschäften, sondern sind, wenngleich verselbstständigt, mit der Mitgliedschaft verbundene Gläubigerrechte3. Wenn es um Streitigkeiten der Aktionäre gegen die Gesellschaft geht, die aus dem Erwerb, dem Halten oder der Aufgabe der Beteiligung des Aktionärs abgeleitet werden, ist an die gesellschaftsrechtliche Bindung anzuknüpfen4. Bei einer Insolvenz ginge eine Einordnung der Schadenersatzansprüche der Aktionäre als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO zu Lasten der anderen Gläubiger der Gesellschaft. Dies ist mit den maßgeblichen Grundwerten des Insolvenzrechts nicht vereinbar5. f) Sonderinsolvenzrecht der Kreditinstitute

1.775

Für die in den Anwendungsbereich des Sonderinsolvenzrechts der CRR – Kreditinstitute i.S.v. § 1 Abs. 3d KWG fallenden Insolvenzverfahren sieht § 46f Abs. 4–7a KWG bestimmte Modifikationen der allgemeinen Rangfolge nach der InsO vor und unterteilt die Gruppe der einfachen Insolvenzgläubiger in vier Klassen zu unterteilen. Als erste Klasse der einfachen Insolvenzgläubiger werden Forderungen aus gedeckten Einlagen sowie Forderungen aus Einlagen, die aufgrund der Erfüllung eines Entschädigungsanspruchs nach § 16 EinSiG auf ein Einlagensicherungssystem übergegangen sind, befriedigt (§ 46f Abs. 4 Nr. 1 KWG). Zur zweiten Klasse gehören sodann Forderungen von natürlichen Personen, Kleinstunternehmen und kleinen und mittleren Unternehmen aus entschädigungsfähigen Einlagen (§ 46f Abs. 4 Nr. 2 KWG). Diesen folgen in der dritten Klasse Forderungen einfacher Insolvenzgläubiger einschließlich Forderungen anderer als der zur zweiten Klasse gehörenden Personen und Unternehmen (Nicht-KMU) aus entschädigungsfähigen Einlagen (§ 38 InsO). Als vierte Klasse der einfachen Insolvenzgläubiger – also noch vor den nachrangigen Insolvenzgläubigern – folgen schließlich Forderungen, die Schuldtitel i.S.d. § 46f Abs. 6 KWG sind (§ 46f Abs. 5 KWG).

2. Verteilung bei Einstellung des Verfahrens 1.776

Reicht die Insolvenzmasse nicht einmal zur Deckung der Verfahrenskosten aus, so wird das Verfahren eingestellt; etwa vorhandene Barmittel werden auf die Verfahrenskosten verteilt (§ 207 InsO).

1.777

Wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, jedoch die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 InsO), liegt Masseunzulänglichkeit vor. Dies hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht

1 Gundlach/Frenzel/Schmidt ZInsO 2006, 1316; ebenso für Forderungen der Genussrechtsgläubiger selbst im Fall einer Unwirksamkeit der Nachrangvereinbarung: OLG Dresden v. 12.4.2017 – 13 U 917/16, ZIP 2017, 1819; differenzierend BGH v. 19.5.2022 – IX ZR 67/21, ZIP 2022, 1932 = ZInsO 2022, 1911. 2 LG München I v. 23.11.2022 – 29 O 7754/21, ZIP 2022, 2505; Langenbucher ZIP 2005, 239; Thole ZIP 2020, 2533; Hopt WM 2013, 101; Möllers BB 2005, 1637; Baums ZHR 167 (2003), 139, 170; a.A. Becker NZI 2021, 302 m.w.N.; Bitter/Jochum ZIP 2021, 653. 3 Thole ZIP 2020, 2533. 4 LG München I v. 13.4.2006 – 5 HK O 4326/05, ZIP 2006, 1320 (LS) = MittBayNot 2007, 142, 146. 5 LG München I v. 23.11.2022 – 29 O 7754/21, ZIP 2022, 2505 mit Kritk von Bitter/Jochum ZIP 2023, 277.

174 | Martin Obermüller

G. Erfassung der Gläubiger und Verwertung der Masse | Rz. 1.781 Erster Teil

anzuzeigen. Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich bekannt zu machen (§ 208 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Anzeige der Massearmut ist den Massegläubigern besonders zuzustellen (§ 208 Abs. 2 Satz 2 InsO)1. Der Insolvenzverwalter bleibt weiterhin verpflichtet, die Insolvenzmasse zu verwalten und zu verwerten (§ 208 Abs. 3 InsO), jedoch ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, also auch wegen etwaiger Kredite an den Verwalter, unzulässig (§ 210 InsO). Daraus ergeben sich, solange der Insolvenzverwalter im Amt bleibt, für die Inhaber von Kreditsicherheiten keine zwangsläufigen Änderungen gegenüber dem normalen Verfahren.

1.778

Die Masseverbindlichkeiten sind nach folgender Rangordnung zu berichtigen2, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:

1.779

– die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO) – die Masseverbindlichkeiten, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Verfahrenskosten zu gehören (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Dazu gehören auch die Verbindlichkeiten aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gewählt hat, sowie aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit hätte kündigen können, und die Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Die Anzeige erneuter Masseunzulänglichkeit führt nicht zu einer abgestuften Rangfolge zwischen Alt- Massegläubigern und Neu-Massegläubigern3 – die übrigen Masseverbindlichkeiten und unter diesen zuletzt der nach §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 InsO bewilligte Unterhalt (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO).

3. Verteilung bei Insolvenzplanverfahren Ein Insolvenzplan kann zwar nicht in die Vorschriften über die Feststellung der Forderungen der Insolvenzgläubiger eingreifen4. Abbedungen werden können aber die Vorschriften über die Verteilung (§ 217 InsO)5. Sie können durch den Insolvenzplan modifiziert werden.

1.780

4. Nachtragsverteilung Wird das Insolvenzverfahren nach der Schlussverteilung aufgehoben (§ 200 Abs. 1 InsO), kann auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen eine Nachtragsverteilung für die Fälle angeordnet werden, dass zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden, Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder Gegenstände der Masse ermittelt werden (§ 203 Abs. 1 und 2 InsO). Dann bleibt der Insolvenzverwalter ausnahmsweise befugt, anhängige Prozesse fortzusetzen und neue einzulei-

1 Zur Hemmung der Verjährung durch Aufnahme in die Masseschuldliste s. OLG Düsseldorf v. 25.4.2017 – I-24 U 104/16, ZIP 2017, 2416 = ZInsO 2017, 2164. 2 Einzelheiten s. Smid WM 1998, 1313. 3 LAG Düsseldorf v. 29.4.2021 – 5 Sa 517/20, ZInsO 2022, 25. 4 BGH v. 5.2.2009 – IX ZB 230/07, ZIP 2009, 480 = ZInsO 2009, 478 Rn. 25 f. 5 BGH v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, ZIP 2010, 1499 = ZInsO 2010, 1448.

Martin Obermüller | 175

1.781

Erster Teil Rz. 1.781 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

ten, mit denen die der Nachtragsverteilung vorbehaltenen Masseaktiva realisiert werden sollen1. Denn mit der Anordnung der Nachtragsverteilung tritt eine erneute Insolvenzbeschlagnahme ein2.

1.782–1.799

frei

H. Eigenverwaltungsverfahren 1.800

Das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung dient in besonders intensiver Weise der Sanierung3. Es ist von dem Gedanken getragen, dass es unter bestimmten Voraussetzungen durchaus sinnvoll sein kann, dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das haftende Vermögen grundsätzlich zu belassen und ihn nur der Aufsicht eines Sachwalters zu unterstellen, mit dem er die Verfahrensabwicklung abzustimmen hat4.

1.801

Die Eigenverwaltung kann im regulären Insolvenzverfahren und im Insolvenzplanverfahren (§ 284 InsO) unabhängig von der Größe des schuldnerischen Unternehmens, nicht jedoch im Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 270 Abs. 2 InsO) angeordnet werden. Ziel eines Eigenverwaltungsverfahrens ist grundsätzlich die Sanierung über einen Insolvenzplan; eine Liquidation unter Insolvenzschutz ist zwar möglich, aber eine absolute Ausnahme5. Durch die Neufassung der Vorschriften zur Eigenverwaltung durch das SanInsFoG soll einerseits dem Schuldner eine rechts- und planungssichere Option für den Zugang zur Eigenverwaltung geschaffen werden, andererseits soll ein solcher Zugang jedoch nur möglich sein, sofern die Annahme gerechtfertigt ist, dass die beantragte Eigenverwaltung an den Interessen der Gläubigerschaft ausgerichtet werden wird6.

I. Antragsalternativen 1.802

Das Eigenverwaltungsverfahren kann auf dem Weg über ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren nach § 270b InsO oder über ein Schutzschirmverfahren nach § 270d InsO eingeleitet werden7. Den Antrag kann nur der Schuldner stellen8. Zwischen den beiden Verfahrensarten hat der Schuldner die Wahl, solange ihm die Zahlungsunfähigkeit lediglich droht, aber noch nicht eingetreten ist. Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ist ihm das Schutzschirmverfahren verschlossen.

1 BFH v. 16.12.2021 – VI R 41/18, ZIP 2022, 851 = ZInsO 2022, 673 Rn. 16. 2 vgl. BFH v. 23.9.2020 – XI R 1/19, BFHE 271, 1 = ZIP 2021, 1561; BFH v. 20.9.2016 – VII R 10/ 15, Rn. 15 f.; BFH v. 26.2.2014 – I R 12/14, ZIP 2014, 2260, Rn. 14; BFH v. 26.2.2014 – I R 59/12, BFHE 246, 27 Rn. 9. 3 OLG Düsseldorf v. 19.7.2021 – I-3 Wx 152/20, ZInsO 2022, 152. 4 Haas in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 84 Rn. 2. 5 Buchalik/Stahlschmidt, Sanieren unter Insolvenzschutz statt Liquidieren durch Insolvenz, 4. Aufl. 2021, S. 31. 6 Fiebig in Hamburger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2021, § 270 Rn. 6. 7 Buchalik/Stahlschmidt, Sanieren unter Insolvenzschutz statt Liquidieren durch Insolvenz, 4. Aufl. 2021, S. 28. 8 Kritisch zum Ausschluss des Antragsrechts von Gläubigern Wohlleben FS Smid 2022, 351.

176 | Martin Obermüller

H. Eigenverwaltungsverfahren | Rz. 1.807 Erster Teil

II. Vorläufige Eigenverwaltung Das Insolvenzgericht kann dem Insolvenzverfahren eine vorläufige Eigenverwaltung vorschalten1 oder unmittelbar das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnen. Letzteres ist die Ausnahme.

1.803

1. Form des Antrags Der Antrag auf Eigenverwaltung muss zunächst die Formerfordernisse des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO, die unter Rn. 1.231 ff. dargestellt wurden, erfüllen. Zusätzlich muss er eine Eigenverwaltungsplanung enthalten, mit welcher der Schuldner ein auf die Krisenursachen und Krisenerscheinungen rückführbares Konzept für die Bewältigung der Insolvenz bzw. Durchführung des Insolvenzverfahrens vorlegt und darlegt hat, wie die Unternehmensfortführung in den nächsten sechs Monaten gewährleistet und finanziert werden kann2. Auch muss die Planung Darlegungen zu den Kostenimplikationen der Eigenverwaltung im Vergleich zum Regelverfahren enthalten. Dem Antrag sind u.a. Erklärungen zum Zahlungsverhalten gegenüber bestimmten Gläubigern, zur Einhaltung handelsrechtlicher Offenlegungspflichten und zu früheren Inanspruchnahmen von sanierungsrechtlichen Verfahrenshilfen einschließlich derjenigen des in Eigenverwaltung geführten Insolvenzverfahrens beizufügen. Die Einzelheiten sind in § 270a InsO aufgelistet.

1.804

2. Voraussetzungen für die Anordnung Eine Eigenverwaltung ist anzuordnen, wenn bestimmte sachliche und verfahrenstechnische Voraussetzungen erfüllt sind3.

1.805

a) Sachliche Voraussetzungen

1.806

Eine Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung setzt voraus, dass – die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist4 und – keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Planung in wesentlichen Punkten auf falschen Tatsachenangaben beruht, dass wesentliche Zahlungsrückstände gegenüber bestimmten Gläubigern bestehen, dass der Schuldner seinen handelsrechtlichen Offenlegungspflichten für die letzten drei Geschäftsjahre nicht nachgekommen ist, er in den letzten drei Jahren bereits Verfahrenshilfen nach dem Unternehmensstabilisierungsund -restrukturierungsgesetz oder nach der InsO in Anspruch genommen hat oder Kostenerwägungen gegen die Anordnung sprechen (§ 270b Abs. 1 InsO). § 270b Abs. 1 InsO fordert anders als die bis zum Inkrafttreten des SanInsFoG gültige Regelung des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO a.F. nicht mehr, dass keine Umstände bekannt sein dürfen, die erwarten lassen, dass die Anordnung einer Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Aber auch ohne dieses ausdrückliche Gebot sollte die Bewilligung der Eigenverwaltung von vornherein ausscheiden, wenn der Schuldner seine arbeits- und handelsrechtlichen Pflichten nicht vollständig erfüllt hat, Steuerrückstände bestehen oder Sozialversiche1 2 3 4

Zu steuerrechtlichen Fragen in der vorläufigen Eigenverwaltung s. Bernsau BB 2019, 2393. RegE SanInsFoG Teil B zu Art. 5 Nr. 36. Weiterführend Sämisch ZInsO 2022, 438. Zu den Anforderungen s. Oberg/Steffan ZInsO 2023, 26.

Martin Obermüller | 177

1.807

Erster Teil Rz. 1.807 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

rungsbeiträge nicht abgeführt sind. Ein Schuldner, der die Schwelle zur Nichterfüllung gesetzlicher Unternehmerpflichten bereits überschritten hat, hat seine Unfähigkeit, ein Unternehmen zu führen, unter Beweis gestellt. Er sollte sich nicht unter den Schutzschirm des Eigenverwaltungsverfahrens stellen dürfen, um so seine Gläubigerschädigung u.U. weiter fortsetzen zu können1. Ist bereits bekannt oder den Umständen nach aus einer Gesamtwürdigung aller bekannten Informationen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Anordnung der Eigenverwaltung die Sanierungschancen für das Unternehmen beeinträchtigt, etwa weil Lieferanten, Waren- und/oder Geldkreditgeber offenkundig nicht bereit sein werden, sich unter der bisherigen Führung an einer kooperativen Sanierung zu beteiligen und einen Sanerungsbeitrag zu leisten oder auch nur die Belieferung aufrecht zu erhalten, so resultieren hieraus Nachteile im Sinne des Gesetzes, die der Anordnung der Eigenverwaltung entgegenstehen2.

1.808

Die Fortführung des Geschäftsbetriebs ist dagegen keine zwingende Voraussetzung der Eigenverwaltung3; allerdings greift ein wesentliches Argument für die Anordnung einer Eigenverwaltung, nämlich die Erhaltung unternehmerischen Wissens, der Kenntnisse und Erfahrungen der Geschäftsleitung4, im Fall einer Liquidation nicht im gleichen Maße wie bei einer Fortführung. Ziel eines Eigenverwaltungsverfahrens ist daher grundsätzlich die Sanierung über einen Insolvenzplan; eine Liquidation unter Insolvenzschutz ist zwar möglich, aber eine absolute Ausnahme5.

1.809

frei b) Verfahrenstechnische Voraussetzungen

1.810

Auf die Entscheidung des Insolvenzgerichts haben die Gläubiger keinen unmittelbaren Einfluss. Wenn aber bereits ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist, muss ihm das Insolvenzgericht Gelegenheit zur Äußerung zu geben. An einen die vorläufige Eigenverwaltung unterstützenden einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses ist das Gericht gebunden. Stimmt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig gegen die vorläufige Eigenverwaltung, unterbleibt die Anordnung (§ 270b Abs. 3 Satz 3, 4 InsO); auf die Tragfähigkeit der Begründung kommt es nicht an6. Erzielt der Gläubigerausschuss keine Einstimmigkeit, kann das Insolvenzgericht allein entscheiden, sollte aber die gewechselten Argumente des Gläubigerausschusses in seine Überlegungen einbeziehen. aa) Entscheidung für die vorläufige Eigenverwaltung

1.811

Wenn das Insolvenzgericht dem Antrag auf Eigenverwaltung stattgibt, bestellt es einen vorläufigen Sachwalter (§ 270b Abs. 1 InsO). Während der Dauer der vorläufigen Eigenverwaltung sind vorläufige Maßnahmen zweckmäßig oder notwendig. Deshalb kann das Gericht alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Verände1 Pape ZInsO 2018, 2725. 2 Hölzle ZIP 2012, 158. 3 Wehdeking in Smid/Rattunde/Zeuner, InsO, 4. Aufl. 2019, § 270 Rn. 23; Reus/Höfer/Harig NZI 2019, 57. 4 Spliedt/Fridgen in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2013, § 270 Rn. 4. 5 Buchalik/Stahlschmidt, Sanieren unter Insolvenzschutz statt Liquidieren durch Insolvenz, 4. Aufl. 2021, S. 31. 6 LG Halle v. 14.11.2014 – 3 T 86/14, ZIP 2014, 2355.

178 | Martin Obermüller

H. Eigenverwaltungsverfahren | Rz. 1.815 Erster Teil

rungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO) (Einzelheiten s. Rn. 1.813 ff.). bb) Entscheidung gegen die vorläufige Eigenverwaltung Wenn dem Antrag auf Eigenverwaltung nicht stattgegeben wird, ist grundsätzlich der Insolvenzantrag weiter zu behandeln. Nur wenn der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt hat und das Gericht die Voraussetzungen der Eigenverwaltung als nicht gegeben ansieht, hat es seine Bedenken dem Schuldner mitzuteilen und diesem Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückzunehmen (§ 270c Abs. 5 InsO).

1.812

Eine Eigenverwaltung, die im Antragsverfahren abgelehnt wurde, kann im eröffneten Verfahren durch die erste Gläubigerversammlung hergestellt werden (§§ 271, 76 Abs. 2 InsO). Wenn ein solcher Antrag die Kopf- und Summenmehrheit erreicht, muss das Gericht die Eigenverwaltung anordnen. Mit der Wiedereinführung einer Kopfmehrheit meint der Gesetzgeber dem Interesse der Gläubigergesamtheit besser Rechnung zu tragen1. Das bisherige Mehrheitserfordernis der §§ 271 und 272 InsO sei mit der Gefahr verbunden, dass die Eigenverwaltung durch wenige Großgläubiger oder eine geschickt agierende Kleingläubigergruppe2 beherrscht werde.

1.813

3. Durchführung der vorläufigen Eigenverwaltung Wenn das Insolvenzgericht die vorläufige Eigenverwaltung anordnet, ist dies mit der Einsetzung eines vorläufigen Sachwalters zu verbinden. Dies führt schon im Antragsverfahren zu folgenden Beschränkungen:

1.814

– Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll der Schuldner nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen (§ 275 Abs. 1 Satz 1 InsO), – Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll der Schuldner nicht eingehen, wenn der Sachwalter widerspricht (§ 275 Abs. 1 Satz 2 InsO). – Der Sachwalter hat das Recht zur Führung der Kasse; er kann verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur von ihm entgegengenommen und Zahlungen auch nur von ihm vorgenommen werden (§ 270b Abs. 1 Satz 1, § 275 Abs. 2 InsO)3. Zur Unterstützung des Schuldnerunternehmens kann das Insolvenzgericht vorläufige Maßnahmen nach § 21 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1a, 3 bis 5 InsO anordnen (§ 270c Abs. 3 Satz 1 InsO), also – einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen,

1 Begründung zum RegE ESUG BT-Drucks. 17/5712 Teil B zu Nr. 44 Abs. 3. 2 Zur Aufteilung in mehrere Kleingläubigergruppen s. LG Neuruppin v. 19.4.2013 – 2 T 33/13, ZIP 2013, 1541 = ZInsO 2013, 1040. 3 Von diesem Recht sollte der Sachwalter nur sehr zurückhaltend Gebrauch machen, um zu vermeiden, dass dadurch im Geschäftsverkehr Zweifel an der Zuverlässigkeit des Schuldners aufkommen (Buchalik, Sanieren statt Liquidieren, 2015, Nr. 8.4 S. 60); weiterführend Undritz/Schur ZIP 2016, 549.

Martin Obermüller | 179

1.815

Erster Teil Rz. 1.815 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

– Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind, – eine vorläufige Postsperre verhängen, – untersagen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 166 InsO erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen, und gestatten, dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können (Einzelheiten s. Rn. 6.1683 ff., 6.1771 ff.).

1.816

Da es sich bei § 270c Abs. 3 Satz 1 InsO jedoch nur um eine Kannvorschrift handelt, kann das Gericht aus triftigen Gründen auch weitere Beschränkungen anordnen1 und z.B. einen Zustimmungsvorbehalt für bestimmte Zahlungen verfügen2. Ohne derartige zusätzliche Maßnahmen hat etwaiger Widerspruch des Sachwalters keine Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners zur Folge3.

1.817

Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet (§ 270c Abs. 4 Satz 1 InsO). Das Insolvenzgericht kann den Schuldner ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Die Ermächtigung beschränkt sich grundsätzlich auf Verbindlichkeiten, deren Eingehung im Finanzplan vorgesehen ist; für darüber hinausgehende Verpflichtungen muss der Schuldner eine besondere Begründung liefern.

1.818

Ordnet das Gericht wegen behebbarer Mängel in der Eigenverwaltungsplanung die vorläufige Eigenverwaltung nur einstweilen an (§ 270b Abs. 1 Satz 2 InsO), kann es zudem Verfügungen des Schuldners an die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters binden; ein allgemeines Verfügungsverbot kommt, wenn Eigenverwaltung zugelassen werden soll4, ohnehin nicht in Betracht, denn damit würde für eine Eigenverwaltung kein Raum mehr bleiben5. Da es sich jedoch nur um eine Sollvorschrift handelt, kann das Gericht aus triftigen Gründen auch weitere Beschränkungen anordnen6 und z.B. einen Zustimmungsvorbehalt für bestimmte Zahlungen verfügen7.

1.819

frei

4. Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung 1.820

Die vorläufige Eigenverwaltung wird im wesentlichen dann aufgehoben, wenn der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen insolvenzrechtliche Pflichten verstößt oder sich auf sonstige Weise zeigt, dass er nicht bereit oder in der Lage ist, seine Geschäftsführung am Interesse der 1 Landfermann WM 2012, 869. 2 AG Heilbronn v. 23.3.2016 – 12 IN 149/16, ZIP 2016, 782. 3 FG Münster v. 16.5.2018 – 7 K 783/17, ZInsO 2018, 2322 mit Anm. Eckert/Holze ZInsO 2018, 2735. 4 Zur nachträglichen Anordnung eines Verfügungsverbots s. BGH v. 5.3.2015 – IX ZB 77/14, ZIP 2015, 648 = ZInsO 2015, 632; zum System der Sicherungsmaßnahmen in der Eigenverwaltung s. Vallender/Zipperer FS Pape 2019, 413. 5 Ob ein Zustimmungsvorbehalt generell unzulässig ist, wird von AG Hannover v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15, ZInsO 2015, 1111 bejaht, von AG Düsseldorf v. 10.7.2014 504 – IN 124/14, ZInsO 2014, 2389 verneint. 6 Landfermann WM 2012, 869. 7 AG Heilbronn v. 23.3.2016 – 12 IN 149/16, ZIP 2016, 782.

180 | Martin Obermüller

H. Eigenverwaltungsverfahren | Rz. 1.830 Erster Teil

Gläubiger auszurichten (§ 270e Abs. 1 Nr. 1 InsO), oder wenn die Erreichung des Eigenverwaltungsziels, insbesondere eine angestrebte Sanierung sich als aussichtslos erweist (§ 270e Abs. 1 Nr. 3 InsO).

1.821

Das Insolvenzgericht muss die vorläufige Eigenverwaltung auch dann aufheben, – wenn der vorläufige Sachwalter dies mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses oder der vorläufige Gläubigerausschuss dies beantragt (§ 270e Abs. 1 Nr. 4 InsO), – ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein Insolvenzgläubiger, der glaubhaft machen kann, dass ihm durch die Eigenverwaltung erhebliche Nachteile drohen (§ 270e Abs. 2 Satz 1 InsO). Über diesen Antrag kann erst nach Anhörung des Schuldners entschieden werden. Der Beschluss unterliegt dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 270e Abs. 2 Satz 3 InsO); – auf Antrag des Schuldners (§ 270e Abs. 1 Nr. 5 InsO). Die Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters kann nur Erfolg haben, wenn der Schuldner bereit ist, die ihm zufallenden Aufgaben mit vollem Einsatz zu erfüllen. Auch wenn er zunächst selbst die Eigenverwaltung unter Aufsicht des Sachwalters beantragt hat, kann seine Bereitschaft im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens entfallen. Deshalb hat der Gesetzgeber ihm die Möglichkeit eingeräumt, die Eigenverwaltung vorzeitig zu beenden1. Die Aufhebung geschieht durch Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters; das Insolvenzantragsverfahren wird fortgesetzt. Die Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung durch Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters auf Antrag des vorläufigen Gläubigerausschusses ist unanfechtbar. Der Umstand, dass die Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270e Abs. 1 InsO mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters einhergeht, hat nicht zur Folge, dass auch die Aufhebung der Eigenverwaltung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 InsO anfechtbar wäre2. frei

1.822

1.823–1.829

III. Schutzschirmverfahren Das sog. Schutzschirmverfahren wurde mit Wirkung zum 1.3.2012 durch das ESUG3 eingeführt und hat die vom Gesetzgeber gehegten Erwartungen bisher nur bedingt erfüllt4. Ob es nach der Stärkung der Eigenverwaltung durch das SanInsFoG5 erfolgreicher wird, bleibt abzuwarten6. 1 Begründung zu § 333 RegE InsO BR-Drucks. 1/92 S. 224. 2 BGH v. 27.1.2022 – IX ZB 41/21, ZIP 2022, 433. 3 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582. 4 S. Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG-Evaluation) v. 7.12.2011 (BGBl. I 2011, 2582) vom August 2018 ZInsO 2018, 2400; Kurzbericht Jacoby/Madaus/Sack/Schmidt/Thole Teil E I, ZInsO 2018, 2402; zu möglichen Konsequenzen s. Beissenhirtz ZInsO 2019, 180; Buchalik ZInsO 2019, 465; Pape ZInsO 2018, 2725; Weitzmann BB 2019, 521. 5 Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3256. 6 Zweifelnd Buchalik/Stahlschmidt, Sanieren unter Insolvenzschutz statt Liquidieren durch Insolvenz, 4. Aufl. 2021, S. 39.

Martin Obermüller | 181

1.830

Erster Teil Rz. 1.831 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.831

Das Schutzschirmverfahren dient nicht der Insolvenzvermeidung, sondern ist eine Sonderform des Insolvenzeröffnungsverfahrens1. Es soll dem Schuldner bis zu drei Monaten Zeit für die Ausarbeitung eines Insolvenzplans verschaffen. Dieser Insolvenzplan muss mindestens die teilweise Sanierung des Unternehmens zum Ziel haben und darf kein reiner Liquidationsplan sein2. Dies ergibt sich aus der Überschrift von § 270d InsO und dem Wortlaut von § 270d Abs. 1 Satz 1 InsO. Anders als eine vorläufige Eigenverwaltung kann das Schutzschirmverfahren nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in Anspruch genommen werden, aber nicht mehr nach eingetretener Zahlungsunfähigkeit.

1. Zulassungsvoraussetzungen 1.832

Die Einleitung eines solchen Schutzschirmverfahrens setzt voraus, dass – der Schuldner seine Zahlungen noch nicht eingestellt hat bzw. noch nicht zahlungsunfähig ist3, – aber die Zahlungsunfähigkeit droht oder Überschuldung eingetreten und – die Sanierung des Schuldners nicht offensichtlich aussichtslos ist.

1.833

Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Schuldner dem Gericht durch eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation4 darzulegen (§ 270d Abs. 1 Satz 1 InsO). Den weitreichenden Anforderungen, die beispielsweise vom Institut der Wirtschaftsprüfer5 und vom ISU Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen6 an Sanierungsgutachten für die Zulässigkeit von Sanierungskrediten gestellt werden7, muss diese Bescheinigung nicht genügen8. Insbesondere darf der Verfasser die Erteilung der Bescheinigung nicht von der Vorlage bindender Erklärungen der Banken, ihre Kredite nicht fällig zu stellen, abhängig machen. Eine Richtlinie bietet das Institut der Wirtschaftsprüfer in seinem IdW Standard S 99. Das Gericht muss die Bescheinigung nicht

1 Kolmann DB 2014, 1663. 2 Weiterführend Mönning/Schäfer/Schiller BB 2017, Beilage zu Heft 25. 3 Maßgeblich ist dafür die Lage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (AG Ludwigshafen v. 4.7.2014 – 3 f IN 260/14 Ft, ZIP 2014, 1746). 4 Zu deren Haftungsrisiken s. Brinkmann DB 2012, 1313; zu den Anforderungen an die Person des Ausstellers s. Schröder/Schulz ZIP 2017, 1096. 5 IDW S 6 „Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten“ FN-IDW 2012, Heft 12; dazu Müller/Dresen ZInsO 2022, 417; vorher Verlautbarung 1/1991 „Anforderungen an Sanierungskonzepte“ und IDW Standard S 2 „Anforderungen an Insolvenzpläne“; Erläuterungen s. Eisolt BB 2010, 427 und Andersch/Philipp Corporate Finance Law 2010, 205; Zweifel an der Erfüllung der Anforderungen der Rechtsprechung an Sanierungsprüfungen s. Pohl ZinsO 2011, 207. 6 Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS), 2008; s. auch Hillmer KSI 2009, 126; Portisch/Peppmeier/Schuppener ForderungsPraktiker 2010, 110. 7 Zur empirischen Untersuchung über die Qualität von Sanierungsgutachten in Anlehnung an die Einhaltung der Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte s. Portisch/Ifftner/Düerkop BankPraktiker 2008, 494; Krystek/Klein DB 2010, 1837; umfassend Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 8. Aufl. 2021; Klein, Anforderungen an Sanierungskonzepte, 2008. 8 Weitergehend Buchalik ZInsO 2012, 349. 9 Abgedr. ZInsO 2014, 2266; kritisch zum Entwurf ES 9 (abgedr. ZInsO 2012, 536) Richter/Pluta BB 2012, 1591; Hermanns ZInsO 2012, 2265; Kraus/Lenger/Radner ZInsO 2012, 587; Frind ZInsO 2012, 540; Zipperer/Vallender NZI 2012, 729; kritisch zur Endfassung Frind ZInsO 2014, 2264;

182 | Martin Obermüller

H. Eigenverwaltungsverfahren | Rz. 1.838 Erster Teil

nur formell, sondern auch inhaltlich prüfen1. Dabei wird es besonders darauf achten, ob die Zahlungseinstellung wirklich nur droht und nicht etwa bereits eingetreten ist2; es schadet grundsätzlich nicht, dass der Schuldner mit ihrem Eintritt nach dem Schutzschirmantrag rechnet, weil dann eine Kündigung der Bankkredite zu erwarten ist. Sind die dargestellten Voraussetzungen erfüllt, ordnet das Gericht nicht eine vorläufige Insolvenzverwaltung zusammen mit Verfügungsbeschränkungen an, sondern bestimmt lediglich eine Frist zur Vorlage des Insolvenzplans und setzt einen vorläufigen Sachwalter ein. Hat der Schuldner eine bestimmte Person vorgeschlagen, darf das Gericht von diesem Vorschlag nur bei persönlicher Ungeeignetheit abweichen (§ 270d Abs. 2 Satz 3 InsO)3; ein Mitwirkungsrecht für einen etwa eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschuss sieht das Gesetz zwar nicht vor, es wäre aber verwunderlich, wenn das Insolvenzgericht erst einen vorläufigen Gläubigerausschuss bestellen und ihn dann nicht zur Eignung des Vorgeschlagenen anhören würde. Der Aussteller der Bescheinigung ist von der Ernennung zum späteren Sachwalter ausgeschlossen (§ 270d Abs. 2 Satz 1 InsO), kann aber – wie sich aus einem Umkehrschluss aus dieser Vorschrift und aus § 56 Abs. 1 Satz 2 InsO ergibt – durchaus zum Insolvenzverwalter bestellt werden. Dagegen ist das Gericht durch § 270b Abs. 2 Satz 3 InsO gehindert, einen Sachverständigen oder vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen. Die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts sind unzulässig. Ob das Gericht auch gesellschaftsrechtliche Veränderungen untersagen kann4, ist zweifelhaft.

1.834

frei

1.835

2. Schutzmaßnahmen Mit dem Beschluss über die Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans ist das Insolvenzgericht verpflichtet, sofern der Schuldner dies beantragt, Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstellen (§ 270d Abs. 3 InsO).

1.836

Die bisher in § 270b Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 InsO vorgesehenen, darüber hinausgehenden Maßnahmen wie Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses, Anordnung einer vorläufigen Postsperre und eines Verwertungsverbots für Kreditsicherheiten nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO, sind im Schutzschirmverfahren nicht mehr enthalten. Die Möglichkeit zur Anordnung derartiger Maßnahmen ergibt sich jetzt nur noch aus § 270c Abs. 3 InsO5. Wenn ein Schuldner meint, ein Verwertungsverbot für Kreditsicherheiten zu benötigen, muss er in eine vorläufige Eigenverwaltung beantragen. Denn ein Verwertungsverbot würde die Bank zwingen, die Kredite zu kündigen (Einzelheiten s. Rn. 6.370 ff.), und damit in der Regel eine Zahlungseinstellung auslösen.

1.837

Ein Antrag auf Einleitung des Schutzschirmverfahrens wird häufig zunächst zusätzlichen Liquiditätsbedarf erzeugen, da die Gläubiger Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit erhalten und manche versuchen werden, ihre Forderungen fällig zu stellen oder Verträge zu kündigen. Das Verfahren bietet keinen Schutz hiervor durch ein Moratorium oder ähnliches,

1.838

1 2 3 4 5

Beispiel für eine Bescheinigung Weber/Knapp ZInsO 2014, 2245 (2254); zur überarbeiteten Fassung (Stand 8.11.2022) s. Weber/Nentwig ZInsO 2022, 857. Beth ZInsO 2015, 369. Zur Strafbarkeit bei Missbrauch des Schutzschirmverfahrens s. Brand KTS 2014, 1. Zur Anfechtung der Bestellung s. OLG Düsseldorf v. 31.8.2016 – I-3 VA 1/15, ZInsO 2017, 1490. So Hölzle ZIP 2012, 2427. Begr. RegE SanInsFoG Teil B zu Art 5 Nr. 36 S. 202.

Martin Obermüller | 183

Erster Teil Rz. 1.838 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

denn es ist vor allem für solche Schuldner gedacht, die sich in Abstimmung und mit Unterstützung ihrer zentralen Gläubiger in einem Insolvenzverfahren sanieren wollen1. Allerdings kann der Schuldner auch die Bezahlung von (fälligen) Altverbindlichkeiten nach Anordnung des Schutzschirmverfahrens unterlassen, ohne dass sich unmittelbar Konsequenzen ergeben2. Er (oder der vorläufige Sachwalter) muss zwar den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich dem Gericht anzeigen; das Verfahren kann aber grundsätzlich weiterlaufen3.

1.839

frei

3. Fortgang des Verfahrens 1.840

Durch die Einleitung des Schutzschirmverfahrens gewinnt der Schuldner drei Monate Zeit, in der er einen Insolvenzplan ausarbeiten und vorlegen kann.

1.841

Die Vorlage des Plans führt grundsätzlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in dem dann über den Plan entschieden wird. Eröffnungsgrund sind dann entweder die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung, die bereits die Einleitung des Schutzschirmverfahrens rechtfertigt haben, oder eine während des Schutzschirmverfahrens eingetretene Zahlungsunfähigkeit.

1.842

Durch das Schutzschirmverfahren ist der Schuldner aber nicht gehindert, die gewonnene Zeit zu nutzen und – sinnvollerweise auf der Basis des zu entwickelnden Insolvenzplans – eine außergerichtliche Sanierung zu gestalten. Gelingt es ihm unter dem Schutzschirm, seine Gläubiger zu einem Vergleich zu bewegen und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit damit zu beseitigen, so kann er den Insolvenzantrag zurückziehen.

4. Aufhebung des Verfahrens 1.843

Während der Vorbereitung des Plans kann sich aber auch herausstellen, dass ein Insolvenzplan nicht durchsetzbar ist. Dann muss das Gericht das Schutzschirmverfahren wieder aufheben. Dazu ist es verpflichtet, wenn – die angestrebte Sanierung aussichtlos geworden ist, – der vorläufige Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt oder, wenn kein Gläubigerausschuss eingesetzt ist, – ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein Insolvenzgläubiger die Aufhebung beantragt und dieser gläubigerbenachteiligende Umstände des Schutzschirmverfahrens glaubhaft macht (§ 270b Abs. 4 Nr. 3 InsO).

1.844

Dann entscheidet das Insolvenzgericht über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, das in der Regel zu einer Liquidation führen wird; eine Eigenverwaltung kommt dann kaum, insbesondere dann nicht in Betracht, wenn das Schutzschirmverfahren auf Gläubigerantrag wegen gläubigerbenachteiligender Umstände aufgehoben werden muss4.

1 Begründung RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 40; Schelo ZIP 2012, 712; a.A. Hölzle, ZIP 2012, 158 (161, 162). 2 Schelo ZIP 2012, 712. 3 So auch Desch BB 2011, 841, 844; Schelo ZIP 2012, 712. 4 Kammel/Staps NZI 2010, 791, 796; Schelo ZIP 2012, 712.

184 | Martin Obermüller

H. Eigenverwaltungsverfahren | Rz. 1.852 Erster Teil

5. Vorteile und Nachteile des Schutzschirmverfahrens Auch nach der Änderung des § 270d InsO durch das SanInsFoG1 wird das Schutzschirmverfahren kritisch gesehen. Exemplarisch wird dazu die Ausführungen von Buchalik/Stahlschmidt2 wiedergegeben werden:

1.845

„Außer dem Namen und der Möglichkeit, den Sachwalter mitzubringen, weist es gegenüber der vorläufigen Eigenverwaltung keine Vorteile, sondern eher Nachteile auf. Die Vorbereitung ist aufwendiger und kostspieliger als bei einem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren, insbesondere weil die Notwendigkeit besteht, bereits bei Antragstellung dem Gericht eine Bescheinigung vorzulegen, die bestätigt, dass das Unternehmen nicht zahlungsunfähig, sondern nur drohend zahlungsunfähig und die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Es kann anders als die vorläufige Insolvenzverwaltung vom vorläufigen Gläubigerausschuss beendet werden, der Insolvenzplan ist nach spätestens 3 Monaten vorzulegen, und sobald Zahlungsunfähigkeit eintritt, hat unverzüglich eine Anzeige an das Gericht zu erfolgen.“

frei

1.846–1.849

IV. Eröffnete Eigenverwaltung Eine erfolgreiche vorläufige Eigenverwaltung mündet in die Eröffnung eines Eigenverwaltungsverfahrens, das in Idealfall mit einem Insolvenzplan abgeschlossen wird, in dem die Befriedigung der Gläubiger sowie die operative und bilanzielle Sanierung geregelt werden3.

1.850

1. Anordnung der Eigenverwaltung Um eine Anordnung der Eigenverwaltung zu erreichen muss der Schuldner zunächst dieselben Voraussetzungen erfüllen wie für eine vorläufige Eigenverwaltung (§ 270f Abs. 3 InsO); auch die Mitwirkungsrechte des vorläufigen Gläubigerausschusses finden Anwendung. Dazu kann auf die Ausführungen zu Rn. 1.810 verwiesen werden.

1.851

2. Durchführung der Eigenverwaltung Für die Eigenverwaltung gelten grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften der Insolvenzordnung, soweit nicht die §§ 270–285 InsO Sonderregelungen vorsehen (§ 270 Abs. 1 Satz 2 InsO). Diese betreffen im Wesentlichen die Frage, wie die Aufgaben und Befugnisse, die in einem regulären Insolvenzverfahren wahrgenommen werden, zwischen dem Schuldner und dem Sachwalter, der anstelle eines Insolvenzverwalters mit der Anordnung der Eigenverwaltung zu bestimmen ist, verteilt sind4.

1 Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3256. 2 Buchalik/Stahlschmidt, Sanieren unter Insolvenzschutz statt Liquidieren durch Insolvenz, 4. Aufl. 2021, S. 39. 3 Buchalik/Stahlschmidt, Sanieren unter Insolvenzschutz statt Liquidieren durch Insolvenz, 4. Aufl. 2021, S. 31. 4 S. auch die Darstellung bei BGH v. 22.6.2017 – IX ZB 82/16, ZInsO 2017, 1614 Rn. 7; zur Kompetenzabgrenzung und Organhaftung bei der Eigenverwaltung s. Schäfer ZRI 2020, 20; zur Berechnung der Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens bei Betriebsfortführung in Form der Eigenverwaltung s. OLG Düsseldorf v. 19.9.2019 – I-3 W 46/19, ZIP 2020, 190.

Martin Obermüller | 185

1.852

Erster Teil Rz. 1.853 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.853

Wenn das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung anordnet, ist der Schuldner berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO). a) Einschränkung der Rechte des Schuldners

1.854

Wie schon im Antragsverfahren unterliegt der Schuldner jedoch auch im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren folgenden Beschränkungen: – Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll der Schuldner nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen (§ 275 Abs. 1 Satz 1 InsO), – Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll der Schuldner nicht eingehen, wenn der Sachwalter widerspricht (§ 275 Abs. 1 Satz 2 InsO). – Der Sachwalter hat das Recht zur Führung der Kasse; er kann verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur von ihm entgegengenommen und Zahlungen auch nur von ihm vorgenommen werden (§ 275 Abs. 2 InsO)1.

1.855

Darüber hinaus kommen im eröffneten Verfahren zusätzliche Beschränkungen hinzu: – Für Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung hat der Schuldner die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen (§ 276 InsO). – Das Insolvenzgericht kann für bestimmte Rechtsgeschäfte anordnen, dass sie nur wirksam sind, wenn der Sachwalter ihnen zustimmt (§ 277 Abs. 1 InsO).

1.856

Eine Missachtung der Zustimmungserfordernisse nach §§ 275 und 276 InsO berührt die Wirksamkeit des Geschäfts grundsätzlich nicht (§ 276 Satz 2 i.V.m. § 164 InsO)2. Dagegen führt der vom Gericht für bestimmte Rechtsgeschäfte nach § 277 InsO angeordnete Zustimmungsvorbehalt dazu, dass die Geschäfte bis zur Erteilung oder Versagung der Genehmigung schwebend und nach Versagung endgültig unwirksam sind, wobei gutgläubige Erwerber im Liegenschaftsrecht und der gutgläubige Erbringer von Leistungen an den Schuldner geschützt werden (§ 277 Abs. 1 Satz 2, § 81 Abs. Satz 2, 3 InsO)3. Solche Beschränkungen können dem Schuldner nicht von Amts wegen auferlegt werden, sondern kommen nur zum Einsatz, wenn sie entweder durch die Gläubigerversammlung oder durch absonderungsberechtigte Gläubiger beantragt werden4; einem Antrag der Gläubigerversammlung hat das Gericht stattzugeben, dem Antrag eines absonderungsberechtigten Gläubigers kann es Folge leisten, wenn die Anordnung zur Abwehr von Nachteilen für die Gläubiger unaufschiebbar erforderlich ist (§ 277 Abs. 2 InsO). Wegen der Drittwirkung der Anordnung ist diese öffentlich bekannt zu machen und deren Eintragung unter anderem im Handelsregister und ggf. im Grundbuch zu veranlassen (§ 277 Abs. 3 InsO i.V.m. §§ 31, 32, 33 InsO).

1 Von diesem Recht sollte der Sachwalter nur sehr zurückhaltend Gebrauch machen, um zu vermeiden, dass dadurch im Geschäftsverkehr Zweifel an der Zuverlässigkeit des Schuldners aufkommen (Buchalik, Sanieren statt Liquidieren, 2015, Nr. 8.4 S. 60); weiterführend Undritz/Schur ZIP 2016, 549. 2 Brünkmans in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 275 Rn. 5, § 276 Rn. 6. 3 Spliedt/Fridgen in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2013, § 277 Rn. 7 f. 4 Zur Anordnung von Amts wegen in Ausnahmefällen s. Gundlach/Müller ZInsO 2010, 2181.

186 | Martin Obermüller

H. Eigenverwaltungsverfahren | Rz. 1.863 Erster Teil

Die Vorschriften über die Erfüllung der Rechtsgeschäfte (§§ 103 ff. InsO) gelten mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Schuldner tritt (§ 279 Satz 1 InsO). Das Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen und das Recht zur vorzeitigen Kündigung von Dauerschuldverhältnissen werden von dem Schuldner ausgeübt, weil sie unmittelbar mit der von dem Schuldner ausgeübten Geschäftsführung zusammenhängen1. Wegen der Bedeutung dieser Rechte soll der Schuldner allerdings das Einvernehmen des Sachwalters erzielen (§ 279 Satz 2 InsO). Ein Verstoß des Schuldners gegen diese Soll-Vorschrift hat allerdings keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Ausübung des Wahlrechts oder des Kündigungsrechts.

1.857

Soweit nach §§ 166 ff. InsO im eröffneten Regelinsolvenzverfahren der Insolvenzverwalter zur Verwertung von Gegenständen berechtigt wäre, an denen Absonderungsrechte bestehen, steht dieses Recht im Eigenverwaltungsverfahren dem Schuldner zu (§ 282 Abs. 1 InsO) (Einzelheiten s. Rn. 6.1106). Der Schuldner soll sein Verwertungsrecht im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben (§ 282 Abs. 2 InsO).

1.858

b) Pflichten des Schuldners Der Schuldner hat das Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht (§§ 151–153 InsO) zu erstellen (§ 281 Abs. 1 InsO). Ferner hat der Schuldner im Berichtstermin die Pflicht zur Berichterstattung (§ 281 Abs. 2 InsO). Letztlich ist der Schuldner auch zur Rechnungslegung verpflichtet (§ 281 Abs. 3 InsO).

1.859

Bei der Prüfung der Forderungen können sowohl die Insolvenzgläubiger als auch der Schuldner und der Sachwalter angemeldete Forderungen bestreiten (§ 283 Abs. 1 Satz 1 InsO). Eine Forderung, die von einer der genannten Parteien bestritten wird, gilt als nicht festgestellt (§ 283 Abs. 1 Satz 2 InsO). Verteilungen werden von dem Schuldner vorgenommen (§ 283 Abs. 2 InsO).

1.860

c) Rechte und Pflichten des Sachwalters Die Rechte des Sachwalters stellen zunächst einmal das Spiegelbild der Beschränkungen des Schuldners dar, so dass auf die obigen Ausführungen unter Rn. 1.854 f. verwiesen werden kann. Der Sachwalter hat darüber hinaus Aufsichtspflichten und Mitwirkungsrechte2.

1.861

aa) Aufsichtspflichten Der Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen sowie die Geschäftsführung zu überwachen (§ 274 Abs. 2 Satz 1 InsO). Das Gericht kann anordnen, dass der Sachwalter den Schuldner im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierung, der insolvenzrechtlichen Buchführung und der Verhandlungen mit Kunden und Lieferanten unterstützen kann (§ 274 Abs. 2 Satz 2 InsO).

1.862

Er ist berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Schuldner hat dem Sachwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftsbücher

1.863

1 Begründung zu § 340 RegE InsO BR-Drucks. 1/92 S. 225. 2 Weiterführend Ehlers ZInsO 2015, 117; Flöther ZInsO 2014, 465; Frind NZI 2014, 937; zur Vergütung s. Schur ZIP 2014, 757; BGH v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14, ZIP 2016, 1592 = ZInsO 2016, 1637; BGH v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14, ZIP 2016, 1981 = ZInsO 2016, 2077; LG Duisburg v. 14.9.2016 – 7 T 24/16, ZInsO 2016, 2101.

Martin Obermüller | 187

Erster Teil Rz. 1.863 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

zu geben und ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen (§ 274 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 22 Abs. 3 InsO). Erkennt der Sachwalter hierbei, dass bei einer Fortsetzung der Eigenverwaltung Nachteile für die Gläubiger drohen, so ist er zur Unterrichtung des Gerichts und des Gläubigerausschusses verpflichtet (§ 274 Abs. 3 InsO). Ist ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, so hat der Sachwalter an dessen Stelle die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, und die absonderungsberechtigten Gläubiger zu unterrichten. Die Gläubiger werden auf diese Weise in die Lage versetzt, die Aufhebung der Anordnung zu beantragen1.

1.864

Der Sachwalter hat das vom Schuldner vorzulegende Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht zu prüfen und jeweils schriftlich zu erklären, ob nach dem Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind (§ 281 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dies gilt auch hinsichtlich des Verteilungsverzeichnisses (§ 283 Abs. 2 InsO).

1.865

Die Forderungen sind beim Sachwalter anzumelden (§ 270f Abs. 2 Satz 2 InsO). bb) Eigene Befugnisse

1.866

Nur der Sachwalter kann die Ansprüche auf Ersatz eines Gesamtschadens (§ 92 InsO) oder aus der persönlichen Haftung eines Gesellschafters (§ 93 InsO) geltend machen2.

1.867

Das Anfechtungsrecht nach den §§ 129–147 InsO kann nur der Sachwalter ausüben (§ 280 InsO).

1.868–1.869

frei

3. Aufhebung der Eigenverwaltung 1.870

Eine Eigenverwaltung, die im Antragsverfahren oder nach Verfahrenseröffnung angeordnet wurde, muss das Gericht im eröffneten Insolvenzverfahren wieder aufheben, wenn dies – die Gläubigerversammlung mit Summen- und Kopfmehrheit (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO) beantragt; das Gericht hat dann kein Ermessen, sondern muss dem Antrag stattgeben. Ein Beschluss der Gläubigerversammlung, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen, kann nicht im Verfahren nach § 78 Abs. 1 InsO angefochten werden3. – ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein Insolvenzgläubiger, der glaubhaft machen kann, dass ihm durch die Eigenverwaltung erhebliche Nachteile drohen (§ 272 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 InsO). Über diesen Antrag kann erst nach Anhörung des Schuldners entschieden werden. Der Beschluss unterliegt dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 272 Abs. 2 Satz 3 InsO); – Auf Antrag des Schuldners (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Die Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters kann nur Erfolg haben, wenn der Schuldner bereit ist, die ihm zufallenden Aufgaben mit vollem Einsatz zu erfüllen. Auch wenn er zunächst selbst die Eigenver-

1 Begründung zu § 335 RegE, BR-Drucks. 1/92 S. 224. 2 Zur Abgrenzung zwischen Gesamtschaden und Einzelschaden s. BGH v. 13.12.2018 – IX ZR 66/ 18, ZIP 2019, 380 = ZInsO 2019, 380; OLG Düsseldorf v. 14.11.2022 – I-12 W 17/22, ZInsO 2023, 154; zum Sondersachwalter s. Sämisch/Deichgräber ZInsO 2020, 2364. 3 BGH v. 21.7.2011 – IX ZB 64/10, ZIP 2011, 1622; OLG Zweibrücken v. 19.10.2000 – 3 W 198/00, ZIP 2000, 2173; AG Düsseldorf 29.3.2018 – 502 IN 216/15, ZIP 2018, 1992 = ZInsO 2018, 2038.

188 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.901 Erster Teil

waltung unter Aufsicht des Sachwalters beantragt hat, kann seine Bereitschaft im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens entfallen. Deshalb hat der Gesetzgeber ihm die Möglichkeit eingeräumt, die Eigenverwaltung vorzeitig zu beenden1.

4. Fortgang des Verfahrens Wenn die Eigenverwaltung aufgehoben wird, ist das Insolvenzverfahren mit einem Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren fortzuführen. Anderenfalls betreibt der Schuldner als Eigenverwalter die Liquidation des Unternehmens nach den unter Rn. 1.741 dargestellten Grundsätzen oder legt einen Insolvenzplan zum Zweck der vollständigen oder teilweisen Sanierung vor.

1.871

1.872–1.899

frei

I. Insolvenzplanverfahren Mit dem Insolvenzplanverfahren wird primär die finanzielle und leistungswirtschaftliche Sanierung des schuldnerischen Unternehmens angestrebt2. Den Gläubigern soll die Möglichkeit eröffnet werden, die Bewältigung der Krise des gemeinsamen Schuldners weitgehend flexibel und autonom zu gestalten, ohne an enge gesetzliche Regelungen gebunden zu sein3.

1.900

I. Wege zur Begrenzung des Nachforderungsrechts der Gläubiger Das Insolvenzverfahren lässt diejenigen Forderungen, die aus der Masse nicht befriedigt wurden, unberührt und gestattet den Gläubigern, ihre Rechte mit Hilfe des Auszugs aus der Tabelle weiter zu verfolgen (§§ 201, 202 InsO). Handelt es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person, so besitzt diese Forthaftung keine wirtschaftliche Bedeutung, da das Insolvenzverfahren letztendlich zum Erlöschen der juristischen Person führt. Anders verhält es sich bei natürlichen Personen. Die Insolvenzordnung zeigt den Schuldnern jedoch Wege, auf denen sie sich nach Abdeckung eines Teils ihrer Schulden von den restlichen Verbindlichkeiten befreien können, und bietet ihnen damit eine Sanierungschance4. Juristischen Personen steht das Insolvenzplanverfahren, natürlichen Personen außerdem die Restschuldbefreiung und das Schuldenbereinigungsplanverfahren zur Verfügung. Stattdessen bleibt es dem Schuldner na1 Begründung zu § 333 RegE InsO BR-Drucks. 1/92 S. 224. 2 Maus in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, S. 931 (m.w.N. in Fn 9). 3 Literatur zum Insolvenzplanverfahren: du Carrois, Insolvenzplan im Nachlassinsolvenzverfahren, 2009; Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, 1999; Haarmeyer/Buchalik, Sanieren statt liquidieren, 2012; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung, Verbraucherinsolvenz, 3. Aufl. 2003, Rn. 1 bis 816; Lorbeer, Initiierung und Durchführung von Insolvenzplanverfahren, 2009; Niering/Hildebrand, Wege durch die Unternehmenskrise, 4. Aufl. 2020; Pannen/Deuchler/Kahlert/Undritz, Sanierungsberatung, 2005; Smid/Rattunde, Der Insolvenzplan, Handbuch für Sanierungsverfahren gemäß §§ 217–269 InsO mit praktischen Beispielen und Musterverfügungen, 1998; Rechtsprechungsübersicht 2016 s. Paul ZInsO 2017, 747; Rechtsprechungsübersicht 2017 s. Paul ZInsO 2018, 1027; Rechtsprechungsübersicht 2018 s. Paul ZInsO 2019, 1198; Rechtsprechungsübersicht 2020 s. Paul ZInsO 2020, 888, 941. 4 Paulus ZGR 2005, 309; zu den Erleichterungen durch das ESUG s. Buchalik, Sanieren statt liquidieren, 2. Aufl. 2015; zur Beratung zwecks Sanierung von Kapitalgesellschaften s. Rattunde AnwBl. 2007, 241.

Martin Obermüller | 189

1.901

Erster Teil Rz. 1.901 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

türlich unbenommen, seine Gläubiger zu einem Einverständnis mit der Einstellung des Verfahrens nach § 213 InsO1 zu bewegen.

1.902

Schuldnern, die noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet sind, sich aber in finanziellen Schwierigkeiten befinden und denen der Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit droht, bietet sich seit dem 1.1.2021 eine weitere Alternative, nämlich das Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren. Diese bedeutet einen Paradigmenwechsel: Während die Verfahren der InsO sicherstellen sollen, dass Gläubiger bestmöglich befriedigt werden, soll der präventive Restrukturierungsrahmen Unternehmen retten und Arbeitsplätze erhalten2.

II. Insolvenzplanverfahren 1.903

Der Insolvenzplan ist ein spezifisches insolvenzrechtliches Instrument, mit dem die Gläubigergesamtheit ihre Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert3. Die Gläubigergemeinschaft ist eine durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzlich zusammengefügte Schicksalsgemeinschaft, bei der der Wille des einzelnen Gläubigers durch Mehrheitsentscheidungen überwunden werden kann. Das Insolvenzplanverfahren unterscheidet sich vom regulären Insolvenzverfahren insoweit, als die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens in einem Insolvenzplan4 abweichend geregelt werden können (§ 217 InsO).

1.904

Das Vorbild für das Insolvenzplanverfahren stammt aus den USA, nämlich aus Chapter 11 des US-Bankruptcy Code5, und wurde in Deutschland gerade in dem Zeitpunkt eingeführt, in dem die USA die Problematik ihres Systems erkannt hatten und das Verfahren Zug um Zug reformierten6. Das Insolvenzplanverfahren hatte zunächst wegen zahlreicher Mängel7 kaum

1 Von Haarmeyer (ZInsO 2009, 556) als verkannter Königsweg bezeichnet (s. dort und bei Heitsch ZInsO 2021, 2124 auch Einzelheiten zur Ausgestaltung). 2 Buth/Hermanns ZInsO 2020, 1; zu den Schnittstellen zwischen präventivem Restrukturierungsrahmen, Bankenaufsicht und außergerichtlicher Sanierung s. Cranshaw ZIP 2020, 1269. 3 LAG Düsseldorf v. 6.8.2014 – 7 Sa 1190/13, ZInsO 2014, 2378. 4 Zum Insolvenzplan als Beihilfe s. Quardt/Hanke ZInsO 2022, 497. 5 Überblick zu Chapter 11 s. Priebe ZInsO 2011, 1676; Gräwe ZInsO 2012, 158. 6 Vgl. Swaim, Corporate Bankruptcy and Reorganisation Procedures in OECD and Central and Eastern European Countries, 1994, S. 53 ff.; Jander RIW 1993, 547; zum Bankruptcy Abuse Prevention Act v. 20.4.2005 s. Rogoff/Ellenberg/Smith/Bruinooge, Global Insolvency & Restructuring Yearbook 2005/06, S. 17; kritisch zum Verfahren Smid BB 1999, 1. 7 Analyse s. Lorbeer, Initiierung und Durchführung von Insolvenzplanverfahren, 2009; zur Reformbedürftigkeit s. Westpfahl/Janjuah ZIP 2008 Beilage zu Heft 3; Smid DZWIR 2009, 397; Bork ZIP 2010, 397 m.w.N.; Eidenmüller, Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, 2009; zu gesellschaftsrechtlichen Defiziten der InsO s. Braun FS Fischer, 2008, 53; Landfermann WM 2012, 821; Obermüller in Gilles/Pfeiffer, Neue Tendenzen im Prozessrecht, 2007, 197 (203); Obermüller in Riolo, Crisi d’Ímpresa e Risanamento, 1997, 321; Uhlenbruck FS Lüer, 2008, 461.

190 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.905 Erster Teil

praktische Bedeutung erlangt1, teilweise wurde von Dornröschenschlaf gesprochen2, teilweise traten Unternehmen die Flucht in ein vermeintlich sanierungsfreudigeres Ausland an3. Zwar gab es Stimmen in der Literatur, wonach, wenn die Unternehmensleitungen sich mit den Möglichkeiten der InsO beschäftigen und deren Instrumente wahrnehmen würden, es auch andere Lösungen gäbe, durch die für die meisten Beteiligten ein besseres Ergebnis erzielt werden kann4. Dennoch unternahm der Gesetzgeber in dem ESUG5 den Versuch, die wesentlichen Mängel des bisherigen Rechts zu beheben. Die Erfahrungen aus der ESUG-Evaluation6 sind inzwischen in das SanInsFoG7 eingeflossen. Die erfolgreiche Durchführung eines Insolvenzplans setzt regelmäßig die aktive Vorbereitung des Plans durch die Geschäftsleitung und ggf. die Gesellschafter lange vor Stellung des Insolvenzantrags voraus. Das Insolvenzplanverfahren kann – nach Durchlaufen eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens, – eines Schutzschirmverfahrens oder – unmittelbar aus dem eröffneten Insolvenzverfahren heraus

1 Kußmaul/Steffan DB 2000, 1849; s. dort und bei Friedhoff ZIP 2002, 497; Fritze DZWIR 2007, 89 (Senator Entertainment AG); Rattunde ZIP 2003, 596 (Herlitz); Stapper ZInsO 2009, 2361; Steinwachs BankPraktiker 2007, 80 auch Praxisbeispiele einer erfolgreichen Umsetzung; Statistik s. Anton ZInsO 2009, 506 (im Jahre 2009 bei 27 490 Unternehmensinsolvenzen nur 238 bestätigte Insolvenzpläne); Gude ZInsO 2012, 320; Hölzle KTS 2011, 291; Kranzusch ZInsO 2009, 1513; Kranzusch ZInsO 2007, 804; Rattunde GmbHR 2012, 455; Spies ZInsO 2005, 1254; Übersicht über die spärliche Rechtsprechung s. Paul ZInsO 2008, 843; zu Alternativen durch Leveraged Buyouts s. Eidenmüller ZIP 2007, 1729; Kuntz ZIP 2008, 814; Söhner ZIP 2011, 2085. 2 Stapper KSI 2008, 241; Stapper ZInsO 2009, 2361. 3 S. Andres/Grund NZI 2007, 137; Ballmann BB 2007, 1121; Tschauner BankPraktiker 2006, 360; zum englischen scheme of arrangement s. Cranshaw DZWIR 2012, 223; Eidenmüller WM 2011, 1210; Hoffmann/Giancristofano ZIP 2016, 1151; Lüke/Scherz ZIP 2012, 1101; Mankowski WM 2011, 1201; Nimwegen/Rajan Kreditsicherheiten 2014, 208; Swierczok, Das englische Scheme of Arrangement und seine Rezeption in Deutschland, 2014; Sax/Swierczok ZIP 2016, 1945; Sax/ Swierczok ZIP 2017, 601; Theiselmann/Verhoeven ZIP 2018, 2101; Walker/Mielke/Bombe ZIP 2018, 815; Westphal/Knapp ZIP 2011, 2033; BGH v. 15.2.2012 – IV ZR 194/09, ZIP 2012, 740; zum Wettbewerb der Rechtsordnungen s. Hölzle KTS 2011, 291. 4 Ehlers NJW 2009, Editorial Heft 49; zur Bestätigungsinsolvenz (pre-voted bankruptcy) s. Madaus NZI 2011, 622. 5 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582; zur Entwicklung s. Diskussionsentwurf v. 9.7.2010 (abgedr. ZInsO 2010, 1440); RefE v. 25.1.2011 (abgedr. ZInsO 2011, 269); RegE v. 4.3.2011, BR-Drucks. 127/11; RegE v. 4.5.2011, BTDrucks. 17/5712; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 26.10.2011, BT-Drucks. 17/7511; Beschlussempfehlung des Bundesrats v. 25.11.2011, BR-Drucks. 679/1/11 (abgedr. ZInsO 2011, 2318) mit Anm. Hirte ZInsO 2011, 2319. 6 Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG-Evaluation) v. 7.12.2011 (BGBl. I 2011, 2582) vom August 2018 ZInsO 2018, 2400; Kurzbericht Jacoby/Madaus/Sack/Schmidt/Thole ZInsO 2018, 2402; zu möglichen Konsequenzen s. Pape ZInsO 2018, 2725; Beissenhirtz ZInsO 2019, 180; Buchalik ZInsO 2019, 465; Weitzmann BB 2019, 521; vgl. auch die Untersuchung der Determinanten erfolgreicher Sanierungen bei Krystek/Lentz DB 2013, 768. 7 Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3256.

Martin Obermüller | 191

1.905

Erster Teil Rz. 1.905 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

eingeleitet werden. In Einzelfällen kann auch eine Entwicklung des Plans im vorläufigen Insolvenzverfahren erfolgreich sein.

1. Vorbereitung des Plans 1.906

Mit der Vorbereitung des Plans sollte das Unternehmen beginnen, bevor es nach gerichtlicher Hilfe, etwa durch Einleitung einer vorläufigen Eigenverwaltung oder eines Schutzschirmverfahrens greift. Dazu bedarf es entsprechender qualifizierter Kenntnisse, Fähigkeiten und eines sehr großen Engagements sowohl der Organe der Gesellschaft als des Insolvenzverwalters.

1.907

Als Voraussetzungen für ein erfolgreiches Planverfahren betrachten Banken – eine frühzeitige Vorlage eines rechtlich und wirtschaftlich überzeugenden ganzheitlichen Plans, – eine plausible Darstellung der Sanierungswürdigkeit des Rechtsträgers (anstelle des Geschäftsbetriebs allein), – eine Begleitung des Plans durch alle wesentlichen Gläubiger, – einen Nachweis, dass während der Laufzeit des Planverfahrens ein positiver Cash Flow erwirtschaftet wird1, – den Einsatz von Mitteln der Altgesellschafter in adäquatem Umfang zur Unterstützung/ Absicherung des Planverfahrens bei den Gläubigern.

1.908

Eine Bank wird einem Planverfahren nur dann zustimmen, wenn sie durch einen Insolvenzplan wirtschaftlich nicht schlechter gestellt wird als bei Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens. Ob die Bank einem Insolvenzplan zustimmt, hängt zudem davon ab, in welcher Verfahrensart das bessere wirtschaftliche Gesamtergebnis für die Bank zu erwarten ist. Dies wird die Bank insbesondere anhand der nachfolgenden Kriterien und der Umstände des konkreten Einzelfalls in einer Gesamtschau entscheiden: – Tragfähigkeit des Sanierungskonzepts im Planverfahren (darstellender Teil), – rechtliche Belastbarkeit und Werthaltigkeit der Absonderungsrechte der Bank, – Einschnitte in die Absonderungsrechte durch einen Insolvenzplan, – Integrität der handelnden Personen, – Sanierungsbeitrag der Gesellschafter, – Sicherung der Finanzierung des Schuldners ab Bestätigung des Insolvenzplans.

1.909

frei

2. Einleitung des Insolvenzplanverfahrens 1.910

Das Insolvenzplanverfahren kann nur auf Antrag des Schuldners oder des Insolvenzverwalters eingeleitet werden; einzelnen Gläubigern steht kein Antragsrecht zu (§ 218 Abs. 1

1 Zu den Anforderungen an solche Prognoserechnungen s. BGH v. 3.12.2009 – IX ZB 30/09, ZIP 2010, 341, NZI 2010, 101.

192 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.913 Erster Teil

Satz 1 InsO)1. Die Vorlage durch den Schuldner kann mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden (§ 218 Abs. 1 Satz 2 InsO). Das Insolvenzplanverfahren kann auch ohne vorausgehendes Schutzschirmverfahren und auch bei Masseunzulänglichkeit (§ 210a InsO)2 beantragt werden. Zu einem Insolvenzverfahren und einem Insolvenzplan kann es auch nach einem gescheiterten Restrukturierungsplan oder noch während der Phase der Planerfüllung3 oder auch nach vollständiger Erfüllung des Plans kommen. An Form und Inhalt des Plans stellt das Gesetz eine Reihe von Anforderungen.

1.911

3. Inhalt des Plans Der Zweck und der Inhalt des Plans sind gesetzlich nicht festgelegt, nicht einmal umrissen4. Er kann zwar eine Liquidation zum Gegenstand haben und sich dann in einer Änderung der Modalitäten erschöpfen. Der Hauptzweck dieses Verfahrens soll jedoch in der vollständigen oder teilweisen Erhaltung des Schuldnerunternehmens, also seiner Sanierung5 oder Reorganisation liegen6.

1.912

Der Plan kann Eingriffe in die Rechte sämtlicher Beteiligter vorsehen, also nicht nur von den nachrangigen und den nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, sondern auch von den Absonderungsberechtigten und den Arbeitnehmern Zugeständnisse verlangen. Die Rechte der Aussonderungsberechtigten7, der Massegläubiger8 und etwaiger Neugläubiger9 kann der Plan dagegen ohne deren Einverständnis nicht schmälern und in gegenseitige, von beiden Seiten noch nicht oder nicht vollständig erfüllte Verträge nicht eingreifen10; Mehrheitsentscheidungen sind nicht zulässig11. Sofern dieser Personenkreis zu Beiträgen für die Sanierung herangezogen werden muss, sollte sich der Planverfasser von deren Bereitschaft zur Mitwirkung an den vorgeschlagenen Maßnahmen überzeugt haben, bevor er den Plan zur Abstimmung bringt. Anderenfalls müsste der Plan unter die Bedingung gestellt werden, dass bestimmte Einverständniserklärungen nachgereicht werden12.

1.913

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Kritisch zum Ausschluss des Antragsrechts von Gläubigern Wohlleben FS Smid 2022, 351. Einzelheiten s. Horstkotte ZInsO 2020, 2587. Sog. unechte Folgeninsolvenz (Hölzle/Curtze ZIP 2021, 1293). S. dazu IDW Standard S 2: Anforderungen an Insolvenzpläne, abgedr. ZInsO 2020, 473; zum Entwurf einer Neufassung s. Zabel StuB 2019, 673; zur Neufassung v. 18.11.2019 s. Lambrecht/Weber ZInsO 2020, 466. Zur damit für den Verwalter verbundenen Problematik s. Wellensiek WM 1999, 405. Zum Insolvenzplan als Beihilfe s. Quardt/Hanke ZInsO 2022, 497. LG Frankfurt/Main v. 29.10.2007 – 2/9 T 198/07, ZIP 2007, 2229; Lüer/Streit in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 217 Rn. 32; Eidenmüller in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 217 Rn. 81. Eidenmüller in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 217 Rn. 74 ff.; Fiebig in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 217 Rn. 12; BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, ZIP 2017, 482 = ZInsO 2017, 538 Rn. 21. LG Düsseldorf v. 21.9.2015 – 25 T 404/15, ZIP 2015, 2182 = ZInsO 2015, 2186. Einzelheiten s. s. Keller NZI 2022, 416. Reformvorschläge s. Sassenrath ZIP 2003, 1517. LG Dessau v. 5.7.2000 – 9 T 327/00, DZWIR 2001, 390; Müller KTS 2002, 209.

Martin Obermüller | 193

Erster Teil Rz. 1.914 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.914

Nach der Ursprungsfassung der InsO konnten auch die Gesellschafter nicht zu Beiträgen gezwungen werden1. Dies wurde allgemein zu den gravierendsten Mängeln der InsO gezählt2. Der Genuss eines etwaigen Sanierungserfolgs konnte ihnen nur durch einen Besserungsschein (s. Rn. 5.362 ff.) erschwert oder durch eine Übertragung des Betriebs3, die sog. übertragende Sanierung4 entzogen werden. Durch das ESUG5 hat der Gesetzgeber diesen vielfach gerügten Geburtsfehler der InsO beseitigt: Wenn der Schuldner keine natürliche Person ist, können nunmehr auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen und umgestaltet werden (§ 217 Satz 2 InsO)6. Bisher konnten durch einen Insolvenzplan nicht die Rechte von Inhabern von Insolvenzforderungen gestaltet werden, die diesen aus einer Drittsicherheit zustanden. Nunmehr sieht die durch das SanInsFoG7 in seinem Art. 5 eingefügte Vorschrift des § 217 Abs. 2 InsO vor, dass ein Insolvenzplan auch Rechte der Inhaber von Insolvenzforderungen gestalten kann, die diesen aus gruppeninternen Drittsicherheiten zustehen.

1.915

Der Plan kann auch Bestimmungen über das weitere Verfahren enthalten, insbesondere über das Wiederaufleben von Forderungen, auf die die Gläubiger nach dem Plan verzichten sollen, und ein Überwachungsverfahren für längstens drei Jahre nach der Bestätigung des Plans vorsehen. Letzteres ist vor allem dann von Bedeutung, wenn im Antragsverfahren, während des Insolvenzverfahrens oder nach Bestätigung des Plans neue Kredite aufgenommen werden müssen (Einzelheiten s. Rn. 5.862 ff.). Auch ein Verzicht auf Anfechtungsansprüche ist möglich8. Vergütungsvereinbarungen können im Plan nicht getroffen werden9, wohl aber

1 Überblick bei Priester ZIP 2010, 497; zu möglichen „freiwilligen“ Kapitalmaßnahmen s. Pleister/ Kindler ZIP 2010, 503. 2 Nachweise s. Braun FS Fischer, 2008, 53; Obermüller in Gilles/Pfeiffer, Neue Tendenzen im Prozessrecht, 2007, 197 (203); Obermüller in Riolo, Crisi d’Ímpresa e Risanamento, 1997, 321; Uhlenbruck FS Lüer, 2008, 461. 3 Zur Gewährleistung s. Kluth ZInsO 2002, 1115; zur Übertragung vor Verfahrenseröffnung s. Menke BB 2003, 1133. 4 Zipperer NZI 2008, 206; Köchling ZInsO 2009, 641; Schmerbach/Staufenbiel ZInsO 2009, 458; Einzelheiten s. Arends/Hofer-von Weiss BB 2009, 1538; Noack/Bunke KTS 2005, 129; Uhlenbruck FS Haarmeyer 2013, 301; zu gesellschaftsrechtlichen Anforderungen s. BGH v. 18.2.2008 – II ZR 132/06, WM 2008, 784; zu den Hindernissen für eine übertragende Sanierung durch rechtsträgerspezifische Berechtigungen s. Bitter/Laspeyres ZIP 2010, 1157; zu den Auswirkungen der Finanzmarktkrise 2008 auf die übertragende Sanierung s. Fröhlich/Sittel ZInsO 2009, 858; Priebe ZInsO 2011, 467. 5 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582; zur Entwicklung s. Diskussionsentwurf v. 9.7.2010 (abgedr. ZInsO 2010, 1440); RefE v. 25.1.2011 (abgedr. ZInsO 2011, 269); RegE v. 4.3.2011, BR-Drucks. 127/11; RegE v. 4.5.2011, BTDrucks. 17/5712; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 26.10.2011, BT-Drucks. 17/7511; Beschlussempfehlung des Bundesrats v. 25.11.2011, BR-Drucks. 679/1/11 (abgedr. ZInsO 2011, 2318) mit Anm. Hirte ZInsO 2011, 2319. 6 Zur Dogmatik der Einbeziehung der Gesellschafterrechte in den Insolvenzplan s. Andrianesis WM 2017, 362; Planbeispiel s. Horstkotte/Martini ZInsO 2012, 557; zu den Auswirkungen auf Pfandrechte an diesen Gesellschaftsanteilen s. Rollin/Mikolajczak ZInsO 2019, 2249. 7 Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3256. 8 LG Mannheim v. 24.7.2020 – 4 T 127/17, ZInsO 2021, 456 mit Anm. Smid ZInsO 2021, 424. 9 BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, ZIP 2017, 482 = ZInsO 2017, 538 = mit Anm. Blankenburg ZInsO 2017, 531; a.A. LG Heilbronn v. 25.3.2015 – Bm 1 T 130/15, ZInsO 2015, 910; LG München I v. 2.8.2013 – 14 T 16050/13, ZInsO 2013, 1966; Reinhardt ZInsO 2015, 943.

194 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.919 Erster Teil

kann der Plan für Vergütungen einen Betrag „reservieren“, aus dem das Insolvenzgericht schöpfen kann.

4. Form des Plans Ein Insolvenzplan ist nur dann vom Gericht zuzulassen1, wenn bestimmte Formvorschriften beachtet sind und der Plan nicht offensichtlich aussichtslos ist (§ 231 Abs. 1 InsO)2. Zur Einschätzung der Erfolgsaussichten darf das Gericht bereits vorliegende Stellungnahmen von Gläubigern sowie Äußerungen des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses berücksichtigen3, auch auf das Abstimmungsverhalten von Gläubigern in einem früheren Termin darf das Insolvenzgericht abstellen4. Zu den Formalien gehören die Bestimmungen über die Planvorlage und den Planinhalt.

1.916

a) Vorlagerecht Der Plan kann nur durch den Schuldner oder den Insolvenzverwalter, nicht aber durch einen Gläubiger eingebracht werden5.

1.917

aa) Vorlagepflicht des Verwalters Der Insolvenzverwalter ist zur Ausarbeitung eines Plans verpflichtet, wenn ihn die Gläubigerversammlung dazu beauftragt (§ 218 Abs. 2 InsO). Dies hindert ihn jedoch keineswegs, schon vorher6 und sogar als vorläufiger Verwalter die notwendigen Vorbereitungen zu treffen und das Unternehmen entsprechend zu führen, also Stilllegungen nur insoweit vorzunehmen, wie sie seinen Ideen für die Sanierung nicht zuwiderlaufen. Auch wenn die Begründung zum Regierungsentwurf der InsO7 ausdrücklich erwähnt, „ohne einen weiteren Auftrag der Gläubigerversammlung ist der Verwalter nicht berechtigt, einen Plan vorzulegen“, so zwingt ihn dies nicht zur Untätigkeit und zur Vornahme von Maßnahmen, die mit dem vorgesehenen Plan nicht in Einklang stehen.

1.918

Der Verwalter, der zur Aufstellung eines Plans beauftragt wird, muss sich die Beratung nicht nur des Gläubigerausschusses, sondern auch des Betriebsrats, des Sprecherausschusses der leitenden Angestellten und des Schuldners gefallen lassen (§ 218 Abs. 3 InsO); er ist allerdings nicht verpflichtet, deren Empfehlungen zu folgen. Diese Beratung ist jedoch geeignet, schon im Vorfeld nach Möglichkeiten für einen Ausgleich der gegensätzlichen Interessen zu sorgen, um eine spätere Kampfabstimmung der verschiedenen Gruppen (s. Rn. 1.946 ff.) zu vermeiden.

1.919

1 Zur gerichtlichen Vorprüfung s. Horstkotte ZInsO 2014, 1297; Stahlschmidt ZInsO 2018, 494. 2 Z.B. wegen offensichtlich fehlender Deckung der Masseverbindlichkeiten (LG Düsseldorf v. 28.11.2018 – 25 T 556/18, ZInsO 2019, 913). 3 BGH v. 30.6.2011 – IX ZB 30/10, ZInsO 2011, 1550. 4 AG Düsseldorf v. 30.3.2020 – 513 IK 220/17, ZInsO 2020, 1328. 5 Zu den Möglichkeiten einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen zur Vorlage von Insolvenzplänen s. Smid WM 1996, 1250; zur Konkurrenz unterschiedlicher Pläne von Verwalter bzw. Insolvenzschuldner s. Binz, Konkurrierende Insolvenzpläne, 2001. 6 A.A. Maus in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, 931. 7 RegE einer Insolvenzordnung v. 15.4.1992 – BT-Drucks 12/2443.

Martin Obermüller | 195

Erster Teil Rz. 1.920 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

bb) Vorlage durch den Schuldner

1.920

Auf diese Beratung kann der Schuldner, der selbst den Plan vorlegt, rechtlich zwar verzichten; praktisch wäre es aber untunlich, die einflussreichsten Stimmberechtigten mit einem Plan zu konfrontieren, zu dessen Ausgestaltung ihnen nicht einmal Anregungen ermöglicht wurden.

1.921

Der Schuldner kann den Plan schon mit seinem Eröffnungsantrag oder im Anschluss an den Eröffnungsantrag eines Dritten vorlegen, muss also nicht das Votum der Gläubigerversammlung abwarten. Wenn es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person handelt, kann jeder Vorstand, Geschäftsführer oder Liquidator einen Plan unterbreiten, während bei Personengesellschaften wegen der Notwendigkeit einer einheitlichen Willensbildung aller, die die Funktion des Schuldners wahrnehmen, die persönlich haftenden Gesellschafter einen Plan nur gemeinsam einbringen können1. cc) Vorlagerecht bei Eigenverwaltung

1.922

Im Rahmen der Eigenverwaltung kann die Gläubigerversammlung den Auftrag, einen Insolvenzplan zu erstellen, sowohl an den Schuldner als auch an den Sachwalter richten (§ 284 Abs. 1 InsO). Ein vorläufiger Gläubigerausschuss kann einen solchen Auftrag an den vorläufigen Sachwalter oder den Schuldner richten (§ 284 Abs. 1 Satz 2 InsO). dd) Vorbereitung der Planvorlage

1.923

Die Vorbereitung eines Insolvenzplans nimmt erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit in Anspruch. Die dabei an sich wünschenswerte Beteiligung der wesentlichen Gläubiger schon vor dem Insolvenzantrag stößt jedoch auf praktische Hindernisse. So sind beispielsweise Lieferanten, die ihre Lieferbeziehung über einen Kreditversicherer abgesichert haben, verpflichtet, den Kreditversicherer über eine wirtschaftliche Schieflage ihres Kunden zu unterrichten2. Dies führt im Regelfall zu einer sofortigen Reduzierung der versicherten Linie durch den Kreditversicherer und löst einen Domino-Effekt aus. Auch bei Banken muss mit einer sofortigen Kündigung der Kredite oder zumindest mit einem sog. „Einfrieren“ der Kreditlinie auf die derzeitige Inanspruchnahme gerechnet werden. Diese Reaktion der wichtigsten Gläubiger kann zu einem „Hineinstolpern“ in eine ungeordnete Insolvenz und damit von vornherein zu einem Scheitern des Plans führen3. Eine Unterrichtung der Gläubiger, auf deren Kooperation das Unternehmen angewiesen ist, muss jedoch so früh wie möglich nachgeholt werden, da das Unternehmen auf deren Unterstützung angewiesen sein wird. Sofern es sich bei dem Unternehmen um eine börsennotierte Aktiengesellschaft handelt, sind außerdem die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes über die sog. Ad-hoc-Publizität (Art. 7, 17 Abs. 1 Marktmissbrauchsverordnung4) zu beachten (Einzelheiten s. Rn. 8.157). Die Unternehmensführung gerät damit in einen kaum zu lösenden Interessenwiderstreit.

1 Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 3. Aufl. 2003, Rn. 25. 2 Kußmaul/Steffan DB 2000, 1849. 3 Kußmaul/Steffan DB 2000, 1849. 4 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch v. 12.6.2014 (Marktmissbrauchsverordnung) – ABl. L 173/1.

196 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.929 Erster Teil

ee) Schutz der Vorbereitung Wenn der Insolvenzverwalter die Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse ohne Rücksicht auf den vorgelegten Plan fortsetzen würde, könnte dem Plan die tatsächliche Grundlage entzogen werden, bevor die Gläubiger überhaupt Gelegenheit hätten, über die Annahme des Plans zu entscheiden. Um dies zu vermeiden, ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners oder des Insolvenzverwalters die Aussetzung der Verwertung und Verteilung an (§ 233 InsO) (Einzelheiten s. Rn. 6.1836 ff.).

1.924

frei

1.925

b) Gliederung des Plans Der Insolvenzplan muss aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil bestehen (§ 219 InsO). Ihm sind gesetzlich im Einzelnen vorgeschriebene Anlagen beizufügen.

1.926

aa) Darstellender Teil Der darstellende Teil hat alle Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans zu enthalten, die für die Entscheidung der Gläubiger erheblich sind1. Er muss den Zustand des Unternehmens beschreiben, also gewissermaßen eine Zwischenbilanz mit vorläufiger Gewinn- und Verlustrechnung enthalten2 und aufbauend auf dem Vermögensverzeichnis die Massegegenstände unter Zerschlagungswerten aufführen und im Wege einer Vergleichsrechnung gegenüberstellen, inwieweit durch den Plan die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verbessert werden3.

1.927

Dazu muss der Plan vor allem erläutern, worin die Unternehmensleitung die Ursachen für die Insolvenz sieht. Denn ohne eine eingehende Analyse der Verlustquellen lassen sich Maßnahmen zu deren Beseitigung nicht konzipieren. Die gebotene schonungslose Aufdeckung aller Schwachstellen fällt dem Schuldner naturgemäß besonders schwer, wenn die Krisenursachen nicht auf äußere Ereignisse wie politische Risiken in wesentlichen Märkten, eine allgemeine Rezession der Branche oder den Ausfall eines wichtigen Abnehmers geschoben werden können, sondern Fehler in der Unternehmensführung eingestanden werden müssen. Andererseits muss der Schuldner berücksichtigen, dass er eine Unterstützung seiner Gläubiger nur dann erreichen kann, wenn sie den Eindruck haben, dass ihnen die Gesamtsituation des Unternehmens umfassend und offen dargestellt wird, damit sie in die Lage versetzt werden, die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen auch im Hinblick auf ihre Durchführbarkeit und ihre Erfolgsaussichten zu beurteilen4.

1.928

Der darstellende Teil muss dann die Konsequenzen, die aus der Analyse der Krisenursachen gezogen werden sollen, und die wirtschaftliche, finanzielle und rechtliche Durchführbarkeit der zu treffenden Maßnahmen aufzeigen. Diese können beispielsweise in der Stilllegung verlustbringender Betriebsteile oder in deren Veräußerung bzw. Einbringung in eine gemeinsame Tochtergesellschaft mit einem starken Partner oder, was für die Gläubiger weitaus riskanter

1.929

1 BGH v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, ZIP 2010, 1499 = ZInsO 2010, 1449. 2 Zu den Rechnungslegungspflichten im Insolvenzverfahren s. IDW RH HFA 1.012 abgedr. FN 2015, Heft 11. 3 Zu Funktion und Konzeption insovenzrechtlicher Planbilanzen s. Heni ZInsO 2006, 57. 4 Kußmaul/Steffan DB 2000, 1849.

Martin Obermüller | 197

Erster Teil Rz. 1.929 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

sein kann, in der Veräußerung Gewinn bringender Teile liegen, um mit dem Veräußerungserlös die betriebswirtschaftliche Sanierung der Verlustbringer zu finanzieren1.

1.930

Die Konsequenzen können auch in einer Änderung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse durch Aufnahme neuer Kapitalgeber in den bestehenden Gesellschafterkreis, der vollständigen Auswechslung der Gesellschafter oder einer übertragenden Sanierung2 bestehen.

1.931

Sieht der Insolvenzplan Eingriffe in die Rechte von Insolvenzgläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten vor, sind in die Darstellung auch die Verhältnisse des die Sicherheit gewährenden verbundenen Unternehmens und die Auswirkungen des Plans auf dieses Unternehmen einzubeziehen (§ 220 Abs. 3 InsO). bb) Gestaltender Teil

1.932

Im gestaltenden Teil wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll (§ 221 InsO). Der Plan kann Eingriffe in die Rechte sämtlicher Beteiligter vorsehen, also nicht nur von den nachrangigen und den nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, sondern auch von den Absonderungsberechtigten und den Arbeitnehmern Zugeständnisse verlangen. Die Rechte der Aussonderungsberechtigten kann der Plan dagegen ohne deren Einverständnis nicht schmälern3; Mehrheitsentscheidungen sind nicht zulässig. Sofern dieser Personenkreis zu Beiträgen für die Sanierung herangezogen werden muss, sollte sich der Planverfasser von deren Bereitschaft zur Mitwirkung an den vorgeschlagenen Maßnahmen überzeugt haben, bevor er den Plan zur Abstimmung bringt. Anderenfalls müsste der Plan unter die Bedingung gestellt werden, dass bestimmte Erfordernisse erfüllt werden4.

1.933

Inhaltlich können die Eingriffe in die Rechte der Insolvenzgläubiger sich auf ein reines Moratorium, also eine Stundung der Forderungen mit oder ohne einen vollständigen oder teilweisen Zinsverzicht beschränken, den Gläubigern aber auch weitgehende Opfer abverlangen wie einen mehr oder weniger großen Forderungserlass. Der Verzicht kann auch mit einem Besserungsversprechen5 versehen sein. Dem Gläubiger kann eine Umwandlung seiner Forderungen in Kapital ermöglicht werden. Mindestquoten oder Erfüllungsfristen, die die Vergleichsordnung vorsah und die zu ihrer Bedeutungslosigkeit erheblich beigetragen haben, sind nicht einzuhalten.

1.934

Anders als im Liquidationsverfahren sind grundsätzlich auch Eingriffe in die Sicherheiten durch den Insolvenzplan zulässig (Einzelheiten s. Rn. 6.1854). Diese Eingriffe können sich auch auf sog. gruppeninterne Drittsicherheiten, also Sicherheiten beziehen, die von einer Tochtergesellschaft des insolventen Unternehmens gestellt wurden (§ 217 Abs. 2 InsO).

1 Einzelheiten s. Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 3. Aufl. 2003, Rn. 506 ff. 2 Zipperer NZI 2008, 206; Köchling ZInsO 2009, 641; Schmerbach/Staufenbiel ZInsO 2009, 458; Einzelheiten s. Noack/Bunke KTS 2005, 129; Mückl/Götte ZInsO 2021, 418; zu gesellschaftsrechtlichen Anforderungen s. BGH v. 18.2.2008 – II ZR 132/06, ZIP 2008, 788 = WM 2008, 784; zu den Auswirkungen der Finanzmarktkrise 2008 auf die übertragende Sanierung s. Fröhlich/Sittel ZInsO 2009, 858; s. auch Bericht über die 3. Jahrestagung des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht Düsseldorf zum Fall Pfleiderer ZInsO 2016, 2240. 3 LG Frankfurt/Main v. 29.10.2007 – 2/9 T 198/07, ZIP 2007, 2229. 4 LG Dessau v. 5.7.2000 – 9 T 327/00, DZWIR 2001, 390; Müller KTS 2002, 209. 5 Kresser ZInsO 2010, 1409; Wallner ZInsO 2010, 1419.

198 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.936 Erster Teil

Auch in Rechte und Befugnisse der Anteilseigner1 kann der Plan eingreifen. Nach der auf Weber2 zurückgehenden Verdrängungslehre war hinsichtlich der Kompetenzzuweisungen im Insolvenzverfahren bisher zu unterscheiden zwischen dem Verdrängungsbereich, in dem der Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den Insolvenzverwalter nach § 80 InsO Vorrang vor sämtlichen Entscheidungskompetenzen der Gesellschaftsorgane genießt, dem Schuldnerbereich, der das insolvenzfreie Vermögen und die Innenorganisation der Gesellschaft betrifft3 und in dem die Gesellschaftsorgane ihre Kompetenzen grundsätzlich behalten, sowie dem Überschneidungsbereich, in dem zwar der Schuldnerbereich betroffen ist, sich aber doch nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse ergeben können, und in dem die Gesellschaftsorgane und der Insolvenzverwalter deshalb sollen zusammenwirken müssen4. Dies hat sich – jedenfalls im Insolvenzplanverfahren – durch Schaffung der § 217 Abs. 1 Satz 2, § 225a InsO grundlegend geändert und damit einen der wesentlichen Mängel der InsO 19945 beseitigt:

1.935

Im Insolvenzplanverfahren kann jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist6, also z.B. durch Kapitalmaßnahmen wie Kapitalherabsetzung, Kapitalerhöhung, die Leistung einer Sacheinlage7, den Ausschluss des Bezugsrechts8, die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, die Umwandlung durch Verschmelzung, Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung9 oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber (§ 225a InsO)10. Ebenso kann die Fortsetzung einer z.B. nach § 262 Abs. 1 Nr. 3, § 274 Abs. 2 Nr. 1 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelösten Gesellschaft im Plan förmlich beschlossen werden. Die Umwandlung von Forderungen in Gesellschaftsanteile, der sog. Debt-Equity-Swap, kann zwar grundsätzlich im Plan vorgesehen werden11. Allerdings darf nach § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO kein Gläubiger gegen seinen Willen in eine Gesellschafterposition gedrängt werden. Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlusses nach § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG12. Für einen teilweise gesicherten Gläubiger erhebt sich dann die Frage, ob eine Umwandlung von Forde-

1.936

1 Zur Einordnung von Vorzugsaktionären als Gesellschafter oder Gläubiger s. Hirte/Mock ZInsO 2009, 1129; BGH v. 15.4.2010 – IX ZR 188/09, ZInsO 2010, 1059 mit Anm. Madaus ZIP 2010, 1214; LG Düsseldorf v. 10.10.2008 – 39 O 99/08, ZInsO 2009, 1169. 2 Weber KTS 1970, 73. 3 Z.B. die Abberufung und Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (OLG Düsseldorf v. 11.4.2013 – I-3 Wx 36/13, ZIP 2013, 1022). 4 Hölzle ZIP 2012, 2427; zur Kompetenzverteilung zwischen Organen und Insolvenzverwalter s. auch Stöber ZInsO 2012, 1811. 5 Uhlenbruck NZI 2008, 201; anders noch Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Leitsatz 2.2.1920. 6 Zur Dogmatik der Einbeziehung der Gesellschafterrechte in den Insolvenzplan s. Andrianesis WM 2017, 362; Muster-Arbeitshilfen s. Horstkotte/Martini ZInsO 2012, 557. 7 Zur verdeckten Sacheinlage s. Geißler ZInsO 2015, 182. 8 Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung s. Decher/Voland ZIP 2013, 103. 9 Weiterführend Becker ZInsO 2013, 1885; Brünkmans ZInsO 2014, 2533; Kahlert DStR 2013, 975; Madaus ZIP 2012, 2133; Roth ZInsO 2013, 1709; Simon/Brünkmans ZIP 2014, 657; zur Vermeidung eines Sanierungsgewinns durch Ausgliederung s. Hölzle/Kahlert ZIP 2017, 510. 10 Zur Vereinbarkeit dieser Regelungen mit Art. 14 GG s. Bay/Seeburg/Böhmer ZInsO 2011, 1927. 11 Zu Gestaltungsmöglichkeiten s. Günther ZInsO 2012, 2037; Korff ZInsO 2013, 2411; Müller KTS 2012, 419; Wuschek ZInsO 2012, 1768; zu Risiken für die Gläubiger s. Kanzler/Mader GmbHR 2012, 992; Buchalik ZInsO 2019, 465. 12 Weiterführend unten Rn. 8.180 und Lürken ZIP 2021, 1305.

Martin Obermüller | 199

Erster Teil Rz. 1.936 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

rungen in Gesellschaftsanteile unter vorheriger Verwertung seiner Sicherheiten oder gar unter deren Aufgabe ein gangbarer Weg sein kann1.

1.937

Sofern zur Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen die Aufnahme neuer Kredite vorgesehen ist und diese – wie in derartigen Situationen üblich – nur zu erhalten sind, wenn ihnen für den Fall des Scheiterns der Sanierung ein Vorrang vor den sonstigen Gläubigern eingeräumt wird, muss der Plan einen betragsmäßig festgelegten Kreditrahmen und ein an die Planbestätigung anschließendes Überwachungsverfahren vorsehen (§ 264 InsO) (Einzelheiten s. Rn. 5.866 ff.). cc) Anlagen

1.938

In einem Insolvenzplan, der die Sanierung eines Unternehmens zum Gegenstand hat mit der Folge, dass ggf. ein Teil der Verbindlichkeiten aus künftigen Erträgen des Unternehmens erfüllt werden soll, soll den Gläubigern die Grundlage für die Beurteilung der künftigen Entwicklung des Unternehmens mitgeteilt werden. Deshalb ist eine Vermögensübersicht vorzulegen. Des Weiteren ist für den Zeitraum, in dem die Gläubiger befriedigt werden sollen, eine Plan-, Gewinn- und Verlustrechnung, ein Liquiditätsplan und eine Planbilanz vorzulegen2. Sieht der Insolvenzplan Eingriffe in die Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten vor, so ist dem Plan die Zustimmung des verbundenen Unternehmens beizufügen, das die Sicherheit gestellt hat (§ 230 Abs. 4 InsO).

1.939

Ein Plan kann etwa wie folgt aufgebaut werden:

M 5 Insolvenzplan I. Planinitiatoren (§ 218 InsO) Verwalter und Schuldner II. Darstellender Teil des Sanierungsplans (= Sanierungskonzept) 1. Wirtschaftliche Unternehmensdaten – des Unternehmens – der Branche – der Gesamtwirtschaft 2. Krisenursachen und Krisensymptome – Produktkrise – Absatzkrise – Leistungskrise

1 Zur Bewertung der Sicherheiten s. Eckert/Harig ZInsO 2012, 2318. 2 Einzelheiten und Beispiele s. Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 3. Aufl. 2003, Rn. 95 ff. Anhang Muster 1; Ebeling/Knigge ZInsO 2015, 231; Musterinsolvenzplan für Freiberufler s. Ehlers/Schmid-Sperber ZInsO 2008, 879; Lauscher ZInsO 1999, 5; zu Funktion und Konzeption insolvenzrechtlicher Planbilanzen s. Heni ZInsO 2006, 57.

200 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.939 Erster Teil

– Strukturkrise – Käuferkrise – Personalkrise – Managementkrise – Führungskrise – Liquiditätskrise 3. Finanzlage 4. Ertragslage 5. Schwachstellenanalyse 6. Sanierungskonzept – Analyse – Beurteilung 7. Sanierungschancen III. Gestaltender Teil des Sanierungskonzepts (= Feststellung, wie die Rechtsstellung der Beteiligten geändert werden soll) 1. Zusammenstellung der Gruppen – Absonderungsgläubiger – Insolvenzgläubiger – Schuldner – Gesellschafter (des Schuldners) 2. Beispiele für den gestaltenden Teil a) absonderungsberechtigte Gläubiger – Verzicht auf die Zinsen (§ 169 InsO) – Zahlung höherer als der gesetzlichen Verwertungskosten (§ 171 InsO) – Verzicht auf Ausgleich des Wertverlustes b) Insolvenzgläubiger – Forderungserlass in Höhe von 50–90 % – Stundung des nichterlassenen Teils auf drei Jahre oder – Beteiligung an Gesellschaft – Arbeitnehmer verzichten auf den nicht durch Insolvenzausfallgeld gesicherten Teil der rückständigen Gehälter c) Schuldner und Gesellschafter – stimmen Kapitalherabsetzung, – Umwandlung von Forderungen in Kapital und – Aufnahme neuer Gesellschafter zu Martin Obermüller | 201

Erster Teil Rz. 1.939 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht d) Erfüllung des Insolvenzplans soll durch Insolvenzverwalter überwacht werden (§ 260 InsO) e) Übernahmegesellschaft bedarf für Investitionen der Zustimmung des Insolvenzverwalters (§ 263 InsO) f) Festlegung eines Kreditrahmens für die Übernahmegesellschaft (§ 264 InsO) 3. Plananlagen (§§ 229 InsO) – Plan-Bilanzen – Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen – Plan-Liquiditätsrechnungen 4. Zustimmungserklärungen (§§ 230 InsO) – Schuldner zur Fortführung des Unternehmens – Gläubiger zur Übernahme von Anteilen – Verbundene Unternehmen zu Eingriffen in gruppeninterne Drittsicherheiten

5. Gruppenbildung 1.940

Bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten im Insolvenzplan sind Gruppen zu bilden, soweit Beteiligte mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind (§ 222 InsO). Innerhalb jeder Gruppe sind allen Beteiligten gleiche Rechte anzubieten; eine unterschiedliche Behandlung ist nur mit Zustimmung aller Betroffenen zulässig (§ 226 Abs. 2 InsO). Jedes andere Abkommen mit einzelnen Beteiligten, durch das diesen Sondervorteile gewährt werden, ist nichtig (§ 226 Abs. 3 InsO). Unter den Begriff des Sonderabkommens fallen sowohl schuldrechtliche Verträge als auch Gestaltungsakte, Ermächtigungen, Verfügungsgeschäfte. Die Bevorzugung kann in jeder Art der objektiven Besserstellung liegen. Das Verbot greift in zeitlicher Hinsicht ein, sobald ein Insolvenzplan in Erwägung gezogen wird1. Nichtig ist es aber nur, wenn der Plan auch zustande kommt.

1.941

Bei der Gruppenbildung ist nach § 222 InsO zu unterscheiden zwischen – den Absonderungsberechtigten, – den nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, – den einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubigern, – den Anteilseignern, wenn deren Anteile oder Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden, – den Inhabern von Rechten aus gruppeninternen Drittsicherheiten, – den Arbeitnehmern, wenn sie als Insolvenzgläubiger mit nicht unerheblichen Forderungen beteiligt sind2, und dem Pensions-Sicherungs-Verein (s. § 9 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG), – möglichst auch den Kleingläubigern und Anteilseignern mit Beteiligungen unter 1 % oder unter 1.000 Euro. 1 Kaltmeyer ZInsO 1999, 255. 2 LG Mühlhausen v. 17.9.2007 – 2 T 190/06, KTS 2008, 211; zu arbeitsrechtlichen Erlassverboten s. Rieble ZIP 2007, 1389.

202 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.945 Erster Teil

Neben diesen Gruppen können aus den Gläubigern mit gleicher Rechtsstellung noch weitere Gruppen gebildet werden, in denen Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst werden1. Als gleichartige wirtschaftliche Interessen kommen dabei insbesondere in Betracht2:

1.942

– Interesse entsprechend der Forderungsentstehung (Lieferanten, Berater, Arbeitnehmer, Handwerker, Vermieter, Energielieferanten), – Interesse entsprechend der Art der Sicherungsrechte (Grundpfandrechte, Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung aus dem Schuldnervermögen3), – Interesse je nach Werthaltigkeit der Forderung bzw. der Sicherheit4, – Interesse an der Fortführung des Betriebs zur besseren Verwertung der Sicherheit, – Interesse an einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen (wegen Abwendung der Nachteile aus dem Ausfall eines wichtigen Lieferanten oder Abnehmers). Die Gruppen müssen sachgerecht voneinander abgegrenzt werden (§ 222 Abs. 2 Satz 2 InsO). Bei der Bildung fakultativer Gruppen ist zu erläutern, aufgrund welcher gleichartigen insolvenzbezogenen wirtschaftlichen Interessen die Gruppe gebildet wurde und inwiefern alle Beteiligten, deren wichtigste insolvenzbezogenen wirtschaftlichen Interessen übereinstimmen, derselben Gruppe zugeordnet wurden5. Die sachliche Abgrenzung6 unterliegt der Inhaltskontrolle des Insolvenzgerichts7. Das Gericht kann jedoch nur überprüfen, ob die Gläubiger entsprechend ihrer unterschiedlichen Rechtsstellung der richtigen Gruppe zugewiesen wurden; dagegen obliegt es dem Verfasser zu entscheiden, ob er neben den vom Gesetz vorgegebenen Gruppen noch weitere bildet8.

1.943

Die Zusammenstellung der Gruppen obliegt demjenigen, der den Plan ausarbeitet, also dem Schuldner bzw. dem Insolvenzverwalter. Damit wird verhindert, dass sich unbedeutende Gläubigergruppen mit dem Ziel abspalten, als eigene Gruppe einen erhöhten Lästigkeitswert und damit eine bessere Behandlung zu erreichen9.

1.944

Die Gruppenbildung ist Kernbereich eines Insolvenzplans und kann im Erörterungstermin nicht mehr verändert werden. Denn die Gruppenbildung ist in Verbindung mit dem Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) das maßgebliche Instrument, um die Annahme eines Insolvenzplans

1.945

1 Paul in BK InsO, Stand 2021, § 222 Rn. 6; zu Besonderheiten bei Genossenschaften s. Scheibner DZWIR 1999, 8. 2 S. noch weitere Gliederung bei Kaltmeyer ZInsO 1999, 255. 3 AG Cuxhaven v. 14.9.2017 – 12 IN 168/16, ZInsO 2017, 2128; s. auch Rn. 6.1863. 4 BGH v. 7.7.2005 – IX ZR 266/04, WM 2005, 1853. 5 BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, ZIP 2015, 1346 mit Anm. Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539. 6 Zur Abgrenzung zwischen Gestaltung und Manipulation s. Frind NZI 2007, 374; Paul in BK InsO, Stand 2021, § 222 Rn. 34 f.; zur Manipulation durch „Ein-Gläubiger-Gruppen“ s. Hingerl ZInsO 2007, 1337; s. auch Rüwe, Mehrheitsbeschaffung durch Gruppenbildung, 2008. 7 LG Mühlhausen v. 17.9.2007 – 2 T 190/06, NZI 2007, 724; Smid InVo 1997, 169 ff.; Smid WM 1998, 2489; Rattunde in Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, 4. Aufl.2018, § 222 Rn. 2; a.A. Hess/Weis WM 1998, 2349. 8 Kaltmeyer ZInsO 1999, 255. 9 Zur Aufteilung der Kleingläubigergruppe in mehrere s. LG Neuruppin v. 19.4.2013 – 2 T 33/13, ZIP 2013, 1541= ZInsO 2013, 1040.

Martin Obermüller | 203

Erster Teil Rz. 1.945 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

beeinflussen zu können. Ist eine Gruppenbildung vom Gericht zugelassen und damit für sachgerecht erklärt worden, so können die Gläubiger darauf vertrauen, dass es bei dieser Gruppenbildung bleibt und es nicht deswegen zu Veränderungen kommt, um mangelnde Mehrheiten für den Plan durch eine Abänderung der Gruppenbildung auszugleichen1.

6. Abstimmung 1.946

Zur Annahme des Insolvenzplans ist nach § 244 InsO erforderlich, dass in jeder Gruppe 1. die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger2 dem Plan zustimmt und 2. die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt und3. 3. die Summe der zustimmenden Beteiligungen mehr als die Hälfte der Summe der abstimmenden Beteiligungen beträgt; auf eine Kopfmehrheit kommt es hier nicht an (§ 244 Abs. 3 InsO). Beteiligt sich kein Mitglied der Gruppe der Anteilsinhaber an der Abstimmung, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 246a InsO). a) Anzahl der Stimmrechte

1.947

Ein Vertreter mehrerer Gläubiger erhält so viele Stimmen wie er Gläubiger vertritt; er kann für die einzelnen Vertretenen verschiedenartig abstimmen4. Demgegenüber soll ein Gläubiger auch dann mit nur einer Stimme berücksichtigt werden, wenn er – wie beispielsweise häufig Inkassounternehmen – durch Inkassozessionen oder Forderungskauf mehrere Forderungen erworben hat; das Gleiche soll für den Pensions-Sicherungs-Verein5 und den Einlagensicherungsfonds gelten. Überzeugend ist diese Auffassung nicht. Denn aus § 244 Abs. 2 Satz 1 InsO lässt sich der Gedanke des Gesetzgebers ableiten, dass für die Anzahl der Stimmen die Situation maßgeblich ist, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand; spätere Teilungen der Forderung oder Bündelung mehrerer Forderungen in einer Hand dürfen die Stimmrechte nicht verändern.

1.948

Die nötigen Stimmen darf sich der Schuldner nicht durch Versprechungen oder heimliche Vergünstigungen erkaufen6. Zwar war die Vorschrift des § 243 KO, die den Stimmenkauf unter Strafe stellte, bereits 19767 aufgehoben worden, weil sie nach den Erfahrungen der gericht-

1 AG Düsseldorf v. 8.10.2019 – 513 IK 220/17, ZInsO 2020, 425; LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZInsO 2020, 840. 2 Damit findet sich die unselige Kopfmehrheit, die aus der Vergleichsordnung stammt und dort meist zu einer Bevorzugung oder sogar vollen Abfindung der Gläubiger, die nur über geringe Forderungen verfügen und deshalb ohnehin am wenigsten verloren hätten (sog. Kleingläubiger), geführt hat, jetzt im Planverfahren wieder. Kritisch dazu Goller ZInsO 2000, 249. 3 Demgegenüber bemisst sich im Restrukturierungsverfahren das Stimmrecht ausschließlich nach der Höhe der Forderung innerhalb einer Gruppe und nicht nach den tatsächlich abgegebenen Stimmen, sodass nicht abgegebene Stimmen wie Ablehnungen wirken (Stahlschmidt ZInsO 2021, 205; Spahlinger NZI 2021, Beil. 1 S. 32). 4 OLG Köln v. 1.12.2000 – 2 W 202/00, ZIP 2000, 2312 = ZInsO 2001, 85. 5 LG Hannover v. 23.12.1996 – 20 T 135/96, WM 1997, 687; Grub FS Ganter, 2010, 3; a.A. Gerhard ZIP 1988, 491. 6 BGH v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, ZIP 2005, 719. 7 Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität v. 29.7.1976 – BGBl. I, 2034.

204 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.953 Erster Teil

lichen Praxis keine Bedeutung erlangt hatte1. Damit ist jedoch nur die Strafbarkeit beseitigt, nicht aber das Verbot von Sonderbegünstigungen, die die InsO in § 226 Abs. 3 InsO für nichtig erklärt und die zur Versagung der gerichtlichen Bestätigung führen müssen (§ 250 Nr. 2 InsO)2. Kauft ein Insolvenzgläubiger oder ein Dritter einzelnen anderen Insolvenzgläubigern deren Forderungen zu einem Preis ab, der die in einem vorgelegten Insolvenzplan vorgesehene Quote übersteigt, um mit der so erlangten Abstimmungsmehrheit die Annahme des Insolvenzplans zu bewirken, ist der Forderungskauf nichtig, wenn der Insolvenzplan zustande kommt; das Insolvenzgericht darf den Plan nicht bestätigen, wenn dessen Annahme auf dem Forderungskauf beruhen kann3.

1.949

frei b) Stimmrecht der besicherten und der nachrangigen Gläubiger Absonderungsberechtigte sind in ihrer Gruppe und auch in der Gruppe der Insolvenzgläubiger, jedoch nur insoweit, als ihr Ausfall feststeht oder sie auf abgesonderte Befriedigung verzichten, zur Abstimmung berechtigt (§ 237 Abs. 1 InsO). Bei der Feststellung der Kopfmehrheit ist ein Absonderungsberechtigter in beiden Gruppen mit jeweils einer Stimme, nicht etwa mit einer anteiligen Kopfstimme zu berücksichtigen. Die Mitgliedschaft in einem Sicherheitenpool kann sich auf das Kopfstimmrecht auswirken (s. Rn. 6.830 ff.).

1.950

Die Frage des Stimmrechts nachrangiger Insolvenzgläubiger, zu denen die Banken stets mit ihren Zinsforderungen gehören, stellt sich nur, wenn diese auf der Grundlage des Plans überhaupt eine quotale Befriedigung zu erwarten haben. Üblicherweise haben allerdings bereits die nicht nachrangigen Gläubiger erhebliche Vermögenseinbußen hinzunehmen, so dass eine quotale Befriedigung und damit eine Abstimmung nachrangiger Insolvenzgläubiger nicht in Betracht kommen4.

1.951

c) Obstruktionsverbot und Minderheitenschutz Durch Vorschriften über ein Obstruktionsverbot und einen Minderheitenschutz versucht der Gesetzgeber, den Einfluss von Minderheiten zurückzudrängen, ohne sie gleichzeitig sämtlicher Rechte zu berauben.

1.952

Auch wenn die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht werden, gilt die Zustimmung als erteilt, wenn

1.953

1. die Angehörigen der widersprechenden Gruppe durch den Plan nicht schlechter als bei einer Liquidation gestellt und 2. angemessen an dem wirtschaftlichen Ergebnis des Plans beteiligt werden und 3. die Mehrheit der Gruppen dem Plan zugestimmt hat

1 S. Begründung RegE eines ersten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität v. 1.4.1975 – BT-Drucks. 7/3441 S. 34. 2 AG Duisburg v. 14.11.2001 – 60 IN 107/00, ZInsO 2002, 737. 3 BGH v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, ZIP 2005, 719. 4 Jaffé in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 237 Rn. 7; zweifelnd Fiebig in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 237 Rn. 10 ff.

Martin Obermüller | 205

Erster Teil Rz. 1.953 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

(sog. Obstruktionsverbot – § 245 InsO1). Diese drei Erfordernisse gelten kumulativ2. Sieht der Plan nur eine einzige Gruppe vor, so kann deren negatives Votum naturgemäß nicht ersetzt werden3.

1.954

Eine angemessene Beteiligung von Gläubigern wird nach § 245 InsO angenommen, wenn 1. kein anderer Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen, und 2. weder ein Gläubiger, der ohne einen Plan mit Nachrang gegenüber den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, noch der Schuldner oder eine an ihm beteiligte Person einen wirtschaftlichen Wert erhält und 3. kein Gläubiger, der ohne einen Plan gleichrangig mit den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, bessergestellt wird als diese Gläubiger.

1.955

Eine angemessene Beteiligung von Anteilseignern wird angenommen, wenn 1. sie durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden, 2. kein Gläubiger einen seinen Anspruch übersteigenden Betrag erhält, 3. kein gleichgestellter Anteilsinhaber mehr erhält (§ 245 Abs. 3 InsO)4.

1.956

Auch wenn sämtliche Mehrheiten erreicht sind oder als erreicht gelten, hat das Gericht auf Antrag eines Gläubigers die Bestätigung des Plans zu versagen, wenn dieser Gläubiger durch den Plan schlechter gestellt wird als er ohne den Plan stünde (sog. Minderheitenschutz – § 251 InsO). Beispielsweise wird ein Gläubiger durch einen Plan noch nicht schlechter gestellt als ohne einen solchen, wenn der Plan die Rückzahlung eines Kredits vorsieht und lediglich die Tilgung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgesetzt ist, sofern das Zinsniveau hypothekarisch gesicherter Kredite mit den vertraglich vereinbarten Darlehenszinsen in etwa übereinstimmt5. Umgekehrt ist eine wesentliche Schlechterstellung eines Anteilseigners mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, wenn der Insolvenzplan zwar eine Umwandlung der mit erheblichen Mitwirkungsrechten ausgestatteten Kommanditbeteiligung in eine Aktienbeteiligung vorsieht, aber alle Insolvenzgläubiger ohne die Notwendigkeit weiterer Sanierungsmaßnahmen voll befriedigt werden sollen6. 1 S. Smid InVo 1996, 314; zu den Entscheidungskriterien s. AG Mühldorf v. 27.7.1999 – 1 IN 26/99, NZI 1999, 422; LG Traunstein v. 27.8.1999 – 4 T 2966/99, ZInsO 1999, 577; zur Kollision mit dem Beihilfeverbot des Art. 107 AEUV (früher Art. 87 EGV) s. LG Magdeburg v. 25.4.2001 – 3 T 12/ 01, ZInsO 2001, 475; rechtsvergleichend Wittig ZInsO 1999, 373. 2 OLG Köln v. 5.1.2001 – 1 W 228/00, ZInsO 2002, 330; LG Göttingen v. 7.9.2004 – 10 T 78/04, ZInsO 2004, 1318. 3 AG Duisburg v. 15.8.2001 – 43 IN 40/00, NZI 2001, 605. 4 Zur Vereinbarkeit dieser Regelung mit Art. 14 GG s. Landfermann WM 2012, 821. 5 AG Mühldorf v. 27.7.1999 – 1 IN 26/99, NZI 1999, 422. 6 Fall Suhrkamp, s. dazu BGH v. 17.7.2014 – IX ZB 13/14, ZInsO 2014, 1552; BVerfG v. 18.12.2014 – 2 BvR 1978/13, ZIP 2015, 80 mit Anm. Fölsing ZInsO 2015, 88; LG Berlin v. 20.10.2014 – 51 T 696/14, ZIP 2014, 2197; AG Charlottenburg v. 9.2.2015 – HRB 153203 B, ZInsO 2015, 413 zum Prüfungsrahmen des Registergerichts mit Anm. Horstkotte ZInsO 2015, 416; Böcker ZInsO 2015, 773; Böcker DZWIR 2015, 125; Fölsing ZInsO 2014, 1591; Fölsing ZInsO 2017, 684; Hölzle ZIP 2014, 1819; Marotzke ZInsO 2015, 325; Meyer DB 2015, 538; Möhlenkamp BB 2013, 2828; Müller DB 2014, 41; Pleister/Tholen ZInsO 2015, 414; Schäfer ZIP 2014, 2417; Stöber ZInsO 2013, 2457.

206 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.960 Erster Teil

Der Antrag auf Versagung der Bestätigung ist nur zulässig, wenn der Gläubiger oder Anteilseigner dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle widersprochen und seine Benachteiligung gleichzeitig mit konkreten Tatsachen begründet1 und diese glaubhaft gemacht hat2. Das Votum gegen den Plan allein ersetzt nicht den nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 InsO notwendigen Widerspruch3. Einem Missbrauch des Minderheitenschutzes wird dadurch begegnet, dass ein Antrag auf Versagung der Bestätigung des Insolvenzplans abzuweisen ist, wenn Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist (§ 251 Abs. 3 InsO). Damit verlieren sog. räuberische Aktionäre4 zwar nicht ihre Rechte, wohl aber ihr Erpressungspotential.

1.957

d) Taktische Möglichkeiten Diese Regelungen geben einerseits dem Schuldner bzw. Verwalter, der einen Insolvenzplan durchsetzen will, hinreichenden Spielraum, um durch geschickte Gruppenbildung die Gegner zu isolieren und über das Obstruktionsverbot auszuschalten5.

1.958

Andererseits sollte der Wert der taktischen Möglichkeiten zur Ausgrenzung missliebiger Gläubiger nicht überschätzt werden. Denn durch den Minderheitenschutz erhält jeder Gläubiger die Möglichkeit, dem zu begegnen, aber auch sich einen Lästigkeitswert zuzulegen und abkaufen zu lassen. Selbst wenn die Erfolgsaussichten seines Widerspruchs nach § 251 InsO oder einer sofortigen Beschwerde gegen die Bestätigung des Plans (§ 253 InsO) juristisch gering sein sollten6, so fallen doch die wirtschaftlichen Auswirkungen schwer ins Gewicht7. Geschäftspartner des Schuldnerunternehmens werden vor neuen Engagements sehr darauf achten, ob der Plan auf einer rechtlich gesicherten Basis steht oder ob zu den wirtschaftlichen Risiken noch juristische hinzutreten. Rechtsstreitigkeiten über die Bestätigung des Plans wird kaum ein Schuldnerunternehmen überleben.

1.959

7. Wirkungen des Plans Die im Plan vorgesehenen Rechtsänderungen treten mit seiner Bestätigung für und gegen alle Beteiligten ein (§ 254 Abs. 1 InsO)8, selbst wenn sie ihre Forderungen nicht angemeldet haben; Voraussetzung ist allein, dass sie einer der im Insolvenzplan gebildeten Gruppen zuge1 AG Bonn v. 27.5.2104 – 99 IN 153/13, ZInsO 2015, 353. 2 BGH v. 17.12.2009 – IX ZB 124/09, ZIP 2010, 292; LG Düsseldorf v. 10.9.2014 – 25 T 23/14, ZInsO 2014, 1963; zur Substantiierungspflicht s. BGH v. 29.3.2007 – IX ZB 204/05, ZInsO 2007, 491; BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 80/11, ZInsO 2011, 932; LG Nürnberg-Fürth v. 4.2.2011 – 11 T 10430/10, NZI 2011, 592; Thorwart/Schauer NZI 2011, 574. 3 LG Neubrandenburg v. 31.7.2000 – 4 T 260/00, ZInsO 2000, 628. 4 Zum Begriff s. Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 5. Aufl. 2011, Teil A Rn. 22 ff.; K. Schmidt ZIP 2020, 2494; Überlegungen zur Bekämpfung s. Bayer/Hoffmann/Sawada ZIP 2012, 897; Bayer/Hoffmann ZIP 2013, 1193; Keinath ZIP 2013, 1205; Paulus BB 2012, 1556. 5 Uhlenbruck WM 1999, 1197; zu den taktischen Möglichkeiten des Schuldners bei der Gruppenbildung s. Kaltmeyer ZInsO 1999, 255 (264); Rüwe, Mehrheitsbeschaffung durch Gruppenbildung, 2008; zur Kontrolle der sachgerechten Abgrenzung von Gläubigergruppen s. Smid InVo 1997, 169 ff.; zur Abgrenzung zwischen Gestaltung und Manipulation s. Frind NZI 2007, 374; zur Manipulation durch „Ein-Gläubiger-Gruppen“ s. Hingerl ZInsO 2007, 1337. 6 Zum „besonders schweren Rechtsverstoß“ i.S.d. § 253 Abs. 4 Satz 2 InsO s. BVerfG v. 28.10.2020 – 2 BvR 765/20, ZIP 2021, 46. 7 Smid WM 1998, 2489 (2503). 8 Zur Rechtsnatur des Plans s. Häsemeyer FS Gaul, 1997, 175.

Martin Obermüller | 207

1.960

Erster Teil Rz. 1.960 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

rechnet werden können1. Die Rechte der Aussonderungsberechtigten2, der Massegläubiger3 und etwaiger Neugläubiger4, die vom Plan nicht betroffen werden, bleiben in vollem Umfang bestehen, wenn sie während des Verfahrens nicht befriedigt worden sind; für Einkommensteuern, die während eines Insolvenzverfahrens entstanden, aber noch nicht festgesetzt sind, hat der Insolvenzverwalter einen geschätzten Betrag zurückzubehalten5.

1.961

Falls nichts anderes bestimmt ist, wird der Schuldner mit der planmäßigen Befriedigung der Gläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten frei (§ 227 InsO)6. Gerät er mit der Erfüllung jedoch erheblich in Rückstand, so leben die Forderungen der davon betroffenen Gläubiger wieder auf (§ 255 Abs. 1 InsO). Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen sowie an Gegenständen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, werden mit Ausnahme der gruppeninternen Drittsicherheiten (§ 217 Abs. 2 InsO) durch den Plan nicht berührt (§ 254 Abs. 2 InsO). Der Schuldner wird jedoch von deren Rückgriffsansprüchen frei.

1.962

Nach der gerichtlichen Bestätigung eines Plans, der die Umwandlung von Forderungen in Kapital vorsieht, können keine Ansprüche wegen einer Überbewertung der Forderungen im Plan gegen die bisherigen Gläubiger geltend gemacht werden (§ 254 Abs. 4 InsO). Die sonst gegebene Nachschusspflicht des Gläubigers im Wege der Differenzhaftung7 wird zukünftig zugunsten der Rechtssicherheit für den Gläubiger ausgeschlossen8. Wenn einem Gläubiger nach der Umwandlung von Forderungen in Kapital noch Kreditforderungen verbleiben, werden diese den Regeln über Gesellschafterdarlehen unterworfen. Zwar glaubt der Gesetzgeber, im Fall des Erwerbs einer Beteiligung durch den Insolvenzplan sei davon auszugehen, dass das Sanierungsprivileg gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO greife9. Ob das allerdings ein Gericht ebenso sieht oder nicht vielmehr dieselben hohen Anforderungen an ein tragfähiges Sanierungskonzept stellt wie außerhalb des Insolvenzverfahrens (Einzelheiten s. Rn. 5.158 ff.), bleibt ungewiss. Die Bank muss deshalb im Insolvenzplanverfahren dieselben Maßstäbe an die Prüfung des Sanierungskonzepts anlegen wie außerhalb des Insolvenzverfahrens, wenn sie ihre Forderungen als Sacheinlage beim Insolvenzschuldner einbringen will.

1.963

Soweit durch den Plan Rechte an Gegenständen geändert, übertragen, begründet oder aufgegeben werden sollen, können die erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten in den gestaltenden Teil des Insolvenzplans aufgenommen (§ 228 InsO) und durch die Bestätigung des Plans ersetzt werden (§ 254a Abs. 1 InsO). Wenn die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen sind (§ 225a InsO), gelten die in den Plan aufgenommenen Beschlüsse der Anteilsinhaber oder sonstigen Willenserklärun1 LAG Düsseldorf v. 15.9.2011 – 11 Sa 591/11, ZIP 2011, 2487. 2 LG Frankfurt/Main v. 29.10.2007 – 2/9 T 198/07, ZIP 2007, 2229. 3 Eidenmüller in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 217 Rn. 74; BGH v. 16.2.2017 IX ZB 103/15, BGHZ 214, 78 = ZIP 2017, 482; BFH v. 23.10.2018 – VII R 13/17, ZIP 2019, 85 = ZInsO 2019, 145 Rn. 25. 4 LG Düsseldorf v. 21.9.2015 – 25 T 404/15, ZIP 2015, 2182 = ZInsO 2015, 2186. 5 BFH v. 23.10.2018 – VII R 13/17, ZIP 2019, 85 = ZInsO 2019, 145 mit Anm. de Weerth EwiR 2019, 83. 6 Zur ertragsteuerlichen Behandlung s. BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001-01, BStBl. I 2010, 18; BFH v. 5.2.2014 – I R 34/12, BB 2014, 1318; BFH v. 15.11.2018 – XI B 49/18, ZIP 2019, 427; zu sonstigen steuerlichen Folgen s. Sonnleitner/Strotkemper/Krüsmann ZInsO 2016, 1545. 7 Einzelheiten zur Differenzhaftung s. BGH v. 6.11.2018 – II ZR 199/17, ZIP 2019, 114 = ZInsO 2019, 328. 8 Kritisch zu dieser Regelung wegen Nachteilen für Neugläubiger Landfermann WM 2012, 821. 9 Begründung zum RegE ESUG BT-Drucks. 17/5712 Teil B zu Nr. 17.

208 | Martin Obermüller

I. Insolvenzplanverfahren | Rz. 1.969 Erster Teil

gen der Beteiligten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben (§ 254a Abs. 2 InsO1). Dies hat zur Folge, dass etwaige Formvorschriften wie z.B. die notarielle Beurkundung für die Übertragung von Grundstücken oder die Beglaubigung der Bewilligung zur Übertragung oder Löschung einer Grundschuld durch den bestätigten Plan ersetzt werden und nur noch die Eintragung nachgeholt werden muss. Das Insolvenzgericht hat die Willenserklärungen von Amts wegen an das zuständige Grundbuchamt zu übermitteln, damit eine Eintragung der Rechtsänderung veranlasst werden kann. Zusätzlich kann der Insolvenzverwalter durch den Plan ein Nachbesserungsrecht erhalten und bevollmächtigt werden, die zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und offensichtliche Fehler des Plans zu berichtigen.

1.964

frei

1.965

8. Beendigung des Verfahrens Mit der Bestätigung des Insolvenzplans beschließt das Gericht die Aufhebung des Verfahrens (§ 258 InsO). Der Schuldner erhält die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse zurück (§ 259 Abs. 1 InsO); eine fortdauernde Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des vormaligen Verwalters ist nicht statthaft2.

1.966

a) Zwangsvollstreckungen Gefährden nach der Aufhebung des Verfahrens Zwangsvollstreckungen einzelner Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bis zum Abstimmungstermin nicht angemeldet haben, die Durchführung des Insolvenzplans, kann das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung einstweilen einstellen, ganz oder teilweise aufheben oder längstens für drei Jahre untersagen (§ 259a InsO). Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Schuldner die tatsächlichen Behauptungen, die die Gefährdung begründen, glaubhaft macht.

1.967

b) Überwachungsverfahren Wenn der Insolvenzplan dies vorsieht, kann sich an die Aufhebung des Insolvenzverfahrens für längstens drei Jahre das so genannte Überwachungsverfahren anschließen. Der Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses bleiben dann im Amt; sie überwachen, ob der Schuldner die Ansprüche, die der Plan den Gläubigern übrig gelassen hat, erfüllt (§ 260 InsO) und lassen sich darüber sowie über die weiteren Aussichten der Erfüllung von dem Schuldner mindestens einmal jährlich berichten (§ 261 InsO). Ergibt sich, dass die Ansprüche der Gläubiger nicht erfüllt werden oder nicht erfüllt werden können, so hat der Verwalter dies dem Gericht und dem Gläubigerausschuss mitzuteilen (§ 262 InsO). Dies kann ein neues Insolvenzverfahren auslösen.

1.968

Mit Zustimmung des Schuldners kann der Zeitraum der Überwachung auch über die gesetzliche Frist von drei Jahren hinaus verlängert werden3. Die Regeln der §§ 264–266 InsO über

1.969

1 Zur Erstreckung dieser Vorschrift auf Erklärungen außenstehender Dritter s. Brünkmans ZIP 2015, 1052. 2 OLG Celle v. 20.11.2006 – 4 U 166/06, ZIP 2006, 2394 = ZInsO 2006, 1327 = mit Anm. Hingerl ZInsO 2007, 870; a.A. Kühne/Hancke ZInsO 2012, 812 mit ausführlichen Nachweisen. 3 AG Duisburg v. 27.3.2002 – 62 IN 187/02, NZI 2003, 447.

Martin Obermüller | 209

Erster Teil Rz. 1.969 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

den Vorrang sog. Plafondskredite und den Nachrang von Neugläubigern finden allerdings in dem Verlängerungszeitraum keine Anwendung mehr. Diese Rangveränderungen erhöhen die Kreditwürdigkeit des Schuldners und bieten ihm damit einen Wettbewerbsvorteil, dem durch die Dreijahresfrist des § 268 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine zeitliche Grenze gesetzt werden soll; diese Vorschrift ist daher im Rahmen ihres Schutzzwecks als zwingend anzusehen. Die übrigen gesetzlichen Wirkungen der Überwachung, insbesondere die Kontrollrechte des Verwalters oder Sachwalters und des Gläubigerausschusses können dagegen für die gesamte im Plan festgelegte Laufzeit, auch wenn sie mehr als drei Jahre beträgt, weitergelten.

1.970

Anfechtungsprozesse, die der Insolvenzverwalter anhängig gemacht hat, können, wenn der Plan dies vorsieht1, vom Verwalter auch nach Aufhebung des Verfahrens weitergeführt werden (§ 259 Abs. 3 InsO)2. Der Insolvenzplan kann diese Befugnis des Insolvenzverwalters auf bestimmte Verfahren beschränken3, aber auch einen Verzicht auf Anfechtungen vorsehen4.

1.971–1.999

frei

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen 1.1000

Allen Bemühungen um eine attraktive Ausgestaltung des Insolvenzrechts durch die Insolvenzordnung mit ihrer wichtigsten Innovation, dem Insolvenzplanverfahren, zum Trotz, sehen die betroffenen Unternehmen und ihre Gläubiger in der Insolvenz noch immer den „Makel des Konkurses“5 und die außergerichtliche Sanierung noch immer als die aussichtsreichste Maßnahme an, um Firmenzusammenbrüche zu vermeiden6. Daran konnten weder neue Bezeich-

1 Dafür genügt schon ein Hinweis im Plan auf § 259 Abs. 3 InsO (BGH v. 6.10.2005 – IX ZR 36/02, ZIP 2006, 39 = ZInsO 2006, 38). 2 OLG Düsseldorf v. 22.12.2005 – 7 U 148/05, NZI 2006, 240; OLG Dresden v. 15.8.2012 – 13 U 1757/11, ZInsO 2013, 996; BGH v. 11.4.2013 – IX ZR 122/12, ZIP 2013, 998 = ZInsO 2013, 985; weiterführend Wollweber/Hennig ZInsO 2013, 49; Wollweber/Hennig ZInsO 2013, 1182. 3 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 222/12, ZIP 2013, 738 = ZInsO 2013, 721. 4 Buchalik/Hiebert ZInsO 2014, 109. 5 Geschichtliches dazu bei Paulus ZGR 2005, 309. 6 Ehlers ZInsO 2005, 169; Spliedt InsVZ 2010, 27; s. aber auch Konzepte für eine Sanierung durch Insolvenz bei Rattunde ZIP 2003, 2103; Buchalik, Sanieren statt liquidieren, 2. Aufl. 2015; und Vorschläge für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren bei Westpfahl ZGR 2010, 385; Siemon NZI 2016, 57; Empfehlung der Europäischen Kommission v. 12.3.2014 für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen C (2014) 1500, abgedr. ZInsO 2016, 320; Entwurf für eine Restrukturierungsrichtlinie der Europea Commission COM (2016) 723 mit Übersicht Albrecht ZInsO 2016, 2415; Rauscher/Leichtle/Mucha/Schäffler/Wagner ZInsO 2016, 2420; Schluck-Amend ZRP 2017, 6; Thole ZIP 2017, 101; positiv dazu Brömmekamp ZInsO 2016, 500; Commandeur/Hübler NZG 2016, 340; Florstedt ZIP 2014, 1513; Goetker/Schulz, ZIP 2016, 2095; Gravenbrucher Kreis ZIP 2016, 1208; Jacoby ZIP 2016, 1210; Jacoby ZInsO 2017, 1; Kayser ZIP Beil. zu H. 22/2016, 40; Lürken NZI 2015, 3; Sax/Swierczok ZIP 2016, 1945; Siemon NZI 2016, 57 und Kritik Berger ZInsO 2016, 2413; Blankenburg ZInsO 2017, 241; Deutsche Kreditwirtschaft ZInsO 2017, 1268; Schmidt WM 2017, 1735; Stellungnahme der Kommission v. 1.6.2017 zum Beschluss des Bundesrats s. ZInsO 2017, 1361; Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der

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J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1002 Erster Teil

nungen (z.B. Insolvenz statt Konkurs, Insolvenzplan statt Vergleich) noch die Anlehnung an US-amerikanische Vorbilder (Chapter 11 US-Bankruptcy Code)1 etwas ändern. So wurde beispielsweise im Fall der Firma Philipp Holzmann AG2 im Jahre 1999 sogar der Bundeskanzler mobilisiert, der mit seinem lange Zeit nicht eingelösten Versprechen3 auf finanzielle Unterstützung durch staatliche Institutionen die Gläubiger zur Zusage großer Opfer bewegte und so die Firma in die Lage versetzte, den bereits eingereichten Insolvenzantrag wieder zurückzunehmen und ihren widerwilligen Gläubigern4 und Anteilseignern die Zustimmung zu und Mitwirkung an ihrem Sanierungskonzept abzuringen. Das dieser Sanierung zugrundeliegende juristische Konzept folgt in groben Zügen der Konstruktion, die fünf Jahre vorher bereits bei der Metallgesellschaft erfolgreich angewendet wurde und zumindest in Teilen auch als Vorbild für andere, weniger öffentlichkeitswirksame Sanierungen gedient hat. Über den Ablauf der Fälle Metallgesellschaft und Holzmann ist bereits berichtet worden5, die wesentlichen juristischen Fragen, die bei ernsthaften Sanierungen dieser Art6 auftauchen, sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

1.1001

Ausgangspunkt der Bemühungen der Unternehmensleitung um eine außergerichtliche Sanierung ist deren mehr oder weniger überraschende Erkenntnis, dass ihr Unternehmen zahlungsunfähig oder der Zahlungsunfähigkeit nahe und überschuldet ist, wobei sich das Ausmaß der Überschuldung im Laufe des Erkenntnisprozesses meist dramatisch erhöht. Die Suche nach einer Lösung wird teils erleichtert, teils erschwert durch den enormen Zeitdruck, der einerseits durch die kurzen Insolvenzantragsfristen des § 15a InsO und die Ad-hoc-Publizität der Art. 7, 17 Abs. 1 MMVO7 ausgelöst wird, und andererseits durch die Notwendigkeit, unter größter Geheimhaltung8 ein überzeugendes Konzept entwickeln zu müssen, dessen Aufstellung einen hohen Zeitaufwand und in der Regel auch den Einsatz externer Berater9 erfordert;

1.1002

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Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – ABl. L 172/18; s. dazu Pannen FS Pape 2019, 309. S. den darauf aufbauenden Vorschlag von Hinrichs (KTS 2002, 497) zur Insolvenzbewältigung durch Optionen; zu Konzepten US-amerikanischer „vulture investors“ – auch als „Heuschrecken“ (Hinweise bei Schalast BKR 2006, 193; Köchling ZInsO 2008, 232) bezeichnet – s. Hotchkiss/Mooradian, Journal of Financial Economics, 43 (1997), 401; zu grenzüberschreitenden Sanierungen s. Brinkmann, KTS 2014, 381; zur Restrukturierungsempfehlung der EU-Kommission s. Eidenmüller KTS 2014, 401. S. Darstellung des Krisenverlaufs bei Drukarczyk, Regensburger Diskussionsbeiträge zur Wirtschaftswissenschaft, Nr. 375, 2002; Görg FS Uhlenbruck, 2000, 117. Die notwendige Genehmigung der EU-Kommission konnte erst im Mai 2001 beigebracht werden. Wenn Meilicke (DB 1995, 1061) von „sanierungsbegierigen Banken“ spricht, demonstriert er damit eindrucksvoll seine Ferne vom Geschehen. Zur Metallgesellschaft s. Goller ZInsO 2000, 57; Marsch-Barner DB 1995, 1497; Meilicke DB 1995, 1061; zu Holzmann s. Görg FS Uhlenbruck, 2000, 117 und Drukarczyk/Schüler, Akquisitionen, Börsengänge und Restrukturierungen, 2008, 225 ff. Nicht behandelt werden hier Sanierungen durch Übertragung des Vermögens an eine Auffangesellschaft (s. stattdessen Wiethege, Die Auffanggesellschaft, 1958; Blöse ZIP 2011, 1191) oder Übertragung der Gesellschaftsanteile an einen Treuhänder (s. stattdessen Budde ZInsO 2011, 1369). Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch v. 12.6.2014 (Marktmissbrauchsverordnung) – ABl. L 173/1. Maus DStR 2002, 1059. Wege zur Sicherung von deren Honorar s. BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, ZInsO 2002, 876; BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, ZInsO 2006, 712; BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, DB 2008, 176; BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 69/12, ZInsO 2013, 547; LG Berlin v. 26.6.2014 – 63 O 11/14, ZIP

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Erster Teil Rz. 1.1002 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

dabei ist allerdings zu warnen vor sog. Firmenbestattern1. Gelegentlich helfen auch Kreditinstitute bei dem Versuch, einen Vergleich mit der Gläubigerschaft zu erzielen. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten, denn solche Aktivitäten können der Bank leicht den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungs- oder Rechtsdienstleistungsgesetz einbringen, auch wenn dieser in der Regel ungerechtfertigt ist2.

1.1003

Helfen kann dem Unternehmen aber die Einschaltung eines Sanierungsmoderators nach §§ 95 ff. StaRUG. Dies vollzieht sich zwar nicht ganz ohne Inanspruchnahme der Gerichte, aber deren Tätigkeit beschränkt sich im Wesentlichen auf die Bestellung des Moderators und die Entgegennahme seiner monatlichen Berichte. Eine öffentliche Bekanntmachung hat zu unterbleiben (§ 96 Abs. 2 StaRUG), sodass eine diskrete Abwicklung3 möglich ist.

1.1004

Die Unternehmensleitung muss die Ursachen der gegenwärtigen Krise und Wege zu ihrer Überwindung aufzeigen4 und den Gläubigern, den Anteilseignern und ggf. den Arbeitnehmern die Zustimmung zu den notwendigen, für sie mit Opfern verbundenen Maßnahmen abringen.

1.1005

Zu diesem Zweck muss sie insbesondere ein absatzwirtschaftliches, ein produktionswirtschaftliches und ein finanzwirtschaftliches Konzept vorlegen5. Aus dem absatzwirtschaftlichen Konzept muss sich ergeben, wie sich die Marktverhältnisse der betreffenden Branche entwickeln, welchen Stellenwert die Produkte des Unternehmens auf diesem Markt errungen haben, in welcher Phase zwischen Einführung, Wachstum, Reifezeit und Marktsättigung sich die Produktpalette des Unternehmens bewegt. Das Schwergewicht des produktionswirtschaftlichen Konzepts wird meist auf dem Abbau von Personalkosten6 und der Aufgabe unrentabler Produktionen liegen. Das finanzwirtschaftliche Konzept muss erkennen lassen, wie die Überschuldung beseitigt, die Zahlungsfähigkeit wieder hergestellt und wie das Absatz- und Betriebskonzept finanziert werden soll7.

1

2 3 4 5 6 7

2014, 1688; BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZInsO 2022, 640 Rn. 47 ff., 62 ff.; LG Würzburg v. 11.9.2013 – 92 O 2268/12, ZInsO 2014, 564; Uhlenbruck KTS 2004, 505; Fölsing ZIP 2007, 1449; Heidbrink BB 2008, 958; Kirchhof ZInsO 2005, 340 m.w.N.; Utsch DZWIR 2013, 353; Rechtsprechungsübersicht s. Ganter WM 2009, 1441; zur Haftung s. Ehlers NZI 2008, 211; Schmittmann ZInsO 2011, 545; Smid WM 2007, 1589; zur Nichtigkeit eines Beratungsvertrages zur Sanierung mit einem Steuerberater s. BGH v. 12.5.2011 – III ZR 107/10, ZInsO 2011, 1303; zur Inkongruenz bei Überschreitung des gesetzlichen Gebührenrahmens s. OLG Düsseldorf v. 11.5.2017 – I-12 U 55/16, ZIP 2017, 1486; zum Sanierungsgeschäftsführer s. Thiele ZInsO 2015, 877; Thiele ZInsO 2015, 977; 2015, 1083; s. auch Rn. 5.189. Zur organisierten „Bestattung“ von Kapitalgesellschaften s. Hirte ZInsO 2003, 833; OLG Stuttgart v. 8.1.2009 – 8 AR 32/08, ZIP 2009, 1928; BGH v. 23.11.2015 – NotSt 4/15, ZInsO 2016, 393; BGH v. 7.5.2020 – IX ZB 84/19, ZIP 2020, 1250 = ZInsO 2020, 1310; BGH v. 9.6.2022 – 5 StR 407/21, ZInsO 2022, 1796; s. die informative Fallbeschreibung des LG Potsdam v. 17.9.2004 – 25 Qs 11/04, ZInsO 2005, 1225; LG Berlin v. 8.3.2006 – 86 O 33/05, ZInsO 2006, 722. OLG Karlsruhe v. 9.7.2008 – 6 U 51/08, DB 2008, 2477. Zu vertraulichen Restrukturierungen im internationalen Kontext s. Thole ZIP 2021, 2153. Hellge, Konkursvermeidung, 1982, S. 42; Braun WPg 1989, 683. Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, 2. Aufl. 1988, S. 172 ff. mit ausführlicher Darstellung; Zöllner/App DZWIR 2008, 328; zu Leveraged Buyouts s. Eidenmüller ZIP 2007, 1729. Gegen rein kostenorientierte Konzepte Kath, Die Kostenknechte, 1994. Vgl. ausführlich Kayser BB 1983, 415.

212 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1011 Erster Teil

Da das Unterfangen, neue Kreditgeber zu finden, in einer solchen Situation nahezu aussichtslos ist, müssen sich die Bemühungen des Unternehmens auf die vorhandenen Geschäftspartner konzentrieren. Von ihnen wird es in der Regel fordern, dass

1.1006

– die bisherigen Kreditgeber ihre Linien offenhalten1, – auf alte Kreditforderungen verzichten, – neue Kredite zur Verfügung stellen – und die Lieferanten ihre Zahlungsziele beibehalten oder verlängern.

1.1007

Außerdem wird es anstreben, dass – sonstige Schulden erlassen oder von Dritten übernommen werden, – neues Kapital zugeführt wird, – die Lieferanten zu den bisherigen Bedingungen weiter zur Verfügung stehen. Von der Bereitschaft der Gläubiger, der Anteilseigner2 und der Arbeitnehmer3 zur Mitwirkung an diesen Maßnahmen abhängig ist das juristische Konzept, das die finanzwirtschaftlichen Vorgaben in entsprechende Vertragswerke umsetzt.

1.1008

frei

1.1009

I. Zeitrahmen Der zeitliche Rahmen, innerhalb dessen ein Sanierungskonzept nicht nur aufgestellt, sondern auch rechtswirksam mit allen Beteiligten vereinbart sein muss, wird durch rechtliche Erfordernisse beschränkt4. Ausgangspunkt sind die gesetzlichen Pflichten des Unternehmens, innerhalb unterschiedlicher Zeiträume nach Eintritt bestimmter Umstände seine Anteilseigner zu informieren, kursbeeinflussende Tatsachen zu veröffentlichen oder einen Insolvenzantrag zu stellen.

1.1010

1. Gesellschaftsrechtliche Anzeigepflichten Schon bevor ein Insolvenzgrund eingetreten ist, haben die Geschäftsführer einer GmbH unverzüglich die Gesellschafterversammlung und der Vorstand der Aktiengesellschaft die Hauptversammlung einzuberufen5, wenn sich aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des 1 Zu Sanierungsbeiträgen von Banken s. Bales BankPraktiker 2007, 260. 2 Zum Gesellschaftsrecht im Insolvenzverfahren s. Rattunde in VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, 193 ff. 3 Zu Beteiligungsformen s. Kutsch/Kersting BB 2011, 373; zum Einsatz von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQM) bzw. Transfergesellschaften s. BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 572/11, ZInsO 2013, 946; Bichlmeier DZWIR 2006, 239; Heeseler InsbürO 2020, 199; Hinrichs/ Kleinschmidt ZInsO 2012, 949; Krieger/Fischinger NJW 2007, 2289; Leister ZInsO 2009, 1944; Leister/Fischer ZInsO 2009, 985; Lindemann ZInsO 2012, 605; Ries NZI 2002, 521; Soltész/Winzer DB 2013, 105; Staufenbiel ZInsO 2010, 497; Thum BB 2013, 1525; zur Beteiligung des PensionsSicherungs-Vereins s. Schelo NZI 2008 Heft 1 S. V. 4 Eidenmüller (ZIP 2007, 1729) sieht hierin einen der Gründe für die Flucht aus dem deutschen Insolvenzrecht; Überblick s. Budde ZInsO 2010, 2251. 5 Obermüller/Werner/Winden/Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 2001, 30 ff.

Martin Obermüller | 213

1.1011

Erster Teil Rz. 1.1011 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Geschäftsjahres aufgestellten Zwischenbilanz ergibt, dass ein Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals (§ 49 Abs. 3 GmbHG) bzw. des Grundkapitals (§ 92 AktG) entstanden ist. Dies ist z.B. dann noch nicht der Fall, wenn der Verlust aus gesetzlichen oder freien, offenen oder stillen Rücklagen unter Zuhilfenahme von weniger als der Hälfte des Grundkapitals gedeckt werden kann1.

1.1012

Außerdem hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft den Aufsichtsrat von dem Insolvenzgrund und der geplanten Sanierung möglichst so rechtzeitig zu unterrichten, dass der Aufsichtsrat Gelegenheit zur Stellungnahme erhält (§ 90 AktG).

2. Insolvenzrechtliche Antragspflichten 1.1013

Falls bereits die Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, sind die Geschäftsführung bzw. der Vorstand als Organ sowie jeder Geschäftsführer bzw. Vorstand verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 InsO). Den Antrag müssen sie ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von drei Wochen stellen; diese Frist kann auch durch laufende erfolgversprechende Sanierungsverhandlungen nicht verlängert werden2. Unterlassen sie dies, so machen sie sich persönlich strafbar.

3. Wertpapierrechtliche Anzeigepflichten 1.1014

Handelt es sich bei dem insolvenzgefährdeten Unternehmen um eine Aktiengesellschaft, deren Aktien oder sonstige von ihm emittierte Wertpapiere zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, muss es unverzüglich Tatsachen veröffentlichen, die wegen der Auswirkungen auf seine Vermögens- oder Finanzlage oder auf seinen allgemeinen Geschäftsverlauf geeignet sind, den Börsenpreis seiner zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen (Art. 7, 17 Abs. 1 MMVO3, sog. Ad-hoc-Publizität). Zu diesen Tatsachen gehören insbesondere die drohende oder schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit, die Überschuldung oder ein Insolvenzantrag.

1.1015

Die Veröffentlichungspflicht trifft nur den Emittenten und erstreckt sich nicht auf die Kreditinstitute, die Wertpapiere an der Börse eingeführt haben. Diese können aber insoweit einbezogen werden, als sie dem Unternehmen auch mit Krediten zur Verfügung stehen und ihr in einer Insolvenz des Schuldnerunternehmens drohender Ausfall auch für sie selbst eine veröffentlichungspflichtige Tatsache darstellen kann.

4. Fristen 1.1016

Eine Veröffentlichung der wirtschaftlichen Krise des Unternehmens zu einem ungeeigneten Zeitpunkt bringt erfahrungsgemäß alle Sanierungsbemühungen zum Scheitern, bevor sie überhaupt begonnen haben. Kreditgeber kündigen die Kredite oder lassen Inanspruchnahmen nicht ausgenutzter Linien nicht mehr zu, Lieferanten sind zu neuen Lieferungen nur gegen Vorkasse bereit, Kreditversicherer kürzen oder streichen ihre Linien, Abnehmer verweigern Abschlagszahlungen, stornieren Aufträge und halten sich bei der Erteilung neuer zurück, Ar1 BGH v. 9.10.1958 – II ZR 348/56, BB 1958, 1181. 2 BGH v. 12.2.2007 – II ZR 308/05, ZIP 2007, 674 = ZInsO 2007, 374; KG Berlin v. 26.4.2000 – 23 U 9752/97, ZInsO 2001, 79. 3 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch v. 12.6.2014 (Marktmissbrauchsverordnung) – ABl. L 173/1.

214 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1020 Erster Teil

beitnehmer sehen sich nach neuen Arbeitsplätzen um oder legen gar die Arbeit nieder. Aussichten, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, bestehen nur, wenn das Unternehmen gleichzeitig mit der unvermeidlichen Bekanntgabe der Krise auch ein überzeugendes Konzept für deren Überwindung und die Zusage der wesentlichen Geschäftspartner, vor allem der Warenund Geldkreditgeber zur Unterstützung vorweisen kann. Die Ausarbeitung eines solchen Konzepts muss zwangsläufig in einem sehr kleinen Kreis von Mitarbeitern des Unternehmens und ggf. externen Beratern beginnen, der nach und nach ausgeweitet und schließlich auch auf die wichtigsten Gläubiger ausgedehnt werden muss. Erst wenn dort Übereinstimmung erzielt ist, kann der Sanierungsplan sämtlichen Betroffenen vorgestellt und damit die Krise offenbart werden. Für diese aus wirtschaftlichen Gründen meist unabdingbare Vorgehensweise hat das Gesetz jedoch enge Grenzen gezogen, die sowohl den Zeitrahmen als auch die Geheimhaltung beschränken.

1.1017

a) Zeitlicher Rahmen Die Zeit für die Ausarbeitung des Konzepts und die Verhandlung des Sanierungsplans mit denjenigen Beteiligten, die Opfer bringen sollen, ist durch die erwähnte gesetzliche Dreiwochenfrist beschränkt.

1.1018

Das Ende der Frist wird durch die Aufnahme außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen mit den Gläubigern nicht hinausgeschoben1. Wenn diese nicht innerhalb der drei Wochen zu einer ausreichenden Reduzierung der Verbindlichkeiten geführt haben, muss der Insolvenzantrag eingereicht werden2. Auf diesen Umstand müssen die Geschäftsführer vom ihrem anwaltlichen Berater hingewiesen werden3; die Gläubiger, die die Sanierung durch Verzichte oder Neukredite unterstützen sollen, treffen dagegen keine solche Hinweispflichten und deshalb auch keine Haftungsrisiken, wenn sie angesichts der Gefahr, dass die Geschäftsführer die Frist überschreiten, nicht ihrerseits einen Insolvenzantrag stellen.

1.1019

Wenn die Frist auch nicht verlängert werden kann, so gibt die kaum vermeidbare tatsächliche Unsicherheit über den Beginn der Frist dem Unternehmen noch einen gewissen Spielraum. Die Frist für die Antragspflicht beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die Geschäftsführer positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erlangen4.

1.1020

1 BGH v. 12.2.2007 – II ZR 308/05, ZIP 2007, 674 = ZInsO 2007, 374; KG Berlin v. 26.4.2000 – 23 U 9752/97, ZInsO 2001, 79. 2 Es sei denn, dem Schuldner kommen ein Hochwasser und eine Bundestagswahl zu Hilfe: s. Art. 6 Abs. 2 des Flutopfersolidaritätsgesetzes v. 19.9.2002, BGBl. I 2002, 3651, das die Verlängerung der Insolvenzantragsantragsfristen für die vom Hochwasser betroffenen Unternehmen zunächst bis zum 31.13.2002 vorsah und diese durch die Verordnung zur Verlängerung der Unterbrechung von Insolvenzantragsfristen v. 16.12.2002 (BGBl. I 2002, 4543) bis zum 31.3.2003 ausgedehnt hatte, und Art. 3 § 1 des Gesetzes über die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasserbedingter Insolvenz v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2401, 2402; künftig dürfte auch starker Regen ausreichen: s. Art. 3a § 1 des Neunten Gesetzes zur „Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ (BR-Drucks. 343/16 v. 24.6.2016); zu den Folgerungen aus diesen Gesetzen s. Paulus/Berg ZIP 2021, 1742. 3 BGH v. 26.10.2000 – IX ZR 289/99, ZIP 2001, 33 = WM 2001, 99. 4 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, NJW 1979, 1823.

Martin Obermüller | 215

Erster Teil Rz. 1.1021 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.1021

Die Kenntnis von der Überschuldung können die Geschäftsführer allerdings nicht erst aus einer abgeschlossenen Bilanz gewinnen und bis zu deren Fertigstellung gewissermaßen die Augen verschließen. Die Antragspflicht entsteht vielmehr schon dann, wenn sich die Überschuldung „bei Aufstellung“ der Bilanz oder einer Zwischenbilanz ergibt1. Die Überschuldung der Gesellschaft im Einzelfall zu ermitteln, entspricht allerdings angesichts der rechtlichen Unsicherheiten über die genauen Voraussetzungen und der in der Praxis häufig anzutreffenden Mängel im Rechnungswesen der Quadratur des Kreises2.

1.1022

Gerüchte und Vermutungen sind naturgemäß noch kein Anlass für die Aufstellung einer Zwischenbilanz. Auch neue Bewertungen durch interne Abteilungen des Unternehmens oder durch die Wirtschaftsprüfer lösen nicht automatisch Konsequenzen aus, da in ihnen in der Regel erhebliche Prognoseelemente enthalten sind. Es liegt im Wesen der Voraussage, dass der Eintritt der prognostizierten Tatsachen ungewiss ist. Die Voraussagen können jedoch so alarmierend sein, dass ein vorausschauender Vorstand aus Vorsichtsgründen die entsprechenden Fachleute beauftragt, Überlegungen und Planungen für den Fall anzustellen, dass die Vermutungen zutreffen. Unabhängig davon muss sich der Vorstand unverzüglich Klarheit verschaffen und entscheiden, ob er die neuen Bewertungen für realistisch und geboten hält. Erst mit der nach entsprechender Prüfung gewonnenen Erkenntnis beginnt der Lauf der Frist. b) Veröffentlichungspflicht

1.1023

Während die Erkenntnis, dass eine Aktiengesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist, insolvenzrechtlich zwar die Antragsfrist in Gang setzt, jedoch keine Veröffentlichungspflicht auslöst, verlangt Art. 17 MMVO deren Bekanntgabe. Der Emittent von Wertpapieren, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, muss nämlich unverzüglich neue Tatsachen, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten und nicht öffentlich bekannt sind, veröffentlichen, wenn sie wegen der Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet sind, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen. Dies ist beim Eintritt von Insolvenzgründen stets der Fall.

1.1024

Allein der Umstand, dass aus wirtschaftlichen Gründen die Geheimhaltung geboten ist, berechtigt das Unternehmen noch nicht, von der Bekanntgabe abzusehen. Vielmehr darf keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten sein und das Unternehmen muss die Vertraulichkeit der Information gewährleisten können (§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG). Darüber muss es die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterrichten. Diese beobachtet die Marktentwicklung mit erhöhter Aufmerksamkeit, um auf etwaige Indiskretionen unverzüglich reagieren zu können.

1.1025–1.1029 frei

1 BGH v. 30.9.1980 – 1 StR 407/80, NStZ 1981, 353; differenzierend BayObLG v. 30.7.1981 – RReg 3 St 83/81, ZIP 1982, 444 für die Frage der Strafbarkeit. 2 Uhlenbruck GmbHR 1996, R 53.

216 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1036 Erster Teil

II. Rechtliche Konstruktionen Eine finanzielle Sanierung muss Wege finden, die im konkreten Fall vorliegenden Insolvenzgründe – meist werden Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gemeinsam auftreten – zu beseitigen. Dazu stehen verschiedene Mittel zur Verfügung1, nämlich

1.1030

– die Stundung bestehender Kredite, – die Zusage neuer Kredite, – die Inanspruchnahme staatlicher Hilfen, – der Verzicht auf Forderungen oder deren Rangrücktritt, sowie – die Zuführung neuen Kapitals. Selten wird nur eines dieser Mittel ausreichen, um den gewünschten Zweck zu erreichen, weil manche nur die Zahlungsunfähigkeit und andere nur die Überschuldung beseitigen. Schon deshalb ist eine Kombination verschiedener Sanierungsinstrumente2 rechtlich notwendig. Hinzu kommt, dass manche dieser Mittel nur Gläubigern, andere nur Anteilseignern zugänglich sind.

1.1031

Bei der Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts muss vor allem die Stimmungslage der Beteiligten berücksichtigt werden. Erfahrungsgemäß sind zwar alle Betroffenen geneigt, eine Sanierung mit Worten zu begrüßen. Wenn es jedoch um die Beteiligung an den notwendigen Opfern geht, setzt das sog. Quotengerangel, die hässlichste Phase einer jeden Sanierung, ein, bei der jede Gruppe von Beteiligten ängstlich darauf bedacht ist, die Verluste und Risiken möglichst den anderen zuzuschieben. Die Akzeptanz eines jeden Sanierungskonzepts hängt deshalb entscheidend davon ab, dass die Interessengegensätze zwischen und unter Gläubigern, Anteilseignern und Arbeitnehmern berücksichtigt, die Lasten ausgewogen verteilt werden und dies den Betroffenen auch überzeugend vermittelt werden kann.

1.1032

frei

1.1033–1.1034

1. Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit Die Zahlungsunfähigkeit kann am ehesten durch die Stundung fälliger und die Bereitstellung neuer Kredite beseitigt werden3.

1.1035

a) Stundung fälliger Kredite Die Stundung fälliger oder fällig gestellter Kredite durch ein so genanntes Stillhalteabkommen (s. Rn. 5.97) ist erfahrungsgemäß der Teil einer Sanierungskonstruktion, der sich bei

1 S. auch Überblick bei Cranshaw ZInsO 2008, 421. 2 Zu Mezzanine-Finanzierungen s. Hofert/Arends ZIP 2005, 1297 und GmbHR 2005, 1381; Natusch in Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, 2. Aufl. 2007, S. 19 ff.; Wellensiek/Flitsch FS Lüer, 2008, 497; zur Umwandlung in Eigenkapital s. Weitnauer ZIP 2007, 1932; s. auch Rn. 8.181. 3 Zum Handel mit notleidenden Forderungen am sog. Secondary debt market s. Euromoney April 1997, S. 28 und unten Rn. 6.2260 ff.

Martin Obermüller | 217

1.1036

Erster Teil Rz. 1.1036 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Banken relativ am leichtesten durchsetzen lässt1. Denn eine Stundung ändert an dem bereits eingetretenen Risiko nichts. Gegenstand dieses Stillhalteabkommens ist die Verpflichtung der Banken, ihre Kreditlinien für eine fest vereinbarte Zeit offenzuhalten und gekündigte Kredite wieder einzuräumen; dies beinhaltet auch das Recht des Unternehmens, während der Stillhalteperiode zurückgezahlte Kredite wieder in Anspruch nehmen zu dürfen.

1.1037

Schwieriger wird es, wenn die Banken über Sicherheiten verfügen und von deren Werthaltigkeit überzeugt sind. Letzteres fördert den Wunsch, sich baldmöglichst aus den Sicherheiten zu befriedigen und damit allen weiteren Engagements bei dem notleidenden Unternehmen, insbesondere einer weiteren Mitwirkung an dem Sanierungsplan aus dem Wege zu gehen. Argumentativ kommt insoweit dem Unternehmen die Insolvenzordnung zu Hilfe, die es im Insolvenzplanverfahren ermöglicht, den Zugriff absonderungsberechtigter Gläubiger auf ihre Sicherheiten zumindest vorübergehend zu unterbinden und sogar in die Sicherheiten einzugreifen (Einzelheiten s. Rn. 6.1836).

1.1038

Eine Forderung der Bank, als Gegenleistung für die Stundung die Altkredite nachträglich zu besichern, kann in einer Krisensituation nur aus wirtschaftlichen, nicht aber aus rechtlichen Gründen zurückgewiesen werden. Soweit überhaupt noch brauchbare Sicherheiten vorhanden sind, werden sie für neue Kredite benötigt. Dagegen verfängt das manchmal vorgebrachte rechtliche Argument, solche Sicherheiten seien nach §§ 129 ff. InsO anfechtbar, in der Regel nicht. Zwar wäre jede nachträgliche Besicherung von Altkrediten in dieser Phase als inkongruente Deckung einzuordnen. Wenn die Sicherheiten aber erst in dem Zeitpunkt bestellt oder wirksam werden sollen, in dem das Sanierungskonzept zwischen allen Beteiligten vereinbart ist, würde es gar nicht zu einer Anfechtung kommen können, da die Sanierung die Insolvenzgründe beseitigen und damit die Verfahrenseröffnung vermeiden würde; auch die Zahlungsverbote des § 15b Abs. 1 InsO entfallen mit der Abwendung des Insolvenzverfahrens. Sollte die zunächst als gelungen betrachtete Sanierung später doch noch scheitern, so sind für die Anfechtung inkongruenter Deckungen nach § 131 InsO in der Regel die Fristen verstrichen, für die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen (§ 133 InsO) würde es an den subjektiven Elementen fehlen. b) Reduzierung von Krediten durch Sale and Lease Back-Geschäfte

1.1039

Ein beliebter Weg zur Verbesserung der Liquiditätssituation eines Unternehmens sind sog. Sale and Lease Back-Geschäfte („SLB“), d.h. der Verkauf und die anschließende Anmietung betriebsnotwendigen Vermögens. Damit kann sich das Unternehmen die notwendigen Mittel verschaffen, um den Kreditspielraum zumindest vorübergehend wieder herzustellen2. c) Zusage neuer Kredite

1.1040

Allein durch eine Stundung der Altkredite und ohne zusätzliche Kredite kann eine wirtschaftliche Notlage selten überwunden werden. Erfahrungsgemäß ist bei Veröffentlichung der Krise die Liquidität bereits knapp und wird durch die unvermeidliche Unsicherheit der Geschäftspartner, die Vorkasse verlangen oder geschuldete Zahlungen zurückhalten, noch knapper.

1 Zum sog. London Approach s. Rümker in Henssler, Europäische Integration und globaler Wettbewerb, 1993, 341; Kent in Riolo, Crisi d‘Impresa e Risanamento, 1997, 299. 2 Einzelheiten s. Keller ZInsO 2019, 875.

218 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1044 Erster Teil

Solche neuen Kredite genießen in einem Insolvenzverfahren, das sich bei Scheitern der Sanierung anschließt, keine Privilegierung, sondern stellen einfache Insolvenzforderungen dar. Nur Kredite, die ein durch Verfügungsverbot unterstützter vorläufiger Verwalter aufnimmt, werden im eröffneten Verfahren als Masseforderungen eingestuft (Einzelheiten s. Rn. 5.684 ff.).

1.1041

Soweit noch freie Sicherheiten vorhanden sind, können sie zur Deckung dieser Kredite herangezogen werden. Selbst wenn das Sanierungskonzept zustande kommt, später jedoch trotzdem noch ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, können diese Sicherheiten nicht angefochten werden. Die Besicherung stellt ein unanfechtbares Bargeschäft dar (§ 142 Abs. 1 InsO). Zwar schließt der Bargeschäftscharakter eines Rechtsgeschäfts eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen (§ 133 InsO) nicht aus. Ein Benachteiligungsvorsatz ist jedoch stets zu verneinen, wenn die Gläubiger aufgrund einer sachkundigen und sorgfältigen Prüfung der Lage des Schuldners und besonders seiner Geschäftsaussichten überzeugt sein durften, das Sanierungsvorhaben werde Erfolg haben und eine Schädigung Dritter werde letztlich nicht eintreten1. Als praktische Konsequenz aus dieser Rechtsprechung kann man nicht nachdrücklich genug die Empfehlung betonen, dass der Kreditgeber die Ausgangslage gut dokumentieren sollte2.

1.1042

Die nachträgliche Besicherung kann einer Negativerklärung zuwiderlaufen. Zwar erstreckt sich eine Negativerklärung grundsätzlich nicht auf Kredite, die im Insolvenzantragsverfahren von einem vorläufigen Verwalter aufgenommen werden (s. Rn. 5.684 ff.), behält jedoch in einer außergerichtlichen Sanierung ihre Wirkung. Das Sanierungskonzept muss deshalb von den Inhabern der Negativerklärung einen entsprechenden Verzicht verlangen. Dies ist allerdings schwierig, wenn nicht gar unmöglich, falls die Negativerklärung in Anleihebedingungen enthalten ist und sich die Anleihe in Streubesitz befindet. Wenn die Negativerklärung aber nicht umfassend formuliert ist, gibt es Wege, ohne deren Verletzung zum wirtschaftlich gewünschten Ergebnis zu kommen3. Wenn das Unternehmen noch über unbelastete Aktiva verfügt (wofür die Negativerklärung gesorgt haben sollte), ist es beispielsweise denkbar, den Kredit einer Konzerngesellschaft, die keine nennenswerten Verbindlichkeiten aufweist und in der wesentliche Aktiva konzentriert sind oder werden4, einzuräumen, damit diese die Gelder im Konzern weiter verteilen kann; über die Position als einzige Gläubiger haben die Kreditgeber dann die mittelbare Sicherheit durch die hier angesiedelten Vermögenswerte des Konzerns.

1.1043

d) Kreditversicherer Zur Sicherung der Liquidität ist in der Regel eine Einbindung der Kreditversicherer zwingend erforderlich. Diese müssen sich gegenüber dem Unternehmen verpflichten, ihre Linien aufrechtzuerhalten5. Anderenfalls würden die Lieferanten beim ersten äußerlich erkennbaren 1 BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 234; BGH v. 20.12.1957 – VI ZR 188/56, WM 1958, 250; BGH v. 24.5.1965 – VII ZR 46/63, WM 1965, 919; zu Art und Umfang der Prüfung vgl. Nachweise bei Arnold, Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 34 v. 19.2.1982, 8 Fn 37. Einzelheiten s. Rn. 5.157 ff. 2 Paulus BB 2001, 425. 3 Goller ZInsO 2000, 57. 4 Bei der Übertragung wesentlicher Vermögensanteile auf eine Tochtergesellschaft kann allerdings die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG notwendig sein (BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, ZIP 1982, 568 – Holzmüller). Auch wird eine Anfechtung als unentgeltliche Leistung für möglich gehalten (Meyer ZIP 2002, 250). 5 Zum Kündigungsrecht der Kreditversicherer s. Blank/Möller ZInsO 2003, 437.

Martin Obermüller | 219

1.1044

Erster Teil Rz. 1.1044 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Zeichen einer Krise des Unternehmens die Lieferungen zurückhalten oder von Vorauszahlungen bzw. Anzahlungen abhängig machen und damit den ohnehin angespannten Bankkredit zusätzlich beanspruchen.

1.1045

frei e) Anleihegläubiger

1.1046

Gläubiger einer Anleihe, die breit gestreut ist, können in ein Sanierungskonzept schon aus praktischen Gründen nicht eingebunden werden. In der Regel ist es nicht möglich, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, da sie dem Unternehmen gar nicht bekannt sind. Auch der Anleihetreuhänder hat meist nicht die Befugnis, im Namen der Gläubiger irgendwelche Verzichtserklärungen abzugeben, s. auch Rn. 8.176. Vielmehr droht von ihm die Gefahr, dass er bei Bekanntgabe bestimmter Ereignisse nach den Anleihebedingungen gezwungen ist, die Anleihe zur sofortigen Rückzahlung zu kündigen. Daher wird man grundsätzlich eine vollständige Befriedigung der Anleihegläubiger einplanen müssen. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass kein Ereignis eintritt, das nach den Anleihebedingungen einen Kündigungsgrund darstellt, denn dann würde der Gesamtbetrag sofort fällig, was zu einer erhöhten Belastung der Liquidität im ungünstigsten Zeitpunkt führen würde. Deshalb ist es nützlich, – soweit rechtlich vertretbar – mit der Bekanntgabe der Krise an die Anleihegläubiger zu warten, bis die Sanierungsmaßnahmen vertraglich vereinbart sind und die Krise als überwunden betrachtet werden kann. Trotz positiver Nachrichten kommt es aufgrund der Veröffentlichung solcher Ereignisse leicht zu erheblichen Kursverlusten der Anleihe, so dass für das Unternehmen die Aussicht besteht, sie am Markt zu ermäßigten Kursen zurückzukaufen. Dafür sollte in der Liquiditätsplanung Vorsorge getroffen werden.

1.1047

Anleihen verlieren gewöhnlich erheblich an Wert, wenn bekannt wird, dass der Anleiheschuldner in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist. Dies eröffnet dem Schuldner, sofern seine Mittel dafür ausreichen, die Möglichkeit, die Forderungen auf dem Markt zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen (sog. debt-buy-back1). Eine derartige Unterstützung kann eher von seinen Gesellschaftern oder sonstigen Dritten, die an seinem Überleben interessiert sind, kommen, die dann bereit sind, die Forderungen zu stunden oder teilweise auf sie zu verzichten. f) Staatliche Finanzierungshilfen

1.1048

Wenn ein Insolvenzverfahren ausreichende Beachtung in der Öffentlichkeit findet und zahlreiche Arbeitsplätze in Gefahr bringt, kann das Unternehmen sich der zumindest moralischen Unterstützung von Politikern und Vertretern der Gebietskörperschaften sicher sein. Auf den ersten Blick willkommen sind dann auch staatliche Unterstützungsmaßnahmen wie z.B. Landesbürgschaften2.

1 Einzelheiten s. Friedl/Natusch FB 2009, 227; von Ilberg/Tschesche BB 2010, 259. 2 Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl, Handbuch der übertragenden Sanierung, 2002, S. 244 ff.; Koenig ZIP 2000, 53; zu Patronatserklärungen als Beihilfe s. Soltész/Pfeffer/Wagner WM 2013, 831; zum Verfahren s. Bartosch ZIP 2000, 601; kritisch gegenüber staatlichen Hilfen Jüttner/Kramny DB 1983, 114 und Lenel WuW 1983, 430.

220 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1050 Erster Teil

Diese Art der Hilfe ist allerdings zweischneidig. Sie kann leicht mit dem Beihilfeverbot der Art. 107, 108 AEUV1 kollidieren. Allein der Umstand, dass ein Empfänger staatlicher Beihilfen ohne diese insolvent werden würde, kann eine drohende oder aktuelle Wettbewerbsverfälschung nämlich nicht ausschließen2. Ein Verstoß gegen das Beihilfeverbot hätte zur Folge, dass die Unterstützung dem Unternehmen nicht gewährt werden darf oder eine bereits geleistete Hilfe zurückzufordern ist3; handelt es sich um eine Bürgschaft, so kann unter Umständen auch dem Bürgschaftsnehmer die Inanspruchnahme verwehrt sein4. Diese Grundsätze gelten auch in der Insolvenz des Beihilfeempfängers5.

1.1049

Ob die Unterstützung als Beihilfe einzuordnen ist und ob sie ggf. genehmigt wird, lässt sich innerhalb der Dreiwochenfrist nur selten klären6. So ist die Entscheidung beispielsweise im Fall Philipp Holzmann trotz höchster politischer Unterstützung erst nach achtzehn Monaten gefallen. Damit kommen sowohl Kreditgeber als auch das Unternehmen in eine unangenehme Lage, die noch verschärft werden kann, wenn von politischer Seite betont wird, dass die konkrete Maßnahme entweder überhaupt nicht genehmigungspflichtig sei oder zwar notifiziert werden müsste, Einwendungen der EU-Kommission aber nicht zu befürchten seien. Die Beteiligten sehen sich dann dem öffentlichen Druck ausgesetzt, dem Sanierungskonzept zuzustimmen, während sie auf der anderen Seite zu wissen glauben oder ernsthaft befürchten, dass ein wesentlicher Bestandteil des Sanierungskonzepts ausfallen wird. Kündigungsklauseln in den Verträgen für den Fall, dass die staatliche Unterstützung ausbleibt, sind zwar einfach zu formulieren und zu verhandeln, ihr wirtschaftlicher Effekt ist jedoch gering, wenn Klarheit erst in einem Zeitpunkt erzielt wird, in dem die Beteiligten ihre Beiträge zu der Sanierung bereits unwiederbringlich geleistet haben. Ein Sanierungskonzept muss deshalb so bemessen sein, dass es notfalls auch dann durchführbar ist, wenn die versprochene staatliche Hilfe ausbleibt.

1.1050

1 Mitteilung der Kommission: Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (2014/C 249/01), ABl. 2014 C 249/1; EU-Kommission v. 31.7.2014 – 2014/C 249/01, ZInsO 2014, 2088; Klein DZWIR 2003, 89; Koenig ZIP 2000, 53; Koenig/Kühling NJW 2000, 1065; Soltész NJW 2014, 3128; Soltész/Weiß ZInsO 2019, 749; EuGH v. 11.7.1996 – C-39/94, WM 1996, 2278; EuGH v. 20.3.1997 – C-24/95, EuZW 1997, 276; EuGH v. 21.1.1999 – T-129/95, T-2/96, T-97/96, ZIP 1999, 153; EuGH v. 29.4.2004 – C-277/ 00, NZI 2004, 392; BVerfG v. 17.2.2000 – 2 BvR 1210/98, WM 2000, 621; allgemein zu Beihilfepolitik und Beihilferecht Cranshaw ZInsO 2019, 1; zur Zuwendung von Finanzmitteln durch öffentlich-rechtliche Kreditinstitute s. EuGH v. 26.5.2002 – C-482/99, WM 2002, 1757; zu Kollision der Rückforderung mit dem deutschen Kapitalerhaltungs- und Insolvenzrecht s. OLG Jena v. 30.11.2005 – 6 U 906/04, ZIP 2005, 2218 mit Anm. Cranshaw DZWIR 2006, 185 2 EuGH v. 12.10.2000 – C-480/98, ZIP 2000, 1938 = DZWIR 2001, 421. 3 Zur Zulässigkeit der Rückforderung durch Verwaltungsakt s. Herrmann/Kruis EuR 2007, 141. 4 Zu Patronatserklärungen als Beihilfe s. Soltész/Pfeffer/Wagner WM 2013, 831; zur Ausdehnung des Rückforderungsanspruchs wegen zu Unrecht gewährter Beihilfen auf Dritte s. Entscheidung der Europäischen Kommission v. 11.4.2000 – K(2000) 1063 endg., ZIP 2000, 1682; Ehricke ZIP 2000, 1656; Ehricke ZInsO 2002, 693; BGH v. 4.4.2003 – V ZR 314/02, WM 2003, 1491; a.A. Cranshaw WM 2008, 338. 5 LG Meiningen v. 12.5.2003 – 4 P 362/02, ZInsO 2003, 1006; zum Insolvenzplan als Beihilfe s. Quardt/Hanke ZInsO 2022, 497; zur Kollision mit den Regeln über Gesellschafterdarlehen s. BGH v. 5.7.2007 – IX ZR 221/05, ZIP 2007, 1760; zur Anfechtbarkeit von Rückforderungsansprüchen rechtswidriger Beihilfen s. BGH v. 5.7.2007 – IX ZR 256/06, ZInsO 2007, 989. 6 S. Koenig/Pickartz BB 2001, 633.

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Erster Teil Rz. 1.1051 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.1051

Demgegenüber können sich staatliche Beihilfen auch kontraproduktiv auswirken. Denn u.U. können nach einem Insolvenzantrag bereits empfangene, zweckgebundene Subventionen widerrufen werden, wenn aufgrund des Insolvenzantrags die Rechte der Gläubiger den Vorrang vor dem Ziel der Subvention erlangen1.

2. Beseitigung der Überschuldung 1.1052

Auf eine etwa eingetretene Überschuldung hat die Aufnahme von Krediten keinen Einfluss. Denn dem dadurch entstehenden Aktivposten muss auf der Passivseite der Bilanz eine entsprechende Verbindlichkeit gegenübergestellt werden. Zur Beseitigung der Überschuldung sind daher andere Wege einzuschlagen. In Betracht kommen Kapitalmaßnahmen und Forderungsverzichte und die Zuführung von Haftkapital z.B. in Form von Genussrechten von Gläubigern in den verschiedensten Variationen, manchmal auch sog. Bilanzierungshilfegarantien.

1.1053

Ein Sanierungskonzept, das die Aktionäre und Gesellschafter verschont und die Lasten einseitig den Gläubigern aufbürdet, ist den Gläubigern kaum zu vermitteln. Die Sanierung eines überschuldeten Unternehmens sollte nämlich in erster Linie die Aufgabe seiner Gesellschafter bzw. Aktionäre2 und nicht die der Kreditgeber und der Arbeitnehmer bzw. des PensionsSicherungs-Vereins sein3. Allerdings treffen Versuche, die Aktionäre zu Beiträgen zu veranlassen, jedenfalls bei Publikumsgesellschaften auf kaum zu überwindende rechtliche und praktische Schwierigkeiten. Bei Personengesellschaften schützt § 707 BGB (ab 1.1.2024 § 710 BGB4) die Gesellschafter vor der Anforderung von Nachschüssen5.

1.1054

Dies darf nicht dazu führen, dass die Lasten der Sanierung einseitig von den Gläubigern getragen werden müssen, während die Anteilseigner abwartend stillhalten und bei einem Scheitern der Sanierung nicht mehr verlieren, als sie ohne den Sanierungsversuch verloren hätten, an einem Erfolg der Sanierung aber in vollem Umfang partizipieren. Ziel eines Sanierungskonzepts muss es also sein, den Gläubigern als Gegenleistung für ihre Opfer und neu eingegangenen Risiken einen Anteil an dem Wertzuwachs zukommen zu lassen, der aus einer erfolgreichen Sanierung resultiert. Dies lässt sich durch eine Kombination von Kapitalmaßnahmen6 wie Kapitalerhöhung7, Ausgabe von Genussrechten oder Umwandlung ihrer Forderungen in Kapital mit schuldrechtlichen Vereinbarungen bewerkstelligen.

1 VG Bayreuth v. 15.11.2017 – B 4 K 16.620, ZInsO 2018, 811; zum Widerruf gegenüber Stiftungen s. OVG Berlin-Brandenburg v. 15.2.2018 – OVG 6 B 5.16, ZInsO 2018, 805. 2 Schwemer WM 1999, 1155. 3 Zur Insolvenzvermeidung durch außergerichtliche Übernahme von Betriebsrenten durch den PSV s. Diller ZIP 1997, 765. 4 Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021 – BGBl. I 2021, 3436; zur Auswirkung auf die Unternehmensbewertung s. Walter ZIP 2022, 2587. 5 Zu Mehrheitsbeschlüssen über Nachschüsse s. BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, ZIP 2014, 2231; Meyer ZIP 2015, 256. 6 Zu Kapitalmaßnahmen im grenzüberschreitenden Reorganisationsverfahren s. Fehrenbach ZIP 2014, 2485. 7 Zu Problemen der Umstrukturierung durch Umwandlung s. Heckschen DB 2005, 2283.

222 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1056 Erster Teil

a) Kapitalerhöhung Die Gesellschafter bzw. Aktionäre können die Überschuldung durch Aufbringen neuen Kapitals beseitigen1. Anders als eine Vergabe neuer Kredite, die dem Kreditgeber u.U. Schadenersatzansprüche wegen Insolvenzverschleppung einbringt (s. Rn. 5.157 ff.), führt die Zufuhr von Eigenkapital grundsätzlich nicht zu Haftungsrisiken des Gesellschafters oder Aktionärs, und zwar unabhängig davon, ob der Sanierungsversuch geglückt oder fehlgeschlagen ist und ob das unternehmerische Konzept einer Sanierung sich letztlich als tragfähig und zielführend erwiesen hat2. Die Kapitalmaßnahmen müssen jedoch nach Erkennen der Krise sehr schnell getroffen werden3. In Betracht kommen in erster Linie Kapitalerhöhungen4, meist nach vorangegangener Kapitalherabsetzung5, und sekundär die Umwandlung von Forderungen6 der Gläubiger in Kapital, auch debt-equity-swap genannt7. Hierfür bieten sich neben den schon vorhandenen, meist unwilligen Aktionären insbesondere sog. Turnaround-Fonds an, die sich auf Sanierungsfälle spezialisiert und entsprechende Strategien entwickelt haben8.

1.1055

aa) Fristenproblem Für eine Kapitalerhöhung, die nicht nur die Überschuldung beseitigen würde, sondern gleichzeitig auch die Liquiditätsprobleme des Unternehmens lösen könnte, fehlt oft die Zeit. Handelt es sich um eine überschuldete, aber noch nicht zahlungsunfähige Aktiengesellschaft, so müssen Kapitalmaßnahmen innerhalb einer Frist von sechs Wochen abgeschlossen sein (§ 15a Abs. 1 Satz 2 InsO). Das ist zwar schwierig, aber durchaus möglich. Anders verhält es sich im Fall einer Zahlungsunfähigkeit. Hier gilt eine Frist von nur drei Wochen (§ 15a Abs. 1 Satz 2 InsO). Innerhalb dieser Frist ist es nicht mehr möglich, die zur Kapitalerhöhung bzw. zum Kapitalschnitt notwendige Hauptversammlung einzuberufen. Für die Einladung gilt nämlich eine Frist von 30 Tagen (§ 123 AktG). Auch die Ausnutzung genehmigten Kapitals (§ 202 AktG)9 muss in der Regel an den kurzen Fristen scheitern. Sofern das Bezugsrecht der Aktionäre nicht ausgeschlossen ist10, steht ihnen eine Frist für die Ausübung von mindestens zwei Wochen zu, die in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen ist (§ 186 Abs. 1 AktG).

1 Zur Durchführung s. Gehrlein ZInsO 2021, 175; zur Gesellschafterfremdfinanzierung in Form subordinierter Darlehen, Forderungsverzicht oder durch Abgabe von Patronatserklärungen s. Meyer-Löwy/Schmidt/Shubina ZIP 2014, 2478; zum Weg über Leveraged Buyouts s. Eidenmüller ZIP 2007, 1729; Kuntz ZIP 2008, 814; Söhner ZIP 2011, 2085. 2 OLG München v. 6.7.2005 – 7 U 2230/05, ZIP 2006, 564 = WM 2005, 2231. 3 Zu typischen Fragestellungen im Zusammenhang mit Kapitalmaßnahmen s. Pleister/Kindler ZIP 2010, 503. 4 Eine ökonomische Analyse der Unternehmenssanierung durch Eigenkapitalemission findet sich bei Höll/Jostarndt ZBB 2008, 180. 5 Zur Zulässigkeit radikaler Kapitalschnitte, die für Kleinaktionäre zum Verlust ihrer Mitgliedschaft führen, s. BGH v. 9.2.1998 – II ZR 278/96, ZIP 1998, 692 = NZG 1998, 422; zu den gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen im Übrigen s. Hirte ZInsO 1999, 616. 6 Nicht zu verwechseln mit der Umwandlung des Unternehmens (s. dazu Heckschen ZInsO 2008, 824); zu Risiken für die Gläubiger s. Kanzler/Mader GmbHR 2012, 992. 7 Zu den Gründen der Kreditinstitute für die Zurückhaltung gegenüber debt-equity-swaps s. Buchalik ZInsO 2019, 465. 8 Natusch Steuer-Journal 2005 Heft 7, S. 33; Himmelsbach/Achsnick NZI 2006, 561. 9 S. Pleister/Kindler ZIP 2010, 503. 10 Zum Ausschluss des Bezugsrecht von Altaktionären s. Fischer NZI 2013, 823.

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1.1056

Erster Teil Rz. 1.1057 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.1057

Diese Diskrepanz in den Fristen wurde von der Insolvenzrechtsreform 1994 nicht und vom SanInsFoG nur im Hinblick auf die Überschuldung bereinigt, so dass für Kapitalmaßnahmen nur im Vorfeld, d.h. bei einer sich anbahnenden Überschuldung Zeit bleibt. Zwar kann eine Kapitalerhöhung auch noch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beschlossen werden1 und die Insolvenzgründe wieder beseitigen; dies erscheint jedoch wenig sinnvoll, da die mit der Verfahrenseröffnung verbundene negative Publizität einem ohnehin schon notleidenden Unternehmen in der Regel weiteren geschäftlichen Schaden zufügt.

1.1058

Wenn auch die Kapitalerhöhung zur fristgerechten Beseitigung der Überschuldung nicht geeignet ist und dafür andere Maßnahmen ergriffen werden müssen, so kann sie doch zur Wiederherstellung des verlorenen Kapitals notwendig sein und schon deshalb zum Bestandteil eines Sanierungskonzepts gemacht werden2. Dies kann dadurch sichergestellt werden, dass sich die an der Sanierung Beteiligten verpflichten, die neuen Aktien zu einem im Voraus festgelegten Kurs zu übernehmen3, soweit diese – was vor allem dann zu erwarten ist, wenn der Ausgabekurs wegen des Sanierungszwecks über den aktuellen Börsenwerten liegt4 – nicht an der Börse platziert werden können. In Verbindung mit einer Kapitalherabsetzung wird auf diese Weise dafür gesorgt, dass ein Erfolg der Sanierung nicht den Altaktionären, die keinen zusätzlichen Beitrag mehr leisten, zugutekommt, sondern deren Anteil an dem Unternehmen reduziert und den Gläubigern einen über die bloße Rückzahlung ihrer Forderungen hinausgehenden Vorteil bietet. Eine zu harsche Kapitalherabsetzung, die bewirkt, dass Aktionären mit geringerem Aktienbestand nur „Spitzen“ verbleiben, mag zwar zulässig sein5, kann aber – wie der „Sachsenmilch“-Fall6 zeigt – zu jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen führen. bb) Mitwirkungsrecht der Gesellschafter

1.1059

Zwar kann sich zwischen Gesellschaftern eines sanierungsbedürftigen Unternehmens in besonders gelagerten Ausnahmefällen aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht die Pflicht ergeben, sich entweder an der Sanierungsaktion zu beteiligen oder auf ihre Gesellschafterstellung zu verzichten, wenn schützenswerte Belange dieser Gesellschafter nicht entgegenstehen (Einzelheiten s. Rn. 5.379). Diese Grundsätze können nicht auf außenstehende Banken bei einer Sanierungsaktion von Gläubigern übertragen werden. Nicht nur fehlt es an einer Treuepflicht unter den Banken, da die außenstehenden eben nicht in das Konsortium als Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingebunden sind, zum anderen werden sie nicht von Schulden befreit, sondern nehmen – unverdientermaßen – nur an den Chancen des von anderen getragenen Sanierungsversuchs teil; das aber reicht nicht, um ihnen die Kündigung zu untersagen.

1 LG Heidelberg v. 16.3.1988 – O 6/88 KfH II, ZIP 1988, 1257; zu den Folgen s. Gundlach/Frenzel/ Schmidt NZI 2007, 692. 2 Zu den Auswirkungen einer Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf die Durchführung einer solchen bereits beschlossenen Kapitalerhöhung s. Götze ZIP 2002, 2204; zur Zustimmungspflicht von Minderheitsgesellschaftern mit Sperrminorität s. Schorlemer/Stupp NZI 2003, 345; zur Anfechtbarkeit s. Lwowski/Wunderlich NZI 2008, 129. 3 Zum Ausschluss des Bezugsrecht von Altaktionären s. Fischer NZI 2013, 823. 4 Goller ZInsO 2000, 57. 5 BGH v. 9.2.1998 – II ZR 278/96, WM 1998, 813. 6 Kapitalherabsetzung im Verhältnis 750:1 – vgl. auch OLG Dresden v. 18.9.1996 – 12 U 1727/96, ZIP 1996, 1780, 1787; BGH v. 15.12.2003 – II ZR 194/01, ZIP 2004, 310.

224 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1062 Erster Teil

cc) Kreditinstitut als Gesellschafter Sofern die Kapitalerhöhung 30 % des erhöhten Grundkapitals übersteigt, müssen die Emissionsbanken bei der Zeichnung der neuen Aktien beachten, dass sie keinen Kontrollwechsel bewirken, der ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG auslösen würde1. Wird diese Grenze nur durch Zusammenrechnung der Anteile sämtlicher Emissionsbanken überschritten, so ist ein Pflichtangebot nicht erforderlich, wenn sich der Übernahmevertrag auf die üblichen Regelungen beschränkt und sich die Banken darüber hinaus nicht über das Verhalten in Bezug auf das Unternehmen abstimmen (§ 30 Abs. 2 WpÜG)2.

1.1060

Ein Kreditinstitut, das sich an einer solchen Kapitalerhöhung beteiligt, ist nicht darauf beschränkt, die neuen Geschäftsanteile bzw. Aktien in den Eigenbestand zu übernehmen und damit selbst dauerhaft Gesellschafter des Unternehmens zu werden. Vielmehr reichen die weiteren Handlungsalternativen von der Übernahme sämtlicher neuer Anteile im Rahmen eines sogenannten „Hard underwriting“/„firm commitment underwriting“, bei dem die beteiligten Kreditinstitute das Platzierungs- (Absatz-) und Preisrisiko vollständig übernehmen, über ein sogenanntes „Best Effords Underwriting“, bei dem das Absatz-/Platzierungs- und Preisrisiko bei dem Emittenten verbleiben und die Kreditinstitute den Vertrieb lediglich kommissionsweise im Rahmen eines mittelbaren Bezugsrechtsangebotes nach § 186 Abs. 5 Satz 1 AktG durchführen bis hin zur Einschaltung als Vertreter der zeichnungswilligen Aktionäre (sogenanntes Vertragsmodell).

1.1061

b) Genussrechtsausgabe Das bei der Kapitalerhöhung auftretende Fristenproblem lässt sich durch die Zuführung von Mitteln mit Eigenkapitalcharakter, die nicht den Regeln über die Kapitalerhöhung unterliegen, vermeiden. Als solche Mittel kommen Genussrechte in Betracht3. Im Unterschied zur Rechts1 Zur Sanierungsbefreiung s. Hasselbach/Hoffmann DB 2009, 327; Kocher ZInsO 2010, 2125. 2 Weiand/Schlitt/Behrends GS Bosch, 2005, 239 m.w.N. 3 Beispiele für die Ausgabe von Genussrechten zu Sanierungszwecken (Quelle: Natusch in Häger/ Elkemann-Reusch, Mezzanine-Finanzierungsinstrumente, 2007, S. 19 [46]): Grundig AG (1984) Ausgabe von Genussscheinen von insgesamt 250 Mio. DM gegen Kapitaleinlage an ein Konsortium bestehend aus den Gläubigerbanken. Die Genussscheine sind mit einem Wandlungsrecht in neue Stammaktien ausgestattet. Otto Wolf AG (1987) Ausgabe von Genussscheinen von insgesamt 100 Mio. DM mit einer Laufzeit bis zum Jahresende 2002. Die Genussrechte verfügen über eine gewinnabhängige Vergütung. Die Genussscheine konnten ab 1991 im Verhältnis 2:1 in stimmrechtlose Vorzugsaktien getauscht werden. Metallgesellschaft AG (1994): Umwandlung von Kreditforderungen i.H.v. insgesamt 1.335 Mio. DM in 267 Mio. DM Genussrechte. Die Genussrechte können in Eigenkapital gewandelt werden und verfügen über Dividenden- und Bezugsrechte. Verlustübernahmen sind nicht vorgesehen. Im Kündigungsfall hat eine Rückzahlung zu erfolgen, unternehmerische Mitbestimmungsrechte fehlen. Philipp Holzmann AG (2000): Ausgabe von Wandelgenüssen zum Nominalbetrag von 4,6 Mio. Euro in bar und im Betrag des Agios von rd. 386 Mio. Euro durch Umwandlung von Darlehen. Herlitz AG (2001): Umwandlung von Kreditforderungen i.H.v. rd. 49 Mio. Euro in Genussrechtkapital mit beigefügten Optionsrechten auf Aktien. Die Genussrechte wurden i.H.v. 22,9 Mio. Euro begeben. Der über den Nennbetrag hinausgehende Betrag wurde mit insgesamt 25,9 Mio. Euro in die Kapitalrücklage eingestellt. Vogt Electronic AG (2001): Umwandlung von Kreditforderungen i.H.v. 49,8 Mio. in Euro in Genussrechtkapital i.H.v. 39,0 Mio. Euro und Zuführung in die Kapitalrücklagen i.H.v. 10,8 Mio. Euro. Media (netCom) AG (2003): Der Vorstand wurde auf der außerordentlichen Hauptversammlung im November 2003 ermächtigt, bis zum November 2007 unter anderem Optionsgenussrechte alternativ oder kumulativ zu anderen Anleiheformen bis zu einem Gesamtbetrag i.H.v. 80 Mio. Euro aus-

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1.1062

Erster Teil Rz. 1.1062 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

stellung „echter“ Gesellschafter von Kapitalgesellschaften gewähren Genussrechte ihren Inhabern allenfalls gesellschaftertypische Vermögensrechte, jedoch keine Mitverwaltungsrechte1. Informations- und Teilnahmerechte (ohne Mitverwaltungsrechte) werden ihnen nur in eng begrenztem Rahmen zugestanden2. Als wichtigste Merkmale sind Nachrangigkeit3, Verlustteilnahme4, Dauerhaftigkeit und Verfügbarkeit zu nennen5. Um im Überschuldungsstatus unberücksichtigt zu bleiben, muss das Genusskapital zwar nicht alle Merkmale des Eigenkapitals ausweisen, jedoch wenigstens die Merkmale, die das Eigenkapital zum Haftkapital machen (funktionaler Eigenkapitalbegriff6). Als wichtigste Merkmale sind Nachrangigkeit, Verlustteilnahme7, Dauerhaftigkeit und Verfügbarkeit zu nennen8. Verbindlichkeiten und sog. Besserungsscheine erfüllen diese Kriterien und bleiben in der Überschuldungsbilanz unberücksichtigt, wenn sie aufgrund einer Rangrücktrittsvereinbarung nur aus künftigen Gewinnen oder dem Liquidationserlös zu tilgen sind9. Entsprechend können Genussrechte auf der Passivseite der Überschuldungsbilanz unberücksichtigt bleiben, wenn Kapitalrückzahlungen und Ausschüttungen nur aus künftigen Gewinnen oder einem Liquidationsüberschuss erfolgen dürfen. aa) Mitwirkungsrecht der Hauptversammlung

1.1063

Zwar dürfen Genussrechte nur aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses ausgegeben werden (§ 221 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 AktG). Wie erwähnt ist dieser in der Regel nicht

1

2 3 4 5 6 7 8 9

zugeben. Schaltbau Holding AG (2003): Auf der außerordentlichen Hauptversammlung im Dezember 2003 wurde unter anderem vorgeschlagen, Optionsgenussrechte im Gesamtbetrag i.H.v. 10 Mio. Euro zu begeben. Bei der Umwandlung von Kreditforderungen in Genussrechte wird je ein Genussrecht im Nennbetrag von 20,00 Euro für einen Forderungsbetrag von 24,00 Euro (Ausgabekurs) gewährt. Zu den vor allem in der Finanzmarktkrise 2008 genutzten sog. Conduit-Lösungen s. Seibt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 14 Rn. 67; Hofer/Arens GmbHR 2005, 1381. BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, ZIP 2014, 87 Rn. 64; BGH v. 21.7.2003 – II ZR 109/02, BGHZ 156, 38 (43); BGH v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141 (146 f.); BGH v. 5.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305 (310, 316) m.w.N.; zum Begriff s. auch Cranshaw ZInsO 2015, 649; Klusmeyer ZInsO 2010, 1873; Mock NZI 2014, 102. BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, ZIP 2014, 87 Rn. 64; BGH v. 5.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 310, 316 mwN. Forderungen der Genussrechtsgläubiger sind selbst im Fall einer Unwirksamkeit der Nachrangvereinbarung nachrangig zu befriedigen (OLG Dresden v. 12.4.2017 – 13 U 917/16, ZIP 2017, 1819). Zur Frage der Ausschüttung bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag s. OLG Frankfurt v. 13.12.2011 – 5 U 56/11, ZIP 2012, 79 ff. Göhrum, Einsatzmöglichkeiten von Genussrechten bei einer notleidenden GmbH oder AG, 1992, 133 ff.; Todtenhöfer, Die Übertragbarkeit der Grundsätze über Kapitalerhaltung und -aufbringung auf Genussrechte, 1996, S. 22 ff. Vgl. Schmidt, Quasi-Eigenkapital als haftungs- und bilanzrechtliches Problem, FS Goerdeler, 1987, 489; Lutter/Hommelhoff ZGR 1979, 42; Albach, ZStaatsW 1962, 653. Zur Frage der Ausschüttung bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag s. OLG Frankfurt v. 13.12.2011 – 5 U 56/11, ZIP 2012, 79 ff. Göhrum, Einsatzmöglichkeiten von Genussrechten bei einer notleidenden GmbH oder AG, 1992, 133 ff.; Todtenhöfer, Die Übertragbarkeit der Grundsätze über Kapitalerhaltung und -aufbringung auf Genussrechte, 1996, S. 22 ff. BGH v. 9.2.1987 – II ZR 104/86, ZIP 1987, 574; BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, DB 2012, 490; Göhrum, Einsatzmöglichkeiten von Genussrechten bei einer notleidenden GmbH oder AG, 1992, S. 151; Priester DB 1977, 2430; Knobbe-Keuk ZIP 1983, 129; zur Reichweite s. Gehrlein ZInsO 2022, 1; s. auch Rn. 5.464 f.

226 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1068 Erster Teil

innerhalb der Insolvenzantragsfrist herbeizuführen. Fehlende Mitwirkung der Hauptversammlung berührt die Wirksamkeit der Genussrechtsausgabe jedoch nicht1. Nach einhelliger Meinung schränkt § 221 Abs. 1 Satz 1 AktG nämlich nur die Geschäftsführungsbefugnis, nicht aber die Vertretungsbefugnis des Vorstandes ein, so dass die Ausgabe von Genussrechten, die ohne Beachtung dieser Vorschriften vorgenommen wird, wirksam ist. Zwar haften der Vorstand (§ 93 Abs. 2 AktG), ggf. auch der Aufsichtsrat wegen mangelnder Überwachung der Geschäftsführung (§ 116 AktG2) der Gesellschaft auf Schadenersatz. Voraussetzung sind ein pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten des Vorstandes und ein Schaden der Gesellschaft.

1.1064

Die Pflicht, Genussrechte nur mit Zustimmung der Hauptversammlung auszugeben, ist in § 221 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AktG normiert. Entgegengesetztes Handeln stellt eine Pflichtverletzung dar3. Dies gilt selbst dann, wenn die Ausgabe von Sanierungsgenussrechten der Abwendung der Überschuldung dient und ohne sie die Insolvenz des Unternehmens nicht zu vermeiden ist. Es ist letztlich irrelevant, ob ein Gesetzesverstoß subjektiv im Interesse der Gesellschaft erfolgt, denn Bindung an gesetzliche Vorschriften geht Opportunitätsüberlegungen vor. Zwar hat der Vorstand ein Ermessen bzgl. der unternehmerischen Entscheidungen. Äußere Grenze des Ermessens kann aber nur das Gesetz sein, das Unternehmensinteresse kann nicht darüber stehen. Auch Verschulden wird in der Regel ohne Weiteres nachweisbar sein.

1.1065

bb) Schadenersatzanspruch bei Ausgabe ohne Hauptversammlung Ebenso regelmäßig wird es jedoch an einem Schaden der Gesellschaft jedenfalls dann fehlen, wenn im konkreten Fall nicht nur die Zahlungsunfähigkeit, sondern die Überschuldung allein oder zusammen mit einer Zahlungsunfähigkeit den Insolvenzgrund bildet. Nach der herrschenden Differenzhypothese ist die hypothetische Vermögenslage der Gesellschaft bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstandes mit der tatsächlichen, nach Eintritt des schädigenden Ereignisses vorliegenden Vermögenslage zu vergleichen.

1.1066

Bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstandes wird kein Genusskapital ausgegeben. Dies führt dazu, dass eine bestehende Überschuldung nicht beseitigt wird und die Gesellschaft ein Insolvenzverfahren beantragen muss, das allenfalls zur quotalen Befriedigung der Insolvenzgläubiger führt, während für die Anteilseigner nichts übrig bleibt.

1.1067

Bei pflichtwidrigem Verhalten des Vorstandes stellt sich die Vermögenslage der Gesellschaft wie folgt dar:

1.1068

– Entweder misslingt die Sanierung trotz der Zuführung des Genusskapitals mit der Folge, dass ein Insolvenzverfahren beantragt werden muss. Dies führt jedoch nicht zur Schmälerung des Gesellschaftsvermögens bzw. der Insolvenzmasse, da das Genusskapital einerseits dem Unternehmen neues Geld zugeführt hat, andererseits dem Genussrechtsinhaber keine 1 Habersack in Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl. 2021, § 221 Rn. 150; Koch in Hüffer/ Koch, AktG, 15. Aufl 2021, § 221 Rn. 52 m.w.N.; Hüffer ZHR 161 (1997), 214; Georgakopoulos ZHR 120 (1957), 84, 143; Stadler NZI 2003, 579; zu den Grenzen der Fremdkapitalfinanzierung ohne Zustimmung der Hauptversammlung s. Krecek/Röhricht ZIP 2010, 413. 2 Habersack in Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl. 2021, § 221 Rn. 151. 3 Martin Obermüller, Möglichkeiten und Grenzen des Genussrechts als Sanierungsinstrument, 2008, S. 113 ff.; a.A. Göhrum, Einsatzmöglichkeiten von Genussrechten bei einer notleidenden GmbH oder AG, 1992, S. 214.

Martin Obermüller | 227

Erster Teil Rz. 1.1068 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

Ansprüche in der Insolvenz gewährt. Verglichen mit der hypothetischen Vermögenslage liegen keine Vermögensminderung und somit auch kein Schaden vor. – Oder die Zuführung von Genusskapital führt zur Beseitigung der Überschuldung. Dann liegt erst recht kein Schaden vor, denn ohne Genussrechtsausgabe gegen Kapital wäre die Gesellschaft insolvent, d.h. das Vermögen wäre mit Sicherheit kleiner als ohne Zuführung von Genusskapital.

1.1069

Wenn der Tatbestand der Überschuldung gegeben ist, ist keine Konstellation denkbar, in der die Verletzung der Vorstandspflicht, die Zustimmung der Hauptversammlung vor Ausgabe der Sanierungsgenussrechte einzuholen, zu einem Schaden führt1.

1.1070

Dass dieser Ausweg bisher nicht beschritten wurde, liegt an der nachvollziehbaren Scheu eines jeden Vorstands, vorsätzlich und nachweisbar gegen bestehende Gesetze zu verstoßen, und der Unsicherheit, ob die Rechtsprechung die oben dargestellten Überlegungen akzeptiert2. c) Umwandlung von Forderungen in Kapital

1.1071

Neben oder anstelle der Anteilseigner können auch die Gläubiger an Kapitalmaßnahmen mitwirken. Sofern sie nicht bereit sind, eine Barkapitalerhöhung zu zeichnen, bei der sie neues Geld aufbringen müssten, kommt eine Umwandlung ihrer Forderungen in Kapital in Betracht3. Ein solcher sog. Debt-Equity-Swap bietet dem bisherigen Gläubiger die Chance, über den Erwerb von Gesellschafterrechten das operative Geschäft des Unternehmens zu beeinflussen4, und mutet ihm nur ein vergleichsweise geringes Ausfallrisiko zu, da sein Einsatz, nämlich die Aufgabe wertberichtigter Forderungen, gering ist. aa) Risiken der Umwandlung

1.1072

Dies ist allerdings nur im Wege der Sacheinlage und auch dann nur nach Maßgabe der Vollwertigkeit der Forderungen zulässig5. Diese Werthaltigkeit setzt voraus, dass das Vermögen der Gesellschaft die umzuwandelnden Verbindlichkeiten zumindest in Höhe ihres Einbringungswerts deckt, so dass der Gesellschaft durch die Umwandlung ein entsprechender Wert zufließt6. Eine solche Lösung birgt für die Gläubiger mehrere Risiken7 in sich:

1 Martin Obermüller, Möglichkeiten und Grenzen des Genussrechts als Sanierungsinstrument, 2008, S. 152 ff. 2 Kritisch wegen Kollusion Stadler NZI 2003, 579. 3 Uhlenbruck ZIP 1980, 515; Paulus DZWIR 2008, 6; Korff ZInsO 2013, 2411; Müller KTS 2012, 419; Wuschek ZInsO 2012, 1768; Durchführungshinweise s. Paape DZWIR 2009, 9; Carli/Rieder/ Mückl ZIP 2010, 1737; zu steuerlichen Strukturierungen s. Scheunemann/Hoffmann DB 2009, 983; zur Abschaffung der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1 KStG s. Breuninger/Ernst GmbHR 2011, 673; Zimmer ZInsO 2011, 950. 4 Reformvorschläge zur Vereinfachung der Umwandlung s. Ehlers ZInsO 2009, 320; Eidenmüller/ Engert ZIP 2009, 541; kritisch dazu Drouven ZIP 2009, 1052. 5 BGH v. 15.1.1990 – II ZR 164/88, ZIP 1990, 156; BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90, ZIP 1992, 995; kritisch dazu Karollus ZIP 1994, 589; zu den Fällen Metallgesellschaft und Klöckner-HumboldtDeutz s. Marsch-Barner DB 1995, 1497; zur Metallgesellschaft s. Goller ZInsO 2000, 57; zur Flucht ins englische Recht s. Paulus DZWIR 2008, 6; Übersicht bei Geißler ZInsO 2015, 182. 6 Marsch-Barner DB 1995, 1497. 7 Übersicht bei Neuhof WM 2005, 405; Paulus DZWIR 2008, 6.

228 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1073 Erster Teil

– Wird der wirtschaftliche Wert der umgewandelten Forderung zu hoch angesetzt, so droht den Gläubigern beim Scheitern des Sanierungsversuchs nicht nur der Totalausfall mit ihrer Forderung, sondern auch eine Nachschusspflicht in Höhe des zu hoch angesetzten wirtschaftlichen Wertes des umgewandelten Kredits1. – Misslingt die Sanierung später, so kommt es zum „GAU“ der Unternehmensfinanzierung durch Dritte2, denn die Gläubiger laufen mit dem Erwerb von Anteilen an dem Unternehmen Gefahr, mit ihren verbleibenden Restforderungen den Regeln über Gesellschafterdarlehen unterworfen zu werden. bb) Erleichterung der Umwandlung Um die Bereitschaft zur Übernahme von Beteiligungen zu Sanierungszwecken zu fördern, hat der Gesetzgeber Ausnahmen vom Pflichtangebot nach dem WpÜG zugelassen und die sonst recht strikten Kapitalersatzregeln in zwei Punkten abgemildert: – Von seiner Pflicht, bei Übernahme der Kontrolle über eine börsennotierte Aktiengesellschaft3 sämtlichen außenstehenden Aktionären den Abkauf ihrer Aktien anzubieten (§§ 35 ff. WpÜG), kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Erwerber4 befreien, wenn der Kontrollerwerb im Zusammenhang mit der Sanierung der Zielgesellschaft geschieht (§ 37 Abs. 1 WpÜG, § 9 WpÜGAngVO)5. – Ausgenommen von den Regeln über Gesellschafterdarlehen sind aber durch das sog. Kleinbeteiligungsprivileg Darlehen des nicht geschäftsführenden Gesellschafters bzw. bei einer Aktiengesellschaft Darlehen eines Aktionärs, der nicht dem Vorstand angehört und der mit 10 % oder weniger am Kapital beteiligt ist (§ 39 Abs. 5 InsO). Dieser Schwellenwert von 10 % darf während eines laufenden Kreditengagements nie, also auch nicht kurzfristig überschritten werden6. Entscheidend ist, ob der einzelne Gläubiger sich mit seinem Anteil unterhalb dieser Schwellenwerte hält. Eine Addition sämtlicher Anteile der Gläubiger, die sich in gleicher Weise an der Sanierungsaktion beteiligen, ist nicht möglich, solange keine gesellschaftsrechtliche Bindung besteht7; die Mitwirkung an der Sanierung reicht nicht. Hier ist zwar zunächst ein gemeinsames Vorgehen notwendig, die Gemeinsamkeiten enden aber im Wesentlichen mit Abschluss der entsprechenden Verträge. – Ausgenommen von den Regeln über Gesellschafterdarlehen sind ferner Geschäftsanteile, die ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung erwirbt (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO)8. Dieses sog. Sanierungsprivileg gilt für Kredite, die bei drohender oder schon ein-

1 Feddersen FS Helmrich, 1994, 597. 2 Weitnauer BKR 2005, 43. 3 Zur Stimmrechtszurechnung wegen abgestimmten Verhaltens („acting in concert“) s. Kocher Der Konzern 2011, 162. 4 Zum Erwerb über einen Treuhänder s. Stadler NZI 2010, 44. 5 Einzelheiten s. Wittig FS Kirchhof, 2003, 553; Holzborn/Israel WM 2004, 309. 6 Pichler WM 1999, 411. 7 OLG Hamburg v. 17.2.1989 – 11 U 241/88, ZIP 1989, 373 = WM 1989, 717. 8 Zur steuerlichen Behandlung von Verlusten aus Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten s. BFH v. 19.8.2008 – IX R 63/05, ZIP 2009, 268.

Martin Obermüller | 229

1.1073

Erster Teil Rz. 1.1073 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

getretener Zahlungsunfähigkeit ausgezahlt werden1, jedoch nur dann, wenn es vor einer nachhaltigen Sanierung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt. Durch diese zeitliche Beschränkung ist das Sanierungsprivileg für die Praxis nicht brauchbar2, denn es lässt sich kaum einmal klären, wann die erste Krise geendet und eine erneute, andere Krise begonnen hat, wenn es gewisse Zeit nach dem Erwerb einer Sanierungsbeteiligung doch noch zu einem Insolvenzverfahren kommt. Hier wird dem Erwerber der Sanierungsbeteiligung das Risiko einer Fehlbeurteilung zugewiesen. Diese Unsicherheit ist ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung von Kreditinstituten, auf Basis des Sanierungsprivilegs Beteiligungsübernahmen über die oben erwähnte Kleinbeteiligungsgrenze hinaus als Instrumente zur Krisenbewältigung einzusetzen. cc) Reverse Debt-Equity-Swap

1.1074

Um diesen Hindernissen zu entgehen wird vereinzelt zu einem sog. Reverse Debt-EquitySwap gegriffen. Hier wird die angestrebte gesellschaftsrechtliche Beteiligung der Gläubiger am Schuldnerunternehmen nicht im Wege der Einbringung der Forderungen in das Schuldnerunternehmen, sondern umgekehrt durch Einbringung des Schuldnerunternehmens oder Teilen hiervon in die Gesellschaft des Gläubigers, der die betreffende Forderung hält, vollzogen3. Als weiterer Ausweg wird der sog. Debt Mezzanine Swap vorgeschlagen, durch den erstrangige Darlehen in nachrangige umgewandelt werden4; diese Konstruktion entspricht weitgehend einem Rangrücktritt.

1.1075

frei d) Umwandlung von Forderungen in Genussrechte

1.1076

Die oben geschilderte Gefahr für die Banken, dass ihre nach der Übernahme von Kapitalbeteiligungen etwa verbleibenden Restkredite den Regeln über Gesellschafterdarlehen unterworfen werden, lässt sich vermeiden durch Umwandlung in nachrangiges Haftkapital wie z.B. Genussrechte5, die dem Inhaber keine gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten verschaffen6. Im Unterschied zur Rechtsstellung „echter“ Gesellschafter von Kapitalgesellschaften gewähren Genussrechte ihren Inhabern allenfalls gesellschaftertypische Vermögensrechte7, je-

1 Bitter (ZIP 2013, 398) sieht darin einen Zirkelschluss: Das Sanierungsprivileg greife nur bei negativer Fortführungsprognose, die Beitrittswilligkeit des eintretenden Gesellschafters führe aber zur positiven Prognose und damit zum Wegfall des Insolvenzgrundes. 2 S. im Einzelnen Rn. 5.951 und Buchalik ZInsO 2019, 465; Wittig FS Uhlenbruck, 2000, 685 (694); Wittig FS K. Schmidt, 2009, 1743; Tetzlaff ZInsO 2005, 644; ebenso auch Obermüller ZInsO 1998, 51 (53 f.); Früh GmbHR 1999, 842 (847). 3 Einzelheiten s. Drouven/Nobiling DB 2009, 1895; Kresser ZInsO 2010, 1409; Rusch/Brocker ZIP 2012, 2193; Wallner ZInsO 2010, 1419. 4 Zur Konstruktion s. Oelke/Wöhlert/Degen BB 2010, 299; s. auch Hölzle/Pink ZIP 2011, 360. 5 S. § 221 Abs. 3 AktG; zu den Ausgestaltungsmöglichkeiten s. Claussen FS Werner, 1984, 81; Ziehe DStR 1991, 1594; zur Entbehrlichkeit einer Mitwirkung der Hauptversammlung s. oben Rn. 1.1063 ff. und Martin Obermüller, Möglichkeiten und Grenzen des Genussrechts als Sanierungsinstrument, 2008, S. 113 ff. 6 Neuhof NJW 1998, 3225. 7 Forderungen der Genussrechtsgläubiger sind selbst im Fall einer Unwirksamkeit der Nachrangvereinbarung nachrangig zu befriedigen (OLG Dresden v. 12.4.2017 – 13 U 917/16, ZIP 2017, 1819).

230 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1081 Erster Teil

doch keine Mitverwaltungsrechte1. Informations- und Teilnahmerechte (ohne Mitverwaltungsrechte) werden ihnen nur in eng begrenztem Rahmen zugestanden2. Wenn dies dem Unternehmen auch keine neuen Mittel zuführt, so hilft es doch zur Aufrechterhaltung der Liquidität durch die Ersparnis von Tilgungen und Zinsen. Bei der Umwandlung von Forderungen in Genussrechte, die mit einem Wandlungsrecht verbunden sind, oder in Wandelschuldverschreibungen muss die Werthaltigkeit der Bankforderungen im Zeitpunkt der Übernahme der Wandelgenussrechte oder Wandelschuldverschreibungen geprüft und der Einbringungswert entsprechend festgelegt werden. Der Wert der eingebrachten Forderungen kann wesentlich davon beeinflusst werden, ob im Zeitpunkt der Umwandlung eine Barkapitalerhöhung bereits durchgeführt ist oder zumindest in vollem Umfang Zeichnungszusagen vorliegen; das Sanierungskonzept muss auch insoweit eine zeitliche Abstimmung beinhalten3. Im Zusammenhang mit der Wandelung ist keine erneute Sacheinlageprüfung notwendig; die Prüfung muss durch das Registergericht soweit wie möglich bereits vor der Eintragung des Beschlusses über die Schaffung bedingten Kapitals vorgenommen werden, zumal die spätere Eintragung der Durchführung der bedingten Kapitalerhöhung nur noch deklaratorische Bedeutung hat4.

1.1077

Das Volumen solcher Wandelgenussrechte wird begrenzt durch die Höhe des bestehenden Grundkapitals, da das zu schaffende bedingte Kapital die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen darf (§ 192 Abs. 3 AktG). Reicht dies nicht, so ist eine weitere Hauptversammlung mit einem abermaligen Beschluss notwendig.

1.1078

frei

1.1079

e) Umwandlung von Forderungen in Wandelschuldverschreibungen Die oben geschilderte Gefahr für die Banken, dass ihre nach der Sanierungsaktion etwa verbleibenden Restkredite den Regeln über Gesellschafterdarlehen unterworfen werden, lässt sich auch dadurch vermeiden, dass die Bank anstelle der Übernahme von Kapitalbeteiligungen ihre Kreditforderungen gegen Wandelschuldverschreibungen eintauscht. Wandelschuldverschreibungen, die dem Inhaber erst mit Ausübung des Wandlungsrechts zu einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung verhelfen, vermeiden bis zur Wandlung die Anwendung der Regeln über Gesellschafterdarlehen. Wandelschuldverschreibungen können der Bank jedoch außerhalb eines Insolvenzplanverfahrens nicht ohne ihren Willen aufgezwungen werden.

1.1080

Als hilfreich in Sanierungsituationen könnten sich bei Aktiengesellschaften – für eine GmbH fehlen derzeit noch die gesetzlichen Voraussetzungen – Pflichtwandelanleihen oder „umgekehrte Wandelanleihen“ (Contingent convertible Bonds = CoCo-Bonds) nach § 192 Abs. 1 AktG erweisen5. Dabei handelt es sich um Wandelschuldverschreibungen, die unter bestimm-

1.1081

1 BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, ZIP 2014, 87 Rn. 64; BGH v. 21.7.2003 – II ZR 109/02, BGHZ 156, 38 (43); BGH v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141 (146 f.); BGH v. 5.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 310, 316 m.w.N.; zum Begriff s. auch Seibt in Scholz, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 14 Rn. 135; Klusmeyer ZInsO 2010, 1873; Mock NZI 2014, 102. 2 BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, ZIP 2014, 87 Rn. 64; BGH v. 5.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305 (310, 316) m.w.N. 3 Marsch-Barner DB 1995, 1497. 4 Marsch-Barner DB 1995, 1497. 5 S. dazu Bungert/Wettich ZIP 2012, 297; Möhlenkamp/Harder ZIP 2016, 1093; Begründung zum RegE eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes v. 18.3.2015, BT-Drucks. 18/4349 Teil B zu

Martin Obermüller | 231

Erster Teil Rz. 1.1081 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

ten Bedingungen im Fall einer Krise einer automatischen Wandlung in Eigenkapital gegen Ausgabe von Aktien an die Anleihegläubiger unterliegen. Dazu muss rechtzeitig vorher ein bedingtes Kapital geschaffen worden sein (§ 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG); Zeitpunkt und Voraussetzungen der Wandlung müssen in den Anleihebedingungen niedergelegt sein, über die die Hauptversammlung vor Ausgabe der Anleihen in der Regel zusammen mit der bedingten Kapitalerhöhung beschließt.

1.1082

Der Gesetzgeber versucht hierbei insgesamt den Unternehmen maximale Flexibilität zu verschaffen („Debt-equity-swap auf Vorrat“) und die umgekehrte Wandelanleihe im Krisenfall für eine schnelle Rekapitalisierung zur Verfügung zu stellen. f) Interimslösungen

1.1083

Wegen der Diskrepanz zwischen den Fristen für die Stellung eines Insolvenzantrags und für Kapitalmaßnahmen wird meist die Notwendigkeit bestehen, die Zeit bis zum Eingreifen der Kapitalmaßnahmen zu überbrücken. Dafür ist eine Zwischenfinanzierung einer Barkapitalerhöhung nicht geeignet, wohl aber kommen Forderungsverzichte, Rangrücktritte und notfalls Bilanzierungshilfen in Betracht. aa) Zwischenfinanzierung einer Kapitalerhöhung

1.1084

Wenn eine Barkapitalerhöhung vorgenommen werden soll, wäre zwar die Zwischenfinanzierung durch einen Kredit nahe liegend, der dann aus Mitteln der Kapitalerhöhung zurückgeführt wird. Dies scheitert jedoch an dem Erfordernis, dass das Kapital zur freien Verfügung des Vorstandes1 eingezahlt werden muss (§ 188 Abs. 2, § 36 Abs. 2, § 54 Abs. 3 AktG)2.

Nr. 20 (§ 192 AktG), Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2016) v. 22.12.2015 – BGBl. I 2015, 2565. 1 Zur Bankbestätigung nach § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG s. BGH v. 7.1.2008 – II ZR 283/06, ZIP 2008, 546 = WM 2008, 483. 2 OLG Stuttgart v. 2.5.2002 – 20 U 13/01, BB 2002, 2086; OLG Jena v. 19.4.2017 – 2 U 18/15, ZInsO 2017, 2569; BGH v. 16.9.2002 – II ZR 1/00, BB 2002, 2461; BGH v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, DB 2003, 387; BGH v. 15.3.2004 – II ZR 210/01, GmbHR 2004, 736; OLG Celle v. 28.5.2003 – 9 U 5/ 03, GmbHR 2003, 898 (= Darlehensrückzahlung aus eine Woche zuvor eingezahltem Kapital); BGH v. 22.3.2004 – II ZR 7/02, ZIP 2004, 1046 (= Barein- und Barauszahlung an demselben Tag); BGH v. 21.9.2005 – BGH v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, ZInsO 2005, 1267; BGH v. 9.1.2006 – II ZR 72/05, ZIP 2006, 331 (= Hin- und Herzahlen verbunden mit Treuhandabrede); BGH v. 15.3.2004 – II ZR 210/01, WM 2004, 931; BGH v. 12.6.2006 – II ZR 334/04, DB 2006, 1889; BGH v. 12.4.2011 – II ZR 17/10, ZIP 2011, 1101; BGH v. 10.7.2012 – II ZR 212/10, ZInsO 2012, 1847; anders bei Zahlung auf debitorisches Bankkonto, sofern die Gesellschaft die Möglichkeit hat, erneut Kredit in Höhe des eingezahlten Betrages in Anspruch zu nehmen (BGH v. 8.11.2004 – II ZR 362/02, ZIP 2005, 121); weitergehend OLG Oldenburg v. 17.7.2008 – 1 U 49/08, ZInsO 2008, 1086 mit ablehnender Anm. Haverkamp ZInsO 2008, 1126; Lösungsmöglichkeiten s. BGH v. 18.3.2002 – II ZR 363/00, WM 2002, 963; OLG Bamberg v. 17.10.2002 – 1 U 89/01, GmbHR 2003, 717; anders ebenfalls für die Einzahlung von Kommanditkapital OLG Schleswig v. 27.10.2005 – 5 U 82/05, DB 2006, 207; zu den Auswirkungen der Abwicklung über ein Konto, das in eine Cash-Management-Vereinbarung einbezogen ist, s. BGH v. 16.1.2006 – II ZR 76/04, ZIP 2006, 665 und Lamb/Schluck-Amend DB 2006, 879; zur Voreinzahlung auf künftige Kapitalerhöhungen in Sanierungsfällen s. BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, NZI 2007, 421 und Überblick bei Fendel NZI 2007, 381; Henkel NZI 2010, 84; zur Haftung einer Emissionsbank s. Parmentier ZInsO 2008, 9.

232 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1088 Erster Teil

bb) Forderungsverzicht oder Rangrücktritt Soweit Forderungen umgewandelt werden sollen, muss dafür Sorge getragen werden, dass die Passivierungspflicht nicht erst mit der Umwandlung, sondern bereits bei Aufstellung des Überschuldungsstatus entfällt. Dies ließe sich am einfachsten mit einem Forderungsverzicht konstruieren (Einzelheiten s. Rn. 5.429 ff.), der ggf. mit einem Besserungsschein kombiniert werden könnte (Einzelheiten s. Rn. 5.439 ff.), oder mit einer sog. Rangrücktrittserklärung (Einzelheiten s. Rn. 5.464 ff.).

1.1085

Dabei müssen die steuerlichen Auswirkungen1 abgewogen werden. Gegenüber dem Forderungsverzicht mit Besserungsschein besitzt der Rangrücktritt sowohl für den Schuldner, der keinen außerordentlichen Ertrag mit entsprechenden steuerlichen Konsequenzen verbuchen muss, als auch für die Gläubiger, die die Forderung nicht voll abschreiben, sondern „lediglich“ wertberichtigen müssen, Vorteile2. Nachdem die entscheidende Frage, nämlich ob ein Rangrücktritt für die Beseitigung der Überschuldung ausreicht, geklärt und bejaht ist, empfiehlt sich für Sanierungsvorhaben künftig stets der Rangrücktritt.

1.1086

Außerdem muss der Umstand bedacht werden, dass eben diese Forderungen noch als Sacheinlage3 für die spätere Umwandlung geeignet sein müssen.

1.1087

cc) Kombination von Rangrücktritt und Genussrecht Die Diskrepanz zwischen den Fristen für die Stellung eines Insolvenzantrags und für Kapitalmaßnahmen kann durch eine Kombination des Genussrechtserwerbs mit einem Rangrücktritt überwunden werden. Dazu kann folgende Vereinbarung dienen:

M 6 Rangrücktrittserklärung und Genussrechtserwerb zwischen der ...-Bank – im Folgenden „Bank“ genannt – und der Firma ... – im Folgenden „Gesellschaft“ genannt – Die Gesellschaft beabsichtigt, nachrangiges Genusskapital über insgesamt nominal ... Euro zum Kurs4 von ... % durch Umwandlung von ... Euro Bankverbindlichkeiten der Gesellschaft zu begeben und bittet, dass Gläubiger hinsichtlich eines Teils ihrer Bankverbindlichkeiten aus ausgereichten Krediten zur Vermeidung bzw. Beseitigung einer Überschuldung einen Rangrücktritt erklären.

1 Blaas/Schwahn DB 2013, 2350; Blaas/Schwahn DB 2013, 2412; zu den Folgen der Besteuerung des Sanierungsgewinns für die Sanierungspraxis s. Maus ZIP 2002, 589 und Rn. 5.457. 2 Einzelheiten zu den steuerlichen Wirkungen s. Rn. 5.486 f. 3 Zur verdeckten gemischten Sacheinlage s. BGH v. 18.2.2008 – II ZR 132/06, ZIP 2008, 788; Herrler DB 2008, 2347; Geißler ZInsO 2015, 182. 4 Der Umrechnungskurs ist abhängig von der Bewertung der zurücktretenden Forderungen vor dem Rücktritt.

Martin Obermüller | 233

1.1088

Erster Teil Rz. 1.1088 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht 1. Rangrücktritt Dies vorausgeschickt erklärt sich die Bank bereit, hinsichtlich eines Betrages von ... Euro ihrer Kapitalforderungen aus Krediten im Rang zurückzutreten1. Eine Begleichung der im Rang zurückgetretenen Forderungen kann dann und insoweit verlangt werden, wie ihre Erfüllung aus einem die sonstigen Schulden der Gesellschaft übersteigenden Vermögen oder aus einem etwaigen Liquidationserlös und nach Befriedigung sämtlicher nicht nachrangiger Gläubiger möglich ist. Mehrere zurückgetretene Gläubiger sind anteilmäßig im Verhältnis ihrer Forderungen zu befriedigen. 2. Zeichnung von Genussrechten Die Bank verpflichtet sich, die auf sie entfallenden Genussrechte zu zeichnen. Die Rangrücktrittserklärung wird mit der Umwandlung in Genussrechte gegenstandslos. ... Ort/Datum ...

...

Unterschrift(en) der Bank

Unterschrift(en) der Gesellschaft

dd) Bilanzierungshilfe

1.1089

Als Bilanzierungshilfe2 kommen Vereinbarungen mit Gläubigern oder Dritten in Betracht, durch die wertberichtigte Forderungen wieder aufgewertet werden z.B. dadurch, dass ein bonitätsmäßig einwandfreier Dritter eine Garantie oder Bürgschaft für die notleidende Forderung übernimmt3. Problematisch erscheint demgegenüber die Inanspruchnahme sog. Bilanzierungshilfen durch Aussetzung von Aktivierungs- und Passivierungswahlrechten4.

III. Sanierungsmoderation 1.1090

Ein Sanierungskonzept muss eine ausgewogene Lösung zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen der verschiedenen Gläubiger untereinander und gegenüber den Anteilseignern und Lieferanten bieten. Der dafür zur Verfügung stehende rechtliche Rahmen für eine außergerichtliche Sanierung ist durch die nicht aufeinander abgestimmten insolvenzrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fristen und die Veröffentlichungspflichten des Wertpapierhandelsgesetzes sehr eng. Rechtliche Konstruktionen können diesen Bedürfnissen nur durch einen

1 Ist die Mitwirkung mehrerer Gläubiger notwendig, so sollte die Wirksamkeit des Rücktritts unter die aufschiebende oder auflösende Bedingung gestellt werden, dass sämtliche dieser Gläubiger entsprechende Erklärungen abgeben. 2 Empirische Untersuchung zu den Anwendungsformen s. Veit DB 1995, 2129. 3 Vgl. dazu LG Düsseldorf v. 19.12.1985 – 34 O 209/82, WM 1986, 318; OLG Düsseldorf v. 6.12.1986 – 6 U 29/86, ZIP 1987, 44 = WM 1986, 1568 = WuB VI B § 117 KO 1.87 – Stützle; zu Liquiditätszusagen von Gesellschaftern s. Böttger/Weimann DZWIR 2007, 309. 4 Einzelheiten vgl. Commandeur/Commandeur DB 1988, 661.

234 | Martin Obermüller

J. Außergerichtliche Unternehmenssanierungen | Rz. 1.1093 Erster Teil

kombinierten und eng verzahnten Einsatz diverser Instrumente wie Kapitalschnitten, Ausgabe von Genussrechten, Prolongationen alter Kredite, Gewährung neuer Kredite, Verzichten oder Rangrücktritten Rechnung tragen. Um ein derartiges Sanierungskonzept zu verhandeln und durchzusetzen, sind viele Unternehmen auf externe Hilfe angewiesen. Dazu reicht nicht das Engagement von Rechtsanwälten, die die Interessen ihres Auftraggebers zu vertreten haben. Vielmehr ist es dann zweckmäßig, eine unabhängige Person als Mediator hinzuzuziehen, der als Neutraler zwischen der widerstreitenden Interessen vermitteln kann. Gelingt es nicht, mit den anzusprechenden Gläubigern eine Einigung über die Auswahl des Mediators und über die Übernahme seiner Kosten1 zu erzielen, eröffnet § 94 StaRUG unabhängig vom Restrukturierungs- und Stabilisierungsrahmen und dessen Instrumenten der Schuldnerin die Möglichkeit, durch einen gerichtlich bestellten Sanierungsmoderator Unterstützung bei der Ausarbeitung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten zu erhalten2, insbesondere um einen Sanierungsvergleich zu schließen3. Es handelt sich um ein für den Schuldner freiwilliges Verfahren, in dem – anders als im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen -gegen die beteiligten Gläubiger kein Zwang ausgeübt werden kann4. Um die Vertraulichkeit der Sanierungsmoderation zu wahren und damit deren Erfolgschancen zu erhöhen, wird die Bestellung eines Sanierungsmoderators nicht öffentlich bekannt gemacht (§ 95 Abs. 2 StaRUG)5.

1.1091

Der Sanierungsmoderator hat dieselben Befugnisse wie ein ohne Hilfe des Gerichts bestellter Mediator. Das bedeutet, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners über sein Vermögen unberührt bleibt. Die Sanierungsmoderation scheidet deshalb aus bei „offensichtlicher“ Zahlungsunfähigkeit, „insbesondere“ bei Zahlungseinstellung und bei „offensichtlicher“ Überschuldung (§ 94 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StaRUG)6. Die Aufgabe des Sanierungsmoderators besteht im Wesentlichen darin, die Verhandlungen des Schuldners mit denjenigen Gläubigern, in deren Rechte nach dem Sanierungskonzept eingegriffen werden soll, zu fördern. Außerdem muss er das Insolvenzgericht über den Fortgang unterrichten (§ 96 Abs. 3, 4 StaRUG).

1.1092

Gegen den Willen eines Gläubigers können weder der Schuldner noch ein anderer Gläubiger oder der Sanierungsmoderator in dessen Rechte eingreifen. Mehrheitsentscheidungen wie im Insolvenzplanverfahren oder im Restrukturierungsverfahren binden den widersprechenden

1.1093

1 Wege zur Sicherung von deren Honorar s. BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, ZInsO 2002, 876; BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, ZInsO 2006, 712; BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, DB 2008, 176; BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 69/12, ZInsO 2013, 547; LG Berlin v. 26.6.2014 – 63 O 11/14, ZIP 2014, 1688; LG Würzburg v. 11.11.2013 – 92 O 2268/12, ZInsO 2014, 564; und Uhlenbruck KTS 2004, 505; Fölsing ZIP 2007, 1449; Gehrlein ZInsO 2020, 213; Heidbrink BB 2008, 958; Kirchhof ZInsO 2005, 340 m.w.N.; van Marwyk ZInsO 2018, 1352; Utsch DZWIR 2013, 353; Rechtsprechungsübersicht s. Ganter WM 2009, 1441; zur Haftung s. Ehlers NZI 2008, 211; Schmittmann ZInsO 2011, 545; Smid WM 2007, 1589; zur Nichtigkeit eines Beratungsvertrages zur Sanierung mit einem Steuerberater s. BGH v. 12.5.2011 – III ZR 107/10, ZInsO 2011, 1303. 2 Zu den Anforderungen an den Antrag auf Bestellung s. AG Düsseldorf v. 5.3.2021 – 601 SAN 1/ 21, ZInsO 2021, 1453. 3 Einzelheiten s. Hoegen NZI 2021 Beil. 1 S. 59; Schluck-Amend in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023 Rn. 10.291 ff. 4 Begr. RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 – BT-Drucks. 19/24181 A II 2 e S. 90. 5 Begr. RefE SanInsFoG zu § 96 Abs. 2 StaRUG S. 203. 6 Zum Begriff „offensichtlich“ s. Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2561.

Martin Obermüller | 235

Erster Teil Rz. 1.1093 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

oder nicht teilnehmenden Gläubiger nicht. Insbesondere sind die Gläubiger auch nicht gehindert, ihre Rechte etwa durch Zwangsvollstreckung oder Sicherheitenverwertung wahrzunehmen; letzteres würde natürlich jede Moderation zum Misserfolg verurteilen.

1.1094

Vorteile bietet eine Sanierungsmoderation vor allem solchen Kleinst- und kleinen Unternehmen, die sich eine Beratung und Unterstützung durch professionelle Sanierungsberater zur Herbeiführung einer freien Sanierung nicht leisten können, aber auf Unterstützung von dritter Seite angewiesen sind. Die Vergütung des Sanierungsmoderators soll den Grundsätzen folgen, nach denen auch die Vergütung der Restrukturierungsbeauftragten bemessen wird1. Im Grundsatz soll die Vergütung also stundensatzbasiert berechnet werden2.

1.1095

Ist die Sanierungsmoderation erfolgreich, so kann der Schuldner den mit seinen Gläubigern geschlossenen Vergleich gerichtlich bestätigen lassen (§ 97 Abs. 1 StaRUG). Dies setzt u.a. voraus, dass der Schuldner restrukturierungsfähig, also zwar drohend zahlungsunfähig ist, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aber noch nicht eingetreten sind (§ 94 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StaRUG). Ein solcher bestätigter Vergleich ist grundsätzlich insolvenzfest, es sei denn, dass die Bestätigung auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Schuldners beruhte und dem anderen Teil dies bekannt war (§ 97 Abs. 3, § 90 Abs. 1 StaRUG). Im übrigen macht das Gesetz keine Vorgaben für den Inhalt des Sanierungskonzepts3. Der Sanierungsvergleich kann nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vollstreckbar sein, wenn er einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat4.

IV. Fortgang 1.1096

Misslingt die außergerichtliche Sanierung, verbleiben dem Unternehmen Sanierungsmaßnahmen über das Schutzschirmverfahren nach § 270d InsO im Insolvenzeröffnungsverfahren, die klassische vorläufige Eigenverwaltung gem. § 270b InsO, an die sich regelmäßig das der vorläufigen Eigenverwaltung inhärente Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO anschließt, sowie die unter § 159 InsO subsumierte übertragende Sanierung5 als verwertende (Teil-)Weiterführungsmaßnahme6. Diese Instrumente stehen potenziell in Konkurrenz zu dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren.

1.1097–1099

frei

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren 1.1100

Zur Abwendung eines gerichtlichen Insolvenz- und Insolvenzplanverfahrens hat die Europäische Kommission einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und 1 2 3 4 5

Zu den Problemfeldern einer Kodifizierung s. Zimmer ZInsO 2020, 2117. Begr. RefE SanInsFoG zu § 99 StaRUG S. 204. Zum ESG-Ansatz für Sanierungskonzepte s. Müller ZInsO 2022, 686. Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2561; einschränkend Smid ZInsO 2020, 2184. Einzelheiten s. Zipperer NZI 2008, 206; Köchling ZInsO 2009, 641; Schmerbach/Staufenbiel ZInsO 2009, 458; Arends/Hofer-von Weiss BB 2009, 1538; Noack/Bunke KTS 2005, 129; Uhlenbruck FS Haarmeyer 2013, 301; zu gesellschaftsrechtlichen Anforderungen s. BGH v. 18.2.2008 – II ZR 132/06, WM 2008, 784; zu den Hindernissen für eine übertragende Sanierung durch rechtsträgerspezifische Berechtigungen s. Bitter/Laspeyres ZIP 2010, 1157. 6 Cranshaw ZInsO 2020, 226; Mückl/Götte ZInsO 2021, 418.

236 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1100 Erster Teil

Unternehmensinsolvenzen empfohlen1 und darauf aufbauend die Restrukturierungsrichtlinie2 erlassen. Zu deren Umsetzung hat der deutsche Gesetzgeber3 in erstaunlich kurzer Zeit – beflügelt durch das Auslaufen der Aussetzung der Insolvenzantragspflichten durch die COVID-19 – Sondergesetze4 – das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts5 erlassen. Durch Herasunahme der Thematik aus dem allgemeinen Insolvenzrecht und Einführung eines eigenen Gesetzes für ein vorinsolvenzliches Verfahren wollte der Gesetzgeber das Stigma der Insolvenz verhindern. Dass die Stigmatisierung infolge unternehmerischen Scheiterns sich durch einen Wechsel der Bezeichnung abwenden läßt, darf allerdings

1 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/ EU v. 22.11.2016 – COM(2016)0723 – C8-0475/2016 – 2016/0359(COD), abgedr. ZInsO 2016, 320; mit Übersicht Albrecht ZInsO 2016, 2415; Rauscher/Leichtle/Mucha/Schäffler/Wagner ZInsO 2016, 2420; Schluck-Amend ZRP 2017, 6; Stohrer ZInsO 2018, 660; Thole ZIP 2017, 101; positiv dazu Braegelmann/Bernsau ZInsO 2019, 374; Brömmekamp ZInsO 2016, 500; Commandeur/ Hübler NZG 2016, 340; Florstedt ZIP 2014, 1513; Goetker/Schulz, ZIP 2016, 2095; Gravenbrucher Kreis ZIP 2016, 1208; Jacoby ZIP 2016, 1210; Jacoby ZInsO 2017, 1; Kayser ZIP Beil. zu H. 22/ 2016, 40; Kayser FS Lürken NZI 2015, 3; Neuberger ZInsO 2018, 2053; Pannen 2017, 273; Sax/ Swierczok ZIP 2016, 1945; Siemon NZI 2016, 57; Vallender FS Pannen 2017, 303 und Kritik Berger ZInsO 2016, 2413; Blankenburg ZInsO 2017, 241; Bork ZIP 2017, 1441; Deutsche Kreditwirtschaft ZInsO 2017, 1268; Deutscher Steuerberaterverband ZInsO 2018, 1607; Kayser ZInsO 2017, 1393; Stellungnahme der Kommission v. 1.6.2017 zum Beschluss des Bundesrats s. ZInsO 2017, 1361; Entwurf eines Berichts über den Richtlinienvorschlag für den Rechtsausschuss von Berichterstatterin Angelika Niebler ZInsO 2017, 2350; Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion v. 9.7.2018 ZInsO 2018, 1837; zur Eigendynamik europäischer Gesetzgebungsverfahren am Beispiel der Restrukturierungsrichtlinie s. Kayser FS Pape 2019, 183. 2 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – ABl. L 172/18; s. dazu Pannen FS Pape 2019, 309; zur Umsetzung in Deutschland s. Cranshaw ZInsO 2020, 226; Gravenbrucher Kreis ZInsO 2020, 260; Smid ZInsO 2020, 266; zur Umsetzung in den Mitgliedstaaten der EU s. Schade/Blochberger ZInsO 2022, 1093. 3 Zu den Entwicklungen im Ausland s. Kern NZI 2021 Beil. 1 S. 74 (Niederlande); Tashiro NZI 2021 Beil. 1 S. 77 (Großbritannien); Arnold/Slawik NZI 2021 Beil. 1 S. 79 (Frankreich); zu Internationalen Restrukturierungen s. Schelo WM 2022, 556; Piekenbrock FS Gehrlein 2022, 455. 4 Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht v. 27.3.2020 – BGBl. I 2020, 569; Entwurf s. BT-Drucks. 19/18110 v. 24.3.2020 mit Änderungen aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) v. 25.3.2020 – BT-Drucks. 19/18129); s. dazu Bitter ZIP 2020, 685; Brünkmans ZInsO 2020, 797; Hölzle/Schulenberg ZIP 2020, 633; Jarchow/Hölken ZInsO 2020, 730; Morgen/Schinkel ZIP 2020, 660; Obermüller ZInsO 2020, 1037; Poertzgen ZInsO 2020, 825; Rauscher COVuR 2020, 2; Thole ZIP 2020, 650; Tresselt/Kienast COVuR 2020, 21; Ziegenhagen ZInsO 2020, 689. 5 Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020 – BGBl. I 2020, 3256; zum Gesetzgebungsverfahren s. RefE des BMJV für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 19.9.2020; RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 – BT-Drucks. 19/24181; Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) v. 15.12.2020 – BT-Drucks. 19/25303.

Martin Obermüller | 237

Erster Teil Rz. 1.1100 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

bezweifelt werden. Denn einzelne Begriffe bzw. deren Nichtverwendung im Sinne eines „Tabu“ führen bei erfahrenen Gläubigern nicht zur Veränderung von Verhalten1.

1.1101

Wesentlicher Inhalt des SanInsFoG ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG)2. Das Gesetz ist im wesentlichen am 1.1.2021 in Kraft getreten3 und bringt eine weitgehende Umgestaltung des Insolvenzrechts mit sich. Der Umgang mit den Neuregelungen wird den Rechtsanwendern allerdings dadurch erschwert, dass das Gesetz strukturell sehr nachhaltig gekennzeichnet ist von einer gesetzestechnischen Systematik, die nahezu jedes Regelungsproblem mittels Ausnahmen, Unterausnahmen und Rückausnahmen zu regeln versucht4.

1.1102

Das SanInsFoG ist als ein Paradigmenwechsel zu werten5: Während die InsO sicherstellen soll, dass Gläubiger bestmöglich befriedigt werden, soll der präventive Restrukturierungsrahmen Unternehmen retten und Arbeitsplätze erhalten6. Durch das Restrukturierungsverfahren kann eine finanzwirtschaftliche Entschuldung, nicht aber eine operative Sanierung erreicht werden.

1.1103

Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen schließt die Lücke, die sich zwischen dem Bereich der freien, dafür aber auf den Konsens aller Beteiligten angewiesenen Sanierung einerseits und der insolvenzverfahrensförmigen Sanierung aufgetan hat7. Um zu vermeiden, dass eine wirtschaftlich vernünftige außergerichtliche Sanierung am Widerstand einzelner Beteiligter scheitert, soll ein differenzierter Rahmen rechtlicher Maßnahmen zur Stabilisierung sanierungsbedürftiger und sanierungsfähiger Unternehmen zur Verfügung stehen. So soll es möglich sein, anders als beim bestehenden Insolvenzverfahren im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens lediglich bestimmte Gläubiger und ggfls. Anteilseigner einzubeziehen (§§ 2 ff. StaRUG). Das Herzstück des neuen Verfahrens bildet ein sog. Restrukturierungsplan. Mit ihm können bestimmte Sanierungsbeiträge, insbesondere Forderungsverzichte und Stundungen, auch gegen den Willen einzelner Gläubiger durchgesetzt werden. So ist der Restrukturierungsplan für alle betroffenen Gläubiger verbindlich, wenn eine qualifizierte Mehrheit von 75 % in den Gläubigergruppen erreicht wird.

1 Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2561. 2 Eingeführt durch Art. 1 SanInsFoG; zum Entwurf s. Albrecht ZInsO 2020, 2418; Müller ZIP 2020, 2253; Thole ZIP 2020, 1985; Ziegenhagen ZInsO 2020, 2090; Überblick über das StaRUG s. Rechtmann WM 2021, 520; Schelo WM 2021, 513. 3 Erste Änderungen s. Art. 12 des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften v. 20.7.2022 – BGBl. I 2022, 1166 mit Kritk von Frind ZInsO 2022, 241. 4 Deppenkemper ZIP 2020, 2432; Frind ZInsO 2020, 2241; Frind NZI 2020, 865; Haarmeyer/Lissner/Rombach ZInsO 2021, 368; Müller ZIP 2020, 2253. 5 Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2561. 6 Buth/Hermanns ZInsO 2020, 1; zur Kollision zwischen Gläubigerinteresse mit Gesellschafterinteresse s. Ristelhuber NZI 2021, 417; zu den Schnittstellen zwischen präventivem Restrukturierungsrahmen, Bankenaufsicht und außergerichtlicher Sanierung s. Cranshaw ZIP 2020, 1269. 7 Begr. RefE des BMJV für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 19.9.2020 Teil A S. 3.

238 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1106 Erster Teil

I. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Verfahrens Das Verfahren steht allen insolvenzfähigen juristischen Personen und – soweit sie unternehmerisch tätig sind – auch natürlichen Personen1 zur Verfügung. Ausgenommen sind Unternehmen der Finanzbranche i.S.v. § 1 Abs. 19 KWG (§ 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Der Anwendungsbereich des StaRUG ist nicht nur dann eröffnet, wenn der Schuldner sein Unternehmen selbst gegründet hat, sondern auch dann, wenn er es von einer anderen Person durch rechtsgeschäftliche Übertragungsakte erworben hat oder wenn es ihm aufgrund gesellschaftsrechtlicher Anwachsung ohne eigenes Zutun zugefallen ist oder wenn er es geerbt hat2.

1.1104

1. Recht und Pflicht zur Restrukturierung Das Restrukturierungsverfahren soll zum Zuge kommen, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz gegeben ist und das Unternehmen sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, ohne dass schon die Zahlungsunfähigkeit bzw. eine zum Insolvenzantrag verpflichtende Überschuldung eingetreten ist (§§ 29, 32 StaRUG)3. Voraussetzung ist aber eine drohende Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 Abs. 2 InsO (§ 29 Abs. 1 StaRUG)4. Ob der Schuldner dann das Restrukturierungsverfahren in Anspruch unternimmt, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt oder abwartet, ob es ihm gelingt, den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung abzuwenden, unterliegt seiner unternehmerischen Entscheidung. Der Schuldner muss aber überzeugt sein, dass er durch den Restrukturierungsplan die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigen kann und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens sicher- oder wiederhergestellt wird5; dies hat er in einer sog. Bestandsfähigkeitserklärung zu begründen (§ 14 Abs. 1 StaRUG). Sollte während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eintreten und nach § 15a InsO und § 42 Abs. 2 BGB die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags auslösen, wird diese durch eine Pflicht zur Anzeige der Insolvenzreife ersetzt (§ 32 Abs. 3 StaRUG).

1.1105

Wenn ein Unternehmen in das Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit geraten ist, stehen dessen Geschäftsleiter vor der Wahl, ob sie ein Restrukturierungsverfahren, ein klassisches Insolvenzverfahren, ein Insolvenzverwalter in Eigenverwaltung beantragen oder noch versuchen sollen, die Insolvenz durch unternehmerische Maßnahmen abzuwenden. Die Entscheidung soll kleinen und mittleren Unternehmen durch eine Checkliste für Restrukturierungspläne erleichtert werden, die an deren Bedürfnisse angepaßt sein soll (§ 16 StaRUG), aber noch nicht erschienen ist6.

1.1106

1 Zur Abgrenzung s. Kamin ZVI 2022, 91. 2 Zu den Besonderheiten bei ererbten Unternehmen s. Marotzke ZInsO 2022, 688; Marotzke ZInsO 2022, 1397. 3 Weiterführend Schmidt WM 2017, 1735; erste Anregungen durch Verbände für die Ausgestaltung s. Ziegenhagen ZInsO 2020, 2; BDU ZInsO 2020, 38; Dachgesellschaft Deutsches Interim Management ZInsO 2020, 44; IDW ZInsO 2020, 46. 4 Begr. RefE des BMJV für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 19.9.2020 B Teil 2 zu § 29 S. 142; Vallender in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 10.143. 5 Sämisch ZInsO 2020, 2520. 6 S. aber Entwurf einer Checkliste für Restrukturierungspläne des BMJ gem. § 16 StaRUG s. BMJ v. 27.1.2022 – ZInsO 2022, 704; Knof ZVI 2022, 368; Checkliste für sanierungswillige Schuldner von Marotzke ZInsO 2022, 192 mit Stellungsnahme des BAKinso ZInsO 2022, 714 und der TMA ZInsO 2022, 715; Knof ZVI 2022, 368; zur Ermittlung von Vergleichswerten für alternative Lösungswege s. Fröhlich ZInsO 2022, 186.

Martin Obermüller | 239

Erster Teil Rz. 1.1107 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.1107

Handelt es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person oder um eine Gesellschaft ohne Rechts-persönlichkeit, müssen dessen Geschäftsleiter die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahren (§ 43 Abs. 1 StaRUG)1. Die Geschäftsleiter trifft eine permanente Solvenzüberwachungspflicht2. Für die Verletzung dieser Pflicht haften sie dem Schuldner in Höhe des den Gläubigern entstandenen Schadens, es sei denn sie haben die Pflichtverletzung nicht zu vertreten3.

1.1108

Ein Gläubiger kann das Restrukturierungsverfahren nicht in Gang setzen4. Er kann aber einen Insolvenzantrag gestützt auf die Behauptung, es seien Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten, stellen. Das Verfahren über den Antrag eines Gläubigers, das Insolvenzverfahren zu eröffnen, wird für die Dauer einer Stabiliserungsanordnung, die das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Restrukturierungsunternehmens trifft (§ 49 StaRUG), ausgesetzt (§ 58 StaRUG).

1.1109

Anteilseigner, insbesondere Gesellschafter können dem Restrukturierungsunternehmen die Einleitung von Verfahren nach dem SanInsFoG nicht verwehren. Denn die Geschäftsleitung hat vorrangig die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren (§ 32 Abs. 1 Satz 1, § 43 Abs. 1 StaRUG)5. Je näher die Insolvenzreife gekommen ist, desto stärker wird der Vorrang der Gläubigerinteressen.

1.1110

Das zu restrukturierende Unternehmen kann seinen Plan grundsätzlich ohne gerichtliche Hilfe versuchen umzusetzen, wird aber meistens auf die Mitwirkung des Gerichts abgewiesen sein. Denn die im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans mit den erforderlichen Mehrheiten akzeptierten Wirkungen treten im Fall des Widerspruchs einer Minderheit von Planbetroffenen nur bei einer gerichtlichen Bestätigung des Plans ein (§ 60 StaRUG)6.

2. Organisation der Restrukturierung

1 Allgemein zur Perspektive und Haftung von Geschäftsführern und Vorständen nach CovInsAG, StaRUG und SanInsFoG s. Poertzgen ZInsO 2020, 2509; Bea/Dressler NZI 2021, 67; Bisle NWB 2022, 379; Bitter ZIP 2021, 321; Brinkmann ZIP 2020, 2361; Brünkmans ZInsO 2021, 1; Brünkmans ZInsO 2021, 125; Smid ZInsO 2021, 117; Harder NJW Spezial 2021, 469; Korch GmbHR 2021, 793; Kranzfelder/Ressmann ZInsO 2021, 191; Wiedemann ZInsO 2021, 288; kritisch Kuntz ZIP 2020, 2423 zu den nicht ins Gesetz übernommenen §§ 2, 3 StaRUG des RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 – BT-Drucks. 19/24181; zur Kollision zwischen Gläubigerinteresse mit Gesellschafterinteresse s. Ristelhuber NZI 2021, 417; Zur Pflichtenkollision zwischen Restrukturierungssicherungspflicht und Steuerzahlungspflicht s. Schumann ZInsO 2021, 1309, zur Pflicht zur Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung Berberich ZInsO 2021, 1313; Greiner ZInsO 2021, 1765. 2 Brinkmann in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 10.41. 3 Einzelheiten s. Bitter ZIP 2021, 321. 4 Kritisch zum Ausschluss des Antragsrechts von Gläubigern Wohlleben FS Smid 2022, 351. 5 § 2 Abs. 4 StaRUG in der Fassung des RegE sah noch vor, dass die Interessen der Anteilsinhaber nur „auch“ zu berücksichtigen seien. 6 Vallender ZInsO 2020, 2677.

240 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1114 Erster Teil

a) Restrukturierung ohne gerichtliche Hilfe Den nach obigen Maßgaben verfassten Restrukturierungsplan kann das Unternehmen zunächst auch mit den wesentlichen Beteiligten verhandeln und durch dessen Existenz und Vorlage den Ernst seiner Absicht dokumentieren, notfalls in ein Verfahren zu gehen, in dem widersprechende Gläubiger überstimmt werden können. Die Verfahrenshilfen des StaRUG sollen nämlich in Anspruch genommen werden können, müssen es aber nicht immer. Ob und welche Hilfen das Restrukturierungsunternehmen in Anspruch nimmt, hängt von der konkreten Situation und von seiner eigenverantwortlich zu treffenden Einschätzung und Entscheidung ab1. Ein Verzicht auf die Verfahrenshilfen des StaRUG wird jedoch meist untunlich sein, weil außergerichtliche Vergleichsversuche bereits gescheitert sind oder – trotz Sanierungsmoderation – festeht, dass einzelne oder mehrere relevante Beteiligte zu freiwilligen Kompromissen nicht bereit sind.

1.1111

b) Restrukturierung mit gerichtlicher Hilfe Dann bleibt die Chance, über ein förmliches Verfahren mit Hilfe des Gerichts nach dem StaRUG zu einer Lösung zu kommen. Dazu bietet das Gesetz folgende als „Instrumente“ bezeichnete Verfahrenshilfen (§ 29 StaRUG)2:

1.1112

– die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung), – die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung), – die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung) und – Schutzmaßnahmen gegen Störungen während des Planabstimmungsverfahrens durch Zwangsvollstreckungen von Gläubigern. Zu diesem Zweck müssen die Vorbereitungen wenigstens so weit gediehen sein, dass das Restrukturierungsunternehmen dem Restrukturierungsgericht

1.1113

– den Entwurf eines Restrukturierungsplans vorlegen kann oder, sofern ein solcher nach dem Stand des angezeigten Vorhabens noch nicht ausgearbeitet und ausgehandelt werden konnte, ein Konzept für die Restrukturierung, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Restrukturierungsziel sowie die zur Erreichung dieses Ziels in Aussicht genommenen Maßnahmen beschreibt (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG), und – die Vorkehrungen darlegen kann, mit denen das Restrukturierungsunternehmen seine Fähigkeit zur Erfüllung seiner Pflichten nach dem StaRUG, zu denen vorrangig die Wahrnehmung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger gehört (§ 32 Abs. 1 Satz 1, § 43 Abs. 1 StaRUG), sicherstellen will (§ 31 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). Der Vorteil des Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG soll mangels öffentlicher Bekanntmachung, wie sie unter www.insolvenzbekanntmachungen.de (§ 9 InsO) im Insolvenzverfahren vielfach vorgeschrieben ist, in der möglichst stillen Abwicklung der Krise bestehen, 1 Begr. RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 – BT-Drucks. 19/24181 A II 2 c S. 90. 2 Zur Zeitkonzeption s. Bernsau/Beyer ZInsO 2021, 2533.

Martin Obermüller | 241

1.1114

Erster Teil Rz. 1.1114 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

die aber wohl überwiegend gar nicht so still abgewickelt werden kann1. Denn je größer der Kreis der Planbetroffenen wird, also der Gläubiger, der Anteilseigner und – soweit außerhalb des Plans Maßnahmen stattfinden – auch der Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter, desto größer ist auch die Gefahr, dass auch Unternehmen, die nicht in den Plan einbezogen werden sollen, unruhig werden und bspw. Lieferungen oder Bestellungen zurückhalten.

1.1115

Wenn aber die Geheimhaltung ohnehin nicht gewährleistet und die Anerkennung des Restrukturierungsverfahren im Ausland von Bedeutung ist, empfiehlt sich das öffentliche Verfahren nach den §§ 84 ff. StaRUG. Dies ermöglicht es, die Wirkungen des Restrukturierungsplans automatisch auf alle Unionsstaaten und einbezogenen Gläubiger zu erstrecken, die im Ausland, etwa als ausländische Gläubiger, auf dort belegenes Schuldnervermögen Zugriff nehmen könnten2, weil für sie das „stille“ inländische Restrukturierungsverfahren mit dem Restrukturierungsplan als Ergebnis nicht verbindlich ist oder nicht verbindlich sein könnte3.

1.1116

Die einzelnen Verfahrenshilfen können auch ohne eine solche Verfahrenseröffnung und grundsätzlich unabhängig voneinander in Anspruch genommen werden, sofern die Voraussetzungen für die im Rahmen der Verfahrenshilfe begehrte Entscheidung oder Maßnahme gegeben sind. Ob und in welcher Kombination und Reihenfolge sie in Anspruch genommen werden, hat der Schuldner eigenverantwortlich zu entscheiden; ihm obliegt die Strukturierung, Organisation und Durchführung des Gesamtprozesses. c) Veränderungen auf Bankenseite

1.1117

Das StaRUG wird auch auf Seiten der Kreditinstitute zu Veränderungen führen. Organisatorisch dürften die (größeren) Banken mit gesonderten Organisationseinheiten für Intensivbetreuung, Sanierung und Abwicklung (Insolvenzen) insolvenzrechtliche Expertise in die weiteren Organisationseinheiten integrieren – als Folge der systematischen Nähe des StaRUG zum Insolvenzplanverfahren.

1.1118

Eine der Folgen des StaRUG wird voraussichtlich darin bestehen, dass der Kredithandel zunimmt, da die „Zwangseinbindung“ der Kreditwirtschaft im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens zu erhöhter Vorsicht und Vorsorge gegen Adressausfallrisiken führen dürfte und zu erhöhtem Interesse von Kreditkäufern am Unternehmenserwerb, um ggf. über einen Plan mit Debt Equity Swap das Unternehmen teilweise, ggf. ohne spezifischen M&A-Aufwand, zu erwerben (vgl. § 7 Abs. 4 StaRUG)4. Dies dürfte dazu führen, dass Banken häufiger zeitnah bei ersten Krisenanzeichen aus Kreditengagements aussteigen.

1.1119

frei

II. Vorbereitung eines Restrukturierungsverfahrens 1.1120

Eine jede Restrukturierung muss sorgfältig vorbereitet und fachkundig durchgeführt werden5. Bevor das Unternehmen auf seine Geschäftspartner zugeht und seine Vorstellungen unterbrei1 Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2561; zu vertraulichen Restrukturierungen im internationalen Kontext s. Thole ZIP 2021, 2153. 2 Zu den Voraussetzungen den Überblick bei Dornblüth in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, Art. 1 EuInsVO Rn. 8–10. 3 Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2561. 4 Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2617. 5 Zur strategischen Gestaltung von Restrukturierungsplänen s. Doebert/Krüger NZI 2021, 614.

242 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1123 Erster Teil

tet, muss es das kaufmännische Konzept für die Fortführung seines Geschäfts und den rechtlichen Rahmen für die Sanierungsbeiträge, die es von ihnen fordern will, ausgearbeitet haben, und alle Informationen, die die Beteiligten sinnvollerweise fordern werden, zusammengestellt haben. Denn sobald sich das Restrukturierungvorhaben in den betroffenen Kreisen bekannt wird, sind Reaktionen der Beteilgten zu befürchten, die das Geschäft des Unternehmens schnell zum Erliegen bringen und jede Aussicht auf eine Sanierung vereiteln können. Daher muss das Unternehmen die Restrukturierung unter höchster Geheimhaltung vorbereiten und auf Berater zurückgreifen, die einem Berufsgeheimnis unterliegen wie Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater. Die Geheimhaltung findet allerdings für Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt oder einem multilateralen Handelssystem in einem Mitgliedstaat beantragt oder erhalten haben, durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 MAR1 ihre Grenzen2. Von seinem Recht, die Vornahme öffentlicher Bekanntmachungen zu beantragen (§ 84 ff. StaRUG3), wird das Restrukturierungsunternehmen nur ausnahmsweise und allenfalls in einem späten Stadium des Verfahrens Gebrauch machen. Natürlich darf das Unternehmen von Geschäftspartnern, die nach seinen Vorstellungen Beiträge erbringen sollen, keine Leistungen mehr entgegennehmen, für die diese keine oder keine vollständige Gegenleistung mehr erwarten dürfen. Sonst setzen sich die Verantwortlichen Mitarbeiter oder Geschäftsleiter nicht nur strafrechtlichen Risiken (Kreditbetrug) aus, sondern müssen auch mit der heftigsten Gegenwehr des Geschädigten gegen alle Restrukturierungsvorschläge rechnen. So wird eine Bank, deren offene Kreditlinie das Unternehmen in letzter Minute vor der Offenlegung seines Restrukturierungsvorhabens voll in Anspruch genommen hat, kaum zu bewegen sein, einer Beeinträchtigung ihrer Forderungen zuzustimmen.

1.1121

Der Restrukturierungsplan ist das „Kern- oder Herzstück“ des gesamten Restrukturierungsverfahrens4. Er bildet die Grundlage für Eingriffe in die Forderungen und Rechte von Gläubigern und Anteilsinhabern. Er kann, muss aber nicht sämtliche Geschäftspartner des Unternehmens erfassen. Er ist zu gliedern in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil und ist mit einem Anhang zu versehen, der eine Reihe von Informationen enthalten muss, die für die Planbetroffenen von Bedeutung sind (§§ 5 ff. StaRUG).

1.1122

Die Ausarbeitung und Verhandlung eines Restrukturierungsplans nimmt einige Zeit in Anspruch, in der es zu Störungen durch Gläubiger und sonstige Dritte kommen kann. In gewissem Umfang kann das Unternehmen auf gerichtliche Schutzmaßnahmen zurückgreifen.

1.1123

1 MAR Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission. 2 Bernsau/Beyer ZInsO 2021, 2533. 3 In Kraft ab 17.7.2022 (s. Art. 25 Abs. 3 Nr. 1 SanInsFoG). 4 Vallender ZInsO 2020, 2677; zu Grundsätzen ordnungsgemäßer Planungsrechnungen s. Gutmann NZI 2022, 457.

Martin Obermüller | 243

Erster Teil Rz. 1.1124 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1. Auswahl der betroffenen Rechte und Beteiligten 1.1124

Im Unterschied zum Insolvenzverfahren handelt es sich bei den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens um teilkollektive1 Verfahrenshilfen. Nicht alle Rechte und nicht alle Gläubiger und sonstige Dritte werden vom Restrukturierungsplan betroffen: a) Gestaltbare Rechte

1.1125

Ein Unternehmen kann das Restrukturierungsverfahren nur dann in Anspruch nehmen, wenn es über sog. gestaltbare Rechtsverhältnisse verfügt. Dafür ist wie folgt zu unterscheiden2: – Ausgeschlossen kraft Gesetzes sind Eingriffe in Rechte von Arbeitnehmern3, in Forderungen wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen und in Geldstrafen u.ä. (§ 6 StaRUG) sowie in Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 KWG oder um Sicherheiten, die einer Betreiberin von Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen i.S.v. § 1 Abs. 16 KWG gehören (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). – Erlaubt sind dagegen Eingriffe in Forderungen4 (sog. Restrukturierungsforderungen) und Sachsicherheiten; dazu gehören auch Bedingungen für Kapitalmarktverbindlichkeiten (Anleihen und Schuldscheindarlehen). – Für Drittsicherheiten ist zu differenzieren: – Wurden die Sicherheiten von einer Tochtergesellschaft des Restrukturierungsunternehmens gestellt, so können sie einbezogen werden (§ 2 Abs. 4 StaRUG); die Tochtergesellschaft ist insoweit beteiligt, als ihre Zustimmung notwendig ist (§ 15 Abs. 4 StaRUG) und durch Mehrheitsentscheidungen nicht ersetzt werden kann. – Wurden die Sicherheiten von einem Dritten gestellt, auf den das Restrukturierungsunternehmen keinen beherrschenden Einfluss i.S.v. § 15 AktG ausübt, so bleiben sie unberührt. – Erlaubt sind, wenn Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften auf einem mehrseitigen Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und mehreren Gläubigern beruhen, auch Eingriffe in das Innenverhältnis (§ 2 Abs. 2 StaRUG) und damit z.B. Konsortialfinanzierungen, die Emission von Schuldverschreibungen und die Aufnahme von Schuldscheindarlehen, ferner sog. Intercreditor-Agreements5. – Erlaubt sind des weiteren Eingriffe in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der an dem Restrukturierungsunternehmen gesellschaftsrechtlich Beteiligten, hier können alle gesellschaftsrechtlich zulässigen Regelungen getroffen sowie Anteils- und Mitgliedschaftsrechte übertragen werden (§ 2 Abs. 3 StaRUG)6.

1 Bernsau/Beyer ZInsO 2021, 2533. 2 S. auch Schluck-Amend in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 10.79. 3 S. dazu Mückl ZInsO 2022, 863. 4 Dazu gehören auch bedingte Forderungen und solche, die nicht auf Geld gerichtet sind (Marotzke ZInsO 2021, 643); zu Kreditforderungen s. Marotzke ZInsO 2021, 1099. 5 Bitter ZInsO 2023, 65. 6 Einzelheiten s. Lieder FS Smid 2022, 543; Gehrlein BB 2022, 1906.

244 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1131 Erster Teil

– Restrukturierungsforderungen aus gegenseitigen Verträgen sind nur insoweit gestaltbar, als die dem anderen Teil obliegende Leistung bereits erbracht ist (§ 3 Abs. 2 StaRUG)1. Wenn der Plan auch Eingriffe in Rechte vorsieht, die nicht nach §§ 2, 3 StaRUG gestaltbar sind, wie z.B. Forderungen, die in einem Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten (§§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO), als Aussonderungsrechte (§ 47 InsO) oder als Ersatzaussonderungsrechte (§ 48 InsO) gelten würden2, muss das Restrukturierungsunternehmen die Einverständniserklärung des betroffenen Gläubigers beibringen. Diese kann nicht durch Mehrheitsbeschluss ersetzt werden.

1.1126

b) Auswahl der Planbetroffenen Die Auswahl der Planbetroffenen und ihre Einteilung in Gruppen zur Festlegung ihrer Rechte müssen nach sachgerechten Kriterien vorgenommen werden (§ 8 Satz 1 StaRUG)3. Sie steht nicht im freien Ermessen des Schuldners4.

1.1127

Das Restrukturierungsunternehmen mag zwar versucht sein, besonders widerspenstigen Gläubigern aus dem Weg zu gehen und auf ihre Einbeziehung in den Restrukturierungsplan zu verzichten, um sich auf die Verhandlungen mit kooperativen Gläubigern zu konzentrieren. Allerdings hat die Erfahrung gezeigt, dass letztere Gläubiger besonderen Wert auf Gläubigergleichbehandlung legen und sich verweigern, wenn sie wissen, dass andere Gläubiger bevorzugt werden. Dieser Situation trägt das Gesetz Rechnung, indem es die Sicherstellung voller Transparenz hinsichtlich des Kreises der einbezogenen und der nicht einbezogenen Gläubiger durch den darstellenden Teil fordert (§ 8 Satz 1 StaRUG).

1.1128

Grundsätzlich dürfen nur solche Gläubiger von der Einbeziehung in den Plan verschont werden, deren Forderungen auch in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig befriedigt werden würden (§ 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG). Solche Forderungen dürften selten sein.

1.1129

Bedeutsamer ist die weitere Ausnahme des § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG, nämlich eine Differenzierung, die „nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint, insbesondere wenn

1.1130

– ausschließlich Finanzverbindlichkeiten und die zu deren Sicherung bestellten Sicherheiten gestaltet werden oder – die Forderungen von Kleingläubigern5, insbesondere Verbrauchern, Klein- und Kleinstunternehmen oder mittleren Unternehmen, unberührt bleiben)“. Beide Ausnahmen entsprechen der bisherigen Praxis im Umgang mit außergerichtlichen Sanierungsversuchen.

1 Bitter ZInsO 2023, 65; zu den systematischen Fehlern dieser Regelung s. Marotzke ZInsO 2021, 353; Marotzke ZInsO 2022, 25; Marotzke ZInsO 2023, 353. 2 Marotzke ZInsO 2021, 1099. 3 Zu den Kriterien s. Schluck-Amend in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 10.70. 4 RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 B zu Art. 1 Teil 2 zu § 10 S. 135. 5 Wer als Kleingläubiger zu verstehen ist, richtet sich nach der Gläubigerstruktur des jeweiligen Restrukturierungsunternehmens (Bernsau/Beyer ZInsO 2021, 2533).

Martin Obermüller | 245

1.1131

Erster Teil Rz. 1.1131 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

– Kreditinstitute haben oft die Last der Sanierung allein getragen, weil die Ausdehnung des Konzepts und die damit verbundene Erweiterung des Kreises der Informierten die Gefahr von Indiskretionen erhöht und eine vorzeitige Bekanntgabe die Sanierungschancen vereitelt oder jedenfalls drastisch beeinträchtigt hätte. – Kleingläubiger wurden schon aus arbeitsökonomischen Überlegungen und wegen der auch in der Summe ihrer Forderungen oft relativ geringen Bedeutung ausgenommen.

2. Darstellender Teil eines Restrukturierungsplans 1.1132

Der Gesetzgeber hat sich bei der Ausgestaltung der Regelungen zum Restrukturierungsplan im StaRUG von den Vorschriften zum Insolvenzplan leiten lassen, die parallel zum StaRUG fortentwickelt wurden. Die Vorschriften des StaRUG über den darstellenden Teil eines Restrukturierungsplans (§ 6 StaRUG) decken sich im Wesentlichen mit denen der InsO über den Insolvenzplan, sodass – um weitgehende Wiederholungen zu vermeiden – auf die Ausführungen unter Rn. 1.927 ff. verwiesen werden kann1. Pauschal läßt sich der Restrukturierungsplan als das Herzstück des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens bezeichnen, sein Herzstück wiederum ist die Vergleichsrechnung, die im darstellenden Teil des Restrukturierungsplanes die Ergebnisse des Plans für die planbetroffenen Gläubiger mit dem voraussichtlichen Ergebnis für dieselben Gläubiger ohne Plan vergleichen muss. Dabei ist in der Regel die Fortführung des Geschäftsbetriebes zugrunde zu legen, wenn auch der Restrukturierungsplan eine Fortführung vorsieht.

3. Gestaltender Teil eines Restrukturierungsplans 1.1133

Der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans legt fest, wie die Rechtsstellung der Inhaber der Restrukturierungsforderungen, der Absonderungsanwartschaften, der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte (Planbetroffenen) durch den Plan geändert werden soll (§ 7 Abs. 1 StaRUG) und welchen Gruppen die Betroffenen für Zwecke einer Abstimmung über den Plan zugeordnet werden sollen. a) Änderung der Rechte der Planbetroffenen

1.1134

Die Eingriffe in die Rechte der einfachen Restrukturierungsgläubiger können sich auf ein reines Moratorium (s. Rn. 5.101), also eine Stundung der Forderungen mit oder ohne einen vollständigen oder teilweisen Zinsverzicht beschränken, den Gläubigern aber auch weitgehende Opfer abverlangen wie einen mehr oder weniger großen Forderungserlass2. Der Verzicht kann auch mit einem Besserungsversprechen3 versehen sein. Restrukturierungsforderungen können auch in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner umgewandelt werden, allerdings ist eine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ausgeschlossen (§ 7 Abs. 4 Satz 2 StaRUG).

1.1135

Anders als im Liquidationsverfahren nach der InsO sind grundsätzlich auch Eingriffe in die Sicherheiten durch den Restrukturierungsplan zulässig (Einzelheiten s. Rn. 6.1934). Diese Eingriffe können sich auch auf sog. gruppeninterne Drittsicherheiten, also Sicherheiten bezie1 S. Synopse bei Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2617 und Schluck-Amend in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 10.62. 2 Weitere Beispiele s. Bitter ZInsO 2023, 65. 3 Kresser ZInsO 2010, 1409; Wallner ZInsO 2010, 1419.

246 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1140 Erster Teil

hen, die von einer Tochtergesellschaft des insolventen Unternehmens gestellt wurden (§ 7 Abs. 2 Satz 2 StaRUG)1. Inhaltlich kann dies z.B. zu einem zeitweisen Verwertungsverbot, einem Sicherheitentausch oder einer vollständigen oder teilweisen Freigabe führen. Im Restrukturierungsplan ist auch das Innenverhältnis von Teilnehmern an Sicherheitenpoolverträgen und Konsortialverträgen sowie von Gläubigern aus Schuldverschreibungen2 und Schuldscheindarlehen gestaltbar; dabei ist bei Konsortialfinanzierungen nur das Außenkonsortium umfasst, weder das „stille“ Innenkonsortium noch das gegenüber dem Schuldner offengelegte (§ 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG)3.

1.1136

Auch in Rechte und Befugnisse der Anteilseigner des Restrukturierungsunternehmens kann der Plan eingreifen (Einzelheiten s. Rn. 1.1125)4. Dieser Eingriff kann sich darauf beschränken, dass Restrukturierungsforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner umgewandelt werden und dadurch die Position der bisherigen Anteilseigner verwässert wird.

1.1137

Der Restrukturierungsplan kann neue Finanzierungen, die zur erfolgreichen Durchführung der Restrukturierung auf der Grundlage des Plans erforderlich sind, vorsehen und die Aufnahme von Darlehen oder sonstigen Krediten und deren Besicherung regeln (§ 12 StaRUG). Dazu gehören auch Avalkredite. Einen Vorrang im Fall einer späteren Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erhalten diese Forderungen nicht. Eine Anfechtung der Rückzahlung oder Besicherung in einem etwa nachfolgenden Insolvenzverfahren wird durch § 89 Abs. 1 StaRUG beschränkt.

1.1138

b) Einteilung in Gruppen Bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten im Restrukturierungsplan hat das Restrukturierungsunternehmen Gruppen zu bilden, soweit Beteiligte mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Innerhalb jeder Gruppe sind allen Beteiligten gleiche Rechte anzubieten; eine unterschiedliche Behandlung ist nur mit Zustimmung aller Planbetroffenen, zu deren Lasten die unterschiedliche Behandlung geht, zulässig (§ 10 Abs. 2 StaRUG). Jedes andere Abkommen mit einzelnen Beteiligten, durch das diesen Sondervorteile gewährt werden, ist nichtig (§ 10 Abs. 3 StaRUG); insoweit gelten die gleichen Regeln wie nach § 226 Abs. 3 InsO (s. Rn. 1.940).

1.1139

Bei der Gruppenbildung ist nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 StaRUG zu unterscheiden zwischen

1.1140

– den Absonderungsberechtigten, deren Rechte außerhalb eines Insolvenzverfahrens als Absonderungsanwartschaften bezeichnet werden, – den Gläubigern mit gruppeninternen Drittsicherheiten, wenn der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans Eingriffe in deren Rechte vorsieht,

1 S. auch Schluck-Amend in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 10.68. 2 Einzelheiten s. Lürken ZIP 2021, 1305. 3 Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2617; Schönfelder NZI 2023, 1. 4 S. auch Schäfer ZIP 2020, 2164; Lieder FS Smid 2022, 543.

Martin Obermüller | 247

Erster Teil Rz. 1.1140 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

– einfachen Restrukturierungsgläubigern, also Gläubigern, deren Forderungen nebst darauf entfallender Zinsen und Säumniszuschläge im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als nicht nachrangige Insolvenzforderungen geltend zu machen wären, – den nachrangigen Restrukturierungsgläubigern, d.h. Inhabern von Forderungen auf unentgeltliche Leistungen oder auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen, wobei für jede Rangklasse eine Gruppe zu bilden ist und – den Anteilseignern, wenn deren Anteile oder Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden.

1.1141

Die Bildung weiterer Gruppen1 nach Maßgabe wirtschaftlicher Interessen ist zulässig. Die Einteilung in Gruppen muss nach sachgerechten Kriterien vorgenommen werden. Sie steht nicht im freien Ermessen des Schuldners2. Die Gruppen müssen sachgerecht voneinander abgegrenzt werden (§ 9 Abs. 2 Satz 2 StaRUG).

4. Anlagen zum Restrukturierungsplan 1.1142

Als Anlagen zum Restrukturierungsplan sind nach §§ 14, 15 StaRUG beizufügen: – Erklärung zu den Aussichten, dass durch den Plan die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigt, und die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicher- oder wiederhergestellt wird, – Vermögensübersicht, in der die Vermögensgegenstände und die Verbindlichkeiten, die sich bei Wirksamwerden des Plans gegenüberstünden, mit ihren Werten aufgeführt sind (§ 14 Abs. 2 StaRUG), – Liquiditätsplan für den Zeitraum, in dem die Gläubiger befriedigt werden sollen, – Bereitschaftserklärung etwaiger persönlich haftender Gesellschafter des Unternehmens zur Fortführung des Unternehmens, – Zustimmungserklärung etwaiger Gläubiger, die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte oder Beteiligungen an dem Restrukturierungsunternehmen übernehmen sollen, – Bereitschaftserklärung etwaiger Dritter, die für den Fall der Bestätigung des Restrukturierungsplans Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern übernehmen sollen, – Zustimmung eines Tochterunternehmens, das Sicherheiten gestellt hat, zu Eingriffen in die Rechte von Gläubigern,

1.1143

Dem Unternehmen ist es unbenommen, noch weitere Anlagen beizufügen, die zur Förderung der Verhandlungen nützlich sein können. Dazu gehören Willenserklärungen Dritter, die etwa zur Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse erforderlich sind wie beispielsweise Verzicht auf ein Pfandrecht oder die Einigung über die Übereignung einer beweglichen Sache.

1 Beispiele s. Rn. 1.942. 2 RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 B zu Art. 1 Teil 2 zu § 10 S. 135.

248 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1149 Erster Teil

5. Muster für einen Restrukturierungsplan Ein Restrukturierungsplan kann sich an das unter Rn. 1.939 abgedruckte Muster M 5 für Insolvenzpläne anlehnen, bis der Gesetzgeber die in § 16 StaRUG angekündigte Checkliste für Restrukturierungspläne veröffentlicht hat1.

1.1144

frei

1.1145

6. Fortgang des Verfahrens Dem Restrukturierungsunternehmen ermöglicht das Gesetz die Wahl, ob er die Planabstimmung eigenverantwortlich (§§ 23, 17 ff. StaRUG) oder in einem gerichtlichen Verfahren durchführen (§§ 23, 45 f. StaRUG). Es muss überlegen, ob und zu welchem Zeitpunkt es die Hilfe eines Restrukturierungbeauftragten in Anspruch nehmen will (§ 77 StaRUG) und welche Schutzmaßnahmen es während der Verhandlungen über den Plan benötigt. Dies wird davon abhängen, wie groß der Kreis der Beteiligten sein muss und wie wichtig die Geheimhaltung der Situation vor einer größeren Öffentlichkeit ist. Bei nur wenigen Beteiligten aus institutionellen Kreisen wie Kreditinstituten, Kreditversicherern und bedeutenden Unternehmen wird eine eigenverantwortliche Durchführung des Abstimmungsverfahrens leichter fallen als bei Einbeziehung einer großen Anzahl kleiner Gläubiger. Über den weiteren Fortgang, insbesondere über Änderungen des Plans und Einbeziehung eines größeren Kreises von Planbetroffenen muss das Restrukturierungsunternehmen im Laufe der Verhandlungen anhand der jeweiligen Entwicklung entscheiden, bevor es das Abstimmungsverfahren einleitet oder den Plan in einem gerichtlichen Verfahren zur Abstimmung stellt.

1.1146

Um Rechtssicherheit zu erlangen kann das Restrukturierungsunternehmen auftauchende Fragen im Wege einer Vorprüfung gerichtlich klären lassen. Gläubiger und sonstige Planbetroffene haben kein Recht auf Vorprüfung. Sie sind aber nicht gehindert, dem Restrukturierungsgericht etwaige Argumente für oder gegen den Plan zukommen zu lassen; es ist dann Sache des Gerichts zu entscheiden, wie weit es auf diese zurückgreift.

1.1147

Im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren (§ 46 StaRUG) umfasst dies jede Frage, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich ist, insbesondere,

1.1148

– ob die Auswahl der Planbetroffenen und die Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen den Anforderungen der §§ 8 bis 9 StaRUG entspricht, – welches Stimmrecht eine Restrukturierungsforderung, eine Absonderungsanwartschaft oder ein Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht gewährt oder – ob dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit droht. Im selbstorganisierten Planabstimmungsverfahren (§§ 17 ff. StaRUG) kann das Restrukturierungsunternehmen zusätzlich eine Vorprüfung beantragen, ob der Restrukturierungsplan bestätigungsfähig ist (§ 47 StaRUG)2.

1 S. Entwurf einer Checkliste für Restrukturierungspläne des BMJ gem. § 16 StaRUG 31.1.2022 – RA6 – 3760/20-3-R3 21/2022 v. 27.1.2022 – ZInsO 2022, 704; Checkliste für sanierungswillige Schuldner von Marotzke ZInsO 2022, 192 mit Stellungsnahme des BAKinso ZInsO 2022, 714 und der TMA ZInsO 2022, 715; zur Ermittlung von Vergleichswerten für alternative Lösungswege s. Fröhlich ZInsO 2022, 186. 2 Vallender ZInsO 2021, 2677.

Martin Obermüller | 249

1.1149

Erster Teil Rz. 1.1150 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

III. Durchführung des Abstimmungsverfahrens 1.1150

Wenn sich das Restrukturierungsunternehmen entscheidet, die Abstimmung über den Restrukturierungsplan nach Maßgabe der §§ 17 ff. StaRUG selbst durchzuführen, vollzieht sich die Planabstimmung nicht in den vom Verfahrensrecht vorgegebenen Bahnen und Formen, sondern in privater Selbstorganisation mit dem Ziel der privatautonomen Gestaltung der vom Plan berührten Rechtsverhältnisse und damit ausschließlich in den Handlungsformen des Privatrechts1:

1.1151

Das Restrukturierungsunternehmen muss den Planbetroffenen den Plan nebst Anlagen verbunden mit dem Angebot, den Plan anzunehmen zukommen lassen und und deren Reaktion einholen. Dies wickelt sich wie folgt ab:

1. Form des Abstimmungsverfahrens 1.1152

Grundsätzlich kann das Restrukturierungsunternehmen die Abstimmung selbst organisieren und im schriftlichen Verfahren oder in einer Versammlung der Planbetroffenen (§ 20 StaRUG) abstimmen lassen. Auf Verlangen eines oder mehrerer Planbetroffenen ist es verpflichtet, eine Versammlung abzuhalten, auf der eine gemeinsame Erörterung des Plans stattfinden kann, bevor über den Plan abgestimmt wird (§ 17 Abs. 3, § 21 Abs. 1 StaRUG). Statt dessen kann es auch den aus der InsO bekannten Weg über eine gerichtlich organisierte Abstimmung in einem gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin nach § 45 StaRUG einschlagen2. Zwischen diesen beiden Wegen hat das Restrukturierungsunternehmen die Wahl.

2. Erforderliche Mehrheiten 1.1153

Zur Annahme des Restrukturierungsplans ist erforderlich, dass in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen (§ 25 Abs. 1 StaRUG). a) Stimmrecht

1.1154

Das Stimmrecht richtet sich – bei Restrukturierungsforderungen nach deren Betrag, – bei Absonderungsanwartschaften und gruppeninternen Drittsicherheiten nach deren Wert, und – bei Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten nach dem Anteil am gezeichneten Kapital oder Vermögen des Schuldners

(§ 24 Abs. 1 StaRUG). Durch Absonderungsanwartschaften oder gruppeninterne Drittsicherheiten gesicherte Forderungen vermitteln in einer Gruppe von Restrukturierungsgläubigern nur insoweit ein Stimmrecht, wie der Schuldner für die gesicherten Forderungen auch persönlich haftet und der Inhaber der Absonderungsanwartschaft auf diese verzichtet oder mit einer abgesonderten Befriedigung ausfallen würde (§ 24 Abs. 3 StaRUG).

1 Begr. RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 B Teil 2 Abschnitt 3 Unterabschnitt 1 S. 140. 2 Bernsau/Beyer ZInsO 2021, 2533.

250 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1160 Erster Teil

Das Stimmrecht bemisst sich ausschließlich nach der Höhe der Forderung innerhalb einer Gruppe und nicht (wie im Insolvenzplan) nach den tatsächlich abgegebenen Stimmen. Nicht abgegebene Stimmen wirken also wie Ablehnungen1. Auf die noch in § 244 Abs. 1 Nr. 1 InsO verankerte unselige Kopfmehrheit, die aus der Vergleichsordnung stammt und dort meist zu einer Bevorzugung oder sogar vollen Abfindung der Gläubiger, die nur über geringe Forderungen verfügen und deshalb ohnehin am wenigsten verloren hätten (sog. Kleingläubiger), geführt hat2, hat das StaRUG verzichtet3.

1.1155

b) Abstimmungsergebnis Eine Abstimmung wird selten zu einer einstimmigen Annahme oder Ablehnung führen, die Regel dürfte ein gemischtes Ergebnis sein. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

1.1156

aa) Annahme Der Plan ist angenommen, wenn in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Mitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte dieser Gruppe entfallen (§ 25 Abs. 1 StaRUG); auf die Kopfzahl kommt es anders als im Insolvenzplanverfahren nicht an.

1.1157

bb) Einstimmige Ablehnung Lehnen alle Planbetroffenen den Plan ab, so ist der Plan gescheitert und kann auch nicht durch Mehrheitsentscheidungen gerettet werden. Das Restrukturierungsunternehmen wird dann den Plan modifizieren müssen und, wenn das Abstimmungsergebnis seine wirtschaftliche Lage nicht derart verschlechtert hat, dass bereits Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten ist, einen erneuten Anlauf nehmen.

1.1158

frei

1.1159

cc) Unterschiedliche Ergebnisse Wenn in einer Gruppe die Mehrheit von mindestens drei Vierteln der Stimmrechte nicht erreicht wird, ist der Plan noch nicht gescheitert. Vielmehr kann eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung helfen4. Denn nach § 26 Abs. 1 StaRUG gilt die Zustimmung dieser Gruppe als erteilt, wenn 1. die Mitglieder dieser Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden, 2. die Mitglieder dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Ergebnis des Plans (Planwert) beteiligt werden, 3. keine an dem Schuldner beteiligte Person einen wirtschaftlichen Wert behält (§ 27 Abs. 2 Nr. 2, § 28 Abs. 2 Nr.1 StaRUG), und

1 2 3 4

Stahlschmidt ZInsO 2021, 205; Spahlinger NZI 2021, Beil. 1 S. 32. Kritisch dazu Goller ZInsO 2000, 249. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZIP 2021, 1354. Einzelheiten s. Schluck-Amend in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 10.110; Distler ZIP 2021, 1033.

Martin Obermüller | 251

1.1160

Erster Teil Rz. 1.1160 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

4. die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat. Dies gilt nicht uneingeschränkt:

1.1161

Eine Ersetzung ist nicht sachgerecht und damit unzulässig, wenn auf die überstimmte Gruppe mehr als die Hälfte der Stimmrechte der Gläubiger der betroffenen Rangklasse entfällt (§ 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).

1.1162

Hat die Gruppe der Gläubiger mit gruppeninternen Drittsicherheiten den Plan abgelehnt, kann ihre Zustimmung nur ersetzt werden, wenn sie für den Rechtsverlust angemessen entschädigt werden (§ 26 Abs. 2 StaRUG).

1.1163

Sind lediglich zwei Gruppen gebildet, genügt die Zustimmung der anderen Gruppe, sofern es sich bei dieser nicht um die Gruppe der Anteilsinhaber oder der nachrangigen Restrukturierungsgläubiger handelt (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 StaRUG). Drei Viertel der einfachen Restrukturierungsgläubiger können also das restliche Viertel und sämtliche Inhaber von Absonderungsanwartschaften überstimmen.

3. Fortgang des Verfahrens 1.1164

Wenn der Plan von sämtlichen Betroffenen angenommen wurde, kann er ohne gerichtliche Hilfe abgewickelt werden. Die Annahme des Plans stellt dann aufgrund der allseitigen Zustimmung und der damit eingetretenen Bindung des Restrukturierungsunternehmens einen Vertrag dar, der grundsätzlich keiner weiteren Bestätigung bedarf1. Das Restrukturierungsunternehmen sollte aber aus Gründen der Klarstellung das Ergebnis dokumentieren und entweder in einer gemeinsamen, von allen Betroffenen unterzeichneten Urkunde niederlegen oder mit den einzelnen Planbetroffenen jeweils einzelne, voneinander abhängige Bestätigungserklärungen austauschen.

1.1165

Gerichtliche Hilfe wird aber notwendig, wenn das Restrukturierungsunternehmen Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, also eine gerichtliche Planabstimmung, eine gerichtliche Vorprüfung oder eine gerichtliche Planbestätigung (§ 60 Abs. 1 Satz 3 StaRUG) in Anspruch nehmen will oder Schutzmaßnahmen benötigt.

1.1166–1.1169 frei

IV. Maßnahmen zum Schutz des Restrukturierungsverfahrens 1.1170

Eine Restrukturierungsplanung muss einerseits in kürzester Zeit entwickelt werden, andererseits erfordern die Ausarbeitung und Verhandlung eines Restrukturierungsplans eine gewisse Zeit, in der es zu Störungen durch Gläubiger und sonstige Dritte kommen kann. Für den Fall, dass die Geheimhaltung einer geplanten Restrukturierung nicht gelingt oder wenn der Zeitpunkt gekommen ist, in dem das Unternehmen seine Geschäftspartner und Anteilseigner unterrichten muss, sollte es wenigstens über einen Entwurf eines Restrukturierungsplans oder, sofern ein solcher noch nicht ausgearbeitet und ausgehandelt werden konnte, ein Konzept für die Restrukturierung verfügen, das auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Restrukturierung sowie die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden (§ 50 Abs. 2, § 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). 1 Marotzke ZInsO 2021, 2540.

252 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1176 Erster Teil

Damit und mit einem Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten umfasst und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Zahlungsfähigkeit in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll, kann das Restrukturierungsunternehmen gerichtliche oder gesetzliche Schutzmaßnahmen zurückgreifen.

1.1171

Dazu gehören – das Verbot der Ausnutzung von Lösungsklauseln (§ 44 StaRUG), – das Verbot von Leistungsverweigerungsrechten (§ 55 Abs. 1 StaRUG), – die Vollstreckungssperre (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) und – die Verwertungssperre (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Außerdem kann das Restrukturierungsunternehmen die Hilfe eines Restrukturierungsbeauftragten in Anspruch nehmen (§§ 73, 77 StaRUG).

1.1172

Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens an das Restrukturierungsgericht (§ 31 StaRUG)1.

1.1173

1. Anzeige des Restrukturierungsvorhabens Das Restrukturierungsverfahren wird durch eine Anzeige des Vorhabens bei dem Restrukturierungsgericht eingeleitet (§ 31 Abs. 1 StaRUG)2. Der Anzeige sind die oben erwähnten Unterlagen beizufügen, nämlich der Restrukturierungsplan oder eine Darstellung des Restrukturierungsziels aufgrund des bis dahin vorliegenden Konzepts, ein Bericht über den Verhandlungsstand mit den Planbetroffenen und die Maßnahmen zur vorläufigen Sicherung der Zahlungsfähigkeit (§ 31 Abs. 2 StaRUG). Mit einer solchen Anzeige kann das Restrukturierungsunternehmen die Planbetroffenen auch schon überraschen, wenn noch keine Verhandlungen mit ihnen stattgefunden haben3. Dies ist zwar wenig sinnvoll, aber zulässig.

1.1174

Relevant ist nur eine Anzeige durch den Schuldner. Die Anzeige durch einen etwaigen Sanierungsmoderator nach § 96 Abs. 4 StaRUG genügt nicht. Eine Pflicht des Schuldners zur Anzeige besteht nicht. Gläubiger sind zur Anzeige nicht berechtigt.

1.1175

Mit der Anzeige wird die Restrukturierungssache rechtshängig (§ 31 Abs. 3 StaRUG). Sie setzt keine Fristen in Gang und dient zunächst schlicht dazu, das Gericht für die kommenden Maßnahmen zu sensibilisieren4. Auch wenn das StaRUG keine dem § 10a InsO entsprechende Vorschrift enthält, sollte das Restrukturierungsgericht gleichwohl bereit sein, einer Bitte des Schuldners um ein Vorgespräch nachzukommen5. Die Anzeige ist aber Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Stabilisierungsmaßnahmen und eröffnet den Weg zu dem Verfahren zur Planbestätigung. Sollten aber während der Rechtshängigkeit eine Zahlungsunfähigkeit

1.1176

1 Zu dessen Aufgaben und Befugnissen im Allgemeinen s. Vallender ZInsO 2020, 2579; Vallender ZInsO 2020, 2677; Vallender NZI 2021, Beil. 1 S. 30; Deppenkemper ZIP 2020, 2432. 2 Zur Zuständigkeit s. Vallender in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 147. 3 Frind ZInsO 2021, 1093. 4 Bernsau/Beyer ZInsO 2021, 2533. 5 Vallender in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 10.152.

Martin Obermüller | 253

Erster Teil Rz. 1.1176 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

oder Überschuldung eintreten, so ist dies dem Restrukturierungsgericht ohne schuldhaftes Zögern anzuzeigen (§ 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG); die Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 bis 3 InsO und § 42 Abs. 2 BGB ruht.

1.1177

Die Befugnis des Restrukturierungsunternehmens, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, wird durch die Anzeige nicht berührt. Wohl aber greift die Tatsache, dass das Restrukturierungsverfahren mit der Anzeige rechtshängig wird, in die Rechte von Geschäftspartnern des Unternehmens durch das Verbot der Ausnutzung von Lösungsklauseln und das Verbot von Leistungsverweigerungsrechten unmittelbar ein; eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre kann dagegen nur durch das Restrukturierungsgericht angeordnet werden.

2. Verbot der Ausnutzung von Lösungsklauseln 1.1178

Gläubiger und sonstige Vertragspartner des Restrukturierungsunternehmens versuchen regelmäßig, sich gegen Nachteile aus dessen Insolvenz zu schützen und behalten sich vertraglich Kündigungsrechte vor oder vereinbaren das automatische Erlöschen von Verträgen für den Fall, dass bestimmte Insolvenzereignisse eintreten. Typisch sind Klauseln1, wonach im Insolvenzfall alle Geschäfte der Bank mit dem Kunden und die Auftragsverhältnisse, die den für den Kunden abgeschlossenen Geschäften zugrunde liegen, ohne Kündigung enden. Solche Vertragsklauseln sind unwirksam, sofern die Fälligstellungs-, Loslösungs-, Gestaltungs- oder Leistungsverweigerungsrechte allein an die genannten Tatbestände anknüpfen2.

1.1179

Die bisher üblichen Klauseln erfassen ein Restrukturierungsverfahren nicht. Denn danach liegt ein Insolvenzfall erst vor, wenn ein Konkurs- oder ein sonstiges Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Partei beantragt wird und diese Partei entweder den Antrag selbst gestellt hat oder zahlungsunfähig oder sonst in einer Lage ist, die die Eröffnung eines solchen Verfahrens rechtfertigt3. Das ist bei Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens nicht der Fall. Sollten sich die Klauseln auf Restrukturierungsverfahren erstrecken, so sind sie insoweit unwirksam (§ 44 Abs. 2 StaRUG)4. Ab Rechtshängigkeit des Restrukturierungsverfahrens kann sich der Vertragspartner darauf nicht mehr berufen. Ausgenommen von dem Verbot sind auch Geschäfte über Finanzleistungen (§ 104 Abs. 1 InsO) und Finanzsicherheiten (§ 1 Abs. 17 KWG).

1.1180

Klauseln, die zusätzlich an weitere Gründe anknüpfen wie insbesondere einen Verzug des Schuldners oder eine sonstige Leistungsstörung, bleiben von § 44 Abs. 1 StaRUG unberührt5. Das allgemeine Kündigungsrecht nach Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen) kann also auch nach der Anzeige eines Restrukturierungsverfahrens ausgeübt werden, sofern es auf andere Gründe als allein die Einleitung des Restrukturierungsverfahren oder die Inanspruchnahme von Stabilisierungsmaßnahmen gestützt wird6.

1 S. z.B. die Sonderbedingungen für Termingeschäfte, abgedr. bei Clouth/Sänger in Hopt/Merkt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 5. Aufl. 2022, Bankgeschäfte IV R 1. 2 Einzelheiten s. BGH v. 27.10.2022 – IX ZR 213/21, ZInsO 2023, 86. 3 Nr. 10 der Sonderbedingungen für Termingeschäfte. 4 Schönfelder WM 2022, 361. 5 Begr. RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 B zu Art. 1 Teil 2 Kap. 2 Abschnitt 1 zu § 46. 6 Schönfelder WM 2022, 361.

254 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1183 Erster Teil

3. Verbot von Leistungsverweigerungsrechten Ist das Restrukturierungsunternehmen einem Gläubiger etwas aus einem Vertrag schuldig, so kann der Gläubiger nicht allein wegen der rückständigen Leistung eine ihm obliegende Leistung nach § 273 BGB verweigern oder Vertragsbeendigungs- oder -abänderungsrechte geltend machen (§ 55 StaRUG); unberührt bleibt das Recht des Gläubigers, die Erbringung des Teils der ihm obliegenden Gegenleistung zu verweigern, der auf die rückständige Leistung des Schuldners entfällt (§ 55 Abs. 1 StaRUG)1. Im Umkehrschluss kann sich der Gläubiger auf andere oder zusätzliche Umstände berufen, die isoliert oder im Zusammenhang mit dem bestehenden Rückstand ein Leistungsstörungsrecht begründen. Insbesondere berechtigt ein nach dem maßgeblichen Anordnungszeitpunkt eintretender Verzug des Schuldners die Gläubiger dazu, sämtliche Folgen, die sich an einen solchen Verzug im Einzelfall knüpfen können, geltend zu machen. Der Gläubiger soll nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG auch nicht verpflichtet sein, solche Leistungen zu erbringen, welche als Gegenleistung gerade diejenige Leistung des Schuldners abgelten sollen, die der Schuldner vor Erlass der Stabilisierungsanordnung nicht erfüllt hat.

1.1181

Ist ein Gläubiger vorleistungspflichtig, so kann er seine Leistungen von einer Sicherheitsleistung des Schuldners abhängig machen oder seine Leistungen nur noch Zug-um-Zug gegen die dem Schuldner obliegende Leistung erbringen (§ 55 Abs. 3 StaRUG).

1.1182

4. Beendigung gegenseitiger Verträge Der Regierungsentwurf zum SanInsFoG hatte in seinem § 51 Abs. 1 Satz 1 StaRUG vorgesehen, dass das Restrukturierungsgericht einen gegenseitigen, nicht beiderseitig vollständig erfüllten Vertrag auf Antrag des Schuldners beenden kann, wenn der Vertragspartner des Restrukturierungsunternehmens dessen Anpassungs- oder Beendigungsverlangen nicht nachkommt und der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist2. Diese an § 103 InsO angelehnte Berechtigung zur einseitigen Vertragsbeendigung3, gegen die zahlreiche Bedenken erhoben wurden4, hat der Gesetzgeber nicht übernommen5: – Gegenseitige, nicht beiderseitig vollständig erfüllte Verträge bleiben im Restrukturierungsverfahren grundsätzlich bestehen und der Schuldner kann sich von ihnen nur mit Hilfe des Restrukturierungsplans lösen, indem er dort eine Regelung für deren Schicksal vorschlägt (§ 3 Abs. 2 StaRUG)6. Für die Vertragspartner ist dann in der Regel eine besondere Gruppe zu bilden.

1 Einzelheiten s. Marotzke ZInsO 2021, 21. 2 Begr. RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 B zu Art. 1 Teil 2 Kap. 2 Abschnitt 1 zu § 54 Abs. 1. 3 Zur Vertragsbeendigung als Sanierungsinstrument s. Looschelders ZIP 2021, 2461. 4 Bork ZRI 2020, 457; Frind ZInsO 2020, 2241 m.w.N.; Hofmann NZI 2020, 871; Marotzke ZInsO 2021, 21; Vallender ZInsO 2020, 2677. 5 S. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) v. 15.12.2020 – BT-Drucks. 19/25303. 6 Weiterführend Prütting FS Gehrlein 2022, 485; zu Kreditverträgen s. Bitter FS Gehrlein 2022, 27; Bitter ZInsO 2023, 65; Skauradszun/Kümpel WM 2021, 1122.

Martin Obermüller | 255

1.1183

Erster Teil Rz. 1.1183 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

– Für gegenseitige Verträge, die der solvente Partner seinerseits schon voll erfüllt hat, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sie nicht gestaltbar sind und das Restrukturierungsunternehmen verpflichtet bleibt, die von ihm geschuldete Gegenleistung zu erbringen1.

1.1184

frei

5. Vollstreckungssperre 1.1185

Nach der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens, aber noch vor der Entscheidung über die Bestätigung eines Plans kann das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners eine sog. Vollstreckungssperre anordnen (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Darin können Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagt oder einstweilen eingestellt werden. Das Restrukturierungsgericht muss sich vergewissern, dass dies zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist, und dazu umfangreiche Erklärungen des Schuldners einholen (s. § 50 StaRUG). Bei einem Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot ist auf Erinnerung ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzuheben, um die Verstrickung zu beseitigen2.

6. Verwertungssperre 1.1186

Unter denselben Voraussetzungen kann das Restrukturierungsgericht auch eine Verwertungssperre erlassen. Es kann anordnen, dass Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden könnten, von dem Gläubiger nicht durchgesetzt werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Dies trifft vor allem Sicherungsübereignungen und Sicherungsabtretungen. a) Sicherungsübereignungen

1.1187

Anders als im Fall eines Verwertungsverbots im Insolvenzantragsverfahren nach § 21 Abs. 1 Nr. 5 InsO3, das dem vorläufigen Verwalter nur die Nutzung des Sicherungsguts, aber nicht dessen Verbrauch und dessen Verwertung gestattet4, sind hier auch die Veräußerung oder Verarbeitung beweglicher Sachen, an denen im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Aus- oder Absonderungsrechte geltend gemacht werden könnten, grundsätzlich zulässig. Das Restrukturierungsunternehmen hat aber die dabei erzielten Erlöse an die Berechtigten auszukehren oder unterscheidbar zu verwahren (§ 54 Abs. 2 StaRUG). Bis dahin hat das Restrukturierungsunternehmen die geschuldeten Zinsen zu zahlen und den durch die Nutzung eintretende Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. 1 Zu den systematischen Fehlern dieser Regelung s. Marotzke ZInsO 2021, 353. 2 BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, ZInsO 2017, 2267 Rn. 17 mit Anm. Homann ZVI 2018, 137; AG Göttingen v. 26.10.2018 – 74 IK 155/18 GÖ, ZIP 2019, 685, ZInsO 2019, 158; Kayser in Kayser/ Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 88 Rn. 45; Kuleisa in Hamburger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2021, § 88 Rn. 19; Mock in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 62; Fischer ZInsO 2003, 101; Fink ZInsO 2000, 353 m.w.N. 3 Begr. RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 B zu Art. 1 Teil 2 Kap. 2 Abschnitt 1 zu § 56 Abs. 1. 4 Begründung RegE eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens v. 2.11.2006 – BTDrucks. 16/3227 zu Nr. 6.

256 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1192 Erster Teil

b) Sicherungsabtretungen Das Restrukturierungsunternehmen darf „nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Berechtigten“ Forderungen einziehen, die zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten sind. Es muss aber die dabei erzielten Erlöse an die Berechtigten auskehren oder unterscheidbar verwahren (§ 54 Abs. 2 StaRUG), wenn keine anderweitige Vereinbarung zustande kommt.

1.1188

7. Rechtsbehelfe Den von Stabilisierungsmaßnahmen betroffenen Gläubiger stehen keine Rechtsmittel zu. Sie können aber die Aufhebung u.a. dann beantragen, wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner nicht bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten; dies muss der Gläubiger glaubhaft machen (§ 59 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 4 StaRUG).

1.1189

V. Restrukturierungsbeauftragter und Gläubigerbeirat Auf Antrag des Restrukturierungsunternehmens oder von Gläubigern oder von Amts wegen kann ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden1.

1.1190

1. Bestellung auf Antrag Zur Förderung der Verhandlungen zwischen den Beteiligten hat das Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsbeauftragten zu bestellen (fakultativer Restrukturierungsbeauftragter), wenn dies das Restrukturierungsunternehmen beantragt (§ 77 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Wenn es keinen entsprechenden Antrag stellt, die Gläubiger aber meinen, dass ein Restrukturierungsbeauftragter notwendig sei, können sie einen eigenen Antrag stellen: Gläubigern steht ein Antragsrecht zu,

1.1191

– wenn auf sie mehr als 25 % der Stimmrechte in einer Gruppe entfallen oder voraussichtlich entfallen werden, und – wenn sie sich zur gesamtschuldnerischen Übernahme der Kosten der Beauftragung2 verpflichten (§ 77 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).

2. Bestellung von Amts wegen Das Restrukturierungsgericht hat von Amts wegen einen Restrukturierungsbeauftragten einzusetzen, wenn – im Rahmen der Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden sollen, – absehbar ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen von Inhabern von Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften erreichbar ist, ohne deren Zustimmung zum Restrukturierungsplan eine Planbestätigung allein aufgrund Mehrheits1 Schulte-Kaubrügger/Dimassi ZIP 2021, 936; Vallender in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 10.251 ff.; Unterschiede zum Sachwalter s. Martini FS Smid 2022, 543. 2 Zur Vergütung s. § 80 ff. StaRUG und Ganter NZI 2022, 97.

Martin Obermüller | 257

1.1192

Erster Teil Rz. 1.1192 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

entscheidung nach § 26 StaRUG möglich ist, es sei denn, dass an der Restrukturierung allein Unternehmen des Finanzsektors als Planbetroffene beteiligt sind, – der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung beantragt, welche sich gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richten soll, – der Restrukturierungsplan eine Überwachung der Erfüllung der den Gläubigern zustehenden Ansprüche vorsieht (§ 73 StaRUG) – Prüfungen vorzunehmen sind, die der Restrukturierungsbeauftragte als Sachverständiger durchführen kann.

1.1193

Das Restrukturierungsgericht kann von Amts wegen einen Restrukturierungsbeauftragten als Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts einsetzen, „insbesondere“ im Zusammenhang mit der gerichtlichen Planbestätigung oder zur Begutachtung der Entschädigung beim Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten oder zur Frage der Beschränkung der Haftung persönlich unbeschränkt haftender Gesellschafter (§ 73 Abs. 3 StaRUG).

3. Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten 1.1194

Zum Restrukturierungsbeauftragten ist ein für den jeweiligen Einzelfall geeigneter, in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine sonstige natürliche Person mit vergleichbarer Qualifikation zu bestellen, die von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist (§ 74 Abs. 1 StaRUG). a) Von Amts wegen bestellter Restrukturierungsbeauftragter

1.1195

Wird ein Restrukturierungsbeauftragte von Amts wegen bestellt, so trifft grundsätzlich das Restrukturierungsgericht die Auswahl. Damit wird es jedoch nur selten zum Zuge kommen, denn: – Vorschläge des Schuldners, der Gläubiger und der an dem Schuldner beteiligten Personen hat das Restrukturierungsgericht zu berücksichtigen (§ 74 Abs. 2 Satz 1 StaRUG). Berücksichtigen im Sinn dieser Vorschrift bedeutet aber nur, dass allein die Tatsache, dass ein Beteiligter den Beauftragten vorgeschlagen hat, nicht dessen Unabhängigkeit infrage stellt1. – vom Vorschlag des Schuldners darf das Restrukturierungsgericht nur wegen offensichtlich fehlender Eignung des Vorgeschlagenen abweichen, wenn der Schuldner die Bescheinigung eines in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorlegt, aus der sich ergibt, dass der Schuldner die Voraussetzungen für den Erlass einer Stabilisierungsanordnung (§ 51 Abs. 1 und 2 StaRUG) erfüllt2. – Von einem gemeinschaftlichen Vorschlag solcher Planbetroffener, auf die in jeder der Gruppen der einfachen Restrukturierungsgläubiger und der Inhaber von Absonderungsanwartschaften mehr als 25 % des Stimmrechts entfallen oder voraussichtlich entfallen werden, kann das Gericht nur dann abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist (§ 74 Abs. 2 StaRUG). 1 Begr. RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 B zu Art. 1 Teil 2 Kap. 3 Abschnitt 1 zu § 81 Abs. 2. 2 S. auch IDW S 15 v. 8.11.2022 und Canshaw/Portisch ZInsO 2022, 2284.

258 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1203 Erster Teil

Wenn das Restrukturierungsgericht von einem mit einer Bescheinigung versehenen Vorschlag des Schuldners oder einem gemeinschaftlichen Vorschlag Planbetroffener abweichen will, muss es das begründen. Ein mit einer Bescheinigung versehener Vorschlag des Schuldners hat im Kollisionsfall Vorrang vor einem gemeinschaftlichen Vorschlag Planbetroffener.

1.1196

b) Fakultativer Restrukturierungsbeauftragter Wenn das Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsbeauftragten auf Antrag des Schuldners oder von Gläubigern, auf die mehr als 25 % der Stimmrechte in einer Gruppe entfallen oder voraussichtlich entfallen werden, bestellen muss, hat es ebenfalls grundsätzlich die Wahl zwischen allen geeigneten Bewerbern. Von einem Vorschlag von Gläubigern, die zusammen alle in den Restrukturierungsplan einbezogenen Gruppen repräsentieren, kann das Gericht aber nur dann abweichen, wenn die Person offensichtlich ungeeignet ist oder, falls der Beauftragte lediglich zum Zwecke der Förderung der Verhandlungen zwischen den Beteiligten bestellt werden soll, der Schuldner dem Vorschlag widerspricht; eine Abweichung ist zu begründen (§ 78 Abs. 2 StaRUG). Was unter Repräsentation aller Gruppen zu verstehen ist, läßt das Gesetz offen. Es dürften aber in Anlehnung an § 74 Abs. 2 Satz 3 StaRUG 25 % der zu erwartenden Stimmrechte in jeder Gruppe ausreichen. frei

1.1197

1.1198–1.1199

4. Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten Zwischen den Aufgaben eines fakultativen und denen eines von Amts wegen bestellten Restrukturierungsbeauftragten können erhebliche Unterschiede bestehen.

1.1200

a) Fakultativer Restrukturierungsbeauftragter Ein fakultativer Restrukturierungsbeauftragter soll den Schuldner und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und des auf ihm basierenden Plans unterstützen (§ 79 StaRUG). Restrukturierungsunternehmen oder Gläubiger können beantragen, dem Restrukturierungsbeauftragten auch weitere Aufgaben zuzuweisen (§ 77 Abs. 2 StaRUG).

1.1201

b) Von Amts wegen bestellter Restrukturierungsbeauftragter Auch der von Amts wegen bestellte Restrukturierungsbeauftragte hat keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, sondern nur eine überwachende Funktion1. So soll er dem Gericht unverzüglich anzeigen, wenn ihm Umstände bekannt werden, die eine Aufhebung der Restrukturierungssache rechtfertigen, z.B. eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 76 Abs. 1 StaRUG).

1.1202

Das Gericht kann nach § 76 Abs. 2 StaRUG diese Befugnisse aber beträchtlich erweitern und dem Beauftragten die Befugnis übertragen,

1.1203

– die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen,

1 Zur Rechtsstellung und den Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten s. Smid ZInsO 2020, 2092.

Martin Obermüller | 259

Erster Teil Rz. 1.1203 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

– dessen Geschäftsführung zu überwachen, – von dem Schuldner zu verlangen, dass eingehende Gelder nur von ihm entgegengenommen und Zahlungen nur von dem Beauftragten geleistet werden können. Das Gericht kann dem Schuldner auch aufgeben, – dem Beauftragten Zahlungen anzuzeigen, und – Zahlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs nur zu tätigen, wenn der Beauftragte zustimmt.

1.1204

Oft bedarf es für den Erfolg eines Restrukturierungsverfahrens, insbesondere der Vorbereitung, Ausarbeitung, Verhandlung des Plans und Abwicklung des Abstimmungsverfahrens einer neutralen Instanz, welche die Interessen der Beteiligten wahrt und unter Berücksichtigung des Interesses der Gesamtheit zwischen den Interessen der Beteiligten vermittelt. Im selbstorganisierten Abstimmungsverfahren leitet der Beauftragte die Versammlung der Planbetroffenen und dokumentiert die Abstimmung (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG).

1.1205

Der Restrukturierungsbeauftragte prüft die Forderungen, Absonderungsanwartschaften, gruppeninternen Drittsicherheiten und Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Planbetroffenen; sind diese streitig oder zweifelhaft, wirkt er auf eine Klärung des Stimmrechts im Wege einer Vorprüfung hin.

5. Ende des Amts 1.1206

Das Amt des Restrukturierungsbeauftragten endet grundsätzlich mit der Bestätigung des Plans oder dessen Ablehnung. Ist im Plan eine Überwachung durch einen Restrukturierungsbeauftragten vorgesehen, so endet sein Amt mit der Erfüllung des Plans oder im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder deren Abweisung mangels Masse (§ 72 Abs. 4 Nr. 3 StaRUG), spätestens 3 Jahre nach Rechtskraft des Plans.

6. Gläubigerbeirat 1.1207

Wenn die Forderungen aller Gläubiger durch einen Restrukturierungsplan gestaltet werden sollen und die Restrukturierungssache gesamtverfahrensartige Züge aufweist, kann das Restrukturierungsgericht einen Gläubigerbeirat einsetzen (§ 93 Abs. 1 StaRUG). Dessen Mitglieder sollen den Schuldner bei seiner Geschäftsführung unterstützen und überwachen1. Wenn der Plan nicht zustandekommt oder wenn nach seiner Bestätigung doch noch ein Insolvenzverfahren eröffnet werden muss, steht die Mitwirkung in einem solchen Beirat einer Berufung dieser Mitglieder in einen Gläubigerausschuss nicht entgegen2.

1.1208

Banken, die bei dem Restrukturierungsunternehmen engagiert sind, ist zu empfehlen, sich an dem Gläubigerbeirat zu beteiligen und zu diesem Zweck dem Restrukturierungsgericht ihr Interesse rechtzeitig kundzutun. Denn wenn ein solcher Beirat eingesetzt ist, sind wesentliche

1 Einzelheiten s. Ahrens NZI 2021, Beil. 1 S. 57. 2 Hölzle/Curtze ZIP 2021, 1293.

260 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1212 Erster Teil

Entscheidungen und Maßnahmen des Schuldners während des Restrukturierungsprozesses mit ihm abzustimmen1. Insbesondere hat der Beirat ein Mitwirkungsrecht bei der Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten (§ 93 Abs. 2 StaRUG).

VI. Entscheidung über den Plan Wenn es dem Restrukturierungsunternehmen gelingt, von sämtlichen Planbetroffenen eine Zustimmung zu dem Restrukturierungsplan zu erhalten, kann es auf eine gerichtliche Planbstätigung verzichten und mit der schriftlichen Vereinbarung der Gestaltungen der Rechtsverhältnisse begnügen2. Der Plan stellt dann aufgrund der allseitigen Zustimmung und der damit eingetretenen Bindung des Restrukturierungsunternehmens einen Vertrag mit der Wirkung eines außergerichtlichen Vergleichs dar, der grundsätzlich keiner weiteren Bestätigung bedarf, eine Einbindung des Restrukturierungsgerichts ist nicht vorgeschrieben3. Das Restrukturierungsunternehmen sollte aber aus Gründen der Klarstellung das Ergebnis dokumentieren und entweder in einer gemeinsamen, von allen Betroffenen unterzeichneten Urkunde niederlegen oder mit den einzelnen Planbetroffenen jeweils einzelne, voneinander abhängige Bestätigungserklärungen austauschen. Dies wird aber nur gelingen, wenn sich das Restrukturierungsunternehmen auf einen sehr überschaubaren Kreis von Gläubigern und Anteilseignern konzentriert.

1.1209

Wenn in der Abstimmung keine Einstimmigkeit erzielt wurde oder im Laufe der Verhandlungen absehbar ist, dass keine Einstimmigkeit zu erreichen ist, aber eine nach § 26 Abs. 1 StaRUG ausreichende Mehrheit zu erwarten ist, kann das Restrukturierungsunternehmen das Restrukturierungsgericht entweder schon für die Durchführung des Abstimmungsverfahrens in Anspruch nehmen oder zwar die Abstimmung noch selbst organisieren, aber eine Bestätigung durch das Gericht einholen. Auch wenn sämtliche Planbetroffenen dem Restrukturierungsplan zugestimmt haben, ist die Einholung einer Bestätigung des Plans als „Absegnung“ durch das Gericht zu empfehlen.

1.1210

1. Vorprüfung Die Abstimmung sollte nicht mit möglicherweise aufkommenden Unklarheiten und Streitigkeiten, beispielsweise über die Auswahl der Planbetroffenen, die Gruppeneinteilung oder die Stimmrechte, belastet werden. Um dies zu vermeiden kann das Restrukturierungsunternehmen eine Vorprüfung durch das Restrukturierungsgericht beantragen (§§ 46 ff. StaRUG).

1.1211

2. Bestätigung eines selbstorganisierten Plans Wenn das Restrukturierungsunternehmen die Abstimmung über den Restrukturierungsplan selbst organisiert hat, kann es einen Antrag an das Restrukturierungsgericht auf Bestätigung dieses Plans stellen (§ 60 Abs. 1 StaRUG). Grundlage für die gerichtliche Überprüfung des Planabstimmungsprozesses ist dann die Dokumentation des Abstimmungsverfahrens. Das Restrukturierungsgericht hat daraufhin einen Termin zur Anhörung der Planbetroffenen durchzuführen (§ 61 Satz 2 StaRUG).

1 Vallender in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 348. 2 Marotzke ZInsO 2021, 2540 (2545). 3 Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2561; Marotzke ZInsO 2021, 2540.

Martin Obermüller | 261

1.1212

Erster Teil Rz. 1.1213 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.1213

Dem Gericht obliegt nicht nur die formelle Überprüfung, ob etwa die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplans sowie über die Annahme des Plans in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind. Vielmehr hat es auch materiell zu prüfen und die Bestätigung von Amts wegen zu versagen, wenn – der Schuldner nicht drohend zahlungsunfähig ist oder – die Ansprüche, die den Planbetroffenen durch den gestaltenden Teil des Plans zugewiesen werden, und die durch den Plan nicht berührten Ansprüche der übrigen Gläubiger offensichtlich nicht erfüllt werden können (§ 63 StaRUG), oder – wenn der Restrukturierungsplan eine neue Finanzierung vorsieht, aber das dem Plan zugrundeliegende Restrukturierungskonzept unschlüssig ist, oder wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das Konzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine begründete Aussicht auf Erfolg vermittelt.

1.1214

Ein Planbetroffener, der gegen den Restrukturierungsplan gestimmt hat, kann sich gegen die Bestätigung des Plans wehren und einen Antrag auf Minderheitenschutz stellen. Dann ist die Bestätigung des Plans zu versagen, wenn der Antragsteller durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde (§ 26 Abs. 1 Nr. 1, § 64 Abs. 1 StaRUG). Der Antrag ist abzuweisen, wenn im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Planbetroffener eine Schlechterstellung nachweist (§ 64 Abs. 3 StaRUG). Ob der Antragsteller einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält, ist außerhalb der Restrukturierungssache zu klären.

3. Bestätigung im gerichtlichen Abstimmungsverfahren 1.1215

Der Schuldner kann den Restrukturierungsplan in einem gerichtlichen Verfahren zur Abstimmung stellen (§ 23 StaRUG). Die gerichtliche Planabstimmung hat insbesondere den Vorteil, dass der Schuldner nicht das Risiko trägt, die Ordnungsmäßigkeit der Planannahme darlegen und beweisen zu müssen (§ 63 Abs. 3, §§ 17 ff., §§ 24 ff. StaRUG)1.

1.1216

Auf Antrag des Schuldners hat das Restrukturierungsgericht einen Termin anzuberaumen, in dem der Restrukturierungsplan und das Stimmrecht der Planbetroffenen erörtert werden und anschließend über den Plan abgestimmt wird (§ 45 Abs. 1 StaRUG). Für die Stimmrechte, die Auswertung der Abstimmungsergebnisse und die Bestätigung des Plans gelten dieselben Regeln wie im selbstorganisierten Verfahren (s. Rn. 1.1150 ff. und §§ 24–28 StaRUG). In dem Erörterungs- und Abstimmungstermin kann der Schuldner auch den Antrag auf Planbestätigung stellen (§ 60 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).

1.1217

Die Bestätigung des Restrukturierungsplans setzt die Feststellung voraus, dass – der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), – die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplans sowie über die Annahme des Plans durch die Planbetroffenen beachtet worden sind bzw. die Mängel unwesentlich sind (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG),

1 Cranshaw/Portisch ZInsO 2020, 2617.

262 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1219 Erster Teil

– die Mitglieder einer überstimmten Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), – die Mitglieder einer überstimmten Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Planbetroffenen zufließen soll (Planwert) (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG), d.h. wenn – kein anderer planbetroffener Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), – weder ein im Insolvenzfall nachrangiger Gläubiger noch der Schuldner oder eine an dem Schuldner beteiligte Person einen nicht durch Leistung in das Vermögen des Schuldners vollständig ausgeglichenen wirtschaftlichen Wert erhält (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) und – kein gleichrangiger Gläubiger bessergestellt wird (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG), und – kein Anteilseigner einen wirtschaftlichen Wert behält (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG), – kein überstimmter Planbetroffener voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde, es sei denn, dass Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass er seine Schlechterstellung nachweist (§ 64 Abs. 3 StaRUG). – der Plan nicht offensichtlich unerfüllbar ist (§ 63 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG), – dass, falls der Restrukturierungsplan eine neue Finanzierung vorsieht, das dem Plan zugrundeliegende Restrukturierungskonzept schlüssig ist (§ 63 Abs. 2 StaRUG),

4. Rechtsbehelfe Gegen den Beschluss, durch den der Restrukturierungsplan bestätigt wird, können Betroffene sofortige Beschwerde einlegen, wenn sie dem Plan im Abstimmungsverfahren widersprochen und gegen den Plan gestimmt haben und ihre Benachteiligung glaubhaft machen (§ 66 StaRUG)1.

1.1218

Wenn der Plan auch Eingriffe in Rechte vorsieht, die nicht nach §§ 2, 3 StaRUG gestaltbar sind, wie z.B. Forderungen, die in einem Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten (§§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO), als Aussonderungsrechte (§ 47 InsO) oder als Ersatzaussonderungsrechte (§ 48 InsO) gelten würden2, muss das Restrukturierungsgericht bei einer Vorprüfung (§§ 46 ff. StaRUG) darauf hinweisen. Wenn keine Vorprüfung stattgefunden hat oder das Restrukturierungsunternehmen den Hinweis missachtet hat, muss das Restrukturierungsgericht die Bestätigung des Restrukturierungsplans versagen. Denn wenn das mit einem Planbestätigungsantrag des Schuldners (§ 60 StaRUG) befasste Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass auch nur eine der Rechtspositionen, die durch den Plan geändert werden sollen, in Wahrheit nicht plangestaltbar ist, darf es nicht ohne Weiteres diese Rechtsposition aus dem gestaltenden Teil des Plans herausstreichen und den derart veränderten Plan ohne erneute Abstimmung der Betroffenen bestätigen, sondern muss den Antrag auf Planbestätigung i.d.R. insgesamt als unbegründet abweisen (§ 63 Abs. 1 StaRUG) und das Verfahren auf diese Weise in das Stadi-

1.1219

1 Zu den Konsequenzen einer erfolgreichen sofortigen Beschwerde gegen die Planbestätigungsentscheidung s. Jungmann ZIP 2022, 253. 2 Marotzke ZInsO 2021, 1099.

Martin Obermüller | 263

Erster Teil Rz. 1.1219 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

um vor dem schuldnerischen Planangebot und der Meinungsbildung der Planbetroffenen zurückversetzen1. Ob es von einer erneuten Abstimmung absehen darf, wenn es diese Position für unbedeutend hält, ist zumindest zweifelhaft.

1.1220

Hat das Restrukturierungsgericht trotz sorgfältiger Prüfung nicht erkannt, dass zumindest eine der in den gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans aufgenommenen Forderungen nicht plangestaltbar ist, so kann der betroffene Gläubiger bis zur Planbestätigung deren Versagung beantragen (§ 64 Abs. 1 StaRUG). Hilft dies nicht oder hat der Gläubiger den Versagungsantrag versäumt, stellt sich die Frage des Rechtsschutzes gegenüber der gerichtlichen Bestätigung eines „übergriffigen“ Restrukturierungsplans. Naheliegend ist die sofortige Beschwerde (§§ 66, 39 StaRUG, § 569 ZPO)2. Zum Kreis der Planbetroffenen i.S.d. § 66 Abs. 1 Satz 1 StaRUG gehört auch jeder Inhaber eines in den Plan einbezogenen, in Wahrheit jedoch nicht plangestaltbaren Rechts3. Zwar wird vertreten, dass der Inhaber einer in Wirklichkeit nicht (§ 4 StaRUG) oder nicht vollständig (§ 3 Abs. 2 StaRUG) plangestaltbaren Rechtsposition auf die Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen den gerichtlichen Planbestätigungsbeschluss nicht angewiesen sei, da es ihm freistehe, wie der Inhaber einer lediglich in puncto Bestand und/oder Höhe streitigen Forderung sein Recht im normalen Klageverfahren zu suchen bzw. zu verteidigen4. Ob sich diese These durchsetzt, muss bezweifelt werden; der Inhaber eines nicht gestaltbaren Rechts sollte sich darauf nicht einlassen, sondern zuerst zur sofortigen Beschwerde greifen.

VII. Wirkungen des angenommenen Plans 1.1221

Mit der Bestätigung des Restrukturierungsplans treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen ein. Dies gilt auch im Verhältnis zu Planbetroffenen, die gegen den Plan gestimmt haben oder die an der Abstimmung nicht teilgenommen haben, obgleich sie ordnungsgemäß an dem Abstimmungsverfahren beteiligt worden sind (§ 67 Abs. 1 StaRUG). Die Rechte von Geschäftspartnern oder Anteilseignern, die nicht in den Plan einbezogen wurden, bleiben unangetastet.

1.1222

Eine Befreiung des Schuldners von Verbindlichkeiten wirkt auch zugunsten seiner persönlich haftenden Gesellschafter, sofern im Restrukturierungsplan nichts anderes bestimmt ist (§ 67 Abs. 3 StaRUG). Die Rechte der Restrukturierungsgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte der Gläubiger an Gegenständen, die nicht zum Vermögen des Schuldners gehören, oder aus einer Vormerkung, die sich auf solche Gegenstände bezieht, werden nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch durch den Plan gegenüber dem Mitschuldner, Bürgen oder sonstigen Rückgriffsberechtigten befreit wie gegenüber dem Gläubiger (§ 67 Abs. 3 Satz 2 StaRUG). Davon ausgenommen sind gruppeninterne Drittsicherheiten, für diese gilt der Restrukturierungsplan.

1.1223

Wenn dies im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans vorgesehen ist, kann dem Restrukturierungsbeauftragten für längstens 3 Jahre die Überwachung der Erfüllung der Ansprüche der Gläubiger übertragen werden. Wenn diese Ansprüche erfüllt sind oder wenn gewährleistet ist, dass sie erfüllt werden, hebt das Restrukturierungsgericht die Überwachung auf (§ 72 Abs. 4 Nr. 1 StaRUG). Stellt der Restrukturierungsbeauftragte fest, dass das Restrukturie1 2 3 4

Einzelheiten s. Marotzke ZInsO 2021, 2540; Böhm in Braun, StaRUG, 2021, § 7 Rn. 20. Marotzke ZInsO 2021, 2540; a.A. Kirchner in Wolgast/Grauer, StaRUG.online, 2021, § 8 Rn. 16. Marotzke ZInsO 2021, 2540. Befürwortend Marotzke ZInsO 2021, 2540 (2552).

264 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1233 Erster Teil

rungsunternehmen im Plan festgelegte Ansprüche nicht erfüllt oder nicht wird erfüllen können, so hat er dies unverzüglich dem Restrukturierungsgericht und den Gläubigern anzuzeigen.

VIII. Ablehnung des Plans Wird der Plan von den Betroffenen abgelehnt oder die vom Restrukturierungsunternehmen gewünschte Bestätigung des Plans nicht erteilt, muss das Restrukturierungsunternehmen überlegen, ob es aufgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit von seinem Recht Gebrauch macht, einen Insolvenzantrag zu stellen, oder ob Aussichten bestehen, die Krise auch ohne die Zugeständnisse durch den Plan zu bewältigen. Es muss dabei überprüfen, ob sich die wirtschaftliche Lage inzwischen zu einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung entwickelt hat, und deshalb die Pflicht zum Insolvenzantrag nach § 15a InsO entstanden ist. frei

1.1224

1.1225–1.1229

IX. Insolvenz nach Bestätigung des Plans Nicht jeder Restrukturierungsplan ist erfolgreich und führt zur Rettung des Schuldners. Zu einem Insolvenzverfahren kann es noch während der Phase der Planerfüllung1 oder auch nach vollständiger Erfüllung des Plans kommen. Für ein Insolvenzverfahren, das nach der Bestätigung des Restrukturierungsplans eröffnet wird, gelten Besonderheiten.

1.1230

1. Auswirkung von Leistungssstörungen Erfüllt das Restrukturierungsunternehmen die Ansprüche nicht, so können die Restrukturierungsgläubiger, deren Forderungen im Bestätigungsbeschluss nicht als bestritten ausgewiesen sind, aus dem rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplan wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen das Restrukturierungsunternehmen betreiben (§ 71 Abs. 1 StaRUG) und ggfls. einen Insolvenzantrag stellen. Für Forderungen, die nicht in den Plan einbezogen worden waren, gilt dies nicht; der Gläubiger muss sich also einen Titel beschaffen, aus dem er vollstrecken kann.

1.1231

Sind Restrukturierungsforderungen gestundet oder teilweise erlassen worden, so wird die Stundung oder der Erlass nur gegenüber dem Gläubiger hinfällig, gegenüber dem der Schuldner mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand gerät. Wenn ein solcher Gläubiger aus dem Plan die Zwangsvollstreckung auch hinsichtlich des wieder aufgelebten Teils der Forderung betreiben will, hat er zur Erteilung der Vollstreckungsklausel die Mahnung und den Ablauf der Nachfrist glaubhaft zu machen, jedoch keinen weiteren Beweis für den Rückstand des Schuldners zu führen (§ 71 Abs. 3 StaRUG).

1.1232

Wenn vor vollständiger Erfüllung des Restrukturierungsplans über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, so ist die Stundung oder der Erlass für alle Gläubiger hinfällig (§ 69 Abs. 2 StaRUG). Eine Zwangsvollstreckung aus dem Plan ist dann nicht mehr zulässig (§ 89 Abs. 1 InsO).

1.1233

1 Sog. unechte Folgeninsolvenz (Hölzle/Curtze ZIP 2021, 1293).

Martin Obermüller | 265

Erster Teil Rz. 1.1234 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.1234

Die Umwandlung von Forderungen in Anteilsrechte sowie Eingriffe in Anteilsrechte bleiben auch dann, wenn Sundungen oder Erlasse von Forderungen hinfällig werden oder ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, bestehen.

1.1235

frei

2. Insolvenzanfechtungen 1.1236

Rechtshandlungen, die während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache vorgenommen worden sind, können im Fall der späteren Eröffnung eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 129 ff. InsO angefochten werden. Das StaRUG unterstellt Rechtshandlungen, die in diesem Zeitraum vorgenommen wurden, keinem generellen anfechtungsrechtlichen Schutz, sondern trifft lediglich punktuelle Sonderregelungen1. So können beispielsweise Rückzahlungen auf Forderungen, die im Plan erhalten geblieben sind, als vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO) oder als kongruente oder inkongruente Deckung (§§ 130, 131 InsO) angefochten werden. Für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Anfechtungsgegner dafür, dass die Voraussetzungen der jeweils bemühten Anfechtungsvorschrift vorliegen, gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie in einem Insolvenzverfahren, dem kein Restrukturierungsverfahren vorausgegangen ist. Die Tatsache, dass ein Restrukturierungsverfahren stattgefunden hat, kann aber in gewissem Umfang als Argument für einen Gläubigerbenachteiligungvorsatz des Schuldners oder eine Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verwendet werden. Der von § 89 StaRUG gewährte Anfechtungsschutz steht auch dann zur Verfügung, wenn zwar ein Restrukturierungsverfahren eingeleitet, der Restrukturierungsplan aber nicht rechtskräftig bestätigt wurde, sei es, weil er nicht die nötige Mehrheit fand (§§ 25, 26 StaRUG), sei es, weil das Gericht die Bestätigung versagt hat (§ 63 StaRUG)2. a) Anfechtung wegen Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung

1.1237

Soweit es für eine Anfechtung darauf ankommt, dass das Restrukturierungsunternehmen die Rechtshandlung mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen hat wie z.B. in § 133 InsO, kann die Anfechtung nicht allein darauf gestützt werden, dass der Anfechtungsgegner Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens hatte (§ 89 Abs. 1 StaRUG). Alle anderen maßgeblichen Umstände des Einzelfalles dürfen aber im Wege einer Gesamtwürdigung (§ 286 ZPO) weiter auf ihre Indizwirkung geprüft werden3. Diese Vorschrift schützt also nicht davor, dass dem späteren Anfechtungsgegner vorgehalten wird, er habe Kenntnis von einer zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit gehabt. Im Rahmen von § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO kann dies aber durchaus von Relevanz sein. b) Anfechtung gestützt auf Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit

1.1238

Soweit es für eine Anfechtung auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung ankommt wie z.B. in §§ 130, 131 InsO, gilt derselbe Anfechtungsausschluss nur in einem Sonderfall, nämlich dann, wenn das Restrukturierungsgericht trotz des Eintritts einer Zah-

1 Hölzle/Curtze ZIP 2021, 1293. 2 Bork ZInsO 2020, 2177. 3 Zur Kritik an dieser Vorschrift s. Bork ZInsO 2020, 2177.

266 | Martin Obermüller

K. Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren | Rz. 1.1241 Erster Teil

lungsunfähigkeit oder Überschuldung von einer Aufhebung der Restrukturierungssache mit Blick auf den erreichten Stand als offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegend abgesehen hat (§ 89 Abs. 2 StaRUG). Es erschiene widersprüchlich, Geschäftspartner des Schuldners allein deshalb einem erhöhten Haftungs- oder Anfechtungsrisiko auszusetzen, weil sie Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hatten, obwohl das Restrukturierungs-gericht nach Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Beendigung der Restrukturierungssache gerade nicht im Interesse der Gläubigergesamtheit lag1. c) Anfechtung von Planregelungen Wenn ein Restrukturierungsplan rechtskräftig bestätigt ist, können der Plan und Rechtshandlungen, die im Vollzug eines solchen Plans vorgenommen wurden, nur dann angefochten werden, wenn die Bestätigung auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners geschehen ist und dem anderen Teil dies bekannt war (§ 90 Abs. 1 StaRUG). Dieser Anfechtungsausschluss gilt nur bis zu einer nachhaltigen Restrukturierung und entfällt, falls es später aus anderen Gründen zu einer Insolvenz kommt. Dieser Schutz greift gegenüber Anfechtungen nach §§ 130–133 InsO2, ausgenommen von dem Schutz sind Forderungen aus Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) sowie Sicherheitsleistungen, die nach § 135 InsO anfechtbar sind.

1.1239

Das Anfechtungsprivileg erstreckt sich auch auf einen nach § 97 Abs. 1 StaRUG gerichtlich bestätigten Sanierungsvergleich (§ 97 Abs. 3 StaRUG). Für Sanierungsvergleiche, für welche derSchuldner keine gerichtliche Bestätigung beantragt, besteht kein Anfechtungsschutz nach § 90 StaRUG. Vielmehr bleibt es bei einem solchen Sanierungsvergleich bei den allgemeinen Regeln3.

1.1240

d) Insolvenzverschleppungshaftung Anders als das COVInsAG4 enthält das SanInsFoG keine Einschränkung der Haftung insbesondere der Kreditinstitute wegen Insolvenzverschleppung durch Kreditvergabe. Das COVInsAG hatte bis zum 30.9.2023 eine Rückzahlung von Krediten, die nach dem 1.3.2020 neu vergeben wurden – die Prolongation bestehender Kredite zählt dazu nicht5 – vom Vorwurf einer Gläubigerbenachteiligung und damit von allen Anfechtungen nach §§ 129 ff. InsO ausgenommen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG)6 und bestimmt, dass die Kredite auch nicht als sittenwidrige Insolvenzverschleppung7 eingeordnet werden können (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 COVInsAG). Denn Finanzierer sollten ihre Entscheidungen anhand eines möglichst präzise formulierten und ex ante messbaren Verhaltens- und Haftungsmaßstabs treffen können8. Für das Restrukturierungsverfahren bleibt es aber bei der bisherigen Rechtslage. 1 Begr. RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 B zu Art. 1 Teil 2 Kap. 5 zu § 96. 2 Schoppmeyer ZIP 2021, 869; zur Kritik an dieser Vorschrift s. Hölzle/Curtze ZIP 2021, 1293. 3 Schoppmeyer ZIP 2021, 869. 4 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz v. 27.3.2020 (BGBl. I 2020, 569). 5 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122; OLG Stuttgart v. 26.9.2012 – 9 U 65/12, ZInsO 2012, 2051; OLG Köln v. 3.4.2009 – 6 U 80/08, BeckRS 2010, 03013; Wuschek ForderungsPraktiker 2011, 268; a.A. Bitter/Alles WM 2013, 537. 6 Morgen/Schinkel ZIP 2020, 660. 7 Übersicht über die umfangreiche Rechtsprechung s. Rn. 5.157 ff. 8 Weiß/Reps ZIP 2020, 2443; zum ESG-Ansatz für Sanierungskonzepte s. Müller ZInsO 2022, 686.

Martin Obermüller | 267

1.1241

Erster Teil Rz. 1.1242 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.1242

Daher wird die umfangreiche Rechtsprechung zur Haftung wegen Sanierungskrediten mitsamt Anforderungen an Sanierungskonzepte1 und zu Überbrückungskrediten im Fall eines Fehlschlags der Restrukturierung weiter eine Rolle spielen können. Dem Rat, dem amorphen Konzept der Insolvenzverschleppungshaftung schärfere Konturen und einen konkreten Prüfungsmaßstab zu verleihen2, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Zwar kann die Haftung nicht allein darauf gestützt werden, dass der Finanzierer Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens hatte (§ 89 Abs. 1 StaRUG). Damit wird jedoch nur ein Bruchteil der Problematik erfasst. e) Auswirkungen der Anfechtungsbeschränkungen auf Bankgeschäfte

1.1243

Anwendungsfälle im Bankgeschäft für die oben dargestellten Anfechtungsbeschränkungen sind vor allem Überbrückungskredite an das Restrukturierungsunternehmens und deren Besicherung während der Phase der Ausarbeitung des Plans, in der Zeit von dem Planangebot an die Betroffenen oder von der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bis zur Bestätigung des Plans, die Besicherung von Altkrediten im Plan und Auszahlungen und Rückzahlungen von Krediten nach der Bestätigung des Plans und während einer etwaigen Überwachung. Dies wird im 5. und 6. Teil (Rn. 5.495 ff., 6.150 ff.) dargestellt. Dokumentärer und nichtdokumentärer Zahlungsverkehr und Kapitalmarktgeschäfte werden dagegen von einem Restrukturierungsplan in der Regel nicht berührt.

3. Zahlungsverbot 1.1244

Im Fall einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Restrukturierungsunternehmens dürfen die Geschäftsleiter grundsätzlich keine Zahlungen mehr leisten (§ 15b Abs. 1 Satz 1 InsO), es sei denn, die Zahlungen sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar3. Wenn diese Situation nach der gebotenen Anzeige an das Restrukturierungsgericht (§ 32 Abs. 3 StaRUG) eintritt, so gelten bis zur Aufhebung der Restrukturierungssache jede Zahlung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang, insbesondere Zahlungen, die für die Fortführung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und die Vorbereitung und Umsetzung des angezeigten Restrukturierungsvorhabens erforderlich sind, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar (§ 89 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). Das gilt nicht für Zahlungen, die bis zu der absehbar zu erwartenden Entscheidung des Restrukturierungs-

1 OLG Düsseldorf v. 25.4.2013 – I-12 U 45/12, ZInsO 2013, 1195; OLG Düsseldorf v. 20.2.2014 – I12 U 91/13, NZI 2015, 73; BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 = ZInsO 2013, 179 Rn. 14; BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = ZInsO 2018, 2017; BGH v. 28.3.2019 – IX ZR 7/18, ZIP 2019, 1537 = ZInsO 2019, 1060 Rn. 8. 2 Weiß/Reps ZIP 2020, 2443. 3 Allgemein zur Perspektive und Haftung von Geschäftsführern und Vorständen nach CovInsAG, StaRUG und SanInsFoG s. Poertzgen ZInsO 2020, 2509; Bea/Dressler NZI 2021, 67; Brinkmann ZIP 2020, 2361; Brünkmans ZInsO 2021, 1; Brünkmans ZInsO 2021, 125; Smid ZInsO 2021, 117; Kranzfelder/Ressmann ZInsO 2021, 191; Wiedemann ZInsO 2021, 288; kritisch Kuntz ZIP 2020, 2423 zu den nicht ins Gesetz übernommenen §§ 2, 3 StaRUG des RegE für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 – BT-Drucks 19/24181.

268 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1303 Erster Teil

gerichts zurückgehalten werden können, ohne dass damit Nachteile für eine Fortsetzung des Restrukturierungsvorhabens verbunden sind1. frei

1.1245–1299

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen Die Insolvenzordnung will natürlichen Personen für den Fall ihrer Insolvenz mit der Restschuldbefreiung und dem Verbraucherinsolvenzverfahren einen Weg eröffnen, sich dem unbegrenzten Nachforderungsrecht der Gläubiger für die im Insolvenzverfahren nicht befriedigten Ansprüche zu entziehen. Dies stellt den vorläufigen Abschluss einer langen Entwicklung dar.

1.1300

I. Von der Schuldknechtschaft zum Null-Plan Seit Jahrzehnten steht das Problem der wachsenden Verbraucherverschuldung unter den Schlagworten „moderner Schuldturm“ und „Schuldenkarussell“ immer wieder im Mittelpunkt fachlicher und politischer Diskussionen2. Der Grund für die Diskussion lag zunächst in dem freien Nachforderungsrecht der Konkursgläubiger (§ 164 KO), das zu einer lebenslangen „Schuldknechtschaft“ führe. Die Schuldknechtschaft hat eine lange Geschichte3:

1.1301

1. Altorientalische Rechte So war es beispielsweise in den altorientalischen Rechten (z.B. Sumers, Babylons und Israels) üblich, dass der Schuldner sich selbst und/oder seine Familienangehörigen verkaufte oder verpfändete; der Schuldner musste bei seinem Gläubiger wohnen und arbeiten, bis die Schuld beglichen war4.

1.1302

Eine sozialpolitisch bemerkenswerte Bestimmung, die angesichts der InsO besonders aktualitätsbezogen ist, enthält § 117 des Codex Hammurabi5; Trinkner gebührt der Verdienst, diese längst vergessene Vorschrift in einer bei Unternehmens- und Bankjuristen häufig gelesenen Zeitschrift6 veröffentlicht zu haben. Mit seiner freundlichen Genehmigung wird die Vorschrift nachfolgend im Originaltext7 abgedruckt:

1.1303

1 Zur Pflichtenkollision zwischen Restrukturierungssicherungspflicht und Steuerzahlungspflicht s. Schumann ZInsO 2021, 1309, zur Pflicht zur Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung Berberich ZInsO 2021, 1313. 2 Uhlenbruck KTS 1994, 499; Uhlenbruck MDR 1990, 4; Balz ZRP 1986, 12; Balz ZIP 1988, 273; 1988, 1438; Gravenbrucher Kreis ZIP 1992, 657; Henning InVo 1996, 288; Kohte ZIP 1994, 184; Pape ZRP 1993, 285; Prütting ZIP 1992, 882; Schmidt-Räntsch MDR 1994, 321; Wenzel ZRP 1993, 161; Wenzel, Die Restschuldbefreiung in den neuen Bundesländern, 1994; Wochner BB 1989, 1065; zu den Erfahrungen mit der Restschuldbefreiung nach der Gesamtvollstreckungsordnung s. Smid DtZ 1993, 98. 3 Überblick s. Becker KTS 2008, 3 („Bancarottierer“); zur Geschichte des Konkurses s. Uhlenbruck DZWIR 2007, 1; Paulus ZInsO 2019, 1153. 4 Trinkner BB 1992, 2441 m.w.N. 5 Ca. 1792–1750 v. Chr. 6 BB 1992, 2441 m.w.N.; vollständige Übersetzung s. Eilers, Codex Hammurabi, 5. Aufl. 2009. 7 S. auch die assyrische Fassung in FS Trinkner, 1995, 5.

Martin Obermüller | 269

Erster Teil Rz. 1.1303 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

§ 117 Codex Hammurabi šum-ma a-wi-lam e-hi-il-tum is.-ba-sú-ma DAM (= aššas)-sú DUMU (= mãr)-šu ù DUMŬ.MÍ (= mãras)šu a-na KÙ.BABAR (= kaspim) id-di-in ù lu a-na ki-iš-ša-tim it-ta-an-di-in MU.3.KAM (= šalâš šanatim) É (= bït) ša-a-a-ma-ni-šu-nu ú ka-ši-ši-šu-nu i-ip-pé-šu i-na re -bu-tim ša-at-tim an-du-ra-ar-šu-nu iš-ša-ak-ka-an.

1.1304

Diejenigen Leser, denen diese Sprache nicht geläufig ist, mögen sich mit der Übersetzung1 begnügen: 1 Übernommen aus Trinkner BB 1992, 2441 m.w.N.

270 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1307 Erster Teil § 117 Codex Hammurabi „Wenn einen Mann eine Schuldverpflichtung erfasst hat, und er (deshalb) seine Frau, seinen Sohn und seine Tochter für Geld verkauft oder in Schuldknechtschaft gegeben hat, (so werden diese) drei Jahre lang im Hause des Käufers oder ihres Schuldherrn arbeiten. Im vierten Jahr wird ihre Freilassung bewirkt werden.“

2. Griechisches Recht Noch freundlicher ging im Griechenland der Antike1 Solon2 mit den Schuldnern um. Aristoteles3 beschreibt dies wie folgt:

1.1305

„Nachdem Solon Herr über die Staatsangelegenheiten geworden war, befreite er das Volk für die Gegenwart und die Zukunft, indem er die Darlehen, für die mit dem eigenen Körper gehaftet wurde, verbot; er gab Gesetze und verfügte einen Erlass der Schulden, sowohl der privaten als auch der öffentlichen; das wird Lastenabschüttlung genannt, da man tatsächlich eine drückende Last abschüttelte.“

1.1306

Geschickte Zeitgenossen nutzten dies offenbar aus, denn:4

„Es war nämlich so, dass Solon über sein Vorhaben, die Lastenabschüttlung durchzuführen, mit einigen der Vornehmen vorher gesprochen hatte, und dann, wie die Volksfreunde meinen, von seinen Freunden hintergangen wurde, wie aber die böswilligen Verleumder meinen, auch selbst beteiligt war. Denn diese Freunde nahmen Darlehen auf und kauften damit viel Land auf, und als nicht viel später der Schuldenerlass stattfand, wurden sie reich ...“

3. Römisches Recht Weniger zartfühlend gingen die Römer mit Schuldnern um: Während des Legisaktionenverfahrens, dessen Grundsätze im XII-Tafelgesetz niedergelegt sind und das bis weit in das 3. Jhd. v. Chr. hinein die führende Verfahrensordnung des römischen Rechts war, führte die Nichtbezahlung von Schulden nämlich dazu, dass der Gläubiger eigenmächtig, aber staatlich beaufsichtigt, auf die Person des Schuldners zugreifen5 und während der Prüfung seiner An1 2 3 4 5

594 v.Chr. Ca. 640-ca. 560 v. Chr. Der Staat der Athener, 324 v. Chr., Kap. 6. Aristoteles, Der Staat der Athener, 324 v. Chr. Kleineidam, Die Personalexekution der Zwölf-Tafeln, 1904, S. 10 ff.

Martin Obermüller | 271

1.1307

Erster Teil Rz. 1.1307 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

sprüche durch den Prätor den Schuldner gefangen setzen konnte. Bei Bejahung der Ansprüche wurde der Schuldner dem Gläubiger als Schuldknecht („addictus“) zugesprochen. Der Gläubiger konnte den „addictus“ seine Schuld abarbeiten lassen, als Sklaven verkaufen („trans tiberim vendere“) oder ihn sogar töten1 (partis secanto = in Stücke reißen2); Letzteres soll nicht der Regelfall gewesen sein3. Da der Schuldner mit der „addictio“ für immer seine römischen Bürgerrechte verlor, wurde seine gesamte Existenz vernichtet. Erst die „Lex Poetelia“ von 326 v. Chr. schaffte zumindest die Tötung und Versklavung des Schuldners ab und führte somit bedingt zu einer Linderung des Schicksals des Schuldners4.

4. Insolvenzordnung 1.1308

Geradezu wohltuend sind demgegenüber die Regelungen der InsO aus dem Jahre 19995: Schuldner, die trotz redlichen Bemühens wirtschaftlich gescheitert sind, sollen die Chance erhalten, sich durch ein besonderes Insolvenzverfahren unter Tilgung eines Teils ihrer Verbindlichkeiten von ihren restlichen Schulden zu befreien6.

1.1309

Trotz mehrfacher Änderungen (z.B. InsOÄndG7) und Änderungsversuchen8 erschien das Verfahren vielen immer noch zu aufwendig und langwierig, so dass die Bundesregierung nach Wegen zu einer weiteren Vereinfachung des Verfahrens gesucht hat9 und mit dem „Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte10, das im Wesentlichen am 1.7.2014 in Kraft getreten ist11, gefunden zu haben glaubte. Darin hat sie sich, wie das inzwischen erlassene Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiung12 zeigt, allerdings getäuscht.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12

Wenger, Institutionen des römischen Zivilprozessrechts, 1925, S. 215. Rajak ZInsO 1999, 666. Röhm, Zur Abhängigkeit des Insolvenzstrafrechts von der Insolvenzordnung, 2002, 51 m.w.N. Vgl. zum ganzen Kaser, Das Römische Zivilprozessrecht, 1966, § 20; zur weiteren Entwicklung s. Zipperer KTS 2007, 21; Röhm, Zur Abhängigkeit des Insolvenzstrafrechts von der Insolvenzordnung, 2002, 51; Rajak ZInsO 1999, 666. S. Pape ZInsO 2017, 2717. Begründung RegE InsO 1992 BR-Drucks. 1/92 B Nr. 11; zur Entwicklung und zur Legitimation s. Pape/Grote ZInsO 2009, 601. Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze v. 26.10.2001, BGBl. I 2001, 2710. Entwurf zum Entschuldungs- und Verbraucherinsolvenzverfahren v. 2.3.2006, abgedr. in ZVI 2006, Beilage 3/06; letzte Fassung v. 23.1.2007. Leutheusser-Schnarrenberger ZInsO 2010, 614; RefE eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen v. 18.1.2012, ZInsO 2012, 69; RegE für ein Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (BR-Drucks. 467/12 v. 10.8.2012); Stellungnahme des Bundesrats v. 21.12.2012 (BR-Drucks. 467/12); Gegenäußerung der Bundesregierung v. 30.10.2012 (BR-Drucks. 17/11268); s. dazu u.a. Köchling ZInsO 2013, 316; Lissner ZInsO 2013, 330. Gesetz v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379; dazu Graf-Schlicker ZVI 2014, 202; Hofmeister ZVI 2014, 247. Zur stichtagsbezogenen Anwendbarkeit s. Blankenburg ZInsO 2015, 293. Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht v. 30.12.2020, BGBl. I 2020, 3328; RegE eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahren v. 31.8.2020, BT-Drucks. 19/21981; s. Übersicht bei

272 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1313–1.1314 Erster Teil

II. Konzeption der InsO Das Insolvenzrecht bietet dem redlichen Schuldner die Möglichkeit, sich von denjenigen Schulden, die nach Verwertung seines Vermögens noch offen sind, nach Ablauf einer sog. Abtretungsfrist, während der die pfändbaren Teile seiner Lohn- oder Gehaltsforderungen für höchstens drei Jahre1 über einen Treuhänder den Gläubigern zufließen, zu befreien.

1.1310

Eine günstigere Lösung kann der Schuldner erreichen, wenn es ihm gelingt, ausreichende Zustimmung von Gläubigern zu

1.1311

– einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, – einem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan oder – einem Insolvenzplan2 zu erhalten. Manchen Schuldnern ist aber auch dies zu mühsam, so dass sie versuchen, durch Umzug ins Ausland ein ihnen angenehmeres Recht zur Anwendung zu bringen3. Die Kreditwirtschaft hat das Konzept der InsO grundsätzlich begrüßt und akzeptiert, dass überschuldete Kunden über die Insolvenz einen wirtschaftlichen Neuanfang suchen. Widerstand ist im Wesentlichen nur dann zu erwarten, wenn Banken sich von ihren Kunden z.B. durch unrichtige Auskünfte über ihre Vermögensverhältnisse getäuscht fühlen, oder wenn sie den Verdacht haben, dass ein Kunde Vermögenswerte verheimlicht oder beiseite gebracht hat. frei

1.1312

1.1313–1.1314

Pape/Grote ZInsO 2021, 57; Frind ZInsO 2021, 231; zum rechtspolitischen Weg dieses Gesetzes s. Hirte/Windorf FS Smid 2022, 511. 1 Wegen Art. 20 ff. der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. L 172/18, wird die zuletzt gültige Frist von 6 Jahren nach dem Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht v. 30.12.2020, BGBl. I 2020, 3328, sukzessive (Art. 103k EGInsO) auf 3 Jahre verkürzt. 2 Die entgegenstehende Vorschrift des § 312 Abs. 2 InsO wurde durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379, gestrichen; dazu Rein ZVI 2014, 239; Lissner ZInsO 2014, 2480; eine Stundung der Verfahrenskosten nach §§ 4a–d InsO ist dann aber nicht möglich (AG Düsseldorf v. 6.8.2018 – 502 IN 88/17, ZInsO 2019, 578). Ein solcher Insolvenzplan kann auch dann bestätigt werden, wenn der Schuldner keine Restschuldbefreiung nach den gesetzlichen Bestimmungen erlangen kann (BGH v. 19.5.2022 – IX ZB 6/21, ZIP 2022, 1504). 3 Instruktiv sind insoweit BGH v. 18.9.2001 – IX ZB 51/00, ZInsO 2001, 1009; BGH v. 22.4.2010 – IX ZB 217/09, ZInsO 2010, 1013; BGH v. 18.9.2014 – VII ZR 58/13, ZInsO 2014, 2106; LG Düsseldorf v. 7.12.2020 – 3 O 378/16, ZInsO 2022, 159; OLG Düsseldorf v. 16.2.2022 – I-18 U 4/21, ZInsO 2022, 1008; zum „Restschuldbefreiungstourismus“ s. Cranshaw ZInsO 2012, 153; Hergenröder DZWIR 2009, 309; May ZInsO 2012, 165; Mehring ZInsO 2012, 1247; Stürner KTS 2017, 291; BFH v. 27.1.2016 – VII B 119/15, ZIP 2016, 2027; LG Trier v. 6.6.2017 – 4 O 198/16, ZInsO 2017, 1973; LG Köln v. 14.10.2011 – 82 O 15/08, ZIP 2011, 2119; Cour d’appel Colmar v. 13.12.2011 – I A 11/01869, ZInsO 2012, 441; zum englischen Recht s. Priebe ZInsO 2012, 2074; zur Bekämpfung des Missbrauchs durch die EUInsVO s. Vallender ZInsO 2017, 2464.

Martin Obermüller | 273

Erster Teil Rz. 1.1315 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

III. Systematik der Verfahren 1.1315

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung setzen sich aus mehreren hintereinander geschalteten Verfahrensschritten zusammen, deren Nächster nur nach Scheitern des vorangegangenen durchgeführt wird. Sie unterscheiden zwischen persönlich haftenden Unternehmern und Verbrauchern.

1. Verfahrensschritte 1.1316

Für Verbraucher gilt folgender Stufenplan: – außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren, – gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan, – Insolvenzverfahren, – Restschuldbefreiungsverfahren. Für persönlich haftende Unternehmer gilt folgender Stufenplan1: – Insolvenzverfahren, – Restschuldbefreiungsverfahren.

1.1317

Insolvenzschuldner, die von sich aus das Verfahren einleiten wollen, müssen anders als die Gläubiger, die nur den Insolvenzantrag stellen können (s. Rn. 1.1365), diese Reihenfolge einhalten. Ein Verbraucher kann nicht etwa selbst entscheiden, das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren zu überspringen, und direkt die Restschuldbefreiung beantragen, selbst wenn er keinerlei Hoffnung auf eine Zustimmung seiner Gläubiger zu einem Schuldenbereinigungsplan hat. Das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren entfällt nur dann, wenn der Plan „nach der freien Überzeugung des Gerichts voraussichtlich nicht angenommen wird“ (§ 306 Abs. 1 Satz 3 InsO).

1.1318–1.1319 frei

2. Abgrenzung des Personenkreises 1.1320

Für die Verfahrensschritte ist zu unterscheiden zwischen persönlich haftenden Unternehmern und Verbrauchern: a) Verbraucher

1.1321

Verbraucher definiert § 304 InsO als natürliche Personen, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben. Maßgebend für die Abgrenzung ist – wie § 304 Abs. 2 InsO andeutet – grundsätzlich die Tätigkeit des Schuldners im Zeitpunkt des Insolvenzantrags2. 1 Scholz DB 1996, 765. 2 OLG Schleswig v. 1.2.2000 – 1 W 53/99 und 1 W 56/99, ZInsO 2000, 156; OLG Naumburg v. 31.7.2000 – 5 W 64/00, ZInsO 2000, 567; AG Frankfurt v. 23.6.1999 – 816 IK 11/99, InVo 1999, 313; LG Frankfurt/Oder v. 6.4.2000 – 6 (a) 407/99, ZInsO 2000, 290; OLG Frankfurt v. 5.1.2000 – 15 W 114/99, ZInsO 2000, 296; a.A. LG Kassel v. 25.5.1999 – 3 T 325/99, ZInsO 1999, 421; AG Hamburg v. 24.1.2000 – 67g IN 13/00, ZIP 2000, 323; kritisch ebenfalls Klaas ZInsO 1999, 545.

274 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1332 Erster Teil

b) Selbständige Aktive Selbständige, also natürliche Personen, die im Zeitpunkt des Insolvenzantrags weiter eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, sind stets auf das Regelinsolvenzverfahren verwiesen, ohne dass es auf die oben dargestellte Unterscheidung nach Zahl der Gläubiger und Bestehen von Arbeitsverhältnissen ankäme1. Sie können ohne den vorherigen Versuch eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens und eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans nach Durchlaufen eines Regelinsolvenzverfahrens das Restschuldbefreiungsverfahren beantragen. Selbstverständlich ist es auch einem Gewerbetreibenden, der kein Verbraucher ist, nicht verwehrt, den Versuch zu unternehmen, mit seinen Gläubigern eine Vereinbarung über eine außergerichtliche Schuldenregulierung zu treffen oder ein Restrukturierungsverfahren durchzuführen. Ein solcher Versuch eröffnet ihm jedoch nicht den Einstieg in das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren.

1.1322

Für ehemals Selbständige, also Schuldner, die vor dem Antrag noch selbständig waren, zwischenzeitlich aber ihr Gewerbe aufgegeben haben und im Zeitpunkt des Antrags bereits eine abhängige Tätigkeit ausüben, ist zu unterscheiden:

1.1323

– Sie fallen unter das Verbraucherinsolvenzverfahren, sofern ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind – dies wird unterstellt, wenn sie im Zeitpunkt des Insolvenzantrags weniger als 20 Gläubiger haben – und gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen; Forderungen, die inzwischen wegen eines Antrags auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, behalten ihren Charakter als Forderungen aus Arbeitsverhältnissen2. – Anderenfalls ist auf die ehemals Selbständigen das Regelinsolvenzverfahren anwendbar.

1.1324–1.1329

frei

IV. Außergerichtliche Schuldenbereinigung für Verbraucher Ein Verbraucher kann jederzeit den Versuch unternehmen, mit seinen Gläubigern eine Vereinbarung über eine Schuldenregulierung zu treffen3.

1.1330

1. Form des Plans Den Versuch einer außergerichtlichen Einigung muss der Schuldner auf der Grundlage eines Plans unternehmen (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und dies im Fall des Scheiterns dem Insolvenzgericht nachweisen4.

1.1331

Vorschriften für die Form des Plans enthält das Gesetz nicht ausdrücklich; die Verordnung zur Einführung von Formularen für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren (VbrInsFV5) nach § 305 Abs. 5 InsO bezieht sich nicht schon auf den

1.1332

1 BGH v. 14.11.2002 – IX ZB 152/02, ZInsO 2002, 1181; Henning in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 304 Rn. 40. 2 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 238/08, ZIP 2011, 578 = ZInsO 2011, 425. 3 Kritisch wegen geringer Erfolgsquote Lissner ZInsO 2014, 229. 4 LG Düsseldorf v. 25.6.2013 – 25 T 266/13 B, ZInsO 2013, 2574. 5 Verordnung v. 17.2.2002, BGBl. I 2002, 703, zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Verbraucherinsolvenzvordruckverordnung v. 23.6.2014, BGBl. I 2014, 825.

Martin Obermüller | 275

Erster Teil Rz. 1.1332 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan1. Es versteht sich jedoch von selbst, dass der Schuldner den Plan schriftlich niederlegen2, den Gläubigern übermitteln und um deren Antwort nachsuchen muss. a) Mindestangaben

1.1333

Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan sollte bestimmte Mindestangaben enthalten, ohne die einem Gläubiger eine Entscheidung gar nicht möglich ist, und zweckmäßigerweise das Vermögensverzeichnis auf den Vordrucken nach § 1 Abs. 1 Nr. 2d und e VbrInsFV und das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis auf den Vordrucken nach § 1 Abs. 1 Nr. 2f VbrInsFV erstellen. b) Verbraucherkreditrecht

1.1334

Die Vorschriften des Verbraucherkreditrechts sind bei der Aufstellung eines Plans grundsätzlich nicht zu beachten. Zwar könnte auch eine Stundungsvereinbarung, die in einem Schuldenbereinigungsplan getroffen wird, als ein Zahlungsaufschub im Sinne des § 506 Abs. 1 BGB angesehen werden. Der Begriff des Zahlungsaufschubs bezieht sich nämlich nicht nur auf Darlehen, sondern umfasst alle schuldrechtlichen Verträge, soweit es um die Gegenleistung geht, die der Verbraucher zu erbringen hat einschließlich der Sekundäransprüche3. Keinen Zahlungsaufschub enthalten dagegen Vereinbarungen über Tilgungsaussetzungen oder -streckungen bei Ratenkreditverträgen und Nachentrichtung von Raten nach Ende der Laufzeit, auch wenn sich der Kredit dadurch wegen des längeren Zinszahlungszeitraums verteuert4. Die InsO sieht insoweit eine Ausnahme nicht ausdrücklich vor. Eine Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes ist jedoch vom Normzweck nicht geboten und aus Praktikabilitätsgesichtspunkten auch gar nicht möglich5.

1.1335

Deshalb ist eine Bank, die dem Schuldenbereinigungsplan zustimmen will, nicht verpflichtet, anhand der Modifikationen, die der Schuldner für ihre Forderungen vorschlägt, einen neuen Kreditvertrag unter Beachtung der Bestimmungen des Verbraucherkreditrechts auszufertigen. c) Mitwirkung von Beratern

1.1336

Zur Anfertigung des Plans sollte der Schuldner von Anfang an einen Rechtsanwalt oder eine Schuldnerberatungsstelle hinzuziehen6. Denn für den Fall des Scheiterns seines Plans muss er sich ohnehin die Bestätigung „einer geeigneten Person oder Stelle“ (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 1 Henning in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 305 Rn. 68. 2 AG Gießen v. 24.3.2000 – 6 IK 28/00, ZInsO 2000, 231. 3 von Westphalen/Emmerich/von Rottenburg, VKG, 2. Aufl.1996, § 1 Rn. 157. 4 Nobbe in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 16. Aufl. 2021, § 506 Rn. 5. 5 Einzelheiten und Begründung s. Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz nach der InsO, 3. Aufl. 2003, Rn. 857 ff. 6 Zur Beratungshilfe s. Lissner Rpfl. 2006, 458; Lissner ZInsO 2022, 228; zur Beratung über moderne Kommunikationsmittel s. LG Landshut v. 24.10.2016 – 33 T 1670/16, ZInsO 2016, 2405 (Telefon); LG Düsseldorf v. 20.6.2016 – 25 T 334/16, ZInsO 2016, 1703 (Skype); Greiner ZInsO 2017, 528; zur Beratung bei laufender Fahrt im Straßenverkehr s. LG Düsseldorf v. 10.2.2017 – 25 T 3/17, ZInsO 2017, 615.

276 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1341 Erster Teil

InsO)1 beschaffen, damit sein Antrag auf Eröffnung eines gerichtlichen Verfahrens überhaupt zugelassen werden kann. Gelegentlich helfen auch Kreditinstitute bei dem Versuch, einen Vergleich mit der Gläubigerschaft zu erzielen. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten, denn solche Aktivitäten können der Bank leicht den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz einbringen, auch wenn dieser in der Regel ungerechtfertigt ist2.

1.1337

d) Prüfung der Unterlagen Die Bank sollte überprüfen, ob die Angaben mit ihren eigenen Informationen übereinstimmen. Dazu ist sie berechtigt, die bei ihr vorhandenen Kontounterlagen, insbesondere den Zahlungsverkehr auszuwerten. Zumindest sollte sie das Vermögensverzeichnis auf Plausibilität überprüfen und ggf. zurückfragen, wenn ihr auffällt, dass Vermögenswerte, die sie bei dem Schuldner vermutet und vielleicht gar finanziert hat, nicht erwähnt sind. Falls der Plan scheitert und der Schuldner keinen neuen Versuch unternimmt, kann die Bank die aus den Verzeichnissen gewonnen Informationen u.U. nutzen, um Zwangsvollstreckungen auszubringen.

1.1338

2. Inhalt des Plans Auch für die Vorschläge zur Schuldenbereinigung enthält das Gesetz keine Vorschriften und überlässt seine Gestaltung weitgehend der Parteiautonomie. Der Plan soll lediglich zu einer angemessenen Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen führen3.

1.1339

Der Inhalt des Plans kann von einer vorübergehenden Stundung über Ratenzahlungen, Zinsstundungen, Zinsverzichte, Zinssenkungen bis zu einem weitgehenden Verzicht auf die Forderungen und einem Eingriff in Sicherheiten reichen. Er kann sich auf den Schuldner beschränken, aber auch Verpflichtungen Dritter aufnehmen, insbesondere einen gutverdienenden Ehegatten des Schuldners einbeziehen. Für streitige Forderungen kann er einen geringeren Satz anbieten als für unstreitige oder, um zu verhindern, dass der Plan an der Auseinandersetzung über die streitige Forderung scheitert, vorschlagen, dass sie quotal, aber nur dann bedient wird, wenn sein Gegner im Rechtsstreit obsiegt4.

1.1340

a) Vorschlag mit überobligatorischen Leistungen Der Schuldner muss sich überlegen, ob er drei Jahre lang mit dem pfändungsfreien Einkommen leben will oder ob es für ihn erträglicher ist, den Gläubigern zusätzlich einen Teil seines pfändungsfreien Arbeitsentgelts zu überlassen, wenn sich diese im Gegenzug mit einer Verkürzung der Dreijahresfrist einverstanden erklären5. Allerdings ist ein Verzicht auf den Pfän-

1 Generell werden als geeignet angesehen auch Verbände oder Mitgliedsorganisationen der freien Wohlfahrtspflege, Kirchen, Gemeinden angehörige Stellen oder Verbraucherzentralen/Schuldnerberater (AG Düsseldorf v. 20.3.2017 – 513 IK 22/16, ZInsO 2017, 845). 2 OLG Karlsruhe v. 9.7.2008 – 6 U 51/08, DB 2008, 2477. 3 Hess/Weis InVo 1996, 113. 4 Rechtsausschussbericht RegE InsO 1992 zu § 357b EInsO (BT-Drucks. 12/7302 S. 191). 5 Zu Leistungen aus unpfändbaren Mitteln an einzelne Gläubiger s. Emmert/Ludwig ZInsO 2014, 2424.

Martin Obermüller | 277

1.1341

Erster Teil Rz. 1.1341 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

dungsschutz jedenfalls vor der Pfändung nicht möglich1. Denn die Pfändungsschutzvorschriften dienen nicht nur dem privaten Schutz des Schuldners, sondern sind überwiegend im öffentlich-rechtlichen Interesse aus sozialpolitischen Gründen erlassen und sollen verhindern, dass der Einzelne durch völlige Kahlpfändung auf einen Grad der wirtschaftlichen Mittellosigkeit herabgedrückt wird, der ihm die Grundlage seiner Existenz zerstört2. b) Vorschlag unter Einbeziehung der Leistung Dritter

1.1342

Aussichtsreich dürften Pläne sein, die den Gläubigern die berechtigte Erwartung auf eine schnelle Befriedigung eines Teils ihrer Forderungen bieten; dann werden sie eher zu einem höheren Verzicht bereit sein. Anlass dazu kann z.B. die Verpflichtungserklärung von Verwandten sein, einen bestimmten Geldbetrag zur Befreiung aus der „Schuldknechtschaft“ aufzubringen.

1.1343

Der Gläubiger wird allerdings misstrauisch prüfen, ob der angeblich von dritter Seite bereitgestellte Betrag wirklich aus dem Vermögen dieses Dritten stammt und nicht etwa von dem Schuldner rechtzeitig und planmäßig zum Aufbau einer Verhandlungsposition beiseite gebracht wurde; sollten sich dafür Anhaltspunkte ergeben, so wird der Gläubiger überlegen, ob ihm das Anfechtungsgesetz eine Handhabe bietet, die Gelder seinem Vollstreckungszugriff wieder zu erschließen, d.h. die durch die Vermögensverschiebung verhinderte Zwangsvollstreckung (§ 11 AnfG) wieder zu ermöglichen3. Die notwendigen Informationen kann sich der Gläubiger u.U. über das Vermögensverzeichnis verschaffen, das der Schuldner bei Abgabe seiner Vermögensauskunft zu errichten hat (§ 802c ZPO). In seinem Vermögensverzeichnis muss der Schuldner über unentgeltliche Leistungen und über entgeltliche Veräußerungen zugunsten seiner Verwandten und seines Ehegatten Auskunft erteilen (§ 802c Abs. 2, 3 ZPO). c) Null-Plan

1.1344

Der Vorschlag kann auch in einem sog. Null-Plan4 bestehen. Das Gesetz verlangt nämlich keine Mindestquote für die Befriedigung der Gläubiger; allerdings stellt ein perspektivloser

1 BayObLG v. 19.6.1950 – II a 2/1950, NJW 1950, 697; OLG Frankfurt v. 2.12.1953 – 6 W 581/52, NJW 1953, 1835. 2 OLG Frankfurt v. 2.12.1953 – 6 W 581/52, NJW 1953, 1835. 3 BGH v. 26.4.1961 – VIII ZR 165/60, KTS 1961, 139 m.w.N.; zur Gläubigerbenachteiligung durch Zahlungen nahestehender Dritter s. Wischemeyer ZInsO 2008, 1122. 4 BGH v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12, ZInsO 2013, 2333; BayObLG v. 30.9.1999 – 4 Z BR 4/99, ZInsO 1999, 645; BayObLG v. 2.12.1999 – 4Z BR 8/99, ZIP 2000, 320; OLG Köln v. 2.11.1999 – 2 W 137/ 99, ZIP 1999, 1927; OLG Karlsruhe v. 20.12.1999 – 9 W 82/99, NZI 2000, 163; OLG Stuttgart v. 28.3.2002 – 8 W 560/01, ZInsO 2002, 836; AG München v. 7.12.1998 – 152 AR 220/98, ZIP 1998, 2172; AG Wolfratshausen v. 1.4.1999 – 2 IK 27/99, ZIP 1999, 721; LG Baden-Baden v. 29.4.1999 – 1 T 13/99, NZI 1999, 234; AG Stuttgart v. 17.3.1999 – 3 IK 2/99, NZI 1999, 243; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2001, Kap. 10 Rn. 42; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 1997, S. 83; Henning InVo 1996, 288; Heyer JR 1996, 314; Maier/Kraft BB 1997, 2173; Ritter in Hamburger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2021, § 305 Rn. 6; Vallender ZIP 1996, 2058; offengelassen von BGH v. 21.13.2004 – IX ZB 427/02, ZInsO 2004, 1311.

278 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1348 Erster Teil

sog. flexibler Null-Plan keinen ernsthaften Versuch einer Schuldenbereinigung dar1. Umgekehrt kann es für den Schuldner sinnvoll sein, seinen Gläubigern überobligatorische Leistungen oder Leistungen Dritter anzubieten. d) Reaktion der Bank In ihrer Entscheidung, ob sie dem Vorschlag des Schuldners zustimmt, ist eine Bank – anders als beispielsweise der Fiskus, für den bestimmte Richtlinien gelten2 – frei. Eine Bank wird zunächst überlegen, ob es sinnvoll ist, in diesem Stadium des Verfahrens überhaupt zu reagieren oder ob es sich – was insbesondere bei einem Null-Plan der Fall sein wird – nicht lohnt, Arbeitskraft, Mühe und Kosten für die Durchsicht des Plans, die Überprüfung seiner Richtigkeit bzw. Plausibilität und für eine Diskussion mit dem Schuldner sowie für etwaige Alternativvorschläge aufzuwenden.

1.1345

Bei ihren Überlegungen muss die Bank ein Zahlungsangebot, das der Schuldner im Plan unterbreitet, vergleichen mit den Leistungen, die sie im Fall der Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit anschließendem Restschuldbefreiungsverfahren zu erwarten hat. Sie darf dabei nicht allein von dem noch vorhandenen Vermögen und der Höhe des pfändbaren Einkommens im Verhältnis zu den Ansprüchen der Gläubigergesamtheit ausgehen, sondern muss auch die Verfahrenskosten berücksichtigen, die einen erheblichen Teil des verbliebenen Schuldnervermögens aufbrauchen können3 und bei einer Einigung vor der Durchführung des Insolvenzverfahren erspart werden.

1.1346

Da keine Fristen laufen, deren Versäumung sich für die Bank nachteilig auswirken könnte, kann sie sich mit der Bearbeitung Zeit lassen. Der Zeitverlust nützt aber denjenigen Gläubigern, die bereits Lohn- oder Gehaltspfändungen ausgebracht haben, wenn der Schuldner ein ausreichendes Arbeitseinkommen erzielt, aus dem diese Gläubiger sukzessive befriedigt werden können. Sie können die pfändbaren Beträge bis zur Verfahrenseröffnung bzw. bis zum Eingreifen der Rückschlagsperre des § 88 InsO allein vereinnahmen und müssen sie nicht mit der Gläubigergemeinschaft teilen. Für die Pfändungsgläubiger kann es also günstig sein, den Insolvenzantrag möglichst weit hinauszuschieben, indem sie den Schuldner zwingen, zunächst die Verfahrensschritte, die dem Restschuldbefreiungsverfahren vorzuschalten sind und viel Zeit in Anspruch nehmen, zu durchlaufen.

1.1347

Wenn die Bank sich in diesem Stadium des Verfahrens aktiv einschalten will, sollte sie zunächst für die Berichtigung erkennbarer Fehler sorgen, um Klärung von Zweifelsfragen nachsuchen und ggf. Planänderungen vorschlagen. In Betracht kommt folgender Text:

1.1348

1 OLG Stuttgart v. 28.1.2014 – 8 W 35/14, ZInsO 2015, 206. 2 Zu den Kriterien für die Entscheidung der Finanzbehörden über Zustimmung oder Ablehnung s. BMF v. 27.1.2021 – IV A 3 - S 0550/20/10008:001, DOK 2021/0076958, ZInsO 2021, 706; Schreiben des BMF v. 11.1.2002 – IV A 4 - S 0550 – 1/02, KTS 2002, 281. 3 S. die instruktiven Berechnungsbeispiele bei Leipold ZInsO 2013, 2052.

Martin Obermüller | 279

Erster Teil Rz. 1.1348 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

M 7 Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsvorschlag Briefkopf der Bank An (Schuldner bzw. Berater) Schuldenbereinigungsvorschlag vom ... Sehr geehrter ..., Ihren Vorschlag zu einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung haben wir erhalten. Bevor wir entscheiden, ob und mit welchem Ergebnis wir zu Ihren Vorschlägen Stellung nehmen, bitten wir Sie noch um Folgendes: 1. Einkommensverhältnisse: Wir vermissen nähere Angaben zu ... Dazu benötigen wir noch folgende Belege: ... 2. Schuldenverzeichnis: Unsere Forderungen sind nicht zutreffend aufgeführt. Eine genaue Forderungsaufstellung fügen wir mit der Bitte um Aufnahme in den Plan bei. 3. Gleichbehandlung: Wir bitten Sie um den Nachweis, dass Sie anderen Gläubigern keine bessere Quote als uns anbieten. Vor Eingang der gewünschten Unterlagen können wir uns mit Ihrem Vorschlag nicht weiter befassen.

1.1349

...

...

Ort, Datum

Unterschrift der Bank

Wenn die Bank schon jetzt Planänderungen vorschlagen, insbesondere die Aufnahme einer Verfallklausel fordern (zur Zulässigkeit s. Rn. 5.140) will, sollte der obige Text wie folgt ergänzt werden:

M 8 Ergänzung Planänderung 4. Änderungsvorschläge: Wir haben Ihren Schuldenbereinigungsplan überprüft. Mit Ihren Vorschlägen können wir uns nicht einverstanden erklären. Wir bitten Sie um folgende Änderungen: a) ... (Einmalzahlung, Beiträge von Verwandten usw.) b) Wenn Sie mit mehr als zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mindestens 10 % der nicht erlassenen Forderungen in Verzug geraten und diese Zahlungen trotz einer Mahnung und Setzung einer Frist von zwei Wochen nicht nachholen, lebt die gesamte Forderung einschließlich Zinsen abzüglich der bis dahin erbrachten Leistungen wieder auf.

280 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1355 Erster Teil

c) Für die Zahlung eines Betrages von ... Euro, (auch bei ratenweiser Tilgung Gesamtsumme einsetzen) unterwerfen Sie sich in gesonderter notarieller Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in Ihr gesamtes Vermögen.

3. Wirkungen des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsversuch hat keine verfahrensrechtlichen Auswirkungen und berührt bestehende Rechtsverhältnisse nicht.

1.1350

a) Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Die Einleitung von Gesprächen und der Versuch einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung hindern den Gläubiger nicht, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu beginnen oder fortzusetzen, die aber wegen der drohenden Rückschlagsperre (s. Rn. 6.222, 6.228) und Anfechtung wenig sinnvoll erscheinen.

1.1351

b) Sicherheiten Die Bemühungen des Schuldners um eine außergerichtliche Schuldenbereinigung hindern die Bank nicht, nach Kündigung des Kredits ihre Sicherheiten zu verwerten. Von dem Versuch, noch neue Sicherheiten zu erlangen, ist abzuraten. Sie würden der Anfechtung nach §§ 133, 131 InsO unterliegen und den Schuldner und die Mitarbeiter der Bank der Gefahr aussetzen, sich wegen Gläubigerbegünstigung und Beteiligung daran strafbar zu machen.

1.1352

c) Zinsen Zinsen, die während der Verhandlungsperiode anfallen, können unbeschränkt geltend gemacht werden; die Verweisung der Zinsen in den Nachrang (§ 39 InsO) bezieht sich nur auf die Zinsen für die Zeit nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

1.1353

4. Verfahrensgang Der Schuldner muss den Plan seinen Gläubigern übermitteln und um deren Antwort innerhalb einer angemessenen Frist nachsuchen1. Zur Antwort kann der Schuldner die Gläubiger nicht zwingen. Wenn der Bank die Frist zu kurz erscheint, sollte sie das dem Schuldner mitteilen. Ein Nachteil droht ihr aus einer Fristüberschreitung nicht.

1.1354

a) Einigung Gelangen die Parteien auf der Basis des Vorschlags des Schuldners zu einer Einigung, so erübrigt sich damit die Inanspruchnahme der Gerichte. Voraussetzung ist die Zustimmung sämtlicher Gläubiger in dem Maß, in dem der Plan ihr Einverständnis gefordert hat. Schweigen gilt nicht etwa als Zustimmung, sondern wirkt als Ablehnung des Vorschlags. Die Zustimmung eines widersprechenden oder schweigenden Gläubigers kann nicht durch Mehrheits1 Zu den Kriterien für die Entscheidung der Finanzbehörden über Zustimmung oder Ablehnung s. BMF v. 27.1.2021 – IV A 3 - S 0550/20/10008:001, DOK 2021/0076958, ZInsO 2021, 706.

Martin Obermüller | 281

1.1355

Erster Teil Rz. 1.1355 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

entscheid der Gläubiger ersetzt werden. Gläubiger, die der Schuldner bei seinem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan nicht berücksichtigt hat, können auch nach Annahme des Schuldenbereinigungsplans durch die übrigen Gläubiger ihre Forderung in vollem Umfang geltend machen1. Der angenommene Plan hat die Wirkung eines außergerichtlichen Vergleichs (§ 779 Abs. 2 BGB)2. Er bildet keinen Vollstreckungstitel. b) Ablehnung durch Gläubiger

1.1356

Die Bemühungen des Schuldners um eine außergerichtliche Schuldenbereinigung hindern den Gläubiger nicht, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen, wenn er einen Insolvenzgrund d.h. die Zahlungsunfähigkeit seines Schuldners glaubhaft machen kann. Das Recht des Gläubigers, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner zu beantragen, ist nicht an die Voraussetzung gekoppelt, dass zunächst ein gerichtlicher und ein außergerichtlicher Einigungsversuch stattgefunden haben muss. Stellt der Gläubiger einen Insolvenzantrag, so muss das Gericht dem Schuldner Gelegenheit geben, zunächst trotz des Gläubigerantrags die außergerichtliche Einigung zu versuchen, und ihm dafür eine Frist von drei Monaten setzen (§ 306 Abs. 3 Satz 3, § 305 Abs. 3 Satz 3 InsO).

1.1357

Der Versuch, eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung herbeizuführen, gilt als gescheitert, wenn ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, nachdem die Verhandlungen über die außergerichtliche Schuldenbereinigung aufgenommen wurden (§ 305a InsO).

1.1358–1.1359 frei

V. Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren 1.1360

Ein Verbraucher, dessen außergerichtlicher Schuldenbereinigungsvorschlag am Widerspruch einzelner oder sämtlicher Gläubiger gescheitert ist, kann im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren erneut den Versuch unternehmen, zu einer Schuldenregulierung zu kommen. Dabei wird seine Position im Vergleich zu dem außergerichtlichen Verfahren insofern gestärkt, als eine Mehrheitsentscheidung der Gläubiger ausreichen kann und er nicht mehr die Zustimmung sämtlicher Gläubiger benötigt.

1.1361

Ob ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren durchgeführt wird, entscheidet das Insolvenzgericht. Wenn nach seiner freien Überzeugung der Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich nicht angenommen wird, kann das Gericht nach Anhörung des Schuldners die Fortsetzung des Verfahrens über den Eröffnungsantrag anordnen (§ 306 Abs. 1 Satz 3 InsO). Letzteres ist in der Praxis der Regelfall3, dennoch muss der Schuldner zunächst einmal so vorgehen, als würde das Schuldenbereinigungsverfahren stattfinden und seinen Antrag entsprechend aufbauen.

1 Vallender ZIP 2000, 1288. 2 LG Hechingen v. 6.8.2004 – 3 S 21/04, ZInsO 2005, 49; Theiß ZInsO 2005, 29. 3 Zur Erfolglosigkeit des Konzepts s. Lissner InsBüro 2022, 228; s. aber Empfehlungen für Anwendung und Gestaltung eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens bei Bast/Deyda/Laroche/Schöttler/Siebert ZInsO 2017, 271.

282 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1366 Erster Teil

1. Antragsrecht a) Antrag des Schuldners Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren wird durch einen Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeleitet. Seinem Insolvenzantrag muss der Schuldner einen Schuldenbereinigungsplan beifügen (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO) und dem Insolvenzgericht die Entscheidung überlassen, ob es ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren durchführt oder direkt über den Eröffnungsantrag befindet.

1.1362

Dem Schuldner können für sämtliche Verfahrensabschnitte die Verfahrenskosten bis zum Ende des gesamten Verfahrens einschließlich der Restschuldbefreiung gestundet werden, sofern er die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren (§ 4a Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 63 Abs. 2, § 293 InsO) nicht mit einer Einmalzahlung1 aufbringen kann2 und keine bestimmten Versagungsgründe für die Erteilung der Restschuldbefreiung, insbesondere die rechtskräftige Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat in den letzten fünf Jahren vor dem Insolvenzantrag (§ 4a Abs. 1 Satz 3, § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO) zu Beginn des Verfahrens vorliegen oder während des Verfahrens eintreten.

1.1363

Eine Stundung der Verfahrenskosten ist nicht möglich, wenn ein Insolvenzplan angestrebt wird3. Bei der Entscheidung über die Stundung von Verfahrenskosten dürfen bereits Versagungsgründe berücksichtigt werden4. Da eine Stundung der Verfahrenskosten für das Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahren nur dann zu gewähren ist, wenn das Insolvenzverfahren in seiner Gesamtheit Erfolgsaussichten verspricht, mithin also der Schuldner nach Abschluss des Verfahrens seine Schulden verliert, ist die Verfahrenskostenstundung auch dann zu versagen, wenn ein solcher wirtschaftlicher Neustart des Schuldners deshalb nicht erreichbar ist, weil die wesentlichen am Verfahren beteiligten Forderungen aus Absonderungsrechten zu befriedigen sind und deshalb von der Restschuldbefreiung ohnehin nicht umfasst wären; der Einsatz von staatlichen Mitteln im Rahmen einer Stundung ist dann nicht gerechtfertigt5.

1.1364

b) Antrag eines Gläubigers Ein Gläubiger kann einen Insolvenzantrag einreichen; einen Antrag auf die Durchführung eines Schuldenbereinigungsverfahrens kann er dagegen nicht stellen. Bemerkt das Gericht dabei, dass es sich bei dem Schuldner um einen Verbraucher handelt, so hat es vor der Entscheidung über die Eröffnung dem Schuldner Gelegenheit zu geben, ebenfalls einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 306 Abs. 3 InsO).

1.1365

Entschließt sich der Schuldner zur Stellung eines Eigenantrags, so führt dies zunächst zum Ruhen beider Eröffnungsanträge gemäß § 306 Abs. 1 InsO. Dieser Antrag unterliegt den gleichen Anforderungen wie ein Insolvenzantrag, den ein Schuldner ohne vorherigen Gläubiger-

1.1366

1 BGH v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, ZInsO 2003, 990; BGH v. 18.5.2006 – IX ZB 205/05, ZInsO 2006, 773. 2 Zu den Voraussetzungen eines Vorschussanspruchs des Schuldners gegen seinen Ehegatten s. BGH v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZInsO 2003, 800. 3 AG Düsseldorf v. 6.8.2018 – 502 IN 88/17, ZInsO 2019, 578. 4 AG Marburg v. 16.1.2018 – 22 IN 178/17, ZInsO 2018, 679. 5 LG München I v. 30.5.2017 – 14 T 7607/17, ZInsO 2019, 2171.

Martin Obermüller | 283

Erster Teil Rz. 1.1366 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

antrag einreicht, d.h. er muss u.a. einen Schuldenbereinigungsplan enthalten1. Der Schuldner hat aber zunächst eine außergerichtliche Einigung zu versuchen. Erst wenn diese misslingt, kommt es zur Entscheidung des Insolvenzgerichts, ob es ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren durchführen oder direkt über den Eröffnungsantrag befinden will.

2. Inhalt des Antrags eines Schuldners 1.1367

Die Form des Insolvenzantrags ist durch die Verordnung zur Einführung von Formularen für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren (VbrInsFV2) detailliert vorgegeben3. In erster Linie obliegt es dem Schuldner, die Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Insolvenzantrag zu erfüllen, die Gläubiger müssen ihm dabei jedoch helfen. a) Beibringungspflicht des Schuldners

1.1368

Der Schuldner hat im Wesentlichen folgende Unterlagen beizubringen: – eine „Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle“4 über das Scheitern der außergerichtlichen Einigung innerhalb der letzten sechs Monate vor der Stellung des Antrags und die Darstellung der wesentlichen Gründe für sein Scheitern (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO)5. – den Antrag auf Restschuldbefreiung oder die Erklärung, dass Restschuldbefreiung nicht beantragt werden soll (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO). – Wird der Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, so hat der Schuldner dem Antrag die Abtretungserklärung über seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen Treuhänder beizufügen (§ 305 Abs. 1 Nr. 2, § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO).

1 Rechtsausschussbericht RegE InsO 1992 zu § 357c RegE InsO (BT-Drucks. 12/7302 S. 191). 2 S. Bericht von Beule InVo 1997, 197 und „Verordnung zur Einführung von Formularen für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren“ (VbrInsFV) v. 17.2.2002, BGBl. I 2002, 703. 3 Zur Verwirrung, die die Änderung der Formulare durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht v. 30.12.2020, BGBl. I 2020, 3328, geschaffen hat, und zu deren Beseitigung s. Butenob ZInsO 2021, 831; Frind ZInsO 2021, 2716. 4 Generell werden als geeignet angesehen auch Verbände oder Mitgliedsorganisationen der freien Wohlfahrtspflege, Kirchen, Gemeinden angehörige Stellen oder Verbraucherzentralen/Schuldnerberater (AG Düsseldorf v. 20.3.2017 – 513 IK 22/16, ZInsO 2017, 845), selbstverständlich auch Rechtsanwälte. 5 Zur materiellen Prüfung der Beratung zwischen Schuldner und Bescheiniger durch das Insolvenzgericht s. AG Düsseldorf v. 9.4.2015 – 513 IK 232/14, ZInsO 2015, 1753; zur Beratung über moderne Kommunikationsmittel s. LG Landshut v. 24.10.2016 – 33 T 1670/16, ZInsO 2016, 2405 (Telefon); LG Düsseldorf v. 20.6.2016 – 25 T 334/16, ZInsO 2016, 1703 (Skype).

284 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1372 Erster Teil

– ein Verzeichnis des vorhandenen Vermögens und des Einkommens (Vermögensverzeichnis)1, eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts dieses Verzeichnisses (Vermögensübersicht)2, – ein Gläubigerverzeichnis und ein Forderungsverzeichnis, – die Erklärung, dass die in diesen Verzeichnissen enthaltenen Angaben richtig sind (§ 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO), – einen Schuldenbereinigungsplan (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO). b) Mitwirkung der Gläubiger Zur Unterstützung des Schuldners bei der richtigen und vollständigen Abfassung der Verzeichnisse sind die Gläubiger teils verpflichtet, teils kann eine Mitwirkung in ihrem eigenen Interesse auch ohne entsprechende Verpflichtung geboten sein.

1.1369

aa) Unterstützungspflicht der Gläubiger Wenn der Schuldner zur Anfertigung des Forderungsverzeichnisses nicht in der Lage ist, kann er die Gläubiger auffordern, ihm auf ihre Kosten eine schriftliche Aufstellung ihrer Forderungen zu erteilen und diese in Hauptforderung, Zinsen und Kosten aufzugliedern (§ 305 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Aufforderung muss einen Hinweis auf einen bereits bei Gericht eingereichten oder in naher Zukunft beabsichtigten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens enthalten.

1.1370

Die Gläubiger sind auf diese Aufforderung hin verpflichtet, die Aufstellung zu liefern (§ 305 Abs. 2 Satz 2 InsO). Sie können aber nicht gezwungen werden, dieser Aufforderung nachzukommen3. Eine Verletzung dieser Pflicht zieht keine Schadenersatzansprüche nach sich. Gläubiger, die die gewünschte Aufstellung nicht liefern, werden nicht etwa vom Verfahren ausgeschlossen und laufen auch nicht Gefahr, schon dadurch ihre Forderungen zu verlieren. Sie müssen aber die Angaben, die der Schuldner dann ohne ihre Hilfe macht, überprüfen, sobald ihnen das Gericht den Schuldenbereinigungsplan und die Verzeichnisse zusendet, und erforderlichenfalls ergänzen (§ 307 Abs. 1 InsO).

1.1371

Dies kann Filialbanken organisatorische Probleme bereiten. Eine Bank muss nämlich sicherstellen, dass sie auf die Aufforderung des Kunden, ihm eine schriftliche Aufstellung ihrer Forderungen zu erteilen, sämtliche Forderungen des Gesamtinstituts erfasst, und zwar unabhängig davon, bei welcher Niederlassung die jeweiligen Engagements geführt werden. Wenn der Kunde nur eine Filiale oder die Zentrale anschreibt und keine konkreten Angaben liefert, muss die angeschriebene Stelle sich jeweils bundesweit vergewissern, ob bei einer anderen Niederlassung noch Forderungen gegen den Kunden bestehen.

1.1372

1 Ob der Schuldner die Valutierung einer Eigentümergrundschuld angeben muss, ist umstritten (bejahend FG Berlin-Brandenburg v. 22.10.2020 – 10 K 10080/20, ZInsO 2022, 351, verneinend LG Kleve v. 14.4.2012 – 4 T 37/10, JurBüro 2010, 383; LG Detmold v. 11.8.2000 – 3 T 283/2000, DGVZ 200, 169; LG Aachen v. 24.1.1991 – 5T 1/91, Rpfl 1991, 327). 2 Ordnungsgemäße und vollständige Ausfüllung der Formulare ist zwingende Voraussetzung für die Zulassung des Antrags (AG Göttingen v. 8.12.2017 – 74 IK 250/17, ZInsO 2018, 277). 3 Vallender ZIP 1999, 125; a.A. LG Düsseldorf v. 26.7.2000 – 5 O 302/99, ZInsO 2000, 519, das einen klagbaren Anspruch gewähren will.

Martin Obermüller | 285

Erster Teil Rz. 1.1373 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

bb) Folgen fehlerhafter Verzeichnisse

1.1373

Wenn ein Gläubiger die Berichtigung der Verzeichnisse versäumt, kann er mit einer Forderung, die der Schuldner in dem Verzeichnis nicht aufgeführt hat, an der Abstimmung über den Plan nicht teilnehmen; im Fall der Annahme des Plans erlischt sie (§ 308 Abs. 3 InsO).

1.1374

Wenn der Schuldner einen Gläubiger in dem Verzeichnis überhaupt nicht aufgeführt hat und der Gläubiger deshalb auch von dem Verfahren nicht benachrichtigt wurde, droht diesem Gläubiger auch im Fall der Annahme des Plans keine Unterwerfung unter dessen Regeln1. Ein Gläubiger, der auf andere Weise von dem Verfahren Kenntnis erlangt, muss überlegen, ob er seine Forderung dem Gericht meldet oder ob es für ihn günstiger ist, dies zu unterlassen und seine Forderung weiterhin in vollem Umfang geltend zu machen. c) Schuldenbereinigungsplan

1.1375

Das Kernstück des Antrags ist der Schuldenbereinigungsplan, den der Schuldner zusammen mit den übrigen, oben erwähnten Antragsunterlagen einzureichen hat (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Er soll das Instrument der gütlichen Einigung mit seinen Gläubigern bilden2.

1.1376

Sein Inhalt unterliegt der Privatautonomie; die Beteiligten sind in der Gestaltung frei. Wie ein derartiger Plan aussehen kann, wurde bereits oben für das außergerichtliche Verfahren dargestellt. Auf die dortigen Ausführungen kann daher Bezug genommen werden (s. Rn. 1.1340 ff.). Alle dort erwähnten Variationen kommen auch für das gerichtliche Verfahren in Betracht3. Der Plan muss keine Mindestquote für die Gläubiger enthalten; auch ein „NullPlan“, der den Erlass sämtlicher Schulden vorsieht, ist grundsätzlich zulässig4; allerdings stellt ein perspektivloser sog. flexibler Null-Plan keinen ernsthaften Versuch einer Schuldenbereinigung dar5. Die Berücksichtigung einer künftigen Verbesserung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners kann ein Gläubiger, dessen Zustimmung ersetzt werden soll, nur verlangen, wenn er diese glaubhaft gemacht hat; fehlt es hieran, muss der Schuldner keine Anpassungs- oder Besserungsklausel in den Plan aufgenommen haben. Der Schuldner kann diejenigen Vorschläge, die er im außergerichtlichen Verfahren unterbreitet hat, erneut einbringen, selbst wenn sie dort von allen Gläubigern abgelehnt wurden.

1 Vallender ZIP 2000, 1288. 2 Rechtsausschussbericht zu § 357b RegE InsO (BT-Drucks. 12/7302 S. 190). 3 OLG Köln v. 2.11.1999 – 2 W 137/99, ZIP 1999, 1927; OLG Stuttgart v. 28.3.2002 – 8 W 560/01, ZInsO 2002, 836; s. im Übrigen Rn. 1.1340 ff. 4 So die h.M.: BGH v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12, ZInsO 2013, 2333; BayObLG v. 30.9.1999 – 4 Z BR 4/99, ZInsO 1999, 645; BayObLG v. 2.12.1999 – 4Z BR 8/99, ZIP 2000, 320; OLG Köln v. 2.11.1999 – 2 W 137/99, ZIP 1999, 1927; OLG Karlsruhe v. 20.12.1999 – 9 W 82/99, NZI 2000, 163; OLG Stuttgart v. 28.3.2002 – 8 W 560/01, ZInsO 2002, 836; AG München v. 7.12.1998 – 152 AR 220/ 98, ZIP 1998, 2172; AG Wolfratshausen v. 1.4.1999 – 2 IK 27/99, ZIP 1999, 721; LG Baden-Baden v. 29.4.1999 – 1 T 13/99, NZI 1999, 234; AG Stuttgart v. 17.3.1999 – 3 IK 2/99, NZI 1999, 243; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2001, Kap. 10 Rn. 42; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 1997, S. 83; Henning InVo 1996, 288; Heyer JR 1996, 314; Maier/Kraft BB 1997, 2173; Ritter in Hamburger Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2021, § 305 Rn. 6; Vallender ZIP 1996, 2058; Vallender DGVZ 1997, 97 ff.; Wittig WM 1998, 157 (164 f.); Pape Rpfleger 1997, 237 (240 ff.), vertritt die Auffassung, dass zwar die Vorlage eines Null-Plans zulässig ist, aber keine gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 309 Abs. 1 InsO erfolgen könne; offengelassen von BGH v. 21.13.2004 – IX ZB 427/02, ZInsO 2004, 1311. 5 OLG Stuttgart v. 28.1.2014 – 8 W 35/14, ZInsO 2015, 206.

286 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1381 Erster Teil

Der Schuldner ist verpflichtet, sich zu der Frage zu äußern, ob und inwieweit Bürgschaften, Pfandrechte und andere Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden. Nach dem für den Plan maßgeblichen allgemeinen Zivilrecht können nämlich nach der Kürzung einer Forderung im Plan anders als im Restschuldbefreiungsverfahren (§ 301 Abs. 2 InsO) auch die Sicherheiten nicht mehr in voller Höhe in Anspruch genommen werden1.

1.1377

– Akzessorische Sicherheiten wie Bürgschaften und Pfandrechte erlöschen kraft Gesetzes; Hypotheken werden zu Eigentümergrundschulden (§ 1163 Abs. 1 Satz 2, § 1177 Abs. 1 BGB). Bei abstrakten Sicherheiten erwirbt der Sicherungsgeber einen Freigabeanspruch, wenn die Sicherheiten von ihrem Wert her die gesicherte Restforderung nunmehr erheblich übersteigen2. – Abstrakte Sicherheiten wie z.B. Grundschulden werden durch das Erlöschen der gesicherten Forderung zwar nicht unmittelbar berührt, der Sicherungsgeber erwirbt jedoch insoweit einen Freigabeanspruch. Dieser ist vertraglich in der Weise abdingbar, dass der Sicherungsgeber dem Gläubiger die Befriedigung aus der Sicherheit auch wegen des erloschenen Teils der Forderung gestattet. – Auf den Schuldbeitritt und Garantieversprechen hat die Veränderung der Hauptforderung dagegen keine Auswirkungen3.

3. Reaktion auf Insolvenzantrag und Schuldenbereinigungsplan Der Insolvenzantrag und der Schuldenbereinigungsplan eines Kunden erfordern Reaktionen des Insolvenzgerichts und der Bank.

1.1378

a) Maßnahmen des Insolvenzgerichts Das Insolvenzgericht hat den Antrag auf seine Vollständigkeit zu überprüfen, ggf. Ergänzungen zu fordern (§ 305 Abs. 3 Satz 1 InsO4) und die Gläubiger zu benachrichtigen. Dafür kann es das Verfahren einstweilen, möglichst nicht länger als drei Monate zum Ruhen bringen (§ 306 Abs. 1 InsO).

1.1379

Für die Zeit bis zur Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens können vorläufige Sicherungsmaßnahmen zweckmäßig oder notwendig sein. Um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten, kann das Gericht einstweilige Anordnungen treffen, insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot (Einzelheiten s. Rn. 1.244 ff.) erlassen oder Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind (§ 306 Abs. 2 Satz 1, § 21 InsO).

1.1380

b) Maßnahmen der Bank Wenn die Bank von dem Insolvenzantrag ihres Kunden und dem Schuldenbereinigungsplan Kenntnis erhält, wird sie unabhängig davon, ob sie dem Plan zustimmen oder ihn ablehnen 1 2 3 4

Rechtsausschussbericht RegE InsO 1992 zu § 357b EInsO (BT-Drucks. 12/7302 S. 190). Einzelheiten zur Problematik der Sicherheitenfreigabe s. Rn. 6.54 m.w.N. Kirchhof ZInsO 1998, 54 (57); Vallender, DGVZ 1997, 97 (98). Zur Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO im Fall der Nichterfüllung s. BGH v. 18.9.2014 – IX ZB 72/13, ZInsO 2014, 2177 und Blankenburg ZInsO 2015, 130.

Martin Obermüller | 287

1.1381

Erster Teil Rz. 1.1381 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

will, überlegen, ob und welche Sofortmaßnahmen sie ergreift. In Betracht kommen vor allem Kündigungen und Zwangsvollstreckungsversuche. aa) Kündigungen

1.1382

Eine bereits erklärte Kündigung behält ihre Wirkung. Für die Zulässigkeit neuer Kündigungen kann auf die Ausführungen unter Rn. 5.341 ff. verwiesen werden. bb) Zwangsvollstreckungen

1.1383

Weder der Insolvenzantrag noch der Versuch einer gerichtlichen Schuldenbereinigung oder die Anordnung des Verfügungsverbots hindern den Gläubiger, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu beginnen oder fortzusetzen. Die Vollstreckungsverbote der §§ 89, 294 InsO setzen erst mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein.

1.1384

Die Bank muss aber berücksichtigen, dass das Gericht die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen untersagen bzw. einstellen kann (§ 306 Abs. 2 Satz 1, § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung darf auf eine bereits laufende Lohnpfändung nicht ausgedehnt werden1. In einem solchen Fall hat der Gläubiger nämlich bereits ein Pfändungspfandrecht erlangt, das nur insoweit erlischt, als es sich auf die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werdenden Beträge erstreckt. Für die Zeit bis zu einer etwaigen Verfahrenseröffnung bleibt es hingegen bestehen. Allerdings sind Sicherungsabtretungen von Lohn- und Gehaltsforderungen, die für Tätigkeiten des Schuldners in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag geschuldet werden, der Anfechtung wegen kongruenter Deckungen ausgesetzt. c) Entscheidung des Insolvenzgerichts

1.1385

Wenn das Insolvenzgericht bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Antrag des Schuldners den oben dargestellten Anforderungen des § 305 InsO genügt, muss es entscheiden, ob es das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren weiter betreiben oder, wenn nach seiner freien Überzeugung der Plan voraussichtlich nicht angenommen wird, die Fortsetzung des ruhenden Insolvenzverfahrens anordnen soll (§ 306 Abs. 1 Satz 3 InsO).

4. Fortsetzung des Verfahrens über den Schuldenbereinigungsplan 1.1386

Wenn das Gericht nicht zu der Überzeugung kommt, dass der Plan voraussichtlich scheitern wird, muss es das Verfahren über den Schuldenbereinigungsplan fortsetzen. Das Verfahren kann schriftlich durchgeführt werden. Es wickelt sich wie folgt ab: a) Einholung von Stellungnahmen der Gläubiger

1.1387

Das Gericht leitet den Schuldenbereinigungsplan zusammen mit der Vermögensübersicht den Gläubigern, die der Schuldner in dem Gläubigerverzeichnis aufgeführt hat, zu und fordert sie auf, innerhalb von einem Monat zu den beim Insolvenzgericht zur Einsicht niedergelegten Verzeichnissen und zu dem Schuldenbereinigungsplan Stellung zu nehmen (§ 307 Abs. 1 InsO): 1 AG Hamburg v. 21.10.1999 – 68d IK 24/99, WM 2000, 895.

288 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1391 Erster Teil

– Die Gläubiger müssen die Verzeichnisse überprüfen und erforderlichenfalls eine Ergänzung verlangen (§ 307 Abs. 1 InsO). Wenn ein Gläubiger dies versäumt, kann er mit einer Forderung, die der Schuldner in dem Verzeichnis nicht aufgeführt hat, an der Abstimmung über den Plan nicht teilnehmen; im Fall der Annahme des Plans erlischt sie (§ 308 Abs. 3 Satz 2 InsO). – Die Gläubiger müssen sich zu dem Schuldenbereinigungsplan äußern. Das Einverständnis des Gläubigers mit dem Plan gilt mit Ablauf der Frist als erteilt (§ 307 Abs. 2 Satz 1 InsO), wenn er schweigt oder seine ablehnende oder modifizierende Stellungnahme nach Ablauf der Frist eingeht. Bei der Frist handelt es sich um eine nicht verlängerbare Notfrist (s. § 233 ZPO), auf die die Regelungen auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand Anwendung finden. Eine Bank muss deshalb organisatorisch sicherstellen, dass die Monatsfrist eingehalten wird. Aus übertriebenem Kostendenken1 haben dem Vernehmen nach manche Kreditinstitute ihre Abwicklungsabteilungen derartig ausgedünnt, dass ihnen die fristgerechte Prüfung von Schuldenbereinigungsplänen oft nicht gelingt und sie entweder pauschal und ohne näheres Hinsehen den Schuldenbereinigungsplänen widersprechen oder sogar die Frist versäumen. Dies rächt sich: Das Schweigen gilt als Einverständnis (§ 307 Abs. 2 Satz 1 InsO). Eine Ablehnung, die nach Fristablauf eingeht, ist ebenfalls unbeachtlich.

1.1388

b) Abstimmung Über den Schuldenbereinigungsplan stimmen die Gläubiger im schriftlichen Verfahren ab. Die Bank sollte ihrer Stellungnahme stets einen Nachweis der Vertretungsberechtigung der Mitarbeiter, die das Schreiben unterzeichnen, beilegen (§ 4 InsO, § 80 ZPO). Ein Fehlen der Vollmacht hat das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 88 ZPO). Eine Genehmigung ist nur bis zum Ablauf der Wochenfrist des § 307 Abs. 2 InsO wirksam. Im Falle einer unwirksamen Stellungnahme wird der Gläubiger so behandelt, als wenn er geschwiegen hätte2.

1.1389

c) Einhellige Zustimmung Wenn sämtliche Gläubiger einverstanden sind3, ist der Plan angenommen und die Forderungen der Gläubiger sind auf den im Plan vorgesehenen Betrag reduziert. Die Annahme des Plans löst verfahrensrechtliche und zivilrechtliche Folgen4 aus.

1.1390

Mit der Annahme des Schuldenbereinigungsplans haben sich die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Erteilung der Restschuldbefreiung erledigt; sie gelten als zurückgenommen (§ 308 Abs. 2 InsO). Etwa angeordnete Sicherungsmaßnahmen wie z.B. ein allgemeines Verfügungsverbot oder die einstweilige Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung muss das Insolvenzgericht aufheben. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten,

1.1391

1 Kath, Die Kostenknechte, 1994, S. 96 f. 2 Vallender/Caliebe ZInsO 2000, 301 (303). 3 Zur Zustimmung des Fiskus als staatliche Beihilfe s. EuGH v. 16.3.2017 – C-493/15 – Identi, ZInsO 2017, 701 = mit Anm. de Weerth ZInsO 2017, 760. 4 Zur ertragsteuerlichen Behandlung s. BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001-01, BStBl. I 2010, 18.

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Erster Teil Rz. 1.1391 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

die ihnen im Zusammenhang mit dem Schuldenbereinigungsplan entstehen, wird den Gläubigern nicht zugebilligt (§ 310 InsO).

1.1392

Der angenommene Schuldenbereinigungsplan hat die Wirkung eines Vergleichs im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (§ 308 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Forderungen der Gläubiger können nur noch in der Höhe und zu den Zeitpunkten geltend gemacht werden, wie es der Schuldenbereinigungsplan vorsieht. Den Vollstreckungstitel bildet der Feststellungsbeschluss des Gerichts in Verbindung mit einem Auszug aus dem Schuldenbereinigungsplan. Forderungen, auf die die Gläubiger im Schuldenbereinigungsplan verzichtet haben, leben nicht wieder auf, wenn der Schuldner mit der Erfüllung der verbliebenen Forderungen in Verzug gerät, es sei denn, der Schuldner hat eine Verfallklausel zugestanden1. Forderungen, die der Schuldner in dem Schuldenverzeichnis nicht erwähnt hat und die auch nicht nachträglich bei dem Zustandekommen des Schuldenbereinigungsplans berücksichtigt worden sind, bleiben unverändert bestehen, es sei denn, der Gläubiger hat den Schuldenbereinigungsplan übersandt bekommen und die Angaben über seine Forderung in dem beim Gericht niedergelegten Verzeichnis nicht fristgerecht ergänzt (§ 308 Abs. 3 Satz 2 InsO).

1.1393

Sicherheiten aus dem Vermögen des Schuldners, für die im Plan keine eigene Regelung vorgesehen ist, werden insoweit frei, wie sie nicht für den bestehen bleibenden Teil der Forderung bestimmt sind. Akzessorische Sicherheiten erlöschen, abstrakte sind vom Gläubiger freizugeben. Dies gilt auch für Sicherheiten aus dem Vermögen Dritter2. Die Vorschriften der § 301 Abs. 2, § 254 Abs. 2 InsO, denen zufolge die Ansprüche der Gläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen durch die Restschuldbefreiung bzw. den Insolvenzplan nicht berührt werden, finden im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren keine Parallele, für eine Analogie ist kein Raum3. d) Mehrheitliche Zustimmung

1.1394

Hat dem Schuldenbereinigungsplan mehr als die Hälfte der Gläubiger zugestimmt und repräsentieren diese mehr als die Hälfte der Forderungen, so kann das Insolvenzgericht auf Antrag eines Gläubigers oder des Schuldners die Zustimmung des widersprechenden Gläubigers ersetzen (§ 309 InsO), – sofern dieser Gläubiger im Verhältnis zu den anderen Gläubigern angemessen beteiligt ist und – durch den Schuldenbereinigungsplan wirtschaftlich nicht schlechter gestellt wird, als er bei Erteilung einer Restschuldbefreiung stünde. aa) Angemessene Beteiligung

1.1395

Das Erfordernis der angemessenen Beteiligung ist eine Ausprägung des Gleichbehandlungsgebots des § 294 Abs. 2 InsO. Einzelne Gläubiger dürfen gegen ihren Willen nicht schlechter gestellt werden als andere, rechtlich gleichgestellte Gläubiger. Der Schuldner kann aber bei einer im Ergebnis wirtschaftlichen Gleichbehandlung der Gläubiger auch unterschiedliche Be-

1 Einzelheiten s. Foerste ZInsO 2020, 1000. 2 LG Hamburg v. 9.8.2001 – 327 O 83/01, NZI 2002, 114. 3 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 443/00, ZIP 2002, 2125 = WM 2002, 2278.

290 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1399 Erster Teil

friedigungsvorschläge machen1. Auch ist es dem Schuldner nicht verwehrt, einzelnen Gläubigern Leistungen aus seinem pfändungsfreien Vermögen zukommen zu lassen2, denn dieses gehört gar nicht zur Masse. Daher muss der Plan beispielsweise zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern unterscheiden3 und auf den wirtschaftlichen Wert der Sicherheit Rücksicht nehmen. Gesicherte Gläubiger sollten deshalb bei ihrer Äußerung zu dem Plan darlegen, wie sie den Wert ihres Sicherungsrechts einschätzen. Falls sie über ein Wertgutachten, möglichst von einem vereidigten Sachverständigen, verfügen, ist es zweckmäßig, dies schon jetzt ihrer Stellungnahme beizulegen.

1.1396

Ferner verstößt ein Plan, der die Vermögenswerte nach dem Verhältnis der Hauptforderungen auf die Gläubiger verteilt und Kosten und Zinsen bei der Quotenberechnung außer Acht lässt, nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot4; die Gläubiger werden durch die Zurückstufung des Kostenerstattungsanspruchs nicht unangemessen benachteiligt, da sie es selbst in der Hand haben, in welchem Umfang sie außergerichtliche Kosten entstehen lassen5.

1.1397

bb) Benachteiligung gegenüber Restschuldbefreiung Der Gläubiger darf durch den Plan nicht schlechter gestellt werden als bei Durchführung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 309 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Das Gericht muss also ermitteln, was der widersprechende Gläubiger erhalten würde, wenn das Vermögen des Schuldners im Insolvenzverfahren verwertet und der Schuldner in das Restschuldbefreiungsverfahren übergehen würde, d.h. welche Zahlungen der Gläubiger erhalten würde, wenn das verbliebene Vermögen des Schuldners in einem Insolvenzverfahren verwertet und der Schuldner danach sechs Jahre lang die pfändbaren Teile seines Arbeitsentgelts an die Gläubigergemeinschaft abführen würde. Hierbei ist im Zweifel zugrunde zu legen, dass die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners zum Zeitpunkt des Antrags während der gesamten Dauer des Verfahrens unverändert bleiben (§ 309 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbs. InsO).

1.1398

Die Ersetzung der Zustimmung widersprechender Gläubiger ist auch dann nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Schuldner einen Null-Plan vorlegt oder nur sehr geringfügige Zahlungen vorschlägt6. Maßgebend ist, ob dieser Vorschlag angesichts der Zukunftserwartungen realistisch erscheint7. Dazu muss der Gläubiger im Wege einer prognostischen Vergleichsberechnung die Leistungen, die er nach dem Plan erhalten würde, den Leistungen gegenüberstellen, die er voraussichtlich in einem Verbraucherinsolvenzverfahren mit anschließender Wohlverhaltensperiode erhalten würde8. Wenn der Schuldenbereinigungsplan keine oder eine

1.1399

1 2 3 4 5 6 7

8

OLG Celle v. 28.3.2001 – 2W 38/01, NZI 2001, 321. BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 93/09, ZIP 2010, 380 = ZInsO 2010, 376. LG Saarbrücken v. 25.4.2000 – 5 T 22/00, NZI 2000, 380. AG Köln v. 27.8.1999 – 73 IK 15/99, ZIP 2000, 83; AG Köln v. 28.7.2000 – 72 IK 80/99, ZIP 2000, 1542; a.A. AG Stuttgart v. 15.1.2001 – 10 IK 110/00, ZInsO 2001, 381. Rechtsausschussbericht RegE InsO 1992 zu § 357g EInsO (BT-Drucks. 12/7302 S. 193). OLG Frankfurt v. 9.3.2000 – 26 W 162/99, ZInsO 2000, 288. Pape Rpfleger 1997, 237 (240 ff.) vertritt die Auffassung, dass zwar die Vorlage eines Null-Plans zulässig sei, aber keine gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 309 Abs. 1 InsO erfolgen könne; mangelnde Ernstlichkeit nehmen an OLG Stuttgart v. 28.1.2014 – 8 W 35/14, ZInsO 2015, 206. AG Düsseldorf v. 11.4.2019 – 513 IK 174/17, ZInsO 2019, 2077.

Martin Obermüller | 291

Erster Teil Rz. 1.1399 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

nur quotale, nicht privilegierten Forderungen entsprechende Befriedigung dieser Forderungen vorsieht und Gläubiger Forderungen aus unerlaubten Handlungen angemeldet haben, kommt eine Zustimmungsersetzung grundsätzlich nicht in Betracht. Denn dann werden diese Gläubiger regelmäßig wirtschaftlich schlechter gestellt als bei Durchführung des Insolvenzverfahrens, weil sie – anders als bei Durchführung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung – ihre Forderungen i.Ü. verlieren1. Eine Bank, die sich gegen den Schuldenbereinigungsplan wehrt, sollte also überprüfen, ob der Schuldner vielleicht eine unerlaubte Handlung begangen hat und dies bei ihrer Forderungsanmeldung geltend machen2. Dafür kommen insbesondere unrichtige oder unvollständige schriftliche Angaben des Schuldners über seine wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten und die geeignet wären, ihm die Restschuldbefreiung zu versagen (§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO). cc) Rechtsbehelfe

1.1400

Wegen der großen Tragweite der Ersetzung der Zustimmung ist ein Rechtsmittel vorgesehen: Ein Gläubiger, dessen Zustimmung ersetzt wird, und der Schuldner, dessen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung abgelehnt wird, können sofortige Beschwerde einlegen (§ 309 Abs. 2 Satz 3 InsO). e) Ablehnung

1.1401

Der gerichtliche Schuldenbereinigungsversuch ist gescheitert, wenn – sämtliche Gläubiger oder – mehr als die Hälfte der Gläubiger nach Kopfzahl oder – Gläubiger, die mehr als die Hälfte der Forderungen repräsentieren, ihn ablehnen. Dann kommt eine Zustimmungsersetzung nicht in Betracht und das Insolvenzverfahren ist fortzusetzen.

1.1402–1.1409 frei

VI. Insolvenzverfahren 1.1410

Nach Ablehnung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens wegen fehlender Erfolgsaussichten (§ 306 Abs. 1 Satz 3 InsO) oder bei Scheitern der Schuldenbereinigung wird das Verfahren über den Eröffnungsantrag von Amts wegen wieder aufgenommen (§ 311 InsO), ohne dass der Gläubiger oder Schuldner seinen Antrag erneuern müsste.

1. Zulassung des Antrags 1.1411

Wenn der Schuldner seinen Antrag, den er zusammen mit dem Schuldenbereinigungsplan einreichen musste, aufrechterhält, ist über ihn nach den allgemeinen Regeln zu entscheiden

1 LG Düsseldorf v. 3.7.2019 – 25 T 243/19, ZInsO 2020, 197; s. auch BGH v. 11.5.2010 – IX ZB 163/ 09, ZInsO 2010, 1246. 2 Zur Feststellung des Rechtsgrunds der unerlaubten Handlung im Zivilprozess s. Regenfus ZInsO 2021, 689.

292 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1420 Erster Teil

(§§ 11 ff. InsO). In diesem Stadium des Verfahrens wird also erstmals geprüft, ob der vom Schuldner behauptete Insolvenzgrund1 tatsächlich vorliegt.

2. Verfahrensablauf 1.1412

Das Verfahren weist folgende Besonderheiten aus: – das gesamte Verfahren wird schriftlich durchgeführt, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind (§ 5 Abs. 2 Satz 1 InsO)2; – das Insolvenzgericht kann anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist; – die Regelungen über die Eigenverwaltung finden keine Anwendung (§ 270 Abs. 2 InsO). Im Übrigen sind die Wirkungen der Eröffnung nahezu identisch mit denen des normalen Verfahrens. Ist die Verwertung der Masse abgeschlossen, endet das Insolvenzverfahren mit der Schlussverteilung, dem Schlusstermin und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§§ 196, 197, 200 InsO)3. Verstirbt der Schuldner während des Verfahrens, so ist es als allgemeines Nachlassinsolvenzverfahren fortzuführen4.

1.1413

Folgt auf das Insolvenzverfahren nicht das Verfahren zur Restschuldbefreiung, bleibt es bei dem Recht der Gläubiger, ihre nicht befriedigten Forderungen nach Aufhebung des Verfahrens unbeschränkt gegen den Schuldner geltend zu machen und aus der Eintragung in der Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner zu betreiben (§ 201 Abs. 2 InsO).

1.1414

1.1415–1.1419

frei

VII. Restschuldbefreiung Das Restschuldbefreiungsverfahren5 ist natürlichen Personen6 vorbehalten. Um die Restschuldbefreiung zu erlangen, müssen – Verbraucher zunächst ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren, ggf. ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren und ein Insolvenzverfahren, – persönlich haftende Unternehmer „nur“ ein Insolvenzverfahren durchlaufen haben.

1 Einzelheiten zu den Insolvenzgründen s. oben Rn. 1.28 ff.; zum Versuch einer Neudefinition für Verbraucher s. Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 3. Aufl. 2003, Rn. 1010; Pape WM 1998, 1005. 2 Zum Sinn und Unsinn eines schriftlichen Verfahrens s. Frind ZInsO 2018, 2454. 3 Scholz DB 1996, 765 (767). 4 BGH v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798, NZI 2008, 382. 5 Rückblick auf 20 Jahre Restschuldbefreiung s. Grote InsBüro 2019, 5. 6 Zu insolventen Erben s. Fischinger ZInsO 2013, 365; Büttner ZInsO 2013, 588; AG Leipzig v. 11.1.2013 – 402 IK 204/06, ZInsO 2013, 615.

Martin Obermüller | 293

1.1420

Erster Teil Rz. 1.1421 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.1421

Ein Verbraucher kann aber auch ohne vorheriges Schuldenbereinigungsverfahren direkt in das Restschuldverfahren übergehen, wenn entweder das Insolvenzgericht den gerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch wegen fehlender Erfolgsaussichten (§ 306 Abs. 1 Satz 3 InsO) ablehnt oder wenn der Insolvenzantrag von einem Gläubiger gestellt wird und der Verbraucher auf die Möglichkeit verzichtet, seinerseits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen und damit den Weg in die vorherige Durchführung einer Schuldenbereinigung im außergerichtlichen und im gerichtlichen Verfahren zu eröffnen (§ 306 Abs. 3 InsO).

1.1422

Danach vollzieht sich das Restschuldbefreiungsverfahren für Verbraucher wie für Unternehmer in mehreren Schritten: – Zulassungsverfahren, – Wohlverhaltensperiode, – Entscheidung über Erteilung der Restschuldbefreiung, – Entscheidung über Widerruf der Restschuldbefreiung.

1. Zulassungsverfahren 1.1423

Die Zulassung zur Restschuldbefreiung setzt voraus, dass der Schuldner rechtzeitig einen formgerechten Antrag stellt und dass kein Versagungsgrund erfolgreich geltend gemacht wird. Den Antrag auf Restschuldbefreiung kann nur der Schuldner stellen (§ 287 Abs. 1 Satz 1 InsO). a) Antragserfordernis

1.1424

Ein persönlich haftender Unternehmer soll den Antrag auf Restschuldbefreiung mit dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verbinden. Unterlässt er dies oder wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger beantragt, so muss der Schuldner seinen Antrag auf Restschuldbefreiung spätestens zwei Wochen nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts (§ 20 Abs. 2 InsO) einreichen. Versäumt er dies, so kann er einen erneuten Antrag allenfalls dann stellen, wenn ein neuer Gläubiger hinzugekommen ist1.

1.1425

Ein Verbraucher muss den Antrag auf Restschuldbefreiung zusammen mit dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und dem vorzulegenden Schuldenbereinigungsplan einreichen (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Äußert er sich zu der Frage der Restschuldbefreiung nicht, so soll ihn das Gericht darauf hinweisen, dass die Möglichkeit besteht, einen solchen Antrag zu stellen (§ 20 Abs. 2 InsO). Dafür hat er zwei Wochen Zeit (§ 287 Abs. 1 Satz 2 InsO). Bei fehlendem oder nicht ordnungsgemäßem Hinweis kann der Schuldner den Antrag noch bis zur Verfahrensaufhebung stellen2. Er darf aber den Antrag nicht grob fahrlässig erheblich verzögern, obwohl ihm die gesetzliche Möglichkeit der Restschuldbefreiung zumindest im Kern bekannt ist, denn wer der Wahrnehmung seiner Rechte mit erkennbarer Gleichgültigkeit gegenübersteht, verdient keinen Schutz3. Unabhängig davon muss auch sein Rechtsanwalt ihn darauf hinweisen, dass der Schuldner den zur Restschuldbefreiung erforderlichen eigenen Insolvenzantrag nur bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen kann4. Wird die Eröff1 2 3 4

BGH v. 6.7.2006 – IX ZB 263/05, ZInsO 2006, 821. AG Düsseldorf v. 22.6.2009 – 504 IN 47/02, ZInsO 2010, 1803. LG Düsseldorf v. 18.12.2014 – 25 T 276/14, ZInsO 2015, 365. OLG Düsseldorf v. 2.8.2012 – I-24 U 110/11, ZInsO 2013, 502.

294 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1430 Erster Teil

nung eines Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger beantragt, so hat das Gericht dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, ebenfalls einen solchen Antrag zu stellen (§ 306 Abs. 3 InsO). Den Gläubiger trifft keine Hinweispflicht. b) Abtretung des Arbeitsentgelts Der Antrag auf Restschuldbefreiung kann nur zugelassen werden, wenn ihm der Schuldner die Erklärung beifügt, dass er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder für die Dauer von drei Jahren1 nach der Eröffnung abtritt (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO). Ist dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30.9.2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, so beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre; der Schuldner hat dem Antrag eine entsprechende Abtretungserklärung beizufügen (§ 287 Abs. 2 Satz 2 InsO).

1.1426

Dass der Schuldner im Zeitpunkt des Antrags tatsächlich über Einkünfte verfügt, ist für die Zulässigkeit des Antrags nicht notwendig. Dieser Umstand gewinnt erst im Verfahren nach der Ankündigung der Restschuldbefreiung Bedeutung.

1.1427

Forderungen des Schuldners aus einer selbständigen Tätigkeit werden von der Abtretungserklärung nicht erfasst2. Dies bedeutet aber nicht etwa, dass der Schuldner solche Einkünfte behalten könnte. Vielmehr hat er diese nach § 295a Abs. 1 InsO während der Wohlverhaltensperiode an den Treuhänder abzuführen. Maßgeblich sind nicht die tatsächlich erzielten Einkünfte3; vielmehr muss der Schuldner die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen so stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre, und diese bis zum 31. Januar des jeweiligen Folgejahres an den Treuhänder abführen. Das Risiko des wirtschaftlichen Erfolges trägt der Schuldner selbst4. Erreicht der Schuldner am Ende der Wohlverhaltensperiode nicht die gleiche Befriedigungsquote wie im Fall der Wahl einer unselbstständigen Tätigkeit, kann dies zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen.

1.1428

Um das Risiko einer Versagung zu vermeiden kann der Schuldner, nicht aber ein Gläubiger, beantragen, dass das Gericht den abzuführenden Betrag festlegt (§ 295a Abs. 2 Satz 1 InsO). Vor der Entscheidung sind die Insolvenzgläubiger und der Treuhänder anzuhören. Einem Insolvenzgläubiger steht ebenso wie dem Schuldner die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung zu.

1.1429

2. Eingangsentscheidung des Insolvenzgerichts Das Insolvenzgericht soll möglichst zusammen mit der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Eingangsentscheidung über die Zulässigkeit des Antrags auf Rest1 Zu den ersten Erfahrungen nach der Verkürzung der Abtretungsfrist von sechs auf drei Jahre s. Föhlisch ZVI 2022, 135. 2 BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 234/08, ZInsO 2010, 59; zur Insolvenz des Freiberuflers s. Ries ZVI 2004, 221; zur Zuordnung von Einkommensteuererstattungsansprüchen s. BFH v. 6.3.2014 – VII S 47/13 (PKH), ZInsO 2015, 796; ohnehin nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst sind aufgrund des Pfändungsschutzes des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände (Einzelheiten s. Spiekermann ZInsO 2019, 250). 3 Streck in Hamburger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2022, § 295a Rn. 2 m.w.N. 4 A. Schmidt, ZVI 2014, 41.

Martin Obermüller | 295

1.1430

Erster Teil Rz. 1.1430 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

schuldbefreiung treffen (§ 287a Abs. 1 InsO), um frühzeitig Rechtsklarheit herzustellen1. Darin stellt das Insolvenzgericht durch Beschluss fest, ob der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er bestimmten Obliegenheiten nachkommt und keine Versagungsgründe (§§ 290, 297, 298 InsO)2 vorliegen. Sinnvoll ist im Fall einer positiven Entscheidung auch eine frühe Bestimmung der Person des Treuhänders. a) Entscheidung über schon vorliegende Versagungsgründe

1.1431

Versagungsgründe, die schon in der Eingangsentscheidung berücksichtigt werden können, sind: – Erteilung einer Restschuldbefreiung innerhalb einer Sperrfrist von elf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag oder – Versagung einer Restschuldbefreiung innerhalb einer Sperrfrist von fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag nach § 297 InsO wegen rechtskräftiger Verurteilung aufgrund von Insolvenzdelikten (§§ 283–283c StGB)3, – Versagung einer Restschuldbefreiung innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen Verletzung von Erwerbsobliegenheiten, von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten4 oder wegen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtiger oder unvollständiger Angaben5 in den Vermögensund Einkommensverzeichnissen (§ 287a Abs. 2 Nr. 2, § 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 oder 7, § 296 InsO). Der Schuldner muss seinem Antrag eine Erklärung beifügen, ob einer dieser Gründe vorliegt und die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Behauptung versichern (§ 287 Abs. 1 Sätze 3, 4 InsO). Liegt ein solcher Versagungsgrund vor, so ist der Antrag auf Zulassung zur Restschuldbefreiung zurückzuweisen. b) Entscheidung über die Person des Treuhänders

1.1432

Der Schuldner und die Gläubiger können dem Insolvenzgericht als Treuhänder eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete natürliche Person vorschlagen (§ 288 InsO). Dies sollte möglichst der bisherige Insolvenzverwalter sein6, jedoch wegen unvermeidbarer Interessenkollisionen grundsätzlich keine Person, die den Schuldner im außergerichtlichen oder im gericht1 Begründung zum RegE für ein Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268 v. 31.10.2012 zu Nr. 20 (= zur Einfügung von § 287a); zur Mehrbelastung für Gerichte und Verwalter s. Streck ZVI 2014, 205. 2 Versagungsgründe dürfen auch schon bei der Entscheidung über die Stundung von Verfahrenskosten berücksichtigt werden (AG Marburg v. 16.1.2018 – 22 IN 178/17, ZInsO 2018, 679). 3 Solange sie noch im Bundeszentralregister eingetragen ist (LG Düsseldorf v. 2.9.2002 – 25 T 144145/02, ZInsO 2002, 1194), und unabhängig davon, ob sie in Zusammenhang mit demjenigen Verfahren steht, in dem die Restschuldbefreiung beantragt wird (BGH v. 18.12.2002 – IX ZB 121/ 02, ZInsO 2003, 125). 4 Zur Verhältnismäßigkeit s. BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, WM 2003, 980. 5 Zum Verschweigen von Forderungen s. BGH v. 7.12.2006 – IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96; BGH v. 11.2.2010 – IX ZB 126/08, ZInsO 2010, 477; zum Verschuldensmaßstab s. BGH v. 27.9.2007 – IX ZB 243/06, ZInsO 2007, 1150; BGH v. 5.6.2008 – IX ZB 37/06, ZInsO 2008, 737. 6 BGH v. 24.7.2003 – IX ZB 458/02, ZInsO 2003, 750; Bork, Einführung in das neue Insolvenzrecht, 1995, Rn. 394.

296 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1440 Erster Teil

lichen Schuldenbereinigungsverfahren vertreten hat. Schuldner und Gläubiger können sonst jede andere natürliche Person vorschlagen. Ein solcher Vorschlag ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn eine Person bekannt ist, die bereit ist, das Amt unentgeltlich auszuüben1. Dies wird am ehesten bei Verwandten und Freunden des Schuldners der Fall sein. Ihre Beziehung zu dem Schuldner schließt sie nicht automatisch von dem Amt aus. Anders als für einen Insolvenzverwalter in § 56 InsO wird für den Treuhänder in § 288 InsO nicht gefordert, dass er von dem Schuldner unabhängig ist. Um der Gefahr aus dem Weg zu gehen, dass ein vom Schuldner vorgeschlagener und mit ihm verwandtschaftlich oder freundschaftlich verbundener Treuhänder eingesetzt wird, sollten die Gläubiger eigene Vorschläge unterbreiten; die Vorstellung des Gesetzgebers von einem altruistischen und dennoch unparteiischen Treuhänder dürfte etwas blauäugig sein2. Das Gericht ist an die Vorschläge nicht gebunden, selbst wenn die Gläubiger und der Schuldner sich auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen. Im letzteren Fall wird das Gericht aber sehr triftige Gründe für eine Abweichung vorweisen müssen. Eine Abwahl des Treuhänders ist nicht möglich; auf das Recht der Gläubiger zur Wahl eines anderen Insolvenzverwalters nach § 57 InsO wird im Restschuldbefreiungsverfahren nicht verwiesen, für eine Analogie ist wegen der im Übrigen detaillierten Verweisungen kein Raum.

1.1433

c) Fortgang des Verfahrens Wenn der Antrag nicht zulässig ist, etwa weil schon jetzt ein Versagungsgrund vorliegt, muss das Insolvenzgericht ihn zurückweisen. Das Insolvenzverfahren wird dann unverändert fortgesetzt.

1.1434

Wenn der Antrag zulässig ist, etwaige Versagungsanträge keinen Erfolg hatten, kann der Schuldner in das Restschuldbefreiungsverfahren übergehen. Dazu stellt das Insolvenzgericht durch Beschluss fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er bestimmten Obliegenheiten nachkommt und keine Versagungsgründe (§§ 290, 297, 298 InsO) eintreten (§ 287a Abs. 1 InsO). Über Versagungsgründe, die während der Wohlverhaltensperiode eintreten, kann erst im Schlusstermin befunden werden.

1.1435

Frei

1.1436–1.1439

3. Zulassung des Restschuldbefreiungsverfahrens Wenn der Beschluss über die Aufhebung oder die Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Masseunzulänglichkeit rechtskräftig geworden ist, tritt der Schuldner in die so genannte Wohlverhaltensperiode ein (§ 287a Abs. 1 Satz 1, § 288 Satz 2, § 295 Satz 1 InsO). Dies ist die Periode zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnenden grundsätzlich dreijährigen Abtretungsfrist3, inner-

1 Rechtsausschussbericht RegE InsO 1992 zu § 346c EInsO (BT-Drucks. 12/7302 S. 187). 2 Maier/Kraft BB 1997, 2173. 3 Wegen Art. 20 ff. der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. L 172/18, hat das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesell-

Martin Obermüller | 297

1.1440

Erster Teil Rz. 1.1440 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

halb der sich der Schuldner unter Abtretung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt und durch Erfüllung bestimmter Obliegenheiten die Restschuldbefreiung verdienen kann.

1.1441

Die Rolle der Bank beschränkt sich in dieser Phase des Verfahrens darauf, jährlich etwaige Auszahlungen des Treuhänders aus den ihm abgetretenen Ansprüchen des Schuldners auf Arbeitsentgelt entgegenzunehmen und vielleicht darauf zu achten, ob ihr Obliegenheitsverletzungen des Schuldners auffallen. a) Wirkung der Beendigung des Insolvenzverfahrens

1.1442

Mit der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens enden das Amt des Insolvenzverwalters und die Tätigkeit eines etwaigen Gläubigerausschusses. Der Schuldner erhält die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO), die er mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter verloren hatte, zurück. Sie kann sich allerdings nur auf Neuvermögen erstrecken, da die massezugehörigen Vermögensgegenstände zu diesem Zeitpunkt verwertet sein müssten. Die Bildung neuen Vermögens fällt während der Wohlverhaltensperiode angesichts der Abtretung der pfändbaren Ansprüche auf Arbeitsentgelt allerdings schwer. Daher hat der Insolvenzverwalter eine Rückstellung für Verfahrenskosten zu bilden, die in der Wohlverhaltensperiode anfallen und durch die mutmaßlichen Einkünfte nicht gedeckt sein werden1. b) Abtretung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt

1.1443

Schon mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt die Frist für die nach § 287 Abs. 2 InsO vorgeschriebene Abtretung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die im Regelfall2 bis zu drei Jahren andauert. Die Abtretung der Lohn- und Gehaltsansprüche an den Treuhänder, die während des Insolvenzverfahren suspendiert war, weil diese Ansprüche ohnehin nach § 35 InsO in die Masse fielen3, wird mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wirksam und besteht während der gesamten Wohlverhaltensperiode weiter. Damit ist der Treuhänder berechtigt und verpflichtet, das Arbeitsentgelt einzuziehen.

1.1444

Da die Arbeitskraft des Arbeitnehmers als Insolvenzschuldner nicht in die Insolvenzmasse gefallen ist, kann er weiterhin über das Arbeitsverhältnis verfügen4, dessen Inhalt ändern oder es kündigen. Dabei muss er aber beachten, dass er seine Erwerbsobliegenheit (§§ 287b, 295 Satz 1 Nr. 1 InsO) nicht verletzt.

1 2 3 4

schafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht v. 30.12.2020, BGBl. I 2020, 3328, in Art. 2 Nr. 2 die Frist von 6 Jahren sukzessive (Art. 103k EGInsO) auf 3 Jahre verkürzt. BGH v. 20.11.2014 – IX ZB 16/14, ZIP 2015, 85 = ZInsO 2015, 28 = mit Anm. Hentrich ZInsO 2015, 74; Lissner ZInsO 2015, 489. Ausnahme § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO, s. Rn. 1.1426. Streck in Hamburger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2022, § 287 Rn. 24; Sternal in Uhlenbruck/ Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 287 Rn. 58. BAG v. 15.7.2021 – 6 AZR 460/20, ZIP 2022, 94 = BB 2021, 2995 Rn. 40, 41; s. dazu Groffy DB 2022, 743.

298 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1451 Erster Teil

aa) Kollision mit Lohnzessionen an Dritte Etwa bestehende Lohnabtretungen an Dritte, insbesondere Kreditinstitute, sind mit Verfahrenseröffnung unwirksam geworden (§ 91 Abs. 1 InsO) und können auch jetzt nicht wieder zum Zuge kommen (Einzelheiten s. Rn. 6.446 ff.).

1.1445

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist es dem Schuldner verwehrt, neue Lohnabtretungen vorzunehmen, selbst wenn sie Bezüge für die Zeit nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens betreffen.

1.1446

bb) Schutz der Lohnzession vor Zwangsvollstreckungen Zwangsvollstreckungen in die Ansprüche auf Arbeitsentgelt sind auch nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens weder Altgläubigern noch Neugläubigern gestattet, solange die Wohlverhaltensperiode andauert (Einzelheiten s. Rn. 6.2036 ff.).

1.1447

Ein Pfändungspfandrecht an zukünftigen Bezügen aus einem Dienstverhältnis kann jedoch wieder aufleben, falls dem Vollstreckungs- und Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung versagt wird1.Werden fortlaufende Bezüge des Schuldners vor Eröffnung des Verfahrens gepfändet, ist das Pfändungspfandrecht nämlich nur so weit und so lange unwirksam, als die Zwecke des Insolvenzverfahrens und der möglichen Restschuldbefreiung dies rechtfertigen.

1.1448

cc) Zwangsvollstreckungen durch Massegläubiger und Neugläubiger Dagegen bleiben Zwangsvollstreckungen in das sonstige Vermögen durch Massegläubiger und Neugläubiger zulässig. Insolvenzgläubiger sind von der Eröffnung des Verfahrens bis zum Ablauf von drei Jahren an der Zwangsvollstreckung in das sonstige Vermögen gehindert (§ 294 Abs. 1 InsO)2, können jedoch eine vollstreckbare Ausfertigung aus der Insolvenztabelle verlangen3. Gläubiger, deren Forderung im Verbraucherinsolvenzverfahren mangels Anmeldung und mangels Aufführung in den Verzeichnissen nicht berücksichtigt wurde, bleiben berechtigt, sich während der Wohlverhaltensperiode einen Titel zu beschaffen4.

1.1449

c) Obliegenheiten Den Schuldner, der Restschuldbefreiung begehrt, treffen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens mehrere Obliegenheiten, deren wichtigste eine Erwerbstätigkeit aus abhängiger oder selbständiger Tätigkeit ist:

1.1450

aa) Erwerbspflicht aus abhängiger Tätigkeit Der Schuldner muss in dem Zeitraum zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist von drei Jahren eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben (§§ 287b, 287 Abs. 2, § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dazu muss er dem Insolvenzgericht darlegen,

1 2 3 4

BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZIP 2011, 871 = ZInsO 2011, 812. LG Frankfurt/O. v. 24.2.2107 – 12 O 62/15, ZInsO 2017, 2320; Uhlenbruck KTS 1994, 499. LG Leipzig v. 8.3.2006 – 12 T 33/06, NZI 2006, 603. LG Arnsberg v. 27.2.2004 – 3 S 22/04, ZVI 2004, 699; AG Arnsberg v. 10.12.2003 – 12 C 7/03, ZVI 2004, 697.

Martin Obermüller | 299

1.1451

Erster Teil Rz. 1.1451 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

wie viele Stunden er tatsächlich arbeitet und welchen Verdienst er damit erzielt1. Eine Teilzeitbeschäftigung genügt grundsätzlich nicht, vielmehr muss sich der Schuldner um eine Vollzeittätigkeit bemühen2. Er darf aber ohne Zustimmung des Treuhänders das in einer Änderungskündigung enthaltene Angebot seines Arbeitgebers zur Absenkung von Arbeitszeit und Arbeitsvergütung annehmen, auch wenn sich dadurch der pfändbare Teil seines Arbeitseinkommens verringert3.

1.1452

Das Risiko einer Arbeitslosigkeit des Schuldners geht zwar grundsätzlich zu Lasten der Gläubiger. Schuldbefreiung wird also nicht nur dann erteilt, wenn während der Abtretungsfrist ständig Beträge über den Treuhänder an die Insolvenzgläubiger abgeführt werden. Wenn der Schuldner aber ohne Beschäftigung ist, muss er sich um eine solche bemühen und darf keine zumutbare Tätigkeit ablehnen (§ 295 Satz 1 Nr. 1 InsO).

1.1453

An die Zumutbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen4. Anzunehmen ist zum Beispiel auch eine berufsfremde Arbeit, eine auswärtige Arbeit, notfalls auch eine Aushilfs- oder Gelegenheitstätigkeit. Andererseits ist auf Pflichten des Schuldners gegenüber seinen Familienmitgliedern Rücksicht zu nehmen; z.B. kann es einer Mutter mit Kleinkindern unzumutbar sein, eine Erwerbstätigkeit auszuüben5.

1.1454

Ebenso ist einem Schuldner, der in seinem bisherigen Beruf oder mit seiner derzeitigen Qualifikation keine Aussichten auf eine neue Anstellung sieht, zuzugestehen, dass er Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in Anspruch nimmt. Dies kann allerdings nur zeitweilig geschehen; der Schuldner darf nicht die gesamte Abtretungsfrist beispielsweise durch ein Studium überbrücken, um erst dann, wenn er seiner Schulden ledig ist, in das Berufsleben einzusteigen. Zum Ergreifen von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen kann der Schuldner sogar verpflichtet sein, wenn er mit seinen derzeitigen Kenntnissen lediglich Arbeiten verrichten und Einkünfte erzielen kann, die unterhalb der Pfändungsgrenzen liegen.

1.1455

Um eine Arbeit muss der Schuldner sich selbst bemühen. Er muss sich zwar unverzüglich bei der Agentur für Arbeit melden6, darf aber nicht nur abwarten, ob diese ihm eine Stelle vermittelt. Er muss also zumindest die Inserate im Internet und in den örtlichen Zeitungen lesen und sich ggf. bewerben; wenn seine Bemühungen erfolglos bleiben, muss er dies anhand der Absagen belegen. bb) Erwerbspflichten aus selbständiger Tätigkeit

1.1456

Wählt der Schuldner eine selbständige Tätigkeit, muss er die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen so stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre (§ 295a Abs. 1 InsO)7, und diese während der Wohlverhaltensperiode bis zum 31. Januar des jeweiligen Folgejahres an den Treuhänder abführen. Eine Vorausabtretung ist insoweit nicht mög-

1 BGH v. 8.1.2009 – IX ZB 95/08, ZInsO 2009, 298. 2 BGH v. 14.1.2010 – IX ZB 242/06, ZInsO 2010, 393; BGH v. 1.3.2018 – IX ZB 32/17, ZInsO 2018, 787. 3 LAG Düsseldorf v. 21.12.2011 – 12 Sa 964/11, InsbürO 2012, 362. 4 RegE InsO 1992 – BR-Drucks. 1/92 S. 192. 5 Begründung RegE InsO 1992 zu § 244 EInsO. 6 AG Düsseldorf v. 26.4.2007 – 503 IK 72/02, ZVI 2007, 482. 7 Übersicht s. Küpper/Heinze ZInsO 2009, 1785.

300 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1460 Erster Teil

lich. Maßgeblich sind nicht die tatsächlich erzielten Einkünfte1. Die Höhe der Zahlungspflicht bemisst sich also nicht nach dem wirtschaftlichen Erfolg des Schuldners, der je nach den Ergebnissen des Gewerbebetriebes schwanken und dazu führen kann, dass der Schuldner wegen mangelnder Umsätze oder wegen notwendiger Investitionen zeitweise überhaupt keine Zahlungen leistet. Das Risiko des wirtschaftlichen Erfolges trägt der Schuldner selbst2. Erreicht der Schuldner am Ende der Wohlverhaltensperiode nicht die gleiche Befriedigungsquote wie im Fall der Wahl einer unselbständigen Tätigkeit, kann dies zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen. Der Schuldner darf die Gläubiger durch die selbständige Tätigkeit nicht schlechter stellen, als wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre, das von seiner Ausbildung und von seinen Vortätigkeiten her angemessen gewesen wäre. Wenn er bei Ablauf der Wohlverhaltensperiode insgesamt den gleichen wirtschaftlichen Wert an den Treuhänder abgeführt hat, den dieser im Fall eines angemessenen Dienstverhältnisses erhalten hätte, hat der Schuldner seine Obliegenheiten erfüllt; dabei soll auch der eingetretene Zinsverlust zu berücksichtigen sein3. Wenn ein Schuldner, der neben einer abhängigen Tätigkeit auch eine selbständige ausübt, keine Möglichkeit hat, anstelle der selbständigen Tätigkeit ein weiteres Arbeitsverhältnis einzugehen, müssen die Gläubiger dies hinnehmen, auch wenn der Schuldner aus der selbständigen Tätigkeit lediglich Verluste erwirtschaftet4.

1.1457

cc) Erbschaften und Spielgewinne Vermögen, das der Schuldner von Todes wegen, insbesondere durch eine Erbschaft oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, muss er zur Hälfte den Gläubigern überlassen (§ 295 Satz 1 Nr. 2 InsO). Er ist aber nicht verpflichtet, die Erbschaft anzunehmen. Eine Ausschlagung ist weder anfechtbar noch stellt sie eine Obliegenheitsverletzung dar5. Eine Erbschaft, die dem Schuldner zwar nach Zulassung seines Antrags auf Restschuldbefreiung, aber vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens zufällt, steht dagegen in vollem Umfang der Masse zu6.

1.1458

Spielgewinne muss der Schuldner zum vollen Wert an den Treuhänder herausgeben (§ 295 Satz 1 Nr. 2 InsO)7.

1.1459

dd) Verbot von Sonderbegünstigungen und Zwangsvollstreckungen Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger darf der Schuldner nur an den Treuhänder leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil verschaffen (§ 295 Abs. 1 Nr. 4

1 2 3 4 5

Streck in Hamburger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2022, § 295a Rn. 2 m.w.N. A. Schmidt, ZVI 2014, 41. Begründung RegE InsO 1992 zu § 244 EInsO. BGH v. 18.5.2006 – IX ZB 103/05, ZInsO 2006, 647. BGH v. 25.6.2009 – IX ZB 196/08, ZInsO 2009, 1461; Bartels KTS 2003, 41; LG Mainz v. 23.4.2003 – 8 T 79/03, ZInsO 2003, 525; a.A. für den Verzicht auf den Pflichtteil Ponzer ZInsO 2018, 2497; zur Massezugehörigkeit eines Pflichtteilsanspruchs, der auf einem während des Insolvenzverfahren eingetretenen Erbfall beruht, aber erst nach Aufhebung des Verfahrens geltend gemacht wird, s. Weber InsbürO 2022, 28. 6 BGH v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610 = ZInsO 2010, 1496. 7 So schon zum bisherigen Recht, das keine ausdrückliche Abführungspfllicht vorsah, BFH v. 9.3.2016 – V B 82/15, ZInsO 2016, 1025 Rn. 16.

Martin Obermüller | 301

1.1460

Erster Teil Rz. 1.1460 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

InsO). Zwangsvollstreckungen einzelner Insolvenzgläubiger1 sind unzulässig (§ 294 Abs. 2 InsO). Jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Gläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nämlich nichtig (§ 294 Abs. 2 InsO). Der Schuldner darf also nicht zulassen, dass sein Arbeitgeber einen Gläubiger vorzeitig befriedigt oder dass der Gläubiger durch Leistungen von dritter Seite einen größeren Anteil an den Zahlungen erhält. Dazu könnte es beispielsweise kommen, wenn dem Arbeitgeber die Abtretung an den Treuhänder nicht rechtzeitig bekannt gemacht wird. d) Treuhänder

1.1461

Der mit der Eingangsentscheidung über die Zulassung des Schuldners zur Restschuldbefreiung, spätestens mit der Aufhebung bzw. Einstellung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzgericht zu bestimmende Treuhänder hat die ihm abgetretenen pfändbaren Bezüge des Schuldners einzuziehen (§ 287 Abs. 2, § 288 InsO); die Gläubigerversammlung kann ihn ermächtigen, die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners zu überwachen (§ 292 Abs. 2 InsO)2. aa) Aufgaben

1.1462

Zur Durchsetzung der Rechte aus der Abtretungserklärung des Schuldners über seine Ansprüche auf Arbeitsentgelt muss der Treuhänder die Zession dem jeweiligen Arbeitgeber gegenüber offenlegen und ihn auffordern, nur an den Treuhänder zu zahlen. Er muss sich über alle Veränderungen in der Entlohnung des Schuldners informieren und darauf achten, dass der Arbeitgeber tatsächlich die jeweils pfändbaren Beträge abführt. Bei Verzug oder Minderleistung muss er den Arbeitgeber mahnen. Notfalls muss er die Ansprüche auf Arbeitsentgelt gerichtlich geltend machen. Die vereinnahmten Beträge muss er an die Gläubiger verteilen.

1.1463

Die Gläubiger können dem Treuhänder in der Gläubigerversammlung über den Einzug der Lohnforderungen hinaus noch Überwachungsmaßnahmen übertragen. In diesem Fall muss der Treuhänder zusätzlich darauf achten, ob der Schuldner etwa seine Obliegenheiten verletzt. So kann der Treuhänder Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche gegen den Schuldner nur geltend machen, wenn ihm nach § 292 Abs. 2 InsO ausdrücklich die Aufgabe übertragen worden ist, die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners zu überwachen3. Zur Übernahme der Überwachung ist der Treuhänder nur verpflichtet, soweit die ihm dafür zustehende zusätzliche Vergütung gedeckt ist oder vorgeschossen wird (§ 292 Abs. 2 Satz 3 InsO). Für eine Bank dürfte es sich trotz der Zusatzkosten lohnen, dem Treuhänder diese Aufgaben zu übertragen.

1 Dies gilt unterschiedslos auch für titulierte Forderungen und Deliktsforderungen (AG Remscheid v. 17.12.2019 – 13 M 2520/19, ZInsO 2020, 2225). 2 Weiterführend zu Aufgaben und Rechten des Treuhänders in der Wohlverhaltensphase Pape InsbürO 2022, 425, 470. 3 OLG Düsseldorf v. 2.3.2012 – I-17 U 8/11; OLG Düsseldorf v. 14.6.2011 – 17 U 8/11, ZInsO 2011, 2033 mit Anm. Töreki NZI 2011, 770.

302 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1471 Erster Teil

bb) Verwaltung der Gelder Die eingezogenen Beträge erhalten die Gläubiger nur einmal jährlich. Dies bedeutet, dass der Treuhänder während des laufenden Jahres die aufgrund der Abtretung eingezogenen Gelder einbehalten kann.

1.1464

Besondere Richtlinien für den Umgang mit diesen Geldern stellt die InsO nicht auf. Dem Wesen des Treuhandverhältnisses entspricht es jedoch, dass der Treuhänder die Gelder zinsbringend anlegt. Er ist dabei zwar nicht den gleichen Beschränkungen unterworfen wie ein Vormund, jedoch gebietet es die dem Treuhandverhältnis immanente Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen seiner Treugeber, dass er keine riskanten Geschäfte eingeht.

1.1465

Der Treuhänder hat alle eingezogenen Beträge von seinem eigenen Vermögen getrennt zu halten (§ 292 Abs. 1 Satz 2 InsO). Zu diesem Zweck sollte er sie auf einem offenen Treuhandkonto bei einer Bank anlegen. Bei einem Treuhandkonto1 handelt es sich im Zweifel um eine fiduziarische Vollrechtsinhaberschaft des Kontoinhabers und nicht nur um eine ermächtigende Treuhand im Sinne von § 185 BGB2. Verfügungsberechtigt ist allein der Treuhänder.

1.1466

Um das Recht der Bank, gegen Guthabenforderungen ihres Kunden, also des Treuhänders aus dem Treuhandkonto mit Forderungen gegen ihn aufzurechnen, zu beseitigen (Einzelheiten s. Rn. 2.146), muss der Treuhänder seine Treuhandstellung bei der Einrichtung des Kontos der Bank deklarieren; die Führung eines verdeckten Treuhandkontos stellt eine Pflichtverletzung des Treuhänders dar, die das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Aufsichtspflicht zu beanstanden hat.

1.1467

Verstirbt der Schuldner während des noch laufenden Verfahrens, so ist ein etwaiges Guthaben, das der Treuhänder noch auf dem Treuhandkonto angesammelt hatte, nach § 292 Abs. 1 Satz 2 InsO vom Treuhänder an die Insolvenzgläubiger aus dem vorangegangenen Restschuldbefreiungsverfahren auszukehren3.

1.1468

frei

1.1469

4. Versagung der Restschuldbefreiung Das Insolvenzgericht entscheidet grundsätzlich erst nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung (§ 300 InsO).

1.1470

a) Versagungsgründe Eine Versagung der Restschuldbefreiung kommt nur in Betracht, wenn die gesetzlich bestimmte Voraussetzungen, nämlich die der § 290 Abs. 1, § 296 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 3, §§ 297, 297a oder 298 InsO erfüllt sind. Andere Verhaltensweisen bleiben sanktionslos, selbst wenn sie ebenfalls als unredlich anzusehen sind4.

1 Zur Abgrenzung von Treuhandkonten gegenüber verwandten Kontoarten vgl. Canaris NJW 1973, 830. 2 Vgl. BGH v. 10.1.1963 – II ZR 95/61, BGHZ 11, 37 (43); BGH v. 14.7.1958 – VII ZB 3/58, WM 1958, 1044; BGH v. 17.4.1964 – VII B 10/63, WM 1964, 1038. 3 AG Mannheim v. 4.1.2021 – 1 IN 243/14, ZInsO 2021, 514 mit Anm. Wiester; Stephan in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2020, § 299 Rn. 15. 4 AG Köln v. 20.10.2017 – 73 IN 113/08, ZInsO 2018, 620.

Martin Obermüller | 303

1.1471

Erster Teil Rz. 1.1472 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.1472

Versagungsgründe sind: – Rechtskräftige Verurteilung des Schuldners in den letzten fünf Jahren vor dem Insolvenzantrag oder vor dem Ende der Abtretungsfrist wegen einer Insolvenzstraftat nach den §§ 283, 283c StGB (§ 290 Abs. 1 Nr. 1, § 297 InsO). – Unrichtige oder unvollständige schriftliche1 Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse, die der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach vorsätzlich oder grob fahrlässig gemacht hat, um einen Kredit2 zu erhalten3, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden (§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO). – Vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Vermögens-, Gläubiger- oder Forderungsverzeichnissen (§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO), auch für den Fall, dass sie im Rahmen eines Vergleichsangebots erfolgen4. – Vorsätzliche oder grob fahrlässige Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch Begründung unangemesser Verbindlichkeiten oder Verschwendung von Vermögen oder Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Aussicht auf eine Besserung der wirtschaftlichen Lage in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO). – Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten während des Insolvenzverfahrens (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO). – Verletzung der Erwerbsobliegenheit mit Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger zwischen Eröffnung und Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO)5. – Fehlende Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders (§ 298 InsO).

1.1473

frei b) Recht auf Versagungsantrag

1.1474

Die Versagungsgründe hat das Gericht nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag eines Insolvenzgläubigers zu berücksichtigen. Antragsberechtigt sind alle Gläubiger, die Forderungen angemeldet haben, auch wenn ihre Forderung bestritten ist, der Schuldner ihr widersprochen hat6 oder sie nicht an der Schlussverteilung teilnehmen7. Die Insolvenzgläubiger haben

1 Angaben in einer email reichen nicht (LG Halle v. 24.4.2014 – 3 T 38/14, NZI 2014, 618). 2 Zum Begriff des Kredits i.S.v. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO s. LG Wuppertal v. 21.10.2020 – 16 T 162/ 20, ZInsO 2020, 2479; BGH v. 18.11.2021 – IX ZB 1/21, ZInsO 2022, 84 Rn. 14. 3 Einen Versagungsgrund bilden nur solche Angaben, die für die Kreditentscheidung berücksichtigt wurden oder zu berücksichtigen waren (AG Ludwigshafen v. 26.4.2021 – 3a IK 67/14 Sp, ZInsO 2021, 1090). 4 BGH v. 18.11.2021 – IX ZB 1/21, ZInsO 2022, 84 Rn. 17. 5 Weiterführend Stephan ZVI 2014, 214. 6 BGH v. 12.3.2015 – IX ZB 85/13, ZInsO 2015, 947; BGH v. 10.9.2015 – IX ZR ZB 9/15, ZInsO 2015, 2233. 7 BGH v. 8.10.2009 – IX ZB 257/08, ZInsO 2009, 2215.

304 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1478 Erster Teil

es also in der Hand zu entscheiden, ob sie auch einem unredlichen Schuldner1 die Restschuldbefreiung ermöglichen oder verweigern wollen. Eine Versagung der Restschuldbefreiung kann der Gläubiger schon während des Insolvenzverfahrens schriftlich beantragen2; spätestens ist der Antrag im Schlusstermin zu stellen. Er kann nur dann in der Treuhandphase nachgeholt werden, wenn der Gläubiger erst dann Kenntnis von Versagungsgründen erhält (§ 297a InsO). Wegen fehlender Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders ist nur dieser zum Versagungsantrag berechtigt (§ 298 Abs. 1 Satz 1 InsO). c) Glaubhaftmachung der Versagungsgründe Der Antrag eines Gläubigers ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund nach den für den Zivilprozess geltenden Regeln und Maßstäben3 glaubhaft gemacht wird (§ 290 Abs. 2 Satz 1 InsO). Dazu genügt es nicht, dass der Gläubiger einen auf eine unerlaubte Handlung gestützten Vollstreckungsbescheid vorlegt4. Der Versagungsgrund muss nicht denjenigen Gläubiger betroffen haben, der ihn geltend macht5. Zur Glaubhaftmachung kann er sich aller Beweismittel bedienen, sofern sie präsent sind, und notfalls auch auf eine Versicherung an Eides statt zurückgreifen (§ 294 ZPO). Ein Gläubiger wird über die notwendigen Informationen in der Regel nicht selbst verfügen, sondern auf die Erkenntnisse des Insolvenzverwalters bzw. des Treuhänders zurückgreifen müssen. Über deren Wissen muss der Gläubiger keine Versicherung an Eides statt beibringen, da der Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder vor der Entscheidung des Gerichts zwingend anzuhören sind (§ 300 Abs. 1 InsO) und damit präsente Beweismittel darstellen.

1.1475

d) Zweckmäßigkeit des Versagungsantrags der Bank Stellt die Bank einen Versagungsgrund fest, so gibt ihr das nur das Recht, Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen.

1.1476

Zu einem solchen Antrag ist sie jedoch nicht verpflichtet. Sie muss daher sorgfältig überlegen, ob es sinnvoll ist, einen Versagungsantrag zu stellen. Dabei sollte sie sich von wirtschaftlichen Argumenten leiten lassen; für persönliche Animositäten, die sich im Laufe der unglücklichen Kreditbeziehung aufgebaut haben mögen, ist kein Raum.

1.1477

So kann sich die Bank beispielsweise, wenn der Kreditnehmer seinerzeit seine wirtschaftlichen Verhältnisse unrichtig oder unvollständig dargestellt hat, darauf beschränken, neben der Kreditforderung eine (deckungsgleiche) Forderung aus unerlaubter Handlung unter Angabe

1.1478

1 Haan (DStZ 1995, 399) weist darauf hin, dass dem Fiskus hier eine besondere Rolle zukomme, weil „unrichtige oder unvollständige Angaben über wirtschaftliche Verhältnisse zum Zweck der Vermeidung von Zahlungen an öffentliche Kassen der Regelfall“ und gerade in wirtschaftlichen Notlagen Steuerstraftaten noch häufiger seien; zur Unterlassung eines Versagungsantrags durch den Fiskus als staatliche Beihilfe s. de Weerth ZInsO 2017, 760. 2 Zur Einführung von amtlichen Formularen für Versagungsanträge s. Greiner ZInsO 2021, 1713. 3 BGH v. 11.12.2003 – v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZInsO 2003, 941. 4 BGH v. 5.4.2005 – VII ZB 17/05, ZInsO 2005, 538; zum richtigen Feststellungsantrag des Gläubigers s. Bils ZInsO 2006, 1082; zur Feststellung des Rechtsgrunds der unerlaubten Handlung im Zivilprozess s. Regenfus ZInsO 2021, 689. 5 BGH v. 22.2.2007 – IX ZB 120/05, ZInsO 2007, 446; a.A. AG Bonn v. 15.1.2002 – 99 IK 33/00, ZVI 2002, 133; AG Memmingen v. 27.11.2003 – IN 106/01, ZInsO 2004, 52.

Martin Obermüller | 305

Erster Teil Rz. 1.1478 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

eben dieses Rechtsgrundes anzumelden1. Forderungen aus unerlaubter Handlung werden von der Restschuldbefreiung nicht erfasst und bleiben in vollem Umfang bestehen (§ 302 Nr. 1 InsO). Dies hat den Vorteil, dass die Bank nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode ihre Forderung aus unerlaubter Handlung ohne die Konkurrenz der übrigen Gläubiger weiter verfolgen kann. e) Vorzeitiger Versagungsantrag

1.1479

Aufgrund einer Obliegenheitsverletzung (§ 296 InsO), einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat (§ 297 InsO), nachträglich bekannt gewordenen Versagungsgründen (§ 297a InsO) oder wegen fehlender Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders (§ 298 InsO) kann auch schon vor Ablauf der Abtretungsfrist ein Versagungsantrag gestellt werden (§ 299 InsO).

1.1480

Es hätte nahe gelegen, dass dann auch vor Ablauf der Abtretungsfrist über diesen Antrag entschieden werden müßte, insbesondere wenn bereits kurz nach Eröffnung des Verfahrens ein „stichhaltiger“ Versagungsantrag eingeht2. Dies wäre zweckmäßig, wenn die Versagungsgründe offensichtlich und unstreitig sind. Eine umfassende Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit der Versagungsanträge vor dem Schlusstermin war vom Gesetzgeber im Interesse der Justizentlastung aber gerade nicht gewollt3. Deswegen hat der Gesetzgeber trotz Kenntnis von der Kritik an dem Verfahrensablauf von der Schaffung einer vorzeitigen Versagungsmöglichkeit abgesehen4. Da der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig ist, gibt es in der Praxis jedoch Gerichte, die in klaren Fällen sofort entscheiden5. Der Gläubiger kann daher auswählen, wann er seinen Versagungsantrag stellt. Die nachträgliche Rücknahme, Ergänzung oder Nachbesserung seines Antrags bleibt ihm unbenommen.

1.1481

Ein vorzeitiges Ende findet das Restschuldbefreiungsverfahren in analoger Anwendung des § 299 InsO mit dem Tod des Schuldners aufgrund der damit unmöglich gewordenen Zweckerreichung6. f) Fortgang des Verfahrens

1.1482

Wird die Restschuldbefreiung versagt, so enden mit der Rechtskraft der Entscheidung die Abtretungsfrist und die Abtretung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt, das Amt des Treuhänders

1 Zum Widerspruch gegen diese Qualifizierung der Forderung s. BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZInsO 2013, 2206; LG Trier v. 31.1.2006 – 1 S 207/05, ZInsO 2006, 216; AG Düsseldorf v. 1.7.2014 – 510 IK 125/06, ZInsO 2014, 2281; Kahlert ZInsO 2006, 409; zur Feststellung des Rechtsgrunds der unerlaubten Handlung im Zivilprozess s. Regenfus ZInsO 2021, 689. 2 So Stephan in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2020, § 299 Rn. 7; Henning, ZVI 2014, 7, 12; grundlegend Frind NZI 2013, 729, 730 f. 3 RegE eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 31.10.2012 – BT-Drucks. 17/11268, Teil B Art. 1 zu Nr. 21 (§ 290) zu b S. 27. 4 LG Nürnberg-Fürth, ZInsO 2018, 546; Streck in Hamburger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2022, § 290 Rn. 6; vgl. Grote/Pape ZInsO 2013, 1433, 1441; Pape/Pape ZInsO 2017, 1513, 1529. 5 Z.B. AG Göttingen v. 27.1.2016 – 71 IK 194/15, ZInsO 2016, 539; AG Göttingen v. 21.10.2014 – 74 IK 208/14, ZInsO 2014, 2455. 6 BGH v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZInsO 2005, 597; Stephan in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2020, § 299 Rn. 11; Preuß in Jaeger, InsO, 2020, § 299 Rn. 6; Sternal in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 299 Rn. 11; Wiester ZInsO 2021, 515.

306 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1486 Erster Teil

und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger (§ 299 InsO). Die Versagung ist in das Schuldnerverzeichnis einzutragen (§ 303a InsO)1. Das freie Nachforderungsrecht der Gläubiger lebt wieder auf2. Die Gläubiger können ihre in der Tabelle eingetragenen Ansprüche wieder unbeschränkt verfolgen können. Das Recht zur Zwangsvollstreckung lebt wieder auf3; die Gläubiger können eine vollstreckbare Ausfertigung aus der Insolvenztabelle verlangen4. Vollstreckungstitel ist der zur Tabelle angemeldete und festgestellte Anspruch, da ein aufgehobenens Insolvenzverfahren vorangegangen ist (§ 201 Abs. 2 InsO).

1.1483

Durch Wegfall des Prinzips der Gleichbehandlung (§ 294 InsO) hat der Gläubiger den Vorrang, der zuerst vollstreckt5. Für die Gläubiger kommt es jetzt darauf an, schnell zu reagieren, denn derjenige, der die Ansprüche des Schuldners auf Arbeitsentgelt zuerst pfändet, hat zunächst einmal den Vorrang. Pfändungen und Sicherungsabtretungen, die noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen und durch die Verfahrenseröffnung unwirksam wurden, leben aber wieder auf, falls dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung versagt wird6, und kommen damit neuen Sicherungsabtretungen und Pfändungen zuvor.

1.1484

5. Erteilung der Restschuldbefreiung Eine positive Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung kann grundsätzlich erst nach Ablauf der 3-jährigen Abtretungsfrist getroffen werden. Wurden im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet oder sind die Insolvenzforderungen befriedigt worden und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Schuldners schon vor Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 300 Abs. 2 Satz 1 InsO). Das Insolvenzgericht entscheidet nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Treuhänders und des Schuldners durch Beschluss (§ 300 Abs. 1 InsO).

1.1485

Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wird der Schuldner von den im Insolvenzverfahren und bis zum Ende der Abtretungsfrist nicht erfüllten Forderungen der Insolvenzgläubiger befreit (§ 286 InsO)7. Die Restschuldbefreiung wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger (§ 301 InsO). Anders als im Schuldenbereinigungsverfahren gilt dies auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben; allerdings kann diesen gegen den Schuldner ein Schadenersatzanspruch aus § 826 BGB zustehen8.

1.1486

1 2 3 4 5 6 7

Weiterführend Heyer ZVI 2014, 244. Begründung RegE InsO 1992 – BR-Drucks. 1/92, S. 193 zu § 247 InsO. Uhlenbruck KTS 1994, 499. LG Leipzig v. 8.3.2006 – 12 T 33/06, NZI 2006, 603. Ley in Blersch/Goetsch/Haas, BK InsO, Stand 2014, § 299 Rn. 13. BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZIP 2011, 871 = ZInsO 2011, 812. Zu den steuerlichen Folgen s. Schmittmann ZInsO 2003, 505; Thouet/Baluch DB 2008, 1595; BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001-01, BStBl. I 2010, 18; zur Restschuldbefreiung als staatliche Beilfe des Fiskus s. EuGH v. 16.3.2017 – C-493/15 – Identi, ZInsO 2017, 701 mit Anm. de Weerth ZInsO 2017, 760. 8 Einzelheiten und Nachweise s. Foerste FS Pape 2019, 47.

Martin Obermüller | 307

Erster Teil Rz. 1.1487 | Allgemeine Übersicht über das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht

1.1487

Bestimmte Forderungen bleiben jedoch bestehen. Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden vor allem nicht berührt1: – Masseforderungen2, soweit sie nicht erst durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet werden3; – Neuforderungen4; – Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners; – Rechte der Insolvenzgläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung; – Rechte der Insolvenzgläubiger aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt (§ 301 Abs. 2 Satz 1 InsO)5; – Forderungen der Insolvenzgläubiger aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung6, sofern der Gläubiger diese unter Angabe dieses Rechtsgrundes angemeldet hatte (§ 302 Nr. 1 InsO)7.

1.1488

Die im Restschuldbefreiungsverfahren erlassene Forderung besteht als natürliche, d.h. erfüllbare, aber nicht erzwingbare Verbindlichkeit (Schuld ohne Haftung) fort und bildet so die Grundlage für Bürgschaften und akzessorische Kreditsicherheiten8 und den Rechtsgrund für die Inanspruchnahme abstrakter Sicherheiten; eine Aufrechnungslage bleibt bestehen (§ 94 1 Zu den Auswirkungen auf eine Gläubigeranfechtung s. OLG Düsseldorf v. 1.6.2017 – I-12 U 41/ 16, ZIP 2017, 1867 = ZInsO 2017, 1675. 2 BFH v. 28.11.2017 – VII R 1/16, ECLI:DE:BFH:2017:U.281117.VIIR1.16.0, ZIP 2018, 593 = ZInsO 2019, 106 Rn. 14 m.w.N. auf den Streitstand Rn. 24, 25; FG Düsseldorf v. 25.3.2020 – 11 V 3249/ 19, ZInsO 2020, 1134; s. auch Anm. Janz BB 2018, 741; Kahlert DB 2018, 980. 3 BGH v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, ZIP 2009, 2204 = ZInsO 2009, 2198 Rn. 21. 4 Stephan in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2020, § 301 Rn. 9. 5 Die Restschuldbefreiung begründet keinen Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung hinsichtlich einer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragenen Zwangshypothek (BGH v. 10.12.2020 – IX ZR 24/20, ZinsO 2021, 85). 6 Eine Steuerhinterziehung gehörte ursprünglich nicht zu den unerlaubten Handlungen i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO (BFH v. 19.8.2008 – VII R 6/07, ZIP 2009, 776 = DB 2008, 2345), wurde aber durch Art. 1 Nr. 30 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 (BGBl. I 2013, 2379) in den Katalog aufgenommen und damit aufgewertet (Dornblüth/Pape ZInsO 2014, 1625); für Steuersünder keine Gnade (Pape ZInsO 2021, 221); zur Auswirkung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU (COM(2016)0723 – C8-0475/2016 – 2016/0359(COD)) auf die Regeln über die Restschuldbefreiung s. Kahlert DStR 2019, 719. 7 BGH v. 19.12.2019 – IX ZR 53/18, ZInsO 2020, 293; Einzelheiten s. Brückl ZInsO 2005, 16; Bils ZInsO 2006, 1082; Pape ZInsO 2016, 14; Pape ZInsO 2016, 2005; zum Widerspruch gegen diese Qualifizierung der Forderung s. LG Trier v. 31.1.2006 – 1 S 207/05, ZInsO 2006, 216; Eisner NZI 2003, 480; Striewe NZI 2011, 619; zur Unwirksamkeit der Anerkennung dieser Einordnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen s. BGH v. 25.6.2015 – IX ZR 199/14, ZInsO 2015, 1739 mit Anm. Kramme ZInsO 2015, 2206; ist eine Restschuldbefreiung nicht beantragt worden, ist die Feststellung einer Restschuldbefreiungsfestigkeit i.S.d. § 302 InsO der angemeldeten Forderung im Tabellenprüfungsverfahren nicht wirksam möglich (AG Düsseldorf v. 6.2.2018 – 502 IN 155/14, ZInsO 2018, 618); zur Feststellung des Rechtsgrunds der unerlaubten Handlung im Zivilprozess s. Regenfus ZInsO 2021, 689. 8 BGH v. 30.10.1967 – VII ZR 31/65, WM 1968, 39; BGH v. 28.6.1968 – I ZR 142/67, KTS 1969, 50.

308 | Martin Obermüller

L. Insolvenzverfahren für natürliche Personen | Rz. 1.1490 Erster Teil

InsO)1. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern (§ 301 Abs. 2 Satz 2 InsO). Wird ein Gläubiger nach Erteilung der Restschuldbefreiung wegen einer solchen Forderung befriedigt, obwohl er aufgrund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten an den Schuldner oder die übrigen Gläubiger (§ 301 Abs. 3 InsO). Das Verbot von Sondervorteilen (§ 294 Abs. 2 InsO) wirkt also nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht fort.

1.1489

6. Widerruf der Restschuldbefreiung Das Insolvenzgericht kann die Erteilung der Restschuldbefreiung widerrufen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner eine seiner in § 295 InsO aufgelisteten Obliegenheiten (vgl. ausführlich Rn. 1.1450 ff.) vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat, oder wenn er wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt worden ist oder wenn er in einem nach Erteilung der Restschuldbefreiung noch laufenden Insolvenzverfahren Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten verletzt hat (§ 303 InsO). Das Gericht wird nur auf Antrag eines Insolvenzgläubigers tätig. Der Antrag des Gläubigers ist nur zulässig, wenn er innerhalb eines Jahres nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung gestellt wird und wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Schuldner die Befriedigung der Gläubiger erheblich und vorsätzlich beeinträchtigt hat und dass der Gläubiger davon bis zur Rechtskraft der Entscheidung keine Kenntnis hatte. Der Widerruf ist in das Schuldnerverzeichnis einzutragen (§ 303a InsO)2.

1 OLG Oldenburg v. 5.11.2013 – 12 U 94/13, ZInsO 2014, 671. 2 Weiterführend Heyer ZVI 2014, 244.

Martin Obermüller | 309

1.1490

Zweiter Teil Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen Die Insolvenz ihres Kunden hat erhebliche Änderungen in seinen Geschäftsbeziehungen zu der Bank zur Folge. Sie beruhen vor allem auf den Auswirkungen eines vom Gericht angeordneten allgemeinen Verfügungsverbots, eines Zustimmungsvorbehalts oder der Verfahrenseröffnung. Kommt es zu einer dieser gerichtlichen Maßnahmen, so ist zu unterscheiden zwischen den Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehung im Allgemeinen und auf die einzelnen Kontoverträge.

2.1

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung Mit Aufnahme der Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem Kunden entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, das noch keine primären Leistungspflichten schafft, sondern lediglich Verhaltens- und Schutzpflichten begründet1. Ohne dass sich daraus wesentliche Unterschiede ergeben hätten, wurde dieses Rechtsverhältnis von einem Teil der Literatur als allgemeiner Rahmenvertrag, nämlich als der sog. Bankvertrag bezeichnet2. Zu diesen gesetzlichen Pflichten zählen z.B. Schutzpflichten der Bank wie Geheimhaltungs-, Aufklärungs- und Beratungspflichten3. Für den Zahlungsverkehr mittels Überweisung, Lastschrift und Kartenzahlungen wird der Vertrag ergänzt durch den Rahmenvertrag des § 675f Abs. 2 BGB.

2.2

Wie sich die Insolvenz des Kunden in ihren verschiedenen Abschnitten – Insolvenzantrag, Anordnung eines Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts, Einsetzung eines vorläufigen Verwalters und Verfahrenseröffnung – auf diese Verträge auswirkt, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

2.3

I. Insolvenzantrag Solange lediglich ein Insolvenzantrag eingereicht ist und das Gericht weder vorläufige Maßnahmen getroffen noch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bankkunden eröffnet hat, wird die Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis des Kunden nicht beeinträchtigt. Dies gilt in gleicher Weise für einen Antrag auf Eigenverwaltung und einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens.

1 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 345/01, ZIP 2002, 2082 = WM 2002, 2281; Roth WM 2003, 480. 2 Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 697; Nebelung NJW 1959, 1069; Pikart WM 1957, 1238; Schraepler NJW 1972, 1838; vgl. Nachweise zum Meinungsstand bei Fuchs, Zur Lehre vom allgemeinen Bankvertrag, 1982, S. 4; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 2 f.; Huber, Bankrecht, 2001, Rn. 330 ff.; Roth, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/ 147. Lfg., Rn. 2/1a ff. 3 Vgl. dazu im Einzelnen Roth, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/147. Lfg., Rn. 2/8 ff.

Büchel | 311

2.4

Zweiter Teil Rz. 2.5 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

1. Abschluss neuer Verträge 2.5

Deshalb kann der Kunde mit der Bank einen Bankvertrag neu abschließen, auch wenn er sich bereits in einer Krise befindet und der geschäftliche Zusammenbruch schon abzusehen ist1. Dies gilt auch dann, wenn der Kunde schon einen Insolvenzantrag gestellt hat. Wenn der Bank die wirtschaftliche Lage des Kunden bekannt ist, sollte sie zweckmäßigerweise die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung ablehnen2. Selbst wenn der Kunde ein Konto einrichten will, das nur auf kreditorischer Basis geführt werden soll, so ist doch zu bedenken, dass die Insolvenz des Kunden für die Bank eine Vielzahl von Problemen mit sich bringen kann, die Entwicklung der Insolvenz stets zu überwachen ist und die dabei anfallenden Kosten den Gewinn aus der Geschäftsbeziehung leicht übersteigen können.

2. Fortdauer bestehender Verträge 2.6

Vor der Krise abgeschlossene Bankverträge bleiben auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und einem Insolvenzantrag bestehen3. Damit sind die gegenseitigen Verpflichtungen zwischen Bank und Kunden4 weiter zu erfüllen.

2.7

Wird ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt, kündigt die Bank in aller Regel zwar die dann noch bestehenden Kredite, von einer Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung einschließlich des laufenden Kontos wird aber regelmäßig abgesehen. Der Grund hierfür liegt auf der Hand. Das Konto soll für etwaige noch eingehende Zahlungen offenbleiben, was vor allem dann sinnvoll ist, wenn diesen Zahlungen Forderungen zugrunde liegen, die der Bank sicherungshalber abgetreten waren5. Die bisherige Kontobezeichnung ist beizubehalten. Die Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers bleibt in vollem Umfang bestehen.

3. Verfügungsbefugnis 2.8

Hat der Kunde seine Zahlungen eingestellt oder ist sein Unternehmen überschuldet, ohne dass bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, so bleibt seine Verfügungsbefugnis in vollem Umfang erhalten. Die Bank muss daher sämtliche Verfügungen über seine bei ihr unterhaltenen Vermögenswerte zulassen.

2.9

Die mit der Verfügung verfolgten Absichten des Kunden darf sie grundsätzlich nicht kontrollieren6. Sie sollte sich auf ihre Zahlstellenfunktion beschränken, um auch vor späteren Anfechtungen der Kontokorrentverrechnungen geschützt zu sein7. Es lässt sich zwar nicht ausschließen, dass die Geschäftsleiter eines in die Krise geratenen Unternehmens durch das Eingehen von Verbindlichkeiten, die es nicht mehr erfüllen kann, strafbare oder jedenfalls zu Schadenersatz verpflichtende Handlungen begehen. Dies verpflichtet die Banken aber nicht, im Wege einer Evidenzkontrolle zu verhindern, dass das Konto für solche Taten missbraucht wird8. 1 Liesecke WM 1975, 289. 2 Zu den politischen Forderungen, jeder natürlichen Person ein Recht auf ein Girokonto einzuräumen, vgl. Rn. 2.297a. 3 LG Stuttgart v. 31.7.1995 – 12 O 53/95, ZIP 1995, 1406 = WM 1996, 154; Nobbe KTS 2007, 397. 4 Vgl. dazu im Einzelnen Roth, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/147. Lfg., Rn. 2/8 ff. 5 Kuder ZInsO 2009, 584. 6 Dermitzel BB 1950, 178. 7 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826. 8 Kepper/Artzt BankPraktiker 2009, 10.

312 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.13 Zweiter Teil

Ausnahmsweise kann die Bank jedoch unter Hinweis auf § 826 BGB die Ausführung einer Verfügung verweigern, wenn der Kunde offensichtlich sein Vermögen den Gläubigern entziehen will1. Sie trägt aber die Beweislast für den Eintritt der Voraussetzungen des § 826 BGB, so dass sie nur in extremen Ausnahmefällen in die Lage kommen wird, in die Verfügungsbefugnis des Kunden einzugreifen. So kann selbst der Auftrag des Kunden, seine sämtliche liquiden Werte ins Ausland zu transferieren, bei der Bank zwar Misstrauen erwecken und gegenüber einem auf die Insolvenz zusteuernden Kunden den Verdacht erwecken, er wolle sein Vermögen den Gläubigern entziehen, also eine nach § 283 Abs. 1 Satz 1 StGB strafbare Handlung begehen. Für die Anlage von Geldern im Ausland gibt es jedoch viele legale und plausible Gründe. Ohne konkrete Anhaltspunkte und ausreichende Beweise kann die Bank sich daher nicht weigern, den Weisungen ihres Kunden nachzukommen. Sie kann sich der Problematik auch nicht dadurch entledigen, dass sie den Auftrag nicht bearbeitet. Denn durch die Verzögerung können dem Kunden, wenn der gewünschte Transfer legal ist, Schäden entstehen, für die die Bank haftet.

2.10

II. Vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verfügungsverbot Während der Dauer des gerichtlichen Ermittlungsverfahrens, das sich an den Insolvenzantrag anschließt und sich über eine geraume Zeit, oft über mehrere Monate erstrecken kann, sind vorläufige Maßnahmen zweckmäßig oder notwendig. Deshalb kann das Gericht alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO).

2.11

Zu diesem Zweck kann das Gericht insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Das allgemeine Verfügungsverbot ist ein gerichtliches Verfügungsverbot im Sinne der §§ 135, 136 BGB2. Das Verfügungsverbot hat die Unwirksamkeit aller nach seinem Erlass vorgenommenen rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Schuldners über Vermögensgegenstände zur Folge, die zur Masse gehören würden (§ 24 Abs. 1, §§ 81, 82 InsO), also die Übertragung, Belastung, Änderung und Aufhebung von Rechten3, die Einziehung von Forderungen4, soweit der eingezogene Forderungsbetrag nicht in die Masse gelangt, und die Begleichung von Schulden5.

2.12

Auf Konten Dritter kann das Verfügungsverbot dagegen nicht ausgedehnt werden. Eine Kontosperre kann auch dann nicht angeordnet werden, wenn erhebliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Vermögensverschiebungen des Dritten im Zusammenwirken mit dem

2.13

1 Liesecke WM 1975, 289. 2 OLG Köln v. 27.6.1979 – VIII ZR 297/77, KTS 1981, 51; OLG Köln v. 19.10.1978 – 7 U 1/78, WM 1979, 1342; OLG Stuttgart v. 22.11.1984 – 8 W 240/84, KTS 1985, 349; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, ZIP 1989, 1593. 3 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294, 304; BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26; BGH v. 4.11.2009 – XII ZR 170/07, ZIP 2010, 332; BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 1/09, ZInsO 2010, 133. 4 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch in Berliner Kommentar zur InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14; s. auch schon den Wortlaut von § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO. 5 LG Hamburg v. 9.2.1982 – 64 O 9/82, ZIP 1982, 336.

Büchel | 313

Zweiter Teil Rz. 2.13 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Schuldner vorliegen1. Denn der Dritte ist an dem Antragsverfahren nicht beteiligt und seine Beteiligung kann auch nicht dadurch ersetzt werden, dass ihm durch die kontoführende Bank eine Unterrichtung über die verfügte Kontosperre zugeleitet wird. Für die betroffene Bank erhebt sich allerdings die Frage, ob diese Maßnahme nichtig oder nur anfechtbar ist. Aus Vorsichtsgründen ist der Bank zu empfehlen, den Kontoinhaber auf Rechtsmittel zu verweisen und etwaige Guthaben solange festzuhalten.

2.14

Die Auswirkungen auf den Bankvertrag, die einzelnen Kontobeziehungen und die Verfügungsbefugnisse sind unterschiedlich.

1. Bankvertrag 2.15

Aufgrund der Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem Kunden entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis mit Verhaltens- und Schutzpflichten2, aber ohne primäre Leistungspflichten, die erst durch weitere Verträge wie z.B. einen Zahlungsdienstevertrag zustandekommen. An dem Fortbestand der Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem Kunden und dem darauf beruhenden gesetzlichen Schuldverhältnis ändert ein im Insolvenzantragsverfahren als vorläufige Sicherungsmaßnahme erlassenes allgemeines Verfügungsverbot nichts3. Die grundlegenden Pflichten der Bank zur Geheimhaltung, zur Auskunftserteilung an den Kunden und zu seiner Beratung4 bleiben unberührt. Der Kunde kann allerdings durch das Verfügungsverbot gehindert sein, einem Rat der Bank zu folgen.

2. Kontokorrentvertrag 2.16

Eine Kontokorrentvereinbarung richtet sich im Wesentlichen darauf, dass die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen, die aus der Geschäftsverbindung herrühren, nicht selbständig geltend gemacht und getilgt, sondern in ein von der Bank geführtes Konto mit täglicher Erfassung der Gutschriften und Belastungen unter jeweiliger Benachrichtigung des Kunden durch Tagesauszüge5 eingestellt und in regelmäßigen Abständen, meist vierteljährlich, miteinander verrechnet werden6. Darin liegt ein antizipierter Verrechnungsvertrag7. Während sich im Rahmen eines „echten“ Kontokorrents nach § 355 HGB ein anspruchsbegründender Saldo lediglich mit Rechnungsabschluss ergibt, hat der Vertragspartner beim Konto-

1 A.A. AG München v. 23.9.2003 – 1506 IN 1545/03, ZIP 2003, 1995; AG München v. 20.7.2006 – 1507 IN 1932/06, ZIP 2006, 1961; zur Umleitung von Geldern des künftigen Insolvenzschuldners auf Konten Dritter s. auch AG Villingen-Schwenningen v. 11.7.2007 – 1 C 70/07, ZInsO 2008, 219. 2 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 345/01, ZIP 2002, 2082 = WM 2002, 2281; vgl. dazu im Einzelnen Mülbert in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 3.9 ff.; Roth, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/147. Lfg., Rn. 2/8 ff. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 496; Uhlenbruck KTS 1982, 210; a.A. Gerhardt ZIP 1982, 1; gegen eine analoge Anwendung von § 23 KO (heute §§ 116, 115 InsO) Kleiner, Bedeutung und Probleme der Sicherungsmaßnahmen während des Konkurseröffnungsverfahrens (§ 106 KO), 1993, S. 149. 4 Roth, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/147. Lfg., Rn. 2/10. 5 Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 718. 6 RG v. 13.4.1927 – I 371/26, RGZ 117, 34; RG v. 9.3.1929 – I 316/28, RGZ 123, 384; RG v. 19.9.1933 – II 70/33, JW 1933, 2826; RG v. 1.4.1936 – V 199/35, JW 1936, 2540; zu den Wandlungen im Bild des Kontokorrents s. Scherner FS Bärmann, 1975, 171. 7 OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626; OLG Koblenz v. 29.11.1983 – 3 U 1638/82, ZIP 1984, 164.

314 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.18 Zweiter Teil

korrentkonto einen Anspruch auf Auszahlung des Tagessaldos, soweit dieser einen Verfügungsrahmen zugunsten des Kunden ausweist1. Das Verfügungsverbot greift in diese Vereinbarung ein. a) Ermittlung des Saldos Die Kontokorrentabrede und die darin liegende Vorausverfügung werden durch ein allgemeines Verfügungsverbot nicht unwirksam2. Gegen damit verbundene Schmälerungen der künftigen Masse im Eröffnungsverfahren gewähren die Anfechtungsvorschriften angemessenen Schutz, so dass eine Vorverlegung der Wirkungen des Insolvenzbeschlags nicht notwendig ist. Gutschriften von Zahlungseingängen können also weiter erteilt werden. Zahlungsausgänge und deren Belastung sind durch den Kunden jedoch nicht mehr zulässig. Damit verliert das Kontokorrent seinen Charakter. Demgemäß ist es üblich, wenn auch rechtlich nicht geboten, den Saldo auf den Tag der Anordnung des Verfügungsverbots zu ziehen. Der Kunde darf auch keine neuen Aufrechnungs- und Verrechnungsvereinbarungen mehr abschließen.

2.17

Zahlungen, auf die der künftige Schuldner keinen Anspruch hat, muss der vorläufige Verwalter zwar zurückweisen3. Dennoch kann es zu Fehlbuchungen kommen, die bei der Ermittlung des Saldos nicht bemerkt werden. Diese kann die Bank unter Umständen durch Stornobuchung wieder beseitigen.

2.18

– Nach Nr. 8 AGB Banken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen darf die Bank fehlerhafte Gutschriften zwar durch einfache Buchung rückgängig machen (stornieren)4. Dieses Stornorecht kann die Bank jedoch nur bis zum nächsten Rechnungsabschluss ausüben5. – Soweit das Stornorecht ausgeschlossen ist, kann die Bank wegen der Fehlbuchungen ihren sog. girovertraglichen Berichtigungsanspruch (Nr. 8 Abs. 2 AGB Banken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen) geltend machen; dieser geht durch den zwischenzeitlichen Rechnungsabschluss nicht unter6. Wenn sich bei der Saldierung ein Guthaben für den Kunden ergeben hat, kann die Bank wegen ihres Berichtigungsanspruchs gegen die Guthabenforderung des Kunden die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung erheben7 bzw. mit der Bereicherungsforderung aufrechnen8. Die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote (§ 96 InsO) stehen dem nicht entgegen; sie greifen erst nach Verfahrenseröffnung ein.

1 Kirstein ZInsO 2014, 1921 m.w.N. 2 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/ 01, NZI 2002, 204; LG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992; a.A. Nobbe KTS 2007, 397. 3 OLG Celle v. 4.11.1981 – 3 U 18/81, ZIP 1982, 84; OLG Düsseldorf v. 16.3.2007 – I-17 U 114/06, juris; Steinhoff ZIP 2000, 1141; offengelassen von OLG Jena v. 29.9.1999 – 7 U 315/99, ZIP 1999, 2026. 4 Vgl. Berninghaus, Die Stornierungsbefugnis der Banken, 1980; Arendts ZIP 1994, 303; OLG Karlsruhe v. 19.5.2009 – 17 U 467/08, ZIP 2010, 246 = ZInsO 2009, 1594. 5 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998. 6 Kümpel WM 1979, 378; Schebesta BBI 1980, 49. 7 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225; BGH v. 6.5.2003 – XI ZR 283/02, ZIP 2003, 2021. 8 BGH v. 20.10.1986 – II ZR 293/85, ZIP 1987, 626 = WM 1987, 603.

Büchel | 315

Zweiter Teil Rz. 2.18 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Ebenso wenig kann die Korrekturbuchung im nachfolgenden Insolvenzverfahren angefochten werden1.

2.19

Wenn die Bank die Fehlbuchung nicht rechtzeitig bemerkt und ein dadurch etwa auf dem Konto des Schuldners entstandenes Guthaben an den Kunden auszahlt, erwirbt sie zwar eine Bereicherungsforderung gegen den Schuldner. Diese stellt aber nach Verfahrenseröffnung keine Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, sondern nur eine Insolvenzforderung dar2. Daran ändert auch die Duldung oder Kenntnis eines „starken“ (mit Verfügungsverbot) oder „schwachen“ (ohne Verfügungsverbot) vorläufigen Insolvenzverwalters nichts; ein vorläufiger Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt oder Verfügungsverbot wird eine solche Auszahlung ohnehin nicht zulassen, sondern den Betrag selbst vereinnahmen wollen (zu den Folgen s. Rn. 2.109 f.). b) Fortdauer des Vertrages

2.20

Der Vertrag erlischt durch das Verfügungsverbot nicht. Hat das Gericht ein allgemeines Verfügungsverbot, ein Verfügungsverbot in Hinblick auf die Kontoführung oder einen Zustimmungsvorbehalt angeordnet (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO), kann der Schuldner nicht mehr über die Vermögenswerte auf dem Konto verfügen. Verfügungen sind bei einem Verfügungsverbot nur durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder mit dessen Einwilligung zulässig. Um die Verfügungsbeschränkung zu verdeutlichen, sollte die auf den Namen des Schuldners lautende Kontobezeichnung um den Zusatz „vorläufiger Insolvenzverwalter [Name des vorläufigen Insolvenzverwalters]“ ergänzt werden3.

2.21

Daher ist die Bank nicht etwa gehindert, sondern weiterhin verpflichtet, Überweisungseingänge für den Kunden seinem Konto gutzuschreiben4. Sie kann die eingegangenen Gelder durch Einstellung in das Kontokorrent zur Verrechnung mit dem debitorischen Saldo bringen (Einzelheiten s. Rn. 3.241 ff.). Kontokorrentkredite bestehen fort und die Bank muss von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen, falls sie deren Fälligkeit, z.B. zum Zweck der Sicherheitenverwertung, herbeiführen will (s. Rn. 5.311 ff.).

2.22

Im Kontokorrent geführte Gemeinschaftskonten und Konten einer BGB-Gesellschaft, deren Mitglied der Schuldner ist, werden durch ein nur gegen ihn gerichtetes Verfügungsverbot nicht berührt. Denn derartige Gemeinschaften werden stets außerhalb des Insolvenzverfahrens abgewickelt (§ 84 InsO). Dies ist zwar nur für das eröffnete Verfahren im Gesetz ausdrücklich geregelt. Im Antragsverfahren können dem Schuldner jedoch keine größeren Beschränkungen auferlegt oder dem vorläufigen Verwalter mehr Rechte eingeräumt werden als im eröffneten Verfahren. Die in der Kontokorrentvereinbarung enthaltene antizipierte Verfügungs- und Verrechnungsvereinbarung5 wird also nicht beendet. Wenn sich das Verfügungsverbot aber gegen die BGB-Gesellschaft richtet, treten die oben dargestellten Konsequenzen ein (Rn. 2.15 ff.).

1 2 3 4

OLG Karlsruhe v. 19.5.2009 – 17 U 467/08, ZIP 2010, 246 = ZInsO 2009, 1594. BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 61/08, ZIP 2009, 1477. Kuder ZInsO 2009, 584. LG Bremen v. 28.10.1981 – 3 O 3565/80a, ZIP 1982, 201; BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192; BGH v. 17.6.1997 – XI ZR 239/96, ZIP 1997, 1540; Wittig WM 1995, 865. 5 OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626; OLG Koblenz v. 29.11.1983 – 3 U 1638/82, ZIP 1984, 164.

316 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.24b Zweiter Teil

c) Kündigung des Vertrages Das allgemeine Verfügungsverbot oder der Zustimmungsvorbehalt hindern nur den Kunden, nicht aber die Bank an einer Kündigung des Kontokorrentvertrages. Die Äußerung der Bank muss eindeutig formuliert werden. Aus der Kündigungserklärung muss sich insbesondere die von der Bank gewünschte Reichweite der Kündigung klar ergeben. Sie muss also erkennen lassen, ob sie nur die Kredite (insgesamt oder nur den nicht in Anspruch genommenen Teil einer Kreditlinie), nur den Girovertrag bzw. das Kontokorrentkonto oder die gesamte Geschäftsbeziehung beenden will1. In Betracht kommen eine ordentliche und eine außerordentliche Kündigung.

2.23

aa) ordentliche Kündigung Eine ordentliche Kündigung nach Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken (Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen) setzt grundsätzlich nicht voraus, dass die Bank eine Abwägung ihrer Interessen an einer Beendigung des Vertragsverhältnisses mit den Interessen des Kunden an dessen Fortbestand vornimmt2. Für die Kündigung des Girovertrages muss sie eine Frist von mindestens 2 Monaten einhalten (§ 675h Abs. 2 Satz 2 BGB, Nr. 19 Abs. 1 Satz 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen)3.

2.24

bb) außerordentliche Kündigung Wenn der Bank angesichts der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse ihres Kunden, die durch den Insolvenzantrag deutlich zum Ausdruck kommt, die Fortsetzung der Geschäftsverbindung nicht zuzumuten ist, kann sie ihr außerordentliches Kündigungsrecht ausüben. Dieses kann sie auf Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen), § 490 Abs. 1 BGB stützen.

2.24a

Die Wirksamkeit dieser Kündigungsklausel ist anerkannt4. Zwar handelt sich es bei Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen um eine insolvenzabhängige Lösungsklausel. Solche Klauseln sind nach § 119 InsO unwirksam, wenn sie im Voraus die Anwendung des § 103 InsO ausschließen5 und sich dadurch der Vertragspartner des Schuldners allein wegen der Insolvenz von einem für die Masse günstigen Vertrag

2.24b

1 OLG Karlsruhe v. 15.3.1996 – 13 U 8/95; LG Nürnberg-Fürth v. 18.7.1996 – 10 O 56/96, WM 1997, 1143. 2 BGH v. 15.1.2013 – XI ZR 22/12, ZIP 2013, 304 = DB 2013, 749. 3 Weiterführend Herresthal WM 2013, 773. 4 BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234; BGH v. 19.9.1979 – III ZR 93/76, WM 1979, 1176; BGH v. 18.12.1980 – III ZR 157/78, ZIP 1981, 144 = WM 1981, 150; BGH v. 23.2.1984 – III ZR 159/83, WM 1984, 586; BGH v. 28.2.1985 – III ZR 223/83, WM 1985, 769 = WuB I A Nr. 17 AGB Banken 1.85 Pleyer; BGH v. 30.5.1985 – III ZR 112/84, WM 1985, 1136, WuB I A Nr. 17 AGB Banken 2.85 Obermüller; BGH v. 26.9.1985 – III ZR 213/84, WM 1985, 1493 = WuB I A Nr. 17 AGB Banken 1.86 Obermüller; BGH v. 26.9.1985 – III ZR 229/84, WM 1985, 1437 = WuB I A Nr. 17 AGB Banken 2.86 Bruchner; BGH v. 6.3.1986 – III ZR 245/84, ZIP 1986, 770 = WM 1986, 605 = WuB I A Nr. 17 AGB Banken 5.86 Schröter; BGH v. 26.5.1988 – III ZR 115/87, WM 1988, 1223 = WuB I A Nr. 17 AGB Banken 1.88 Sonnenhol; Wulfers, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2014/108. Lfg., Rn. 1/575; Berger, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2009, 325 m.w.N.; Paulus FS Uhlenbruck, 2000, 33 (44). 5 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, ZIP 2013, 274 = ZInsO 2013, 292 mit Anm. Foerste ZInsO 2015, 601; BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 95 = ZIP 2003, 1208.

Büchel | 317

Zweiter Teil Rz. 2.24b | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

lösen und damit das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO unterlaufen kann. Aber die fristlose Kündigung ist nicht insolvenzabhängig, sondern bereits zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen für die Bank auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden unzumutbar werden lässt. Selbst dann, wenn die Kündigung wegen einer Zahlungseinstellung, Überschuldung oder einem Insolvenzantrag ausgesprochen wird, nimmt sie lediglich die Folgen einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorweg und berührt das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nicht1. Denn Kontokorrentverhältnisse erlöschen durch die Verfahrenseröffnung kraft Gesetzes (§§ 116, 115 InsO)2, für Spareinlagen steht dem Insolvenzverwalter kein Wahlrecht nach § 103 InsO zu, das durch die Kündigung ausgehöhlt werden könnte, und Gemeinschaftskonten gehören nicht zur Insolvenzmasse.

2.24c

Wegen der bevorstehenden Insolvenz des Kunden mag die Bank zwar Kredite und Kreditzusagen außerordentlich d.h. fristlos kündigen können (Einzelheiten dazu s. Rn. 5.311 ff.), dies gibt ihr aber kein Recht zu einer fristlosen Kündigung des Girovertrages, solange die Umsätze auf Guthabenbasis durchgeführt werden. Ihr ist angesichts der Schwierigkeiten des Kunden, in dieser Situation eine neue Bankverbindung zu finden, zuzumuten, die Mindestfrist von zwei Monaten einzuhalten und während dieser Zeit den Zahlungsverkehr für den Kunden weiter abzuwickeln, auch wenn sie damit ihre Position im Hinblick auf bestehende Kontokorrentkredite wegen der Anfechtungsmöglichkeiten des späteren Insolvenzverwalters in der Regel nicht mehr verbessern kann (Einzelheiten dazu s. Rn. 3.1 ff.). cc) Basiskonten

2.24d

Sowohl die ordentliche als auch die außerordentliche Kündigung des Kontos wegen einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden oder seiner bevorstehenden Insolvenz werden ausgeschlossen, wenn es sich um ein sog. Basiskonto handelt. Denn mit der Umsetzung der EU-Zahlungskontenrichtlinie3 durch das Zahlungskontengesetz4 sind die Banken verpflichtet, mit Verbrauchern einen sog. Basiskontovertrag abzuschließen (§ 31 Abs. 1 ZKG)5, den die Bank nur unter sehr engen Voraussetzungen kündigen darf. Dies berücksichti1 Jacoby ZIP 2014, 649. 2 OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/97, NZI 2000, 181; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/03, ZInsO 2004, 683; OLG Dresden v. 1.9.2005 – 13 U 1139/05, ZInsO 2007, 45; BGH v. 21.6.2005 – XI ZR 152/04, ZIP 2005, 1448; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZInsO 2008, 803; BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZInsO 2009, 659; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, WM 2019, 550 Rn. 11; Nobbe KTS 2007, 397. 3 Richtlinie 2014/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.7.2014 über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (ABl. L 257/2014) mit RegE v. 6.1.2016, BTDrucks. 18/7204. 4 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen v. 11.4.2016, BGBl. I 2016, 720; s. zur Begründung RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen v. 6.1.2016, BR-Drucks. 18/7204 mit Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) v. 24.2.2016 – BT-Drucks. 18/7691. 5 Grote ZInsO 2016, 1239; zur Unangemessenheit des Entgelts s. LG Frankfurt v. 8.5.2018 – 2-28 O 98/17, WM 2018, 1696; OLG Schleswig v. 8.5.2018 – 2 U 6/17, ZIP 2019, 212; BGH v. 30.6.2020 – XI ZR 119/19, ZIP 2020, 1551.

318 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.29 Zweiter Teil

gen die AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften in Nr. 19 Abs. 5 und die AGB Sparkassen in Nr. 26 Abs. 3. Zu den nach § 42 ZKG zulässigen Kündigungsgründen gehört die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nicht. Dagegen bleibt das Recht der Bank zur ordentlichen Kündigung anderer Konten als Basiskonten unberührt, wie der Umkehrschluss aus dieser gesetzlichen Regelung ergibt.

3. Sparvertrag, Termineinlage Auch Sparverträge und Vereinbarungen über Spar- und Termineinlagen1 bleiben unberührt. Eine vorzeitige Fälligkeit tritt nicht ein; der Kunde erwirbt auch kein Recht zur vorzeitigen Kündigung dieser Verträge. Die gerichtlichen Maßnahmen haben nur Auswirkungen auf die Verfügungsbefugnis des Kunden über sein Vermögen. Über Gelder, die infolge des Ablaufs der Festschreibungsfrist fällig werden, kann er demgemäß nicht verfügen. Er ist also z.B. gehindert, deren Auszahlung an sich oder einen Dritten2 zu verlangen. Auch zu einer neuen Festlegung ist er nicht mehr befugt.

2.25

4. Währungskonten Neben Euro-Konten kann die Bank für den Kunden auch Konten in Fremdwährungen führen. Die Auswirkungen des Verfügungsverbots auf die Währungskonten hängen davon ab, in welcher Kontoart die Währungen verbucht sind. Handelt es sich um ein Kontokorrentkonto, so ist der Saldo auf den Tag der Beendigung zu ermitteln (s. Rn. 2.17). Termineinlagen oder Währungskredite bleiben dagegen unberührt.

2.26

Eine materielle Inhaltsänderung dergestalt, dass sich die Währungsforderung in eine EuroForderung verwandelt, vollzieht sich erst mit der Verfahrenseröffnung (§ 45 InsO). Deren Wirkungen können nicht durch analoge Anwendung der Vorschriften, die für das eröffnete Verfahren gelten, auf das Antragsverfahren vorverlegt werden.

2.27

Die Aufrechnung von Währungskonten gegen Euro-Konten oder Konten in einer anderen Währung setzt neben der Gegenseitigkeit und der Fälligkeit der Forderungen auch deren Gleichartigkeit voraus, die bei Konten in verschiedenen Währungen nicht vorliegt3. Dabei ist wie folgt zu differenzieren:

2.28

a) Währungsguthaben des Kunden Soweit der Kunde ein Währungsguthaben besitzt, kann die Bank oder Sparkasse jedoch anstelle der ausländischen auch in inländischer Währung zahlen (§ 244 BGB). Die Umrechnung erfolgt nach dem Kurswert, der zur Zeit der Zahlung für den Zahlungsort, also die kontoführende Stelle, maßgebend ist. Schuldet der Kunde auf einem anderen Konto Euro, so ist die Gleichartigkeit hergestellt. Dies gilt nicht, wenn sich der Kunde ausdrücklich die Zahlung in der ausländischen Währung ausbedungen hat (§ 244 BGB). Eine derartige ausdrückliche Vereinbarung ist bei der Eröffnung von Währungskonten nicht üblich; allein in der Eröffnung eines Kontos für Fremdwährungen liegt sie noch nicht.

1 Zum Einlagenbegriff s. Wallat NJW 1995, 3236. 2 Zur Gläubigerstellung des Kontoinhabers s. BGH v. 25.4.2005 – II ZR 103/03, ZIP 2005, 1222. 3 BGH v. 7.4.1992 – X ZR 119/90, WM 1993, 2011; OLG Frankfurt v. 27.10.1966 – 11 U 42/66, OLGZ 1967, 13; s. aber Maier-Reimer NJW 1985, 2049; Einzelheiten s. Vorpeil RIW 1993, 529.

Büchel | 319

2.29

Zweiter Teil Rz. 2.30 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

b) Währungsschulden des Kunden

2.30

Das Recht, anstelle der ausländischen auch in inländischer Währung zahlen, räumt § 244 BGB nur dem Schuldner ein. Als Gläubigerin kann die Bank also Währungsschulden ihres Kunden nicht nach dieser Vorschrift umrechnen. Eine solche Umrechnungsbefugnis war zwar früher in den allgemeinen Geschäftsbedingungen verankert (Nr. 3 AGB Banken und Kreditgenossenschaften, Nr. 14 AGB Sparkassen), ist jedoch inzwischen aufgegeben worden1. Der Konvertierungszeitpunkt einer echten Fremdwährungsschuld richtet sich nunmehr nach der (konkludenten) Absprache der Vertragsparteien.

2.31

Wegen einer Währungsforderung kann die Bank vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar auf Sicherheiten des Kunden zurückgreifen, jedoch geben ihr §§ 45, 95 Abs. 2 InsO das Recht zur Umstellung zwecks Aufrechnung erst nach Eröffnung des Verfahrens. Eine Kündigung berechtigt nicht zur Umrechnung; das Kursrisiko bis zur Verfahrenseröffnung bzw. Sicherheitenverwertung trägt also die Bank. Wenn die allgemeinen Geschäftsbedingungen Vertragsgrundlage sind, kann die Bank allerdings ihr Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGBBanken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen) geltend machen. Kommt es nach der Fälligstellung des Darlehensrückzahlungsanspruchs zur Verwertung von Sicherheiten, so ist für die Konvertierung in Anlehnung an § 244 Abs. 2 BGB auf den Zeitpunkt des Zugangs der Verrechnung mit den Sicherheiten abzustellen2.

5. Besondere Kontoformen 2.32

Am Fortbestand besonderer Kontoformen wie Gemeinschaftskonten, Treuhandkonten, BGBGesellschaftskonten, Anderkonten, Sonderkonten, Sperrkonten, Konten zugunsten Dritter, CpD-Konten ändert sich durch das Verfügungsverbot grundsätzlich nichts. Änderungen ergeben sich jedoch im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis. Hier ist zwischen den einzelnen Kontoformen zu unterscheiden: a) Einzelkonten

2.33

Unterhält der insolvente Kunde bei der Bank ein Einzelkonto, gleichgültig, ob Kontokorrent-, Spar- oder Termineinlagenkonto3, so ist er nach Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots an Verfügungen über dieses Konto gehindert. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die die Rechtslage des Verfügungsgegenstandes unmittelbar ändern, also alle Geschäfte, die ein Recht aufheben, ändern und übertragen wie z.B. Abtretungen und Belastungen. Einer Verfügung wird die Einziehung von Forderungen gleichgestellt, weil sie den durch die Leistung zu tilgenden Anspruch unmittelbar zum Erlöschen bringt4. Davon betroffen sind also Barauszahlungen, Überweisungen und die Belastung von Schecks, Wechseln und Lastschriften (Einzelheiten s. Rn. 3.1 ff.). Der Kunde kann auch keine wirksame Kontokündigung aussprechen.

1 2 3 4

Einzelheiten s. Sonnenhol WM 2000, 853. OLG Frankfurt v. 11.3.2020 – 17 U 168/19, ZIP 2020, 1062. Zur Gläubigerstellung des Kontoinhabers s. BGH v. 25.4.2005 – II ZR 103/03, ZIP 2005, 1222. BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch/Beth in Blersch/ Goetsch/Haas, Berliner Kommentar zur InsO, Stand 2017, § 24 Rn. 7; s. auch schon den Wortlaut von § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

320 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.36 Zweiter Teil

b) Gemeinschaftskonten Ist der insolvente Kunde Mitinhaber eines Gemeinschaftskontos, so kann er seine Rechte an dem Konto nicht mehr ausüben. Soweit gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis vorgesehen ist, bedeutet dies, dass jegliche Verfügung zu unterbleiben hat. Über ein Konto mit Einzelverfügungsbefugnis können dagegen die übrigen Kontoinhaber weiter verfügen. Deren Verfügungsbefugnis ist – wie die Bezeichnung des Kontos schon sagt – vom Fortbestand der Verfügungsbefugnis des anderen Inhabers unabhängig. Allerdings sehen manche Kontoverträge vor, dass jeder Kontoinhaber das Recht hat, die Einzelverfügungsbefugnis insgesamt zu widerrufen. Dieses Recht kann dann auch von einem vorläufigen Verwalter, dem die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis übertragen worden ist, ausgeübt werden mit der Wirkung, dass ohne ihn keine Verfügungen mehr möglich sind. Ist dem Verwalter nur ein Zustimmungsvorbehalt eingeräumt, so kann er mangels Rechtsmacht nicht ohne Mitwirkung des Kontoinhabers die Einzelverfügungsbefugnis widerrufen, wenn er hierzu nicht ausdrücklich ermächtigt worden ist. Die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts oder die Befugnis zum Einzug von Bankguthaben oder sonstiger Forderungen des Schuldners sind dafür nicht ausreichend1. Der Kontoinhaber selbst kann diese Weisung aber auch ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erteilen.

2.34

c) BGB-Gesellschaft Ein gegen die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft erlassenes Verfügungsverbot hat für das Gesellschaftskonto die oben für das Einzelkonto dargestellten Folgen (Rn. 2.33).

2.35

Ein nur gegen einen oder einzelne Gesellschafter ergangenes Verfügungsverbot berührt die Kontobeziehung der Gesellschaft zu der Bank nicht unmittelbar. Nach der Rechtslage bis 31.12.2023 wird die Gesellschaft erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters aufgelöst, wenn nichts anderes vereinbart ist, § 728 Abs. 2 BGB. Mit Inkrafttreten des MoPeG ab 1.1.20242 besteht sie in diesem Fall sogar fort, wenn nichts anderes vereinbart ist. Soweit nichts anderes vereinbart ist, scheidet der insolvente Gesellschafter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens allerdings aus der Gesellschaft aus3, wenn die Gesellschaft fortbesteht. Solange die Gesellschaft fortbesteht, kann der Schuldner über Konten der BGB-Gesellschaft so verfügen, wie es der Gesellschaftsvertrag bzw. die Sondervereinbarungen mit der Bank vorsehen. Wenn der Bank der Gesellschaftsvertrag vorliegt, sollte sie Einblick in ihn nehmen, um festzustellen, ob sich an den Vertretungsrechten etwas geändert hat, bevor sie Verfügungen zulässt. Lediglich Bankgeschäfte, die die Mitwirkung des vom Verfügungsverbot betroffenen Kontoinhabers voraussetzen, können nur noch zusammen mit dem vorläufigen Verwalter durchgeführt werden.

2.36

1 BGH v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, ZIP 2020, 2079 = ZinsO 2020, 2262. 2 Art. 1, 137 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (PersonengesellschaftsrechtsmodernisierungsG – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 3 Vgl. § 736 Abs. 1 BGB i.d.F. bis 31.12.2023 bzw. § 723 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.d.F. des MoPeG ab 1.1.2024.

Büchel | 321

Zweiter Teil Rz. 2.37 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

d) Treuhandkonten

2.37

Hat ein Kunde bei der Bank ein Treuhandkonto eröffnet1, so wird seine Verfügungsbefugnis über dieses Konto durch den Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots im Verhältnis zur Bank im gleichen Maße beschränkt wie bei Eigenkonten, da der Kunde nach den üblichen Kontoverträgen Vollrechtstreuhänder ist2. Zwar kann der Treugeber in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders ein Aussonderungsrecht an dem Konto geltend machen3, seine Rechte auf das treuhänderisch gehaltene Kontoguthaben muss er jedoch in seinem Verhältnis zu dem Treuhänder verfolgen4. Die Bank hat auch dann, wenn ihr der Treuhandcharakter eines Kontos bekannt ist, die Verfügungsbeschränkungen des Kontoinhabers zu beachten und darf nach Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots weder an den Kunden noch an den Treugeber auszahlen.

2.38

Ist gegen den Treugeber ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, so ergeben sich daraus für die Bank keine Besonderheiten, da die Verfügungsberechtigung über die Treuhandansprüche im Verhältnis zwischen dem Treuhänder (Kontoinhaber) einerseits und dem Treugeber bzw. dessen Insolvenzverwalter andererseits geklärt werden muss.

2.39

Die obigen Ausführungen gelten entsprechend für Sonderfälle von Treuhandkonten wie Tankstellenverwalterkonten und sonstige Agenturkonten. e) Anderkonten

2.40

Anderkonten stellen eine Unterart der offenen Treuhandkonten dar5; sie werden nur für bestimmte Berufsgruppen, denen u.a. die Verwaltung fremder Gelder obliegt, nämlich für Rechtsanwälte, Notare, Angehörige der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe sowie für Patentanwälte6 eingerichtet7. Sie sind offene Vollrechtstreuhandkonten, aus denen ausschließlich der kontoeröffnende Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar oder Treuhänder persönlich gegenüber der Bank verpflichtet ist8.

2.41

Ist ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, so kann die Bank Verfügungen des Kunden nicht mehr ausführen. Zwar hat die Bankpraxis bis zur Änderung der Anderkontobedingungen im Jahre 2000 die Guthaben auf Anderkonten als vom Verfügungsverbot nicht erfasst behandelt und Verfügungen ihres Kunden weiterhin Folge geleistet9. Dies ist jedoch in den Be-

1 Zur Abgrenzung von Treuhandkonten gegenüber verwandten Kontoarten vgl. Canaris NJW 1973, 830. 2 d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280, 1281 f. 3 S. BGH v. 12.7.2012 – IX ZR 213/11, ZIP 2012, 1517 und oben Rn. 1.296 ff. 4 OLG Naumburg v. 20.12.2001 – 2 U 56/01, WM 2003, 1668; OLG Celle v. 18.5.2006 – 13 U 120/ 03, ZIP 2006, 1878 = DB 2006, 1784; LG Gießen v. 5.12.2011 – 1 S 345/11, ZIP 2012, 1725 = ZInsO 2012, 981; Ganter ZInsO 2004, 1217; K. Schmidt FS Wiegand, 2005, 933; zu sog. Escrow accounts beim Unternehmenskauf s. Findeisen ZInsO 2015, 1484. 5 BGH v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZInsO 2007, 1228; Canaris NJW 1973, 833; Hellner Liber amicorum Jens Nielsen, 1996, 29; d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280, 1281. 6 N.N. Die Bank 1979, 185. 7 Zur Pflicht des Anwalts zur Einrichtung eines Anderkontos s. Johnigk BRAK-Mitt. 2012, 104. 8 BGH v. 5.11.1953 – IV ZR 95/53, WM 1955, 372. 9 Hellner, Geschäftsbedingungen für Anderkonten, 1963, Rn. 160.

322 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.45 Zweiter Teil

dingungen seit dem Jahr 2000 nicht mehr vorgesehen1. Deshalb umfasst eine Pfändung sämtlicher Konten regelmäßig auch Konten in fremder Rechnung2, wenn weder dem vorläufigen Zahlungsverbot noch dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eine Beschränkung auf Konten in eigener Rechnung zu entnehmen ist. Dementsprechend gilt ein Verfügungsverbot auch für Anderkonten. Wenn dem Kontoinhaber die Zulassung zur Anwaltschaft entzogen wird3, geht gemäß Nr. 13 der Anderkontobedingungen die Verfügungsbefugnis auf eine von der zuständigen Standesorganisation einzusetzende andere Person über, deren Weisungen nunmehr für die Bank verbindlich sind4.

2.42

f) Sonderkonten Für die Behandlung von Sonderkonten ist bei Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots im Insolvenzantragsverfahren zu unterscheiden zwischen Eigenkonten des Kontoinhabers für besondere Zwecke, verdeckten Treuhandkonten und offenen Treuhandkonten. Sonderkonten für eigene Zwecke des Kontoinhabers sind wie Eigenkonten zu behandeln. Dasselbe gilt für verdeckte Treuhandkonten5. Wegen offener Treuhandkonten kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

2.43

g) Sperrkonten Wird gegenüber dem Inhaber eines Sperrkontos ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, so ändert dies im Verhältnis zur Bank nichts an dem Fortbestand der Sperrbegünstigung. Die Bank darf den Kunden wegen des Verfügungsverbots nicht mehr schon dann über die Guthaben verfügen lassen, wenn die Zustimmung des Sperrbegünstigten vorliegt oder die vereinbarte Bedingung für das Ende der Sperre eingetreten ist6.

2.44

h) Konten zugunsten Dritter Schließen die Bank und ihr Kunde einen Kontoeröffnungsvertrag mit einer Drittbegünstigungsklausel ab, so erwirbt der begünstigte Dritte gemäß §§ 328 ff. BGB ein Forderungsrecht gegen die Bank. In den im Bankgewerbe üblichen Formularen7 ist vorgesehen, dass der begünstigte Dritte den Anspruch auf das Guthaben erst zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. im Fall des Todes des Kontoinhabers oder bei Volljährigkeit des Begünstigten, erwirbt und der Kontoinhaber bis zu diesem Zeitpunkt ohne Zustimmung des Begünstigten über das Konto verfügen kann.

1 Abgedruckt bei Habl, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2015/114 Lfg., Rn. 2/339 ff.; zu den einzelnen Änderungen Gößmann, WM 2000, 857. 2 KG v. 3.12.2012 – 24 U 124/11, WM 2013, 1407. 3 Zur Fortführung des Unternehmens eines Freiberuflers in der Insolvenz s. Hess/Röpke NZI 2003, 233. 4 Zum Vorrang der Abwicklung gegenüber der Insolvenzverwaltung s. LG Aachen v. 27.3.2009 – 8 O 480/08, ZInsO 2009, 875; OLG Köln v. 4.11.2009 – 17 U 40/09, ZIP 2009, 2395. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 244 f.; zu den Folgen für Besteuerung und Anfechtung s. BFH v. 25.4.2017 – VII R 31/15, ZInsO 2017, 1906. 6 OLG München v. 24.9.1997 – 7 U 2402/97, WM 1999, 317. 7 Vgl. Weller, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2014/108. Lfg., Rn. 2/420.

Büchel | 323

2.45

Zweiter Teil Rz. 2.46 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

2.46

Wird ein allgemeines Verfügungsverbot gegen den Kontoinhaber erlassen, bevor der Zeitpunkt gekommen ist, in dem der Begünstigte das Recht erwerben sollte, kann der Kontoinhaber das Guthaben nicht mehr abheben oder die Begünstigung widerrufen. Diese Maßnahmen kann erst der vorläufige oder endgültige Insolvenzverwalter und nur bis zu dem Zeitpunkt des Rechtserwerbs durch den Begünstigten treffen. i) CpD-Konten

2.47

Soweit durch Gutschriften auf CpD-Konten Ansprüche zugunsten des Kunden begründet worden sind, kann er darüber nach Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots nicht mehr verfügen.

6. Schrankfächer und Verwahrstücke 2.48

Da das allgemeine Verfügungsverbot sämtliche rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Schuldners über Vermögensgegenstände, die zur Masse gehören würden, und damit auch die Einziehung von Forderungen untersagt, kann der Kunde auch seine Ansprüche aus Schrankfachund Verwahrverträgen, insbesondere die Rechte auf Zutritt zu dem Schrankfach bzw. Herausgabe des Verwahrstücks, ebenfalls nicht mehr ausüben. Dies gilt auch dann, wenn der Kunde vorbringt, dass sich in dem Schrankfach bzw. Verwahrstück nur persönliche Unterlagen und Dokumente befinden, die ohnehin nicht zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger herangezogen werden könnten, weil sie nicht in die Insolvenzmasse fallen würden. Denn die Bank kann die Richtigkeit dieser Angaben nicht nachprüfen, da sie von dem Schrankfachinhalt bzw. von dem Inhalt des Verwahrstücks keine Kenntnis nimmt1.

2.48a

Die Einsicht in ein Bankschließfach kann schon notwendig sein, wenn auf den Eröffnungsantrag ein Sachverständiger bestellt wird und dieser den Umfang des Vermögens des Schuldners oder des Nachlasses zu prüfen hat2. Ohne Zustimmung des Schuldners oder ausdrückliche gerichtliche Ermächtigung darf die Bank dem Sachverständigen den Zugang jedoch nicht ermöglichen, selbst wenn dieser im Besitz des Schlüssels sein sollte.

7. Depotverträge 2.49

Für die Verfügungsbefugnis des Kunden über Depots nach Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots gelten die obigen Ausführungen über Konten entsprechend.

8. Vollmachten und Vertretungsberechtigungen 2.50

Bei Vertretungsberechtigungen ist zu unterscheiden zwischen gesetzlicher bzw. organschaftlicher Vertretungsbefugnis und rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht, bei Letzterer wiederum zwischen der Insolvenz des Bevollmächtigten und der Insolvenz des Vollmachtgebers. a) Vollmachten

2.51

In der drohenden Insolvenz des Kontoinhabers bleiben von ihm erteilte Vollmachten auch nach Anordnung eines Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts bestehen, jedoch

1 OLG Frankfurt v. 13.6.1996 – 16 U 137/95, WM 1997, 18. 2 Kolb InsbürO 2017, 4.

324 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.54 Zweiter Teil

kann die Bank den Bevollmächtigten nur insoweit verfügen lassen, als dies auch dem Kontoinhaber gestattet wäre1. Zwar erlischt die Vollmacht kraft Gesetzes erst durch die Verfahrenseröffnung (§ 117 InsO)2. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Bevollmächtigte im Antragsverfahren Verfügungen treffen könnte, die dem Kontoinhaber selbst verwehrt sind. Das Verfügungsverbot und der Zustimmungsvorbehalt haben nämlich Außenwirkung (§ 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 InsO). In der drohenden Insolvenz des Bevollmächtigten bleiben ihm erteilte Kontovollmachten von etwaigen einstweiligen Anordnungen des Insolvenzgerichts wie z.B. eines Zustimmungsvorbehalts oder eines Verfügungsverbots unberührt3. Denn das Konto würde in einem späteren Insolvenzverfahren nicht zur Masse gehören. Daher kann die Verwendung der Vollmacht nicht durch einen Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters oder ein Verfügungsverbot unterbunden werden4.

2.52

b) Vertretungsberechtigungen Die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht von Geschäftsführern und Vorständen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Genossenschaften, Vereinen und von Komplementären von Personenhandelsgesellschaften kann durch die Maßnahmen, die das Gericht zum Schutz der Masse anordnet, also vorzugsweise durch einen Zustimmungsvorbehalt zugunsten des vorläufigen Verwalters oder durch ein Verfügungsverbot beschränkt werden. Dies wirkt sich entsprechend auf die Verfügungsbefugnis über das Konto des Unternehmens aus. Das gleiche Schicksal erleidet die Vertretungsmacht von Prokuristen und sonstigen Bevollmächtigten. Die Kontoführungsunterlagen sind entsprechend zu berichtigen.

2.53

Besonderheiten gelten, wenn bei einer GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Komplementärin, der die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis und damit auch die Verfügungsbefugnis über das Konto der KG zusteht, beantragt wird. Verfügungen über das Konto der KG sind dann nicht etwa an die Zustimmung des vorläufigen Verwalters der GmbH gebunden oder nur ihm vorbehalten. Vielmehr bleiben hierfür die bisherigen Organe der Komplementärin zuständig. Ihre Rechte werden durch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalters nur insoweit verdrängt, wie sie sich auf die künftige Masse des insolvenzbedrohten Unternehmens beziehen5. Hier wird nämlich unterschieden zwischen dem sog. Verdrängungsbereich, dem Schuldnerbereich und dem Überschneidungsbereich. Der Verdrängungsbereich, in dem allein der Verwalter zuständig ist, umfasst die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse und wird definiert

2.54

1 Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 117 Rn. 20. 2 FG Hamburg v. 20.8.2011 – 3 K 151/11, ZIP 2011, 2275 = ZInsO 2011, 1985. 3 Die Bank trifft auch grundsätzlich keine Pflicht zur individuellen Aufklärung des Kunden über Umstände, die sich aus dem Verhältnis zu dessen bevollmächtigten Vermögensverwalter ergeben (OLG Düsseldorf v. 1.9.2014 – I-9 U 46/13, ZIP 2014, 2434). 4 So für das eröffnete Verfahren Jaeger/Henckel, InsO, 2004, § 35 Rn. 89; BayObLG v. 13.7.1978 – BReg. 2 Z 37/77, DB 1978, 1929. 5 Weber KTS 1970, 73 ff., dieser noch zur Konkursordnung verfasste Beitrag hat auch unter der InsO seine Gültigkeit behalten und wird als meinungsbildend angesehen (Ott/Brauckmann ZIP 2004, 2117); Martin Obermüller, Möglichkeiten und Grenzen des Genussrechts als Sanierungsinstrument, 2008, F II 2 S. 166 ff.; OLG Hamm v. 2.9.2014 – 27 W 97/14, ZInsO 2014, 2452; s. auch Gehrlein ZInsO 2017, 1977.

Büchel | 325

Zweiter Teil Rz. 2.54 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

durch das insolvenzbefangene Vermögen des § 80 InsO. Der Schuldnerbereich wird als Umkehrschluss aus § 80 InsO mit dem insolvenzfreien Vermögen umschrieben, für das allein die Gesellschaftsorgane zuständig sind. Sobald aus dem gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereich nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse kommen können, soll wiederum der Verwalter mitwirken. Die Vollmacht oder Vertretungsbefugnis für das Konto der KG berührt die Insolvenzmasse der GmbH grundsätzlich nicht. Eine Änderung der Kontoführungsunterlagen der KG ist daher nicht notwendig.

9. Pfändungen 2.55

Für die Wirkung von Kontopfändungen ist zu unterscheiden, ob sie vor oder nach der Anordnung eines Verfügungsverbots oder der Untersagung bzw. einstweiligen Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch das Insolvenzgericht (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 InsO) in das Konto ausgebracht werden. Dies gilt auch für vorläufige Pfändungen nach der Europäischen Kontenpfändungsverordnung (EuKoPfVO)1, die zwar nach ihrem Erwägungsgrund (8) auf Forderungen gegenüber einem Schuldner im Rahmen eines Insolvenzverfahrens keine Anwendung findet, weshalb kein Beschluss zur vorläufigen Pfändung mehr gegen ihn erlassen werden kann, sobald gegen ihn ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden ist. Dennoch können vorläufige Pfändungen bereits zugestellt worden sein oder in Unkenntnis der Insolvenz noch zugestellt werden. a) Pfändung vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen

2.56

Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die vor der Anordnung eines Verfügungsverbots oder der Untersagung bzw. einstweiligen Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgebracht wurden, sind zunächst wirksam. Eine Pfändung, die im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag oder später bewirkt wurde, wird mit der Eröffnung des Verfahrens kraft Gesetzes unwirksam (§ 88 InsO)2, ohne dass es dazu noch einer gesonderten Feststellung bedürfte3; wird ein Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 InsO eröffnet, so werden von der Rückschlagsperre auch Pfändungen erfasst, die im zweiten oder dritten Monat vor diesem Antrag ausgebracht wurden (§ 88 Abs. 2 InsO). Wenn es nicht zur Eröffnung des Verfahrens kommt, behalten sie jedoch ihre Gültigkeit. Soweit die Rückschlagsperre des § 88 InsO eingreift, entfällt das materiell-rechtliche Pfändungspfandrecht absolut, aber nur für die Dauer und Zwecke des Insolvenzverfahrens4. Es ist schwebend unwirksam und lebt mit der Freigabe der gepfändeten Forderung oder mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder auf5, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht vom zuständigen Vollstreckungsorgan aufgehoben worden ist, ohne dass es einer erneuten Zustellung des Beschlusses an die Bank als Drittschuldnerin bedarf6. Denn die öffentlich-rechtliche Verstrickung bleibt auch 1 Erwägungsgrund (8) der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 189/59 v. 27.6.2014. 2 Neben dieser Vorschrift ist für die Anwendung des § 240 ZPO über die Unterbrechung von Verfahren kein Raum (BGH v. 28.3.2007 – VII ZB 25/05, ZIP 2007, 983 = NJW 2007, 3132). 3 AG Pößneck v. 24.3.2006 – 2 M 1121/04, ZVI 2006, 209. 4 Kayser in HK-InsO, 10. Aufl. 2020, § 88 Rn. 34 ff.; a.A. Vallender ZIP 1997, 1993; Fink ZInsO 2000, 353. 5 BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZIP 2011, 871 = ZInsO 2011, 812. 6 BGH v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, ZIP 2021, 96 = WM 2020, 2428.

326 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.56 Zweiter Teil

bei Unwirksamkeit des Pfändungspfandrechts zunächst bestehen1, so dass die Bank als Drittschuldner nicht ohne Verstrickungsbruch zahlen kann. Zur Beseitigung der Beschlagnahmewirkung muss sie deshalb auf einer förmlichen Aufhebung2 bestehen. Dies kann durch freiwilligen Verzicht des Gläubigers auf die Rechte aus der Pfändung nach § 843 ZPO geschehen, anderenfalls müsste der Verwalter zunächst Erinnerung (§ 766 ZPO) einlegen3. Eine (einstweilige) Einstellung genügt nicht, weil diese die Verstrickung nicht beseitigt. Allerdings erkennt die Rechtsprechung die gesetzlich nicht geregelte Aussetzung der Pfändung während des Insolvenzverfahrens unter Hinweis auf den Schutz der Gläubigerinteressen an, um die Verstrickung temporär zu beseitigen4. Die Aussetzung der Vollziehung bewirkt, dass der materielle Regelungsgehalt der Pfändungsverfügung bis auf Weiteres nicht mehr verwirklicht werden kann und rechtliche und tatsächliche Folgerungen aus der Pfändungsverfügung nicht mehr gezogen werden dürfen. Für die Dauer der Aussetzung der Vollziehung der Pfändungsverfügung sind das Zahlungsverbot für den Drittschuldner und das Verfügungsverbot für den Vollstreckungsschuldner unbeachtlich. Solange die Aussetzung der Vollziehung wirkt, kann der Schuldner wieder über das Kontoguthaben verfügen5. Unzulässig wäre dagegen eine sog. Ruhendstellung durch den Pfändungsgläubiger6. Die Bank als Drittschuldnerin ist jedoch nicht verpflichtet, die Insolvenzbekanntmachungen zu verfolgen7, um so Kenntnis von der Beendigung des Verfahrens zu erlangen. Wird die Vollziehung der Pfändung bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung ausgesetzt, lebt die Verstrickung mit dieser zwar wieder auf, der Beschluss wird dem Drittschuldner aber nicht zugestellt und lediglich öffentlich bekannt gemacht8. Bis die Bank durch den Gläubiger oder Dritte Kenntnis von der Aufhebung der Aussetzung erlangt, kann sie schuldbefreiend an den Insolvenzverwalter oder Schuldner leisten9. Das Insolvenz- als Vollstreckungsgericht sollte daher nach Beendigung des Insolvenzverfahrens die Entscheidung über die Aufhebung des Verfahrens,

1 BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, ZIP 2017, 2016 = ZInsO 2017, 2267 Rn. 17 = mit Anm. Homann ZVI 2018, 137; LG Frankfurt v. 5.9.2019 – 2-09 T 283/19, ZIP 2020, 233; Kayser in HK-InsO, 10. Aufl. 2020, § 88 Rn. 42; Kuleisa in Hamburger Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2021, § 88 Rn. 19; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 44; Fischer ZInsO 2003, 101; Fink ZInsO 2000, 353 m.w.N.; Bast/Becker NZI 2021, 481; Saager ZVI 2022, 335; a.A. Heinze ZInsO 2017, 1824. 2 BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, ZIP 2017, 2016 = ZInsO 2017, 2267 Rn. 17 = mit Anm. Homann ZVI 2018, 137; AG Essen v. 1.8.2018 – 163 IK 206/15, ZIP 2018, 1941 = ZInsO 2018, 1877; AG Zeitz v. 29.11.2018 – 5 M 754/16, ZInsO 2019, 41; a.A. LG Flensburg v. 28.10.2019 – 5 T 198/19, ZInsO 2020, 786. 3 Fink ZInsO 2000, 353; Marx ZInsO 1998, 306; Vallender ZIP 1997, 1993; a.A. Heinze ZInsO 2017, 1824. 4 BGH v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20, ZIP 2021, 644 = WM 2021, 607; BGH v. 2.12.2021 – IX ZB 10/ 21, ZIP 2022, 602 = WM 2022, 475; LG Flensburg v. 28.10.2019 – 5 T 198/19, ZInsO 2020, 786; LG Stuttgart v. 18.3.2020 – 19 T 145/19, ZIP 2020, 1937 = ZInsO 2020, 1324 = mit Anm. Böhme ZInsO 2020, 1326; a.A. noch AG Essen v. 1.8.2018 – 163 IK 206/15, ZInsO 2018, 1877; AG Göttingen v. 26.10.2018 – 74 IK 155/18, ZInsO 2019, 158; LG Frankfurt v. 5.9.2019 – 2-09 T 283/19, ZIP 2020, 233; AG Zeitz v. 29.11.2018 – 5 M 754/16, ZInsO 2019, 41. 5 BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 130/07, ZInsO 2009, 31; BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 142/11, ZInsO 2013, 207. 6 BFH v. 16.5.2017 – VII R 5/16, ZInsO 2017, 1854; LG Frankfurt v. 5.9.2019 – 2-09 T 283/19, ZIP 2020, 233. 7 BGH v. 15.4.2010 – IX ZR 62/09, ZIP 2010, 935 Rn. 14. 8 BGH v. 2.12.2021 – IX ZB 10/21, ZIP 2022, 602 = WM 2022, 475 Rn. 22. 9 BGH v. 2.12.2021 – IX ZB 10/21, ZIP 2022, 602 = WM 2022, 475 Rn. 23.

Büchel | 327

Zweiter Teil Rz. 2.56 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

die Erteilung der Restschuldbefreiung oder deren Versagung oder die Aufhebung der Aussetzung auch dem Drittschuldner zustellen1.

2.56a

Frühere Pfändungen können nach Verfahrenseröffnung vom Verwalter unter Umständen angefochten werden (s. Rn. 5.528 ff.). Eine Gläubigerbenachteiligung durch Pfändung eines Kontos liegt nicht nur dann vor, wenn die Pfändung auf ein Guthaben trifft. Vielmehr können die Gläubiger auch dann benachteiligt werden, wenn ein Pfändungspfandrecht erst dadurch entsteht, dass der Schuldner einen ihm eröffneten und noch nicht ausgeschöpften Kontokorrentkredit abruft2. Für die Anfechtung kommt es dann auf die wirtschaftliche Situation des Kontoinhabers im Zeitpunkt des Abrufs an.

2.57

Ein Überweisungsbeschluss, der nicht zugleich mit der Pfändung ergangen ist, soll nach der Anordnung des Verfügungsverbots nicht mehr erlassen werden (§ 772 ZPO). Ein unter Missachtung dieser Vorschrift erlassener Überweisungsbeschluss ist unwirksam3 und auf Betreiben des vorläufigen Verwalters bzw. der Bank als Drittschuldnerin aufzuheben4.

2.57a

Für die Bank erhebt sich die Frage, wen und zu welchem Zeitpunkt sie über ein Kontoguthaben verfügen lassen kann, wenn ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorliegt und noch vor der Auszahlung an den Gläubiger ein Insolvenzantrag gestellt wird bzw. das Gericht vorläufige Maßnahmen anordnet. aa) Auszahlung nach Insolvenzantrag

2.58

Wenn ein Insolvenzantrag bereits vorliegt, hindert dies die Bank bis zur Eröffnung des Verfahrens oder der Anordnung vorläufiger Maßnahmen nicht, einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss Folge zu leisten, selbst wenn sie weiß, dass die Pfändung in die Monatsfrist des § 88 InsO oder in die Anfechtungsfrist der §§ 130, 131 InsO fallen wird. Es ist Sache des späteren Verwalters, die daraus folgenden Rechte auszunutzen und gegenüber dem Pfandgläubiger geltend zu machen. Auch kann die Bank nicht voraussehen, ob das Verfahren überhaupt eröffnet oder mangels Masse abgewiesen wird; im letzteren Fall käme die Pfändung wieder zum Zuge. bb) Auszahlung vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen

2.59

Wenn die Bank auf Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die vor der Anordnung vorläufiger Maßnahmen und vor einem Insolvenzantrag erlassen wurden, an den Pfandgläubiger zahlt, ist diese Zahlung in ihrem Verhältnis zum Kontoinhaber bzw. dessen vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalter wirksam. Daran ändert sich auch nichts, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Pfändung im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag bewirkt wurde. Denn die Rückschlagsperre des § 88 InsO erfasst nur Zwangssicherungen, aber nicht etwa schon erlangte Befriedigungen5. Zur Befriedigung führende Vollstreckungsmaßnahmen unter-

1 2 3 4 5

Saager ZVI 2022, 335, 340. BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZIP 2016, 124 = ZInsO 2015, 220 Rn. 3. RG v. 20.6.1917 – V 70/17, RGZ 90, 335. Marx ZInsO 1998, 306; Steder ZIP 2002, 65. OLG Frankfurt v. 23.5.2002 – 16 U 182/01, ZIP 2002, 1852; Blersch/von Olshausen in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2015, § 88 Rn. 6; Kayser in HK-InsO, 7. Aufl. 2014, § 88 Rn. 19; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 24; Vallender ZIP 1997, 1993.

328 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.62 Zweiter Teil

liegen nur der Anfechtung als inkongruente Deckung (Einzelheiten s. Rn. 5.528 ff.). Diese richtet sich gegen den Pfandgläubiger und nicht gegen die Bank. cc) Auszahlung an den vorläufigen Verwalter Zwar kann ein mit einem Verfügungsverbot ausgestatteter vorläufiger Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren von dem Kreditinstitut grundsätzlich die Auszahlung des Kontoguthabens verlangen. Allerdings sollen die Gelder auf ein gesondertes Konto eingezogen werden1. Ist dem Verwalter die Pfändung bekannt, so muss er diese beachten2. Dies bedeutet, dass er nur noch die Leistung an sich und den Vollstreckungsgläubiger gemeinsam oder Hinterlegung nach §§ 372, 1281 BGB verlangen kann3. Die Bank sollte die Zahlung an den Verwalter verweigern und ihn auf die Pfändung hinweisen, wenn er die Auszahlung nur an sich fordert.

2.60

Leistet das Kreditinstitut versehentlich dennoch an den vorläufigen Verwalter, wird es von seiner Leistungsverpflichtung gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger zunächst nicht frei und kann grundsätzlich von dem Gläubiger nochmals auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Einer solchen Forderung sollte die Bank jedoch nicht unverzüglich nachkommen, sondern abwarten, wie sich das Insolvenzverfahren entwickelt. Es besteht nämlich die Aussicht, dass die Pfändung nachträglich ihre Wirkung verliert. Eine Forderungspfändung, die im letzten Monat vor der Verfahrenseröffnung oder noch später vorgenommen wurde, wird mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam (§ 88 InsO); wird ein Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 InsO eröffnet, so werden von der Rückschlagsperre auch Pfändungen erfasst, die im zweiten oder dritten Monat vor diesem Antrag ausgebracht wurden (§ 88 Abs. 2 InsO). Frühere Pfändungen können der Insolvenzanfechtung unterliegen4. Mit der Verfahrenseröffnung oder einer erfolgreichen Anfechtung entfällt auch jegliche Verpflichtung der Bank gegenüber dem Pfändungsgläubiger. Kommt es aber nicht zu einer Verfahrenseröffnung, so ist der Drittschuldner gegenüber dem Pfändungsgläubiger auch dann noch zur Zahlung verpflichtet, wenn er bereits an den vorläufigen Insolvenzverwalter geleistet hat, ohne dass der Pfändungsgläubiger erneut eine Pfändung ausbringen müsste. Denn eine verbotswidrig vorgenommene Pfändung wird mit Aufhebung des Verbots voll wirksam5.

2.61

Wegen der Ungewissheit, ob das Verfahren überhaupt eröffnet wird und ob ggf. die Eröffnung noch fristgerecht geschieht, sollte die Bank einem vorläufigen Verwalter das gepfändete Guthaben nicht auszahlen, solange die Pfändung nicht auch formell aufgehoben oder ausgesetzt ist. Denn die öffentlich-rechtliche Verstrickung ist und bleibt zunächst einmal wirksam6. Dem vorläufigen Verwalter bleibt es überlassen, die Unwirksamkeit oder Aussetzung der Pfändung auf dem dafür vorgesehenen Weg über die Erinnerung des § 766 ZPO gerichtlich geltend zu machen7.

2.62

1 2 3 4

Marx ZInsO 1998, 306. Marx ZInsO 1998, 306. BGH v. 17.12.1998 – IX ZR 1/98, WM 1999, 194; Steder ZIP 2002, 65. BGH v. 21.3.2000 – IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898 = ZInsO 2000, 333; zum maßgeblichen Zeitpunkt für den Eintritt der Anfechtungsvoraussetzungen bei einer Kontopfändung s. OLG Jena v. 17.6.2002 – 9 U 23/02, NZI 2002, 550; OLG Hamm v. 7.6.2001 – 27 U 224/00, ZInsO 2002, 132; OLG Hamm v. 30.4.2002 – 27 U 27/02, NZI 2002, 553; s. auch Rn. 5.528 ff. 5 BVerfG v. 31.3.1992 – 1 BvR 720/90, NJW-RR 1992, 898. 6 Steder ZIP 2002, 65; OLG Saarbrücken v. 13.4.2004 – 4 U 459/03-80, OLGReport 2004, 488. 7 App NZI 1999, 139.

Büchel | 329

Zweiter Teil Rz. 2.63 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

dd) Auszahlung an den Pfandgläubiger

2.63

Bis zur Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO darf die Bank einem Pfandgläubiger, der im Besitz eines vor diesem Zeitpunkt erlassenen Überweisungsbeschlusses ist, ein Guthaben auszahlen. Der Pfandgläubiger kann auch die Nebenrechte aus der Pfändung wie den Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung geltend machen1; die Herausgabe von Kontoauszügen kann der Gläubiger nach § 836 Abs. 3 ZPO nur gegenüber dem Schuldner verlangen, wenn er die Pfändung dieses Anspruchs beantragt und das Gericht diesem Antrag stattgegeben hat2. Gegenüber der Bank besteht kein Anspruch auf Herausgabe der Kontoauszüge3. Nach der Einstellung der Zwangsvollstreckung darf die Bank einer solchen Forderung eines Pfandgläubigers, der die Einziehung bisher nicht erwirkt hat und nunmehr auf einer Auszahlung besteht, dagegen keine Folge leisten4. Nach der Einstellung der Zwangsvollstreckung ist eine Leistung nämlich nur an den Pfandgläubiger und den vorläufigen Verwalter gemeinsam zulässig5. Wenn die Bank jedoch von der vorläufigen Einstellung keine Kenntnis hat, wird sie durch Zahlung an den Pfandgläubiger frei (§ 836 Abs. 2 ZPO); der spätere Insolvenzverwalter muss sich dann wegen der Rückgabe mit dem Pfandgläubiger auseinandersetzen.

2.64

Demgegenüber berührt die Anordnung eines Verfügungsverbots, das nicht durch eine Einstellung der Zwangsvollstreckung begleitet wird, die Einziehungsbefugnis des Pfandgläubigers nicht. Wenn der Pfandgläubiger bislang das Guthaben nicht eingezogen hat oder sich die Pfändung nicht auf den sog. Zustellungssaldo beschränkt, sondern sich auf künftige Guthaben erstreckt6 und ein solches Guthaben erst durch Zahlungseingänge nach der Anordnung des Verfügungsverbots entsteht, gebührt das Guthaben dem Pfändungsgläubiger. Durch das Verfügungsverbot werden nämlich bereits abgeschlossene Rechtshandlungen, deren Rechtsfolgen erst nach dem Verlust der Verfügungsbefugnis eintreten, auch insoweit nicht wirkungslos. Anders als der Insolvenzbeschlag greift das Verfügungsverbot nicht kraft Gesetzes in bestehende Rechtsverhältnisse ein7. Für die Wirkung der Verfügungsbeschränkungen im Insolvenzantragsverfahren verweist § 24 Abs. 1 InsO zwar auf § 81 InsO, der Rechtshandlungen des Schuldners für unwirksam erklärt, ein Verweis auf § 91 InsO, der sich auch auf sonstige Erwerbstatbestände bezieht und diese nicht mehr zulässt, fehlt jedoch für das Eröffnungsverfahren.

2.65

Für die Pfändung von Ansprüchen auf Auszahlung eines Dispositionskredits gilt dies jedoch nur beschränkt: Eine Pflicht des Kreditinstituts zur Kreditauszahlung und ein darauf gerichteter pfändbarer Anspruch des Kunden bestehen nur, sobald und soweit der Kreditnehmer durch eine entsprechende Verfügung (Verlangen nach Barauszahlung, Ausstellung eines Überweisungsauftrags) in Höhe eines bestimmten Geldbetrags die Kreditzusage in Anspruch

1 BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 148/03, ZIP 2003, 1771. 2 BGH v. 28.6.2006 – VII ZB 142/05, WM 2006, 1684; BGH v. 9.2.2012 – VII ZB 49/10, ZIP 2012, 890 = ZInsO 2012, 599; BGH v. 23.2.2012 – VII ZB 59/09, ZIP 2012, 893 = ZInsO 2012, 645. 3 BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 90/05, ZIP 2005, 2252 = WM 2005, 2375; LG Köln 22.3.2013 – 34 T 61/13, WM 2013, 1410. 4 Zum Bereicherungsanspruch gegen den Pfandgläubiger bei irrtümlicher Auszahlung (d.h. hier trotz Kenntnis der Einstellung) s. OLG Düsseldorf v. 20.8.2001 – 1 U 199/00, WM 2002, 74. 5 BGH v. 17.12.1998 – IX ZR 1/98, ZIP 1999, 144 = WM 1999, 194. 6 Die Pfändung künftiger Guthaben ist gem. § 833a ZPO regelmäßig erfasst; zur Zulässigkeit von Dauerpfändungen s. AG Norden v. 21.1.2004 – 9a M 4179/03, NJW-RR 2004, 1692. 7 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737 = WM 1997, 831.

330 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.67 Zweiter Teil

nimmt1. Hat der Kreditnehmer bereits vor der Anordnung des Verfügungsverbots den Kredit abgerufen, so greift die Pfändung, sofern die Auszahlung noch nicht erfolgt ist. Ein Abruf nach Anordnung des Verfügungsverbots ist dagegen unwirksam2, so dass auch die Pfändung nicht zum Zuge kommen kann. Im Gegensatz zum Dispositionskredit ist eine geduldete Überziehung generell nicht pfändbar3. Das Pfändungspfandrecht kann von der Rückschlagsperre erfasst werden oder der Anfechtung ausgesetzt sein. Eine Gläubigerbenachteiligung durch Pfändung eines Kontos liegt nicht nur dann vor, wenn die Pfändung auf ein Guthaben trifft. Vielmehr können die Gläubiger auch dann benachteiligt werden, wenn ein Pfändungspfandrecht erst dadurch entsteht, dass der Schuldner einen ihm eröffneten Kontokorrentkredit abruft4.

2.65a

ee) Auszahlung an den Schuldner Wenn eine Bank an ihren Kunden vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen versehentlich Zahlungen aus einem auf seinem gepfändeten Konto entstandenen Guthaben leistet, bleibt sie dem Pfandgläubiger gegenüber zur Zahlung verpflichtet. Bemerkt sie ihr Versehen, so kann sie die Zahlung an den Pfandgläubiger grundsätzlich aus neu entstehenden Guthaben bewirken. Dies wird jedoch dann problematisch, wenn sich ihr Kunde inzwischen einem Insolvenzverfahren genähert hat. Entsteht das Guthaben innerhalb der letzten 3 Monate vor dem Insolvenzantrag ihres Kunden oder danach, so kann dessen Insolvenzverwalter die Zahlung gegenüber dem Pfandgläubiger nach § 131 InsO als inkongruente Deckung (Einzelheiten s. Rn. 6.222) anfechten5. Maßgebend für die Anfechtbarkeit ist nämlich das Entstehen desjenigen Guthabens, auf das tatsächlich gezahlt wurde. Dass schon vor Beginn des Anfechtungszeitraums ein dem Pfandgläubiger gebührendes Guthaben entstanden war, hilft ihm nicht, denn dieses ist nicht zur Auszahlung gekommen. Der Pfandgläubiger kann sich jedoch bei der Bank schadlos halten. Denn sie ist von ihrer Verpflichtung zur Auszahlung des früheren Guthabens nicht dadurch frei geworden, dass sie an den Kontoinhaber als Nichtberechtigten geleistet hat6. Die als Ersatz vorgenommene Auszahlung des später entstandenen Guthabens hilft ihr nicht, da der Gläubiger dieses wegen der Anfechtung nicht behalten durfte; es war von vornherein mit dem Makel der Anfechtbarkeit behaftet.

2.66

b) Pfändung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen Auch nach der Anordnung vorläufiger Maßnahmen kann es zu Pfändungen des Kontos des Kunden kommen. Deren Wirksamkeit hängt von der Art der getroffenen vorläufigen Maß1 BGH v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, WM 2001, 898; BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, WM 2004, 517; BGH v. 17.2.2004 – IX ZR 318/01, ZInsO 2004, 385; BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, ZIP 2011, 1324; BGH v. 9.2.2012 – VII ZB 49/10, ZInsO 2012, 599; BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, ZInsO 2012, 1318; zum Überziehungskredit s. OLG Köln v. 1.3.2004 – 2 U 189/03, ZInsO 2004, 624; kritisch Bitter WM 2004, 1109; zur Anfechtung gegenüber dem Pfändungsgläubiger s. Vendolsky ZIP 2005, 786; zur Wirkung einer Vereinbarung zwischen Bank und Kunden über die Ausnutzung der Kreditlinie zwecks Befriedigung des Pfändungsgläubigers s. BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 213/06, ZInsO 2008, 374. 2 Zur Anfechtbarkeit s. OLG Rostock v. 19.9.2008 – 5 U 96/08, NZI 2008, 686. 3 LG Ellwangen v. 20.8.2004 – 3 O 299/04, ZInsO 2004, 1371. 4 BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZIP 2016, 124 = ZInsO 2015, 220 Rn. 3. 5 LG Berlin v. 14.11.2012 – 50 S 25/12, ZIP 2013, 947 = ZInsO 2013, 1855. 6 A.A. Stiller ZInsO 2013, 1816 für die Nichtbeachtung eines Pfändungspfandrechts.

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2.67

Zweiter Teil Rz. 2.67 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

nahme und vom Fortgang des Verfahrens ab. Solange sich das Gericht auf die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters beschränkt und keine weiteren Maßnahmen anordnet, hindert dies die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht1. Die Bank kann also etwaige Guthaben an den Pfandgläubiger auszahlen. Daran ändert auch eine Ankündigung des vorläufigen Insolvenzverwalters, die Pfändung anzufechten, nichts. Zur Anfechtung ist er nämlich erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens befugt. Eine solche Anfechtung kann nur gegen den Pfandgläubiger auf Rückgewähr des Empfangenen gerichtet sein und nicht gegen die Bank. aa) Pfändung nach Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots

2.68

Die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots gegen den Kontoinhaber hindert seine Gläubiger nicht an Pfändungen seines Kontos. Diese früher umstrittene, aber von der Rechtsprechung2 vertretene Auffassung hat sich in der Insolvenzordnung niedergeschlagen3. Die Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO wäre dann nämlich, wenn man den vorstehend genannten Sicherungsmaßnahmen eine andere Wirkung zukommen ließe, nicht nötig gewesen. Da sowohl das allgemeine Verfügungsverbot nach § 21 InsO als auch das Veräußerungsverbot nach § 829 ZPO sich nicht unterscheiden, ist die zeitliche Reihenfolge für deren Wirkungen entscheidend4.

2.69

Zwar sollen nach § 772 Satz 1 ZPO die Überweisung der Forderung und damit die Verwertung unterbleiben, wenn ein Verfügungsverbot nach §§ 135, 136 BGB besteht. Anders als das Veräußerungsverbot des § 106 KO, das als gerichtliches Verbot im Sinne der §§ 135, 136 BGB einzuordnen war5 und verbotswidrig vorgenommene Verfügungen nur den Gläubigern gegenüber6, also relativ unwirksam machte, handelt es sich hier durch die Verweisung auf die §§ 81, 82 InsO aber um eine absolute Unwirksamkeit7. Auf absolute Verfügungsverbote ist § 772 ZPO nicht anzuwenden8. Wenn das Vollstreckungsgericht dem Pfändungsgläubiger die Guthabenforderung zur Einziehung überwiesen hat, kann die Bank dem Gläubiger auf seine Anforderung hin das Guthaben, das im Zeitpunkt der Zustellung bestand, und zwischen der Zustellung und der Eröffnung des Verfahrens etwa noch entstehende Guthabensalden, falls diese mit gepfändet sind, auszahlen9. Vollstreckungshandlungen in Form staatlicher Hoheitsakte sind nämlich nicht schon dann unwirksam, wenn sie bei richtiger Sachbehandlung hätten un1 Fink ZInsO 2000, 353. 2 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737 = WM 1997, 831 ff.; BGH v. 19.9.1996 – IX ZR 277/95, ZIP 1996, 1909 = WM 1996, 2078 ff. 3 Marx ZInsO 1998, 306; Fink ZInsO 2000, 353. 4 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737 = WM 1997, 831 ff.; s. auch Marx ZInsO 1998, 306. 5 OLG Köln v. 22.5.1970 – Ss 69/70, KTS 1971, 51; OLG Köln v. 19.10.1978 – 7 U 1/78, WM 1979, 1342; OLG Stuttgart v. 22.11.1984 – 8 W 240/84, KTS 1985, 349; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, ZIP 1989, 1593; OLG Köln v. 15.4.1997 – 22 U 143/96, InVo 1998, 40; LG Frankenthal v. 24.8.1981 – 1 T 201/81, Rpfl. 1981, 438. 6 RG v. 24.4.1909 – V 61/09, RGZ 71, 40; BGH v. 13.1.1956 – V ZB 49/55, BGHZ 19, 359; OLG Köln v. 15.4.1997 – 22 U 143/96, InVo 1998, 40; LG Frankenthal v. 24.8.1981 – 1 T 201/81, Rpfl. 1981, 438; offengelassen in BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737 = WM 1997, 831; BGH v. 6.11.2000 – II ZR 67/99, ZIP 2001, 28 = WM 2000, 2563. 7 Begründung RegE zu § 92 InsO; Kirchhof WM 1996, 1028; Kießling/Singhof DZWIR 2000, 353. 8 Scheuch in Prütting/Gehrlein, ZPO, 14. Aufl. 2022, § 772 Rn. 5. 9 OLG Saarbrücken v. 13.4.2004 – 4 U 459/03-80, OLGReport 2004, 488; a.A. Fink ZInsO 2000, 353.

332 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.72 Zweiter Teil

terbleiben müssen1. Der vorläufige Verwalter muss entweder rechtzeitig im Wege der Drittwiderspruchsklage eine Aufhebung des Überweisungsbeschlusses (§ 772 Satz 2 ZPO) bzw. die Aussetzung der Pfändung erwirken oder sich wegen der Rückgabe mit dem Pfandgläubiger auseinandersetzen. bb) Pfändung nach einstweiliger Einstellung oder Untersagung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Auch wenn das Insolvenzgericht Zwangsvollstreckungen einstweilen eingestellt oder untersagt hat, kann es dennoch – vor allem aufgrund fehlender Information des nach § 828 Abs. 2 ZPO jeweils zuständigen Vollstreckungsgerichts – zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kommen. Diese sind materiell-rechtlich unwirksam. Das Kreditinstitut als Drittschuldner kann also nicht mit befreiender Wirkung an den Pfändungsgläubiger zahlen2. Da die jeweilige Maßnahme vollstreckungsrechtlich jedoch im Raum ist, kann gegen diese – auch seitens der Kreditinstitute als Drittschuldner – im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO vorgegangen werden3. Dies empfiehlt sich gerade für den Drittschuldner, der sowohl von dem vorläufigen Verwalter als auch dem Pfändungsgläubiger aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Anspruch genommen wird.

2.70

Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, erlangt die im Eröffnungsverfahren bewirkte Forderungspfändung volle Wirksamkeit. Der Pfändungsgläubiger kann ungehindert gegen den Drittschuldner vorgehen und Zahlung der Forderung verlangen, ohne dass er erneut eine Pfändung ausbringen müsste4. Denn eine verbotswidrig vorgenommene Pfändung wird mit Aufhebung des Verbots voll wirksam5. Mit der Pfändung ist nämlich die öffentlichrechtliche Verstrickung entstanden. Diese wiederum ist nicht nur Voraussetzung für ein wirksames Pfändungspfandrecht, sondern gleichzeitig auch die Basis für sein mögliches Wiederaufleben. Die Unwirksamkeit ist insofern eine schwebende6.

2.71

c) Ansprüche des Drittschuldners gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter Wenn das Kreditinstitut das Kontoguthaben an den vorläufigen Verwalter ausgezahlt hat und von dem Pfändungsgläubiger erfolgreich nochmals in Anspruch genommen wird, kann es von dem vorläufigen Verwalter Schadenersatz verlangen7. Der vorläufige Verwalter haftet nämlich nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 60 InsO für eine schuldhafte Verletzung seiner Pflichten8. Geschützt werden u.a. die Massegläubiger sowie die Aus- und Absonderungsberechtigten9. Begründet wird dies damit, dass der Verwalter, der trotz Kenntnis möglicher Rechte Dritter fremdes Eigentum zur Masse zieht und damit Eigentumsrechte Dritter verletzt, indem er eine Rechtslage falsch beurteilt bzw. aufklärt, schuldhaft handelt. Ein Verwalter ist ferner verpflichtet, Zahlungen, die eingehen, daraufhin zu überprüfen, ob und in welcher Höhe der Gemeinschuldner einen Anspruch auf diese hat. Er handelt hierbei fahrlässig, wenn er einen 1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG München v. 24.9.1997 – 7 U 2402/97, WM 1999, 317. Marx ZInsO 1998, 306. Steder ZIP 2002, 65. BGH v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, ZIP 2021, 96 = WM 2020, 2428; Marx ZInsO 1998, 306. BVerfG v. 31.3.1992 – 1 BvR 720/90, NJW-RR 1992, 898. Breitenbücher in Graf-Schlicker, InsO, 6. Aufl. 2022, § 88 Rn. 16. Gundlach DZWIR 1998, 133; Marx ZInsO 1998, 306. BGH v. 29.9.1988 – IX ZR 39/88, ZIP 1988, 1411 = NJW 1989, 1034 ff. BGH v. 5.3.1998 – IX ZR 265/97, ZIP 1998, 655 = WM 1998, 838; s. auch Rn. 1.312.

Büchel | 333

2.72

Zweiter Teil Rz. 2.72 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Scheck einlöst und zur Masse zieht1. Das Gleiche muss auch in den Fällen gelten, in welchen ein vorläufiger Insolvenzverwalter trotz der ihm bekannten Forderungspfändung bei dem Drittschuldner eine Forderung einzieht und diese verwertet. d) Drittschuldnererklärung

2.73

Aufgrund der Zustellung eines Pfändungsbeschlusses ist die Bank auf Verlangen des Pfändungsgläubigers zur Abgabe der sog. Drittschuldnererklärung verpflichtet (§ 840 ZPO). Notwendig ist lediglich eine vollstreckungsrechtlich wirksame Pfändung. Es kommt nicht darauf an, ob die Pfändung anfechtbar oder ob zu erwarten ist, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Pfändungsschuldners alsbald eröffnet und zur Unwirksamkeit der Pfändung nach § 88 InsO führen wird.

2.74

Der Drittschuldner hat sich gem. § 840 Abs. 1 ZPO darüber zu erklären, – ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkennt und Zahlung zu leisten bereit sei, – ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen, – ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet sei, – ob innerhalb der letzten zwölf Monate im Hinblick auf das Konto, dessen Guthaben gepfändet worden ist, nach § 907 ZPO die Unpfändbarkeit des Guthabens festgesetzt worden ist, und – ob es sich bei dem gepfändeten Konto um ein Pfändungsschutzkonto im Sinne des § 850k ZPO oder ein Gemeinschaftskonto im Sinne des § 850l ZPO handelt; bei einem Gemeinschaftskonto ist zugleich anzugeben, ob der Schuldner nur gemeinsam mit einer oder mehreren anderen Personen verfügungsbefugt ist2. Eine Erstattung der Kosten für die Bearbeitung kann die Bank grundsätzlich nicht verlangen3.

2.75

Wenn Kontoguthaben bestehen, muss die Bank dies in der Drittschuldnererklärung zwar bestätigen. Sie sollte jedoch Formulierungen vermeiden, die über die nach § 840 ZPO gebotene Wissenserklärung hinausgehen und als Anerkenntnis ausgelegt werden könnten4. Denn zu einer solchermaßen versprochenen Auszahlung wird die Bank nicht in der Lage sein, wenn sich die nach einem Insolvenzantrag naheliegende Gefahr, dass es zu einer Eröffnung des Verfahrens kommt und das Pfändungspfandrecht entweder bereits kraft Gesetzes (§ 88 InsO) oder durch Anfechtung wieder entfällt, verwirklicht, bevor das Guthaben an den Gläubiger übertragen werden kann.

1 OLG Celle v. 4.11.1981 – 3 U 18/81, ZIP 1982, 84 (85); OLG Celle v. 6.8.1981 – 16 U 203/80, ZIP 1981, 1003 ff. 2 Weiterführend Günther WM 2011, 2307; zum Umfang der Haftung für fehlerhafte Drittschuldnererklärungen s. OLG Koblenz v. 17.4.2013 – 3 W 223/13, WM 2013, 1025. 3 BGH v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, ZIP 1999,1090; OLG Köln v. 11.12.1998 – 6 U 46/98, WM 1999, 633. 4 LG Braunschweig v. 7.6.1962 – 7 T 92/62, NJW 1962, 2308; LG Berlin v. 22.11.1977 – 81 T 554/77, Rpfl. 1978, 64; OLG München v. 27.6.1974 – 24 U 756/74, NJW 1975, 174; a.A. Foerste NJW 1999, 904.

334 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.77 Zweiter Teil

Zu einer Benachrichtigung des Gläubigers über ein Verfügungsverbot oder eine einstweilige Einstellung oder Untersagung der Zwangsvollstreckung ist die Bank zwar nicht verpflichtet; ein vorläufiger Verwalter ist unabhängig davon, ob man ihn als Partei kraft Amtes oder als Vertreter einordnet1, keine „andere Person“ im Sinne von § 840 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Ein derartiger Hinweis kann jedoch zweckmäßig sein, um den Gläubiger darüber aufzuklären, dass eine Einziehung des Guthabens angesichts der zu erwartenden Rückforderung seitens des Verwalters für ihn keinen Sinn macht. Von der Drittschuldnererklärung sollte die Bank den vorläufigen Verwalter benachrichtigen. Zur Herausgabe von Kontoauszügen ist die Bank nur dann berechtigt und verpflichtet, wenn der Gläubiger die Pfändung dieses Anspruchs beantragt und das Gericht diesem Antrag stattgegeben hat2.

2.76

Die Drittschuldnererklärung könnte wie folgt abgefasst werden:

2.77

M 9 Drittschuldnererklärung [Briefkopf der Bank] An Firma ... [Gläubiger] In der Zwangsvollstreckungssache gegen ... [Schuldner] teilen wir unter Bezugnahme auf den uns am ... zugestellten Pfändungsbeschluss/Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des ...-gerichts ... [Aktenzeichen] mit: 1. Die gepfändete Forderung besteht in voller Höhe der Vollstreckungsforderung. 2. Die Pfändung der künftigen Forderungen ist vorgemerkt. 3. Ansprüche Dritter an den gepfändeten Forderungen sind uns nicht bekannt. 4. Weitere Pfändungen sind uns nicht zugestellt worden, 5. Für Konto, dessen Guthaben gepfändet worden ist, ist innerhalb der letzten zwölf Monate nach § 907 ZPO die Unpfändbarkeit des Guthabens nicht angeordnet worden. 6. Es handelt sich (nicht) um ein Pfändungsschutzkonto im Sinne von § 850k ZPO. 7. Es handelt sich um ein Gemeinschaftskonto im Sinne von § 850l ZPO, über das der Schuldner wie folgt verfügen kann: – allein oder – nur gemeinsam mit einer oder mehreren anderen Personen, Wir weisen darauf hin, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beantragt/vom Insolvenzgericht ... ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet/Maß1 Zum Meinungsstreit s. Hess/Obermüller, Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der Insolvenzordnung, 1996, Rn. 855, 675 ff. 2 BGH v. 9.2.2012 – VII ZB 49/10, ZIP 2012, 890 = ZInsO 2012, 599; BGH v. 23.2.2012 – VII ZB 59/09, ZIP 2012, 893 = ZInsO 2012, 645.

Büchel | 335

Zweiter Teil Rz. 2.77 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen nahmen der Zwangsvollstreckung untersagt/einstweilen eingestellt worden sind. Wir bitten Sie, sich mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter ... zu verständigen. Mit freundlichen Grüßen ...-Bank

e) Pfändungsschutzkonten

2.78

Ein Pfändungsschutzkonto ist natürlichen Personen vorbehalten und kann nur als Einzelkonto geführt werden. Es ist keine besondere (neue) Kontoart bzw. ein eigenständiges Kontomodell mit selbständigen Hauptleistungspflichten, auch kein „aliud“ gegenüber dem Girokonto und kein selbständiger Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB mit besonderen Hauptleistungspflichten, sondern ein herkömmliches Girokonto, das aufgrund eines Verlangens des Kontoinhabers „als Pfändungsschutzkonto geführt“ (§ 850k Abs. 1 ZPO) wird1 und dessen Leistungsinhalt im Wesentlichen dem Girovertrag eines herkömmlichen Girokontos entspricht. Ein Pfändungsschutzkonto wird oft schon bestehen, wenn ein Insolvenzantrag eingereicht und vorläufige Maßnahmen angeordnet werden. Wenn der Schuldner es versäumt hat, ein solches Konto einzurichten, wird er versuchen, ein neues Konto als Pfändungsschutzkonto zu eröffnen oder das bestehende Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto umzuwandeln. aa) Bestehendes Pfändungsschutzkonto

2.78a

Wenn der Bankkunde im Zeitpunkt des Erlasses vorläufiger Maßnahmen nach § 21 InsO wie z.B. der Anordnung eines Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts schon ein Pfändungsschutzkonto eingerichtet hatte, bleibt dieses Konto bestehen. Vor der Krise abgeschlossene Bankverträge bleiben nämlich vom Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und von einem Insolvenzantrag unberührt2. Die Kontokorrentabrede und die darin liegende Vorausverfügung werden durch ein allgemeines Verfügungsverbot nicht unwirksam3. Hat das Gericht im Insolvenzantragsverfahren ein allgemeines Verfügungsverbot oder ein Verfügungsverbot in Hinblick auf die Kontoführung angeordnet (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO), kann grundsätzlich nur noch der vorläufige Insolvenzverwalter über die Vermögenswerte auf dem Konto des Schuldners verfügen. Im Fall eines Zustimmungsvorbehalts benötigt der Schuldner für Verfügungen sein Einverständnis.

2.78b

Verfügungsverbote und Zustimmungsvorbehalte können sich aber immer nur auf Vermögenswerte beziehen, die im Fall der Verfahrenseröffnung in die Insolvenzmasse fallen würden. Dazu würde das Pfändungsschutzkonto nicht gehören4. Guthaben, die sich auf einem Pfändungsschutzkonto befinden, werden von diesen Beschränkungen deshalb nicht berührt;

1 BGH v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, ZIP 2015, 624; BGH v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, ZIP 2013, 1809; BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, WM 2012, 2381 Rn. 17–24. 2 LG Stuttgart v. 31.7.1995 – 12 O 53/95, ZIP 1995, 1406 = WM 1996, 154; Nobbe KTS 2007, 397. 3 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/ 01, NZI 2002, 204; LG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992; a.A. Nobbe KTS 2007, 397. 4 Büchel ZInsO 2010, 20; du Carrois ZInsO 2010, 2279.

336 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.79a Zweiter Teil

über sie kann der Kontoinhaber ohne Mitwirkung des vorläufigen Verwalters verfügen. Ausgenommen sind Beträge, die über die Freigrenzen hinausgehen. Insoweit gelten dieselben Regeln wie für das eröffnete Verfahren. Der Insolvenzantrag oder die vorläufigen Maßnahmen nach § 21 InsO berechtigen die Bank zur Kündigung eines auf dem Konto etwa eingeräumten Dispositionskredits und der Vereinbarung über Kreditkartennutzung, sofern dies nicht bereits mit Umstellung des Kontos geschehen ist. Angesichts der Rechtsprechung, die formularmäßige Kündigungsklauseln in Vereinbarungen über die Umwandlung von Girokonten in Pfändungsschutzkonten als unangemessene Benachteiligung betrachtet und für unwirksam hält1, sind dazu individuelle Entscheidungen der Bank notwendig. Es ist aber fraglich, ob diese Rechtsprechung nach dem gesetzlichen Gebot des PKoFoG, P-Konten nur auf Guthabenbasis zu führen (s. Rn. 2.79b), noch Bestand haben kann, da die Inanspruchnahme eines Dispositionskredits damit unvereinbar ist. Daneben besteht aber weiterhin die Möglichkeit, dass der Kunde und die Bank die Verträge einvernehmlich beenden oder der Kunde selbst kündigt.

2.78c

bb) Neueröffnung eines Pfändungsschutzkontos Wenn im Insolvenzantragsverfahren ein Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet wird, hindert das den Kunden nicht, neue Bankverträge abzuschließen und z.B. auch ein neues Konto als Pfändungsschutzkonto einzurichten. Denn seine Verpflichtungsund Geschäftsfähigkeit geht nicht verloren. Guthaben, die sich auf einem solchen Pfändungsschutzkonto bilden, werden von diesen Beschränkungen grundsätzlich nicht berührt; über sie kann der Kontoinhaber ohne Mitwirkung des vorläufigen Verwalters verfügen. Denn Verfügungsverbote oder Zustimmungsvorbehalte können sich immer nur auf Vermögenswerte beziehen, die im Fall der Verfahrenseröffnung zur Insolvenzmasse gehören würden2. Ausgenommen sind Beträge, die über die Freigrenzen hinausgehen. Insoweit gelten dieselben Regeln wie für das eröffnete Verfahren.

2.78d

cc) Umwandlung eines Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto Hat das Gericht im Insolvenzantragsverfahren ein allgemeines Verfügungsverbot oder ein Verfügungsverbot in Hinblick auf die Kontoführung angeordnet (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO), so hindern diese einstweiligen Maßnahmen den Schuldner nicht, sein Recht aus § 850k Abs. 1 ZPO zur Umwandlung dieses Kontos in ein Pfändungsschutzkonto auszuüben. Denn dies ist ein höchstpersönliches Recht, das nicht in die Masse fallen und deshalb auch nicht auf einen vorläufigen Verwalter mit Verfügungsverbot übergehen oder an seine Zustimmung gebunden werden kann3. Übt der Kontoinhaber es aus, kann er über den unpfändbaren Teil seines Kontoguthabens wieder frei verfügen4. Dazu ist eine Erklärung an die Bank ausreichend. Diese ist nicht berechtigt, die Auszahlung von einer Freigabe durch den vorläufigen Verwalter abhängig zu machen.

2.79

Den Anspruch auf Umwandlung räumt § 850k ZPO nur Inhabern von Einzelgirokonten und nur natürlichen Personen ein. Zur Umwandlung von Gemeinschaftskonten, Gesellschaftskon-

2.79a

1 OLG Schleswig v. 26.6.2012 – 2 U 10/11, ZIP 2012, 1901; a.A. OLG Dresden v. 10.4.2018 – 14 U 82/16, ZIP 2018, 1919. 2 Büchel ZInsO 2010, 20. 3 Ahrens NJW-Spezial 2017, 341. 4 Büchel ZInsO 2010, 20; du Carrois ZInsO 2010, 2279.

Büchel | 337

Zweiter Teil Rz. 2.79a | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

ten, Sparkonten und Depots ist die Bank nicht berechtigt. Wie nach alter Rechtslage stellt § 850k Abs. 1 ZPO in der Fassung des PKoFoG1 klar, dass ein Einzel-Zahlungskonto Voraussetzung für das Umwandlungsverlangen des Schuldners ist. Der Schutz von Guthaben auf Gemeinschaftskonten erfolgt nunmehr nach § 850l ZPO, der aber nur die Übertragung auf ein anderes Einzel-Zahlungskonto des Schuldners vorsieht, nicht die Umwandlung des Gemeinschaftskontos selbst. Dagegen kann der vorläufige schwache Verwalter nicht das Umwandlungsrecht des Schuldners ausüben2, sondern muss entscheiden, ob er das Konto freigeben will. Vertragliche Rechte einer Bank, aus Anlass der Umwandlung eines Girokontos in ein PKonto die Geschäftsbeziehung (ordentlich) zu kündigen, sind durch die Regelungen in § 850k ZPO nicht ausgeschlossen3.

2.79b

Auch debitorische Konten können in Pfändungsschutzkonten umgewandelt werden, wie das PKoFoG mittlerweile in § 850k Abs. 1 Satz 2 ZPO klargestellt hat. Sie sind nach der Umwandlung ausschließlich auf Guthabenbasis zu führen, § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO i.d.F. des PKoFoG. Wegen der erheblichen praktischen Schwierigkeiten hat der Gesetzgeber das bei vielen Banken angewandte Zwei-Konten-Modell anerkannt4 und in § 901 Abs. 3 ZPO i.d.F. des PKoFoG übertragen. Danach wird das Konto zwar als Pfändungsschutzkonto fortgeführt, der Sollsaldo aber zuvor auf ein neues Konto übertragen und die dort verbuchte Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Zahlungen werden dann aus dem fortgeführten Pfändungsschutzkonto geleistet5. Auch der umgekehrte Weg (Übertragung der Zahlungseingänge auf ein anderes, als Pfändungsschutzkonto geführtes Konto) ist möglich, ebenso die Disposition im debitorischen Konto, wenn die IT-Technik – wie bei einigen Banken – den Schuldner so stellt, wie er beim Zwei-Konten-Modell stehen würde.

2.79c

Bis zur Umwandlung des Kontos kann ein vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot von der Bank die Auszahlung eines etwa vorhandenen Guthabens verlangen. Weder die Bank noch der Schuldner können sich auf das Zahlungsmoratorium des § 835 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 ZPO berufen. Dieses hilft nur gegenüber Pfändungen, da diese Vorschrift in der Aufzählung der insolvenzfreien Gegenstände des § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht aufgeführt wird. Dementsprechend kann der Schuldner nach Umwandlung des Kontos von dem Verwalter auch nicht die Herausgabe von Geldern beanspruchen, die dieser vor der Umwandlung von dem Konto abgehoben hat.

2.79d

Die Umwandlungserklärung kann allerdings anfechtbar sein6. Die Argumentation, dass der Gesetzgeber die Umwandlung gerade zu dem Zweck erlaubt habe, eine insolvenzrechtliche Privilegierung bestimmter Kontoguthaben zu schaffen, findet in der Gesetzesbegründung keinen Anknüpfungspunkt. Auch kann gegen eine Gläubigerbenachteiligung nicht eingewendet 1 Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG) v. 22.11.2020, BGBl. I 2020, S. 2466; das Gesetz gilt seit dem 1.12.2021. 2 Günther ZInsO 2013, 859; AG Kandel v. 17.1.2011 – 1 C 531/10, juris. 3 LG Leipzig v. 10.12.2015 – 5 O 1239/15, ZIP 2016, 207. 4 BT-Drucks. 19/19850, S. 30, 37. 5 Büchel BKR 2009, 358. 6 Ebenso für die Umwandlung von Altersrenten nach § 851c ZPO: OLG Naumburg v. 8.12.2010 – 5 U 96/10, ZInsO 2011, 677; LG München I v. 28.11.2012 – 26 O 8154/12, ZInsO 2013, 352; AG Köln v. 31.5.2012 – 130 C 25/12, ZIP 2012, 1976; Ahrens in Prütting/Gehrlein, ZPO Kommentar, 14. Aufl. 2022, § 851c Rn. 47; Smid, Pfändungsschutz bei Altersrenten, FPR 2007, 443; Wimmer, jurisPR-InsR 7/2007 Anm. 5; Wimmer ZInsO 2007, 281; kritisch Kemperdick ZInsO 2012, 2193; Wollmann ZInsO 2012, 2061.

338 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.81 Zweiter Teil

werden, dass der durch die Umwandlung dem Zugriff des Verwalters (wieder) entzogene Vermögenswert nicht der Masse gebührte. Denn bis zur Umwandlungserklärung gehörte das Guthaben zur Masse. In Betracht kommt der Anfechtungstatbestand des § 132 Abs. 1 InsO, weil den (künftigen) Insolvenzgläubigern durch die Umwandlung des Kontos in ein Pfändungsschutzkonto rückwirkend das Guthaben entzogen worden ist1.

10. Unkenntnis der Bank von dem Verfügungsverbot Wenn der Bank das Verfügungsverbot nicht zur Kenntnis gelangt ist, kann sie mit befreiender Wirkung Verfügungen des Kunden zu Lasten seines Kontos zulassen (§ 24 Abs. 1, § 82 Satz 1 InsO). Hat sie vor der öffentlichen Bekanntmachung des Verfügungsverbots geleistet, so wird ihre Unkenntnis vermutet (§ 24 Abs. 1, § 82 Satz 2 InsO), so dass die Beweislast den Verwalter im eröffneten Verfahren trifft. Auch nach Ablauf des zweiten Tages seit der Veröffentlichung kann die Bank noch mit befreiender Wirkung an den Kunden leisten, wenn sie von dem Verfügungsverbot keine Kenntnis hatte. Zwar gilt die Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung nach Ablauf des zweiten Tages seit der Veröffentlichung als bewirkt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 InsO), dies schließt jedoch den Beweis der Unkenntnis nicht aus2. Die fahrlässige Unkenntnis, das sog. Kennenmüssen, steht der Kenntnis nicht gleich3. Auch die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Insolvenz schließen lassen, schadet nicht. Diese in § 130 Abs. 2, § 131 Abs. 2 InsO enthaltene Fiktion der Kenntnis beruht auf dem Bemühen der Insolvenzrechtsreform, die Anfechtung von Rechtshandlungen vor Verfahrenseröffnung zu erleichtern4; eine Ausdehnung dieser Sonderregelungen auf andere Themen ist nicht zulässig. Die Bank ist auch nicht verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen zu schaffen, die im Internet zugänglichen Informationen über eine Insolvenz aufzunehmen und weiterzuverarbeiten5. Ob sie mit verhältnismäßig geringem Aufwand Insolvenzbekanntmachungen im Internet programmgesteuert mit eigenen Kundendaten hätte abgleichen und wesentliche Informationen fortlaufend übernehmen können, ist nicht relevant6. Allerdings kehrt sich die Beweislast nach Ablauf des zweiten Tages seit der Veröffentlichung um, nunmehr muss die Bank ihre Unkenntnis beweisen. Entscheidend für die Beweislastverteilung ist allein die öffentliche Bekanntmachung nach § 9 Abs. 3 InsO, weitere Bekanntmachungen in Tageszeitungen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 InsO können zwar den guten Glauben beseitigen, hier bleibt es jedoch bei der Beweislast des Insolvenzverwalters7.

2.80

11. Kontoführung Nach Anordnung eines Verfügungsverbots wird der vorläufige Insolvenzverwalter ein neues Konto einrichten, auf das er ein etwaiges Guthaben überträgt und über das er den Zahlungsverkehr abwickelt8. Dies kann als Fremdkonto des Schuldners – allerdings mit alleiniger Verfügungsmacht des Verwalters, als Eigenkonto des Verwalters in der Form des Insolvenz-Sonderkontos oder eines offenen Treuhandkontos9, aus dessen Bezeichnung seine Eigenschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9

BGH v. 13.10.2011 – IX ZR 80/11, NZI 2011, 937. OLG Schleswig v. 21.6.2002 – 1 U 208/01, DZWIR 2002, 514. LG München v. 2.12.1986 – 32 S 11420/86, WM 1987, 222. RegE Allgemeine Begründung A 4b gg. BGH v. 15.4.2010 – IX ZR 62/09, ZIP 2010, 935. OLG Bremen v. 30.1.2014 – 3 U 52/13, ZIP 2014, 430 = ZInsO 2014, 498. BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92. Übersicht über die gebräuchlichen Kontoformen s. Büttner ZInsO 2012, 2309. BGH v. 24.1.2019 – IX ZR 110/17, ZInsO 2019, 563; d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280.

Büchel | 339

2.81

Zweiter Teil Rz. 2.81 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

als vorläufiger Verwalter ersichtlich ist, geführt werden. Hier gelten im Wesentlichen dieselben Regeln wie für die Kontoführung durch den Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren1.

2.82–2.89

frei

III. Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot 2.90

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen für notwendig hält, aber kein Verfügungsverbot verhängen will, kann es einen vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Mitwirkungsbefugnisse einsetzen (sog. schwacher Verwalter) oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Wenn Eigenverwaltung beantragt wird, wird grundsätzlich noch kein Zustimmungsvorbehalt angeordnet werden (Ausnahme: § 270c Abs. 3 Satz 2 InsO); der Schuldner ist lediglich im Innenverhältnis gehalten, Verbindlichkeiten nicht gegen den Willen des vorläufigen Sachwalters zu begründen (§ 275 Abs. 1 Satz 1 InsO)2.

1. Verwalter ohne Mitwirkungsbefugnisse oder Sachwalter 2.91

Die Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Mitwirkungsbefugnisse ändert nichts an den Rechtsbeziehungen des Kunden zu seiner Bank; insbesondere bleiben die Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem Kunden, das darauf beruhende gesetzliche Schuldverhältnis und die darauf gestützten einzelnen Rechtsverhältnisse unberührt3. Der vorläufige Verwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen; der Schuldner hat ihm Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten und ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen (§ 22 Abs. 3 InsO). Im Übrigen hat das Gericht seine Pflichten und damit auch seine Aufgaben und Rechte im Einzelnen festzulegen. Diese dürfen nicht über die Befugnisse hinausgehen, die dem vorläufigen Verwalter im Fall der Anordnung eines Verfügungsverbots zustehen würden (§ 22 Abs. 2 InsO).

2.91a

Vom Umfang seiner Befugnisse hängen demgemäß auch seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Kontobeziehungen des Schuldners zu der Bank ab. Wenn ihm das Gericht lediglich Prüfungsrechte zugebilligt und Berichtspflichten auferlegt hat, bleiben die Kontobeziehungen des Kunden zu der Bank und seine Verfügungsbefugnisse unberührt. Ohne die Mitwirkung des Schuldners kann der Verwalter dann nicht einmal Auskünfte von der Bank einholen, denn die Auskunftsansprüche des § 22 Abs. 3 InsO stehen dem vorläufigen Verwalter nur gegenüber dem Kunden, nicht aber gegenüber dessen Bank zu. Anfragen des Verwalters an die Bank darf diese wegen des Bankgeheimnisses nur beantworten, wenn der Schuldner zustimmt (s. Rn. 2.366 ff.). Gegenüber dem Verwalter ist der Schuldner verpflichtet, die gewünschten Informationen zu beschaffen. Für ihn ist es also das Einfachste, die Zustimmung zu erteilen.

2.92

Wurde auf den Antrag auf Eigenverwaltung ein vorläufiger Sachwalter bestellt, so hat dies auf die Verfügungsbefugnis des Kunden über seine Konten und Depots grundsätzlich keine Wirkung (Ausnahme: § 270c Abs. 3 Satz 2 InsO). Der vorläufige Sachwalter kann aber von dem Schuldner verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur von dem Sachwalter entgegen1 Blankenburg/Godzierz ZInsO 2019, 1092; Saager/d’Avoine/Berg ZIP 2019, 2041; Möhring ZInsO 2019, 2601; d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280; Einzelheiten s. Rn. 2.242 ff. 2 Weiterführend Buchalik/Hiebert ZInsO 2015, 1953. 3 LG Lübeck v. 2.12.1999 – 11 O 89/99, DZWIR 2000, 78.

340 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.94a Zweiter Teil

genommen und Zahlungen nur von dem Sachwalter geleistet werden (§ 270b Abs. 1 Satz 1, § 275 Abs. 2 InsO)1. Für einen Sachwalter, der die Kassenführung an sich gezogen hat, gelten die Ausführungen unter Rn. 2.282 ff. entsprechend.

2. Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt Die Ausstattung eines vorläufigen Verwalters mit einem Zustimmungsvorbehalt hat auf die Verfügungsbefugnis des Kunden über seine Konten und Depots zunächst einmal die gleiche Wirkung wie ein Verfügungsverbot, d.h. Verfügungen sind dem Kunden untersagt.

2.93

Anders als bei der Anordnung eines Verfügungsverbots tritt der vorläufige Verwalter jedoch nicht an die Stelle des Kunden, vielmehr ist er an dessen Mitwirkung gebunden, d.h. der Kunde kann gegenüber der Bank nur dann noch Verfügungen treffen, wenn der Verwalter zustimmt. Ist beispielsweise für ein Gemeinschaftskonto Einzelverfügungsbefugnis vereinbart, so kann der vorläufige Insolvenzverwalter auch dann, wenn er mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist, die Einzelverfügungsbefugnis nicht wirksam widerrufen2. Dieses Recht verbleibt dem Schuldner. Der vorläufige Verwalter ist rechtlich nicht in der Lage, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten3. Ebenso wenig kann er selbst Verfügungen mit Wirkung für und gegen die spätere Insolvenzmasse vornehmen. Er hat kein Initiativrecht; der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Verwalter tritt nicht an die Stelle des Schuldners, sondern an seine Seite4. Daran ändert sich auch nichts, wenn der vorläufige Verwalter zur Einziehung von Bankguthaben und sonstigen Forderungen des Schuldners ermächtigt ist, es sei denn, dem vorläufigen Verwalter sind die Rechte aus dem Vertrag über die Führung des Gemeinschaftskontos insgesamt zur Ausübung überwiesen5.

2.93a

3. Kontoführung Über die Form der Kontoführung durch den vorläufigen Verwalter herrscht offenbar eine babylonische Sprachverwirrung6. Um diese zu beheben, müssen die verschiedenen Ausgestaltungen der Befugnisse des vorläufigen Verwalters unterschieden und die bankrechtliche Konstruktion des Kontos beachtet werden.

2.94

a) Konto des Kunden ohne Verfügungsverbot und Zustimmungsvorbehalt Solange kein Verfügungsverbot und kein Zustimmungsvorbehalt erlassen sind, müssen die Konten weiter unter dem Namen des Schuldners geführt werden. Manche Banken eröffnen nach einem Insolvenzantrag des Kunden oder einer Kreditkündigung ein neues Unterkonto unter der Stammnummer des Kunden und separieren dort alle „neuen“ Zahlungseingänge. Wenn auf dem laufenden Konto der Kündigungssaldo unverändert bleibt, dient dies der besseren Übersichtlichkeit. Dabei wird leicht übersehen, dass auch dies eine Vertragsänderung ist, die der Mitwirkung des Kontoinhabers bedarf. Der vorläufige Verwalter wird über die Einrichtung des Unterkontos informiert und erhält Zweitschriften der Kontoauszüge, die Zahlungseingänge müssen je nach Zuordnung ausgekehrt oder nach entsprechender Abrechnung 1 2 3 4 5 6

Weiterführend Buchalik/Hiebert ZInsO 2015, 1953. BGH v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, ZIP 2020, 2079 = ZInsO 2020, 2262 Rn. 20. BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = ZIP 2002, 1625. BGH v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, ZIP 2020, 2079 = ZInsO 2020, 2262 Rn. 20. BGH v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, ZIP 2020, 2079 = ZInsO 2020, 2262 Rn. 23. So jedenfalls Büttner ZInsO 2012, 2309.

Büchel | 341

2.94a

Zweiter Teil Rz. 2.94a | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

auf das Sicherheitenerlöskonto umgebucht werden. Da ein Auftrag des Kunden zu dieser Art der Kontoführung fehlt, muss die Bank sicherstellen, dass der vorläufige Verwalter stets zum einen vorab über die von der Bank beabsichtigte Vorgehensweise und zum anderen zeitnah über die hiernach von der Bank vorgenommenen Umbuchungen informiert wird. b) Konto des Kunden bei Zustimmungsvorbehalt

2.95

Unter dem Namen des Schuldners sind Konten auch dann weiterzuführen, wenn ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet ist. Dann allerdings ist zu vermerken, dass Verfügungen nur noch durch den Kontoinhaber und den vorläufigen Insolvenzverwalter gemeinsam zulässig sind. Die Bank muss sich diese Zustimmung jeweils für den Einzelfall nachweisen lassen; die Zustimmung kann auch pauschal für bestimmte Geschäfte oder für Verfügungen in einer bestimmten Größenordnung erteilt werden. Banktechnisch ist dies ähnlich wie bei einem Gemeinschaftskonto mit gemeinsamer Verfügungsbefugnis zu handhaben.

2.95a

Da der vorläufige Verwalter nicht für den Schuldner handeln kann, ist es ihm nicht ohne Weiteres möglich, ein Insolvenz-Sonderkonto auf den Namen des Schuldners oder im eigenen Namen zu eröffnen1. Das Insolvenzgericht kann ihn hierzu aber ermächtigen2. Die Befugnis zum Einzug von Bankguthaben ist dafür allerdings nicht ausreichend3, es muss den vorläufigen Verwalter vielmehr ausdrücklich zur Einrichtung des Insolvenz-Sonderkontos ermächtigen4. Anderenfalls kann der schwache vorläufige Verwalter nur ein offenes Vollrechtstreuhandkonto auf seinen Namen führen und hat die eingesammelten Gelder mit Eröffnung des Verfahrens auf ein (neu eröffnetes) Sonderkonto zu übertragen5. c) Konto des Kunden bei besonderem Verfügungsverbot

2.96

Das Insolvenzgericht kann die Befugnisse eines vorläufigen Verwalters ohne Verwaltungsund Verfügungsbefugnis gegenüber dem Kreditinstitut des Schuldners auch dadurch erweitern, dass es ihm ein besonderes Verfügungsverbot, insbesondere ein solches bezüglich seiner Vermögenswerte bei diesem Kreditinstitut auferlegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO) oder den vorläufigen Verwalter ermächtigt, Bankguthaben oder sonstige Forderungen des Schuldners einzuziehen. Dies stellt ein rechtliches Minus zu einem allgemeinen Verfügungsverbot dar, ist aber in seinen Konsequenzen ebenso wie dieses zu behandeln. d) Treuhandkonto des vorläufigen Verwalters

2.97

In der Praxis sind fortgeführte oder neu eröffnete Konten auf den Namen des Insolvenzschuldners vor allem nach Verfahrenseröffnung eher die Ausnahme. Das Guthaben auf derartigen Konten ist dem Insolvenzschuldner zuzuordnen, so dass Massegläubiger in dieses Guthaben Zwangsvollstreckungen bewirken könnten. Insolvenzverwalter sind bestrebt, diese Ge1 Möhring ZInsO 2019, 2601; d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280, 1284. 2 d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280, 1284; Blankenburg/Godzierz ZInsO 2019, 1092, 1094; Wischemeyer/Dimassi ZIP 2020, 1210, 1213; AG Dresden v. 10.2.2020 – 532 IN 876/19, ZInsO 2020, 1261; a.A. Möhring ZInsO 2019, 2601, 2603. 3 BGH v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, ZIP 2020, 2079 = ZInsO 2020, 2262 Rn. 22. 4 d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280, 1284; Wischemeyer/Dimassi ZIP 2020, 1210, 1213; ein Formulierungsvorschlag für eine entsprechende Anordnung findet sich bei Blankenburg/Godzierz ZInsO 2019, 1092, 1094. 5 d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280, 1284; Möhring ZInsO 2019, 2601, 2604.

342 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.98a Zweiter Teil

fahr auszuschließen und eröffnen u.a. aus diesem Grund stattdessen Konten auf ihren eigenen Namen, auf das sie dann die Gelder aus der Fortführung des Unternehmens und aus der Verwertung der Insolvenzmasse einziehen und anlegen1. Dafür kommt die Einrichtung eines Treuhandkontos in Betracht2, während Anderkonten zur Verwaltung der (künftigen Masse) nicht mehr zulässig sind3. aa) Zweckmäßigkeit eines offenen Treuhandkontos Nur das Vollrechtstreuhandkonto des Verwalters ist vor ausgebrachten Pfändungen von Gläubigern des Schuldners geschützt, die sich in aller Regel nicht nur auf bestehende, sondern auch auf künftige Forderungen und somit Konten des Schuldners beziehen. Selbst ein neu eröffnetes Insolvenz-Sonderkonto des Verwalters auf seinen Namen bei derselben Bank würde von bestehenden Kontopfändungen erfasst und ist vor neuen Pfändungen der Gläubiger nicht geschützt4. Der vorläufige Verwalter hätte keine Möglichkeit, weiter ungestört den Zahlungsverkehr des Schuldners abwickeln zu können, was zu erheblichen Friktionen führen kann5. Insolvenzgläubiger sind nicht gehindert, im Eröffnungsverfahren wegen ihrer Forderungen gegen den Schuldner zu vollstrecken und Konten des Schuldners oder das InsolvenzSonderkonto des Verwalters zu pfänden, sofern nicht das Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagt oder einstweilen einstellt. Die Pfändungen unterliegen zwar nach § 88 InsO der Rückschlagsperre, welche aber erst mit Insolvenzeröffnung greift. Von solchen Pfändungen können auch vom schwachen vorläufigen Verwalter erst später auf den Namen des Schuldners eingerichtete Konten oder ein Sonderkonto auf seinen Namen6 erfasst sein. Auch wenn die Pfändungen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO und §§ 88 ff. InsO unwirksam sind, betrifft dies allein das Pfandrecht. Die öffentlich-rechtliche Verstrickung und somit die hoheitliche Beschlagnahme der Guthabenforderung bleibt bestehen7. Der (vorläufige) Verwalter muss solche Kontopfändungen deswegen mit der Erinnerung gem. § 766 ZPO beseitigen oder ihre Aussetzung bewirken oder den Pfändungsgläubiger bewegen, die von ihm ausgebrachte Pfändung zurückzunehmen. Vorher wäre das dem Vermögen des Schuldners zugeordnete Konto jedoch „gesperrt“, sodass dem vorläufigen Insolvenzverwalter ein Zugriff auf dieses Konto nicht mehr möglich wäre.

2.98

Die Einrichtung eines Treuhandkontos durch den mit Zustimmungsvorbehalt ausgestatteten vorläufigen Insolvenzverwalter8 kann zudem sinnvoll sein, wenn er zur Finanzierung des Eröffnungsverfahrens und zur Fortführung des Betriebs Lieferungen oder Kredite benötigt, die er – wenn überhaupt – nur erhält gegen seine persönliche Zusage, für die rechtzeitige Rück-

2.98a

1 2 3 4 5

Kuder ZInsO 2009, 584. Kamm ZInsO 2019, 1085; Blankenburg/Godzierz ZInsO 2019, 1092; Möhring ZInsO 2019, 2601. BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845. Büchel ZInsO 2020, 1513. Zuleger NZI 2019, 414; Kamm ZInsO 2019, 1085; Möhring ZInsO 2019, 2601; Diskussionspapier des Bankenverbandes v. 30.8.2019 – ZInsO 2019, 2205. 6 Büchel ZInsO 2020, 1513. 7 BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, ZIP 2017, 2016 = ZInsO 2017, 2267 Rn. 17 = mit Anm. Homann ZVI 2018, 137; Kayser in HK-InsO, 8. Aufl. 2016, § 88 Rn. 42; Kuleisa in Hamburger Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2021, § 88 Rn. 19; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 44; Fischer ZInsO 2003, 101; Fink ZInsO 2000, 353 m.w.N.; Bast/Becker NZI 2021, 481; Saager ZVI 2022, 335; a.A. Heinze ZInsO 2017, 1824. 8 Weitere Formen der Kontoerrichtung s. Marotzke ZInsO 2004, 721.

Büchel | 343

Zweiter Teil Rz. 2.98a | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

zahlung, d.h. eine Rückzahlung noch vor der Eröffnung des Verfahrens Sorge zu tragen1. Dies ist für die Lieferanten bzw. die Bank nur vertretbar, wenn sie sicher sein können, dass der vorläufige Verwalter seine Zusage auch einhalten kann, denn den Charakter einer Masseforderung kann er den Forderungen nicht verschaffen2, was für ihn zur Folge haben kann, dass er gegenüber dem Geschäftspartner in die persönliche Haftung gerät3. Um dies zu vermeiden, kann er Barmittel, die er zur Erfüllung der unter seiner Mitwirkung begründeten Verbindlichkeiten benötigt, z.B. im sog. Treuhandkontenmodell4 zurückhalten5. Hilfreich kann ein Beschluss des Insolvenzgerichts sein, der den Verwalter zu dieser Vorgehensweise ermächtigt6.

2.99

Die Einrichtung eines solchen Treuhandkontos ist auch in Fällen, in denen Schadenersatzansprüche auf den vorläufigen Verwalter zukommen können, nützlich. Zur Sicherung gegen etwaige Schadenersatzansprüche kann der vorläufige Insolvenzverwalter ein auf seinen eigenen Namen lautendes Treuhandkonto einrichten, von dem er auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Zahlungen an etwa geschädigte Gläubiger leisten kann, so dass diese nicht auf eine Insolvenzforderung und einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegen ihn verwiesen sind7.

2.99a

Soweit der vorläufige Insolvenzverwalter mit der Bank vereinbart, dass dieses Konto überzogen werden darf, handelt es sich um eine Kreditabsprache, aus der der Verwalter persönlich haftet. bb) Zulässigkeit eines offenen Treuhandkontos

2.100

Der Einsatz eines offenen Treuhandkontos zur Verwaltung der Gelder, die mit Eröffnung des Verfahrens zur Masse gehören würden, ist weiterhin zulässig. Zwar hat der BGH8 entschieden, dass nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Einrichtung eines Vollrechtstreuhandkontos wie z.B. eines Anderkontos, das nicht die Masse selbst als materiell berechtigt ausweist, sondern aus dem ausschließlich der das Konto eröffnende Rechtsanwalt persönlich der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet ist, unzulässig sein soll. Stattdessen soll der Insolvenzverwalter ein Insolvenz-Sonderkonto einrichten, das unabhängig davon, ob es ausdrücklich

1 S. auch BGH v. 15.10.2003 – VIII ZR 358/02, ZIP 2003, 2166 zu Vereinbarungen unter Beteiligung des Insolvenzverwalters über Aufrechterhaltung des Betriebs durch Verlustausgleichsfonds oder Feuerwehrfonds. 2 AG Hamburg v. 16.12.2002 – 67g IN 419/02, ZIP 2003, 43. 3 OLG Celle v. 21.10.2003 – 16 U 95/03, NZI 2004, 89; OLG Brandenburg v. 16.9.1999 – 8 U 16/99, ZIP 1999, 1979. 4 Str., s. auch Rn. 5.691 und AG Hamburg v. 15.7.2003 – 67g IN 205/03, ZInsO 2003, 816 m.w.N.; AG Hamburg v. 22.4.2004 – 67c IN 46/04, ZInsO 2004, 517; AG Hamburg v. 8.12.2004 – 67g IN 390/04, ZInsO 2005, 447; AG Hamburg v. 20.2.2006 – 67g IN 513/05, ZInsO 2006, 218; Blankenburg/Godzierz ZInsO 2019, 1092; Frind ZInsO 2004, 470; Frind ZInsO 2004, 840; Frind ZInsO 2005, 1296; Heyrath/Reck ZInsO 2009, 1678; Mönning/Hage ZInsO 2005, 1185; Werres ZInsO 2006, 918; Wiester NZI 2003, 632; Windel ZIP 2009, 101; zur Unanwendbarkeit des § 181 BGB s. Bork NZI 2005, 530. 5 LG Duisburg v. 28.3.2001 – 7/24 T 99/00, ZIP 2001, 1020. 6 Zur Überwachung des vorläufigen Verwalters durch das Gericht s. Marotzke ZInsO 2004, 721. 7 AG Hamburg v. 22.4.2004 – 67c IN 46/04, ZInsO 2004, 517. 8 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 31 = mit Anm. Wipperfürth ZInsO 2019, 845; Zuleger NZI 2019, 414; OLG Köln v. 31.5.2006 – 13 U 97/05; so wohl auch Paulus WM 2008, 473; Ringstmeier FS Runkel, 2009, 187.

344 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.100c Zweiter Teil

auf den Namen des Schuldners oder auf den Namen des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes lautet, Bestandteil der Insolvenzmasse ist. Vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gibt es jedoch noch keine Insolvenzmasse und die vom BGH vorgeschlagene Form des Sonderkontos passt nicht zu der Stellung des vorläufigen Verwalters1. Der vorläufige Verwalter repräsentiert nicht die Masse, sondern wird nur in Teilbereichen aktiv. Anders als im eröffneten Verfahren kann er die Masse nicht vertreten, keine oder nur beschränkt Masseverbindlichkeiten begründen und muss gelegentlich – wie oben (Rn. 2.98a) dargestellt – auch Verbindlichkeiten zugunsten des Unternehmens eingehen, für die er persönlich haftet und für deren Begleichung er Gelder ansammeln muss. Ob es überhaupt zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und damit zur Bildung einer Insolvenzmasse kommt, ist zunächst noch ungewiss. Würde das Insolvenzverfahren eröffnet, müsste ein solches Konto nach §§ 116, 115 InsO beendet und ein neues eröffnet werden. Unklar ist, was geschieht, wenn das Verfahren mangels Masse nicht eröffnet wird oder wenn das Konto nach der Schlussverteilung (wider Erwarten) noch Guthaben aufweist. Für alle diese Situationen ist ein Treuhandkonto geeignet, nicht aber ein Sonderkonto, das Bestandteil einer etwaigen späteren Masse wird.

2.100a

Manche Insolvenzgerichte fassen daher nach §§ 21 ff. lnsO einen gesonderten Beschluss, der den vorläufigen Insolvenzverwalter dazu ermächtigt, ein Insolvenz-Sonderkonto zu eröffnen2. Ein solcher Beschluss ist dann notwendig, wenn es sich um ein Konto des Schuldners handelt oder der Verwalter ein Konto auf seinen Namen als Ermächtigungstreuhänder mit dem Schuldner als Rechtsträger eröffnen will. Denn ein vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot kann den Schuldner noch nicht aus dessen Verfügungsmacht verdrängen. Ein Beschluss, der den vorläufigen Insolvenzverwalter zur Eröffnung eines Insolvenz-Sonderkontos (und die Begründung von entsprechenden Masseverbindlichkeiten für die Kontoführungsgebühren) ermächtigt, mag zwar für die Praxis wichtig sein, wenn er die durch das Urteil des BGH3 eingetretenen Rechtsunsicherheiten seitens der Banken beseitigen und auch verhindern würde, dass Banken mangels eines wirksam eingerichteten Kontos die bei ihnen zum Zwecke der (späteren) Massebildung eingehenden Gelder rücküberweisen4. Er kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im vorläufigen Verfahren keine Insolvenzmasse gibt und der Schuldner dadurch kein Rechtsträger wird. Für ein Treuhandkonto wäre eine solche Ermächtigung dagegen nicht erforderlich und darüber hinaus verfehlt.

2.100b

cc) Notwendigkeit eines offenen Treuhandkontos Ist der vorläufige Verwalter nicht ermächtigt, ein Insolvenz-Sonderkonto auf seinen Namen zu eröffnen, muss er ein offenes Treuhandkonto führen, um die Verfahrensgelder eigenständig zu verwalten. Die eingesammelten Gelder hat er dann mit Eröffnung des Verfahrens auf ein (neu eröffnetes) Sonderkonto zu übertragen (s. Rn. 2.95a). Die Eröffnung eines Kontos auf den Namen des Schuldners ist schon wegen dessen notwendiger Mitwirkung nicht praktikabel und wird von den meisten Banken abgelehnt.

1 A.A. AG Dresden v. 10.2.2020 – 532 IN 876/19, ZInsO 2020, 1261. 2 Ebenso d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280, 1284; Saager/d’Avoine/Berg ZIP 2019, 2041, 2046; Wischemeyer/Dimassi ZIP 2020, 1210, 1213 f. 3 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845. 4 Heerma/Rinck ZIP 2019, 2000.

Büchel | 345

2.100c

Zweiter Teil Rz. 2.100d | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

2.100d

Zieht der vorläufige Verwalter im Eröffnungsverfahren Forderungen ein, die nicht (mehr) zum Schuldnervermögen und damit zur künftigen Insolvenzmasse gehören, weil die Forderungen zum Beispiel zur Sicherheit an einen Dritten abgetreten worden sind, hat er diese zur Sicherung der (Ersatz-)Aus- und Absonderungsrechte auf ein offenes Treuhandkonto einzuziehen1. Das Gleiche gilt, wenn die Rechte streitig sind, insbesondere die Rechtslage durch den Verwalter noch nicht abschließend geprüft und bewertet werden konnte2 oder die Sicherungsrechte an den Forderungen nach Eröffnung des Verfahrens anfechtbar sein könnten. e) Anderkonto des vorläufigen Verwalters

2.101

Ein Anderkonto ist dagegen nicht mehr zulässig (Einzelheiten s. Rn. 2.246 ff.). Es verträgt sich nicht mit der Stellung des Verwalters als Partei kraft Amtes3. Anderkonten sind offene Vollrechtstreuhandkonten4, aus denen ausschließlich der kontoeröffnende Rechtsanwalt oder Treuhänder persönlich gegenüber der Bank verpflichtet ist5. Deshalb hat der BGH die Verwendung eines Anderkontos als Konto für die Anlage der Gelder der Insolvenzmasse nach der Verfahrenseröffnung untersagt. Diese Gründe passen – wie soeben dargestellt (Rn. 2.100a), zwar nicht auf die Kontoführung vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Anlage des Schuldnervermögens auf einem Anderkonto ist aber auch aus anderen Gründen abzulehnen. Dies zeigt ein Vergleich der Vor- und Nachteile eines Anderkontos mit denen eines Treuhandkontos: aa) Privilegien des Anderkontos

2.101a

Das Anderkonto ist ein offenes Treuhandkonto und durch die Anderkonto-Bedingungen besonders ausgestaltet6: – Anderkonten sind für Berufsträger vorgesehen, die einer Standesaufsicht durch Kammern unterliegen. Dazu zählen z.B. Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Notare, wenn deren konkrete Tätigkeit unter die jeweilige Standesaufsicht fällt7. Kontoinhaber und damit Gläubiger und Schuldner der Bank ist der jeweilige Berufsträger, der als Vollrechtsinhaber8 allein verfügungsbefugt ist. – Gegen Pfändungen von Gläubigern des Berufsträgers in dessen Anderkonto ist der Treugeber geschützt. Das Treugut wird als zum Vermögen des Treugebers gehörend betrachtet, so dass dem Treugeber bei der Einzelzwangsvollstreckung die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO zusteht9.

1 2 3 4 5 6

BGH v. 24.1.2019 – IX ZR 110/17, ZIP 2019, 472 = ZInsO 2019, 563. d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280 (1284). BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225 = WM 1995, 352. BGH v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279 = ZInsO 2007, 1228. BGH v. 5.11.1953 – IV ZR 95/53, BGHZ 11, 37 = WM 1955, 372. Habl, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2015/114. Lfg., Rn. 2/256; Gößmann WM 2000, 857; Ringstmeier FS Runkel, 2009, 187. 7 Gößmann WM 2000, 857. 8 BGH v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279 = ZInsO 2007, 1228. 9 BGH v. 7.4.1959 – VIII ZR 219/57, WM 1959, 686; s. auch Obermüller DB 1983, 1833; Obermüller WuB VI B – § 43 KO – 1.93 zu BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, ZIP 1993, 213 = WM 1993, 83.

346 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.101d Zweiter Teil

– Pfändungen von Gläubigern des Treugebers in das Anderkonto des jeweiligen Berufsträgers sind ebenfalls nicht zulässig, auch wenn ein entsprechendes Guthaben dem Treugeber wirtschaftlich zuzuordnen ist. – Die Bank verzichtet gemäß Nr. 12 der Anderkonto-Bedingungen für Rechtsanwälte auf ihr AGB-Pfandrecht gemäß Nr. 14 AGB Banken (Nr. 21 AGB Sparkassen), auf ihr Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB an dem Kontoguthaben wegen ihrer Forderungen gegen den Kontoinhaber sowie auf ihr Recht zur Aufrechnung mit ihren Forderungen gegen den Kontoinhaber (z.B. Kreditforderungen) gegen das Guthaben auf dem Anderkonto. bb) Nachteile des Anderkontos aus insolvenzrechtlicher Sicht Manche Regelungen der Anderkonto-Bedingungen stehen aber teilweise im Widerspruch zum Amt des Insolvenzverwalters und erschweren dessen Ausübung:

2.101b

– Inhaber eines Anderkontos können nur die vorgenannten Berufsträger sein. Einerseits werden die Insolvenzverwalter aber nicht in ihrer beruflichen Eigenschaft als Anwalt, Steuerberater etc. tätig, sondern als Partei kraft Amtes zur Abwicklung des Insolvenzverfahrens, weshalb sogar über ein eigenständiges Standesrecht nachgedacht wird1. Andererseits ist denjenigen Verwaltern der Zugang zu Anderkonto verwehrt, die nicht einer der privilegierten Berufsgruppen angehören. – Eine Kontovollmacht kann der Kontoinhaber nur einem Rechtsanwalt, Notar, Notarassessor, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten erteilen (Nr. 7 der Anderkonto-Bedingungen für Rechtsanwälte). Der kaufmännische Angestellte des Insolvenzverwalters hat demnach außen vor zu bleiben. – Die Nachfolgeregelung für den Fall des Todes des Kontoinhabers sieht vor, dass ein von der Rechtsanwaltskammer bestellter Vertreter oder Abwickler verfügungsberechtigt wird (Nr. 13 der Anderkonto-Bedingungen für Rechtsanwälte). Der neue Insolvenzverwalter könnte also nicht sofort nach seiner Bestellung über das Konto verfügen, sondern muss erst seinen Herausgabeanspruch gegen den Vertreter bzw. Abwickler geltend machen2. cc) Privilegien des offenen Treuhandkontos Richtig ist es deshalb, für den Insolvenzverwalter ein offenes Treuhandkonto in seiner allgemeinen Form statt eines spezielleren Anderkontos einzurichten, soweit er nach der Rechtsprechung des BGH3 nicht zur Führung eines Insolvenz-Sonderkontos verpflichtet ist. Der Insolvenzverwalter – auch wenn er z.B. Rechtsanwalt oder Steuerberater ist – wird nicht in seiner Eigenschaft als Berufsträger, sondern als gesetzlicher Treuhänder tätig. Eine Pflicht für den Insolvenzverwalter zur Eröffnung eines Anderkontos kann schon wegen der zuvor dargestellten unpassenden Anderkonto-Bedingungen nicht bestehen4.

2.101c

Wesentlich bei der Eröffnung eines offenen Treuhandkontos ist, dass der Treuhandcharakter eines solchen Kontos nach außen klar erkennbar wird. In diesem Zusammenhang kommt der

2.101d

1 2 3 4

INDat Report 02_2021, S. 28 – Interview mit Christine Lambrecht, BMJV. Hess, InsO, 2001, § 148 Rn. 23. BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845. Kießling NZI 2006, 440.

Büchel | 347

Zweiter Teil Rz. 2.101d | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Kontoinhaberbezeichnung eine bedeutende Rolle zu1. Lautet diese auf den Namen des Insolvenzverwalters ergänzt um den Zusatz, ob es sich um den vorläufigen oder den endgültigen Insolvenzverwalter handelt2, ist offenkundig, dass auf das Konto nur Werte gelangen sollen, die dem Verwalter als Kontoinhaber treuhänderisch zustehen und von ihm auch nur in dieser Weise zu verwalten sind.

2.101e

Eröffnet die Bank dem Insolvenzverwalter ein solches offenes Treuhandkonto, vereinbart sie mit ihm nach ständiger Rechtsprechung des BGH3 dieselben Privilegien wie für ein Anderkonto. Das in Nr. 14 AGB Banken (Nr. 21 AGB Sparkassen) vereinbarte Pfandrecht am Kontoguthaben für Ansprüche der Bank gegen den Insolvenzverwalter wird mit der Kontoeröffnung konkludent abbedungen4. Ebenso wird vertraglich vereinbart, dass die Bank ihr Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht aufgrund von Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter nicht geltend machen kann5. Ihr AGB-Pfandrecht sowie ihr Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht stehen der Bank nur in Anbetracht von Forderungen zu, die im Zusammenhang mit Vorgängen auf dem offenen Treuhandkonto entstanden sind.

2.101f

Für den Fall, dass Gläubiger des Insolvenzverwalters die Zwangsvollstreckung in das offene Treuhandkonto betreiben, kann der Insolvenzschuldner als Treugeber Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben6.

2.101g

Trotz des Gleichlaufs der rechtlichen Vorteile eines offenen Treuhandkontos und eines Anderkontos finden sich in der Praxis noch häufig Konten auf den Namen des Insolvenzverwalters, bei denen die Anderkonto-Bedingungen für Rechtsanwälte vereinbart wurden. Kollidieren in einem solchen Fall die insolvenzrechtlichen Vorgaben mit den Regelungen in den Anderkonto-Bedingungen, stellt sich die Frage, ob die Anderkonto-Bedingungen überhaupt gelten. Eröffnet die Bank in dem Wissen, dass der Kontoinhaber Insolvenzverwalter eines bestimmten Schuldners ist, ein „Anderkonto“, so kann darin auch das Einvernehmen zwischen Bank und Kontoinhaber gesehen werden, nur ein allgemeines offenes Treuhandkonto zu führen ohne die Geltung der Anderkonto-Bedingungen, die im Widerspruch zum Amt des Insolvenzverwalters stehen7. Allerdings wird dieses Einvernehmen bis zu der BGH-Entscheidung zur Unzulässigkeit von Anderkonten als Verfahrenskonten8 eher die Ausnahme gewesen sein, da die Banken zwar schon vorher davon ausgingen, dass das Anderkonto nicht so geeignet wie ein offenes Treuhandkonto war, es aber auf ausdrücklichen Wunsch des Verwalters als legitime Form eines Abwicklungskontos angesehen worden ist.

1 Vgl. BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 15/95, ZIP 1996, 271. 2 Z.B. „Max Mustermann, vorl. Insolvenzverwalter der ABC GmbH“ oder „Max Mustermann, Insolvenzverwalter der ABC GmbH i.I.“. 3 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 894; BGH v. 1.7.1993 – IX ZR 251/92, ZIP 1993, 1185. 4 Mackenthun, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2016/125. Lfg., Rn. 1/407; BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 894. 5 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 894; BGH v. 1.7.1993 – IX ZR 251/92, ZIP 1993, 1185; BGH v. 21.1.1999 – I ZR 209/96, NJW-RR 1999, 1992. 6 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 894; für den Insolvenzschuldner könnte ein Sonderinsolvenzverwalter die Drittwiderspruchsklage erheben. 7 So im Ergebnis auch BGH v. 19.5.1988 – III ZR 38/87, ZIP 1988, 1136. 8 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845.

348 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.102 Zweiter Teil

dd) Nachteile eines jeden Treuhandkontos aus insolvenzrechtlicher Sicht Nachteile hat das offene Treuhandkonto auf den Namen des Insolvenzverwalters insbesondere dann, wenn es zu einem Wechsel des Insolvenzverwalters durch die Wahl eines neuen Verwalters (§ 57 InsO) oder infolge der Entlassung eines Verwalters aus dem Amt (§§ 59, 56 InsO) kommt. Der neue Verwalter erhält nicht wie bei einem auf den Namen des Insolvenzschuldners geführten Konto unmittelbar die Verfügungsbefugnis1, sondern muss erst ein neues Konto einrichten und vom bisherigen Verwalter die Übertragung der Werte verlangen; ohne dessen Zustimmung darf die Bank keine Kontoverfügungen vornehmen. Solange sich die Vermögenswerte auf dem Treuhandkonto befinden, sind sie wie bei einem Anderkonto der Person zuzuordnen, die als Kontoinhaber bezeichnet ist. Dem Kontoinhaber steht der Bank gegenüber die alleinige und uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über die Ansprüche aus dem Kontoguthaben zu2. Das gilt auch dann, wenn der Kontoinhaber im Verhältnis zum Insolvenzschuldner sein Amt als Insolvenzverwalter verloren hat. im Falle des Todes des bisherigen Insolvenzverwalters muss sich der neue Insolvenzverwalter an die Erben wenden3.

2.101h

Unterlässt der bisherige Verwalter die Übertragung der Gelder auf ein Konto seines Nachfolgers, so kann ihn das Insolvenzgericht unter Androhung von Zwangsgeld auffordern, sämtliche für das Insolvenzantragsverfahren eingerichteten Treuhand- oder Anderkonten binnen 24 Stunden auf den neu bestellten Insolvenzverwalter zu übertragen4.

2.101i

Außerdem sind die Guthaben auf dem Treuhandkonto nicht Bestandteil der Masse5. Bereicherungsrechtliche Ansprüche richten sich bei rechtsgrundlosen Zahlungen dann direkt gegen den Verwalter persönlich6, weshalb er sich nicht auf eine eventuelle Masseunzulänglichkeit berufen kann.

2.101j

f) Beendigung des Kontos Zur Aufhebung der Kontobeziehung mit dem Kunden ist grundsätzlich eine Kündigung erforderlich. Nach Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts können nur der vorläufige Verwalter bzw. der Kunde mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters, nicht aber der Kunde allein den Girovertrag bzw. das Kontokorrent kündigen. Anders als die Bank, die für die ordentliche Kündigung eine Frist von 2 Monaten einhalten muss (Nr. 19 Abs. 1 Satz 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen, § 675h Abs. 2 Satz 2 BGB), kann die Kundenseite ohne jede Frist kündigen (Nr. 18 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen). Nach der Kündigung des Girovertrages ist die Bank weder berechtigt noch verpflichtet, für den Kunden eingehende Zahlungen entgegenzunehmen7. Sie kann daher auch keine Zah1 A.A. OLG Köln v. 31.5.2006 – 13 U 97/05, das ein solches Konto als ein für die Masse eingerichtetes Sonderkonto ansieht. 2 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225; BGH v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZInsO 2007, 1228; OLG Bremen v. 8.7.2004 – 2 W 34/04, ZInsO 2005, 322. 3 Einzelheiten zu den Folgen des Todes des Insolvenzverwalters s. Wozniak ZInsO 2019, 2300. 4 LG Dessau-Roßlau v. 15.8.2012 – 1 T 221/12 – 1 T 222/12, ZIP 2012, 2519. 5 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18 Rn. 29, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845, 848. 6 BGH v. 26.3.2015 – IX ZR 302/13, ZIP 2015, 1179 = ZInsO 2015, 1151. 7 OLG Rostock v. 31.7.2006 – 3 U 161/05, ZIP 2006, 1872; BGH v. 5.12.2006 – XI ZR 21/06, ZIP 2007, 319; a.A. OLG Koblenz v. 8.2.2008 – 8 U 11/07, WM 2009, 112, das eine Berechtigung der Bank zur Entgegennahme auch noch 20 Monate nach Erlöschen des Girovertrags annimmt, und Herresthal WM 2013, 773, der eine nachwirkende Pflicht bis zu 1 Jahr annimmt.

Büchel | 349

2.102

Zweiter Teil Rz. 2.102 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

lungseingänge festhalten, um sie mit einem debitorischen Saldo des Kunden zu verrechnen. Vielmehr muss sie diese Gelder an den Absender zurückgeben.

2.102a

Wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet oder zwar eröffnet, aber eine andere Person als der bisherige vorläufige Verwalter zum Insolvenzverwalter bestellt wird, geht ein auf den Namen des bisherigen Verwalters errichtetes offenes Treuhandkonto nicht automatisch auf den Schuldner bzw. dessen Insolvenzverwalter über. Vielmehr ist der vorläufige Verwalter zur Übertragung verpflichtet1. Zu übertragen ist das Guthaben und nicht das Konto, denn eine Kontobeziehung mit einer anderen Person kann nicht ohne Mitwirkung der Bank begründet werden.

2.102b

Anders verhält es sich, wenn der hierzu besonders ermächtigte vorläufige schwache Insolvenzverwalter ein Insolvenz-Sonderkonto auf seinen Namen im Sinne der BGH-Rechtsprechung2 eröffnet hatte, bei dem er als Ermächtigungstreuhänder zwar allein verfügungsbefugt war, Rechtsträger aber der Schuldner ist. In diesem Fall endet mit seinem Amt auch seine Verfügungsbefugnis, die entweder auf den neuen (vorläufigen) Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes oder – bei Aufhebung des Verfahrens – auf den Schuldner übergeht.

IV. Eröffnetes Insolvenzverfahren 2.103

Für die Fortdauer der Kontobeziehung, des Einlagengeschäfts, der Schrankfach- und Verwahrstückverträge und Depotverträge und die Verfügungsbefugnis über die Konten ergeben sich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhebliche Änderungen:

1. Verhaltens- und Schutzpflichten 2.104

Aufgrund der Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem Kunden entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis mit Verhaltens- und Schutzpflichten3, aber ohne primäre Leistungspflichten, die erst durch weitere Verträge wie z.B. einen Zahlungsdienstevertrag zustande kommen. Dieses gesetzliche Schuldverhältnis wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden nicht beendet. Denn es handelt sich nicht um einen auf Geschäftsbesorgung im Sinn von § 675 BGB gerichteten Dienstvertrag, der mit der Eröffnung des Verfahrens erlöschen (§§ 116, 115 InsO)4 und nur ausnahmsweise als fortbestehend gelten würde, nämlich wenn die Bank, ohne dass sie ein Verschulden träfe, von der Verfahrenseröffnung keine Kenntnis erlangt hat (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO). Vielmehr bleiben beispielsweise die Pflicht der Bank zur Einhaltung des Bankgeheimnisses und die Verpflichtungen zwischen Bank und Kunden, die gegenseitigen Vermögensinteressen zu wahren, grundsätzlich unberührt.

1 OLG Oldenburg v. 20.12.2012 – 1 U 70/12, ZIP 2013, 786 = NZI 2013, 938. 2 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845. 3 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 345/01, ZIP 2002, 2082 = WM 2002, 2281; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = WM 2019, 550 Rn. 11; vgl. dazu im Einzelnen Mülbert in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 3.5 ff.; Roth, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/147. Lfg., Rn. 2/8 ff. 4 BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 11.

350 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.105b Zweiter Teil

2. Kontokorrentverhältnisse Das im Rahmen des Girovertrags vereinbarte laufende Konto wird regelmäßig als Kontokorrentkonto geführt. In dem vom Schuldner unterzeichneten Kontoeröffnungsvertrag findet sich dementsprechend typischerweise die Vertragsklausel, dass das Kreditinstitut für das Konto in laufender Rechnung quartalsweise Rechnungsabschlüsse erteilen soll. Während sich im Rahmen eines „echten“ Kontokorrents nach § 355 HGB ein anspruchsbegründender Saldo lediglich mit Rechnungsabschluss ergibt, hat der Vertragspartner beim Kontokorrentkonto einen Anspruch auf Auszahlung des Tagessaldos, soweit dieser einen Verfügungsrahmen zugunsten des Kunden ausweist1.

2.105

a) Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt das bestehende Kontokorrentverhältnis2 und die Kontokorrentabrede als antizipierte Verfügungsvereinbarung endet wegen der Sperrwirkung des § 91 InsO3. Für die Kontokorrentkonten ist ein außerordentlicher Saldenabschluss durchzuführen4, falls dies nicht schon vorher wegen der Anordnung eines Verfügungsverbots geschehen ist. Bei dem Kontoabschluss können wegen § 91 Abs. 1 InsO nur diejenigen Forderungen gegeneinander verrechnet werden, die vor Insolvenzeröffnung entstanden und somit kontokorrentgebunden sind5. Sogenannte Kontoauflösungsgebühren dürfen nicht berechnet werden6, da es sich um eine Beendigung kraft Gesetzes handelt.

2.105a

Durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kontoinhabers erlischt auch ein sog. Basiskonto, sofern es nicht als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Das Guthaben gehört dann zur Insolvenzmasse. Zwar hat die Bundesregierung aufgrund der EU-Zahlungskontenrichtlinie7 im Zahlungskontengesetz (ZKG)8 die Banken verpflichtet, mit Verbrau-

2.105b

1 Kirstein ZInsO 2014, 1921 m.w.N. 2 OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/97, NZI 2000, 181; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/03, ZInsO 2004, 683; OLG Dresden v. 1.9.2005 – 13 U 1139/05, ZInsO 2007, 45; BGH v. 21.6.2005 – XI ZR 152/04, ZIP 2005, 1448; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZInsO 2008, 803; BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZInsO 2009, 659; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZInsO 2015, 742; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZInsO 2019, 678 Rn. 11; Nobbe KTS 2007, 397; a.A. Bitter/Vollmerhausen WuB 2019, 358 m.w.N. 3 BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 719, 720; OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/97, NZI 2000, 181; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/03, ZInsO 2004, 683, 686; OLG Düsseldorf v. 19.2.2020 – I-12 U 52/19, ZInsO 2020, 2387; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 116 Rn. 16. 4 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137; BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 720; BGH v. 13.11.1990 – XI ZR 217/89, ZIP 1991, 155 = WM 1991, 60 = WuB I E 1. – 2.91 Sonnenhol; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/ 03, ZInsO 2004, 683; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 495; Merz WM 1983, 106. 5 BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 720. 6 Heinze InsBüro 2019, 488. 7 Richtlinie 2014/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.7.2014 über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (ABl. L 257/2014) mit RegE v. 6.1.2016, BTDrucks. 18/7204 mit Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) v. 24.2.2016, BT-Drucks. 18/7691. 8 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen v. 11.4.2016, BGBl. I 2016, 720; s. zur Begründung RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der

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Zweiter Teil Rz. 2.105b | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

chern einen sog. Basiskontovertrag abzuschließen (§ 31 Abs. 1 ZKG)1, den die Bank nur unter engen Voraussetzungen kündigen darf. Zu den nach § 42 ZKG zulässigen Kündigungsgründen gehört die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht. Im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens handelt es sich jedoch nicht um eine gewillkürte Kündigung, sondern um eine Beendigung kraft Gesetzes. Dies wird durch das ZKG nicht ausgeschlossen. Dem Kunden bleibt es überlassen, mit dem Insolvenzverwalter eine Übereinkunft zu treffen, die ihm die Einrichtung eines neuen, vom Verwalter freigegebenen Kontos ermöglicht, oder ein neues (Basis-)Konto als Pfändungsschutzkonto zu eröffnen, dessen geschütztes Guthaben nicht in die Masse fällt. Das bereits massezugehörige Guthaben kann der Schuldner aber nur unter Mitwirkung des Insolvenzverwalters oder des Insolvenzgerichts zur freien Verfügung wiedererlangen.

2.105c

Wenn das Konto beendet ist und ein Guthaben aufweisen sollte, muss die Bank mit diesem Guthaben nach Weisung des Insolvenzverwalters verfahren, d.h. in der Regel es auf sein Insolvenz-Sonderkonto übertragen. Bis zu einer entsprechenden Weisung verbleibt das Guthaben bei der Bank, wird aber mangels entsprechender Vereinbarung nicht verzinst; ebensowenig kann die Bank für dieses Konto Provisionen oder Bearbeitungsentgelte verlangen, denn der Insolvenzverwalter ist von Anfang an nur an Auskehrung und nicht hingegen an einer „Aufbewahrung“ interessiert2. b) Fehlbuchungen

2.106

Fehlbuchungen, die zu einem unrichtigen Saldo geführt haben, kann die Bank nach Verfahrenseröffnung nicht mehr stornieren3. Nach Nr. 8 AGB Banken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen darf die Bank fehlerhafte Gutschriften zwar durch einfache Buchung rückgängig machen4. Dieses Stornorecht kann die Bank nur bis zum nächsten Rechnungsabschluss ausüben5. Soweit das Stornorecht ausgeschlossen ist, kann die Bank jedoch wegen der Fehlbuchungen ihren sog. girovertraglichen Berichtigungsanspruch (Nr. 8 Abs. 2 AGB Banken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen) geltend machen; dieser geht durch den zwischenzeitlichen Rechnungsabschluss nicht unter. aa) Entstehung eines Guthabens

2.107

Soweit ein fehlerhaft gebuchter Überweisungseingang zu einer Guthabenforderung des Kunden geführt hat, kann die Bank auch nach der Verfahrenseröffnung die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung erheben6 bzw. mit der Bereicherungsforderung aufrechnen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO verhindern dies nicht. Weder die Guthabenforderung des

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Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen v. 6.1.2016, BR-Drucks. 18/7204 mit Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) v. 24.2.2016 – BT-Drucks. 18/7691. Grote ZInsO 2016, 1239; zur Unangemessenheit des Entgelts s. BGH v. 30.6.2020 – XI ZR 119/19, ZIP 2020, 1551. Heinze InsBüro 2019, 488. BGH v. 9.10.1974 – VIII ZR 190/73, WM 1974, 1127. Vgl. Berninghaus, Die Stornierungsbefugnis der Banken, 1980. BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998. BGH v. 6.5.2003 – XI ZR 283/02, ZIP 2003, 2021; OLG Karlsruhe v. 19.5.2009 – 17 U 467/08, ZInsO 2009, 1594.

352 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.110 Zweiter Teil

Kunden noch die Bereicherungsforderung der Bank sind nach Verfahrenseröffnung entstanden, was zur Unzulässigkeit der Aufrechnung geführt hätte (§ 96 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 InsO). Die Saldoforderung entstand gleichzeitig mit der Verfahrenseröffnung, auch wenn der Saldo tatsächlich erst später errechnet wurde; die Bereicherungsforderung entstand gleichzeitig mit der Fehlbuchung, spätestens aber mit der fehlerhaft ermittelten Saldoforderung. bb) Reduzierung eines Debetsaldos Soweit eine fehlerhafte Gutschrift einen debitorischen Saldo auf dem Konto des Kunden ermäßigt hat, kommt es für die insolvenzrechtliche Einordnung der Forderung der Bank darauf an, ob die Überweisung vor oder nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eingetroffen ist. Die Bereicherungsforderung der Bank aus Gutschriften vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nur zur Wiederherstellung des ursprünglichen Saldos als Insolvenzforderung, Gutschriften nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen eine ungerechtfertigte Bereicherung der Masse dar (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO)1. Allerdings muss ein etwa eingesetzter vorläufiger Verwalter Zahlungen, auf die der künftige Schuldner keinen Anspruch hat, zurückweisen2, soweit dies praktisch darstellbar ist.

2.108

cc) Übertragung auf Treuhandkonto bei derselben Bank Vor der Übertragung auf ein Treuhandkonto des Verwalters muss sich die Bank auch dann, wenn das Konto bei ihr eingerichtet wird, unbedingt vergewissern, dass der Saldo korrekt ermittelt worden ist. So muss sie nicht nur überprüfen, ob noch ein Risiko besteht, dass Schecks oder Lastschriften, die der Kunde zum Einzug eingereicht hat, noch unbezahlt zurückgegeben werden können, sondern auch sonst nach möglichen Fehlbuchungen suchen. Mit der Übertragung des Guthabens erlischt nämlich ihr Stornorecht (Nr. 8 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften und Sparkassen).

2.109

Wenn der Insolvenzverwalter das Treuhandkonto bei derselben Bank führt, die ihm das fehlerhaft ermittelte Guthaben ausgezahlt hat, kann sie dessen Auszahlungsforderung mit der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung begegnen. Diese Einrede muss sich der Insolvenzverwalter auch dann entgegenhalten lassen, wenn er die Übertragung auf das Treuhandkonto schon im Antragsverfahren als vorläufiger Verwalter veranlasst hat3. Eine zugunsten dieses Kontos vorgenommene Überweisung wird mit der Gutschrift nämlich nicht selbsttätig Bestandteil der künftigen Insolvenzmasse4. Ein Verwalter ist außerdem verpflichtet, Zahlungen, die eingehen, daraufhin zu überprüfen, ob und in welcher Höhe der Gemeinschuldner einen Anspruch auf diese hat. Er handelt z.B. fahrlässig, wenn er einen Scheck einlöst und zur Masse zieht5. Auf seine formale Rechtsposition als Treuhänder für das Guthaben kann sich

2.110

1 Büchel/Günther ZInsO 2008, 547. 2 OLG Celle v. 4.11.1981 – 3 U 18/81, ZIP 1982, 84; Steinhoff ZIP 2000, 1141; offengelassen von OLG Jena v. 29.9.1999 – 7 U 315/99, ZIP 1999, 2026; s. Rn. 2.110. 3 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225 = WM 1995, 352. 4 OLG Bremen v. 8.7.2004 – 2 W 34/04, ZInsO 2005, 322; BGH v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279 = ZInsO 2007, 1228; BGH v. 26.3.2015 – IX ZR 302/13, ZIP 2015, 1179 = ZInsO 2015, 1151; FG Düsseldorf v. 4.5.2020 – 12 V 3362/19 AO, ZInsO 2020, 2148. 5 OLG Celle v. 4.11.1981 – 3 U 18/81, ZIP 1982, 84, 85; OLG Celle v. 6.8.1981 – 16 U 203/80, ZIP 1981, 1003 ff.

Büchel | 353

Zweiter Teil Rz. 2.110 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

der Verwalter nicht berufen1. Wenn sich das Geld noch auf diesem Konto befindet, ist es noch nicht Bestandteil der Masse geworden, sondern unterliegt der uneingeschränkten Verfügungsbefugnis des Verwalters, der damit nach den Vorschriften zu verfahren hat, die die Feststellung und Verteilung des Vermögens unter die als berechtigt anerkannten Gläubiger regeln. Solange die auf diesem Treuhandkonto vorgenommene Gutschrift noch nicht in die Reihe derjenigen Posten aufgenommen ist, die der Verwalter dem Zugriff der Gläubigergesamtheit zur Verfügung stellen will, kann die Bank ihn unmittelbar und in voller Höhe in Anspruch nehmen und ggf. im Wege einer einstweiligen Verfügung verhindern, diesen Betrag der Masse zuzuführen2. Daran ändert auch der konkludente Verzicht der Bank auf das Recht zur Aufrechnung sowie auf Pfand- und Zurückbehaltungsrechte in Bezug auf das Treuhandkonto nichts. Denn wie beim Anderkonto wird damit nur zum Ausdruck gebracht, dass die Bank gegen Forderungen aus dem Treuhandkonto keine gegen den Treuhänder persönlich gerichteten Ansprüche geltend machen kann3. dd) Übertragung auf Insolvenz-Sonderkonto bei derselben Bank

2.110a

Hat der hierzu ermächtigte vorläufige schwache oder starke Insolvenzverwalter bzw. nach Eröffnung des Verfahrens der Insolvenzverwalter ein Insolvenz-Sonderkonto als Ermächtigungstreuhänder auf seinen Namen eröffnet, auf das er das Guthaben überträgt, so kann die Bank unter den gleichen sonstigen Voraussetzungen wie auf dem ursprünglichen Kundenkonto aufrechnen (s. Rn. 2.107), denn die Guthabenforderung verbleibt im Vermögen des Kunden. Der (vorläufige) Verwalter handelt nur als Ermächtigungstreuhänder und wird nicht Forderungsinhaber (zu weiteren Einzelheiten und Nachweisen s. Rn. 2.249 ff.).

2.111

Wegen fehlerhafter Überweisungen, die die Bank an den Schuldner oder dessen Verwalter auf deren Konto bei einer anderen Bank bewirkt hat, kommt ein Bereicherungsanspruch in Betracht (Einzelheiten s. Rn. 2.268 ff.).

ee) Übertragung auf ein Konto bei einer anderen Bank

c) Rang der Saldoforderung

2.112

Entsteht bei der Verrechnung ein Saldo zugunsten der Bank, so ist dieser sofort fällig (§ 41 InsO) und als gewöhnliche Insolvenzforderung anzumelden, sofern der Bank keine Sicherheiten haften. Erteilt der Insolvenzverwalter auf den Empfang des Kontoabschlusses ein ausdrückliches Saldoanerkenntnis, so bedeutet dies nur, dass er die Einstellung der einzelnen Posten in das Kontokorrent und die Verrechnung als vertragsgemäß betrachtet; trotz der abstrakten Natur des Saldoanerkenntnisses des Insolvenzverwalters wird aber aus der gewöhnlichen Insolvenzforderung der Bank keine Masseforderung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Verweigert er das Saldoanerkenntnis, bestehen die in das Kontokorrent eingestellten Einzelposten weiter fort4. Die Bank kann gegebenenfalls aufrechnen.

1 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, WM 1995, 352; OLG Köln v. 19.9.1980 – 19 U 66/80, ZIP 1980, 972. 2 OLG Bremen v. 14.2.2005 – 11 W 93/04, ZInsO 2005, 323. 3 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 894; BGH v. 22.6.1987 – III ZR 263/85, ZIP 1987, 971 = WM 1987, 922; BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225 = WM 1995, 352. 4 OLG Köln v. 25.11.1994 – 19 U 70/94, ZIP 1995, 138 = BB 1995, 695.

354 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.116a Zweiter Teil

d) Auszahlung von Guthaben Ergibt der Kontoabschluss ein Guthaben für den Kunden, so kann der Insolvenzverwalter die sofortige Auszahlung an sich verlangen, sofern es der Bank nicht als Sicherheit für Forderungen aus anderen Geschäften haftet. Das gilt auch dann, wenn die Bank Anlass zu der Befürchtung hat, dass der Verwalter Reduzierungen eines debitorischen Saldos auf einem anderen Konto später anfechten wird. Allein die abstrakte Gefahr einer späteren Anfechtung gibt der Bank noch kein Zurückbehaltungsrecht1.

2.113

Die Bank sollte sich dann zunächst vergewissern, ob das Gericht eine Hinterlegungsstelle bestimmt hat; in diesem Fall muss sie darauf achten, dass die Zahlung dorthin geleitet wird. Anderenfalls hat sie der Weisung des Insolvenzverwalters zu folgen. Eine Identifizierung des Insolvenzverwalters nach § 11 GwG soll nach einer Entscheidung des OLG Dresden in solchen Fällen entbehrlich sein, da der bloße Eintritt des Insolvenzverwalters in eine bestehende Geschäftsbeziehung nicht als Begründung einer Geschäftsbeziehung angesehen werden könne2. Diese Auffassung dürfte nach den aktuellen Regelungen des § 154 AO und des GwG nicht mehr haltbar sein, da auch nicht bereits bekannte neue Verfügungsbefugte bei bestehenden Geschäftsbeziehungen zu identifizieren sind, § 10 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3a Nr. 1, § 11 GwG.

2.114

e) Kontoabschlüsse Die üblichen periodischen Kontoabschlüsse können danach entfallen. Zinsen können nämlich seit Insolvenzeröffnung nur noch als nachrangige Forderungen geltend gemacht (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und deshalb auch nicht dem Saldo zu Lasten der Masse zugeschlagen werden. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Bank Sicherheiten für die Hauptforderung besitzt, aus denen sie sich wegen der Zinsen befriedigen kann3.

2.115

f) Fortführung des Kontos Aus Sicht des endgültigen Insolvenzverwalters kann es sinnvoll sein, das Konto des Schuldners bei derselben Bank unter derselben Kontonummer zumindest noch zeitweise fortzuführen, etwa weil Zahlungseingänge erwartet werden4. Zweckmäßigerweise sollte dann der Insolvenzverwalter mit der Bank ausdrücklich einen neuen Kontovertrag diesbezüglich schließen5.

2.116

Ein solches Konto auf den Namen des insolventen Schuldners sollte die Bank zur Verdeutlichung um den Zusatz „i.I.“ (in Insolvenz) ergänzen. Ein solcher Zusatz darf aber aus technischen Gründen nicht in das Namensfeld mit aufgenommen werden. Dieses Feld ist maßgeblich für das sog. Kontoabrufverfahren (§ 24c KWG), so dass nur der Name des Kontoinhabers darin erscheinen darf6. Allerdings gibt es Zusatzbezeichnungen zum Konto, die beispielsweise auch verwendet werden, um Mietkautionskonten oder Konten von Hausverwaltungen für Wohnungseigentümer (Treuhandkonten) als solche kenntlich zu machen.

2.116a

1 OLG Frankfurt v. 25.11.2003 – 9 U 127/02, ZInsO 2004, 211; LG Stuttgart v. 8.11.2002 – 31 O 100/02, juris. 2 OLG Dresden v. 16.9.2014 – 4 U 681/14, NZI 2015, 487 = mit Anm. Kaetzler NZI 2015, 455. 3 Vgl. dazu und zu Zinserweiterungen (Provisionen) Rn. 2.320 ff. 4 Kuder ZInsO 2009, 584. 5 Vuia in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 116 Rn. 34, 37. 6 Saager/d’Avoine/Berg ZIP 2019, 2041.

Büchel | 355

Zweiter Teil Rz. 2.116b | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

2.116b

Verfügungsbefugt ist der Insolvenzverwalter. Für den Fall, dass der Verwalter durch einen neuen Verwalter ersetzt wird, ändert sich nur die Verfügungsbefugnis. Bei Eigenverwaltung kann der Zusatz entfallen. Da der Schuldner hier verfügungsbefugt bleibt, bringt der Zusatz keinen Informationswert. Immer mehr verbreitet sich die Führung des Kontos auf „Herrn A als Insolvenzverwalter“. Auch dies ist zulässig, kann aber zu Schwierigkeiten im Zahlungsverkehr führen, wenn Überweisungseingänge noch an die Firma des Schuldnerunternehmens adressiert sind oder wenn Lastschriften aufgrund eines Lastschriftmandats eingezogen werden sollen, das auf die Firma lautet (Einzelheiten s. Rn. 3.766 ff.).

2.117

Selbst wenn der Insolvenzverwalter das Konto des Schuldners ohne ausdrückliche Vereinbarung fortführt, kann ein neuer Kontovertrag durch schlüssiges Verhalten zustande kommen1. Allerdings setzt die konkludente Fortführung ein entsprechendes Bewusstsein für die Annahme des (konkludenten) Angebots auf Vertragsfortführung voraus, weshalb die Bank zumindest Kenntnis vom Insolvenzverfahren haben muss, was bei der Fortführung mit dem Insolvenzverwalter regelmäßig gegeben sein wird. Problematisch sind dagegen Fälle, in denen der Schuldner das Konto in Unkenntnis der Bank von dessen Insolvenz weiter nutzt, selbst wenn der Verwalter Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners später aus der Masse freigibt2. Für das fortgeführte Konto gelten, wenn keine besondere Absprache getroffen wird, dieselben Konditionen wie für das ursprüngliche. Etwaige Guthaben sind also mit dem vorher vereinbarten Satz zu verzinsen. Ein Rückgriff auf den gesetzlichen Zinssatz der §§ 353, 352 Abs. 2 HGB von 5 % für das Jahr ist nicht möglich, denn auf einen Willen der Bank, jetzt einen anderen Zins zu leisten, kann aus der stillschweigenden Fortführung nicht geschlossen werden. Erst recht kann ein Verwalter, der über das Guthaben nicht verfügt hat, selbst dann keine Verzugszinsen beanspruchen, wenn die Guthaben als täglich fällige Gelder geführt wurden. Dies ist nur der banktechnische Begriff dafür, dass der Kunde die Gelder jederzeit abrufen kann, bedeutet aber nicht, dass auch ohne einen solchen Abruf Verzug eintritt.

2.117a

Zahlungseingänge, die an den Schuldner gerichtet sind, können diesem Konto unabhängig davon gutgeschrieben werden, ob das Konto weiter auf den Namen des Schuldnerunternehmens lautet, oder ob der Name mit dem Zusatz „i.I.“ versehen wurde. Denn an der Identität des Kontoinhabers hat sich nichts geändert; es ist durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens lediglich ein Wechsel in der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis eingetreten3.

3. Einlagen 2.118

Dass ein Bankkunde im Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch über Guthaben verfügt, ist zwar selten, kommt aber vor z.B., wenn der Kunde von dem frühen Insolvenzantrag eines Gläubigers überrascht wird oder, wenn er Geld für die Finanzierung eines Insolvenzplanverfahrens ansammelt. Guthaben können in Form von Spareinlagen und Termineinlagen unterhalten werden.

1 BGH v. 13.11.1990 – XI ZR 217/89, WM 1991, 60; OLG Stuttgart v. 30.12.1993 – 2 U 78/93, WM 1994, 1140; Hellner Bank-Betrieb 1962, 92; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 495; Saager/d’Avoine/Berg ZIP 2019, 2041. 2 BGH v. 16.9.2021 – IX ZR 213/20, ZIP 2021, 2242. 3 BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 Rn. 11; Vuia in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 80 Rn. 11.

356 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.119 Zweiter Teil

a) Spareinlagen Im Gegensatz zu Guthaben auf laufenden Konten, deren jederzeitige Auszahlung der Kunde1 und damit auch der Insolvenzverwalter verlangen kann, muss der Gläubiger einer Spar- oder Termineinlage2 bestimmte Fristen einhalten. Die Insolvenzeröffnung hat nicht zur Folge, dass Spareinlagen oder Termineinlagen vorzeitig fällig werden3. Dem Insolvenzverwalter steht auch kein Wahlrecht nach § 103 InsO zu, aufgrund dessen er die Fortsetzung des Spareinlagen- bzw. Termingeldvertrages ablehnen könnte. Denn dieses Wahlrecht gilt nur für beiderseits noch nicht voll erfüllte Verträge; mit Einzahlung der Spareinlage oder des Termingeldguthabens hat der Kunde aber seine Vertragspflichten bereits erfüllt4. Die weitere Belassung stellt keine Leistung des Insolvenzschuldners dar, denn der Abfluss von Vermögenswerten hat mit der Auszahlung bereits stattgefunden (§ 108 Abs. 2 InsO).

2.118a

Für Spareinlagen ist in der Regel eine Kündigungsfrist von drei Monaten vereinbart. Ohne Kündigung können die Sparer nach den üblichen Vereinbarungen lediglich bis zu 2.000 Euro für jedes Sparkonto innerhalb von 30 Zinstagen zurückfordern. Ist eine längere Kündigungsfrist vereinbart, so muss deren Ablauf abgewartet werden. Die Kündigung muss der Verwalter ausdrücklich aussprechen; die Verfahrenseröffnung macht eine Kündigungserklärung nicht überflüssig. Auch die Bank muss sich an die vereinbarte Kündigungsfrist halten und kann nicht ihrerseits wegen der Insolvenz ihres Einlegers vorzeitig kündigen. Ist keine Kündigungsfrist vereinbart, so kommt für die Bank nur eine ordentliche Kündigung nach Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken in Betracht, weil ein Kündigungsgrund für eine außerordentliche Kündigung nach Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken meist nicht gegeben ist.

2.118b

b) Bauspareinlagen Auch eine Bausparkasse kann Bauspareinlagen wegen der Insolvenz ihres Sparers nicht vorzeitig kündigen5, obwohl der Zweck des Bausparvertrages unerreichbar geworden ist, denn der Sparer wird kein Bauspardarlehen mehr beanspruchen können.

2.118c

c) Vermögenswirksames Sparen und Prämiensparen Bei Verträgen über vermögenswirksames Sparen6 handelt es sich anders als bei den Sparund Termineinlagenverträgen um gegenseitige Verträge, die noch nicht voll erfüllt sind, solange der Sparer noch nicht die Gesamtsumme einbezahlt hat. Denn nach § 4 Abs. 1 5. VermBG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, als Sparbeiträge einmalig oder für die Dauer von sechs Jahren seit Vertragsabschluss laufend vermögenswirksame Leistungen einzahlen zu lassen oder 1 Zur Gläubigerstellung des Kontoinhabers s. BGH v. 25.4.2005 – II ZR 103/03, ZIP 2005, 1222. 2 Zum Einlagenbegriff s. Wallat NJW 1995, 3236; zum Unterschied zwischen Spareinlage und Termineinlage vgl. OLG Celle v. 7.1.1981 – 3 U 107/80, ZIP 1981, 1323. 3 LG Rostock v. 13.12.2001 – 4 O 180/00, ZInsO 2002, 290. 4 Fleckner ZIP 2004, 596. 5 LG Mainz v. 28.7.2014 – 5 O 1/14, ZIP 2015, 470; zum Streit über die Zulässigkeit einer Kündigung wegen Zeitablaufs nach Zuteilungsreife s. LG Stuttgart v. 12.11.2015 – 12 O 100/15, ZIP 2015, 2363; OLG Hamm v. 30.12.2015 – 31 U 191/15, ZIP 2016, 306; OLG Stuttgart v. 30.3.2016 – 9 U 171/15, ZIP 2016, 910; OLG Stuttgart v. 4.5.2016 – 9 U 230/15, ZIP 2016, 1211; OLG Hamm v. 22.6.2016 – 31 U 234/15, ZIP 2016, 1475; OLG Karlsruhe v. 12.6.2018 – 17 U 131/17, ZIP 2018, 2061; BGH v. 21.2.2017 – XI ZR 185/16, ZIP 2017, 660; BGH v. 21.2.2017 – XI ZR 272/16, ZIP 2017, 321. 6 Näheres s. Gößmann/Walgenbach, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2015/117. Lfg., Rn. 2/221 ff.

Büchel | 357

2.119

Zweiter Teil Rz. 2.119 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

andere Beträge einzuzahlen. Der Verwalter hat also das Wahlrecht gemäß § 103 InsO, ob er – um die Prämien zu retten – die noch ausstehenden Raten auf den Vertrag einzahlen lässt oder ob er unter Verlust der Prämienanwartschaft die sofortige Auszahlung des bisher angesammelten Guthabens verlangt. Diese Entscheidung wird er von der Länge der Restlaufzeit des Vertrages abhängig machen. Die Bank ist ihrerseits berechtigt, den Vertrag nach Ablauf der vereinbarten Frist bzw. nach Erreichen der Prämienhöchststufe nach Nr. 19 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen) zu kündigen.

2.119a

Außerhalb des vermögenswirksamen Sparens haben sich weitere Formen des Prämiensparens entwickelt, die rechtlich teils als Darlehen, aber auch als unregelmäßige Verwahrung (§ 700 BGB)1 einzuordnen sein können. Für die insolvenzrechtlichen Folgen kommt es auf diese Unterscheidung nicht an. Die Insolvenz des Kunden führt weder zum Erlöschen des Vertrages – §§ 116, 115 InsO betreffen die Insolvenz des Auftragnehmers, also der Bank, und nicht des Sparers – noch gibt sie der Bank ein Kündigungsrecht2. d) Termineinlagen

2.120

Termineinlagen werden mit Ende der vereinbarten Laufzeit fällig, ohne dass der Verwalter etwas unternehmen müsste. Die Bank muss sicherstellen, dass Termingelder nach Ablauf der Festlegungsfrist nicht „automatisch“, sondern nur im Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter wieder angelegt werden. Soweit die Festgeldguthaben der Bank durch individuelle Vereinbarung oder nach Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 AGB Sparkassen) als Pfand haften, erstreckt sich das Pfandrecht auch auf die darauf entfallenden Zinsen (§ 1289 Satz 1 BGB). Eindeutig gilt dies jedoch nur für die Zinsen für die vor der Verfahrenseröffnung vereinbarte und danach abgelaufene Festlegungsfrist. Ob auch Zinsen für eine mit dem Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung abgesprochene oder mangels entgegenstehender Weisung automatisch vorgenommene Verlängerung von dem Pfandrecht erfasst werden, muss bezweifelt werden3. Ähnlich wie die Forderungen aus Mietverträgen, die befristet, und zwar nicht vor dem Anfangstermin des jeweiligen Zeitraums der Nutzungsüberlassung entstehen4, kommen auch Prolongationen von Festgeldern nicht von vornherein vor Verfahrenseröffnung, sondern erst durch Rechtshandlungen nach Verfahrenseröffnung zustande.

1 BGH v. 14.5.2019 – XI ZR 345/18, ZIP 2019, 1563 Rn. 23. 2 Zur Kündigung langlaufender Sparverträge s. BGH v. 14.5.2019 – XI ZR 345/18, ZIP 2019, 1563 Rn. 23; OLG Naumburg v. 21.2.2018 – 5 U 139/17, WM 2018, 1541 = mit Anm. Edelmann WuB 2018, 541; zur bankseitigen Kündigung von länger angelegten Sparverträgen s. Furche/Götz WM 2019, 145; OLG Dresden v. 21.11.2019 – 8 U 1770/18, ZIP 2020, 504. 3 Bejahend KG v. 4.3.2009 – 26 U 168/08, EWiR 2009, 649 § 91 InsO 3/09; ablehnend OLG Frankfurt v. 28.3.2007 – 23 U 297/05, ZIP 2007, 1670. 4 BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, DB 1997, 1024; BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521; OLG Brandenburg v. 21.11.2007 – 7 U 67/07, ZInsO 2008, 211; OLG Hamm v. 14.6.2005 – 27 U 85/04, ZIP 2006, 433; RG v. 5.1.1898 – VI.288/97, RGZ 40, 120; Ehricke ZInsO 2008, 1058.

358 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.123 Zweiter Teil

e) Zinslose Einlagen Nachdem Negativzinsen1 bzw. Verwahrentgelte nicht mehr selten sind, kann es geschehen, dass die Bank Termineinlagen nur noch entgegennimmt, wenn der Kunde einen negativen Einlagenzins oder einen Zinssatz von Null akzeptiert2. Die mit der zinslosen Überlassung eines Darlehens eingeräumte Kapitalnutzung stellt eine unentgeltliche Leistung des Schuldners dar3. Unentgeltliche Leistungen sind zwar grundsätzlich anfechtbar (§ 134 InsO). Voraussetzung ist aber weiterhin eine Gläubigerbenachteiligung, die eben wegen der Unentgeltlichkeit naheliegt. Daran fehlt es aber in Zeiten von Negativzinsen. Denn eine Gläubigerbenachteiligung tritt erst ein, wenn ein Darlehen zu einem geringeren als dem marktüblichen Zinssatz gewährt wird, weil den Gläubigern dadurch für die Laufzeit des Darlehens der übliche Zins entgeht4. Der übliche Zins ist aber Null oder negativ. Der Insolvenzverwalter kann daher nicht anfechten und den gesetzlichen Zins von 4 % fordern. Es ist nicht Zweck der Insolvenzanfechtung, der Insolvenzmasse Vermögensvorteile zu verschaffen, die sie ohne die anfechtbare Rechtshandlung nicht erlangt hätte5.

2.120a

4. Währungskonten Neben Euro-Konten können die Banken auch Konten in Fremdwährungen führen. Währungskonten werden in der Regel als laufende Konten oder als Termingeldkonten geführt. Demgemäß bestimmt sich ihr Schicksal bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kontoinhabers nach den Regeln, die für die jeweilige Kontoart gelten. Davon zu unterscheiden sind Finanztermingeschäfte, für die eigene Regeln gelten (s. Rn. 8.288 ff.).

2.121

Für Fremdwährungskonten, die Guthaben aufweisen, ergeben sich in der Insolvenz des Kontoinhabers keine Besonderheiten gegenüber Euro-Konten, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann. Debitorische Fremdwährungskonten sind mit dem Kurswert, der am Tag der Insolvenzeröffnung für den Zahlungsort maßgebend ist6, in eine Euro-Forderung umzurechnen (§ 45 InsO). Demgegenüber bleibt die Verpflichtung eines Bürgen in der ursprünglichen Währung bestehen7.

2.122

Die Bank kann mit Forderungen aus Währungskonten gegen Guthaben des Kunden auf Euro-Konten oder anderen Währungskonten und mit Forderungen aus Euro-Konten gegen Guthaben des Kunden auf Währungskonten aufrechnen. Zwar ist für die Aufrechnung neben

2.123

1 Zur Maßgeblichkeit eines negativen Basiszinssatzes s. BVerfG v. 19.12.2012 – 1 BvL 18/11, ZIP 2013, 476; a.A. Becker WM 2013, 1736; Coen NJW 2012, 3329; zur Unwirksamkeit der Einführung von Negativzinsen durch AGB s. LG Tübingen v. 26.1.2018 – 4 O 187/17, ZIP 2018, 315. 2 Negativzinsen können aber auch dazu führen, dass die Bank zahlen muss: Die in einem an institutionelle Darlehensgeber adressierten Schuldscheindarlehen enthaltene Zinsgleitklausel kann bei hinreichendem Absinken des Referenzzinssatzes zu einem negativen Nominalzins und damit zu einer Umkehr der Zahlungsströme führen (LG Düsseldorf v. 11.3.2020 – 13 O 322/18, ZIP 2020, 1954). 3 BGH v. 15.11.2018 – IX ZR 229/17, ZIP 2019, 233 Rn. 6, 25. 4 BGH v. 15.11.2018 – IX ZR 229/17, ZIP 2019, 233 Rn. 21; BGH v. 21.4.1988 -IX ZR 71/87, ZIP 1988, 725. 5 BGH v. 15.11.2018 – IX ZR 229/17, ZIP 2019, 233 Rn. 16; BGH v. 26.5.1971 -VIII ZR 61/70, WM 1971, 908; BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 254/81, BGHZ 86, 349, 354 f. 6 Zum maßgeblichen Umrechnungskurs weiterführend s. Honsell FS Horn, 2006, 39; zur AGB-Regelung s. Sonnenhol WM 2000, 853. 7 Fürst ZZP 56 (1931), 391; Arend ZIP 1988, 69 m.w.N.

Büchel | 359

Zweiter Teil Rz. 2.123 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

der Gegenseitigkeit und der Fälligkeit der Forderungen auch deren Gleichartigkeit erforderlich, die bei Konten, die in verschiedenen Währungen geführt werden, nicht vorliegt1. Für konvertible Währungen gestattet die InsO (§ 95 Abs. 2 InsO) jedoch nach Verfahrenseröffnung auch solche Aufrechnungen, die nach § 387 BGB wegen fehlender Gleichartigkeit nicht zulässig wären, sobald die übrigen Aufrechnungsvoraussetzungen erfüllt, d.h. die gegenseitigen Fälligkeiten eingetreten sind. Die Umrechnung erfolgt nach dem Kurswert, der für den Zahlungsort, also die kontoführende Stelle, zur Zeit des Zugangs der Aufrechnungserklärung maßgebend ist. Anzusetzen ist der Briefkurs2, der sich aus der amtlichen Börsennotiz ergibt3.

5. Gemeinschaftskonto 2.124

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Mitinhabers eines Gemeinschaftskontos4 beendet das Kontokorrent nicht5. Denn das Konto gehört nicht zur Insolvenzmasse; die Auseinandersetzung findet außerhalb des Insolvenzverfahrens statt (§ 84 InsO), zur Insolvenzmasse gehört lediglich der Auseinandersetzungsanspruch6. Zahlungseingänge können dem Konto auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gutgeschrieben und zur Ermäßigung des Saldos verwendet werden7. Ob und in welchem Umfang sie der Insolvenzmasse zugutekommen, ist demgemäß allein im Verhältnis der Kontoinhaber untereinander zu klären8.

2.125

Weiterhin ist für die insolvenzrechtliche Behandlung zu unterscheiden, ob das Konto ein Guthaben ausweist oder debitorisch geführt wird.

2.126

Für debitorische Konten ist in den üblichen Kontoeröffnungsformularen ausdrücklich niedergelegt, dass der andere Kontoinhaber für alle Ansprüche der Bank aus diesem Konto als Gesamtschuldner haftet9; ohne eine solche Regelung ergibt sich diese Rechtsfolge aus §§ 427, 421 BGB10. Ein auf diesem Konto eingeräumter Kontokorrentkredit wird mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der Kontoinhaber nur im Verhältnis zu diesem fällig. Während beim Einzelkontokorrentkredit die Fälligkeit aufgrund des Erlöschens des Ge-

1 BGH v. 7.4.1992 – X ZR 119/90, WM 1993, 2011; OLG Frankfurt v. 27.10.1966 – 11 U 42/66, OLGZ 1967, 13; KG v. 29.6.1988 – 24 U 6446/87, WM 1988, 1385; Sproschewer JW 1921, 1447; a.A. Maier-Reimer NJW 1985, 2049. 2 RG v. 24.1.1921 – II 13/20, RGZ 101, 312; OLG Karlsruhe v. 14.4.1978 – 15 U 136/77, DB 1978, 2017. 3 RG v. 20.7.1935 – 61/35, Seuff. A. 89 Nr. 154. 4 Zur Abgrenzung von einem Treuhandkonto und von der Mitzeichnungsberechtigung vgl. BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 895. 5 BGH v. 10.6.1985 – III ZR 63/84, ZIP 1985, 1192 = WM 1985, 1059 = WuB VI B § 16 KO 1.85 – Obermüller. 6 OLG Rostock v. 11.9.2003 – 7 W 54/03, ZInsO 2003, 1002; a.A. AG Köln v. 27.12.2010 – 142 C 338/10, ZInsO 2011, 1260. 7 BGH v. 10.6.1985 – III ZR 63/84, ZIP 1985, 1192 = WM 1985, 1059 = WuB VI B § 16 KO 1.85 – Obermüller. 8 Zur Anfechtung der Einrichtung eines Gemeinschaftskontos gegenüber dem anderen Kontoinhaber s. OLG Koblenz v. 25.2.2015 – 2 U 510/14, ZInsO 2015, 959. 9 Zur Gültigkeit derartiger Formularverträge s. OLG Köln v. 7.10.1998 – 5 U 88/98, WM 1999, 1003. 10 Hadding WM-Festgabe für Hellner, 1994, 6; K. Schmidt FS Hadding, 2004, 1093; OLG Düsseldorf v. 5.11.1995 – 16 U 19/95, WM 1996, 949; BGH v. 3.6.1997 – XI ZR 133/96, ZIP 1997, 1229 = WM 1997, 1280; OLG Düsseldorf v. 21.6.1996 – 22 U 265/95, WM 1998, 550.

360 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.128 Zweiter Teil

schäftsbesorgungsvertrages eintritt (§ 116 InsO)1, ist diese Regelung auf das Gemeinschaftskonto nicht anwendbar, da die Auseinandersetzung – wie oben erwähnt – außerhalb des Insolvenzverfahrens stattfindet (§ 84 InsO). Fällig wird die Forderung gegen den insolventen Gesamtschuldner aber aufgrund von § 41 InsO. Dies berührt den solventen Kontoinhaber grundsätzlich nicht, denn die Wirkungen des § 41 InsO erstrecken sich nicht auf Dritte wie Bürgen und Gesamtschuldner2. Gegenüber dem solventen Kontoinhaber müsste die Bank daher eine Kündigung aussprechen, wenn sie die Fälligkeit des Kontokorrentkredits auch ihm gegenüber herbeiführen möchte (Einzelheiten s. Rn. 6.2116). Der Ausfall eines der Kontoinhaber ist ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinn von Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken. Weist das Konto ein Guthaben aus, so muss für die Frage, an wen die Bank nach Insolvenzeröffnung leisten darf, zwischen einem Gemeinschaftskonto mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis (Und-Konto) und einem solchen mit Einzelverfügungsbefugnis (Oder-Konto) unterschieden werden.

2.127

a) Einzelverfügungsbefugnis Haben die Kontoinhaber ein Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsbefugnis eröffnet, so ist jeder Kontoinhaber nach den im Bankgewerbe üblichen Formularen berechtigt, über das jeweilige Guthaben selbständig, unbeschränkt und insbesondere auch zu eigenen Gunsten zu verfügen. Bei einem Oder-Konto sind die Kontoinhaber hinsichtlich des Auszahlungsanspruchs Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 BGB, so dass jeder aufgrund seiner eigenen Forderungsinhaberschaft Auszahlung des gesamten Kontoguthabens an sich verlangen kann3. Dadurch wird ein gesamtgläubigerähnliches Verhältnis geschaffen, das von § 428 BGB insoweit abweicht, als die Bank nicht nach ihrem Belieben an jeden Kontoinhaber leisten darf – wie dies § 428 BGB vorsieht –, sondern dass sie an denjenigen zu leisten verpflichtet ist, der die Auszahlung des Guthabens verlangt4. Bei kollidierenden Weisungen der Inhaber des OderKontos kommt es nach dem Grundsatz zeitlicher Priorität darauf an, welcher Kontoinhaber zuerst ein vertragsgemäßes Zahlungsverlangen stellt5. 1 OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/97, NZI 2000, 181; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/03, ZInsO 2004, 683; BGH v. 21.6.2005 – XI ZR 152/04, ZIP 2005, 1448; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; s. im Einzelnen Rn. 5.815. 2 RG v. 20.2.1915 – V 389/14, RGZ 86, 249; RG v. 6.7.1916 – VI 147/16, RGZ 88, 375; RG v. 18.3.1915 – VI 591/14, Seuff. A. 70 Nr. 233; von Wilmowsky WM 2008, 1189; s. Rn. 6.2057 ff. 3 BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 30/16, ZIP 2018, 1488 Rn. 16; BGH v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, ZInsO 2020, 2262 Rn. 16; LG Bremen v. 29.3.2018 – 6 O 272/17, ZInsO 2018, 2653. 4 BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 30/16, ZIP 2018, 1488 Rn. 19; OLG Nürnberg v. 24.11.1960 – 2 U 158/ 60, NJW 1961, 510; KG v. 3.11.1975 – 12 U 1269/75, WM 1976, 67; OLG Koblenz v. 24.11.1976 – 1 U 684/75, nicht veröffentlicht; Sprengel Die Sparkasse 1962, 279; Bauer BI 1983, 40; vgl. aber OLG Düsseldorf v. 8.4.1982 – 18 W 11/82, WM 1982, 603; OLG Düsseldorf v. 15.10.1987 – 10 U 61/87, BB 1987, 2329; OLG Köln v. 14.6.1989 – 13 U 29/89, DB 1989, 2017; BGH v. 29.11.1989 – IV b ZR 4/89, WM 1990, 239 = WuB I C 3. – 3.90 – Christoffel; OLG Koblenz v. 17.7.1990 – 3 U 15/88, WM 1990, 1532; OLG Düsseldorf v. 21.6.1996 – 22 U 265/95, WM 1998, 550; OLG Nürnberg v. 16.1.2002 – 5 W 4355/01, InVo 2002, 433; LG Frankfurt v. 4.11.2003 – 2/21 O 155/03, WM 2004, 1282; OLG Naumburg v. 24.11.2006 – 10 U 32/06, NJW-RR 2007, 1158; BGH v. 31.3.2009 – XI ZR 288/08, ZIP 2009, 904; BGH v. 16.4.1986 – IVa ZR 198/84, FamRZ 1986, 982, die Gesamtgläubigerschaft annehmen, und OLG Karlsruhe v. 10.7.1985 – 6 U 206/84, NJW 1986, 63, das von einer Verfügungsbefugnis nach § 185 BGB ausgeht. 5 BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 30/16, ZIP 2018, 1488 Rn. 26; Lenkaitis/Messing ZBB 2007, 364; Müller in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 17. Aufl. 2022, § 428 Rn. 2; a.A. LG Hannover v.

Büchel | 361

2.128

Zweiter Teil Rz. 2.129 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

2.129

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der Kontoinhaber eines Gemeinschaftskontos hat zur Folge, dass dieser Kontoinhaber seine Verfügungsbefugnis über die Forderung verliert und nur noch der Insolvenzverwalter berechtigt ist, die Forderungen aus dem Konto für ihn geltend zu machen (§ 80 Abs. 1 InsO)1.

2.130

Die Insolvenz eines Kontoinhabers hindert aber nicht den anderen, Auszahlung des Guthabens zu verlangen2. Die Frage, ob ein Guthaben in voller Höhe der Insolvenzmasse zuzuordnen ist3 oder ob eine Auseinandersetzung nach § 84 InsO außerhalb des Insolvenzverfahrens vorzunehmen ist, betrifft nur das Innenverhältnis zwischen den Kontoinhabern und berührt das Außenverhältnis zur Bank nicht. Der nicht im Insolvenzverfahren befindliche Kontoinhaber kann daher eine Auszahlung des Guthabens an den Insolvenzverwalter dadurch verhindern4, dass er entweder selbst das Guthaben abhebt oder die in dem Kontoeröffnungsantrag niedergelegte Einzelverfügungsbefugnis widerruft5, wozu er nach den im Bankgewerbe üblichen Vordrucken6 berechtigt ist7. Letzteres hat zur Folge, dass er nur noch gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter über das Konto verfügen kann. Auf dieselbe Weise kann der Insolvenzverwalter8 verhindern, dass die Bank an den anderen Kontoinhaber leisten darf.

2.131

Verlangt dagegen der Schuldner Auszahlung des Guthabens und hat die Bank von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Kenntnis, so wird sie durch eine Zahlung an ihn nach Maßgabe von § 82 InsO befreit9. Der Insolvenzverwalter ist dann auf eine Anfechtung gegenüber dem Empfänger der Zahlung verwiesen. Dabei ist streitig, ob das Guthaben auf einem solchen Gemeinschaftskonto grundsätzlich der Aktivmasse aller Kontoinhaber unabhängig von der Frage, welchem Kontoinhaber das Guthaben zusteht, zuzuordnen ist10 und die Überweisung durch den Schuldner als einen der Kontoinhaber eines Gemeinschaftskontos damit die Aktivmasse verringern und eine Gläubigerbenachteiligung darstellen würde, oder ob es

1 2

3 4

5 6 7 8 9 10

3.5.1972 – VIII ZR 170/71, WM 1972, 683 und Rieder (WM 1987, 29), die annehmen, gegenteilige Weisungen höben sich auf, wenn die erste noch nicht ausgeführt sei, und Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 226, der der letzten Weisung den Vorrang einräumt; zum Innenverhältnis von Ehegatten bei Oder-Konten s. Götsche JM 2016, 266. LG Bremen v. 29.3.2018 – 6 O 272/17, ZInsO 2018, 2653; ebenso für den Pfandgläubiger OLG Koblenz v. 17.7.1990 – 3 U 15/88, WM 1990, 1532. Bauer BI 1983, 39; Lenkaitis/Messing ZBB 2007, 364; Hadding/Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 19 Rn. 14; offengelassen von BGH v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, ZIP 1985, 339 = WM 1985, 344; a.A. OLG Stuttgart v. 20.12.1995 – 9 U 199/95, InVo 1999, 150; Behr InVo 1999, 129. OLG Hamburg v. 19.10.2007 – 1 U 136/06, ZIP 2008, 88. Vgl. die Parallele im BGB-Gesellschaftsrecht: Dort beschränkt der Widerspruch des einzelvertretungsberechtigten Gesellschafters gegen eine Willenserklärung eines anderen einzelvertretungsberechtigten Gesellschafters dessen Vertretungsmacht im Außenverhältnis grundsätzlich nicht (BGH v. 19.6.2008 – III ZR 46/06, ZIP 2008, 1582). Bauer BI 1983, 39. Abgedruckt bei Werner in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, Bankrecht IV A 3 (Nr. 5 des Formulartextes). Der anders lautenden Entscheidung BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, ZIP 1990, 1538 = BB 1991, 93 lag ein Kontovertrag zugrunde, der eine solche Klausel nicht enthielt. Anders als der vorläufige Verwalter, selbst wenn er zur Einziehung von Bankguthaben und sonstigen Forderungen des Schuldners ermächtigt ist (BGH v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, ZIP 2020, 2079 = ZInsO 2020, 2262 Rn. 19). Bauer BI 1983, 39. So OLG Hamburg v. 19.10.2007 – 1 U 136/06, ZIP 2008, 88 = JurionRS 2007, 49025 Rn. 40–42.

362 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.133 Zweiter Teil

für eine Anfechtung darauf ankommt, welchem der Kontoinhaber im Innenverhältnis das Guthaben zusteht1. Kennt die Bank die Insolvenzeröffnung und verweigert sie deshalb die Auszahlung des Guthabens an den Schuldner, so darf sie den anderen Kontoinhaber verfügen lassen, wenn dieser noch vor dem Insolvenzverwalter Leistung verlangt. Das Auszahlungsbegehren des Schuldners ist nach § 81 InsO unwirksam und kann daher auch keine Konkretisierung des Forderungsrechts auf den Insolvenzverwalter begründen. Dieser muss vielmehr seinerseits Zahlung fordern. Hat in der Zwischenzeit schon der andere Kontoinhaber das Guthaben abgehoben, so ist die Bank von ihrer Verbindlichkeit befreit und das Schuldverhältnis insoweit erloschen.

2.131a

b) Gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis Mit der Eröffnung eines Und-Kontos vereinbaren die Kontoinhaber, dass beide nur gemeinschaftlich über das Konto verfügen dürfen und dass die Bank nur an beide zusammen mit befreiender Wirkung leisten kann2. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftskontos mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis ist umstritten3; teilweise wird eine Gesamthandsgläubigerschaft angenommen4, teilweise wird es als Bruchteilsgemeinschaft mit besonderer Ausgestaltung behandelt5. Für die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die Verfügungsbefugnis der Kontoinhaber ist dieser Meinungsstreit nur für den Fall einer Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Gemeinschaftskonto und nur insoweit von Bedeutung, als es um die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters eines insolventen Kontoinhabers geht.

2.132

Einigkeit besteht darin, dass bei einem solchen Gemeinschaftskonto Verfügungen nur durch sämtliche Kontoinhaber gemeinsam getroffen werden können. Insoweit ist nämlich in zulässiger Weise durch eine vertragliche Abrede eine Änderung von dem Grundsatz, dass bei einer Gesamthandsgläubigerschaft jeder Gläubiger Leistung an alle verlangen kann, getroffen worden6. Dies bedeutet, dass der Insolvenzverwalter eines der Kontoinhaber nur zusammen mit den anderen Kontoinhabern über das Konto verfügen kann7. Ob die anderen Kontoinhaber dem Insolvenzverwalter gegenüber verpflichtet sind, seinen Verfügungen über das Konto zuzustimmen, richtet sich nach dem Innenverhältnis unter den Kontoinhabern; die Auseinandersetzung ist außerhalb des Insolvenzverfahrens vorzunehmen (§ 84 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dieses Innenverhältnis ist der Bank in der Regel nicht bekannt, aber auch wenn sie das Innenverhältnis kennt, kann sie Verfügungen eines der Kontoinhaber einschließlich des Insolvenzverwalters solange verweigern, bis die Zustimmung der übrigen Kontoinhaber vorliegt.

2.133

1 So LG Bremen v. 29.3.2018 – 6 O 272/17, ZInsO 2018, 2653. 2 Hansen, Die Rechtsnatur von Gemeinschaftskonto und Depot, 1967, S. 96; Schebesta WM 1985, 1329. 3 S. Nachweise bei Hadding/Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 19 Rn. 17. 4 Hadding WM-Festgabe für Hellner, 1994, 8; Janberg Bank-Archiv 1937/38, 1470; Keutner ZKW 1954, 630; Schütz in BFB, 15. Aufl. 1959, S. 155; Sprengel Die Sparkasse 1962, 280. 5 Hansen, Die Rechtsnatur von Gemeinschaftskonto und Depot, 1967, S. 118 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 232; Götsche JM 2016, 266; Hadding/Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 19 Rn. 17; offengelassen von LG Oldenburg v. 4.11.1982 – 5 T 384/82, ZIP 1982, 1433; inzwischen bejaht von BGH v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, ZIP 2020, 2079 = ZInsO 2020, 2262 Rn. 16. 6 BGH v. 10.1.1963 – II ZR 95/61, BGHZ 39, 15. 7 K. Schmidt FS Hadding, 2004, 1093.

Büchel | 363

Zweiter Teil Rz. 2.134 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

2.134

Für den Fall einer Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Gemeinschaftskonto durch die Kontoinhaber an einen Dritten hängt die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters eines insolventen Kontoinhabers davon ab, ob eine Gesamthandsgläubigerschaft vorliegt1 oder ob die Kontoinhaber eine Bruchteilsgemeinschaft bilden. Während bei einer Bruchteilsgemeinschaft das Verwertungsrecht hinsichtlich der Forderungen des insolventen Kontoinhabers nach § 166 Abs. 2 InsO dem Verwalter zusteht, die Bank also nur Verfügungen des Verwalters gemeinsam mit den solventen Kontoinhabern zulassen darf, sind bei einer Gesamtgläubigerschaft die solventen Kontoinhaber zusammen mit dem Zessionar verfügungsbefugt. Denn die Abwicklung von Gemeinschaften vollzieht sich außerhalb des Insolvenzverfahrens (§ 84 InsO), so dass der Verwalter kein Verwertungsrecht erwirbt. Welche dieser beiden Varianten vorliegt, richtet sich nach dem Innenverhältnis unter den Kontoinhabern2. Die Bank kann zwar in der Regel nicht beurteilen, welcher Fall gegeben ist. Nachdem der BGH aber grundsätzlich eine Bruchteilsgemeinschaft annimmt3, ist ihr aber dringend zu empfehlen, Verfügungen nur zuzulassen, wenn außer den solventen Kontoinhabern sowohl der Zessionar als auch der Insolvenzverwalter des insolventen Kontoinhabers zustimmen.

6. Verfügungsbefugnis über Konten des Schuldners 2.135

Während bei Eigenverwaltung die Verfügungsbefugnis des Schuldners grundsätzlich aufrechterhalten bleibt, ändert sich dies im Falle der Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen eines Kunden. Hier ist bei der Verfügung über Kontokorrentkonten, Sparkonten und Termingeldkonten zu unterscheiden, ob es sich um Einzelkonten des Schuldners, Konten einer BGB-Gesellschaft, an der der Schuldner beteiligt ist, Treuhandkonten, Anderkonten, Konten zugunsten Dritter, CpD-Konten oder sonstige Sonderformen handelt. a) Einzelkonten

2.136

Handelt es sich um ein bestehendes Einzelkonto, gleichgültig, ob Kontokorrent-, Spar- oder Termineinlagenkonto, so geht die alleinige Verfügungsbefugnis über dieses Konto mit Insolvenzeröffnung auf den Insolvenzverwalter über.

2.137

Dagegen erstreckt sich die Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters nicht auf etwa neu eröffnete und zur Aufnahme von insolvenzfreiem Vermögen dienende Konten des Schuldners (s. dazu Rn. 2.230, Rn. 2.301 ff.) wie z.B. ein Pfändungsschutzkonto. Auch soll in der Insolvenz eines ehemaligen Rechtsanwalts dessen nach § 55 BRAO eingesetztem Abwickler4 die Verfügungsbefugnis über die auf dem Geschäftskonto eingehenden oder von ihm eingezogenen Gebühren zustehen5. Da es sehr zweifelhaft ist, ob dem Standesrecht der Vorrang vor dem Insolvenzrecht gebührt, und da die Bank meist nicht unterscheiden kann, welche der Zahlungseingänge dem Abwickler und welche dem Insolvenzverwalter zustehen, bleibt ihr nur der Ausweg über eine Hinterlegung, falls sich der Abwickler und der Insolvenzverwalter nicht auf eine gemeinsame Weisung an die Bank verständigen.

1 Hadding WM-Festgabe für Hellner, 1994, 8; Janberg Bank-Archiv 1937/38, 1470; Keutner ZKW 1954, 630; Schütz in BFB, 15. Aufl. 1959, S. 155; Sprengel Die Sparkasse 1962, 280. 2 BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, ZIP 1990, 1538 = NJW 1991, 420. 3 BGH v. 24.9.2020 – IX ZR 289/18, ZIP 2020, 2079 = ZInsO 2020, 2262 Rn. 16. 4 Zur Abwicklung von Anwaltsgesellschaften s. Schwärzer BRAK-Mitt. 2009, 259. 5 LG Aachen v. 27.3.2009 – 8 O 480/08, ZInsO 2009, 875; OLG Köln v. 4.11.2009 – 17 U 40/09, ZIP 2009, 2395; zur Abgrenzung der Aufgaben s. Tauchert/Schulze-Grönda BRAK-Mitt. 2010, 115.

364 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.141 Zweiter Teil

Zur Verfügung über Sparkonten muss der Insolvenzverwalter das Sparbuch vorlegen. Gibt der Schuldner das Sparbuch nicht heraus, so kann der Insolvenzverwalter einen Gerichtsvollzieher mit der Wegnahme beauftragen. Den Titel bildet der Eröffnungsbeschluss (§ 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, § 34 InsO); die Zwangsvollstreckung ist auch ohne ausdrückliche Bezeichnung des Vollstreckungsgegenstandes im Beschluss zulässig1. Auf der Vorlage des Sparbuches sollte die Bank schon im eigenen Interesse bestehen2, auch wenn der Verwalter darauf verweist, dass der Kunde selbst mit dem Buch nicht mehr verfügen darf. Wenn der Verwalter das Buch nicht findet, ist es durchaus denkbar, dass der Kunde das Guthaben einem Dritten unter Übergabe des Buches abgetreten hat.

2.138

b) Konten für Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Wohnungseigentümergemeinschaften aa) Gesellschaften bürgerlichen Rechts Die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft ist insolvenzfähig (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Ein über die Gesellschaft eröffnetes Insolvenzverfahren hat für das Gesellschaftskonto die oben für das Einzelkonto dargestellten Folgen.

2.139

Durch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters wird die bürgerlichrechtliche Gesellschaft aufgelöst (§ 728 BGB)3, sofern nicht im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist, dass in diesem Fall die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehen soll (§ 736 BGB).

2.140

Wird die Gesellschaft infolge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst, so berührt dies den Bestand der Konten nicht. Jedoch steht die Vertretungsbefugnis der BGB-Gesellschaft allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (§ 730 Abs. 2 Satz 2, § 714 BGB), wobei für den insolventen Gesellschafter der Insolvenzverwalter handelt. Für die Befugnis zur Verfügung über ein Konto der BGB-Gesellschaft bedeutet dies, dass mit Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines der Gesellschafter nur noch dessen Insolvenzverwalter und die übrigen Gesellschafter gesamtvertretungsberechtigt sind, auch wenn vorher Einzelvertretungsvollmacht bestand. Allerdings ist eine abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafter möglich. In diesen Fällen handelt jeweils der Insolvenzverwalter für den insolventen Schuldner und vertritt die Gesellschaft im Umfang der vertraglichen Regelung oder des Beschlusses an dessen Stelle.

2.140a

bb) Arbeitsgemeinschaften Besonderheiten gelten bei Konten von Gesellschaften bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter juristische Personen sind. Ein Beispiel sind die ARGE-Konten. Dabei handelt es sich um Konten für Arbeitsgemeinschaften, bestehend aus zwei oder mehr Gesellschaften, die sich zusammengeschlossen haben, um ein gemeinsames wirtschaftliches Vorhaben durchzuführen, und dafür ein gemeinsames Konto eröffnen. Vielfach erscheinen diese Arbeitsgemeinschaften

1 LG Düsseldorf v. 16.2.1957 – 14 T 875/56, KTS 1957, 143. 2 Zur Vollstreckung wegen einer Forderung, die den Schuldner nur gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflichtet, s. BGH v. 8.7.2008 – VII ZB 64/07, ZIP 2008, 2382 = WM 2008, 1656. 3 Zu den Rechtsfolgen einer Auflösung durch Insolvenz s. im einzelnen Gehrlein ZInsO 2018, 1173.

Büchel | 365

2.141

Zweiter Teil Rz. 2.141 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

im Zusammenhang mit größeren Bauvorhaben. Die Gesellschaftsverträge enthalten oftmals Regelungen über einen Ausschluss eines insolventen Gesellschafters und die Fortführung der ARGE ohne diesen insolventen Gesellschafter. Wurde der insolvente Gesellschafter vor oder mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieses Gesellschafters aus der ARGE ausgeschlossen, ist die ARGE nicht in Auflösung, sondern besteht, sofern noch mindestens zwei Gesellschafter verbleiben, ohne ihren insolventen Gesellschafter fort. Bestand die ARGE nur aus zwei Gesellschaften, von denen eine ausscheidet, führt die verbleibende Gesellschaft die Geschäfte mit allen Rechten und Pflichten der ARGE fort, denn eine BGB-Gesellschaft braucht mindestens zwei Gesellschafter.

2.141a

Zu achten ist auf die Kontoverfügungsberechtigungen, die die ARGE gegenüber der Bank bei Kontoeröffnung erteilt und gegebenenfalls von Zeit zu Zeit angepasst hat. Diese bestehen fort, wenn die ARGE fortbesteht, auch wenn die Personen Mitarbeiter der ausgeschiedenen, insolventen Gesellschaft sind oder waren. Kontoinhaber und Bevollmächtigender ist die ARGE, so dass Veränderungen im Gesellschafterkreis die Kontovollmachten der ARGE nicht berühren. Die ARGE muss diese Kontoverfügungsberechtigungen widerrufen, wenn sie vermeiden will, dass Personen, die dem Kreis des ausgeschiedenen Gesellschafters zuzurechnen sind, weiter über die Konten verfügen können.

2.141b

Sollen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der ARGE-Gesellschafter Verfügungen ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters erfolgen, benötigt das Kreditinstitut den Gesellschaftsvertrag und, falls der insolvente Gesellschafter nicht automatisch, sondern aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses ausgeschieden ist, den Beschluss, um sicherzustellen, dass die Verfügungen ohne den Insolvenzverwalter getätigt werden dürfen. cc) Wohnungseigentümergemeinschaften

2.142

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nach § 9a Abs. 1 WEG rechtsfähig1. Sie kann daher Konten auf ihren Namen als Inhaberin führen und wird durch den Wohnungseigentumsverwalter vertreten, § 9b Abs. 1 WEG, was mittlerweile Standard einer ordnungsgemäßen Verwaltung von Gemeinschaftsgeldern ist. Sie ist jedoch kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§ 11 Abs. 3 WEG2) nicht insolvenzfähig3. Über das Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft bleibt deshalb der Wohnungseigentumsverwalter weiter verfügungsbefugt. Ein auf den Namen des Wohnungseigentumsverwalters errichtetes (Treuhand-)Konto wird von dem Insolvenzverfahren ohnehin nicht unmittelbar berührt.

1 Eingefügt durch das Wohnungseigentumsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung v. 12.1.2021, BGBl. I 2021, 34; bereits durch die Rspr. galt die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähig, vgl. BGH v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, ZIP 2005, 1233. 2 Eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze v. 26.3.2007, BGBl. I 2007, 370. 3 So bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes Häublein ZIP 2005, 1720; AG Dresden v. 12.1.2006 – 531 IN 3653/05, ZIP 2006, 343; AG Dortmund v. 12.1.2006 – 531 IN 365/05, DZWIR 2006, 175; Praxishinweis s. Drasdo NZI 2006, 209; a.A. Bork ZIP 2005, 1205; Bork ZInsO 2005, 1067; Fischer NZI 2005, 586; Gundlach/Frenzel/Schmidt DZWIR 2006, 149; AG Mönchengladbach v. 24.2.2006 – 32 IN 26/06, NZI 2006, 245.

366 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.145 Zweiter Teil

c) Treuhandkonten Hat ein Kunde bei der Bank ein Treuhandkonto eröffnet1, so handelt es sich im Zweifel um eine fiduziarische Vollrechtsinhaberschaft des Kontoinhabers und nicht nur um eine emächtigende Treuhand im Sinne von § 185 BGB2. Verfügungsberechtigt ist allein der Treuhänder3, es sei denn, dass ausdrücklich eine abweichende Vereinbarung mit der Bank getroffen ist4. Für einen etwaigen Debetsaldo haftet im Verhältnis zur Bank nur der Treuhänder5.

2.143

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kontoinhabers steht dem Treugeber ein Aussonderungsrecht an dem Guthaben zu6, da wirtschaftlich nicht der Treuhänder, sondern der Treugeber als berechtigt anzusehen ist. Voraussetzung für die Anerkennung eines Aussonderungsrechts bei offenen Treuhandkonten ist allerdings die Einhaltung des sog. Unmittelbarkeitsprinzips7. Danach muss das Treugut grundsätzlich unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers in das des Treuhänders geflossen sein. Bei Zahlungen auf ein Treuhandkonto genügt es allerdings, wenn Gelder von dritter Seite auf dieses Konto eingezahlt werden, sofern die den Zahlungen zugrunde liegenden Forderungen nicht in der Person des Treuhänders, sondern in der des Treugebers entstanden waren8 und das Konto ausschließlich zur Aufnahme von Fremdgeldern bestimmt ist9 und auch so verwendet wird10.

2.144

Dieses Aussonderungsrecht kann der Treugeber jedoch nicht gegenüber der Bank, sondern nur gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen11. Die Bank hat also auch dann,

2.145

1 Zur Abgrenzung von Treuhandkonten gegenüber verwandten Kontoarten vgl. Canaris NJW 1973, 830. 2 Vgl. BGH v. 10.1.1963 – II ZR 95/61, BGHZ 11, 37 (43); BGH v. 14.7.1958 – VII ZB 3/58, WM 1958, 1044; BGH v. 17.4.1964 – VII B 10.63, WM 1964, 1038; d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280, 1282 f. 3 BGH v. 12.7.2012 – IX ZR 213/11, ZIP 2012, 1517; Ganter ZInsO 2004, 1217. 4 Canaris NJW 1973, 831. 5 OLG Düsseldorf v. 19.5.1988 – 6 U 215/87, WM 1989, 211 = WuB I C 3. – 2.89 Sonnenhol; OLG Karlsruhe v. 27.11.1998 – 10 U 110/98, WM 1999, 1766. 6 BGH v. 12.7.2012 – IX ZR 213/11, ZIP 2012, 1517; BGH v. 10.1.1963 – II ZR 95/61, BGHZ 11, 37; BGH v. 14.5.1958 – VII ZB 3/58, WM 1958, 1044; BGH v. 7.4.1959 – VIII ZR 219/57, WM 1959, 686; BGH v. 17.4.1964 – VII B 10/63, WM 1964, 1038; BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, WM 1993, 83; OLG Düsseldorf v. 3.12.1987 – 10 U 117/87, BB 1988, 293; BayObLG v. 8.4.1988 – ReMiet 1/88, WM 1988, 1763 = WuB VI B § 43 KO 1.89 – Johlke; Canaris NJW 1973, 831; K. Schmidt FS Wiegand, 2005, 933; Lange NJW 2007, 2513. 7 S. im Einzelnen Obermüller DB 1973, 1833 m.w.N. und unten Rn. 5.1123, Rn. 5.1137, Rn. 8.695. 8 BGH v. 7.4.1959 – VIII ZR 219/57, WM 1959, 686; BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, WM 1993, 83; BGH v. 7.7.2005 – III ZR 422/04, ZIP 2005, 1465; BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 1087/06, ZIP 2007, 2173. 9 BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 49/10, ZIP 2011, 777; BGH v. 27.4.2017 – IX ZR 198/16, ZInsO 2017, 1481 Rn. 15; entsprechend für Wohnungsverwalterkonten BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 120/02, ZInsO 2003, 705. 10 BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 67/12, ZIP 2013, 2421. 11 BGH v. 12.7.2012 – IX ZR 213/11, ZIP 2012, 1517; OLG Hamm v. 11.2.1999 – 27 U 283/98, ZIP 1999, 765; OLG Naumburg v. 20.12.2001 – 2 U 56/01, WM 2003, 1668; LG Gießen v. 5.12.2011 – 1 S 345/11, ZInsO 2012, 981; Pannen EWiR § 47 InsO 3/04, 979.

Büchel | 367

Zweiter Teil Rz. 2.145 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

wenn ihr der Treuhandcharakter eines Kontos bekannt ist1, die Verfügungen des Insolvenzverwalters zu beachten und kann anders lautenden Weisungen des Treugebers nicht folgen. Es ist Sache des Treugebers, sich mit dem Insolvenzverwalter über die Anspruchsberechtigung im Verhältnis zu der kontoführenden Bank auseinanderzusetzen. Die Insolvenz des Treugebers hat zwar eine Beendigung des Treuhandvertrages mit dem Treuhänder zur Folge (§§ 116, 115 InsO)2, wirkt sich jedoch auf das Rechtsverhältnis des Treuhänders zu der Bank grundsätzlich nicht unmittelbar aus3. Vielmehr kann der Treugeber nur dann direkt Ansprüche gegen die Bank geltend machen, wenn der Treuhänder ihm seine Rechte übertragen hat. Ein automatischer Übergang der Ansprüche gegen die Bank kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn das Treugut unter der auflösenden Bedingung der Insolvenzeröffnung übertragen wurde4. Dies alles muss sich die Bank jedoch nachweisen lassen, bevor sie Verfügungen zulässt, die von der Regel abweichen.

2.146

Für das Recht der Bank, gegen Guthabenforderungen ihres Kunden aus dem Treuhandkonto mit Forderungen gegen den Kunden aufzurechnen, ist zwischen offenen und verdeckten Treuhandkonten zu unterscheiden. Ein offenes Treuhandkonto liegt vor, wenn der Kunde der Bank den Treuhandcharakter bei der Kontoeröffnung aufgedeckt und ihr deutlich gemacht hat, dass dieses Konto ausschließlich zur Aufnahme von Treuhandgeldern bestimmt ist5. Für solche Konten ist in aller Regel der Ausschluss der Aufrechnungsbefugnis der Bank als vereinbart anzusehen6. Diese Vereinbarung gilt auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Der Zweck des Aufrechnungsverbots, dessen Wegfall unter Umständen eine Auslegung des Vertrages rechtfertigen würde, dass das Verbot nicht mehr greife7, bleibt im Insolvenzverfahren unverändert erhalten. Gegenüber Forderungen aus verdeckten Treuhandkonten ist dagegen die Aufrechnung8 zulässig.

2.147

Ob die Bank gegen Forderungen des Treuhänders aus einem Guthaben mit Forderungen gegen den Treugeber aufrechnen kann oder ob dies an der fehlenden Gegenseitigkeit (§ 387 BGB) scheitert, hängt von der besonderen Art und Gestaltung des Treuhandverhältnisses ab. Je geringer die Selbständigkeit des Treuhänders gegenüber dem Treugeber ist, desto eher ist die Aufrechnung mit Gegenforderungen gegen den Treugeber zuzulassen, so insbesondere dann, wenn der Treuhänder den Weisungen des Treugebers wie ein Angestellter unterliegt

1 Zur Aufrechnungsbefugnis und zum Pfandrecht der Bank vgl. BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 895; OLG Düsseldorf v. 5.5.1983 – 6 U 192/82, ZIP 1983, 668 = DB 1983, 1538; OLG Naumburg v. 20.12.2001 – 2 U 56/01, WM 2003, 1668. 2 OLG Köln v. 17.3.1987 – 15 U 139/86, ZIP 1987, 867; zu sog. Escrow accounts beim Unternehmenskauf s. Findeisen ZInsO 2015, 1484. 3 OLG Zweibrücken v. 9.12.1999 – 4 U 33/99, WM 2000, 2489. 4 OLG Köln v. 17.3.1987 – 15 U 139/86, ZIP 1987, 867. 5 BGH v. 22.6.1987 – III ZR 263/85, ZIP 1987, 971 = WM 1987, 922 = WuB I C 3. – 4.87 Wolff. 6 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 895; BGH v. 22.6.1987 – III ZR 263/85, ZIP 1987, 971 = WM 1987, 922 = WuB I C 3. – 4.87 Wolff; OLG Düsseldorf v. 5.5.1983 – 6 U 192/82, ZIP 1983, 668 = DB 1983, 1538; OLG Naumburg v. 20.12.2001 – 2 U 56/01, WM 2003, 1668. 7 BGH v. 20.12.1974 – V ZR 72/73, WM 1975, 134; BGH v. 6.7.1978 – III ZR 65/77, WM 1978, 1042; BGH v. 12.10.1983 – VIII ZR 19/82, ZIP 1983, 1473 = WM 1983, 1359; BGH v. 26.2.1987 – I ZR 110/85, WM 1987, 732; BGH v. 19.9.1988 – II ZR 362/87, ZIP 1988, 1340 = WM 1988, 1592; BGH v. 14.7.1994 – IX ZR 110/93, ZIP 1994, 1347 = WM 1994, 1711; OLG Frankfurt v. 22.1.1985 – 5 U 77/84, ZIP 1985, 559 = WM 1985, 512 = WuB VI B § 53 KO 1.85 Obermüller. 8 Zu den Folgen eines verdeckten Treuhandkontos für Besteuerung und Anfechtung s. BFH v. 25.4.2017 – VII R 31/15, ZInsO 2017, 1906.

368 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.150 Zweiter Teil

oder wenn er wirtschaftlich gesehen die Stellung eines bloßen Vermögensverwalters innehat1; unter solchen Umständen würde die Berufung auf die formelle Rechtslage Treu und Glauben widersprechen. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treugebers stehen dessen Insolvenzverwalter keine eigenen Ansprüche gegen die Bank zu; Verfügungen des Treuhänders über das Konto werden durch das Verfügungsverbot des § 81 InsO nicht unterbunden2. Der Verwalter muss die Ansprüche auf das Treugut im Verhältnis zu dem Treuhänder geltend machen und ihn ggf. auf dem Weg über einen dinglichen Arrest (§§ 916 ff. ZPO) an Verfügungen hindern.

2.148

Bei einem Ermächtigungstreuhandkonto, bei dem die Verfügungsmacht einem anderen als dem Rechtsträger zusteht3, ist der Treugeber zugleich Kontoinhaber und Inhaber der Forderungen. Bei seiner Insolvenz richten sich die Ansprüche des Insolvenzverwalters nach den Grundsätzen zu den Einzelkonten. In der Insolvenz des (Ermächtigungs-)Treuhänders kommt es darauf an, ob die Verfügungsbefugnis auf dessen Insolvenzverwalter übergeht und die Ermächtigung fortbesteht. Allerdings sind solche Konten im Geschäftsverkehr mit einer Ausnahme – dem Insolvenz-Sonderkonto (s. dazu Rn. 2.249 ff.) – untypisch.

2.148a

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Bank stellen Guthaben auf Treuhandkonten wie alle anderen Kontoforderungen nur einfache Insolvenzforderungen dar. Das Treuhandverhältnis schützt den Treugeber durch das Aussonderungsrecht nur in der Insolvenz des Treuhänders, nicht aber in der Insolvenz der Bank als Schuldnerin der Kontoguthabenforderung.

2.149

d) Anderkonten Anderkonten stellen eine Unterart der offenen Treuhandkonten dar4; sie werden nur für bestimmte Berufsgruppen, denen u.a. die Verwaltung fremder Gelder obliegt, nämlich für Rechtsanwälte, Notare, Angehörige der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (Treuhänder) sowie für Patentanwälte eingerichtet5. Es handelt sich um offene Vollrechtstreuhandkonten, aus denen ausschließlich der das Konto eröffnende Berufsträger persönlich der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet ist6. Sie dienen in Abweichung von § 154 AO7 zur Aufnahme fremder Gelder und Wertpapiere, die auf diese Weise auch rein äußerlich von dem sonstigen Vermögen und den eigenen Konten der betreffenden Verfügungsberechtigten getrennt werden8. Anderkonten stellen deshalb, soweit sie ihrem Zweck entsprechend fremde Werte enthalten, Treugut dar9.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Zweibrücken v. 9.12.1999 – 4 U 33/99, WM 2000, 2489. OLG Celle v. 18.5.2006 – 13 U 120/03, ZIP 2006, 1878 = DB 2006, 1784. BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 27. BGH v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, ZIP 1989, 1466; BGH v. 8.2.1996 – IX ZR 151/95, WM 1996, 662; Canaris NJW 1973, 833; Hellner Liber amicorum Jens Nielsen, 1996, 29. Zur Pflicht des Anwalts zur Einrichtung eines Anderkontos s. Johnigk BRAK-Mitt. 2012, 104. BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531. Danach darf niemand auf einen falschen oder erdichteten Namen für sich oder einen anderen ein Konto errichten oder Wertpapiere hinterlegen. Hellner, Geschäftsbedingungen für Anderkonten, 1963, Rn. 2. BGH v. 8.2.1996 – IX ZR 151/95, WM 1996, 662; BGH v. 25.11.1964 – V ZR 144/62, WM 1965, 173; BGH v. 19.1.1960 – VIII ZR 35/59, WM 1960, 325.

Büchel | 369

2.150

Zweiter Teil Rz. 2.151 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

aa) Insolvenz des Anderkontoinhabers

2.151

Da sich auf einem Anderkonto Werte befinden, die in der Insolvenz des Kontoinhabers nicht zur Insolvenzmasse gehören1 und deren Aussonderung der Treugeber verlangen könnte2, erhebt sich die Frage, wie die Insolvenz des Anderkontoinhabers sich auf die Verfügungsbefugnis auswirkt.

2.152

Nach den Anderkontobedingungen3 soll die Verfügungsbefugnis auf einen von der zuständigen Kammer bestimmten Vertreter oder Abwickler übergehen4. Diese standesrechtlich geprägte Regelung kann mit dem umfassenden Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters aus § 80 InsO und dem Ausschluss anderweitigen Rechtserwerbs nach § 90 InsO kollidieren. Sie wird als vorrangig gegenüber dem Insolvenzrecht angesehen5, was zumindest dann problematisch ist, wenn nicht eindeutig feststeht, dass die auf dem Anderkonto verbuchten Werte ausschließlich Treugut darstellen.

2.153

Zu diesem Übergang kommt es nach Nr. 13 der Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Rechtsanwälten und Patentanwälten jedoch erst bei Verlust der Zulassung des Kontoinhabers zur Anwaltschaft. Für Angehörige der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe ist eine ähnliche Regelung für den Fall vorgesehen, dass die Zulassung zurückgenommen wird oder erlischt oder ein Berufsverbot verhängt wird (Nr. 11 der Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Angehörigen der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe). Dies dauert erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit. Bis dahin hat der Insolvenzverwalter Gelegenheit, die Lage zu klären und gegebenenfalls über ein Guthaben zu verfügen.

2.154

Ein unmittelbarer Anspruch des Treugebers gegen die Bank besteht nicht6. Zwar mag der Treugeber die Aussonderung der Werte auf dem Anderkonto oder Anderdepot beanspruchen können7, dieser Anspruch richtet sich jedoch nicht gegen die Bank, die gar nicht in der Lage ist zu klären, wer überhaupt der Treugeber ist, sondern gegen den Treuhänder bzw. seinen Rechtsnachfolger.

1 BFH v. 12.8.1964 – II 125/62 U, NJW 1965, 1046. 2 Hellner, Geschäftsbedingungen für Anderkonten, 1963, Rn. 157; Hadding FS Schippel, 1996, 163; Hadding/Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 22 Rn. 8; LG Hamburg v. 13.1.1949 – 2 O 207/48, DNotZ 1950, 130; inzidenter auch BGH v. 8.2.1996 – IX ZR 151/ 95, WM 1996, 662. 3 Abgedruckt bei Habl, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2015/114 Lfg., Rn. 2/339 ff. 4 Zur Fortführung des Unternehmens eines Freiberuflers in der Insolvenz s. Hess/Röpke NZI 2003, 233. 5 Gößmann WM 2000, 857; LG Aachen v. 27.3.2009 – 8 O 480/08, ZInsO 2009, 875; OLG Köln v. 4.11.2009 – 17 U 40/09, ZIP 2009, 2395. 6 Zimmermann DNotZ 2008, 91; Zimmermann DNotZ 2008, 807. 7 Hellner, Geschäftsbedingungen für Anderkonten, 1963, Rn. 157; Hadding FS Schippel, 1996, 163; Hadding/Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 22 Rn. 8; LG Hamburg v. 13.1.1949 – 2 O 207/48, DNotZ 1950, 130; inzidenter auch BGH v. 8.2.1996 – IX ZR 151/ 95, WM 1996, 662.

370 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.158 Zweiter Teil

bb) Insolvenz des Treugebers Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treugebers1 ergeben sich für die Banken keine Besonderheiten, da der Insolvenzverwalter seine Ansprüche auf das Anderkontoguthaben nicht gegenüber der Bank, sondern nur im Innenverhältnis zwischen Treugeber und Kontoinhaber geltend machen kann2.

2.155

e) Tankstellenkonten und sonstige Agenturkonten Unter einem Tankstellenkonto ist ein Geschäftskonto zu verstehen, dessen ausschließliche Funktion darin liegt, die Erlöse aufzunehmen, die der Tankstelleninhaber aus dem Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen einer bestimmten Mineralölgesellschaft über seine Tankstelle erzielt3. Obwohl der Tankstelleninhaber nach den üblichen Vertragskonstruktionen4 die Kraftstoffe im Namen und für Rechnung der Mineralölgesellschaft verkauft, ist Kontoinhaber nicht die Mineralölgesellschaft, sondern der betreffende Tankstelleninhaber. Ähnliche Agenturkonten sind bei Reisebüros5, Toto- und Lottoannahmestellen und Versicherungsagenten anzutreffen6. Durch die Gestaltung der Kontoeröffnungsverträge zwischen der Bank, dem Tankstelleninhaber bzw. Agenten und der Mineralölgesellschaft bzw. Versicherungsagentur wird eindeutig klargestellt, dass die auf das Konto eingezahlten Gelder Treugut bilden.

2.156

Damit können diese Agenturkonten als Treuhandkonten behandelt werden. Im Falle der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Tankstelleninhabers bzw. Agenten hat der Treugeber demgemäß ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO7. Dies setzt voraus, dass auf diesem Konto ausschließlich die Erlöse aus dem Verkauf von Produkten der Mineralölgesellschaft verbucht werden; eine Vermischung mit anderen Geldern oder eine Zwischenschaltung des allgemeinen Geschäftskontos für die Weiterleitung der Erlöse vernichten das Aussonderungsrecht8. Die Bank ist nach den vertraglichen Vereinbarungen in der Regel verpflichtet, die Mineralölgesellschaft bzw. das Versicherungsunternehmen von der Insolvenzeröffnung zu verständigen, kann aber – wenn der Treugeber daraufhin nicht die entsprechenden Maßnahmen trifft – eine Auszahlung an den Insolvenzverwalter meist nicht verweigern. Etwas anderes gilt dann, wenn in der Vereinbarung eine Sperrbegünstigung (s. Rn. 2.159) enthalten ist.

2.157

f) Sonderkonten Für die Behandlung von Sonderkonten ist in der Insolvenz des Kontoinhabers die Unterscheidung zwischen Eigenkonten für besondere Zwecke, verdeckten Treuhandkonten und offenen Treuhandkonten (Vollrechts- oder Ermächtigungstreuhandkonten) von Bedeutung. Sonderkonten für eigene Zwecke des Kontoinhabers erfordern im Insolvenzverfahren über sein

1 2 3 4 5 6 7 8

S. dazu Hadding FS Schippel, 1996, 163. Hadding/Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 22 Rn. 10. Pleyer/Holschbach Bank-Betrieb 1973, 48; Walter InsBüro 2020, 158. BGH v. 8.11.2005 – KZR 18/04, ZIP 2006, 288. Zur Konstruktion s. BGH v. 10.12.2002 – X ZR 193/99, ZIP 2003, 216. Vgl. Sperl ZKW 1979, 892. Pleyer/Holschbach Bank-Betrieb, 1973, 50. BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 = ZInsO 2010, 1929.

Büchel | 371

2.158

Zweiter Teil Rz. 2.158 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Vermögen keine besondere Behandlung. Verdeckte Treuhandkonten, die sich unter Umständen hinter Sonderkonten verbergen können, sind wie Eigenkonten zu behandeln1. Wegen offener Treuhandkonten kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. g) Sperrkonten

2.159

Als Sperrkonto ist ein Konto anzusehen, über das nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen oder nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder Termins2 oder bei Erteilung der Zustimmung eines Dritten verfügt werden kann. Der Sperrbegünstigte ist meist ein Gläubiger des Kunden, der eine Sicherheit erhalten soll3, wie z.B. der Vermieter bei einem Mietkautionskonto4 oder ein von dritter Seite Beauftragter, der die zweckentsprechende Verwendung von Geldern, die dem Kontoinhaber zugeflossen sind, überwachen soll. aa) Allgemeine Sperrvereinbarung

2.160

Einer Sperrvereinbarung, welche die Bank mit dem Kontoinhaber trifft und die keine besonderen Zusätze enthält, kommt zwar in der Regel keine dingliche Wirkung zu, es sei denn, sie steht in Verbindung mit einer Sicherungsabtretung oder Verpfändung des Kontoguthabens5. Im Verhältnis zu der Bank ist diese Abgrenzung jedoch ohne Bedeutung, da die Bank Weisungen und Verfügungen des Kontoinhabers eine entsprechende Einrede entgegensetzen kann6.

2.161

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kontoinhabers kann dessen Insolvenzverwalter im Verhältnis zur Bank nur diejenigen Rechte geltend machen, die auch dem Kontoinhaber zustanden7. Demgemäß muss er sich die Einrede der Bank wegen der Sperrvereinbarung entgegenhalten lassen8 und sich im Verhältnis zu dem Sperrbegünstigten bemühen, dessen Zustimmung zu der Aufhebung der Sperre zu erhalten. Daher ist im Verhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Sperrbegünstigten zu klären, ob die Sperre ein dingliches, d.h. auch in der Insolvenz des Kontoinhabers wirksames Recht, wie z.B. ein Pfandrecht, geschaffen und dem Sperrbegünstigten damit ein Absonderungsrecht zugewendet hat, oder ob der Sperrbegünstigte lediglich Inhaber eines schuldrechtlichen Anspruchs geworden ist, der ihm im Insolvenzverfahren zu keiner Vorzugsstellung verhilft9, oder ob die Sperre in dem Sinn zu verstehen ist, dass sie ein Treuhandverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Sperrbegünstigten dokumentiert10.

1 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 246; zu den Folgen für Besteuerung und Anfechtung s. BFH v. 25.4.2017 – VII R 31/15, ZInsO 2017, 1906. 2 Vgl. im Einzelnen Kollhosser ZIP 1984, 389. 3 Zum Einsatz von Sperrkonten im Baugewerbe zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen s. Lorenz ZInsO 2009, 66. 4 Vgl. OLG Düsseldorf v. 3.12.1987 – 10 U 117/87, ZIP 1988, 449 = BB 1988, 293. 5 BGH v. 17.4.1986 – IX ZR 54/85, ZIP 1986, 720 = WM 1986, 749 = WuB I C 3. – 2.86 Obermüller. 6 OLG München v. 24.9.1997 – 7 U 2402/97, WM 1999, 317. 7 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225 = WM 1995, 352 m.w.N.; Bork NJW 1981, 905. 8 Eckert ZIP 1984, 1121; Hadding/Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 20 Rn. 18. 9 Vgl. im Einzelnen BGH v. 2.5.1984 – VIII ZR 344/82, ZIP 1984, 1118. 10 OLG Düsseldorf v. 3.12.1987 – 10 U 117/87, BB 1988, 293; OLG Hamburg v. 29.11.1989 – 4 U 141/89, ZIP 1990, 115.

372 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.162a Zweiter Teil

bb) Mietkautionskonten Letzteres geschieht vor allem bei den oben bereits erwähnten Mietkautionskonten. Hier kommt es aber weniger auf die Sperrvereinbarung1 als vielmehr darauf an, dass die Kaution dem Vermieter nicht zur freien Verfügung oder auf dessen allgemeines Konto überwiesen und damit ununterscheidbar geworden ist, sondern dass sie vom Vermieter treuhänderisch zu verwahren ist und er auf sie erst nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückgreifen darf2. Eine Aussonderungsbefugnis bezüglich eines Kontoguthabens kann nämlich nur entstehen, wenn es sich um ein ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmtes Konto handelt3. Im letzteren Fall steht dem Mieter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vermieters ein Aussonderungsrecht zu, das er aber nicht gegenüber der Bank, sondern nur gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen kann4. Auch der Zwangsverwalter, der dem Mieter eine Kaution selbst dann zurückgeben muss, wenn sie vor der Beschlagnahme an den Eigentümer geleistet wurde5, und der Ersteher, auf den die Verpflichtung zur Rückzahlung der Mietsicherheit kraft Gesetzes übergeht6, können sich nur an den Eigentümer7 bzw. dessen Insolvenzverwalter8 und nicht unmittelbar an die Bank halten. Die Bank ist nur gegenüber ihrem Kontoinhaber bzw. dessen Insolvenzverwalter verpflichtet.

2.162

Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters ändert für die Bank nichts. Der Insolvenzverwalter des Mieters muss sich mit dem Vermieter über die Rechte an der Kaution auseinandersetzen9. Der Anspruch auf Rückzahlung einer Mietkaution unterliegt – aufschiebend bedingt durch die Beendigung des Mietverhältnisses und die Rückgabe der Mietsache – bereits mit der Entrichtung der Kaution an den Vermieter regelmäßig dem Insolvenzbeschlag10; dies kann der Insolvenzverwalter nicht gegenüber der Bank, sondern nur gegenüber dem Vermieter geltend machen kann11.

2.162a

1 Zum Sperrvermerk als Pfandrecht i.S.v. § 50 InsO s. Langer ZInsO 2012, 1093. 2 Vgl. § 551 Abs. 3 BGB; OLG Düsseldorf v. 3.12.1987 – 10 U 117/87, BB 1988, 293; OLG Hamburg v. 29.11.1989 – 4 U 141/89, ZIP 1990, 115; OLG Nürnberg-Fürth v. 15.5.1998 – 8 U 4293/97, ZIP 1998, 1222; zur Auswirkung auf das AGB-Pfandrecht der Bank s. OLG Köln v. 15.5.1998 – 8 U 4293/97, WM 1998, 1968. 3 BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, ZIP 2008, 469 = DZWIR 2008, 213; BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 9/12, ZIP 2013, 179 = ZInsO 2013, 136; s. auch Besprechung von Gundlach/Frenzel/Strandmann DZWIR 2008, 189; OLG Köln v. 5.11.2008 – 2 U 16/08, ZInsO 2009, 390. 4 BayObLG v. 8.4.1988 – Re-Miet 1/88, ZIP 1988, 789; vgl. auch BGH v. 7.5.2014 – VIII ZR 234/13, MDR 2014, 704 mit Anm. Samhat WM 2015, 1454. 5 BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 11/03, ZIP 2003, 1899 = ZInsO 2003, 900 mit Kritik von Hartung NZI 2014, 739; BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 330/03, NJW-RR 2005, 1029; es sei denn, das Mietverhältnis war bereits vor der Beschlagnahme beendet (BGH v. 3.5.2006 – VIII ZR 210/05, NJW-RR 2006, 1021). 6 BGH v. 7.3.2012 – XII ZR 13/10, NZI 2012, 5. 7 BGH v. 14.4.2005 – V ZB 6/05, WM 2005, 1321. 8 Milger NJW 2011, 1249. 9 Weiterführend BGH v. 9.10.2014 – IX ZA 20/14, ZInsO 2014, 2320; Heyer ZInsO 2015, 1181; Cymutta InsBüro 2019, 32; 2019, 76. 10 BGH v. 21.2.2019 – IX ZB 7/17, ZInsO 2019, 895 Rn. 12. 11 BayObLG v. 8.4.1988 – Re-Miet 1/88, ZIP 1988, 789; vgl. auch BGH v. 7.5.2014 – VIII ZR 234/13, MDR 2014, 704 mit Anm. Samhat WM 2015, 1454.

Büchel | 373

Zweiter Teil Rz. 2.163 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

cc) Arbeitszeitkonten

2.163

Eine ähnliche Situation kann sich bei Konten für Arbeitszeitguthaben1 ergeben, wenn der Arbeitgeber den Gegenwert für die Forderungen der Arbeitnehmer auf Vergütung der vorgeleisteten Arbeit2 auf einem gesonderten Konto verbucht oder – wie es wohl häufiger vorkommt – in Wertpapieren in einem Depot angelegt und die Verfügungsbefugnis in der Weise geregelt hat, dass er nur gemeinsam mit den Arbeitnehmern bzw. dem Betriebsrat verfügen kann. Grundsätzlich drückt ein Arbeitszeitkonto nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des betreffenden Arbeitnehmers aus3, ohne dadurch dem Arbeitnehmer eine treuhänderische Mitberechtigung an dem zum Vermögen des Arbeitgebers gehörenden Konto oder Depot zu verschaffen4. Auch in diesem Fall erwerben die Sperrbegünstigten kein Aussonderungsrecht an dem Guthaben5 oder Depot und sind stattdessen darauf verwiesen, ihre Ansprüche im Insolvenzverfahren zu verfolgen6. Daran ändern auch eigens für diese Verbindlichkeiten gebildete Rückstellungen nichts7.

2.164

Damit wäre aber die Insolvenzsicherungspflicht8 aus § 7e Abs. 1 SGB IV nicht erfüllt. Zur Begründung einer insolvenzsicheren uneigennützigen Treuhand ist nämlich notwendig, dass der Treuhänder Inhaber von zum Treuhand-Vermögen gehörenden Rechten wurde, die vorher dem Treugeber zustanden, also eine unmittelbare Vermögensübertragung stattgefunden hat, oder dass die Gelder aufgrund der Einziehung einer Forderung durch die Treugeber von Dritten auf das Konto eingezahlt werden9. Die Bank kann den Insolvenzverwalter allerdings darauf verweisen, ihr zunächst die Zustimmung der Sperrbegünstigten zu verschaffen, bevor sie Verfügungen zulässt.

1 Zur geplanten Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen von Zeitwertkonten s. Uckermann BB 2008, 1281, 1566, 1898; zur Umsetzung durch das „Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze“ v. 21.12.2008 (BGBl. I 2008, 2940) s. Huke/Lepping ZIP 2009, 1204; zur rechtlichen Charakterisierung von Wertguthabenvereinbarungen s. Peiter/Westphal BB 2011, 1781. 2 Zum Rang der Ansprüche aus einem Altersteilzeitvertrag s. im Übrigen BAG v. 23.2.2005 – 10 AZR 602/03, ZIP 2005, 873 = BB 2005, 1393; Oberhofer/Wroblewski ZInsO 2005, 695. 3 BAG v. 5.9.2002 – 9 AZR 244/01, AP Nr. 17 zu § 3 BUrlG; Schlegel in Henning, Handbuch zum Sozialrecht, Stand 2008, Gruppe 7b Rn. 110; zur Gesetzesänderung ab 1.1.2009 s. Hasslöcher BB 2009, 440. 4 BGH v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, ZIP 2001, 2235. 5 BAG v. 24.9.2003 – 10 AZR 640/02, ZIP 2004, 124 = NZI 2005, 122; LAG Niedersachsen v. 23.9.2002 – 17 Sa 609/02, ZInsO 2003, 143. 6 Zur Einordnung als Insolvenz- oder Masseforderungen s. ArbG Düsseldorf v. 24.7.2003 – 11 Ca 2525/03, ZIP 2004, 133; LAG Düsseldorf v. 17.9.2003 – 4 (5) Sa 684/03, ZIP 2003, 2039; BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, ZIP 2005, 457; zu Ersatzansprüchen der Arbeitnehmer gegen Organe des Unternehmens s. LAG Düsseldorf v. 10.12.2004 – 9 (6) Sa 96/04, ZIP 2005, 999. 7 BVerwG v. 26.6.2008 – 7 C 50.07 – DZWIR 2008, 454. 8 S. dazu Cisch/Ulbrich DB 2007, 1029; Kovács/Koch NZI 2004, 415. 9 BAG v. 24.9.2003 – 10 AZR 640/02, ZIP 2004, 124; Küppers/Louven/Schröder BB 2005, 763.

374 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.165 Zweiter Teil

Daher haben sich inzwischen Modelle (z.B. sog. Contractual Trust Agreements (CTA)1) durchgesetzt, bei denen der Arbeitgeber die Vermögenswerte auf einen Treuhänder2 überträgt, der sie sowohl für ihn als auch für die Mitarbeiter hält. Deren Insolvenzfestigkeit hängt mangels Typenzwangs von der konkreten vertraglichen Ausgestaltung ab3. Wird eine sog. Doppeltreuhand vereinbart, ist die zugunsten des Arbeitnehmers vereinbarte Sicherungstreuhand in der Regel insolvenzfest und begründet in der Insolvenz des Arbeitgebers (Treugebers) ein Absonderungsrecht an dem Sicherungsgegenstand4. Das Recht der Mitarbeiter muss dazu durch einen berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter als unentziehbar ausgestaltet sein5 mit der Folge, dass es vertraglich nicht mehr aufgehoben werden kann, auch nicht durch Kündigung oder durch Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeberunternehmen und dem Treuhänder6. Da die Mitarbeiter unmittelbar den Anspruch gegen den Treuhänder erhalten, fällt dieser Anspruch nicht in die Insolvenzmasse des Arbeitgebers7. Auch bleibt das zugrunde liegende Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Treuhänder bestehen8; die §§ 116, 115 InsO, die ein Erlöschen von Aufträgen vorsehen, die der Schuldner erteilt hat, wirken nur für die Zukunft9 und berühren einen Auftrag, der bereits ganz oder teilweise aus-

1 Zu den rechtlichen Möglichkeiten der Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten s. im Übrigen Wahlig DZWIR 2000, 370; Baldringer ZInsO 2006, 690; Bode/Bergt/Obenberger DB 2000, 1864; Fischer/Thoms-Meyer DB 2000, 1861; Fischer DB 2001 Beilage Nr. 5, 21; Kovács/Koch NZI 2004, 415; insbesondere zu Contractual Trust Agreements Berenz DB 2006, 2125; Birkel/Obenberger BB 2011, 2051; Bitter FS Ganter, 2010, 101; Diller/Tresselt ZIP 2017, 2084; Kemper/Stark BB 2012, 2433; Knappstein/Dressler/Steinbacher NZI 2019, 148; Küppers/Louven BB 2004, 337; Küppers/ Louven/Schröder BB 2005, 763; Knortz DB 2003, 2399; Passarge NZI 2005, 20; Passarge DB 2005, 2746; Rolfs/Schmid ZIP 2010, 701; Rößler BB 2010, 1405; Rüger NZI 2012, 488; Storck BB 2012, 2436; Wonnenberg/Birkel DB 2013, 2858; zur bilanzsteuerlichen Behandlung s. OFD Frankfurt v. 1.12.2006 – S 2137 A – 57 – St 210, DB 2007, 196; Ditz/Tcherveniachki DB 2010, 632; zur privatrechtlichen Insolvenzsicherung rückgedeckter Pensionszusagen s. Kutzner/Huth/Eckhoff ZInsO 2015, 2153. 2 Im Gegensatz zur Ausgliederung (s. dazu Sieger/Aleth DB 2002, 1487). 3 BVerwG v. 12.3.2014 – 8 C 27.12, ZIP 2014, 1944 = ZInsO 2014, 1712. 4 BAG v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, ZIP 2013, 2025 für die Absicherung von Altersteilzeitguthaben; BGH v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, ZInsO 2015, 2484 Rn. 38; Einzelheiten s. Diller/Tresselt ZIP 2017, 2084; Kutzner/Schulenburg ZInsO 2017, 1708; zum Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers s. LAG Stuttgart v. 6.3.2014 – 3 Sa 47/13, ZIP 2014, 894. 5 LAG Nürnberg v. 14.11.2012 – 2 Sa 837/10, DB 2013, 1611; BGH v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, ZIP 2015, 2286 = ZInsO 2015, 2484 Rn. 38; Beispiel für unwirksame Vereinbarung s. LAG Hamm v. 6.3.2013 – 6 Sa 976/12, ZInsO 2013, 1272. 6 RG v. 22.9.1906 – I 584/05, RGZ 64, 108; RG v. 2.2.1921 – V 354/20, RGZ 101, 275; RG v. 12.1.1937 – VII 208/36, RGZ 153, 220; RG v. 22.12.1941 – VII 70/41, RGZ 168, 177; BGH v. 28.11.1973 – VIII ZR 87/72, WM 1974, 14; LAG Berlin-Brandenburg v. 27.10.2011 – 5 Sa 1310/ 11, ZIP 2012, 789; LAG Berlin-Brandenburg v. 19.6.2012 – 16 Sa 2205/11, JurionRS 2012, 25933. 7 RG v. 20.4.1906 – VII 377/05, JW 1906, 383; RG v. 8.10.1912 – 11 133/12, RGZ 80, 177; LAG Berlin-Brandenburg v. 27.10.2011 – 5 Sa 1310/11, ZIP 2012, 789; LAG Berlin-Brandenburg v. 19.6.2012 – 16 Sa 2205/11, JurionRS 2012, 25933; BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 455/15, ZIP 2017, 1136 = ZInsO 2017, 1960 Rn. 67. 8 LAG Berlin-Brandenburg v. 27.10.2011 – 5 Sa 1310/11, ZIP 2012, 789; LAG Berlin-Brandenburg v. 19.6.2012 – 16 Sa 2205/11, JurionRS 2012, 25933. 9 BGH v. 6.7.2006 – IX ZR 121/05, ZIP 2006, 1781, ZInsO 2006, 1055; Goetsch in Berliner Kommentar zur InsO, Stand 2010, § 115 Rn. 6; Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 115 Rn. 6; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022, 94. EL. §§ 115, 116 Rn. 30; Wegener in FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 115 Rn. 7.

Büchel | 375

2.165

Zweiter Teil Rz. 2.165 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

geführt ist, nicht1. Eine teilweise Ausführung liegt vor, wenn – wie hier durch die Begründung eigener Ansprüche der Mitarbeiter gegen den Treuhänder – schon eine selbständige Verpflichtung gegenüber einem Dritten entstanden ist2. Im Verhältnis zur Bank bleibt auch hier nur der Treuhänder aus dem Konto oder Depot berechtigt und verpflichtet. An den Vermögenswerten, die dem Treuhänder übertragen wurden, erwirbt der Mitarbeiter kein Aussonderungsrecht, sondern ein Absonderungsrecht3, das nicht dem Verwertungsrecht des Verwalters unterliegt, da § 166 Abs. 1 InsO unmittelbaren Besitz des Verwalters voraussetzt4. Dieses Recht kann der Mitarbeiter nur gegenüber dem Treuhänder geltend machen und nicht gegenüber der Bank. Ebenso wenig wirkt sich eine etwaige Anfechtung der Überführung von Vermögenswerten in das Treuhandmodell5 durch den Insolvenzverwalter, dessen Recht zur Anfechtung im Übrigen unberührt bleibt6, auf das Verhältnis zur Bank aus. h) Konten zugunsten Dritter

2.166

Schließen die Bank und ihr Kunde einen Kontoeröffnungsvertrag mit einer Drittbegünstigungsklausel, so erwirbt der Dritte gemäß §§ 328 ff. BGB ein Forderungsrecht gegen die Bank7. Bei den im Bankgewerbe üblichen Formularen8 ist vorgesehen, dass der begünstigte Dritte den Anspruch auf das Guthaben zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. im Fall des Todes des Kontoinhabers oder bei Volljährigkeit des Begünstigten, erwirbt und der Kontoinhaber bis zu diesem Zeitpunkt ohne Zustimmung des Begünstigten über das Konto verfügen kann.

2.167

Wird über das Vermögen des Kontoinhabers ein Insolvenzverfahren eröffnet, bevor der Zeitpunkt, in dem der Dritte das Recht erwerben sollte, eingetreten ist, so kann der Insolvenzverwalter das Guthaben abheben und damit die Begünstigung des Dritten gegenstandslos machen. Versäumt dies der Insolvenzverwalter, so erwirbt der Dritte das Guthaben bei der Bank mit Eintritt des betreffenden Ereignisses. Da der Dritte unmittelbar den Anspruch gegen die Bank erhalten hat, fällt dieser Anspruch nicht in die Insolvenzmasse des Kontoinhabers9.

2.168

Die Anfechtbarkeit eines solchen Vertrages wegen Gläubigerbenachteiligung ist jedoch nicht ausgeschlossen10. Außerdem besteht für den Insolvenzverwalter unter Umständen die Mög-

1 G. Schmidt in HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 115 Rn. 8; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1079; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 23 Anm. 2 – diese Vorschrift wurde inhaltlich unverändert als §§ 115, 116 InsO übernommen (Begründung RegE zu §§ 133, 134); insoweit entsteht ein Aufwendungsersatzanspruch (RG v. 16.11.1911 – IV 119/11, LZ 1912, Sp. 326; RG v. 24.5.1911 – VI/1910, LZ 1912, Sp. 329). 2 Schäfer Bank-Archiv 1937/38, 53; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl. 1926, Anh. zu § 363 Anm. 43;Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9c; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 20; OLG Bamberg v. 7.1.2004 – 3 U 81/03, ZlnsO 2004, 620; RG v. 11.4.1923 – I 180/22, RGZ 107, 136; RG v. 21.5.1924 – V 922/22, LZ 1924, 696. 3 LAG Hamm v. 6.3.2013 – 6 Sa 976/12, ZIP 2013, 1294, ZInsO 2013, 1272. 4 Einzelheiten s. Kutzner/Schulenburg ZInsO 2017, 1708. 5 Einer Anfechtung kommt allerdings nur theoretische Bedeutung zu, Einzelheiten s. Diller/Tresselt ZIP 2017, 2084. 6 BAG v. 15.1.2013 – 9 AZR 448/11, ZIP 2013, 900 = DB 2013, 1242. 7 Einzelheiten s. Albsmeier-Splitthoff, Unentgeltliche Verfügungen zugunsten Dritter auf den Todesfall bei Sparkonten und Depots, Diss. Bielefeld, 1993, S. 24 ff. 8 Vgl. Weller, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2014/108. Lfg., Rn. 2/420. 9 RG v. 20.4.1906 – VII 377/05, JW 1906, 383; RG v. 8.10.1912 – II 133/12, RGZ 80, 177. 10 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, ZIP 2003, 2307 = ZInsO 2003, 1096.

376 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.170 Zweiter Teil

lichkeit, von dem Dritten den eingezogenen Geldbetrag zurückzufordern, wenn im Verhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Dritten kein Rechtsgrund für die Zuwendung bestand1. i) Konten Minderjähriger Minderjährige können Konten nur durch ihre gesetzlichen Vertreter oder unter deren Mitwirkung eröffnen und darüber verfügen. Bei Konten, die als Kontobezeichnung den Namen eines Minderjährigen tragen, ist deshalb zunächst zu klären, ob dieser damit bereits der Kontoinhaber geworden ist2; die Formularpraxis mancher Kreditinstitute lässt hier leicht Missverständnisse aufkommen. Kontoinhaber eines Sparkontos ist derjenige, der nach dem erkennbaren Willen dessen, der das Konto eröffnet, Gläubiger der Bank werden soll3. Die Einrichtung des Kontos auf den Namen eines anderen lässt nämlich für sich genommen noch nicht den Schluss auf einen Vertrag zugunsten Dritter zu. Entscheidend ist vielmehr, wer gemäß der Vereinbarung mit der Bank Kontoinhaber werden soll4. Dies ist durch eine Auslegung zu klären, die alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt5.

2.169

Ist danach der Minderjährige als Berechtigter anzusehen, so lässt die Insolvenz eines Elternteils das Vermögenssorgerecht zunächst unberührt (§ 1666 BGB); die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zwar kann das Gericht einem Elternteil das Recht zur Vermögenssorge entziehen oder ihm Beschränkungen auferlegen, wenn es das Kindesvermögen als gefährdet ansieht (§ 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB). Eine Gefährdung kann nicht nur bei einer Verminderung oder einem ordnungswidrigen Verbrauch des Kindesvermögens, sondern grundsätzlich auch dann anzunehmen sein, wenn ein Elternteil seine Pflichten zur Vermögenssorge verletzt und deshalb übliche Möglichkeiten der Vermögensmehrung nicht genutzt werden, beispielsweise wenn er die in § 1642 BGB vorgeschriebene Geldanlage unterlässt6. Das Gesetz behandelt solche Fälle jedoch nicht als Regel, sondern als Ausnahme und lässt gerichtliche Maßnahmen nur zu, wenn eine gegenwärtige Gefahr, also eine Situation vorliegt, in der nach den Umständen der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich ist oder zumindest als naheliegende Möglichkeit erscheint7. Daher muss die Bank, die von der Insolvenz des Elternteils Kenntnis erlangt, nicht davon ausgehen, dass das Familiengericht diesem Elternteil sein Recht zur Vermögensverwaltung für den Minderjährigen entzogen hat. Ihr guter Glaube wird jedoch nicht geschützt, so dass sie in eine missliche Lage gerät, wenn sie von der Insolvenz eines alleinvertretungsberechtigten Elternteils Kenntnis erhält. Daher sollte sie dessen Verfügungen zunächst ablehnen und sich Gewissheit durch Rückfrage beim Familiengericht verschaffen.

2.169a

Der Insolvenzverwalter kann dagegen nicht über das Konto des Minderjährigen verfügen. Es gehört nicht zum Vermögen des Insolvenzschuldners und damit nicht zur Insolvenzmasse.

2.170

1 Vgl. Kümpel WM 1977, 1186; BGH v. 14.7.1976 – IV ZR 123/75, WM 1976, 1130; BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, ZIP 2003, 2307 = ZInsO 2003, 1096. 2 Weiterführend Strobel WM 2020, 449. 3 BGH v. 17.7.2019 – XII ZB 425/18, ZIP 2019, 1609 Rn. 14; BGH v. 25.4.2005 – II ZR 103/03, ZIP 2005, 1222 = FamRZ 2005, 1168, 1169 m.w.N..; BGH v. 2.2.1994 – IV ZR 51/93, FamRZ 1994, 625 m.w.N. 4 BGH v. 17.7.2019 – XII ZB 425/18, ZIP 2019, 1609 Rn. 15; BGH v. 18.1.2005 – X ZR 264/02 – FamRZ 2005, 510 m.w.N. 5 BGH v. 17.7.2019 – XII ZB 425/18 Rn. 15, ZIP 2019, 1609 m.w.N. 6 BayObLG v. 23.12.1982 – BReg 1 Z 105/82, FamRZ 1983, 528, 530. 7 Ziegler in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 17. Aufl. 2022, § 1666 Rn. 15.

Büchel | 377

Zweiter Teil Rz. 2.171 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

j) CpD-Konten

2.171

Unter dem „Conto pro Diverse“ wird, ohne dass mit dieser Bezeichnung in jedem Fall grundlegende Unterschiede zu den Kundenkonten zum Ausdruck gebracht werden, ganz allgemein ein Konto verstanden, über das Umsätze verschiedener Personen (Kunden oder Nichtkunden) und verschiedener Art geleitet werden, die sich in der Regel in angemessener Frist erledigen1. Ob die Buchung auf einem solchen Konto die Bedeutung einer Gutschrift für die darin bezeichnete Person hat, kann nicht allgemein, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden, nämlich danach, ob nur eine vorläufige Buchung für die Bank vorgenommen werden sollte oder ob die Bank verpflichtet und bereit war, jederzeit den Betrag an einen bestimmten Begünstigten auszuzahlen2.

2.172

Je nachdem, ob durch die Buchung ein Anspruch für den Begünstigten begründet wurde, ist im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Begünstigten nur noch der Insolvenzverwalter befugt, diesen Anspruch gegen die Bank geltend zu machen. k) Vollmachten und Vertretungsberechtigungen

2.173

Bei Vertretungsberechtigungen ist zu unterscheiden zwischen gesetzlicher bzw. organschaftlicher Vertretungsbefugnis und rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht, bei Letzterer wiederum zwischen der Insolvenz des Bevollmächtigten und der Insolvenz des Vollmachtgebers. aa) Vollmachten

2.174

In der Insolvenz des Bevollmächtigten bleibt dessen Vollmacht bestehen. Sie fällt nicht in die Insolvenzmasse und kann daher nicht vom Insolvenzverwalter ausgeübt werden3. Auf die Insolvenz muss die Bank ihren Kunden nicht hinweisen. Die Bank trifft nämlich grundsätzlich keine Pflicht zur individuellen Aufklärung des Kunden über Umstände, die sich aus dem Verhältnis zu dessen bevollmächtigten Vermögensverwalter ergeben4.

2.175

In der Insolvenz des Kontoinhabers erlöschen mit dem Verlust der Verfügungsbefugnis auch die von ihm erteilten Prokuren5, Handlungsvollmachten6 und speziellen Kontovollmachten (§ 117 InsO)7, selbst wenn diese als unwiderrufliche vereinbart wurden8. Vorsorgevollmachten9 erlöschen nur in Bezug auf die Vertretung in Vermögensangelegenheiten. Soweit die Vorschriften der §§ 170 ff. BGB, § 15 HGB das Vertrauen der Bank in den Fortbestand der Voll1 BGH v. 4.12.1958 – II ZR 60/57, WM 1959, 113; Achterberg/Lanz, Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, 3. Aufl. 1967, Band 1, S. 318; Gößmann/Habl, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2014/108. Lfg., Rn. 2/392. 2 BGH v. 5.5.1958 – VII ZR 102/57, WM 1958, 776; BGH v. 4.12.1958 – II ZR 60/57, WM 1959, 113; BGH v. 15.5.1986 – VII ZR 211/85, ZIP 1986, 1177 = WM 1986, 906 = WuB I E 1. – 14.86 Sturm; s. auch OLG Düsseldorf v. 7.2.1985 – 6 U 136/84, ZIP 1985, 734. 3 Jaeger/Henckel, InsO, 2004, § 35 Rn. 89; BayObLG v. 13.7.1978 – BReg. 2 Z 37/77, DB 1978, 1929. 4 OLG Düsseldorf v. 1.9.2014 – I-9 U 46/13, ZIP 2014, 2434. 5 BGH v. 4.12.1957 – V ZR 251/56, WM 1958, 431; Begründung RegE zu § 135 a.E. 6 RG v. 29.6.1915 – II 111/15, LZ 1916, 22; OLG Brandenburg v. 29.9.2000 – 7 W 47/00, NZI 2001, 255; Begründung RegE zu § 135 a.E.; anders für eine im Eröffnungsverfahren erteilte Prozessvollmacht BGH v. 20.1.2011 – IX ZB 242/08, ZIP 2011, 1014. 7 Weiterführend Schilken KTS 2007, 1; Gehrlein ZInsO 2020, 325. 8 Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 117 Rn. 3 m.w.N. 9 Zu Inhalt und Umfang von Vorsorgevollmachten s. Uhlenbruck ZInsO 2009, 612.

378 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.178 Zweiter Teil

macht schützen, kann daraus keine Vollmacht zur Vertretung des Insolvenzverwalters hergeleitet werden1; die Handlung des Vertreters bleibt eine Handlung des Schuldners. Neue Prokuren kann der Insolvenzverwalter nicht erteilen2; wohl aber Handlungsvollmachten zur Fortsetzung des Handelsgeschäfts für die Zeit bis zur Verwertung des Unternehmens3. Damit ist er auch berechtigt, Kontovollmachten zu erteilen.

2.176

bb) Vertretungsberechtigungen Juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften werden ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nur noch von dem Insolvenzverwalter vertreten. Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht der Geschäftsführer und Vorstände von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Genossenschaften, Vereinen und der Komplementäre von Personenhandelsgesellschaften werden in Bezug auf die Insolvenzmasse von der Verwaltungsund Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters verdrängt4, so dass nur noch der Verwalter über das Konto des Unternehmens verfügen kann. Die Kontoführungsunterlagen sind entsprechend zu berichtigen.

2.177

Besonderheiten gelten für die Verfügungsbefugnis über das Konto einer GmbH & Co. KG, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzigen Komplementärin eröffnet wird. Dann scheidet diese aus der Gesellschaft gemäß § 161 Abs. 2, § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB bzw. ab 1.1.2024 gemäß § 161 Abs. 2, § 130 Abs. 1 Nr. 3 HGB5 aus und verliert damit sowohl ihre Organstellung als Geschäftsführerin der KG (vgl. § 161 Abs. 2, §§ 114 ff. HGB bzw. ab 1.1.2024 § 161 Abs. 2, § 116 HGB6) als auch ihre Vertretungsmacht für die KG (vgl. § 161 Abs. 2, § 125 HGB bzw. ab 1.1.2024 § 161 Abs. 2, § 124 HGB7). Wenn nach dem Ausscheiden der einzigen Komplementärin mehr als ein Kommanditist verbleibt, wandelt sich die KG in eine OHG um. Die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht steht dann jedem einzelnen Gesellschafter zu (s. § 114 Abs. 1 HGB und § 125 Abs. 1 HGB bzw. ab 1.1.2024 § 116 Abs. 1 und § 124 Abs. 1 HGB8). Abweichungen können im Gesellschaftsvertrag geregelt werden. Wenn nach dem Ausscheiden der einzigen Komplementärin nur noch ein Kommanditist verbleibt, wandelt sich die KG in ein Einzelunternehmen um9. Das Konto gehört dann der OHG bzw. dem Einzelunternehmen mit der Folge, dass nur noch deren Vertretungsberechtig-

2.178

1 Gehrlein ZInsO 2020, 325. 2 BGH v. 4.12.1957 – V ZR 251/56, WM 1958, 431; a.A. Schmidt BB 1989, 229. 3 W. Obermüller BB 1957, 412; LAG Schleswig-Holstein v. 14.1.1988 – 6 Sa 400/87, ZIP 1988, 250; OLG Düsseldorf v. 7.2.1957 – 6 U 101/56, nicht veröffentlicht. 4 Weber KTS 1970, 73 ff., dieser noch zur Konkursordnung verfasste Beitrag hat auch unter der InsO seine Gültigkeit behalten und wird als meinungsbildend angesehen (Ott/Brauckmann ZIP 2004, 2117); Martin Obermüller, Möglichkeiten und Grenzen des Genussrechts als Sanierungsinstrument, 2008, S. 166 ff. m.w.N.; Hölzle ZIP 2014, 1819; OLG Hamm v. 2.9.2014 – 27 W 97/14, ZInsO 2014, 2452. 5 Art. 51, 137 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (PersonengesellschaftsrechtsmodernisierungsG – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 6 Art. 51, 137 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (PersonengesellschaftsrechtsmodernisierungsG – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 7 Art. 51, 137 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (PersonengesellschaftsrechtsmodernisierungsG – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 8 Art. 51, 137 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (PersonengesellschaftsrechtsmodernisierungsG – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 9 BGH v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, ZIP 2008, 1677, ZInsO 2008, 973.

Büchel | 379

Zweiter Teil Rz. 2.178 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

te darüber verfügen dürfen. Die Kontoführungsunterlagen sind entsprechend zu berichtigen. Fälle, in denen nur die GmbH, nicht aber die KG insolvent ist, sind allerdings sehr selten. In der Regel zieht die Insolvenz der KG die Insolvenz der GmbH nach sich.

2.178a

Die Insolvenz einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat die Beendigung der Vertretungsbefugnis der Gesellschafter – diese geht auf den Insolvenzverwalter über – und das Erlöschen von Vollmachten, die die Gesellschaft erteilt hat, zur Folge. Wenn dagegen nicht die Gesellschaft, sondern einer ihrer Gesellschafter insolvent wird, führt dies nach der Rechtslage bis 31.12.2023 grundsätzlich zur Auflösung der Gesellschaft (§ 728 Abs. 2 Satz 1 BGB)1. Mit Inkrafttreten des MoPeG ab 1.1.20242 besteht die Gesellschaft dagegen fort, wenn nichts anderes vereinbart ist (s.a. Rn. 2.36). Im Falle der Auflösung tritt die Gesellschaft in das Liquidationsstadium ein und gilt insoweit als fortbestehend. Die Vertretungsmacht steht dann allen Gesellschaftern gemeinsam zu; für den insolventen Gesellschafter handelt der Insolvenzverwalter3. Vorher an Dritte erteilte Vollmachten bleiben bestehen4. Denn es handelt sich nicht jeweils um Vollmachten der einzelnen Gesellschafter, sondern um eine Vollmacht der Gesellschaft als Gesamthand. Im Falle des Fortbestehens der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag oder MoPeG scheidet der insolvente Gesellschafter regelmäßig aus der Gesellschaft aus. Die verbleibenden Gesellschafter behalten diese ihre Vertretungsmacht; von der Gesellschaft vorher erteilte Vollmachten an Dritte bleiben ebenfalls bestehen5.

2.178b

Die Insolvenz eines Geschäftsführers oder Vorstands einer juristischen Person berührt seine Verfügungsbefugnis über das Konto des Unternehmens nicht6.

7. Pfändungen 2.179

Für die Frage, ob Kontopfändungen durch die Verfahrenseröffnung beeinträchtigt werden, ist zu unterscheiden, ob die Pfändung früher oder später als einen Monat (bzw. drei Monate im Verbraucherinsolvenzverfahren) vor dem Eröffnungsantrag zugestellt wurde. Dies gilt auch für vorläufige Pfändungen nach der Europäischen Kontenpfändungsverordnung (EuKoPfVO)7, die zwar nach ihrem Erwägungsgrund (8) auf Forderungen gegenüber einem Schuldner im Rahmen eines Insolvenzverfahrens keine Anwendung findet, weshalb kein Beschluss zur vorläufigen Pfändung mehr gegen ihn erlassen werden kann, sobald gegen ihn ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden ist. Dennoch können vorläufige Pfändungen bereits zugestellt worden sein oder in Unkenntnis der Insolvenz noch zugestellt werden.

1 Zu den Rechtsfolgen einer Auflösung durch Insolvenz s. im einzelnen Gehrlein ZInsO 2018, 1173. 2 Art. 1, 137 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (PersonengesellschaftsrechtsmodernisierungsG – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 3 BFH v. 1.6.2016 – X R 26/14, ZIP 2016, 1784 = ZInsO 2016, 1820 Rn. 33. 4 Von Proff ZInsO 2017, 2007; a.A. OLG München v. 22.5.2017 – 34 Wx 87/17, ZIP 2017, 1481 = JurionRS 2017, 14939. 5 Von Proff ZInsO 2017, 2007. 6 OLG Düsseldorf v. 7.12.2010 – I-24 W 86/10, GmbHR 2011, 252. 7 Erwägungsgrund (8) der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 189/59 v. 27.6.2014.

380 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.182 Zweiter Teil

a) Pfändungen im letzten Monat vor Eröffnungsantrag oder später Pfändungen, die ein Gläubiger des Kontoinhabers im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens ausgebracht hat und die ein Guthaben erfasst haben1, werden mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam (§ 88 InsO); wird ein Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 InsO eröffnet, so werden von der Rückschlagsperre auch Pfändungen erfasst, die im zweiten oder dritten Monat vor diesem Antrag ausgebracht wurden (§ 88 Abs. 2 InsO). Soweit die Rückschlagsperre des § 88 InsO eingreift, entfällt das materiell-rechtliche Pfändungspfandrecht absolut, aber nur für die Dauer und Zwecke des Insolvenzverfahrens2. Es ist schwebend unwirksam und lebt mit der Freigabe der gepfändeten Forderung oder mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens dann wieder auf3, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht vom zuständigen Vollstreckungsorgan aufgehoben worden ist, ohne dass es einer erneuten Zustellung des Beschlusses an die Bank als Drittschuldnerin bedarf4. Denn die öffentlich-rechtliche Verstrickung bleibt auch bei Unwirksamkeit des Pfändungspfandrechts weiterhin bestehen5. Grundsätzlich darf die Bank daher das Guthaben dem Verwalter nur aushändigen, wenn entweder der Pfändungsgläubiger zustimmt oder das Vollstreckungsgericht auf Erinnerung des Verwalters die Pfändung aufgehoben oder für die Dauer des Verfahrens ausgesetzt hat.

2.180

b) Pfändungen früher als im letzten Monat vor Eröffnungsantrag Pfändungen, die ein Gläubiger des Kontoinhabers vor Beginn der Rückschlagsperre ausgebracht hat und die ein Guthaben erfasst haben, bleiben trotz der Eröffnung des Verfahrens bestehen. Sie gewähren dem Gläubiger ein Absonderungsrecht an der Guthabenforderung. Zur Verwertung dieses Absonderungsrechts ist der Gläubiger selbst und nicht der Insolvenzverwalter befugt (s. Rn. 6.1303 ff.). Der Forderung des Gläubigers auf Auszahlung muss die Bank also Folge leisten.

2.181

Wenn sich die Pfändung nicht auf den sog. Zustellungssaldo beschränkt, sondern sich wie üblich nach § 833a ZPO auch auf künftige Guthaben erstreckt und ein solches Guthaben erst durch Zahlungseingänge nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, ist die Zwangsvollstreckung nach § 89 Abs. 1, § 294 Abs. 1 InsO unzulässig6 und das Guthaben gebührt dem Verwalter (§ 91 InsO). Allerdings wird auch dieses Guthaben von der öffentlich-rechtlichen Verstrickung erfasst, die der Verwalter vor der Auszahlung an ihn beseitigen muss. Soweit Ansprüche des Kunden aus einer offenen Kreditlinie, also beispielsweise einem Dispositionskredit gepfändet sind7, entfällt das Pfandrecht mit Verfahrenseröffnung, weil der Kontokorrent-

2.182

1 Zur Bestimmtheit von Kontopfändungen s. BGH v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074 = WM 2017, 1256; BGH v. 25.1.2018 – IX ZR 104/17, ZInsO 2018, 1804 Rn. 16; AG Hannover v. 24.7.2020 – 904 IK 1132/19 - 6, ZInsO 2020, 2156. 2 Kayser in HK-InsO, 10. Aufl. 2020, § 88 Rn. 34 ff.; a.A. Vallender ZIP 1997, 1993; Fink ZInsO 2000, 353. 3 BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZIP 2011, 871 = ZInsO 2011, 812. 4 BGH v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, ZIP 2021, 96 = WM 2020, 2428. 5 AG Zeitz v. 29.11.2018 – 5 M 754/16, ZInsO 2019, 41; Kayser in HK-InsO, 8. Aufl. 2016, § 88 Rn. 42; Kuleisa in Hamburger Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2021, § 88 Rn. 19; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 44; Fischer ZInsO 2003, 101; Fink ZInsO 2000, 354; Bast/ Becker NZI 2021, 481; Saager ZVI 2022, 335. 6 LG Frankfurt v. 5.9.2019 – 2-09 T 283/19, ZIP 2020, 233. 7 Zur Zulässigkeit s. BGH v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, WM 2001, 898; BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, ZIP 2011, 1324; BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, ZInsO 2012, 1318; OLG Hamm v.

Büchel | 381

Zweiter Teil Rz. 2.182 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

vertrag (§ 116 InsO) und damit auch die auf ihn gestützte Kreditzusage (Einzelheiten s. Rn. 5.815) infolge der Insolvenzeröffnung erlöschen.

2.182a

Das Pfändungspfandrecht kann allerdings anfechtbar sein (s. Rn. 5.528 ff.)1; aus der Rückschlagsperre des § 88 InsO darf nicht etwa der Umkehrschluss gezogen werden, dass Pfändungspfandrechte, die vor diesem Zeitraum erlangt wurden, grundsätzlich unangreifbar sind. Die Frage der Anfechtbarkeit muss jedoch im Verhältnis zwischen dem Pfandgläubiger und dem Insolvenzverwalter geklärt werden. Falls die Bank Kenntnis von einer Auseinandersetzung zwischen dem Pfandgläubiger und dem Insolvenzverwalter über die Anfechtbarkeit hat und der Pfandgläubiger dennoch auf Auszahlung des Guthabens besteht, empfiehlt es sich für die Bank, sich durch Hinterlegung des Guthabens einer Verwicklung in die Streitigkeiten zu entziehen. Die Bank ist allerdings bei einer Zahlung an den Pfändungsgläubiger solange geschützt, bis der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss formal aufgehoben worden ist, § 836 Abs. 2 ZPO.

2.182b

Nach Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 207 InsO), wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO), nach Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO) oder nach Aufhebung des Verfahrens kann der Gläubiger die Verwertung von Sicherheiten, die noch nicht abgeschlossen war, ungehindert fortsetzen. Pfändungspfandrechte leben wieder auf2, ohne dass es einer erneuten Zustellung des Beschlusses an die Bank als Drittschuldnerin bedarf3. Denn mit der Pfändung ist die öffentlich-rechtliche Verstrickung entstanden. Diese wiederum ist nicht nur Voraussetzung für ein wirksames Pfändungspfandrecht, sondern gleichzeitig auch die Basis für sein mögliches Wiederaufleben. Die Unwirksamkeit ist insofern eine schwebende4. c) Pfändungen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

2.183

Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch Insolvenzgläubiger sowie Arreste5 und Beschlagnahmen6 sind während des Insolvenzverfahrens weder in das zur Insolvenzmasse gehörende noch in das insolvenzfreie Vermögen7 zulässig (§ 89 Abs. 1 InsO). Bei einem Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO ist ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzuheben, um die Verstrickung zu beseitigen8. Die Pfändung ist nicht etwa nichtig, denn

1

2 3 4 5 6 7 8

10.12.2001 – 31 U 103/99, NJW-RR 2002, 1477; OLG Saarbrücken v. 20.7.2006 – 8 U 330/05-98, ZIP 2006, 2029. Zur Anfechtbarkeit von Pfändungen nach der KO s. BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630; BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, WM 1997, 2093; zum maßgeblichen Zeitpunkt für den Eintritt der Anfechtungsvoraussetzungen bei einer Kontopfändung s. OLG Jena v. 17.6.2002 – 9U 23/ 02, NZI 2002, 550; OLG Hamm v. 7.6.2001 – 27 U 224/00, ZInsO 2002, 132; OLG Hamm v. 30.4.2002 – 27 U 27/02, NZI 2002, 553. BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZIP 2011, 871 = ZInsO 2011, 812. BGH v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, ZIP 2021, 96 = WM 2020, 2428. Breitenbücher in Graf-Schlicker, InsO, 6. Aufl. 2022, § 88 Rn. 16. Dies gilt auch für strafprozessuale Arreste (KG v. 6.7.2005 – 5 Ws 299–307, 334/05, NJW 2005, 3734 und unten Rn. 6.1530 ff.); zum persönlichen Arrest s. OLG Düsseldorf v. 29.9.2005 – II-4 UF 143/05, ZVI 2005, 545. Zur Wirkung von Beschlagnahmen nach § 111c StPO s. BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 41/05, ZIP 2007, 1338 = ZInsO 2007, 709 und Obermüller FS Feigen 2014, 203. BGH v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06, ZIP 2009, 818 = ZInsO 2009, 830. BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, ZIP 2017, 2016 Rn. 17 = mit Anm. Homann ZVI 2018, 137; AG Göttingen v. 26.10.2018 – 74 IK 155/18 GÖ, ZIP 2019, 685 = ZInsO 2019, 158; Kayser in HK-In-

382 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.184 Zweiter Teil

das wäre nur der Fall, wenn sie unter einem besonders schweren und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundigen Fehler leiden würde1. d) Pfändungen künftiger Konten In den amtlichen Pfändungsformularen nach § 829 Abs. 4 ZPO ist die Angabe eines Kontos bzw. einer Kontonummer nicht Voraussetzung für die Bestimmtheit der Pfändung gegenwärtiger und künftiger Ansprüche des Schuldners gegen das Kreditinstitut2. Wenn sich die Pfändung nicht ausdrücklich auf Forderungen aus bestimmten vorhandenen Konten beschränkt, sondern sich wie üblich auch auf künftige Guthaben erstreckt, so erfasst die Pfändung grundsätzlich trotz der zwischenzeitlichen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auch Guthaben auf künftigen Konten. Denn durch die – nunmehr sogar gesetzlich in § 833a ZPO geregelte – (automatische) Pfändung künftiger Forderungen des Kunden auf Auszahlung von Guthaben im Zusammenhang mit Konten macht es keinen Unterschied, auf welcher konkreten vertraglichen Grundlage (Zahlungsdiensterahmenvertrag) die Ansprüche des Kunden gegen die Bank beruhen, solange es keine Zäsur gegeben hat, die die akzessorische Pfändung und/oder die öffentlich-rechtliche Verstrickung zum Erlöschen gebracht hat3. Voraussetzung ist dabei, dass ein entsprechendes Vertragsverhältnis zwischen Schuldner und Drittschuldner (Kreditinstitut) im Zeitpunkt der Zustellung bereits im Ansatz bestand (ein Kontoeröffnungsantrag würde als vorvertragliche Rechtsbeziehung bereits genügen). Eröffnet der Schuldner später ein weiteres (Unter-)Konto, ist dieses von der Pfändung bzw. Verstrickung erfasst, weil hier gleichartige (künftige) Ansprüche mit ihrer Entstehung schon verstrickt sind. Es macht keinen Unterschied, ob diese künftigen Ansprüche aus einem oder mehreren gleichartigen Verträgen stammen. Ansonsten könnte der Schuldner durch die spätere Neueröffnung eines Kontos bei demselben Kreditinstitut immer die Pfändung für die Zukunft umgehen. Damit erstreckt sich die Pfändung auf ein vom Insolvenzverwalter „fortgeführtes“ Firmenkonto (s. dazu Rn. 2.232) ebenso wie auf ein Konto, das der Insolvenzverwalter als Sonderkonto für die Masse einrichtet4. Wenn aber ein solches Guthaben auf dem fortgeführten Firmenkonto erst durch Zahlungseingänge nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, ist die Zwangsvollstreckung nach § 89 Abs. 1, § 294 Abs. 1 InsO unzulässig5 und das Guthaben gebührt dem Verwalter (§ 91 InsO). Allerdings wird auch dieses Guthaben von der öffentlich-rechtlichen Verstrickung erfasst, die der Verwalter vor der Auszahlung an ihn beseitigen muss.

2.183a

8. Pfändungsschutzkonten Wenn ein Konto von einer Pfändung erfasst wird, ist das nicht nur für den Kontoinhaber unangenehm. Auch für die kontoführende Bank ist dies ein großes Ärgernis. Die Geschäftsbeziehung wird gestört, der Arbeitsaufwand für die Kontoführung steigt ganz erheblich, kann nur durch besonders geschultes Personal erbracht werden und die Bearbeitung ist trotzdem mit

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sO, 8. Aufl. 2016, § 88 Rn. 42; Kuleisa in Hamburger Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2021, § 88 Rn. 19; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 44; Fischer ZInsO 2003, 101; Fink ZInsO 2000, 353 m.w.N.; Bast/Becker NZI 2021, 481; Saager ZVI 2022, 335. BGH v. 2.7.2020 – VII ZA 3/19, WM 2020, 1548 Rn. 16. Ansprüche aus Girokonten werden unter D.1. des Formulars erfasst; zur Bestimmtheit und Auslegung Büchel ZinsO 2020, 1513 m.w.N. Büchel ZInsO 2020, 1513. A.A. Wischemeyer/Dimassi ZIP 2020, 1210, die zwischen den beiden Kontoarten unterscheiden; zur Kontoform s. Rn. 2.249. LG Frankfurt v. 5.9.2019 – 2-09 T 283/19, ZIP 2020, 233.

Büchel | 383

2.184

Zweiter Teil Rz. 2.184 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

großen Fehlerrisiken behaftet. Beseelt vom Gedanken des Verbraucherschutzes hat die Rechtsprechung den Banken einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Bearbeitung mit der Begründung, die Bank handele zur Erfüllung eigener gesetzlicher Verpflichtungen, grundsätzlich verwehrt1. Dies hatte zur Folge, dass viele Kreditinstitute sich bemühten, das Entstehen solcher Kosten dadurch zu vermeiden, dass sie die Einrichtung von Konten für pfändungsgefährdete Kunden verweigerten oder bestehende Konten wegen Pfändungen kündigten2. Um natürlichen Personen trotz vorliegender Kontopfändungen die Teilhabe am Wirtschaftsleben im Rahmen ihres Existenzminimums zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes3 versucht, den Kontopfändungsschutz durch die Einrichtung oder Führung eines sog. Pfändungsschutzkontos (P-Konto) zu vereinfachen4. Bei Lektüre der damaligen neun Absätze der Vorschrift ist allerdings leicht zu erkennen, dass sich das Ziel des Gesetzgebers einer Vereinfachung des Kontopfändungsschutzes als etwas naive Hoffnung erweisen musste5. Mittlerweile ist der Pfändungsschutz durch das PKoFoG6 weiterentwickelt worden, klärt einige Probleme wie den Schutz bei Gemeinschaftskonten, hat den Aufwand der Kreditinstitute aber weiter erhöht und erneut keine Kostenkompensationsmöglichkeiten geschaffen.

2.184a

Bei dem Pfändungsschutzkonto im Sinne von § 850k ZPO handelt es sich weder um eine besondere (neue) Kontoart bzw. ein eigenständiges Kontomodell mit gegenüber dem zugrunde liegenden Girovertrag selbständigen Hauptleistungspflichten noch um ein „aliud“ gegenüber dem Girokonto. Es ist vielmehr ein herkömmliches Girokonto, das aufgrund eines Verlangens des Kontoinhabers „als Pfändungsschutzkonto geführt“ (§ 850k Abs. 1 ZPO) wird7. Dabei liegt in diesem Verlangen nicht der Abschluss eines selbständigen Zahlungsdiensterah-

1 BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, ZIP 2012, 2489; BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 61/11, ZIP 2012, 1224; BGH v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, ZIP 2013, 1809; OLG Schleswig v. 26.6.2012 – 2 U 10/11, ZIP 2012, 1901; OLG Köln v. 11.12.1998 – 6 U 46/98, WM 1999, 633; OLG Dresden v. 10.4.2018 – 14 U 82/16, ZIP 2018, 1919; s. auch Schultheiß ZBB 2013, 114. 2 Zur Kontenpfändung als nicht ausreichendem Kündigungsgrund s. OLG Karlsruhe v. 26.6.2008 – 4 U 196/07, NJW-RR 2009, 62. 3 Gesetz v. 7.7.2009, BGBl. I 2009, 1707; zu den Zielen des Gesetzgebers s. Graf-Schlicker/Linder ZIP 2009, 989; kritisch Büchel BKR 2009, 358; Bitter WM 2009, 141; Obermüller FS Haarmeyer, 2013, 191. 4 Zur Entwicklung s. Schultheiß ZBB 2013, 114; Herresthal WM 2013, 773; Diskussionsentwurf des BMJV für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PkoFoG) v. 1.10.2018, abgedruckt WM 2018, 2396 und Aufruf von Bitter/Grote/Sudergat (Ist das Pfändungsschutzkonto noch für die Praxis zu retten? – Stoppt die Bürokratisierung durch das PKonto-Fortentwicklungsgesetz!) ZIP 2019, 2281; Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG) v. 23.3.2020. 5 Grünberg WM 2018, 2157. 6 Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG) v. 22.11.2020, BGBl. I 2020, S. 2466; das Gesetz gilt seit dem 1.12.2021. 7 BGH v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, ZIP 2015, 624; BGH v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, ZIP 2013, 1809; BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, WM 2012, 2381 Rn. 17–24; Grünberg WM 2018, 2157; der Diskussionsentwurf des BMJV für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PkoFoG) v. 1.10.2018 (abgedruckt WM 2018, 2396) will dies ausdrücklich durch § 850k Abs. 1 Satz 4 ZPO-E bestätigen.

384 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.185a Zweiter Teil

menvertrags im Sinne von § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB mit besonderen Hauptleistungspflichten, der vom schon bestehenden oder neu abzuschließenden Girovertrag zu trennen wäre. Der Leistungsinhalt eines Pfändungsschutzkontos deckt sich vielmehr grundsätzlich mit den Leistungen, die ein Kreditinstitut aufgrund des Girovertrages bei der Führung eines herkömmlichen Girokontos erbringt1. Dies zeigt sich auch in der Insolvenz des Bankkunden. Wird der Bankkunde insolvent, so ist zu unterscheiden zwischen schon vorhandenen Pfändungsschutzkonten, der Einrichtung neuer Konten und der Umwandlung von bestehenden Konten.

2.184b

a) Vorhandene Pfändungsschutzkonten Wenn der Bankkunde im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon ein Pfändungsschutzkonto eingerichtet hatte, bleibt dieses Konto bestehen2. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen zwar grundsätzlich alle von dem Kunden erteilten Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge (§ 116 InsO). Bestehende Pfändungsschutzkonten gehören jedoch nicht zur Insolvenzmasse (§ 36 Abs. 1 Satz 2, 3 InsO, § 850k ZPO)3. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich auf dem Pfändungsschutzkonto im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens lediglich Werte innerhalb des pfändungsfreien Rahmens oder etwa auch überschießende Beträge befinden4. Maßgeblich ist zunächst einmal der formelle Akt der Einrichtung eines solchen Kontos oder der Umwandlung eines Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto, der durch die dazu nötige Vereinbarung zwischen Bank und Kunden vollzogen und durch die Kontobezeichnung dokumentiert wird. Wenn ein Kunde vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein Konto einrichtet, das von Anfang an als Pfändungsschutzkonto geführt wird (dabei wird es sich regelmäßig um ein Basiskonto handeln), ist dieses grundsätzlich nur auf Guthabenbasis zu führen, § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO. Debitorische Konten können aber in Pfändungsschutzkonten umgewandelt werden, § 850k Abs. 1 Satz 2 ZPO5.

2.185

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Inhabers eines Pfändungsschutzkontos hat auch nicht das Erlöschen des Girovertrages zur Folge6. Es wird von der Verwaltungs- und Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters in Höhe des geschützten Betrages nicht erfasst7 und muss nicht vom Verwalter frei gegeben werden (jetzt ausdrücklich in § 36 Abs. 1 Satz 3 InsO). Denn ein Pfändungsschutzkonto ist nicht mit einem normalen Girokonto zu vergleichen. Würde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Pfändungsschutz aufheben bzw. in die vertragliche Beziehung zwischen Bank und Kontoinhaber eingreifen, so würde der

2.185a

1 Zu Gebührenklauseln in AGB s. BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, ZIP 2017, 1992; LG Köln 23.10.2018 – 21 O 53/17, WM 2018, 2245. 2 Büchel, ZinsO 2010, 20; Bieker ZInsO 2016, 2379; Waldschmidt InsBüro 2019, 68. 3 Remmert NZI 2008, 70; Büchel, ZinsO 2010, 20; zur früheren Rechtslage s. LAG Düsseldorf v. 26.1.2012 – 11 Sa 1004/11, ZInsO 2012, 1685. 4 Casse ZInsO 2012, 1402. 5 So schon zur alten Rechtslage Ahrens in Prütting/Gehrlein, ZPO, 14. Aufl. 2022, § 850k aF Rn. 55. 6 AG Nienburg v. 24.1.2013 – 6 C 516/12, ZIP 2013, 923; LG Verden v. 19.9.2013 – 4 S 3/13, ZIP 2013, 1954; Bitter ZIP 2011, 149; Büchel ZInsO 2010, 20; Jaquemoth/Zimmermann ZVI 2010, 113; Casse ZInsO 2012, 1402; Günther ZInsO 2013, 859; Lissner ZVI 2017, 222; Ries, Dokumentation 12. Leipziger Insolvenzrechtstag, 2011, S. 47; Waldschmidt InsBüro 2019, 67; a.A. du Carrois ZInsO 2010, 2279; Knees ZInsO 2011, 511; Keller in HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 36 Rn. 92; Kreft FS Schlick, 2015, 247 (260). 7 Büchel ZInsO 2010, 20; Bitter ZIP 2011, 149; Kreft FS Schlick, 2015, 247 (260).

Büchel | 385

Zweiter Teil Rz. 2.185a | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Gedanke des § 850k ZPO in sein Gegenteil verkehrt1. Empfehlenswert, wenn auch nicht vom Gesetz geboten, ist dennoch ein Saldenabschluss auf den Tag der Verfahrenseröffnung2.

2.185b

Für die weitere Behandlung des Kontos ist danach zu unterscheiden, ob sich auf dem Konto nur pfändungsfreie Gelder befinden oder ob auch darüber hinausgehende Beträge vorhanden sind oder später eintreffen3. aa) Pfändungsschutzkonto mit ausschließlich pfändungsfreien Beträgen

2.186

Der pfändungsfreie Betrag nach § 899 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird jeweils zum 1. Juli eines Jahres durch die Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung neu festgesetzt. Dieser Sockelfreibetrag gilt jeweils für den laufenden Monat. Höhere Freibeträge aus besonderen Gründen wie z.B. Unterhaltspflichten-Änderungen muss der Schuldner dem Kreditinstitut durch eine Bescheinigung der Familienkasse, eines Sozialleistungsträgers, einer mit der Gewährung von Geldleistungen im Sinne des § 902 Satz 1 ZPO befassten Einrichtung, seines Arbeitgebers, oder einer „geeigneten Person oder Stelle“ im Sinn des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachweisen (§ 903 Abs. 1 ZPO). Eine Bescheinigung seines Insolvenzverwalters genügt nicht, selbst wenn dieser Rechtsanwalt ist und damit grundsätzlich geeignet im Sinn des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO wäre. Denn der Insolvenzverwalter darf wegen Interessenkollision eine solche Bescheinigung nicht ausstellen. Allerdings kann eine Bescheinigung, die der Insolvenzverwalter entgegen diesem Verbot ausstellt, unter Umständen als Freigabe des Kontos aus der Masse auszulegen sein.

2.186a

Werden auch künftige Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto gepfändet und dem Gläubiger überwiesen, was heute nach § 833a ZPO Standard ist, darf der Drittschuldner erst nach Ablauf des Kalendermonats, der auf die jeweilige Gutschrift folgt, an den Gläubiger leisten (§ 900 Abs. 1 ZPO)4, wenn der Schuldner es versäumt haben sollte, über die freien Gelder zu verfügen. Im laufenden Monat der Pfändungszustellung werden Verfügungen vor Zustellung nicht berücksichtigt5; entsprechend gilt dies für Verfügungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

2.186b

Verfügungsbefugt über das Pfändungsschutzkonto ist und bleibt allein der Schuldner. Der Kontoinhaber kann über die geschützten Guthaben in gleicher Weise verfügen wie dies vor Verfahrenseröffnung zulässig war, z.B. durch Barabhebungen oder Überweisungen. Der Insolvenzverwalter oder Treuhänder hat keine Mitsprachebefugnis und gegen die Bank nicht einmal Auskunftsansprüche6; diese muss er gegen den Schuldner als Kontoinhaber richten und 1 2 3 4

AG Verden v. 14.2.2013 – 2 C 59/13 (III), BeckRS 2013, 09259. Büchel ZInsO 2010, 20; Casse ZInsO 2012, 1402. Zu den Besonderheiten bei Betriebsfortführung oder Freigabe s. Wipperfürth ZInsO 2015, 2305. Mit Einfügung § 835 Abs. 4 ZPO aufgrund des Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung v. 12.4.2011 (BGBl. I 2011, 615) wurde das sog. Monatsanfangsproblem (s. Ahrens NZI 2011, 183; Becker NJW 2011, 1317; LG Essen v. 16.8.2010 – 7 T 404/10, nicht veröffentlicht; BGH v. 4.12.2014 – IX ZR 115/14, ZIP 2015, 163 = ZInsO 2015, 144 = mit Anm. Wipperfürth ZInsO 2015, 147) bereinigt, das durch die Praxis vieler Träger der Sozialversicherung, dem Kontoinhaber Gelder für den Folgemonat schon im laufenden Monat zu überweisen, verursacht wurde (zur Überleitung auf Altfälle s. BGH v. 14.7.2011 – VII ZB 85/10, ZInsO 2011, 2147); zur Übertragung in den nächsten Monat s. auch LG Duisburg v. 16.6.2017 – 7 S 85/16, ZInsO 2017, 2122; die Vorschrift ist inhaltsgleich mit dem PKoFoG systematisch in § 900 Abs. 1 ZPO übernommen worden. 5 BT-Drucks. 16/12714, S. 19; Büchel BKR 2009, 358. 6 Huber ZInsO 2001, 289 (296).

386 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.187 Zweiter Teil

kann sich dabei auf § 97 InsO stützen. Er erhält von der Bank ohne Einwilligung des Schuldners auch keine Kontoauszüge. Eine Anweisung durch ihn hat das Kreditinstitut nicht zu beachten. Deshalb darf das Kreditinstitut eine Auszahlung an den Kunden auch nicht davon abhängig machen, dass es – wie es offenbar verbreitet geschieht1 – von dem Kunden verlangt, eine „Freigabeerklärung“ des Insolvenzverwalters beizubringen2, § 36 Abs. 1 Satz 3 InsO. Das Kreditinstitut gerät gegenüber dem Schuldner in Verzug, wenn es mit solchen Argumenten eine Auszahlung verweigert, und setzt sich Schadenersatzansprüchen aus. Eine Freigabeerklärung kann allerdings eine fehlende Bescheinigung des Arbeitgebers oder sonstiger „geeigneter Stellen“ über die pfändungsfreien Beträge nach § 903 Abs. 1 ZPO ersetzen. Eine Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter ist auch bei der Insolvenz von Selbständigen als Alternative zu der Bestimmung des unpfändbaren Betrags durch das Gericht nach § 905 ZPO ausreichend, aber dann auch erforderlich.

2.186c

Zur Rückgabe von Lastschriften im Sinne von § 675x BGB ist nur der Bankkunde und nicht der Insolvenzverwalter berechtigt. Das Rückgaberecht fällt nicht in die Insolvenzmasse3.

2.186d

Schecks, die der Schuldner vor Insolvenzeröffnung ausgestellt und auf das Pfändungsschutzkonto gezogen hat, behalten ihre Gültigkeit und können von der Bank eingelöst werden. Die Wirksamkeit des Schecks und die damit verbundene Fortdauer der Verpflichtungen des Ausstellers gegenüber dem Schecknehmer haben zwar keinen Einfluss auf die Verpflichtungen der Bank zur Einlösung, denn dafür ist der Scheckvertrag allein maßgebend. Aber auch dieser bleibt bestehen, soweit er sich auf das Pfändungsschutzkonto bezieht. Auch nach Verfahrenseröffnung kann der Bankkunde noch Schecks ausstellen und wirksam Scheckverpflichtungen eingehen4. Diese darf die Bank zu Lasten des Pfändungsschutzkontos einlösen.

2.186e

bb) Pfändungsschutzkonto mit pfändbaren Beträgen Die Kontoführung ist relativ unproblematisch, solange regelmäßig nur die unpfändbaren wiederkehrenden Leistungen auf dem Pfändungsschutzkonto eingehen. Denn dann wird die Masse nicht benachteiligt und der Verwalter wird das Konto insgesamt aus der Masse frei geben. Anders ist es aber, wenn der Schuldner aus pfändungsfreien Einkünften Vermögen auf dem Pfändungsschutzkonto anspart – auch dieses unterliegt dem Insolvenzbeschlag5 – oder wenn noch Zahlungen auf dem Konto eintreffen, die die Freibeträge überschreiten. Dazu kann es vor allem durch Zahlungseingänge von dritter Seite kommen. Beispielhaft6 seien die Fälle genannt, in denen Gläubiger sowohl die Ansprüche des Schuldners auf Arbeitseinkommen gegen den Arbeitgeber als auch das Konto gepfändet haben, der Schuldner die wegen Unter1 Casse ZInsO 2012, 1402. 2 S. Klarstellung S. 61 in der Begründung zu Art. 3 Abs. 1 des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG) des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz v. 15.10.2019; Büchel ZInsO 2010, 20; Günther ZInsO 2013, 859; a.A. du Carrois ZInsO 2010, 2279. 3 Büchel ZInsO 2010, 20; BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556; BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZIP 2010, 1552. 4 Kalter KTS 1956, 145; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 16 m.w.N. 5 BGH v. 26.9.2013 – IX ZB 247/11, ZIP 2013, 2112 = ZInsO 2013, 2274; kritisch Ries in HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 35 Rn. 45. 6 Beispiel übernommen aus Stritz InsBürO 2012, 207.

Büchel | 387

2.187

Zweiter Teil Rz. 2.187 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

haltsverpflichtungen erhöhten Freibeträge aber nur gegenüber der Pfändung seiner Lohnoder Gehaltsansprüche geltend gemacht hat. Während des eröffneten Insolvenzverfahrens unterliegt der pfändbare Anteil des Arbeitseinkommens eines Schuldners dem Insolvenzbeschlag. Der pfändbare Einkommensanteil wird dann bereits an der Quelle „Arbeitgeber“ durch den Insolvenzverwalter/Treuhänder eingezogen. Zur Auszahlung an den Schuldner gelangt damit regelmäßig nur der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens. Bedingt durch die Tatsache, dass dem Schuldner von Beträgen oberhalb der Pfändungsgrenze wenigstens 30 % als unpfändbar verbleiben (vgl. § 850c Abs. 2 Satz 1 ZPO) und sich der unpfändbare Anteil zudem durch unpfändbare Bezüge im Sinne des § 850a ZPO deutlich ausweiten kann, wird es in allen Fällen mit pfändbarem Arbeitseinkommen zu einem Auszahlungsbetrag oberhalb des jeweiligen Sockel-/Aufstockungsbetrags gemäß §§ 899, 902 ZPO kommen. Dieser Umstand führt dann zugleich dazu, dass der eigentlich unpfändbare Auszahlungsbetrag von der kontoführenden Stelle grundsätzlich zu einem weiteren Teil an den Insolvenzverwalter auszukehren ist: Zum einen das ggf. nicht verbrauchte Guthaben und zum anderen der den Sockel-/Aufstockungsbetrag übersteigende Zahlungseingang auf dem Konto.

2.187a

Hier kann man überlegen, ob dadurch der Insolvenzverwalter Mitinhaber des Kontos wird, also ein Gemeinschaftskonto entsteht, ob das Konto zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter aufzuteilen ist, ob der Insolvenzverwalter eine betragsmäßig beschränkte Verfügungsbefugnis über das Konto erhält oder ob der Schuldner auch insoweit gegenüber der Bank verfügungsbefugt ist. Das Gesetz gibt auf diese Fragen keine Antwort. – Ein Gemeinschaftskonto mit dem Schuldner und dem Insolvenzverwalter als Inhaber wäre eine Vertragsänderung, die nicht ohne Einverständnis der Bank zustande kommen kann. Für die Bank wäre eine solche Lösung allerdings vorteilhaft, denn dann würde die Masse auch für Verbindlichkeiten aus dem Konto haften, aber das wird ein Insolvenzverwalter nicht wollen und nicht zulassen dürfen. Zudem kann ein Gemeinschaftskonto nicht als Pfändungsschutzkonto geführt werden (s.a. Rn. 2.189f). – Eine Aufteilung in den massebezogenen und den massefreien Teil des Girovertrags oder des Kontos mit der Folge, dass nur der dem Pfändungsschutz unterfallende „Teil“ des Girovertrages bestehen bleibt und der pfändbare erlischt, ist nicht möglich1. Es kann für einen einzigen Kontovertrag auch nur eine einheitliche Wirkung geben. – Eine betragsmäßig beschränkte Verfügungsbefugnis ist konstruktiv kaum zu erklären. Denn es wäre keine Vollmacht, sondern würde bedeuten, dass hinsichtlich eines Teils des Kontos nur der Schuldner unter Ausschluss des Insolvenzverwalters, hinsichtlich des anderen nur der Insolvenzverwalter unter Ausschluss des Kontoinhabers berechtigt ist. – Eine Verfügungsbefugnis des Schuldners auch über den „pfändbaren“ Teil des Guthabens würde der Tatsache Rechnung tragen, dass nur er der Vertragspartner der Bank hinsichtlich des Kontos ist.

2.187b

Die zuletzt genannte Auslegung wäre aus Sicht der Bank die klarste Regelung, aus Sicht des Insolvenzverwalters aber die schlechteste. Soweit das Guthaben aus Zahlungen von Drittschuldnern stammt, müsste er prüfen, ob sie mit befreiender Wirkung (§ 82 InsO) an den Schuldner geleistet haben, und sie widrigenfalls nochmals auf Zahlung in Anspruch nehmen. Haben sie mit befreiender Wirkung gezahlt, so kann der Insolvenzverwalter von dem Schuldner die Herausgabe des Geldes verlangen. Beides ist praktisch kaum realisierbar. Kosten und 1 Casse ZInsO 2012, 1402.

388 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.187f Zweiter Teil

Arbeitsaufwand für eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Drittschuldner stehen oft außer Verhältnis zu dem erzielbaren Erfolg. Die Durchsetzung des Herausgabeanspruchs gegen den Schuldner wird angesichts dessen angespannter Vermögensverhältnisse praktisch nur selten gelingen. Wünschenswert ist deshalb die Anerkennung einer betragsmäßig beschränkten Verfügungsbefugnis1. Der Insolvenzverwalter erlangt dadurch dieselbe Position wie ein Pfandgläubiger in der Einzelzwangsvollstreckung, dem die Forderung des Schuldners gegen die Bank zur Einziehung überwiesen wurde. Gesetzliche Bestimmungen stehen einer solchen Auslegung nicht entgegen, da das Gesetz insoweit eine Lücke gelassen hat.

2.187c

Für die Bank empfiehlt es sich unter diesen Umständen, ihrem Kunden die Auszahlung von Geldern, die über die geschützten Freibeträge hinausgehen, zu verweigern und diese dem Insolvenzverwalter auf dessen Anfordern auszuzahlen. Auskünfte über Kontoverfügungen, die sich innerhalb der Freibeträge bewegt haben, darf sie dem Insolvenzverwalter nicht erteilen. Wohl aber darf und muss sie ihn über den Stand des Kontos, soweit die Freibeträge überschritten werden, unterrichten.

2.187d

Einem Pfändungsgläubiger darf die Bank das Guthaben dagegen nicht auszahlen. Zwar bleibt eine wirksame Pfändung bestehen, bis die gepfändete Forderung erlischt, der Pfändungsbeschluss auf den Rechtsbehelf eines Beteiligten oder nach § 776 ZPO aufgehoben wird oder der Gläubiger auf seine Rechte nach § 843 ZPO verzichtet. Die Einrichtung eines P-Kontos wirkt sich nicht auf die Wirksamkeit der Pfändung an sich aus. Über die Regelungen zum P-Konto werden lediglich (bestimmte) Kontoguthaben als unpfändbar/pfändungsfrei deklariert und so ausnahmsweise der angebrachten Pfändung entzogen2. Allerdings wird die Einleitung oder Fortsetzung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckungen mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unzulässig (§ 89 Abs. 1 InsO). „Unzulässig“ bedeutet aber nicht, dass ein wirksames Pfändungspfandrecht oder gar die öffentlich-rechtliche Verstrickung durch die Insolvenzeröffnung erlischt. Die Pfändung wird eher durch § 89 Abs. 1 InsO vorläufig ruhend gestellt bzw. temporär durchbrochen3. Denn der Pfändungspfandgläubiger soll den Rang seines Pfändungspfandrechts nicht aufopfern müssen, zumindest so lange nicht, wie nicht der Zweck des Insolvenzverfahrens bzw. die Restschuldbefreiung erreicht wurde4.

2.187e

Mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens entfällt der Insolvenzbeschlag und der damit einhergehende „Schutz“ des § 89 Abs. 1 InsO. Soweit die Pfändungen nicht zwischenzeitlich förmlich aufgehoben worden sind, keine Restschuldbefreiung beantragt ist und sich keine Wohlverhaltensphase anschließt, sind die angebrachten Pfändungen wieder vollständig zu beachten5. Ist die Restschuldbefreiung beantragt worden, können die vor Insolvenzeröffnung angebrachten und damit „ruhenden“ Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nach § 294

2.187f

1 Büchel ZInsO 2010, 20; ähnlich im Ergebnis AG Neubrandenburg v. 17.1.2013 – 103 C 514/12, NZI 2014, 37; AG Braunschweig v. 25.2.2014 – 118 C 3210/13, NZI 2014, 659; Kreft FS Schlick, 2015, 247 (260). 2 Bieker ZInsO 2016, 2379. 3 BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZInsO 2011, 812 Rn. 14; nicht zu verwechseln mit der Ruhendstellung durch den Pfändungsgläubiger, die unzulässig wäre (BFH v. 16.5.2017 – VII R 5/16, ZInsO 2017, 1854). 4 Bieker ZInsO 2016, 2379; BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZIP 2011, 871 = ZInsO 2011, 812 Rn. 14. 5 BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, ZIP 2017, 2016 = ZInsO 2017, 2267 Rn. 20 = mit Anm. Homann ZVI 2018, 137; Bieker ZInsO 2016, 2379; s. auch Grünberg WM 2018, 2157.

Büchel | 389

Zweiter Teil Rz. 2.187f | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Abs. 1 InsO in der Wohlverhaltensphase weiterhin nicht durchgesetzt werden1. Die Verstrickung besteht jedoch unverändert fort. Dem vormaligen Insolvenzschuldner bietet sich nur die Möglichkeit, die Aufhebung der Kontopfändung durch Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) zu erreichen, wenn die Forderung, deretwegen die Pfändung ausgebracht wurde, durch die Restschuldbefreiung erloschen ist. Bis dahin muss auch die Bank die Pfändung weiter beachten. b) Neueröffnung eines Pfändungsschutzkontos

2.188

Ein von Pfändungen betroffener oder bedrohter Schuldner, der noch kein Pfändungsschutzkonto besaß, wird interessiert sein, entweder ein neues Konto als Pfändungsschutzkonto bei derselben oder noch eher bei einer anderen Bank einzurichten oder sein bestehendes Konto in ein Pfändungsschutzkonto umzuwandeln. Die Eröffnung eines neuen Pfändungsschutzkontos ist vor wie nach Verfahrenseröffnung zulässig.

2.188a

Die Insolvenzeröffnung hindert den Kunden nicht, neue Bankverträge abzuschließen und z.B. auch ein neues Konto einzurichten. Denn seine Verpflichtungs- und Geschäftsfähigkeit geht nicht verloren; als natürliche Person ist er nicht gehindert, durch Abschluss von Verträgen neue vermögensrechtliche Verpflichtungen zu begründen2. Demgemäß kann er aus Anlass der Insolvenz ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters ein neues Pfändungsschutzkonto errichten, wenn er noch keines besaß. Einen Anspruch auf ein neues, gleich als Pfändungsschutzkonto einzurichtendes Girokonto hat er aber nur bei Eröffnung eines Basiskontos, § 33 Abs. 1 Satz 3 ZKG.

2.188b

Ein solches Konto stellt ein neues, eigenständiges Girokonto dar und ist ein aliud gegenüber dem beendeten früheren Konto, das in die Masse gefallen ist3. Dies versteht sich von selbst, wenn das Pfändungsschutzkonto bei einer anderen Bank als derjenigen eröffnet wird, die das bisherige Konto geführt hat. Aber auch, wenn der Schuldner das Pfändungsschutzkonto bei derselben Bank einrichtet, handelt es sich um ein neues und von dem bisherigen Konto unabhängiges Konto. Die Auffassung, das Pfändungsschutzkonto begründe weder bei Neueinrichtung noch bei Umwandlung ein eigenständiges Giroverhältnis4, widerspricht dem Willen der Parteien und der Bankpraxis. Richtet der Schuldner ein neues Konto ein, so bedeutet dies, dass er das bisherige weder als „normales“ noch als Pfändungsschutzkonto fortführen will. Er begnügt sich also damit, dass das alte Konto in die Masse gefallen und durch die Verfahrenseröffnung beendet worden ist. Eine solche Vorgehensweise hat u.a. den Vorteil, dass der Schuldner auf sein Konto bezogene Lastschriften pauschal „abhängen“ kann und nicht jede Belastung darauf überprüfen muss, ob er sie zurückgibt oder nicht. Der Nachteil liegt darin, dass er die Vergünstigungen, die ihm das Recht zur Umwandlung des bisherigen Kontos bietet, verliert.

2.188c

Über das Pfändungsschutzkonto ist nur der Schuldner verfügungsbefugt, Anweisungen des Insolvenzverwalters darf das Kreditinstitut nicht beachten. Er erhält ohne Einwilligung des

1 AG Zeitz v. 29.11.2018 – 5 M 754/16, ZInsO 2019, 41; Grote ZInsO 2014, 1746, 1747; Bieker ZInsO 2016, 2379. 2 OLG Celle v. 20.11.2002 – 7 U 63/02, ZInsO 2003, 128; LG Erfurt v. 30.10.2002 – 3 O 2992/01, ZIP 2002, 2325 = InVo 2003, 147. 3 LG Frankfurt/Main v. 11.11.2011 – 2/10 O 192/11, EWiR § 850k 1/11, ZIP 2011, 827. 4 Casse ZInsO 2012, 1402.

390 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.189b Zweiter Teil

Schuldners nicht einmal Auskunft über das Konto1 und demgemäß auch keine Kontoauszüge. Kreditinstitute sollten daher auch davon absehen, von dem Kunden eine sog. Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters zu fordern. c) Umwandlung vorhandener Einzelkonten in Pfändungsschutzkonten Wenn der Schuldner es versäumt hat, sein Konto vor der Anordnung vorläufiger Maßnahmen im Antragsverfahren und vor Verfahrenseröffnung in ein Pfändungsschutzkonto umzuändern, erhebt sich die Frage, ob er dies nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nachholen kann und welche Wirkung dies hätte2. Grundsätzlich soll ein Schuldner, dessen Konto in dem Zeitpunkt, in dem es von einem Gläubiger gepfändet wurde, noch nicht als Pfändungsschutzkonto geführt wurde, nach § 850k Abs. 1 ZPO berechtigt sein, die Umwandlung dieses Kontos in ein Pfändungsschutzkonto zu veranlassen. Dies gilt auch für debitorische Konten3. Der Schuldner kann diesen Schutz sogar bis zu einen Monat rückwirkend nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses in Anspruch nehmen, wenn er in dieser Zeit sein Konto in ein Pfändungsschutzkonto umwandelt (§ 899 Abs. 1 Satz 2 ZPO)4. Vertragliche Rechte einer Bank, aus Anlass der Umwandlung eines Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto die Geschäftsbeziehung (ordentlich) zu kündigen, sind durch die Regelungen zum Pfändungsschutzkonto nicht ausgeschlossen. Eine Bank handelt daher nicht unlauter, wenn sie die Kündigung ihren Kunden in Aussicht stellt und ausübt5.

2.189

Kommt es nicht zur Einzelvollstreckung, sondern wird ein Gesamtvollstreckungsverfahren, also ein Insolvenzverfahren beantragt oder eröffnet, so finden diese Vorschriften keine unmittelbare Anwendung, können sich aber über § 36 Abs. 1 InsO auf die Massezugehörigkeit auswirken. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen würde den Schuldner nicht an der Ausübung seines Rechts, die Umwandlung seines Kontos in ein Pfändungsschutzkonto zu fordern, hindern. Denn dies ist ein höchstpersönliches Recht, das nicht in die Masse fallen kann. Umwandeln kann man aber nur ein Konto, das noch existiert. Der Girovertrag und das Kontokorrent sind jedoch durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unabhängig davon, ob das Konto kreditorisch oder debitorisch war, anders als durch eine Pfändung beendet, da sie zur Masse gehörten. Übrig geblieben ist nur die Forderung der Bank oder des Schuldners auf den Saldo.

2.189a

Daran dürfte auch das Recht des Schuldners aus § 899 Abs. 1 Satz 1 ZPO, jederzeit die Umwandlung seines Kontos zu verlangen, nichts ändern. Es ist zweifelhaft, ob diese auf die Einzelzwangsvollstreckung zugeschnittene Vorschrift auf die Insolvenz übertragen werden kann. Sie passt nicht auf das Insolvenzverfahren, sondern bezieht sich auf Pfändungen. Diese lassen den Bestand des Kontos unberührt und geben damit Raum für das Umwandlungsverlangen des Kontoinhabers. Daran fehlt es aber nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Für

2.189b

1 Huber ZInsO 2001, 289 (296). 2 Offengelassen von BGH v. 13.2.2014 – IX ZB 91/12, ZInsO 2014, 687, der die Entscheidung nicht dem Insolvenzgericht, sondern dem Prozessgericht zuweist. 3 BGH v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, ZIP 2013, 1809 = ZInsO 2013, 1860 Rn. 33; Ahrens in Prütting/Gehrlein, ZPO, 14. Aufl. 2022, § 850k Rn. 8. 4 Zur Wirkung von Arrestpfändungen (§§ 916, 930 ZPO), Sicherungspfändungen (§ 720a ZPO) und Vorpfändungen (§ 845 ZPO) s. Kreft FS Schlick, 2015, 247 (258 f.). 5 OLG Dresden v. 10.4.2018 – 14 U 82/16, ZIP 2018, 1919; BGH v. 16.7.2013 – XI ZR 260/12, ZIP 2013, 1809 = ZInsO 2013, 1860 Rn. 33.

Büchel | 391

Zweiter Teil Rz. 2.189b | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

eine rückwirkende Wiederherstellung eines bereits beendeten und abgerechneten Kontos bietet § 899 Abs. 1 Satz 1 ZPO keine ausreichende Rechtsgrundlage. Der Schuldner müsste also rechtzeitig sein Umwandlungsrecht geltend machen, nach Verfahrenseröffnung könnte er dies nicht mehr nachholen1. Ein etwaiges Guthaben würde deshalb dem Pfändungsgläubiger oder Insolvenzverwalter unter Beachtung des Moratoriums nach § 900 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO zustehen.

2.189c

Der Gesetzgeber hat diese Folge nicht hinreichend bedacht2. Seinem mutmaßlichen Willen dürfte dieses Ergebnis zuwiderlaufen. Daher wird zunehmend vertreten3, dass auch eine rückwirkende Umwandlung möglich sein soll, was ein Wiederaufleben des zugrunde liegenden Zahlungsdienstrahmenvertrages zur Folge hätte.

2.189d

Dem Schuldner ist es natürlich unbenommen, nunmehr ein neues Pfändungsschutzkonto zu eröffnen. Damit kann er aber die Guthaben auf dem bisherigen Konto selbst dann nicht retten, wenn der Insolvenzverwalter über sie noch nicht verfügt hat.

2.189e

Es ist zuzugeben, dass eine solch strenge Auslegung dem Ziel des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde. Das Ergebnis ist aber nicht unbillig. Denn in der Regel werden bei Insolvenzen natürlicher Personen die Eröffnungsanträge von den Schuldnern selbst gestellt. Insbesondere bei Verbraucherinsolvenzverfahren, denen zunächst das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren vorzuschalten ist, bleibt dem Schuldner genug Gelegenheit, rechtzeitig sein Konto umzuwandeln; seine Berater haben ihn darauf hinzuweisen. d) Umwandlung vorhandener Gemeinschaftskonten in Pfändungsschutzkonten

2.189f

Da der Pfändungsschutz ein individuelles Recht ist, für dessen Höhe auch die persönlichen Umstände des betroffenen Schuldners zu berücksichtigen sind, kann er auf einem Gemeinschaftskonto nicht gewährt werden4. § 850k Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt ein Einzel-Zahlungskonto zum Zeitpunkt der Umstellung voraus. Ein bestehendes Gemeinschaftskonto kann daher nicht durch Erklärungen beider Kontoinhaber in zwei Pfändungsschutzkonten5 bzw. durch Erklärung eines Kontoinhabers in ein Pfändungsschutz- und in ein Girokonto umgewandelt werden. Ein solcher Anspruch bestand nach altem Recht nicht und auch nicht nach dem PKoFoG6. Der Schutz von gepfändetem Guthaben auf Gemeinschaftskonten ist nunmehr in § 850l ZPO geregelt, der den Fortbestand des Gemeinschaftskontos gerade voraussetzt und den betroffenen Inhabern lediglich die Möglichkeit eröffnet, innerhalb des ersten Monats kopfanteilig das Guthaben auf ein bestehendes oder neu einzurichtendes Einzel-Zahlungskonto zu übertragen, auf dem sich dann die Pfändung bzw. der Insolvenzbeschlag beim Schuldner fortsetzt. Der Schuldner kann das Zielkonto dann als Pfändungsschutzkonto führen, um wieder am Zahlungsverkehr mit diesem Konto teilzunehmen. Das übertragene Guthaben des nicht

1 2 3 4

Stritz InsBürO 2012, 207. Günther ZInsO 2013, 859. Ahrens NJW-Spezial 2017, 341 ff.; Ahrens NJW-Spezial 2018, 85. Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes v. 19.12.2007, BT-Drucks. 16/7615, S. 20. Büchel BKR 2009, 358, 363. 5 Knees WM 2021, 664; a.A Ahrens in Prütting/Gehrlein, ZPO, 14. Aufl. 2022, § 850k aF Rn. 47; Bitter FS Köndgen, 2016, 83, 96 f. 6 Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG) v. 22.11.2020, BGBl. I 2020, S. 2466; das Gesetz gilt seit dem 1.12.2021.

392 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.190a Zweiter Teil

von der Pfändung oder Insolvenz betroffenen Mitkontoinhabers ist dann frei von der Pfändung bzw. dem Insolvenzbeschlag. Voraussetzung des Schutzes beim Gemeinschaftskonto ist allerdings, dass der Schuldner der Pfändung oder Insolvenz eine natürliche Person ist1. Ebenso kann auch nur der Mitkontoinhaber eine Übertragung verlangen, der ebenfalls eine natürliche Person ist.

2.189g

e) Rückumwandlung von Pfändungsschutzkonto in herkömmliches Girokonto Der Inhaber eines Pfändungsschutzkontos kann den Pfändungsschutz aufgeben und die Rückumwandlung in ein herkömmliches Girokonto mit einer Frist von vier Geschäftstagen zum Monatsende verlangen2 (§ 850k Abs. 5 Satz 1 ZPO), muss also nicht stattdessen die Neueröffnung eines Girokontos beantragen. Dieses Recht steht ebenso wie das Recht zur Umwandlung eines herkömmlichen Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto nur dem Schuldner und nicht dem Insolvenzverwalter zu. Denn dies ist ein höchstpersönliches Recht, das nicht in die Masse fallen kann. Unabhängig davon kann er mit der Bank ein anderes Kontomodell vereinbaren, das insbesondere im Preis günstiger als ein herkömmlichen Girokonto3 ist.

2.189h

f) Verrechnungen Die Bank kann im nachstehend beschriebenen begrenzten Umfang ihre bestehenden Forderungen durch Zahlungen, die auf diesem Konto eintreffen, befriedigen. Eine Aufrechnung mit Zahlungseingängen nach Verfahrenseröffnung scheitert nicht an dem Verbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da die Bank aus Forderungen auf und aus Gutschriften und aus Guthabenforderungen, die durch Eingänge auf ein solches Konto entstanden sind, bis zur Höhe des pfändungsfreien Betrages nichts „zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist“. Dies führt zu unterschiedlichen Ergebnissen je nachdem, ob das bisherige Konto kreditorisch oder debitorisch war:

2.190

War das Konto bei Verfahrenseröffnung kreditorisch, verbietet § 394 BGB eine Aufrechnung weitgehend. Zwar kann eine Bank gegen Guthaben, die durch die Zahlung von Arbeitsentgelt auf das Konto des Schuldners zustande gekommen sind, grundsätzlich mit eigenen Forderungen aufrechnen4, sofern nicht die Anfechtungsvorschriften der §§ 129 ff. InsO eingreifen. Eine Aufrechnung gegen pfändungsfreie Guthaben – also in Höhe des pfändungsgeschützten Guthabens nach den Regelungen zum Pfändungsschutzkonto – ist jedoch untersagt; das Pfandrecht aus Nr. 14 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen) greift nicht (§ 394 BGB). Hiervon sind naturgemäß die Aufwendungsersatzansprüche ausgenommen, die durch die Verfügungen des Schuldners entstehen, weil insoweit § 394 BGB keine Anwendung findet5. Ausgenommen sind ebenso die Guthaben, die das pfändungsgeschützte übersteigen, also auch sonst der Pfändung unterliegen würden.

2.190a

1 Knees WM 2021, 664. 2 BGH v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, ZIP 2015, 624 Rn. 18. 3 Das Girokonto darf nach Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto nicht mehr kosten als vorher (BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, ZIP 2012, 2489; BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 145/12, ZInsO 2013, 264). 4 BGH v. 22.3.2005 – XI ZR 286/04, ZIP 2005, 941. 5 BT-Drucks. 16/12714, S. 20 unter Berufung auf Wagner in Erman, BGB, 11. Aufl. 2004, § 394 Rn. 11, wonach die Berufung des Schuldners auf das Verrechnungsverbot eine unzulässige Rechtsausübung wäre; Büchel BKR 2009, 358.

Büchel | 393

Zweiter Teil Rz. 2.190b | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

2.190b

War das Konto bei Verfahrenseröffnung debitorisch, ist der Bank eine Ver- oder Aufrechnung mit eigenen Forderungen verwehrt, soweit die Gutschriften auf einem kreditorischen Konto nicht der Pfändung unterliegen würden, § 901 Abs. 1 ZPO. Darüber hinausgehende Gutschriften kann sie zum Ausgleich des Debetsaldos dagegen verrechnen oder gegen sonstige Forderungen aufrechnen.

9. An Dritte verpfändete Konten 2.191

War das Konto an einen Dritten verpfändet, so ist allein der Pfandgläubiger zur Einziehung etwaiger Guthaben befugt, sofern bereits Pfandreife eingetreten war. Vor Eintritt der Pfandreife darf die Bank grundsätzlich den Insolvenzverwalter nur zusammen mit dem Pfandgläubiger verfügen lassen (§ 1281 BGB). Ist aber für die verpfändete Forderung bereits die Fälligkeit eingetreten, so erwirbt der Pfandgläubiger keinen Zahlungsanspruch gegen die Bank, sondern nur einen Sicherstellungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter und ist deshalb nicht befugt, das Pfandrecht selbst einzuziehen (§ 1282 Abs. 1, § 1228 Abs. 2 BGB)1. An seiner Stelle ist der Insolvenzverwalter zur Einziehung befugt, muss allerdings den Erlös in Höhe der zu sichernden Forderung zurückbehalten und hinterlegen, bis feststeht, ob die Bedingung eintritt oder ausfällt2.

2.191a

Wann die Pfandreife eingetreten ist, lässt sich für die Bank nicht immer eindeutig erkennen. Leistet die Bank an den Insolvenzverwalter, obwohl bereits Pfandreife vorlag, macht sie sich u.U. gegenüber dem Pfandgläubiger schadensersatzpflichtig. Inwieweit die Bank gemäß §§ 1275, 404 ff. BGB geschützt ist, solange sie von der Pfandreife keine Kenntnis erlangt, ist – soweit ersichtlich – bisher noch nicht entschieden worden und wird in der Kommentierung nicht behandelt.

10. Wirkung einer Leistung der Bank an den Kontoinhaber 2.192

Soweit nach den obigen Darstellungen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergeht, kann die Bank nur noch an diesen mit befreiender Wirkung leisten. Etwaige Kontoguthaben dürfen also nur noch an den Insolvenzverwalter ausgezahlt werden.

2.193

Stellt die Bank jedoch trotz der Insolvenzeröffnung dem Kunden das Guthaben zur freien Verfügung, so wird sie durch diese Leistung den Insolvenzgläubigern gegenüber nur nach Maßgabe des § 82 InsO befreit:

2.194

Erbringt sie ihre Leistung vor der öffentlichen Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung an den Kunden, so tritt nur dann keine Befreiung von ihrer Verbindlichkeit ein, wenn der Insolvenzverwalter beweist, dass der Bank zur Zeit der Leistung die Verfahrenseröffnung bekannt war (§ 82 Satz 2 InsO).

2.195

Bei Leistung nach der öffentlichen Bekanntmachung liegt dagegen die Beweislast bei der Bank (§ 82 Satz 1 InsO), d.h. sie muss nachweisen, dass ihr die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war; dieser Nachweis wird ihr auch nicht durch die Fiktion des § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO, wonach die öffentliche Bekanntmachung am zweiten Tag nach ihrer Veröffentlichung als be-

1 BGH v. 7.4.2005 – IX ZR 138/04, ZIP 2005, 909; OLG München v. 22.6.2004 – 25 U 5618/03, DZWIR 2004, 429; a.A. Flitsch DZWIR 2004, 430. 2 BGH v. 7.4.2005 – IX ZR 138/04, ZIP 2005, 909.

394 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.198 Zweiter Teil

wirkt gilt, abgeschnitten1. Entscheidend für die Beweislastverteilung ist allein die öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt bzw. seit der Änderung des § 9 InsO durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom März 2007 durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet, weitere Bekanntmachungen in Tageszeitungen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 InsO können zwar den guten Glauben beseitigen, hier bleibt es jedoch bei der Beweislast des Insolvenzverwalters2. Die Bank ist nicht verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen zu schaffen, die im Internet zugänglichen Informationen über eine Verfahrenseröffnung aufzunehmen und weiterzuverarbeiten3.

11. Verrechnung mehrerer Konten Für einen Kunden werden manchmal mehrere selbständige Konten oder neben dem Hauptkonto ein oder mehrere Unterkonten, insbesondere Festgeldkonten, Sparkonten oder Konten für einen besonderen Zweck wie z.B. Treuhandkonten geführt. Wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kontoinhabers eröffnet wird und die dann für die einzelnen Konten ermittelten Salden teils debitorisch, teils kreditorisch sind, erhebt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer Aufrechnung bzw. Verrechnung der diversen Salden.

2.196

Zivilrechtlich setzt die Aufrechnung voraus, dass die sich gegenüberstehenden Forderungen gleichartig und fällig sind (§ 387 BGB). Insolvenzrechtlich ist eine Aufrechnung auch dann möglich, wenn die Forderungen auf unterschiedliche Währungen oder Rechnungseinheiten lauten, wenn diese Währungen oder Rechnungseinheiten am Zahlungsort der Forderung, gegen die aufgerechnet wird, frei getauscht werden können (§ 95 Abs. 2 InsO). Zur Aufrechnung von Währungskonten s. Rn. 2.123.

2.197

a) Anderkonten und offene Treuhandkonten Davon kann es jedoch Ausnahmen geben, wenn für ein Konto ausdrücklich oder schlüssig ein Aufrechnungsverbot4 vereinbart ist. Dies ist beispielsweise bei Anderkonten und offenen Treuhandkonten (vgl. im Einzelnen Rn. 2.146) der Fall. Gegen Guthaben auf solchen Konten kann die Bank auch in der Insolvenz des Kontoinhabers nicht mit Forderungen aus anderen Rechtsverhältnissen aufrechnen; das vertragliche Aufrechnungsverbot bleibt auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Kraft. Zwar soll ein vertraglich vereinbartes Aufrechnungsverbot seine Wirkung verlieren, wenn die durch die Verbotsklausel begünstigte Vertragspartei insolvent geworden ist, weil dann sein Zweck entfalle und nur noch eine gesetzlich geregelte Abwicklung aller Ansprüche und Gegenansprüche Platz greife5. Diese Auslegung trifft jedoch

1 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 140/02, ZInsO 2003, 374; OLG Schleswig v. 21.6.2002 – 1 U 208/01, DZWIR 2002, 514; OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/06, ZInsO 2006, 884; s. auch Rn. 3.61 f. 2 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92. 3 BGH v. 15.4.2010 – IX ZR 62/09, ZIP 2010, 935. 4 Vgl. zum Aufrechnungsverbot OLG Hamm v. 10.12.1975 – 25 U 82/75, MDR 1976, 577; OLG Köln v. 28.4.1995 – 25 U 17/94, ZIP 1995, 850 = KTS 1995, 644; Dempewolf WM 1976, 1753; zur Konzernverrechnungsklausel OLG Koblenz v. 12.12.1975 – 2 U 332/74, NJW 1976, 2026; BGH v. 3.6.1981 – VIII ZR 171/80, WM 1981, 844; BGH v. 27.3.1985 – VIII ZR 5/84, WM 1985, 696 = WuB II G § 35 GmbHG 1.85 Schneider; BGH v. 29.2.1996 – IX ZR 147/95, ZIP 1996, 552; Joussen ZIP 1982, 279; s. Rn. 6.630. 5 BGH v. 2.12.1974 – II ZR 132/73, WM 1975, 134; BGH v. 6.7.1978 – III ZR 65/77, WM 1978, 1042; BGH v. 12.10.1983 – VIII ZR 19/82, ZIP 1983, 1473 = WM 1983, 1359; BGH v. 26.2.1987 – I ZR 110/85, WM 1987, 732; BGH v. 19.9.1988 – II ZR 362/87, ZIP 1988, 1340 = WM 1988, 1592;

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2.198

Zweiter Teil Rz. 2.198 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

auf Treuhand- und Anderkonten nicht zu, denn das Verbot dient nicht dem Schutz einer Vertragspartei, sondern dem Schutz Dritter. b) Baugeldkonten

2.199

Eine Besonderheit stellen in diesem Zusammenhang die sog. Baugeldkonten dar. Als Baugeld sind diejenigen Mittel einzuordnen, die ein Darlehensgeber aus Anlass eines Bauvorhabens zur Verfügung gestellt hat, damit der Darlehensnehmer seine Verbindlichkeiten gegenüber Personen tilgen kann, die an der Herstellung des Baus aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Werklieferungsvertrags beteiligt sind. Die Zweckbestimmung, dass der ausgezahlte Betrag zur Bestreitung der Kosten eines Baues dienen soll, muss Inhalt des Darlehensvertrags sein1. Grundlage einer Baugeldgewährung können Kreditgeschäfte verschiedener Art sein, auch Kredite in laufender Rechnung bis zu einem bestimmten Höchstbetrag2. Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen3 ist der Empfänger von Baugeld verpflichtet, das Geld diesem Zweck entsprechend zu verwenden4; eine anderweitige Verwendung des Baugeldes ist bis zu dem Betrag statthaft, in welchem der Empfänger aus anderen Mitteln Gläubiger der bezeichneten Art bereits befriedigt hat.

2.199a

Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass eine Bank, bei der ein Bauträger für die Zahlungen der Erwerber jeweils eigene Unterkonten einrichtet, stets gehindert wäre, die auf diesen Konten angesammelten Guthaben in der Insolvenz des Bauträgers mit ihren Forderungen aus dem Kreditkonto zu verrechnen. Denn die Verwendungspflicht nach § 1 BauFordSiG gilt nicht im eröffneten Insolvenzverfahren5; das Gesetz begründet keinen Vorrang von Baugeldgläubigern6.

2.200

Auch ein Bauträger gehört typischerweise zu den Empfängern von Baugeld im Sinne dieses Gesetzes7, so dass ihm die Erfüllung der Pflichten nach dem BauFordSiG obliegt. Das Gesetz enthält jedoch kein generelles Aufrechnungsverbot, das automatisch auch gegenüber der Bank des Bauträgers wirken würde8. Vielmehr bleibt es dem Bauträger überlassen, wie er seinen Pflichten nachkommt. Dies kann dadurch geschehen, dass er der Bank den Charakter der Unterkonten offenbart und damit einen Verzicht auf ihr AGB-Pfandrecht und ein Aufrechnungsverbot herbeiführt9.

1 2 3

4 5 6 7 8 9

BGH v. 14.7.1994 – IX ZR 110/93, ZIP 1994, 1347 = WM 1994, 1711; OLG Frankfurt v. 22.1.1985 – 5 U 77/84, ZIP 1985, 559 = WM 1985, 512 = WuB VI B § 53 KO 1.85 Obermüller. BGH v. 11.4.2001 – 3 StR 456/00, BGHSt 46, 373, 377. BGH v. 14.1.1986 – VI ZR 164/84, BauR 1986, 370, 371. Gesetz v. 1.6.1909 (RGBl. S. 449, BGBl. III 213-2) – BauFordSiG; geändert durch Gesetz zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz – FoSiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2022; Übersicht s. Heidland ZInsO 2010, 737. BGH v. 20.12.2012 – VII ZR 187/11, WM 2013, 309; BGH v. 13.12.1988 – VI ZR 260/88, BauR 1989, 230; zur Pfändung von Baugeld s. BGH v. 26.4.2013 – IX ZR 220/11, ZIP 2013, 1288 = ZInsO 2013, 1313. OLG Hamm v. 12.12.2006 – 27 U 98/06, ZIP 2006, 240; Heidland ZInsO 2010, 737. OLG Brandenburg v. 16.11.2011 – 4 U 202/10, NZI 2012, 156. BGH v. 13.12.1988 – VI ZR 260/88, WM 1989, 411; BGH v. 8.1.1991 – VI ZR 109/90, WM 1991, 905; LG Dresden v. 8.10.2001 – 14 O 5828/00, ZIP 2002, 91. OLG Düsseldorf v. 30.3.1995 – 12 U 280/93, WM 1997, 913. BGH v. 13.10.1987 – VI ZR 270/86, ZIP 1987, 1436 = WM 1987, 1457; LG Ravensburg v. 21.9.2006 – 1 O 27/06, WM 2007, 886; Leidig NJW 2009, 2920.

396 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.203 Zweiter Teil Dazu hatte das OLG Düsseldorf1 einen Fall zu entscheiden, in dem der Konkursverwalter eines Bauträgers einer Sparkasse das Recht zur Saldierung von Konten, von denen das eine zur Aufnahme der Kaufpreiszahlungen der Erwerber und das andere zur Belastung der Aufwendungen für die Baukosten diente, streitig machte. Das OLG unterstellte zwar zugunsten des Verwalters, dass eine Verrechnung eines debitorischen Kontos mit einem kreditorischen Baugeldkonto unzulässig wäre, wenn der Sparkasse sowohl die Gesamtfinanzierung des Bauvorhabens als auch der Baugeldcharakter des Guthabens bekannt war. Es bürdete dem Verwalter jedoch die Darlegungs- und Beweislast auf, – dass es sich bei dem verrechneten Guthaben um Baugeld handele, – welche Beträge entsprechend den Bestimmungen des Baugeldgesetzes und welche zweckwidrig verwendet worden seien. Seiner Darlegungs- und Beweislast könne der Verwalter nicht schon durch den Nachweis genügen, dass das Kreditinstitut ein Bauvorhaben finanziert und sich zur Sicherung Grundschulden habe eintragen lassen. Wenn ein Gesamtvorhaben finanziert werde, sei zu berücksichtigen, dass ein erheblicher Teil der Gelder für den Ankauf des Grundstücks, die Erwerbskosten, die Erschließungs-, Planungs- und Vertriebskosten und die Kosten der Zwischenfinanzierung bestimmt sei, somit kein Baugeld darstelle und keinem Verrechnungsverbot unterliege. Dieser Fall zeigt, dass die Bank bei der Anwendung des Zwei-Konten-Modells, das nach der Anerkennung des Abzugs von Schuldzinsen als Betriebsausgaben2 wieder attraktiver werden wird, trotz der theoretischen Gefahr eines Aufrechnungsverbots in der Praxis schon deshalb keine besonderen Risiken eingeht, weil eine Trennung der Einzahlungen der Erwerber nach Baugeld und sonstigen Leistungen faktisch nicht möglich ist.

12. Schrankfachmietverträge Nach den im Bankgewerbe üblichen Bedingungen werden Schrankfächer dem Kunden mietweise überlassen3. Die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag werden vom Insolvenzverfahren erfasst. Dem steht nicht entgegen, dass sich in den Schrankfächern oft private Unterlagen und Dokumente befinden, die nicht zur Insolvenzmasse gehören4.

2.201

Als Mietvertrag unterliegt der Schrankfachvertrag nicht der Vorschrift der §§ 116, 115 InsO, wonach Geschäftsbesorgungsverträge mit Insolvenzeröffnung erlöschen; vielmehr ist er den Vorschriften für Mietverhältnisse über unbewegliche Gegenstände oder Räume (§§ 108 ff. InsO) zu unterstellen5, da es sich bei dem Schrankfach um einen – wenn auch sehr kleinen – Raum handelt. Der Schrankfachvertrag besteht also über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung fort.

2.202

a) Kündigung durch den Verwalter Der Insolvenzverwalter kann das Mietverhältnis ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer mit gesetzlicher Kündigungsfrist kündigen (§ 109 InsO).

1 OLG Düsseldorf v. 30.3.1995 – 12 U 280/93, WM 1997, 913. 2 BFH v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, ZIP 1998, 287. 3 Vgl. auch RG v. 16.5.1933 – VII 50/33, Bank-Archiv 1932, 413; RG v. 16.5.1933 – VII 50/33, RGZ 141, 99; LG Berlin v. 30.4.1940 – 227 T 2637/40, DR 1940, 1639; OLG Düsseldorf v. 28.2.2012 – I24 U 193/11, WM 2013, 1744; OLG Karlsruhe v. 10.1.2012 – 17 U 31/11, WM 2012, 1529; Opitz Die Bank 1940, 75. 4 Hirte/Praß in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 35 Rn. 147 f.; s. z.B. wegen Briefen BGH v. 25.5.1954 – I ZR 211/53, BGHZ 13, 334 (337) und privaten Aufzeichnungen BGH v. 26.11.1954 – I ZR 266/52, BGHZ 15, 249 (257). 5 RG v. 7.5.1898 – I 33/98, RGZ 141, 99 zu der Parallelvorschrift des § 19 KO.

Büchel | 397

2.203

Zweiter Teil Rz. 2.204 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

2.204

Für die Fristberechnung ist von der allgemein für Räume geltenden Vorschrift des § 580a Abs. 1 BGB auszugehen. Die Sondervorschrift des § 580a Abs. 2 BGB für Geschäftsräume, die auch der Insolvenzverwalter zu beachten hat1, findet darauf keine Anwendung. Danach richtet sich die Kündigungsfrist nach den Zeitabständen für die Fälligkeiten der einzelnen Mietzinsen: Bei monatlichen oder nach längeren Zeitabschnitten bemessenen Fälligkeiten muss spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf des Übernächsten gekündigt werden. Im Regelfall wird die Miete für ein Schrankfach jährlich berechnet, so dass der Insolvenzverwalter nach § 109 InsO, § 580a Abs. 1 Nr. 3 BGB bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf des übernächsten Monats kündigen kann. Dabei ist es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt der Insolvenzverwalter von dem Schrankfachvertrag Kenntnis erlangt. Die Bank ist nicht verpflichtet, den Insolvenzverwalter auf den Vertrag hinzuweisen und auf das Kündigungsrecht aufmerksam zu machen2. Allerdings sind abweichende Kündigungsregelungen in den Schrankfachmietverträgen zu beachten, nach denen oft für den Mieter ein kürzeres, teilweise jederzeitiges Kündigungsrecht vereinbart ist.

2.205

Die vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Mietforderungen der Bank sind einfache Insolvenzforderungen. Die während des Insolvenzverfahrens bis zur Beendigung des Mietverhältnisses entstehenden Mietzinsforderungen sind dagegen Masseschuldansprüche nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO3.

2.206

Kündigt der Insolvenzverwalter, so ist die Bank wegen der Nachteile, die sie durch die vorzeitige Vertragsauflösung erleidet, nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO auf eine einfache Insolvenzforderung verwiesen4, sofern sie nicht über Sicherheiten verfügt. Viele Kreditinstitute berechnen die Schrankfachmiete jedoch jährlich im Voraus, so dass es eher zu einer Rückerstattung nicht verbrauchter Mieten an den Verwalter als zu einem Schadenersatzanspruch der Bank kommt. b) Kündigung durch die Bank

2.207

Ein eigenes Kündigungsrecht steht der Bank nicht zu, solange der Verwalter die Pflichten aus dem Schrankfachvertrag erfüllt. Eine Kündigung wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden ist zwar nur in dem Zeitraum zwischen dem Insolvenzantrag und der Verfahrenseröffnung ausgeschlossen (§ 112 InsO), aus dem Verbot abweichender Vereinbarungen (§ 119 InsO) wird jedoch für Mietverträge überwiegend auch der Ausschluss von vertraglichen Lösungsklauseln wie z.B. Nr. 19 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 AGB Sparkassen) gefolgert5. Wenn der Verwalter mit der Zahlung der Schrankfachmiete in Verzug gerät, kann auch die Bank kündigen.

2.208

Auch die beweglichen Sachen, die der Kunde in das Schrankfach eingelagert hat, werden von dem gesetzlichen Vermieterpfandrecht erfasst. Das in § 562 BGB geregelte Vermieterpfand-

c) Sicherheiten

1 OLG Naumburg v. 29.3.2000 – 5 U 2/00, ZInsO 2000, 287; BGH v. 8.5.2002 – XII ZR 323/00, ZIP 2002, 1811 = KTS 2003, 237. 2 Graf von Westphalen BB 1988, 218 (224). 3 Eckert ZIP 1983, 770; OLG Hamm v. 26.10.1992 – 31 U 130/92, ZIP 1992, 1563. 4 Seifert DB 1983 Beilage 1, S. 11; Eckert ZIP 1983, 770; zur Schadensberechnung s. Graf von Westphalen BB 1988, 218 und BGH v. 17.4.1991 – VIII ZR 12/90, ZIP 1991, 662 = WM 1991, 1038. 5 Hess, InsO, 2. Aufl. 2013, § 112 Rn. 24 m.w.N.

398 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.210a Zweiter Teil

recht gilt nämlich nach der ausdrücklichen Verweisung in § 578 Abs. 2 BGB auch für den Inhalt von Räumen, die nicht zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Daraus kann geschlossen werden, dass ein Vermieterpfandrecht auch am Inhalt von Schrankfächern besteht1. Dies gibt der Bank in der Insolvenz ein Pfandrecht für ihre Mietforderungen aus dem letzten Jahr vor Insolvenzeröffnung an dem Schrankfachinhalt, aufgrund dessen sie abgesonderte Befriedigung verlangen kann. Für die spätere Zeit kann sie an dem Schrankfachinhalt kein Vermieterpfandrecht geltend machen2. Das Vermieterpfandrecht erstreckt sich nämlich nicht auf die künftige Entschädigungsforderung (§ 562 Abs. 2 BGB). Das Pfandrecht nach Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 AGB Sparkassen) kommt nicht zum Zuge, da die Bank an dem Schrankfachinhalt keinen Mitbesitz, sondern nur Mitverschluss erworben hat3. Der Mitverschluss kann dem Besitz nicht gleichgestellt werden, da er nur der Sicherung des Kunden, nicht aber einer Herrschaftsausübung der Bank dient4. Ein Verwertungsrecht steht dem Verwalter nicht zu. Dies würde nämlich voraussetzen, dass der Verwalter Besitz an dem Schrankfachinhalt erlangt hätte (§ 166 Abs. 1 InsO).

2.209

d) Verfügungsbefugnis Der Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts des Kunden auf den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO) hat zur Folge, dass die Ansprüche aus dem Schrankfachmietverhältnis, insbesondere das Recht auf Zutritt zu dem Schrankfach, nur noch von dem Insolvenzverwalter ausgeübt werden darf. Das gilt auch dann, wenn sich in dem Schrankfach private Unterlagen und Dokumente befinden, die nicht zur Insolvenzmasse gehören5. Es ist Sache des Schuldners, die „Freigabe“ dieser Gegenstände vom Insolvenzverwalter zu verlangen. Auch wenn der Schuldner behauptet, dass sich in dem Schrankfach nur derartige Dokumente befänden, sollte ihm die Bank schon aus Vorsichtsgründen nicht den alleinigen Zutritt zu dem Schrankfach gestatten, da erfahrungsgemäß ein Irrtum über den Inhalt nicht immer ausgeschlossen werden kann.

2.210

Um Einsicht in dieses Bankschließfach nehmen zu können, benötigt der Insolvenzverwalter vom Schuldner den entsprechenden Schlüssel. Soweit der Schuldner selbst den Insolvenzantrag gestellt hat und am Ende die Restschuldbefreiung erreichen will, wird er diesen Schlüssel seinem Insolvenzverwalter vermutlich unproblematisch zur Verfügung stellen. Wenn der Schlüssel aber nicht auffindbar ist, kommt nur noch eine Notöffnung durch einen Schlüsselspezialisten in Betracht, für die der Auftraggeber allerdings Kosten von ca. 300 Euro aufbringen muss6. Dies wird und kann der Insolvenzverwalter nur veranlassen, wenn seine Masse ausreichend ist, um diese Kosten zu tragen, oder er erwartet, dass der Wert des Inhalts des Schließfaches zumindest diese Öffnungskosten übersteigt.

2.210a

1 2 3 4

Klanten in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 48 Rn. 19. RG v. 6.3.1903 – II 388/02, RGZ 54, 301. OLG Celle v. 5.10.1926 – 7 U 94/26, JW 1927, 73; RG v. 27.9.1932 – WarnR 1933, Nr. 115. Liesecke WM 1969, 556; OLG Celle v. 5.10.1926 – 7 U 94/26, JW 1927, 73; RG v. 27.9.1932 – WarnR 1933, Nr. 115. 5 Roesle, Der Schrankfachvertrag der Banken, 1982, S. 183 nach Schweizer Recht. 6 Kolb InsbürO 2017, 4.

Büchel | 399

Zweiter Teil Rz. 2.211 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

13. Verwahrvertrag 2.211

Nehmen die Banken verpackte Gegenstände sowie Kisten, Koffer und ähnliche Behältnisse (Verwahrstücke) zur Aufbewahrung in ihren Tresorräumen oder Panzer-Geldschränken entgegen, so stellt sich das Rechtsverhältnis insoweit als entgeltlicher Verwahrungsvertrag dar (§§ 688 ff. BGB). Der entgeltliche Verwahrungsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag, der mit der Einigung zustande kommt und mit der Übergabe in Vollzug gesetzt wird; das Entgelt ist die Gegenleistung für die Aufbewahrung und die damit verbundene Mühewaltung1.

2.212

Als gegenseitiger Vertrag unterliegt der Verwahrungsvertrag der Vorschrift des § 103 InsO2. Dies bedeutet, dass dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht zusteht, ob er den Verwahrungsvertrag fortbestehen lässt und damit dem Vergütungsanspruch der Bank den Rang einer Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO verschafft, oder ob er die Fortsetzung ablehnt und die Bank für ihren Vergütungsanspruch auf eine Insolvenzforderung verweist. Die Bank braucht – wenn sie den Verwahrvertrag beenden will – allerdings nicht die Entscheidung des Insolvenzverwalters abzuwarten, sondern kann von sich aus kündigen (Nr. 19 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 26 AGB Sparkassen)3. Die Kündigungssperre des § 112 InsO beschränkt sich auf Miet- und Pachtverhältnisse und kann nicht analog auf Verwahrverträge angewandt werden.

2.213

Der Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts des Kunden auf den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO) hat zur Folge, dass die Ansprüche aus dem Verwahrvertrag, insbesondere das Recht auf Aushändigung des Verwahrstücks, nur noch von dem Insolvenzverwalter ausgeübt werden darf. Das gilt auch dann, wenn sich in dem Verwahrstück private Unterlagen und Dokumente befinden, die nicht zur Insolvenzmasse gehören. Es ist Sache des Schuldners, die „Freigabe“ dieser Gegenstände vom Insolvenzverwalter zu verlangen. Auch wenn der Schuldner behauptet, dass sich in dem Verwahrstück nur derartige Dokumente befänden, sollte die Bank das Verwahrstück schon aus Vorsichtsgründen nicht an ihn allein herausgeben, da erfahrungsgemäß ein Irrtum über den Inhalt nicht immer ausgeschlossen werden kann.

14. Depotgeschäft 2.214

Das bankmäßige Depotgeschäft geht über Verwahrgeschäfte im Sinne des Sprachgebrauchs des bürgerlichen Rechts4, das Raumgewährung und Obhut bei fortdauerndem Eigentum des Hinterlegers oder eines Dritten voraussetzt, hinaus. Es erfasst nämlich auch rechtlich oder wirtschaftlich der Wertpapierverwahrung im engeren Sinn vergleichbare Ansprüche wie Wertrechte, Depotgutschriften per Erscheinen, Guthaben aus Schuldscheindarlehen usw. Ferner erschöpft sich das Depotgeschäft nicht in der reinen Verwahrfunktion, sondern hierzu gehört auch die Wertpapierverwaltung, wie sie in den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte5 näher umschrieben ist6.

1 2 3 4 5

S. BGH v. 11.7.1966 – II ZR 153/63, BGHZ 46, 48 für Lagerverträge. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 17 Rn. 12 für das Lagergeschäft. OLG Düsseldorf v. 14.7.1981 – 23 W 25/81, ZIP 1981, 886 = DB 1981, 1924. BGH v. 11.12.1990 – XI ZR 54/90, ZIP 1991, 435 = WM 1991, 317. Abgedruckt bei Seyfried in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, Bankrecht IV Q 1. 6 BGH v. 11.12.1990 – XI ZR 54/90, ZIP 1991, 435 = WM 1991, 317.

400 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.219 Zweiter Teil

a) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf den Bestand des Depotvertrages Der Depotvertrag erlischt mit Verfahrenseröffnung.

2.215

Für die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf den Depotvertrag wollen Canaris1 und Jaeger/Henckel2 danach unterscheiden, ob sich die Wertpapiere in Girosammel- oder in Streifbandverwahrung befinden. Bei Giro-Sammelverwahrung soll der Vertrag insgesamt als Geschäftsbesorgungsvertrag angesehen werden, der nach §§ 116, 115 InsO erlischt. Bei der Streifbandverwahrung sollen dagegen nur die Verwaltungspflichten der Bank nach §§ 116, 115 InsO enden, die Verwahrerpflichten dagegen dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO unterliegen, d.h. die Bank hätte die Verwahrertätigkeit fortzusetzen, wenn der Insolvenzverwalter sich nicht für die Beendigung des Vertragsverhältnisses auch in diesem Punkt entscheidet.

2.216

Eine derartige Trennung je nachdem, ob die Papiere in Girosammel- oder in Streifbandverwahrung liegen, ist durch die Unterschiede zwischen diesen beiden Formen der Verwahrung nicht gerechtfertigt. Für die Verwahrungspflichten der Bank, die in den Geschäftsbedingungen geregelt sind, wird nicht danach unterschieden, ob es sich um streifband- oder girosammelverwahrte Wertpapiere handelt. Die Pflichten der Bank gegenüber dem Kunden aus dem Depotvertrag richten sich vielmehr nach den Besonderheiten des verwahrten Vermögenswertes; lediglich die Art, in der die Bank ihre Pflichten aus dem Depotvertrag technisch abwickelt, ist durch die konkrete Verwahrungsart vorgegeben. Diese Umstände sprechen dafür, bei den Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf das Depotverhältnis nicht zwischen Girosammelund Streifbandverwahrung zu unterscheiden. Die von Canaris und Henckel für die Streifbandverwahrung vertretene Trennungslösung lässt sich dogmatisch mit den §§ 103, 116, 115 InsO nicht vereinbaren. Bei dem Depotgeschäft handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, der sich lediglich aus zwei vom BGB besonders geregelten Vertragstypen zusammensetzt, ohne dass dadurch zwei voneinander selbständige Verträge entstehen. Wertpapierverwaltung und Verwahrung werden nämlich von den Parteien bei Übertragung der Papiere in das Depot bei der Bank als Einheit gewollt, da dem Kunden eine zweckmäßige Verwaltung jedenfalls bei Inhaberpapieren ohne deren Besitz in der Regel nicht möglich ist. Dieser an sich einheitliche Vertrag kann nicht durch die Insolvenzeröffnung in zwei selbständige Teile zerlegt werden. Daher ist der Depotvertrag einheitlich als Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienst- und verwahrungsrechtlichen Elementen anzusehen3.

2.217

Geht man demgemäß davon aus, dass die Rechtsfolgen der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Kunden bei Streifbandverwahrung dieselben sein müssen wie bei Girosammelverwahrung, so bleibt letztlich die Frage offen, ob § 103 InsO (Wahlrecht des Insolvenzverwalters) oder §§ 116, 115 InsO (Erlöschen des Vertrags) auf dieses Rechtsverhältnis Anwendung finden. Wegen der mehr oder weniger stark ausgeprägten Verwaltungstätigkeit der Bank liegt es im Interesse aller Beteiligten, allgemein von §§ 116, 115 InsO auszugehen4.

2.218

Dies hat zur Folge, dass der Depotvertrag mit Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Kunden erlischt, die Bank jedoch nach §§ 116, 115 Abs. 2 InsO im Notfall weiter zur Geschäftsbesorgung verpflichtet bleibt. Letzteres kann vor allem z.B. dann von Bedeutung sein,

2.219

1 2 3 4

Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rn. 2203. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 17 Rn. 22. BGH v. 11.12.1990 – XI ZR 54/90, ZIP 1991, 435 = NJW 1991, 978. So im Ergebnis auch Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 116 Rn. 25 f.; RG v. 6.7.1917 – III 136/17, WarnR 1917, Nr. 204.

Büchel | 401

Zweiter Teil Rz. 2.219 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

wenn die Frist für die Ausübung oder Veräußerung von Bezugsrechten abzulaufen droht, ohne dass der Insolvenzverwalter schon Zeit gefunden hätte, sich der Angelegenheit anzunehmen. Wäre man zu dem Ergebnis gekommen, dass § 103 InsO Anwendung findet, so müsste die Bank mit Insolvenzeröffnung den Insolvenzverwalter zur Stellungnahme auffordern, ob er den Depotvertrag fortzusetzen wünscht und könnte – wenn er sich nicht fristgemäß äußern würde – die Verwaltung nicht fortsetzen und die Bezugsrechte würden verfallen. b) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf die Verfügungsbefugnis

2.220

Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Depotinhabers geht dessen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Die Auswirkungen sind unterschiedlich je nachdem, ob es sich um ein Einzel- oder ein Gemeinschaftsdepot mit Einzelverfügungsbefugnis oder mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis handelt. aa) Einzeldepots

2.221

Handelt es sich um ein Einzeldepot, so kann sich die Bank von ihren Verpflichtungen aus dem Depotvertrag nur noch durch Leistung an den Insolvenzverwalter befreien, es sei denn, sie hat keine Kenntnis von der Insolvenzeröffnung (§ 82 InsO). bb) Gemeinschaftsdepots mit Einzelverfügungsbefugnis

2.222

Bei einem Gemeinschaftsdepot mit Einzelverfügungsbefugnis kann sowohl der Insolvenzverwalter als auch der nicht insolvente Depotinhaber Herausgabe der Wertpapiere verlangen und die Bank muss an denjenigen ausliefern, der zuerst die Herausgabe fordert (vgl. Rn. 2.128). Durch die Herausgabe an den nicht im Insolvenzverfahren befindlichen Depotinhaber oder den Insolvenzverwalter werden die Eigentumsrechte nicht berührt1. Gibt die Bank in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung die Wertpapiere an den Schuldner heraus, so wird sie von ihrer Herausgabepflicht nach Maßgabe des § 82 InsO befreit (vgl. dazu Rn. 2.131, Rn. 2.193).

2.223

Während die Bank bei einem Konto Eigentümerin der eingezahlten Gelder wird, bleiben zwar beim Depot neben den schuldrechtlichen Herausgabeansprüchen der Depotinhaber aus dem Depotvertrag auch noch deren dingliche Ansprüche bestehen. Um die Frage zu beantworten, ob sich daraus Unterschiede in der rechtlichen Wertung gegenüber dem Gemeinschaftskonto ergeben, muss zunächst aufgezeigt werden, welche Ansprüche den Hinterlegern aus einem Gemeinschaftsdepot gegen die Bank zustehen.

2.224

Beim Gemeinschaftsdepot mit Einzelverfügungsbefugnis erwirbt wie beim Oder-Konto jeder einzelne Depotinhaber gegenüber der Bank ein volles Gläubigerrecht2, allerdings mit der Maßgabe, dass die Bank an denjenigen Depotinhaber leisten muss, der zuerst die Herausgabe

1 BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 321/95, ZIP 1997, 674 = DB 1997/975. 2 Schoele WM 1951, 301; Hansen, Die Rechtsnatur von Gemeinschaftskonto und Depot, 1967, S. 83; BVerwG v. 26.9.1958 – IV C 160.56, WM 1958, 1510; LG Frankfurt v. 19.6.1951 – WP 69-130, WM 1951, 494; OLG München v. 23.6.1953 – 2 W WBM 205, WM 1953, 594; OLG Düsseldorf v. 21.6.1996 – 22 U 265/95, WM 1998, 550; BGH v. 15.1.1952 – IV ZB 87/51, BGHZ 4, 297; die Bank kann die Eigentumsverhältnisse unbeachtet lassen.

402 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.226 Zweiter Teil

der Wertpapiere verlangt1. Ob sich die Wertpapiere in Sonderverwahrung oder Girosammelverwahrung befinden, hat keinen Einfluss auf die Rechtsstellung der Depotinhaber im Außenverhältnis zur Bank2: – Befinden sich die Wertpapiere in Sonderverwahrung (Streifbanddepot nach § 2 DepG), so bleiben durch die Hinterlegung die Eigentumsrechte unberührt. Standen die Wertpapiere im Eigentum nur eines Depotinhabers, so ist die Bank nach dem Depotvertrag trotzdem berechtigt, die Wertpapiere auch dem Depotinhaber herauszugeben, der nicht Eigentümer ist. Wenn die Wertpapiere den Depotinhabern als Miteigentümern gehören, so steht diesen der dingliche Herausgabeanspruch nach §§ 1011, 432 BGB in der Weise zu, dass der einzelne Miteigentümer nur Leistung an alle fordern kann. Zwar ist die Vorschrift des § 432 BGB für den dinglichen Herausgabeanspruch zwingend; das hat aber keinen Einfluss auf den schuldrechtlichen Herausgabeanspruch3. – Mit der Einlieferung der Wertpapiere in ein Girosammeldepot verliert der Eigentümer sein Alleineigentum und erwirbt stattdessen Miteigentum an dem Sammelbestand (§§ 5, 6 DepG). Dann ist sein dinglicher Herausgabeanspruch auf Auslieferung einer bestimmten Anzahl von Wertpapieren derselben Art gerichtet4. Da der Miteigentümer nur dadurch wieder Alleineigentümer der Wertpapiere werden kann, dass die Bank eine Anzahl Wertpapiere aus dem Sammelbestand aussondert und ihm überträgt (§ 7 Abs. 1 DepG)5, könnte eine Herausgabe an einen anderen als den wirklichen Eigentümer oder dessen Bevollmächtigten ausgeschlossen sein. Bei der Rückgabe der Wertpapiere überträgt die Bank jedoch das Alleineigentum nicht an denjenigen, dem sie die Papiere übergibt. Vielmehr wird der bisherige Miteigentümer Alleineigentümer der Wertpapiere. Dies gilt auch dann, wenn die Bank an einen Hinterleger ausliefert, der nicht zugleich Miteigentümer war. Die Bank hat nämlich nicht den eigenen Willen, das Alleineigentum an einen bestimmten Hinterleger zu übertragen, sondern sie übereignet an den, den es angeht. Es entspricht dem Willen der Bank, das Innenverhältnis zwischen den Depotinhabern unbeachtet zu lassen, um für ihre Geschäftsbeziehungen klare Verhältnisse zu schaffen6. Die Rechtsfolgen der Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Depotinhabers sind daher beim Gemeinschaftsdepot mit Einzelverfügungsberechtigung ebenso wie beim Oder-Konto zu beurteilen.

2.225

cc) Gemeinschaftsdepots mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis Da die Eigentumsverhältnisse der Depotinhaber an den Wertpapieren – wie oben dargestellt – keinen Einfluss auf deren schuldrechtliche Ansprüche gegenüber der Bank aus dem Depot1 Sie soll aber berechtigt sein, untätig zu bleiben, wenn ihr vor Ausführung der Verfügung eines Kontoinhabers ein Widerruf des anderen zugeht (LG Hannover v. 20.10.1971 – 1 O 1971, WM 1972, 638), s. auch oben Rn. 2.128 ff. 2 OLG Hamm v. 21.2.1990 – 8 U 107/89, WM 1991, 130 = WuB I A Nr. 2 AGB-Banken 1.91 – Bales. 3 RFH v. 8.1./18.3.1937 – III A 163/36 U-W, Bank-Archiv 1936/37, 393; Hansen, Die Rechtsnatur von Gemeinschaftskonto und Depot, 1967, S. 138. 4 Opitz, Depotgesetz, 2. Aufl. 1955, § 68 Anm. 19. 5 Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz, 1975, § 6 Rn. 64, 65; Opitz, Depotgesetz, 2. Aufl. 1955, § 68 Anm. 25. 6 OLG Nürnberg v. 24.11.1960 – 2 U 158/60, NJW 1961, 510; BVerwG v. 26.9.1958 – IV C 160.56, WM 1958, 1510.

Büchel | 403

2.226

Zweiter Teil Rz. 2.226 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

vertrag haben, darf die Bank bei Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Depotinhabers nur noch dessen Insolvenzverwalter gemeinsam mit dem anderen Depotinhaber über die Wertpapiere verfügen lassen. Übergibt die Bank in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung die Wertpapiere an die Depotinhaber, so wird sie von ihrer Verpflichtung aus dem Depotvertrag nur nach Maßgabe von § 82 InsO auch mit Wirkung gegenüber der Insolvenzmasse befreit. dd) Sonstige Depotformen

2.227

Für die übrigen Depotformen wie Treuhanddepots, Anderdepots, Sonderdepots, Sperrdepots und Depots zugunsten Dritter kann auf die Ausführungen zu den entsprechenden Kontoformen verwiesen werden, da sich für die Frage der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters keine Abweichungen ergeben.

15. Neue Bankverträge mit natürlichen Personen als Schuldner 2.228

Die Insolvenzeröffnung hindert den Kunden nicht, neue Bankverträge abzuschließen. Denn seine Verpflichtungs- und Geschäftsfähigkeit geht nicht verloren; als natürliche Person ist er nicht gehindert, durch Abschluss von Verträgen neue vermögensrechtliche Verpflichtungen zu begründen1. Gläubiger aus solchen Geschäften können sich aber nicht an die Insolvenzmasse halten, sondern sind auf etwa entstehendes neues, von § 35 InsO nicht erfasstes oder vom Insolvenzverwalter freigegebenes Vermögen verwiesen2.

2.229

Der Schuldner kann z.B. auch ein neues Konto einrichten. Die Freigabe des bisherigen Kontos durch den Insolvenzverwalter führt noch nicht zur Fortsetzung dieses Kontos. Denn der Girovertrag ist durch die Verfahrenseröffnung erloschen und lebt durch die einseitige Erklärung des Insolvenzverwalters nicht wieder auf. Vielmehr bedarf es eines neuen Vertragsabschlusses, zu dem die Bank nicht gezwungen ist3. Die Folgen einer solchen Kontoeröffnung sind unterschiedlich je nachdem, ob das Konto und etwaige Guthaben zur Insolvenzmasse gehören oder freies Vermögen des Kontoinhabers darstellen. a) Konto für unpfändbare Werte

2.230

Auch ein insolventer Schuldner benötigt ein Konto, auf das beispielsweise der pfändungsfreie Teil seines Gehalts (§ 36 Abs. 1 InsO) aus einem etwaigen neuen Arbeitsverhältnis oder der ihm etwa aus der Masse bewilligte Unterhalt (§ 100 Abs. 1 InsO) gezahlt wird und über das seine persönlichen Geschäfte wie Miete, Telefon, Versicherungen laufen. Dies kann, muss aber nicht als Pfändungsschutzkonto ausgestaltet sein. Die Bank muss darauf achten, dass auf diesem neuen Konto keine massezugehörigen Werte eingehen. Da sie dies aber nicht ohne Weiteres beurteilen kann, empfiehlt es sich für die Bank, das Konto nur zu eröffnen, wenn ihr der Insolvenzverwalter bestätigt, dass er das Konto und alle Guthaben aus der Masse freigibt.

1 OLG Celle v. 20.11.2002 – 7 U 63/02, ZInsO 2003, 128; LG Erfurt v. 30.10.2002 – 3 O 2992/01, ZIP 2002, 2325 = InVo 2003, 147. 2 OLG Celle v. 20.11.2002 – 7 U 63/02, ZInsO 2003, 128; OLG Celle v. 7.1.2003 – 16 U 156/02, NZI 2003, 201; zum Pfändungsschutzkonto s. Rn. 2.184. 3 Zum Streit um das „Girokonto für jedermann“ s. Rn. 2.297a.

404 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.231b Zweiter Teil

b) Konto mit massezugehörigen Werten Nicht immer bemerkt die Bank bei einer Kontoeröffnung, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen ihres neuen Kunden anhängig ist. Dann kann es geschehen, dass auf das Konto neben unpfändbaren Geldern wie dem pfändungsfreien Teil seines Gehalts (§ 36 Abs. 1 InsO) auch massezugehörige Werte gelangen und die Bank diese dem Kontoinhaber auszahlt. Durch diese Zahlung kann die Bank von ihrer Schuld gegenüber dem Kontoinhaber nach Maßgabe des § 82 InsO befreit werden1. Für die Anwendung der Schutzvorschrift des § 82 InsO ist es ohne Bedeutung, ob die Gelder vor oder nach Verfahrenseröffnung bei der Bank eingegangen sind und ob das Guthaben, aus dem die Bank geleistet hat, schon bei Verfahrenseröffnung vorhanden war oder ob es erst durch Zahlungseingänge nach Verfahrenseröffnung entstanden ist2.

2.231

Um in den Genuss der Schutzvorschrift des § 82 InsO zu kommen, muss die Bank beweisen, dass sie von der Verfahrenseröffnung keine Kenntnis hatte. Nach Ablauf des zweiten Tages seit der Veröffentlichung im Internet gilt die Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung zwar als bewirkt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 InsO), dies schließt jedoch den Beweis der Unkenntnis nicht aus3; § 82 InsO stellt insoweit eine vorrangige Sonderregelung dar4. Die fahrlässige Unkenntnis, das sog. Kennenmüssen, steht der Kenntnis nicht gleich5. Die Bank ist nicht verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen zu schaffen, die im Internet zugänglichen Informationen über eine Verfahrenseröffnung aufzunehmen und weiterzuverarbeiten6. Bei einer Kontoeröffnung erkundigen sich Banken grundsätzlich bei der Schufa nach den wirtschaftlichen Verhältnissen ihres angehenden Kunden und erfahren bei dieser Gelegenheit auch von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Allerdings sehen viele Banken von der (kostenpflichtigen) Schufa-Abfrage bei Eröffnung ab, wenn der Kunde lediglich ein Basiskonto eröffnen will7, da sie dazu auch dann gesetzlich verpflichtet sind, wenn sie dies aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse gern abgelehnt hätten. Ein Insolvenzverwalter wird deshalb prüfen, ob die Bank daraufhin die Auskunft eingezogen hat.

2.231a

Wenn die Bank aber einmal positive Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben hat, entfällt diese nicht schon durch Zeitablauf8. Wenn also ein Kunde längere Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wieder erscheint und beispielsweise ein neues Konto einrichten möchte, muss sie sich vergewissern, dass das Insolvenzverfahren inzwischen aufgehoben ist oder dass auf das Konto nur unpfändbare Werte gelangen. Eine zeitlich unbeschränkte Aufbewahrung der entsprechenden Informationen kann man der Bank allerdings

2.231b

1 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92; OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/06, ZInsO 2006, 884; für den insoweit übereinstimmenden § 8 KO: Jaeger/Henckel, KO, 4. Aufl. 1977, § 8 Rn. 28; Kübler BB 1976, 804; Liesecke WM 1975, 300; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 114; s. auch unten Rn. 3.61. 2 OLG Dresden v. 8.8.2007 – 13 U 476/07, ZInsO 2008, 509 mit Anm. Wittmann ZInsO 2008, 1010; a.A. Schäfer ZInsO 2008, 16. 3 OLG Schleswig v. 21.6.2002 – 1 U 208/01, DZWIR 2002, 514; OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/ 06, ZIP 2006, 1684 = ZInsO 2006, 884. 4 Hess, InsO, 2001, § 82 Rn. 20. 5 LG München v. 2.12.1986 – 32 S 11420/86, WM 1987, 222; OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/06, ZInsO 2006, 884; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 13. 6 BGH v. 15.4.2010 – IX ZR 62/09, ZIP 2010, 935. 7 Messing InsbürO 2020, 324. 8 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 642/12, ZIP 2014, 692 = ZInsO 2014, 552.

Büchel | 405

Zweiter Teil Rz. 2.231b | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

nicht zumuten. Vielmehr wird man sich hier an der allgemeinen Verjährungsfrist von 3 Jahren orientieren können. c) Konto mit vollständiger Freigabe

2.231c

Wenn es sich bei dem Insolvenzschuldner um einen Selbständigen handelt oder er eine selbständige Tätigkeit aufnehmen möchte, muss sich der Insolvenzverwalter entscheiden, ob Vermögen aus dieser Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehören soll, was zur Folge hätte, dass auch die Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können (§ 35 Abs. 2 InsO)1, oder ob er, um das Entstehen von Masseschulden aus der fortdauernden selbständigen Tätigkeit des Schuldners zu verhindern, diese Tätigkeit und damit auch den daraus resultierenden Neuerwerb freigibt2. Diese Freigabeerklärung hat sich auf das Vermögen und die Verbindlichkeiten zu beschränken, die nach der Verfahrenseröffnung angefallen sind3.

2.231d

Dazu gehört auch die Freigabe eines Kontos, sodass der Schuldner nicht gezwungen ist, es als Pfändungsschutzkonto zu führen. Die uneingeschränkte Freigabe eines Kontos hat die Entlassung der gesamten vertraglichen Rechtsbeziehung, die mit dem Begriff Konto im konkreten Fall verbunden ist, aus dem Insolvenzbeschlag mit konstitutiver Wirkung zur Folge. Sie beendet die durch den Eröffnungsbeschluss bewirkte öffentlich-rechtliche Verstrickung. Damit verzichtet der Insolvenzverwalter auch auf den Insolvenzbeschlag der künftigen Gutschriften4. Eine solche Freigabe muss sich die Bank nachweisen lassen. Dabei muss sie die Reichweite der Freigabe überprüfen, die das Konto einschließlich der Umsätze seit Eröffnung des Verfahrens einschließen muss, da das fortgesetzte oder neu eröffnete Konto – unabhängig davon, ob die Zahlungseingänge die freigegebene Tätigkeit betreffen – grundsätzlich als Neuerwerb in die Masse fällt5. Im Zweifel sollte die Bank beim Verwalter Rücksprache halten, bevor sie den Schuldner wieder frei über das Konto verfügen lässt. Darüber hinaus ist sie aber nicht verpflichtet zu untersuchen, ob und inwieweit der Insolvenzverwalter zu dieser Freigabe berechtigt war. Die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos wird erst dann wieder notwendig, wenn der Schuldner aus seiner freigegebenen Tätigkeit abermals Schulden anhäuft, denn durch §§ 89, 294 InsO werden Pfändungen von Neugläubigern nicht verhindert.

16. Neue Bankverträge mit dem Insolvenzverwalter 2.232

Für die Anlage der Gelder aus der Fortführung des Unternehmens und aus der Verwertung der Insolvenzmasse benötigt der Insolvenzverwalter eine Bankverbindung. Wenn er das bestehende Konto fortführen will, muss er einen neuen Vertrag mit der Bank abschließen, da der

1 Zur praktischen Umsetzung s. Grote ZInsO 2011, 1489; Haarmeyer ZInsO 2007, 696; Peters WM 2012, 1067; Berger ZInsO 2008, 1101; Wipperfürth ZInsO 2020, 1359; Wischemeyer ZInsO 2009, 2121; zu steuerlichen Folgen s. BFH v. 16.4.2015 – III R 21/11, ZIP 2015, 1935; BFH v. 16.7.2015 – III R 32/13, ZInsO 2016, 100. 2 Zur Freigabe als „kleine“ übertragende Sanierung s. Wischemeyer ZInsO 2009, 937; Ehlers FS Haarmeyer, 2013, 15; zur Freigabe von Dauerschuldverhältnissen nach § 108 InsO s. Ries ZInsO 2009, 2030. 3 Schmidt/Lambertz ZInsO 2007, 1246; Smid DZWIR 2008, 133; zu den Grenzen des Pfändungsschutzes BGH v. 25.1.2018 – IX ZA 19/17, ZIP 2018, 543 = ZInsO 2018, 671; Überblick über dann mögliche Zweitinsolvenzverfahren s. Schmerbach ZInsO 2009, 2078; zu den steuerlichen Folgen s. FG München v. 29.5.2008 – 14 K 4598/06, ZInsO 2008, 1025. 4 OLG Hamm v. 16.1.2017 – 31 U 226/15, ZInsO 2018, 725. 5 BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 10, 12.

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A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.234a Zweiter Teil

Girovertrag zunächst einmal mit Verfahrenseröffnung erloschen ist1. Zwischen der Beendigung des bisherigen und dem Abschluss des neuen Vertrages kann eine gewisse Zeit vergehen, in der der Kunde vom Zahlungsverkehr abgeschnitten ist und die Bank für ihn beispielsweise keine Zahlungseingänge mehr entgegennimmt. Um diese Lücke zu vermeiden, kann schon der vorläufige Verwalter die Fortsetzung des Girovertrages mit der Bank vereinbaren, wenn er mit einem Verfügungsverbot ausgestattet oder vom Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO zu solchen Geschäften besonders ermächtigt ist2. Sowohl bei der Auswahl der Bank als auch bei Verfügungen über das Konto und in der Wahl der Kontoform und Anlageart kann der Verwalter Beschränkungen unterliegen.

2.232a

a) Auswahl der Hinterlegungsstelle Der Gläubigerausschuss kann bestimmen, welche Bank Hinterlegungsstelle3 sein soll, und dem Insolvenzverwalter Vorgaben für den Ort und die Art der Anlage von Massegegenständen (Geldern, Wertpapieren, Kostbarkeiten) machen (§ 149 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ist kein Gläubigerausschuss eingesetzt oder hat er noch nicht entschieden, kann das Insolvenzgericht eine entsprechende Anordnung treffen (§ 149 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dabei wird oftmals die Hausbank des Schuldners gewählt. Die Gläubigerversammlung hat diesbezüglich das Recht, jede zuvor getroffene Bestimmung zu ändern (§ 149 Abs. 2 InsO)4, während umgekehrt der Gläubigerausschuss eine Bestimmung der Gläubigerversammlung nicht mehr abändern kann5. Bevor entsprechende Weisungen ergangen sind, ist der Verwalter gewissermaßen „im ersten Zugriff“ verpflichtet, jedenfalls für eine zinsgünstige Anlage der Gelder zu sorgen6.

2.233

Ihre Entscheidung über die Hinterlegungsstelle muss die Gläubigerversammlung durch einen förmlichen Beschluss nach § 149 Abs. 2 InsO fassen7. Dafür reicht es nicht, dass die Gläubigerversammlung lediglich zur Kenntnis nimmt, dass der Insolvenzverwalter eine Hinterlegungsstelle eingerichtet hat, oder dass sich dem Protokoll über die Gläubigerversammlung ein Wille entnehmen lässt, ein Konto als Hinterlegungsstelle zu bestimmen8. Es ist dann Aufgabe des Insolvenzverwalters, die Bank zu unterrichten, dass sie zur Hinterlegungsstelle ernannt worden ist; von Amts wegen braucht sie über ihre Ernennung nicht unterrichtet zu werden9.

2.234

Bei der Auswahl der Hinterlegungsstelle haben der Gläubigerausschuss und die Gläubigerversammlung freie Hand10. Es ist aber erforderlich, dass die Hinterlegungsstelle hinsichtlich der Sicherheit und Verzinsung den vernünftigerweise zu stellenden Anforderungen genügt. Als Hinterlegungsstelle kommen vorzugsweise, aber nicht ausschließlich mündelsichere Kredit-

2.234a

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 803; s. auch Rn. 2.105. Bitter FS K. Schmidt 2019, 99 (106). Es handelt sich nicht um eine Hinterlegung gemäß §§ 372 ff. BGB. Einschränkend hinsichtlich der betroffenen Vermögensgegenstände Kießling NZI 2006, 464. BGH v. 9.10.2014 – IX ZR 140/11, ZIP 2014, 2242 mit Anm. Ampferl/Kilper ZIP 2015, 553; Wilhelm V./Oppermann/Chérestal ZInsO 2014, 2562; Kühne NZI 2015, 172; Jaffé in MünchKomm/ InsO, 4. Aufl. 2019, § 149 Rn. 10. KG v. 18.6.2002 – 7 U 96/01, NZI 2002, 497. BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845; KG v.19.12.2018 – 22 W 85/18, ZIP 2019, 176 = BB 2019, 530. BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 13. A.A. Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 149 Rn. 19 geht von einer Wirkung kraft Gesetz aus; RG v. 5.2.1934 – VI 383/33, RGZ 143, 267. AV RJM v. 30.11.1935 = JW 1936, 87.

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Zweiter Teil Rz. 2.234a | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

institute, also öffentliche Sparkassen, die von der Landesbehörde für mündelsicher erklärt worden sind, und Kreditinstitute, die einer „ausreichenden Sicherungseinrichtung“ angehören, in Betracht (§ 1807 Abs. 1 Nr. 5 BGB). Dabei reicht es – wenn die Anlage höherer Beträge zu erwarten ist – nicht aus, dass für die Bank lediglich der gesetzliche Mindestschutz nach §§ 7, 8 EinSiG eingreift, vielmehr ist ihre Mitgliedschaft in einer freiwilligen Einrichtung wie dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken mit seinem weitaus höheren Einstandsrahmen notwendig1. Im Allgemeinen wird die Hausbank des Schuldners gewählt, weil diese mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners am besten vertraut ist.

2.235

Der Insolvenzverwalter darf die Guthaben vom Konto des Insolvenzschuldners oder von seinem offenen Treuhandkonto nicht auf eine andere Bank übertragen, etwa mit der Begründung besserer Konditionen2. Der Insolvenzverwalter kann nicht die Hinterlegungsstelle bestimmen, so dass er auch nicht befugt ist, die Hinterlegungsstelle zu wechseln3. Ihm steht es allerdings frei, einen entsprechenden Wechsel beim Gläubigerausschuss bzw. bei der Gläubigerversammlung anzuregen, so dass nach entsprechendem Beschluss die alte Hinterlegungsstelle nicht länger am Übertrag gehindert ist. Nur im Fall einer wirtschaftlichen Krise der Bank ist der Verwalter zum sofortigen Wechsel befugt4. Die Bank als Hinterlegungsstelle kann die Ausführung dieses Auftrags nicht verweigern, ist aber berechtigt, den Gläubigerausschuss oder das Insolvenzgericht zu informieren. b) Überwachungspflichten der Hinterlegungsstelle

2.236

Einer Bank, die zur Hinterlegungsstelle bestimmt worden ist, obliegen keine besonderen Pflichten zum Schutz der Insolvenzmasse5. Sie muss also nicht darauf achten, ob sich der Insolvenzverwalter bei seinen Verfügungen im Rahmen seines Aufgabenbereichs bewegt, und hat sich auch nicht zu vergewissern, ob der Insolvenzverwalter eine etwa nach § 160 InsO notwendige Genehmigung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung eingeholt hat. Vielmehr richten sich die Rechtsstellung der Hinterlegungsstelle und die sie treffenden Pflichten grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften.

2.237

Allerdings obliegt einem Kreditinstitut grundsätzlich eine Warnpflicht gegenüber dem Berechtigten aus dem Konto, wenn auf Grund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist, dass sein Vertreter unter Ausnutzung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in einer dem Missbrauch der Vertretungsmacht vergleichbaren Weise seine Vermögenswerte veruntreuen will6.

2.238

Eine solche Warnpflicht entsteht, wenn ein bei einem Kreditinstitut geführtes Insolvenz-Sonderkonto für die Bank erkennbar dazu dient, in der Art einer Hinterlegungsstelle zugunsten der verwalteten Masse eingehende Gelder zu sammeln, wenn der Zahlungsauftrag des Insol1 BGH v. 21.12.2005 – III ZR 9/05, ZInsO 2006, 90; ähnlich für Notare BGH v. 8.12.2005 – III ZR 324/04, ZIP 2006, 275. 2 BGH v. 21.3.2013 – IX ZR 109/10, ZIP 2013, 1235 = ZInsO 2013, 986. 3 BGH v. 9.10.2014 – IX ZR 140/11, ZIP 2014, 2242 mit Anm. Ampferl/Kilper ZIP 2015, 553; Wilhelm V./Oppermann/Chérestal ZInsO 2014, 2562; Kühne NZI 2015, 172; vgl. auch LG Freiburg v. 13.7.1983 – 9 T 37/81, ZIP 1983, 1098; a.A. Kirchhof FS Runkel, 2009, 149, der die Hinterlegungsstelle nur für verpflichtet hält, das Gericht über den Wechsel zu informieren. 4 Kirchhof FS Runkel, 2009, 149. 5 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 14, 17. 6 BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 15 = ZIP 2008, 1222; BGH v. 22.6.2010 – VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 Rn. 18 = ZIP 2010, 1433; BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 23; KG v.19.12.2018 – 22 W 85/18, ZIP 2019, 176 = BB 2019, 530.

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A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.243 Zweiter Teil

venzverwalters für das Konto objektiv evident insolvenzzweckwidrig ist1 und sich der Bank aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne Weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen müssen2. Dies ist typischerweise der Fall, wenn der Insolvenzverwalter zu seinen Gunsten über nahezu das gesamte Guthaben auf einem der Bank erkennbar in der Art einer Hinterlegungsstelle geführten Insolvenz-Sonderkonto verfügt, ohne dass hierfür triftige Gründe nachvollziehbar genannt werden3. Ein solcher Fall kann beispielsweise vorliegen, wenn die Bank erkennt, dass der Insolvenzverwalter Massevermögen von dem Treuhand- oder Anderkonto abzieht und auf sein Privatkonto überträgt, um eine dort bestehende Überziehung auszugleichen. Insofern muss der Bank also grobe Fahrlässigkeit vorwerfbar sein4.

2.239

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Insolvenzschuldner Kontoinhaber ist oder ob das Konto auf den Insolvenzverwalter in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes lautet. Anders wäre es nur, wenn es sich um ein Treuhandkonto oder Anderkonto des Verwalters handelt5. Selbst wenn der Bank bei einem offenen Treuhandkonto Anhaltspunkte für einen Missbrauch von Kontoguthaben durch den Kontoinhaber vorliegen, löst das keine automatische Nachforschungspflicht für die Bank aus. Sie braucht sich zunächst nur nach den Weisungen des Kontoinhabers aus dem zugrunde liegenden Kontovertrag zu richten6. Die Verwendung von Treuhand- oder Anderkonten zur Verwaltung der Insolvenzmasse hat die Rechtsprechung aber inzwischen untersagt7.

2.240

Ihre Warnung kann die Bank an das Insolvenzgericht oder – sofern vorhanden und der Bank bekannt – den Gläubigerausschuss richten.

2.241

c) Fortführung des Firmenkontos Der Insolvenzverwalter kann das Konto für das insolvente Unternehmen als Firmenkonto führen; die Zeichnungsberechtigung steht grundsätzlich ihm allein zu. Von der Firma erteilte Vollmachten erlöschen (§ 117 InsO), der Insolvenzverwalter kann aber Kontovollmachten z.B. an seine Mitarbeiter erteilen. Im Fall seiner Ablösung durch einen neuen Verwalter bleibt das Konto bestehen. Eine Übertragung ist nicht erforderlich, es ändert sich lediglich die Verfügungsbefugnis.

2.242

Der Insolvenzverwalter wird wegen der zu erwartenden Zahlungseingänge Wert darauf legen, dass das Konto zumindest zeitweise noch unter derselben Kontonummer weitergeführt wird. Er kann zwar das Kontokorrent nicht fortsetzen8, ihm steht es jedoch frei, einen neuen

2.243

1 BGH v. 20.3.2014 – IX ZR 80/13, ZInsO 2014, 1009; BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZInsO 2002, 577; OLG Celle v. 14.6.2006 – 3 U 20/06, ZIP 2006, 1364; zur Definition der Insolvenzzweckwidrigkeit s. Klinck KTS 2019, 1. 2 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 25. 3 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 25; Kuder, ZInsO 2009, 584, 589. 4 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093 = ZInsO 2002, 577; OLG Dresden v. 8.1.2009 – 13 W 0995/08, nicht veröffentlicht. 5 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 24. 6 Vgl. LG Osnabrück v. 12.12.2006 – 18 O 732/05, WM 2007, 212. 7 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 29, 31. 8 Demgegenüber nimmt Kießling (NZI 2006, 440) an, dass der Girovertrag nicht nach §§ 116, 115 InsO erlischt, sondern stets nach § 103 InsO zunächst fortbesteht.

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Zweiter Teil Rz. 2.243 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Giro- und Kontokorrentvertrag mit der Bank abzuschließen. Auch wenn der Insolvenzverwalter das Konto des Gemeinschuldners ohne zusätzliche Vereinbarung weiterführt, so stellt dies regelmäßig den Abschluss eines neuen Girovertrages durch schlüssiges Verhalten dar1. Allerdings setzt die konkludente Fortführung ein entsprechendes Bewusstsein für die Annahme des (konkludenten) Angebots auf Vertragsfortführung voraus, weshalb die Bank zumindest Kenntnis vom Insolvenzverfahren haben muss, was bei der Fortführung mit dem Insolvenzverwalter regelmäßig gegeben sein wird. Problematisch sind dagegen Fälle, in denen der Schuldner das Konto in Unkenntnis der Bank von dessen Insolvenz weiter nutzt, selbst wenn der Verwalter Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners später aus der Masse freigibt2. Das Konto wird von den Banken in der Regel mit dem Zusatz „i.I.“ versehen.

2.244

Der Insolvenzverwalter kann die Gelder des Schuldners als Termingelder anlegen, soweit er sie nicht für eine Abschlagsverteilung (§ 187 InsO) benötigt. Auch ist eine Anlage auf Sparkonten zulässig, aber meist nicht zweckmäßig.

2.244a

Im Fall der (vorläufigen) Eigenverwaltung müssen durch den Schuldner grundsätzlich keine neuen Konten für Eröffnungs- oder Insolvenzverfahren eingerichtet werden, weil die vorhandenen Konten zur (künftigen) Insolvenzmasse gehören und daher genügen3. d) Konto auf den Namen des Verwalters

2.245

In der Praxis sind fortgeführte oder neu eröffnete Konten auf den Namen des Insolvenzschuldners vor allem nach Verfahrenseröffnung eher die Ausnahme4. Das Guthaben auf derartigen Konten ist der Insolvenzmasse zuzuordnen, so dass Massegläubiger in dieses Guthaben Zwangsvollstreckungen bewirken könnten.

2.246

Um die Gefahr auszuschließen, dass ein Massegläubiger in das Insolvenzkonto pfändet, haben Insolvenzverwalter Konten auf ihren eigenen Namen bevorzugt, auf die sie dann die Gelder aus der Fortführung des Unternehmens und aus der Verwertung der Insolvenzmasse eingezogen und angelegt hatten. Diese wurden dann als Treuhandkonten oder Anderkonten geführt. Damit war die Insolvenzmasse als Treugeberin gegen Pfändungen von Gläubigern des Insolvenzverwalters in dessen Treuhandkonto geschützt. Das Treugut wird als zum Vermögen des Treugebers gehörend betrachtet, so dass dem Treugeber bei der Einzelzwangsvollstreckung die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO zusteht5. Gläubiger des Treugebers können ebenfalls nicht in das Treuhandkonto vollstrecken, auch wenn ein entsprechendes Guthaben dem Treugeber wirtschaftlich zuzuordnen ist. Hierzu bedürfte es vielmehr der Pfändung des Herausgabeanspruchs des Treugebers gegen den Treuhänder selbst6.

2.247

Ob ein Insolvenzverwalter für die Gelder der Insolvenzmasse ein auf seinen Namen lautendes Treuhand- oder Anderkonto, mithin ein Vollrechtstreuhandkonto, aus dem ausschließlich der 1 BGH v. 13.11.1990 – XI ZR 217/89, WM 1991, 60; OLG Stuttgart v. 30.12.1993 – 2 U 78/93, WM 1994, 1140; Hellner Bank-Betrieb 1962, 92; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 495; Saager/d’Avoine/Berg ZIP 2019, 2041. 2 BGH v 16.9.2021 – IX ZR 213/20, ZIP 2021, 2242. 3 Wischemeyer/Dimassi ZIP 2020, 1210. 4 Übersicht über die gebräuchlichen Varianten s. Büttner ZInsO 2012, 2309. 5 BGH v. 7.4.1959 – VIII ZR 219/57, WM 1959, 686; s. auch Obermüller DB 1983, 1833; Obermüller WuB VI B – § 43 KO – 1.93 zu BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, ZIP 1993, 213 = WM 1993, 83. 6 Stöber/Rellemeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl. 2020, A.542.

410 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.249 Zweiter Teil

Insolvenzverwalter persönlich der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet ist, verwenden darf, oder ob er ein Konto einrichten muss, das die Masse selbst als materiell berechtigt ausweist und er als Ermächtigungstreuhänder lediglich über das Vermögen des Treugebers verfügungsberechtigt ist1, ist in der Literatur umstritten2. In die Diskussion um die richtige Kontoform3 hat der BGH4 inzwischen eingegriffen und entschieden, dass die Einrichtung eines Anderkontos zur Masseverwaltung unzulässig sein soll, weil es sich dabei um ein Vollrechtstreuhandkonto handelt, das nicht die Masse selbst als materiell berechtigt ausweist, sondern aus dem ausschließlich der das Konto eröffnende Rechtsanwalt persönlich der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet ist. Aus demselben Grund ist dann auch ein Treuhandkonto unzulässig5.

2.248

aa) Insolvenz-Sonderkonto als zulässige Kontoform Zur Verwaltung der Masse im eröffneten Verfahren hält der BGH dagegen nur ein InsolvenzSonderkonto6 für zulässig. Als Sonderkonto bezeichnet der BGH7 ein Konto, bei dem die Verfügungsmacht einem anderen als dem Rechtsträger zusteht. Unabhängig davon, ob das Sonderkonto ausdrücklich auf den Namen des Schuldners oder auf den Namen des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes für eine bestimmte Insolvenzmasse lautet, ist ein solches Sonderkonto nach Insolvenzeröffnung stets Bestandteil der Insolvenzmasse8. Es besteht keine Kontobeziehung mit dem jeweiligen Insolvenzverwalter persönlich, weil dessen Guthaben vermögensrechtlich der Masse zuzuordnen ist, während die Verfügungsbefugnis dem Verwalter als Ermächtigungstreuhänder (§§ 80, 148 InsO) zukommt9. Damit sieht der BGH zwei grundsätzliche Sonderkonto-Arten – das Insolvenz-Sonderkonto auf den Namen des Schuldners („Typ 1“) oder auf den Namen des Insolvenzverwalters („Typ 2“). Bei beiden Typen ist unab-

1 Zur Abgrenzung zwischen Vollrechtstreuhand und Ermächtigungstreuhand s. Fischbeck in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2014/108. Lfg., Rn. 2/243 ff.; Saager/d’Avoine/Berg ZIP 2019, 2041. 2 Gegen Anderkonto: Eckardt in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2016, § 149 Rn. 53; Depré in HKInsO, 11. Aufl. 2023, § 149 Rn. 7; Wegener in FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 149 Rn. 7; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 149 Rn. 12 ff., 13c; Kirchhof FS Runkel, S. 149, 156 f.); für Anderkonto: Jaffé in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 149 Rn. 13 ff.; Nerlich/Römermann/Andres, InsO, 2009, § 149 Rn. 14 f.; Kießling in Blersch/Goetsch/Haas, Berliner Kommentar zur InsO, Stand 2007, § 149 Rn. 30, 39 f.; Kießling NZI 2006, 440, 441 ff.; Paulus WM 2008, 473, 474; für Treuhandkonto: Kuder ZInsO 2009, 583. 3 Nachweise s. Kuder ZInsO 2009, 583; Eckardt in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2016, § 149 Rn. 47 ff. 4 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 31 mit Anm. Wipperfürth ZInsO 2019, 845; ebenso schon KG v.19.12.2018 – 22 W 85/18, ZIP 2019, 176 = BB 2019, 530; OLG Köln v. 31.5.2006 – 13 U 97/05, nicht veröffentlicht; so wohl auch Paulus WM 2007, 2299; Ringstmeier FS Runkel, 2009, 187. 5 d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280; a.A. Kamm ZInsO 2019, 1085. 6 Welche Verwirrung der BGH damit bei den Insolvenzgerichten ausgelöst hat, zeigen Saager/ d’Avoine/Berg ZIP 2019, 2041. 7 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZInsO 2019, 845 Rn. 27 = mit Anm. Wipperfürth ZInsO 2019, 845; Ganter NZI 2019, 873; Kamm ZInsO 2019, 1085; Möhring ZInsO 2019, 2601; d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280. 8 BGH v. 19.5.1988 – III ZR 38/87, ZIP 1988, 1136, 1137; BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225 unter II. 2.; BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531 Rn. 10. 9 Eckardt in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2016, § 149 Rn. 47; Schulte-Kaubrügger ZIP 2011, 1400, 1402.

Büchel | 411

2.249

Zweiter Teil Rz. 2.249 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

hängig davon, wer den Vertrag unterschreibt, der Rechtsträger – also der Schuldner – Kontoinhaber, der Insolvenzverwalter nur ermächtigt, über die Konten zu verfügen1. Insofern unterscheiden sie sich von dem bisher banküblichen Sonderkonto, das als Eigenkonto des Insolvenzverwalters diesen selbst als Kontoinhaber auswies, ergänzt um einen Zusatz, der seine Stellung als Verwalter einer bestimmten Insolvenzmasse zum Ausdruck brachte2, und in dieser Form als (Vollrechts-)Treuhandkonto anzusehen war. Das Insolvenz-Sonderkonto Typ 1 entspricht dem fortgeführten oder neu eröffneten Firmenkonto, weshalb auf die Ausführungen dort verwiesen wird.

2.249a

Dass die Kontoform Typ 2 (Rn. 2.249) der Insolvenzmasse einen besseren Schutz vor der Gefahr einer Veruntreuung durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter bietet als ein offenes Vollrechtstreuhandkonto, ist stark zu bezweifeln: In beiden Fällen steht dem Insolvenzverwalter die alleinige Verwaltungs- und Verfügungsmacht zu; er hat also in beiden Fällen eine überschießende Rechtsmacht, die missbraucht werden könnte. Auch bei einem Vollrechtstreuhandkonto ist der (vorläufige) Insolvenzverwalter durch seine Pflichten als Amtswalter gebunden; denn diese sind gleichermaßen Inhalt dieses Treuhandverhältnisses. Er darf deshalb nicht anders über das Kontoguthaben verfügen als er dies auch bei einem InsolvenzSonderkonto dürfte3. Daraus lässt sich jedenfalls nicht in Umkehr der Schluss ziehen, dass allein die Verwendung eines Kontos, das ausschließlich die Masse als materiell Berechtigten ausweist, hinreichenden Schutz vor Missbrauch durch den ermächtigten Insolvenzverwalter bietet4.

2.249b

Zwar soll einer Bank grundsätzlich eine Warnpflicht obliegen, wenn auf Grund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist, dass der Verfügungsberechtigte unter Ausnutzung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs unter Missbrauch seiner Vertretungsmacht die Vermögenswerte veruntreuen will5. Ob die Rechtsprechung für eine Warnpflicht künftig strengere Maßstäbe anlegen wird, wenn es sich um ein Insolvenz-Sonderkonto der vom BGH gewünschten Art und nicht um ein Treuhand- oder Anderkonto nach bisherigem Usus handelt, bleibt abzuwarten. Unabhängig davon wiegt der Vorteil einer etwaigen schärferen Haftung der Kreditinstitute angesichts der geringen Anzahl von Veruntreuungen durch Insolvenzverwalter die Nachteile des Insolvenz-Sonderkontos nicht einmal annähernd auf. bb) Ausgestaltung des Insolvenz-Sonderkontos Typ 2

2.250

Welche Anforderungen an ein solches Insolvenz-Sonderkonto (Rn. 2.249) auf den Namen des Insolvenzverwalters zu stellen sind, hat der BGH offengelassen. Sie ergeben sich aber weitgehend aus dem Sinn und Zweck dieses Kontos.

2.251

So muss gewährleistet sein, dass die Bank auch hier – wie für das Anderkonto in dessen Bedingungen vorgesehen – auf ihr AGB-Pfandrecht gemäß Nr. 14 AGB Banken (Nr. 21 AGB Sparkassen), auf ihr Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB an dem Kontogutha1 d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280 (1283). 2 Eckardt in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2016, § 149 Rn. 47; BGH v. 19.5.1988 – III ZR 38/87, ZIP 1988, 1136, 1137. 3 Diskussionspapier des Bankenverbandes v. 30.8.2019 – ZInsO 2019, 2205. 4 Heerma/Rinck ZIP 2019, 2000. 5 BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 15 = ZIP 2008, 1222; BGH v. 22.6.2010 – VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 Rn. 18 = ZIP 2010, 1433; BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 23; KG v.19.12.2018 – 22 W 85/18, ZIP 2019, 176 = BB 2019, 530.

412 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.252 Zweiter Teil

ben wegen ihrer Forderungen gegen den Kontoinhaber sowie auf ihr Recht zur Aufrechnung mit ihren Forderungen gegen den Kontoinhaber (z.B. Kreditforderungen) gegen das Guthaben auf dem Sonderkonto verzichtet. Dagegen ist die Befugnis zur Erteilung von Vollmachten – anders als bei Anderkonten1 – nicht auf bestimmte Personen beschränkt. Auch der kaufmännische Angestellte des Insolvenzverwalters kann über ein Sonderkonto eine Vollmacht erhalten.

2.251a

Für die Regelung der Einzelheiten eines solchen Kontos kommt folgender Text in Betracht:

2.252

M 10 Zusatzvereinbarung zur Kontoeröffnung von Insolvenz-Sonderkonten Zusatzvereinbarung zur Kontoeröffnung von Insolvenz-Sonderkonten zwischen Herrn/Frau … [Name, Vornamen wie im Konto] … [Straße, Nr. – wie im Konto] … [PLZ, Ort – wie im Konto] – nachfolgend „Kunde“ genannt – und der A-Bank AG – nachfolgend „Bank“ genannt – – zusammen nachfolgend „Parteien“ genannt – zu dem folgenden Konto des Kunden bei der Bank mit folgender Kontostammnummer – nachfolgend „Konto“ genannt – Nr. … einschließlich sämtlicher gegenwärtiger und künftiger unter diesem Konto geführten Unterkonten – nachfolgend zusammen „Unterkonten“ oder einzeln „Unterkonto“ genannt – Präambel Der Kunde führt das Konto und die Unterkonten ausschließlich zum Zweck der Abwicklung von Insolvenzverfahren über die Vermögen Dritter (nachfolgend „Schuldner“ genannt), in denen er durch die jeweiligen Insolvenzgerichte zum Insolvenzverwalter bzw. im Eröffnungsverfahren zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmt worden ist. Jedes Unterkonto ist dabei jeweils nur einem Insolvenzverfahren und damit nur einem Schuldnervermögen zugeordnet. Ziel dieser Zusatzvereinbarung ist es, das Konto und die Unterkonten der Rechtsprechung des BGH entsprechend (siehe Urt. v. 07.02.2019 – IX ZR 47/18) als Insolvenz-Sonderkonten auf den Namen des Kunden als Insolvenzverwalter und Partei kraft Amtes zu führen, wobei der Kunde Ermächtigungs- und nicht Vollrechtstreuhänder bezüglich des Kontos und der Unterkonten ist.

1 Nach Nr. 7 der Anderkonto-Bedingungen für Rechtsanwälte der Kontoinhaber kann nur einem Rechtsanwalt, Notar, Notarassessor, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten Kontovollmacht erteilt werden.

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Zweiter Teil Rz. 2.252 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen 1. Kontoinhaberschaft 1.1. Die Parteien sind sich einig, dass der Kunde bei dem/n Konto/jeweiligen Unterkonten nicht Inhaber der verwahrten Vermögen, sondern jeweils nur Ermächtigungstreuhänder als Partei kraft Amtes ist. 1.2. Rechtsträger und damit jeweiliger Inhaber der Guthaben auf einem Unterkonto ist der jeweilige Schuldner, für den der Kunde das betreffende Unterkonto eröffnet hat. 1.3. Das jeweilige Unterkonto wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des betreffenden Schuldners Bestandteil der Insolvenzmasse bzw. ist Bestandteil der Insolvenzmasse, wenn es erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eröffnet wird. 2. Kontoführung 2.1. Sofern nichts anderes vereinbart ist, werden das Konto/die Unterkonten nur auf Guthabenbasis geführt. 2.2. Die jeweiligen Schuldner sind vorbehaltlich Ziffer 4.2. nicht berechtigt, über die sie betreffenden Unterkonten zu verfügen. 2.3. Der Kunde ist allein verfügungsberechtigt. Hiervon ausgenommen sind die Unterkonten, für die ein Mitzeichnungsrecht nach § 149 InsO angeordnet worden ist. 2.4. Der Kunde ist vor Beendigung des jeweiligen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des betreffenden Schuldners zur Abwicklung des Kontos/Unterkontos verpflichtet. Diese sind umgehend zu schließen und eventuell verbleibende Restguthaben zu transferieren. 2.5. Der Kunde ist berechtigt, für einzelne Unterkonten Vollmachten zu erteilen. Die Vollmachten erlöschen hinsichtlich jener Unterkonten, für die die Bank Kenntnis von einem Wechsel des (vorläufigen) Insolvenzverwalters in den Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldner erhält, für die die entsprechenden Unterkonten geführt werden. 2.6. Der Kunde darf die Unterkonten nur zum Zweck des jeweiligen Insolvenzverfahrens führen. Die Bank ist berechtigt, die Ausführung von Zahlungsaufträgen zu verweigern, wenn sie begründete Zweifel an der Insolvenzzweckmäßigkeit des Auftrags hat. Die Bank kann das Insolvenzgericht und/oder den Gläubigerausschuss informieren und die Ausführung von deren Zustimmung abhängig machen. Das gilt insbesondere bei Verfügungen zu eigenen Gunsten des Kunden, wenn hierfür keine triftigen Gründe für sie nachvollziehbar sind. 3. Bestand bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens Die Parteien sind sich einig, dass das Konto/die jeweiligen Unterkonten nicht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des jeweiligen Schuldners erlöschen, sondern zu den bisherigen Bedingungen, Vereinbarungen, Konditionen etc. unverändert fortgeführt werden. Im Zweifel stellt diese Vereinbarung den Neuabschluss zu den bisherigen Bedingungen, Vereinbarungen, Konditionen etc. dar. 4. Insolvenzverwalterwechsel und Beendigung seines Amtes 4.1. Im Falle der Anordnung des Wechsels des (vorläufigen) Insolvenzverwalters (Wechsel des Ermächtigungstreuhänders) verliert der Kunde die Befugnis, weiter über die betreffenden Unterkonten zu verfügen. Verfügungsbefugt ist dann nach Maßgabe der Ziffer 2 der neue Insolvenzverwalter. 4.2. Wird das Amt des Kunden als (vorläufiger) Insolvenzverwalter aus anderen Gründen beendet (z. B. bei Nichteröffnung des Verfahrens mangels Masse), verliert der Kunde die Befugnis, weiter über die betreffenden Unterkonten zu verfügen. Verfügungsbefugt ist dann der Schuldner, sofern nichts anderes bestimmt wird (z. B. durch gerichtliche Anordnung).

414 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.253 Zweiter Teil

4.3. Die Bank ist in den Fällen gem. Ziff. 4.1. und 4.2. berechtigt, ohne weitere Abstimmung neue Konto- und Unterkontonummern für den neuen Insolvenzverwalter bzw. Schuldner zu eröffnen, bestehende Guthaben dorthin jeweils zu übertragen und das Konto/die alten betroffenen Unterkonten zu schließen. 4.4. Für das neue Konto/die neuen Unterkonten gem. Ziffern 4.1. und 4.3. gelten die bisherigen Bedingungen, Vereinbarungen, Konditionen etc. für den neuen Insolvenzverwalter entsprechend fort. 5. Informationspflichten des Kunden Der Kunde ist verpflichtet, die Bank unverzüglich über alle für das Konto/die Unterkonten relevanten Sachverhalte zu informieren. Das gilt insbesondere für die Bestimmung zur Hinterlegungsstelle, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder deren Ablehnung mangels Masse, die Aufhebung des Insolvenzverfahrens und die Anordnung des Wechsels des Insolvenzverwalters. Entsprechende Beschlüsse des Insolvenzgerichts hat der Kunde unaufgefordert vorzulegen. 6. Annahme durch die Bank Die Annahme des Kontovertrages und dieser Zusatzvereinbarung durch die Bank erfolgt mit separater Erklärung (Bestätigung). 7. Salvatorische Klausel Sollte eine Bestimmung dieser Zusatzvereinbarung unwirksam sein, so berührt dies die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen der Zusatzvereinbarung nicht. Die unwirksame Bestimmung soll vielmehr durch eine Regelung ersetzt werden, die rechtlich zulässig ist und der ursprünglichen Bestimmung am nächsten kommt. … Datum, Unterschrift Kunde

cc) Kontoinhaberbezeichnung beim Insolvenz-Sonderkonto Typ 2 Wesentlich bei der Eröffnung eines (Insolvenz-)Sonderkontos ist, dass dessen Charakter nach außen klar erkennbar wird. In diesem Zusammenhang kommt der Kontoinhaberbezeichnung eine bedeutende Rolle zu1. Der Rechtsprechung müsste es genügen, wenn das Konto auf den Namen des Insolvenzverwalters in seiner Eigenschaft als Verwalter einer namentlich genannten Insolvenzmasse lautet, ergänzt um den Zusatz, ob es sich um den vorläufigen, mit einem Verfügungsverbot ausgestatteten oder den endgültigen Insolvenzverwalter handelt2. Allerdings ist die Bank bei der Entscheidung, wie in der Banktechnik das Datenfeld „Kontoinhaber“ ausgefüllt wird, nicht frei. Denn für das sog. Kontoabrufverfahren hat das Kreditinstitut u.a. den Namen des Kontoinhabers zu speichern (§ 24c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KWG) und zum Abruf durch die BaFin bereitzuhalten. Daher soll das Feld „Kontoinhaber“ nur den Namen des Insolvenzverwalters enthalten. Der Zusatz „in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners Y“, ist ausschließlich in ein für Zusatzbezeichnungen zum Konto vorgesehenes Feld einzutragen3.

1 Vgl. BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 15/95, ZIP 1996, 271. 2 Z.B. „Max Mustermann, vorl. Insolvenzverwalter der ABC GmbH“ oder „Max Mustermann, Insolvenzverwalter der ABC GmbH i.I.“. 3 Saager/d’Avoine/Berg ZIP 2019, 2041.

Büchel | 415

2.253

Zweiter Teil Rz. 2.254 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

dd) Vertragsbedingungen eines Insolvenz-Sonderkontos Typ 2

2.254

Standardisierte Bedingungen für Konten dieser Art sind zurzeit noch nicht verfügbar, da die Kreditwirtschaft ebenso wie die Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte von der Entscheidung des BGH überrascht wurde. Eine ausdrückliche Vereinbarung ist aber auch nicht zwingend erforderlich, wenn auch eine entsprechende Vereinbarung (s. als Beispiel Rn. 2.252) zu empfehlen ist, um den Besonderheiten abweichend zum sonst üblichen Einzelkonto besser Rechnung zu tragen. Denn mit der Eröffnung eines derart bezeichneten Kontos ist offenkundig, dass auf das Konto nur Werte gelangen sollen, die dem Verwalter als Kontoinhaber treuhänderisch zustehen und von ihm auch nur in dieser Weise zu verwalten sind. Damit gelten auch für ein solches Konto vergleichbare Regelungen wie für ein offenes Treuhandkonto, das auch ohne ausdrückliche Vereinbarung nach ständiger Rechtsprechung des BGH1 entsprechende Privilegien wie ein Anderkonto genießt: Das in Nr. 14 AGB Banken (Nr. 21 AGB Sparkassen) vereinbarte Pfandrecht am Kontoguthaben für Ansprüche der Bank gegen den Insolvenzverwalter wird mit der Kontoeröffnung konkludent abbedungen2. Ebenso wird vertraglich vereinbart, dass die Bank ihr Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht aufgrund von Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter nicht geltend machen kann3. Ihr AGB-Pfandrecht sowie ihr Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht stehen der Bank nur in Anbetracht von Forderungen zu, die im Zusammenhang mit Vorgängen auf dem Insolvenz-Sonderkonto entstanden sind. ee) Pfändungen in das Sonderkonto Typ 2

2.254a

Ein wesentlicher Nachteil des Insolvenz-Sonderkontos gegenüber den früher gebräuchlichen Treuhandkonten ist dessen schnelle Blockade durch Pfändungen bzw. die öffentlich-rechtliche Verstrickung4. Das Guthaben auf derartigen Konten ist der Insolvenzmasse zuzuordnen, so dass Massegläubiger in dieses Guthaben Zwangsvollstreckungen bewirken könnten. § 89 InsO untersagt die Zwangsvollstreckung nur den Insolvenzgläubigern, nicht aber den Massegläubigern5. Letzteren ist die Zwangsvollstreckung erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit verboten. Aber auch Pfändungen von anderen (Insolvenz-)Gläubigern können noch zugestellt werden. Selbst wenn dies unzulässig war, entsteht zumindest die öffentlich-rechtliche Verstrickung6. Die Bank ist berechtigt, bis zur formellen Aufhebung oder Aussetzung eine Leistung an den Insolvenzverwalter zu verweigern7.

2.254b

Zwar müssen auch Massegläubiger für eine Pfändung den Bestimmtheitsgrundsatz8 beachten. Aber durch die vorgegebene Verwendung der amtlichen Pfändungsformularen nach 1 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 894; BGH v. 1.7.1993 – IX ZR 251/92, ZIP 1993, 1185. 2 Mackenthun, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2016/124. Lfg., Rn. 1/407; BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 894. 3 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 894; BGH v. 1.7.1993 – IX ZR 251/92, ZIP 1993, 1185; BGH v. 21.1.1999 – I ZR 209/96, NJW-RR 1999, 1992. 4 Umfassend zur Pfändung von Insolvenz-Sonderkonten Büchel ZinsO 2020, 1513. 5 Eckardt in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2014, § 89 Rn. 16. 6 Breuer/Flöther in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 89 Rn. 59; s.a. Rn. 2.56. 7 BGH. v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17, ZIP 2017, 2016 = ZInsO 2017, 2267; Lissner, ZInsO 2020, 645 mit Fallbeispielen in verschiedenen Phasen des Verfahrens. 8 Zur Bestimmtheit von Kontopfändungen s. BGH v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15, ZIP 2017, 2074 = WM 2017, 1256; BGH v. 25.1.2018 – IX ZR 104/17, ZInsO 2018, 1804 Rn. 16; AG Hannover v. 24.7.2020 – 904 IK 1132/19 - 6, ZInsO 2020, 2156.

416 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.256 Zweiter Teil

§ 829 Abs. 4 ZPO ist die Angabe eines Kontos bzw. einer Kontonummer nicht Voraussetzung für die Bestimmtheit der Pfändung gegenwärtiger und künftiger Ansprüche des Schuldners gegen das Kreditinstitut1. Hinzu kommt, dass das Kreditinstitut den Beschluss auslegen muss, was sowohl für die Parteibezeichnung als auch für die Bezeichnung der Forderung gilt, was daher regelmäßig zur Sperrung des Insolvenz-Sonderkontos führt2. Das Insolvenz-Sonderkonto wird als Zahlungsverkehrskonto im Kontokorrent geführt. Das Girokonto ist lediglich die rechtlich, technisch und von ihren Möglichkeiten her am weitesten entwickelte Form eines Zahlungskontos, da es in seinen Funktionen über ein reines Zahlungskonto nach dem ZAG mit weiteren Leistungen hinausgeht3. Das Insolvenz-Sonderkonto wird daher vom Anspruch unter D. Nr. 1 des amtlichen Formulars („Girokonto“) erfasst4. ff) Verwahrung von Erlösen aus der Verwertung von Absonderungsrechten (Treuhandkonto) Neben dem Insolvenz-Sonderkonto ist der Verwalter aber weiterhin berechtigt und verpflichtet, offene Treuhandkonten auf seinen Namen zu führen, wenn es um die Verwaltung von nicht zur Masse gehörenden Vermögenswerten geht. Zieht er Forderungen ein, die nicht (mehr) zum Schuldnervermögen und damit zur Insolvenzmasse gehören, weil die Forderungen zum Beispiel zur Sicherheit an einen Dritten abgetreten worden sind, hat er diese zur Sicherung der (Ersatz-)Aus- und Absonderungsrechte auf ein offenes Treuhandkonto einzuziehen5. Das Gleiche gilt, wenn die Rechte streitig sind, insbesondere die Rechtslage durch den Verwalter noch nicht abschließend geprüft und bewertet werden konnte6 oder die Sicherungsrechte an den Forderungen anfechtbar sein könnten. Inhaber des Kontos ist in der Regel der Verwalter persönlich. Das Konto gehört nicht zur Insolvenzmasse und der Auszahlungsanspruch des Gläubigers richtet sich gegen den Verwalter. In der Kontobezeichnung ist der Gläubiger als Treugeber zu erwähnen (z.B. Frau/Herr/* als vorläufige Verwalter wegen Globalzession A-Bank).

2.255

gg) Trennung der Konten Für jedes Insolvenzverfahren, das dieser Verwalter betreut, ist ein gesondertes Konto zu führen7, eine Vermischung mit Geldern anderer Verfahren oder gar mit eigenen Geldern hat zu unterbleiben. Ein Sammelkonto für mehrere Verfahren verträgt sich nicht mit der Eigenschaft des Sonderkontos als Bestandteil einer bestimmten Insolvenzmasse. Außerdem sind von dem Sonderkonto die Konten zu separieren, die der Verwahrung von Erlösen aus der Verwertung von Absonderungsrechten dienen. Denn diese sind nicht Bestandteil einer Insolvenzmasse.

1 Ansprüche aus Girokonten werden unter D.1. des Formulars erfasst; zur Bestimmtheit und Auslegung Büchel ZinsO 2020, 1513 m.w.N. 2 Büchel ZinsO 2020, 1513 (1515) m.w.N. 3 Kropf in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 3.843. 4 A.A. AG Hannover v. 24.7.2020 – 904 IK 1132/19 - 6, ZInsO 2020, 2156. 5 BGH v. 24.1.2019 – IX ZR 110/17, ZIP 2019, 472 = ZInsO 2019, 563. 6 d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280 (1284). 7 Zur Zulässigkeit eines Sammelkontos für mehrere Verfahren Paulus WM 2007, 2299; vgl. auch § 149a InsO-Entwurf BR-Drucks. 566/07 v. 15.8.2007: Gesetzesantrag der Länder NordrheinWestfalen und Niedersachsen zu einem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung und Vereinfachung der Aufsicht in Insolvenzverfahren (GAVI). Zur Unzulässigkeit für Betreuer s. BGH v. 31.10.2018 – XII ZB 300/18, AnwBl. 2019, 4.

Büchel | 417

2.256

Zweiter Teil Rz. 2.257 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

hh) Identifizierungspflichten

2.257

Bei der Kontoeröffnung und bei bestimmten Geschäftsvorfällen hat sich die Bank Gewissheit über die Person desjenigen zu verschaffen, der ihr gegenüber auftritt (§ 154 Abs. 2 AO, § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG, § 24c KWG), und, falls dieser nicht für eigene Rechnung handelt, auch den wirtschaftlich Berechtigten festzustellen (§ 154 Abs. 2 AO, § 10 Abs. 1 Nr. 2, § 11 Abs. 5 GwG). Zwar soll eine Identifizierung des Insolvenzverwalters nach einer Entscheidung des OLG Dresden entbehrlich sein, wenn es um Verfügungen über das bisherige Konto geht, da der bloße Eintritt des Insolvenzverwalters in eine bestehende Geschäftsbeziehung nicht als Begründung einer Geschäftsbeziehung angesehen werden könne1. Diese Auffassung ist mit dem GwG nur schwer in Einklang zu bringen und kann jedenfalls schon nach ihrer Begründung nicht auf die Einrichtung neuer Konten des Insolvenzverwalters ausgedehnt werden.

2.258

Die Bezeichnung eines Insolvenz-Sonderkontos oder eines offenen Treuhandkontos muss – wie erwähnt (Rn. 2.253) – auf den Namen des Insolvenzverwalters unter zusätzlicher Aufnahme der Bezeichnung des Insolvenzverfahrens (Privatperson oder Gesellschaft) in die Namenszeile oder Rubrumzeile des Kontos lauten. Als Dokumentation ist neben dem gültigen Ausweispapier des Insolvenzverwalters der Gerichtsbeschluss über die Einsetzung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters ausreichend. Zusätzlich sollte die Bank die Registerdaten einer insolventen Gesellschaft bzw. Name, Anschrift und Geburtsdatum einer insolventen natürlichen Person vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter erfragen und diese Daten ebenfalls erfassen, auch wenn diese im Insolvenzverfahren nicht mehr als wirtschaftlich Berechtigte anzusehen sind (s. Rn. 2.259).

2.258a

Für die Identifizierungspflichten bringt die BGH-Entscheidung2 zum Insolvenz-Sonderkonto der Masse für die Kreditinstitute erhebliche Unsicherheiten mit sich3: Da der Masse keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt, kann sie selbst nicht Träger von Rechten und Pflichten sein. Beim Sonderkonto wäre der Schuldner Konto- und Forderungsinhaber. Das Auseinanderfallen von Kontoinhaber (Kontobezeichnung lautet auf Insolvenzverwalter) und Forderungsinhaber (Schuldner/Masse) ist in §§ 675f ff. BGB und in der dazu ergangenen Rechtsprechung nicht angelegt. Auch die anknüpfenden Rechtsvorschriften zur Geldwäsche und zum Kontenabrufverfahren (§ 24c KWG einschließlich der Zugriffsmöglichkeiten des Bundeszentralamts für Steuern nach §§ 93, 93b AO) und der Abgabenordnung orientieren sich am Grundsatz der Identität von Kontoinhaber und Forderungsinhaber (Kontenwahrheit). Eine Subsumtion von Sachverhalten, in denen Kontoinhaber und Forderungsinhaber nicht personenidentisch sind, unter die Vorschriften von KWG, GWG und AO führen zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zudem bleiben weitere zahlungsverkehrsrechtliche Fragen ungeklärt und unsicher, insbesondere welche Rechte und Pflichten einem vom Forderungsinhaber verschiedenen Kontoinhaber überhaupt zukämen. Bei der Eröffnung eines neuen Kontos für den Schuldner kann es Probleme bei der Legitimationsprüfung, insbesondere mit den Vorgaben zum sog. KYC-Check (Know-Your-Customer) geben. Gesellschafter und dahinterstehende Gesellschafter des Gemeinschuldners müssen identifiziert werden. Diese wirken aber u.U. nicht mit oder ihr Aufenthalt ist nicht bekannt.

1 OLG Dresden v. 16.9.2014 – 4 U 681/14, NZI 2015, 487 mit Anm. Kaetzler NZI 2015, 455. 2 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845. 3 S. Diskussionspapier des Bankenverbandes v. 30.8.2019, ZInsO 2019, 2205.

418 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.262 Zweiter Teil

Verfehlt wäre es, als wirtschaftlich Berechtigten den Insolvenzschuldner, also die natürliche Person oder die insoweit noch durch die Geschäftsführer oder Vorstände vertretene juristische Person anzugeben. Nach § 3 Abs. 1 GwG ist wirtschaftlich Berechtigter die natürliche Person, in deren Eigentum oder Kontrolle der Vertragspartner letztlich steht, oder die natürliche Person, auf deren Veranlassung eine Geschäftsbeziehung letztlich begründet wird. Die Veranlassung für die Kontoeröffnung geht nicht von den Organen des Insolvenzschuldners, sondern von dem Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes aus, ebenso hat er die Kontrolle inne1. Den Organen des Insolvenzschuldners sind im eröffneten Insolvenzverfahren jegliche Einflussnahmemöglichkeiten auf die Verwaltung und Verwertung des von der Insolvenz betroffenen Vermögens durch Gesetz entzogen. Auch im Insolvenzantragsverfahren wird der Insolvenzverwalter nur aufgrund von gerichtlichen Anordnungen tätig, die dem Insolvenzschuldner die Einflussnahmemöglichkeit und Kontrolle hinsichtlich der Mittel auf dem Insolvenzverwalterkonto entziehen. Solche Handlungen auf Veranlassung durch eine Behörde sind nicht geldwäscherelevant. Deshalb verlangen die Auslegungs- und Anwendungshinweise der BaFin2 lediglich die Identifizierung des Verwalters als Kontoinhaber oder Verfügungsberechtigten.

2.259

e) Wechsel des Verwalters Wenn während des eröffneten Verfahrens durch die Wahl eines neuen Verwalters (§ 57 InsO) oder infolge der Entlassung eines Verwalters aus dem Amt (§§ 59, 56 InsO) ein Wechsel des Verwalters eintritt, geht die Verfügungsbefugnis über das Insolvenz-Sonderkonto auf den neuen Verwalter unabhängig davon über, ob es sich um das fortgeführte Firmenkonto oder um ein auf den Namen des Insolvenzverwalters lautendes Insolvenz-Sonderkonto der in Rn. 2.249 beschriebenen Art handelt. Anders verhält es sich jedoch bei einem Treuhandkonto, wie in Rn. 2.263b dargestellt.

2.260

aa) Fortführung des Firmenkontos (Insolvenz-Sonderkonto Typ 1) Wenn der Verwalter die Fortführung des Firmenkontos geduldet hat, vollzieht sich der Übergang der Verfügungsbefugnis über dieses Konto auf den neuen Verwalter kraft Gesetzes (§ 80 InsO). Die Verfügungsbefugnis des bisherigen Verwalters erlischt mit dem Verwalterwechsel.

2.261

bb) Führung als Insolvenz-Sonderkonto (Typ 2) Ebenso wie beim Firmenkonto geht die Verfügungsbefugnis bei einem Insolvenz-Sonderkonto auf den Namen des Verwalters mit dem Wechsel des Insolvenzverwalters auf den neuen Insolvenzverwalter über. Denn auch ein solches Sonderkonto bleibt nach Insolvenzeröffnung stets Bestandteil der Insolvenzmasse3. Es besteht keine Kontobeziehung mit dem jeweiligen Insolvenzverwalter persönlich, weil dessen Guthaben vermögensrechtlich der Masse zuzuordnen ist, während die Verfügungsbefugnis dem Verwalter als Ermächtigungstreuhänder (§§ 80, 148

1 A.A. Fischbeck, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2014/108. Lfg., Rn. 2/251b, der in der Eröffnung eines Treuhandkontos ein Handeln auf Veranlassung des Treugebers sieht, auch wenn Letzterer nicht weisungsbefugt ist. 2 BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise gemäß § 51 Abs. 8 GwG, BT: Kreditinstitute, Stand: 2021/06, Nr. 7.2.2. 3 BGH v. 19.5.1988 – III ZR 38/87, ZIP 1988, 1136, 1137; BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225 unter II. 2.; BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531 Rn. 10.

Büchel | 419

2.262

Zweiter Teil Rz. 2.262 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

InsO) zukommt1. Mit dem Verlust des Amtes endet die Ermächtigungstreuhand des bisherigen Verwalters und die des neuen tritt in mit seiner Ernennung in Kraft. cc) Kenntnis der Bank

2.263

Mit Wirksamkeit der Ernennung des neuen Verwalters hat die Bank nur noch seine Verfügungen zu beachten. Wenn sie davon aber nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt, kann es geschehen, dass sie noch Verfügungen des bisherigen Verwalters ausführt. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, ob dieser Leistung befreiende Wirkung zukommt, gibt es nicht. Richtungweisend sind aber § 82 InsO und § 407 BGB: – Nach § 82 InsO wird die Bank, die in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung einen Überweisungsauftrag des Schuldners ausführt, durch die Zahlung an den Empfänger von ihrer Schuld befreit2. Die Zahlung an den Überweisungsempfänger ist nämlich rechtlich als Leistung an den Schuldner als Kontoinhaber zu werten3. Der Unterschied zum Fall des Verwalterwechsels liegt lediglich darin, dass nicht die Verfügungsbefugnis des Schuldners, sondern die seines bisherigen Ermächtigungstreuhänders verloren geht. – Nach § 407 BGB muss im Fall einer Abtretung der Forderung der neue Gläubiger eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Der Unterschied zum Fall des Verwalterwechsels liegt hier lediglich darin, dass nicht die Inhaberschaft der Forderung, sondern nur die Verfügungsbefugnis übergeht. Unabhängig davon, ob das Sonderkonto ausdrücklich auf den Namen des Schuldners oder auf den Namen des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes für eine bestimmte Insolvenzmasse lautet, ist das Insolvenz-Sonderkonto nämlich trotz des Verwalterwechsels Bestandteil derselben Insolvenzmasse geblieben.

2.263a

Geboten erscheint eine analoge Anwendung von § 82 InsO. Denn hier ist der Schutz des gutgläubig Leistenden in gleicher Weise geboten wie im Fall der Unkenntnis von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

2.263b

Wie in Rn. 2.101h beschrieben besteht ein wesentlicher Nachteil des offenen (Vollrechts-) Treuhandkontos auf den Namen des Insolvenzverwalters insbesondere darin, dass der neue Verwalter nicht wie bei einem Insolvenz-Sonderkonto unmittelbar die Verfügungsbefugnis er-

dd) Führung eines offenen Treuhandkontos

1 Eckardt in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2016, § 149 Rn. 47; Schulte-Kaubrügger ZIP 2011, 1400, 1402. 2 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92; OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/06, ZInsO 2006, 884; für den insoweit übereinstimmenden § 8 KO: Jaeger/Henckel, KO, 4. Aufl. 1977, § 8 Rn. 28; Kübler BB 1976, 804; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9b; Liesecke WM 1975, 300; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 114; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 117. 3 BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; BGH v. 15.11.2005 – XI ZR 265/04, WM 2006, 28; OLG Rostock v. 31.7.2006 – 3 U 161/05, ZIP 2006, 1872; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, WM 1989, 1816 = WuB VI C § 106 KO 1.90 Obermüller; BGH v. 12.6.1997 – IX ZR 110/ 96, WM 1997, 1658; BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, ZIP 2001, 1239; von Godin NJW 1958, 856; Steinhoff ZIP 2000, 1141; zur Abgrenzung s. BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 216/13, ZInsO 2014, 1662.

420 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.265a Zweiter Teil

langt1. Der neue Verwalter muss erst ein neues Konto einrichten und vom bisherigen die Übertragung der Werte verlangen; ohne dessen Zustimmung darf die Bank keine Kontoverfügungen vornehmen. Solange sich die Vermögenswerte auf dem Treuhandkonto befinden, sind sie wie bei einem Anderkonto der Person zuzuordnen, die als Kontoinhaber bezeichnet ist. Dem Kontoinhaber steht der Bank gegenüber die alleinige und uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über die Ansprüche aus dem Kontoguthaben zu2. Das gilt auch dann, wenn der Kontoinhaber im Verhältnis zum Insolvenzschuldner sein Amt als Insolvenzverwalter verloren hat. im Falle des Todes des bisherigen Insolvenzverwalters muss sich der neue Insolvenzverwalter an die Erben wenden3. f) Wechsel der Kontoform Bis zu der Entscheidung des BGH v. 7.2.20194 haben Insolvenzverwalter die Insolvenzkonten meist als Treuhandkonto oder Anderkonto eingerichtet. Ein solches Konto geht nicht automatisch auf den Nachfolger über. Vielmehr ist der vorläufige Verwalter zur Übertragung verpflichtet5; im Falle des Todes des bisherigen Insolvenzverwalters muss sich der neue Insolvenzverwalter an die Erben wenden6. Zu übertragen ist das Guthaben und nicht das Konto, denn eine Kontobeziehung mit einer anderen Person kann nicht ohne Mitwirkung der Bank begründet werden.

2.264

Der neue Verwalter erhält nicht wie bei einem auf den Namen des Insolvenzschuldners geführten Konto unmittelbar die Verfügungsbefugnis7, sondern muss erst ein neues Konto einrichten und vom bisherigen Verwalter die Übertragung der Werte verlangen; ohne dessen Zustimmung darf die Bank auch angesichts der Änderung des Rechtsprechung keine Kontoverfügungen vornehmen. Solange sich die Vermögenswerte auf dem Treuhandkonto oder Anderkonto befinden, sind sie der Person zuzuordnen, die als Kontoinhaber bezeichnet ist. Dem Kontoinhaber steht der Bank gegenüber die alleinige und uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über die Ansprüche aus dem Kontoguthaben zu8. Das gilt auch dann, wenn der Kontoinhaber im Verhältnis zum Insolvenzschuldner sein Amt als Insolvenzverwalter verloren hat.

2.265

Unterlässt der bisherige Verwalter die Übertragung der Gelder auf ein Konto seines Nachfolgers, so kann ihn das Insolvenzgericht unter Androhung von Zwangsgeld auffordern, sämtliche für das Insolvenzantragsverfahren eingerichteten Treuhand- oder Anderkonten binnen 24 Stunden auf den neu bestellten Insolvenzverwalter zu übertragen9.

2.265a

1 A.A. OLG Köln v. 31.5.2006 – 13 U 97/05, nicht veröffentlicht, das ein solches Konto als ein für die Masse eingerichtetes Sonderkonto ansieht. 2 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225; BGH v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZInsO 2007, 1228; OLG Bremen v. 8.7.2004 – 2 W 34/04, ZInsO 2005, 322. 3 Einzelheiten zu den Folgen des Todes des Insolvenzverwalters s. Wozniak ZInsO 2019, 2300. 4 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845. 5 OLG Oldenburg v. 20.12.2012 – 1 U 70/12, ZIP 2013, 786 = NZI 2013, 938; Wipperfürth ZInsO 2019, 849. 6 Einzelheiten zu den Folgen des Todes des Insolvenzverwalters s. Wozniak ZInsO 2019, 2300. 7 A.A. OLG Köln v. 31.5.2006 – 13 U 97/05, das ein solches Konto als ein für die Masse eingerichtetes Sonderkonto ansieht. 8 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225; BGH v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZInsO 2007, 1228; OLG Bremen v. 8.7.2004 – 2 W 34/04, ZInsO 2005, 322. 9 LG Dessau-Roßlau v. 15.8.2012 – 1 T 221/12 – 1 T 222/12, ZIP 2012, 2519.

Büchel | 421

Zweiter Teil Rz. 2.266 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

g) Anlageformen

2.266

Zu den insolvenzspezifischen Pflichten des Insolvenzverwalters gehört seine Aufgabe, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu bewahren und ordnungsgemäß zu verwalten. Dies geschieht in der Regel zunächst durch die Anlage auf einem Girokonto. aa) Anlage auf Konten

2.266a

Aufgrund seiner Masseverwaltungspflicht ist der Insolvenzverwalter aber auch gehalten, Guthaben der Insolvenzschuldnerin werterhaltend und ggf. im Gläubigerinteresse optimal anzulegen, soweit es nicht als Liquiditätsreserve vorzuhalten ist1. Ausdrücklich geregelt ist eine (originäre) Pflicht des Insolvenzverwalters zur Anlage solcher Gelder in der InsO nicht. Rechtliche Vorgaben finden sich weder in den Vorschriften über die Sicherung der Insolvenzmasse (§§ 148 ff. InsO) noch in denjenigen über deren Verwertung (§§ 156 ff. InsO). § 149 Abs. 1 Satz 1 InsO ordnet lediglich an, der Gläubigerausschuss könne für den Insolvenzverwalter bindend2 bestimmen, bei welcher Stelle und zu welchen Bedingungen Geld angelegt werden soll. Ist kein Gläubigerausschuss bestellt oder hat dieser noch keinen Beschluss gefasst, so kann das Insolvenzgericht Entsprechendes anordnen (§ 149 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Gläubigerversammlung kann abweichende Regelungen beschließen (§ 149 Abs. 2 InsO). Ohne eine derartige Anordnung bzw. einen Beschluss ist der Insolvenzverwalter demnach selbst für die Anlage von zur Insolvenzmasse gehörenden Geldern verantwortlich; die Gelder sind vorrangig werterhaltend, aber auch wertmehrend anzulegen3.

2.266b

Zur Masse gehörende Gelder stehen für eine zinsgünstige Anlage zur Verfügung, wenn sie voraussichtlich über einen längeren Zeitraum für das laufende Insolvenzverfahren nicht benötigt werden. Es muss sich gemessen an der Größe des Insolvenzverfahrens um erhebliche Mittel handeln. Bei der Beurteilung, ob Gelder für das laufende Insolvenzverfahren benötigt werden, kommt dem Verwalter ein mit der Vielschichtigkeit des Verfahrens zunehmender Spielraum zu. Maßstab ist, ob eine – auch kurzfristige – Anlage aus kaufmännischer Sicht angezeigt erscheint. Dies kann bei einem ganz erheblichen Geldbetrag schon für einen kurzen Anlagezeitraum von Tagen oder Wochen der Fall sein. Regelmäßig werden die Gelder jedoch für einige Monate zur Verfügung stehen müssen. Auch dann besteht allerdings keine Anlagepflicht, wenn der im voraussehbaren Anlagezeitraum zu erzielende Ertrag bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den mit der Anlage verbundenen Aufwand nicht zu rechtfertigen vermag.

2.266c

Für die vorzunehmende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist im Regelfall auf die Zinserträge abzustellen, die bei einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitut auf einem sogenannten Tagesgeldkonto zu erzielen sind4. Es muss sich mithin um ein Konto mit täglich fälligen Geldern handeln, das mit keiner girovertraglichen Abrede verknüpft ist, und deshalb nicht dem Zahlungsverkehr, sondern Anlagezwecken dient5. Regelmäßig darf er bestehende 1 LG Hamburg v. 13.9.2012 – 323 O 601/09, ZIP 2013, 738; BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 162/13, ZIP 2014, 1448; BGH v. 16.3.2017 – IX ZR 253/15, ZInsO 2017, 827 = mit Anm. Böhme ZInsO 2017, 1468. 2 Depré in HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 149 Rn. 5; Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 149 Rn. 9. 3 BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 162/13, ZIP 2014, 1448 = ZInsO 2014, 1558 Rn. 15; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 149 Rn. 3; Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 149 Rn. 3. 4 BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 162/13, ZIP 2014, 1448 = ZInsO 2014, 1558 Rn. 22. 5 Langner in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 45 Rn. 5.

422 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.266f Zweiter Teil

eigene Geschäftsbeziehungen zu entsprechenden Kreditinstituten nutzen oder solche des Schuldners. Nur wenn dort im Vergleich zu anderen, die vorstehenden Anforderungen erfüllenden Kreditinstituten ungewöhnlich schlechte Bedingungen angeboten werden, ist der Insolvenzverwalter gehalten, sich an ein anderes Unternehmen zu wenden. Der hierbei zu erzielende Mehrertrag muss jedoch den mit der Begründung einer neuen Geschäftsbeziehung verbundenen Mehraufwand aus kaufmännischer Sicht vertretbar erscheinen lassen. Grundsätzlich kann dem Insolvenzverwalter nicht angesonnen werden, darüber hinaus – etwa durch Nutzung des Internets – besonders günstige Angebote zu ermitteln und wahrzunehmen. Das Kontoguthaben muss durch ein Einlagensicherungssystem gedeckt und mindestens telefonisch verfügbar sein1. Für die Ermittlung, ob die Konten des Insolvenzverwalters die Sicherungsgrenze des § 6 Abs. 1 des Statuts des Einlagensicherungsfonds, dessen Schutzumfang weit über die gesetzliche Einlagensicherung hinausgeht, überschreiten, dürfen nicht sämtliche Treuhandkontoguthaben des Insolvenzverwalters zusammengezählt werden. Vielmehr wird für die Berechnung der Sicherungsgrenze auf die Person des Treugebers abgestellt (§ 6 Abs. 6 des Statuts des Einlagensicherungsfonds). Gleiches gilt für offene Treuhandkonten, sofern in der Kontobezeichnung das Treuhandverhältnis sowie die Treugeber eindeutig gekennzeichnet sind und das Bestehen des Treuhandverhältnisses dem Einlagensicherungsfonds nachgewiesen wird. Das gilt nach § 7 Abs. 4a EinSiG ebenso für die Regelung des gesetzlichen Einlagenschutzes, der den Entschädigungsanspruch des Einlegers gegen das Kreditinstitut der Höhe nach auf den Gegenwert von 100.000 Euro, in Einzelfällen bis zu 500.000 Euro, begrenzt (§ 8 Abs. 1 und 2 EinSiG).

2.266d

Die Guthaben auf den Insolvenz-Sonderkonten (Typ 1 und 2, s.a. Rn. 2.249) unterliegen gleichfalls den Einlagensicherungssystemen. Dabei ist auf die Person des Schuldners abzustellen, denn das Guthaben ist vermögensrechtlich der Masse und damit dem Schuldner zuzurechnen2.

2.266e

Zinsen zu erwirtschaften wird zunehmend schwerer. Nachdem Verwahrentgelte bzw. Negativzinsen3 nicht mehr selten sind, erhebt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter berechtigt ist, solche Anlagen zu tätigen oder ob er andere Anlageformen oder andere Einlageinstitute suchen muss. Dabei ist der Insolvenzverwalter zunächst an die Hinterlegungsstelle gebunden und sollte, wenn bei anderen vertrauenswürdigen Kreditinstituten zinslose oder niedrigverzinsliche Anlagen noch möglich sind, einen Wechsel der Hinterlegungsstelle betreiben und insoweit die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung einholen. Wenn dies nicht sinnvoll ist, muss er versuchen, durch häufigere und schnellere Abschlagsverteilungen den Schaden der Gläubiger einzugrenzen. Anderweitige Anlageformen sind problematisch.

2.266f

1 BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 162/13, ZIP 2014, 1448 = ZInsO 2014; 1558, statt der telefonischen Verfügbarkeit dürfte auch ein entsprechend schneller Zugriff z.B. via Online- oder Mobile-Banking genügen. 2 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZInsO 2019, 845, Rn. 27; d’Avoine/Büchel, ZIP 2020, 1280 (1283); Büchel, ZinsO 2020, 1513 f. 3 Zur Maßgeblichkeit eines negativen Basiszinssatzes s. BVerfG v. 19.12.2012 – 1 BvL 18/11, ZIP 2013, 476; a.A. Becker WM 2013, 1736; Coen NJW 2012, 3329; zur Unwirksamkeit der Einführung von Negativzinsen durch AGB s. LG Tübingen v. 26.1.2018 – 4 O 187/17, ZIP 2018, 315.

Büchel | 423

Zweiter Teil Rz. 2.266g | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

bb) Anlage in Wertpapieren

2.266g

Eine Anlage von Geldern der Insolvenzmasse in Wertpapieren kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Sie sollen insolvenzzweckwidrig und damit unwirksam sein1. Insolvenzzweckwidrig sind solche Maßnahmen des Verwalters, die seiner Aufgabe zur Sicherung und Erhaltung des vorhandenen Vermögens klar und eindeutig, also offensichtlich zuwiderlaufen2 und mit dem Ziel einer möglichst hohen Befriedigung der beteiligten Gläubiger nicht vereinbar sind3. Daran ändert auch das vom BGH aufgestellte sog. Wertmehrungsgebot4 nichts. Denn dieses greift erst ein, wenn der Insolvenzverwalter die Chance erhalten hat, die Masse ohne sonderlichen Aufwand und ohne großes Risiko erheblich zu vermehren5. Eine klare Unterscheidung zwischen riskanten und risikoarmen Geschäften lässt sich in der Praxis jedoch kaum einmal ziehen.

2.266h

Der Ankauf von Wertpapieren, insbesondere Aktien birgt immer das Risiko eines Verlustes der in den Ankauf investierten Mittel in sich. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Wertpapiere Kursschwankungen unterliegen, die zwar unter Berücksichtigung der Marktentwicklung durchaus in gewissem Umfang vorhersehbar sein mögen, bei deren Vorhersage es sich aber dennoch letztlich um mehr oder weniger unsichere Prognosen handelt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Wertpapiere unter Börsenfachleuten als spekulativ eingeordnet werden oder ob es sich eher um eine konservative Anlage handelt. Nun wird Anleihen, insbesondere Staatsanleihen eine gewisse Sicherheit zugemessen, auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung insbesondere ausländischer Staatsanleihen seit einigen Jahren das Gegenteil bewiesen hat. Diese Sicherheit bezieht sich aber nur auf die Rückzahlung zum vereinbarten Endtermin. Liegt dieser noch fern, so ist der Insolvenzverwalter, wenn er die Gelder benötigt, auf einen Verkauf zum Tageskurs angewiesen. Dieser kann deutlich unter dem Nominalwert liegen.

2.266i

Versucht der Insolvenzverwalter Vermögenswerte, die für die Insolvenzmasse bestimmt sind, als Kreditsicherheit zu belasten und dient der zu sichernde Kredit dem Kauf von Wertpapieren (z.B. Aktien) zu spekulativen Anlagezwecken, so verstößt eine solche Handlung evident gegen den Insolvenzzweck. Denn es besteht das Risiko des Totalverlustes des für die Masse bestimmten Guthabens. Der Bank kann in einem solchen Fall vom Insolvenzverwalter keine wirksame Sicherheit an den Vermögenswerten bestellt werden6.

2.266j

Wegen der dargestellten Probleme der Masseminderung durch Verwahrentgelte bzw. Negativzinsen (Rn. 2.266f) steht der Verwalter insbesondere in Großverfahren mit einer Vielzahl von Gläubigern vor der nicht erfüllbaren Aufgabe der Masseerhaltung, wenn eine Abschlagsverteilung noch nicht möglich ist. Er ist daher gehalten, nach alternativen Anlageformen zu suchen. Das können auch Anlageformen sein, die durch zusätzliche Geschäfte gegen Wertverluste abgesichert werden. Voraussetzung für eine alternative Anlage ist zunächst eine laufzeitkongruente Vergleichsrechnung sämtlicher Kosten der alternativen Anlage im Verhältnis zum Verwahrentgelt und den sonstigen Kosten bei einem Verbleib des Guthabens auf dem Konto. 1 OLG Celle v. 14.6.2006 – 3 U 20/06, ZIP 2006, 1364; anders für die Missachtung des Wertpapierhandelsgesetzes durch den Kontoinhaber LG Frankfurt v. 15.11.2007 – 2-18 O 172/07, ZIP 2008, 1112; vgl. zu Devisentermingeschäften Rn. 8.337 und zu Swapgeschäften Rn. 8.412. 2 BGH v. 20.3.2014 – IX ZR 80/13, ZIP 2014, 978 = ZInsO 2014, 1009. 3 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZInsO 2002, 577; OLG Celle v. 14.6.2006 – 3 U 20/06, ZIP 2006, 1364; zur Definition der Insolvenzzweckwidrigkeit s. Klinck KTS 2019, 1. 4 Böhme ZInsO 2017, 1468. 5 BGH v. 16.3.2017 – IX ZR 253/15, ZIP 2017, 779 = ZInsO 2017, 827 Rn. 15. 6 Vgl. OLG Celle v. 14.6.2006 – 3 U 20/06, ZIP 2006, 1364.

424 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.267a Zweiter Teil

Nur wenn die Vergleichsrechnung günstiger ausfällt, kann eine solche Anlage erfolgen, denn dann dient sie dem Insolvenzzweck und läuft ihm nicht zuwider. Zudem sollten entsprechende Anlagegeschäfte nur mit Zustimmung des Gläubigerausschusses erfolgen. cc) Zinsabschlag und Abgeltungsteuer Das frühere Zinsabschlaggesetz1 sah für die früher von Insolvenzverwaltern als Insolvenzkonten bevorzugten Treuhand- oder Anderkonten keine Ausnahme von dem Steuerabzug für Kapitalerträge vor. Der Zinsabschlag war auch dann vorzunehmen, wenn der Gläubiger der Zinsen insolvent geworden und wegen hoher Verlustvorträge seine Kapitalertragsteuer und seine anrechenbare Körperschaftsteuer auf Dauer höher als die gesamte festzusetzende Einkommensteuer waren2. Deshalb musste die Bank den Steuerabzug vornehmen und dem Verwalter eine auf seinen Namen lautende Steuerbescheinigung mit dem Zusatz „Anderkonto“ ausstellen3. Dies galt nach Auffassung des Fiskus, der sich auf den Wortlaut von § 44 EStG stützte, auch im Fall der Massearmut. Diese Ansicht musste Bedenken begegnen4. Denn es war nicht erkennbar, dass durch § 44 EStG in die Verteilungsprinzipien der Insolvenzordnung eingegriffen werden sollte5. Vielmehr sollte hier lediglich eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer bewirkt werden, die zu den ohnehin bevorrechtigten Massekosten gehört6, ohne aber innerhalb der Rangordnung der Masseverbindlichkeiten eine zusätzliche Abstufung zugunsten des Fiskus herbeizuführen.

2.267

Zum 1.1.2009 wurde in Deutschland ein erweiterter Steuerabzug für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die sog. Abgeltungsteuer (§ 20 EStG) eingeführt. Mit der einbehaltenen Kapitalertragsteuer gilt für den Privatanleger seine Steuerpflicht als „abgegolten“, d.h., dass die bereits versteuerten Kapitalerträge nicht mehr in seiner jährlichen Einkommensteuererklärung aufgeführt werden müssen und nicht mit seinem individuellen Steuersatz versteuert werden. Für betriebliche Anleger gilt der Steuerabzug nicht als abgegolten, eine Steuererklärung des Unternehmens muss diese Einkünfte weiterhin berücksichtigen7. Für die Handhabung von Insolvenzverwalterkonten durch die Bank8 ergibt sich daraus kein Unterschied zur bisherigen Regelung.

2.267a

1 Gesetz v. 9.11.1992, BGBl. I 1992, 1853; Einzelheiten zum Zinsabschlag von Festgeldzinsen bei den verschiedenen Unternehmensformen s. Krüger BB 1995, 960. 2 BFH v. 20.12.1995 – I R 118/94, DStR 1996, 539; BFH v. 20.12.1995 – I R 166/94, DStR 1996, 1004. 3 BMF v. 26.10.1992 – IV B 4 - S 2000 - 252/92, NJW 1993, 115; diese auf Notaranderkonten bezogene Stellungnahme gilt auch für Anderkonten sonstiger zur Führung solcher Konten berechtigter Berufsgruppen (BMF v. 19.11.1992 – IV B 4 - S 2252 - 812/92, DStZ 1993, 127); Schmitt NJW 1993, 1569. 4 Maus, Steuerrechtliche Probleme im Insolvenzverfahren, 2. Aufl. 1995, S. 115/116. 5 Mangelnde Harmonisierung der steuerrechtlichen Vorschriften mit den insolvenzrechtlichen beklagt Krüger BB 1995, 960 und fordert eine Bereinigung durch den Gesetzgeber. 6 BFH v. 15.3.1995 – I R 82/93, ZIP 1995, 1275 = HFR 1995, 507. 7 Zur Berücksichtigung in der Buchführung und Insolvenzrechnungslegung s. Endres ZInsO 2011, 258; zur Bedeutung für die Berechnungsgrundlage der Insolvenzverwaltervergütung s. LG Aachen v. 18.12.2012 – 6 T 98/12, ZInsO 2013, 683. 8 Zum Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters gegen die Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften s. BGH v. 5.4.2016 – II ZR 62/15, ZIP 2016, 1019 = ZInsO 2016, 1103.

Büchel | 425

Zweiter Teil Rz. 2.267b | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

2.267b

Wegen der Nachteile, die das Zinsabschlaggesetz bzw. die Abgeltungsteuer für die Insolvenzmasse mit sich bringen1, kann sich die Anlage der Gelder bei ausländischen Kreditinstituten empfehlen2. Dabei wird der Insolvenzverwalter Euro-Anlagen bei Kreditinstituten in Ländern der Euro-Zone bevorzugen, um das Währungsrisiko auszuschalten3.

2.267c

Die Bank darf die Abgeltungsteuer nicht mehr abführen, wenn der Insolvenzverwalter Massearmut angezeigt hat. Diese Steuer ist zwar Masseschuld (§ 55 InsO)4. Sie zählt damit aber nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens im Sinne von § 54 Nr. 2 InsO, welche nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vorrangig zu befriedigen wären (§ 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO)5. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Verwertung gelten vielmehr die allgemeinen Befriedigungsregeln (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO). Da die Bank nicht weiß, ob die Masse ausreicht, um über die Verfahrenskosten hinaus noch wenigstens teilweise Masseschulden zu begleichen, muss sie die Zinsen dem Insolvenzverwalter ungeschmälert auszahlen. h) Zwangsvollstreckungen

2.267d

Für den Fall, dass Gläubiger des Insolvenzverwalters die Zwangsvollstreckung in das Sonderkonto betreiben, kann der Insolvenzschuldner als Treugeber Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben6.

2.267e

Insolvenzgläubigern ist die Zwangsvollstreckung untersagt (§ 89 Abs. 1 InsO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Konto ausdrücklich auf den Namen des Schuldners oder auf den Namen des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes für eine bestimmte Insolvenzmasse lautet. Denn auch ein solches Sonderkonto bleibt nach Insolvenzeröffnung stets Bestandteil der Insolvenzmasse7.

2.267f

Massegläubigern hat der BGH demgegenüber mit seiner Entscheidung gegen die bisherige Praxis der Insolvenzverwalter, Insolvenzkonten als Treuhand- oder Anderkonten einzurichten, die Möglichkeit eröffnet, in das Konto zu vollstrecken8. Allerdings sind Zwangsvollstreckungen wegen Masseverbindlichkeiten, die nicht durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden sind, für die Dauer von sechs Monaten seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig (§ 90 Abs. 1 InsO). Erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit greift auch ihnen gegenüber ein Vollstreckungsverbot (§ 210 InsO) ein.

1 Maus ZIP 1993, 743; Welzel DStZ 1993, 197; BFH v. 9.11.1994 – I R 5/94, ZIP 1995, 661. 2 Welzel DStZ 1993, 197. 3 Welzel DStZ 1993, 197, s. aber das Recht der Bank zur vorübergehenden Leistungsbeschränkung aufgrund politischer Risiken in Nr. 10 Abs. 3 AGB Banken. 4 So für die Umsatzsteuer OFD Frankfurt/Main, Verfügung v. 25.5.2007 – S 7340 A – 85 – St 11, Rn. 54, UR 2008, 354; Kahlert in Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 7.15 f.; Leonhard in Bunjes, 14. Aufl. 2015, § 3 Rn. 107; Martin in Sölch/Ringleb, 64. Aufl. 2010, Loseblatt, § 3 Rn. 119; Rondorf NWB 2009, 2477, 2484; de Weerth ZInsO 2008, 1252, 1254. 5 BGH v. 14.10.2010 – IX ZB 224/08, ZIP 2010, 2252 = ZInsO 2010, 2188. 6 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 894; für den Insolvenzschuldner könnte ein Sonderinsolvenzverwalter die Drittwiderspruchsklage erheben. 7 BGH v. 19.5.1988 – III ZR 38/87, ZIP 1988, 1136, 1137; BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225 unter II. 2.; BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531 Rn. 10. 8 Zuleger NZI 2019, 414.

426 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.271 Zweiter Teil

Allerdings führen auch die unzulässigen Pfändungen zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung, die der Verwalter aufheben oder deren Vollzug während der Dauer des Insolvenzverfahrens aussetzen lassen muss, um über die Konten wieder frei verfügen zu können (vgl. Rn. 2.179 ff.).

2.267g

17. Fehlüberweisungen Gründe für Fehlüberweisungen können sehr verschieden sein, sie stammen aus dem Verhältnis zwischen Überweisendem und seiner Bank (Deckungsverhältnis) oder zwischen dem Überweisenden und dem Zahlungsempfänger (Valutaverhältnis) oder aus beiden Verhältnissen gleichzeitig. Fehlüberweisungen an einen insolventen Zahlungsempfänger können in der Weise auftreten, dass der Überweisungsbetrag aufgrund eines technischen Versehens doppelt überwiesen wird, dass der Überweisungsbetrag durch eine falsche Kommasetzung – sei es durch die überweisende Bank oder durch den Überweisenden veranlasst – höher ist als der vom Überweisenden angegebene bzw. gewollte, dass die Überweisung für einen anderen Adressaten bestimmt war oder dass der Überweisende die Vorgabe eines bestimmten Kontos, auf das der Überweisungsbetrag gezahlt werden soll, nicht beachtet. Alle diese Fallvarianten sind bereits höchstrichterlich außerhalb des Insolvenzverfahrens entschieden:

2.268

Fehlt es an einer wirksamen Weisung des Überweisenden an seine Bank, so kann ihm die Zahlung an den Zahlungsempfänger nicht zugerechnet werden. Dazu zählen die Fälle, in denen die überweisende Bank versehentlich doppelt oder zu viel zahlt1. Der Überweisende hat dann an den Zahlungsempfänger nichts geleistet. Der Zahlungsempfänger hat auf sonstige Weise die Zahlung ohne Rechtsgrund erlangt, die die überweisende Bank von ihm im Wege der Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) zurück verlangen kann, unabhängig davon, ob der Empfänger die fehlende Autorisierung kannte2.

2.269

Wurde der Fehler auf Seiten des Überweisenden veranlasst, steht ihm der Anspruch gegen den Zahlungsempfänger im Wege der Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) zu3. Wie sich nun der Bereicherungsausgleich zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger4 bzw. dessen Insolvenzverwalter in solchen Fällen gestaltet, hängt davon ab, ob die Zahlung auf einem Insolvenz-Sonderkonto (Schuldnerkonto oder Konto auf den Namen des Insolvenzverwalters) oder auf einem offenen Treuhandkonto des Insolvenzverwalters eingegangen ist.

2.270

a) Zahlungseingang auf einem Insolvenz-Sonderkonto (Typ 1 und 2) Geht die Zahlung auf einem Insolvenz-Sonderkonto ein, wird also die (künftige) Masse bereichert, so ist nach dem Zeitpunkt der Gutschrift zu unterscheiden.

1 2 3 4

Schmieder in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 29 Rn. 6, 8 ff. m.w.N. BGH v. 16.6.2015 – XI ZR 243/13, ZIP 2015, 1622. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZIP 2015, 738 = ZInsO 2015, 742 Rn. 11. Zu den Folgen einer von der Bank veranlassten Fehlbuchung auf einem bei ihr geführten Konto s. Rn. 2.106 f.

Büchel | 427

2.271

Zweiter Teil Rz. 2.272 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

aa) Zahlungseingang nach Insolvenzantrag

2.272

Nach einem Insolvenzantrag ist die Bank des Insolvenzschuldners und Zahlungsempfängers verpflichtet, die eingehende Zahlung dem noch bestehenden Konto gutzuschreiben1. Girovertrag und Kontokorrentabrede werden vom Insolvenzantrag und von der Anordnung verfügungsbeschränkender Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 2 InsO nicht berührt. Der Bereicherungsanspruch richtet sich gegen den Kontoinhaber, den möglichen späteren Insolvenzschuldner. Seine Vermögensmasse wurde durch den Zahlungseingang gemehrt. Der bereicherungsrechtliche Anspruch ist in einem später eröffneten Insolvenzverfahren nur eine Insolvenzforderung und keine Masseverbindlichkeit. Für Letzteres fehlt es an einem Zahlungseingang und damit an einer Bereicherung nach Verfahrenseröffnung (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO)2.

2.272a

Auch wenn bereits ein vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot oder mit Zustimmungsvorbehalt eingesetzt war, stellt der Bereicherungsanspruch nur eine Insolvenzforderung dar3. Ob eine Masseforderung entsteht, wenn der vorläufige Verwalter durch ein Verfügungsverbot unterstützt wird, ist zumindest zweifelhaft. Denn § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO gewährt eine Masseforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung nur, wenn ein Vermögensgegenstand nach der Verfahrenseröffnung in die Masse gelangt ist4. Eine Masseforderung aus § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO setzt die Begründung einer Verbindlichkeit durch den vorläufigen Verwalter voraus; daran fehlt es, wenn der Verwalter auf das Entstehen der Gutschrift keinen Einfluss genommen hat.

2.272b

Hat der vorläufige Verwalter ohne Verfügungsverbot oder mit Zustimmungsvorbehalt aufgrund einer Einzelermächtigung oder der vorläufige starke Verwalter im Eröffnungsverfahren bereits ein Insolvenz-Sonderkonto auf seinen Namen eröffnet (vgl. Rn. 2.95a), gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. bb) Zahlungseingang nach Insolvenzeröffnung

2.273

Wird die Zahlung dagegen erst nach Verfahrenseröffnung auf dem Konto des Insolvenzschuldners bzw. dem Insolvenz-Sonderkonto des Verwalters gutgeschrieben, ist der bereicherungsrechtliche Anspruch des Überweisenden oder der überweisenden Bank als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO anzusehen5. Zwar sind sowohl der Girovertrag als auch die Kontokorrentabrede mit Verfahrenseröffnung beendet, aufgrund der nachvertraglichen Wirkung des erloschenen Girovertrags darf die Bank des Insolvenzschuldners eingehende Zahlungen zugunsten des Insolvenzschuldners noch entgegennehmen. Sie muss die Zahlung dann allerdings auf dem bisherigen Konto des Schuldners verbuchen oder dem Insolvenzverwalter unmittelbar herausgeben (§ 667 BGB)6. Zur Entgegennahme der Zahlung nach Insolvenzeröffnung ist die Bank dagegen verpflichtet, wenn mit dem Insolvenzverwalter vereinbart wurde, dass das Konto des Insolvenzschuldners fortgeführt werden soll. Das Glei1 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, ZIP 1995, 109 = WM 1995, 149; Kübler BB 1976, 803. 2 Vgl. BGH v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279 = ZInsO 2007, 1228; Büchel/Günther ZInsO 2008, 547; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022/94. EL, § 55 Rn. 198. 3 OLG Hamm v. 29.3.2011 – I-27 U 134/10, ZIP 2011, 2068. 4 Lohmann in HK-InsO, 7. Aufl. 2014, § 55 Rn. 25. 5 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZIP 2015, 738 = ZInsO 2015, 742 Rn. 11; BGH v. 9.6.2016 – IX ZB 27/15, ZIP 2016, 1450 = ZInsO 2016, 1604 Rn. 5. 6 BGH v. 5.12.2006 – XI ZR 21/06, ZIP 2007, 319; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZInsO 2008, 803.

428 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.277 Zweiter Teil

che gilt beim Insolvenz-Sonderkonto auf den Namen des Verwalters, wenn eine entsprechende Fortführungsvereinbarung bereits bei Kontoeröffnung vor Eröffnung des Verfahrens getroffen worden ist. Masseverbindlichkeiten sind im Insolvenzverfahren bevorzugt zu berichtigen (§ 53 InsO). Das nützt dem Bereicherungsgläubiger aber dann nichts, wenn die Insolvenzmasse nicht einmal ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken (§ 207 InsO) oder zwar die Verfahrenskosten beglichen werden können, aber nicht vollständig die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 208 InsO).

2.274

cc) Haftung des Insolvenzverwalters Fällt ein Massebereicherungsgläubiger mit seinem Anspruch aus § 812 BGB (teilweise) aus, weil die Masse unzulänglich ist, stellt sich die Frage, ob er vom Insolvenzverwalter den fehlenden Betrag erhalten kann. Als Anspruchsgrundlage hierfür kommt § 60 Abs. 1 InsO in Betracht1, wenn dieser eine ihm als Insolvenzverwalter gegenüber einem Verfahrensbeteiligten obliegende Pflicht verletzt hat. Zwar ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, jeden Zahlungseingang auf dem Konto des Insolvenzschuldners daraufhin zu überprüfen, ob und in welcher Höhe der Insolvenzschuldner einen Anspruch auf diese Zahlung hat2. Dies gibt ihm jedoch nicht das Recht und die Pflicht, Werte, die in die Masse gelangt sind, außerhalb der gesetzlichen Verteilungsreihenfolge auszuhändigen. Eine Zurückweisung vor der Verbuchung und damit dem Eingang in die Masse ist ihm aus technischen Gründen im Normalfall nicht möglich.

2.275

dd) Haftung der Empfängerbank Der Überweisende oder die überweisende Bank können ihren Ausfall auch nicht von der Bank des Insolvenzschuldners als Schadensersatz wiedererlangen. Die Empfängerbank trifft grundsätzlich keine generelle Warnpflicht gegenüber dem Überweisenden bzw. der in seinem Interesse handelnden letzten Zwischenbank. Die Banken werden nur zum Zwecke eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig und haben sich schon wegen dieses eng begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern. Sie müssen vielmehr streng innerhalb der ihr für die Überweisung erteilten Vorgaben bleiben3. Damit scheidet eine Haftung der Empfängerbank im Regelfall4 aus.

2.276

b) Zahlungseingang auf einem offenen Treuhandkonto des (vorläufigen) Insolvenzverwalters Anders gestaltet sich die Rechtslage hingegen, wenn die Zahlung auf einem offenen Treuhandkonto des (vorläufigen) Insolvenzverwalters eingeht. Unabhängig davon, ob es sich um eine Leistung mit Rechtsgrund oder um eine Leistung ohne Rechtsgrund handelt, tritt die Vermögensmehrung nur in der Person des Kontoinhabers ein und wird nicht automatisch zum

1 § 61 InsO scheidet als Anspruchsgrundlage aus, da es an einer gewillkürten Masseverbindlichkeit des Verwalters fehlt. Vgl. Pape WuB VI A. § 140 InsO 1.08. 2 A.A. Büchel/Günther ZInsO 2008, 547. 3 BGH v. 22.6.2004 – XI ZR 90/03, ZIP 2004, 1742. 4 Ausnahmen s. Rn. 3.100 ff.; im Ergebnis ebenso Büchel/Günther ZInsO 2008, 547 mit ausführlicher Interessenabwägung.

Büchel | 429

2.277

Zweiter Teil Rz. 2.277 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Bestandteil der (zukünftigen) Insolvenzmasse1. Zahlungen, die auf ein von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter eingerichtetes Anderkonto eingehen, fallen weder in das Schuldnervermögen noch in die Masse, sondern stehen ausschließlich dem Anwalt zu und können von diesem nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückgefordert werden2. Das gilt auch, wenn das Konto als sonstiges offenes Treuhandkonto geführt wird. Die Insolvenzmasse oder besser der Insolvenzschuldner erlangt erst etwas, wenn der Insolvenzverwalter als Kontoinhaber über sein treuhänderisch gebundenes Guthaben verfügt, indem er z.B. im Rahmen der Fortführung an Lieferanten Überweisungen tätigt und damit Masseverbindlichkeiten erfüllt3.

2.278

Kommt es nun zu Fehlüberweisungen, kann der Überweisende oder die überweisende Bank nur vom Insolvenzverwalter als Kontoinhaber persönlich Rückzahlung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 bzw. 2 BGB verlangen, da nur er aufgrund der fehlerhaften Zahlung einen Vermögenszuwachs erlangt hat. Der Insolvenzverwalter könnte sich jedoch unter Umständen auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen, wenn er über den Zahlungseingang bereits schon wieder verfügt hat. Kannte der Kontoinhaber aber zuvor den Fehler im Überweisungsvorgang, hilft ihm die Entreicherungseinrede nicht weiter. Es ist deshalb empfehlenswert, dass die überweisende Bank oder der Überweisende den Insolvenzverwalter umgehend über den mangelnden Rechtsgrund der Überweisung informiert, so dass für den Bereicherungsschuldner die verschärfte Haftung gemäß § 819 Abs. 1 BGB gilt.

2.278a

Wenn die Überweisung auf einem nach Verfahrensaufhebung fortbestehenden Treuhandkonto eingeht, wird der Überweisende von seiner Verpflichtung gegenüber dem Schuldner grundsätzlich nicht frei4.

2.278b

Von diesen Fällen zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Insolvenzverwalter ein Insolvenz-Sonderkonto eingerichtet hat (s. Rn. 2.271 ff.). Damit ist ein Konto gemeint, dessen Guthaben wie oben beschrieben (s. Rn. 2.249 ff.) vermögensrechtlich dem Schuldnervermögen bzw. der Masse zuzuordnen ist, während die Verfügungsbefugnis dem Verwalter als Ermächtigungstreuhänder zukommt. Dass die Rechtsprechung nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nur noch ein solches Konto für die Verwaltung der Masse als zulässig hält, berührt das Verhältnis der Bank zu dem Insolvenzverwalter nicht. Hier ist der Inhalt des Kontoeröffnungsvertrages maßgeblich5. Wenn darin ein Treuhand- oder noch ein Anderkonto vereinbart ist, bleibt es dabei, bis der Insolvenzverwalter die Umstellung auf die neue Rechtsprechung vorgenommen hat.

1 BGH v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279 = ZInsO 2007, 1228 mit Anm. Paulus WM 2008, 473 und Pape WuB VI A § 140 InsO 1.08; BGH v. 12.5.2011 – IX ZR 133/10, ZIP 2011, 1220 = ZInsO 2011, 1151 = mit Anm. Ries NZI 2011, 586; OLG Bremen v. 8.7.2004 – 2 W 34/04, ZInsO 2005, 322; Fuest ZInsO 2006, 464; FG Köln v. 13.2.2019 – 4 K 1600/18, ZInsO 2019, 1488. 2 BFH v. 12.8.2013 – VII B 188/12, ZIP 2013, 2370; BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531; BGH v. 12.5.2011 – IX ZR 133/10, ZIP 2011, 1220; BGH v. 15.12.2011 -IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333; BGH v. 26.3.2015 – IX ZR 192/07, ZIP 2015, 1179; BGH v. 26.3.2015 – IX ZR 302/13, ZInsO 2015, 1151; FG Köln v. 13.2.2019 – 4 K 1600/18, ZInsO 2019, 1488. 3 Ebenso für eine weitere selbständige Vermögensverschiebung BGH v. 27.4.1961 – VII ZR 4/60, NJW 1961, 1461; auf den Willen des Kontoinhabers abstellend OLG Bremen v. 8.7.2004 – 2 W 34/ 04, ZInsO 2005, 322; vermittelnd Fuest ZInsO 2006, 464. 4 BGH v. 12.5.2011 – IX ZR 133/10, ZIP 2011, 1220 = ZInsO 2011, 1151. 5 FG Köln v. 13.2.2019 – 4 K 1600/18, ZInsO 2019, 1488.

430 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.282 Zweiter Teil

c) Zahlungseingang auf einem Konto bei der Hinterlegungsstelle An dieser bereicherungsrechtlichen Betrachtung ändert sich auch dann nichts, wenn die Bank, bei dem der Insolvenzverwalter sein Insolvenz-Sonderkonto für das jeweilige Insolvenzverfahren führt, im Sinne von § 149 InsO zur Hinterlegungsstelle bestimmt wurde. § 149 InsO bezweckt den Schutz der Masse gegen eine zweckwidrige oder gar missbräuchliche Verwendung durch den Verwalter1. Ein dementsprechender Beschluss des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung bzw. eine entsprechende Anordnung des Gerichts bewirkt aber keinen Wechsel in der Person des Bereicherungsschuldners2, sondern beschränkt nur die Verwaltungsbefugnis hinsichtlich des Ortes und der Art der Anlage von Gegenständen der Insolvenzmasse. Auf die Führung von offenen Treuhandkonten hat die Bestimmung zur Hinterlegungsstelle erst Recht keinen Einfluss, da Guthaben auf diesen Konten schon nicht zur Masse gehören.

2.279

V. Eigenverwaltung Der Antrag auf Eigenverwaltung lässt die Kontoinhaberschaft unberührt. Denn der Schuldner bleibt grundsätzlich weiter in vollem Umfang verfügungsbefugt (Ausnahme: § 270c Abs. 3 Satz 2 InsO).

2.280

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt das bestehende Kontokorrentverhältnis3 und die Kontokorrentabrede als antizipierte Verfügungsvereinbarung endet wegen der Sperrwirkung des § 91 InsO4. Der Schuldner kann aber nach Anordnung der Eigenverwaltung das Konto durch Vereinbarung mit der Bank weiterführen. Der sonst bei Insolvenzen übliche Zusatz „i.I.“ zur Kontobezeichnung kann unterbleiben, denn er bringt keinen erhöhten Informationswert.

2.281

Das ändert sich, wenn der Sachwalter die Kassenführung nach § 275 Abs. 2 InsO an sich zieht5 oder das Insolvenzgericht einen Zustimmungsvorbehalt verhängt.

1. Kassenführung durch Sachwalter Der Sachwalter hat das Recht zur Führung der Kasse; er kann verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur von ihm entgegengenommen und Zahlungen auch nur von ihm vorgenommen werden (§ 275 Abs. 2 InsO). Er verschafft sich dann das Recht, ohne Weiteres auf die Konten des Schuldners zuzugreifen oder ein Treuhandkonto für die ihn betreffenden Zahlungen einzurichten und zu verwenden6. 1 Jarchow in Schmidt, Hamburger Kommentar zur InsO, 5. Aufl. 2015, § 149 Rn. 1. 2 BGH v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279 = ZInsO 2007, 2279; im Ergebnis ebenso Kießling NZI 2006, 464. 3 OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/97, NZI 2000, 181; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/03, ZInsO 2004, 683; OLG Dresden v. 1.9.2005 – 13 U 1139/05, ZInsO 2007, 45; BGH v. 21.6.2005 – XI ZR 152/04, ZIP 2005, 1448; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZInsO 2008, 803; BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZInsO 2009, 659; Nobbe KTS 2007, 397. 4 BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 719, 720; OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/97, NZI 2000, 181; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/03, ZInsO 2004, 683, 686; OLG Düsseldorf v. 19.2.2020 – I-12 U 52/19, ZInsO 2020, 2387; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 116 Rn. 16. 5 Weiterführend Buchalik/Hiebert ZInsO 2015, 1953. 6 Spliedt/Fridgen in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2013, § 275 Rn. 15.

Büchel | 431

2.282

Zweiter Teil Rz. 2.283 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

2.283

Eine Übernahme der Kassenführung durch den vorläufigen oder endgültigen Sachwalter hat aber nur interne Wirkung; der Sachwalter wird nur als Vertreter des Schuldners tätig und der Schuldner kann im Verhältnis zu Dritten für die Masse wirksam leisten und Leistungen entgegennehmen1. Der Schuldner kann also auch über ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwa vorhandenes Guthaben verfügen, die Fortführung des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschenen Firmenkontos mit der Bank vereinbaren und Zahlungen an Dritte durch Erteilung von Überweisungsaufträgen, Genehmigung von Lastschriften oder in sonstiger Weise leisten2. Die Bank muss diese Aufträge durchführen, auch wenn sie weiß, dass der Sachwalter die Kassenführung beansprucht. Hat sie in die Fortführung des Firmenkontos eingewilligt, kann und muss sie Zahlungseingänge von Dritten entgegennehmen und dem Konto gutschreiben; für die Dritten haben diese Zahlungen befreiende Wirkung. Wenn der Sachwalter das Konto des Schuldners für weitere Zahlungsausgänge sperren will, bedarf es deshalb es einer entsprechenden Weisung des Schuldners an die Bank. Für Zahlungseingänge gilt das gleiche, aber hier ist dem Sachwalter zu raten, keine solche Weisung zu verlangen. Anderenfalls müsste die Bank die Gelder zurückgehen lassen; eine Umleitung auf das Konto des Sachwalters würde von dem Zahlungsauftrag abweichen und ist nicht zulässig. Er müsste dafür ein eigenes Treuhandkonto eröffnen.

2.284

Ebenso kann aber auch der Sachwalter der Bank in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des Schuldners3 Weisungen erteilen. Damit kann sich die Bank widersprechenden Weisungen ausgesetzt sehen. Eine vorsichtige Bank wird dann keine der Weisungen ausführen und es dem Schuldner und dem Sachwalter überlassen, eine Klärung herbeizuführen.

2.285

Um solche Situationen gar nicht erst entstehen zu lassen, sollte der Sachwalter zur besseren Durchsetzung der Kassenführung ein Treuhandkonto im eigenen Namen neu eröffnen und ein etwaiges Guthaben und später noch auf dem Firmenkonto eintreffende Zahlungseingänge darauf übertragen; die entsprechende Weisung kann er der Bank als gesetzlicher Vertreter des Schuldners erteilen. Das vom BGH im eröffneten Verfahren sonst verlangte Insolvenz-Sonderkonto4, das stets Bestandteil der Insolvenzmasse5 ist, ist dagegen für den Sachwalter nicht geeignet. Denn es handelt sich gerade nicht um ein Konto, bei dem die Verfügungsmacht einem anderen als dem Rechtsträger zusteht. Es besteht nur eine Kontobeziehung mit dem jeweiligen Sachwalter persönlich und dessen Guthaben ist vermögensrechtlich ihm zuzuordnen, er ist in diesem Fall kein Ermächtigungstreuhänder (§§ 80, 148 InsO), sondern Verwaltungstreuhänder.

2.285a

Eine Schließung des Firmenkontos sollte der Sachwalter nicht veranlassen. Anderenfalls müsste die Bank die Gelder zurückgehen lassen; eine Umleitung auf das Konto des Sachwalters würde von dem Zahlungsauftrag abweichen und ist nicht zulässig. Zur Förderung einer

1 Landfermann in HK-InsO, 7. Aufl. 2014, § 275 Rn. 7; Foltis in FK-InsO, 8. Aufl. 2015, § 275 Rn. 19; Holzer in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022/94. EL, § 275 Rn. 22; Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 275 Rn. 8. 2 Weiterführend Buchalik/Hiebert ZInsO 2015, 1953. 3 Spliedt/Fridgen in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2013, § 275 Rn. 15; Holzer in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022/94. EL, § 275 Rn. 26 m.w.N. 4 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZInsO 2019, 845 Rn. 27 = mit Anm. Wipperfürth ZInsO 2019, 845; Kamm ZInsO 2019, 1085; d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280. 5 BGH v. 19.5.1988 – III ZR 38/87, ZIP 1988, 1136, 1137; BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, ZIP 1995, 225 unter II. 2.; BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531 Rn. 10.

432 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.292a Zweiter Teil

reibungslosen Abwicklung des Insolvenzverfahrens sollte der Sachwalter dafür sorgen, dass der Schuldner seinen Debitoren dieses Konto für alle Zahlungen nennt. Über Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Kassenführung hat der Sachwalter der Gläubigerversammlung zu berichten. Diese kann dies zum Anlass nehmen, die Aufhebung der Eigenverwaltung (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO) zu beantragen.

2.286

2. Zustimmungsvorbehalt für den Sachwalter Das Gericht kann auf Antrag der Gläubigerversammlung oder eines absonderungsberechtigten Gläubigers für bestimmte Rechtsgeschäfte anordnen, dass diese nur wirksam sind, wenn der Sachwalter ihnen zustimmt (§ 277 Abs. 1 InsO). Anders als die Zustimmungserfordernisse nach §§ 275 und 276 InsO für das Eingehen von Verbindlichkeiten und für außergewöhnliche Rechtsgeschäfte, deren Missachtung die Wirksamkeit des Geschäfts grundsätzlich nicht berührt1, hat diese Anordnung Außenwirkung.

2.287

Wenn das Insolvenzgericht einen solchen Zustimmungsvorbehalt für Verfügungen über Konten anordnet, sind alle Verfügungen, die der Schuldner ohne die Zustimmung des Sachwalters trifft, absolut und nicht nur den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam2. Die Bank ist allerdings geschützt, solange sie von der Anordnung des Zustimmungsvorbehalts keine Kenntnis hat (§ 277 Abs. 1 Satz 2, § 82 InsO).

2.288

frei

2.289

VI. Planverfahren Vom Insolvenzverwalter neu auf den Namen des insolventen Unternehmens eingerichtete Konten gleich welcher Art werden durch die Vorlage eines Insolvenzplans und das sich anschließende Planverfahren nicht berührt. Forderungen der Bank aus diesen Konten sind Masseschulden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO), auf die sich der Insolvenzplan nicht beziehen kann (§ 217 InsO).

2.290

Nach der Rechtskraft der Bestätigung des Plans wird das Insolvenzverfahren aufgehoben (§ 258 InsO). Damit erhält der Kunde das Recht zurück, frei über die Insolvenzmasse zu verfügen (§ 259 InsO). Die Verfügungsbefugnis über die vom Verwalter auf den Namen des Schuldners eröffneten Konten steht dann kraft Gesetzes dem Kunden zu, ohne dass es eines Übertragungsakts bedürfte. Die Bank muss lediglich die Änderungen in der Verfügungsbefugnis vermerken und gegebenenfalls eine neue Unterschriftenliste hereinnehmen; ein Saldoabschluss ist nicht erforderlich.

2.291

Der Kunde erhält auch dann die Verfügungsbefugnis wieder zurück, wenn sich an die Bestätigung des Plans ein Überwachungsverfahren anschließt. Allerdings kann im Plan vorgesehen sein, dass bestimmte Rechtsgeschäfte an die Zustimmung des Verwalters gebunden sind (§ 263 InsO). Die Kontoführung dürfte dazu nur in den seltensten Fällen gehören.

2.292

Hatte der Verwalter ein Insolvenz-Sonderkonto auf seinen Namen eröffnet, geht die Verfügungsbefugnis mit der Bestätigung des Plans und Aufhebung des Verfahrens ebenfalls auf

2.292a

1 Landfermann in HK-InsO, 7. Aufl. 2014, § 275 Rn. 5, § 276 Rn. 6. 2 Spliedt/Fridgen in Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand 2013, § 277 Rn. 7; Holzer in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022/94. EL, § 277 Rn. 2.

Büchel | 433

Zweiter Teil Rz. 2.292a | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

den Schuldner über. Die Bank muss die Änderungen in der Verfügungsbefugnis vermerken und gegebenenfalls eine neue Unterschriftenliste hereinnehmen; ein Saldoabschluss ist nicht erforderlich. Je nach vertraglicher Ausgestaltung und Kontentechnik der Bank (Einzelkonten oder Stammnummernsystem mit einzelnen Unterkonten) kann allerdings eine Übertragung auf eine neue Kontonummer erforderlich werden, wenn eine Fortführung unter der Stammnummer des Verwalters nicht mehr möglich ist.

2.293

Wenn der Insolvenzverwalter (daneben) offene Treuhandkonten geführt hat, muss er etwaige Guthaben selbst übertragen. Einen direkten Anspruch gegen die Bank auf das Kontoguthaben erwirbt der Kunde nicht.

VII. Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren 2.294

Während die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person in der Regel zu einer Beendigung der Geschäftstätigkeit führt und der Insolvenzverwalter ein Konto nur noch zum Zweck der Aufnahme der Erlöse aus der Abwicklung des Unternehmens braucht, sind natürliche Personen in der Regel weiter gezwungen, sich ihren Lebensunterhalt durch abhängige oder selbständige Arbeit zu verdienen und benötigen dazu im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs auch in der Insolvenz ein Konto, über das sie ihre Einkünfte leiten und von dem sie ihre Ausgaben bestreiten können. Die Führung solcher Konten stößt auf rechtliche und vor allem praktische Schwierigkeiten.

1. Verbraucherinsolvenzverfahren 2.295

Für die Kontoführung im Verbraucherinsolvenzverfahren ist zu unterscheiden, ob sich der Kunde im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren, im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren, im vereinfachten Insolvenzverfahren oder im gesetzlichen Restschuldbefreiungsverfahren befindet. a) Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

2.296

Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsversuch hat auf die Kontobeziehung keine unmittelbare Auswirkung. Der Zahlungsverkehr kann unverändert fortgeführt werden1.

2.297

Die Bank wird sich allerdings überlegen, ob es angesichts der mit dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan sich ankündigenden Insolvenz für sie empfehlenswert ist, die Kontoverbindung zu beenden. Dadurch erspart sie sich Aufwendungen für die jetzt gebotene Überwachung, in welchem Stadium der Insolvenz der Kunde sich jeweils befindet, geht der Gefahr von Kontopfändungen mit dem vom Kunden nicht zu erstattenden2 zusätzlichen Arbeitsaufwand aus dem Wege und vermeidet Risiken, die sich ergeben, wenn sie angeordnete Verfügungsbeschränkungen übersieht oder Überziehungen nicht verhindert. Eine ordentliche Kündigung ist nach Nr. 19 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen) mit einer angemessenen Frist, die mit mindestens zwei Monaten anzusetzen ist, zulässig. Eine schnellere Beendigung der Kontobeziehung ließe sich nur auf dem Weg über die Kündigung aus wichtigem Grund erreichen. Einen solchen wichtigen Grund stellt der außergerichtliche Schuldenbereinigungsversuch jedoch nur dar, soweit es um Kreditzusagen

1 Knees ZIP 2002, 89; s. im Übrigen 3. Teil (Rn. 3.1 ff.). 2 OLG Köln v. 11.12.1998 – 6 U 46/98, WM 1999, 633.

434 | Büchel

A. Auswirkungen der Insolvenz auf die Geschäftsverbindung | Rz. 2.298 Zweiter Teil

oder eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten geht, nicht aber für eine Kontoführung auf Guthabenbasis. Es sollte allerdings bereits bei der ordentlichen Kündigung beachtet werden, dass eine Kontokündigung eine erhebliche Belastung für den Kunden darstellt. Daher hatte der Zentrale Kreditausschuss1, in dem alle Spitzenverbände des Kreditgewerbes vertreten sind, zur Abwehr von Gesetzesinitiativen, die ein Recht auf ein Girokonto einführen wollten2, zusammen mit dem Bundesministerium der Finanzen die „ZKA-Empfehlung: Girokonto für jedermann“ erarbeitet3, derzufolge schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Kunden allein kein Grund sein sollten, die Kontobeziehung zu verweigern. Streitigkeiten über die Reichweite dieser Empfehlung4 haben sich mittlerweile erledigt, nachdem aufgrund der EU-Zahlungskontenrichtlinie5 die Banken durch das Zahlungskontengesetz6 verpflichtet sind, mit Verbrauchern7 einen sog. Basiskontovertrag abzuschließen (§ 31 Abs. 1 ZKG), den die Bank nur unter engen Voraussetzungen kündigen darf8. Zu den nach § 42 ZKG zulässigen Kündigungsgründen gehört die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nicht. Das Recht der Bank zur ordentlichen Kündigung anderer Konten als Basiskonten bleibt dagegen unberührt, wie der Umkehrschluss aus dieser gesetzlichen Regelung ergibt.

2.297a

Wenn der Kunde von der Bank zur Vorbereitung seines Schuldenbereinigungsversuchs eine Aufstellung ihrer Forderungen verlangt, ist sie nicht verpflichtet, dem nachzukommen. Zwar sind die Gläubiger gegenüber einem Schuldner, der einen Insolvenzantrag gestellt hat, nach § 305 Abs. 2 InsO auf seine Aufforderung hin verpflichtet, ihm auf ihre Kosten eine schriftliche Aufstellung ihrer Forderungen zu erteilen und diese in Hauptforderung, Zinsen und Kos-

2.298

1 Heutige Bezeichnung: Die Deutsche Kreditwirtschaft. 2 Vgl. BT-Drucks. 12/110, 13/137, 13/351; Reifner ZBB 1995, 243. 3 Abgedruckt in Die Bank 1995, 635; vgl. auch Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlungen BT-Drucks. 15/2500 v. 11.2.2004; Geschwandtner/Bornemann NJW 2007, 1253. 4 Zur Reichweite der Selbstverpflichtung s. AG Nürnberg v. 24.3.2005 – 34 C 9121/04, WM 2005, 1028; gegen Kontrahierungszwang AG Stuttgart v. 22.6.2005 – 14 C 2988/05, WM 2005, 2139; OLG Bremen v. 22.12.2005 – 2 U 57/05, ZInsO 2006, 104; Berresheim ZIP 2005, 420; Günther WM 2014, 1369; Segna BKR 2006, 274; zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse als nicht ausreichendem Kündigungsgrund LG Berlin v. 24.4.2003 – 21 S 1/03, WM 2003, 1895; LG Berlin v. 8.5.2008 – 21 S 1/08, nicht veröffentlicht; zur Kontenpfändung s. OLG Karlsruhe v. 26.6.2008 – 4 U 196/07, NJW-RR 2009, 62; zur Sondersituation bei Sparkassen s. NdsOVG v. 15.6.2010 – 10 ME 77/10, WM 2010, 1804; Sächs. OVG v. 26.11.2013 – 4 B 426/13, WM 2014, 1173 f.; Piekenbrock WM 2013, 1925; OLG Nürnberg v. 29.4.2014 – 3 U 2038/13, ZIP 2014, 1520; Fischer ZInsO 2003, 101. 5 Richtlinie 2014/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.7.2014 über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (ABl. L 257/2014). 6 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen v. 11.4.2016, BGBl. I 2016, 720; s. zur Begründung RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen v. 6.1.2016, BR-Drucks. 18/7204 mit Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) v. 24.2.2016 – BT-Drucks. 18/7691. 7 Auf Vereine ist dies nicht anwendbar (VG Düsseldorf v. 23.10.2019 – 20 K 6668/18, ZIP 2020, 313). 8 Zur Grundrechtsbindung der Sparkassen bei der Begründung, Änderung und Beendigung der Geschäftsbeziehung zu ihren Kunden s. Biesok WM 2020, 75.

Büchel | 435

Zweiter Teil Rz. 2.298 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

ten aufzugliedern. Dies gilt jedoch nicht schon im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren, so dass es der Bank überlassen bleibt, ob sie dem Wunsch des Schuldners nachkommt. Entscheidet sie sich, was zweckmäßig ist, die Aufstellung anzufertigen, so ist sie anders als im gerichtlichen Verfahren nicht gehindert, eine Kostenerstattung zu beanspruchen. b) Gerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren

2.299

Auch die Einleitung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens durch einen Insolvenzantrag wirkt sich auf die Kontobeziehung nicht unmittelbar aus. Solange das Gericht keine einstweiligen Anordnungen getroffen hat, kann der Zahlungsverkehr unverändert fortgeführt werden. Für die Kontokündigung gelten die gleichen Regeln wie oben dargestellt (Rn. 2.297). Anders als im außergerichtlichen Verfahren sind die Gläubiger nunmehr gegenüber dem Schuldner auf seine Aufforderung hin verpflichtet, ihm auf ihre Kosten eine schriftliche Aufstellung ihrer Forderungen zu erteilen und diese in Hauptforderung, Zinsen und Kosten aufzugliedern (§ 305 Abs. 2 InsO). Die Bank muss strikt darauf achten, ob und ggf. welche Verfügungsbeschränkungen vom Gericht angeordnet werden. Zu den Folgen für den Zahlungsverkehr kann auf die Ausführungen unten im Dritten Teil (Rn. 3.1 ff.) verwiesen werden; insoweit ergeben sich keine Unterschiede zwischen Verbrauchern und Unternehmern. c) Insolvenzverfahren

2.300

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat für Verbraucher dieselben Folgen wie für Unternehmer, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann.

2. Restschuldbefreiungsverfahren 2.301

Wenn der Beschluss über die Aufhebung oder die Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Masseunzulänglichkeit rechtskräftig geworden ist, erhält der Schuldner die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, die er mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter verloren hatte (§ 80 Abs. 1 InsO), zurück. Daran ändert auch der Übergang in die sog. Wohlverhaltensperiode nichts, in der der Schuldner bestimmten Obliegenheiten nachkommen muss (Einzelheiten s. Rn. 1.1450 ff.).

2.302

Sofern der Insolvenzverwalter unter Übernahme der Verfügungsbefugnis das Konto des Schuldners fortgeführt hat, erhält der Schuldner die Verfügungsbefugnis zurück und kann das Konto weiter benutzen. Die Fortführung des im Insolvenzverfahren eingerichteten Insolvenz-Sonderkontos durch den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase kommt – jedenfalls wenn das Insolvenzgericht nicht ausdrücklich anordnet oder auf andere Weise mit ihm abstimmt, dass das bisherige Insolvenz-Sonderkonto vom Treuhänder als Treuhandkonto in der Wohlverhaltensphase fortgeführt werden kann – nicht in Betracht1.

2.303

Auch kann der Schuldner neue Konten einrichten. Die Bank wird aber seiner Vermögenssituation besondere Aufmerksamkeit schenken und Kontoüberziehungen verhindern müssen. Denn sein pfändbares Einkommen gebührt den bisherigen Gläubigern2 und wird vom Treuhänder vereinnahmt. Sonstige Vermögenswerte sollten nach Durchführung des Insolvenz-

1 Saager/d’Avoine/Berg ZIP 2019, 2041; d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280, 1285. 2 Pape ZInsO 2002, 917.

436 | Büchel

B. Auswirkungen der Insolvenz auf Zinsen und Provisionen | Rz. 2.322 Zweiter Teil

verfahrens nicht vorhanden sein; dass es ihm trotz der Abtretung der pfändbaren Lohn- und Gehaltsteile gelingt, Vermögen zu bilden, ist eher unwahrscheinlich. Lediglich aus einem Vermögen, das der Kunde durch einen Erbfall oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, kann er die Hälfte für sich behalten (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und zur Befriedigung der neuen Gläubiger verwenden. Da mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Massebeschlag endet, benötigt auch der Treuhänder ein neues Konto, auf dem er die Gelder, die der Schuldner erwirtschaftet und die von der Abtretung erfasst werden, vereinnahmen kann. Der Treuhänder hat diese Beträge von seinem Vermögen getrennt zu halten (§ 292 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dies geschieht durch die Eröffnung eines offenen Treuhandkontos. Das im Verfahren eingesetzte, auf den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes lautende Sonderkonto (s. Rn. 2.249) kann der Treuhänder auch dann nicht verwenden, wenn er vorher der Insolvenzverwalter war. Da mit der Aufhebung des Verfahrens die Verfügungsbefugnis auf den Schuldner übergeht und die Stellung des Insolvenzverwalters aufgehoben wird, ist der Treuhänder nicht berechtigt, ein im Verfahren angelegtes Sonderkonto fortzuführen1.

2.304

Pfändungen von Insolvenzgläubigern, die vor der Verfahrenseröffnung ausgebracht wurden, darf die Bank weder im laufenden Insolvenzverfahren noch nach dessen Aufhebung während der Dauer der anschließenden Wohlverhaltensperiode bedienen.

2.305

frei

2.306–2.319

B. Auswirkungen der Insolvenz auf Zinsen und Provisionen Für die Behandlung von Forderungen auf Zinsen und Provisionen ist nach deren Entstehungszeitraum zu unterscheiden.

2.320

I. Vor Insolvenzeröffnung entstehender Zinsanspruch Weder die Zahlungsunfähigkeit noch der Insolvenzantrag, der Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots oder die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters hindern das Anlaufen von Zinsen auf Forderungen, die sich gegen den künftigen Schuldner richten2. Die Kontokorrentabrede und die darin liegende Vorausverfügung werden durch ein allgemeines Verfügungsverbot nämlich nicht unwirksam3. Zahlungseingänge auf dem Konto führen zur Reduzierung des zinspflichtigen Saldos.

2.321

Im Insolvenzverfahren können die bis zur Eröffnung anfallenden Kontokorrentzinsen im gleichen Range wie die Hauptforderung geltend gemacht werden (§ 38 InsO).

2.322

1 Blankenburg/Godzierz ZInsO 2019, 1092; d’Avoine/Büchel ZIP 2020, 1280, 1285. 2 So schon Gerhardt ZIP 1982, 1 für das Sequestrationsverfahren. 3 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/ 01, NZI 2002, 204; LG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992; a.A. Nobbe KTS 2007, 397.

Büchel | 437

Zweiter Teil Rz. 2.323 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

II. Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf Zinsansprüche 2.323

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt der Kontokorrentvertrag1. Dies bedeutet, dass die Bank von diesem Zeitpunkt an keine Kontokorrentzinsen, sondern nur noch einfache Zinsen, d.h. 4 bzw. 5 %, auf den Schlusssaldo beanspruchen kann2.

2.324

Während des Insolvenzverfahrens fällig werdende Zinsen können jedoch innerhalb des Insolvenzverfahrens nur im Nachrang geltend gemacht werden (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Nachrangige Forderungen werden nur beglichen, wenn die Insolvenzgläubiger befriedigt worden sind, also bei einer Quote von 100 %, die jedoch in der Praxis einen ganz seltenen Ausnahmefall darstellt. Die Gläubiger solcher Forderungen können an der Gläubigerversammlung zwar teilnehmen, sind jedoch nicht stimmberechtigt (§ 77 Abs. 1 Satz 2 InsO). Sie können auch keinen Antrag auf Einberufung einer Gläubigerversammlung stellen (§ 75 InsO). Ihre Forderungen brauchen sie nur anzumelden, wenn das Insolvenzgericht besonders dazu auffordert; sie müssen dann auch auf den Nachrang ihrer Forderungen hinweisen und die beanspruchte Rangstelle bezeichnen (§ 174 InsO). Die Anmeldung ist dann zweckmäßig, wenn die Verjährung gehemmt werden soll (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB)3. Im Planverfahren bilden die Zinsen eine gesonderte Gruppe (§ 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO), deren Zustimmung zum Plan unter bestimmten Voraussetzungen fingiert wird (§ 246 InsO).

2.325

Die Auswirkungen der Einordnung der Zinsen in den Nachrang lassen die Gläubiger unberührt, wenn sie ihre Zinsansprüche außerhalb des Insolvenzverfahrens durchsetzen können4. Dies ist möglich, wenn die Bank Sicherheiten für die Hauptforderung besitzt oder ihr Mitschuldner haften. Unberührt bleiben auch die Ansprüche auf Verzugszinsen und Vorfälligkeitsentschädigung.

1. Verzugszinsen 2.326

Neben einfachen Zinsen kann die Bank Ersatz ihres Verzugsschadens fordern5. Dazu ist allerdings notwendig, dass sie dem Verwalter eine Mahnung zukommen lässt6. Anderenfalls hilft die 30-Tage-Frist des § 286 Abs. 3 BGB. Als Verzugszins kann die Bank 5 % über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB)7 verlangen. Der Basiszinssatz ändert sich jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres8; die Änderung wird von der Deutschen Bundesbank ver-

1 BGH v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, DB 1976, 1715; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137; BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 719; BGH v. 21.6.2005 – XI ZR 152/04, ZIP 2005, 1448; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/ 97, NZI 2000, 181; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/03, ZInsO 2004, 683; Schönke JW 1934, 2745; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 119 ff. 2 § 246 BGB, § 352 HGB; vgl. RG v. 11.10.1935 – II 112/35, RGZ 149, 25; BGH v. 6.12.1956 – II ZR 345/55, BGHZ 22, 309; OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/97, NZI 2000, 181; ausführlich zur Zinsberechnung s. Lang/Erdmann-Fietz ZBB 2004, 137. 3 Anders in der KO: BGH v. 29.6.2001 – V ZR 65/00, NZI 2001, 588. 4 OLG Karlsruhe v. 2.10.1981 – 15 U 76/81, ZIP 1981, 1231. 5 BGH v. 7.11.1985 – III ZR 128/84, ZIP 1986, 21 = WM 1986, 8 = WuB I E 1. – 5.86 Emmerich; OLG Düsseldorf v. 8.10.1968 – 19 U 33/68, KTS 1969, 108; OLG Bamberg v. 4.10.1963 – 4 U 8/62, MDR 1965, 306; OLG Hamburg v. 24.10.1958 – 1 U 88/58, MDR 1959, 221. 6 BGH v. 7.11.1985 – III ZR 128/84, ZIP 1986, 21 = WM 1986, 8 = WuB I E 1. – 5.86 Emmerich. 7 Zur Auslegung entsprechender Titel s. BGH v. 7.2.2013 – VII ZB 2/12, WM 2013, 509. 8 Zur Maßgeblichkeit eines negativen Basiszinssatzes s. BVerfG v. 19.12.2012 – 1 BvL 18/11, ZIP 2013, 476; a.A. Becker WM 2013, 1736; Coen NJW 2012, 3329.

438 | Büchel

B. Auswirkungen der Insolvenz auf Zinsen und Provisionen | Rz. 2.327b Zweiter Teil

öffentlicht. Da das Kontokorrent beendet ist, kann die Bank den aus dem Verzugszins ermittelten Betrag jedoch nicht mehr jeweils nach Abschluss einer Kontokorrentperiode dem Saldo zuschlagen1. Zwar beträgt bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, der Zinssatz für Entgeltforderungen 9 % über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 2 BGB)2; deren Schuldner kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet (§ 286 Abs. 3 BGB). Wegen der Beschränkung dieses erhöhten Zinssatzes auf Entgeltforderungen kann dieser aber nicht auf ausstehende Tilgungen berechnet werden, da die Rückzahlung der Hauptsumme kein Entgelt für die Gewährung des Darlehens ist3. Entgeltforderungen im Sinne von § 288 BGB sind nämlich nur Forderungen auf die Gegenleistung4. Außerdem kann die Bank hier den sog. Mindestverzugsschaden5 von 40 Euro geltend machen (§ 288 Abs. 5 Satz 1 BGB).

2. Entschädigungsansprüche bei Abbruch von Kreditverträgen Für den Fall, dass ein Kreditvertrag außerplanmäßig verläuft, können die üblichen Verträge Klauseln über Vorfälligkeitsentschädigung, Aufhebungsentgelt oder Nichtabnahmeentschädigung enthalten.

2.327

a) Vorfälligkeitsentschädigung Unter Vorfälligkeitsentschädigung6 ist der Ersatz desjenigen Schadens zu verstehen, der dem Darlehensgeber entsteht, wenn der Darlehensnehmer ein Darlehen mit noch laufender Sollzinsbindungsfrist vorzeitig kündigt (§ 490 Abs. 2 Satz 3 BGB). Davon zu trennen ist der üblicherweise Aufhebungsentgelt genannte Anspruch des Darlehensgebers, der sich als Preis für die vorzeitige einvernehmliche Auflösung des Darlehensvertrages aus einer Aufhebungsvereinbarung ergibt.

2.327a

Bei Verbraucherdarlehensverträgen, die nicht Immobiliardarlehensverträge im Sinne des § 503 Abs. 1 BGB darstellen, ist diese Vorfälligkeitsentschädigung gesetzlich betraglich begrenzt (§ 502 Abs. 1 BGB)7 und gänzlich ausgeschlossen, wenn die Rückzahlung aus den Mitteln einer Restschuldversicherung bewirkt wird, die aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung im Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, oder wenn im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der

2.327b

1 Offengelassen im BGH v. 13.11.1990 – XI ZR 217/89, ZIP 1991, 155 = WM 1991, 60 = WuB I E 1. – 2.91 Sonnenhol. 2 Dies gilt für Handelsgeschäfte, die ab dem 29.7.2014 abgeschlossen wurden (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes v. 22.7.2014, BGBl. I 2014, 1218; s. auch Ackermann DB 2014, 1919; Verse ZIP 2014, 1809); bis dahin betrug der Zinssatz 8 % über dem Basiszins. 3 Wittig NZI 2002, 633. 4 BGH v. 22.8.2019 – VII ZR 115/18, WM 2020, 192 Rn. 13. 5 Weiterführend Dornis ZIP 2014, 2427. 6 Zum Vorfälligkeitsentgelt bei Festzinskrediten s. Ganter WM 2016, 1813; Wimmer/Rösler WM 2016, 1821; Rösler BB 1997, 1369 und DB 1998, 248; WM 1998, 1377; WM 2000, 164; von Heymann/Rösler Anm. in WuB I E 3. – 1.98; von Heymann/Rösler ZIP 2001,441; zur Berechnungsweise s. BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 285/03, ZIP 2005, 293 = WM 2005, 322; zur Bedeutung für das deutsche Pfandbriefsystem s. Krepold/Kropf WM 2015, 1. 7 BGH v. 22.11.2016 – XI ZR 187/14, ZIP 2017, 119 = ZInsO 2017, 90.

Büchel | 439

Zweiter Teil Rz. 2.327b | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind (§ 502 Abs. 2 BGB)1. Betraglich wird die Entschädigung begrenzt durch die Vorgaben von § 502 Abs. 3 BGB. Der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags, für den ein gebundener Sollzinssatz vereinbart wurde, kann seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur dann ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht (§ 500 Abs. 2 Satz 2 BGB).

2.327c

Eine Kumulierung von vertraglicher Vorfälligkeitsentschädigung und Verzugszinsen ist nicht zulässig; bis zum Zahlungseingang kann die Bank deshalb nur Verzugszinsen und ab dem Zahlungseingang nur Schadenersatz wegen der vorzeitigen Rückzahlung verlangen2. Für die Berechnung der Entschädigung kommt es weder auf den Zeitpunkt einer Kündigung noch auf den der Verfahrenseröffnung, zu dem der Kredit automatisch fällig wird, an. Denn zu diesen Zeitpunkten steht ein Schaden noch gar nicht fest, falls ein Gesamtausgleich erst nach dem Endfälligkeitszeitpunkt erfolgt und die Bank bis dahin Verzugszinsen berechnet. Maßgeblicher Stichtag für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist nämlich der Tag des tatsächlichen Geldeingangs3, zu dem es nur kommen wird, wenn ausreichend Sicherheiten zur Verfügung stehen.

2.327d

In Insolvenzverfahren handelt es sich üblicherweise um von Seiten der Bank gekündigte und nicht um einvernehmlich aufgehobene Kredite, so dass keine Vorfälligkeitsentschädigung in Betracht kommt4. Dieser Anspruch teilt das Schicksal der Zinsen5. Trotz seiner Bezeichnung als Entschädigung handelt es sich nämlich unabhängig davon, ob man die Vorfälligkeitsentschädigung als Schadenersatzanspruch6 oder als Entgelt7 einordnet, insolvenzrechtlich um einen Zinsersatzanspruch8, da er auf der Basis der Zinsen für die Zeit nach der Verfahrenseröffnung berechnet9 wird. Wenn es sich bei dem Schuldner um einen Verbraucher handelt, 1 Zur Aufklärung des Darlehensnehmers über die Berechnung s. OLG Frankfurt v. 1.7.2020 – 17 U 810/19, ZIP 2020, 1854. 2 OLG München v. 31.3.2014 – 17 U 4313/13, WM 2014, 1341; Knöpfel NJW 2014, 3125; s. aber Edelmann/Hölldampf BB 2014, 202 zum entsprechenden Anerkenntnisurteil des BGH v. 25.1.2013 – XI ZR 512/11 auf Revision gegen OLG Frankfurt v. 13.4.2011 – 23 U 386/09, ZIP 2011, 1303. 3 BGH v. 20.2.2018 – XI ZR 445/17, WM 2018, 782 Rn. 30; Samhat, in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 196; Wehrt WM 2004, 401; OLG Frankfurt v. 13.4.2011 – 23 U 386/09, ZIP 2011, 1303. 4 OLG Frankfurt v. 16.2.2005 – 23 U 52/04, ZIP 2005, 2010 = OLGR 2005, 630. 5 Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 63 Rn. 2a. 6 So BGH v. 2.3.1999 – XI ZR 81/98, WM 1999, 840; LG Mainz v. 18.12.2002 – 3 S 171/02, ZInsO 2003, 94; OLG Hamburg v. 13.9.2002 – 10 U 38/01, DZWIR 2003, 79; OLG Nürnberg v. 21.10.2014 – 14 U 916/13, WM 2015, 374; OLG Frankfurt v. 25.7.2019 – 1 U 169/18, ZIP 2020, 208; Metz ZBB 1994, 205; Reifner NJW 1995, 86; Brutschke ZAP Fach 8 S. 179. 7 So Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl. 1994, S. 147; Schebesta BI 1994, 54; Vortmann BAG v. 5.10.1993 – 3 AZR 695/92, ZIP 1994, 554 = EWiR 1994, 147; Wenzel WM 1995, 1433. 8 A.A. OLG Hamburg v. 13.9.2002 – 10 U 38/01, DZWIR 2003, 79 für den Fall, dass die Vorfälligkeitsentschädigung aufgrund einer vor der Verfahrenseröffnung ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht wird, und unterschiedslos sowohl für die Fälligkeit der Kreditforderung nebst Vorfälligkeitsentschädigung durch Kündigung oder durch die Verfahrenseröffnung Flitsch/Reus DZWIR 2003, 80. 9 Zu den Berechnungsmethoden s. BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747; BGH v. 2.3.1999 – XI ZR 81/98, WM 1999, 840; BGH v. 7.11.2000 – XI ZR 27/00, ZIP 2001, 20; OLG Köln v. 12.8.1999 – 13 U 86/97, WM 1999, 1661; OLG Düsseldorf v. 14.11.1996 – 6 U 183/95, ZIP

440 | Büchel

B. Auswirkungen der Insolvenz auf Zinsen und Provisionen | Rz. 2.327g Zweiter Teil

kommt der entgangene Gewinn als Berechnungsbasis ohnehin nicht in Betracht. Insoweit stellt der Anspruch aus § 497 BGB auf Verzugszinsen eine ausschließliche Regelung für die abstrakte Schadenberechnung dar1. b) Aufhebungsentgelt Ein Aufhebungsentgelt wird üblicherweise dann in Rechnung gestellt, wenn der Kreditnehmer den Kredit vor Ablauf einer Zinsfestschreibungsfrist zurückführt. Es stellt ein Entgelt dafür dar, dass die kreditgebende Bank Rechte aus dem zu dieser Zeit nicht kündbaren ursprünglichen Vertrag nicht geltend macht und eine anderweitige Anlagemöglichkeit suchen muss2. Auf eine Kündigung durch die Bank finden die vertraglichen Vereinbarungen über ein Aufhebungsentgelt in der Regel keine Anwendung3, auch kommt es im Insolvenzverfahren nicht zu einer vorzeitigen Tilgung.

2.327e

c) Nichtabnahmeentschädigung Hat der Kreditnehmer den vereinbarten Kredit vor Eintritt seiner Insolvenz noch nicht abgerufen, kann das Kreditinstitut aufgrund vertraglicher Vereinbarung4 oder nach § 280 Abs. 1, § 281 BGB eine sog. Nichtabnahmeentschädigung verlangen5; auch bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen kann dieser Anspruch nicht durch die Vorschrift des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen werden, der lediglich auf einen Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung anwendbar ist6. Dieses Entgelt darf die Bank zum Ausgleich für den entgangenen Gewinn in Rechnung stellen, da sie die Mittel bereits beschafft und bereitgehalten hat. Dabei handelt es sich um einen Schadenersatzanspruch, der eine Insolvenzforderung darstellt, und nicht um einen Zinsersatzanspruch, der nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachrangig wäre.

2.327f

d) Entschädigung für Abbruch von Kreditverhandlungen Für den Fall, dass ein Kreditvertrag zwar verhandelt wird, die Finanzierung aus einem Grund scheitert, den die kreditgebende Bank nicht zu vertreten hat, wird im Firmenkundengeschäft manchmal eine sog. break up fee, also eine Zahlungspflicht vereinbart, die der Kompensation des Zeit- und Arbeitsaufwands bei Abbruch der Kreditvertragsverhandlungen dient7. Dabei handelt es sich um einen Schadenersatzanspruch, der eine Insolvenzforderung darstellt.

1 2 3 4 5 6 7

1997, 500; OLG Karlsruhe v. 22.11.1996 – 3 U 52/95, ZIP 1997, 498; Wimmer/Rösler WM 2020, 1906; anders z.B. Säumniszuschläge, die als „gesetzlich standardisierter Mindestschadenausgleich“ gelten, s. LSG Niedersachsen-Bremen v. 24.9.2002 – L 7 AL 424/01, ZInsO 2003, 87. OLG Zweibrücken v. 24.7.2000 – 7 U 47/00, ZIP 2000, 2198 m.w.N.; BGH v. 19.1.2016 – XI ZR 103/15, ZIP 2016, 709 Rn. 20; BGH v. 22.11.2016 – XI ZR 187/14, ZInsO 2017, 90; a.A. Heymann/ Roesler ZIP 2001, 441; OLG München v. 31.3.2014 – 17 U 4313/13, WM 2014, 1341. OLG Hamburg v. 15.4.2002 – 4 W 17/02, WM 2002, 2050. OLG Frankfurt v. 16.2.2005 – 23 U 52/04, ZIP 2005, 2010, OLGR 2005, 630. S. z.B. Immobilien-Verbraucherdarlehensvertrag (abgedruckt bei Eckstein/Wilhelm in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/138. Lfg. Rn. 3/802); zur Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1, 2 BGB s. OLG Nürnberg v. 17.3.2020 – 14 U 189/19, ZIP 2020, 1755. Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 55 Rn. 27. LG Köln v. 27.2.2020 – 15 O 379/19, ZIP 2020, 1114. Die Bezeichnung als Nichtabnahmegebühr durch OLG Nürnberg v. 17.3.2020 – 14 U 189/19, ZIP 2020, 1755 = WM 2020, 1021 ist nicht ganz korrekt und führt zu Verwechslungen mit der oben

Büchel | 441

2.327g

Zweiter Teil Rz. 2.328 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

3. Sicherheiten für die Hauptforderung 2.328

Ist der Bank für die Hauptforderung eine Sicherheit bestellt worden, so kann sie sich aus dem Sicherungsgut auch für die nach Eröffnung des Verfahrens anfallenden Zinsen1 und Kosten2 befriedigen (§ 50 Abs. 1 InsO). Ebenso kann sie eine etwa bestehende Aufrechnungsmöglichkeit gegen Forderungen des Kunden aus unanfechtbar verpfändeten Guthaben ausnutzen3. Das Absonderungsrecht verdrängt insoweit den Nachrang4. Dies entspricht der Rechtslage nach der Konkursordnung5.

2.329

Auch der Übergang des Verwertungsrechts für sicherungsübereignete Gegenstände und sicherungshalber abgetretene Forderungen auf den Insolvenzverwalter (§ 166 InsO) schließt die Befriedigung von Zinsansprüchen aus der Zeit nach der Verfahrenseröffnung aus dem Sicherungsgut nicht aus. Die Stellung der gesicherten Gläubiger wird sogar insoweit verbessert, als der Verwalter verpflichtet ist, schon vor der Verwertung des Sicherungsguts dem Gläubiger die Zinsen aus der Masse zu zahlen (§ 169 InsO) (Einzelheiten s. Rn. 6.1134 ff.). Dies gilt allerdings erst für die Zinsen, die ab dem Berichtstermin bzw. drei Monate nach Anordnung eines das Sicherungsgut betreffenden Verfügungsverbots anfallen.

2.330

Der Sicherheitenerlös wird zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf den Hauptanspruch (§ 367 Abs. 1 BGB) verrechnet6. Diese Reihenfolge ist üblicherweise im Sicherungsvertrag zusätzlich vereinbart, sofern es sich nicht um Verbraucherkredite handelt. Dann gilt die Tilgungsreihenfolge des § 497 Abs. 3 BGB: Kosten, Hauptschuld, Zinsen.

2.331

Die dreijährige Verjährungsfrist für rückständige Zinsen (§ 195 BGB) wird durch die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB). Zwar kann die Bank aus der Masse nur für den Ausfall verhältnismäßige Befriedigung verlangen (§ 52 InsO). Dies hat jedoch nicht die Bedeutung, dass die Forderung nur in Höhe eines etwaigen Ausfalls festgesetzt wäre. Vielmehr bleibt die Anmeldung voll gültig. Da § 204 BGB nur auf den Formalakt der Anmeldung abstellt, tritt die Hemmung unabhängig von der Höhe des Ausfalls ein7.

4. Mitschuldner der Zinsen 2.332

Haften für die Zinsansprüche der Bank noch weitere Schuldner, z.B. Bürgen oder Garanten, so kann sie diese auch für die während des Insolvenzverfahrens fällig werdenden Zinsen in An-

1 2 3 4 5 6

7

erwähnten Nichtabnahmeentschädigung, die im Fall eines abgeschlossenen Kreditvertrages vereinbart sein kann. OLG Köln v. 27.6.2007 – 2 U 137/06, ZIP 2007, 1614; OLG Düsseldorf v. 27.4.2017 – I-12 U 42/ 15, ZInsO 2018, 34; BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 132/07, ZIP 2008, 1539; kritisch Gundlach/Frenzel/ Jahn ZInsO 2009, 467. BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 46/08, ZIP 2008, 2276. LG Mainz v. 18.12.2002 – 3 S 171/02, ZInsO 2003, 94. Berger KTS 2020, 1. S. BGH v. 28.11.1986 – V ZR 257/85, ZIP 1987, 245; BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, WM 1993, 265; BGH v. 5.12.1996 – IX ZR 53/96, WM 1997, 136. BGH v. 8.5.1956 – I ZR 63/55, NJW 1956, 1594; BGH v. 5.12.1996 – IX ZR 53/96, WM 1997, 136; Pepperhoff Bank-Archiv 1937/38, 44; Siebel BB 1954, 519 (521); ob diese Tilgungsreihe auch im Rahmen von § 50 Abs. 1 InsO gilt, hatte der BGH zunächst offengelassen (BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 132/07, ZIP 2008, 1539) und inzwischen bejaht (BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 83/10, ZInsO 2011, 630). A.A. AG Velbert v. 11.5.1982 – 11 C 176/82.

442 | Büchel

B. Auswirkungen der Insolvenz auf Zinsen und Provisionen | Rz. 2.336 Zweiter Teil

spruch nehmen1. Ihr Recht zur abgesonderten Befriedigung aus Sicherheiten wegen der Zinsen verliert die Bank nicht etwa dadurch, dass sie – wie es vereinzelt geschieht – bei dem aus Anlass der Verfahrenseröffnung zu bildenden außerordentlichen Rechnungsabschluss das Konto aufspaltet und die Zinsen auf einem besonderen Unterkonto verbucht. Denn insoweit handelt es sich nur um einen buchungstechnischen Vorgang, der auf den Bestand der gesicherten Forderung und den Umfang der Besicherung keinen Einfluss hat2. Gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter kann die Bank ihre Zinsansprüche nicht verfolgen. Denn die persönliche Haftung der Gesellschafter wird vom Insolvenzverwalter geltend gemacht (§ 93 InsO). Sie bezieht sich auch auf die Zinsforderungen seit der Verfahrenseröffnung, die zwar nachrangig sind, aber weiter entstehen.

2.333

Anders verhält es sich, wenn der Gesellschafter eine Bürgschaft übernommen hat, selbst wenn sich der Gesellschafter einer GmbH für ein Bankdarlehen verbürgt hat. Ihm gegenüber kann die Bank die Zinsen auch im Fall eines Insolvenzverfahrens der GmbH geltend machen, auch wenn die Zinsen von der GmbH wegen § 39 Abs. 1 Nr. 1, 5 InsO im Insolvenzverfahren der GmbH nur im Nachrang gefordert werden können.

2.334

III. Provisionen Den Zinsen werden gleichgestellt die im Bankgewerbe üblichen Provisionen, die ihrem Wesen nach Zinscharakter haben. Hierher gehören die Kreditprovision, die ein Entgelt für das mit dem Kredit verbundene Risiko darstellt, und die Überziehungsprovision, die auf Verfügungen im Rahmen von vereinbarten Überziehungskrediten und auf nicht vereinbarte Überziehungen3 erhoben wird4 sowie Verwaltungs- und etwaigen Bearbeitungsgebühren, sofern sie die Bearbeitungskosten während der gesamten Laufzeit des Kredits abdecken sollen5.

2.335

Bearbeitungsentgelte, die nicht periodisch gefordert werden, können dagegen nicht den Zinsen gleichgesetzt werden. Denn das Bearbeitungsentgelt soll insbesondere den vorvertraglichen Aufwand des Kreditinstituts abgelten, der im Zusammenhang mit der Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kunden und der Vertragsvorbereitung, so etwa für die Führung der Kundengespräche, der Erfassung der Kundenwünsche und der Kundendaten anfällt6. Hat die Bank dieses Entgelt bereits vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vereinnahmt, so muss der Insolvenzverwalter prüfen, ob die Entgeltvereinbarung individuell oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen worden ist. Denn die Vereinbarung von Bearbeitungsgebüh-

2.336

1 BGH v. 5.12.1996 – IX ZR 53/96, ZIP 1997, 120 = WM 1997, 136; OLG Hamm v. 29.10.1996 – 29 U 82/95, WM 1997, 710. 2 OLG Hamm v. 16.11.1984 – 20 U 132/83, WM 1985, 159 = WuB I A Nr. 14 AGB Banken 1.85 – Becker. 3 Die stillschweigende Honorierung von Überziehungen führt als konkludentes Verhalten zu einem Kreditvertrag (W. Obermüller Bank-Betrieb 1974, 204); zur Zulässigkeit von Überziehungszinsen s. OLG Düsseldorf v. 16.7.2015 – I-6 U 94/14, ZIP 2016, 158 = WM 2015, 2085. 4 Siebel BB 1954, 521; BGH v. 18.3.2003 – XI ZR 202/02, ZIP 2003, 840; zum Begriff vgl. OLG Hamm v. 15.10.1982 – 19 U 170/82, ZIP 1983, 292. 5 BFH v. 19.1.1978 – IV R 153/72, BB 1978, 743; allgemein zu Bankentgelten Rösler BankPraktiker 2019, 135. 6 OLG Düsseldorf v. 24.2.2011 – 6 U 162/10, JurionRS 2011, 29842; LG Braunschweig v. 22.3.2017 – 9 S 246/16, ZIP 2017, 1530 = ZInsO 2017, 980.

Büchel | 443

Zweiter Teil Rz. 2.336 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

ren1 in AGB wird sowohl in Geschäften mit Verbrauchern2 als auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr3 bis hin zum Avalkreditgeschäft4 für unwirksam gehalten5. Wenn eine Bank aufgrund einer unwirksamen Entgeltklausel vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Kunden Bearbeitungsgebühren vereinnahmt hat, kann der Insolvenzverwalter diese als ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern. Die Bank ist jedoch zur Aufrechnung mit ihrer Kreditforderung befugt, sofern diese noch nicht beglichen ist6.

2.336a

Ebenfalls nicht zu den Zinsen zählt die Bereitstellungsprovision, oft auch fälschlich als Bereitstellungszinsen bezeichnet. Sie stellen keine echten Zinsen im Sinne eines Entgeltes für die Überlassung von Kapital dar. Die Bereitstellungsprovision ist die Gegenleistung für die von der Bank übernommene Zusatzverpflichtung, dem Kunden die versprochenen Darlehensmittel während der vereinbarten Zeit auf Abruf zur Verfügung zu stellen7 und ein Entgelt dafür, dass die Bank entsprechende Liquiditätsvorsorge für die Ausleihung des Kredits treffen muss8. Sie darf nach Insolvenzeröffnung deshalb nicht mehr berechnet werden, weil die Bank den zugesagten Kredit im Insolvenzverfahren nicht mehr zu gewähren braucht (§§ 321, 490 Abs. 1 BGB) und üblicherweise auch nicht mehr gewährt (Einzelheiten s. Rn. 5.820 ff.).

1 Manchmal auch als Kostenbeteiligung bezeichnet, vgl BGH v. 17.10.2017 – XI ZR 157/16, ZIP 2017, 2343 Rn. 18. 2 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, ZIP 2014, 1369; BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, ZIP 2014, 1266; BGH v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, ZIP 2014, 2334; Bartlitz BKR 2015, 1; Piekenbrock ZBB 2015, 13; Zistler ZInsO 2015, 235; ablehnend AG Köln v. 22.6.2015 – 142 C 641/14, ZIP 2015, 2113; zur Darlehensgebühr von Bausparkassen s. BGH v. 8.11.2016 – XI ZR 552/15, ZIP 2016, 67 = mit Anm. Servatius ZIP 2017, 745. 3 BGH v. 16.10.2018 – XI ZR 593/16, ZIP 2018, 2261 = mit Anm. Bitter/Linardatos ZIP 2018, 2249; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, ZIP 2017, 1610; BGH v. 19.2.2019 – XI ZR 562/17, ZIP 2019, 698; BGH v. 19.2.2019 – XI ZR 562/17, WM 2019, 678; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, ZIP 2017, 1654; OLG Düsseldorf v. 15.7.2016 – 7 U 109/15; a.A. OLG Köln v. 13.7.2016 – 13 U 140/15; OLG Dresden v. 3.8.2016 – 5 U 138/16; LG München I v. 22.8.2014 – 22 O 21794/13, ZIP 2015, 967; LG Augsburg v. 16.12.2014 – 31 O 3164/14, ZIP 2015, 969; LG Kleve v. 18.8.2015 – 4 O 13/ 15, ZIP 2015, 1968; LG Frankfurt/M. v. 16.9.2015 – 2-19 O 41/15, ZIP 2015, 2314; einschränkend AG Nürnberg v. 15.11.2013 – 18 C 3194/13, ZIP 2014, 2437; Bitter ZIP 2018, 1203; Hanke/Adler WM 2015, 1313; Herweg/Fürtjes ZIP 2015, 1261. 4 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 238/16, ZIP 2018, 1436. 5 Die Entscheidungen können für die Erhebung aller üblichen laufzeitunabhängigen Entgelte, solcher wie Strukturierungsentgelte (Arrangement Fees), Bearbeitungsentgelte für bestimmte Rechtsgeschäfte, beispielsweise Vertragsänderungen (Amendment Fees) oder Verzichte (Waiver Fees), sowie Entgelte des Agenten/Konsortialführers und des Sicherheitentreuhänders (Agency Fees) von Bedeutung sein (Kysel WM 2018, 2266), so inzwischen für Treuhandaufträge zur Ablösung von Krediten BGH v. 10.9.2019 – XI ZR 7/19, ZIP 2019, 2201; zur Kritik an dieser Rspr. s. Bitter/Linardatos ZIP 2018, 1203; allgemein zu Bankentgelten Rösler BankPraktiker 2019, 135. 6 BGH v. 12.9.2017 – IX ZR 316/16, ZInsO 2017, 2693; AG Friedberg v. 30.10.2015 – 2 C 318/15 (12), ZInsO 2015, 2494 mit Anm. Zistler ZInsO 2016, 212; AG Göttingen v. 13.1.2016 – 21 C 97/ 15, ZIP 2016, 735; a.A. LG Braunschweig v. 22.3.2017 – 9 S 246/16, ZInsO 2017, 980, das eine Anfechtung der Aufrechnung als unentgeltliche Leistung zulässt, und Ludwig ZInsO 2016, 891. 7 BGH v. 7.7.2020 – XI ZR 542/18, WM 2020, 1532 Rn. 15; OLG Hamm v. 4.9.2019 – 31 U 108/18, ZIP 2020, 408; OLG Stuttgart v. 17.9.2019 – 6 U 110/18, ZIP 2019, 2294 = WM 2020, 15. 8 BGH v. 24.2.1983 – III ZR 104/82, WM 1983, 447; zur Kontrolle von Bereitstellungszins-Vereinbarungen nach AGB-Recht und § 138 BGB s. Rösler ZIP 2020, 1165; BGH v. 24.3.2020 – XI ZR 516/18, ZIP 2020, 1352.

444 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.346 Zweiter Teil

Soweit die Rechtsprechung die Vereinbarung von Kontoführungsgebühren noch gestattet1, endet die Berechnungsperiode mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kontoinhabers; etwa im Voraus zu viel entrichtete Gebühren sind der Masse zurückzuzahlen.

2.336b

Die Umsatzprovision, welche vereinzelt noch für die Dienstleistungen der Bank bei der Verbuchung der Umsätze vereinbart wird2, fällt dann nicht mehr an, wenn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das davon erfasste Konto keine Umsätze mehr geleitet werden3. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass vielfach noch nachträglich Zahlungen für den Schuldner eingehen und auf seinem Konto, welches alsdann der Verfügung des Insolvenzverwalters unterliegt, verbucht werden müssen. Die hierbei anfallende Umsatzprovision ist zu Lasten der Insolvenzmasse zu bezahlen. Wenn der Insolvenzverwalter ein Konto benötigt, um die noch laufenden Geschäfte abzuwickeln und etwaige Löhne und Gehälter sowie Steuern zu begleichen, so handelt es sich um ein neues Konto, für das eine Umsatzprovision vereinbart werden kann, die dann der Masse zur Last fällt.

2.337

IV. Auswirkungen des Insolvenzplans auf Zinsansprüche Zinsansprüche bilden im Planverfahren eine gesonderte Gruppe (§ 222 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Grundsätzlich soll ein Plan davon ausgehen, dass die Zinsansprüche aus der Zeit nach der Verfahrenseröffnung zu erlassen sind (§ 225 InsO). Im Übrigen wird die Zustimmung dieser Gläubiger zu einem Plan, der den Erlass dieser Zinsforderungen vorsieht, fingiert, wenn schon die Hauptforderungen der Insolvenzgläubiger nach dem Plan nicht voll befriedigt werden (§ 246 InsO).

2.338

V. Bilanzielle Behandlung Ob und inwieweit die Bank ihre Zinsforderungen in ihrer Bilanz ausweisen muss, hängt von der Einbringlichkeit der Zinsen ab. Ein Verzicht auf die Erfassung uneinbringlicher Zinsen in der Bilanz der Kreditinstitute ist zulässig, wenn auch die der Zinsberechnung zugrunde liegende Forderung wegen Uneinbringlichkeit bereits voll oder teilweise abgeschrieben bzw. wertberichtigt worden ist.

2.339

2.340–2.345

frei

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte Auch wenn der Girovertrag infolge der Insolvenzeröffnung erlischt, besteht die Pflicht der Bank zur Wahrung des Bankgeheimnisses im Verhältnis zu Dritten fort4. Änderungen ergeben sich jedoch im Verhältnis zu dem Verwalter. Hier ist zu unterscheiden zwischen Auskunftspflichten der Bank gegenüber dem Insolvenzverwalter und Auskunftspflichten des Insolvenzverwalters gegenüber der Bank.

1 2 3 4

S. z.B. zum Bausparkonto BGH v. 9.5.2017 – XI ZR 308/15, ZIP 2017, 1313. Zur Kritik s. Derleder/Metz ZIP 1996, 621. LG Nürnberg v. 18.7.1996 – 10 O 56/96, BB 1996, 2641. BGH v. 26.10.1953 – I ZR 156/52, BB 1953, 993.

Büchel | 445

2.346

Zweiter Teil Rz. 2.347 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

I. Auskunftspflichten der Bank 2.347

Auskunftspflichten können die Bank aufgrund Gesetzes, nämlich des offenen Arrestes nach § 28 InsO als auch aufgrund des Bankvertrages treffen.

1. Anzeigepflicht aufgrund des Eröffnungsbeschlusses 2.348

Durch den sog. offenen Arrest nach § 28 InsO wird die Bank verpflichtet, dem Insolvenzverwalter unverzüglich mitzuteilen, welche Sicherungsrechte sie an beweglichen Sachen oder an Rechten des Schuldners beansprucht. a) Umfang der Auskunftspflicht

2.349

Diese Aufforderung des Insolvenzgerichtes umfasst zunächst sämtliche Absonderungsrechte nach §§ 50, 51 InsO und auch Ersatzaussonderungsrechte (§ 48 InsO) sowie Rechte auf Ersatzabsonderung1. Das Sicherungsgut, die Art und der Entstehungsgrund des Sicherungsrechts und die gesicherte Forderung sind zu bezeichnen. Von Dritten bestellte Sicherheiten müssen zwar nicht angezeigt werden, sollten aber – wenn sich die Bank nicht ausnahmsweise gegenüber dem Drittsicherungsgeber zum Stillschweigen verpflichtet hat (s. Rn. 2.364 f.) – dem Insolvenzverwalter mitgeteilt werden, damit er etwa von dieser Seite angemeldete Regressansprüche beurteilen kann.

2.350

Anzugeben sind z.B. Depotwerte, und zwar auch dann, wenn sie sich in einem Gemeinschaftsdepot mit Einzelverfügungsbefugnis befinden, an dem der Schuldner beteiligt ist, es sei denn, der Bank ist ausnahmsweise positiv bekannt, dass die Werte materiell nur den anderen Depotinhabern zustehen. Das Gleiche gilt für Werte, die in einem Gemeinschaftsdepot mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis unterhalten werden und an denen die Bank ein Pfandrecht nach Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 AGB Sparkassen) beansprucht2. Die Anzeigepflicht setzt nämlich nicht mehr wie in § 118 KO voraus, dass der Gegenstand massezugehörig ist. Dies wäre wegen § 84 InsO, wonach die Auseinandersetzung einer Gesellschaft oder Gemeinschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens vorzunehmen ist, jedenfalls bei einem Gemeinschaftsdepot mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis nicht gegeben.

2.351

Grundpfandrechte muss die Bank nicht anführen. Denn § 28 Abs. 2 Satz 1 InsO beschränkt die Mitteilungspflicht ausdrücklich auf Rechte an beweglichen Sachen. Grundpfandrechte kann der Verwalter durch Einsicht in das Grundbuch feststellen. Dennoch dient eine Auflistung der Übersichtlichkeit. Der Anzeigepflicht der Bank unterliegt auch nicht der Umstand, dass der Kunde bei ihr ein Schließfach gemietet hat. An den im Schließfach befindlichen Gegenständen hat die Bank nämlich kein Pfandrecht, denn sie hat keinen Besitz oder Mitbesitz, sondern nur Mitverschluss3.

2.352

Die Bank braucht dem Insolvenzverwalter weder gegen sie gerichtete Geldforderungen des Schuldners noch sonstige schuldrechtliche Ansprüche, z.B. Ansprüche aus Wertpapierrechnung, anzuzeigen4. Denn das Gericht fordert die Schuldner in dem offenen Arrest lediglich

1 2 3 4

Hahn ZInsO 2018, 911; Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 28 Rn. 4. Vallender FS Uhlenbruck, 2000, 133. OLG Celle v. 5.10.1926 – 7 U 94/26, JW 1927, 73; RG v. 27.9.1932, WarnR 1933, Nr. 115. Laroche in HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 28 Rn. 14; RegE zu § 33 S.119.

446 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.355 Zweiter Teil

dazu auf, nicht mehr an den Schuldner zu leisten, sondern an den Verwalter. Es ist jedoch üblich und sinnvoll, die Anzeige zu erstatten; ein Muster für die Anzeige ist oben abgedruckt (Rn. 1.720). Kontoauszüge sind an den Insolvenzverwalter zu senden. Dies gilt auch dann, wenn keine Postsperre (§ 99 InsO) gegen den Schuldner verfügt ist. Vom offenen Arrest nicht umfasst sind sonstige Aussonderungsrechte, welche keinen Sicherungscharakter haben, wie z.B. Nutzungsüberlassungen1.

2.353

b) Unterlassen der Auskunft Solange die Bank ihrer Anzeigepflicht nach § 28 Abs. 2 InsO nicht nachgekommen ist, wird zugunsten des Insolvenzverwalters bzw. der Insolvenzmasse vermutet, dass an den beweglichen Gegenständen des Schuldners kein Sicherungsrecht besteht2. Dies entbindet den Insolvenzverwalter zwar nicht von seiner Pflicht zu prüfen, ob die im Besitz des Schuldners vorgefundenen Gegenstände zur Insolvenzmasse gehören. Die Prüfungspflicht des Insolvenzverwalters geht dabei jedoch nicht so weit, dass er von sich aus nachforschen muss, ob an den Gegenständen evtl. begründete Rechte Dritter bestehen und ob sich Anhaltspunkte für ein Aus- oder Absonderungsrecht ergeben3.

2.354

Wenn ein Gläubiger seine Mitteilung schuldhaft unterlässt oder verzögert, haftet er gem. für den daraus entstehenden Schaden (§ 28 Abs. 2 Satz 3 InsO). Die Schadensersatzpflicht des Gläubigers setzt dabei ein Verschulden gem. §§ 276, 278 BGB und einen adäquat verursachten Schaden der Insolvenzmasse gem. §§ 249 ff. BGB voraus. Bei dem Schadensersatzanspruch der Insolvenzmasse handelt es sich um einen Gesamtschaden der Gläubiger gem. § 92 InsO. Der Schaden kann im Entgehen einer besseren Verwertungsmöglichkeit bestehen. Der Schaden kann sich auch dadurch verwirklichen, dass der Insolvenzmasse Verwertungskosten entstehen oder eine Wertminderung eintritt, weil die betroffenen Gegenstände zwischenzeitlich nicht mehr veräußert werden können, so z.B. bei Waren mit begrenzter Haltbarkeit4.

2.354a

Demgegenüber scheidet eine Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters aus § 60 InsO in der Regel aus, wenn ihn der Gläubiger nicht oder nicht ausreichend über die Sicherheiten unterrichtet und der Insolvenzverwalter in Unkenntnis des Dritt- oder Sicherungsrechts Gegenstände aus dem Vermögen des Schuldners verwertet5.

2.354b

2. Auskunftspflicht auf Anfordern gegenüber dem Insolvenzverwalter Verlangt der Insolvenzverwalter von sich aus Angaben über die bei der Bank befindlichen Werte des Schuldners und über den Kontenstand, so muss die Bank ihm aufgrund des Bankvertrages diese Auskünfte erteilen. Insofern nimmt er nämlich im Rahmen seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 InsO Rechte des Schuldners wahr. Auf den Meinungsstreit, ob auch Art. 15 DSGVO im Insolvenzverfahren einen Auskunftsanspruch ge-

1 Hahn ZInsO 2018, 911. 2 Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 28 Rn. 6. 3 BGH v. 9.5.1996 – IX ZR 244/95, ZIP 1996, 1181; OLG Düsseldorf v. 10.9.1999 – 22 U 59/99, NZI 2000, 82. 4 Hahn ZInsO 2018, 911. 5 Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 28 Rn. 6.

Büchel | 447

2.355

Zweiter Teil Rz. 2.355 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

währt1, kommt es nicht an. Dementsprechend kann der Insolvenzverwalter auch Aushändigung der Konto- und Depotabschlüsse sowie der Tagesauszüge von der Bank verlangen.

2.356

Dies gilt auch dann, wenn der Kunde bei der Bank ein sog. Briefschließfach unterhält und die Mitteilungen bereits in dieses Fach eingelegt worden sind. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Insolvenzverwalters, sich von dem Kunden den Schlüssel zum Briefschließfach aushändigen zu lassen, andererseits kann die Bank dem Insolvenzverwalter die Herausgabe des Fachinhalts nicht verweigern, da dieser insoweit Rechte des Schuldners wahrnimmt.

2.357

Wenn die Auskunft ein Gemeinschaftskonto mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis betrifft, ist der Insolvenzverwalter nur gemeinsam mit dem oder den übrigen Kontoinhabern berechtigt, Auskünfte zu verlangen, beim Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsbefugnis ist er auf deren Mitwirkung nicht angewiesen2. Informationen über das Konto einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Mitglied der Schuldner ist, kann der Verwalter ebenfalls nicht kraft eigenen Rechts verlangen, da eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts außerhalb des Insolvenzverfahrens auseinanderzusetzen ist (§ 84 InsO) und die gesellschaftsvertraglichen bzw. gesetzlichen Vertretungsregelungen maßgebend bleiben3. Insoweit gilt für Auskünfte nichts anderes als für Verfügungen über das Konto.

2.358

Auskünfte über andere als die oben erwähnten Tatsachen kann der Verwalter von der Bank nicht beanspruchen. Insbesondere ist die Bank nicht verpflichtet, ihm Unterlagen über interne Überlegungen, Berichte, Diskussionen und ihren Wissenstand über die wirtschaftliche Situation des Kunden zu bestimmten Zeitpunkten zur Verfügung zu stellen, die der Verwalter benötigt, um etwaige Anfechtungsmöglichkeiten zu eruieren4. Der Insolvenzverwalter hat keinen Anspruch auf Auskunftserteilung gegen Gläubiger, die er im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch nehmen will5. Die InsO kennt weder Auskunftspflichten möglicher Anfechtungsschuldner gegenüber dem Insolvenzgericht noch gegenüber dem Verwalter als dem künftigen Gegner des Anfechtungsprozesses. Vielmehr gilt der Beibringungsgrundsatz. Keine Partei ist gehalten, dem Gegner das Material für seinen Prozesssieg zu verschaffen, wenn nicht materiell-rechtliche Auskunfts- und Vorlagepflichten bestehen oder die Grundsätze der sekundären Darlegungslast eingreifen6. Verweigert die Bank die Erteilung einer solchen Auskunft, so macht das einen von ihr gestellten Insolvenzantrag nicht unzulässig7. Vielmehr ist der Verwalter insoweit auf einen förmlichen Antrag nach §§ 421, 422, 424 ZPO oder durch Einsicht in Ermittlungsakten, die ihm die Staatsanwaltschaft gewähren muss8, verwiesen. Denn die Bank als Dritter kann im Insolvenzverfahren über fremdes Vermögen nicht schlech-

1 Ablehnend BVerwG v. 16.9.2020 – 6 C 10.19, ZIP 2020, 2585 = ZInsO 2020, 2658 Rn. 16; OVG Lüneburg v. 26.6.2019 – 11 LA 274/18, ZInsO 2019, 1671; bejahend Bleckat/Kor ZInsO 2020, 1457. 2 Huber ZInsO 2001, 289; Stephan WM 2009, 241. 3 Huber ZInsO 2001, 289. 4 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 58/06, ZIP 2009, 1823; zu den Konsequenzen für Auskunftsansprüche gegen Behörden s. Gundlach/Flöther NZI 2009, 719. 5 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 58/06, ZIP 2011, 1823; BGH v. 7.2.2008 – IX ZB 137/07, ZIP 2008, 565; Merz WM 1983, 106; Bruchner/Stützle, Leitfaden zu Bankgeheimnis und Bankauskunft, 2. Aufl. 1990, S. 20; Gaiser ZInsO 2002, 472. 6 FG Hamburg v. 4.4.2011 – 2 K 90/10, EFG 2011, 1591. 7 BGH v. 7.2.2008 – IX ZB 137/07, ZIP 2008, 565 = ZInsO 2008, 320. 8 LG Hildesheim v. 26.3.2007 – 25 Qs 17/06, NJW-RR 2008, 531.

448 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.360 Zweiter Teil

ter gestellt werden, als sie als Beklagte im Zivilprozess stünde; anderenfalls wäre der Grundsatz der Waffengleichheit verletzt1.

3. Wiederholung bereits erteilter Auskünfte Des Öfteren verlangen Insolvenzverwalter von der Bank auch Auskunft über Kontobewegungen, die schon eine gewisse Zeit zurückliegen, in der Annahme, hierdurch Anhaltspunkte für Anfechtungstatbestände zu finden.

2.359

Zwar hat die Bank ihre Pflicht zur Rechnungslegung in der Vergangenheit bereits durch Übersendung der entsprechenden Auszüge an den Kunden erfüllt2, so dass sie grundsätzlich nicht erneut abrechnen muss3. Zu einer nachträglichen Aufarbeitung der gesamten Geschäftsverbindung kann eine Bank grundsätzlich nicht verpflichtet werden4. Jeder Schuldner muss jedoch seinem Gläubiger Auskunft erteilen, wenn er in der Lage ist, dienliche Angaben zu machen, und der Gläubiger entschuldbar den Umfang seiner Rechte nicht kennt5. Deshalb gewährt § 242 BGB einen Auskunftsanspruch im Rahmen einer Sonderverbindung, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erfüllen kann6. Letztere Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Schuldner seiner Auskunftspflicht nach §§ 97, 101 InsO7 nicht nachkommt, da die Zwangsmittel nach § 98 InsO nicht immer zum Erfolg führen8 und der Insolvenzverwalter gegen den potentiellen Anfechtungsgegner in der Regel keine Auskunftsansprüche geltend machen kann9. Die Kosten hat der In-

2.360

1 AG Mönchengladbach v. 6.12.2002 – 32 IN 11/02, ZInsO 2003, 42. 2 Kirchherr/Stützle, Bankgeheimnis und Bankauskunft – Aktuelle Probleme aus Rspr. und Rechtspraxis, 2. Aufl. 1983, S. 44; LG München I v. 1.10.1976 – 33 O 13305/76, WM 1977, 569; Bilsdorfer DStZ 1984, 415; a.A. W. Obermüller (Die Erfüllung des Anspruchs, Diss. Würzburg 1934, S. 27 ff.), der einen Erfüllungsvertrag verlangt. 3 OLG Bamberg v. 6.2.1984 – 4 U 119/83, nicht veröffentlicht; OLG Celle v. 4.6.2008 – 3 U 265/07, EWiR § 666 BGB 1/08, S. 521; OLG Schleswig v. 18.11.1999 – 5 U 264/97, NJW-RR 2000, 780; Vallender FS Uhlenbruck, 2000, 133; BGH v. 30.1.2001 – XI ZR 183/00, ZIP 2001, 561 = WM 2001, 621. 4 OLG Celle v. 4.6.2008 – 3 U 265/07, EWiR § 666 BGB 1/08, S. 521. 5 BGH v. 22.4.1982 – III ZR 112/80, ZIP 1982, 827; BGH v. 4.7.1985 – III ZR 144/84, ZIP 1985, 1315; BGH v. 7.4.1992 – XI ZR 200/91, ZIP 1992, 757 = WM 1992, 977; BGH v. 14.7.1987 – IX ZR 57/86, WM 1987, 1127; BGH v. 28.2.1989 – XI ZR 91/88, WM 1989, 518 = WuB I B 3. – 3.89 Stützle; BGH v. 30.1.2001 – XI ZR 183/00, WM 2001, 621; OLG Frankfurt v. 28.6.1985 – 25 U 13/ 84, WM 1986, 27; Häsemeyer ZZP 80 (1967), 268 m.w.N.; BAG v. 27.6.1990 – 5 AZR 334/89, ZIP 1990, 1221. 6 LG Düsseldorf v. 28.5.2015 – 3 O 290/14, JurionRS 2015, 20225; BGH v. 8.2.2018 – III ZR 65/17, ZIP 2018, 1183 = WM 2018, 508. 7 Zu den Auskunftspflichten der Organe s. Laroche ZInsO 2015, 1469. 8 A.A. BAG v. 27.6.1990 – 5 AZR 334/89, ZIP 1990, 1221, und OLG Schleswig v. 14.5.2013 – 11 U 46/12, ZIP 2013, 1633, die die Zwangsmittel des § 101 Abs. 2 KO (= § 98 Abs. 2 InsO) grundsätzlich als den einfacheren Weg ansehen. 9 Vgl. BGH v. 18.1.1978 – VIII ZR 262/76, NJW 1978, 1002; BGH v. 29.5.1979 – VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316 = ZIP 1980, 25 = KTS 1980, 47; eine parallele Fragestellung ergibt sich für die Beziehung des Konkursverwalters zu einem Rechtsanwalt des Gemeinschuldners, vgl. Nassall KTS 1988, 633.

Büchel | 449

Zweiter Teil Rz. 2.360 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

solvenzverwalter der Bank zu erstatten; sie kann Vorauszahlung verlangen1. Für die Höhe des Entgelts sind die tatsächlich entstandenen Kosten maßgeblich und nicht ein Vergleich mit den Entgelten anderer Kreditinstitute2. Auch darf die Bank keine Gewinnmarge einkalkulieren3.

2.361

Zwar kann auch das Insolvenzgericht zur Aufklärung aller das Verfahren betreffenden Verhältnisse die erforderlichen Ermittlungen betreiben und von dem Schuldner Auskünfte einfordern und erzwingen (§ 97 Abs. 1 und 3, § 98 InsO4). Dritte kann es jedoch nicht zur Erteilung von Auskünften heranziehen und z.B. die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen anordnen5. Es darf nämlich nicht in den dem Insolvenzverwalter zugewiesenen Bereich der Insolvenzabwicklung vordringen, also bei der Erfassung der Masse und der Insolvenzforderungen tätig werden6. Daher darf es nicht von der Bank die Auskunft erzwingen, ob und welche Sicherheiten ihr für ihre Forderungen gegen eine GmbH (Schuldnerin) durch Gesellschafter bestellt sind.

2.362

Über ein Konto, das der Schuldner nach Insolvenzeröffnung eingerichtet hat, kann der Insolvenzverwalter grundsätzlich keine Auskünfte verlangen. Dieses Konto ist vom Insolvenzverfahren nicht erfasst (s. Rn. 2.228 ff.). Denn die Insolvenzeröffnung hindert den Kunden nicht, neue Bankverträge abzuschließen. Seine Verpflichtungs- und Geschäftsfähigkeit geht nicht verloren; als natürliche Person ist er nicht gehindert, durch Abschluss von Verträgen neue vermögensrechtliche Verpflichtungen zu begründen7. Wegen § 35 InsO kann er dieses Konto aber nur zur Aufnahme von pfändungsfreien Geldern verwenden; zweckmäßigerweise wird er heute die Form eines Pfändungsschutzkontos wählen. Ist er selbständig tätig und hat der Insolvenzverwalter diese Tätigkeit freigegeben, so schließt das die Einrichtung und Nutzung eines Kontos ein. Allerdings werden Banken aus Vorsichtsgründen meist eine ausdrückliche Freigabe dieses Kontos fordern. Natürlich wird ein Insolvenzverwalter interessiert sein, Auskünfte über die Kontobewegungen zu erhalten, um zu überprüfen, ob dort tatsächlich nur pfändungsfreie oder freigegebene Werte eingehen. Dieser Auskunftsanspruch richtet sich aber nur gegen den Kontoinhaber und nicht gegen die Bank. Andererseits ist eine Bank gut beraten, auf eine entsprechende Anfrage des Insolvenzverwalters die Kontobewegungen daraufhin zu überprüfen, ob dort offensichtlich insolvenzbefangene Zahlungen eingegangen sind und in solchen Fällen die Auskunft erteilen.

1 OLG Hamm v. 4.5.1992 – 31 U 186/91, WM 1992, 1100; OLG Frankfurt v. 25.5.2000 – 16 U 149/ 99, ZIP 2000, 1611; Vallender FS Uhlenbruck, 2000, 133. 2 BGH v. 17.12.2013 – XI ZR 66/13, ZIP 2014, 259. 3 OLG Frankfurt v. 23.1.2013 – 17 U 54/12, ZIP 2013, 452. 4 Zur Selbstbelastung des Schuldners und strafrechtlichem Verwertungsverbot s. Weyand ZInsO 2015, 1948; OLG Düsseldorf v. 1.6.2016 – III-2 Ws 299/16, ZInsO 2017, 2271 Rn. 17 ff.; BGH v. 26.7.2017 – 3 StR 52/17, ZInsO 2017, 2314; LG Münster v. 31.8.2017 – 12 Qs 45 Js 916/16, ZInsO 2017, 2443. 5 AG Mönchengladbach v. 6.12.2002 – 32 IN 11/02, ZInsO 2003, 42 verlangt einen förmlichen Antrag des Verwalters auf eine Entscheidung nach §§ 421, 422, 424 ZPO; a.A. Gaiser ZInsO 2002, 472; Stephan WM 2009, 241. 6 OLG Koblenz v. 12.10.1970 – 4 W 228/70, KTS 1971, 220. 7 OLG Celle v. 20.11.2002 – 7 U 63/02, ZInsO 2003, 128; LG Erfurt v. 30.10.2002 – 3 O 2992/01, ZIP 2002, 2325 = InVo 2003, 147.

450 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.364 Zweiter Teil

4. Freistellungsbefugnis des Insolvenzverwalters Vom Bankgeheimnis kann der Insolvenzverwalter die Bank freistellen1. Soll nämlich der Insolvenzverwalter die ihm kraft Gesetzes erteilte Aufgabe erfüllen, so müssen ihm unter Ausschluss des Schuldners diejenigen Befugnisse eingeräumt werden, ohne welche die Aufgabe nicht gelöst werden kann2. Für die Entbindung vom Bankgeheimnis ist keine bestimmte Form vorgeschrieben, die Bank wird aber Wert auf eine schriftliche Mitteilung legen3.

2.363

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person steht die Befugnis, einen Berufsgeheimnisträger von seiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber der juristischen Person zu entbinden, allein der juristischen Person zu, soweit sich aus dem Vertragsverhältnis eine alleinige Interessenwahrnehmung des Berufsgeheimnisträgers gegenüber der juristischen Person ableiten lässt4. Demzufolge erstreckt sich die Freistellungsbefugnis zwar nicht auf solche Tatsachen, die die Sphäre der Organe der Gesellschaft betreffen5 oder sich auf deren Vermögensverhältnisse beziehen, denn ein Gesellschafter ist nicht verpflichtet, über seine eigenen Vermögensverhältnisse und die Realisierbarkeit etwaiger gegen ihn gerichteter Ansprüche Angaben zu machen6, wohl aber auf Vorgänge, die sich auf das Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter beziehen, wie z.B. die Frage der vollständigen Einzahlung der Stammeinlagen7. Dies beruht darauf, dass die Freistellungsbefugnis des Insolvenzverwalters immer nur soweit reichen kann wie sein Recht zur Verwaltung und Verfügung über das Schuldnervermögen zum Zweck seiner Erfassung, Verwertung und Verteilung8. Demgemäß kann er die Bank vom Bankgeheimnis beispielsweise nicht im Rahmen eines Prozesses von Gläubigern des Schuldners untereinander befreien, der sich auf den Bestand der Masse nicht auswirkt. Soweit sich die Tatsachen nicht aufteilen lassen in solche, die nur die juristische Per-

2.364

1 RG v. 15.10.1904 – I 118/04, RGZ 59, 85; für das Anwaltsgeheimnis entsprechend BGH v. 30.11.1989 – III ZR 112/88, ZIP 1990, 48; OLG Düsseldorf v. 6.10.1993 – 3 W 367/93, ZIP 1993, 1807 = DB 1993, 2481; LG Bonn v. 13.2.2012 – 27 Qs-410 Js 511-10-21/11, ZInsO 2012, 1572; für Wirtschaftsprüfer LG Hamburg v. 6.8.2001 – 616 Qs 41/01, ZInsO 2002, 289; OLG Nürnberg v. 18.6.2009 – 1 Ws 289/09, ZInsO 2009, 2399. 2 LG Krefeld v. 14.5.1982 – 7 O 203/80, ZIP 1982, 861; BGH v. 30.11.1989 – III ZR 112/88, ZIP 1990, 48. 3 Weyand ZInsO 2018, 1889. 4 OLG Köln v. 1.9.2015 – 2 Ws 544/15, ZInsO 2016, 157; OLG Hamm v. 27.2.2018 – 4 Ws 9/18, ZInsO 2018, 1152; OLG Hamm v. 17.8.2017 – 4 Ws 130/17, ZIP 2018, 91 = ZInsO 2017, 2316 = mit Anm. Eschenfelder BB 2018, 370; ebenso zum Steuergeheimnis OVG Münster v. 24.11.2015 – 8 A 1032/14, ZInsO 2016, 159. 5 OLG Frankfurt v. 6.4.1988 – 19 U 137/86, WM 1989, 1171; OLG Schleswig-Holstein v. 27.5.1980 – 1 Ws 160 u. 161/80, ZIP 1980, 527 = BB 1980, 1288; OLG Nürnberg v. 19.7.1976 – 5 W 21/76, OLGZ 1977, 370 ff.; OLG Düsseldorf v. 14.12.1992 – 1 Ws 1155/92, wistra 1994, 120; OLG Zweibrücken v. 8.12.2016 – 1 Ws 334/16, ZInsO 2017, 443 = mit Kritk Weyand ZInsO 2017, 444; LG Düsseldorf v. 18.3.1958 – IIIa Qs 197/58, NJW 1958, 1152; LG Düsseldorf v. 19.2.1981 – XIII Qs 14/81; LG Düsseldorf v. 12.12.1980 – 11 O 57/79; LG Bonn v. 20.12.1978 – 3 O 245/78; a.A. OLG Nürnberg v. 18.6.2009 – I Ws 289/09, ZInsO 2009, 2399; Übersicht über die Rspr. s. Weyand ZInsO 2018, 1889; zum Zeugnisverweigerungsrecht vgl. Gülzow NJW 1981, 267. 6 BGH v. 5.3.2015 – IX ZB 62/14, ZIP 2015, 791. 7 LG Krefeld v. 14.5.1982 – 7 O 203/80, ZIP 1982, 861; Blumers/Göggerle, Handbuch des Verteidigers und Beraters im Steuerstrafverfahren, 2. Aufl. 1989, Rn. 651. 8 OLG Frankfurt v. 6.4.1988 – 19 U 137/86, WM 1989, 1171; OLG Düsseldorf v. 14.12.1992 – 1 Ws 1155/92, wistra 1994, 120; LG Lübeck v. 22.3.1983 – 5 O 46/81, ZIP 1983, 711; OLG Schleswig v. 2.6.1983 – 2 W 46/83, ZIP 1983, 968; Henckel ZIP 1983, 712.

Büchel | 451

Zweiter Teil Rz. 2.364 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

son betreffen, und solche, die sich nur auf die Organe beziehen, müssen letztere es jedoch hinnehmen, dass die Informationen offenbart werden1.

2.365

Das Interesse des Insolvenzverwalters, etwaige Ausgleichsansprüche nach den Regelungen über Gesellschafterdarlehen zu ermitteln, reicht zur Aufhebung des Bankgeheimnisses im Verhältnis zu den betroffenen Gesellschaftern nur dann aus, wenn die Bestellung der Gesellschaftersicherheit Gegenstand der Geschäftsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und der Bank war, etwa weil die Bank von der Gesellschaft die Einräumung oder Verstärkung von Sicherheiten gefordert hat2. Demgegenüber hat die Bank das Bankgeheimnis zu wahren, wenn die Sicherheit unmittelbar von den Gesellschaftern ohne Mitwirkung oder sogar ohne Wissen der Gesellschaft bestellt wurde.

5. Auskunftspflicht gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter 2.366

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet und einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzt, unterscheiden sich dessen Rechte und Pflichten danach, ob dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird oder ob dies nicht der Fall ist. a) Verwalter ohne Verfügungsverbot

2.367

Wenn der vorläufige Verwalter nicht von der Anordnung eines Verfügungsverbots begleitet wird, hat das Gericht seine Pflichten und damit auch seine Aufgaben und Rechte im Einzelnen festzulegen. Dies kann ein Zustimmungsvorbehalt sein. Das Insolvenzgericht kann sich aber auch darauf beschränken, ihn lediglich mit Prüfungsaufgaben zu betrauen; dann wird er meist als Gutachter oder Sachverständiger bezeichnet. Dieser ist berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen; der Schuldner hat ihm Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten und ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen (§ 22 Abs. 3 InsO)3. Im Übrigen dürfen seine Befugnisse nicht über diejenigen hinausgehen, die dem vorläufigen Verwalter im Fall der Anordnung eines Verfügungsverbots zustehen würden (§ 22 Abs. 2 InsO).

2.368

Vom Umfang seiner Befugnisse hängen demgemäß auch seine Auskunftsansprüche gegenüber der Bank ab4. Wenn ihm das Gericht lediglich Prüfungsrechte zugebilligt und Berichtspflichten auferlegt hat, bleiben die Kontobeziehungen des Kunden zu der Bank unberührt. Ohne die Mitwirkung des Schuldners kann der Verwalter dann nicht einmal Auskünfte von der Bank einholen5, denn die Auskunftsansprüche des § 22 Abs. 3 InsO stehen dem vorläufigen Verwalter nur gegenüber dem Kunden, nicht aber gegenüber dessen Bank zu6. Eine Einwil-

1 BGH v. 30.11.1989 – III ZR 112/88, ZIP 1990, 48; anders für das sog. Doppelmandat an einen Berufsgeheimnisträger durch Unternehmen und Geschäftsleiter OLG Hamm v. 17.8.2017 – 4 Ws 130/17, ZInsO 2017, 2316. 2 Obermüller WuB VI B § 75 KO 1.88. 3 Zu den Befugnissen des Gutachters gegenüber Dritten s. im einzelnen Jacobi/Böhme ZInsO 2019, 1357. 4 Kupka InVo 2005, 257. 5 Huber ZInsO 2001, 289; Sethe ZInsO 2008, 607; Vallender FS Uhlenbruck, 2000, 133; LG Göttingen v. 22.10.2002 – 10 T 57/02, ZIP 2002, 2269; für den Sequester Bollig KTS 1990, 599. 6 Dementsprechend wurde auch ein eigenes Auskunftsrecht des Vergleichsverwalters gegenüber dem Finanzamt verneint (OFD Düsseldorf v. 15.2.1982 – S 0130 B – St 31 H, ZIP 1982, 503).

452 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.370a Zweiter Teil

ligung des Kontoinhabers kann auch dann nicht unterstellt werden, wenn er selbst den Insolvenzantrag gestellt hat1 und nach § 20 Abs. 1 Satz 1 InsO zu einer Befreiung der Bank vom Bankgeheimnis verpflichtet sein sollte2. Das manchmal von vorläufigen Insolvenzverwaltern gebrauchte Argument, ohne die Auskünfte der Bank könnten sie ihre Aufgaben nicht erfüllen, mag zwar zutreffen, aus der Aufgabe folgt aber nicht zwangsläufig die Befugnis. Das Argument der Aufgabenerfüllung sollte gegen das Gericht verwendet werden, das mit der Ausstattung des Verwalters mit Befugnissen zu zögerlich war, und nicht gegen die Bank, die sich an ihre vertraglichen Verpflichtungen hält. Die Lücke in den Befugnissen des vorläufigen Verwalters kann das Gericht nicht dadurch schließen, dass es eine Vernehmung der zuständigen Mitarbeiter der Bank als Zeugen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 InsO) anordnet3. Die Mitarbeiter der Bank sind nämlich zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Im Insolvenzeröffnungsverfahren stehen sich Antragsteller und Antragsgegner als Parteien gegenüber, dieses Verfahren ist als quasi-streitiges Verfahren dem Zivilprozessverfahren mit der Folge angeglichen, dass sich die Mitarbeiter auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6, § 384 Nr. 3 ZPO, § 4 InsO berufen müssen, soweit die Informationen, deren Mitteilung begehrt wird, vom Bankgeheimnis erfasst werden4.

2.369

Das Gericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter allerdings durch einen entsprechenden Beschluss ermächtigen, bei Kreditinstituten Auskünfte einzuholen5. Dies stellt gegenüber dem allgemeinen Verfügungsverbot und dem Zustimmungsvorbehalt das mildere Mittel dar und ist deshalb von dem durch § 21 Abs. 1 InsO vorgegebenen Rahmen gedeckt. Das Insolvenzgericht kann aber auch einen Zustimmungsvorbehalt anordnen, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht überschaubar sind und dessen Seriosität und Vertrauenswürdigkeit infrage steht, etwa dann, wenn er einem Auskunftsverlangen des Sachverständigen nicht nachkommt6 oder sonstige Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung verweigert.

2.370

Außerdem kann es auch schon im Antragsverfahren eine Postsperre (§ 99 InsO) anordnen. In dem Beschluss ist seit der Liberalisierung des Postdienstleistungsmarktes anzugeben, welche Unternehmen davon betroffen sind oder ob die Anordnung für alle Postsendungen gilt (§ 99 Abs. 1 Satz 1 InsO). Eine umfassende Postsperre erfasst alle verkörperten Sendungen und Mitteilungen wie Briefe, Postkarten, Pakete, Päckchen, Zeitungen, Zeitschriften, Telegramme oder Telefaxschreiben sowie E-Mails7. Damit kann das Insolvenzgericht dafür sorgen, dass der vorläufige Verwalter alle für den Schuldner bestimmten Nachrichten, insbesondere Kontoauszüge erhält. Der Beschluss richtet sich aber nur gegen die Postunternehmen und

2.370a

1 Huber ZInsO 2001, 289. 2 Zu einer solchen Verpflichtung s. Stephan WM 2009, 241. 3 AG Mönchengladbach v. 6.12.2002 – 32 IN 11/02, ZInsO 2003, 42; AG Charlottenburg v. 11.2.2019 – 36a IN 4993/18, ZInsO 2019, 625 = mit Anm. Haarmeyer ZInsO 2019, 625; Sethe ZInsO 2008, 607. 4 Vallender FS Uhlenbruck, 2000, 133; Huber ZInsO 2001, 289; zum Erfordernis der Einholung einer Aussagegenehmigung für Sparkassenmitarbeiter nach § 376 Abs. 1 ZPO vgl. LG Göttingen v. 22.10.2002 – 10 T 57/02, ZIP 2002, 2269. 5 AG Duisburg v. 27.9.2000 – 60 IN 27/00, NZI 2000, 606; AG Göttingen v. 5.9.2002 – 74 IN 269/ 02, ZInsO 2002, 943; a.A. LG Göttingen v. 22.10.2002 – 10 T 57/02, ZIP 2002, 2269; AG Hannover v. 21.1.2015 – 909 IN 672/14-9, ZInsO 2015, 418; AG Charlottenburg v. 11.2.2019 – 36a IN 4993/ 18, ZInsO 2019, 625 = mit Anm. Haarmeyer ZInsO 2019, 625. 6 LG Stuttgart v. 9.8.2018 – 19 T 200/18, ZInsO 2019, 2172. 7 Schilken in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2007, § 99 Rn. 21; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 99 Rn. 10.

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Zweiter Teil Rz. 2.370a | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

nicht gegen den Absender. Eine direkte Zusendung an den vorläufigen Verwalter ist der Bank damit noch nicht erlaubt. b) Verwalter mit Verfügungsverbot

2.371

Wird ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dies gibt ihm die Befugnis, in gleicher Weise wie der endgültige Verwalter von der Bank Auskünfte zu verlangen1. An eine Mitwirkung des Kunden ist er nicht gebunden.

2.372

Das Insolvenzgericht kann die Befugnisse des vorläufigen Verwalters ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gegenüber dem Kreditinstitut des Schuldners dadurch erweitern, dass es ihm ein besonderes Verfügungsverbot bezüglich seiner Vermögenswerte bei diesem Kreditinstitut auferlegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO). Dies stellt ein rechtliches Minus zu einem allgemeinen Verfügungsverbot dar. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist dann befugt, in gleicher Weise wie der Schuldner vor Anordnung des besonderen Verfügungsverbots von dem Kreditinstitut Auskünfte zu allen nicht offenkundigen Tatsachen, die dem Kreditinstitut im Rahmen seiner Geschäftsbeziehung mit dem Schuldner bekannt werden, zu verlangen, wobei der Auskunftsanspruch sich auf jene Tatsachen erstreckt, die sich auf massezugehörige Gegenstände beziehen2.

6. Verwalter im Insolvenzplanverfahren 2.373

In Insolvenzplanverfahren ist der Insolvenzverwalter in gleicher Weise wie im Liquidationsverfahren berechtigt, Auskünfte von der Bank einzufordern. Diese Befugnis endet mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn ein Überwachungsverfahren vorgesehen ist. Insoweit besteht allerdings die Möglichkeit, im Insolvenzplan festzuschreiben, dass dem Verwalter entsprechende Befugnisse eingeräumt werden.

7. Sachwalter bei Eigenverwaltung 2.374

Bei Eigenverwaltung verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse grundsätzlich beim Schuldner3. Dies bedeutet, dass er Vertragspartner und damit auch Geheimnisherr bleibt bzw. wieder wird; nur ihm gegenüber ist Rechnung zu legen und ihm gegenüber muss das Kreditinstitut das Bankgeheimnis wahren. Die in § 274 Abs. 2 InsO dem Sachwalter zugebilligten Informationsansprüche richten sich, wie der Verweis auf die entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 3 InsO zeigt, allein gegen den Schuldner und nicht gegen dessen Kreditinstitut4. Erst mit der Übertragung der Kassenführung erhält der Sachwalter die Befugnis, eingehende Gelder entgegennehmen und Zahlungen selbst leisten zu können. In diesem Rahmen hat er korrespondierend Auskunfts- bzw. Rechnungslegungsansprüche gegen das Kreditinstitut des Schuldners; er kann allerdings keine Auskünfte über Vorgänge aus der Vergangenheit einholen. 1 Vallender FS Uhlenbruck, 2000, 133; LG Göttingen v. 22.10.2002 – 10 T 57/02, ZIP 2002, 2269 = ZVI 2002, 466. 2 Vallender FS Uhlenbruck, 2000, 133. 3 Pape in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2009, Kap. 24 Rn. 50, 56; Vallender WM 1998, 2129 (2134 f.). 4 S. auch Pape in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2009, Kap. 24 Rn. 36.

454 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.375c Zweiter Teil

8. Sachwalter im Schutzschirmverfahren Bei Zulassung eines Schutzschirmverfahrens verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse grundsätzlich beim Schuldner. Der Sachwalter kann daher ohne Vollmacht des Schuldners keine Auskünfte von der Bank verlangen.

2.374a

9. Verbraucherinsolvenzverfahren Im Verbraucherinsolvenzverfahren sind Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter in erhöhtem Maße auf die Unterstützung durch Dritte bei der Ermittlung ihrer Entscheidungsgrundlagen angewiesen. Das Gesetz gibt ihnen jedoch – abgesehen von der sanktionslosen Verpflichtung der Gläubiger, dem Schuldner eine schriftliche Aufstellung ihrer Forderungen zu erteilen (§ 305 Abs. 2 InsO) – keine weitergehenden Befugnisse.

2.375

a) Auskunftsanforderungen durch das Insolvenzgericht Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Schuldenbereinigung hat das Gericht den Antrag auf seine Vollständigkeit zu überprüfen, gegebenenfalls Ergänzungen zu fordern und die Gläubiger zu benachrichtigen. Das Gericht kann sich auf eine Plausibilitätsprüfung beschränken. In Zweifelsfällen muss es dem Schuldner aufgeben, seine Angaben zu belegen (§§ 97, 98 InsO1). Dritte, insbesondere Banken, kann es nicht zur Auskunftserteilung heranziehen2. Eine Verpflichtung, Auskunft zu erteilen, ergibt sich auch nicht aus analoger Anwendung von § 840 ZPO. Generell mag man zwar darüber nachdenken können, ob nicht der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen der Regelungen in §§ 80 ff. InsO eine vergleichbare Wirkung wie der Pfändung in das Vermögen des Schuldners zukommt. Eine analoge Übertragung der Pflichten des Drittschuldners aus § 840 ZPO bei der Forderungspfändung scheitert aber zum einen daran, dass eben gerade noch kein Insolvenzverfahren eröffnet, sondern erst das Stadium des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens erreicht worden ist. Zum anderen scheitert eine analoge Anwendung von § 840 ZPO daran, dass in der Insolvenzordnung detaillierte Regelungen zu den Auskunftspflichten getroffen worden sind und Auskunftspflichten für die Schuldner des Insolvenzschuldners selbst im eröffneten Verfahren gerade nicht vorgesehen wurden. Deshalb ist anerkannt, dass ein Insolvenzverwalter, der Auskünfte benötigt, diese aufgrund seiner gesetzlichen Auskunftsrechte vom Insolvenzschuldner einholen muss, da es eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Auskunftspflicht im Bürgerlichen Recht nicht gibt3.

2.375a

b) Auskunftsanforderungen durch den Treuhänder Der Insolvenzverwalter hat im Verbraucherinsolvenzverfahren die gleichen Rechte wie im Regelinsolvenzverfahren und deshalb auch die gleichen Auskunftsansprüche. Dieses Auskunftsrecht endet mit der Aufhebung des Verfahrens.

2.375b

Wenn sich an das Insolvenzverfahren ein Restschuldbefreiungsverfahren anschließt, hat der Treuhänder, der in der sog. Wohlverhaltensperiode die ihm abgetretenen Lohn- und Gehaltsansprüche des Schuldners geltend machen und überwachen muss, ob der Schuldner seinen

2.375c

1 Zur Selbstbelastung des Schuldners und strafrechtlichem Verwertungsverbot s. Weyand ZInsO 2015, 1948. 2 Zu den Auskunftspflichten gegenüber dem Insolvenzverwalter s. Rn. 2.355 ff. 3 BGH v. 18.1.1978 – VIII ZR 262/76, WM 1978, 373.

Büchel | 455

Zweiter Teil Rz. 2.375c | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Obliegenheiten nachkommt (Einzelheiten s. Rn. 1.1450 ff.), keine Auskunftsansprüche gegen Dritte. Falls der Schuldner selbst ein Konto besitzt, das der Aufnahme von insolvenzfreiem Vermögen wie z.B. einer Erbschaft dient, stehen die Auskunftsansprüche gegen die Bank nur dem Schuldner zu. Der Treuhänder muss sich insoweit an den Schuldner wenden.

10. Gläubigerausschuss 2.376

Die Bank ist weder dem Gläubigerausschuss als Gremium noch einem einzelnen Ausschussmitglied zu Auskünften verpflichtet. Der Gläubigerausschuss muss sich entweder an den Insolvenzverwalter oder an den Insolvenzschuldner (§ 97 InsO) wenden.

II. Auskunftsansprüche der Bank 1. Auskunftsansprüche im Eröffnungsverfahren 2.377

Im Eröffnungsverfahren stehen der Bank gegenüber dem vorläufigen Verwalter unabhängig davon, welche Befugnisse das Insolvenzgericht ihm eingeräumt hat, keine Auskunftsansprüche zu. §§ 167, 168 InsO verpflichten erst den endgültigen Insolvenzverwalter. Schuldrechtliche Ansprüche aus §§ 666, 681 BGB treffen nur den Kunden, binden aber nicht den vorläufigen Verwalter.

2. Auskunftsansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren 2.378

Grundsätzlich muss der Insolvenzverwalter zwar nur einem etwaigen Gläubigerausschuss und der Gläubigerversammlung und nicht jedem Gläubiger Auskunft geben (§§ 69, 79 InsO)1. Er ist aber der Bank gegenüber zur Auskunft und Rechenschaftslegung verpflichtet, wenn er einen zur Masse gehörenden Gegenstand verwahrt, an dem der Bank ein Absonderungsrecht zusteht (§ 167 InsO) (Einzelheiten s. Rn. 6.1117 ff.). Eine Auskunftspflicht besteht auch, wenn die Bank für ihren insolventen Kunden ein Aval übernommen hat und sich über den Stand der Hauptschuld vergewissern will2.

2.379

Allgemeine Sachstandsanfragen z.B. über Verfahrensdaten oder Quotenaussichten muss der Verwalter außerhalb der Gläubigerversammlung grundsätzlich nicht beantworten3. Im Übrigen bemisst sich der Umfang der Auskunftspflicht – sofern keine Verschwiegenheitspflicht besteht4 – jedenfalls dann, wenn sie als Nebenverpflichtung der Durchsetzung anderer Ansprüche dienen soll, nach der Zumutbarkeit (§ 242 BGB) und damit nach einer sinnvollen Relation zwischen Arbeits- und Zeitaufwand auf Seiten des Auskunftspflichtigen5 und dem schutzwürdigen Interesse auf Seiten des Auskunftsberechtigten; das gilt besonders bei der Auskunftspflicht des Insolvenzverwalters, der im Interesse aller Beteiligten auf eine zügige Verfahrensabwicklung bedacht sein muss6. Einen Auskunftsanspruch, dessen Erfüllung zu zeit- oder arbeitsaufwendig wäre, kann der Insolvenzverwalter auch in anderen als den in § 167 InsO ge-

1 2 3 4 5 6

BGH v. 29.11.1973 – VII ZR 2/73, WM 1974, 54; Heidland, BRAK-Mitt. 1978, 74. OLG Karlsruhe v. 25.10.1995 – 6 U 26/95, MDR 1996, 487. Sponagel DZWIR 2011, 270 m.w.N. S. im Einzelnen Deckenbrock/Fleckner ZIP 2005, 2290. Bruder ZVI 2004, 332. BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 101/76, BGHZ 70, 85; s. umfassende Darstellung bei Uhlenbruck KTS 1989, 527.

456 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.380 Zweiter Teil

regelten Fällen dadurch abwehren, dass er dem Gläubiger die Möglichkeit eröffnet, selbst Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu nehmen1. Gläubiger sollten deshalb in der Gläubigerversammlung darauf hinwirken, dass der Verwalter sich verpflichtet, in kurzen Abständen Berichte zu liefern. Inzwischen gehen Insolvenzverwalter immer mehr dazu über, Gläubigerinformationssysteme einzurichten, die es den Gläubigern ermöglichen, auf elektronischem Wege Akteneinsicht zu nehmen2. Die Bank ist in ihrer Eigenschaft als Gläubigerin berechtigt, Einsicht in die Akten des Insolvenzgerichts3 und ein etwa erstattetes Gutachten4 zu nehmen (§ 4 InsO, § 299 ZPO5). Dies gilt auch bei Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse6, nach Löschung der Firma und selbst dann, wenn die Akteneinsicht dazu dienen soll, Kenntnisse über weitere Möglichkeiten zur Rechtsverfolgung gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer zu gewinnen7. Akteneinsicht kann einem Insolvenzgläubiger festgestellter oder unbestrittener Forderungen nicht verwehrt werden wegen des Verdachts, der Gläubiger habe seine Insolvenzforderungen nur aus gewerblichem Interesse erworben und könne/werde die bei der Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnisse dazu nutzen, Mitgläubiger anzuschreiben und ihnen Kaufangebote zu machen8. Selbst wenn ein Gläubiger seine Forderung noch nicht angemeldet hat, kann er Akteneinsicht erhalten, wenn er ein rechtliches Interesse glaubhaft machen kann (§ 4 InsO, § 299 Abs. 2 ZPO). Sofern seine Forderung unstreitig ist, muss er zur Begründung des Einsichtsgesuchs kein besonderes rechtlich geschütztes Interesse dartun. Ein Gläubiger muss nämlich die Möglichkeit

1 BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061; LG Baden-Baden v. 20.6.1989 – 4 O 111/88, ZIP 1989, 1003; OLG Karlsruhe v. 15.12.1989 – 15 U 116/89, ZIP 1990, 187. 2 Die Kosten können der Masse nicht gesondert in Rechnung gestellt werden, sondern sind mit der Vergütung abgegolten (BGH v. 14.7.2016 – IX ZB 62/15, ZIP 2016, 1645 = ZInsO 2016, 1647), allerdings kann die Existenz eines solchen Systems ein Argument für die Auswahl des Insolvenzverwalters bilden. 3 Uhlenbruck AnwBl. 1971, 331; Pape ZIP 1997, 1367; Schmeel MDR 1997, 437; einschränkend LG Hannover v. 11.8.1983 – 5 O 240/83, KTS 1984, 499; OLG Frankfurt v. 27.6.2005 – 20 VA 2/04, ZInsO 2005, 1327; OLG Stuttgart v. 26.9.2002 – 19 VA 8/02, NZI 2002, 663 für Gläubiger titulierter Forderungen; Einzelheiten s. Graf/Wunsch ZIP 2001, 1800; Heeseler ZInsO 2001, 873; demgegenüber rechtfertigt der Wunsch, eine etwaige Haftung der Geschäftsführer des Unternehmens wegen Insolvenzantragsverschleppung festzustellen, keinen Anspruch auf Akteneinsicht (OLG Köln v. 18.8.1997 – 7 VA 4/97, WM 1998, 1091; OLG Brandenburg v. 5.9.2002 – 11 VA 11/02, ZIP 2002, 2320 = ZVI 2002, 360). 4 OLG Düsseldorf v. 17.12.1999 – 3 Va 11/99, ZIP 2000, 322. 5 OLG Celle v. 31.8.2006 – 4 W 151/06, ZIP 2007, 299. 6 Kind/Heinrich NZI 2006, 433. 7 OLG Hamburg v. 14.8.2001 – 2 VA 6/00, ZIP 2002, 266; BGH v. 5.4.2006 – IV AR (VZ) 1/06, DB 2006, 1368; OLG Celle v. 2.3.2006 – 4 W 16/06, NZI 2006, 475; zu den Grenzen des Einsichtsrechts s. BVerfG v. 27.5.2002 – 2 BvR 742/02, DB 2002, 2588; OLG Dresden v. 3.11.2003 – 6 VA 8/ 03, ZInsO 2003, 1148; Fölsing ZInsO 2016, 1734; zum Einsichtsrecht eines Gesellschaftsgläubigers in die Akte eines abgeschlossenen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters BayObLG v. 8.4.2020 – 1 VA 132/19, ZIP 2020, 978. 8 BGH v. 7.5.2020 – IX ZB 56/19, ZIP 2020, 1138 = ZInsO 2020, 1367 Rn. 8; LG München I v. 9.9.2019 – 14 T 10502/19, ZInsO 2019, 2117 = mit Kritik von Palenker ZIP 2020, 1109.

Büchel | 457

2.380

Zweiter Teil Rz. 2.380 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

haben, sich wenigstens1 mittels Akteneinsicht Klarheit darüber zu verschaffen, ob eine Teilnahme am Insolvenzverfahren überhaupt sinnvoll ist2.

2.381

Aushändigung oder Übersendung der Akten kann die Bank allerdings grundsätzlich nicht verlangen3. Eine zu enge Auslegung des Akteneinsichtsrechts in diesem Sinne würde aber unberücksichtigt lassen, dass der grundsätzlich gegebene Anspruch auf Akteneinsicht gerade in Insolvenzsachen, in denen Gläubiger ihren Sitz häufig sehr weit vom Sitz des Insolvenzgericht entfernt haben, möglicherweise dadurch unterlaufen werden kann, dass zwar formal Einsicht in die Insolvenzakten bewilligt, tatsächlich aber diese Einsicht dadurch unmöglich gemacht wird, dass der Gläubiger finanzielle Aufwendungen durch die Einsicht hat, die außer Verhältnis zu dem Nutzen einer solchen Einsicht stehen4.

2.382

Neben dem Anspruch auf Akteneinsicht haben Gläubiger ein uneinschränkbares Recht darauf, dass ihnen auf Antrag durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilt werden; die Geschäftsstelle kann diese Tätigkeit von der vorherigen Zahlung eines Geldbetrages zur Deckung der Auslagen abhängig machen5.

2.383

Massegläubiger sind grundsätzlich Dritte im Sinn des § 299 Abs. 2 ZPO, da sie ihre Ansprüche außerhalb des Insolvenzverfahrens und unabhängig von diesem geltend machen und befriedigt bekommen können. Um Einsicht in die Insolvenzakten nehmen zu können, müssen sie deshalb anders als die Insolvenzgläubiger ein rechtliches Interesse glaubhaft machen. Wirtschaftliche Interessen reichen dazu nur aus, wenn sie einen rechtlichen Bezug zum Streitstoff der Akten aufweisen und der Interessenkreis des Gläubigers durch das Verfahren konkret berührt wird. Für eine Bank, die einen Massekredit eingeräumt hat, ergibt sich dieses rechtliche Interesse schon daraus, dass aus dem Kredit der Insolvenzverwalter für die Masse entsprechend berechtigt und verpflichtet wird und im Hinblick auf dieses Rechtsverhältnis anzustellende Erwägungen für den Ablauf des Insolvenzverfahrens von Bedeutung sind6.

2.384

Auch die Bank ist grundsätzlich Dritte in Strafverfahren oder Zivilverfahren, die gegen Geschäftsleiter des Schuldnerunternehmens gerichtet sind. Ihr Recht auf Einsicht in diese Akten bestimmt sich daher nach den allgemeinen Vorschriften über die Akteneinsicht. Unabhängig davon, ob die Bank als Verletzte nach § 406e StPO anzusehen ist oder als Dritte nach § 475 StPO, kann sie die Akteneinsicht nur durch einen Rechtsanwalt vornehmen lassen und muss zudem ein berechtigtes Interesse darlegen. Bei einem Einsichtsbegehren zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche darf die Akteneinsicht nicht auf eine Ausforschung hinauslaufen oder einer nach dem Zivilrecht „unzulässigen Beweisgewinnung“ dienen7.

2.385

Die Bank ist auch dann berechtigt, Einsicht in die Akten des Insolvenzgerichts zu fordern, wenn sie nicht Gläubigerin ist, sich aber einem Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters 1 Besser wäre ein Anspruch auf Auskunftserteilung durch das Insolvenzgericht (Smid DZWIR 2009, 397). 2 OLG Celle v. 19.1.2004 – 2 W 118/03, ZIP 2004, 370; a.A. LG Düsseldorf v. 20.2.2007 – 25 T 85/ 07, ZIP 2007, 1388, das ein Akteneinsichtsrecht auf Gläubiger beschränken will, deren Forderungen nicht nur angemeldet, sondern auch unbestritten sind. 3 OLG Köln v. 25.4.1983 – 2 U 55/83, Rpfl. 1983, 325. 4 OLG Celle v. 12.1.2004 – 2 W 95/03, ZIP 2004, 368 = ZInsO 2004, 154. 5 LG Karlsruhe v. 8.3.2004 – 11 T 90/04, ZIP 2004, 2070 = ZInsO 2004, 690. 6 OLG Frankfurt v. 18.1.2010 – 20 VA 9/09, ZIP 2010, 1811 = mit Anm. Lackhoff/Vogel ZInsO 2011, 1974. 7 LG Hamburg v. 19.6.2018 – 618 Qs 20/18, ZIP 2019, 432 = ZInsO 2019, 1316.

458 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.400 Zweiter Teil

aufgrund einer Anfechtung ausgesetzt sieht1. Die Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs begründet nämlich ein rechtliches Interesse des Anfechtungsgegners i.S.d. § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 2 ZPO.

3. Auskunftsansprüche gegenüber dem Gläubigerausschuss Auskunftsansprüche gegenüber dem Gläubigerausschuss als Organ oder seinen Mitgliedern stehen einzelnen Gläubigern nicht zu. Sie können auch keine Einsicht in dessen Akten verlangen. Die Unterlagen des Gläubigerausschusses sind nicht Bestandteil der gerichtlichen Insolvenzakte und daher einem Einsichtsrecht nach § 299 Abs. 1 ZPO entzogen2. Das gilt auch für andere Schriftstücke, die einen unlösbaren Bezug zu den Unterlagen des Gläubigerausschusses aufweisen.

2.386

4. Auskunftsansprüche nach Beendigung des Insolvenzverfahrens Noch weiter eingeschränkt sind die Auskunftspflichten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens3. Ein Auskunftsanspruch von Aussonderungsberechtigten kommt in der Regel nur noch in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter die Auskunft ohne weiteren Zeitaufwand aus der Erinnerung heraus zu erteilen vermag; Nachforschungen anhand noch vorhandener Unterlagen sind ihm allenfalls dann zumutbar, wenn er die Erfüllung des Auskunftsbegehrens bis zur Verfahrenseinstellung hinausgezögert hatte4.

2.387

Unberührt bleibt der Anspruch des Gläubigers auf Akteneinsicht, der selbst nach Erteilung der Restschuldbefreiung noch geltend gemacht werden kann5.

2.388

frei

2.389–2.399

III. Auskunftsrechte der Bank Aufgrund der Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem Kunden entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis mit Verhaltens- und Schutzpflichten6, aber ohne primäre Leistungspflichten, die erst durch weitere Verträge wie z.B. einen Zahlungsdienstevertrag zustandekommen. Dieses gesetzliche Schuldverhältnis wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden nicht beendet. Daher bleibt die Pflicht der Bank zur Einhaltung des Bankgeheimnisses grundsätzlich unberührt. Bestimmte Informationen dürfen jetzt jedoch weitergegeben werden, ebenso ist in gewissem Umfang auch die Unterrichtung von Geschäftspartnern zulässig. So gibt es im Zahlungsverkehr Warnpflichten und entsprechende -rechte, Auskunftsrechte im Bankauskunftsverfahren und das Recht zu Mitteilungen an die Schufa.

1 BayObLG v. 3.12.2019 – 1 VA 70/19, ZInsO 2020, 2209. 2 LG Landshut v. 20.7.2015 – 33 T 1203/15, ZIP 2015, 1554. 3 LG Köln v. 26.11.1981 – 8 O 153/81, ZIP 1982, 338; vgl. auch OLG Köln v. 12.7.1956 – 7 U 26/56, NJW 1957, 1033. 4 OLG Köln v. 14.7.1982 – 2 U 20/82, ZIP 1982, 1107. 5 KG v. 12.4.2016 – I VA 14/15, ZInsO 2016, 982. 6 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 345/01, ZIP 2002, 2082 = WM 2002, 2281; vgl. dazu im Einzelnen Mülbert in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 3.5 ff.; Roth, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/147. Lfg., Rn. 2/8 ff.

Büchel | 459

2.400

Zweiter Teil Rz. 2.401 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

1. Zahlungsverkehr 2.401

Vor der nahezu vollständigen Automatisierung des Zahlungsverkehrs wurde die Auffassung vertreten, die Bank des Zahlungsempfängers müsse, wenn sie Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden oder auch nur vom unmittelbaren Bevorstehen seines wirtschaftlichen Zusammenbruchs habe, unter bestimmten Umständen nach Treu und Glauben den Zahlungsauftraggeber warnen. Solche Fälle kommen heute nur noch in extremen Ausnahmesituationen vor (Einzelheiten s. Rn. 3.111 ff.).

2.402–2.404

frei

2. Bankauskunftsverfahren 2.405

Bankauskünfte sind ein wichtiges Instrument des Wirtschaftslebens zur raschen Information über die Kreditwürdigkeit eines Geschäftspartners1. Die Erteilung solcher Bonitätsauskünfte steht aber in einem Spannungsverhältnis zur Verschwiegenheitspflicht. Mit dem Bankauskunftsverfahren ist im Laufe der Jahrzehnte eine Praxis entwickelt worden, die dem Interesse des Auskunftsbegehrenden wie dem des „Beauskunfteten“ unter voller Beachtung der Grundsätze des Bankgeheimnisses in gleicher Weise Rechnung trägt2: Die Bankauskunft enthält „allgemein gehaltene Feststellungen und Bemerkungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, seine Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit; betragsmäßige Angaben über Kontostände, Sparguthaben, Depot- oder sonstige der Bank anvertraute Vermögenswerte sowie Angaben über die Höhe von Kreditinanspruchnahmen werden nicht gemacht“ (Nr. 2 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 3 Abs. 1 AGB Sparkassen). Die Bank ist grundsätzlich befugt, über juristische Personen und im Handelsregister eingetragene Kaufleute Bankauskünfte zu erteilen, sofern sich die Anfrage auf ihre geschäftliche Tätigkeit bezieht und diese keine anderslautende Weisung erteilt haben (Nr. 2 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 3 Abs. 2 AGB Sparkassen)3. a) Berechtigung zur Erteilung einer Bankauskunft

2.406

Diese Berechtigung einer Bank zur Erteilung einer Bankauskunft wird weder durch die Krise des Kunden, über den die Auskunft begehrt wird, noch durch vorläufige Maßnahmen im Insolvenzeröffnungsverfahren oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beeinträchtigt. Denn ebenso wie die Verpflichtung der Bank zur grundsätzlichen Wahrung des Bankgeheimnisses bleibt auch die Erlaubnis des Kunden zur Erteilung von Auskünften bestehen; es handelt sich nicht um eine Vollmacht, die mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erlöschen würde (§ 117 InsO), sondern um den Ausfluss des gesetzlichen Schuldverhältnisses mit Verhaltens- und Schutzpflichten, das die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens überdauert.

1 Büchel in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 3.276; Krepold/Zahrte in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 9 Rn. 1; Horn WM 1984, 449. 2 Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2021/149. Lfg. Rn. 2/946a. 3 Einzelheiten zur Rechtfertigung für die Erteilung von Bankauskünften s. Büchel in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 3.278 ff.; Krepold/Zahrte in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 9 Rn. 18; Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2021/149. Lfg. Rn. 2/949 ff.

460 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.411 Zweiter Teil

b) Inhalt einer Bankauskunft Eine Bankauskunft muss stets der Wahrheit d.h. dem tatsächlichen Informationsstand der Bank1 entsprechen und vollständig sein, so dass der Anfragende keine falschen Rückschlüsse ziehen kann2. Der Inhalt einer Bankauskunft hängt naturgemäß davon ab, in welchem Stadium der Insolvenz das beauskunftete Unternehmen sich befindet.

2.407

aa) Auskünfte nach Verfahrenseröffnung oder Anordnung vorläufiger Maßnahmen Ist bereits ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bankkunden eröffnet oder hat das Insolvenzgericht einstweilige Maßnahmen angeordnet, so darf die Bank dies in ihrer Bankauskunft nicht verschweigen. Mit Insolvenzeröffnung entfällt die Pflicht der Bank aus dem Bankgeheimnis, die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Kunden nicht aufzudecken. Da diese Tatsachen ohnehin öffentlich bekannt zu machen sind, darf auch die Bank sie ohne Verletzung des Bankgeheimnisses Dritten mitteilen3. Damit handelt sie im Sinne des Gesetzgebers, der die Bekanntmachung verlangt (§§ 23, 30, 9 InsO).

2.408

bb) Auskünfte nach Insolvenzantrag Wenn die Bank Kenntnis von einem Insolvenzantrag hat, den ihr Kunde selbst gestellt hat, muss sie auch dies in einer Bankauskunft erwähnen. Eine solche Auskunft dient dem Anfragenden, ohne ihrem Kunden noch mehr zu schaden, als dies durch den Insolvenzantrag bereits geschehen ist.

2.409

Anders verhält es sich, wenn ein Dritter den Insolvenzantrag eingereicht hat. Allein der Antrag eines Dritten bietet keine zuverlässige Information über die wirtschaftliche Lage ihres Kunden, insbesondere wenn es sich bei dem Antragsteller um den Fiskus oder einen Sozialversicherungsträger handelt, da diese häufig mit Hilfe sog. „Druckanträge“ versuchen, ihre Forderungen durchzusetzen4. Aber auch Private scheuen manchmal nicht davor zurück, strittigen Forderungen durch einen Insolvenzantrag Nachdruck zu verleihen. Durch eine Erwähnung solcher Anträge in einer Bankauskunft würde die Bank ihnen zusätzliches Gewicht verschaffen. Daher ist äußerste Zurückhaltung geboten.

2.410

cc) Auskünfte vor Insolvenzantrag Noch schwieriger wird es für die Auskunft gebende Bank in der Zeit vor dem Insolvenzantrag und vor der Anordnung gerichtlicher Maßnahmen, über den Kunden eine Auskunft zu erteilen, die einerseits dem Anfragenden dient, andererseits ihrem Kunden nicht schadet. Der Inhalt einer Bankauskunft hängt dann vom Grad der Krise des betroffenen Bankkunden ab.

1 BGH v. 5.12.2000 – XI ZR 340/99, ZIP 2001, 108 = WM 2001, 134. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Anm. 79f; wegen der Haftungsrisiken vgl. BGH v. 8.12.1998 – XI ZR 50/98, ZIP 1999, 275. 3 OLG Brandenburg v. 7.8.2001 – 11 VA 21/01, ZInsO 2001, 850. 4 Frind/Schmidt ZInsO 2001, 1133; Schmahl NZI 2002, 177; OLG Celle v. 8.5.2002 – 13 U 272/01, ZInsO 2002, 979; AG Oldenburg v. 22.4.2002 – 60 IN 10/02, NZI 2002, 391; AG Hamburg v. 22.4.2002 – 67c IN 115/01, NJW-RR 2002, 1278; LG Hamburg v. 21.11.2001 – 326 T 171/01, ZIP 2002, 447.

Büchel | 461

2.411

Zweiter Teil Rz. 2.412 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

2.412

Wenn eine Zahlungseinstellung oder Überschuldung des Kunden droht oder schon eingetreten ist, kann eine Auskunft über ihn nur negativ ausfallen. Grundsätzlich ist zwar auch die Erteilung negativer Auskünfte von dem generellen Einverständnis des Kunden gedeckt1; Angaben, die geeignet sind, etwaige Kreditgeber zu einer sorgfältigen Bonitätsprüfung zu veranlassen, sind vom Betroffenen grundsätzlich hinzunehmen2.

2.413

Muss die Auskunft angesichts der wirtschaftlichen Gegebenheiten ungünstig ausfallen, so hat die Bank abzuwägen, ob sie dem Interesse des Kunden mit einer Auskunftsverweigerung oder der Erteilung einer Auskunft weniger schadet. Dabei muss sie sich bewusst sein, dass eine verweigerte Auskunft im Geschäftsleben als gravierender Bonitätsmangel verstanden wird und demzufolge möglicherweise zu grundlosen Spekulationen Anlass gibt. Eine „leicht negative“ Auskunft ist daher aus der Sicht des Betroffenen in aller Regel günstiger als eine Auskunftsverweigerung, aus der der Anfragende negative Schlüsse ziehen kann3. Dies gilt jedoch nicht, wenn für die Bank offenkundig ist, dass sie mit der Auskunftserteilung den Interessen ihres Kunden zuwiderhandelt4. Diese Lage wird bei einer Auskunft, die im Zeitpunkt drohender Zahlungseinstellung oder Überschuldung des Kunden erbeten wird, in der Regel gegeben sein. In solchen Fällen kann eine Rückfrage bei dem Kunden notwendig und im Verhältnis zu dem Auskunftssuchenden auch zulässig sein, es sei denn, dass sich aus der Rückfrage auf die Person des Anfragenden schließen lässt5. Der Kunde muss sich dann entscheiden, ob er die nachteilige Auskunft tolerieren oder den unter Umständen noch negativeren Eindruck einer Auskunftsverweigerung in Kauf nehmen will.

2.414

Wenn der Kredit notleidend geworden ist und die Bank wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers zur Kündigung berechtigt ist oder schon6 gekündigt, vielleicht selbst sogar Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat, ändert das nichts an der oben dargestellten Pflicht zur zurückhaltenden Auskunft. Zwar ist eine Bank durch das Bankgeheimnis nicht gehindert, die Einzelheiten des Kreditverhältnisses aufzudecken, wenn sie ihre Forderungen angesichts dieser negativen Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Kunden an Dritte verkaufen will7. Aufgrund seines vertragsbrüchigen Verhaltens kann sich der Darlehensnehmer dann nicht auf eine Verletzung des Bankgeheimnisses berufen; dies wäre rechtsmissbräuchlich. Demgegenüber wäre der Verkauf der Kreditforderungen aufgrund des Bestrebens der Bank zur Verminderung ihres Schadens gerechtfertigt. Eine Bankauskunft an einen Dritten dient jedoch nicht zur Schadensminderung der Bank. Insoweit 1 Bruchner/Stützle, Leitfaden zu Bankgeheimnis und Bankauskunft, 2. Aufl. 1990, S. 101. 2 BGH v. 24.6.2003 – VI ZR 3/03, ZIP 2003, 1498 = NJW 2003, 2904. 3 Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 202021/149. Lfg. Rn. 2/984; Krepold/Zahrte in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 9 Rn. 22. 4 Stützle in Anm. zu LG Mönchengladbach v. 13.11.1980 – 1 O 596/79, WM 1981, 290. 5 Bruchner/Stützle, Leitfaden zu Bankgeheimnis und Bankauskunft, 2. Aufl. 1990, S. 103. 6 Nobbe ZIP 2008, 97. 7 OLG Celle v. 10.9.2003 – 3 U 137/03, ZInsO 2004, 924; OLG Köln v. 15.9.2005 – 8 U 21/05, ZIP 2005, 1773; Krepold/Zahrte in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 8 Rn. 140 f.; Bütter/Tonner ZBB 2005, 165; Domke/Sperlich BB 2008, 342; Hofmann/Walter WM 2004, 1566; Jobe ZIP 2004, 2415; Klüwer/Meister WM 2004, 1157 (1161 f.); Kuder ZInsO 2004, 903; Nobbe WM 2005, 1537; Nobbe ZIP 2008, 97; Rinze/Heda WM 2004, 1557; Rögner NJW 2004, 3230; Schilmar/Breiteneicher/Wiedenhofer DB 2005, 1367; andeutungsweise auch OLG Frankfurt v. 25.5.2004 – 8 U 84/04, ZInsO 2004, 925; zur entsprechenden Problematik im sog. Secondary Trading of Loans s. Burgess, European Financial Services Law, 1997, S. 183; zur Abtretung von Honorarforderungen von Ärzten und Anwälten s. BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 240/03, ZIP 2005, 218; BGH v. 17.2.2005 – IX ZB 62/04, ZInsO 2005, 436.

462 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.417 Zweiter Teil

ist den Interessen des Kunden der Vorzug zu geben. Dann darf die Bank weder die Kündigung des Kredits noch die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erwähnen und muss sich beispielsweise in den üblichen Auskunftsformularen auf das Ankreuzen von Rubriken wie z.B. – „Die finanziellen Verhältnisse erscheinen uns angespannt“ und – „Wir raten zur Vorsicht“ beschränken, wenn sie nicht die Auskunft insgesamt verweigern will. c) Insolvenz des Auskunftssuchenden Wenn ein Kunde um eine Bankauskunft nachsucht, geht er mit der Bank einen Geschäftsbesorgungsvertrag ein. Dieser erlischt mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen (§§ 116, 115 InsO), wenn die Bank ihn bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt hat. Erteilt die Bank ihrem Kunden die erwünschte Auskunft noch vor der Verfahrenseröffnung, so steht ihr dafür eine Provision zu. Sofern der Kunde nach Erhalt der Auskunft insolvent wird und diese noch nicht entrichtet hat, erwirbt die Bank eine Insolvenzforderung. Hat er das Entgelt dagegen schon bezahlt, kann die Bank es in der Regel auch behalten. Denn es wird sich meist um ein unanfechtbares Bargeschäft handeln. Zwar kann der Insolvenzverwalter Gelder als ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern, die eine Bank aufgrund einer unwirksamen Entgeltklausel vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vereinnahmt hat. Aber selbst wenn die Entgeltklausel in einem Preisverzeichnis enthalten und nicht individuell vereinbart ist, handelt es sich nicht um eine prüffähige Preisnebenabrede, sondern vielmehr um eine der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogene Preishauptabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, da sie ein Entgelt für eine echte Zusatzleistung der Bank festsetzt1.

2.415

3. Schufa-Meldungen Die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) ist eine Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden deutschen Wirtschaft, deren Aufgabe darin besteht, ihren Vertragspartnern Informationen in Gestalt von formalisierten Merkmalen zu geben, um sie vor Verlusten im Konsumentenkreditgeschäft zu schützen und ihnen damit gleichzeitig die Möglichkeit zu eröffnen, die Kreditnehmer durch Beratung vor einer übermäßigen Verschuldung zu bewahren2. Derartige Schufa-Meldungen enthalten im Gegensatz zu Bankauskünften ganz bestimmte, in einem Katalog vorgegebene formalisierte Merkmale, die für die Beurteilung der Kreditfähigkeit des Kunden von Interesse sind.

2.416

a) Inhalt der Übermittlung

2.417

Dazu werden folgende Merkmale an die Schufa übermittelt: – Merkmale über die Beantragung und Aufnahme einer Geschäftsbeziehung oder eines Kredits sowie die Übernahme einer Bürgschaft und deren vertragsmäßige Beendigung bzw. Erledigung;

1 OLG Frankfurt v. 24.5.2019 – 10 U 5/18, ZIP 2019, 1856. 2 Hoffmann In Bankrecht und Bankpraxis, Stand 202021/149. Lfg. Rn. 2/1038; zur Entstehungsgeschichte der SCHUFA vgl. Hendriks ZHR 149 (1985), 199 ff.

Büchel | 463

Zweiter Teil Rz. 2.417 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

– Merkmale über nicht vertragsgemäßes Verhalten des Kunden und die Einleitung gerichtlicher Maßnahmen, wie z.B. die Kündigung eines Girokontos oder Kredits, Scheckrückgaben, Scheckkartenmissbrauch, Wechselprotest, beantragter Mahnbescheid bei unbestrittener Forderung, erlassener Vollstreckungsbescheid sowie Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.

2.418

Außerdem werden Daten aus öffentlichen Verzeichnissen entnommen. Hierzu gehören: – eidesstattliche Versicherung, – Haftbefehl zur Erzwingung einer eidesstattlichen Versicherung, – Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und – Abweisung und Einstellung eines Insolvenzverfahrens. Damit sind die wesentlichen Stufen des Weges eines Bankkunden in die Insolvenz erfasst. b) Berechtigung zur Übermittlung

2.419

Bis zur Umsetzung der DSGVO1 am 25.5.2018 musste der Kunde der Weitergabe seiner Daten zustimmen2. Heute genügt ein Hinweis in den Vertragsunterlagen. Bei Anfragen oder Meldungen an Auskunfteien, zu denen insbesondere die Schufa zählt, ist die Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. b und f DSGVO nicht mehr erforderlich3. Der Datenaustausch dient dabei auch der Erfüllung der gesetzlichen Pflichten der Bank zur Durchführung der Kreditwürdigkeitsprüfung des Kunden, § 505a BGB, § 18a KWG.

2.420

Die notwendigen Hinweise erteilt die Bank durch eine Information in den Produktanträgen (z.B. im Kontoeröffnungsvertrag4) und durch ein entsprechendes ausführliches Informationsblatt der Auskunftei5. Insbesondere das Informationsblatt enthält umfangreiche Informationen zur Rechtsgrundlage der Datenübermittlung und über die Rechte des Kunden (z.B. Recht auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung, Art. 15 bis 18 DSGVO).

2.421

Diese Berechtigung einer Bank wird weder durch die Krise des Kunden, dessen Merkmale übermittelt werden, noch durch vorläufige Maßnahmen im Insolvenzeröffnungsverfahren oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beeinträchtigt. Zwar bleibt die Verpflichtung der Bank zur Wahrung der Datenschutzrechte bestehen. Aber auch die Berechtigung der Bank zum Datenaustausch gelten fort. 1 Verordnung (EU) 2016/679 vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). 2 Zur alten Rechtslage vgl. Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 20121/149. Lfg. Rn. 2/ 1044 ff.; zur Zulässigkeit der alten Klausel s. BGH v. 19.9.1985 – III ZR 213/83, ZIP 1985, 1253; Weber WM 1986, 845; Zahrte in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 10 Rn. 17 ff. 3 Büchel in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 3.269; Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 20121/149. Lfg. Rn. 2/1050b ff. 4 Zur Formulierung eines entsprechenden Hinweises s. Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 20121/149. Lfg. Rn. 2/1050c. 5 Schufa-Informationsblatt abgedruckt bei Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 20121/ 149. Lfg. Rn. 2/1051.

464 | Büchel

C. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte | Rz. 2.426 Zweiter Teil

c) Nachträglicher Widerspruch Der Bankkunde kann seine Einwilligung zur Übermittlung der Daten an die Schufa nach altem Recht vor der Umsetzung der DSGVO weiterhin nachträglich zurücknehmen. Dieses Recht wird ihm weder durch die Anordnung vorläufiger Maßnahmen im Anschluss an einen Insolvenzantrag noch durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens genommen. Denn die Befugnis zur Entscheidung über den Umgang mit seinen Daten ist kein Vermögenswert. In die Insolvenzmasse fallen nach § 35 InsO aber nur Vermögenswerte und nicht Persönlichkeitsrechte1. Der Widerruf der Einwilligung zur Übermittlung der Daten gilt allerdings nur mit Wirkung „ex nunc“; die bis dahin gemeldeten und von der Schufa gespeicherten Daten bleiben durch die vorherige Einwilligung gedeckt und damit rechtmäßig (Art. 7 Abs. 3 Satz 2 DSGVO)2.

2.422

Vom Zeitpunkt der Rücknahme der Einwilligung an darf die Bank an die Schufa grundsätzlich keine Informationen mehr melden3. Die Meldung sog. harter Negativmerkmale wie z.B. die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist aber weiter zulässig4.

2.423

Hingegen kann der Kunde nach der aktuellen Informationslösung der DSGVO einen Datenaustausch nachträglich nicht einfach mehr unterbinden. Er kann zwar nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO der Datenverarbeitung weiterhin formfrei widersprechen, der Widerspruch ist aber nur bei einem überwiegenden berechtigten Interesse beachtlich. In der Regel überwiegt das Interesse des Kunden nicht das der Bank und anderer Marktteilnehmer insbesondere zum Schutz der gesetzlichen Pflichten zur Kreditwürdigkeitsprüfung. Folgerichtig kann der Kunde z.B. keine Löschung des Vermerks der Erteilung der Restschuldbefreiung verlangen, weil er auch danach vom Bonitätsrisiko nicht einem Kunden ohne Insolvenz bzw. vormaliger Zahlungsunfähigkeit gleichzusetzen ist5. Nur in besonderen Ausnahmesituationen wie bei einer langfristigen Erkrankung6 kann das Interesse des Kunden im Einzelfall überwiesen.

2.424

d) Aktualisierung und Nachmeldung Die Vertragsparteien des Schufa-Systems haben zu gewährleisten, dass der gespeicherte Datenbestand durch entsprechende Nachmeldungen unverzüglich und vollständig aktualisiert wird (Art. 5 Abs. 1d DSGVO)7.

2.425

Wenn dem Kunden Restschuldbefreiung erteilt wurde, bedeutet das nicht, dass er nun mit der Begründung, ihm solle damit der wirtschaftliche Neubeginn ermöglicht werden8, von der Bank verlangen kann, die vorzeitige Löschung der Information über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu veranlassen. Dies wäre keine Berichtigung, auf die der Kunde nach

2.426

1 2 3 4 5

Hirte/Praß in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 35 Rn. 17. So schon OLG Düsseldorf v. 12.7.1985 – 15 U 240/84, ZIP 1985, 1319 = WM 1985, 1220. Hoffmann In Bankrecht und Bankpraxis, Stand 202021/149. Lfg. Rn. 2/1050. BGH v. 20.6.1978 – VI ZR 66/77, WM 1978, 999. LG Hamburg v 23.7.2020 – 334 O 161/19, ZD 2021, 216; LG Aschaffenburg v. 7.10.2020 – 15 O 46/20, ZD 2021, 214. 6 LG Frankfurt v. 20.12.2018 – 2-05 O 151/18, ZInsO 2019, 263 = mit Anm. Heyer NZI 2019, 342. 7 So schon BGH v. 15.12.1983 – III ZR 207/82, ZIP 1984, 429; Zahrte in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 10 Rn. 38. 8 Begründung RegE InsO BR-Drucks. 1/92 B Nr. 11; zur Entwicklung und zur Legitimation s. Pape/ Grote ZInsO 2009, 601.

Büchel | 465

Zweiter Teil Rz. 2.426 | Geschäftsverbindung und Kontobeziehungen

Art. 16 DSGVO einen Rechtsanspruch hätte, denn die Eintragung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens war nicht falsch.

2.427

Auch kommt das „Recht auf Vergessenwerden“ nach Art. 17 DSGVO nicht zum Zuge. Die Information über die Erteilung der Restschuldbefreiung dürfen Wirtschaftsauskunfteien grundsätzlich 3 Jahre speichern und Auskunft darüber geben1. Es ist nicht Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung, dass der Schuldner wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen kann, als habe es das Insolvenzverfahren gar nicht gegeben2. Der Schuldner kann nicht verlangen, einer Person gleichgestellt zu werden, die niemals von einer Insolvenz betroffen war3. Für potentielle Geschäftspartner des Schuldners ist es im Rahmen der Bonitätsprüfung wichtig zu erfahren, ob bei dem Schuldner die Gefahr besteht, wieder insolvent zu werden. Für die Einschätzung dieser Gefahr kann die Erteilung einer Restschuldbefreiung ein nicht unerhebliches Indiz sein4.

1 LG Heilbronn v. 11.4.2019 – I 3 O 140/18, ZInsO 2019, 1077. 2 LG Frankfurt v. 20.12.2018 – 2-05 O 151/18, ZInsO 2019, 263 = mit Anm. Heyer NZI 2019, 342. 3 LG Hamburg v 23.7.2020 – 334 O 161/19, ZD 2021, 216; LG Aschaffenburg v 7.10.2020 – 15 O 46/20, ZD 2021, 214. 4 OLG Frankfurt v. 14.12.2015 – 1 U 128/15, WKRS 2015, 39619 Rn. 16.

466 | Büchel

Dritter Teil Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz Wenn sich in den Vermögensverhältnissen eines Bankkunden eine wesentliche Verschlechterung abzeichnet oder eine Insolvenz eintritt, erhebt sich für die Bank die Frage, wie und mit welchen Wirkungen sie den Zahlungsverkehr mit dem Kunden weiterführen kann. Gemeinsame Grundlage für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs ist für sämtliche Zahlungsmittel mit Ausnahme von Schecks und Wechseln1 der Zahlungsdiensterahmenvertrag (§ 675f Abs. 2 BGB)2, womit heute der klassische Girovertrag bezeichnet wird. Der Zahlungsdiensterahmenvertrag wird um eine Kontokorrentabrede (§ 355 HGB entsprechend) ergänzt. Sie enthält ein verfügendes Rechtsgeschäft, das die sich im Lauf einer Rechnungsperiode, für die meist eine Zeit von einem oder drei Monaten vereinbart wird, beiderseits ergebenden Ansprüche während der laufenden Rechnungsperiode lähmt und eine Verrechnung erst am Schluss der vereinbarten Periode zu einer automatischen Verrechnung führt. Diese bewirkt einen kausalen Saldo zugunsten desjenigen, der höhere Einzelansprüche auf seiner Seite hat. Die aus den Kontoauszügen ersichtliche fortlaufende Saldierung bedeutet noch keine Verrechnung, sondern nur eine Information über die auf dem Konto vorgenommenen Buchungen3.

3.1

Die insolvenzrechtlichen Fragen sind getrennt zu untersuchen je nach der Art des konkreten Zahlungsmittels, also danach, ob es sich um Überweisungen, Lastschriften, Wechsel, Schecks, Akkreditive oder Barzahlungen handelt.

A. Überweisungsverkehr 3.2

Das Recht der Banküberweisung hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Nach dem bis zum Jahre 1999 geltenden Recht beruhte die Pflicht einer Bank zur Durchführung einer Banküberweisung auf einem Überweisungsauftrag, der als einseitige, rechtsgestaltende Weisung des Kontoinhabers im Rahmen des auf Dauer angelegten Giroverhältnisses eingeordnet wurde4. Diese in Jahrzehnten gewachsene Rechtsauffassung wurde infolge der Umsetzung der EGRichtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen vom 27.1.19975 im Jahre 1999 durch das Überweisungsgesetz6 aufgegeben7, das die einzelne Überweisung als Vertrag behandelte. 1 Art. 3 Buchst. g (i)–(iv) der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/ 65/EG, 2005/60/EG und 2006/46/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. EU Nr. L 319/1 v. 5.12.2007. 2 Vgl. Überblick bei Nobbe WM 2011, 961. 3 Heublein ZIP 2000, 161 m.w.N. 4 Schmidt-Räntsch ZIP 1999, 676; Bydlinski WM 1999, 1046; Klamt/Koch DB 1999, 943; Klamt/ Koch NJW 1999, 2776; Reymann DStR 2011, 1959; ständige Rspr. seit RG v. 25.4.1904 – I 483/02, RGZ 54, 329; BGH v. 6.10.1953 – I ZR 185/52, NJW 1953, 1911. 5 ABl. EG Nr. L 43/25 v. 14.2.1997. 6 Gesetz v. 21.7.1999, BGBl. I 1999, 1642. 7 S. dazu auch die Bedingungen für grenzüberschreitende Überweisungen innerhalb der Europäischen Union und der EWR-Staaten, abgedr. in WM 2000, 794; s. auch ZBB 1999, 403 mit Einführung von Göbel ZBB 1999, 395.

Büchel | 467

3.3

Dritter Teil Rz. 3.4 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.4

Mit Wirkung vom 1.11.20091 ist der Gesetzgeber bei der Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie2 zu dem tradierten und dogmatisch klareren3 auftragsrechtlichen Modell zurückgekehrt; das ZKG4 befasst sich mit diesen Themen nicht. Dieses Prinzip hat auch die 2. Zahlungsdiensterichtlinie5, deren Umsetzung in nationales Recht6 im Wesentlichen zum 13.1.2018 in Kraft getreten ist, beibehalten7. Dagegen berührt die sog. Finalitätsrichtlinie8 Zahlungsaufträge, die ein Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos einem Kreditinstitut zur Überweisung von Geldern an ein anderes Kreditinstitut erteilt hat, nicht9. Solange sich die neuen Wortschöpfungen (Zahlungsdienstnutzer oder Zahler für Überweisungsauftraggeber, Zahlungsdienstleister für Bank) noch nicht durchgesetzt haben, werden im Folgenden zum besseren Verständnis die vertrauten Bezeichnungen weiter verwendet.

3.5

Danach bildet der (Zahlungsdienste-)Rahmenvertrag des § 675f Abs. 2 BGB wieder den Ausgangspunkt und die Grundlage – sowohl für die Beziehungen zwischen dem Überweisungsauftraggeber und seiner Bank – als auch für das Verhältnis dieser Bank zu der des Überweisungsempfängers – und zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank. Dabei handelt es sich auf jeder Stufe um einen Rahmenvertrag mit geschäftsbesorgungsvertraglichem Zuschnitt (§ 675c Abs. 1 BGB), bei dem die einzelne Überweisung nicht mehr als Vertrag, sondern als einseitige Weisung nach § 665 BGB verstanden wird, die die Bank zu erfüllen hat, wenn die im Rahmenvertrag vereinbarten Bedingungen z.B. hinsichtlich Form und Deckung eingehalten sind10.

1 Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufsund Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, 2355. 2 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/46/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. EU Nr. L 319/1 v. 5.12.2007. 3 Grundmann WM 2009, 1109; s. auch Bitter WM 2010, 1725. 4 Gesetz über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (Zahlungskontengesetz – ZKG) v. 11.4.2016 (BGBl. I 2016, 720). 5 Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/ 64/EG, ABl. EU Nr. L 337/35 v. 23.12.2015. 6 Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie v. 17.7.2017, BGBl. I 2017, 2446. 7 Zu den Änderungen s. Werner WM 2018, 449. 8 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, ABl. EG Nr. L 166/45 v. 11.6.1998, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 909/2014 v. 23.7.2014, ABl. EU Nr. L 257/1. 9 EuGH v. 17.1.2019 – C-639/17, ZIP 2019, 510. 10 Vgl. Schürmann, Das neue Recht der Zahlungsdiensteverträge – ein Überblick, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bankrechtstag 2009, 11; Reymann DStR 2011, 1959; zur Vereinbarkeit der allgemeinen Bedingungen der Kreditinstitute für den Zahlungsverkehr mit § 307 BGB s. Einsele ZIP 2011, 1741.

468 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.10 Dritter Teil

Wie sich die Bank bei der Ausführung von Überweisungen bei drohender oder schon eingetretener Insolvenz eines Kunden zu verhalten hat, hängt zunächst davon ab, ob der insolvente Kunde Überweisungsauftraggeber oder Überweisungsempfänger ist.

3.6

I. Insolvenz des Überweisungsauftraggebers Für das Verhalten der Bank des Überweisungsauftraggebers ist entscheidend, in welchem Stadium der Insolvenz er sich im Zeitpunkt der Bearbeitung des Auftrags befindet. Dabei soll im Folgenden von dem Regelfall ausgegangen werden, dass die Bank die Überweisung erst aufgrund eines wirksamen Auftrags ausführt und nicht schon – wie es im internationalen Zahlungsverkehr von zwischengeschalteten Banken in einer Überweisungskette vielfach gehandhabt wird – aufgrund einer ihr von der erstbeauftragten Bank zugeleiteten Auftragskopie oder eines Avis (s. auch Rn. 3.319 ff.)1.

3.7

1. Ausführung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Bankkunde, sofern kein Zustimmungsvorbehalt angeordnet oder ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen ist (§§ 21, 24 InsO), unbeschränkt über sein Vermögen verfügen. Demgemäß kann er der Bank wirksam Überweisungsaufträge erteilen. Führt die Bank die Überweisung noch vor Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit oder einem Insolvenzantrag aus2, so erwirbt sie einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 675c Abs. 1, § 670 BGB)3, den sie in das Kontokorrent einstellen kann. In Höhe dieses Aufwendungsersatzanspruches ermäßigt sich ein etwaiger Guthabensaldo; ein debitorischer Saldo erhöht sich entsprechend.

3.8

2. Ausführung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag Auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und nach einem Insolvenzantrag bleibt der Kunde zur Erteilung von Überweisungsaufträgen berechtigt, sofern kein Zustimmungsvorbehalt angeordnet oder ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen ist (§§ 21, 24 InsO). Zahlungsaufträge erteilt ein Kunde in dieser Situation im Wesentlichen nur noch, wenn er sich sonst einer Strafandrohung ausgesetzt sieht, wie dies beispielsweise bei Verletzung der Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung der Fall ist (§ 266a StGB), deren Begleichung trotz der Zahlungssperre des § 15b InsO (bis 31.12.2020 § 64 GmbHG, § 92 AktG, § 99 GenG, §§ 130a, 177a HGB) als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar anzusehen ist4. Umso größeren Wert legt der Kunde dann darauf, dass die Überweisung auch durchgeführt wird.

3.9

Der Überweisungsauftrag wird wirksam, sobald er der Bank zugeht (§ 675n Abs. 1 Satz 1 BGB)5. Das Verhalten der Bank hängt davon ab, ob sie von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag Kenntnis hat.

3.10

1 2 3 4

Vgl. OLG Düsseldorf v. 13.6.1979 – 17 U 18/77, WM 1979, 1272. Zum Zeitpunkt der Ausführung vgl. Kindermann WM 1982, 318. BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, ZIP 1991, 862 = WM 1991, 797. BGH v. 8.6.2009 – II ZR 147/08, ZInsO 2009, 1456; BGH v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZInsO 2008, 740; BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660; zur Unvereinbarkeit mit dem Urteil des BFH v. 27.2.2007 – VII R 67/05, ZIP 2007, 1604 = NZI 2007, 599 s. Beck ZInsO 2007, 1233. 5 Vgl. Überblick bei Nobbe WM 2011, 961.

Büchel | 469

Dritter Teil Rz. 3.11 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

a) Ausführung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags

3.11

Wenn die Bank bei der Bearbeitung des Überweisungsauftrags von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag des Überweisungsauftraggebers keine Kenntnis hat, wird sie die Überweisung ausführen und das Konto mit dem Überweisungsbetrag belasten. Ein etwaiger Guthabensaldo ermäßigt sich entsprechend; die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Wird der Saldo dagegen debitorisch oder erhöht sich der Sollsaldo, so erwirbt die Bank eine entsprechende Forderung gegen den Kontoinhaber, die – sofern die Bank keine Sicherheiten besitzt – eine einfache Insolvenzforderung darstellt; eine Masseforderung nach § 116 Satz 3 InsO erwirbt die Bank nur bei Ausführung nach der Verfahrenseröffnung. b) Ausführung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags

3.12

Hat die Bank Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag, so wird sie den Auftrag schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht ausführen wollen, wenn das Konto des Kunden einen debitorischen Saldo aufweist oder durch die Ausführung der Überweisung debitorisch werden würde. In ihrer Entscheidung ist sie jedoch nicht völlig frei, vielmehr ist je nach der Situation im Einzelfall zu unterscheiden.

3.13

Wenn der Überweisungsauftrag durch Einreichung eines Überweisungsträgers oder Zuleitung eines elektronischen Überweisungsauftrags wirksam geworden ist (§ 675n Abs. 1 Satz 1 BGB)1, kann die Bank die Ausführung nicht verweigern, wenn die im Zahlungsdiensterahmenvertrag festgelegten Ausführungsbedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt (§ 675o Abs. 2 BGB). Der Inhalt des Zahlungsdiensterahmenvertrags ergibt sich aus den Bedingungen für den Überweisungsverkehr2, die in Nrn. 1.6, 1.7 eine Pflicht der Bank zur Ausführung vorsehen, wenn die dazu erforderlichen technischen Angaben vorliegen und ein ausreichendes Guthaben vorhanden oder ein entsprechender Kredit eingeräumt ist. Dies ist eine Abweichung gegenüber dem früherem Recht, denn danach konnte die Bank die Annahme des Angebots des Kunden zum Abschluss eines Überweisungsvertrags verweigern3, wenn sie es nicht schon durch ausdrückliche Annahmeerklärung, einer sog. Annahmebetätigung durch tatsächliche Handlungen4 angenommen oder der Lauf der Ausführungsfrist (§ 676a Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 BGB a.F.) begonnen hatte. Für das neue Recht ist aber zunächst die Unterscheidung zwischen der Ausführung aus Guthaben oder aus Kredit von Bedeutung.

3.14

Dass sich trotz Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag bei einer Bank ein Guthaben findet, ist keineswegs so selten wie man annehmen sollte. Denn gut beratene Schuldner pflegen bei einer Bank, die gegen sie keine Ansprüche hat, eine „Kriegskasse“ anzusammeln, aus der Ausgaben bestritten werden, die zur erfolgreichen Durchführung des Insolvenzverfahrens, insbesondere eines Planverfahrens notwendig sind.

aa) Ausführung aus Guthaben

1 Klamt/Koch DB 1999, 943. 2 Abgedr. bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/136. 3 BGH v. 15.6.2004 – XI ZR 220/03, ZIP 2004, 1544 = WM 2004, 1546; a.A. Schulz ZBB 1999, 287, der bei bestehendem Girovertrag einen Kontrahierungszwang annimmt. 4 Klamt/Koch DB 1999, 943.

470 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.17 Dritter Teil

Sofern ein Guthaben vorhanden ist, muss die Bank die Überweisung ausführen, auch wenn sie inzwischen von dem Insolvenzantrag oder der Zahlungsunfähigkeit erfahren hat1. An die Weisung ist sie nämlich durch Nr. 1.6 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr2 gebunden, wenn die erforderlichen technischen Angaben vorliegen. Sie darf die Ausführung auch nicht von der Zustimmung eines vorläufigen Sachwalters im Schutzschirmverfahren oder eines vorläufigen Verwalters im Insolvenzantragsverfahren, der nicht von einem Zustimmungsvorbehalt oder Verfügungsverbot begleitet ist, abhängig machen.

3.15

Zwar braucht eine Bank keine Erwägungen über die Zweckmäßigkeit der ihr erteilten Überweisungsaufträge anzustellen3. Dadurch setzen sich die Mitarbeiter der Bank auch nicht der Gefahr aus, eine Beihilfe zu einer etwaigen Straftat ihres Kunden nach §§ 283 ff. StGB zu leisten, solange ihnen nicht ein Plan des Kunden, Vermögenswerte beiseitezubringen, positiv bekannt ist4. Eine Ausnahme kann sich jedoch dann ergeben, wenn die Bank mit der Überweisung gegen „sonstige Rechtsvorschriften“ verstoßen würde. Mit „sonstigen Rechtsvorschriften“ sind, wie sich aus der Gesetzesbegründung5 ergibt, nur solche gemeint, die den Zahlungsdienstleister binden, z.B. Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung und Terrorismusfinanzierung. Dann kann die Bank die Ausführung verweigern (§ 675o Abs. 2 BGB). Ihre Weigerung muss sie dem Unternehmen unverzüglich, auf jeden Fall aber spätestens bis zum Ende des folgenden Geschäftstages mitteilen (§ 675o Abs. 1, § 675s BGB); dies impliziert, dass sie auch ihre Entscheidung bis dahin getroffen haben muss.

3.16

Die Ausführung einer Überweisung hat zur Folge, dass das Guthaben um den überwiesenen Betrag vermindert wird. Die rechtliche Begründung dafür ist zwar umstritten, ohne dass dies jedoch zu unterschiedlichen Folgen führen würde6:

3.17

– Nach der einen Auffassung entsteht ein Aufwendungsersatzanspruch, den die Bank mit dem Guthabensaldo verrechnen kann7. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Zwar ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, wenn ein Insolvenzgläubiger die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Die Bank, bei der der Überweisungsauftraggeber ein Guthaben unterhält, ist aber seine Schuldnerin und nicht Insolvenzgläubigerin. Die allgemeinen Anfechtungsvorschriften (§§ 129 ff. InsO) können zwar den Überweisungsempfänger treffen, aber im Verhältnis zu der überweisenden Bank nicht eingreifen. Insoweit fehlt es nämlich an einer Gläubigerbenachteiligung, denn mit der Ausführung der Überweisung Zug um Zug gegen Herstel-

1 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038 = ZInsO 2012, 924; Gehrlein NZI 2012, 257. 2 Abgedr. bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/136. 3 Vgl. dazu RG v. 1.4.1903 – V 484/02, RGZ 54, 220; BGH v. 24.9.1959 – VIII ZR 189/58, WM 1960, 1321; BGH v. 9.3.1961 – II ZR 105/60, WM 1961, 510; BGH v. 10.12.1970 – II ZR 132/68, WM 1971, 159; OLG Düsseldorf v. 2.4.1987 – 6 U 243/86, ZIP 1987, 1379 = WM 1987, 954 = WuB I E 1. – 12.87 Reiser. 4 Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, 2014, Rn. 560 f. 5 S. Begründung RegE zu § 675o Abs. 2 BGB, BT-Drucks. 16/11643 S. 108. 6 Einzelheiten s. Peschke, Die Insolvenz des Girokontoinhabers, 2005, S. 93 ff.; Bork FS Fischer, 2008, 37. 7 LG Rostock v. 30.20.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; zu dem gleichen Ergebnis kommt OLG Jena v. 8.4.1997 – 5 U 962/96, ZInsO 1998, 190 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 9.7.1998 – IX ZR 133/97 über die Anwendung der §§ 675, 669 BGB; anders für die Aufrechnung nach § 7 Abs. 5 GesO, § 55 Satz 1 Nr. 3 KO OLG Brandenburg v. 4.3.1999 – 8 U 31/98, ZInsO 1999, 351, das aber die Einbeziehung in das AGB-Pfandrecht zulässt.

Büchel | 471

Dritter Teil Rz. 3.17 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

lung einer Aufrechnungslage tätigen die Parteien ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft (§ 142 InsO). – Nach der anderen Auffassung reduziert sich durch die Überweisung vom kreditorischen Konto das Guthaben automatisch analog § 787 Abs. 1 BGB, wonach im Fall einer Anweisung der Angewiesene durch seine Leistung an den Dritten von seiner Schuld befreit wird1. Dieser Vorgang wird im Kontokorrent dadurch nachvollzogen, dass die Bank den Überweisungsbetrag dem Konto belastet. – Nach einer dritten Auffassung2 bestehen beide Wege rechtlich nebeneinander und sind nicht identisch. bb) Ausführung zu Lasten eines Kredits

3.18

Weist das Konto des Kunden kein Guthaben auf, so hängen die Pflichten der Bank davon ab, ob dem Kunden eine Überziehungsmöglichkeit bzw. ein Kredit zugesagt war.

3.19

Ohne eine solche Zusage ist die Bank zur Ausführung der Überweisung nicht verpflichtet (§ 675o Abs. 2 BGB i.V.m. Nr. 1.6 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr)3. Darüber muss sie den Kunden unverzüglich, auf jeden Fall aber spätestens bis zum Ende des folgenden Geschäftstages unterrichten (§ 675o Abs. 1 Satz 1, § 675s Abs. 1 BGB) und die Gründe für ihre Ablehnung nennen (§ 675o Abs. 1 Satz 2 BGB). Darüber hinaus verlangt § 675o Abs. 1 Satz 2 BGB zwar auch noch eine Angabe der Möglichkeiten, wie Fehler, die zur Ablehnung geführt haben, berichtigt werden können. Diese Vorschrift ist jedoch einschränkend auszulegen. Sie bezieht sich erkennbar nur auf technische Mängel, also etwa fehlerhafte Angaben in den Überweisungsträgern, und verlangt von der Bank nicht etwa Vorschläge zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden.

3.20

Bewegt sich die Kontoverfügung dagegen im Rahmen einer zugesagten Kreditlinie, so stehen der Ausführung des Auftrags keine rechtlichen Hindernisse entgegen4. Solange die Kreditlinie nicht gekündigt ist, darf die Bank deren Ausnutzung auch nicht verhindern. Ein Leistungsverweigerungsrecht steht ihr nicht zu5. Wenn die Bank aber aus wirtschaftlichen Gründen die Inanspruchnahme der Kreditlinie vermeiden will, etwa weil der Kunde ihr keine oder keine ausreichenden Sicherheiten gestellt hat, muss sie, um die Ausführung der Überweisung verweigern zu dürfen, durch eine Kündigung des Kredits die dafür nach § 675o Abs. 2 BGB i.V.m. Nr. 1.6 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr6 notwendigen Voraussetzungen schaffen7. Dies entspricht der vorherigen Rechtslage. Allerdings muss die Kündigung spätestens bis zum Ende des folgenden Geschäftstages ausgesprochen werden (§ 675o Abs. 1 Satz 1, § 675s Abs. 1 BGB).

1 Bork, Zahlungsverkehr in der Insolvenz, 2002, Rn. 110; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 43. 2 Peschke, Die Insolvenz des Girokontoinhabers, 2005, S. 96. 3 Abgedr. bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/136. 4 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038 = ZInsO 2012, 924; Gehrlein NZI 2012, 257. 5 Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 11. 6 Abgedr. bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/136. 7 Zur Berechtigung einer solchen Kündigung s. Rn. 5.341 ff.

472 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.23 Dritter Teil

c) Rechte des späteren Insolvenzverwalters Zu den selbstverständlichen Aufgaben eines Insolvenzverwalters gehört es, Überweisungen, die im Vorfeld der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf den Weg gebracht wurden, darauf zu überprüfen, ob sich der Überweisungsbetrag im Wege der Anfechtung zur Masse zurückholen lässt. Anfechtungsgegner ist in erster Linie der Überweisungsempfänger, aber in Ausnahmefällen ist auch eine Anfechtung gegenüber der Bank möglich1.

3.21

aa) Anfechtung gegenüber dem Überweisungsempfänger Eine Anfechtung findet grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen Überweisungsauftraggeber und dem Überweisungsbegünstigten statt2. Rechtshandlungen, bei denen eine unmittelbare Leistung an den Empfänger, die ohne Weiteres anfechtbar gewesen wäre, durch Einschalten eines Leistungsmittlers umgangen wird, sind nämlich als mittelbare Zuwendungen anfechtbar3. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Schuldner einen Drittschuldner anweist, die ihm geschuldete Leistung nicht ihm, sondern seinem Gläubiger zu erbringen4, und der Leistungsempfänger dies weiß5. Grundsätzlich stellen sie eine inkongruente Deckung dar, es sei denn, zwischen Gläubiger und Schuldner ist diese Art der Befriedigung insolvenzfest vereinbart6. Aus der gesetzlich verankerten Pflicht der Bank, Überweisungsaufträge auch in der Krise des Überweisenden auszuführen, kann der Überweisungsempfänger keine Argumente gegen die Anfechtbarkeit herleiten. Auch kann er, wenn die Bank die Überweisung unter Zulassung einer Überziehung des Kontos bzw. der Kreditlinie abgewickelt hat, der Anfechtung nicht mit dem Argument entgegentreten, es fehle an einer Gläubigerbenachteiligung, weil die Masse keinen pfändbaren Anspruch auf die Überziehung gehabt habe7.

3.22

bb) Anfechtung gegenüber der Bank Demgegenüber kann die Überweisung in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren gegenüber der Bank grundsätzlich nicht angefochten werden8. Wenn durch die Überweisung ein debitorischer Saldo entstanden oder vergrößert worden ist, fehlt es bereits an der Gläubigerbenachteiligung als Grundtatbestand aller Anfechtungen. Wenn die Überweisung aus einem kreditorischen Saldo bewirkt wurde, ist die Bank insoweit von ihrer Guthabenschuld befreit wor1 Zur Anwendung des Art. 13 EuInsVO bei grenzüberschreitenden Zahlungen auf fremde Schuld s. Thole NZI 2013, 113. 2 RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144; Kirchhof WM 1996 Sonderbeilage Nr. 2, 21; Eskes BankPraktiker 2006, 135; s. aber Rn. 1.372. 3 OLG Düsseldorf v. 2.8.2018 – I-12 U 68/17, ZIP 2018, 2282 = ZInsO 2018, 2466 m.w.N. 4 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZInsO 2008, 106; BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183; LG Hannover v. 25.5.2009 – 20 S 36/08, ZInsO 2009, 1820; zur Anfechtung im Dreiecksverhältnis s. auch Huber NZI 2008, 149 mit Hinweis auf den drohenden „Krieg der Insolvenzverwalter“; zur Inkongruenz im Deckungsverhältnis s. BGH v. 6.6.2002 – IX ZR 425/99, ZInsO 2002, 766; BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 2/05, ZInsO 2008, 1323; zu den Voraussetzungen einer befreienden Wirkung der Leistung des Drittschuldners s. OLG Koblenz v. 17.10.2017 – 10 U 168/ 17, ZIP 2018, 1193. 5 BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 39/08, ZIP 2009, 817; kritisch zu dieser Rspr. aus Sicht des Leistungsempfängers Wiester/Kranz NZI 2012, 541. 6 OLG Düsseldorf v. 2.8.2018 – I-12 U 68/17, ZIP 2018, 2282 = ZInsO 2018, 2466. 7 So aber noch BGH v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, ZIP 2007, 435; aufgegeben durch BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, ZIP 2009, 2009. 8 RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144; Ganter NZI 2010, 835.

Büchel | 473

3.23

Dritter Teil Rz. 3.23 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

den. Bei der im Anfechtungsrecht gebotenen isolierten Betrachtungsweise eines jeden Vorgangs liegt darin eine Gläubigerbenachteiligung und es kommt nicht darauf an, ob im Verhältnis zu dem Empfänger der Zahlung eine Anfechtung möglich ist. Denn grundsätzlich ist jede Rechtshandlung selbstständig auf ihre Ursächlichkeit für gläubigerbenachteiligende Folgen zu überprüfen, und zwar auch dann, wenn mehrere Rechtshandlungen gleichzeitig vorgenommen werden oder sich wirtschaftlich ergänzen1.

3.23a

Aber hier fehlt es meist an der Verwirklichung eines Anfechtungstatbestands: – Eine Anfechtung als Deckungsgeschäft nach §§ 130, 131 InsO scheidet aus, da die Bank weder eine Sicherung noch eine Befriedigung erlangt hat. Gegner einer Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO kann nämlich nur ein Insolvenzgläubiger sein, an den der Insolvenzschuldner geleistet hat2. Hier ist es umgekehrt: Die Bank ist nicht Insolvenzgläubiger, sondern Schuldner, und die Leistung wird an den Insolvenzschuldner als Gläubiger erbracht. – Eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistungen scheitert schon am Tatbestand des § 134 InsO. Denn hier leistet nicht der Insolvenzschuldner an die Bank, sondern die Bank an den Insolvenzschuldner durch Zahlung auf seine Weisung an einen Dritten.

3.24

Nicht ausgeschlossen sind dagegen Anfechtungen wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 133 InsO. Bei einer Doppelwirkung einer Leistung in einem Dreiecksverhältnis – wie sie im Überweisungsverkehr typisch ist, nämlich einer Befreiung der Bank von ihrer Schuld gegenüber ihrem Kunden und gleichzeitig einer Leistung des Kunden an seinen Gläubiger – kommen Anfechtungen durch den Insolvenzverwalter des Überweisungsauftraggebers nicht nur gegenüber dem Überweisungsbegünstigten, sondern auch gegenüber der angewiesenen Bank in Betracht3. Anfechtungsgegner kann nämlich jeder sein, der infolge der anfechtbaren Handlung einen Gegenstand aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners erlangt hat. Vermögensgegenstand kann jede vermögenswerte Position sein, also auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit. Durch Ausführung einer Überweisung aus einem Guthaben erlangt die Bank Befreiung von ihrer Guthabenschuld.

1 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, ZInsO 2005, 884 Rn. 20; BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZInsO 2009, 1585 Rn. 27 ff.; Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 95; Kayser ZIP 2019, 293. 2 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 = ZInsO 2013, 1077; BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 = ZInsO 2013, 1898; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190 = ZInsO 2008, 814 Rn. 14; BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 Rn. 11; kritisch dazu Wiester/Kranz NZI 2012, 541. 3 Hier handelt es sich also um einen Anfechtungskläger und zwei mögliche Anfechtungsgegner (s. dazu auch BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, ZIP 2012, 280 = ZInsO 2012, 264). Denkbar sind aber auch Konstellationen mit nur einem Anfechtungsgegner und zwei möglichen Anfechtungsklägern: Wenn nämlich sowohl der Überweisungsauftraggeber als auch der Angewiesene, also die Bank insolvent werden, kann der Insolvenzverwalter des Überweisungsauftraggebers die Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131, 133 InsO und der Insolvenzverwalter der Bank die Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistungen nach § 134 InsO ausüben (BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZIP 2008, 125 = ZInsO 2008, 106 und Huber NZI 2008, 149 mit Hinweis auf den drohenden „Krieg der Insolvenzverwalter“); dabei gebührt der Deckungsanfechtung der Vorrang (vgl. auch die umfassende Darstellung der Problematik der Doppelinsolvenz bei Huber ZInsO 2010, 977; Gehrlein WM 2019, 1241; Onusseit FS Pape 2019, 295); zum Rang unter konkurrierenden Anfechtungsgläubigern außerhalb der Insolvenz s. Gaul FS K. Schmidt, 2009, 425.

474 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.24b Dritter Teil

Dies unterliegt aber nur dann der Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung, wenn der Kontoinhaber mit der Zahlung an den Überweisungsempfänger seine Gläubiger benachteiligen wollte und die Bank dies wusste. Im Zahlungsverkehr kennt die Bank den Grund des Überweisungsauftrags jedoch regelmäßig nicht und kann nicht beurteilen, ob der Empfänger die Leistung zu beanspruchen hatte, es sich beispielsweise um ein Bargeschäft handelte, oder ob das nicht der Fall war. Aus Sicht der Bank handelt es sich normalerweise um übliche Geschäftsvorgänge, denen für sich genommen eine Absicht des Insolvenzschuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, nicht zu entnehmen ist1, selbst wenn sie Kenntnis davon hat, dass ihr Kunde im Übrigen zahlungsunfähig ist oder ein Insolvenzantrag vorliegt2. Wird ein Anfechtungsgegner als bloße Zahlstelle des Schuldners tätig und ist er an dem Zahlungsvorgang nur in technischen Funktionen beteiligt, kann auch bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht auf die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes geschlossen werden3. Die Zahlung an den Empfänger hat für die Bank regelmäßig keinen wirtschaftlichen Vorteil und liegt auch nicht in ihrem Interesse. Wenn sie den Zahlungsdienstevertrag nicht kündigen will, hat sie keine Alternative zur Ausführung des Auftrags4. Sie ist damit Zahlungsmittlerin, wenn sie sich darauf beschränkt, ihren Verpflichtungen aus dem Giro- bzw. Zahlungsdienstevertrag nachzukommen5. Bei Zahlung durch Banküberweisung handelt es sich nämlich um eine mittelbare Zuwendung des Schuldners, die insolvenzrechtlich zu behandeln ist, als habe die Bank als zwischengeschaltete Leistungsmittlerin an den Schuldner geleistet und dieser seinen Gläubiger befriedigt6.

3.24a

Zu einer Anfechtung gegenüber der Bank7 kann es also nur bei ungewöhnlichen Konstellationen, beispielsweise dann kommen, wenn die Bank Kenntnis von der Insolvenzantragspflicht ihres Kunden und seinem Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung hat8 und mit

3.24b

1 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190 = ZInsO 2008, 814. 2 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZInsO 2013, 1077; BGH v. 14.9.2017 – IX ZR 3/16, ZInsO 2017, 2546 Rn. 21 = mit Anm. Kruth DStR 2018, 430; OLG Stuttgart v. 12.6.2013 – 9 U 37/13, ZIP 2013, 1779; Kayser FS Kübler, 2015, 321. 3 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZInsO 2013, 1077; BGH v. 14.9.2017 – IX ZR 3/16, ZInsO 2017, 2546 Rn. 21 = mit Anm. Kruth DStR 2018, 430; OLG Stuttgart v. 12.6.2013 – 9 U 37/13, ZIP 2013, 1779; Kayser FS Kübler, 2015, 321; Kayser ZIP 2019, 293; zur Überschreitung der Zahlstellenfunktion bei Abwicklung über CpD und Sicherungsabtretung an die Bank vgl. BGH v. 20.3.2019 – VIII ZR 88/18, WM 2019, 777. 4 Kayser FS Kübler, 2015, 321. 5 Vgl. BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 Rn. 13 = ZIP 2007, 2273; BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 = ZInsO 2013, 384; Ellenberger in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 37 Rn. 15 f.; allgemein zu mittelbaren Zuwendungen Schäfer ZInsO 2014, 1965. 6 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZInsO 1998, 89; BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, ZIP 1999, 1764; BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZInsO 2008, 106; Abgrenzung der mittelbaren Zuwendung von der Leistungskette bei der Deckungsanfechtung s. BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 16/08, ZIP 2009, 769; Schäfer ZInsO 2014, 1965; zu den besonderen Anfechtungsrisiken bei Direktzahlungen in Dreiecksverhältnissen s. Huber FS Fischer, 2008, 255; Ehlers ZInsO 2016, 208; BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 Rn. 13 und Rn. 44; BGH v. 3.4.2012 – IX ZR 39/11, ZInsO 2012, 931; BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZInsO 2014, 1655; zu sog. Kongruenzvereinbarungen s. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, ZInsO 2016, 326 und OLG Bamberg v. 13.12.2016 – 5U 209/13, ZInsO 2017, 387; Ponseck/Swierczok ZInsO 2017, 420. 7 Die Anfechtung nach §§ 132, 133 InsO ablehnend mangels Rechtshandlung des Schuldners Ganter NZI 2010, 835. 8 Kirstein/Sietz ZInsO 2008, 761.

Büchel | 475

Dritter Teil Rz. 3.24b | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

dem Schuldner kollusiv zum Nachteil seiner Gläubiger zusammenwirkt. Erst wenn die Bank als Leistungsmittlerin im Eigen- oder Fremdinteresse aktiv an einer Gläubigerbenachteiligung des Schuldners teilnimmt, kann aus dieser Mitwirkung eine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes abgeleitet werden1. Eine solche Konstellation ist anzunehmen, wenn es sich um ein zwischen dem Schuldner und seiner Bank als Leistungsmittlerin mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Zwangslage des Schuldners abgestimmtes, einzelne Gläubiger begünstigendes Zahlungsverhalten handelt2. Dabei setzt die Vorsatzanfechtung gegenüber einem Leistungsmittler nicht die Anfechtbarkeit der Leistung auch gegenüber dem Leistungsempfänger voraus3. Ein Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners und die Kenntnis der Bank davon sind zu vermuten, – wenn die Bank als Leistungsmittlerin mangels insgesamt hinreichender Deckung in Absprache mit dem Schuldner bestimmte Gläubiger auswählt und diese durch eine Zahlung befriedigt4, oder – wenn eine Bank bei unzureichender Deckung, ohne sich mit dem Schuldner ins Benehmen zu setzen, lediglich einzelne Zahlungsaufträge an von ihr bevorzugte Empfänger zum Zwecke einer selektiven Befriedigung ausführt5 oder – wenn die Bank die Überschreitung der Kreditlinie allein deshalb duldet, weil sie die Befriedigung eines bestimmten Zahlungsempfängers sicherstellen will.

3.24c

In solchen Situationen schaltet sich die Bank anders als im normalen Giroverkehr mit eigenem Benachteiligungswillen in die konkreten Zahlungsabläufe zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern ein. Entscheidend sind der vorgefasste und auch verwirklichte Plan und die Kenntnis der Bank von diesem Plan6.

3.25

Auch die Einbeziehung des Aufwendungsersatzanspruchs unter die Deckung von außerhalb der Anfechtungsfristen bestellten Sicherheiten ist nicht anfechtbar. Bei Grundschulden oder sonstigen nicht akzessorischen Sicherheiten fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung, da die Sicherheit schon vor der kritischen Zeit aus dem Vermögen des Kunden ausgeschieden war7. Bei akzessorischen Sicherheiten (Hypothek) scheitert eine Anfechtung an dem Umstand, dass es sich um ein Bargeschäft8 handelt. cc) Konkurrenz mehrerer Ansprüche

3.26

Sind, nachdem die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens eingetreten ist oder sich seine Überschuldung herausgestellt hat, solche Zahlungen geleistet und damit die Zahlungssperre des § 15b InsO (bis 31.12.2020 § 64 GmbHG, § 92 AktG, § 99 GenG, §§ 130a, 177a HGB)

1 BGH v. 14.9.2017 – IX ZR 3/16, ZIP 2017, 2370 = ZInsO 2017, 2546 Rn. 21. 2 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038 = ZInsO 2012, 924; BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 = ZInsO 2013, 384. 3 BGH v. 3.4.2012 – IX ZR 39/11, ZInsO 2012, 931; in der Regel wird hier eine inkongruente Deckung vorliegen (s. LG Aachen v. 30.1.2017 – 5 S 24/16, ZInsO 2017, 1232). 4 Beispiel bei LG Hanau v. 25.10.2012 – 1 O 433/12, ZInsO 2013, 678. 5 Kayser FS Kübler, 2015, 321. 6 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183. 7 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334. 8 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 (VII).

476 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.28 Dritter Teil

verletzt worden, müssen die Geschäftsleiter dem Unternehmen gegenüber Ersatz leisten1. Die Befugnis des Insolvenzverwalters, daneben den Zahlungsempfänger mittels Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr in Anspruch zu nehmen, bleibt unberührt2. Um eine Bereicherung der Masse zu vermeiden, ist der Empfänger dann nur Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche der Masse gegen den Geschäftsführer zu verurteilen3. Dementsprechend kann auch die Bank, deren Befreiung von ihrer Schuld gegenüber ihrem Kunden durch die Insolvenzanfechtung wieder rückgängig gemacht wurde, von dem Insolvenzverwalter die Abtretung etwaiger Ansprüche der Masse gegen den Geschäftsleiter beanspruchen. Insoweit ist § 255 BGB analog anzuwenden4.

3. Überweisungen nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

3.27

Bestehende Zahlungsdiensterahmenverträge werden durch solche Maßnahmen nicht berührt. Denn selbst die am weitesten reichende Beschränkung der Rechte des Schuldners, das allgemeine Verfügungsverbot, macht die Kontokorrentabrede und die darin liegende Vorausverfügung nicht unwirksam5. Die §§ 116, 115 Abs. 1 InsO finden keine Anwendung im Antragsverfahren6. Dagegen hängen von der Art dieser Anordnungen auch die Möglichkeiten des Bankkunden zum Abschluss neuer Rahmenverträge, zur Erteilung von Überweisungsaufträgen innerhalb bestehender Rahmenverträge und das Recht und die Pflicht der Bank zu deren Ausführung ab.

3.28

1 Hierbei handelt es sich um einen „Ersatzanspruch eigener Art“ gegen den Geschäftsführer und nicht um einen einer Teilnahme Dritter zugänglichen Deliktstatbestand (BGH v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, ZIP 2008, 1026); zu Planungen für eine europäische Insolvenzverschleppungshaftung s. Habersack/Verse ZHR 168 (2004), 174. 2 LG Berlin v. 24.10.2001 – 26 O 285/01, ZInsO 2002, 242; der Geschäftsführer kann sich aber nicht damit verteidigen, der Verwalter habe es unterlassen, rechtzeitig aussichtsreiche Anfechtungsrechte (§§ 129 ff. InsO) gegen den Zahlungsempfänger geltend zu machen (BGH v. 18.12.1995 – II ZR 277/94, ZIP 1996, 420 = KTS 1996, 272). 3 LG Berlin v. 24.10.2001 – 26 O 285/01, ZInsO 2002, 242; Henze/Bauer, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 1311, 1331. 4 Henze/Bauer, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 1311, 1331. 5 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/ 01, NZI 2002, 204; LG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; die Anwendbarkeit von § 91 InsO im Eröffnungsverfahren verneinend BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZInsO 2007, 91; BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, ZInsO 2009, 2336; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992; a.A. Nobbe KTS 2007, 397. 6 G. Schmidt in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 115 Rn. 13; LG Lübeck v. 2.12.1999 – 11 O 89/99, DZWIR 2000, 78.

Büchel | 477

Dritter Teil Rz. 3.29 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

a) Verwalter mit allgemeinem Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt

3.29

Bis zum Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes im Jahre 1999 konnte es keinem Zweifel unterliegen, dass die Bank nach Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts eine Überweisung für den Kunden grundsätzlich nicht ausführen durfte1. Dies galt gleichermaßen für neu erteilte wie für schon vorliegende, bei Anordnung des Verbots aber noch nicht bearbeitete Aufträge. Nunmehr ist eine weitaus differenziertere, am Stand der Bearbeitung der Überweisung orientierte Betrachtungsweise notwendig. Dabei kann man meist davon ausgehen, dass eine Bank, die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit, dem Insolvenzantrag oder einem Verfügungsverbot hat, Überweisungen schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht wird ausführen wollen, insbesondere, wenn das Konto des Kunden einen debitorischen Saldo aufweist oder durch die Ausführung der Überweisung debitorisch werden würde.

3.30

Neue Überweisungsaufträge ihres Kunden darf die Bank nach Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts nicht mehr ausführen.

3.31

Ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verfügungsverbot eingesetzt, so ist die Weisung des Kunden unwirksam, da er seine Verfügungsmacht verloren hat. Da der Überweisungsauftrag unwirksam ist, braucht die Bank weder den Kunden noch den vorläufigen Insolvenzverwalter von der Verweigerung der Ausführung zu unterrichten.

3.32

Ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt eingesetzt, so bleibt die Verpflichtungsfähigkeit, also die Berechtigung des Kunden zum Abschluss von Verträgen erhalten2 und die kontoführende Bank kann theoretisch weiterhin Überweisungsverträge mit dem Schuldner schließen3. Der Verwalter kann Überweisungsaufträge des Schuldners auch nicht widerrufen4. Dennoch muss die Bank in diesem Stadium Überweisungen stets ablehnen, wenn zwar ein ausreichendes Guthaben vorhanden ist, aber die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters fehlt. Nach § 675o Abs. 2 BGB i.V.m. Nr. 1.6 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr5 ist die Bank zur Ausführung des Überweisungsauftrags nur verpflichtet, wenn die dazu erforderlichen technischen Angaben vorliegen und ein „zur Ausführung der Überweisung ausreichendes Guthaben ... vorhanden ... ist“. An dieser Ausführungsbedingung fehlt es, wenn das Guthaben mangels Zustimmung des vorläufigen Verwalters nicht wirksam für die Ausführung der Überweisung eingezogen werden kann. Ohne die Zustimmung des vorläufigen Verwalters kann die Bank den Überweisungsbetrag nicht mehr in das Kontokorrent einstellen6. Die im Kontokorrentvertrag enthaltenen Verfügungsvereinbarungen besagen, dass künftige Forderungen lediglich zur Verrechnung zu stellen sind mit der Folge,

aa) Anordnung vor Erteilung des Überweisungsauftrags

1 Einzelheiten s. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 5. Aufl. 1997, Rn. 3.11; OLG Celle v. 22.4.1998 – 3 U 168/97, ZIP 1998, 1232. 2 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, ZIP 2006, 431 = ZInsO 2006, 208; BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZIP 2009, 673 = ZInsO 2009, 659; Laroche in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 24 Rn. 11; Gehrlein ZInsO 2010, 1857; a.A. Bork ZBB 2001, 271. 3 BGH v. 15.3.2012 – IX ZR 249/09, ZIP 2012, 737; BGH v. 21.11.2013 – IX ZR 52/13, ZInsO 2014, 33. 4 BGH v. 21.11.2013 – IX ZR 52/13, ZIP 2014, 32 = ZInsO 2014, 33. 5 Abgedr. bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/136. 6 BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZIP 2009, 673 = ZInsO 2009, 659 Rn. 21; dazu EWiR 2009, 481 (Keller).

478 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.34 Dritter Teil

dass sie nicht mehr selbständig geltend gemacht oder abgetreten werden können und als gestundet zu gelten haben; der antizipierte Verrechnungsvertrag sieht vor, dass sich die Verrechnung am Ende einer Rechnungsperiode automatisch vollzieht1. Beides ist nicht mehr möglich, wenn der Schuldner nicht mehr uneingeschränkt verfügungsbefugt ist. Über die Ablehnung muss die Bank den Kunden nach § 675o Abs. 1 BGB, Nr. 1.7 Abs. 1 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr2 unterrichten. Empfehlenswert, aber nicht vorgeschrieben ist eine Information an den vorläufigen Insolvenzverwalter, dem es dadurch, falls ein Guthaben vorhanden ist, erleichtert wird, eine Zahlung, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig ist, zuzulassen.

3.32a

bb) Anordnung nach Erteilung des Überweisungsauftrags Auch wenn die Bank die Überweisung des Kunden schon vor der Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts erhalten hatte, sollte sie von einer Ausführung absehen. Die Rechtslage ist jedoch nicht eindeutig:

3.33

Einerseits haben die Verfügungsbeschränkungen die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben3. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt bzw. durch einen Zustimmungsvorbehalt beschränkt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner4. Da die Bank mit der Ausführung eines Überweisungsauftrags eine Leistung an den Kontoinhaber erbringt5, stellt dies eine Art der Einziehung der Guthabenforderung dar, die grundsätzlich durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt ist6 bzw. bei einem Zustimmungsvorbehalt nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam ist. Andererseits könnte die Bank, wenn ein Guthaben vorhanden ist, nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 675n Abs. 1, § 675o Abs. 2 BGB) nämlich grundsätzlich verpflichtet sein, die Überweisung auszuführen.

3.34

1 Grundlegend BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, BGHZ 74, 253, 254 f. 2 Abgedr. bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/136. 3 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26; BGH v. 4.11.2009 – XII ZR 170/07, ZIP 2010, 332; BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 1/09, ZInsO 2010, 133; BGH v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, ZIP 2011, 1419. 4 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626; vgl. auch OLG Karlsruhe v. 10.7.1985 – 6 U 206/84, NJW 1986, 63; Laroche in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 24 Rn. 4; s. auch schon den Wortlaut von § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO. 5 BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, ZIP 2001, 1239 = WM 2001, 1454; BGH v. 15.11.2005 – XI ZR 265/04, ZIP 2006, 17 = WM 2006, 28; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, ZIP 1989, 1593 = WM 1989, 1816 = WuB VI C § 106 KO 1.90 Obermüller; von Godin NJW 1958, 856. 6 LG Offenburg v. 24.2.2004 – 4 O 56/03, ZInsO 2004, 559.

Büchel | 479

Dritter Teil Rz. 3.35 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.35

Für Überweisungen enthält das Gesetz nun eine Sonderregelung, die ursprünglich in § 676a Abs. 3 BGB a.F.1 niedergelegt war und sich jetzt in abgewandelter Form in § 675n Abs. 1, § 675o Abs. 2 BGB wiederfindet. Danach hat das Kreditinstitut einen Überweisungsauftrag, der im Zeitpunkt seines Zugangs wirksam war, grundsätzlich auszuführen und kann ihn, wenn ein ausreichendes Guthaben oder ein Kreditrahmen vorhanden war und der Kunde die notwendigen technischen Angaben für die Abwicklung der Überweisung geliefert hat, nur noch ablehnen, wenn seine Ausführung „gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt“ (§ 675o Abs. 2 BGB). Nun stellen weder ein Verfügungsverbot noch ein Zustimmungsvorbehalt eine Rechtsvorschrift dar, sondern nur eine gerichtliche Anordnung, die sich gegen den Schuldner und nicht gegen Dritte richtet. Auch war das Guthaben im Zeitpunkt der Erteilung des Überweisungsauftrags noch frei verfügbar. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind die Voraussetzungen für das Ablehnungsrecht der Bank in der beschriebenen Situation nicht erfüllt. Die Bank müsste die Überweisung also ausführen und könnte ihren Aufwendungsersatzanspruch gegen die Guthabenforderung des Kunden verrechnen; die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein, sie kommen erst mit Verfahrenseröffnung zum Zuge.

3.36

Dieses Ergebnis kann nicht zufriedenstellen. Seine wirtschaftliche Bedeutung beschränkt sich heute aufgrund der kurzen Überweisungslaufzeiten (§ 675s Abs. 1 BGB) zwar auf Überweisungen, die am Tag der Anordnung des Verfügungsverbots oder des Zustimmungsvorbehalts vorliegen, aber auch deren Durchführung wird der vorläufige Insolvenzverwalter in der Regel gern verhindern oder zumindest noch überprüfen wollen. Auch hätte es zur Folge, dass im Zahlungsverkehr während des Insolvenzantragsverfahrens für die diversen Zahlungsverkehrsmittel insofern unterschiedliche Regelungen gelten, als ein vorhandenes Guthaben zwar zur Ausführung von Überweisungsverträgen und zur Einlösung von Lastschriften benutzt werden muss, nicht aber zur Einlösung von Schecks und Wechseln, auf die das Zahlungsdienstegesetz weder direkt noch analog Anwendung findet2.

3.37

Die Bank sollte deshalb in dieser Situation keine Überweisungen mehr durchführen. Am einfachsten ist es, wenn es der Bank gelingt, den vorläufigen Insolvenzverwalter sofort zu erreichen und von ihm einen Widerruf des Auftrags zu erhalten (s. Nr. 1.5 Abs. 3 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr3). Dieser ist allerdings nur wirksam, wenn der Verwalter von einem Verfügungsverbot begleitet wird; ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt benötigt dagegen die Kooperation des Schuldners. Schlägt dies fehl, so kann die Bank argumentieren, – dass der Gesetzgeber die insolvenzrechtlichen Auswirkungen bei der Schaffung der §§ 675n ff. BGB nicht gesehen und daher eine ungewollte Gesetzeslücke hat entstehen lassen, die im Sinne von § 1 InsO massefreundlich zu schließen ist, oder – dass es für die Ausführungspflicht der Bank auf die Erfüllung der Ausführungsbedingungen nicht bei Zugang der Überweisung, sondern im Zeitpunkt ihrer Abwicklung ankomme. Die Gefahr, dass ein Gericht einmal anders entscheidet, ist gering. Denn der Insolvenzverwalter wird kaum einmal die Zahlungsverweigerung angreifen, da sie ihm in der Regel 1 Hierzu im Einzelnen s. Obermüller ZInsO 1999, 690; Nobbe KTS 2007, 397; die Entscheidung des BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/08, ZInsO 2009, 659 steht dem nur scheinbar entgegen, denn sie hatte eine Belastung im Lastschriftverfahren zum Gegenstand, für die § 676a BGB a.F. nicht galt. 2 Grundmann WM 2009, 1109. 3 Abgedr. bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/136.

480 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.40 Dritter Teil

nützt; außerdem wird die Masse keinen Schaden erleiden. Einen Schaden hat der Überweisungsempfänger, der auf seine Forderungen nur die Quote erhält. Er hat aber keinen Anspruch gegen die Bank. Wenn das Konto des Kunden einen debitorischen Saldo aufweist oder durch die Ausführung der Überweisung debitorisch werden würde und die Bank Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit, dem Insolvenzantrag oder einem Verfügungsverbot hat, wird ihr die Entscheidung, eine vorliegende Überweisung nicht mehr auszuführen, leichterfallen. Entscheidet sie sich jedoch ausnahmsweise für die Ausführung, etwa weil sie gesichert ist und sie den Beteuerungen des Kunden Glauben schenkt, der Insolvenzantrag sei unbegründet und von einem arglistig handelnden Dritten gestellt, erwirbt sie, falls sich der Insolvenzantrag dennoch als berechtigt erweist, einen Aufwendungsersatzanspruch1, den sie trotz des Verfügungsverbots unter die Deckung schon vorher bestellter Sicherheiten fassen2 oder in Ermangelung von Sicherheiten als Insolvenzforderung geltend machen kann.

3.38

cc) Ausführung eines Kundenauftrags ohne Kenntnis der Verfügungsbeschränkungen Wenn die Bank von der wirtschaftlichen Lage des Kunden keine Kenntnis hat und der Kunde über ein Guthaben oder eine nicht voll ausgenutzte Kreditlinie verfügt, wird sie die Überweisung durchführen. Der schuldrechtliche Überweisungsauftrag bleibt trotz der Verfügungsbeschränkungen in Form eines Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts gültig.

3.39

Weist das Konto des Kunden ein Guthaben auf, so wird die Bank, die in Unkenntnis von einem Verfügungsverbot oder einem Zustimmungsvorbehalt einen Überweisungsauftrag ausführt, durch die Zahlung an den Empfänger von ihrer Schuld gegenüber dem Kontoinhaber nach § 24 Abs. 1, § 82 InsO befreit3. Die Zahlung an den Überweisungsempfänger ist nämlich rechtlich als Leistung an den Kontoinhaber zu werten4. Wenn die Überweisung aus einem Kredit getätigt wird, kann die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen. Zwar verschafft § 116 Satz 3 InsO einer Bank, die einen Zahlungsauftrag nach Verfahrenseröffnung ausführt, die Stellung einer Massegläubigerin. Diese Vorschrift kann aber nicht auf das Eröffnungsverfahren ausgedehnt werden5. Stattdessen kann die Bank ggf. auf Sicherheiten zurückgreifen. Die Verfügungsbeschränkung steht der Einbeziehung des Aufwendungsersatzanspruchs unter die Deckung von nicht akzessorischen Sicherheiten (z.B. Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen, Grundschulden) und Pfandrechten nicht entgegen, sofern diese Sicherheiten schon vor Erlass des Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts unanfechtbar bestellt wurden6.

3.40

1 BGH v. 21.11.2013 – IX ZR 52/13, ZIP 2014, 32 = ZInsO 2014, 33. 2 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; Bork ZBB 2001, 271. 3 BFH v. 28.5.2020 – V R 2/20, ZInsO 2020, 1931 Rn. 20; OLG Brandenburg v. 25.3.2004 – 8 U 40/ 03, ZInsO 2004, 806; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; LG Kiel v. 30.7.2020 – 12 O 76/19, ZIP 2020, 2471. 4 BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; BGH v. 15.11.2005 – XI ZR 265/04, WM 2006, 28; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, WM 1989, 1816 = WuB VI C § 106 KO 1.90 Obermüller; BGH v. 12.6.1997 – IX ZR 110/96, WM 1997, 1658; BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, ZIP 2001, 1239; von Godin NJW 1958, 856; Steinhoff ZIP 2000, 1141. 5 Nobbe KTS 2007, 397. 6 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; anders angedeutet aber in BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191.

Büchel | 481

Dritter Teil Rz. 3.40a | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.40a

Der Insolvenzverwalter muss sich dann an den Überweisungsempfänger halten. Da der Anordnung eines Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts die Wirkung eines absoluten, gegenüber jedermann wirksamen Verbots zukommt, führt die Zahlung des Bankkunden an seinen Gläubiger nicht zur Tilgung seiner Verbindlichkeit. Damit steht dem Insolvenzverwalter ein Bereicherungsanspruch als Leistungskondiktion gegen den Überweisungsempfänger zu1. b) Überweisung durch vorläufigen Verwalter mit Verfügungsverbot

3.41

Durch ein allgemeines Verfügungsverbot geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Dadurch kann der vorläufige Verwalter über ein etwaiges Kontoguthaben verfügen2 und neue Überweisungsaufträge erteilen, wenn er den Girovertrag nicht kündigt.

3.42

Bestehende Überweisungsaufträge des Kunden, die die Bank nicht von sich aus abbricht, kann der vorläufige Verwalter zwar grundsätzlich nicht widerrufen (§ 675p Abs. 1 BGB, Nr. 1.5 Abs. 1 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr3). Die Bedingungen für den Überweisungsverkehr sehen aber in Nr. 1.5 Abs. 3 eine Widerrufsmöglichkeit vor, wenn der Kunde und die Bank dies vereinbart haben und die Bank die technische Möglichkeit hat, die Ausführung zu verhindern oder den Überweisungsbetrag zurückzuerlangen. Sofern die Überweisung zu Lasten eines Kredits gehen würde, wird die Bank dem Wunsch des vorläufigen Insolvenzverwalters nach Anhalten der Überweisung gern nachkommen. Auch wenn für die Ausführung ein Guthaben zur Verfügung steht, ist die Bank in ihrer Entscheidung, ob sie einem Wunsch des vorläufigen Insolvenzverwalters auf Abschluss einer Widerrufsvereinbarung nachgeben soll, nicht frei. Sofern sie die technische Möglichkeit hat, die Ausführung zu verhindern oder den Überweisungsbetrag zurückzuerlangen, muss sie diese wahrnehmen. Dafür kann sie ein entsprechendes Entgelt berechnen (§ 675p Abs. 4 Satz 3 BGB, Nr. 1.5 Abs. 3 Satz 3 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so wäre es treuwidrig, dem Widerruf nicht stattzugeben. Das gilt auch dann, wenn die Bank eigene Interessen an der Durchführung der Überweisung hat, beispielsweise, weil der Empfänger zu ihren Kreditnehmern gehört und die Überweisung eine Summe erreicht, deren Verlust den Empfänger existentiell gefährden würde. Die Beziehungen der Bank zu Dritten dürfen bei der Abwägung, ob eine bestimmte Handlungsweise im Verhältnis zu ihrem Kunden gegen Treu und Glauben verstößt, nicht ausschlaggebend sein.

3.43

Wenn es dem Verwalter nicht gelingt, den Widerruf rechtzeitig auszusprechen, kann er den Überweisungsbetrag für die Masse nur noch zurückholen, wenn er gegenüber dem Begünstigten auf dem Weg über die Insolvenzanfechtung vorgehen kann. Dies mag für ihn im Einzelfall günstiger sein als ein Widerruf. Denn der Widerruf hat zur Folge, dass die Bank das Konto nicht mit einem Aufwendungsersatzanspruch belasten kann und eine etwa schon gebuchte Belastung wieder stornieren muss; dies wirkt sich bei debitorischer Kontoführung nur in der Höhe der Insolvenzforderung der Bank aus. Bei Durchführung der Überweisung kann der Verwalter dagegen mit einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung die Masse anreichern.

1 OLG Frankfurt v. 1.2.2013 – 4 U 208/12, ZInsO 2013, 509; BGH v. 21.11.2013 – IX ZR 52/13, ZIP 2014, 32 = ZInsO 2014, 33. 2 Zur Kontoführung durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter s. Rn. 2.94 ff. 3 Abgedr. bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/136.

482 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.46 Dritter Teil

c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot Ohne Anordnung eines Verfügungsverbots geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Die Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters ändert nichts an den Rechtsbeziehungen des Kunden zu seiner Bank; insbesondere bleiben der Bankvertrag und die darauf gestützten einzelnen Rechtsverhältnisse unberührt1. Daher kann der Verwalter ohne Zustimmung des Kunden nicht über dessen Konten verfügen und Überweisungsaufträge weder erteilen noch widerrufen2.

3.44

Das Gleiche gilt für einen vorläufigen Verwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist. Er kann nicht allein verfügen und deshalb Überweisungsaufträge weder neu erteilen noch bestehende kündigen, aber – wenn der Kontoinhaber neue Überweisungsaufträge erteilt – entscheiden, ob er sie genehmigt oder ablehnt. Die Bank muss sich dann die Zustimmung nachweisen lassen.

3.45

4. Überweisungsaufträge nach Verfahrenseröffnung Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen grundsätzlich alle von dem Kunden erteilten Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge (§ 116 InsO). Demgemäß endet auch der Zahlungsdiensterahmenvertrag, also der Girovertrag, der die Bank zur Durchführung von Überweisungsaufträgen und Daueraufträgen verpflichtet3, mit Insolvenzeröffnung4. Daran hat auch die Ergänzung des § 116 InsO um einen dritten Satz5, der die Fortdauer von Zahlungsaufträgen sowie Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen anordnet, nichts geändert. Diese Vorschrift bezieht sich nämlich nur auf schon bestehende Überweisungsaufträge, nicht dagegen auf den Girovertrag oder auf Überweisungsaufträge, die die Bank noch nicht erhalten hat. Die enge Formulierung des Gesetzes und der Ausnahmecharakter der Regelungen lassen eine Analogie nicht zu, obwohl sie im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung und zur Vereinfachung der Abwicklung wünschenswert wäre. Für derartige Vorgänge gilt daher Folgendes:

1 2 3 4

LG Lübeck v. 2.12.1999 – 11 O 89/99, DZWIR 2000, 78. BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZIP 2009, 673 = ZInsO 2009, 659. BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, ZIP 2006, 175 = WM 2006, 179. BGH v. 9.10.1974 – VIII ZR 190/73, WM 1974, 1128; BFH v. 4.6.1975 – VI R 199/73, WM 1976, 90; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 803; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZInsO 2015, 742 Rn. 9; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZInsO 2019, 678 Rn. 11; Canaris WM 1980, 357 m.w.N.; Gehrlein ZInsO 2010, 1857; a.A. Bitter/Vollmerhausen WuB 2019, 358 m.w.N.; zur Geschichte dieser Vorschrift s. Hahn, Die gesamten Materialien zur Konkursordnung, 1881, Begründung § 20 E-KO S. 86, Protokolle S. 532; Hohl, Konkursordnung, 1879, §§ 20, 21 Fn 1; Kohler, Lehrbuch des Konkursrechts, 1891, § 30 S. 149 f.; Stieglitz, Konkursordnung für das Deutsche Reich, 1879, § 20; Hellmann, Lehrbuch des Konkursrechts, 1907, § 29 Anm. I S. 288; Petersen/Kleinfeller, Kommentar zur Konkursordnung, 4. Aufl. 1900, § 23 Anm. 1; Sarvey/Boßert, Konkurs-Ordnung für das Deutsche Reich, 3. Aufl. 1896, § 20 Anm. 1; Wolff, Konkursordnung, 2. Aufl. 1921, § 23 Anm. 2. 5 Eingefügt durch Art. 2 Abs. 3 des Überweisungsgesetzes v. 21.7.1999, BGBl. I 1999, 1642 i.d.F. des Art. 8 Abs. 7 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, 2355.

Büchel | 483

3.46

Dritter Teil Rz. 3.47 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

a) Vorliegende Überweisungen

3.47

Für Überweisungen, die der Schuldner wirksam vor Verfahrenseröffnung auf den Weg gebracht hat, kommt es zunächst darauf an, wie weit die Bearbeitung fortgeschritten ist. – Wenn die Überweisung der Bank erst nach Verfahrenseröffnung zugeht, darf sie die Überweisung nicht mehr ausführen. – Wenn die Überweisung der Bank bereits vor Verfahrenseröffnung zugegangen ist, bleibt der Zahlungsauftrag trotz der Verfahrenseröffnung bestehen (§ 116 Satz 3 InsO)1. Die Bank ist berechtigt, die Überweisung weiter abzuwickeln2.

3.48

An einer Durchführung des Zahlungsauftrags wird sie jedoch kein Interesse haben, wenn für die Überweisung ein Kredit in Anspruch genommen würde. Nach § 675n Abs. 1, § 675o Abs. 2 BGB hat das Kreditinstitut jedoch einen Überweisungsauftrag, der im Zeitpunkt seines Zugangs wirksam war, grundsätzlich auszuführen, und kann ihn, wenn ein ausreichendes Guthaben oder ein Kreditrahmen vorhanden war und der Kunde die notwendigen technischen Angaben für die Abwicklung der Überweisung geliefert hat, nur noch ablehnen, wenn seine Ausführung „gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt“ (§ 675o Abs. 2 BGB). Um sich von der vertraglichen Verpflichtung zur Durchführung der Überweisung zu lösen, muss die Bank den Kredit kündigen; dazu ist sie wegen der Insolvenzeröffnung berechtigt (§ 490 Abs. 1 BGB). Wenn man dagegen die Auffassung vertreten sollte, eine solche Kündigung komme zu spät, weil der Kredit im Zeitpunkt des Zugangs der Überweisung noch vorhanden war und damit die Bindung der Bank eingetreten sei, gibt es noch eine Hilfsüberlegung. Die Ausführung würde jetzt gegen das Erwerbsverbot des § 91 Abs. 1 InsO verstoßen. Dies ist eine Rechtsvorschrift, die sich anders als das nur gegen den Schuldner gerichtete Verfügungsverbot auch gegen Dritte richtet.

3.49

Eine Ausübung des Kündigungsrechts wird meist empfehlenswert sein, verpflichtet ist die Bank dazu jedoch nicht. Verzichtet sie auf die Kündigung, so erwirbt sie aus der Ausführung einen Aufwendungsersatzanspruch, der als Masseforderung zu bedienen ist (§ 116 Satz 3 InsO). Wenn ein Guthaben vorhanden ist, kann sie die Überweisung, ohne selbst Nachteile zu erleiden, weiter abwickeln. Dies kann der Insolvenzverwalter nur verhindern, wenn er seinerseits von einer etwaigen Widerrufsmöglichkeit des Überweisungsauftraggebers aus § 675p Abs. 1 BGB i.V.m. Nr. 1.5 Abs. 1 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr3, die insofern über die Beendigung des Girovertrags hinaus nachwirkt, Gebrauch macht und die Bank den Widerruf akzeptiert (s. dazu Rn. 3.42). Gelingt ihm dies nicht rechtzeitig, so wird die Überweisung durchgeführt. Die Bank erwirbt einen Aufwendungsersatzanspruch als Masseforderung (§ 116 Satz 3 InsO). Mit diesem Anspruch kann sie gegen die Guthabenforderung aufrechnen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Sie gelten nicht für Massegläubiger4. 1 BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZIP 2009, 673 = ZInsO 2009, 659; Huber in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2010, § 36 Rn. 43. 2 Nobbe KTS 2007, 397. 3 Abgedr. bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/136. 4 BGH v. 7.7.2005 – IX ZR 241/01, ZIP 2005, 1519; BGH v. 2.7.1959 – VIII ZR 194/58, BGHZ 30, 250; OLG Köln v. 18.2.1987 – 2 U 132/86, ZIP 1987, 928 m.w.N.; Bernsau in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 96 Rn. 22; Begründung RegE zu § 96 – das ursprünglich (§ 320 Abs. 2 RegE) vorgesehene Aufrechnungsverbot für den Fall der Masseunzulänglichkeit hat der Rechtsausschuss nicht übernommen, es wird aber von der Rspr. angenommen (s. OLG Karlsruhe v. 23.7.2003 – 6 U 203/01, ZInsO 2003, 856).

484 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.53 Dritter Teil

b) Neue Überweisungen Neue Überweisungsaufträge zu Lasten seines insolvenzbefangenen Kontos kann der Kunde nicht mehr erteilen1. Mit Verfahrenseröffnung ist seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nämlich auf den Insolvenzverwalter übergegangen (§ 80 InsO). Ausnahmen gelten aber für Überweisungen zu Lasten von insolvenzfreien Konten sowie für Überweisungen, die die Bank aus Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung noch zulässt.

3.50

aa) Verfügungen über insolvenzfreie Konten Überweisungsaufträge, die über ein Konto abgewickelt werden sollen, das der Kunde nach der Insolvenzeröffnung eingerichtet hat und das der Aufnahme von Geldern dient, die ihm zur freien Verfügung überlassen wurden, kann der Kunde der Bank selbstverständlich erteilen. Da auch der Neuerwerb grundsätzlich zur Insolvenzmasse gehört (§ 35 InsO), kann der Kunde über dieses Konto jedoch nur Gelder lenken, die ihm als Unterhalt aus der Masse bewilligt wurden (§ 100 InsO), die aus dem pfändungsfreien Teil seines Arbeitseinkommens stammen (s. auch Rn. 2.230) oder die der Insolvenzverwalter freigegeben hat. Dazu gehören insbesondere Pfändungsschutzkonten (s. Rn. 2.184 ff.)2.

3.51

bb) Überweisung aus Guthaben ohne Kenntnis der Verfahrenseröffnung Wenn die Bank von der Verfahrenseröffnung keine Kenntnis hat, kann es vorkommen, dass sie Überweisungen, die ihr vor oder nach der Verfahrenseröffnung zugehen, nach der Verfahrenseröffnung annimmt und durchführt.

3.52

Weist das Konto des Kunden ein Guthaben auf, so wird die Bank, die in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung einen Überweisungsauftrag ausführt, durch die Zahlung an den Empfänger von ihrer Schuld gegenüber dem Kontoinhaber nach § 82 InsO befreit3. Die Zahlung an den Überweisungsempfänger ist nämlich rechtlich als Leistung an den Kontoinhaber zu werten4. Für die Anwendung der Schutzvorschrift des § 82 InsO ist es ohne Bedeutung, ob der Überweisungsauftrag vor oder nach Verfahrenseröffnung bei der Bank eingegangen ist und ob das Guthaben, aus dem die Bank geleistet hat, schon bei Verfahrenseröffnung vorhanden war oder ob es erst durch Zahlungseingänge nach Verfahrenseröffnung entstanden ist5. § 82 InsO bezieht sich unterschiedslos auf sämtliche Verbindlichkeiten, die „zur Insolvenzmasse zu erfüllen“ waren. Ebenso ist es unerheblich, dass der Kunde der Bank nach Verfahrenseröffnung keinen wirksamen Überweisungsauftrag mehr erteilen konnte und seine Zahlung im Verhält-

3.53

1 BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZIP 2009, 673 = ZInsO 2009, 659. 2 Büchel BKR 2009, 358; Büchel ZInsO 2010, 20. 3 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92; OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/06, ZInsO 2006, 884; für den insoweit übereinstimmenden § 8 KO: Jaeger/Henckel, KO, 4. Aufl. 1977, § 8 Rn. 28; Kübler BB 1976, 804; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9b; Liesecke WM 1975, 300; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 114; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 117. 4 BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; BGH v. 15.11.2005 – XI ZR 265/04, WM 2006, 28; OLG Rostock v. 31.7.2006 – 3 U 161/05, ZIP 2006, 1872; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, WM 1989, 1816 = WuB VI C § 106 KO 1.90 Obermüller; BGH v. 12.6.1997 – IX ZR 110/ 96, WM 1997, 1658; BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, ZIP 2001, 1239; von Godin NJW 1958, 856; Steinhoff ZIP 2000, 1141; zur Abgrenzung s. BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 216/13, ZInsO 2014, 1662. 5 A.A. Schäfer ZInsO 2008, 16.

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Dritter Teil Rz. 3.53 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

nis zu dem Überweisungsempfänger unwirksam ist (§ 81 InsO)1. Die Unwirksamkeitsfolge des § 81 InsO beschränkt sich nämlich auf Leistungen des Insolvenzschuldners an Dritte, während Leistungen Dritter an den Insolvenzschuldner nach § 82 InsO zu beurteilen sind2; § 82 InsO schützt den Geschäftspartner des Insolvenzschuldners, der im Vertrauen auf den Fortbestand von dessen Verfügungsbefugnis an ihn leistet. Der Insolvenzverwalter muss sich dann wegen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung an den Überweisungsempfänger wenden3. cc) Überweisung aus Kredit ohne Kenntnis der Verfahrenseröffnung

3.54

Wenn die Bank ohne Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine nach Verfahrenseröffnung eingegangene Überweisung ausführt und das Konto des Kunden einen Debetsaldo auswies, so erwirbt die Bank ebenfalls einen Aufwendungsersatzanspruch, den sie als Insolvenzforderung geltend machen kann (§ 116, § 115 Abs. 3 InsO)4. Als Masseforderung nach § 116 Satz 3 InsO kann der Aufwendungsersatzanspruch nicht eingeordnet werden5. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf Überweisungsaufträge, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung schon erteilt waren; für neue Überweisungen bleibt es bei den allgemeinen Vorschriften der § 116 Satz 1, § 115 Abs. 3 InsO. Diese werden durch die Sonderregelung des § 116 Satz 3 InsO auch nicht völlig verdrängt, sondern decken die Fälle ab, die § 116 Satz 3 InsO nicht regelt. Ihre Anwendung führt zu dem Ergebnis, dass der Zahlungsdiensterahmenvertrag, also der Girovertrag und die darauf beruhende Befugnis des Kunden, der Bank Überweisungsaufträge hereinzugeben, d.h. Überweisungsträger körperlich oder elektronisch zu übermitteln, als fortbestehend gelten.

3.55

Die Bank ist jedoch nicht auf die Insolvenzquote angewiesen, wenn ihr andere Werte des Kunden als Sicherheit für ihre Forderung haften6. § 115 Abs. 3 InsO schließt nämlich nicht aus, dass die Bank für ihre Forderung ein Absonderungsrecht erhält, sondern stellt nur klar, dass keine Masseforderungen entstehen, obwohl die Bank nach Verfahrenseröffnung eine Leistung zugunsten der Masse erbringt. Die Begründung zum Regierungsentwurf für die Insolvenzrechtsreform, die vom Rechtsausschuss übernommen wurde, führt dazu aus, dass die Regelungen der Konkursordnung über das Erlöschen von Aufträgen inhaltlich unverändert übernommen worden seien; dort aber war unstreitig, dass Absonderungsrechte für derartige Forderungen in Anspruch genommen werden dürfen7.

3.56

Das Absonderungsrecht der Bank an den bei ihr unterhaltenen Werten des Kunden beruht auf ihrem Pfandrecht aus Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen). Danach haften diese Werte auch für alle künftigen Forderungen der Bank

1 OLG Schleswig v. 29.6.2016 – 9 U 22/16, ZIP 2016, 1787 = ZInsO 2016, 1901. 2 BGH v. 21.11.2013 – IX ZR 52/13, ZIP 2014, 32 = ZInsO 2014, 33; Wimmer/Amend in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 82 Rn. 4. 3 OLG Schleswig v. 29.6.2016 – 9 U 22/16, ZIP 2016, 1787 = ZInsO 2016, 1901. 4 Nobbe KTS 2007, 397. 5 Eskes BankPraktiker 2006, 135. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 502; Damrau BB 1969, 206 für einen nach Konkurseröffnung eingelösten eurocheque; Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 19 zu der gleich gelagerten Problematik im Vergleichsverfahren; zur Begründung im Einzelnen s. Rn. 6.660 ff. 7 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 27 Rn. 9; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 27 Rn. 5.

486 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.56 Dritter Teil

gegen den Kunden1 aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung2. Grundsätzlich verhindern zwar die Vorschriften der §§ 81, 91 InsO, dass noch nach Insolvenzeröffnung einzelne Gläubiger Forderungen gegen den Schuldner und für diese Forderungen Vorzugsrechte an dem Schuldnervermögen erwerben können; demgemäß ist ein für eine künftige Forderung bestelltes Pfandrecht im Insolvenzverfahren grundsätzlich unwirksam, wenn die Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Entstehung gelangt. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Rechtsgrund für die Forderung erst während des Insolvenzverfahrens entsteht. Anders ist es aber, wenn der Rechtsgrund schon vor Insolvenzeröffnung vorhanden war und die Forderung zwar nach Insolvenzeröffnung, aber ohne Zutun des Schuldners (sonst würde wieder § 81 InsO den Rechtserwerb verhindern) entsteht3. Ein solcher Rechtsgrund ist in dem Bankvertrag zu sehen. Dieser Vertrag ist schon vor Insolvenzeröffnung abgeschlossen und gilt nach Insolvenzeröffnung fort, wenn die Bank von seinem Erlöschen keine Kenntnis hat. Da aus diesem Vertrag auch nach Insolvenzeröffnung noch Ansprüche gegen den Schuldner entstehen können (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO), die die Insolvenzmasse belasten, und § 91 InsO keine Anwendung findet, muss auch eine Sicherung dieser Ansprüche möglich sein. Die von Windel4 vertretene Auffassung, dass die Valutierung des Pfandrechts nach Insolvenzeröffnung die der Masse zugehörige Einrede mangelnder Valutierung beseitigen und damit die Masse benachteiligen würde, trifft nicht zu, wenn die Masse sich ohnehin wegen §§ 116, 115 Abs. 3 InsO einer nach Insolvenzeröffnung entstandenen Forderung ausgesetzt sieht. Dass die Insolvenzordnung Verluste für die Insolvenzmasse auch nach Insolvenzeröffnung in Kauf nimmt, zeigt § 82 InsO. Wirtschaftlich macht es keinen Unterschied, ob die Masse wegen § 82 InsO aufgrund eines von der Bank in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung ausgeführten Überweisungsauftrags eine Guthabenforderung gegen die Bank verliert oder ob sie, wenn kein Guthaben bestand, wegen des Aufwendungsersatzanspruchs der Bank aus dem Überweisungsauftrag andere Werte verliert, die der Schuldner bei der Bank unterhält und die der Bank als Pfand haften. Eine weitere Parallele zu diesem Fall findet sich bei nach Insolvenzeröffnung entstehenden Zinsen (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO), für die sich die Bank ebenfalls abgesondert befriedigen kann, wenn ihr vor Insolvenzeröffnung ein Pfandrecht bestellt war (s. Rn. 2.328)5. Letztlich sei noch darauf verwiesen, dass auch die Heranziehung einer Sicherheit für eine Forderung, die innerhalb der Anfechtungsfristen entstanden ist, nicht angefochten werden kann, da das spätere Entstehen der Forderung keine Schmälerung des Vermögens des Schuldners, der schon vor der Krise eine Sicherheit eingeräumt hat, mehr zur Folge haben kann6. Diese Begründung trifft auch den vorliegenden Fall.

1 BGH v. 13.5.1997 – IX ZR 129/96, ZIP 1997, 1231 = KTS 1997, 636. 2 Zum Begriff s. BGH v. 28.10.1997 – XI ZR 26/97, ZIP 1997, 2194. 3 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, ZInsO 2003, 607; OLG Dresden v. 11.1.2007 – 13 U 2119/05, ZIP 2007, 640; ebenso Wörbelauer DNotZ 1965, 580 für die Valutierung einer Grundschuld nach Konkurseröffnung; einschränkend Jaeger, InsO, 2007, § 91 Rn. 41; zur Begründung im Einzelnen s. Rn. 6.660 ff. 4 Jaeger/Windel, InsO, 2007, § 91 Rn. 31. 5 RG v. 18.12.1937 – V 151/37, JW 1938, 892; BGH v. 8.5.1956 – I ZR 63/55, NJW 1956, 1594; BGH v. 28.11.1986 – V ZR 257/85, ZIP 1987, 245; BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, WM 1993, 265; BGH v. 5.12.1996 – IX ZR 53/96, WM 1997, 136; vgl. auch Wörbelauer DNotZ 1965, 580 für die Valutierung einer Grundschuld nach Konkurseröffnung. 6 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZInsO 2007, 91; Kirchhof WM 1996, Sonderbeilage Nr. 2, 19.

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Dritter Teil Rz. 3.57 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

dd) Überweisung trotz Kenntnis der Verfahrenseröffnung

3.57

Führt die Bank eine nach Verfahrenseröffnung eingegangene Überweisung trotz Kenntnis von der Insolvenzeröffnung aus – was in der Regel auf einem Versehen beruhen wird –, so erwirbt die Bank gegen ihren Kunden keinen Aufwendungsersatzanspruch, den sie mit ihrer Guthabenschuld verrechnen oder im Falle eines debitorischen Saldos als Insolvenzforderung anmelden könnte. Denn nach dem Erlöschen des Bankvertrages und ohne einen wirksamen Überweisungsauftrag konnte ein Aufwendungsersatzanspruch nicht mehr begründet werden. Er lässt sich nach Fortfall des Bankvertrages auch nicht aus der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB)1 herleiten, da die Zahlung in der Regel dem Interesse und dem Willen des Insolvenzverwalters widerspricht (§ 683 BGB).

3.58

Stattdessen ist die Bank auf einen Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger der Zahlung angewiesen2. An den gefestigten Grundsätzen der Rechtsprechung zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung in den sog. Anweisungsfällen ist nämlich auch nach der Regelung des Rechts der Zahlungsdienste in §§ 675c ff. BGB in Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie festzuhalten, d.h. der Bereicherungsausgleich vollzieht sich grundsätzlich innerhalb des jeweiligen fehlerhaften Leistungsverhältnisses3. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht ausnahmslos. Der Angewiesene hat dann einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB gegen den Anweisungsempfänger, wenn eine wirksame Anweisung fehlt4. Seine differenzierende, maßgeblich auf Veranlasser- und Rechtsscheinhaftung abstellende Rechtsprechung hat der BGH nach dem neuen Zahlungsdiensterecht ausdrücklich aufgegeben5. Soweit die Zahlung mangels Autorisierung nach § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB nicht wirksam ist, ist einem Zahler ohne dessen Autorisierung unabhängig davon, ob der Zahlungsempfänger Kenntnis von der fehlenden Autorisierung, also von der die Insolvenzeröffnung6 hat und wie sich der Zahlungsvorgang von seinem Empfängerhorizont aus darstellt, nicht als Leistung zugerechnet werden7.

3.59

Wenn der Überweisungsempfänger jedoch gutgläubig ist, so besteht für ihn unter Umständen die Möglichkeit, gegen den Bereicherungsanspruch der Bank die Einrede der Entreicherung zu erheben8. Auch kann sich der Zahlungsempfänger unter Umständen auf § 814 BGB berufen, wonach die Bank zur Rückforderung nicht berechtigt ist, wenn sie bei der Zahlung wusste, dass sie dazu nicht verpflichtet war. Entscheidend ist dabei jedoch die Kenntnis des-

1 Geschäftsführung ohne Auftrag für den Konkursverwalter war grundsätzlich möglich (BGH v. 9.6.1971 – VIII ZR 25/70, NJW 1971, 1564), für den Insolvenzverwalter kann insoweit nichts anderes gelten. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 503; Kübler BB 1976, 805; BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZInsO 2009, 659; LG Gera v. 1.12.1999 – 1 S 219/99, NZI 2001, 100; LG Offenburg v. 24.2.2004 – 4 O 56/03, ZInsO 2004, 55; OLG Hamburg v. 7.7.2006 – 1 U 75/06, WM 2006, 2078; s. auch zu den vergleichbaren Fällen, dass ein Geschäftsunfähiger oder nur Gesamtvertretungsberechtigter eine unwirksame Anweisung erteilt, BGH v. 1.6.2010 – XI ZR 389/09, ZIP 2010, 1283 mit Anm. Osterloh-Konrad ZBB 2011, 155; a.A. Jaeger/Windel, InsO, 2007, § 82 Rn. 24. 3 AG Hamburg-Harburg v. 24.4.2013 – 642 C 2/13, BKR 2013, 393; kritisch zur Disharmonie von Bereicherungs- und Zahlungsdiensterecht Omlor JM 2014, 315. 4 BGH v. 16.6.2015 – XI ZR 243/13, ZIP 2015, 1622 Rn. 18. 5 BGH v. 16.6.2015 – XI ZR 243/13, ZIP 2015, 1622 Rn. 22. 6 LG Gera v. 1.12.1999 – 1 S 219/99, NZI 2001, 100; Canaris WM 1980, 358. 7 BGH v. 16.6.2015 – XI ZR 243/13, ZIP 2015, 1622 Rn. 23 f. 8 LG Gera v. 1.12.1999 – 1 S 219/99, NZI 2001, 100; Kübler BB 1976, 805; Einzelheiten zum Bereicherungsanspruch s. Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 48.

488 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.61 Dritter Teil

sen, der für die Ausführung des Überweisungsauftrags verantwortlich ist1. Wenn die Bank ihren Ersatzanspruch gegen den Zahlungsempfänger nicht durchsetzen kann, so kann sie von der Insolvenzmasse keinen Ersatz verlangen. Zwar hat die Bank die Masse von den Verbindlichkeiten gegenüber dem Zahlungsempfänger befreit, wenn die Bank die Zahlung von dem Empfänger nicht zurückfordern kann und gleichwohl ihrem Kunden zur Herausgabe seines Guthabens verpflichtet bleibt. Ihre Ersatzansprüche kann sie aber nicht gegen die Insolvenzmasse geltend machen. Denn der Bereicherungsanspruch entsteht erst nach Insolvenzeröffnung, so dass er nur gegen den Schuldner persönlich geltend gemacht und nur in das insolvenzfreie Vermögen vollstreckt werden kann2. c) Kriterien für die Zurechnung der Kenntnis bestimmter Tatsachen Die Kriterien für die Zurechnung der Kenntnis von bestimmten Tatsachen sind unterschiedlich je nachdem, ob die – nach Verfahrenseröffnung eingegangene oder angenommene – Überweisung zu Lasten eines Guthabens oder unter Inanspruchnahme von Krediten ausgeführt wurde und welche Stelle der Bank die wirtschaftliche Lage des Kunden kannte bzw. welche Intensität diese Kenntnisse hatten.

3.60

aa) Ausführung aus Guthaben Weist das Konto des Kunden ein Guthaben auf, so wird die Bank, die in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung einen Überweisungsauftrag ausführt, durch die Zahlung an den Empfänger von ihrer Schuld gegenüber dem Kontoinhaber nach § 82 InsO befreit3. Die Beweislast für die fehlende Kenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung trifft bei einer Zahlung vor der öffentlichen Bekanntmachung den Insolvenzverwalter (§ 82 Satz 2 InsO)4, bei einer Zahlung nach der öffentlichen Bekanntmachung muss die Bank ihre Unkenntnis beweisen (§ 82 Satz 1 InsO)5. Entscheidend für die Beweislastverteilung ist allein die öffentliche Bekanntmachung durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet nach § 9 Abs. 3 InsO, weitere Bekanntmachungen in Tageszeitungen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 InsO können zwar den guten Glauben beseitigen, hier bleibt es jedoch bei der Beweislast des Insolvenzverwalters6. Nach Ablauf des zweiten Tages seit der Veröffentlichung im Internet gilt die Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung zwar als bewirkt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 InsO), dies schließt jedoch den Beweis der Unkenntnis nicht aus7. Die fahrlässige Unkenntnis, das sog.

1 Prütting in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 17. Aufl. 2022, § 814 Rn. 7; BAG v. 11.11.1960 – 4 AZR 361/58, JZ 1961, 456; BGH v. 18.1.1979 – VII ZR 165/78, BGHZ 73, 202. 2 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 27. 3 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92; OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/06, ZInsO 2006, 884; für den insoweit übereinstimmenden § 8 KO: Jaeger/Henckel, KO, 4. Aufl. 1977, § 8 Rn. 28; Kübler BB 1976, 804; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9b; Liesecke WM 1975, 300; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 114; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 117. 4 Ebenso für die Fiktion der öffentlichen Bekanntmachung des § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768 = ZInsO 2003, 374. 5 BGH v. 7.10.2010 – IX ZR 209/09, ZIP 2010, 2307 = ZInsO 2010, 2296. 6 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92. 7 OLG Schleswig v. 21.6.2002 – 1 U 208/01, DZWIR 2002, 514; OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/ 06, ZIP 2006, 1684 = ZInsO 2006, 884.

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3.61

Dritter Teil Rz. 3.61 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Kennenmüssen, steht der Kenntnis nicht gleich1. Auch die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Insolvenz schließen lassen, schadet nicht. Diese in § 130 Abs. 2, § 131 Abs. 2 InsO enthaltene Fiktion der Kenntnis beruht auf dem Bemühen der Insolvenzrechtsreform, die Anfechtung von Rechtshandlungen vor Verfahrenseröffnung zu erleichtern2; eine Ausdehnung dieser Sonderregelungen auf andere Themen ist nicht zulässig3.

3.62

Die Bank ist nicht verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen zu schaffen, die im Internet zugänglichen Informationen über eine Verfahrenseröffnung aufzunehmen und weiterzuverarbeiten4. Die Möglichkeit, diese Information durch eine Einzelabfrage aus dem Internet unter www.insolvenzbekanntmachungen.de zu gewinnen, hindert sie nach Treu und Glauben nicht daran, sich auf ihre Unkenntnis zu berufen5. Ob sie mit verhältnismäßig geringem Aufwand Insolvenzbekanntmachungen im Internet programmgesteuert mit eigenen Kundendaten hätte abgleichen und wesentliche Informationen fortlaufend übernehmen können, ist nicht relevant6. Banken sind auch nicht gehalten, sich wegen der Möglichkeit der Internetabfrage beweismäßig für sämtliche Mitarbeiter zu entlasten. Es kommt also nicht darauf an, welche Maßnahmen die Bank hätte treffen können, um von den gerichtlichen Entscheidungen Kenntnis zu erlangen7; eine Verpflichtung, vor jeder Verfügung eines Kunden die Internet-Bekanntmachungen zu überprüfen, besteht nicht. Daher schadet es der Bank auch nicht, wenn sie durch routinemäßige Überprüfungen der Insolvenzbekanntmachungen von einem Insolvenzverfahren Kenntnis erlangt hat, diese aber mangels Kundenverbindung nicht gespeichert und dann in dem Zeitpunkt vergessen hatte, in dem der Insolvenzschuldner mit ihr in Geschäftsverbindung getreten ist; eine Speicherung und Vorhaltung solcher Informationen im Hinblick auf mögliche spätere Kundenverbindung ist unzumutbar8. Andererseits kann eine Bank die Kenntnis nicht verneinen, wenn sie von einer Verfahrenseröffnung erfahren hat, aber wegen einer nicht völlig korrekten Schreibweise des Schuldnernamens mit Hilfe einer nur einmaligen Computerabfrage eine Geschäftsverbindung nicht ermitteln konnte9; in dem entschiedenen Fall waren in der Mitteilung die Bindestriche in dem Schuldnernamen vergessen worden.

3.63

Die Bank kann grundsätzlich so lange mit befreiender Wirkung leisten, wie die kontoführende Stelle von der Insolvenzeröffnung keine Kenntnis hat. Die Kenntnis einer anderen Stelle der Bank schadet zunächst nicht10, sofern diese in den organisatorischen Ablauf normalerwei1 LG München v. 2.12.1986 – 32 S 11420/86, WM 1987, 222; OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/06, ZInsO 2006, 884; nur positive Kenntnis schadet, Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 13. 2 RegE Allgemeine Begründung A 4b gg. 3 OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/06, ZIP 2006, 1684 = ZInsO 2006, 884. 4 BGH v. 15.4.2010 – IX ZR 62/09, ZInsO 2010, 912 = mit Anm. Wittmann/Kinzl ZIP 2011, 2232; OLG Düsseldorf v. 5.5.2015 – I-24 U 50/14, ZInsO 2015, 1057. 5 OLG Bremen v. 30.1.2014 – 3 U 52/13, ZIP 2014, 430 = ZInsO 2014, 498 = mit Anm. Röhm/ Seichter JM 2014, 328; OLG Düsseldorf v. 5.5.2015 – I-24 U 50/14, ZInsO 2015, 1057. 6 OLG Bremen v. 30.1.2014 – 3 U 52/13, ZIP 2014, 430 = ZInsO 2014, 498. 7 OLG Düsseldorf v. 19.11.2007 – I-17 U 207/06, ZInsO 2008, 44; AG Frankfurt v. 27.11.2007 – 31 C 1096/07, n.v.; LG Frankfurt v. 31.3.2008 – 2-01 S 341/07, n.v. 8 OLG Dresden v. 8.8.2007 – 13 U 476/07, ZInsO 2008, 509 = mit Anm. Wittmann ZInsO 2008, 1010; a.A. LG Dresden v. 2.11.2007 – 10 O 929/07, ZIP 2008, 935. 9 LG Stralsund v. 15.2.1995 – 4 O 434/94, ZIP 1995, 578 = WM 1995, 1875. 10 BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809; BGH v. 1.6.1989 – III ZR 261/87, WM 1989, 1364 = WuB I G 7. – 8.89 Heymann; BGH v. 1.6.1989 – III ZR 277/87, WM 1989, 1368 = WuB IV A § 166 BGB 1.89 Obermüller; vgl. OLG Celle v. 20.3.1981 – 8 U 109/80, ZIP 1981, 467 für die Zu-

490 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.63a Dritter Teil

se nicht einzuschalten ist. Sie muss ihr Wissen jedoch unverzüglich an die kontoführende Stelle weiterleiten1; dazu sind entsprechende organisatorische Maßnahmen, insbesondere unter Zuhilfenahme von Datenverarbeitungsanlagen zumutbar2; entscheidend für die Kenntniszurechnung ist dann der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsmäßiger Organisation die Nachricht bei der bearbeitenden Stelle hätte eingetroffen sein müssen3. Demgegenüber muss sich die Bank dasjenige Wissen stets zurechnen lassen, das bei sachgerechter Organisation dokumentiert und verfügbar ist und zu dessen Nutzung unter Berücksichtigung der geschäftlichen Bedeutung des Vorgangs Anlass bestand4. Insoweit schadet bereits die Kenntnis eines Mitglieds eines Organs einer juristischen Person, auch wenn es mit dem operativen Geschäft an der Basis nicht unmittelbar etwas zu tun hat5. Auch von diesem Grundsatz gibt es wieder eine Ausnahme. Ist etwa einem Vorstandsmitglied einer Bank, das dem Aufsichtsrat einer Gesellschaft angehört, aufgrund seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat die drohende Insolvenz dieser Gesellschaft bekannt und unterliegt dieser Tatbestand der Verschwiegenheitspflicht6, so muss das Vorstandsmitglied innerhalb seiner Bank schweigen7. Da die Verschwiegenheitspflicht umfassend ist, schließt ihr Bestehen eine Offenbarungspflicht gegenüber der Bank aus. Dementsprechend kann das Aufsichtsratswissen insoweit der Bank nicht als eigenes Wissen zugerechnet werden8. Wenn die Bank bestimmte Informationen wie z.B. über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Anordnung vorläufiger Maßnahmen in automatisierten Verfahren erhält, erhebt sich die Frage, ob ihr das Wissen um die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, das ohne persönliche Kenntnisnahme durch einen Mitarbeiter der Bank angesammelt wird, wie eigenes, menschliches Wissen analog § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist. Wenn an den Erhalt von automatisch gesammelten und gespeicherten Informationen vom Gesetz gewisse Folgen geknüpft werden, die vom Adressaten zu beachten sind, gehört es zu dessen Organisations-

1 2 3 4

5 6 7 8

rechnung der Kenntnis innerhalb einer Anwaltssozietät sowie unten Rn. 3.239 für die Kenntnis von Mitarbeitern derselben Stelle; zur Wissenszurechnung zwischen Abteilungen eines Finanzamts s. OLG Nürnberg v. 9.1.2012 – 4 U 931/11, ZIP 2012, 1043; BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 200/ 12, ZInsO 2014, 1490; AG Frankfurt v. 20.2.2014 – 29 C 1908/13 (46), ZInsO 2014, 1396; LSG Nordrhein-Westfalen v. 20.9.2018 – L 5 KR 553/16, ZInsO 2019, 392; zur Wissenszurechnung einer ersuchten Behörde s. BGH v. 14.2.2013 – IX ZR 115/12, ZInsO 2013, 608 bzw. Vollstreckungsbehörde BGH v. 31.10.2019 – IX ZR 170/18, ZInsO 2020, 91 Rn. 14; zur Zurechnung privaten Wissens s. Buck-Heeb WM 2008, 281; umfassend zur Wissenszurechnung Nobbe, Bankrechtstag 2002, 2003, S. 121; Bork DB 2012, 33; Armbrüster/Kosich ZIP 2020, 1494; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, 1996, S. 140; Seidel ZIP 2020, 1506. OLG Celle v. 22.4.1998 – 3 U 168/97, ZIP 1998, 1232; BGH v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, ZIP 2001, 26 WM 2000, 2515; Bork DB 2012, 33. BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; BFH v. 18.8.2015 – VII R 24/13, ZIP 2015, 2431 = ZInsO 2015, 2581; Fischer WM 2007, 813. Zur Wissenszurechnung bei automatisierten Vorgängen s. auch OLG Frankfurt v. 6.3.2019 – 3 U 145/18, ZInsO 2019, 1944. BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; BGH v. 18.1.2005 – XI ZR 201/03, WM 2005, 375; BGH v. 15.4.1997 – XI ZR 105/96, WM 1997, 1092; BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, ZInsO 2011, 1454; vgl. zur Abgrenzung die Rspr. zur Wissenszurechnung bei Prüfung der Sittenwidrigkeit BGH v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, ZIP 2016, 2023 = mit Anm. Reuter ZIP 2017, 310. BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92; OLG Düsseldorf v. 4.10.2018 – I-12 U 5/18, ZInsO 2019, 151 = mit Anm. Eckert/Holze NZI 2019, 122. BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, WM 1975, 678. Zum Interessenkonflikt dieses Aufsichtsratsmitglieds s. Meincke WM 1998, 749. BGH v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, ZIP 2016, 1063; Werner ZHR 145 (1981), 265.

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3.63a

Dritter Teil Rz. 3.63a | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

pflicht, bei der Installation des Programms für eine Gestaltung zu sorgen, bei der eine „Meldung“ der über die automatisierte eigentliche Aufgabe hinaus gesetzlich relevanten Informationen an den Betreiber persönlich bzw. dessen zuständigen Vertreter gelangt1. Das ist technisch möglich, indem das System regelmäßig in kurzen Abständen Listen der Meldungen eines Zahlungsverzugs ausdruckt und ein Sachbearbeiter die Aufgabe erhält, diese eigenverantwortlich auf Zweifel an der Liquidität der Schuldner zu prüfen. Die Bank ist zwar nicht verpflichtet, ein solches System einzurichten oder zu betreiben, wenn es aber existiert, muss sie für die Auswertung sorgen. bb) Ausführung unter Inanspruchnahme von Krediten

3.64

Bei einer Ausführung unter Inanspruchnahme von Krediten kann die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch nicht schon dann geltend machen, wenn ihre Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung feststeht (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO). Vielmehr kommt es zusätzlich darauf an, ob die Unkenntnis der Bank etwa auf Fahrlässigkeit beruht; in diesem Fall erwirbt sie keinen Aufwendungsersatzanspruch, da das Fortbestehen des Auftrags nur dann fingiert wird, wenn dem Beauftragten das Erlöschen des Auftrags weder bekannt war noch bekannt sein musste2. Auf den für die Bank weitergehenden Schutz nach § 82 InsO kann sie sich nicht berufen, da sie im Falle eines im Soll befindlichen Kontos nicht Schuldnerin des Insolvenzschuldners ist. Dies macht aber hinsichtlich der vorstehend dargestellten Pflicht zur Schaffung organisatorischer Maßnahmen und Auswertung automatisierter Verfahren keinen Unterschied. d) Erwerb bestimmter Kenntnisse während der Ausführung

3.65

Wie sich eine Bank verhalten muss, die von der Insolvenzeröffnung erfährt, während sich die nach Verfahrenseröffnung eingegangene Überweisung noch in der Bearbeitung befindet, hängt vom Stand des Bearbeitungsvorgangs ab. Denn der Leistende wird in seinem Vertrauen auf die Empfangszuständigkeit des Gläubigers nach § 82 InsO nur geschützt, wenn ihm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens solange unbekannt geblieben ist, wie er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermag3. Dabei ist es unerheblich, ob die Voraussetzungen, unter denen die Bank nach § 675o Abs. 2 BGB bzw. Nr. 1.7 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr4 die Ausführung ablehnen oder der Kunde den Auftrag nach § 675p Abs. 1 BGB, Nr. 1.5 Abs. 1 der Bedingungen für den Überweisungsverkehr widerrufen kann, erfüllt sind. Denn es liegt wegen der zwischenzeitlichen Verfahrenseröffnung überhaupt kein wirksamer Zahlungsauftrag vor. Für die Bank, die mit Durchführung der Überweisung eine Leistung an den Überweisungsauftraggeber erbringt, kommt es also darauf an, bis zu welchem Zeitpunkt sie die Überweisung noch anhalten konnte. aa) Kenntnis nach Gutschrift auf Empfängerkonto

3.66

Von ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Kontoinhaber wird die Bank durch Ausführung des Überweisungsauftrags jedenfalls dann befreit, wenn sie in dem Zeitpunkt von der Insolvenzeröffnung noch keine Kenntnis hatte, in dem die Empfangsbank „in Bezug auf die Gut1 2 3 4

OLG Hamm v. 8.9.2011 – I-27 U 36/11, ZIP 2011, 1926. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 502. BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 118/08, ZIP 2009, 1726 = ZInsO 2009, 1646. Abgedr. bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/136.

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A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.68 Dritter Teil

schrift für den Empfänger ihrerseits ihren Bindungswillen manifestiert hat“1. Das ist bei technischer Abwicklung der Zeitpunkt, zu dem nach dem Willen der Bank, der in einem entsprechenden Organisationsakt zum Ausdruck kommt, die Daten der Gutschrift zur vorbehaltlosen Bekanntgabe an den Überweisungsempfänger zur Verfügung gestellt werden (sog. Nachdisposition)2. Das kann beispielsweise schon dann der Fall sein, wenn der Empfänger die Möglichkeit hat, die Daten über einen Kontoauszugsdrucker abzurufen (sog. Abrufpräsenz)3. bb) Kenntnis vor Gutschrift auf Empfängerkonto Zwischen der ersten Bearbeitung des Überweisungsauftrages im Hause der Überweisungsbank und der Gutschrift auf dem Empfängerkonto vergeht jedoch eine gewisse Zeit, so dass sich die Frage stellt, ob die Bank auch dann mit befreiender Wirkung zahlen kann, wenn sie zwar im Zeitpunkt der Disposition über das Konto des Schuldners, d.h. bei der Entscheidung, den Überweisungsauftrag zu Lasten des Guthabens auszuführen, von der Insolvenzeröffnung nichts wusste, jedoch noch vor Gutschrift auf dem Empfängerkonto davon erfahren hat. Teilweise4 wird die Auffassung vertreten, dass maßgebender Zeitpunkt für die Kenntnis der Bank derjenige sei, von dem an die Bank die Überweisung nicht mehr rückgängig machen könne. Dieser Zeitpunkt wird mit der Gutschrift auf dem Empfängerkonto gleichgesetzt. Diese Auffassung kann nicht unwidersprochen hingenommen werden. Zwar ist es richtig, dass es für die Anwendung von § 82 InsO nicht genügen kann, wenn die Bank bei der Belastung des Kundenkontos mit dem Überweisungsbetrag gutgläubig war5.

3.67

Andererseits kann es auf die Gutschrift auf dem Empfängerkonto nur dann ankommen, wenn die Bank die technische oder rechtliche Möglichkeit hat, diese Gutschrift zu verhindern, ohne den Zahlungsverkehr zu stören. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebung zum Überweisungsgesetz6, das für das Verhältnis des insolventen Kunden zu seiner Bank im Interesse einer fristgerechten Ausführung von Überweisungen und des reibungslosen Ablaufs des Zahlungsverkehrs den Fortbestand von Überweisungsverträgen über den Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hinaus angeordnet hat (§ 116 Satz 3 InsO)7; der Insolvenzverwalter wird darauf verwiesen, etwaige Anfechtungsmöglichkeiten aus §§ 129 ff. InsO und darauf gestützte Rückgewähransprüche unmittelbar gegenüber dem Überweisungsempfänger geltend zu machen. Für die Anwendung von § 82 InsO muss danach unterschieden werden, ob die Bank die Möglichkeit zu einem Direktwiderruf hat oder ob ihr technische Mittel zur Verfügung stehen, innerhalb der Abwicklungssysteme eine einzelne Überweisung auszusortieren.

3.68

1 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, ZIP 1988, 294 = WM 1988, 321 = WuB I D 1. – 2.88 Hadding/ Häuser. 2 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, ZIP 1988, 294 = WM 1988, 321 = WuB I D 1. – 2.88 Hadding/ Häuser; BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, ZIP 2002, 1408 = ZInsO 2002, 721; BSG v. 26.4.2007 – B 4 R 89/06 R, WM 2007, 2232; OLG Nürnberg v. 18.4.1996 – 8 U 3213/95, BB 1996, 2007. 3 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 = WuB I D 1. – 2.88 Hadding/Häuser; BGH v. 23.11.1999 – XI ZR 98/99, WM 2000, 25; OLG Koblenz v. 2.10.2003 – 7 U 152/03, ZIP 2004, 353; BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, ZInsO 2002, 721. 4 Heile, Die Anweisung im Konkurs des Anweisenden, 1976, S. 126; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 29. 5 Heile, Die Anweisung im Konkurs des Anweisenden, 1976, S. 126. 6 Gesetz v. 21.7.1999, BGBl. I 1999, 1642. 7 Einzelheiten s. Obermüller ZInsO 1999, 690.

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Dritter Teil Rz. 3.69 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.69

Besteht keine Möglichkeit zu einem Direktwiderruf, so kann es stets nur auf den Zeitpunkt ankommen, in dem die Bank über den Überweisungsauftrag des Kontoinhabers noch nicht disponiert oder zwar schon disponiert hat, die Folgen dieser Verfügung jedoch ohne Eingriff in den Zahlungsverkehr mit Dritten noch rückgängig machen kann1. Letzteres ist im beleghaften Verfahren meist nicht mehr möglich, wenn der Überweisungsträger schon in einer Sammelstelle mit anderen Überweisungsträgern zusammengefasst worden ist2. Dann hat die Bank bei einer Überweisung auf ein Konto, das der Empfänger bei einer anderen Bank unterhält, ihre Pflichten aus dem Giroverhältnis schon dann erfüllt und einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Auftraggeber erworben, wenn sie den Auftrag an die Bank des Empfängers weitergeleitet und die erforderliche Deckung bereitgestellt hat3. Daher ist bei einer institutsübergreifenden Überweisung dieser Zeitpunkt der späteste, in dem es noch auf ihren guten oder bösen Glauben ankommen kann.

3.70

Wenn die Bank dagegen die Möglichkeit zum Direktwiderruf besitzt, kommt es auf den genauen Bearbeitungsstand innerhalb der Zahlungsverkehrssysteme nicht mehr an. Dies ist bei der Hausüberweisung, also einer Überweisung an einen Empfänger, dessen Konto bei derselben Bank geführt wird, stets der Fall. Bei Überweisungen innerhalb einer Kette von zwei oder mehreren Instituten sind für den Rückruf die jeweils einschlägigen Interbankenabkommen maßgebend, die in der Regel einen Rückruf ausschließen wie z.B. in Abschnitt B I 10 der „Richtlinien für die Beteiligung von Service-Rechenzentren am beleglosen Datenaustausch per Datenfernübertragung (DFÜ)“4 und Nr. III der „Bedingungen für den beleglosen Datenaustausch unter Einschaltung von Service-Rechenzentren mit ausschließlicher Autorisierung durch Begleitzettel“5. Soweit die Bank aufgrund des im konkreten Fall anwendbaren Interbankenabkommens die Möglichkeit zum Direktwiderruf besitzt, muss sie diese auch ausnutzen. Denn der Leistende wird in seinem Vertrauen nur geschützt, wenn ihm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens solange unbekannt geblieben ist, wie er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermag6. cc) Ansprüche des Überweisungsempfängers

3.71

Eine weitere Ausnahmebestimmung von dem Grundsatz, dass ein Girovertrag durch die Insolvenzeröffnung erlischt, enthalten §§ 116, 115 Abs. 2 InsO: Danach gilt der durch die Insolvenzeröffnung an sich erloschene Geschäftsbesorgungsvertrag als fortbestehend, wenn mit dem Aufschub der Ausführung Gefahr verbunden ist. Ob diese Ausnahme für Überweisungen, die der insolvente Kunde im Rahmen eines Girovertrages der Bank einreicht, gelten soll, muss bezweifelt werden. Im Überweisungsverkehr wollte der Gesetzgeber die praktischen Unsicherheiten beseitigen, die aus den Schwierigkeiten, den Begriff der Gefahr im Verzug richtig auszulegen, herrühren7. Dies hat er pauschal dadurch bewirkt, dass er laufende Überweisungen in der Sonderbestimmung des § 116 Satz 3 InsO für insolvenzfest erklärt hat. Ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften über Gefahr im Verzug ist für neue Überweisungen 1 Liesecke WM 1975, 300; Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 23; LG Kiel v. 4.3.1981 – 10 O 91/80, ZIP 1981, 501; OLG Hamm v. 8.6.1977 – 11 U 28/77, WM 1977, 1238. 2 Vgl. insoweit auch OLG Zweibrücken v. 12.1.1984 – 4 U 136/82, ZIP 1984, 436. 3 BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, ZIP 1991, 862 = WM 1991, 797. 4 Abgedr. bei Krepold/Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/6t. 5 Abgedr. bei Krepold/Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/6w. 6 BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 118/08, ZIP 2009, 1726 = ZInsO 2009, 1646. 7 Begründung RegE BT-Drucks. 14/745 S. 29.

494 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.77 Dritter Teil

nicht statthaft, weil nach Verfahrenseröffnung nur noch der Insolvenzverwalter Entscheidungen zu Lasten der Masse treffen darf.

5. Überweisungsaufträge im Planverfahren Nach der Rechtskraft der Bestätigung des Plans wird das Insolvenzverfahren aufgehoben (§ 258 InsO). Damit erhält der Kunde das Recht zurück, frei über die Insolvenzmasse zu verfügen (§ 259 InsO). Die Verfügungsbefugnis über die vom Verwalter eröffneten Konten steht dann kraft Gesetzes dem Kunden zu, ohne dass es eines Übertragungsakts bedürfte. Zur Erteilung von Überweisungsaufträgen ist der Kunde damit wieder berechtigt.

3.72

Der Kunde erhält auch dann die Verfügungsbefugnis wieder zurück, wenn sich an die Bestätigung des Plans ein Überwachungsverfahren anschließt. Allerdings kann im Plan vorgesehen sein, dass bestimmte Rechtsgeschäfte an die Zustimmung des Verwalters gebunden sind (§ 263 InsO). Die Erteilung von Überweisungsaufträgen dürfte dazu nur in den seltensten Fällen gehören.

3.73

6. Überweisungsaufträge im Schutzschirmverfahren Bei Zulassung eines Schutzschirmverfahrens verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die künftige Insolvenzmasse beim Schuldner. Nur er und nicht der Sachwalter ist zur Erteilung und zum Rückruf von Überweisungsaufträgen berechtigt.

3.74

7. Überweisungsaufträge bei Eigenverwaltung Der Antrag auf Eigenverwaltung lässt die Kontoinhaberschaft, das Kontokorrent und damit auch die Befugnis zur Erteilung von Überweisungsaufträgen unberührt. Denn der Schuldner bleibt grundsätzlich weiter in vollem Umfang verfügungsbefugt.

3.75

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Anordnung der Eigenverwaltung gelten die oben dargestellten Regeln wie bei Einsetzung eines Insolvenzverwalters. Der eigenverwaltende Schuldner kann wirksam Zahlungsaufträge erteilen. Eine Zustimmung des Sachwalters ist in der Regel entbehrlich, denn grundsätzlich soll gar kein Zustimmungsvorbehalt angeordnet werden (§ 270a Abs. 1 Nr. 2 InsO); der Schuldner ist lediglich im Innenverhältnis gehalten, Verbindlichkeiten nicht gegen den Willen des vorläufigen Sachwalters zu begründen (§ 275 Abs. 1 Satz 1 InsO).

3.76

Ein vorläufiger oder endgültiger Sachwalter kann zwar von dem Schuldner verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur von dem Sachwalter entgegengenommen und Zahlungen nur von ihm geleistet werden (§ 270a Abs. 1 Satz 2, § 275 Abs. 2 InsO). Eine Übernahme der Kassenführung durch den vorläufigen oder endgültigen Sachwalter hat aber nur interne Wirkung; der Sachwalter wird nur als Vertreter des Schuldners tätig und der Schuldner kann im Verhältnis zu Dritten für die Masse wirksam leisten und Leistungen entgegennehmen1. Der Schuldner kann also auch über ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwa vorhandenes Guthaben verfügen, die Fortführung des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschenen Firmenkontos mit der Bank vereinbaren und Zahlungen an Dritte durch Erteilung

3.77

1 Brünkmans in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 275 Rn. 7; Foltis in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 275 Rn. 26; Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 275 Rn. 8.

Büchel | 495

Dritter Teil Rz. 3.77 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

von Überweisungsaufträgen leisten. Die Bank muss diese Aufträge durchführen, auch wenn sie weiß, dass der Sachwalter die Kassenführung beansprucht.

3.78–3.99

frei

II. Insolvenz des Überweisungsbegünstigten 3.100

Bei Überweisungsaufträgen zugunsten eines Kunden, der insolvent zu werden droht oder schon ist, stellt sich für die Bank zunächst die Frage, unter welchen Voraussetzungen sie die Überweisungsbeträge überhaupt noch gutschreiben darf. Wenn sie zur Gutschrift berechtigt ist, erhebt sich die weitere Frage, ob sie die Gutschrift zur Rückführung eines etwaigen Debetsaldos des Kunden verwenden darf.

1. Berechtigung der Bank zur Gutschrift im Verhältnis zum Überweisungsauftraggeber 3.101

Für die Rechte und Pflichten einer Bank bei der Durchführung von Überweisungen durch Gutschrift auf das Konto eines Kunden, der sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, ist zu unterscheiden, ob dieser Kunde selbst der Endbegünstigte ist oder ob es sich bei ihm um eine Bank handelt, die ihrerseits den Gutschriftsbetrag einem ihrer Kunden weiterzuleiten hätte. a) Gutschrift auf dem Konto der insolvenzreifen Empfängerbank

3.102

Eine insolvenzreife Bank kann in den Zahlungsverkehr grundsätzlich (s. aber insbesondere Rn. 3.106a) nicht mehr eingeschaltet werden. Der Giroverkehr durch Gutschriften auf dem Konto der Bank des Überweisungsbegünstigten darf nämlich nicht mehr fortgesetzt werden, wenn das gutschreibende Kreditinstitut erfährt, dass der Erfolg der Überweisung, dem Empfänger einen Geldbetrag zukommen zu lassen, wegen der Lage seiner Bank nicht mehr erreicht werden kann; die Gutschrift ist missbräuchlich, wenn sie ersichtlich nur zu einer Schädigung des Empfängers der Zahlung führen kann1. aa) Abbruch des Zahlungsverkehrs

3.103

Zum Abbruch des Zahlungsverkehrs mit der insolvenzreifen Bank bzw. zur Umleitung von Überweisungen oder zur Rückfrage bei ihrem Kunden ist die beauftragte Bank nach älterer Rechtsprechung verpflichtet, sobald ihr bekannt ist, dass die Empfängerbank ihre Zahlungen eingestellt hat oder ein Insolvenzverfahren über ihr Vermögen beantragt oder eröffnet ist oder wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der Empfängerbank gerechnet werden muss2. Das gilt aber ausnahmsweise nur noch, wenn keine entsprechende Verpflichtungserklärung einer Sicherungseinrichtung vorliegt oder die Aufsichtsbehörden nicht schon von ihren Befugnissen zur Abwendung und zur Folgenbeseitigung von

1 BGH v. 20.6.1963 – II ZR 185/61, WM 1963, 830; BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 589; OLG Hamburg v. 21.7.1961 – 1 U 95/60, BB 1961, 1075; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 105; 495; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 56. 2 BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, ZIP 2008, 1222.

496 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.106 Dritter Teil

Bankinsolvenzen Gebrauch gemacht haben, die ihnen der Gesetzgeber im Nachgang zur Finanzmarktkrise eröffnet hat1. In einer solchen Situation sollte aber die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bereits vorläufige Maßnahmen ergriffen, nämlich

3.104

– ein vorübergehendes Veräußerungs- und Zahlungsverbot an das Institut erlassen, – die Schließung des Instituts für den Kundenverkehr angeordnet und – die Entgegennahme von Zahlungen, die nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Institut dienen, verboten (§ 46 Abs. 1 KWG) haben. Ist dies geschehen, kann die Überweisungsbank den Zahlungsauftrag nicht ausführen und muss ihren Kunden entsprechend unterrichten. bb) Ausführung bei Verpflichtungserklärung einer Sicherungseinrichtung Die Überweisungsbank ist trotz der Maßnahmen der BaFin zur unverzüglichen Durchführung des Überweisungsauftrages berechtigt und verpflichtet, wenn eine Sicherungseinrichtung eines Verbandes der Kreditinstitute (Einlagensicherungsfonds)2 Vorsorgemaßnahmen getroffen hat. Diese können darin bestehen, dass sie es übernimmt, die Empfänger in vollem Umfang zu befriedigen (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG). Eine dahingehende Erklärung muss sowohl gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als auch gegenüber dem insolvenzbedrohten Kreditinstitut abgegeben werden3. Die gegenüber dem Kreditinstitut abgegebene Verpflichtungserklärung hat die Wirkung, dass Gläubiger des Kreditinstituts einen unmittelbaren Rechtsanspruch gegen die Sicherungseinrichtung auf Auszahlung ihrer Einlage erhalten4. Stattdessen kann auch eine neutrale Vorprüfungsstelle z.B. bei der jeweiligen Landeszentralbank eingerichtet werden, bei der die einzelnen Eingänge auf einem Zwischenkonto gutgeschrieben und von Mitarbeitern der Sicherungseinrichtung darauf überprüft werden, ob sie der Bank selbst zustehen oder für Kunden bestimmt sind, und im letzteren Fall an den Absender zurückgegeben werden.

3.105

cc) Fortsetzung des Zahlungsverkehrs Wenn aber der drohende Zusammenbruch der Empfängerbank nicht klar ersichtlich ist oder noch Stützungsverhandlungen geführt und Sanierungsversuche unternommen werden, so ist die Bank berechtigt und verpflichtet, die Überweisung durchzuführen5. Jedes Anhalten der Überweisung oder gar eine Rückfrage würde nämlich Aufmerksamkeit erregen und letztlich alle Versuche einer stillen Sanierung vereiteln. Durch die Ausweitung der Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörden kann die Überweisungsbank für Zahlungen über Banken innerhalb der EU davon ausgehen, dass die zuständige Aufsichtsbehörde Maßnahmen eingelei1 Obermüller, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/142. Lfg., Rn. 15/130; s. auch Rn. 3.106a. 2 Vgl. Dreher ZIP 1998, 1777; Neeff, Einlagensicherung bei Bankinsolvenzen, Diss. Köln 1980; Nicklisch, Rechtsfragen der Einlagensicherung im Kreditgewerbe, 1979; Schmidt ZHR 146 (1982), 48; Dreher ZIP 1992, 1597; Grabau/Hundt DZWIR 2003, 275; zur Liquiditäts-Konsortialbank s. Hösch Die Bank 1985, 580. 3 Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten, 3. Aufl. 2010, 1. Teil C III 3a, S. 47. 4 Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten, 3. Aufl. 2010, Kap. 1 Rn. 120 m.w.N. 5 OLG Hamburg v. 21.7.1961 – 1 U 95/60, BB 1961, 1075; BGH v. 20.6.1963 – II ZR 185/61, WM 1963, 830.

Büchel | 497

3.106

Dritter Teil Rz. 3.106 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

tet hätte, wenn die Abwicklung des Zahlungsverkehrs gefährdet wäre. Ist dies nicht geschehen, muss die Bank den Zahlungsauftrag ausführen.

3.106a

Ein Abbruch des Zahlungsverkehrs ist insbesondere dann nicht zu vertreten, wenn die Aufsichtsbehörden bereits von ihren Befugnissen zur Abwendung und zur Folgenbeseitigung von Bankinsolvenzen1 Gebrauch gemacht haben, die ihnen der Gesetzgeber im Nachgang zur Finanzmarktkrise2 verliehen hat. Die Finanzkrise begann 20073 und bildete den Ausgangspunkt einer weitreichenden Europäisierung des Finanzaufsichtssystems4. Die Ziele der Finanzmarktstabilisierungsgesetze5, die mit dem Inkrafttreten des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG) zum 1.1.20156 und dem Inkrafttreten der sog. SRM Verordnung zum 1.1.20167

1 S. die ausführliche Darstellung bei Linden ZInsO 2008, 583. 2 Zur Historie s. Jaletzke/Veranneman, Finanzmarktstabilisierungsgesetz, 2009, Einführung Rn. 1 ff.; Sellhorn/Hahn/Müller DB 2010, 2117; s. auch Fröhlich/Sittel ZInsO 2009, 858; Schmitz ZIP 2010, 1199; Schoch AnwBl. 2016, 449; Schröder, Europa in der Finanzfalle, 2012; Spindler AG 2010, 601; Zeitler WM 2012, 673; zu verfassungsrechtlichen Überlegungen s. Ruffert NJW 2009, 2093. 3 Zudem soll eine neue Finanzmarktkrise nach Ansicht von Politikern und der Präsdentin des Federal Reserve Systems zu deren Lebzeiten (= die sich mit der statistischen Lebenserwartung des Verfassers in etwa decken müßten) nicht mehr eintreten (Nachweis bei Beissenhirtz ZInsO 2018, 281), sodass diese Gesetze vorerst nicht mehr benötigt werden. 4 Berger FS Pannen 2017, 3; s. aber Marotzke, Das deutsche Insolvenzrecht in systemischen Krisen, JZ 2009, 763; zum Inhalt und Verfahrensstand anhängiger Gesetzgebungsvorhaben der EU s. Wojcik ZBB 2018, 250. 5 S. Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) v. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982 (nicht zu verwechseln mit dem Stabilitätsgesetz = Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft v. 8.6.1967, BGBl. I 1967, 582); Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG) v. 17.10.2008 (BGBl. I 2008, 1982); Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (FMStFV) v. 20.10.2008 (eBAnz. 2008, AT123 V1); Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (FMStErgG) v. 7.4.2009, BGBl. I 2009, 725; Rettungsübernahmegesetz (RettungsG) v. 7.4.2009 (BGBl. I 2009, 725, 729); Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz v. 9.12.2010 (BGBl. I 2010, 1900); Restrukturierungsfondsgesetz v. 9.12.2010 (BGBl. I 2010, 1900, 1921); Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG) v. 2.11.2015 (BGBl. I 2015, 1864); Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) v. 9.12.2010 (BGBl. I 2010, 1900); zum Inhalt und Verfahrensstand anhängiger Gesetzgebungsvorhaben der EU s. Wojcik ZBB 2018, 250; weitere Empfehlungen s. Hellwig/Höfling/Zimmer, Finanzmarktregulierung – welche Regelungen empfehlen sich für den deutschen und europäischen Finanzsektor?, Gutachten E, F, G zum 68. Deutschen Juristentag 2010, auch NJW 2010 Beilage 3, S. 94 ff.; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541; Eidenmüller, Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, 2009; Mülbert JZ 2010, 834. 6 S. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2104/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (BRRD-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2014, 2091. 7 Die Vorschriften der SRM Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds, ABl. EU Nr. L 225/1 v. 30.7.2014) entsprechen im Wesentlichen denen des SAG. Die SRM Verordnung findet nur Anwendung auf Institute, die der direkten Aufsicht der EZB unterliegen (Art. 2 SRM Verordnung).

498 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.108 Dritter Teil

ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden haben1, würden sonst durch den Ausschluss der gefährdeten Bank vom Zahlungsverkehr konterkariert. Anders verhält es sich bei Zahlungen in Drittländer. Wenn die Überweisungsbank keine ausreichenden Kenntnisse über die Befugnisse und Maßnahmen der dortigen Aufsichtsbehörden oder über den Grad der Bestandsgefährdung der Empfängerbank besitzt, muss sie eine Abwägung treffen. Denn ob mittels Gutschrift auf dem Konto bei der möglicherweise insolvenzreifen Bank das Ziel des Überweisungsauftrags, nämlich die Aushändigung des Geldbetrages an den Endbegünstigten, noch erreicht werden kann, hängt – wenn der Sanierungsversuch scheitert – von folgenden Faktoren ab:

3.107

– Wird die Überweisung von der Empfängerbank auf einem debitorischen Konto des Kunden gutgebracht und steigt dessen Saldo dadurch nicht ins Haben, so erleidet der Empfänger durch einen etwaigen späteren Zusammenbruch seiner Bank keinen Nachteil. Der Überweisungserfolg tritt also ein. Dies gilt auch dann, wenn die Gutschrift zwar wegen einer zwischenzeitlichen Insolvenzeröffnung nicht mehr erteilt wird, die Empfängerbank jedoch schon vor Insolvenzeröffnung Deckung erhalten hat2. – Ist das Konto des Kunden bei der Empfängerbank schon kreditorisch oder wird es durch die Überweisung kreditorisch, so ist der Kunde in der Insolvenz seiner Bank auf die Quote angewiesen. Der Überweisungserfolg tritt also nicht ein. Da die Überweisungsbank nicht voraussehen kann, welcher der beiden genannten Fälle vorliegt, sollte sie versuchen, den Auftrag durch Einschaltung einer anderen Bank abzuwickeln3. Gelingt dies nicht, muss man sie für berechtigt ansehen, bei ihrem Kunden zurückzufragen oder – was vorzuziehen ist – den Auftrag zurückzugeben. Für die Rückgabe sollte sie dem Überweisungsauftraggeber keine Begründung liefern, insbesondere dann nicht, wenn ihre Erkenntnisse nicht voll gesichert sind. Stattdessen könnte sie den Auftrag als zurzeit nicht durchführbar bezeichnen. Für etwaige Schäden, die der Empfänger oder der Auftraggeber aus der Verzögerung der Überweisung, die durch die Rückfrage verursacht wird, erleidet, haftet die Überweisungsbank nicht4. 1 Da sich dieser Komplex ständig in Bewegung befindet, wird hier auf eine nähere Darstellung verzichtet. S. statt dessen zu den Finanzmarktstabilisierungsgesetzen Binder WM 2008, 2340; Böckenförde NJW 2009, 2484; Brandi/Richters DB 2012, 2917; Döge ZBB 2009, 419; Hopt/Fleckner/ Kumpan/Steffek WM 2009, 821; Jaletzke/Veranneman, Finanzmarktstabilisierungsgesetz, 2009, Roitzsch/Wächter DZWIR 2008, 1; Roitzsch/Wächter ZIP 2008, 2301; Spindler DStR 2008, 2268; Stengel DB 2011, 11; Ziemons DB 2008, 2635; zum Finanzmarkt-/Versicherungsaufsicht-Stärkungsgesetz s. Fischer/Lepper BB 2009, 962; zum Restrukturierungsgesetz Auerbach/Donner BB 2011 Beilage 4, S. 17; Feyerabend/Behnes/Helios BB 2011 Beilage 4, S. 5; Feyerabend/Behnes/Helios BB 2011 Beilage 4, S. 30; Feyerabend/Behnes/Helios BB 2011 Beilage 4, S. 38; Spetzler KTS 2010, 433; zu den Bad Bank-Modellen s. Karpenstein ZBB 2009, 413; international Binder ZBB 2009, 19; Luttermann RIW 2009, 1; Flägel/Smith RIW 2009, 51 (USA); Anning/Terlau RIW 2009, 54 (Großbritannien); Dammann/Samol RIW 2009, 57 (Frankreich); Inwinkl RIW 2009, 60 (Österreich). 2 LG Frankfurt v. 11.6.1975 – 3/8 U 367/74, WM 1976, 803; vgl. auch Hadding/Häuser ZHR 145 (1981), 138 (158); Riesenkampff NJW 1976, 321; Schütz AcP 160 (1961), 17 ff.; kritisch dazu Hefermehl FS Möhring, 1975, 381. 3 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 = WuB I D 1. – 2.87 Hadding; s. auch BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, ZIP 2008, 1222. 4 LG Frankfurt v. 16.2.1983 – 2/4 O 333/82, WM 1985, 224 = WuB I D 1. – 1.85 Hadding; BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, ZIP 1986, 1537 = WM 1986, 1409 = WuB I D 1. – 2.87 Hadding.

Büchel | 499

3.108

Dritter Teil Rz. 3.109 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.109

frei b) Gutschrift auf dem Konto des insolvenzreifen Überweisungsbegünstigten

3.110

Gehen zugunsten eines insolvenzreifen Kunden bei der Bank Überweisungsaufträge ein, so ist die Bank aufgrund des Girovertrages, der nicht schon mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Kunden oder aufgrund eines Insolvenzantrags, sondern erst mit Insolvenzeröffnung erlischt, gegenüber dem Kunden verpflichtet, die Gelder gutzuschreiben1. Dabei hat die Bank grundsätzlich streng die Grenzen des ihr erteilten Auftrags zu beachten2. Diese Verpflichtung kann jedoch mit den Interessen des Überweisenden kollidieren, so dass sich die Frage erhebt, welche Position die Bank in diesem Konflikt einzunehmen hat. aa) Entwicklung der Rechtsprechung

3.111

Zwar hatte das Reichsgericht zunächst eindeutig ausgesprochen, dass die Bank den ihr von einem Kunden oder dessen Bank erteilten Auftrag, dem Konto eines anderen Kunden eine Summe gutzuschreiben, ohne Rückfrage bei dem Auftraggeber auch dann auszuführen hat, wenn sie vor der Gutschrift erfahren hat, dass der Empfänger seine Zahlungen eingestellt hat3. Dieser Auffassung sind Rechtsprechung und Teile der Literatur jedoch später nicht mehr gefolgt. Vielmehr vertreten sie zu Fällen, die sich vor der nahezu vollständigen Automatisierung des Zahlungsverkehrs zugetragen haben, die Auffassung, aus den Umständen des einzelnen Falles könne sich nach Treu und Glauben eine Pflicht der Empfängerbank ergeben, auf ihr bekannte Bedenken hinzuweisen. Ein solcher Fall könne möglicherweise vorliegen, wenn sie Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Begünstigten oder auch nur vom unmittelbaren Bevorstehen seines wirtschaftlichen Zusammenbruchs habe4.

3.112

Dabei blieb jedoch offen, welcher Art diese Umstände sind, aus denen sich nach Treu und Glauben eine Warnpflicht ergeben soll. Fest steht lediglich, dass die Bank Kenntnis von den Umständen haben muss und ein bloßer Verdacht keinesfalls ausreicht5. bb) Pflicht zur Interessenabwägung

3.113

Wann eine Warnpflicht eingreift, kann demnach nur jeweils im Einzelfall entschieden werden. Dabei ist eine Abwägung notwendig zwischen den Pflichten der Bank aus der Geschäftsverbindung mit dem Überweisungsbegünstigten und ihren Pflichten gegenüber dem Überweisungsauftraggeber6. Für die Interessenabwägung muss es ohne Bedeutung sein, ob der 1 Kupka InVo 2005, 257. 2 BGH v. 1.12.1960 – II ZR 158/59, WM 1961, 78; BGH v. 26.2.1962 – II ZR 93/60, WM 1962, 460; BGH v. 10.12.1970 – II ZR 132/68, WM 1971, 158; BGH v. 21.1.1972 – II ZR 145/69, WM 1972, 308; BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, ZIP 1986, 1537 = WM 1986, 1409; OLG Schleswig v. 25.8.1983 – 5 U 210/82, WM 1984, 549. 3 RG v. 25.4.1903 – I 483/02, RGZ 54, 331. 4 BGH v. 20.10.1960 – II ZR 141/59, WM 1960, 1321; BGH v. 21.3.1961 – VI ZR 149/60, WM 1961, 511; RG v. 15.12.1913 – VI 307/13, Recht 1914, Nr. 479; OLG Frankfurt v. 19.1.1982 – 5 U 120/81, ZIP 1983, 48 = WM 1983, 162; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 110; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Anm. 22; a.A. Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 19 ff.; Rehbein JR 1987, 155; vgl. auch LG Hamburg v. 2.7.1980 – 5 O 85/80, n.v. 5 BGH v. 24.2.1983 – III ZR 55/82, WM 1983, 411. 6 BGH v. 27.11.1990 – XI ZR 308/89, ZIP 1991, 90 = WM 1991, 85 = WuB I B 3.-.1.91 Obermüller; Hellner ZHR 145 (1981), 123; Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 27.

500 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.115 Dritter Teil

Überweisungsauftraggeber auch Kunde der Bank ist oder ob die Überweisung über eine zwischengeschaltete Bank eingeht1. Denn die zwischengeschaltete Bank hat die Interessen ihres Kunden ebenfalls zu wahren, so dass die Pflichten der Empfängerbank ihr gegenüber nicht geringer sein können als gegenüber einem Überweisungsauftraggeber, der ebenfalls ein Konto bei der Empfängerbank unterhält. cc) Interessen des Überweisungsauftraggebers Die Interessen des Überweisungsauftraggebers können unterschiedlich sein, je nachdem, ob er mit der Überweisung eine fällige Schuld aus einer vom Überweisungsempfänger bereits erbrachten Leistung begleichen will oder ob es sich etwa um eine Anzahlung oder Vorauszahlung handelt. Während die Durchführung der Überweisung im ersten Fall für den Überweisungsauftraggeber keine Nachteile mit sich bringt, wird es bei Anzahlungen oder Vorauszahlungen für den Überweisungsauftraggeber in der Regel günstig sein, wenn die Überweisung nicht durchgeführt wird, da angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers nicht gewährleistet ist, dass der Überweisungsauftraggeber die ihm gebührende Gegenleistung erhält. Wenn der Überweisungsempfänger jedoch vertraglich verpflichtet war, die Abschlagszahlung oder Vorauszahlung zu einem bestimmten Fälligkeitstermin zu bewirken, so muss bezweifelt werden, ob sein Interesse, wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Empfängers die Überweisung anzuhalten, bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden darf, da dies dazu führt, dass der Überweisungsauftraggeber seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Empfänger verletzt, wenn nicht – was aber die Bank nicht beurteilen kann – das Leistungsverweigerungsrecht des § 321 BGB eingreift.

3.114

dd) Interessen des Überweisungsbegünstigten Auch dürfen die Interessen des Überweisungsbegünstigten nicht außer Acht gelassen werden, die dahin gehen, dass der Geschäfts- und Zahlungsverkehr mit seinen Geschäftspartnern ungehindert abgewickelt wird. In aller Regel hängt nämlich der Erfolg einer Sanierung entscheidend davon ab, dass das Unternehmen in der Öffentlichkeit sein Gesicht wahren kann2. Es entspricht gesicherter kaufmännischer Erfahrung, dass für eine erfolgreiche Sanierung nichts schädlicher ist als unangebrachte Publizität3. Gerade für ein in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindliches Unternehmen ist der pünktliche Eingang von Zahlungen seiner Schuldner von größter Bedeutung. Ein Hinweis der Bank auf seine Lage spricht sich in der Regel unter seinen Geschäftspartnern in Windeseile herum. Dies hat erfahrungsgemäß zur Folge, dass die überwältigende Mehrheit der Schuldner die Zahlungen – meist unter Hinweis auf Gewährleistungsansprüche, teils ohne jede Erklärung – verweigert4 und dass Lieferanten keine Zahlungsziele mehr einräumen oder Vorkasse verlangen. Dadurch wird dem Unternehmen die notwendige Liquidität entzogen und oft jede Aussicht auf ein erfolgreiches Überwinden der Krise geraubt. Denn auch die Banken sind in dieser Situation meist nicht mehr bereit, die Liquiditätslücke durch Erhöhung ihrer Kredite zu schließen.

1 A.A. Kübler BB 1976, 802. 2 OLG Düsseldorf v. 14.7.1981 – 6 U 259/80, WM 1981, 960; OLG Düsseldorf v. 25.6.1981 – 6 U 79/80, ZIP 1981, 847 = WM 1981, 969; OLG Schleswig v. 2.10.1981 – 11 U 160/80, WM 1982, 27. 3 Uhlenbruck GmbHR 1982, 141; H.-P. Westermann, Kreditwirtschaft und öffentliche Hand als Partner bei Unternehmenssanierungen, 1983, S. 7. 4 Hellner ZHR 145 (1981), 124.

Büchel | 501

3.115

Dritter Teil Rz. 3.116 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.116

Eine Warnung durch die Bank kommt demgemäß einem „Todesurteil“ über das Unternehmen gleich1. Wollte man der Bank eine Warnpflicht auferlegen, so würde man ihr eine Machtstellung2 einräumen, die sie nicht haben will und nicht haben darf. Von ihrer Einschätzung der Lage des Kunden hinge es ab, ob das Unternehmen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen muss. Sie müsste also abgrenzen, ob lediglich der Verdacht besteht, dass das Unternehmen zusammenbrechen könnte, oder ob dies mit Gewissheit zu erwarten ist. Allenfalls in der letzteren Lage könnte eine Warnpflicht überhaupt in Betracht gezogen werden3. Eine derartige Position wird der Überweisungsempfänger seiner Bank niemals freiwillig einräumen. ee) Interessen der Bank

3.117

Die Interessen der Bank gehen dagegen dahin, den Zahlungsverkehr möglichst reibungslos, einfach und schnell abzuwickeln4 und sich wegen der „Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge5 grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern“6. Insbesondere ist die Bank nicht verpflichtet, dieses Rechtsverhältnis zu überprüfen, um den Kunden vor Schäden zu bewahren7.

3.118

Mit den Aufgaben einer Bank bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs unter Dritten ist es grundsätzlich unvereinbar, dass die Bank in die Verteilung der Risiken, die sich für die Partner des Geschäfts, das dem Zahlungsauftrag zugrunde liegt, ergeben, nach eigenem Ermessen eingreift und die Nachteile, die eine Insolvenz des Überweisungsbegünstigten für den Auftraggeber mit sich bringen kann, von letzterem abwendet, dem sie außerdem beim Fortbestand des Zahlungsdiensterahmenvertrages weiterhin zur Gutschrift verpflichtet ist. Auch wäre es arbeitstechnisch und organisatorisch für die Bank nahezu unmöglich, bei sämtlichen für einen Kunden eingehenden Überweisungen – bei größeren Unternehmen kann die Zahl täglich in die Tausende gehen – zurückzufragen und den Eingang der Antworten zu überwachen.

3.119

Außerdem darf die Empfängerbank wegen des Bankgeheimnisses die wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers grundsätzlich nicht Dritten mitteilen. Es ist anerkannt, dass sich aus 1 S. das aufsehenerregende Beispiel bei LG München I v. 18.2.2003 – 33 O 8439/02, NJW 2003, 1046; OLG München v. 10.12.2003 – 21 U 2392/03, ZIP 2004, 19; BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/ 03, ZIP 2006, 317. 2 Zur Diskussion um die Bankenmacht s. Mülbert NJW 1996, Beilage zu Heft 23, 24; Grub DZWIR 1999, 133 und den Entwurf eines Gesetzes zur Steigerung der Effizienz von Aufsichtsräten und zur Begrenzung der Machtkonzentration bei Kreditinstituten infolge Unternehmensbeteiligungen (BT-Drucks. 13/9716 v. 29.1.1998). 3 BGH v. 24.2.1983 – III ZR 55/82, WM 1983, 411. 4 Ausdrücklich als legitim anerkannt durch BGH v. 13.1.1984 – V ZR 55/83, WM 1983, 410; BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149; BGH v. 22.6.2010 – VI ZR 212/09, ZIP 2010, 1433. 5 LG Aschaffenburg v. 15.11.1996 – 3 O 177/96, WM 1997, 1849. 6 BGH v. 1.12.1960 – II ZR 158/59, WM 1961, 78; BGH v. 15.11.1960 – V ZR 104/59, WM 1961, 308; BGH v. 31.1.1974 – II ZR 3/72, WM 1974, 274; BGH v. 11.3.1976 – II ZR 116/74, WM 1976, 904; BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 589; BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409; BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, ZIP 2008, 1222; LG Kiel v. 4.3.1981 – 10 O 91/80, ZIP 1981, 501; OLG Stuttgart v. 2.6.1981 – 11 U 28/81, ZIP 1981, 857; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 327; Kindermann WM 1982, 318. 7 BGH v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, ZIP 1984, 1198; BGH v. 26.5.1988 – III ZR 263/87, WM 1988, 1225 = WuB I E 1. – 15.88 Emmerich; OLG Karlsruhe v. 21.11.2006 – 17 U 19/06, BKR 2007, 211; BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, ZIP 2008, 1222.

502 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.122 Dritter Teil

einem Überweisungsauftrag für die beauftragte Bank die Verpflichtung ergibt, den Auftrag sowie die ihr aus seinem Anlass bekannt gewordenen Tatsachen Dritten nicht ohne rechtfertigenden Grund mitzuteilen1. Die Pflicht zur Verschwiegenheit erstreckt sich bei Banken, die bei einer Überweisung miteinander in Verbindung treten, auch auf die Angelegenheiten ihrer Kunden, für deren Rechnung sie tätig werden2. Die Treuepflicht der Bank gegenüber dem einen Kunden könnte allenfalls dann zugunsten des anderen zurücktreten, wenn die Bank durch die Verletzung des Bankgeheimnisses einen rechtswidrigen Angriff dieses Kunden im Wege der Nothilfe abzuwenden hätte3. Selbst wenn man eine Warnpflicht der Bank gegenüber dem Überweisungsauftraggeber annehmen wollte, so würde diese Pflicht mit der Pflicht der Bank gegenüber dem Überweisungsempfänger zur Wahrung des Bankgeheimnisses kollidieren. Beide Pflichten sind zunächst gleichrangig; die Kollision ist durch Interessen- und Güterabwägung zu lösen4. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger müssen aber außer Betracht bleiben, da die Bank dieses Verhältnis in der Regel nicht übersehen kann5.

3.120

ff) Differenzierung Die unterschiedliche Interessenlage muss im Ergebnis zu einer differenzierten Behandlung führen:

3.121

– Hat der Überweisungsauftraggeber in erkennbarem Zusammenhang mit dem Überweisungsauftrag eine Bankauskunft über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers bei seiner Bank erbeten, so hat die Bank die Überweisung anzuhalten und bei dem Auftraggeber zurückzufragen, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Empfängers zwischen Erteilung der Bankauskunft und Eingang des Überweisungsauftrags negativ verändert hat6. Diese Warnpflicht ist nicht aus den Sorgfaltspflichten der Bank im Überweisungsverkehr herzuleiten, vielmehr beruht sie auf „vorangegangenem, gefährdendem Tun“. Ist die Lage des Empfängers dagegen gleich geblieben, so besteht keine Warnpflicht, da die Bank dann unterstellen kann, dass der Überweisungsauftraggeber das Verlustrisiko eingehen will. – Eine Warnpflicht kann auch eingreifen, wenn die Bank an dem beabsichtigten Geschäft ihres Kunden ein eigenes Interesse hat, also nicht nur als bloße Zahlungsmittlerin beteiligt ist, und dieses Geschäft besondere, der Bank bekannte Risiken für den Überweisungsauftraggeber mit sich bringt7. Im Zeitalter der elektronischen Abwicklung des Zahlungsverkehrs wird die Bank jedoch technisch kaum noch in eine Lage kommen, in der sie vor Durchführung einer Überweisung derartige Überlegungen anstellen kann. Denn eine Disposition durch Mitarbeiter, die die erwähn1 2 3 4 5

BGH v. 12.5.1958 – II ZR 103/57, BGHZ 27, 241. BGH v. 12.5.1958 – II ZR 103/57, BGHZ 27, 241. LG Hamburg v. 2.7.1980 – 5 O 85/80, n.v. Nobbe WM 2005, 1537; BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, ZIP 2008, 1222. BGH v. 10.12.1970 – II ZR 132/68, WM 1971, 159; OLG Oldenburg v. 24.4.1981 – 6 U 231/80, WM 1982, 522. 6 Hellner ZHR 145 (1981), 124; Eskes BankPraktiker 2006, 135; vgl. auch OLG Zweibrücken v. 17.10.1984 – 2 U 39/83, WM 1985, 86. 7 Kirchherr/Stützle, Bankgeheimnis und Bankauskunft – aktuelle Probleme aus der Rspr. und Rechtspraxis, 2. Aufl. 1983, S. 64 m.w.N.

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3.122

Dritter Teil Rz. 3.122 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

ten Informationen besitzen könnten, findet vor Überweisungen in automatisierten Verfahren nicht mehr statt1. Daher bleibt im Wesentlichen nur noch folgender Fall: – Eine Warnpflicht wird angenommen, wenn die Bank massive Verdachtsmomente dafür hat, dass der Kontoinhaber das Konto für die Sammlung von Kundengeldern zu Anlagezwecken verwendet und die Gelder veruntreut2. Allerdings wäre es dann besser, die Kontoverbindung umgehend zu beenden, als in Einzelfällen zu warnen. Denn eine Bank darf dem Überweisungsauftraggeber solche Verdachtsmomente nicht mitteilen, es sei denn, dass sie belegbare und beweisbare Informationen besitzt. Dann aber sollte sie stattdessen die Kontoverbindung abbrechen.

3.122a

In den übrigen Fällen muss die Bank dagegen den Überweisungsauftrag ausführen3. Sie ist nicht etwa verpflichtet, aufgrund der Angaben über den Verwendungszweck auf dem Überweisungsträger zu prüfen, ob der Absender eine fällige Schuld aus einer schon erhaltenen Leistung begleichen will oder ob er eine Vorauszahlung leistet. Dies würde nicht nur dem Grundsatz widersprechen, dass die Bank von dem Verwendungszweck keine Kenntnis nimmt4, sondern der Bank auch eine fast unlösbare Aufgabe aufbürden; denn die Angaben auf dem Feld „Verwendungszweck“ sind oft so unklar gehalten, dass ein Dritter daraus nicht die notwendigen eindeutigen Schlüsse ziehen kann. Auch ist zu bedenken, dass die Rückfrage, insbesondere im Auslandsverkehr, zu einem oft erheblichen Zeitverlust führt, durch den der Überweisungsauftraggeber gegenüber dem Empfänger in Verzug geraten und zum Schadensersatz verpflichtet werden kann.

3.123

Dies gilt insbesondere, wenn der Empfängerbank bekannt ist, dass sich der Empfänger in Zahlungsschwierigkeiten befindet oder seine Zahlungen schon eingestellt hat, dass aber noch Sanierungsverhandlungen im Gange sind5. Solange deren Scheitern noch nicht feststeht, hat sie die Eingänge dem Konto des Begünstigten noch gutzuschreiben. Denn wenn schon im Fall einer insolvenzreifen Bank der Umstand, dass Sanierungsverhandlungen schweben, die Weitergabe von Überweisungsaufträgen an diese Bank rechtfertigt6, so muss dies im gleichen Maße gelten, wenn das in der Krise befindliche Unternehmen der Endbegünstigte der Überweisung ist.

3.124

Demgemäß muss an dem Grundsatz festgehalten werden, dass – von den oben genannten Ausnahmefällen abgesehen – Überweisungen auch dann auszuführen sind, wenn der Bank des Begünstigten dessen Zahlungsschwierigkeiten bekannt sind7.

1 Obermüller, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/142. Lfg., Rn. 15/130. 2 BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, ZIP 2008, 1222; OLG Koblenz v. 28.4.2008 – 5 U 27/08, ZIP 2008, 1228; BGH v. 22.6.2010 – VI ZR 212/09, ZIP 2010, 1433; Theewen BankPraktiker 2008, 382. 3 BGH v. 22.6.2010 – VI ZR 212/09, ZIP 2010, 1433; Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 32/33; vgl. dort auch zu den Auswirkungen der elektronischen Datenverarbeitung auf die Begründung einer Warnpflicht; Rehbein JR 1987, 156. 4 BGH v. 11.3.1976 – II ZR 116/74, WM 1976, 904; OLG Karlsruhe v. 21.11.2006 – 17 U 19/06, BKR 2007, 211. 5 Hellner ZHR 145 (1981), 124. 6 BGH v. 20.6.1963 – II ZR 185/61, WM 1963, 830; OLG Hamburg v. 21.7.1961 – 1 U 95/60, BB 1961, 1075. 7 Steinhoff ZIP 2000, 1141.

504 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.127 Dritter Teil

c) Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsbegünstigten nach Verfahrenseröffnung Mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erlischt das Kontokorrentverhältnis1 und damit grundsätzlich auch die Verpflichtung der Bank zur Gutschrift von Eingängen gegenüber dem Kontoinhaber2. Allerdings kann die Bank aufgrund nachvertraglicher Pflichten im Einzelfall gehalten sein, Überweisungen noch nach Beendigung des Girovertrages entgegenzunehmen und den Gegenwert ihrem ehemaligen Kunden auszuzahlen3. In der Praxis nehmen die Kreditinstitute dagegen die Zahlungseingänge häufig weiterhin entgegen und lassen sie dem Verwalter zukommen. Diese Vorgehensweise entspricht dem Interesse an einer geordneten Insolvenzabwicklung; sie hat bisher nicht zu nennenswerten Problemen geführt. Hierin kann sogar die konkludente Einigung4 zum Abschluss eines neuen Zahlungsdiensterahmenvertrages zu den gleichen Bedingungen wie denen des erloschenen liegen, der die Bank dann auch vertraglich zur Verrechnung ihrer Entgelte berechtigt.

3.125

Mit Insolvenzeröffnung entfällt die Pflicht der Bank aus dem Bankgeheimnis, die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Kunden nicht aufzudecken. Da die Insolvenzeröffnung ohnehin öffentlich bekannt zu machen ist (§ 30 InsO), darf auch die Bank ohne Verletzung des Bankgeheimnisses Dritten diese Tatsache mitteilen5. Damit sind durch die Insolvenzeröffnung die Gründe, die ein Warnrecht der Bank gegenüber dem Überweisungsauftraggeber ausgeschlossen haben, entfallen. Zweifelhaft ist, ob die Bank zu der Benachrichtigung gegenüber dem Überweisungsauftraggeber auch verpflichtet ist. Gegen eine solche Pflicht spricht einmal der Umstand, dass die Eröffnung von Insolvenzverfahren unverzüglich öffentlich bekannt zu machen ist (§ 30 InsO) und die Bank zumindest bei Aufträgen, die nach der Veröffentlichung erteilt worden sind, davon ausgehen kann, dass dem Auftraggeber die Insolvenz bekannt ist.

3.126

Aufgrund dieser veränderten Umstände soll deshalb die Interessenabwägung bei Zahlungseingängen für den Bankkunden nach der Insolvenzeröffnung über dessen Vermögen zu einer Pflicht der Bank zur Rückfrage bei dem Überweisungsauftraggeber6 führen, die ausnahmsweise entfallen kann, wenn mit der Verzögerung, die dadurch entsteht, Gefahr verbunden ist7. Eine solche Gefahr kann darin bestehen, dass auch der Überweisungsauftraggeber in Vermögensverfall zu geraten droht.

3.127

1 BGH v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, DB 1976, 1715; BGH v. 21.6.2005 – XI ZR 152/04, ZIP 2005, 1448 = mit Anm. Sethe BKR 2008, 16. 2 BGH v. 5.12.2006 – XI ZR 21/06, ZIP 2007, 319; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZInsO 2015, 742 Rn. 9; OLG Rostock v. 31.7.2006 – 3 U 161/05, ZIP 2006, 1872. 3 BGH v. 21.3.1995 – XI ZR 189/94, WM 1995, 745 = WiB 1995, 640 mit Anm. Trunk; BGH v. 15.11.2005 – XI ZR 265/04, WM 2006, 28; OLG Rostock v. 31.7.2006 – 3 U 161/05, ZIP 2006, 1872; LG Hamburg v. 11.7.1980 – 18 O 25/79; Reinhardt JuS 1981, 529; offengelassen bei OLG Hamm v. 8.12.1980 – 2 U 205/80; vgl. Aepfelbach BI 1981, Heft 6, 42; wegen Berechtigung zur Entgegennahme s. LG Nürnberg-Fürth v. 21.1.1977 – 5 HKO 8555/76, WM 1977, 852. 4 Zu den Grenzen einer konkludenten Zustimmung BGH v. 16.9.2021 – IX ZR 213/20, ZIP 2021, 2242 = ZInsO 2021, 2368. 5 OLG Brandenburg v. 7.8.2001 – 11 VA 21/01, ZInsO 2001, 850. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 105; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Anm. 22; wohl auch BGH v. 21.3.1961 – VI ZR 149/60, WM 1961, 511. 7 Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, Anh. II zu §§ 363, 365 Anm. 17.

Büchel | 505

Dritter Teil Rz. 3.128 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.128

Die Auffassung, dass nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Warnpflicht bestehe, ist jedoch aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen äußerst bedenklich1: – Die Erfahrung hat gezeigt, dass aus der Durchführung von Überweisungsaufträgen ohne Rückfrage in der Vergangenheit keine Probleme entstanden sind. Dazu hat auch der Umstand beigetragen, dass letztlich der Insolvenzverwalter für einen Schaden des Überweisungsauftraggebers, der darauf beruht, dass die Masse zur Rückerstattung des zu Unrecht vereinnahmten Überweisungsbetrags nicht ausreicht, einzustehen hat. Denn er ist verpflichtet, jeden Zahlungseingang darauf zu überprüfen, ob und in welcher Höhe der Zahlungsempfänger einen Anspruch auf diese Zahlung besitzt2. – Zahlungen, die dem Überweisungsempfänger erst nach Insolvenzeröffnung gutgeschrieben werden, führen zu einer rechtlosen Bereicherung der Masse und damit zu einem bevorrechtigten Anspruch des Überweisungsauftraggebers (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO), wenn der Überweisungsauftraggeber auf eine Nichtschuld geleistet hat3. Falls die Masse aber nicht einmal zur Befriedigung der Masseforderungen ausreicht, besteht allerdings die Gefahr, dass der Überweisungsauftraggeber durch die Ausführung der Überweisung einen Schaden erleidet, auch nach Insolvenzeröffnung fort. – Ein ausdrücklicher Hinweis durch die Bank auf die Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Gläubigers veranlasst selbst gutwillige Schuldner zu der Überlegung, ob es nicht besser ist, die Zahlung noch ein wenig zurückzuhalten. Das Ausbleiben von Zahlungseingängen stellt den Insolvenzverwalter gerade in den ersten Wochen nach Verfahrenseröffnung oft vor erhebliche Probleme, die sogar die Einstellung des Verfahrens auslösen können. Damit läuft die Warnung durch die Bank aus rein praktischen Gesichtspunkten auch den Zielen der Insolvenzordnung zuwider, die eine zeitweise Fortführung des Unternehmens jedenfalls bis zum Berichtstermin anstrebt, damit Gelegenheit besteht, einen Insolvenzplan auszuarbeiten (§ 157 InsO). – Durch eine Warnung würde sich die Bank auch die Erfüllung einer etwa bestehenden nachvertraglichen Pflicht, Zahlungseingänge für den ehemaligen Kunden noch entgegenzunehmen, in der Regel unmöglich machen, wenn nämlich ihre Nachricht die Schuldner ihres Kunden veranlasst, bereits erteilte Zahlungsaufträge zu widerrufen. – Im Zeitalter der elektronischen Abwicklung des Zahlungsverkehrs wird die Bank jedoch technisch kaum noch in eine Lage kommen, in der sie vor Durchführung einer Überweisung derartige Überlegungen anstellen kann. Denn eine Disposition durch Mitarbeiter, die die erwähnten Informationen besitzen könnten, findet vor Überweisungen in automatisierten Verfahren nicht mehr statt4.

3.129–3.132

frei

1 Pohl (Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 45) und Steinhoff (ZIP 2000, 1141) lehnen eine Warnpflicht ab. 2 OLG Celle v. 6.8.1981 – 16 U 203/80, ZIP 1981, 1003. 3 Vgl. dazu Hefermehl in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 55 Rn. 209, 214; Fuest ZInsO 2006, 464. 4 Obermüller, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/142. Lfg., Rn. 15/130.

506 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.137 Dritter Teil

d) Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsbegünstigten nach Eröffnungsantrag Ähnlich gestaltet sich die Lage in dem Zeitraum zwischen dem Insolvenzantrag des Überweisungsbegünstigten und der Verfahrenseröffnung bzw. der Anordnung vorläufiger Maßnahmen. Die Rücksichtnahme auf die Interessen des Empfängers hindert eine Benachrichtigung des Auftraggebers durch die Bank nicht. Wenn der Empfänger selbst den Insolvenzantrag gestellt hat, steht fest, dass außergerichtliche Sanierungsbemühungen gescheitert sind.

3.133

Anders als bei Zahlungseingängen nach Verfahrenseröffnung wird der Auftraggeber mit etwaigen Rückzahlungsforderungen nicht Massegläubiger nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, sondern – da die Gutschrift noch vor Insolvenzeröffnung erteilt wird – einfacher Insolvenzgläubiger1. Allerdings muss auch ein etwa eingesetzter vorläufiger Verwalter Zahlungen, auf die der künftige Schuldner keinen Anspruch hat, zurückweisen2.

3.134

Aber auch hier muss der Grundsatz aufrechterhalten werden, dass es nicht Aufgabe einer Bank sein kann, im Massenzahlungsverkehr auf die Risikoverteilung unter den Parteien des Grundgeschäfts Einfluss zu nehmen, und dass die Bank die Pflichtenkollision zwischen den Pflichten zur Wahrung des Bankgeheimnisses und zur unverzüglichen Gutschrift von Überweisungseingängen einerseits und einer Warnpflicht andererseits nicht zugunsten der letzteren lösen muss, sondern lediglich entschuldigt ist, wenn sie sich für die Warnung entscheidet3.

3.135

2. Verpflichtung der Bank zur Gutschrift im Verhältnis zum Überweisungsbegünstigten Wenn Überweisungsaufträge noch vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Begünstigten bei der Bank eintreffen und die Bank nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Gutschrift auf seinem Konto im Verhältnis zu dem Überweisungsauftraggeber berechtigt ist, so ergibt sich aus ihrem Verhältnis zu dem Begünstigten aus dem Girovertrag gleichzeitig die Pflicht zur Gutschrift4. Zur weiteren Gutschrift von Eingängen ist die Bank auch dann noch berechtigt, wenn sie das Konto bereits gekündigt hat, die Geschäftsbeziehung aber noch nicht beendet ist, weil der Kunde den Debetsaldo noch nicht ausgeglichen hat5.

3.136

Dieser Anspruch des Überweisungsbegünstigten entsteht in dem Zeitpunkt, in dem seine Bank buchmäßige Deckung erhalten hat6. Deckung hat die Bank bei der Hausüberweisung

3.137

1 RG v. 28.12.1899 – VI 259/99, RGZ 45, 172; RG v. 18.10.1907 – II 194/07, RGZ 66, 390; RG v. 8.10.1918 – VII 164/18, RGZ 94, 25. 2 OLG Celle v. 4.11.1981 – 3 U 18/81, ZIP 1982, 84; Steinhoff ZIP 2000, 1141; offengelassen von OLG Jena v. 29.9.1999 – 7 U 315/99, ZIP 1999, 2026. 3 LG Hamburg v. 2.7.1980 – 5 O 85/80; vgl. auch LG Frankfurt v. 16.2.1983 – 2/4 O 333/82, WM 1985, 224 = WuB I D 1. – 1.85 Hadding. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 399; BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, ZIP 1997, 1146 = WM 1997, 1192; BGH v. 28.11.1977 – II ZR 110/76, WM 1978, 58. 5 AG Leutkirch v. 16.1.2004 – 2 C 377/03, WM 2004, 2017. 6 BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, ZInsO 2002, 721; BGH v. 15.3.2005 – XI ZR 338/03, ZIP 2005, 894; BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250; BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 54; W. Obermüller FS Bärmann, 1975, 714; vgl. auch BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 96/78, WM 1979, 533 zur Bareinzahlung; zur Erfüllung im Verhältnis zwischen Überweisungsempfänger und Über-

Büchel | 507

Dritter Teil Rz. 3.137 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

schon dann erhalten, wenn sie das Konto des überweisenden Kunden belastet hat1, bei der Filialüberweisung mit der Belastung des Kontos des Überweisenden durch die Absendefiliale, zu der noch die bankübliche Herausgabe der Überweisungspapiere bzw. elektronische Übermittlung der notwendigen Informationen an die Empfangsfiliale gehört2. Bei einer außerbetrieblichen Überweisung über selbständige Banken ist zu unterscheiden, ob die Überweisung über ein Konto der Bank des Empfängers bei der Bank des Überweisungsauftraggebers oder über ein Konto der Bank des Überweisungsauftraggebers bei der Bank des Überweisungsempfängers abgewickelt wird. Im ersteren Fall hat die Bank Deckung erhalten, sobald ihrem Konto bei der Bank des Überweisungsauftraggebers der Überweisungsbetrag gutgeschrieben ist, im letzteren Fall erst, wenn sie das Konto der Bank des Überweisungsauftraggebers entsprechend belastet hat3.

3.138

Wird ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Überweisungsbegünstigten erst nach dem Zeitpunkt eröffnet, in dem die Bank schon Deckung erhalten hat, muss sie den Betrag noch dem Konto gutschreiben. Für den Eingang der Deckung am Tage der Insolvenzeröffnung gilt die Vermutung des § 81 Abs. 3 InsO, dass dies erst nach der „Stunde der Eröffnung“ (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO) geschehen ist, nicht4. Denn diese Vermutung bezieht sich nur auf Rechtshandlungen des Schuldners, nicht aber auf Maßnahmen Dritter.

3.139

Wird ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Überweisungsbegünstigten vor Eingang der Deckung für den Überweisungsauftrag eröffnet, so sind der Girovertrag und damit die Verpflichtung der Bank des Begünstigten zur Gutschrift bereits erloschen. Deshalb kann der Kunde keine Schadensersatzansprüche gegen die Bank geltend machen, wenn sie sich weigern sollte, den Überweisungsbetrag dem Konto gutzubringen, und stattdessen das Geld an den Absender zurückschickt5. Sie kann vielmehr den Insolvenzverwalter darauf verweisen, den Betrag selbst einzuziehen, denn eine Verpflichtung, die Maßnahmen des Insolvenzverwalters zu unterstützen, besteht nicht6. Auch nachvertragliche Verpflichtungen der Bank können einen Anspruch des Insolvenzverwalters auf Gutschrift grundsätzlich7 nicht begründen.

3.140

Eine Verpflichtung zur Gutschrift besteht nur dann und nur insoweit, als mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (§§ 116, 115 Abs. Abs. 2 InsO). Eine solche Gefahr kann darin bestehen, dass auch der Auftraggeber in Vermögensverfall zu geraten droht8, nicht jedoch schon in dem allgemeinen Interesse des Insolvenzverwalters auf Masseanreicherung9. In der Praxis pflegen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

weisendem vgl. Schönle FS Werner, 1984, 817; Steinhoff ZIP 2000, 1141; EuGH v. 3.4.2008 – C306/06, ZIP 2008, 732 = mit Anm. Scheuren-Brandes ZIP 2008, 1463. OLG Koblenz v. 2.10.2003 – 7 U 152/03, ZIP 2004, 353. BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, ZInsO 2002, 721; BGH v. 6.10.1953 – I ZR 185/52, BGHZ 10, 319 = ZIP 2002, 1408; vgl. auch Hefermehl FS Möhring, 1975, 381. Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 54; zur Abwicklung über EDV s. Rn. 3.66. BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 134 unter IV 2. b) cc). Vgl. OLG Hamm v. 8.12.1980 – 2 U 205/80; Aepfelbach BI 1981, Heft 6, 42; Einzelheiten s. Rn. 3.247 ff. Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung 1951, S. 118; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 121. Reinhardt JuS 1981, 529; sie ist jedoch zur Gutschrift berechtigt trotz Beendigung des Girovertrages (BGH v. 5.12.2006 – XI ZR 21/06, ZIP 2007, 319; LG Nürnberg-Fürth v. 21.1.1977 – 5 HKO 8555/76, WM 1977, 852). Steinhoff ZIP 2000, 1141. Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 121.

508 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.143 Dritter Teil

die Banken allerdings auch nach Insolvenzeröffnung alle Überweisungsbeträge dem Konto des Schuldners gutzuschreiben, da auf diese Weise in der Regel den Interessen aller Beteiligten am besten Rechnung getragen wird (s. Rn. 3.125).

3. Verrechnung der Zahlungseingänge Weist das Konto des Überweisungsbegünstigten bei Eingang der Überweisung ein Guthaben aus, so begegnet die Einstellung des Überweisungsbetrages – sofern die Bank im Verhältnis zu dem Überweisungsauftraggeber zur Weiterleitung der Überweisung berechtigt war (vgl. dazu Rn. 3.121 ff.) – in das Kontokorrent auch dann keinen rechtlichen Bedenken, wenn sich der Überweisungsempfänger zu diesem Zeitpunkt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand1. Das Gleiche gilt, wenn das Konto zwar debitorisch war, es sich bei dem „Eingang“ aber nur um die Wiedergutschrift einer zurückgerufenen Überweisung handelte2.

3.141

Gutschriften, die auf ein debitorisches Konto treffen, können auch dann noch weiter erteilt werden, wenn im Insolvenzantragsverfahren ein Zustimmungsvorbehalt oder ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet oder das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Die Kontokorrentabrede und die darin liegende Vorausverfügung wird durch ein allgemeines Verfügungsverbot nicht unwirksam3. Gegen damit verbundene Schmälerungen der künftigen Masse im Eröffnungsverfahren gewähren die Anfechtungsvorschriften angemessenen Schutz, so dass eine Vorverlegung der Wirkungen des Insolvenzbeschlags nicht notwendig ist. Durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kontoinhabers erlischt zwar die antizipierte Verrechnungsabrede, das Konto ist aber noch existent, so dass Gutschriften erteilt werden können4.

3.142

Wenn das Konto des Überweisungsbegünstigten bei Eingang der Überweisung debitorisch gewesen ist und der Zahlungseingang von dritter Seite stammte, erhebt sich die Frage, ob die Bank den Überweisungsbetrag mit seiner Schuld verrechnen darf5. Die gleiche Problematik tritt auf, wenn der Kunde mehrere Konten unterhält, von denen z.B. das eine debitorisch ist und das andere durch Eingänge kreditorisch wird. In diesen Fällen unterliegen die Verrechnung bzw. die Aufrechnung diversen Beschränkungen durch die Bestimmungen der Insolvenzordnung, die mit zunehmender Nähe des Insolvenzverfahrens steigen. Für insolvente

3.143

1 LG Stuttgart v. 31.7.1995 – 12 O 53/95, ZIP 1995, 1406 = WM 1996, 154; Kübler BB 1976, 803. 2 OLG Köln v. 16.3.1984 – 3 U 71/83, WM 1985, 1128; entsprechend für widersprochene Lastschriften OLG Köln v. 2.11.1990 – 13 U 130/90, WM 1991, 28 = WuB I D 2. – 1.91 Obermüller (s. Rn. 3.680 f.). 3 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; OLG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204; LG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992; Blankenburg in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022 94. Lfg., § 24 Rn. 17.; a.A. Kirchhof in Kreft, HK-InsO, 7. Aufl. 2014, § 24 Rn. 5; zur Gegenmeinung s. auch Rn. 3.243. 4 BGH v. 21.3.1995 – XI ZR 189/94, ZIP 1995, 659 = WM 1995, 745. 5 Zur wechselseitigen Erfüllung als anfechtungsrechtlich für die solvente Partei günstigere Alternative s. Rafiqpoor/Wilmes NZI 2009, 91.

Büchel | 509

Dritter Teil Rz. 3.143 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Kreditinstitute kommt als weitere Vorstufe noch das Moratorium nach § 46 KWG in Betracht, auf das hier aber nicht näher eingegangen werden soll1. a) Die Aufrechnungsbeschränkungen im Allgemeinen

3.144

Für die Beurteilung der oben genannten Fälle gelten die Vorschriften der §§ 129 ff., 94 ff. InsO, wobei die Aufrechnung von zwei selbständigen Konten – einem debitorischen und einem durch die Eingänge kreditorisch gewordenen – oder die Verrechnung von Soll- und Habenposten auf demselben Konto in Betracht kommen2.

3.145

Grundsätzlich ist eine Aufrechnung durch die Bank als Gläubigerin3 auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kunden noch zulässig (§ 94 InsO). Einerseits wird sie von Gesetz und Rechtsprechung4 erweitert, andererseits eingeschränkt. Der maßgebliche Abgrenzungsgesichtspunkt für das Regelungssystem der InsO liegt im Vertrauensschutz: Das Vertrauen des Gläubigers auf eine bestehende Aufrechnungslage und die daraus folgende „Selbstexekutierungsbefugnis“ soll auch im Insolvenzverfahren geschützt werden5. b) Aufrechnungserweiterungen und -beschränkungen

3.146

Eine Erweiterung gegenüber dem Aufrechnungsrecht gemäß §§ 387 ff. BGB liegt darin, dass eine Aufrechnung auch dann möglich ist, wenn die Forderungen auf unterschiedliche Währungen6 oder Rechnungseinheiten lauten, wenn diese Währungen oder Rechnungseinheiten am Zahlungsort der Forderung, gegen die aufgerechnet wird, frei getauscht werden können (§ 95 Abs. 2 InsO).

3.147

Eine Beschränkung liegt in den Aufrechnungsverboten des § 96 InsO. Hiernach ist die Aufrechnung durch den Gläubiger7 nicht zulässig, wenn – ein Gläubiger erst nach Verfahrenseröffnung etwas zur Masse schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO), – ein Gläubiger seine Forderung erst nach Verfahrenseröffnung von einem Dritten erworben hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO),

1 Einzelheiten s. Zietsch WM 1997, 954 und Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten, 3. Aufl. 2010, 1. Teil C S. 34 ff. 2 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = WM 1999, 781. 3 Zur Aufrechnung durch den Insolvenzverwalter s. BGH v. 8.5.2014 – IX ZR 118/12, ZIP 2014, 1181 = ZInsO 2014, 1215 und Dobmeier ZInsO 2007, 1208; zu den Besonderheiten der Aufrechnung des Fiskus s. Jäger ZInsO 2014, 1353; zur Unwirksamkeit von Aufrechnungsverboten in allgemeinen Geschäftsbedingungen s. BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 309/16, ZIP 2018, 1067. 4 Vgl. zum Aufrechnungsverbot OLG Hamm v. 10.12.1975 – 25 U 82/75, MDR 1976, 577; OLG Köln v. 28.4.1995 – 25 U 17/94, KTS 1995, 644; Dempewolf WM 1976, 1753; zur Konzernverrechnungsklausel OLG Koblenz v. 12.12.1975 – 2 U 332/74, NJW 1976, 2026; BGH v. 3.6.1981 – VIII ZR 171/80, WM 1981, 844; BGH v. 27.3.1985 – VIII ZR 5/84, WM 1985, 696 = WuB II G § 35 GmbHG 1.85 Schneider; BGH v. 29.2.1996 – IX ZR 147/95, ZIP 1996, 552; Joussen ZIP 1982, 279. 5 Kayser WM 2008, 1477. 6 Zu den internationalen insolvenzverfahrensrechtlichen Aspekten s. Bork ZIP 2002, 690. 7 Zur Aufrechnung durch den Insolvenzverwalter s. BGH v. 8.5.2014 – IX ZR 118/12, ZIP 2014, 1181 = ZInsO 2014, 1215 und Dobmeier ZInsO 2007, 1208.

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A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.150 Dritter Teil

– ein Gläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO), – die Forderung des Gläubigers aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Hier gilt grundsätzlich der materielle Aufrechnungsbegriff, der zwei selbständige Forderungen voraussetzt und bei unselbständigen Rechnungsposten nicht eingreift1. Nur das Verbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfasst nicht nur die einseitige Aufrechnung nach §§ 387, 388 BGB, sondern auch Verrechnungen durch Aufrechnungsverträge wie die einem Kontokorrentverhältnis immanente antizipierte Verrechnungsvereinbarung2. Anders als nach der Konkursordnung kann die Vorverlegung der Fälligkeiten kraft Gesetzes auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung (§ 41 InsO) und die Umrechnung von Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind (§ 45 InsO), für Zwecke der Aufrechnung nicht herangezogen werden (§ 95 Abs. 1 Satz 2 InsO). Soweit der Gläubiger eine Aufrechnung mit einer bedingten oder noch nicht fälligen Forderung vornehmen möchte und den Eintritt der Bedingung oder der Fälligkeit abwarten muss, kann er nicht mehr aufrechnen, falls der Schuldner seine Gegenforderungen schon zu einem früheren Zeitpunkt geltend machen konnte (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO). Soweit der Gläubiger mit einer unbedingten und fälligen Forderung eine Aufrechnung gegen eine bedingte Forderung des Insolvenzschuldners vornehmen möchte, hindert ihn die Vorschrift des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht3.

3.148

Das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO greift jedoch nicht ein, wenn lediglich eine Rechtsbedingung für das Entstehen der einen oder anderen Forderung fehlt. Die Vorschrift des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO will nämlich die Aufrechnung erleichtern und geht der Regelung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor. Die Vorschrift soll allerdings nur denjenigen Gläubiger schützen, dessen Forderung in ihrem rechtlichen Kern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist4 und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedarf5 wie z.B. Ersatzansprüche aus § 103 InsO durch den Fall der Insolvenzeröffnung. Der Gläubiger, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens darauf vertrauen durfte, dass die Durchsetzung seiner Forderung mit Rücksicht auf das Entstehen einer Aufrechnungslage keine Schwierigkeiten bereiten werde, wird in dieser Erwartung auch im Insolvenzverfahren nicht enttäuscht, solange die Bedingung ohne sein Zutun gewissermaßen automatisch eintritt6.

3.149

Ebenso kann ein Insolvenzgläubiger, dem an einer dem Aufrechnungsverbot unterliegenden Forderung des Schuldners ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht zusteht, dieses bei Fälligkeit

3.150

1 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558 = ZInsO 2004, 852; Fischer WM 2008, 1. 2 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, ZIP 2007, 383 = ZInsO 2007, 213; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZIP 2008, 183 = ZInsO 2008, 91; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 803; OLG Dresden v. 1.9.2005 – 13 U 1139/05, ZInsO 2007, 45; OLG Düsseldorf v. 19.2.2020 – I-12 U 52/19 = ZInsO 2020, 2387; weiterführend Kirstein ZInsO 2014, 1921. 3 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, ZIP 2004, 1608; BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03, ZInsO 2005, 94; OLG Celle v. 28.1.2004 – 9 U 205/03, OLGReport 2004, 429; BFH v. 18.8.2015 – VII R 29/14, ZIP 2015, 2237 = ZInsO 2015, 2441 Rn. 16 = mit Anm. de Weerth MwStR 2015, 976. 4 BGH v. 24.3.1994 – IX ZR 149/93, ZIP 1994, 714; BFH v. 16.11.2004 – VII R 75/03, ZIP 2005, 628 = DZWIR 2005, 284. 5 BGH v. 6.11.1989 – II ZR 62/89, ZIP 1990, 53. 6 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, ZIP 2004, 1608; BGH v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZIP 2006, 87.

Büchel | 511

Dritter Teil Rz. 3.150 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

seines gesicherten Anspruchs durch Einziehung der gegen ihn gerichteten Forderung des Schuldners verwerten, indem er sie einseitig in den Saldo einstellt1.

3.151

Die Aufrechnungsverbote entfallen mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens und nicht schon mit dem Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung2 oder der Eingangsentscheidung über die Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung (§ 287a Abs. 1 InsO).

3.152

Beiträge für die Kosten der Feststellung und Verwertung, wie sie der Absonderungsberechtigte erbringen muss (§§ 170, 171 InsO; Einzelheiten s. Rn. 6.1173 ff.), werden dem aufrechnungsbefugten Gläubiger nicht auferlegt3. c) Anfechtungsmöglichkeiten

3.153

Wenn eine Bank Zahlungen auf das Konto ihres Kunden erhalten hat und dadurch ein debitorischer Saldo zurückgeführt wurde, kommt, wenn danach ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kontoinhabers eröffnet wird, eine Anfechtung der Verrechnung dieser Zahlungseingänge durch den Insolvenzverwalter des Kontoinhabers in Betracht. Aber auch dann, wenn nicht der Kontoinhaber insolvent wird, sondern dessen zahlender Schuldner, kann die Bank nicht sicher sein, dass sie die Zahlungseingänge behalten darf. In Ausnahmefällen ist nämlich auch hier eine Anfechtung und zwar durch den Insolvenzverwalter des zahlenden Drittschuldners denkbar. aa) Insolvenz des Kontoinhabers

3.154

Wird ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kontoinhabers eröffnet und ist die Aufrechnung bzw. Verrechnung nach den oben (Rn. 3.144 ff.) dargestellten §§ 94, 95 InsO zulässig, so bleibt weiter zu prüfen, ob Anfechtungsgründe vorliegen. Der Verrechnung steht nämlich das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegen, wenn die Bank die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Durch diese ausdrückliche gesetzliche Regelung wurde der Meinungsstreit, ob eine nach § 55 KO zulässige Aufrechnung durch eine Anfechtung nach den §§ 29 ff. KO rückgängig gemacht werden kann4, im letzteren Sinn geklärt5. Dabei ist unerheblich, ob der Gläubiger die Aufrechnungslage in „ungebührlicher Weise“ selbst hergestellt, also im Hinblick auf die Krise darauf hingewirkt hat, dass die Drittschuldner ihre Zahlungen auf das Konto des Schuldners bei der Gläu-

1 OLG Dresden v. 1.9.2005 – 13 U 1139/05, ZInsO 2007, 45. 2 BFH v. 7.6.2006 – VII B 329/05, ZIP 2006, 1593 = ZInsO 2006, 875. 3 Windel KTS 2000, 215; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 19.03; a.A. Paulus FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 766. 4 Bejahend BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309 ff.; BGH v. 22.12.1982 – VIII ZR 214/81, ZIP 1983, 191 = WM 1983, 174; LG Köln v. 18.3.1958 – 11 S 328/57, KTS 1958, 94; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1991, § 30 Rn. 268 m.w.N.; a.A. Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, Anh. II nach §§ 363 bis 365 Anm. 177; Kümpel Bank-Betrieb 1967, 343; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 119; W. Obermüller, Sicherungsrechte der Bank beim Dokumenteninkasso, FS Bärmann, 1975, 721; OLG Hamburg v. 11.2.1909, Bank-Archiv 1909/10, 381; OLG Stuttgart v. 30.1.1957 – 1 U 157/1976, WM 1957, 530; OGH EvBl. 1982, 46; OGH v. 14.6.1988 – 8 Ob 646/87, EvBl. 1988, 147 für die damals weitgehend parallelen österreichischen Anfechtungsvorschriften. 5 Zu den Schnittstellen zwischen Aufrechnung und Anfechtung s. Paulus ZIP 1997, 576.

512 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.154c Dritter Teil

bigerbank leisten, oder ob der Gläubiger ohne sein Zutun in der kritischen Zeit Zahlungen für den Schuldner erhalten hat und aufrechnet1. Demgemäß sind stets die Auswirkungen der §§ 129 ff. InsO zu prüfen; die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO beschränkt sich nicht auf die kongruente Deckung des § 130 InsO, sondern umfasst alle Anfechtungsfälle2. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zahlungseingänge zur Rückführung eines debitorischen Saldos durch Einstellung in eben dieses Kontokorrent verwendet werden oder ob sie zu einem Guthaben auf dem einen Konto des Kunden führen und sich die Bank im Wege der Aufrechnung gegen ein anderes – debitorisches – Konto des Kunden befriedigt. Da es im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO um die Verknüpfung gegenseitiger Forderungen geht, kommt es darauf an, wann das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet worden ist3. Dies ist der Zeitpunkt der Entstehung der Verrechnungslage.

3.154a

Wenn der Zahlungsverkehr über dasselbe Konto abgewickelt wurde, ist Gegenstand der Anfechtung die Kontokorrentverrechnung4. Dabei kommt es darauf an, ob die jeweilige Verrechnungslage in anfechtbarer Weise entstanden ist5. Handelt es sich um bedingte oder befristete Forderungen, so muss die Aufrechnungslage (§ 387 BGB) in vollem Umfang entstanden sein6. Maßgeblich sind die Verhältnisse in demjenigen Zeitpunkt, in welchem die Bank eine buchmäßige Deckung für die Gutschrift erhalten hat, während die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Erteilung der Gutschrift unerheblich sind7. Dagegen können die Entgegennahme der Zahlungen und die Gutschrift nicht selbständig mit der Insolvenzanfechtung angegriffen werden. Es handelt sich bei den Einzahlungen auf das Konto einer Insolvenzschuldnerin nicht um eine Rechtshandlung der kontoführenden Bank. Anfechtbare Rechtshandlung wäre nur die Zahlung als solche8. Die Gutschriftbuchung stellt regelmäßig ein kontokorrentgebundenes Schuldversprechen der Bank gegenüber dem Kunden dar9. Diese Rechtshandlung entspricht der Kontokorrentabrede, ist daher kongruent und begünstigt den Kunden. Eine gläubigerbenachteiligende Wirkung ist mit der Gutschrift nicht verbunden10.

3.154b

Einer ausdrücklichen Anfechtungserklärung bedarf es nicht, die anfechtbare Aufrechnung oder Verrechnung ist vielmehr kraft Gesetzes unzulässig und damit unwirksam11. Der Verwal-

3.154c

1 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309 ff. 2 LG Düsseldorf v. 16.1.2003 – 1 O 331/02, DZWIR 2003, 477; a.A. Landfermann in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 159 Rn. 74 m.w.N. 3 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZIP 2008, 183 = ZInsO 2008, 91 Rn. 12; OLG Düsseldorf v. 11.4.2019 – I-12 U 44/18, ZInsO 2019, 1263; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 96 Rn. 50. 4 BGH v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, ZIP 1995, 926. 5 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, ZIP 1992, 778; BGH v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, ZIP 1995, 926; OLG Hamm v. 18.2.2003 – 21 U 7/02, WM 2003, 2115; BGH v. 22.4.2004 – IX ZR 370/00, ZIP 2004, 1160. 6 OLG Düsseldorf v. 11.5.2020 – I-12 U 49/19, ZIP 2020, 1925. 7 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, ZIP 1992, 778. 8 BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 96/78, WM 1979, 533. 9 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZIP 2002, 812 = ZInsO 2002, 426. 10 KG v. 18.5.2004 – 7 U 186/03, ZInsO 2004, 1259. 11 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435; BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, ZInsO 2007, 813; BGH v. 2.6.2005 – IX ZB 287/03, ZInsO 2005, 708; OLG Düsseldorf v. 6.7.2005 – I-18 U 28/ 05, ZInsO 2005, 934; zur Frage der Rückwirkung auf vor Verfahrenseröffnung liegende Sachverhalte s. Zenker NZI 2006, 16.

Büchel | 513

Dritter Teil Rz. 3.154c | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

ter muss sich aber naturgemäß auf die Anfechtbarkeit berufen, da kaum ein Gläubiger die verrechneten Zahlungseingänge von sich aus herausgeben wird, kann aber im Weigerungsfall unmittelbar auf Zahlung und nicht auf Rückgewähr (§ 143 InsO) klagen1. Dies muss innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 146 InsO, § 195 BGB)2 für die Anfechtung geschehen3. bb) Insolvenz des zahlenden Drittschuldners

3.155

Wenn nicht der Bankkunde insolvent wird, auf dessen Konto eine Zahlung eingeht, sondern der Absender dieser Zahlung, wird dessen Insolvenzverwalter seine Anfechtung grundsätzlich gegen den Kontoinhaber als Zahlungsempfänger richten. Denn eine Anfechtung findet grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen Überweisungsauftraggeber und dem Überweisungsbegünstigten statt4. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Konto des Überweisenden bei derselben wie das des Zahlungsempfängers oder bei einer anderen Bank geführt wird. Rechtshandlungen, bei denen eine unmittelbare Leistung an den Empfänger, die ohne Weiteres anfechtbar gewesen wäre, durch Einschalten eines Leistungsmittlers umgangen wird, sind als mittelbare Zuwendungen anfechtbar5. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Insolvenzschuldner seinen Schuldner anweist, die ihm geschuldete Leistung nicht ihm, sondern seinem Gläubiger zu erbringen6, und der Leistungsempfänger dies weiß7; grundsätzlich stellen sie eine inkongruente Deckung dar, es sei denn, zwischen Gläubiger und Schuldner ist diese Art der Befriedigung insolvenzfest vereinbart8.

3.155a

Ausnahmsweise soll aber eine Anfechtung gegenüber der Bank zulässig sein9. Bei einer Doppelwirkung einer Leistung in einem Dreiecksverhältnis – wie sie im Überweisungsverkehr

1 Bernsau in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 96 Rn. 19. 2 Zur Verlängerung der Frist von zwei auf drei Jahre durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 14.12.2004, BGBl. I 2004, 3214; s. Huber ZInsO 2005, 190; zur Hemmung s. BGH v. 28.9.2004 – IX ZR 155/03, DZWIR 2005, 33; zum Beginn s. BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 33/04, BB 2005, 1271. Sind mit der Aufhebung eines früheren Insolvenzverfahrens die von dem Insolvenzverwalter dieses Verfahrens wahrzunehmenden Insolvenzanfechtungsansprüche erloschen, können sie mit der Eröffnung eines erneuten Insolvenzverfahrens nicht wieder aufleben, sondern entstehen mit der Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens nach § 143 InsO in der Person des nunmehrigen Insolvenzverwalters neu (OLG Düsseldorf v. 22.12.2011 – I-12 U 86/11, ZIP 2012, 482). 3 Kirchhof WM 2002, 2037; Huber ZInsO 2009, 566; OLG Düsseldorf v. 6.7.2005 – I-18 U 28/05, ZInsO 2005, 934; BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, ZIP 2007, 1467 = ZInsO 2007, 813; zur Anfechtbarkeit als Einrede s. BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 148/07, ZIP 2008, 1593 = ZInsO 2008, 913. 4 RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144; Kirchhof WM 1996 Sonderbeilage Nr. 2, 21; Eskes BankPraktiker 2006, 135; s. aber Rn. 1.372. 5 OLG Düsseldorf v. 2.8.2018 – I-12 U 68/17, ZIP 2018, 2282 = ZInsO 2018, 2466 m.w.N. 6 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZInsO 2008, 106; BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183; LG Hannover v. 25.5.2009 – 20 S 36/08, ZInsO 2009, 1820; zur Anfechtung im Dreiecksverhältnis s. auch Huber NZI 2008, 149 mit Hinweis auf den drohenden „Krieg der Insolvenzverwalter“; zur Inkongruenz im Deckungsverhältnis s. BGH v. 6.6.2002 – IX ZR 425/99, ZInsO 2002, 766; BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 2/05, ZInsO 2008, 1323; zu den Voraussetzungen einer befreienden Wirkung der Leistung des Drittschuldners s. OLG Koblenz v. 17.10.2017 – 10 U 168/ 17, ZIP 2018, 1193. 7 BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 39/08, ZIP 2009, 817; kritisch zu dieser Rspr. aus Sicht des Leistungsempfängers Wiester/Kranz NZI 2012, 541. 8 OLG Düsseldorf v. 2.8.2018 – I-12 U 68/17, ZIP 2018, 2282 = ZInsO 2018, 2466. 9 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190.

514 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.155c Dritter Teil

typisch ist, nämlich einer Leistung des zahlenden Drittschuldners d.h. des Überweisungsauftraggebers an seinen Gläubiger d.h. des Überweisungsbegünstigten und gleichzeitig einer Leistung des Gläubigers an seine Bank – kommen Anfechtungen durch den Insolvenzverwalter des Überweisungsauftraggebers nicht nur gegenüber dem Überweisungsbegünstigten, sondern auch gegenüber der angewiesenen Bank in Betracht1. Anfechtungsgegner kann nämlich jeder sein, der infolge der anfechtbaren Handlung einen Gegenstand aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners erlangt hat.

3.155b

Aber hier fehlt es meist an der Verwirklichung eines Anfechtungstatbestands: – Eine Anfechtung als Deckungsgeschäft nach §§ 130, 131 InsO scheidet aus, da der Bank keine eigenen Zahlungsansprüche gegen den Überweisungsauftraggeber zustanden, für die sie eine Sicherung noch eine Befriedigung hätte erlangen können. Gegner einer Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO kann nämlich nur ein Insolvenzgläubiger sein, an den der Insolvenzschuldner geleistet hat2. Hier ist es umgekehrt: Die Bank ist nicht Insolvenzgläubiger des Überweisungsauftraggebers, sondern Geschäftspartner seines Gläubigers, und die Leistung wird an den Zahlungsempfänger als Gläubiger erbracht. – Eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistungen scheitert schon am Tatbestand des § 134 InsO. Denn hier leistet der Insolvenzschuldner nicht an die Bank, sondern an seinen Gläubiger über dessen Konto bei der Bank. Die Zahlung eines Schuldners auf ein debitorisch geführtes Girokonto seines Gläubigers ist in der Insolvenz des Schuldners nur dann als – mittelbare – unentgeltliche Leistung gegenüber der Bank anfechtbar, wenn der Wille des Schuldners erkennbar darauf gerichtet ist, die Zahlung im Endergebnis der Bank zuzuwenden. Das wird praktisch niemals der Fall sein, es sei denn, Schuldner und Bank sind miteinander verbandelt3. Dass der Schuldner in Kenntnis der Kontoüberziehung zahlt, genügt hierfür nicht4. – Anfechtungen wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 133 InsO sind dagegen denkbar: Eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung setzt voraus, dass der Insolvenzschuldner die Überweisung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, getätigt hat,

1 Hier handelt es sich also um einen Anfechtungskläger und zwei mögliche Anfechtungsgegner (s. dazu auch BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, ZInsO 2012, 264). Denkbar sind aber auch Konstellationen mit nur einem Anfechtungsgegner und zwei möglichen Anfechtungsklägern: Wenn nämlich sowohl der Überweisungsauftraggeber als auch der Angewiesene, also die Bank insolvent werden, kann der Insolvenzverwalter des Überweisungsauftraggebers die Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131, 133 InsO und der Insolvenzverwalter der Bank die Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistungen nach § 134 InsO ausüben (BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZInsO 2008, 106 und Huber NZI 2008, 149 mit Hinweis auf den drohenden „Krieg der Insolvenzverwalter“); dabei gebührt der Deckungsanfechtung der Vorrang (vgl. auch die umfassende Darstellung der Problematik der Doppelinsolvenz bei Huber ZInsO 2010, 977; Kayser ZIP 2019, 293; Gehrlein WM 2019, 1241; Onusseit FS Pape 2019, 295); zum Rang unter konkurrierenden Anfechtungsgläubigern außerhalb der Insolvenz s. Gaul FS K. Schmidt, 2009, 425. 2 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 = ZInsO 2013, 1077; BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 = ZInsO 2013, 1898; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190 = ZInsO 2008, 814 Rn. 14; BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 Rn. 11; kritisch dazu Wiester/Kranz NZI 2012, 541. 3 Kayser ZIP 2019, 293. 4 BGH v. 9.7.2015 – IX ZR 207/13, ZIP 2015, 1545 = ZInsO 2015, 1609.

Büchel | 515

3.155c

Dritter Teil Rz. 3.155c | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

und dass die Bank diesen Vorsatz kannte (§ 133 Abs. 1 InsO). Im Zahlungsverkehr kennt die Bank den Grund des Überweisungsauftrags jedoch regelmäßig nicht und kann nicht beurteilen, was der Hintergrund der Überweisung ist, ob beispielsweise der Empfänger die Leistung zu beanspruchen hatte, es sich beispielsweise um ein Bargeschäft handelte, oder ob das nicht der Fall war. Aus Sicht der Bank handelt es sich normalerweise um übliche Geschäftsvorgänge, denen für sich genommen eine Absicht des Insolvenzschuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, nicht zu entnehmen ist1. Wird ein Anfechtungsgegner als bloße Zahlstelle des Schuldners tätig und ist er an dem Zahlungsvorgang nur in technischen Funktionen beteiligt, kann auch bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht auf die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes geschlossen werden2. Die Zahlung an den Empfänger hat für die Bank regelmäßig keinen wirtschaftlichen Vorteil und liegt auch nicht in ihrem Interesse. Allein die Tatsache, dass die Bank ihre Leistung nicht gegenüber dem Kontoinhaber, sondern gegenüber einem Dritten erbringt, beinhaltet keinen Sachverhalt, welcher wertend betrachtet zu einem starken Beweisanzeichen für die Kenntnis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Bank führt. Auch richten sich diese Anfechtungen nicht gegen Leistungsmittler, die zwingend aufgrund von Geschäftsbesorgungsverträgen gegenüber dem Insolvenzschuldner verpflichtet sind, seine Weisungen zu erfüllen, sondern grundsätzlich nur gegen Dritte, die die Freiheit haben, solche Weisungen abzulehnen.

3.155d

Zu einer Anfechtung gegenüber der Bank3 kann es also nur bei ungewöhnlichen Konstellationen, beispielsweise dann kommen, wenn die Bank Kenntnis von der Insolvenzantragspflicht des Überweisungsauftraggebers und seinem Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung hat4 und mit dem Schuldner kollusiv zum Nachteil seiner Gläubiger zusammenwirkt. Erst wenn die Bank als Leistungsmittlerin im Eigen- oder Fremdinteresse aktiv an einer Gläubigerbenachteiligung des Schuldners teilnimmt, kann aus dieser Mitwirkung eine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes abgeleitet werden5. Eine solche Konstellation ist anzunehmen, wenn es sich um ein zwischen dem Schuldner und dem Leistungsmittler mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Zwangslage des Schuldners abgestimmtes, einzelne Gläubiger begünstigendes Zahlungsverhalten handelt6. Wenn der künftige Insolvenzschuldner Kunde einer anderen Bank ist, wird die Bank des Überweisungsempfängers kaum mit ihm zum Nachteil seiner Gläubiger kooperieren. Aber in dem (hoffentlich) sehr gekünstelten Fall kommen, dass die Bank sowohl das Konto des Überweisungsauftraggebers als auch das des Überweisungsempfängers führt, das Konto des Überweisungsauftraggebers noch ein Guthaben ausweist und das Überweisungsempfängers debitorisch ist und auch seine Insolvenz droht, die Bank also ein starkes Interesse daran hat, dieses Konto auszugleichen, würde eine Einflussnahme auf den Überweisungsauftraggeber Sinn machen. Ein Benachteiligungsvorsatz ist zu vermuten, wenn der Leistungsmittler mangels insgesamt hinreichender Deckung in Absprache mit dem 1 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190. 2 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZInsO 2013, 1077; BGH v. 14.9.2017 – IX ZR 3/16, ZInsO 2017, 2546 Rn. 21 = mit Anm. Kruth DStR 2018, 430; OLG Stuttgart v. 12.6.2013 – 9 U 37/13, ZIP 2013, 1779; Kayser FS Kübler, 2015, 321; Kayser ZIP 2019, 293; zur Überschreitung der Zahlstellenfunktion bei Abwicklung über CpD und Sicherungsabtretung an die Bank vgl. BGH v. 20.3.2019 – VIII ZR 88/18, WM 2019, 777. 3 Die Anfechtung nach §§ 132, 133 InsO ablehnend mangels Rechtshandlung des Schuldners Ganter NZI 2010, 835. 4 Kirstein/Sietz ZInsO 2008, 761. 5 BGH v. 14.9.2017 – IX ZR 3/16, ZIP 2017, 2370 = ZInsO 2017, 2546 Rn. 21. 6 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038 = ZInsO 2012, 924; BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 = ZInsO 2013, 384.

516 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.156 Dritter Teil

Schuldner bestimmte Gläubiger auswählt und diese durch eine Zahlung befriedigt1. Ebenso ist von einer Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes auszugehen, wenn eine Bank bei unzureichender Deckung, ohne sich mit dem Schuldner ins Benehmen zu setzen, lediglich einzelne Zahlungsaufträge an von ihr bevorzugte Empfänger zum Zwecke einer selektiven Befriedigung ausführt2, weil sie die Befriedigung eines bestimmten Zahlungsempfängers sicherstellen will. In einer solchen Situation schaltet sich die Bank anders als im normalen Giroverkehr mit eigenem Benachteiligungswillen in die konkreten Zahlungsabläufe zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern ein. Entscheidend sind der vorgefasste und auch verwirklichte Plan und die Kenntnis der Bank von diesem Plan3. Dabei setzt die Vorsatzanfechtung gegenüber einem Leistungsmittler nicht die Anfechtbarkeit der Leistung auch gegenüber dem Leistungsempfänger voraus4. Im Fall einer derartigen Kollusion zwischen der Bank und dem Überweisungsauftraggeber hat der Verwalter die Wahl, ob er den Leistungsempfänger oder den Angewiesenen in Anspruch nimmt5. Die angewiesene Bank und der Überweisungsempfänger sollen dann als Gesamtschuldner anzusehen sein6, wobei im Innenverhältnis der Überweisungsempfänger den überwiesenen Betrag allein schuldet7. Der Rückgewähranspruch richtet sich im Fall einer Anfechtung gegenüber dem Kunden inhaltlich auf Wiederherstellung des ursprünglichen Saldos. Bei Überweisung aus einem Guthaben ist die Forderung des Kunden entsprechend zu erhöhen. Bei Überweisung zu Lasten eines debitorischen Kontos reduziert sich die Insolvenzforderung der Bank entsprechend; der Insolvenzverwalter kann nicht etwa die Barauszahlung des Überweisungsbetrages verlangen. Wenn außer dem Schuldner auch noch die angewiesene Bank insolvent wird und deren Insolvenzverwalter ebenfalls die Zahlung anficht, schließt die Deckungsanfechtung durch den Insolvenzverwalter des Schuldners eine Schenkungsanfechtung durch den Insolvenzverwalter der angewiesenen Bank insoweit aus, als die Bank das anfechtbar Erlangte tatsächlich an den Insolvenzverwalter, der die Deckungsanfechtung geltend macht, zurückgewährt8.

3.155e

d) Deckung durch Sicherheiten Die Anfechtbarkeit der Verrechnung eines Zahlungseingangs zugunsten des späteren Insolvenzschuldners mit dem debitorischen Saldo auf dessen Konto ist stets ausgeschlossen, wenn die Forderung, die der Überweisende begleichen wollte, der Bank zur Sicherheit abgetreten war, die Bank durch die Verrechnung also nur das erhalten hat, was ihr aufgrund der Sicherungszession ohnehin zugestanden hätte9. Denn alle Anfechtungstatbestände setzen voraus,

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Beispiel bei LG Hanau v. 25.10.2012 – 1 O 433/12, ZInsO 2013, 678. Kayser FS Kübler, 2015, 321. BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183. BGH v. 3.4.2012 – IX ZR 39/11, ZInsO 2012, 931; in der Regel wird hier eine inkongruente Deckung vorliegen (s. LG Aachen v. 30.1.2017 – 5 S 24/16, ZInsO 2017, 1232). BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 803; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, ZIP 2008, 372. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, ZIP 2008, 372. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038 = ZInsO 2012, 924 Rn. 15. BGH v. 4.2.2016 – IX ZR 42/14, ZIP 2016, 478 = ZInsO 2016, 572; zur Abwehr von Doppelzahlungen s. Maesch DB 2017, 1131. BGH v. 11.6.2015 – IX ZR 110/13, ZInsO 2015, 1497 Rn. 11; BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, ZInsO 2012, 1318; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 803; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435; BGH v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, WM 2007, 874;

Büchel | 517

3.156

Dritter Teil Rz. 3.156 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

dass die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit objektiv benachteiligt sind1. Hieran fehlt es, wenn ein Gläubiger Befriedigung oder Deckung erhält, die nach der besonderen Fallgestaltung auch der Insolvenzverwalter hätte gewähren müssen2.

3.157

Demgemäß liegt keine Gläubigerbenachteiligung in der Herausgabe einer Sache, die hätte ausgesondert werden können, oder in der Entgegennahme von Zahlungen des Schuldners einer Forderung, die der Bank zur Sicherung abgetreten3 oder verpfändet4 war, oder in der Verrechnung von Zahlungen eines Bürgen auf die verbürgte Forderung5 oder in der Aufrechnung mit einer aus dem Vermögen des Schuldners vollwertig besicherten Forderung6. aa) Eingänge aufgrund von Zessionen

3.158

Wenn ein Schuldner des späteren Insolvenzschuldners ohne die Kenntnis, dass letzterer seine Forderung zur Sicherung an die Bank abgetreten hatte, seine Schuld durch Überweisung auf das Konto des späteren Insolvenzschuldners begleicht, ist die Verrechnung im Kontokorrent – wie oben erwähnt – nicht anfechtbar. Hätte der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung die zur Sicherung abgetretene Forderung eingezogen, so wäre die Bank – wenn nicht das Verwertungsrecht mit Einführung der InsO durch § 166 InsO auf den Verwalter übergegangen wäre – zur Ersatzaussonderung berechtigt gewesen7. Dieses Argument greift al-

1

2 3

4 5 6 7

BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061; BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 318/99, ZInsO 2000, 101; BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653; BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, ZIP 1983, 961 unter Aufhebung der Entscheidung des OLG Hamm v. 14.7.1982 – 5 U 192/81, ZIP 1982, 1343; BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 233/90, WM 1992, 1040 = WuB VI B. § 186 KO 1.92 Summ; OLG Koblenz v. 20.6.1984 – 7 U 670/83, ZIP 1984, 1378; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126; BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985, 364 = WuB VI D § 3 AnfG 2.85 Obermüller; Lwowski WM 1999, 258; OLG Köln v. 22.11.1999 – 16 U 29/99; entsprechend für den Verkauf eines belasteten Grundstücks schon RG v. 8.4.1902 – VII 35/1902, Gruchot 46, 1111. RG v. 3.2.1905 – VII 497/04, RGZ 60, 109; RG v. 8.4.1902 – VII 35/1902, Gruchot 46, 1111; RG JW 1899, 540; BGH v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 347; BGH v. 5.12.1985 – IX ZR 165/ 84, ZIP 1986, 452 = WM 1986, 296 = WuB VI B § 29 KO 1-86 Johlke; BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512 = ZInsO 2004, 859. BGH v. 24.11.1959 – VIII ZR 220/57, WM 1960, 377; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZIP 2008, 183, ZInsO 2008, 91; BGH v. 24.10.1962 – VIII ZR 126/61, KTS 1962, 252; OLG Düsseldorf v. 6.12.2018 – I-12 U 12/18, ZInsO 2019, 193 unter 2.3.2. BAG v. 29.7.1967 – 3 AZR 55/66, BAGE 20, 11; BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985; 364; BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZInsO 2017, 494; s. auch BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI B § 15 KO 2.85 Obermüller; OLG Hamburg v. 22.5.1996 – 5 U 278/95, WM 1997, 1773 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 13.5.1997 – IX ZR 177/96, WM 1997, 1774; OLG Jena v. 25.11.1998 – 2 U 277/98, ZInsO 1999, 111. BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509, 1512. LG Erfurt v. 30.7.1997 – 8 O 573/98, ZInsO 2000, 109; OLG Jena v. 31.5.1999 – 5 U 1335/98, ZInsO 2000, 109; OLG Köln v. 25.3.2002 – 13 U 58/01, ZInsO 2002, 444; Obermüller ZInsO 2000, 83. BGH v. 22.7.2004 – IX ZR 270/03, ZInsO 2004, 1028; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZInsO 2012, 1301 mit Anm. Bartels ZIP 2013, 1756. So zu der mit § 48 InsO weitgehend übereinstimmenden Vorschrift des § 46 KO: BGH v. 14.2.1957 – VIII ZR 250/56, BGHZ 23, 317; BGH v. 30.10.1967 – VIII ZR 176/65, WM 1967, 1213; dies gilt nicht bei Eingang vor Verfahrenseröffnung: BGH v. 25.3.1999 – IX ZR 223/97, ZIP 1999, 621 = WM 1999, 787.

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A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.160 Dritter Teil

lerdings nicht durch, wenn der Insolvenzverwalter die Zession erfolgreich anfechten kann1. Ebenso wenig lässt sich die Gläubigerbenachteiligung verneinen, wenn der Drittschuldner auf ein Konto des künftigen Insolvenzschuldners bei einer anderen Bank zahlt und ersterer dann den Betrag an die Bank, die Inhaberin der Zession war, weiterleitet. Denn die zedierte Forderung war mit dem Zahlungseingang bei der anderen Bank bereits erloschen, ohne dass die Zessionarin im Austausch gegen die Zession ein Recht an dem Erlös erworben hätte2. Ob die Zession im Zeitpunkt des Zahlungseingangs bereits aufgedeckt war oder noch still behandelt wurde, ist unerheblich3. Dies ist nur für die Frage von Bedeutung, ob der Drittschuldner durch die Zahlung auf das Konto seines ursprünglichen Gläubigers mit befreiender Wirkung gegenüber dem Zessionar leisten konnte4 und ob etwaige verlängerte Eigentumsvorbehalte untergehen, hat aber auf die materielle Berechtigung keinen Einfluss. Letztere fehlt dem Insolvenzverwalter, da die Forderung mit der Abtretung aus dem Schuldnervermögen ausgeschieden war. Da die Zession still behandelt wurde, hätte eine Zahlung an den ursprünglichen Gläubiger bzw. dessen Insolvenzverwalter diesem zwar zu einer ungerechtfertigten Bereicherung verholfen, die die Bank bei Eingang der Überweisung auf dem Konto des Kunden bei einer Drittbank vor Verfahrenseröffnung nur als einfache Insolvenzforderung5 hätte geltend machen können. Auf diese ungerechtfertigte Bereicherung hat der Zedent bei stillen Zessionen zwar gute tatsächliche Aussichten, aber keinen rechtlichen Anspruch, für dessen Wiederherstellung die Insolvenzanfechtung eingesetzt werden könnte. Im Fall einer Sicherungsabtretung gelangt die Leistung des Drittschuldners zudem unmittelbar in das Vermögen des Kreditinstituts, welches den Erlös auch im Fall einer nicht offengelegten Abtretung als wahre Berechtigte erhält. Zwar erlischt damit der als Sicherheit dienende Anspruch des Kreditinstituts gegen den Drittschuldner und verpflichtet es seinerseits zur Herausgabe des Erlangten an den als Empfänger bezeichneten Kunden (§ 667 BGB). Gleichzeitig erwirbt es jedoch ein Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB Banken, wenn nicht schon an dem Anspruch auf Gutschrift, so spätestens an dem neu entstehenden Anspruch aus der Gutschrift6. Ein solcher Austausch gleichwertiger Sicherheiten wirkt nicht gläubigerbenachteiligend7.

3.159

Wenn dagegen die Forderung, zu deren Bezahlung die Überweisung diente, einem Dritten z.B. aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts abgetreten war, so schließt dies eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich nicht aus. Denn der Dritte hätte weder ein Aus- noch ein Absonderungsrecht noch ein Ersatzaussonderungsrecht erworben8. Die dem Dritten eingeräumte Sicherheit stellt zudem bei Begründung der Aufrechnungslage trotz seines Absonde-

3.160

1 BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509, 1512; BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZInsO 2017, 494 Rn. 8, 12; Stiller ZInsO 2002, 651; Feuerborn ZIP 2002, 290. 2 BGH v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZInsO 2006, 493; BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009. 3 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 303; BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; OLG Koblenz v. 20.6.1984 – 7 U 670/83, ZIP ZIP 1984, 1378; LG Berlin v. 16.12.2002 – 4 O 299/02, n.v.; Steinhoff ZIP 2000, 1141. 4 BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 318/99, ZIP 2000, 244 = ZInsO 2000, 101; BGH v. 25.3.1999 – IX ZR 223/97, ZIP 1999, 621 = WM 1999, 787; LG Berlin v. 16.12.2002 – 4 O 299/02, n.v. 5 Ein Ersatzaussonderungsrecht hätte ihr nicht zugestanden (BGH v. 25.3.1999 – IX ZR 223/97, ZIP 1999, 621 = WM 1999, 787). 6 BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZIP 2004, 620 = ZInsO 2004, 342; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/ 05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 803. 7 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182 = ZInsO 2002, 1136. 8 BGH v. 11.5.1989 – IX ZR 222/88, ZIP 1989, 785 = WM 1989, 965 m.w.N. = WuB VI B § 30 Nr. 1 KO 3.89 Obermüller.

Büchel | 519

Dritter Teil Rz. 3.160 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

rungsrechts für die Insolvenzmasse einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert dar, der in dem durch § 166 Abs. 1 InsO begründeten Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters zum Ausdruck kommt, das im Interesse aller Insolvenzgläubiger besteht1. Die Bank kann ein Absonderungsrecht hier nur an den freien Teilen der abgetretenen Forderungen erwerben, so dass die spätere Verrechnung in der auf der Zahlung des gutgläubigen Drittschuldners beruhenden Gutschrift nur in dieser Höhe nicht, im Übrigen aber sehr wohl als Gläubigerbenachteiligung wirkt2. Insoweit wird die Aufklärung des Sachverhalts umso komplizierter, je mehr Leistungen verschiedener Lieferanten der Bankkunde für seine Lieferung an den Drittschuldner aufgebracht hat.

3.161

Die Beweislast für den Anfechtungstatbestand obliegt zunächst dem Insolvenzverwalter3. Er muss also beweisen, dass die Rechtshandlung, auf die der Anfechtungsanspruch gestützt wird, die Gläubiger benachteiligt. Der Anfechtungsgegner muss dann die Voraussetzungen eines von ihm behaupteten Erwerbstatbestandes, d.h. den wirksamen Übergang der abgetretenen Forderung auf ihn nachweisen4. Wenn streitig ist, ob die eingegangene Zahlung von dem Schuldner einer zur Sicherung abgetretenen Forderung stammt, muss grundsätzlich die Bank nachweisen, dass die Forderung, auf die gezahlt wurde, von dem Globalzessionsvertrag erfasst wird. Wenn der Globalzessionsvertrag sich aber auf sämtliche Forderungen gegen alle Drittschuldner erstreckt, kann sich der Insolvenzverwalter nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen, sondern muss substantiiert vortragen, dass bezüglich der einzelnen Forderungen ein in dem Sicherungsvertrag geregelter Ausnahmefall vorliegt5. bb) Eingänge durch Zahlung von Bürgen

3.162

Wenn der Zahlungseingang darauf beruht, dass die Bank, die einen Bürgen oder Drittschuldner zur Zahlung aufgefordert hat, ihm als Empfangskonto das des Insolvenzschuldners genannt hatte, ist eine Anfechtung ebenfalls ausgeschlossen6. Diese Verfahrensweise ist zwar abwicklungstechnisch nicht richtig und kann, wie die Gerichtspraxis7 zeigt, zu unliebsamen Auseinandersetzungen führen; korrekt müsste die Bank den Erlös auf einem eigenen (internen) Konto oder auf einem besonderen Sicherheitenerlöskonto vereinnahmen. Dieser Fehler ändert aber nichts an der materiellen Berechtigung der Bank, die der Annahme einer Gläubigerbenachteiligung entgegensteht8. Eine ähnliche Fallgestaltung ergibt sich bei der Zahlung des Schuldners einer an die Bank abgetretenen oder verpfändeten Forderung, wenn die Bank ihn zur Zahlung auf das Konto des Kunden aufgefordert hatte; auch hier ist die materielle Berechtigung entscheidend9.

1 2 3 4 5 6 7

BGH v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370 = ZInsO 2003, 1101. Heublein ZIP 2000, 161. BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856. BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061. LG Stendal v. 1.4.1998 – 21 O 400/97, WM 1998, 1594. OLG Karlsruhe v. 27.5.2020 – 9 W 12/20, ZIP 2020, 1767. LG Erfurt v. 30.7.1998 – 8 O 573/98, ZInsO 2000, 109; OLG Jena v. 31.5.1999 – 5 U 1335/98, ZInsO 2000, 109; OLG Köln v. 25.3.2002 – 13 U 58/01, ZInsO 2002, 444; OLG Brandenburg v. 16.5.2002 – 8 U 97/01, InVo 2003, 184; OLG Bamberg v. 2.11.2006 – 1 U 68/06, ZIP 2007, 571 = WM 2007, 389. 8 OLG Brandenburg v. 16.5.2002 – 8 U 97/01, InVo 2003, 184. 9 OLG Bamberg v. 2.11.2006 – 1 U 68/06, ZIP 2007, 571 = WM 2007, 389.

520 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.165 Dritter Teil

cc) Eingänge von Erlösen aus belasteten Grundstücken Eine Anfechtung scheidet auch dann aus, wenn der künftige Insolvenzschuldner ein mit einer Grundschuld zugunsten der Bank belastetes Grundstück verkauft und der Käufer den Kaufpreis vertragsgemäß auf das Bankkonto überweist. Denn wenn der Käufer des Grundstücks den Kaufpreis ganz oder teilweise nur auf ein debitorisch geführtes Konto bei der betreffenden Bank einzahlen darf, unterliegt der Kaufpreisanspruch einer treuhänderischen Bindung, die sogar ein Gläubiger des Verkäufers gegen sich gelten lassen muss1. Jede erfolgreiche Anfechtung setzt aber voraus, dass ihre Gegenstände ohne die Rechtshandlung gerade zum haftenden Vermögen des Insolvenzschuldners gehört, also dem Zugriff der Insolvenzgläubiger offengestanden hätten2.

3.163

Wenn sich die Bank zusätzlich zu dem Grundpfandrecht auch noch durch Abtretung der Mieten gesichert hat und die Mieter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Eigentümers die Mieten auf sein Konto bei dieser Bank zahlen, kann die Verrechnung ebenfalls keine Gläubigerbenachteiligung darstellen3. Verfügungen des Schuldners über mithaftende Forderungen aus seinem Grundstück zugunsten von Grundpfandgläubigern benachteiligen die Gläubiger grundsätzlich nicht, denn eine solche Maßnahme bewirkt lediglich, dass die gesetzliche Haftung und Rangfolge aufrechterhalten werden. Das Gleiche muss für die Einziehung von Mietforderungen und die Verrechnung des um die Betriebskosten bereinigten Betrages mit der Kreditforderung gelten. Das soll jedoch nur für solche Mietforderungen gelten, an denen die Bank außerhalb der Anfechtungsfristen eine Sicherung erlangt hat4.

3.164

dd) Eingänge aus dem Verkauf von Sicherungseigentum Dagegen reicht es für den Ausschluss einer Gläubigerbenachteiligung nicht, wenn der Zahlungseingang aus dem Verkauf von Waren herrührt, die der Kunde der Bank beispielsweise durch einen Raumsicherungsvertrag zur Sicherung übereignet hat. Denn an dem Zahlungseingang steht der Bank unter diesen Umständen weder ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO noch ein Ersatzabsonderungsrecht analog § 48 InsO (gerichtet auf Befriedigung aus dem Veräußerungserlös) zu. Mit Veräußerung der Waren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt nämlich das Absonderungsrecht. Ein Ersatzabsonderungsrecht am Veräußerungserlös in entsprechender Anwendung von § 48 InsO würde voraussetzen, dass der Insolvenzschuldner die Waren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberechtigt veräußert hätte. Dies ist aber nicht der Fall, solange die Bank die Veräußerungsermächtigung aus dem Sicherungsvertrag nicht widerrufen hat. Anders verhält es sich, wenn der Raumsicherungsvertrag mit einer Anschlusszession verbunden ist; dann gelten wieder die oben dargestellten Regeln über die Sicherungsabtretung (Rn. 3.158 ff.). Allein aus der Ermächtigung zur Weiterveräußerung kann jedoch ohne entsprechende vertragliche Abrede eine Vorausabtretung der Forderungen aus dem Weiterverkauf nicht entnommen werden. Denn im laufenden Geschäfts-

1 BGH v. 20.11.1997 – IX ZR 152/96, ZIP 1998, 294; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856. 2 BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856. 3 BGH v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZInsO 2006, 1321 unter Aufhebung von OLG Hamm v. 14.6.2005 – 27 U 85/04, ZIP 2006, 433. 4 Vgl. BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZIP 2010, 38 = ZInsO 2010, 43 unter teilweiser Aufgabe der nur knapp drei Jahre währenden Rechtsansicht in BGH v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 = ZInsO 2006, 1321; s.a. Rn. 6.953 f.

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3.165

Dritter Teil Rz. 3.165 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

betrieb kann ein Ersatz für den Verlust der Sicherung infolge des Weiterverkaufs auch durch die vorweggenommene Sicherungsübereignung neu zugehender Waren erreicht werden.

3.166

Demgegenüber scheidet eine Gläubigerbenachteiligung aus, wenn die Bank im Austausch gegen den Zahlungseingang das Sicherungsgut freigibt1. ee) Eingänge auf Sicherheiten eines Poolpartners

3.167

Ein Sicherheitenpoolvertrag führt nicht dazu, dass die Anfechtbarkeit der Verrechnung auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Forderung, auf die die Zahlung geleistet wird, nicht der kontoführenden Bank, sondern einer anderen Poolbank zur Sicherheit abgetreten wurde. Daran ändert es nichts, dass die Zession auch der kontoführenden Bank aufgrund der Zweckvereinbarung des Poolvertrags als Sicherheit dient2. Der BGH stellt darauf ab, dass diese Erweiterung des Sicherungszwecks den anderen Poolpartnern keine dingliche Mitberechtigung einräumt (Lösungsmöglichkeiten s. Rn. 6.774 ff.). ff) Eingänge aus Zahlungen zu Lasten eines Kontos bei einer anderen Bank

3.168

An einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt es nicht schon dann, wenn der Kunde den debitorischen Kontosaldo bei einer Bank aus Mitteln tilgt, die er durch eine lediglich geduldete Überziehung seines Kontos bei einer anderen Bank erlangt hat, und diese Bank nicht besser gesichert ist als die abgelöste3. Da dem Anfechtungsgegner die Unkenntnis von Kontenstand und Kreditlinie des Schuldners sowie der Sicherheiten der kontoführenden Bank regelmäßig nicht widerlegt werden kann, würden die Anfechtungstatbestände der § 133 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO für den gesamten bargeldlosen Zahlungsverkehr typischerweise schon dann versagen, wenn tatsächlich nur ein geduldeter Überziehungskredit besteht. Eine solche Verkümmerung der Anfechtung liefe dem BGH zufolge dem allgemeinen Ziel des Gesetzgebers zuwider, die Masse mit der Insolvenzordnung auch durch wirksamere Anfechtungsmöglichkeiten für den Insolvenzverwalter zu stärken4.

3.169

Der II. Senat des BGH5 hingegen verneint eine Gläubigerbenachteiligung nicht nur dann, wenn die Zahlung durch eine geduldete Überziehung des Kontos bei einer anderen Bank ermöglicht wird, sondern sieht jede Zahlung aus einem debitorischen Konto als wertneutralen Gläubigertausch an. Solche Zahlungen würden nämlich, wenn die Bank des Zahlungsauftraggebers über keine Sicherheiten verfüge, weder die verteilungsfähige Insolvenzmasse schmälern noch zu Lasten der Gläubigergesamtheit gehen. Denn an die Stelle der mit Kreditmitteln erfüllten Forderungen der Gesellschaftsgläubiger trete eine entsprechend höhere Gesellschaftsverbindlichkeit gegenüber der Bank, was allein zu deren Nachteil gehe.

1 BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585. 2 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZIP 2005, 1651 = WM 2005, 1790. 3 So aber noch BGH v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, ZIP 2007, 435; BGH v. 1.2.2007 – IX ZB 248/05, ZIP 2007, 601 = EWiR § 129 InsO 2/07 Göb; kritisch dazu Marotzke ZInsO 2007, 897; Mock ZInsO 2007, 561; Mock ZInsO 2007, 911; Spliedt NZI 2007, 225; Galster ZInsO 2007, 908. 4 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, ZInsO 2009, 2060 unter Aufgabe der nur ca. drei Jahre währenden Rechtsansicht in BGH v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, ZIP 2007, 435. 5 BGH v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 = ZInsO 2007, 542; a.A. Marotzke ZInsO 2007, 897.

522 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.171 Dritter Teil

e) Verrechnung der Eingänge bei offener Kreditlinie Die Anfechtbarkeit der Verrechnung von Zahlungseingängen scheidet in Höhe eines sog. „anfechtungsrechtlichen Mindestbetrags“ aus, wenn die Bank die Kreditlinien offengehalten und dem Kunden in Höhe der eingegangenen Beträge Verfügungen gestattet hat1, wozu sie bei ungekündigten Kontokorrentkrediten verpflichtet war2. Denn könnte der Insolvenzverwalter die Herausgabe der Überweisungseingänge verlangen, so würde die Bank ihre Deckung für die späteren Verfügungen des Kunden, die sie noch zugelassen hat, verlieren und ihre ungesicherte Insolvenzforderung über den ursprünglichen Kreditrahmen hinaus um die Beträge der späteren Verfügungen erhöhen. Die Wirksamkeit der Verrechnung von Zahlungseingängen und Zahlungsausgängen innerhalb einer offenen Kreditlinie unterliegt in der Insolvenz des Bankkunden einer vierstufigen Prüfung3:

3.170

1. Zunächst sind Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge während des Anfechtungszeitraums einander gegenüberzustellen. 2. Übersteigt die Summe der Eingänge die der Ausgänge, so ist der anfechtungsrelevante Umfang der Rückführung in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht zu bestimmen. Zeitlich kommt es auf die Differenz zwischen Anfangs- und Endsaldo an, gegenständlich auf die Unterscheidung zwischen Zahlungen auf eigene Forderungen der Bank wie z.B. Tilgungen und Zahlungen an Dritte. 3. Für die Frage, welcher Anfechtungstatbestand eingreift, ist zwischen der Rückführung einer fälligen Forderung der Bank und der Reduzierung eines ungekündigten Kontokorrentkredits zu unterscheiden. 4. Soweit danach ein Zahlungseingang herauszugeben wäre, ist zu prüfen, ob die Bank an der Forderung, die mit der Zahlung beglichen werden sollte, ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht erworben hat. Im Einzelnen gilt Folgendes: aa) Gläubigerbenachteiligung Die Unanfechtbarkeit ergibt sich aus dem Fehlen einer Gläubigerbenachteiligung wegen der Natur des Kontokorrents und der Anwendung der Regeln über Bargeschäfte. Sie gilt unabhängig davon, ob in dem Zeitpunkt, in dem die erste Gutschrift eintraf, deren Verrechnung der Insolvenzverwalter anfechten will, die Kontokorrentlinie bereits ausgeschöpft oder noch teilweise frei war. 1 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZInsO 1999, 289; BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/99, ZInsO 2003, 374; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856; BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, WM 2008, 169; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 303; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZInsO 2012, 1301 mit Anm. Bartels ZIP 2013, 1756; im Ergebnis auch OLG Jena v. 8.4.1997 – 5 U 962/96 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 9.7.1998 – IX ZR 133/97; Thole in Kayser/ Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 142 Rn. 15. 2 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 (VII); BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; OLG Rostock v. 7.3.2005 – 3 U 121/04, WM 2007, 980. 3 Kayser WM 2008, 1525.

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3.171

Dritter Teil Rz. 3.172 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.172

Die Verrechnung ist schon deshalb nicht anfechtbar, weil sie die Bank objektiv nicht begünstigt1 und die übrigen Gläubiger nicht benachteiligt. Man kann nämlich grundsätzlich davon ausgehen, dass die Bank in der Krise des Kunden eine Überschreitung oder ein weiteres Ausschöpfen einer nicht voll in Anspruch genommenen Kreditlinie nicht zugelassen, Verfügungen des Kunden also nicht ausgeführt hätte, wenn sie nicht einen Ausgleich in Form der Überweisungseingänge erhalten würde. Die Anfechtung dient aber nicht dazu, der Masse Vermögensvorteile zu verschaffen, die sie ohne die angefochtene Rechtshandlung nicht erlangt hätte2. Begünstigt wird lediglich derjenige, dem die Verfügung des Kunden zugute kommt, also z.B. ein anderer Gläubiger des Schuldners, der auf diese Weise eine Befriedigung erhält, während er ohne die Zahlung aus dem Bankkonto möglicherweise nur auf die Insolvenzquote angewiesen wäre. Nur im Verhältnis zu ihm ist daher eine Anfechtung möglich3.

3.173

Es erscheint auch zweifelhaft, ob man die vorübergehende Rückführung eines debitorischen Kontokorrentsaldos überhaupt als Sicherung oder Befriedigung der Bank im Sinne von §§ 130, 131 InsO ansehen kann. Denn beim Bankenkontokorrent werden die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen zunächst nur in Rechnung gestellt und erst in regelmäßigen Zeitabschnitten unter Feststellung des für die eine oder andere Partei sich ergebenden Saldos verrechnet4. Erst durch die Verrechnung des Habenpostens, der durch den Überweisungseingang entstanden ist, und der bereits vorhandenen Sollposten am Ende der Rechnungsperiode bzw. beim Ende des Kontokorrents tritt insoweit Befriedigung der Bank ein5. Solange das Kontokorrent nicht gekündigt ist, kann die Bank ihre Forderung aus dem Debetsaldo nicht selbständig geltend machen, demgemäß kann auch der Kunde diese Forderung nicht selbständig erfüllen. Will die Bank eine Befriedigung aus den Überweisungseingängen erlangen, so muss sie eine Entstehung neuer Sollposten verhindern; dies kann sie nur durch Beendigung des Kontokorrents im Wege der Kündigung erreichen6. Solange sie das Kontokorrent nicht gekündigt hat und neue Sollposten entstehen können, führt die Einstellung von Habenposten nicht zu einer Sicherung oder Befriedigung der Bank.

3.174

Zu demselben Ergebnis kommt man, wenn man die Grundsätze über Bargeschäfte analog anwendet: Ein Bargeschäft liegt vor, wenn gleichwertige Leistungen ausgetauscht, die Insolvenzgläubiger durch das Rechtsgeschäft also nicht benachteiligt werden, weil dem Vermögen des Schuldners alsbald ein entsprechender Gegenwert zufließt (§ 142 InsO)7. Ein Rechtsgeschäft verliert den Charakter eines Bargeschäfts noch nicht dadurch, dass zwischen Vertragsabschluss und Zahlung eine kurze Zeitspanne liegt8. Hätte der Schuldner dementspre1 von Usslar BB 1980, 919. 2 BGH v. 26.5.1971 – VIII ZR 61/70, WM 1971, 908; BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334. 3 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = WM 1999, 781; s. auch oben Rn. 3.22. 4 BGH v. 9.12.1971 – III ZR 58/69, WM 1972, 284. 5 Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1978, § 355 Anm. 67; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, § 355 Rn. 59. 6 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, § 355 Rn. 96. 7 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, WM 1977, 254; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, WM 1980, 779; BGH v. 27.9.1984 – IX ZR 3/84, WM 1984, 1430; BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/ 91, WM 1993, 265; BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, WM 1999, 781; OLG Braunschweig v. 11.11.1949 – 2 U 158/49, MDR 1950, 356; OLG Düsseldorf v. 4.6.1982 – 24 U 23/82, ZIP 1982, 860. 8 RG v. 26.4.1932 – VII 3/32, RGZ 136, 158; BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 27.9.1984 – IX ZR 3/84, WM 1984, 1430; OLG Düsseldorf v. 4.6.1982 – 24 U 23/82, ZIP 1982,

524 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.174a Dritter Teil

chend der Bank den Anspruch auf Gutschrift der Überweisungseingänge als Sicherheit für die Einräumung eines neuen Kredits in gleicher Höhe zum Zweck der Überweisung an Dritte verpfändet, so würde wohl niemand ernsthaft bezweifeln, dass ein Bargeschäft vorliegt. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann man die Einstellung des Habenpostens aus dem Überweisungseingang in das Kontokorrent und die anschließende Wiederinanspruchnahme des freigewordenen Betrages der Kreditlinie einem Bargeschäft gleichstellen1. Entscheidend ist der enge wirtschaftliche, rechtliche und zeitliche Zusammenhang zwischen Gut- und Lastschriften, wenn die Bank gemäß ihrer vertraglichen Verpflichtung den Kunden bis zu einer Kreditobergrenze wieder verfügen lässt; hier bedingt die Ausführung von Zahlungsaufträgen zugleich den Eingang ausgleichender wirtschaftlicher Werte, ohne den die Kreditlinie alsbald überschritten und die Bank zu einer Verweigerung weiterer Belastungen berechtigt wäre2. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist jedenfalls dann eingehalten, wenn zwischen den kontokorrentmäßigen Soll- und Habenbuchungen weniger als eine3 oder zwei Wochen4 vergehen, wobei es sich nicht um Ausschlussfristen handelt, so dass je nach Lage des Falles auch geringfügige Überschreitungen unschädlich sein können5. Innerhalb dieses Zeitraums kommt es nicht darauf an, ob die Deckung früher oder später entsteht als die Forderung der Bank aus der Ausführung der Überweisung6. Dagegen kann nicht an den Zeitraum angeknüpft werden, in dem nach den Vereinbarungen der Parteien ein Rechnungsabschluss vorzunehmen ist7. Seine Rechtsprechung hat der BGH auch auf mehrfach wiederholte Gesellschafterdarlehen übertragen und damit bestätigt: Mehrere Gesellschafterdarlehen können als Kontokorrentkredit zu behandeln sein, wenn die der Gesellschaft fortlaufend gewährten Kredite durch ihre gleichbleibenden Bedingungen, ihre kurze Dauer, den mit ihrer Ausreichung verfolgten Zweck und das zwischen den Vertragspartnern bestehende Gesellschaftsverhältnis nach der Art eines Kontokorrentkredits miteinander verbunden sind8. Dann soll sich der Rückgewähranspruch nicht wie bei der Führung eines Kontokorrentkontos mit offener Kreditlinie auf den anfech-

1 2 3 4 5 6 7 8

860; Merz, Neue höchstrichterliche Rechtsprechung zum Insolvenzrecht, RWS-Skript Nr. 82, 1980, S. 15; Einzelheiten s. unten Rn. 6.120; s. auch K. Schmidt WM 1983, 490, der nicht auf die Zeitspanne, sondern darauf abstellt, ob der Kreditvertrag eine alsbald durchsetzbare, nicht von besonderen Voraussetzungen abhängige Verpflichtung der Kunden zur Besicherung enthält. BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, WM 1999, 781; OLG Brandenburg v. 8.12.1999 – 7 U 247/97, ZIP 2000, 366; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 82 ff.; Schwemer WM 1999, 1155; a.A. Dampf KTS 1998, 145. BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = ZInsO 1999, 289; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZIP 2002, 812 = ZInsO 2002, 426; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/99, ZIP 2003, 675 = ZInsO 2003, 374; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324. BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = WM 1999, 781; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856. BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, ZInsO 2006, 712; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204. LG Rostock v. 16.9.2005 – 10 O 61/05, InVo 2006, 105. BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; OLG Hamm v. 4.9.2001 – 27 U 34/01, ZIP 2001, 1683; OLG Brandenburg v. 21.12.2005 – 3 U 79/05, WM 2006, 1911. BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524 (offengelassen für Abrechnungsperioden von einem Monat); BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, ZInsO 2006, 712; a.A. OLG Brandenburg v. 8.12.1999 – 7 U 247/97, ZIP 2000, 366. BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZInsO 2013, 717; weitergehend BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629, der keine Verknüpfung zwischen den Einzelkrediten mehr verlangt.

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3.174a

Dritter Teil Rz. 3.174a | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

tungsrechtlichen Mindestbetrag beschränken, sondern sich auf den Umfang des höchsten zurückgeführten Darlehensstandes belaufen, was dem von dem Gesellschafter übernommenen Insolvenzrisiko entspricht1. bb) Vollständig ausgenutzte Kreditlinie

3.175

Eine Anfechtung der Verrechnung von Zahlungseingängen mit dem debitorischen Saldo durch Einstellung in das Kontokorrent ist jedenfalls insoweit ausgeschlossen, als diese Beträge wegen des nachträglichen Entstehens neuer Sollposten nicht zur Befriedigung der Bank geführt haben, weil die Kontokorrentlinie zu Beginn des Anfechtungszeitraums bereits voll ausgeschöpft war und am Ende immer noch in voller Höhe ausgenutzt ist. cc) Reduzierung der Kreditlinie

3.176

Die Verrechnung von Zahlungseingängen mit dem debitorischen Saldo stellt erst von dem Zeitpunkt an kein Bargeschäft dar, seit dem die Bank keine Zahlungsausgänge mehr gestattet hat2, und nicht schon dann, wenn die Bank nicht mehr alle, aber doch noch einzelne Verfügungen des Kunden über sein im Soll geführtes Konto im Ausgleich gegen verrechnete Eingänge ausführt3. Zwar läge es nahe, mit der obigen Begründung auch die Anfechtbarkeit von Eingängen, die die Ausgänge überstiegen und somit eine Reduzierung des debitorischen Saldos bewirkt haben, jedenfalls solange abzulehnen, wie die Bank die Kreditlinie offengehalten hat und Zahlungsaufträge, wenn sie der Kunde erteilt hätte, auch ausgeführt hätte. Dies hat die Rechtsprechung jedoch nicht akzeptiert4, sondern einen „anfechtungsrechtlichen Mindestbetrag“ kreiert, der sich aus der Differenz aus den Salden am Anfang und am Ende des Anfechtungszeitraums errechnet5. Maßgeblich ist dabei der gesamte Zeitraum, auf den sich die Anfechtung erstrecken kann6, also maximal der Zeitraum von drei Monaten nach §§ 130, 131 InsO (Einzelheiten s. Rn. 3.174 f.), sofern während des gesamten Zeitraums zwischen den einzelnen Kontobewegungen keine größeren Abstände als die oben erwähnten ca. ein bis zwei Wochen lagen.

3.177

In dieses System ist eine Entscheidung des LG Rostock7 in Ermangelung näherer Sachverhaltsdarstellung nicht eindeutig einzuordnen, das Reduzierungen jedenfalls dann noch als 1 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 = ZInsO 2013, 717; BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 116/ 13, ZIP 2014, 785 = ZInsO 2014, 339. 2 LG Berlin v. 2.3.2004 – 20 O 400/03, NZI 2004, 269. 3 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; OLG Köln v. 29.9.2004 – 2 U 1/04, ZIP 2005, 222; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZInsO 2012, 1301 mit Anm. Bartels ZIP 2013, 1756. 4 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509; BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512; OLG Celle v. 2.2.2005 – 3 U 287/04, ZInsO 2006, 377; OLG Celle v. 3.11.2006 – 1 U 120/06, ZInsO 2006, 1224; OLG Hamburg v. 13.8.2004 – 1 U 53/04, OLGReport 2005, 12; OLG Hamm v. 4.9.2001 – 27 U 34/01, ZIP 2001, 1683; OLG Karlsruhe v. 4.9.2007 – 17 U 355/06, ZIP 2007, 2367; Heublein ZIP 2000, 161; Steinhoff ZIP 2000, 1141. 5 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZInsO 2009, 1054; OLG Hamm v. 4.9.2001 – 27 U 34/01, ZIP 2001, 1683; s. auch BGH v. 14.10.2010 – IX ZR 160/08, ZInsO 2010, 2399 zur Rückführung einer ungekündigten Kreditlinie aufgrund einer Zahlungspflicht der Bank; a.A. Rigol/Homann ZIP 2002, 15. 6 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182 = ZInsO 2002, 1136; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 = WM 2008, 169; Onusseit FS Heumann, 2006, 199. 7 LG Rostock v. 16.9.2005 – 10 O 61/05, ZInsO 2006, 446.

526 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.180 Dritter Teil

Bargeschäft angesehen hat, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach einer Inanspruchnahme des Kontokorrentkredits geschehen sind. Ohne Bedeutung ist insoweit das AGB-Pfandrecht. Denn ein AGB-Pfandrecht an den Eingängen ist in gleicher Weise anfechtbar wie die Verrechnung1. Die Bank kann also durch das Offenhalten der Kreditlinie jedenfalls nichts gewinnen und muss überlegen, ob es angesichts der wirtschaftlichen Situation des Kunden nicht klüger ist, unmittelbar zu kündigen. Ebenfalls nicht in diesen Zusammenhang gehört offenbar eine Entscheidung des OLG Frankfurt2, wonach die mathematische Errechnung eines Tagessaldos eine anfechtbare Rechtshandlung darstellen soll. Auch kann ein Urteil des BGH Zweifel anklingen lassen, wenn es dort3 heißt, die in der Senatsrechtsprechung verschiedentlich getroffene Aussage, es komme auf die Reihenfolge von Gutschriften und Belastungsbuchungen nicht an, bezöge sich auf das Merkmal der Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs, und davon unabhängig sei stets gefordert worden, dass die Verrechnung einer Gutschrift nicht der letzte Akt sein dürfe, bevor das Kreditinstitut das Konto des Schuldners schließe, sondern weitere Verfügungen zugelassen werden müssten. Dies könnte so verstanden werden, als sei der jeweils letzte Zahlungseingang stets anfechtbar, wenn ihm kein Ausgang in mindestens derselben Höhe gefolgt ist. Diese Interpretation stünde aber im Widerspruch zu der Konstruktion des anfechtungsrechtlichen Mindestbetrags.

3.178

Ob und in welcher Höhe die Kreditlinie zurückgeführt wurde, lässt sich nur unter Bewertung sämtlicher Ein- und Ausgänge feststellen. So ist bei Gutschriften von Schecks, die grundsätzlich unter dem Vorbehalt des Eingangs („E.v.“)4 erteilt werden (Nr. 9 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften oder Sparkassen), und von Geldern, die der Kunde mittels Lastschrift eingezogen hat, stets zu prüfen, ob diese Gutschriften den Saldo endgültig reduziert haben. Umgekehrt ist bei der Belastung des Kundenkontos mit Lastschriften zu klären, ob der Kunde seinen Erstattungsanspruch geltend macht. Die Zahlstelle hat die Belastungsbuchung zum Datum der Belastung zu berichtigen; der Umfang einer Darlehensrückführung ist bei einer Anfechtung auf der Grundlage des berichtigten Kontostandes zu ermitteln5.

3.178a

dd) Teilweise nicht ausgenutzte Kreditlinie Eine Anfechtung von Verrechnungen im Kontokorrent kann auch nicht insoweit in Betracht kommen, als sich Eingänge und Ausgänge in dem fraglichen Zeitraum zwar ausgeglichen hätten, die Kreditlinie zu Beginn dieses Zeitraums aber noch nicht ausgeschöpft war.

3.179

Dies wird allerdings in Rechtsprechung und Literatur teilweise mit folgender Begründung bestritten6: In Höhe des freien Teils der Linie habe die Bank nämlich Belastungen auch ohne vorherige, gleichzeitige oder spätere Gutschriften zulassen müssen und träte als echter Kreditgeber auf. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Bank keine Gründe bekannt gewesen seien, die eine Kündigung des Kontokorrentkredits gerechtfertigt hätten, denn dann beruhe die Inan-

3.180

1 2 3 4

Feuerborn ZIP 2002, 290. OLG Frankfurt v. 13.11.2008 – 9 W 19/08, ZIP 2008, 2326 = ZInsO 2009, 773. BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 153/07, DZWIR 2010, 290. BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, ZIP 1997, 1146 = WM 1997, 1192; OLG Stuttgart v. 13.1.1971 – 4 U 106/70, WM 1971, 288; LG Frankfurt v. 20.8.1975 – 2/1 S 128/75, NJW 1975, 2296; sog. Usancekredite (s. Rundschreiben Nr. 9/96 des BAK v. 10.7.1996). 5 BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 130/13, ZIP 2014, 1497. 6 Heublein ZIP 2000, 161; Spliedt ZInsO 2002, 208; LG Bochum v. 7.12.2000 – 1 O 444/00, ZIP 2001, 87; OLG Hamm v. 4.9.2001 – 27 U 34/01, ZIP 2001, 1683.

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Dritter Teil Rz. 3.180 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

spruchnahme der noch freien Kreditlinie nicht auf dem Vertrauen auf Zahlungseingänge, sondern auf der weiter bestehenden Kreditzusage1. Zur Ermittlung des Anfechtungsvolumens dürften von den in dem fraglichen Zeitraum eingegangenen Gutschriften nicht sämtliche zugelassenen Belastungen abgezogen werden, sondern die Summe der Belastungsbuchungen müsse vorher um den Betrag der nicht ausgenutzten Kreditlinie vermindert werden. Diese Auffassung ist abzulehnen2. Sie ist weder rechtlich noch wirtschaftlich vertretbar und steht auch nicht in Einklang mit den Motiven, die die Rechtsprechung zur Ablehnung der Anfechtbarkeit von Zahlungseingängen bei offener Kreditlinie veranlasst haben. Rechtlich kommt es für die Einordnung eines Vorgangs als Bargeschäft lediglich darauf an, ob gleichwertige Leistungen ausgetauscht werden. Es ist unerheblich, ob etwa einer der Partner des Bargeschäfts zur Vorleistung oder Kreditierung verpflichtet war. Wirtschaftlich würde diese Auslegung das Risiko der weiteren Tätigkeit des Kunden einseitig dem Kreditinstitut aufbürden. Müsste das Kreditinstitut besorgen, nach Ausführung kontokorrentmäßiger Leistungen des Kunden von diesem keinen Aufwendungsersatz mehr insolvenzbeständig erlangen zu können, wäre es gezwungen, den Kredit wenigstens in Höhe des noch nicht ausgeschöpften Teils zu kündigen, wenn es beispielsweise von einem Insolvenzantrag erführe, und den Kunden unabhängig davon wirtschaftlich handlungsunfähig machen, ob der Eröffnungsantrag überhaupt begründet ist3. Im Ergebnis könnte danach jeder unzulässige oder unbegründete Eröffnungsantrag gerade diejenige Zahlungsunfähigkeit auslösen, die er nach § 16 InsO voraussetzt. Demgegenüber darf jedoch sogar ein bekannt gewordener Eröffnungsantrag das Kreditinstitut nicht ohne Weiteres daran hindern, den Kunden seinen Zahlungsverkehr jedenfalls im üblichen Rahmen weiterführen zu lassen4. ee) Überziehung der Kreditlinie

3.181

Wenn eine Kreditlinie überzogen ist, hängt es grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalles ab, ob in der Duldung durch das Kreditinstitut eine stillschweigende Erweiterung der Kreditlinie liegt oder ob es einen sofortigen Anspruch auf Rückführung hat5. Handelt es sich um eine stillschweigende Erweiterung der Kreditlinie, so ist eine Reduzierung des dadurch erreichten Saldos anfechtbar6. Anderenfalls stellt sich die Frage, ob auch die Reduzierung dieses Spitzenbetrages durch alsbaldige Eingänge unter die oben beschriebene Ausnahmeregelung fällt. Dies erscheint angesichts der Ausführungen des BGH7 zweifelhaft, weil er die Gläubigerbenachteiligung mit der Begründung verneint hat, dass das Kreditinstitut ohne Verrechnung 1 OLG Hamm v. 4.9.2001 – 27 U 34/01, ZIP 2001, 1683. 2 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZIP 2002, 812 = ZInsO 2002, 426; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/ 99, ZIP 2003, 675 = ZInsO 2003, 374; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324; LG Berlin v. 19.7.2001 – 13 O 130/01, n.v.; Joeres in Bork/Kübler, Insolvenzrecht 2000, RWS-Forum 18, 2001, S. 99, 119; Zuleger ZInsO 2002, 49. 3 Ganter, Die neue Insolvenzordnung – Erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft, Bankrechtstag 1999, S. 27. 4 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = ZInsO 1999, 289. 5 BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; LG Rostock v. 30.20.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; AG Wetzlar v. 31.10.1986 – 3 C 487/ 86, WM 1986, 1532; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 81; Bruckhoff NJW 2002, 3304; Dampf KTS 1998, 145; Lwowski WM 1999, 258; Schwemer WM 1999, 1155; Steinhoff ZIP 2000, 1141; von Usslar BB 1980, 918; ebenso für Österreich Schumacher ÖBA 1982, 330; OGH JBl. 1982, 380. 6 OLG München v. 12.1.2010 – 5 U 3894/09, ZInsO 2010, 1289. 7 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = ZInsO 1999, 289.

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A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.184 Dritter Teil

der Eingänge vertraglich nicht verpflichtet sei, weitere Belastungen zu gestatten, und wesentlich darauf abgestellt hat, dass das Kreditinstitut auf die Einhaltung dieser vertraglich vereinbarten Kreditobergrenze geachtet hat. Deshalb muss die Bank damit rechnen, dass in Höhe der Rückführung des Überziehungsbetrages eine Anfechtung möglich ist; dabei würde es sich um eine Anfechtung wegen kongruenter Deckung handeln, denn hier hatte die Bank einen sofort fälligen Rückzahlungsanspruch. Andererseits sollte allein die Tatsache, dass eine Bank kurzfristige Überziehungen eines Kreditrahmens, die oft nur auf technischen Abläufen beruhen, zugelassen hat, nicht zu einer anderen Wertung führen. Wenn eine Bank Zahlungsaufträge des Kunden zur Ausführung annimmt, obwohl die Kreditlinie erschöpft ist, und damit eine kurzfristige Überziehung zulässt, so ist dies rechtlich als eine einvernehmliche, vorübergehende Erhöhung der Kreditobergrenze zu werten1. Deren unverzügliche Rückführung stellt eine Voraussetzung dafür dar, dass dem Kunden wieder der finanzielle Spielraum geschaffen wird, um die nächsten Auszahlungen vornehmen zu können. Insoweit macht es rechtlich und wirtschaftlich keinen Unterschied, ob Auszahlungen nur bis zur Höhe der ursprünglich vereinbarten Kreditobergrenze oder aufgrund kurzfristiger Absprachen, die auch durch schlüssiges Handeln getroffen werden können, über diesen Rahmen hinaus zugelassen wurden. Angesichts der unklaren Rechtslage ist jedoch Vorsicht geboten. Eine Bank, die von der prekären wirtschaftlichen Lage ihres Kunden erfährt, sollte deshalb keinerlei Überziehungen der Linie mehr zulassen.

3.182

ff) Belastungen für Tilgungen anderer Forderungen der Bank Soweit Tilgungen oder Zinsen und Gebühren für andere Konten bzw. Kredite belastet werden, führt dies zu einer entsprechenden Befriedigung der Forderungen der Bank, die nicht den Regeln über die Behandlung des Kontokorrents unterliegt und deshalb angefochten werden kann2. Ob es sich um eine Anfechtung wegen kongruenter oder wegen inkongruenter Deckung handelt, hängt von dem zugrunde liegenden Anspruch ab. In der Regel wird es sich um Belastungen wegen fälliger Geldforderungen aus einem anderen Vertragsverhältnis wie z.B. einem Annuitätendarlehen handeln. Hier hat der Insolvenzverwalter die Wahl, ob er die Rückführung dieses Darlehens anficht oder eine Reduzierung der Kreditlinie, die etwa durch Gutschriften nach der Belastung wegen des Annuitätendarlehens zustande gekommen ist; eine Anfechtung beider Vorgänge, die den Anfechtungsbetrag verdoppeln würde, ist nicht möglich, da die Gläubigerbenachteiligung nur einmal eingetreten ist. Für ihn wird eine Anfechtung der Reduzierung der Kreditlinie einfacher sein, da es sich hier eher um eine inkongruente Deckung handeln wird, während die Rückführung des Annuitätendarlehens kongruent ist.

3.183

Demgegenüber wird man ein Bargeschäft annehmen können, soweit die Bank das Konto mit ihren Zinsen und Gebühren, die für dieses Konto anfallen, belastet und gegen die eingehenden Gutschriften verrechnet3. Denn die ordnungsgemäße Buchung dieser Belastungen ist Voraussetzung für die Fortführung des Kontos. Im Übrigen würde es hier an einer Rechtshand-

3.184

1 Steinhoff ZIP 2000, 1141; Lwowski FS Uhlenbruck, 2000, 299 (312). 2 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 46/02, NZI 2005, 630; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 803; BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZIP 2009, 673 = ZInsO 2009, 659; BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 4/11, ZIP 2012, 537 = ZInsO 2012, 488; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 = ZInsO 2012, 1301. 3 KG v. 28.11.2003 – 7 U 245/02, ZInsO 2004, 394; a.A. Stiller ZInsO 2002, 651.

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Dritter Teil Rz. 3.184 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

lung des Kunden fehlen, da die Bank die Belastung selbst veranlasst1; dies ist allerdings nur für eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO) von Bedeutung, da für die Anfechtung kongruenter und inkongruenter Deckungen auch Rechtshandlungen Dritter in Betracht kommen.

3.185

Die Anfechtung von Verrechnungen im Kontokorrent ist dagegen nicht ausgeschlossen, wenn die Zahlung zwar an einen Dritten geleistet wird, für dessen Forderungen gegen den Kunden sich aber die Bank verbürgt hat2. Die Bank erfüllt eine gleichwertige Pflicht aus dem Kontokorrentvertrag – auf die es für die Annahme eines Bargeschäfts ankommt – nur dann, wenn die Verfügung des Kunden fremdnützig wirkt, der finanzielle Vorteil aus der Überweisung also grundsätzlich allein einem Dritten zufällt. Das ist nicht der Fall, wenn gleichzeitig mit der Befriedigung des Dritten die Bank von einer Bürgschaft befreit wird. Die Befreiung von der Bürgschaft ist aber wiederum wertneutral, wenn die Bank dafür eine vollwertige Sicherheit besaß, denn dann hat sie keinen Vorteil von der Tilgung der verbürgten Forderung, die Überweisung ist also rein fremdnützig.

3.186

Eine Anfechtung von Verrechnungen im Kontokorrent ist auch im umgekehrten Fall möglich: Stellt die Bank ihrem Kunden ein Aval zur Verfügung, damit dieser aus einem nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil von seinem Gegner Zahlungen gegen Aushändigung der Bankbürgschaft erzwingen kann, so wird die Bank den Zahlungseingang mit dem debitorischen Saldo verrechnen. Geschieht dies innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag, so kommt eine Anfechtung wegen inkongruenter Deckung in Betracht; die Übernahme der Bürgschaft Zug um Zug gegen die Saldoreduzierung kann jedenfalls dann nicht als Bargeschäft eingeordnet werden, wenn das nur vorläufig vollstreckbare Urteil nachträglich bestätigt und das Aval damit frei wird3. Denn dann fehlt es an der für ein Bargeschäft notwendigen Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen. Anders müsste es sich verhalten, wenn die Bürgschaft gezogen wird. Dann würde die Bank einen Betrag in Höhe des verrechneten Zahlungseingangs an den Bürgschaftsnehmer leisten. Damit wäre die Gleichwertigkeit hergestellt. Dennoch sähe sich die Bank nach Auffassung des BGH einer Anfechtung der Verrechnung ausgesetzt, weil er den Gegenwert für das Aval offenbar allein in der Provision erblickt. Will die Bank eine Erhöhung ihres Kundenrisikos durch die Übernahme des Avals vermeiden, so muss sie sich die vollstreckbare Forderung zur Sicherung abtreten oder verpfänden lassen. Den eingezogenen Gegenwert kann sie dann auf ein Sonderkonto nehmen oder auch zur Reduzierung eines Debetsaldos verwenden. Wird das Aval in Anspruch genommen, so kann sie auf das Guthaben zurückgreifen bzw. eine Verrechnung ist nicht anfechtbar. Wird das Aval nicht in Anspruch genommen, so ist das Sicherungsguthaben frei bzw. die Verrechnung anfechtbar.

3.187

Wenn umgekehrt die Bank eigene Verbindlichkeiten gegenüber dem Kontoinhaber aus anderen Geschäften durch Zahlung auf das Kontokorrentkonto begleicht und dieser Zahlungseingang zur Reduzierung des Saldos im anfechtungsrelevanten Zeitraum geführt hat, lässt eine erfolgreiche Anfechtung der Verrechnung durch den Insolvenzverwalter sowohl die Verbindlichkeit der Bank gegenüber dem Kunden als auch die Forderung der Bank gegen ihn wieder aufleben4. Allerdings wird in solchen Konstellationen eine Anfechtbarkeit oft an der 1 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, NJW-Spezial 2008, 341. 2 BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, ZIP 2008, 237 = ZInsO 2008, 163; kritisch dazu Bitter/Rauch WuB VI A. § 142 InsO 1.08. 3 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZIP 2009, 1124 = ZInsO 2009, 1054. 4 OLG München v. 16.7.2008 – 7 U 1602/08, ZIP 2008, 1832 = ZInsO 2008, 1020.

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A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.188b Dritter Teil

fehlenden Gläubigerbenachteiligung scheitern, wenn nämlich die Bank mit ihrer Saldoforderung gegen die Kundenforderung auch ohne Einstellung ins Kontokorrent hätte aufrechnen können. gg) Anfechtungszeitraum Als Betrachtungszeitraum kommt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung entweder der gesamte Zeitraum der gesetzlichen Krise oder der Zeitraum des letzten Monats vor Antragstellung bis zur Eröffnung in Betracht, soweit es um die Begründung einer inkongruenten Rückführung geht1.

3.188

Anfechtungszeitraum ist grundsätzlich der für inkongruente Deckungen geltende Dreimonatszeitraum des § 131 InsO. Maßgeblich für die Einhaltung der oben dargestellten Kriterien ist der gesamte Zeitraum, auf den sich die Anfechtung erstrecken kann2. Er beginnt frühestens drei Monate vor dem Insolvenzantrag (§§ 130, 131 InsO), sofern während des gesamten Zeitraums zwischen den einzelnen Kontobewegungen keine größeren Abstände als die oben erwähnten ca. ein bis zwei Wochen lagen. Dabei ist stets die Zeit vom Beginn des letzten Monats vor dem Eröffnungsantrag bis zur Verfahrenseröffnung unabhängig davon erfasst, ob der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war; auf den Kenntnisstand des Anfechtungsgegners kommt es ebenfalls nicht an. Für Zahlungseingänge, die innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag eintreffen, beginnt der Anfechtungszeitraum mit dem ersten Tag des dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag oder mit dem Zeitpunkt, in dem die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingetreten war, wenn dies erst nach dem ersten Tag des dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag geschehen ist. Auch hier kommt es auf den Kenntnisstand des Anfechtungsgegners nicht an. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner zu dieser Zeit noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet war, dem Gläubiger aber zur Zeit der Handlung bekannt war, dass die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden. Der Insolvenzverwalter kann also nicht den höchsten in diesem Zeitraum einmal erreichten Debetsaldo als Anknüpfungspunkt wählen, davon den Schlusssaldo abziehen und in Höhe der Differenz anfechten3.

3.188a

Auch darf der Dreimonatszeitraum des § 131 InsO nicht nochmals in Zeitabschnitte aufgeteilt werden. So kann der Insolvenzverwalter nicht entsprechend den unterschiedlichen Anfechtungsvoraussetzungen des § 131 InsO einen anfechtungsrechtlichen Mindestbetrag einerseits für den dritten oder zweiten Monat vor Insolvenzantrag (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO) und andererseits für den letzten Monat vor Insolvenzantrag (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO) geltend machen. Dies wäre nicht sachgerecht, wenn die Kreditlinie über den gesamten Dreimonatszeitraum offengehalten wurde4. Denn die Kongruenzprüfung setzt voraus, dass das Gläubigerverhalten abgeschlossen ist. Ein „Rosinenpicken“ des Insolvenzverwalters im Fall einer besonders hohen Rückführung des Kontokorrents im dritten und zweiten Monat vor Verfahrens-

3.188b

1 Kirstein ZInsO 2014, 1921 m.w.N. 2 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, WM 2008, 169; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZIP 2008, 183; BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, NJW-Spezial 2008, 341; BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZInsO 2011, 1500; Onusseit FS Heumann, 2006, 199. 3 BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZInsO 2008, 159; BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, NJWSpezial 2008, 341; Kirchhof ZInsO 2003, 149; a.A. Rigol/Homann ZIP 2003, 15. 4 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 = ZInsO 2011, 1500; OLG Koblenz v. 27.5.2010 – 2 U 907/09, ZInsO 2010, 1287, mit Anm. Stiller.

Büchel | 531

Dritter Teil Rz. 3.188b | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

eröffnung bei Zulassung erheblicher Belastungen im letzten Monat und nach Antragstellung ist also nicht möglich. Die Frage der Inkongruenz von Verrechnungen im debitorischen Bankenkontokorrent kann für Verrechnungen innerhalb des zweiten und dritten Monats vor Stellung des Insolvenzantrags für den gesamten Anfechtungszeitraum nur einheitlich beantwortet werden, weil ein späteres Verhalten des Gläubigers die Inkongruenz dadurch beseitigen kann, dass er weitere Verfügungen des Schuldners zu Lasten des Kontos zulässt1.

3.188c

Der Insolvenzverwalter kann sich aber mit seiner Anfechtung auf den Zeitraum seit Beginn des letzten Monats vor Verfahrenseröffnung beschränken2. Für den dann anwendbaren Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist allein auf den letzten Monat vor Antragstellung und die Zeit danach abzustellen3. Der Kontoverlauf davor ist demgegenüber unbeachtlich, weil er für die verschärfte Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ohne Bedeutung ist. Die Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO erweitert zwar unter strengeren Voraussetzungen die Anfechtbarkeit inkongruenter Deckungshandlungen auf die beiden vorangehenden Monate, kann aber nicht umgekehrt die erleichterte Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO einschränken. Wenn nämlich die Voraussetzungen für eine Anfechtung von Rechtshandlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor Verfahrenseröffnung nicht erfüllt sind, also weder Zahlungsunfähigkeit noch Kenntnis der Bank von einer Gläubigerbenachteiligung vorlagen, soll dieser Zeitraum auch für die Ermittlung des anfechtungsrechtlichen Mindestbetrags außer Acht bleiben. Diese Argumentation ist jedoch aus systematischer Sicht kritisch zu beurteilen. Im Ergebnis wird dann dem Kreditinstitut das Berufen auf das Bargeschäftsprivileg in der Verknüpfung mit Zahlungsausgängen aus dem zweiten und dritten Monat verwehrt. Die Bargeschäftsprüfung steht gedanklich jedoch am Anfang der Prüfung der Anfechtbarkeit. Liegt ein Bargeschäft grds. vor, handelt es sich insofern um eine kongruente Deckung. Da § 130 InsO aber keine Trennung in der Beurteilung des besonderen Anfechtungszeitraums vorsieht, erscheint es nicht dogmatisch zutreffend, als Prüfungszeitraum für das Vorliegen eines Bargeschäfts nur den letzten Monat vor Antragstellung isoliert zu prüfen und damit die Inkongruenz zu unterstellen, welche erst Ergebnis einer negativen Bargeschäftsprüfung sein kann.

3.189

Grundsätzlich endet der Zeitraum, innerhalb dessen sich Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge anfechtungsfrei ausgleichen können, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Wenn die Bank allerdings die Kreditlinie kündigt, endet der Zeitraum bereits mit dieser Kündigung. Dies hat zur Folge, dass die Verrechnung später eintreffender Zahlungen der Anfechtung als kongruente Deckung unterliegt. Die vor der Kündigung eingegangenen Zahlungen werden dadurch aber nicht etwa nachträglich inkongruent und anfechtbar4. Beginnt der maßgebliche Anfechtungszeitraum bereits mit dem dritten oder zweiten Monat vor Insolvenzantrag, endet er ebenfalls frühestens mit der Kündigung der Kreditlinie und spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Aufteilen in Zeitabschnitte entsprechend der unterschiedlichen Anfechtungsvoraussetzungen nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO einerseits in den dritten oder zweiten Monat vor Insolvenzantrag und nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO andererseits in den letzten Monat vor Insolvenzantrag ist nicht sachgerecht, wenn die Kreditlinie

1 BGH v. 15.3.2012 – IX ZR 36/10; BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 = ZInsO 2011, 1500 Rn. 6 ff. 2 Kirstein ZInsO 2014, 1921 m.w.N. 3 BGH v. 15.3.2012 – IX ZR 36/10, juris; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 = ZInsO 2008, 159 Rn. 17; BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 = ZInsO 2011, 1500 Rn. 8. 4 OLG Rostock v. 7.3.2005 – 3 U 121/04, n.v.

532 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.191 Dritter Teil

über diese Zeitabschnitte hinaus offengehalten wurde1. Denn die Kongruenzprüfung setzt voraus, dass das Gläubigerverhalten abgeschlossen ist. hh) Mehrheit von Kreditnehmern Ungeklärt sind in diesem Komplex jetzt nur noch die Fragen, ob bzw. in welchem Umfang die obigen Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn auf Kreditnehmerseite mehrere Parteien stehen; zu den Besonderheiten bei Bestehen einer Cash-Management-Vereinbarung s. Rn. 3.1070 ff. Zu einer Mehrheit von Kreditnehmern kommt es bei Konzernen, wenn die Bank die Kreditlinie nicht nur einem Konzernunternehmen, sondern mehreren zur Verfügung stellt mit der Maßgabe, dass die Addition der Kreditinanspruchnahmen der diversen Konzernunternehmen die Kreditlinie nicht überschreiten darf, aber innerhalb dieses Rahmens jedes Konzernunternehmen die Kredite beliebig ausnutzen darf, wobei es konzernintern der Konzernmutter obliegt, für eine adäquate Steuerung der Finanzflüsse zu sorgen. Bei voll ausgenutzter Gesamtkreditlinie ermöglichen also Zahlungseingänge auf dem Konto eines Konzernunternehmens Zahlungsausgänge nicht nur bei diesem, sondern stattdessen auch bei einem anderen Konzernunternehmen.

3.190

Da es keine Konzerninsolvenz in dem Sinn gibt, dass automatisch über den gesamten Konzern ein Insolvenzverfahren eröffnet wird2, und auch keine Zusammenfassung von Verfahren mit Bildung einer Gesamtmasse möglich ist3, läge es nahe, in der Insolvenz grundsätzlich jedes Konto separat zu betrachten. Denn der Umstand, dass die Bank mehreren Firmen eine gemeinsame Kreditlinie einräumt, besagt nur, dass jede von ihnen im Rahmen der gemeinsamen offenen Kreditlinie Darlehensmittel abrufen kann. Nimmt eine der verbundenen Gesellschaften Kreditmittel in Anspruch, gleichviel ob diesseits oder jenseits der eingeräumten Kreditlinie, wird insoweit nur diese Gesellschaft Darlehensnehmerin. Nur ihre Gläubiger werden benachteiligt, wenn die Bank das Darlehen nicht an die anweisende Gesellschaft, sondern zu Lasten ihres Kontos direkt an einen Dritten auszahlt4. Dies hätte zur Folge, dass Eingänge bei einem Unternehmen zur Rückführung des debitorischen Saldos führen würden und damit anfechtbar wären, weil ihnen keine Zahlungsausgänge bei diesem Unternehmen gegenüberstehen; Ausgänge bei einem anderen Unternehmen würden das empfangende Unternehmen wegen dessen rechtlicher Selbständigkeit nicht berühren.

3.191

1 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 = ZInsO 2011, 1500; OLG Koblenz v. 27.5.2010 – 2 U 907/09, ZInsO 2010, 1287, mit Anm. Stiller. 2 Entwicklungsstand und Perspektiven eines Konzerninsolvenzrechts s. K. Schmidt KTS 2010, 1; K. Schmidt KTS 2011, 161; Hirte ZInsO 2011, 1788; Verhoeven ZInsO 2012, 1689; 2012, 1757; Beck DZWIR 2014, 381; zu den UNCITRAL-Empfehlungen s. Holzer ZIP 2011, 1894; Regulierungskonzept zur Bewältigung von Gruppeninsolvenzen: Verfahrenskonsolidierung im Kontext nationaler und internationaler Reformvorhaben (Eidenmüller/Frobenius ZIP 2013, Beilage zu Heft 22, S. 1); Diskussionsentwurf des BMJ eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 3.1.2013, abgedr. ZInsO 2013, 130; s. dazu Leutheusser-Schnarrenberger ZIP 2013, 97; Brünkmans ZInsO 2013, 797; Eidenmüller/Frobenius ZIP 2013 Beilage zu Heft 22; Graf-Schlicker ZInsO 2013, 1765; Pleister ZIP 2013, 1013; Thole KTS 2014, 351; Wimmer DB 2013, 1343; Zipperer ZIP 2013, 1007. 3 Ehricke DZWIR 1999, 353; Hirte FS K. Schmidt, 2009, 641; Paulus DStR 2003, 31; Sester ZIP 2005, 2099; Verhoeven ZInsO 2012, 1689; Nachweise bei Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 11 Rn. 394 ff.; BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182; AG Göttingen v. 6.5.2002 – 74 IN 138/02, NZI 2002, 560; zur gemeinschaftlichen Sanierung von Konzernunternehmen s. Ehricke ZInsO 2002, 393; zur GmbH & Co. KG s. K. Schmidt GmbHR 2002, 1209. 4 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 = ZInsO 2016, 700 Rn. 8.

Büchel | 533

Dritter Teil Rz. 3.192 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.192

Bei dieser Auslegung würde man aber außer Acht lassen, dass der von der Rechtsprechung1 geforderte enge wirtschaftliche, rechtliche und zeitliche Zusammenhang zwischen Gut- und Lastschriften nicht zwingend ein Zweiparteienverhältnis voraussetzt. Ein rechtlicher Zusammenhang kann auch auf andere Weise herbeigeführt werden. Dazu kann auch ein Vertrag zwischen der Bank und mehreren Kreditnehmern genügen, aufgrund dessen die Bank verpflichtet ist, die Kunden bis zu einer Kreditobergrenze, die sich aus der Addition der Salden der diversen Einzelkonten der Konzernunternehmen ergibt, verfügen zu lassen. Solche Absprachen können den Inhalt haben, dass die Gesamtinanspruchnahme nur das Kriterium für die Einzeldispositionen bildet, eine Tochtergesellschaft also nur dann Auszahlungen veranlassen darf, wenn dadurch der Rahmen insgesamt nicht überschritten wird, dass aber jede Tochtergesellschaft nur für den Saldo auf ihrem Konto haftet. Derartige Verträge sind jedoch eher selten. Überwiegend wird eine solche Konzernkreditlinie nur eingeräumt, wenn sich alle beteiligten Konzernunternehmen zu einer gesamtschuldnerischen Haftung bereitfinden; für die Bank ist dann nicht die Bonität des einzelnen Konzernunternehmens, sondern die des Gesamtkonzerns maßgeblich.

3.193

Bei der zuletzt beschriebenen Variante führt die gesamtschuldnerische Bindung trotz getrennter Kontoführung dazu, dass die Eingänge auf dem Konto eines Kreditnehmers dem oder den anderen zugutekommen und bei der Berechnung der Gesamtlinie stets berücksichtigt werden; Zahlungseingänge auf dem Konto eines Gesamtschuldners stellen eine Erfüllung der Gesamtschuld dar, die auch für die übrigen Gesamtschuldner wirkt (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB). Umgekehrt verpflichten Ausgänge bei einem Unternehmen jedes andere Unternehmen wegen seiner gesamtschuldnerischen Haftung in gleicher Weise wie Ausgänge zu Lasten des bei ihm selbst geführten Kontos. Damit ist der enge wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhang zwischen Gut- und Lastschriften gegeben, so dass auch hier eine Anfechtbarkeit der Verrechnungen nach den oben dargestellten Grundsätzen ausscheidet2. Dieser Argumentation widerspricht das KG3: Erfolge der Leistungsaustausch aufgrund von Vereinbarungen in einem Dreiecksverhältnis, so komme es für die Annahme eines Bargeschäfts gemäß § 142 InsO darauf an, ob die vom Schuldner im Deckungsverhältnis erbrachte Leistung und die an ihn von dem Dritten erbrachte Gegenleistung wirtschaftlich gleichwertig sind. Dies müsse auch dann gelten, wenn auf Kreditnehmerseite mehrere Personen stehen, von denen die eine den Kredit vorzeitig zurückführt, während die andere ihn weiter in Anspruch nimmt. Ein Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO liege dann nur vor, wenn der den Kredit vorzeitig zurückführende spätere Insolvenzschuldner von dem den Kredit weiter in Anspruch nehmenden Mitschuldner vereinbarungsgemäß eine wirtschaftlich gleichwertige Gegenleistung für die Rückführung des Kredits erhalte. Ein bloßes wirtschaftliches Eigeninteresse des Insolvenzschuldners an der Kreditinanspruchnahme durch den Dritten reiche insoweit nicht aus. Auch wenn die Auslegung, die das KG getroffen hat, nicht zwingend ist und eine höchstrichterliche Entscheidung bisher aussteht, müssen Banken bei gesamtschuldnerischen Kontokorrentkreditlinien in der Praxis künftig damit rechnen, dass die vereinbarte Kreditobergrenze durch Anfechtungen im Nachhinein überschritten werden kann.

3.194

Ohne gesamtschuldnerische Haftung ist zwar der rechtliche Zusammenhang zwischen Gutschriften auf dem Konto einer Tochtergesellschaft und Belastungsbuchungen auf dem Konto einer anderen ebenfalls anzunehmen, der wirtschaftliche unmittelbare Zusammenhang, der zu einer Gleichwertigkeit des Leistungsaustauschs führen müsste, ist jedoch nicht in vollem

1 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = WM 1999, 781; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/ 01, ZIP 2002, 812 = ZInsO 2002, 426; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324. 2 Lwowski/Wunderlich WM 2004, 1511. 3 KG v. 15.11.2010 – 24 U 103/09, ZIP 2011, 535 = ZInsO 2011, 486.

534 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.199 Dritter Teil

Umfang gegeben. Dies zeigt sich bei unterschiedlichen Bonitäten der einzelnen Konzernunternehmen: Wenn Zahlungsausgänge vom Konto eines bonitätsmäßig gesunden Tochterunternehmen dazu führen könnten, dass Eingänge auf dem Konto eines in der Krise befindlichen Unternehmens unanfechtbar werden, so führt dies zu einer Begünstigung der Bank: Die ausfallgefährdete Forderung gegen das in der Krise befindliche Unternehmen wäre verringert, so dass sie insoweit einen Vorteil hätte. Diesem Vorteil stünde kein gleichwertiger Nachteil gegenüber, denn ihre angestiegene Forderung gegen das gesunde Unternehmen wäre ungefährdet. Die oben aufgezeigten Probleme lassen sich vermeiden, wenn die Finanzierung über ein Gemeinschaftskonto der beteiligten Konzernunternehmen abgewickelt wird. Aus diesem Konto haften alle Inhaber als Gesamtschuldner. Auf die Bewegungen auf diesem Konto finden die Grundsätze Anwendung, die die Rechtsprechung für die Anfechtung von Verrechnungen von Zahlungseingängen bei offener Kontokorrentkreditlinie entwickelt hat.

3.195

ii) Mehrheit von Kreditgebern Zu einer Personenmehrheit auf der Kreditgeberseite kommt es vor allem bei der Bildung von Kreditkonsortien. Von einem Konsortialgeschäft im banktechnischen Sinne spricht man, wenn bestimmte Einzelgeschäfte nicht von einem, sondern mehreren Kreditinstituten gemeinschaftlich auf gemeinsame Rechnung durchgeführt werden1.

3.196

Wenn sich mehrere Kreditinstitute zu einem Konsortium zusammenschließen, so kann dies in der Weise geschehen, dass sie einen einheitlichen Kredit auf einem einheitlichen, bei einem der Institute geführten Konto bereitstellen und das Vertragsverhältnis rechtlich als Gesamtgläubigerschaft oder Gesamthandsgläubigerschaft ausgestalten. Dann würden für die Verrechnung von Zahlungseingängen die gleichen Grundsätze gelten wie bei der Kreditierung durch ein einziges Institut.

3.197

Eine andere Variante sieht so aus, dass jedes Institut auf dem bei ihm geführten Kontokorrentkonto dem Kunden eine eigene Kreditlinie einräumt. Eine Verbindung findet nur über den Konsortialvertrag oder den Sicherheitenpool statt. Oft werden aber auch Sicherheitenpoolverträge abgeschlossen, ohne dass zusätzlich ein Kreditkonsortium gebildet wird.

3.198

Mit Abschluss des Konsortialvertrages kommt zwar im Innenverhältnis zwischen den Kreditinstituten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zustande2. Der Konsortialvertrag ist aber streng zu trennen von dem im Außenverhältnis geschlossenen oder noch zu schließenden Kreditvertrag mit dem Kreditnehmer. Üblicherweise sieht der Konsortialvertrag zwar vor, dass einem Kreditinstitut, dem sog. Konsortialführer, im Außenverhältnis die Vertretung des Konsortiums übertragen wird3, dennoch stehen die Kreditforderungen nicht dem Konsortium insgesamt, sondern quotal den einzelnen Konsorten zu4. Eine wirtschaftliche Verbindung zwi-

3.199

1 Vallenthin, Rechtsgrundlagen des Bankgeschäfts, 1974, S. 145; Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, Teil I C 2.4. 2 BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90, ZIP 1992, 995 = DB 1992, 1621; Westermann AG 1967, 285; Vallenthin, Rechtsgrundlagen des Bankgeschäfts, 1974, S. 147; weitere Nachweise bei Assmann ZHR 152 (1988), 371. 3 Schönfelder, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2021/153. Lfg., Rn. 3/336 f. 4 Zu den einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten Schönfelder, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2021/ 153. Lfg., Rn. 3/334 ff.; Vallenthin, Rechtsgrundlagen des Bankgeschäfts, 1974, S. 149; Westermann AG 1967, 289.

Büchel | 535

Dritter Teil Rz. 3.199 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

schen den Krediten wird lediglich über den Sicherheitenpool und ggf. die darin enthaltene Saldenausgleichsklausel hergestellt.

3.200

Stehen die Kreditforderungen nicht dem Konsortium insgesamt, sondern quotal den einzelnen Konsorten zu, so haben Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge bei einem der Konsorten keine unmittelbare Auswirkung auf die Ansprüche und Verbindlichkeiten des Kreditnehmers gegenüber einem anderen Konsorten. Der Konsortialführer hat zwar die Aufgabe, die Einhaltung der jeweiligen Inanspruchnahmequoten bei den einzelnen Konsorten zu überwachen und auf eine gleichmäßige Ausnutzung der Linien hinzuwirken1. Dies kann aber nur durch Überträge von einem Konsorten zu dem anderen herbeigeführt werden; dazu bedarf es eines entsprechenden Auftrags des Kreditnehmers, der vom Konsortialführer zwar initiiert, aber nicht selbst vorgenommen werden kann. Es fehlt an einer unmittelbaren Bindung der Zahlungsausgänge von dem Konto bei einem Konsorten an die Zahlungseingänge auf das Konto bei einem anderen Konsorten, insbesondere führen im umgekehrten Fall Eingänge auf dem Konto bei einem Konsorten nicht zum Erlöschen der Zahlungsansprüche eines anderen Konsorten, wie dies bei einer Gesamtgläubigerschaft oder Gesamthandsgläubigerschaft der Fall wäre. Damit fehlt der enge rechtliche Zusammenhang zwischen Gut- und Lastschriften, der für die Annahme eines Bargeschäfts notwendig ist. Insoweit besteht eine Parallele zu der Situation bei einem Sicherheitenpool (s. Rn. 3.167 f.). Dies bedeutet, dass die Frage der Anfechtbarkeit der Verrechnung von Zahlungseingängen bei offener Kreditlinie für jeden Konsorten separat geprüft werden muss.

4. Eingänge bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantrag 3.201

Für die Angriffsmöglichkeiten gegen Verrechnungen, die nicht unter die oben dargestellten Bargeschäfte fallen, ist zwischen den verschiedenen Phasen einer Insolvenz zu unterscheiden. Von den Anfechtungsmöglichkeiten reicht die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen am weitesten zurück. a) Frist

3.202

Für die Dauer der Rückwirkung ist dabei nach der Art der Rechtshandlung zu unterscheiden: – Rechtshandlungen, die dem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, können angefochten werden, wenn sie in den letzten 4 Jahren vor dem Insolvenzantrag stattgefunden haben (§ 133 Abs. 2 InsO); dies gilt sowohl für kongruente als auch für inkongruente Deckungen2.

1 Vgl. auch Schönfelder, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2021/153. Lfg., Rn. 3/334 ff. 2 Begr RegE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 16.12.2015 – BT-Drucks. 18/7054, Teil B zu Art. 1 Nr. 3 Abs. 1; Urlaub/Rebel ZInsO 2017, 1136. Die Unterscheidung hat vor allem bei der Fiktion der Kenntnis des Gläubigers nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO Bedeutung. Bei der kongruenten Deckung greift die Vermutung der Kenntnis nur bei eingetretener, nicht aber schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit, § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO. Der BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 hat zudem die Anforderungen für den Insolvenzverwalter für die teilweise ausufernde Vorsatz-Anfechtungsmöglichkeiten wieder erhöht; s.a. Stohrer ZInsO 2023, 121.

536 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.204 Dritter Teil

– Alle anderen Rechtshandlungen können angefochten werden, wenn der Schuldner sie innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen hat (§ 133 Abs. 1 InsO). Den Anknüpfungspunkt für die Anfechtung der Verrechnung von Überweisungen kann nur das Verschaffen der Aufrechnungslage bilden1, da nach § 133 InsO nur Rechtshandlungen des Kunden und nicht Rechtshandlungen Dritter wie der Bank angefochten werden können. Auf die Verrechnung von Überweisungseingängen findet die vierjährige Frist des § 133 Abs. 2 InsO Anwendung, denn eine Verrechnung ist nur möglich, wenn sie zur Befriedigung der Bank für eine bestehende Forderung führt. Für die Frist kommt es wie erwähnt nicht darauf an, ob die Bank eine kongruente oder inkongruente Deckung erhält. b) Benachteiligungsvorsatz Die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen setzt voraus, dass der Kunde bei Eingang der Überweisung den Vorsatz hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen, und die Bank dies wusste (§ 133 Abs. 1 InsO). Einen Benachteiligungsvorsatz kann der Kunde nur dann hegen, wenn im Zeitpunkt des Zahlungseingangs sein Vermögen nicht mehr ausreicht, seine Gläubiger sämtlich zu befriedigen, wenn er also schon überschuldet ist oder wenn er schon einen Anlass hatte, mit dem baldigen Eintritt einer Krise und einer nachfolgenden Insolvenz zu rechnen2. Subjektiv liegt ein Benachteiligungsvorsatz vor, wenn der Kunde bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge der einem Gläubiger gewährten Befriedigung erkannt und gebilligt hat3. Ein unlauteres Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger setzt der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht voraus. Dies wäre z.B.4 dann der Fall, wenn der Kreditnehmer im Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens erkannt hat, dass er sich damit selbst der Mittel beraubt hat, die er zur wenigstens anteilmäßigen Befriedigung seiner übrigen Gläubiger benötigt. Andererseits reicht jedoch das Bewusstsein des Schuldners, dass seine Handlung für die übrigen Gläubiger nachteilig sein kann, regelmäßig nicht für die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes aus, wenn es sich um eine kongruente Deckung handelte, es dem Schuldner also vornehmlich darauf ankam, im Zuge des normalen Geschäftsverkehrs eine bestehende und fällige Verpflichtung zu erfüllen5.

3.203

Da der Insolvenzschuldner an der anfechtungsrelevanten Handlung sonst nicht beteiligt ist, kann nicht allein auf seine Begünstigungsabsicht abgestellt werden. Vielmehr soll bei Verrechnungen, die als einseitige Rechtshandlungen des Gläubigers regelmäßig ohne Zutun des Insolvenzschuldners vollzogen werden, eine Anfechtung nur dann ausscheiden, wenn der Anfechtungsgegner im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rechtshandlung der sicheren Überzeugung war, das Vermögen des Insolvenzschuldners werde zur vollen Befriedigung aller seiner

3.204

1 Streit/Jordan DZWIR 2004, 441. 2 OLG Düsseldorf v. 30.6.1983 – 6 U 120/81, ZIP 1983, 786; Plander BB 1972, 1480; Einzelheiten s. Rn. 5.510 ff. 3 BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 = ZInsO 2013, 384; OLG Düsseldorf v. 8.3.1988 – 11 U 132/87, WM 1988, 1861. 4 Zu Indiztatsachen und ihrer Beweiskraft im insolvenzrechtlichen Anfechtungsprozess s. Huber ZInsO 2012, 53. 5 BGH v. 4.2.1954 – IV ZR 164/53, BGHZ 12, 237; BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZInsO 2004, 859; RG v. 5.7.1929 – VII 4/29, WarnR 1929, Nr. 164; RG v. 10.3.1938 – 1 Wx 53/38, JW 1938, 1536; OLG Düsseldorf v. 30.6.1983 – 6 U 120/81, ZIP 1983, 786.

Büchel | 537

Dritter Teil Rz. 3.204 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Gläubiger ausreichen oder der Insolvenzschuldner werde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit erhalten1.

3.205

Für einen Benachteiligungsvorsatz stellt der Umstand, dass die Überweisung zu einer inkongruenten Deckung (zum Begriff s. Rn. 6.201 ff.) führt, ein starkes Indiz dar2. Daher ist zunächst die Abgrenzung zwischen kongruenter Deckung und inkongruenter Deckung zu treffen. aa) Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung

3.206

Für die Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung sind die gleichen Kriterien anzuwenden wie bei einer Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO; auf die dort ausdrücklich niedergelegte Definition der inkongruenten Deckung als einer Sicherung oder Befriedigung, die ein Gläubiger nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, kann deshalb zurückgegriffen werden (Einzelheiten s. Rn. 6.201 ff.).

3.207

Ob die Rückführung des debitorischen Saldos durch Verrechnung von Überweisungseingängen eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO darstellt, hängt davon ab, ob die Bank einen Betrag in der eingegangenen Höhe, in der empfangenen Art und zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Hinsichtlich der Art der zu beanspruchenden Leistung stehen Überweisungen, Zahlungen durch eigene Schecks oder aufgrund von Einzugsermächtigungen im Lastschriftverfahren der Barzahlung gleich3; entscheidend ist, dass der Schuldner verkehrsübliche Zahlungsmittel und -wege einsetzt4. Um inkongruente Deckungen soll es sich hingegen handeln, wenn der Kreditnehmer Kundenschecks seiner Bank zur Einlösung einreicht5. Die Unterscheidung zwischen eigenen Schecks und Kundenschecks mag nicht so recht überzeugen, zumal die Bank grundsätzlich zur Einziehung der vorgelegten Schecks verpflichtet ist6. Kann aber die Bank diese Art der Erfüllung ihrer Forderung nicht ablehnen, scheidet an sich eine inkongruente Deckung aus7. Abgesehen von dieser widersprüchlichen BGH-Rechtsprechung bleibt die Frage offen, ob die Bank die Deckung auch zu dieser Zeit verlangen konnte. Dies wiederum richtet sich danach, welcher Art die Forderung der Bank ist8:

3.208

Für den Zahlungsverkehr wird in der Regel ein Kontokorrentkonto eingesetzt, auf dem die Bank dem Kunden eine Kreditlinie zur Verfügung stellt oder auch Überziehungsmöglichkeiten einräumt. Auf die Frage nach einer kongruenten oder inkongruenten Deckung wirkt sich dies zusammengefasst (Einzelheiten s. Rn. 5.582 ff.) wie folgt aus: – Bewegt sich die Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits innerhalb der dem Kunden eingeräumten Linie, so stellt eine Rückführung eines ungekündigten Kontokorrentkredits 1 BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, ZIP 1999, 1271; BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585. 2 BGH v. 5.5.1959 – VIII ZR 221/57, WM 1959, 1007; BGH v. 11.1.1961 – VIII ZR 203/59, WM 1961, 388; BGH v. 5.11.1964 – VIII ZR 2/63, WM 1965, 85; BGH v. 26.2.1969 – VIII ZR 41/67, WM 1969, 375; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/ 92, ZIP 1993, 1653; OLG Düsseldorf v. 8.7.1992 – 19 U 3/92, ZIP 1992, 1488. 3 BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, ZIP 2003, 356 = WM 2003, 398. 4 BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 868/13, ZInsO 2015, 344. 5 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = ZInsO 2009, 1254. 6 Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg., Rn. 6/940. 7 RG v. 23.4.1909 – VII 272/08, RGZ 71, 89; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, NJW 1978; 758. 8 Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 81.

538 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.210 Dritter Teil

unter die vereinbarte Linie eine inkongruente Deckung dar, weil die Bank ohne Kündigung nicht die sofortige Reduzierung des Saldos auf einen Betrag unterhalb der Linie fordern kann. – Die Tilgung eines Kontokorrentkredits am Ende der zugesagten (und nicht verlängerten) Laufzeit ist dagegen kongruent. – Hatte die Bank einen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellten Kontokorrentkredit für einen Zeitpunkt vor dem Zahlungseingang gekündigt, so ist die Fälligkeit hergestellt und damit die Kongruenz gegeben. – Handelt es sich um die Überziehung eines Girokontos, so kann die Bank jederzeit Rückführung auf den vereinbarten Saldo verlangen; eine inkongruente Deckung liegt also nicht vor. bb) Indizien für Benachteiligungsvorsatz Für einen Benachteiligungsvorsatz stellt der Umstand, dass die Überweisung zu einer inkongruenten Deckung führt, wie erwähnt ein starkes Indiz dar. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer von der Bank zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen1.

3.209

Dass der spätere Schuldner andere Gläubiger benachteiligen wollte, kann zwar nicht allein aus dem Umstand entnommen werden, dass er Überweisungen seiner Schuldner auf sein Konto bei der Bank zugelassen hat2. Die Zahlungen seiner Schuldner auf das Bankkonto beruhen in der Regel darauf, dass der Kunde ihnen sein Bankkonto auf Briefbögen oder Rechnungsvordrucken genannt hat. Im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ist dies eine Selbstverständlichkeit. Als Indiz reicht beispielsweise auch nicht die Vereinbarung in einem Grundstückskaufvertrag, dass der Kaufpreis auf das Geschäftskonto des Verkäufers bei der Bank gezahlt werden soll3. Der Schuldner ist nicht verpflichtet, seine erwarteten Überweisungseingänge auf ein kreditorisches Konto bei einer anderen Bank umzuleiten4. Das Unterlassen der Kündigung des Girovertrages bzw. des Kontos ist keine anfechtbare Rechtshandlung5. Ein Benachteiligungsvorsatz kann aber bereits dann angenommen werden, wenn der Kunde seine Schuldner angesichts der ihm drohenden Insolvenz anweist, nur noch auf ein bestimmtes Bankkonto zu zahlen, um damit den Sollsaldo zu ermäßigen. Evident werden der Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis auf Seiten der Bank beispielsweise dann, wenn der Kunde auf Veranlassung der Bank andere Bankverbindungen auf seinen Rechnungsvordrucken streicht. Der umgekehrte Fall, wenn nämlich der Schuldner Überweisungen seiner Debitoren nicht auf sein Konto, sondern auf das Konto seines Ehepartners leitet und diese Gelder von dort auf sein Konto zwecks Rückführung des Kredits weitergeleitet werden, soll ebenfalls auffällig sein und zu inkongruenter Deckung führen6; hier fragt es sich jedoch, ob und wie die Bank diese Umleitung erkennt.

3.210

1 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 = ZInsO 2009, 1901. 2 BGH v. 20.10.1986 – II ZR 293/85, ZIP 1987, 626 = WM 1987, 603 = WuB VI A § 59 VglO 1.87 Obermüller; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 82. 3 OLG Hamm v. 14.10.2004 – 27 U 218/03, ZInsO 2005, 267. 4 Differenzierend Kirstein ZInsO 2012, 710. 5 BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250. 6 BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 868/13, ZInsO 2015, 344.

Büchel | 539

Dritter Teil Rz. 3.211 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.211

Demgegenüber reicht bei kongruenter Deckung das Bewusstsein des Kunden, dass die Überweisung an die Bank für seine übrigen Gläubiger nachteilig sei, regelmäßig nicht aus, um die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes zu rechtfertigen1. Näher liegt dann die Annahme, dass es dem Kunden auf die reibungslose Durchführung des Zahlungsverkehrs und die Einziehung seiner Außenstände und nicht auf die Vereitelung der Ansprüche anderer Gläubiger ankam2. Da nach § 133 Abs. 1 InsO nur Rechtshandlungen des Schuldners und nicht auch Rechtshandlungen Dritter angefochten werden können, scheidet eine Anfechtung schon dann aus, wenn der Überweisungsauftraggeber den Zeitpunkt der Zahlung und den Zahlungsweg ausgewählt und der Schuldner nichts dazu beigetragen hat, dass die Überweisung auf dem Konto gerade bei dieser Bank eingegangen ist. Insbesondere wenn der Kunde auf seinen Rechnungen Konten bei mehreren Banken angegeben hat, spricht dies gegen eine Einflussnahme auf seine Schuldner zugunsten der Bank, die die Zahlung tatsächlich erhalten hat. Zwar hätte der Schuldner den Zahlungseingang durch eine Kündigung seiner Kontoverbindung verhindern können. Abgesehen davon, dass dies kaum praktikabel wäre, ist die Fortführung des Kontos auch kein Anfechtungsgrund. c) Kenntnis der Bank

3.212

Maßgebender Zeitpunkt für die Kenntnis der Bank von dem Benachteiligungsvorsatz bzw. der Situation ihres Kunden ist nicht etwa der Zeitpunkt der Saldierung, die automatisch mit Insolvenzeröffnung eintritt (s. Rn. 2.105 ff.), oder der Erklärung, mit der die Bank die Forderungen aus verschiedenen Konten gegeneinander aufrechnet, sondern der Zeitpunkt, in dem die Aufrechnungslage entsteht3. Diese entsteht nicht erst mit der Gutschrift der Zahlungseingänge auf einem Konto des Kunden, sondern schon mit Eingang der Deckung4; wird zwischen Eingang der Deckung und der Gutschrift das Insolvenzverfahren eröffnet, so bleibt die Bank trotz der Beendigung des Kontokorrentverhältnisses durch die Insolvenzeröffnung zur Aufrechnung mit ihrer Forderung aus dem Debetsaldo gegen den vor Insolvenzeröffnung entstandenen Anspruch ihres Kunden auf Gutschrift befugt5. Die fehlende Gleichartigkeit der beiden Forderungen ist unmaßgeblich, da die Bank bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den umstrittenen Betrag tatsächlich vor Insolvenzeröffnung bereits schuldig geworden war6. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man auch über das Pfandrecht aus Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 Satz 3 AGB Sparkassen), das zunächst den Anspruch des Kunden auf Gutschrift erfasst und sich an seinem Anspruch aus dieser Gutschrift fortsetzt; maßgebender Zeitpunkt ist der des Erhalts der Deckung7.

3.213

Die Feststellung der Kenntnis der Bank von den Absichten des Kunden führt im Prozess zu erheblichen Schwierigkeiten. Wird nämlich ein Anfechtungsgegner als bloße Zahlstelle des Schuldners tätig, ist er grundsätzlich nur als Leistungsmittler an dem Zahlungsvorgang in dieser technischen Funktion beteiligt, ohne einen eigenen Vorteil zu erlangen. Bei der Würdigung, ob eine Vorsatzanfechtung gegen einen Leistungsmittler durchgreift, ist zu beachten, 1 BGH v. 5.5.1959 – VIII ZR 221/57, WM 1959, 1079. 2 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572. 3 Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 80; BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809. 4 BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, ZInsO 2002, 721; Steinhoff ZIP 2000, 1141; zum Zeitpunkt des Erhalts der Deckung vgl. oben Rn. 3.137. 5 BGH v. 9.11.1977 – VII ZR 40/76, WM 1978, 59. 6 BGH v. 9.11.1977 – VII ZR 40/76, WM 1978, 59 m.w.N. 7 BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250.

540 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.215 Dritter Teil

dass dieser selbst in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder eines gegen ihn gestellten Eröffnungsantrags in seiner Funktion als Zahlstelle verpflichtet sein kann, von dem Schuldner veranlasste Zahlungsaufträge durchzuführen. Dies trifft insbesondere auf Banken zu, soweit diese in den Leistungsvorgang zwischen dem Schuldner und dem Leistungsempfänger eingeschaltet werden. Allein die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder eines gegen ihn gestellten Eröffnungsantrags berechtigt ein Kreditinstitut im Vorfeld der Insolvenzeröffnung nicht dazu, die Ausführung von eingereichten Zahlungsaufträgen des – mangels Anordnung von Zustimmungsvorbehalten oder Verfügungsverboten nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO – weiter verpflichtungs- und verfügungsbefugten Schuldners zu verweigern1. Vielmehr darf ein Zahlungsdienstleister gemäß § 675o Abs. 2 BGB die Ausführung eines Vertrags nicht ablehnen, wenn die vertraglich vereinbarten Ausführungsbedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt. Setzt eine Zahlstelle die Erledigung seitens des Schuldners erteilter Zahlungsaufträge lediglich rein zahlungstechnisch um, wird eine Vorsatzanfechtung vielfach nicht in Betracht kommen, weil sie als Leistungsmittler nicht erkennen kann, ob die von dem Schuldner veranlassten Zahlungsvorgänge überhaupt rechtlich zu beanstanden sind. Bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs etwa durch ein Kreditinstitut handelt es sich um alltägliche Geschäftsvorgänge, denen ein Wille des Überweisenden, seine Gläubiger zu benachteiligen, regelmäßig nicht zu entnehmen ist2. Für das Kreditinstitut sind unterschiedliche Gestaltungen denkbar, bei denen die Ausführung eines Zahlungsauftrags trotz Zahlungsunfähigkeit des Kontoinhabers keinen anfechtungsrechtlichen Bedenken begegnet. Eine Überweisung kann etwa dem Zweck dienen, einen insolvenzfest gesicherten Vertragspartner zu befriedigen3 oder bei dem Zahlungsempfänger ein insolvenzfestes Sicherungsrecht abzulösen4. Handelt es sich um eine Privatperson, kann die Zahlung aus dem unpfändbaren Schonvermögen herrühren5. Ebenso kann eine Zahlung mit der Erledigung eines für sich genommen anfechtungsrechtlich beanstandungsfreien Bargeschäfts verknüpft sein. Gerade die von § 142 InsO eröffnete Möglichkeit, auch zahlungsunfähigen Schuldnern beim unmittelbaren Austausch gleichwertiger Leistungen ohne Anfechtungsrisiken für deren Vertragspartner die Teilnahme am allgemeinen Geschäftsverkehr zu erhalten6, würde angesichts der Verbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ausgehöhlt, wenn bei der Ausführung darauf bezogener Zahlungsaufträge anstelle der Vertragspartner die mitwirkenden Banken eine Anfechtung zu befürchten hätten.

3.214

Sofern sich hingegen die Mitwirkung des Anfechtungsgegners nicht in der Erledigung von Zahlungsvorgängen erschöpft, sondern er über die allgemein geschuldeten Dienstleistungen einer Zahlstelle hinaus im Eigen- oder Fremdinteresse aktiv an einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung des Schuldners teilnimmt, kann aus dieser Mitwirkung in Verbindung mit der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes geschlossen werden. In einem solchen Fall ist der Leistungsmittler nicht mehr als reine Zahlstelle7 anzusehen. Bereits der historische Gesetzgeber hat es als Selbstverständlichkeit betont, dass

3.215

1 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038 = ZInsO 2012, 924 mit Anm. Ede ZInsO 2012, 1541; Gehrlein NZI 2012, 257. 2 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 37 = ZIP 2008, 190. 3 Vgl. BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 Rn. 32 = ZIP 2011, 773. 4 Vgl. BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 39/08, ZIP 2009, 817 Rn. 13. 5 BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, BGHZ 186, 242 = ZIP 2010, 1552. 6 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 167. 7 Zur Überschreitung der Zahlstellenfunktion bei Abwicklung über CpD und Sicherungsabtretung an die Bank vgl. BGH v. 20.3.2019 – VIII ZR 88/18, ZIP 2019, 856 = WM 2019, 777.

Büchel | 541

Dritter Teil Rz. 3.215 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

kollusive Vorgehensweisen der Vorsatzanfechtung unterliegen1. Dann wird die Anfechtung durch § 133 InsO erleichtert. Wenn die Bank nämlich wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Kunden drohte und die Handlung dessen Gläubiger benachteiligte, wird ihre Kenntnis von dem entsprechenden Vorsatz des Kunden vermutet (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Es genügt, dass die Bank die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt.

3.216–3.221

frei

5. Eingänge zwei bis drei Monate vor Insolvenzantrag 3.222

Erhält die Bank einen Überweisungsauftrag zugunsten eines Kunden, dessen Konto einen debitorischen Saldo aufweist, innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzantrag, so ist sie aufgrund des Giroverhältnisses zur Gutschrift verpflichtet2. Der damit verbundenen Verrechnung kann jedoch das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegenstehen. Dies setzt voraus, dass die Bank die Möglichkeit zur Aufrechnung bzw. Verrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erworben hat. Zu den Anfechtungsrechten wegen vorsätzlicher Benachteiligung tritt vom dritten Monat vor dem Insolvenzantrag an das Recht zur Anfechtung kongruenter (§ 130 InsO) oder inkongruenter Deckungen (§ 131 InsO) hinzu. Die verschiedenen Anfechtungsgründe der §§ 129 ff. InsO stehen nämlich selbständig nebeneinander3. a) Anfechtbarkeit kongruenter Deckungen

3.223

Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, auf die er einen Anspruch hatte (kongruente Deckung), sind anfechtbar, wenn der Schuldner zur Zeit der Handlung (zum maßgeblichen Zeitpunkt s. Rn. 3.236) zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte. Für diese Kenntnis genügt bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO); unerheblich ist lediglich, ob der Anfechtungsgegner die notwendige Schlussfolgerung tatsächlich auch gezogen hat. Gegenüber nahestehenden Personen wird vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit kannten. b) Anfechtbarkeit inkongruenter Deckungen

3.224

Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (sog. inkongruente Deckungen), sind anfechtbar, wenn der Schuldner zu dieser Zeit (zum maßgeblichen Zeitpunkt s. Rn. 3.236) bereits zahlungsunfähig war, ohne dass es auf den Kenntnisstand des Anfechtungsgegners ankommt.

3.225

Inkongruente Deckungen sind auch dann anfechtbar, wenn der Schuldner zu diesem Zeitpunkt noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet war, dem Gläubiger aber zur Zeit der Handlung bekannt (zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntnis s. Rn. 3.237) war, dass die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden.

1 Hahn, Materialien zur Konkursordnung, Neudruck der Ausgabe Berlin 1881, 1983, S. 121, 130 f. 2 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, ZIP 1995, 109 = WM 1995, 149. 3 BGH v. 7.3.1972 – VI ZR 158/70, BGHZ 58, 240.

542 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.228a Dritter Teil

Der Insolvenzverwalter hat also lediglich zu beweisen, dass dem Anfechtungsgegner entweder die Benachteiligung der anderen Gläubiger positiv bekannt war oder dass er Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs. 2 InsO). Gegenüber nahestehenden Personen (§ 138 InsO) wird die Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger vermutet.

3.226

c) Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung Für die Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung kann zunächst auf die obige Darstellung (Rn. 3.206) verwiesen werden. Ein Unterschied ergibt sich lediglich bei der Verrechnung bzw. Aufrechnung gegen Forderungen der Bank aus Krediten, die die Bank für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt hatte:

3.227

War ein solcher Kredit im Zeitpunkt des Überweisungseingangs gekündigt, so ist die Fälligkeit hergestellt und Kongruenz gegeben1. Dies setzt voraus, dass die Bank den Kredit wirksam, d.h. anfechtungsfrei gekündigt hat. Zwar kann grundsätzlich auch eine Kündigung angefochten werden2. Für die Anfechtung einer Kreditkündigung, die innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem Antrag ausgesprochen wurde, kommen §§ 130, 131 InsO in Betracht. Nach dieser Regelung sind auch Rechtshandlungen Dritter, und zwar auch solche anfechtbar, die eine Befriedigung „ermöglichen“. Führt die Bank durch ihre Kündigung erst die Fälligkeit ihres Kredits herbei, die seine Deckung kongruent werden lässt, so wird diese „ermöglicht“3. Würde sie erfolgreich angefochten, so hätte das zur Folge, dass der Kredit als ungekündigt und die Verrechnung demgemäß als unzulässig gälte4. Kündigungen können eine Fälligkeit nämlich nur herbeiführen, wenn sie nach materiellem Recht wirksam sind, insbesondere wenn ein Kündigungsgrund vorliegt. Besteht ein solcher, dann hat die Bank aber regelmäßig einen Anspruch im Sinne der §§ 130, 131 InsO darauf, das Rechtsverhältnis zu beenden. Dass dieser Ausspruch der Kündigung im Ermessen der Bank steht, schließt nicht ihr „verhaltenes“ Recht aus; übt sie es aus, ist die Fälligkeitsfolge grundsätzlich auf kongruente Weise herbeigeführt5. Dies gilt sowohl für die ordentliche als auch für die außerordentliche Kündigung.

3.228

Allerdings wird im Ergebnis die Aufrechnung nach einer Kündigung, die innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag ausgesprochen und auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden gestützt wird, praktisch fast immer ausgeschlossen sein. Denn einer Bank wird es kaum gelingen, einerseits für die Begründung einer außerordentlichen Kündigung des Kredits die schlechte Vermögenslage des Kunden darzulegen, andererseits die Kenntnis von Umständen zu bestreiten, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Kunden schließen lassen6 und damit die Voraussetzungen für die Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO schaffen. Im Allgemeinen wird man einer Bank eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden unterstellen müssen, wenn durch ihre Kündigung die Fälligkeit ei-

3.228a

1 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1991, § 30 Rn. 217; vgl. auch Merz WM 1983, 106 (A I 1c); einschränkend von Usslar BB 1980, 918. 2 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZInsO 2009, 1254; a.A. Steinhoff ZIP 2000, 1141. 3 Kirchhof FS Uhlenbruck, 2000, 269; BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = ZInsO 2009, 1254. 4 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = ZInsO 2009, 1254. 5 Kirchhof FS Uhlenbruck, 2000, 269. 6 Vgl. z.B. BGH v. 27.4.1995 – IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929; BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, ZInsO 2002, 29; OLG Brandenburg v. 2.11.1995 – 8 U 14/95, ZIP 1996, 142.

Büchel | 543

Dritter Teil Rz. 3.228a | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

nes erheblichen Teils der Verbindlichkeiten des Kunden herbeigeführt wurde, sie die Höhe der Bankverbindlichkeiten des Kunden (z.B. durch Überprüfung der Meldungen nach § 14 KWG) kannte und das Ausbleiben der infolge der Kündigung nunmehr fälligen Zahlungen anders als mit dem Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit nicht erklären konnte1. Obwohl die Kündigung wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse keineswegs erst bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, sondern schon viel früher zulässig ist, wird es einem Gericht rückblickend nicht leichtfallen, diese Differenzierung nachzuvollziehen.

3.229

Schwieriger ist die Feststellung einer Kenntnis des Kreditinstituts von der Zahlungsunfähigkeit, wenn es nicht den in Anspruch genommenen Teil des Kredits zur Rückzahlung, sondern nur den nicht ausgenutzten Teil der Kreditlinie gekündigt hat. Denn solange die Bank selbst stillhält, kommt es für die Zahlungsunfähigkeit auf das Zahlungsverhalten des Kunden gegenüber Dritten an, und darüber ist das Kreditinstitut naturgemäß nicht so genau unterrichtet wie über die Tilgung seiner eigenen Ansprüche2. Wenn aber der Bank bekannt ist, dass das bei ihr geführte Konto das Hauptgeschäftskonto des Kunden darstellt, über das weitgehend dessen Umsätze abgewickelt wurden, und nur auf diesem ein Kreditrahmen eingeräumt war, so liegt mit der Kündigung der Kreditzusage die Annahme nicht fern, dass der Kunde dann den wesentlichen Teil seiner Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann und die Bank damit Tatsachen kennt, aus denen zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit zu schließen ist3.

6. Eingänge im letzten Monat vor Insolvenzantrag oder nach Insolvenzantrag 3.230

Erhält die Bank einen Überweisungsauftrag zugunsten eines Kunden, dessen Konto einen debitorischen Saldo aufweist, im letzten Monat vor oder nach einem Insolvenzantrag, so bleibt sie zwar nach dem Girovertrag zur Gutschrift verpflichtet4. Denn der Girovertrag wird weder durch die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung noch durch den Insolvenzantrag berührt. Zur Entgegennahme eingehender Überweisungen ist sie unabhängig davon verpflichtet, ob diese von Dritten oder von dem Schuldner selbst durch Übertrag von einem seiner Konten bei einem anderen Kreditinstitut veranlasst wurden. Zwar können sich die Geschäftsführer einer GmbH und die Vorstände einer AG schadensersatzpflichtig machen, wenn sie nach Eintritt der Zahlungssperre wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens noch Zahlungen leisten (§ 15b InsO bzw. bis 31.12.2020 §§ 64, 43 GmbHG, § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG)5. Dies wirkt sich jedoch nicht auf das Verhältnis zu der Bank aus. Die Einstellung des Überweisungsbetrages in das Kontokorrent hat dessen Verrechnung beim nächsten Rechnungsabschluss zur Folge. a) Anfechtbarkeit kongruenter oder inkongruenter Deckungen

3.231

Der Erfolg der nach §§ 94, 95 ff. InsO an sich zulässigen Aufrechnung bzw. Verrechnung kann jedoch vom Insolvenzverwalter durch Anfechtung wieder beseitigt werden.

1 2 3 4

OLG Frankfurt v. 17.8.2000 – 3 U 171/98, OLGR Frankfurt 2001, 8. Kirchhof ZInsO 2003, 149. BGH v. 13.4.2000 – IX ZR 144/99, ZIP 2000, 1016 = WM 2000, 1207. BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, ZIP 1995, 109 = WM 1995, 149; Kübler BB 1976, 803; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 498. 5 OLG Hamburg v. 21.4.1995 – 11 U 195/93, ZIP 1995, 913; LG Itzehoe v. 1.4.1996 – 6 O 236/95, ZIP 1996, 797; s. Rn. 5.620 ff.

544 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.236 Dritter Teil

– Kongruente Deckungen, also Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger nach dem Eröffnungsantrag eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, auf die er einen Anspruch hatte, sind anfechtbar, wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Für diese Kenntnis genügt bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO); unerheblich ist lediglich, ob der Anfechtungsgegner die notwendige Schlussfolgerung tatsächlich auch gezogen hat. Gegenüber nahestehenden Personen wird vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit kannten. – Kongruente Deckungen, die nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen werden, sind nicht anfechtbar, wenn der Eröffnungsantrag auf Überschuldung oder auf drohende Zahlungsunfähigkeit (§§ 18, 19 InsO) gestützt wird, die Zahlungsunfähigkeit aber noch nicht eingetreten ist, und wenn der Gläubiger von dem Eröffnungsantrag oder der etwaigen Zahlungsunfähigkeit nichts wusste. – Inkongruente Deckungen, also Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag oder nach Insolvenzantrag eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, sind unabhängig davon anfechtbar, ob der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war; auf den Kenntnisstand des Anfechtungsgegners kommt es ebenfalls nicht an. Verwendet die Bank Eingänge aus Überweisungen zugunsten des Kunden zur Reduzierung des Debetsaldos auf seinem Konto oder schreibt sie die Überweisungseingänge auf einem kreditorischen Konto des Kunden gut, das aber gegen Forderungen der Bank aus einem anderen – debitorischen – Konto des Kunden aufgerechnet werden kann, so erhält sie eine je nach Fälligkeit ihrer Gegenforderungen kongruente oder inkongruente Deckung (zur Abgrenzung s. Rn. 5.582 ff.). Denn ihre Forderungen werden gesichert bzw. mit der Verrechnung oder Aufrechnung befriedigt. Da anders als bei der Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen (§ 133 Abs. 1 InsO) nicht nur Rechtshandlungen des Schuldners, sondern auch Rechtshandlungen Dritter angefochten werden können1, ist es hier unerheblich, ob und welchen Einfluss der Kunde darauf genommen hat, dass die Überweisung zu diesem Zeitpunkt auf dieses Konto gelangt ist. frei

3.232

3.233–3.235

b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtshandlung und die Kenntnis Bei der Anfechtung von Rechtshandlungen als kongruente bzw. inkongruente Deckung kann die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts der Handlung entscheidend für die Anfechtbarkeit sein. – Kommt es für die Anfechtung darauf an, ob sich die Handlung, durch die die Gläubiger benachteiligt werden, zeitlich vor oder nach dem Insolvenzantrag abgespielt hat, wie z.B. bei einer Anfechtung wegen kongruenter Deckung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO, so ist bei einer am Tag des Insolvenzantrags abgelaufenen Rechtshandlung entscheidend, ob die Bank die Deckung vor oder nach dem Eingang des Insolvenzantrags beim Gericht erhalten 1 Wie im Konkurs, jedoch anders als in der Gesamtvollstreckung – s. OLG Dresden v. 19.4.1994 – 3 U 47/94, ZIP 1994, 1128 = WM 1994, 1138; OLG Thüringen v. 14.3.1995 – 5 U 508/94, WM 1995, 858; BezG Potsdam v. 5.11.1993 – 8 S 18/93, n.v.; LG Görlitz v. 14.1.1994 – 1 O 586/93, n.v.

Büchel | 545

3.236

Dritter Teil Rz. 3.236 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

hat; dabei ist die genaue Uhrzeit zu vergleichen1. Wenn sie die Deckung nach dem Eingang des Insolvenzantrags erhalten hat, müssen die weiteren Anfechtungsvoraussetzungen von § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO geprüft werden. – Kommt es für die Anfechtung darauf an, ob sich die Handlung, durch die die Gläubiger benachteiligt werden, innerhalb einer von dem Insolvenzantrag zurückgerechneten Frist ereignet hat, so ist, wenn die Handlung am ersten Tag dieser Frist stattgefunden hat, nicht mehr die genaue Uhrzeit des Überweisungseingangs maßgebend. Denn insoweit erklärt § 139 Abs. 1 Satz 1 InsO den Beginn des Tages (also 0.00 Uhr) als Anknüpfungspunkt2.

3.237

Soweit es für die Anfechtbarkeit auf die Kenntnis der Bank von der Zahlungsunfähigkeit bzw. dem Insolvenzantrag ankommt, ist ihr Kenntnisstand in dem Zeitpunkt, in dem der Kunde einen Anspruch auf Gutschrift erworben hat3, entscheidend4. Hatte sie in dem maßgeblichen Zeitpunkt keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag, so ist die Aufrechnung bzw. Verrechnung kongruenter Deckungen nicht mehr anfechtbar.

3.238

Hatte sie dagegen in dem maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag, so ist die Aufrechnung oder Verrechnung anfechtbar mit der Folge, dass die Bank die Beträge aus den Überweisungen an den Insolvenzverwalter herauszugeben hat. Gegenüber dieser Anfechtung kann sich die Bank nicht darauf berufen, dass sie schon vor der Zahlungsunfähigkeit aufgrund von Nr. 14 Abs. 1 AGB Banken (Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen) ein Pfandrecht an dem Anspruch ihres Kunden auf Gutschrift künftiger Eingänge und an dem Anspruch aus der Gutschrift5 erlangt habe. Zwar entsteht auch das Pfandrecht an einer künftigen Forderung mit seiner Bestellung6. Für die Anfechtbarkeit ist jedoch der Zeitpunkt maßgebend, in dem sich der Rechtserwerb vollendet oder der Erwerber zumindest eine gesicherte Rechtsposition im Sinne eines Anwartschaftsrechts erlangt hat7. Dies ist erst mit Erhalt der buchmäßigen Deckung der Fall8. c) Wissenszurechnung

3.239

Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hat die Bank nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem ein Geschäftsführer oder Vorstand der Bank von der Zahlungsunfähigkeit erfahren hat. Zwar wird dessen Kenntnis der Bank auch dann zugerechnet, wenn er das angefochtene Geschäft

1 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022 94. Lfg., § 130 Rn. 154; Kayser/ Freudenberg in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 130 Rn. 52. 2 Zum maßgeblichen Tagessaldo s. OLG Frankfurt v. 17.11.2010 – 9 U 7/10, ZIP 2010, 2463 = ZInsO 2010, 2402. 3 Kupka InVo 2005, 257; s. Rn. 3.137 zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Anspruchs auf Gutschrift. 4 BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250; BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, ZIP 2002, 1408 = ZInsO 2002, 721; BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, ZIP 2002, 1540 = ZInsO 2002, 876. 5 Zur Pfändbarkeit dieser Ansprüche s. BGH v. 4.7.1973 – VIII ZR 59/72, WM 1973, 892; BFH v. 20.12.1983 – VII R 80/80, ZIP 1984, 692 = WM 1984, 864; BGH v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, ZIP 1985, 339 = WM 1985, 344 = WuB VI E § 829 ZPO 2.85 Bruchner. 6 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334 = WM 1983, 213. 7 OLG München v. 22.12.1988 – BLw 15/87, BGHZ 106, 251 = WuB VI B § 30 Nr. 1 KO 2.89 Obermüller; BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080, BGH v. 24.10.1996 – XI ZR 284/95, WM 1996, 2250. 8 OLG München v. 22.12.1988 – BLw 15/87, BGHZ 106, 251 = WuB VI B § 30 Nr. 1 KO 2.89 Obermüller; BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250.

546 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.241 Dritter Teil

nicht abgeschlossen hat1. Wenn dagegen ein anderer Mitarbeiter der Bank tätig geworden ist, so kommt es für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit darauf an, ob und inwieweit dieser Mitarbeiter als Vertreter der Bank anzusehen ist2. Seine Kenntnis ist der Bank zuzurechnen, wenn er sie in Wahrnehmung seiner – wenn auch beschränkten – Befugnisse für die Bank gewonnen hat3. So muss sich die Bank beispielsweise die Kenntnis ihres Kassierers von der Zahlungsunfähigkeit eines Kunden zurechnen lassen, die er bei der Entgegennahme von Geldern gewonnen hat. Diese Kenntnis ermöglicht die Anfechtung der Verrechnung von Zahlungseingängen im Überweisungsverkehr, selbst wenn die im Überweisungsverkehr tätigen Mitarbeiter oder die Geschäftsleitung von der Zahlungsunfähigkeit noch nichts wissen4. Allgemein muss sich die Bank stets dasjenige Wissen zurechnen lassen, das bei sachgerechter Organisation dokumentiert und verfügbar ist, zu dessen Nutzung unter Berücksichtigung der geschäftlichen Bedeutung des Vorgangs Anlass bestand5 und dessen interner Weitergabe keine sog. Chinese Walls wie z.B. zwischen einer Emissionsabteilung und einer Kreditabteilung entgegenstehen6.

7. Eingänge nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Die Auswirkungen dieser Anordnungen auf die Möglichkeiten der Bank zur Verrechnung von Überweisungseingängen sind umstritten.

3.240

a) Allgemeines Verfügungsverbot Da die Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots den Bankvertrag und den Girovertrag nicht beendet (s. Rn. 2.15), ist die Bank nicht etwa gehindert, sondern weiterhin verpflichtet, Überweisungseingänge für den Kunden weiter seinem Konto gutzuschreiben7.

1 BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809; dies gilt aber nur für die Geschäftsführer juristischer Personen, nicht schon für den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG (BGH v. 17.5.1995 – VIII ZR 70/94, BB 1995, 1975). 2 Vgl. z.B. BGH v. 27.4.1995 – IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929 für einen mit der Abwicklung des Kreditgeschäfts betrauten Sachbearbeiter; BGH v. 18.1.2005 – XI ZR 201/03, WM 2005, 375 für Aufteilung eines Komplexes unter mehreren Filialen; umfassend zur Wissenszurechnung Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121 und oben Rn. 3.62 f. 3 BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809; BGH v. 1.6.1989 – III ZR 261/87, WM 1989, 1364; BGH v. 1.6.1989 – III ZR 277/87, WM 1989, 1368; OLG München v. 27.4.1992 – 26 U 6853/91, WM 1992, 1166; Schultz NJW 1990, 477; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, 1996, S. 140. 4 BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809. 5 BGH v. 15.4.1997 – XI ZR 105/96, ZIP 1997, 1023 = WM 1997, 1092; BGH v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, ZIP 2001, 26 = WM 2000, 2515 und oben Rn. 3.62 ff. 6 OLG München v. 8.7.2004 – 19 U 1980/04, ZIP 2004, 2451. 7 LG Bremen v. 28.10.1981 – 3 O 3565/80a, ZIP 1982, 201; BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192; BGH v. 17.6.1997 – XI ZR 239/96, ZIP 1997, 1540; Wittig WM 1995, 865.

Büchel | 547

3.241

Dritter Teil Rz. 3.242 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.242

Sie kann die eingegangenen Gelder durch Einstellung in das Kontokorrent zur Verrechnung mit dem debitorischen Saldo bringen. Das Verfügungsverbot hat zwar die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben1. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner2. Demgemäß darf der Kunde auch keine Verrechnungsvereinbarungen mehr schließen3. Die dem Kontokorrent zugrunde liegende Verrechnungsabrede ist jedoch bereits vor dem Verfügungsverbot getroffen und wirkt grundsätzlich als Vorausverfügung. Bestehende Vorausverfügungen werden nicht schon durch ein allgemeines Verfügungsverbot, sondern erst durch die Verfahrenseröffnung unwirksam4. Gegen damit verbundene Schmälerungen der künftigen Masse im Eröffnungsverfahren gewähren die Anfechtungsvorschriften angemessenen Schutz, so dass eine Vorverlegung der Wirkungen des Insolvenzbeschlags nicht notwendig ist.

3.243

Auch die bisher vertretene Gegenmeinung, die eine Beendigung der antizipierten Verrechnungsabrede des Kontokorrentvertrages durch ein Verfügungsverbot annahm5, führte wirtschaftlich nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Bank kann nämlich durch eine Aufrechnung die gleichen Wirkungen auslösen wie durch eine Kontokorrentverrechnung6. Nach ganz überwiegender Meinung wird das Recht der Bank zur Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) durch das

1 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26. 2 OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14. 3 OLG Koblenz v. 29.11.1983 – 3 U 1638/82, ZIP 1984, 164; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626 = WuB VI A § 59 VglO 1.86 Obermüller; OLG Schleswig v. 23.3.1995 – 5 W 47/94, ZIP 1995, 759. 4 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, ZInsO 2007, 213; OLG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204; OLG Köln v. 30.4.2008 – 2 U 19/07, NZI 2008, 373; OLG Düsseldorf v. 19.2.2020 – I-12 U 52/19, ZInsO 2020, 2387; LG Rostock v. 30.20.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992; zurückhaltend Blankenburg in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022 94. Lfg., § 24 Rn. 17. 5 OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626; OLG Koblenz v. 29.11.1983 – 3 U 1638/82, ZIP 1984, 164; Nobbe KTS 2007, 397. 6 Nobbe KTS 2007, 397.

548 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.243a Dritter Teil

Verfügungsverbot nicht berührt1. Das Verfügungsverbot betrifft nämlich nur Verfügungen des Schuldners, nicht aber Rechtshandlungen des Gläubigers2. Zwar sollte im Geltungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung die Aufrechnung gegen Forderungen, die erst nach dem Eingang des Eröffnungsantrags bei Gericht begründet werden, unzulässig sein, soweit ein Verfügungs- und ein Vollstreckungsverbot erlassen sind und es später zur Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens kommt3. Dies begründete der BGH mit der besonderen Funktion des § 2 Abs. 4 GesO, der dem Gericht die vorläufige Einstellung „eingeleiteter anderweitiger Vollstreckungsmaßnahmen“ gebietet, in Zusammenwirkung mit dem Verbot des § 394 BGB für die Aufrechnung gegen unpfändbare Forderungen. Dadurch sollte die Lücke geschlossen werden, die der Gesetzgeber im Bereich der Gesamtvollstreckungsordnung geöffnet hatte, indem er die Anfechtung nur von Rechtshandlungen des Schuldners, nicht aber von Rechtshandlungen Dritter gestattete (§ 10 Abs. 1 GesO)4. Derartige Lücken hat die InsO für die Aufrechnung jedoch nicht offengelassen; auch hat sie die Zulässigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausführlich geregelt. Anders als § 2 Abs. 4 GesO stellt § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO die Anordnung der Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen in das Ermessen des Gerichts, während Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen grundsätzlich fortgeführt und nur unter Auflagen an den Verwalter eingestellt werden dürfen (§§ 30d ff. ZVG). Die Aufrechnung und deren Anfechtung sind in §§ 94 ff. InsO abschließend geregelt, so dass für eine zusätzliche Analogie zu § 394 BGB kein Raum bleibt5. Auch werden die Aufrechnungsverbote des § 96

1 BGH v. 20.10.1986 – II ZR 293/85, WM 1987, 603 = WuB VI A § 59 VglO 1.87 Obermüller; BGH v. 7.12.1989 – IX ZR 228/89, ZIP 1990, 112; OLG Köln v. 15.4.1998 – 22 U 143/96 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 4.6.1998 – IX ZR 165/97, ZInsO 1998, 141; BGH v. 9.3.2000 – IX ZR 355/98, ZInsO 2000, 284; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626; OLG Koblenz v. 29.11.1983 – 3 U 1638/82, ZIP 1984, 164; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204; OLG Brandenburg v. 12.3.2002 – 7 U 131/02, OLGReport 2003, 357; AG Stuttgart v. 31.8.1995 – 8 J 3093/95; Edelmann WiB 1995, 992; Wittig WM 1995, 865; offengelassen von OLG Schleswig v. 23.3.1995 – 5 W 47/94, ZIP 1995, 759; a.A. OLG Stuttgart v. 4.2.1994 – 2 U 93/ 93, WM 1994, 803 und LG Düsseldorf v. 10.4.1996 – 26 O 245/95, ZIP 1996, 1390, die in offensichtlicher Unkenntnis der entgegenstehenden BGH-Rspr. § 55 KO analog anwenden wollten, und OLG Dresden v. 13.11.1997 – 4 U 1837/97, ZIP 1998, 432; OLG München v. 22.5.1998 – 21 U 6383/97, NZI 1999, 201. 2 Wittig WM 1995, 865. 3 BGH v. 13.6.1995 – IX ZR 137/94, ZIP 1995, 1200; BGH v. 21.3.1996 – IX ZR 195/95, WM 1996, 834; BGH v. 18.4.1996 – IX ZR 206/95, WM 1996, 1063; BGH v. 20.1.2000 – IX ZR 58/99, ZIP 2000, 364; OLG Brandenburg v. 4.3.1999 – 8 U 31/98, ZInsO 1999, 351; zustimmend im Ergebnis, aber kritisch zur Begründung Fischer FS Fuchs, 1996, 157 ff.; a.A. OLG Dresden v. 19.4.1994 – 3 U 47/94, WM 1994, 1138; OLG Thüringen v. 14.3.1995 – 5 U 508/94, WM 1995, 858; BezG Potsdam v. 5.11.1993 – 8 S 18/93; LG Görlitz v. 14.1.1994 – 1 O 586/93; Wittig WM 1995, 865 und in der Begründung Eckardt ZIP 1995, 1146; ausgenommen davon sind Eingänge zur Begleichung von Forderungen, die der Bank zur Sicherung abgetreten waren (BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 318/ 99, ZInsO 2000, 101). 4 Kreft (KTS 2004, 205) begründet dies mit systematischen und teleologischen Erwägungen; für eine Auslegung entgegen dem Wortlaut des Gesetzes mit dem Ziel der Anfechtbarkeit auch von Rechtshandlungen Dritter Fischer ZIP 1997, 717 und LG Halle v. 15.8.1997 – 7 O 83/97, ZIP 1997, 1849. 5 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZInsO 2004, 852; BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03, ZInsO 2005, 94; OLG Dresden v. 12.3.1998 – 4 U 3256/97, ZIP 1998, 609; Ganter, Die neue Insolvenzordnung – Erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft, Bankrechtstag 1999, 27;

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3.243a

Dritter Teil Rz. 3.243a | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

InsO nicht auf den Zeitpunkt der Anordnung des Verfügungsverbots vorverlegt1. Eine analoge Anwendung der Vorschriften über das eröffnete Verfahren auf das Antragsverfahren ist wegen des abschließenden Charakters der Verweisungen2 und des klaren Wortlauts3 in §§ 20 ff. InsO nicht möglich. Die Aufrechnung hätte allerdings ausdrücklich erklärt werden müssen; eine kommentarlose Verbuchung auf dem Konto hätte nicht genügt.

3.244

Das Insolvenzgericht kann die Verrechnung nicht dadurch verhindern, dass es im Antragsverfahren als einstweilige Sicherungsmaßnahme die Verrechnung von Zahlungseingängen verbietet4. Lediglich dem Schuldner können durch allgemeines oder besonderes Verfügungsverbot Aufrechnungen untersagt werden, die Bank als Dritter ist nicht Adressat eines Verfügungsverbots nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO und als eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO kann die Aufrechnung auch nicht eingestuft werden. Die Bank kann also das „Verbot“ ignorieren und sich später mit dem Verwalter auseinandersetzen, ob er die Auf- bzw. Verrechnungen etwa anfechten kann. b) Einsetzung eines vorläufigen Verwalters

3.245

Wenn das Gericht zusätzlich zu dem allgemeinen Verfügungsverbot einen vorläufigen Verwalter einsetzt, ändert dies für Überweisungseingänge nichts an den oben dargestellten Auswirkungen. Auch die Anordnung des Gerichts, die die Verfügungen des Schuldners an die Zustimmung des vorläufigen Verwalters bindet (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO), führt nicht zu einem Aufrechnungsverbot5. Erst recht haben die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters, der nur mit Prüfungsaufgaben betraut wird, eines vorläufigen Sachwalters im Antragsverfahren für eine Eigenverwaltung (§ 270a InsO) oder im Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) keinen Einfluss auf die Aufrechnungsbefugnis und ebenso wenig auf die Wirksamkeit der antizipierten Verrechnungsabrede; Überweisungseingänge können also weiterhin gutgeschrieben und verrechnet werden6.

8. Herausgabe anfechtbar verrechneter Eingänge 3.246

Wenn die Bank erkennt oder dem vorläufigen Verwalter zugestehen muss, dass Verrechnungen von Zahlungseingängen mit dem debitorischen Saldo anfechtbar sind, so kann sie ihm die verrechneten Beträge zwar herausgeben, wenn er mit der Befugnis zur Kassenführung ausgestattet ist, muss es aber nicht. Denn das Anfechtungsrecht steht ihm erst im eröffneten Verfahren zu. Sie darf also abwarten, ob es überhaupt zur Verfahrenseröffnung kommt, läuft dabei allerdings Gefahr, Zinsen auf den zurückzugewährenden Betrag zahlen zu müssen. Bis zum 5.4.2017 konnte der Verwalter ab Verfahrenseröffnung Zinsen in Höhe von 5 % über

1 2 3 4 5 6

Pape NJW 1997, 2777; Steinhoff ZIP 2000, 1141; a.A. KG v. 25.2.2000 – 7 W 602/00, ZInsO 2000, 229. OLG Köln v. 15.4.1998 – 22 U 143/96, ZInsO 1998, 141 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 4.6.1998 – IX ZR 165/97; Steinhoff ZIP 2000, 1141. Onusseit KTS 1994, 3. BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191 = ZInsO 2007, 91. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZInsO 2004, 852; OLG Rostock v. 21.8.2003 – 1 U 197/01, ZIP 2003, 1805. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558 = ZInsO 2004, 852. Steinhoff ZIP 2000, 1141.

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A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.248 Dritter Teil

dem Basiszinssatz beanspruchen1. Für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung seit Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung, wie z.B. der Verrechnung im Kontokorrent, konnte er zwar nicht die pauschalen Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz, wohl aber Herausgabe der sog. Nutzungen fordern. Als Nutzungen konnten z.B. die tatsächlich mit dem Anfechtungsbetrag erwirtschafteten Tageszinsen angesehen werden. Für den Zeitraum nach dem 5.4.2017 kann er nur noch Zinsen bei Verzug der Bank oder ab Rechtshängigkeit verlangen (Einzelheiten s. Rn. 1.375 ff.).

9. Eingänge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bankkunden ist die Bank grundsätzlich weder berechtigt noch verpflichtet, für ihn eingehende Beträge auf dem Girokonto zu verbuchen2. Denn das Kontokorrentverhältnis ist erloschen.

3.247

a) Entgegennahme von Zahlungseingängen im Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter Allerdings kann die Bank im Einzelfall im Einvernehmen oder im Interesse des Insolvenzverwalters noch Überweisungseingänge entgegennehmen (s. Rn. 2.243, 3.125)3. Sie kann sie dann aber nicht mehr durch Gutschriften auf dem debitorischen Konto des Schuldners automatisch verrechnen und hierdurch ihre Forderung gegen den Schuldner reduzieren4. Auch eine Aufrechnung der Bank mit ihrem Anspruch aus dem Debetsaldo des Schuldners gegen dessen „nachvertraglichen“ Anspruch auf Herausgabe des von der Bank entgegengenommenen Geldbetrages5 ist gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen6. Denn nach dieser Vorschrift kann die Bank nicht aufrechnen, wenn sie aufgrund eines Überweisungseingangs nach Insolvenzeröffnung dem Kunden etwas schuldig geworden ist. Dagegen ist eine Aufrechnung möglich, wenn der Überweisungseingang vor Verfahrenseröffnung lag7. Ob eine Überweisung vor oder nach Insolvenzeröffnung eingegangen ist, richtet sich danach, zu welchem Zeitpunkt die Bank Deckung erhalten hat (s. dazu Rn. 3.137). Die Vermutung des § 81 Abs. 3 InsO, dass Rechtshandlungen am Tage der Insolvenzeröffnung erst nach der Stunde der Eröff-

1 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, ZInsO 2007, 261; OLG Hamm v. 16.5.2006 – 27 U 190/05, ZInsO 2006, 1170; auch dem Fiskus als Anfechtungsgegner wird keine Ausnahme zugestanden (BGH v. 24.5.2012 – IX ZR 125/11, ZIP 2012, 1299 unter Aufhebung der gegenteiligen Entscheidung des OLG Hamm v. 12.7.2011 – I-27 U 25/11, ZIP 2011, 1676; OLG Köln v. 20.6.2007 – 2 U 4/07, ZIP 2007, 1959; LG Dresden v. 16.11.2012 – 10 O 1993/12, ZInsO 2012, 2345). 2 BGH v. 5.12.2006 – XI ZR 21/06, ZIP 2007, 319 mit Anm. Sethe BKR 2008, 16; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZInsO 2015, 742 Rn. 9; OLG Rostock v. 31.7.2006 – 3 U 161/05, ZIP 2006, 1872; a.A. Herresthal WM 2013, 773, der eine Nachwirkung der Kontoabrede für eine angemessene Zeit annimmt, die bis zu einem Jahr reichen soll; s. Rn. 2.102. 3 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZInsO 2015, 742 Rn. 9; BFH v. 22.11.2011 – VII R 27/11, ZIP 2012, 513 = DB 2012, 271 (s. dort auch zu der Frage, gegen wen sich der Bereicherungsanspruch des Zahlenden im Fall einer Fehlüberweisung richtet); Heinze InsBüro 2019, 488. 4 Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1978, § 355 Anm. 117; Kübler BB 1976, 802; a.A. LG Nürnberg-Fürth v. 21.1.1977 – 5 HKO 855/76, WM 1977, 852. 5 BGH v. 21.3.1995 – XI ZR 189/94, ZIP 1995, 659 = WM 1995, 745; Kübler BB 1976, 802. 6 AG Königswinter v. 6.12.1995 – 3 C 440/95, ZIP 1996, 243; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 303. 7 BGH v. 28.11.1977 – II ZR 110/76, WM 1978, 58.

Büchel | 551

3.248

Dritter Teil Rz. 3.248 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

nung (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO) ausgeführt wurden, gilt nicht für Gutschriften und Verrechnungen, da diese von der Bank und nicht vom Schuldner vorgenommen werden1.

3.249

Für die Unzulässigkeit der Reduzierung des bei Verfahrenseröffnung bestehenden debitorischen Saldos durch nachträgliche Eingänge kommt es nicht darauf an, ob die Bank bei Entgegennahme der Zahlung von der Verfahrenseröffnung Kenntnis hatte. Zwar gelten Geschäftsbesorgungsverträge und damit auch der Girovertrag als fortbestehend, wenn die Bank die Verfahrenseröffnung ohne Verschulden nicht kennt (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO). Dazu wurde in Rechtsprechung und Schrifttum zur Konkursordnung teilweise die Auffassung vertreten, ein Konkursgläubiger, der nach Konkursbeginn aufgrund eines ihm gegenüber als fortbestehend fingierten Geschäftsbesorgungsvertrages etwas für die Masse erlange, könne gegen die Forderung auf Herausgabe des Erlangten mit einer Konkursforderung aufrechnen2. Dies hat der BGH jedoch nur für besonders gelagerte Fälle wie insbesondere Inkassoaufträge oder Aufträge an Rechtsanwälte zur gerichtlichen Eintreibung von Forderungen akzeptiert; es könne gerechtfertigt sein, die Herausgabeverpflichtung als vor Konkurseröffnung gesetzlich begründet und nur noch durch den Zahlungseingang bedingt anzusehen mit der Folge, dass das Aufrechnungsverbot des § 55 Abs. 1 Nr. 1 KO nicht eingreife3. Die Bank wird zwar bei der Entgegennahme der Überweisung und deren Gutschrift auch im Rahmen des Girovertrages tätig, nicht jedoch aufgrund eines ihr von dem Kunden erteilten besonderen und auf eine bestimmte Tätigkeit gerichteten Auftrags, aus dem hergeleitet werden könnte, dass der Herausgabeanspruch im Kern schon vor der Verfahrenseröffnung bestanden habe4. Damit scheidet eine Aufrechnung aus. Daran hat auch die InsO nichts geändert. b) Entgegennahme von Zahlungseingängen auf abgetretene Forderungen

3.250

Wenn allerdings die Forderung, die der Überweisungsauftraggeber begleichen wollte, der Bank zur Sicherung abgetreten war, erhält die Bank die Zahlung als wahre Berechtigte unabhängig von einer etwaigen Offenlegung5. In einem solchen Fall ist auch die Verrechnung mit dem debitorischen Saldo zulässig, denn ohne diese hätte der Insolvenzverwalter die Zahlung als Sicherheitenerlös an die Bank herausgeben müssen; er war zwar seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einziehungsberechtigt, aber auch herausgabeverpflichtet6. Unzulässig kann die Verrechnung daher allenfalls in Höhe des Feststellungskostenbeitrags sein, den der Verwalter von der Bank beanspruchen kann7. c) Entgegennahme von Zahlungseingängen ohne Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter

3.251

Wenn die Bank trotz der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Kunden noch Zahlungseingänge für ihn entgegennimmt, ohne vorher entsprechendes Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter hergestellt zu haben, muss sie trotz des erloschenen Girovertrages in dessen Nachwirkung den Überweisungsbetrag dem Konto, sofern es noch nicht ab1 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 zu dem insoweit gleichen § 7 Abs. 3 KO. 2 Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 55 Rn. 7; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl. 1979, § 55 Rn. 7; LG Hamburg v. 14.8.1961 – 25 S 2/61, MDR 1962, 304. 3 BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 719; BGH v. 7.7.2003 – II ZR 271/00, WM 2003, 1717. 4 RG v. 21.1.1903 – I 258/02, RGZ 53, 327; BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 719. 5 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 303. 6 Cranshaw DZWIR 2008, 397. 7 BGH v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42 = ZInsO 2003, 1137.

552 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.252 Dritter Teil

gewickelt ist, gutschreiben1. Wie lange die nachvertragliche Befugnis zur weiteren Zahlungsentgegennahme zeitlich fortbesteht, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Grundsätzlich ist die Bank jedenfalls so lange noch zur Entgegennahme eingehender Zahlungen befugt, bis der Insolvenzverwalter ihr seine Entscheidung mitteilt, wie mit dem Konto und darauf eingegangenen Beträgen verfahren werden soll2. Dazu muss sie den Insolvenzverwalter über den Zahlungseingang benachrichtigen. Dann ist es Aufgabe des Insolvenzverwalters, die Unzulässigkeit der Verrechnung geltend zu machen. Dagegen kann der Überweisungsauftraggeber die Bank nicht auf Rückzahlung in Anspruch nehmen. Selbst wenn der Insolvenzverwalter sich gegen die Verrechnung nicht wehrt, kommt ein Anspruch des Überweisungsauftraggebers gegen die Bank (z.B. des Fiskus aus § 37 AO) nicht in Betracht3. Denn diese ist lediglich Zahlstelle und nicht Leistungsempfänger. Daran ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass der Kontokorrentvertrag durch die Verfahrenseröffnung erloschen ist4 und die Bank die Zahlungen nur aufgrund von nachvertraglichen Pflichten oder in Absprache mit dem Insolvenzverwalter entgegennimmt. Die Verrechnung der Gutschrift mit einem bestehenden Schuldsaldo ist in dem banküblichen Kontokorrentverhältnis begründet und stellt deshalb keine eigene Zweckbestimmung der Bank über die Verwendung der eingegangenen Überweisung dar. Mit seiner Überweisung auf ein vom Überweisungsempfänger angegebenes Konto will der Überweisende nicht zugunsten des Kreditinstituts, sondern mit befreiender Wirkung gegenüber dem Anspruchsberechtigten leisten, der das Konto angegeben hat5. Das Kreditinstitut ist selbst dann nicht Leistungsempfänger, sondern lediglich die vom Überweisenden bezeichnete Zahlstelle, wenn es das Konto vor der Überweisung gekündigt hat und die Überweisung gleichwohl auf dem intern weitergeführten Konto verbucht6. Denn es erfüllt damit eine eigene nachvertragliche Pflicht aus dem Girovertrag, während sich die Leistung zwischen dem Überweisenden, der die fehlgehende Zahlung veranlasst hat, und dem Überweisungsempfänger vollzieht. Ob die Bank im Innenverhältnis zu dem Überweisungsempfänger berechtigt war, die Gutschrift zu verrechnen, oder ob der Überweisungsempfänger aus einem abstrakten Schuldversprechen bzw. -anerkenntnis gemäß §§ 780 f. BGB oder unmittelbar aus §§ 667, 681 Satz 2, § 677 BGB einen – ggf. pfändbaren – Anspruch auf Herausgabe des Betrages hatte, wirkt sich auf die Beziehung der Bank zu dem Überweisungsauftraggeber nicht aus7.

3.251a

Manche Kreditinstitute haben jedoch versucht, Zahlungen, die nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eintreffen, ohne vorherige Gutschrift auf dem (erloschenen) Konto heimlich zu vereinnahmen: So hat eine Sparkasse Überweisungen zugunsten eines früheren Kunden nicht mehr – in Nachwirkung des erloschenen Girovertrags – dessen bereits erloschenem Konto gutgeschrieben bzw. an den Insolvenzverwalter weitergeleitet, sondern weisungswidrig auf einem allgemeinen Treuhand-Abwicklungskonto verbucht, ohne ihren früheren Kunden über den Zahlungseingang zu informieren. Solche Vorgänge sind im Verhältnis des Überwei-

3.252

1 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZIP 2015, 738 = ZInsO 2015, 742 Rn. 9; Heinze InsBüro 2019, 488. 2 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZIP 2015, 738 = ZInsO 2015, 742 Rn. 10. 3 BFH v. 1.12.2011 – VII R 23/11, ZInsO 2012, 1142. 4 BFH v. 10.11.2009 – VII R 6/09, ZIP 2010, 315. 5 BFH v. 1.12.2011 – VII R 23/11, ZInsO 2012, 1142. 6 BFH v. 23.10.2012 – VII R 63/11, ZInsO 2013, 846; zur Überschreitung der Zahlstellenfunktion bei Abwicklung über CpD und Sicherungsabtretung an die Bank vgl. BGH v. 20.3.2019 – VIII ZR 88/18, ZIP 2019, 856 = WM 2019, 777. 7 BFH v. 1.12.2011 – VII R 23/11, ZInsO 2012, 1142.

Büchel | 553

Dritter Teil Rz. 3.252 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

senden bzw. seiner Bank zur Empfängerbank rückabzuwickeln1. An den gefestigten Grundsätzen der Rechtsprechung zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung in den sog. Anweisungsfällen ist nämlich auch nach der Regelung des Rechts der Zahlungsdienste in §§ 675c ff. BGB in Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie festzuhalten, d.h. der Bereicherungsausgleich vollzieht sich grundsätzlich innerhalb des jeweiligen fehlerhaften Leistungsverhältnisses2. Die Buchung hat bereicherungsrechtlich nicht zu einer Zuwendung an den Überweisungsempfänger geführt. Die Bank kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe nachvertragliche Pflichten erfüllen wollen, denn dann hätte sie die Gelder an den Insolvenzverwalter weiterleiten müssen. Aber gerade das wollte sie nicht. Vielmehr hat sie eine eigene Zweckbestimmung über die Verwendung der eingegangenen Überweisung getroffen und damit ihre Rolle als neutrale Zahlungsmittlerin verlassen. Der Überweisungsauftraggeber ist deshalb mit einem etwaigen Rückforderungsanspruch nicht auf die Insolvenzmasse verwiesen, sondern kann ihn gegen die Bank geltend machen.

3.252a

Ein Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters gegen seine frühere Bank besteht dagegen nicht. Dies ist zwar rechtlich zutreffend, für den Insolvenzverwalter aber misslich. Er muss den Überweisungsauftraggeber erneut auf Zahlung in Anspruch nehmen, kann aber dort nur wenig Verständnis erwarten. Denn jetzt muss der Überweisungsauftraggeber zum zweiten Mal zahlen und sich wegen der Rückerstattung mit dem Kreditinstitut auseinandersetzen, das seine Pflicht, den Überweisungsbetrag dem Kunden zugutekommen zu lassen, nicht erfüllt hat, sich gleichwohl (zu Unrecht) mit dem Einwand zur Wehr setzen wird, es habe den Zahlungseingang mit seinen Forderungen gegen den Überweisungsempfänger verrechnet. Um die Durchsetzung zu erleichtern, empfiehlt es sich für den Insolvenzverwalter, zu versuchen, sich von dem Überweisungsauftraggeber dessen Ansprüche gegen die Empfängerbank abtreten zu lassen. d) Entgegennahme von Zahlungseingängen und Zulassung von Zahlungsausgängen

3.253

Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn die Bank in Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung nicht nur eingehende Zahlungen entgegennimmt, sondern in der Annahme, dass durch diese Eingänge entsprechende Deckung geschaffen sei, auch noch Ausgänge zulässt. In diesem Fall muss die Bank dem Verwalter von den Zahlungseingängen nur denjenigen Betrag herausgeben, der die Summe der Zahlungsausgänge übersteigt3. Dieses Ergebnis ließe sich am einfachsten damit begründen, dass der Girovertrag nach §§ 116, 115 Abs. 2, 3 InsO – wie erwähnt (s. Rn. 3.54) – als fortbestehend gilt und sich diese Fiktion auch auf sein wichtigstes Element, die Kontokorrentabrede4, ohne die der Girovertrag in der Praxis gar nicht mehr durchgeführt werden kann, erstreckt. Dies hat der BGH jedoch abgelehnt5. Das führt zwar zunächst dazu, dass sich sämtliche nach der Verfahrenseröffnung anlaufenden Eingänge addieren und deshalb an den Verwalter herausgegeben werden müssten. Dabei würde aber unberücksichtigt bleiben, dass die Bank mit der Ausführung von Überweisungsaufträgen aus den 1 OLG Rostock v. 31.7.2006 – 3 U 161/05, BKR 2007, 169; OLG Karlsruhe v. 30.3.2011 – 17 U 56/ 09, ZIP 2011, 1705 = ZInsO 2012, 1142; OLG Karlsruhe v. 14.7.2017 – 9 U 170/15, WM 2018, 516; wohl auch OLG Koblenz v. 8.2.2008 – 8 U 11/07, WM 2009, 112. 2 AG Hamburg-Harburg v. 24.4.2013 – 642 C 2/13, BKR 2013, 393; kritisch zur Disharmonie von Bereicherungs- und Zahlungsdiensterecht Omlor JM 2014, 315. 3 Steinhoff ZIP 2000, 1141. 4 BGH v. 29.1.1979 – II ZR 148/77, WM 1979, 417; BGH v. 21.12.1970 – II ZR 52/68, WM 1971, 178; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 319 m.w.N. 5 BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 719.

554 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.257 Dritter Teil

Guthabenposten, die durch die Addition der Zahlungseingänge entstanden sind, eine Leistung an den insolventen Kontoinhaber erbringt1. Wenn die Bank im Zeitpunkt des Zahlungsausgangs von der Verfahrenseröffnung keine Kenntnis hat, wird sie von ihrer Schuld befreit (§ 82 InsO). Es kommt anders als bei der Fiktion des Fortbestehens von Giroverträgen nach §§ 116, 115 Abs. 3 InsO nicht darauf an, ob die Unkenntnis der Bank auf Fahrlässigkeit beruht.

10. Eingänge nach Einstellung des Insolvenzverfahrens Ergibt sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dass eine den Kosten des Verfahrens entsprechende Insolvenzmasse nicht vorhanden ist, so ist das Verfahren einzustellen (§ 207 InsO). Stellt sich dies schon im Insolvenzantragsverfahren heraus, so ist der Eröffnungsantrag mangels Masse abzuweisen (§ 26 Abs. 1 InsO). Bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung hat die rechtskräftige Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse bzw. die Eröffnung des Verfahrens die Auflösung der Gesellschaft zur Folge (§ 262 Abs. 1 Nr. 3, 4, § 289 Abs. 1, 2 Nr. 1 AktG, § 161 Abs. 2, § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB, § 60 Abs. 1 Nr. 4, 5 GmbHG). Die Gesellschaft besteht als aufgelöste Gesellschaft fort2 und wird von den Liquidatoren abgewickelt.

3.254

Gehen bei der Bank noch Überweisungen zugunsten der Schuldnerin ein, so ist zwar das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entfallen3, jedoch kann die Bank die Beträge dem Konto der aufgelösten Gesellschaft nicht mehr gutschreiben, wenn das Insolvenzverfahren bereits eröffnet und dann mangels Masse wieder eingestellt worden ist. Denn in diesem Fall ist das Kontokorrentverhältnis durch die Insolvenzeröffnung beendet worden4. Die Bank muss den eingegangenen Betrag daher auf CpD nehmen, da ein entsprechendes Konto fehlt. Hat der Saldenabschluss des Kontokorrents eine Forderung für die Bank ergeben, so kann sie jetzt mit dieser Forderung gegen die Forderung der Liquidationsgesellschaft aus dem CpD aufrechnen5.

3.255

Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens dagegen mangels Masse abgelehnt worden, so besteht das Kontokorrentverhältnis fort, sofern es nicht von der Bank gekündigt worden ist. In diesem Fall kann die Bank eine Gutschrift erteilen. Eine etwaige Forderung der Bank ermäßigt sich entsprechend.

3.256

11. Eingänge im Planverfahren Nach der Rechtskraft der Bestätigung des Plans wird das Insolvenzverfahren aufgehoben (§ 258 InsO). Damit erhält der Kunde das Recht zurück, frei über die Insolvenzmasse zu verfügen (§ 259 InsO). Zur Entgegennahme von Überweisungseingängen ist der Kunde damit

1 BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, ZIP 2001, 1239; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, WM 1989, 1816 = WuB VI C § 106 KO 1.90 Obermüller; OLG Karlsruhe v. 17.9.2003 – 1 U 167/02, ZInsO 2003, 999. 2 BGH v. 4.6.1957 – VIII ZR 68/56, LM Nr. 1 zu § 74 GmbH-Gesetz; BGH v. 29.9.1967 – V ZR 40/ 66, NJW 1968, 297, 298. 3 BFH v. 13.12.2016 – VII R 1/15, ZIP 2017, 934 = ZInsO 2017, 843. 4 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137. 5 Vgl. allgemein zur Verrechnung von Eingängen mit dem Saldo eines beendeten Kontokorrents LG Memmingen v. 12.5.1980 – 3 S 98/80, MDR 1980, 1019 = VersR 1981, 195; zum Wegfall des Aufrechnungsverbots mit Verfahrenseinstellung K. Schmidt ZIP 1982, 9.

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3.257

Dritter Teil Rz. 3.257 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

wieder berechtigt. Ebenso kann die Bank die Beträge, die auf einem vom Kunden neu eröffneten Konto oder vom Verwalter eröffneten und von dem Kunden fortgeführten Konto eingehen, gutschreiben und im Kontokorrent verrechnen. Auf diesem Weg kann sie auch ihre aus der Bestätigung des Plans verbliebenen Forderungen reduzieren.

3.258

Der Kunde erhält auch dann die Verfügungsbefugnis wieder zurück, wenn sich an die Bestätigung des Plans ein Überwachungsverfahren anschließt. Allerdings kann im Plan vorgesehen sein, dass bestimmte Rechtsgeschäfte an die Zustimmung des Verwalters gebunden sind (§ 263 InsO). Die Entgegennahme von Überweisungseingängen dürfte dazu nur in den seltensten Fällen gehören.

3.259–3.299

frei

III. Sonderfälle von Überweisungsaufträgen 1. Daueraufträge 3.300

Für Zahlungen, die regelmäßig in gleicher Höhe wiederkehren wie z.B. Mieten, Vereinsbeiträge, Versicherungsprämien usw., erteilen viele Schuldner ihren Banken Dauer-Überweisungsaufträge. Diese Daueraufträge stellen sich im Rahmen der Girobeziehung zwischen dem Kunden und der beauftragten Bank ebenso wie die Einzelüberweisung als Überweisungsaufträge im Sinne des § 675f Abs. 3 BGB dar, deren Besonderheit darin liegt, dass sie sich auf eine unbestimmte Vielzahl von einzelnen Überweisungsvorgängen erstrecken1.

3.301

Für die Behandlung von Daueraufträgen bei Insolvenz des Auftraggebers oder Empfängers gelten dieselben Grundsätze wie für einzelne Überweisungsaufträge, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann (s. Rn. 3.7 ff.).

2. Unwiderrufliche und bestätigte Überweisungsaufträge 3.302

Gelegentlich erteilen Kunden ihrer Bank Überweisungsaufträge mit der Maßgabe, dass ein Widerruf bzw. eine Kündigung des Auftrags ausgeschlossen sein soll2. Für die Insolvenz des Begünstigten einer solchen Überweisung ergeben sich gegenüber den oben dargestellten Grundsätzen keine Besonderheiten, wohl aber im Fall einer Insolvenz des Auftraggebers. Wie unwiderrufliche Überweisungsaufträge bei Insolvenz des Auftraggebers zu behandeln sind, hängt davon ab, wer von den Beteiligten aus dem Ausschluss des Widerrufs Rechte herleiten kann. Dies wiederum richtet sich danach, ob der Auftrag dem Interesse des Auftraggebers oder dem des Beauftragten dient3 und ob die Bank dem Überweisungsempfänger eine Bestätigung erteilt hat. a) Bestätigte Überweisungsaufträge

3.303

Praktische Bedeutung kommt nur denjenigen unwiderruflichen Überweisungsaufträgen zu, mit denen die Bank beauftragt wird, dem Begünstigten die Unwiderruflichkeit ausdrücklich

1 Zahrte BKR 2012, 12; LG Frankfurt v. 26.8.2014 – 2-07 O 261/14, WM 2014, 1956. 2 Zur Wirkung der Vereinbarung einer Bank mit dem Kontoinhaber, Verfügungen nur zugunsten bestimmter Dritter zuzulassen, s. OLG Düsseldorf v. 16.11.2007 – I-17 U 3/07, WM 2008, 1398. 3 RG v. 29.3.1939 – VI 231/38, RGZ 160, 122 (127).

556 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.305 Dritter Teil

zu bestätigen1. Es handelt sich dabei meist um Aufträge, die nicht sofort, sondern erst zu einem bestimmten Termin oder nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ausgeführt werden sollen. Ein solcher Auftrag ist einer Finanzierungsbestätigung2, wie sie Banken insbesondere im Bereich der Bau- und Grundstücksankaufsfinanzierung oft abgeben, grundsätzlich nicht gleichzustellen. Das Wesen einer Finanzierungsbestätigung ist nämlich in der Auskunft zu sehen3, dass die Bank ihrem Kunden einen Kredit eingeräumt und die unwiderrufliche Weisung des Kunden zur Auszahlung der Valuta an seinen Vertragspartner erhalten hat4. Damit gibt sie ihr Recht, die Auszahlung aus Gründen zu verweigern, die in der Person ihres Kunden liegen, wie z.B. wegen einer Kündigung des Kredits nach Nr. 19 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 AGB Sparkassen5), nicht auf6. Anders verhält es sich dagegen bei Zusagen der Bank, Zahlungen an den Begünstigten einer Überweisung zu leisten, wenn die Zahlungspflicht der Bank lediglich von Umständen abhängt, deren Eintritt sie nicht beeinflussen kann7. Bestätigt die Bank z.B. dem Begünstigten, dass sie den unwiderruflichen Überweisungsauftrag erhalten habe und ihn weisungsgemäß ausführen werde, so erwirbt der Begünstigte damit einen eigenen Anspruch gegen die Bank8. Die Bestätigung der Bank stellt für den Begünstigten die Sicherheit dar, dass er den Betrag, den ihm der Überweisungsauftraggeber schuldet, tatsächlich bekommt.

3.304

b) Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens Abweichungen von den oben dargestellten Grundsätzen ergeben sich bei unwiderruflichen bzw. unkündbaren – bestätigten – Überweisungsaufträgen in den Fällen, in denen – die Bestätigung dem Überweisungsempfänger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftraggebers oder Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts erteilt, der Überweisungsauftrag aber erst nach und in Kenntnis der Insolvenzeröffnung bzw. des Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts ausgeführt oder – die Bestätigung dem Überweisungsempfänger zwar nach Insolvenzeröffnung oder Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts, aber ohne Kenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung oder der Verbotsanordnung erteilt und der Auftrag in Kenntnis von der Insolvenzeröffnung oder der Verbotsanordnung ausgeführt wurde. 1 S. dazu Schäfer Bank-Archiv 1937/38, 51; OLG Düsseldorf v. 14.11.1977 – 6 U 5/77, WM 1978, 124; OGH v. 17.3.1986 – 1 Ob 536/86, ZIP 1986, A 119. 2 Einzelheiten s. Obermüller, Ersatzsicherheiten im Kreditgeschäft, 1987, Rn. 380 ff. 3 OLG Dresden v. 14.6.2001 – 19 U 514/01, WM 2002, 2454; zur Abgrenzung gegenüber Garantieverträgen s. OLG Brandenburg v. 5.12.2002 – 12 U 67/02, WM 2003, 1465; OLG Brandenburg v. 16.5.2007 – 4 U 162/06, WM 2007, 1879. 4 OLG Naumburg v. 22.12.1999 – 2 U 94/99, WM 2001, 1334. 5 Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen ist allerdings im Verhältnis zu Verbrauchern nach BGH v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, ZIP 2015, 1380 unwirksam. 6 BGH v. 23.3.2004 – XI ZR 14/03, ZIP 2004, 1547. 7 Zur Abgrenzung s. OLG Schleswig v. 10.4.1979 – 11 U 207/78, WM 1980, 48; Lauer WM 1987, 705. 8 OLG Celle v. 20.3.1970 – 13 U 8/68, DB 1970, 1017; OLG Düsseldorf v. 14.11.1977 – 6 U 5/77, WM 1978, 124; von Bernstorff RIW 1985, 14.

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3.305

Dritter Teil Rz. 3.306 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

aa) Bestätigung vor und Ausführung nach Verfahrenseröffnung

3.306

Führt die Bank einen vor Insolvenzeröffnung dem Begünstigten bestätigten Überweisungsauftrag nach Insolvenzeröffnung in Kenntnis von der Insolvenzeröffnung aus, so könnte sie wegen ihrer Kenntnis nach den unter Rn. 3.57 ff. dargestellten Grundsätzen von einer etwaigen Guthabenschuld gegenüber dem Kunden nicht nach § 82 InsO befreit werden oder – soweit das Konto durch die Ausführung debitorisch werden würde – keine Ersatzansprüche gegen die Masse erwerben, da auch §§ 116, 115 Abs. 3 InsO die Unkenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung voraussetzen.

3.307

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist aber dann geboten, wenn die Bank – wie es bei Abgabe einer verbindlichen Bestätigung der Fall ist – sich schon vor der Insolvenzeröffnung gegenüber dem Begünstigten zur Zahlung verpflichtet hatte1. In diesem Falle gilt der Geschäftsbesorgungsvertrag als fortbestehend. Die §§ 116, 115 InsO, die ein Erlöschen von Aufträgen vorsehen, die der Schuldner erteilt hat, wirken nur für die Zukunft2, der Insolvenzverwalter muss gegen sich gelten lassen, was der Beauftragte bis zu diesem Zeitpunkt getan hat3, wenn der Auftrag also bereits ganz oder teilweise ausgeführt ist4; insoweit entsteht ein Aufwendungsersatzanspruch5. Eine teilweise Ausführung liegt vor, wenn schon eine selbständige Verpflichtung gegenüber dem Dritten entstanden ist6. Die Verpflichtung der Bank aus der Bestätigung entfällt nicht, wenn der Insolvenzverwalter den Auftrag etwa widerruft. Vielmehr muss die Bank auch nach Insolvenzeröffnung noch an den Begünstigten zahlen, selbst wenn sie die Insolvenzeröffnung kennt. Infolgedessen besteht für sie das gleiche Schutzbedürfnis, als wenn sie ohne Bestätigung des Auftrags in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung geleistet hätte7.

3.308

Weist das Konto des Kunden ein Guthaben auf, so ist aus den oben angeführten Gründen eine Anwendung von § 82 InsO geboten. Die Bank wird in Höhe ihrer Zahlung von der Guthabenschuld befreit, sofern bei der Versendung der Bestätigung an den Begünstigten das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Auftraggebers noch nicht eröffnet war. Zu diesem Ergebnis kommt man auch aus folgenden Überlegungen: – Der Schuldner hat schon mit Absenden der Bestätigung der Bank an den Begünstigten sein Recht verloren, von der Bank Zahlung an sich zu verlangen8. 1 OLG Bamberg v. 7.1.2004 – 3 U 81/03, ZInsO 2004, 620. 2 BGH v. 6.7.2006 – IX ZR 121/05, ZIP 2006, 1781 = ZInsO 2006, 1055; Goetsch in BK InsO, Stand 2010, § 115 Rn. 6; Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 115 Rn. 6; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022 94. Lfg., § 115 Rn. 30; Wegener in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 115 Rn. 7. 3 Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, §§ 115, 116 Rn. 8; Wegener in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 115 Rn. 7. 4 G. Schmidt in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 115 Rn. 7 f.; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, §§ 115, 116 Rn. 8; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1079; Jaeger/ Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 23 Anm. 2 – diese Vorschrift wurde inhaltlich unverändert als §§ 115, 116 InsO übernommen (Begründung RegE zu §§ 133, 134). 5 RG v. 16.11.1911 – IV 119/11, LZ 1912, Sp. 326; RG v. 24.5.1911 – VI/1910, LZ 1912, Sp. 329. 6 Schäfer Bank-Archiv 1937/38, 53; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl. 1926, Anh. zu § 363, Anm. 43; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9c; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 20; OLG Bamberg v. 7.1.2004 – 3 U 81/03, ZInsO 2004, 620; OLG Frankfurt v. 2.6.2005 – 3 U 185/04, ZIP 2005, 1245; OLG München v. 25.10.2005 – 25 U 2246/05, ZIP 2006, 677. 7 Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9c; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 21. 8 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 20.

558 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.312 Dritter Teil

– Auch könnte die Bank an dem Guthaben des Kunden wegen ihres künftigen Aufwendungsersatzanspruches aus der bevorstehenden Ausführung der Überweisung ihr Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen) geltend machen. Nach dieser Vorschrift haften auch die Ansprüche des Kunden gegen die Bank selbst als Pfand für alle bestehenden und künftigen – auch bedingten oder befristeten – Ansprüche der Bank gegen den Kunden. Grundsätzlich verhindern zwar die Vorschriften der §§ 81, 91 InsO, dass noch nach Insolvenzeröffnung einzelne Gläubiger Forderungen gegen den Schuldner und für diese Forderungen Vorzugsrechte an dem Schuldnervermögen erwerben können; demgemäß ist ein für eine künftige Forderung bestelltes Pfandrecht im Insolvenzverfahren grundsätzlich unwirksam, wenn die Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Entstehung gelangt1. Dies gilt aber nicht, wenn der Rechtsgrund für die Forderung schon vor Insolvenzeröffnung vorhanden war2 und die Forderung zwar nach Insolvenzeröffnung, aber ohne Zutun des Schuldners entsteht3. Ist der bestätigte Überweisungsauftrag an einem bestimmten Termin auszuführen, so kann man den Aufwendungsersatzanspruch der Bank als eine betagte Forderung im Sinne von § 41 InsO ansehen, die mit Insolvenzeröffnung als fällig gilt und für die schon dann das Pfandrecht geltend gemacht werden kann4. Die Bank kann sich also aus dem Guthaben des Kunden wegen ihres Pfandrechts für den Aufwendungsersatzanspruch schon bei Insolvenzeröffnung abgesondert befriedigen. Weist das Konto des Kunden dagegen einen Debetsaldo aus, so erwirbt die Bank gegen den Kunden einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 116, 115 Abs. 3 InsO aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages, der trotz der Insolvenzeröffnung fortbesteht, da er mit der Bestätigung bereits teilweise ausgeführt ist. Den Aufwendungsersatzanspruch kann sie als Insolvenzforderung anmelden. Verfügt die Bank über Sicherheiten, so kann sie sich wegen dieser Forderung abgesondert befriedigen5. frei

3.309

3.310–3.311

bb) Bestätigung und Ausführung nach Insolvenzeröffnung Wenn die Bank erst nach Insolvenzeröffnung einen Überweisungsauftrag des Kunden gegenüber dem Begünstigten bestätigt und zu dieser Zeit von der Insolvenzeröffnung nichts wusste, so wird sie bei Zahlung an den Begünstigten von ihrer Schuld aus einem Guthaben des Kunden befreit, auch wenn ihr die Insolvenzeröffnung bei der Ausführung des Überweisungsauftrags bekannt war. Bei einem debitorischen Konto kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen. Dabei ist es unerheblich, ob der Kunde den Auftrag vor oder nach Insolvenzeröffnung erteilt.

1 BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250. 2 BGH v. 7.7.2003 – II ZR 271/00, WM 2003, 1717. 3 Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 15 Anm. 22, 23; einschränkend Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 15 Rn. 21; so im Ergebnis auch BGH v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, ZIP 1985, 150 = WM 1985, 78, der den Vorrang des AGB-Pfandrechts gegenüber einem Pfändungspfandrecht auch dann anerkennt, wenn der Kunde eurocheques erst nach der Pfändung begibt. 4 BGH v. 10.12.1959 – VII ZR 210/58, BGHZ 31, 337; OLG Königsberg v. 4.4.1914 – 3 U 349/13, LZ 1914, 1143 zu § 65 KO. 5 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1982, § 27 Rn. 9.

Büchel | 559

3.312

Dritter Teil Rz. 3.313 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.313

Dies ergibt sich bei Zahlung aus einem Guthaben aus § 82 InsO. § 82 InsO lässt eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Bank nach Insolvenzeröffnung lediglich an die Masse mit befreiender Wirkung leisten kann, auch für die Fälle zu, in denen die Verbindlichkeit der Bank nach Eröffnung des Verfahrens entstanden ist. Denn auch Neuerwerb gehört zur Masse (§ 35 InsO). Die Bestätigung des Überweisungsauftrags gegenüber dem Begünstigten in Ausführung der Weisung des Kunden stellt sich für die Bank als ein Teil der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Girovertrag dar. Wenn die Bank bei diesem Teil der Erfüllung von der Insolvenzeröffnung keine Kenntnis hatte, ist es gerechtfertigt, sie so zu behandeln, als hätte sie die gesamte Verbindlichkeit bereits zu dieser Zeit erfüllt. Dass die Geldzahlung erst später erfolgt, darf ihr nicht mehr angelastet werden, denn mit Übernahme der Verpflichtung gegenüber dem Dritten hat die Bank wirtschaftlich bereits die Leistung erbracht, die sie ihrem Kunden schuldete; dementsprechend kann der Kunde von ihr die Zahlung des Überweisungsbetrages an sich nicht mehr verlangen1. Wirtschaftlich ist dies nichts anderes als die Annahme einer Anweisung durch den gutgläubigen Angewiesenen, die nach herrschender Meinung gegenüber der Insolvenzmasse wirksam ist2. Dies rechtfertigt es, bereits die Bestätigung des Überweisungsauftrags gegenüber dem Dritten als Leistung im Sinne von § 82 InsO anzusehen.

3.314

Die Bank wird also von ihrer Schuld aus dem Guthabensaldo befreit, wenn sie in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung noch einen Überweisungsauftrag mit dem Kunden dem Begünstigten bestätigt und danach an den Begünstigten zahlt, gleichgültig, ob sie im Zeitpunkt der Zahlung noch nichts von der Insolvenzeröffnung wusste oder ob sie inzwischen Kenntnis erlangt hat. Weist das Konto des Kunden einen Debetsaldo aus, so wird die Bank in der Regel keine Überweisungsaufträge des Kunden gegenüber dem Begünstigten bestätigen. Tut sie dies dennoch, so muss ihr aus den oben erörterten Gründen ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 116, 115 Abs. 3 InsO zugebilligt werden, den sie als Insolvenzforderung geltend machen kann, sofern ihr im Zeitpunkt der Bestätigung die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war. Verfügt sie über Sicherheiten, so kann sie auf diese aus den oben genannten Gründen (Rn. 3.55) zurückgreifen.

3.315

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Unkenntnis der Bank ist der Zeitpunkt der Absendung der Bestätigung an den Begünstigten. Hat die Bank die Bestätigung vor der öffentlichen Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung versendet, so trägt der Insolvenzverwalter die Beweislast dafür, dass der Bank die Insolvenzeröffnung bekannt war (§ 82 Satz 2 InsO)3. Wurde die Bestätigung erst nach der öffentlichen Bekanntmachung verschickt, so trifft die Bank die Beweislast für ihre Unkenntnis. Hat die Bank nach der Versendung Kenntnis von der Insolvenzeröffnung erlangt, so ist sie nicht verpflichtet, den Zugang der Bestätigung bei dem Begünstigten zu verhindern oder ihm vorher oder gleichzeitig einen Widerruf der Bestätigung (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB) zukommen zu lassen. Denn es ist nicht Aufgabe der Bank, Maßnahmen zur Anreicherung der Insolvenzmasse ohne entsprechende Weisung des Insolvenzverwalters zu treffen.

1 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 20. 2 BGH v. 29.4.1974 – VIII ZR 200/72, WM 1974, 570; OLG Bamberg v. 7.1.2004 – 3 U 81/03, ZInsO 2004, 620; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl. 1926, § 363 Anm. 18; Düringer/Hachenburg, Das Handelsgesetzbuch, 3. Aufl. 1932, vor § 363 Anm. 63; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 115; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 20; RG v. 19.11.1896 – VI 199/96, RGZ 38, 40; a.A. Fürst LZ 1908, Sp. 407 (414); Schreiber ZHR 66, 353. 3 Ebenso für die Fiktion der öffentlichen Bekanntmachung des § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768 = ZInsO 2003, 374.

560 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.320 Dritter Teil

cc) Bestätigte Überweisungsaufträge im Antragsverfahren Oben wurde ausgeführt (Rn. 3.41 ff.), dass nicht schon der Antrag auf Verfahrenseröffnung oder die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters, sondern erst der Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts die Bank daran hindert, Überweisungen des Kunden mit befreiender Wirkung auszuführen. Unwiderrufliche – bestätigte – Überweisungsaufträge können Besonderheiten gegenüber den obigen Ausführungen in den Fällen enthalten, in denen die Bank die Bestätigung an den Begünstigten vor Erlass des allgemeinen Verfügungsverbots bzw. Zustimmungsvorbehalts oder zwar erst nach diesem Zeitpunkt, aber in Unkenntnis der Verfügungsbeschränkung erteilt und den Überweisungsauftrag in Kenntnis der Verfügungsbeschränkung ausführt.

3.316

Wollte man für die Frage, ob die Bank von ihrer Schuld aus einem Guthaben des Kunden nach § 24 Abs. 1, § 82 InsO auch bei Zahlung an den Begünstigten nach Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts befreit wird, auf die Kenntnis der Bank im Zeitpunkt der Überweisung abstellen, so müsste man dies verneinen. Wenn aber die Überweisung nur den letzten Teilakt eines mehrgliedrigen Geschäfts darstellt und die Bank in dem Zeitpunkt, in dem sie mit der Ausführung begonnen hat und eigene Verpflichtungen gegenüber Dritten eingegangen ist, keine Kenntnis von dem allgemeinen Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt hatte, so ist sie im gleichen Umfang schutzwürdig, wie wenn sie schon in diesem Zeitpunkt die volle Leistung erbracht hätte. Dies entspricht den oben für das eröffnete Verfahren dargestellten Überlegungen.

3.317

Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass die Bank auch dann von ihrer Guthabenschuld im Verhältnis zu der Insolvenzmasse frei wird, wenn sie zwar bei der Überweisung Kenntnis von dem Erlass des Verfügungsverbots hatte, davon jedoch im Zeitpunkt der Bestätigung gegenüber dem Begünstigten noch nichts wusste. Wies das Konto des Kunden im Zeitpunkt der Bestätigung einen debitorischen Saldo aus, so wird die Bank wegen ihres Aufwendungsersatzanspruches Insolvenzgläubigerin, sofern sie keine Sicherheiten besitzt und daraus abgesonderte Befriedigung suchen kann.

3.318

3. Überweisung aufgrund eines Avis Im Regelfall führt die Bank eine Überweisung erst aufgrund eines wirksamen Auftrags aus. Dagegen ist es im internationalen Zahlungsverkehr von zwischengeschalteten Banken in einer Überweisungskette durchaus üblich, dass die Bank dem Kunden bereits aufgrund einer ihr von der erstbeauftragten Bank zugeleiteten Auftragskopie oder eines mit rechtsverbindlichen und prüfbaren Unterschriften versehenen Avis einer bonitätsmäßig einwandfreien Bank eine Gutschrift erteilt1.

3.319

Im Verhältnis zu der erstbeauftragten Bank geht die Überweisungsbank damit das Risiko ein, dass der Auftrag schließlich doch nicht erteilt wird oder dass die Deckung nicht eintrifft. Im Verhältnis zu dem Überweisungsempfänger ist die Gutschrift jedoch wirksam; der Bank ist eine Rückbuchung auch bei ausbleibender Deckung versagt, wie sich schon aus § 814 BGB, jedenfalls aber aus dem mit der Gutschrift verbundenen Ausschluss von Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis ergibt2. Insolvenzrechtlich bedeutsam ist vielmehr die Frage, wie

3.320

1 OLG Düsseldorf v. 13.6.1979 – 17 U 18/77, WM 1979, 1272. 2 S. dazu Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/244; Koller BB 1972, 687.

Büchel | 561

Dritter Teil Rz. 3.320 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Verrechnungen solcher Gutschriften mit einem debitorischen Saldo zu behandeln sind, wenn der Auftrag und die Deckung eintreffen. Dafür ist zunächst der Zeitpunkt der Gutschrift maßgebend. a) Gutschrift vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens

3.321

Eine derartige Gutschrift führt, wenn sie vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt wird, zu einer Verrechnung mit einem etwaigen debitorischen Saldo, da sie im Verhältnis zum Überweisungsempfänger wirksam ist. Die Verrechnung kann jedoch anfechtbar sein. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung sind oben für die Fälle dargestellt (s. Rn. 3.202 ff.), in denen die Gutschrift dem Eingang der Deckung nachfolgte. Dazu hatte die Rechtsprechung stets entschieden, dass – soweit es für die Anfechtbarkeit auf die Kenntnis der Bank von der Zahlungsunfähigkeit bzw. dem Insolvenzantrag ankommt – ihr Kenntnisstand in dem Zeitpunkt, in dem der Kunde einen Anspruch auf Gutschrift erworben hat, entscheidend ist1. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, dass auch bei vorheriger Gutschrift dieser Zeitpunkt maßgebend ist. Vielmehr kommt es darauf an, wann der Empfänger erstmals einen Anspruch gegen die Bank erworben hat. Einen Anspruch erhält er nicht schon durch den Eingang der Deckung, sondern erst mit der Gutschrift. Damit ist die Aufrechnungs- oder Verrechnungsmöglichkeit gegeben. Deshalb sind für die Anfechtung die wirtschaftliche Lage bzw. der Kenntnisstand der Bank im Zeitpunkt der Gutschrift maßgebend. b) Gutschrift nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

3.322

Eine nach der Verfahrenseröffnung erteilte Gutschrift kann dagegen nicht mehr zur Reduzierung eines debitorischen Saldos verwendet werden, es sei denn, dass die Bank die Gutschrift zwar vor Erhalt der Deckung erteilt hat, diese aber noch vor der Eröffnung eingegangen ist. c) Vorgezogene Gutschrift

3.323

Durch diese Rechtslage darf sich die Bank jedoch nicht verführen lassen, angesichts einer wirtschaftlichen Krise des Empfängers Gutschriften abweichend von den Usancen vorzuziehen und damit ihre Aussichten auf eine wirksame Verrechnung zu verbessern. Auch die Herstellung einer Aufrechnungslage bildet einen Anfechtungstatbestand2, jedoch bedarf es keiner Anfechtung3, vielmehr ist die Aufrechnung wegen des Aufrechnungsverbots des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig4, so dass der Verwalter nach Verfahrenseröffnung unmittelbar auf Auszahlung des Guthabens klagen kann. Für eine Anfechtung kommt lediglich die Bestimmung des § 131 InsO in Betracht. Anfechtbare Rechtshandlung ist nicht die Gutschrift, sondern die damit verbundene Herstellung einer Aufrechnungslage. Dagegen scheidet eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO) aus. Anders als bei der Anfechtung wegen

1 BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250; BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, ZIP 2002, 1408 = ZInsO 2002, 721; BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, ZIP 2002, 1540 = ZInsO 2002, 876. 2 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZInsO 2004, 852; OLG Düsseldorf v. 6.7.2005 – I-18 U 28/05, ZIP 2005, 2121. 3 OLG Hamm v. 18.2.2003 – 21 U 7/02, ZIP 2004, 2018 = WM 2003, 2115. 4 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521; OLG Rostock v. 11.8.2003 – 3 U 55/03, ZIP 2003, 1903.

562 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.324 Dritter Teil

inkongruenter Deckungen ist dazu nämlich eine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners notwendig, an der es hier fehlt.

4. Fortzahlung von Renten nach dem Tod des Empfängers Rentenzahlungen können nach dem Tod des Rentenberechtigten auf dessen Konto gelangen, wenn dem Rentenversicherungsträger der Tod des Rentners nicht rechtzeitig bekannt geworden ist1. Dies führt dazu, dass sie von der Bank mit einem debitorischen Saldo verrechnet werden. Nachdem die Zulässigkeit der Verrechnung von den Gerichten zunächst anerkannt wurde2, hat der Gesetzgeber in § 118 Abs. 3 SGB VI, § 12 Abs. 3 BBesG, § 52 Abs. 4 BeamtVG, § 96 Abs. 3 SGB VII, § 45 Abs. 1 ALG und in § 30 Abs. 1 WoGG einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch begründet3. Danach gelten die Zahlungen als unter Vorbehalt erbracht; die Bank hat sie der überweisenden Stelle oder dem Versicherungsträger auf Anfordern zurückzuüberweisen4, soweit über die Beträge vor dem Eingang der Rücküberweisungsanforderung5 nicht bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, die Rücküberweisung kann aus einem Guthaben auf demselben Konto6 vorgenommen werden oder die Verfügung führte zu einer Befriedigung der Bank wegen anderer Forderungen7. Sind die Renten auf ein debitorisches Konto überwiesen worden, so darf die Bank die Gelder grundsätzlich nicht zur Rückführung dieses Debetsaldos einbehalten8. Jedoch gilt eine Wiederinanspruchnahme des eingeräumten Kredits durch neue, von den Erben oder Kontobevollmächtigten veranlasste Überweisungen als anderweitige, entreichernde Verfügung i.S.v. § 118 Abs. 3 SGB VI9; die entgegenstehende Auffassung des 4. Senats des BSG10 wurde aufgegeben. Auf die Auszahlung vor Eingang eines Rückforderungsverlangens kann sich ein Kreditinstitut aber dann nicht berufen, wenn es bei Ausführung der in Betracht kommenden Verfügung Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers und Rentenempfängers hatte; die Gutgläubigkeit des Geldinstituts betrachtet das BSG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 118 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 SGB VI11. Wenn die Bank Kenntnis vom Tod ihres Kunden hat, darf sie dessen Konto mit den Rückforderungsbeträgen belasten und bis zur Rückforderung ein Zurückbehaltungsrecht in entspre-

1 Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/248. 2 Vgl. LG Frankfurt v. 7.7.1982 – 2/4 O 59/82, ZIP 1982, 1317; BGH v. 21.2.1983 – II ZR 142/82, ZIP 1983, 420 = WM 1983, 410. 3 BSG v. 4.8.1998 – B 4 RA 72/97 R, WM 2000, 1847; Übersicht bei Escher-Weingart, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/139. Lfg., Rn. 6/248; zur Verfassungsmäßigkeit s. Schoen WM 2014, 2070. 4 Zum Aufwendungsersatzanspruch der Bank s. BSG v. 20.12.2001 – B 4 RA 126/00 R, ZIP 2002, 517. 5 Dieser Zeitpunkt ist auch dann maßgebend, wenn die Bank bereits vorher Kenntnis von dem Tod des Kontoinhabers erhalten hatte (SG Stuttgart v. 10.4.1995 – S 2 J 3146/94; SG Köln v. 7.11.2012 – S 5 R 1655/11, WM 2014, 215; SG Bremen v. 1.3.2013 – S 6 R 495/11, WM 2014, 1425; SG München v. 17.7.2014 – S 30 R 48/13, WM 2015, 182; SG München v. 22.1.2015 – S 15 R 2224/14, ZIP 2015, 865; LSG Niedersachsen-Bremen v. 1.7.2014 – L 2/12 R 382/11, BKR 2014, 526). 6 BSG v. 22.4.2008 – B 5a R 120/07 R, WM 2008, 2202 m.w.N. 7 BSG v. 26.4.2007 – B 4 R 89/06 R, WM 2007, 2232. 8 Escher-Weingart WM 2014, 293. 9 BSG v. 13.11.2008 – B 13 R 27/08 S, WuB I D 1 Überweisungsverkehr 2.09; BSG v. 22.4.2008 – B 5a R 120/07 R, WM 2008, 2202; SG Köln v. 8.6.2005 – S 25 R 65/05, WM 2006, 134; LSG Hamburg v. 3.5.2005 – L 3 RA 48/04, WM 2006, 131. 10 BSG v. 26.4.2007 – B 4 R 89/06 R, WM 2007, 2232. 11 BSG v. 24.2.2016 – B 13 R 22/15 R, WM 2016, 1220 ff.

Büchel | 563

3.324

Dritter Teil Rz. 3.324 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

chender Höhe gegenüber den Erben bzw. Bevollmächtigten geltend machen1. Relevanz erlangt diese Rechtsprechung insbesondere für nach dem Tod des Empfangsberechtigten überwiesene – Pflegegelder nach § 37 Abs. 1 SGB XI, – Versorgungsleistungen nach §§ 4, 66, 67 BeamtVG, – Leistungen nach §§ 11 ff. ALG, – Leistungen nach §§ 56 ff. SGB VII, – Leistungen nach §§ 43 ff. SGB VI, – Besoldungsleistungen nach §§ 3 ff. BBesG, – Wohngeldleistungen nach § 3 WoGG. In der Insolvenz oder einer Nachlassinsolvenz des Bankkunden wirkt sich dies wie folgt aus: a) Rückforderung nach Einzug durch Verwalter

3.325

Hat der Verwalter das Guthaben im Zeitpunkt des Eingangs2 der Rückforderung schon vereinnahmt, so muss sich der Versicherungsträger an ihn wenden (§ 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI)3. Die Bank ist nicht etwa berechtigt, den Betrag von einem vom Verwalter bei ihr neu eingerichteten Konto abzubuchen. Ein Debetsaldo, der durch die Rückgabe des Überweisungsbetrages wieder angestiegen ist, kann in voller Höhe im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden. b) Rückforderung vor Einzug durch Verwalter

3.326

Die Verpflichtung der Bank zur Rücküberweisung entfällt auch, wenn über das Vermögen des Kunden im Zeitpunkt seines Todes bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet war oder wenn ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird. Die Rentenversicherung muss dann einen entsprechenden Überweisungsauftrag des Insolvenzverwalters erwirken.

3.327

Die Rentenleistung stand zwar unter dem Vorbehalt, dass der Kunde noch am Leben war. Die rechtliche Konstruktion dieses Vorbehalts ist unklar. Ähnlich wie bei der Gutschrift eines vom Kunden eingereichten Schecks oder einer von ihm zum Einzug gegebenen Lastschrift könnte der Vorbehalt als aufschiebende oder auflösende Bedingung einzuordnen sein4.

3.328

Um eine aufschiebende Bedingung handelt es sich dann, wenn der Versicherungsträger seine Leistung erbringt, bevor feststeht, dass der Kontoinhaber den Anspruch erwirbt. Dies ist bei1 BSG v. 20.2.2019 – GS 1/18, ZIP 2019, 606 Rn. 15. 2 Dieser Zeitpunkt ist auch dann maßgebend, wenn die Bank von dem Tod ihres Kunden schon vorher erfahren hat (SG Stuttgart v. 10.4.1995 – S 2 J 3146/94; SG Köln v. 7.11.2012 – S 5 R 1655/ 11, WM 2014, 215; SG Bremen v. 1.3.2013 – S 6 R 495/11, WM 2014, 1425; SG München v. 17.7.2014 – S 30 R 48/13, WM 2015, 182; SG München v. 22.1.2015 – S 15 R 2224/14 – ZIP 2015, 865; LSG Niedersachsen-Bremen v. 1.7.2014 – L 2/12 R 382/11, BKR 2014, 526). 3 Kritisch zu dieser Regelung Escher-Weingart WM 2014, 293. 4 Für die Lastschrift nehmen OLG Düsseldorf v. 20.12.1990 – 12 U 206/89, ZIP 1991, 330, Canaris (Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 88) und Hadding/Häuser (Rechtsfragen des Lastschriftverfahrens, 1981, S. 73) eine aufschiebende, Merz (WM 1983, 106) eine auflösende Bedingung an.

564 | Büchel

A. Überweisungsverkehr | Rz. 3.332 Dritter Teil

spielsweise der Fall, wenn Renten im Voraus überwiesen werden und der Rentenberechtigte vor Beginn des Zeitraums, für den die Rente gezahlt wird, stirbt. Die Bedingung, unter der der Vorbehalt entfällt, tritt dann nicht ein. Keine Bedingung im Rechtssinn liegt vor, wenn der Versicherungsträger seine Leistung erbringt, obwohl objektiv schon feststeht, dass der Kontoinhaber keinen Anspruch erwirbt, aber dies dem Versicherungsträger noch nicht bekannt ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Renten überwiesen werden, obwohl der Rentenberechtigte schon vor der Überweisung gestorben ist. Eine Bedingung liegt nämlich nur vor, wenn die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig ist; die subjektive Ungewissheit über ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis reicht nicht aus. Insoweit ist abzugrenzen, ob es sich um einen Vertragsbestandteil oder nur um einen Beweggrund handelt, der nicht zur Geschäftsbedingung erhoben worden ist1. Aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, dass die Leistungen als unter Vorbehalt erbracht gelten, muss dieser Vorbehalt als Vertragsbestandteil angesehen werden.

3.329

Der Vorbehalt bezieht sich jedoch nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht auf die Gutschrift, sondern auf die gutgeschriebenen Rentenbeträge2. Denn das Gesetz spricht von einer Rücküberweisung und nicht von einem Storno, was notwendig wäre, wenn die Gutschrift nur unter Vorbehalt erteilt wäre. Dies bedeutet, dass materiell-rechtlich dem Rentenversicherungsträger ein Bereicherungsanspruch3 gegen die Rechtsnachfolger des Bankkunden zusteht, der zahlungsverkehrstechnisch durch den Rücküberweisungsanspruch gegen die Bank verwirklicht wird.

3.330

Diese Art der Abwicklung ist aber in der Insolvenz nicht mehr möglich. Sie würde gegen zwingende Grundsätze des Insolvenzrechts verstoßen. Aus einer Rentenzahlung, die nach Verfahrenseröffnung auf dem Konto eingeht, erwirbt der Versicherungsträger nämlich nur einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse, der zwar eine Masseforderung darstellen kann (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO), im Fall der Masseunzulänglichkeit jedoch erst im letzten Rang der Masseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO) und damit oft überhaupt nicht bedient werden kann. Es ist davon auszugehen, dass die gesetzliche Rückzahlungsklausel an der insolvenzrechtlichen Lage nichts ändern wollte. Vielmehr wollte der Gesetzgeber nur

3.331

– gegenüber den Rechtsnachfolgern des Leistungsempfängers verdeutlichen, dass nach dem Tod des Berechtigten gutgeschriebene Renten unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen4, – und verhindern, dass Kreditinstitute die Zahlungen zur Rückführung ihrer Kredite benutzen5. Diese Ziele werden nicht beeinträchtigt, wenn die Kollision zwischen den § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI einerseits und den Vorschriften der InsO zugunsten der letzteren gelöst wird. Dies wird auch im Wortlaut der genannten Vorschriften des SGB zum Ausdruck gebracht. Danach sind nämlich anderweitige Verfügungen, die bei Eingang der Rückforderung bereits getroffen waren, zu berücksichtigen. Die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots im Antrags1 2 3 4 5

OLG Posen v. 23.9.1907 – 6 U 310/07, Seuff.A. LXIII, 91 Nr. 57. Terpitz WM 1992, 2041. LSG Stuttgart v. 29.11.1994 – L 13 J 560/94, WM 1995, 1876. Bericht des 11. Bundestagsausschusses BT-Drucks. 11/5490 S. 216. Terpitz WM 1992, 2041.

Büchel | 565

3.332

Dritter Teil Rz. 3.332 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

verfahren und der Verlust der Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers durch die Verfahrenseröffnung lassen sich unter den Begriff der Verfügung, wie er im SGB gebraucht wird, subsumieren.

3.333–3.349

frei

B. Scheckverkehr 3.350

Die frühere Bedeutung des Schecks hat mit den modernen bargeldlosen und insbesondere digitalen Zahlungsmitteln und der Einstellung der eurocheque-Zahlungsgarantie 2001 zwar stark nachgelassen1, er ist aber als Zahlungsmittel weiterhin im In- und Ausland weit verbreitet. Da der Scheck nur eine Sonderform der Bankanweisung darstellt2 und wie diese lediglich ein Zahlungspapier und kein Kreditpapier ist3, ergeben sich für die Behandlung von Schecks, die während der Krise und nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bankkunden noch bei der Bank eingereicht werden, weitgehend dieselben Probleme wie bei der Überweisung. Für die Frage, welche Maßnahmen vor und nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens getroffen werden müssen, ist demgemäß zu unterscheiden zwischen Schecks, die der Kunde ausgestellt und auf die Bank gezogen hat, und solchen, die zu seinen Gunsten ausgestellt sind und die er der Bank zur Gutschrift auf sein Konto einreicht. Diese Fragenkreise werden im Folgenden behandelt. Nicht erörtert wird die in den Bereich des Scheckrechts gehörende Problematik, wie sich eine Bank zu verhalten hat, wenn nicht der Einreicher, sondern sein Vormann, der ihm den Scheck übertragen hat, im Zeitpunkt der Übertragung insolvent war. Hier gelten die Grundsätze über abhanden gekommene Schecks (Art. 21 SchG)4.

I. Insolvenz des Scheckausstellers 3.351

Das Recht der Zahlung mit Schecks wurde durch die Einführung des Zahlungsdiensterahmenvertrags (§ 675f Abs. 2 BGB) nicht berührt5, hier bleibt vielmehr der Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB der rechtliche Anknüpfungspunkt6. Die Rechte und Pflichten einer Bank bei der Einlösung von Schecks, gleichgültig ob es sich um Inhaberschecks, Orderschecks oder Rektaschecks handelt7, richten sich danach, in welchem Stadium der Insolvenz sich der Aussteller befindet.

1. Einlösung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag 3.352

Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Bankkunde, sofern kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen ist (§§ 21, 24 InsO), unbeschränkt über sein Vermögen verfügen. 1 Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg., Rn. 6/703 ff. 2 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, C Scheckrecht, Einl Rn. 10, ScheckG Art. 3 Rn. 5. 3 Bülow, Wechselgesetz, Scheckgesetz, 5. Aufl. 2013, Einführung SchG Rn. 1. 4 OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, ZIP 1989, 1593 = WM 1989, 1816. 5 Art. 3 Buchst. g (i) der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/ 65/EG, 2005/60/EG und 2006/46/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. L 319/1 v. 5.12.2007; Hadding FS Hüffer, 2009, 273. 6 Nobbe/Menges in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 38 Rn. 171. 7 Zur Abgrenzung vgl. Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg., Rn. 6/708 ff.

566 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.355 Dritter Teil

Demgemäß kann er wirksam Schecks ausstellen und auf die Bank ziehen1. Löst die Bank diese Schecks vor Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag ein2, so ist sie berechtigt, ihren Aufwendungsersatzanspruch in das Kontokorrent einzustellen. In Höhe dieses Aufwendungsersatzanspruches ermäßigt sich ein etwaiger Guthabensaldo; ein debitorischer Saldo erhöht sich entsprechend.

2. Einlösung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag Auch nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag bleibt der Kunde zur Ausstellung von Schecks berechtigt, sofern kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen ist (§§ 21, 24 InsO) und die Bank wegen der ungünstigen Entwicklung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse die Geschäftsverbindung noch nicht aufgekündigt hat (Nr. 19 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 26 AGB Sparkassen). In der Regel wird sie von ihrem Kündigungsrecht jedoch nicht Gebrauch machen, da sonst der Zahlungsverkehr zwischen dem Kunden und seinen Geschäftspartnern erheblich gestört würde. Für die Folgen der Einlösung eines in diesem Zeitraum eingereichten Schecks des Kunden durch die Bank ist ihre Kenntnis seiner wirtschaftlichen Lage entscheidend:

3.353

a) Einlösung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags Hat die Bank Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag, so wird sie den Scheck schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht einlösen, wenn das Konto des Kunden einen debitorischen Saldo aufweist oder durch die Ausführung des Auftrags debitorisch werden würde. Bewegt sich die Kontoverfügung allerdings im Rahmen einer zugesagten Kreditlinie oder hat der Kunde der Bank ausreichende Sicherheiten bestellt, so bestehen gegen die Einlösung keine rechtlichen und wirtschaftlichen Bedenken. Solange die Kreditlinie nicht gekündigt ist, darf sie deren Ausnutzung ohnehin nicht verhindern3.

3.354

Die Einlösung des Schecks kann gegenüber der Bank nicht nach §§ 129 ff. InsO angefochten werden (s. Rn. 3.23 ff.)4. Auch unterliegt die Verwendung der Sicherheiten zur Deckung dieses Schecks nicht der Anfechtung, da es sich insoweit um ein Bargeschäft (§ 142 InsO) handelt (s. Rn. 3.55 ff., 6.88 ff.). Bei Pfandrechten, Grundschulden und sonstigen nicht akzessorischen Sicherheiten ergibt sich dies schon aus der Überlegung, dass das Entstehen der Forderung keine Schmälerung der Masse mehr zur Folge hat5. Eine Anfechtung ist allenfalls im Verhältnis zwischen dem Schecknehmer und dem Scheckaussteller möglich6. Aber auch diese unterliegt Schranken. So können Scheckzahlungen des Schuldners nicht aufgrund des § 130 InsO (= kongruente Deckung) angefochten werden, wenn nach Scheckrecht der Empfänger bei einer Verweigerung der Annahme der Zahlung den Scheckanspruch gegen andere Scheckverpflichtete verloren hätte (§ 137 Abs. 1, 3 InsO). Stattdessen kann allerdings der letzte Rückgriffsverpflichtete in Anspruch genommen werden, wenn er zu der Zeit, als er den Scheck begab, die Zahlungsunfähigkeit des Ausstellers oder den Insolvenzantrag kannte (§ 137 Abs. 2, 3 InsO).

3.355

1 2 3 4 5

Kulke in Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2005, § 15 Rn. 4. Zur Frage, wann ein Scheck endgültig eingelöst ist, vgl. Rn. 3.369 f. Nobbe/Menges in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 38 Rn. 178. Ganter NZI 2010, 835 für die Überweisung. BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; Kirchhof WM 1996, Sonderbeilage Nr. 2, S. 19. 6 RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144.

Büchel | 567

Dritter Teil Rz. 3.356 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.356

War das Konto kreditorisch, so sollte die Bank, auch wenn sie Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag des Kontoinhabers hatte, den Scheck einlösen. Sie kann ihren Aufwendungsersatzanspruch mit dem Guthabensaldo verrechnen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein1. Zwar ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, wenn ein Insolvenzgläubiger die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Die Bank, bei der der Scheckaussteller ein Guthaben unterhält, ist aber seine Schuldnerin und nicht Insolvenzgläubigerin. Anders als früher im Konkurs gilt dies auch bei Einlösung eines Schecks nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder einem Insolvenzantrag. Das Aufrechnungsverbot des § 55 Satz 1 Nr. 3 KO, das pauschal die Aufrechnung mit Forderungen untersagte, die ein Schuldner des insolventen Kunden nach diesen Ereignissen erworben hat, ist nämlich entfallen. Die allgemeinen Anfechtungsvorschriften (§§ 129 ff. InsO) können zwar den Schecknehmer treffen, aber im Verhältnis zu der einlösenden Bank nicht eingreifen. Insoweit fehlt es nämlich an einer Gläubigerbenachteiligung, denn mit der Einlösung eines Schecks Zug um Zug gegen Herstellung einer Aufrechnungslage oder Valutierung eines Pfandrechts am Guthaben tätigen die Parteien ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft. Zu Begriff und Voraussetzungen des Bargeschäfts vgl. Rn. 6.112. b) Einlösung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags

3.357

Wenn die Bank beim Eingang des Schecks von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag des Ausstellers keine Kenntnis hat, so kann sie den Scheck einlösen und das Konto mit dem Scheckbetrag belasten. Ein etwaiger Guthabensaldo ermäßigt sich entsprechend; die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Wird der Saldo dagegen debitorisch oder erhöht sich der Sollsaldo, so erwirbt die Bank eine entsprechende Forderung gegen den Kontoinhaber, die aber – sofern die Bank keine Sicherheiten besitzt – nur eine einfache Insolvenzforderung darstellt.

3. Einlösung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen 3.358

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten der Bank zur Einlösung von Schecks ab. a) Allgemeines Verfügungsverbot

3.359

Nach Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots darf die Bank einen Scheck des Kunden grundsätzlich nicht einlösen2. Dies gilt gleichermaßen für neu ausgestellte wie für schon vorliegende, bei Anordnung des Verbots aber noch nicht eingelöste Schecks. Denn ein allgemeines Verfügungsverbot hat die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu 1 Kulke in Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2005, § 15 Rn. 5. 2 LG Gera v. 1.12.1999 – 1 S 219/99, NZI 2001, 100.

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B. Scheckverkehr | Rz. 3.362 Dritter Teil

verändern, zu übertragen oder aufzuheben1. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner2. Da die Bank mit der Einlösung eines Schecks eine Leistung an den Kontoinhaber erbringt3, stellt dieser Vorgang eine Art der Einziehung der Guthabenforderung dar, die unter das allgemeine Verfügungsverbot fällt4. aa) Ausführung ohne Kenntnis der Lage des Kunden Das allgemeine Verfügungsverbot ist zwar wie jede andere Verfügungsbeschränkung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen (§ 23 InsO). Wenn die Bank dies aber übersieht und sie auch sonst keine Kenntnis von dem Verfügungsverbot erlangt hat, wird sie die Schecks einlösen. Auf die Kenntnis der Bank kann nicht schon aus dem Umstand geschlossen werden, dass sie von dem Insolvenzantrag wusste. Aus diesem Wissen ergibt sich auch keine gesteigerte Nachforschungspflicht hinsichtlich der Bonität ihres Kunden5. Sie kann dann mit befreiender Wirkung aus einem etwaigen Guthaben des Kunden leisten (§§ 21, 24, 82 InsO). Bei einer Einlösung vor der öffentlichen Bekanntmachung wird ihre Unkenntnis vermutet, anderenfalls trägt sie die Beweislast für ihre Unkenntnis6.

3.360

Wenn das Konto des Kunden debitorisch ist, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen7. Das Verfügungsverbot steht der Einbeziehung des Aufwendungsersatzanspruchs unter die Deckung von nicht akzessorischen Sicherheiten (z.B. Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen, Grundschulden) und Pfandrechten nicht entgegen, sofern diese Sicherheiten schon vor Erlass des Verbots unanfechtbar bestellt wurden8.

3.361

bb) Ausführung trotz Kenntnis des Verbots Verstößt die Bank gegen das allgemeine Verfügungsverbot, obwohl es ihr bekannt war, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch nicht gegen eine etwaige Guthabenforderung des Kun1 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26. 2 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14; vgl. auch OLG Karlsruhe v. 10.7.1985 – 6 U 206/84, NJW 1986, 63. 3 von Godin NJW 1958, 856; BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, ZIP 1989, 1593 = WM 1989, 1816 = WuB VI C § 106 KO 1.90 Obermüller; OLG Karlsruhe v. 17.9.2003 – 1 U 167/02, ZInsO 2003, 999. 4 LG Offenburg v. 24.2.2004 – 4 O 56/03, ZInsO 2004, 559 für den Überweisungsauftrag. 5 BGH v. 15.11.1999 – II ZR 98/98, ZIP 2000, 146. 6 Anders nach h.M. im Konkurs wegen der Anwendung von §§ 136, 135 Abs. 2, 407 BGB: Kuhn/ Uhlenbruck, KO, 10. Aufl. 1986, § 106 Rn. 16e; Kohler in Staudinger, BGB, 13. Neubearb. 2003, § 135 Rn. 14; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 504a; a.A. Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl. 1973, § 106 Rn. 8, der § 8 KO analog anwenden wollte. Für die Bank hätte das die in der InsO ausdrücklich niedergelegte Folge gehabt, dass sie die Beweislast für ihre fehlende Kenntnis von dem Konkursantrag bzw. dem allgemeinen Veräußerungsverbot treffen würde; ebenso für die Fiktion der öffentlichen Bekanntmachung des § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 140/ 02, ZIP 2003, 768 = ZInsO 2003, 374. 7 Huber in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 36 Rn. 51; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, §§ 115, 116 Rn. 14. 8 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334.

Büchel | 569

3.362

Dritter Teil Rz. 3.362 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

den verrechnen; ist das Konto des Kunden debitorisch, so kann sie ihre Aufwendungsersatzforderung nicht mehr in das Kontokorrent einstellen und auch nicht später als Insolvenzforderung geltend machen1. Der Bank kann jedoch ein Bereicherungsanspruch gegen den Einreicher des Schecks zustehen2. b) Vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot

3.363

Die Rechte und Pflichten des vorläufigen Verwalters unterscheiden sich danach, ob dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird oder ob dies nicht der Fall ist. Wird ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO).

3.364

Über ein etwaiges Kontoguthaben kann der vorläufige Verwalter zwar verfügen. Wenn er den Girovertrag nicht fortsetzt, kann er aber weder Aufträge zur Einlösung von Schecks, die der Schuldner ausgestellt hat, erteilen noch selbst Schecks zu Lasten des Kontos ausstellen. Im Allgemeinen wird er ein neues (Insolvenzsonder-)Konto einrichten, auf das er das Guthaben überträgt und über das er den Zahlungsverkehr abwickelt. c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot

3.365

Ohne Anordnung eines Verfügungsverbots geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Daher kann der Verwalter ohne Zustimmung des Kunden nicht über dessen Konten verfügen und Aufträge zur Einlösung von Schecks weder erteilen noch widerrufen. Dies gilt auch für einen vorläufigen Verwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist.

3.366

Bestehende Aufträge zur Einlösung von Schecks kann auch ein vorläufiger Verwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist, zwar nicht kündigen, aber – wenn Schecks vorgelegt werden – entscheiden, ob er die Einlösung bewilligt oder ablehnt. Die Bank muss sich dann die Zustimmung nachweisen lassen. Verweigert er die Zustimmung, so hat dies dieselben Konsequenzen wie sie oben für ein Verfügungsverbot dargestellt sind.

4. Einlösung von Schecks nach Insolvenzeröffnung 3.367

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen grundsätzlich alle von dem Kunden erteilten Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge (§ 116 InsO). Demgemäß erlischt auch der Girovertrag, der die Bank zur Einlösung oder Einziehung von Schecks verpflichtet3. Allerdings behält der vom Schuldner vor Insolvenzeröffnung ausgestellte Scheck wegen seiner Unabhängigkeit von dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis trotz der Insolvenzeröffnung seine Gül1 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 68. 2 Einzelheiten s. Rn. 3.58 und LG Gera v. 1.12.1999 – 1 S 219/99, NZI 2001, 100; OLG Hamburg v. 7.7.2006 – 1 U 75/06, WM 2006, 2078; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 503; Kübler BB 1976, 805; im Ergebnis auch BGH v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, NJW 1976, 1845 und OLG Hamm v. 29.10.1997 – 13 U 60/97, ZIP 1998, 341 für die Zahlung an den Pfändungsgläubiger trotz Kenntnis des Einstellungsbeschlusses; für den vergleichbaren Fall der nicht autorisierten Überweisung BGH v. 16.6.2015 – XI ZR 243/13, ZIP 2015, 1622. 3 BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, ZIP 2006, 175 = WM 2006, 179; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/ 14, ZIP 2015, 738, ZInsO 2015, 742 Rn. 9; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 11.

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B. Scheckverkehr | Rz. 3.369a Dritter Teil

tigkeit1. Die Wirksamkeit des Schecks und die damit verbundene Fortdauer der Verpflichtungen des Ausstellers gegenüber dem Schecknehmer haben jedoch keinen Einfluss auf die Verpflichtungen der Bank zur Einlösung, denn dafür ist der – infolge der Insolvenzeröffnung beendete2 – Scheckvertrag allein3 maßgebend. Zwar kann eine Bank dem Kunden zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn sie trotz ausreichender Deckung einen von ihm ausgestellten Scheck nicht einlöst4, dies gilt aber nicht mehr nach Beendigung des Scheckvertrages. Wird der Scheck vom Kunden erst nach Insolvenzeröffnung ausgestellt, so kann die Masse daraus nicht in Anspruch genommen werden (§ 38 InsO). Der Inhaber kann nur auf ein etwa entstandenes insolvenzfreies Vermögen zurückgreifen, das sich aber wegen der Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse (§ 35 InsO) kaum bilden kann.

3.368

Löst die Bank einen von ihrem Kunden vor oder nach Verfahrenseröffnung ausgestellten Scheck nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen ein, so ist für die Rechtsfolgen zu unterscheiden, ob die Bank im Zeitpunkt der Einlösung von der Insolvenzeröffnung Kenntnis hatte oder nicht und ob das Konto des Schuldners debitorisch oder kreditorisch war.

3.368a

a) Zeitpunkt der Einlösung Ein Scheck ist in dem Zeitpunkt eingelöst, in dem die bezogene Bank die Scheckanweisung des Ausstellers erfüllt, d.h. die Zahlung der Schecksumme an den empfangsberechtigten Inhaber bewirkt hat5. Wann die Einlösung, auf deren Zeitpunkt es für die Kenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung ankommt, stattgefunden hat, hängt von dem im konkreten Fall benutzten Einzugsweg ab. Zu unterscheiden ist zwischen der Bareinlösung und dem Einzug über das Bankensystem.

3.369

Der Zeitpunkt der Barauszahlung ist immer zugleich der Zeitpunkt der Einlösung, wobei es ohne Bedeutung ist, ob die Zahlung durch die das Ausstellerkonto führende oder eine andere nicht kontoführende Stelle der Bank erfolgt6. Dies wird durch Nr. 9 Abs. 2 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 9 Abs. 2 Satz 4 AGB-Sparkassen) klargestellt. Damit ist weder der Zeitpunkt der Belastung des Ausstellerkontos maßgeblich noch wird die Einlösung durch eine unterbliebene Deckungs- oder Echtheitsprüfung beeinflusst7. Die Einlösung ist

3.369a

1 Kayser in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 82 Rn. 38; Windel in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2007, § 82 Rn. 35; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 67; Schlegelberger/ Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 113; Quassowski/Albrecht, Kommentar zum SchG, 1934, Art. 3 Anm. 24; Kessler, Kommentar zum SchG, 1934, Art. 3 Anm. 5b; a.A. MeyerCording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 112; Fürst LZ 1908, Sp. 412; Michaelis, Kommentar zum Scheckgesetz, 1927, Art. 3 SchG Anm. 12. 2 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechsel- und ScheckgesetzWechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 3 SchG Rn. 1317. 3 Eine Übertragung der Vertragskonstruktion, die durch das mit Wirkung v. 1.11.2009 wieder aufgehobene Überweisungsgesetz (Gesetz v. 21.7.1999, BGBl. I 1999, 1642) in das BGB (§§ 676a ff. BGB) eingeführt wurde, auf die Scheckzahlung ist nicht zulässig (Bülow WM 2000, 58). 4 BGH v. 30.9.1968 – II ZR 224/66, WM 1968, 1214. 5 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, ZIP 1986, 1537 = WM 1986, 1409; Nobbe/Menges in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 38 Rn. 203; Häuser WM 1988, 1505. 6 Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg, Rn. 6/1058. 7 Gößmann/Weber, Recht des Zahlungsverkehrs, 4. Aufl. 2004, S. 207; Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg., Rn. 6/1058.

Büchel | 571

Dritter Teil Rz. 3.369a | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

auch dann endgültig, wenn versehentlich ein Verrechnungsscheck von der bezogenen Stelle an den Vorleger bar ausgezahlt wird; diesen Pflichtverstoß hat die bezogene Bank im Innenverhältnis zu ihrem Kunden/Aussteller zu verantworten1.

3.369b

Bei einem Einzug über das Bankensystem stehen der Inkassobank mehrere Wege zur Verfügung, um den Scheck der bezogenen Bank vorzulegen. Heute werden Schecks nach dem Abkommen über den Einzug von Schecks (Scheckabkommen)2 zwischen den Instituten grundsätzlich nicht mehr körperlich vorgelegt, sondern im Wege der elektronischen Datenverarbeitung3. Zunächst sind die Banken und Institutsgruppen bemüht, die Weiterleitung im eigenen Filial- oder Gironetz vorzunehmen. Außerdem stellt die Deutsche Bundesbank im Rahmen ihrer gesamtwirtschaftlichen Aufgaben und ihrer Verpflichtung, für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland zu sorgen (§§ 3 und 19 Nr. 4 BBankG), das vereinfachte Scheckeinzugsverfahren der Kreditinstitute4 bereit.

3.369c

Bei Einziehung des Schecks über die Abrechnungsstelle der Deutschen Bundesbank im Sinne von § 1 AbrStV ist für die Unkenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Scheck von der Bank des Ausstellers spätestens hätte zurückgegeben werden können. Dies richtet sich nach den Bedingungen der Abrechnungsstellen5. Eine nicht fristgemäße Rücklieferung des Schecks gilt nämlich als Einlösung (Nr. 9 Abs. 2 Satz 4 AGB Banken, Nr. 9 Abs. 2 Satz 3 AGB Sparkassen)6, der nach dem Wesen der Skontration Erfüllungswirkung zukommt. Auf Gutgläubigkeit im Zeitpunkt der Belastung des Ausstellerkontos oder der Disposition kommt es nicht mehr an, da diese Akte infolge der Einlösungsfiktion keine entscheidende Bedeutung mehr haben.

3.369d

Wird der Scheck dagegen außerhalb der Abrechnungsstelle der Deutschen Bundesbank eingezogen, so muss das bezogene Kreditinstitut spätestens an dem auf den Tag der Vorlage (Eingangstag) folgenden Geschäftstag den Scheck mit dem Vorlegungsvermerk bzw. Protest versehen unmittelbar an die erste Inkassostelle zurücksenden (Abschnitt V Nr. 1 Scheckabkommen7). Entsprechendes gilt im „Vereinfachten Scheck- und Lastschrifteinzug für die Kreditinstitute“ durch die Deutsche Bundesbank (vgl. Nr. III 14 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank8). Ein Überschreiten dieser Frist hat jedoch keine Einlösungsfiktion. Entscheidend bleibt für die Frage der Einlösung vielmehr nach Nr. 9 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften oder Sparkassen der zweite Buchungstag nach dem Tag der Belastungsbuchung, denn bis dahin kann die Bank die Belastung stornieren und damit den Vorgang rückgängig machen9. Hat die Bank jedoch den Einlösungswillen gehabt und beispielsweise durch eine Bezahltmeldung bekundet, so ist dieser Zeitpunkt für die Kenntnis

1 Zur Problematik s. OLG Düsseldorf v. 4.11.1994 – 17 U 57/94, WM 1995, 524 = m. Anm. Hein in WuB I D 3. – 4.95. 2 Abgedr. bei Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg, Rn. 6/1072. 3 Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg., Rn. 6/1050. 4 Abschnitt III AGB-Bundesbank, abgedr. bei Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg, Rn. 6/1208. 5 S. aktuelle Fassung der AGB Bundesbank unter www.bundesbank.de. 6 BGH v. 28.9.1972 – II ZR 109/70, WM 1972, 1379; BGH v. 26.1.1987 – II ZR 121/86, ZIP 1987, 437 = WM 1987, 400 = WuB I D 3. – 6.87 Haferkamp. 7 Abkommen über den Einzug von Schecks (Scheckabkommen) – Stand 21.11.2016, abgedr. bei Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg., Rn. 6/1072. 8 Abgedr. bei Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg., Rn. 6/1208. 9 BGH v. 23.6.1988 – III ZR 75/87, WM 1988, 1328 = WuB I D 3. – 15.88 Fischer.

572 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.373 Dritter Teil

von der Insolvenzeröffnung entscheidend. Zu einer nachträglichen Ausübung des Stornorechts ist sie nicht verpflichtet1. b) Einlösung trotz Kenntnis der Insolvenzeröffnung Löst die Bank den Scheck trotz Kenntnis der Insolvenzeröffnung ein – was in der Regel auf einem Versehen beruhen wird, so erwirbt sie gegen ihren Kunden keinen Aufwendungsersatzanspruch, den sie mit ihrer Guthabenschuld verrechnen oder im Falle eines debitorischen Saldos als Insolvenzforderung anmelden könnte. Denn nach Erlöschen des Scheckvertrages konnte ein Aufwendungsersatzanspruch nicht mehr begründet werden. Das gilt auch dann, wenn der Scheck innerhalb der Vorlegungsfrist des Art. 32 Abs. 1 SchG vorgelegt wurde. Die durch Art. 32 SchG begründete Unwiderruflichkeit des Schecks betrifft nur das Verhältnis des Ausstellers zu dem Inhaber, begründet jedoch keinen Anspruch des Scheckinhabers auf Einlösung durch die Bank, aufgrund dessen diese eine unzerstörbare Anwartschaft auf die Deckung hätte erwerben können2.

3.370

Stattdessen ist die Bank auf einen Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger der Zahlung angewiesen3.

3.371

c) Einlösung ohne Kenntnis der Insolvenzeröffnung Ist der Bank bei Einlösung eines Schecks die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Ausstellers nicht bekannt, so wird sie trotz Erlöschens des Auftrags von ihrer Schuld befreit bzw. erwirbt – falls ihre Unkenntnis nicht auf Fahrlässigkeit beruhte – Aufwendungsersatzansprüche gegen die Insolvenzmasse. Das richtet sich danach, ob das Konto des Kunden ein Guthaben aufweist oder sich im Soll befindet.

3.372

aa) Ausführung aus Guthaben Wies das Konto des Kunden ein Guthaben auf, so wird die Bank, die in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung einen Scheck einlöst, durch die Zahlung an den Empfänger von ihrer Schuld gegenüber dem Kontoinhaber nach § 82 InsO befreit4. Die Beweislast für die fehlende Kenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung trifft bei einer Einlösung vor der öffentlichen Bekanntmachung den Insolvenzverwalter (§ 82 Satz 2 InsO)5, bei einer Einlösung nach der

1 Vgl. LG Kiel v. 4.3.1981 – 10 O 91/80, ZIP 1981, 501 zum Rückruf von Überweisungen. 2 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 8 Rn. 42; Heile, Die Anweisung im Konkurs des Anweisenden, 1976, S. 137; a.A. Schreiber ZHR 66, 361 ff. 3 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 68; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 503, 818; Kulke in Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2005, § 15 Rn. 6; Lehnhoff BI 1983, Heft 5, S. 43; BGH v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, NJW 1976, 1845; vgl. im Übrigen die Ausführungen oben unter Rn. 3.58. 4 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 68; für den insoweit übereinstimmenden § 8 KO: Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 3 SchG Rn. 17; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 8 Rn. 42; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 818; Heile, Die Anweisung im Konkurs des Anweisenden, 1976, S. 136; für den vergleichbaren Fall der nicht autorisierten Überweisung BGH v. 16.6.2015 – XI ZR 243/13, ZIP 2015, 1622. 5 Ebenso für die Fiktion der öffentlichen Bekanntmachung des § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768 = ZInsO 2003, 374.

Büchel | 573

3.373

Dritter Teil Rz. 3.373 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

öffentlichen Bekanntmachung muss die Bank ihre Unkenntnis beweisen (§ 82 Satz 1 InsO). Dabei steht fahrlässige Unkenntnis, das sog. Kennenmüssen, der Kenntnis nicht gleich1. Auch die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Insolvenz schließen lassen, schadet nicht. Diese in § 130 Abs. 2, § 131 Abs. 2 InsO enthaltene Fiktion der Kenntnis beruht auf dem Bemühen der Insolvenzrechtsreform, die Anfechtung von Rechtshandlungen vor Verfahrenseröffnung zu erleichtern2; eine Ausdehnung dieser Sonderregelungen auf andere Themen ist nicht zulässig.

3.374–3.375

frei

bb) Einlösung bei Debetsaldo

3.376

Wies das Konto des Kunden einen Debetsaldo aus, so kann die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO). Dies gilt aber nicht, wenn die Unkenntnis der Bank auf Fahrlässigkeit beruht. Denn das Fortbestehen des Auftrags zur Einlösung von Schecks wird nur dann fingiert, wenn dem Beauftragten das Erlöschen des Auftrags weder bekannt war noch bekannt sein musste3.

3.377

Die Bank ist jedoch nicht auf die Insolvenzquote angewiesen, wenn ihr andere Werte des Kunden für ihre Forderung haften4. Zur Begründung kann auf die Ausführungen zur Überweisung verwiesen werden (s. Rn. 3.55 f.). d) Einlösung wegen Gefahr im Verzug

3.378

Eine weitere Ausnahmebestimmung von dem Grundsatz, dass die Bank keinen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Kunden bei Einlösung seiner Schecks in Kenntnis der Insolvenzeröffnung erwirbt, enthalten die §§ 116, 115 Abs. 2 InsO: Danach gilt der durch die Insolvenzeröffnung an sich erloschene Geschäftsbesorgungsvertrag und damit auch der Scheckvertrag als fortbestehend, wenn mit dem Aufschub der Ausführung Gefahr verbunden ist. Ist ausnahmsweise ein solcher Fall gegeben, so erwirbt die Bank für die Einlösung des Schecks einen Aufwendungsersatzanspruch, der eine Masseforderung darstellt (§ 115 Abs. 2 Satz 3 InsO)5. Mit dieser Masseforderung kann sie gegen ein etwaiges Guthaben des Gemeinschuldners aufrechnen; § 96 InsO steht dem nicht entgegen6. Eine Bank wird jedoch kaum in der Lage sein, zuverlässig zu beurteilen, ob tatsächlich „Gefahr im Verzug“ ist. Daher ist ihr grundsätzlich abzuraten, nach Insolvenzeröffnung noch Verfügungen zuzulassen.

1 LG München v. 2.12.1986 – 32 S 11420/86, WM 1987, 222; nur positive Kenntnis schadet, Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 13. 2 RegE Allgemeine Begründung A 4b gg. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 502. 4 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 70; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 502. 5 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 71; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 3 SchG Rn. 17.; Damrau BB 1969, 206. 6 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521.

574 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.383 Dritter Teil

e) Bestätigter Scheck Schecks können grundsätzlich nicht bestätigt werden, da die Bestätigung den Zweck des Annahmeverbots (Art. 4 SchG) vereiteln würde1. Von dem Verbot der Bestätigung enthält lediglich § 23 Abs. 1 BBankG eine Ausnahme: Danach darf die Deutsche Bundesbank einen auf sie gezogenen Scheck bestätigen, wenn sie Deckung dafür erhalten hat. Diesen Scheck muss sie auch nach Insolvenzeröffnung einlösen (§ 23 Abs. 2 BBankG). Durch die Einlösung wird sie von ihrer Schuld gegenüber den Insolvenzgläubigern nach einhelliger Meinung befreit2. Nach Ablauf der Vorlegungsfrist kann der Insolvenzverwalter den Scheck jedoch widerrufen und damit die bereits bei der Bundesbank eingezahlte Deckung zur Masse einziehen3.

3.379

f) Einlösung von kartengarantierten eurocheques Seit Anfang 1968 haben die Kreditinstitute ihren Kunden auf Wunsch Scheckkarten überlassen, in denen sie jedem Schecknehmer in Europa und den an das Mittelmeer grenzenden Staaten die Zahlung eines auf ihren ec-Vordrucken ausgestellten Schecks bis zur Höhe von zuletzt 400 DM garantierten4. Dieses Verfahren wurde zum 31.12.2001 eingestellt.

3.380

5. Einlösung im Planverfahren Nach der Rechtskraft der Bestätigung des Plans wird das Insolvenzverfahren aufgehoben (§ 258 InsO). Damit erhält der Kunde das Recht zurück, frei über die Insolvenzmasse zu verfügen (§ 259 InsO). Die Verfügungsbefugnis über die vom Verwalter eröffneten Konten steht dann kraft Gesetzes dem Kunden zu, ohne dass es eines Übertragungsakts bedürfte. Danach sind der Kunde zur Ausstellung von Schecks und die Bank zu deren Einlösung wieder berechtigt.

3.381

Der Kunde erhält auch dann die Verfügungsbefugnis wieder zurück, wenn sich an die Bestätigung des Plans ein Überwachungsverfahren anschließt. Allerdings kann im Plan vorgesehen sein, dass bestimmte Rechtsgeschäfte an die Zustimmung des Verwalters gebunden sind (§ 263 InsO). Die Ausstellung von Schecks dürfte dazu nur in den seltensten Fällen gehören.

3.382

II. Insolvenz des Scheckeinreichers Reicht ein Kunde, der insolvent zu werden droht, der Bank Schecks – gleichgültig ob Inhaber-, Order- oder Rektaschecks – zum Einzug ein, so erhebt sich für die Bank die Frage, inwieweit sie den Einzugsauftrag des Kunden noch annehmen kann5, ob sie den eingezogenen Gegen-

1 Zur Auslegung der banküblichen Scheckbestätigung s. Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 4 Rn. 3 ff. und BGH v. 29.3.1994 – XI ZR 131/93, WM 1994, 884. 2 Spindler/Becker/Starke, Die Deutsche Bundesbank, 4. Aufl. 1973, § 23 Anm. 2; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 4 SchG Rn. 11 ff.; Heile, Die Anweisung im Konkurs des Anweisenden, 1976, S. 147. 3 Spindler/Becker/Starke, Die Deutsche Bundesbank, 4. Aufl. 1973, § 23 Anm. 2. 4 Zu den Einzelheiten vgl. die Ausführungen in der 7. Aufl. unter Rn. 3.219 ff.; zur möglichen Weiterverwendung der nicht mehr garantierten Scheckvordrucke Werner in Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2012/161. Lfg., Rn. 6/1304. 5 Über „Unter-Deckung-Nehmen“ von Schecks und Wechseln unter Banksicherheiten vgl. Kelz Bank-Betrieb 1971, 50.

Büchel | 575

3.383

Dritter Teil Rz. 3.383 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

wert an den Kunden auszahlen darf bzw. ob sie ihn mit einem etwaigen Debetsaldo verrechnen kann.

1. Berechtigung zur Übernahme des Einzugsauftrags 3.384

Anders als bei Überweisungsaufträgen zugunsten eines insolventen Kunden, bei denen der Bank unter Umständen eine Warnpflicht gegenüber dem Überweisungsauftraggeber obliegt (vgl. dazu Rn. 3.110 ff.), muss die Bank bei der Annahme von Schecks zum Einzug keine Rücksicht auf die Interessen des Scheckausstellers nehmen und ihn auf eine etwa drohende oder schon eingetretene Insolvenz des Einreichers nicht hinweisen. Sorgfaltspflichten, wie sie durch die Erteilung eines Überweisungsauftrages entstehen können, treffen die Bank gegenüber dem Scheckaussteller nicht1. Denn durch die Einreichung des Schecks seitens des Schecknehmers bei der Bank entsteht kein Vertragsverhältnis zwischen der Bank und dem Scheckaussteller, aus dem Sorgfalts- und Warnpflichten der Bank erwachsen könnten.

3.385

Aber auch wenn der Scheckaussteller ebenfalls Kunde der Bank sein sollte, ergeben sich aus dem Bankvertrag mit ihm keine Sorgfalts- und Warnpflichten der Bank. Mit einer Warnung oder Aufklärung über die Vermögensverhältnisse des Scheckinhabers wäre dem Aussteller nämlich nicht gedient. Der Scheckaussteller kann sich von seiner Scheckverpflichtung nicht befreien, wenn der Scheck innerhalb der Vorlegungsfrist eingereicht wird (Art. 32 SchG). Darauf weisen die üblichen Formulare, mit denen die Bank dem Aussteller den Empfang einer Schecksperre bestätigt, ausdrücklich hin.

2. Auswirkungen der Insolvenz auf die Erteilung neuer Einzugsaufträge 3.386

Für die Auswirkungen der Insolvenz auf den Einzugsauftrag an die Bank kommt es darauf an, in welchem Stadium der Insolvenz sich der Einreicher bei Erteilung des Einzugsauftrags befindet. a) Neue Einzugsaufträge vor Insolvenzantrag

3.387

Neue Aufträge zum Inkasso von Schecks kann der Bankkunde vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor der Einsetzung eines vorläufigen Verwalters, der mit einem Verfügungsverbot oder einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist, noch unbeschränkt erteilen. b) Neue Einzugsaufträge nach Insolvenzantrag

3.388

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten des Bankkunden zur Erteilung neuer Einzugsaufträge ab.

1 OLG Düsseldorf v. 11.11.1974 – 6 U 53/74, WM 1975, 18.

576 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.392 Dritter Teil

aa) Einzugsaufträge vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen Solange das Gericht derartige Maßnahmen nicht getroffen hat, kann der Kunde der Bank weiterhin Schecks zum Inkasso hereingeben. Damit kommt ein wirksamer Inkassoauftrag zustande1. Zwar können sich die Geschäftsführer einer GmbH, die Vorstände einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder einer Genossenschaft schadensersatzpflichtig machen, wenn sie nach Eintritt der Zahlungssperre wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens noch Zahlungen leisten (§ 15b InsO bzw. bis 31.12.2020 § 64 Satz 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, § 99 GenG)2; dazu gehört auch die Rückführung debitorischer Salden durch Einreichen von Schecks zum Inkasso. Die Ersatzpflicht der Geschäftsführer bzw. Vorstände betrifft jedoch nur deren Verhältnis zu dem Unternehmen. Sie wirkt sich nicht auf das Verhältnis des Unternehmers zu der Bank aus.

3.389

An den Schecks erwirbt die Bank das Sicherungseigentum (Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 AGB Sparkassen). Sie dienen als Sicherheit für alle Ansprüche, die der Bank bei Einreichung aus den Kontokorrentkonten ihres Kunden (Nr. 15 Abs. 4 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften) oder infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere zustehen (Nr. 25 AGB Sparkassen)3. Gleichzeitig gehen die dem Scheck zugrunde liegenden Forderungen auf die Bank über (Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften). Das Sicherungseigentum kann allerdings im nachfolgenden Insolvenzverfahren unter Umständen angefochten werden (Einzelheiten s. Rn. 3.421 f.).

3.389a

bb) Einzugsaufträge nach Verfügungsverbot Hat das Insolvenzgericht als vorläufige Maßnahme im Insolvenzantragsverfahren ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, so sind damit Verfügungen des Gemeinschuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse nicht mehr zulässig. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner4. Dazu zählt auch die Erteilung eines Scheckinkassoauftrages an die Bank. Ebenso wird die mit der Scheckeinreichung verbundene Begründung von Sicherungseigentum der Bank an dem Scheck durch das allgemeine Verfügungsverbot verhindert.

3.390

cc) Einzugsaufträge nach Einsetzung eines vorläufigen Verwalters Die Rechte und Pflichten des vorläufigen Verwalters unterscheiden sich danach, ob dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt auferlegt wird oder ob dies nicht der Fall ist.

3.391

Ohne Anordnung einer Verfügungsbeschränkung kann nur der Kunde, nicht aber der vorläufige Verwalter Schecks zum Inkasso mit den oben dargestellten Wirkungen (Rn. 3.389) ein-

3.392

1 Kulke in Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2005, § 15 Rn. 7. 2 OLG Hamburg v. 21.4.1995 – 11 U 195/93, ZIP 1995, 913; LG Itzehoe v. 1.4.1996 – 6 O 236/95, ZIP 1996, 797; s. oben Rn. 5.620 ff. 3 Einzelheiten zu der Einschränkung des Sicherungszwecks s. Merkel WM 1993, 725; Bülow BB 1995, 2485. 4 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, WM 1989, 1816; Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14; Gerhardt ZIP 1982, 1.

Büchel | 577

Dritter Teil Rz. 3.392 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

reichen. Der Verwalter selbst kann dagegen über die Schecks nicht verfügen. Den Gegenwert kann die Bank nur an den Kunden, nicht aber an den Verwalter mit befreiender Wirkung auszahlen.

3.393

Nach Anordnung eines Verfügungsverbots kann nur der vorläufige Verwalter Schecks zum Inkasso einreichen. Den Gegenwert kann die Bank nur an den Verwalter, nicht aber an den Kunden mit befreiender Wirkung auszahlen. Mit der Begründung von Sicherungseigentum (Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 AGB Sparkassen) darf der Verwalter sich nicht einverstanden erklären. Wenn die Bank eine entsprechende Sondervereinbarung nicht treffen will, muss er das Scheckinkasso über ein Kreditinstitut leiten, das keine sicherungsfähigen Forderungen gegen den Schuldner besitzt.

3.394

Das Gleiche gilt für einen vorläufigen Verwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist. Er kann nicht allein verfügen und deshalb keine neuen Scheckinkassoaufträge erteilen, aber – wenn der Kontoinhaber solche Aufträge erteilt – entscheiden, ob er sie genehmigt oder ablehnt. Die Bank muss sich dann die Zustimmung nachweisen lassen. c) Neue Einzugsaufträge nach Verfahrenseröffnung

3.395

Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Scheckinhabers kann grundsätzlich nur der Verwalter, in Ausnahmefällen aber auch der Kunde Schecks zum Inkasso einreichen. aa) Einzugsaufträge des Verwalters

3.396

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Sofern er das Konto des Schuldners weiterhin nutzen will und dies mit der Bank vereinbart hat, kann er über das Insolvenzkonto Schecks zum Einzug hereingeben. Mit der Begründung von Sicherungseigentum (Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 AGB Sparkassen) darf er sich allerdings nicht einverstanden erklären. Lehnt die Bank eine entsprechende Sondervereinbarung ab, muss er das Scheckinkasso über ein Kreditinstitut leiten, das keine sicherungsfähigen Forderungen gegen den Schuldner besitzt. Den eingezogenen Betrag darf die Bank nur an den Verwalter auszahlen. bb) Einzugsaufträge des Kunden

3.397

Grundsätzlich ist der Kunde nach Verfahrenseröffnung gehindert, der Bank Schecks zum Einzug zu übertragen bzw. über den Inkassoerlös zu verfügen; die Bank kann mit befreiender Wirkung nur an den Verwalter leisten. Wenn ihr allerdings die Verfahrenseröffnung unbekannt geblieben ist und sie Schecks einzieht, die der Kunde dem Verwalter vorenthalten hat, wird sie durch Auszahlung des Scheckbetrages an den Schuldner befreit (§ 82 InsO).

3.398

Da der Insolvenzschuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder seine Rechtsnoch seine Geschäftsfähigkeit verliert1, kann er auch nach der Eröffnung wirksam Rechtsgeschäfte abschließen. Er kann also Konten eröffnen und Schecks zum Inkasso einreichen, sofern diese Schecks nicht der Insolvenzmasse angehören. Grundsätzlich zählt auch der Neuerwerb, also das, was der Insolvenzschuldner nach Insolvenzeröffnung – sei es durch Arbeit 1 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 14.

578 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.400 Dritter Teil

oder Erbschaft oder Schenkung – erwirbt, zur Masse (§ 35 InsO). Hier ist aber zu unterscheiden, ob die Forderung, zu deren Erfüllung1 der Scheck gegeben wird, ausnahmsweise nicht in die Masse gefallen ist2. Ausgenommen von der Massezugehörigkeit sind unpfändbare Forderungen (§ 36 Abs. 1 InsO), also insbesondere Lohn- und Gehaltsforderungen innerhalb der Pfändungsfreigrenzen der §§ 850c ff. ZPO. Gehört die dadurch erworbene Forderung nicht zur Insolvenzmasse, so gilt dies auch für den zu ihrer Erfüllung gegebenen Scheck3. Für die Bank bedeutet dies, dass sie den Inkassoauftrag von dem Kunden annehmen kann und den eingezogenen Gegenwert dem Insolvenzschuldner und nicht dem Insolvenzverwalter auszahlen muss. cc) Unklarheit über Massezugehörigkeit eines Schecks Schwierig wird die Lage für die Bank, wenn sie zwar die Insolvenzeröffnung kennt, aber – was weniger bei Unternehmen, wohl aber bei Verbrauchern verständlich ist – nicht weiß, ob der Scheck in die Insolvenzmasse gefallen ist oder zum insolvenzfreien Vermögen gehört. § 82 InsO greift gerade wegen der Kenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung nicht ein. Hier fragt es sich, ob die Grundsätze zur Anwendung kommen, welche die Rechtsprechung und Literatur für die Einreichung von Schecks durch einen Nichtberechtigten entwickelt haben. Sie sind darauf zugeschnitten, dass dem berechtigten Inhaber ein Scheck (z.B. durch Unterschlagung) abhandenkommt und von einem Nichtberechtigten der Bank zur Einlösung vorgelegt wird4. Sie unterscheiden sich von unserem Fall nur dadurch, dass der vom Schuldner vorgelegte Scheck nicht abhandengekommen, sondern durch einen wirksamen Begebungsvertrag in seine Hände gelangt ist. Sie gleichen sich jedoch insofern, als sich jeweils ein nichtberechtigter Scheckinhaber der Bank gegenüber durch die Vorlage des Schecks legitimiert. Dabei dürfte es unerheblich sein, ob die Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) oder das Eigentum (bei Abhandenkommen) fehlt5. Unter diesen Umständen bestehen keine Bedenken, die Grundsätze über den unredlichen Scheckverkehr heranzuziehen. Diese besagen etwa Folgendes:

3.399

Da der Besitz eines Inhaberschecks den Inhaber legitimiert, braucht die Bank grundsätzlich die Berechtigung des Veräußerers nicht zu prüfen6. Daher ist sie nur dann zu Nachforschungen verpflichtet, wenn besondere Umstände den Verdacht nahelegen, dass der Scheckinhaber nicht der Berechtigte ist. Die Einlösung eines Schecks ist dann grob fahrlässig, wenn besonde-

3.400

1 RG v. 11.1.1912 – VI 480/10, RGZ 78, 142; für den Wechsel: BGH v. 20.10.1975 – II ZR 55/74, WM 1975, 1255. 2 Ohm WM 1960, 310. 3 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 1 Rn. 145, 146. 4 Zu der Problematik vgl. im Einzelnen Lambeck, Verkehrserforderliche Sorgfalt und Organisationsverschulden der Banken im Umgang mit Verrechnungsschecks, Diss. Köln 1970 und OLG Köln v. 12.6.1995 – 16 U 129/94, ZIP 1995, 1815. 5 A.A. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 822, der wegen § 7 KO (jetzt § 91 InsO) einen gutgläubigen Erwerb ablehnt. 6 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 21 SchG Rn. 5; BGH v. 11.7.1963 – II ZR 45/62, WM 1963, 891; zum Begriff der groben Fahrlässigkeit im Scheckrecht vgl. Lambeck, Verkehrserforderliche Sorgfalt und Organisationsverschulden der Banken im Umgang mit Verrechnungsschecks, Diss. Köln 1970, S. 13 ff.; Bülow WM 1997, 10.

Büchel | 579

Dritter Teil Rz. 3.400 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

re Gründe in der Person des Einreichers einen sorgfältigen Kaufmann zur Vorsicht und ggf. zu weiteren Erkundigungen veranlassen würden1.

3.401

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Einreichers ist sicherlich ein Umstand, der jedenfalls dann zu Nachforschungen verpflichtet, wenn ein vor Insolvenzeröffnung ausgestellter Scheck erst nachher vorgelegt wird oder, wenn er betragsmäßig über die Pfändungsfreigrenzen hinausgeht. In diesem Fall ist nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass es sich nicht um einen insolvenzfreien Neuerwerb handelt, besonders groß.

3.402

In allen Fällen, in denen die Frage auftritt, ob die Bank den Insolvenzverwalter ansprechen soll, muss außerdem geprüft werden, ob dem das Bankgeheimnis, zu dessen Wahrung die Bank mit Abschluss des neuen Bankvertrages mit dem Gemeinschuldner verpflichtet ist, entgegensteht. Hierbei kann sie in eine echte Interessenkollision kommen: Einerseits riskiert sie, dass sie ein zweites Mal an den Insolvenzverwalter zahlen muss, andererseits setzt sie sich Schadensersatzansprüchen von Seiten des Kunden wegen Verletzung des Bankgeheimnisses aus. In diesen Fällen stellt jedoch die Rechtsprechung die Bank ausnahmsweise von ihrer Geheimhaltungspflicht frei, weil dies „ein überwiegendes eigenes Interesse der Bank“ gebietet2. Unter diesen Umständen kann man davon ausgehen, dass die Bank während der Dauer eines Insolvenzverfahrens in begründeten Zweifelsfällen immer das Recht hat, bei dem Insolvenzverwalter Erkundigungen einzuziehen, ob ein vom Schuldner eingereichter Scheck zur Insolvenzmasse gehört. Unterlässt sie dies, so wird sie unter Umständen durch die Zahlung an den Schuldner nicht befreit und muss ein zweites Mal, nämlich an den Insolvenzverwalter, zahlen. d) Neue Einzugsaufträge im Planverfahren

3.403

Neue Einzugsaufträge kann der Bankkunde im Planverfahren erst dann wieder unbeschränkt erteilen, wenn der Plan bestätigt und das Verfahren aufgehoben ist. Von einem etwa an die Planbestätigung anschließenden Überwachungsverfahren wird das Inkassogeschäft in der Regel nicht berührt; auch wenn die Wirksamkeit bestimmter Geschäfte an die Zustimmung des Verwalters geknüpft wird (§ 263 InsO), dürfte dies kaum einmal das Scheckinkasso betreffen.

3. Auswirkungen der Insolvenz auf laufende Einzugsaufträge a) Auswirkungen von Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag

3.404

Weder die Zahlungsunfähigkeit des Scheckeinreichers noch der Insolvenzantrag berühren das Recht und die Pflicht der Bank zur Durchführung von vorher wirksam erteilten Scheckinkassoaufträgen3.

1 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 21 SchG Rn. 5; Lambeck, Verkehrserforderliche Sorgfalt und Organisationsverschulden der Banken im Umgang mit Verrechnungsschecks, Diss. Köln 1970; Bülow WM 1997, 10; BGH v. 26.3.1952 – II ZR 53/51, BGHZ 5, 285; BGH v. 23.1.1958 – II ZR 166/56, WM 1958, 247; BGH v. 19.3.1959 – II ZR 98/57, WM 1959, 593; BGH v. 11.7.1963 – II ZR 45/62, WM 1963, 891; BGH v. 24.5.1965 – II ZR 210/62, WM 1965, 705; BGH v. 7.10.1965 – II ZR 159/63 – 1965, 1075; BGH v. 21.2.1962 – IV ZR 204/61, NJW 1962, 1056; BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 58/95, ZIP 1996, 270 = WM 1996, 248. 2 BGH v. 26.10.1953 – I ZR 156/52, DB 1953, 1031; OLG Frankfurt v. 16.6.1965 – 13 U 189/64, n.v. 3 Kübler BB 1976, 803.

580 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.411 Dritter Teil

b) Auswirkungen der Anordnung vorläufiger Maßnahmen Auch ein im Zeitpunkt der Anordnung eines Verfügungsverbots oder der Einsetzung eines vorläufigen Verwalters noch nicht ausgeführter Auftrag zum Inkasso von Schecks bleibt bestehen. Von dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter wird er nicht berührt. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss aus §§ 115, 116 InsO, wonach Geschäftsbesorgungsverträge erst mit Verfahrenseröffnung erlöschen.

3.405

Über den eingezogenen Scheckbetrag dürfen aber, wenn ein Verfügungsverbot angeordnet ist, nur noch der vorläufige Insolvenzverwalter, bei Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts nur noch vorläufige Verwalter und Bankkunde gemeinsam verfügen. Lässt die Bank Verfügungen des Kunden zu, so kann sie von dem Insolvenzverwalter nochmals auf Zahlung in Anspruch genommen werden, es sei denn, dass ihr zu diesem Zeitpunkt die Verfügungsbeschränkungen nicht bekannt waren (§§ 24, 82 InsO).

3.406

c) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung Ein im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht ausgeführter Auftrag zum Inkasso von Schecks würde – wie soeben erwähnt – mit der Eröffnung des Verfahrens (§§ 116, 115 InsO) erlöschen.

3.407

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz greift ein, wenn der Bank die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste. In diesem Fall gilt der Auftrag ihr gegenüber als fortbestehend (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO).

3.408

Der Inkassoauftrag gilt auch dann als fortbestehend, wenn mit dem Unterlassen der Einziehung eine Gefahr für den Auftraggeber verbunden ist (§§ 116, 115 Abs. 2 InsO). Nachteile für den Auftraggeber können daraus herrühren, dass ihm nach Ablauf der achttägigen Vorlegungsfrist die Rückgriffsrechte gegen die Scheckverpflichteten verloren gehen (Art. 40 SchG)1. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, wird die Bank im Einzelfall aus eigenem Wissen kaum feststellen können. Sie kann Schecks, die sich in der Bearbeitung befinden, angesichts der Massenhaftigkeit der Zahlungsverkehrsvorgänge nicht heraussuchen und daraufhin überprüfen, ob dem Einreicher ein Verlust droht. Generell muss die Bank jedoch davon ausgehen, dass der Abbruch eines Scheckinkassovorganges wegen der damit verbundenen Zeitverzögerung und der Gefahr des Verlusts von Rückgriffsansprüchen nachteilig ist. Deshalb sollte sie bereits begonnene Inkassi zu Ende führen.

3.409

Über den eingezogenen Scheckbetrag darf nur noch der Insolvenzverwalter verfügen. Lässt die Bank Verfügungen des Kunden zu, so kann sie von dem Insolvenzverwalter nochmals auf Zahlung in Anspruch genommen werden, es sei denn, dass ihr zu diesem Zeitpunkt die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war (§ 82 InsO).

3.410

Wegen ihres Anspruchs auf Gebühren für den Scheckeinzug ist die Bank nicht auf eine Insolvenzforderung angewiesen. Wenn das Gesetz den Einzugsauftrag als fortbestehend fingiert, um Nachteile für den Kunden abzuwehren, so ist der Gebührenanspruch eine Masseforderung (§§ 116, 115 Abs. 2 InsO). Anderenfalls ist die Bank wegen ihres Anspruchs auf Gebühren für den Scheckeinzug zwar grundsätzlich nur Insolvenzgläubigerin (§§ 116, 115 Abs. 2 Satz 3 InsO), kann sich jedoch aus dem eingezogenen Betrag durch Aufrechnung befriedigen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein, da der Aufwendungsersatzanspruch der

3.411

1 Lehnhoff BI 1983, Heft 5, 43.

Büchel | 581

Dritter Teil Rz. 3.411 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Bank (§§ 675, 670 BGB) und der Herausgabeanspruch des Kunden (§§ 675, 667 BGB) mit Annahme des Auftrags, also schon vor Insolvenzeröffnung, aufschiebend bedingt entstanden waren und die beiden Bedingungen gleichzeitig eintreten (§ 95 InsO).

4. Verrechnung der Zahlungseingänge 3.412

Eine Bank, die einen Scheckeinzugsauftrag ihres insolventen Kunden ausführt, hat den Gegenwert seinem Konto unabhängig davon gutzuschreiben, ob der Kunde seine Zahlungen schon eingestellt hat, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, ein Verfügungsverbot verhängt oder das Verfahren zwischenzeitlich sogar schon eröffnet ist. Im letzteren Fall ist der Girovertrag zwar bereits erloschen1, die Gutschrift gehört jedoch zu den nachvertraglichen Pflichten der Bank. Über ein Guthaben, das durch den Eingang entsteht oder sich erhöht, darf die Bank den Kunden nach Anordnung eines Verfügungsverbots oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens – wie oben erwähnt – nicht mehr verfügen lassen.

3.413

Wenn sein Konto dagegen einen Debetsaldo aufweist, erhebt sich die Frage, ob die Bank den eingezogenen Betrag mit ihren Forderungen gegen den Einreicher verrechnen darf. Die Verrechnung bzw. Aufrechnung unterliegt diversen Beschränkungen, die mit zunehmender Nähe des Insolvenzverfahrens steigen (vgl. im Einzelnen Rn. 3.145 ff. und Tabelle Rn. 1.390). Die Verrechnung bzw. Aufrechnung ist nämlich nicht zulässig, wenn die Bank die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Je nach Lage des Falles kann die Anfechtung generell ausgeschlossen sein oder aber von der wirtschaftlichen Situation des Kunden und der Kenntnis der Bank von dieser Lage im Zeitpunkt der Einreichung bzw. Einlösung des Schecks abhängen. a) Generelle Anfechtungsausschlüsse

3.414

Bei bestimmten Vorgängen ist eine Anfechtung generell ausgeschlossen, weil es an einer allen Anfechtungstatbeständen gemeinsamen Voraussetzung, nämlich der Gläubigerbenachteiligung2 fehlt. Dies ist beispielsweise bei vorzeitigen Verfügungen des Kunden über den Scheckbetrag, bei Wiederinanspruchnahme der durch den Scheck reduzierten Kreditlinie oder bei Sicherungsabtretung der Forderung, die der Scheckbegebung zugrunde liegt, der Fall. aa) Verfügungen vor Einlösung

3.415

Eine Anfechtung der Einstellung des Scheckbetrages in das Kontokorrent ist generell ausgeschlossen, wenn die Bank dem Kunden im Hinblick auf den eingereichten Scheck Verfügungen in Höhe des Scheckbetrages gestattet hat3. Die Scheckeinreichung, die damit verbundene Sicherungsübereignung des Schecks und die Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Geschäft, das der Scheckbegebung zugrunde liegt (s. Rn. 3.389a), stellen nämlich ein 1 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137; BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 720; BGH v. 13.11.1990 – XI ZR 217/89, WM 1991, 60 = WuB I E 1. – 2.91 Sonnenhol; BGH v. 21.6.2005 – XI ZR 152/04, ZIP 2005, 1448; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZInsO 2015, 742 Rn. 9; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZInsO 2019, 678 Rn. 11; Merz WM 1983, 106. 2 RG v. 3.2.1905 – VII 497/04, RGZ 60, 109; RG v. 28.2.1914 – V 363/13, RGZ 84, 254; RG v. 5.11.1918 – VII 202/18, RGZ 94, 307; BGH v. 20.2.1980 – VIII ZR 48/79, WM 1980, 409; BGH v. 19.3.1980 – VIII ZR 195/79, WM 1980, 598; BGH v. 21.4.1988 – IX ZR 71/87, ZIP 1988, 725. 3 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133.

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B. Scheckverkehr | Rz. 3.417 Dritter Teil

der Anfechtung entzogenes Bargeschäft dar. Ein Bargeschäft liegt vor, wenn gleichwertige Leistungen ausgetauscht, die Insolvenzgläubiger durch die Sicherheitenbestellung also nicht benachteiligt werden, weil dem Vermögen des Gemeinschuldners alsbald ein entsprechender Gegenwert zufließt (§ 142 InsO)1. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die Bank dem Kunden erlaubt, den durch den Scheck reduzierten Debetsaldo wieder bis zur ursprünglichen Höhe durch neue Verfügungen auszunutzen2. bb) Verrechnung bei offener Kreditlinie Die Anfechtbarkeit der Verrechnung von Zahlungseingängen, also auch von Eingängen aus Scheckinkassi scheidet in Höhe eines sog. „anfechtungsrechtlichen Mindestbetrags“ aus, wenn die Bank die Kreditlinien offengehalten und dem Kunden in Höhe der eingegangenen Beträge Verfügungen gestattet hat3, wozu sie bei ungekündigten Kontokorrentkrediten verpflichtet war4. Könnte der Insolvenzverwalter die Herausgabe der Inkassobeträge verlangen, so würde die Bank ihre Deckung für die späteren Verfügungen des Kunden, die sie noch zugelassen hat, verlieren und ihre ungesicherte Insolvenzforderung über den ursprünglichen Kreditrahmen hinaus um die Beträge der späteren Verfügungen erhöhen.

3.416

Entscheidend ist der enge wirtschaftliche, rechtliche und zeitliche Zusammenhang zwischen Gut- und Lastschriften, wenn die Bank gemäß ihrer vertraglichen Verpflichtung den Kunden bis zu einer Kreditobergrenze wieder verfügen lässt; hier bedingt die Ausführung von Zahlungsaufträgen zugleich den Eingang ausgleichender wirtschaftlicher Werte, ohne den die Kreditlinie alsbald überschritten und die Bank zu einer Verweigerung weiterer Belastungen berechtigt wäre5. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist jedenfalls dann eingehalten, wenn zwischen den kontokorrentmäßigen Soll- und Habenbuchungen weniger als eine6 oder zwei

3.417

1 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, WM 1977, 254; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, WM 1980, 779; BGH v. 27.9.1984 – IX ZR 3/84, WM 1984, 1430; BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/ 91, WM 1993, 265; OLG Braunschweig v. 11.11.1949 – 2 U 158/49, MDR 1950, 356; OLG Düsseldorf v. 4.6.1982 – 24 U 23/82, ZIP 1982, 860 und Rn. 6.120. 2 Dies wird in der Entscheidung des BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, ZIP 2007, 924 – offenbar mangels entsprechendem Sachvortrag – übersehen. 3 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZInsO 1999, 289; BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/99, ZInsO 2003, 374; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856; BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, WM 2008, 169; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 303; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZInsO 2012, 1301 mit Anm. Bartels ZIP 2013, 1756; im Ergebnis auch OLG Jena v. 8.4.1997 – 5 U 962/96 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 9.7.1998 – IX ZR 133/97. 4 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 (VII); BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; OLG Rostock v. 7.3.2005 – 3 U 121/04, WM 2007, 980. 5 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = ZInsO 1999, 289; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZIP 2002, 812 = ZInsO 2002, 426; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/99, ZIP 2003, 675 = ZInsO 2003, 374; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324. 6 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = WM 1999, 781; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856.

Büchel | 583

Dritter Teil Rz. 3.417 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Wochen1 vergehen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Deckung früher oder später entsteht als die Forderung der Bank aus der Ausführung von Zahlungsaufträgen2. Dagegen kann nicht an den Zeitraum angeknüpft werden, in dem nach den Vereinbarungen der Parteien ein Rechnungsabschluss vorzunehmen ist3. Daraus ergibt sich folgende Abgrenzung (Einzelheiten s. Rn. 3.170 ff.): – Wenn zu Beginn des Zeitraums, in dem die Belastungen angefallen sind, die Kreditlinie vollständig ausgenutzt war, ist eine Anfechtung der Einstellung von Eingängen aus Scheckinkassi in das Kontokorrent jedenfalls insoweit ausgeschlossen, als diese Beträge in der nachfolgenden Verrechnung wegen des nachträglichen Entstehens neuer Sollposten nicht zur Befriedigung der Bank geführt haben, und zwar auch dann, – wenn sich Eingänge und Ausgänge in dem fraglichen Zeitraum zwar ausgeglichen hätten, die Kreditlinie zu Beginn dieses Zeitraums aber noch nicht ausgeschöpft war4, – wenn die Eingänge die Ausgänge überstiegen und somit eine Reduzierung des debitorischen Saldos bewirkt haben, kann in Höhe des überschießenden Betrages eine Anfechtbarkeit in Betracht kommen5, – wenn der Kunde den Kredit über den Rahmen der zugesagten Linie hinaus in Anspruch genommen hat, fällt eine Reduzierung dieses Spitzenbetrages durch alsbaldige Eingänge nicht unter die oben beschriebene Ausnahmeregelung. cc) Deckung durch Sicherheiten

3.418

Die Anfechtbarkeit der Verrechnung eines Scheckeingangs zugunsten des späteren Schuldners mit dem debitorischen Saldo auf dessen Konto ist stets ausgeschlossen, wenn die Forderung, die der Aussteller begleichen wollte, der Bank zur Sicherheit abgetreten war. Die üblichen Zessionsverträge6 sehen nämlich vor, dass der Kunde seine Ansprüche aus Schecks und Wechseln, die er zur Bezahlung der abgetretenen Forderungen erhält, an die Bank schon im Voraus sicherungshalber abtritt7. Manche Verträge gehen weiter und sehen zusätzlich eine Sicherungsübereignung des Schecks und eine Verpflichtung des Kunden zur Indossierung und Aushändigung des Schecks an die Bank vor8. Wenn ein solcher Scheck auf dem Inkassowege bezahlt

1 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204. 2 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524. 3 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524 (offengelassen für Abrechnungsperioden von einem Monat); a.A. OLG Brandenburg v. 8.12.1999 – 7 U 247/97, ZIP 2000, 366. 4 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/99, ZInsO 2003, 374; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324; LG Berlin v. 19.7.2001 – 13 O 130/01; Joeres in Bork/Kübler, Insolvenzrecht 2000, RWS-Forum 18, 2001, S. 99, 119; Zuleger ZInsO 2002, 49; a.A. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1997, § 30 Rn. 277; Heublein ZIP 2000, 161; LG Bochum v. 7.12.2000 – 1 O 444/00, ZIP 2001, 87; OLG Hamm v. 4.9.2001 – 27 U 34/01, ZIP 2001, 1683. 5 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; Heublein ZIP 2000, 161; Steinhoff ZIP 2000, 1141. 6 S. Muster bei Wittig in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, Bankrecht VI H 3. 7 Zur Einziehungsbefugnis für solche Schecks und Wechsel s. OLG Hamm v. 16.12.1997 – 7 U 66/ 97, ZIP 1998, 506. 8 OLG Stuttgart v. 24.10.2001 – 9 U 28/01, ZIP 2001, 2183; zum Ersatzaussonderungsrecht s. Rn. 1.301.

584 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.420 Dritter Teil

wird, erhält die Bank durch die Verrechnung also nur das, was ihr aufgrund der Sicherungszession ohnehin zugestanden hätte1. Denn alle Anfechtungstatbestände setzen voraus, dass die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit objektiv benachteiligt sind2. Hieran fehlt es, wenn ein Gläubiger Befriedigung oder Deckung erhält, die nach der besonderen Fallgestaltung auch der Insolvenzverwalter hätte gewähren müssen3. Demgemäß liegt auch in der Herausgabe einer Sache, die hätte ausgesondert werden können, keine Gläubigerbenachteiligung4. Hätte der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung die zur Sicherung abgetretene Forderung eingezogen, so wäre die Bank entsprechend § 48 InsO zur Ersatzaussonderung berechtigt gewesen5. Wenn dagegen die Forderung, zu deren Bezahlung der Scheck diente, einem Dritten z.B. aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts abgetreten war, so schließt dies eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich nicht aus. Denn der Dritte hätte weder ein Aus- noch ein Absonderungsrecht noch ein Ersatzaussonderungsrecht erworben6.

3.419

dd) Scheckrückgaben Schecks, die der Kunde der Bank einreicht, schreibt die Bank zwar in der Regel sofort, allerdings unter dem Vorbehalt des Eingangs („E.v.“)7 gut (Nr. 9 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften oder Sparkassen). Wird der Scheck nicht eingelöst, so verwirklicht sich der Vorbehalt, d.h. die Bank kann die schon erteilte Gutschrift wieder rückgängig machen. Mangels Gläubigerbenachteiligung liegt darin keine anfechtbare Rechtshandlung8.

1 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061; BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 318/99, ZInsO 2000, 101; BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653; BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, ZIP 1983, 961 unter Aufhebung der Entscheidung des OLG Hamm v. 14.7.1982 – 5 U 192/81, ZIP 1982, 1343; OLG Koblenz v. 20.6.1984 – 7 U 670/83, ZIP 1984, 1378; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126; BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985, 364 = WuB VI D § 3 AnfG 2.85 Obermüller; entsprechend für den Verkauf eines belasteten Grundstücks RG v. 8.4.1902 – VII 35/1902, Gruchot 46, 1111. 2 RG v. 3.2.1905 – VII 497/04, RGZ 60, 109; RG v. 8.4.1902 – VII 35/1902, Gruchot 46, 1111; RG JW 1899, 540; BGH v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 347; BGH v. 5.12.1985 – IX ZR 165/ 84, ZIP 1986, 452 = WM 1986, 296 = WuB VI B § 29 KO 1.86 Johlke. 3 BGH v. 24.11.1959 – VIII ZR 220/57, WM 1960, 377; BGH v. 24.10.1962 – VIII ZR 126/61, KTS 1962, 252; Einzelheiten s. Rn. 3.157. 4 BAG v. 29.7.1967 – 3 AZR 55/66, BAGE 20, 11; BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985; 364; s. auch BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI B § 15 KO 2.85 Obermüller. 5 So zu der mit § 48 InsO weitgehend übereinstimmenden Vorschrift des § 46 KO: BGH v. 14.2.1957 – VII ZR 250/56, BGHZ 23, 317; BGH v. 30.10.1967 – VII ZR 176/65, WM 1967, 1213. 6 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = ZInsO 2009, 1254; BGH v. 11.5.1989 – IX ZR 222/88, ZIP 1989, 785 = WM 1989, 965 m.w.N. = WuB VI B § 30 Nr. 1 KO 3.89 Obermüller. 7 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, ZIP 1997, 1146 = WM 1997, 1192; OLG Stuttgart v. 13.1.1971 – 4 U 106/70, WM 1971, 288; LG Frankfurt v. 20.8.1975 – 2/1 S 128/75, NJW 1975, 2296; sog. Usancekredite (s. Rundschreiben Nr. 9/96 des BAK v. 10.7.1996). 8 OLG Koblenz v. 10.10.2002 – 5 U 364/02, ZIP 2002, 2091.

Büchel | 585

3.420

Dritter Teil Rz. 3.421 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

b) Scheckeinzug bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantrag

3.421

Von den Anfechtungsmöglichkeiten reicht die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen am weitesten zurück. Theoretisch kann die Verrechnung von Schecks, die in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag eingereicht wurden, in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren angefochten werden, wenn der Kunde bei Einreichung der Schecks den Vorsatz hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen und die Bank dies wusste (§ 133 Abs. 1 InsO). Aus rechtlichen und praktischen Gründen ist der zeitliche Anwendungsbereich der Absichtsanfechtung jedoch erheblich beschränkt. Durch die Reform des Anfechtungsrechts1 wurde die Frist grundsätzlich durch den neuen § 133 Abs. 2 InsO bei Rechtshandlungen, die dem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, auf vier Jahre verkürzt, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob es sich um eine kongruente oder inkongruente Deckung handelte. Die Unterscheidung hat vor allem bei der Fiktion der Kenntnis des Gläubigers nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO Bedeutung. Bei der kongruenten Deckung greift die Vermutung der Kenntnis nur bei eingetretener, nicht aber schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit, § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO. Der BGH hat zudem die Anforderungen für den Insolvenzverwalter für die teilweise ausufernde Vorsatz-Anfechtungsmöglichkeiten wieder erhöht2.

3.422

Einen Benachteiligungsvorsatz kann der Kunde nur dann hegen, wenn im Zeitpunkt der Scheckeinreichung sein Vermögen nicht mehr ausreicht, seine Gläubiger sämtlich zu befriedigen, wenn er also schon überschuldet ist oder wenn er schon einen Anlass hatte, mit dem baldigen Eintritt einer Krise und einer nachfolgenden Insolvenz zu rechnen3. Ein Benachteiligungsvorsatz ist anzunehmen, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge der einem Gläubiger gewährten Befriedigung erkannt und gebilligt hat4.

3.423

Für einen Benachteiligungsvorsatz stellt der Umstand, dass das Scheckinkasso zu einer inkongruenten Deckung führt, ein starkes Indiz dar5. Demgegenüber reicht bei kongruenter Deckung das Bewusstsein des Kunden, dass die Einschaltung dieser Bank in das Scheckinkasso für seine übrigen Gläubiger nachteilig sei, regelmäßig nicht aus, um die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes zu rechtfertigen6. Näher liegt dann die Annahme, dass es dem Kunden auf die reibungslose Durchführung des Zahlungsverkehrs und die Einziehung seiner Außenstände und nicht auf die Vereitelung der Ansprüche anderer Gläubiger ankam7. Ob die Rückführung des debitorischen Saldos durch Verrechnung von Scheckeingängen eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO darstellt, hängt – da die Bank einen Betrag 1 Art. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654. 2 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339; Stohrer ZInsO 2023, 121. 3 BGH v. 21.1.1999 – IX ZR 329/97, ZInsO 1999, 165; OLG Düsseldorf v. 30.6.1983 – 6 U 120/81, ZIP 1983, 786; Plander BB 1972, 1480; Einzelheiten s. Rn. 5.510 ff. 4 BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZInsO 2013, 384; BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182; BGH v. 23.9.1981 – VIII ZR 245/80, ZIP 1981, 1229; OLG Düsseldorf v. 8.3.1988 – 11 U 132/87, WM 1988, 1861; Einzelheiten s. Rn. 5.510. 5 BGH v. 5.5.1959 – VIII ZR 221/57, WM 1959, 1007; BGH v. 11.1.1961 – VIII ZR 203/59, WM 1961, 388; BGH v. 5.11.1964 – VII ZR 2/63, WM 1965, 85; BGH v. 26.2.1969 – VIII ZR 41/67, WM 1969, 375; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/ 92, ZIP 1993, 1653; OLG Düsseldorf v. 8.7.1992 – 19 U 3/92, ZIP 1992, 1488. 6 BGH v. 5.5.1959 – VIII ZR 221/57, WM 1959, 1007. 7 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572.

586 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.424 Dritter Teil

in der eingegangenen Höhe zu beanspruchen hatte – davon ab, ob sie die Deckung auch zu dieser Zeit und in der empfangenen Art verlangen konnte. aa) Fälligkeit als Kriterium für die Kongruenz Ob die Bank einen Betrag in der eingegangenen Höhe zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte, hängt davon ab, richtet sich nach der Fälligkeit der Forderung der Bank1: – Handelt es sich um einen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellten Kredit, so erhält die Bank durch Rückführung dieses Kredits aus den Scheckeingängen eine Deckung, die sie zu dieser Zeit nicht zu beanspruchen hatte, mithin eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO. Zu Fällen dieser Art zählen insbesondere Annuitätendarlehen und sonstige Ratenkredite2; diese Kredite werden in der Regel über ein gesondertes Konto abgewickelt, so dass nicht eine Verrechnung, sondern eine Aufrechnung in Betracht kommt. – Hatte die Bank einen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellten Kredit für einen Zeitpunkt vor dem Scheckeingang gekündigt, so ist die Fälligkeit hergestellt und damit die Kongruenz gegeben3. Die Kündigung selbst und die damit bewirkte Herbeiführung einer Aufrechnungslage kann nicht angefochten werden. Denn die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen setzt eine Rechtshandlung des Schuldners voraus; hier ist aber lediglich die Bank tätig geworden. Die Anfechtung wegen unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen (§ 132 InsO) kann sich nicht gegen Rechtshandlungen richten, die mehr als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden. – Handelt es sich um eine Überziehung des Girokontos4, so kann die Bank jederzeit Rückführung auf den vereinbarten Saldo verlangen; eine inkongruente Deckung liegt also nicht vor5. – Bei einem Kontokorrentkredit6 oder einem Wechseldiskont-, Akzept- oder Lombardkredit7 erteilt die Bank dem Kunden keine Kreditzusage für eine feste Zeit8. Für die Frage nach

1 Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 81. 2 Zu den Kreditarten s. von Heymann BB 1983, Beilage 8, S. 20, 21; von Heymann, Die Kündigung von Darlehen nach § 247 BGB, 1984, S. 76 ff. m.w.N. 3 BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585; BGH v. 22.1.1998 – IX ZR 99/97, WM 1998, 569 = WuB VI B. § 30 Nr. 2 KO 2.98 Obermüller; OLG Köln v. 15.9.2000 – 11 W 56/00, NZI 2001, 262; OLG Köln v. 29.9.2004 – 2 U 1/04, ZIP 2005, 222; OLG Dresden v. 1.9.2005 – 13 U 1139/05, ZInsO 2007, 45; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1991, § 30 Rn. 217; einschränkend von Usslar BB 1980, 918; a.A. Dampf KTS 1998, 145; vgl. auch Merz WM 1983, 106 (A I 1c). 4 Die stillschweigende Honorierung von Überziehungen führt als konkludentes Verhalten zu einem Kreditvertrag (W. Obermüller Bank-Betrieb 1974, 204). 5 BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; BGH v. 22.1.1998 – IX ZR 99/97, WM 1998, 569 = WuB VI B. § 30 Nr. 2 KO 2.98 Obermüller; AG Wetzlar v. 31.10.1986 – 3 C 487/86, WM 1986, 1532; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 81; von Usslar BB 1980, 918; ebenso für Österreich Schumacher ÖBA 1982, 330; OGH JBl. 1982, 380; Einzelheiten s. Rn. 5.566 f. 6 Anders beim sog. Kontokorrentratenkredit (s. dazu Canaris WM 1987, Sonderbeilage 4). 7 Vgl. dazu Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, Teil I C 2. 8 Gerth BB 1978, 639; Kübler BB 1976, 804; auch BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 310 behandelt derartige Fälle ohne weiteres als kongruente Deckung; zur Rechtslage in Österreich

Büchel | 587

3.424

Dritter Teil Rz. 3.424 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

der Kongruenz einer Deckung durch Scheckeingänge auf ein Kontokorrent ist danach abzugrenzen, ob es sich bei der Überziehung um eine von der Bank ungenehmigte oder geduldete Inanspruchnahme des Kontos über den vereinbarten Rahmen hinaus handelt; wird dies bejaht und kann die Bank jederzeit ohne Warnung, Kündigung oder Fristsetzung von dem Kunden die Rückführung auf die vereinbarte Linie fordern, so stellt jeder Scheckeingang eine kongruente Deckung dar1. – Bewegt sich die Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits innerhalb der dem Kunden eingeräumten Linie, so ist im Umkehrschluss aus diesen Grundsätzen zu entnehmen, dass eine Rückführung eines ungekündigten Kontokorrentkredits unter die vereinbarte Linie eine inkongruente Deckung darstellt, weil die Bank ohne Kündigung nicht die sofortige Reduzierung des Saldos auf Betrag unterhalb der Linie fordern kann2. Dabei bleibt allerdings unberücksichtigt, dass das Recht des Kontoinhabers zur jederzeitigen Rückführung und Wiederinspruchnahme der Linie ein Wesenselement des Kontokorrents darstellt, mit dem die Pflicht der Bank zur Annahme eingehender Gelder korrespondiert.

3.425–3.429

frei

bb) Zahlung durch Scheck als Kriterium für die Kongruenz

3.430

Wenn der Kunde bei der Bank ein Girokonto unterhält, steht der Bank die Deckung auch in der empfangenen Art zu. Zahlungsansprüche sind nämlich nicht zwingend und ausschließlich auf die Leistung von Bargeld gerichtet. Lediglich geringfügige Abweichungen von der nach dem Inhalt des Anspruchs typischen und gesetzmäßigen Erfüllung, die der Verkehrssitte (§§ 157, 242 BGB) oder Handelsbräuchen (§ 346 HGB) entsprechen, schaden nicht3. So sind Leistungen durch bargeldlose Überweisung, Abbuchungen im Lastschriftverfahren aufgrund einer Einzugsermächtigung des Insolvenzschuldners und jedenfalls durch eigene Schecks kongruent4.

3.431

Demgegenüber soll ein von einem Dritten ausgestellter Scheck nach Auffassung der Rechtsprechung eine inkongruente Deckung darstellen, weil die Bank zwar einen Anspruch auf Zahlung gegen ihren Kunden, nicht aber einen Anspruch gegen denjenigen Kunden habe, der den Scheck ausgestellt hat5. Denn eine in der kritischen Zeit mit dem Schuldner getroffene Vereinbarung, nach der dieser berechtigt ist, sich durch eine andere als die ursprünglich vorgesehene Leistung von seiner Schuld zu befreien, ist inkongruent6. Dies ist jedoch zu undifferenziert: Die Bank hat zwar keinen Anspruch darauf, dass ihr der Kunde eine Forderung ge-

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6

aufgrund zweier sich widersprechender Entscheidungen des OGH vgl. Schumacher ÖBA 1982, 330. BGH v. 22.1.1998 – IX ZR 99/97, ZIP 1998, 477 = WM 1998, 569 = WuB VI B. § 30 Nr. 2 KO 2.98 Obermüller. BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, ZIP 1999, 1271. Thole in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 130 Rn. 11. OLG Karlsruhe v. 10.9.2004 – 1 U 72/04, ZInsO 2004, 1367; BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, ZIP 2006, 578; BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZInsO 2006, 1210; BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/ 04, ZInsO 2007, 816; Thole in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 131 Rn. 10. BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZInsO 2009, 1254; BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083; BGH v. 10.10.1961 – 1 StR 163/61, BGHSt 16, 279; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653; ebenso für die Abtretung einer Forderung erfüllungshalber OLG Frankfurt v. 7.2.1997 – 8 O 320/93, ZIP 1997, 598; OLG Brandenburg v. 3.4.2003 – 8 U 92/02, NZI 2003, 649. BGH v. 29.9.2005 – IX ZR 184/04, ZIP 2005, 2025 = ZInsO 2005, 1160.

588 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.432 Dritter Teil

gen einen (solventen) Dritten abtritt; dieser Umstand käme aber nur zur Geltung, wenn die Bank die selbständigen scheckrechtlichen Befugnisse gegenüber dem Aussteller bis hin zum Protest ausnutzen und ihn nicht nur gewissermaßen als umgekehrte Überweisung als Zahlungsverkehrsbeleg verwenden würde. So hat der BGH1 auch darauf abgestellt, ob die in einem Scheck oder Wechsel angelegte Verstärkung der Schuld sich tatsächlich ausgewirkt hat, d.h. ob die typischen scheck- oder wechselrechtlichen Elemente für die Bezahlung ursächlich waren oder ob er als reines Zahlungsverkehrsmedium verwendet wurde. Dementsprechend hat der BGH Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren schon früher als verkehrsübliche Zahlungsweise beurteilt, die auch dann zu keiner inkongruenten Befriedigung führt, wenn der Schuldner vertraglich nicht zur Ermächtigung des Gläubigers verpflichtet war2, und diese Betrachtung inzwischen auch auf das Abbuchungsauftragsverfahren übertragen3, obwohl der Kunde auch mit Einreichung einer Lastschrift nach Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken seine Ansprüche gegen den Schuldner an die Bank abtritt. Ferner scheint der BGH4 inzwischen zu differenzieren und eine andere als die geschuldete Leistung als kongruent anzusehen, wenn der Gläubiger sie aus Rechtsgründen nicht hätte ablehnen dürfen. Letzteres ist bei der Einreichung von Schecks auf ein Girokonto der Fall. Schecks, Wechsel und Lastschriften gehören zu den verkehrsüblichen Zahlungsmitteln jedenfalls für Firmenkonten und es kann letztlich nicht darauf ankommen, welcher Zahlungsmittel sich der Kunde zur Rückführung seiner Schulden bedient5. Solange der Girovertrag nicht gekündigt ist, kann die Bank den Einzug von Schecks nicht verweigern6. Inkongruente Deckung kann aber vorliegen, wenn der Gläubiger den Scheck zu früh einzieht und damit Erfüllung seines Anspruchs vor Fälligkeit erhält oder wenn die Bank den Kunden verpflichtet hat, sämtliche Schecks allein ihr vorzulegen. In die gleiche Richtung geht eine Entscheidung des OLG Stuttgart7, welches eine kongruente Deckung angenommen hat, wenn der Insolvenzschuldner mit seinem Gläubiger eine Vereinbarung getroffen hat, wonach Zahlungen eines Kunden des Insolvenzschuldners unverzüglich an den Gläubiger weitergeleitet werden müssen; davon erfasst seien auch Zahlungen durch Schecks. Eine inkongruente Deckung wäre dagegen anzunehmen, wenn der Aussteller den Scheck nicht honoriert und die Bank, an die der Kunde den Scheck üblicherweise indossiert, nunmehr die scheckrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Aussteller oder anderen Scheckverpflichteten durch Protest ausübt und auf diese Weise Zahlung erhält. Denn damit hat sie gegenüber den Scheckverpflichteten nicht den Anspruch ihres Kunden geltend gemacht, sondern einen eigenen Anspruch aus eigenem Recht durchgesetzt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu Überweisung und Lastschrift. Um eine inkongruente Deckung handelt es sich auch bei der Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Geschäft, das der Scheckbegebung zugrunde liegt8. Denn die Bank hatte einen Zahlungsanspruch und keinen Anspruch auf eine Sicherungsabtretung. Anders verhält es sich, wenn die Bank dem Einreicher eine Verfügung über den Scheckbetrag vor seiner Einlösung gestattet (s. Rn. 3.415). Eine solche Sicherungsabtretung ist in 1 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 = ZInsO 2007, 816. 2 BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, ZIP 2003, 356 = ZInsO 2003, 178, unter III. 1. a; BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 Rn. 45 = ZIP 2008, 1977. 3 BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, ZIP 2013, 324 = ZInsO 2013, 245. 4 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653; vgl. dazu RG v. 23.4.1909 – VII 272/08, RGZ 71, 89; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (183); ebenso OLG Jena v. 7.11.2007 – 4 U 971/05, n.v. 5 BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 868/13, ZInsO 2015, 344 Rn. 14. 6 Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg., Rn. 6/940. 7 OLG Stuttgart v. 22.10.2003 – 6 W 59/03, ZInsO 2004, 156; Kox ZInsO 2004, 158. 8 BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, ZIP 2007, 924.

Büchel | 589

3.432

Dritter Teil Rz. 3.432 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 25 AGB Sparkassen) und in Nr. 9 Satz 2 des banküblichen Globalzessionsvertrages1 enthalten. cc) Benachteiligungsvorsatz

3.433

Hat die Bank eine nach den obigen Grundsätzen inkongruente Deckung erhalten, so kann die Rückführung des Saldos in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren nur angefochten werden, wenn der Kunde andere Gläubiger benachteiligen, d.h. die Bank vor den anderen Gläubigern begünstigen wollte und dieser Benachteiligungsvorsatz der Bank auch bekannt war. Dass der spätere Schuldner andere Gläubiger benachteiligen wollte, kann nicht allein aus dem Umstand entnommen werden, dass er Schecks seiner Schuldner über sein Konto bei der Bank eingezogen hat2. Ein Benachteiligungsvorsatz kann erst angenommen werden, wenn der Kunde seine Schecks angesichts der ihm drohenden Insolvenz nur noch bei einer bestimmten Bank zum Inkasso einreicht, um damit den Sollsaldo zu ermäßigen. Ein starkes Indiz für die Willensrichtung des Kunden stellt dabei seine Praxis in der Vergangenheit dar. Eine auffällige Vermehrung der Scheckinkassi über eine bestimmte Bank bzw. eine Verlagerung von anderen Banken zu dieser Bank kann auf einen Benachteiligungsvorsatz hinweisen, andererseits aber auch eine kaufmännisch vernünftige Reaktion des Kunden auf unterschiedliche Konditionen der Banken für den Scheckeinzug darstellen.

3.434

Wenn der Kunde die Schecks auf das Konto der Bank in der Absicht veranlasst hat, andere Gläubiger zu benachteiligen, so genügt dies allein noch nicht für eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO. Vielmehr muss der Bank der Benachteiligungsvorsatz bekannt gewesen sein. Diese Kenntnis kann die Bank noch nicht aus dem Umstand gewinnen, dass der Kunde ihr vermehrt Schecks zum Einzug einreicht. Für Veränderungen in der Häufigkeit und Höhe von Zahlungseingängen kann es eine Vielzahl natürlicher Erklärungen geben. Es ist vielmehr notwendig, dass der Kunde ihr in irgendeiner Form seinen Willen, sie aus den auf seine Außenstände erwarteten Zahlungen bevorzugt zu befriedigen und damit andere Gläubiger zu benachteiligen, mitgeteilt hat. Umgekehrt genügt das Wissen der Bank, dass sie durch Zahlungseingänge objektiv vor anderen Gläubigern bevorzugt wird, nicht für eine Anfechtbarkeit, wenn dem Schuldner ein Benachteiligungsvorsatz fehlte3. dd) Scheckeinlösung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis der Bank

3.435

Maßgeblich für die Kenntnis der Bank von dem Benachteiligungsvorsatz ihres Kunden ist grundsätzlich die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs durch den Anfechtungsgegner4. Dies ist nicht etwa der Zeitpunkt der Saldie1 Muster s. Wittig in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, Bankrecht VI H 3 – hier fehlt allerdings die zur Rechtssicherheit erforderliche Regelung über einen Übergabeersatz („Die Übergabe der Wechsel oder Schecks wird dadurch ersetzt, dass der Sicherungsgeber sie zunächst für die Bank in Verwahrung nimmt oder, falls er nicht unmittelbaren Besitz an ihnen erlangt, den ihm zustehenden Herausgabeanspruch gegen Dritte hiermit im Voraus an die Bank abtritt.“). 2 BGH v. 20.10.1986 – II ZR 293/85, ZIP 1987, 626 = WM 1987, 603 = WuB VI A § 59 VglO 1.87 Obermüller; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 82. 3 BGH v. 3.3.1960 – VIII ZR 86/59, WM 1960, 381 zur Begünstigungsabsicht nach § 30 KO, die das Spiegelbild der Benachteiligungsabsicht darstellt. 4 BGH v. 15.1.1964 – VIII ZR 236/62, BGHZ 41, 17; BGH v. 2.2.1955 – IV ZR 108/54, BB 1955, 236; BGH v. 13.11.1961 – VIII ZR 158/60, WM 1961, 1371; BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95,

590 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.437 Dritter Teil

rung, die automatisch mit Insolvenzeröffnung eintritt1, oder der Erklärung, mit der die Bank die Forderungen aus verschiedenen Konten gegeneinander aufrechnet, sondern spätestens der Zeitpunkt, in dem die Aufrechnungslage entsteht2. Die Aufrechnungslage entsteht nicht schon durch die Gutschrift des Scheckbetrages auf dem Einreicherkonto. Schecks, die der Kunde der Bank einreicht, schreibt die Bank zwar in der Regel sofort, allerdings unter dem Vorbehalt des Eingangs („E.v.“)3 gut (Nr. 9 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften oder Sparkassen). Dass der Kunde über den Gegenwert dieser Gutschrift trotz des Vorbehalts in der Regel sofort verfügen kann4, bedeutet aber nur, dass er die Möglichkeit zur Verfügung, nicht aber einen dahingehenden Anspruch hat5. Die Bank, die den Kunden vor der Einlösung verfügen lässt, gewährt dem Kunden damit einen Kredit6. Dabei handelt es sich um einen Dispositionskredit, weil die Banken in ständiger Praxis das Risiko bewusst in Kauf nehmen, dass der Kunde über das Geld verfügt, obwohl es ihm im Verhältnis zu seiner Bank nicht zusteht; hierauf sind auch die Regelungen der Gutschrift unter dem Vorbehalt der Einlösung und ihre Stornierung in Nr. 9 Abs. 1 AGB-Banken zugeschnitten7. Ein Überziehungskredit läge nur vor, wenn die Banken sich die Überprüfung, ob sie die Verfügung über ein unter Vorbehalt gebuchtes Guthaben zulassen, von Fall zu Fall vorbehielten. Dies ist nicht der Fall, weil es im Massengeschäft des bargeldlosen Zahlungsverkehrs regelmäßig viel zu aufwendig wäre.

3.436

Die Aufrechnungslage entsteht erst mit der Einlösung8. Eingelöst ist der Scheck, wenn die Belastung des Ausstellerkontos durch die bezogene Bank endgültig geworden ist, d.h. in der Regel am zweiten Buchungstag nach der Belastung (Nr. 9 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften und Sparkassen)9. Erst in diesem Zeitpunkt sind die in der Girokette vorgenommenen Gutschriften und Belastungen wirksam10 und der Anspruch des Kunden gegen die Bank auf Herausgabe des Inkassoerlöses unbedingt geworden. Grundsätzlich ist für eine

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6

7 8 9 10

ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250; OLG München v. 3.8.1965 – 4 U 409/64, DNotZ 1966, 371; LG Düsseldorf v. 24.11.1960 – 7 Q 38/60, KTS 1961, 45. Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, § 355 Rn. 98 ff.; s. oben Rn. 2.105a. Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 80; BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809. BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, ZIP 1997, 1146 = WM 1997, 1192; OLG Stuttgart v. 13.1.1971 – 4 U 106/70, WM 1971, 288; LG Frankfurt v. 20.8.1975 – 2/1 S 128/75, NJW 1975, 2296; sog. Usancekredite (s. Rundschreiben Nr. 9/96 des BAK v. 10.7.1996). BGH v. 8.6.1961 – II ZR 54/60, BGHZ 35, 221. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 746; OLG Köln v. 29.9.1995 – 26 U 11/95, ZIP 1995, 1684 = NJW-RR 1996, 1330; nicht eindeutig ist insoweit BGH v. 8.6.1961 – II ZR 54/60, BGHZ 35, 217; BGH v. 7.10.1965 – II ZR 120/63, BGHZ 44, 180; BGH v. 2.4.1962 – II ZR 42/61, WM 1962, 524. OLG Karlsruhe v. 20.6.1984 – 12 U 6/84, WM 1984, 1150; OLG Hamburg v. 18.2.1983 – 11 U 195/82, WM 1983, 486; OLG Bremen v. 18.9.1990 – 3 U 43/90, NJW-RR 1991, 365; OLG Hamm v. 28.6.1995 – 31 U 4/95, WM 1995, 1441; a.A. OLG Frankfurt v. 2.6.1978 – 10 U 183/77, WM 1978, 1025; LG Stuttgart v. 19.12.1995 – 23 O 223/95. BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 210/07, ZIP 2008, 747 = ZInsO 2008, 449. BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 = ZInsO 2007, 816; OLG Köln v. 29.9.1995 – 26 U 11/95, ZIP 1995, 1684 = NJW-RR 1996, 1330. Vgl. im Einzelnen oben Rn. 3.369 f. und OLG Köln v. 29.9.1995 – 26 U 11/95, ZIP 1995, 1684 = NJW-RR 1996, 1330; BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 135/96, ZIP 1997, 1148 = WM 1997, 1194. BGH v. 29.9.1986 – III ZR 283/85, ZIP 1986, 1537; BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, ZIP 1992, 778.

Büchel | 591

Dritter Teil Rz. 3.437 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Anfechtung der Verrechnung des Scheckbetrages mit dem debitorischen Kontosaldo die wirtschaftliche Lage des Einreichers in diesem Zeitpunkt maßgeblich1. ee) Scheckeinreichung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis der Bank

3.438

Im Scheckverkehr kann die Bank auch schon zu einem früheren Zeitpunkt Rechte aus dem Vermögen ihres Kunden erwerben. Wird nämlich einer Bank ein Scheck zum Inkasso eingereicht, so erhält sie nach Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften das Sicherungseigentum an dem Scheck2 und die Sicherungsabtretung der Forderungen, die der Scheckbegebung zugrunde liegen (Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften). Sie dienen als Sicherheit für alle Ansprüche, die der Bank bei Einreichung aus den Kontokorrentkonten ihres Kunden (Nr. 15 Abs. 4 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften) oder infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere zustehen (Nr. 25 AGB Sparkassen)3. Wenn die Bank Forderungen besitzt, die von dieser stark eingeschränkten Sicherungszweckvereinbarung erfasst werden, so steht ihr das Sicherungseigentum zu, anderenfalls muss sie es dem Kunden zusammen mit den auf sie übergegangenen Forderungen auf seine Anforderung hin zurückübertragen (Nr. 15 Abs. 4 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften4).

3.439

Mit Übergang des Sicherungseigentums auf die Bank ist der Vermögensverlust des Kunden eingetreten, so dass sein Vermögen nicht mehr zusätzlich geschmälert werden und keine Gläubigerbenachteiligung mehr eintreten kann, wenn danach durch die Einlösung des Schecks die Aufrechnungslage entsteht. Denn aufgrund des Sicherungseigentums an dem Scheck und der Sicherungsabtretung der dem Scheck zugrunde liegenden Forderungen gebührt der Bank ohnehin der Gegenwert des Schecks5. Die Einreichung hat der Bank nämlich ein Absonderungsrecht verschafft. Von diesem Recht kann die Bank Gebrauch machen, indem sie die Forderung einzieht. Geht der Erlös ein, erlischt insoweit ihre besicherte Forderung gegen den Schuldner. Dazu bedarf es keiner kontokorrentmäßigen Verrechnung; wenn die Bank trotzdem den Erlös dem Konto des Schuldners gutschreibt und ihn mit dem Debet sal1 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 = ZInsO 2007, 806. 2 BGH v. 26.3.1952 – II ZR 53/51, BGHZ 5, 285; BGH v. 29.9.1969 – II ZR 51/67, DB 1969, 2079; BGH v. 11.11.1976 – II ZR 2/75, WM 1977, 50; BGH v. 3.2.1977 – II ZR 116/75, WM 1977, 970; BGH v. 25.6.1984 – II ZR 209/83, WM 1984, 1073; BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057 = WuB VI B § 15 KO 2.85 Obermüller; BGH v. 19.10.1987 – II ZR 9/87, ZIP 1988, 82; KG v. 13.5.1959 – 10 U 406/59, NJW 1959, 2019; OLG Stuttgart v. 13.1.1971 – 4 U 106/70, WM 1971, 288; OLG Düsseldorf v. 15.1.1981 – 6 U 113/80, WM 1981, 370; OLG Köln v. 3.4.1979 – 15 U 71/78, WM 1979, 1193; OLG Köln v. 29.9.1995 – 26 U 11/95, NJW-RR 1996, 1330; RG v. 9.7.1921 – V 156/21, RGZ 102, 328; Klein WM 1975, 374; Prost NJW 1969, 1233, 1969, 2041; Woite Bank-Betrieb 1970, 19; LG Aachen v. 15.6.1983 – 42 O 110/82, ZIP 1983, 929; dies gilt sogar bei Scheckeinzug über ein Anderkonto (OLG Düsseldorf v. 17.3.1966 – 6 U 155/65, DB 1966, 697). 3 Einzelheiten zu der Einschränkung des Sicherungszwecks s. Merkel WM 1993, 725; Bülow BB 1995, 2485. 4 Eine ähnliche Regelung findet sich in Nr. 25 Abs. 1 der AGB Sparkassen. Danach überträgt der Kunde der Sparkasse das Sicherungseigentum für den Fall, dass der Scheck nicht eingelöst wird und der Sparkasse aufgrund von Vorausverfügungen des Kunden Ansprüche gegen ihn zustehen, und zwar bis zum Ausgleich dieser Ansprüche. 5 Dagegen soll es für die Anfechtung der Übergabe eines Schecks an einen Gläubiger auf den Zeitpunkt der Kontobelastung ankommen, wenn der Aussteller seinen Kreditrahmen überzogen hat (OLG Stuttgart v. 13.1.2005 – 2 U 164/04, ZIP 2005, 1837 = EWiR 2005, 479 m. Anm. Spliedt); insoweit handelt es sich aber um eine nicht vergleichbare Fallgestaltung.

592 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.444 Dritter Teil

diert, handelt es sich lediglich um die buchungstechnische Erledigung dieses Vorgangs, der keine selbständige Bedeutung zukommt1. Wenn die Bank demgemäß an dem Scheck bereits Sicherungseigentum erworben hat, so kann sie den Gegenwert mit dem Debetsaldo des Kunden verrechnen, auch wenn sie von einem Benachteiligungsvorsatz erfährt, bevor die Gutschrift endgültig wird2. c) Scheckeinzug zwei bis drei Monate vor Insolvenzantrag Erhält die Bank einen Scheckeinzugsauftrag von einem Kunden, dessen Konto einen debitorischen Saldo aufweist, innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzantrag, so kann der Verrechnung, die mit der Gutschrift des Scheckbetrages auf dem Konto verbunden ist, das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegenstehen. Dies setzt voraus, dass die Bank die Möglichkeit zur Aufrechnung bzw. Verrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erworben hat. Zu den Anfechtungsrechten wegen vorsätzlicher Benachteiligung tritt vom dritten Monat vor dem Insolvenzantrag an das Recht zur Anfechtung kongruenter (§ 130 InsO) oder inkongruenter Deckungen (§ 131 InsO) hinzu.

3.440

aa) Anfechtbarkeit kongruenter Deckungen Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, auf die er einen Anspruch hatte (kongruente Deckung), sind anfechtbar, wenn der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte. Für diese Kenntnis genügt bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO); unerheblich ist lediglich, ob der Anfechtungsgegner die notwendige Schlussfolgerung tatsächlich auch gezogen hat.

3.441

bb) Anfechtbarkeit inkongruenter Deckungen Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (sog. inkongruente Deckungen), sind anfechtbar, wenn der Schuldner zu dieser Zeit bereits zahlungsunfähig war, ohne dass es auf den Kenntnisstand des Anfechtungsgegners ankommt.

3.442

Inkongruente Deckungen sind auch dann anfechtbar, wenn der Schuldner zu diesem Zeitpunkt noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet, dem Gläubiger aber zur Zeit der Handlung bekannt war, dass die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden.

3.443

Der Insolvenzverwalter hat also lediglich zu beweisen, dass dem Anfechtungsgegner entweder die Benachteiligung der anderen Gläubiger positiv bekannt war oder dass er Kenntnis vom Umständen hatte, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs. 2 InsO).

3.444

1 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057; BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, ZIP 1992, 778 = WM 1992, 1082. 2 BGH v. 24.10.1991 – I ZR 208/89, WM 1992, 1038.

Büchel | 593

Dritter Teil Rz. 3.445 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

cc) Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung

3.445

Für die Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung kann auf die obige Darstellung verwiesen werden (s. Rn. 3.207, 3.424).

3.446

So bieten die Rückzahlung eines durch Fristablauf fälligen oder durch Kündigung fällig gestellten Kredits sowie die Rückführung einer ungenehmigten oder geduldeten Überziehung auf den vereinbarten Saldo eine kongruente Deckung, während die vorzeitige Rückzahlung eines auf eine feste Zeit zugesagten Kredits oder die Reduzierung eines Kontokorrentkredits vor Ablauf seiner vereinbarten Laufzeit als inkongruente Deckung zu werten ist. d) Scheckeinzug im letzten Monat vor Insolvenzantrag oder nach Insolvenzantrag

3.447

Erhält die Bank einen Scheckeinzugsauftrag zugunsten eines Kunden, dessen Konto einen debitorischen Saldo aufweist, im letzten Monat vor oder nach einem Insolvenzantrag, so kann der Erfolg der nach §§ 94, 95 ff. InsO an sich zulässigen Aufrechnung bzw. Verrechnung des eingezogenen Scheckbetrages mit dem debitorischen Kontosaldo vom Insolvenzverwalter durch Anfechtung wieder beseitigt werden, deren Voraussetzungen sich danach richten, ob die Bank durch den Scheck eine kongruente oder eine inkongruente Deckung (zur Abgrenzung s. Rn. 3.207) erhalten hat.

3.448

Kongruente Deckungen sind anfechtbar, wenn die Bank zur Zeit der Einreichung bzw. Einlösung des Schecks1 die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Für diese Kenntnis genügt bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO); unerheblich ist lediglich, ob die Bank die notwendige Schlussfolgerung tatsächlich auch gezogen hat.

3.449

Kongruente Deckungen, die nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen werden, sind nicht anfechtbar, wenn der Eröffnungsantrag auf Überschuldung oder auf drohende Zahlungsunfähigkeit (§§ 18, 19 InsO) gestützt wird, die Zahlungsunfähigkeit aber noch nicht eingetreten ist, und wenn die Bank von dem Eröffnungsantrag nichts wusste.

3.450

Inkongruente Deckungen sind unabhängig davon anfechtbar, ob der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war; auf den Kenntnisstand der Bank kommt es ebenfalls nicht an. e) Scheckeinzug nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen

3.451

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten der Bank zur Verrechnung des Gegenwerts eingezogener Schecks mit einem debitorischen Kontosaldo ab.

1 Zum maßgeblichen Zeitpunkt s. oben Rn. 3.435, 3.437.

594 | Büchel

B. Scheckverkehr | Rz. 3.455 Dritter Teil

aa) Allgemeines Verfügungsverbot Ein allgemeines Verfügungsverbots untersagt dem Kunden die Erteilung von neuen Scheckinkassoaufträgen. An Schecks, die der Kunde der Bank unter Verstoß gegen dieses Verbot übergibt, kann die Bank kein Sicherungseigentum erwerben, selbst wenn ihr das Verfügungsverbot nicht bekannt war (§ 24 Abs. 1, § 81 InsO; s. Rn. 1.247 ff.). Wenn sie das Inkasso durchführt, kann sie den Erlös nicht zur Reduzierung ihrer Forderungen verwenden.

3.452

Wenn die Bank dagegen den Scheck schon vor der Anordnung des Verfügungsverbots zum Einzug hereingenommen, an ihm Sicherungseigentum erworben hat und dieser Erwerb nicht anfechtbar ist, kann sie das Inkasso fortsetzen und wegen der Forderungen, die nach Nr. 15 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften/Nr. 25 AGB Sparkassen durch die Schecks gesichert werden, auf den Inkassoerlös zurückgreifen. Für eine etwaige Anfechtung der Verrechnung ist die Situation maßgebend, die im Zeitpunkt der Einreichung des Schecks gegeben war.

3.453

Wenn die Bank den Scheck vor der Anordnung des Verfügungsverbots zum Einzug hereingenommen hat, ohne gleichzeitig das Sicherungseigentum zu erwerben, hat sie das Inkasso ebenfalls fortzusetzen.

3.454

Sie kann die eingegangenen Gelder durch Einstellung in das Kontokorrent zur Verrechnung mit dem debitorischen Saldo bringen. Das Verfügungsverbot hat zwar die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben1. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner2. Demgemäß darf der Kunde auch keine Verrechnungsvereinbarungen mehr schließen3. Die dem Kontokorrent zugrunde liegende Verrechnungsabrede ist jedoch bereits vor dem Verfügungsverbot getroffen und wirkt grundsätzlich als Vorausverfügung. Bestehende Vorausverfügungen werden nicht schon durch ein allgemeines Verfügungsverbot, sondern erst durch die Verfahrenseröffnung unwirksam4. Gegen damit verbundene Schmälerungen der künftigen Masse im Eröffnungsverfahren gewähren die Anfechtungsvorschriften angemessenen Schutz, so dass eine Vorverlegung der Wirkungen des Insolvenzbeschlags nicht notwendig ist.

3.455

1 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26. 2 OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14. 3 OLG Koblenz v. 29.11.1983 – 3 U 1638/82, ZIP 1984, 164; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626 = WuB VI A § 59 VglO 1.86 Obermüller; OLG Schleswig v. 23.3.1995 – 5 W 47/94, ZIP 1995, 759. 4 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; OLG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204; LG Rostock v. 30.20.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992; zurückhaltend Blankenburg in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022 94. Lfg., § 24 Rn. 17.

Büchel | 595

Dritter Teil Rz. 3.456 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

bb) Einsetzung eines vorläufigen Verwalters

3.456

Wenn das Gericht einen vorläufigen Verwalter einsetzt und dem Kunden ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, treten für Scheckinkassoaufträge die oben dargestellten Auswirkungen ein, die jedoch allein an das Verfügungsverbot anknüpfen. Auch die Anordnung des Gerichts, die die Verfügungen des Schuldners an die Zustimmung des vorläufigen Verwalters bindet (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO), führt nicht zu einem Aufrechnungsverbot1. Erst recht hat die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters, der nur mit Prüfungsaufgaben betraut wird, keinen Einfluss auf die Aufrechnungsbefugnis und ebenso wenig auf die Wirksamkeit der antizipierten Verrechnungsabrede; Erlöse aus Scheckinkassi können also weiterhin gutgeschrieben und verrechnet werden. Für die Anfechtung der Sicherungsübereignung bzw. der Verrechnung gelten die obigen Ausführungen (s. Rn. 3.420 ff.). f) Scheckeinzug nach Verfahrenseröffnung

3.457

Mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist dem Kunden die Erteilung von neuen Scheckinkassoaufträgen grundsätzlich verwehrt. An Schecks, die der Kunde der Bank unter Verstoß gegen dieses Verbot übergibt, kann die Bank kein Sicherungseigentum erwerben, selbst wenn ihr die Verfahrenseröffnung nicht bekannt war (§ 81 InsO; s. Rn. 1.282). Wenn sie das Inkasso durchführt, kann sie den Erlös nicht zur Reduzierung ihrer Forderungen verwenden.

3.458

Wenn aber die Forderung, zu deren Erfüllung der Scheck gegeben wird, ausnahmsweise nicht in die Masse gefallen ist, weil es sich um eine unpfändbare Forderung handelt (§ 36 Abs. 1 InsO) wie insbesondere Lohn- und Gehaltsforderungen innerhalb der Pfändungsfreigrenzen der §§ 850c ff. ZPO, so gilt dies auch für den zu ihrer Erfüllung gegebenen Scheck2. Der Kunde kann den Scheck der Bank zum Inkasso einreichen. Steht ihr eine Forderung gegen den Kunden zu, so kann sie damit aufrechnen. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO hindert die Aufrechnung nicht, denn die Bank ist den eingezogenen Betrag nicht „zur Masse schuldig geworden“.

3.459

Wenn der Inkassoauftrag vor Verfahrenseröffnung erteilt wurde, die Bank das Sicherungseigentum an dem Scheck erworben hat und dieser Erwerb nicht anfechtbar ist, kann sie wegen der Forderungen, die nach Nr. 15 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften/Nr. 25 AGB Sparkassen durch die Schecks gesichert werden, auf den Inkassoerlös zurückgreifen.

3.460

Wenn der Inkassoauftrag vor Verfahrenseröffnung erteilt wurde, ohne dass die Bank das Sicherungseigentum an dem Scheck erworben hat, ist sie nicht mehr berechtigt, Eingänge aus dem Scheckinkasso durch Gutschrift auf dem debitorischen Konto des Schuldners automatisch zu verrechnen und hierdurch ihre Forderung gegen den Schuldner zu reduzieren. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bankkunden ist das Kontokorrentverhältnis erloschen. Auch eine Aufrechnung der Bank mit ihrem Anspruch aus dem Debetsaldo des Schuldners gegen dessen „nachvertraglichen“ Anspruch auf Herausgabe des von der Bank eingezogenen Geldbetrages3 ist gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen. Denn nach dieser Vorschrift kann die Bank nicht aufrechnen, wenn sie aufgrund eines Scheckeinzugs nach Insolvenzeröffnung zur Masse etwas schuldig geworden ist. Eine Ausnahme von dem Aufrechnungsverbot ist aber gerechtfertigt, wenn eine Bank aufgrund eines vor Verfahrenseröffnung erteilten Inkassoauftrags nach Verfahrenseröffnung etwas für die Masse

1 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558 = ZInsO 2004, 852. 2 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 1 Rn. 145, 146. 3 BGH v. 21.3.1995 – XI ZR 189/94, ZIP 1995, 659 = WM 1995, 745; Kübler BB 1976, 802.

596 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.502 Dritter Teil

erlangt, falls der Auftrag zu ihren Gunsten – etwa wegen ihrer Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung oder wegen Gefahr im Verzug (s. Rn. 3.408 f.) – als fortbestehend fingiert wird (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO). Denn dann ist die Herausgabeverpflichtung als vor Insolvenzeröffnung gesetzlich begründet und nur noch durch den Zahlungseingang bedingt anzusehen mit der Folge, dass das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht eingreift1. An dieser zu § 55 KO vertretenen Auffassung hat sich auch durch §§ 94 ff. InsO nichts geändert.

III. Reiseschecks Der in der Bundesrepublik früher übliche Reisescheck2 hat mittlerweile durch die weitgehend flächendeckende Verfügbarkeit der Geldautomaten und den Einsatz von Debit- und Kreditkarten erheblich an Bedeutung verloren. Ende 2015 hat der letzte inländische Emmittent die Ausgabe eingestellt3. Für mögliche Altfälle bzw. einzelne noch vorhandene Reiseschecks wird auf die Ausführungen in der 9. Aufl. Rn. 3.461 ff. verwiesen. frei

3.461

3.462–3.499

C. Wechselgeschäft Zwar hat der Wechsel an Bedeutung verloren, nachdem die EZB das Diskontgeschäft nicht mehr fortgesetzt hat und die europäische Gesetzgebung ihn unter dem Vorzeichen des Verbraucherschutzes offenbar als ein zu bekämpfendes Übel betrachtet4. Der Einsatzbereich des Wechsels reduziert sich deshalb heute auf das Firmenkundengeschäft, hat jedoch hier noch seine Bedeutung.

3.500

Das Recht der Zahlung mit Wechseln wurde durch die Einführung des Zahlungsdiensterahmenvertrags (§ 675f Abs. 2 BGB) nicht berührt5, hier bleibt vielmehr der Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB der rechtliche Anknüpfungspunkt. Für die Behandlung von Wechseln ist zu unterscheiden zwischen Domizilwechseln, Inkassowechseln, Diskontwechseln und Akzeptantenwechseln.

3.501

I. Insolvenz des Wechselakzeptanten beim Domizilwechsel Die Rechte und Pflichten einer Bank bei der Einlösung von Wechseln richten sich danach, in welchem Stadium der Insolvenz sich der Akzeptant befindet.

1 Zu § 55 KO: BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 719; LG Hamburg v. 14.8.1961 – 25 S 2/ 61, MDR 1962, 304; BGH v. 7.7.2003 – II ZR 271/00, WM 2003, 1717; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 55 Anm. 7. 2 Vgl. dazu Nobbe/Menges in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 38 Rn. 17. 3 Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg., Rn. 6/733. 4 Welter FS Juristenfakultät Leipzig, 2009, 389. 5 Art. 3 Buchst. g (i)-(iv) der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/ 65/EG, 2005/60/EG und 2006/46/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. L 319/1 v. 5.12.2007; Hadding FS Hüffer, 2009, 273.

Büchel | 597

3.502

Dritter Teil Rz. 3.503 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

1. Einlösung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag 3.503

Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Bankkunde, sofern keine Verfügungsbeschränkung angeordnet wurde (§§ 21, 24 InsO), unbeschränkt über sein Vermögen verfügen. Demgemäß kann er wirksam Wechsel akzeptieren1. Wenn ein Bankkunde einen Wechsel akzeptiert, so wird er im Allgemeinen einen Zahlstellen- oder Domizilvermerk („zahlbar bei der ...-Bank“) anbringen. In diesem Vermerk liegt ein Auftrag des Kunden an die Bank, den Wechsel bei Fälligkeit einzulösen2.

3.504

Löst die Bank diesen Wechsel vor Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag ein, so ist sie berechtigt, ihren Aufwendungsersatzanspruch in das Kontokorrent einzustellen3. In Höhe dieses Aufwendungsersatzanspruches ermäßigt sich ein etwaiger Guthabensaldo; ein debitorischer Saldo erhöht sich entsprechend.

2. Einlösung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag 3.505

Auch nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag bleibt der Kunde zur Ausstellung von Wechseln berechtigt, sofern kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen oder ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet ist (§§ 21, 24 InsO) und die Bank wegen der ungünstigen Entwicklung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse die Geschäftsverbindung noch nicht aufgekündigt hat (Nr. 19 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 26 AGB Sparkassen). Für die Folgen der Einlösung eines in diesem Zeitraum akzeptierten Wechsels des Kunden durch die Bank ist ihre Kenntnis seiner wirtschaftlichen Lage entscheidend: a) Einlösung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags

3.506

Hat die Bank Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag, so wird sie den Wechsel schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht einlösen, wenn das Konto des Kunden einen debitorischen Saldo aufweist oder durch die Ausführung des Auftrags debitorisch werden würde. Bewegt sich die Kontoverfügung allerdings im Rahmen einer zugesagten Kreditlinie oder hat der Kunde der Bank ausreichende Sicherheiten bestellt, so bestehen gegen die Einlösung keine rechtlichen und wirtschaftlichen Bedenken. Solange die Kreditlinie nicht gekündigt ist, darf sie deren Ausnutzung ohnehin nicht verhindern.

3.507

Die Einlösung des Wechsels kann gegenüber der Bank nicht nach §§ 129 ff. InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefochten werden (vgl. dazu Rn. 3.23 ff.)4. Auch unterliegt die Verwendung der Sicherheiten zur Deckung dieses Wechsels nicht der Anfechtung, da es sich insoweit um ein Bargeschäft (§ 142 InsO) handelt (s. Rn. 3.559 f., 6.88 f.). Bei Grundschulden und sonstigen nicht akzessorischen Sicherheiten ergibt sich dies schon aus der Über1 Kulke in Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2005, § 15 Rn. 14. 2 BGH v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, DB 1976, 1715; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 4 WG Rn. 5. 3 Der im Scheckrecht aufgetretene und auch auf den Wechsel übertragbare Meinungsstreit, ob sich durch die Einlösung von Schecks das Guthaben auf einem Kontokorrentkonto unmittelbar mindert oder ob nur eine Einwilligung des Kunden zur Geschäftsführung durch die Bank vorliegt, die zum Aufwendungsersatz verpflichtet (Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 3 SchG Rn. 17; BGH v. 7.2.1951 – II ZR 11/50, NJW 1951, 598), kann offenbleiben, da er für die hier zu erörternde Problematik ohne Bedeutung ist. 4 Ganter NZI 2010, 835 für die Überweisung.

598 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.511 Dritter Teil

legung, dass das Entstehen der Forderung keine Schmälerung der Masse mehr zur Folge hat1. Eine Anfechtung ist allenfalls im Verhältnis zwischen dem Wechselnehmer und dem Wechselakzeptanten möglich2. Aber auch diese unterliegt Schranken. So können Wechselzahlungen des Schuldners nicht aufgrund des § 130 InsO (= kongruente Deckung) angefochten werden, wenn nach Wechselrecht der Empfänger bei einer Verweigerung der Annahme der Zahlung den Wechselanspruch gegen andere Wechselverpflichtete verloren hätte (§ 137 Abs. 1 InsO). Stattdessen kann allerdings der letzte Rückgriffsverpflichtete in Anspruch genommen werden, wenn er zu der Zeit, als er den Wechsel begab, die Zahlungsunfähigkeit des Akzeptanten oder den Insolvenzantrag kannte (§ 137 Abs. 2 InsO). War das Konto kreditorisch und hatte die Bank Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag des Kontoinhabers, so sollte sie den Wechsel einlösen. Sie kann ihren Aufwendungsersatzanspruch mit dem Guthabensaldo verrechnen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein (Einzelheiten s. Rn. 3.356).

3.508

b) Einlösung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags Wenn die Bank bei der Vorlage des Wechsels von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag des Ausstellers keine Kenntnis hat, so kann sie den Wechsel einlösen und das Konto mit dem Wechselbetrag belasten. Ein etwaiger Guthabensaldo ermäßigt sich entsprechend; die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Wird der Saldo dagegen debitorisch oder erhöht sich der Sollsaldo, so erwirbt die Bank eine entsprechende Forderung gegen den Kontoinhaber, die aber – sofern die Bank keine Sicherheiten besitzt – nur eine einfache Insolvenzforderung darstellt.

3.509

3. Einlösung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten der Bank zur Einlösung von Wechseln ab.

3.510

a) Allgemeines Verfügungsverbot Wird ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet und ein vorläufiger Verwalter eingesetzt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Nach Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots darf die Bank einen Wechsel des Kunden grundsätzlich nicht einlösen3. Dies gilt gleichermaßen für neu präsentierte wie für schon vorliegende, bei Anordnung des Verbots aber noch nicht eingelöste Wech1 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; Kirchhof WM 1996 Sonderbeilage Nr. 2, 19. 2 RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144. 3 LG Gera v. 1.12.1999 – 1 S 219/99, NZI 2001, 100 für den Scheck; zu demselben Ergebnis kommt Wessel (KTS 1981, 457) über eine analoge Anwendung von § 23 KO (= §§ 116, 115 InsO) auf das Sequestrationsverfahren (a.A. richtig LG Kiel v. 4.3.1981 – 10 O 91/80, ZIP 1981, 501 = WM 1981, 887).

Büchel | 599

3.511

Dritter Teil Rz. 3.511 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

sel. Denn ein allgemeines Verfügungsverbot hat die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben1. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner2. Da die Bank mit der Einlösung eines Wechsels eine Leistung an den Kontoinhaber erbringt3, stellt dieser Vorgang eine Art der Einziehung der Guthabenforderung dar4, der unter das allgemeine Verfügungsverbot fällt. aa) Ausführung ohne Kenntnis der Lage des Kunden

3.512

Das allgemeine Verfügungsverbot ist zwar wie jede andere Verfügungsbeschränkung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen (§ 23 InsO). Wenn die Bank dies aber übersieht und sie auch sonst keine Kenntnis von dem Verfügungsverbot erlangt hat, wird sie die Wechsel einlösen. Auf die Kenntnis der Bank kann nicht schon aus dem Umstand geschlossen werden, dass sie von dem Insolvenzantrag wusste. Aus diesem Wissen ergibt sich auch keine gesteigerte Nachforschungspflicht hinsichtlich der Bonität ihres Kunden5. Sie kann dann mit befreiender Wirkung aus einem etwaigen Guthaben des Kunden leisten (§§ 21, 24, 82 InsO). Bei einer Einlösung vor der öffentlichen Bekanntmachung wird ihre Unkenntnis vermutet, anderenfalls trägt sie die Beweislast für ihre Unkenntnis6.

3.513

Wenn das Konto des Kunden debitorisch ist, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen7. Das Verfügungsverbot steht der Einbeziehung des Aufwendungsersatzanspruchs unter die Deckung von nicht akzessorischen Sicherheiten (z.B. Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen, Grundschulden) und Pfandrechten nicht entgegen, sofern diese Sicherheiten schon vor Erlass des Verbots unanfechtbar bestellt wurden8. bb) Ausführung trotz Kenntnis des Verbots

3.514

Verstößt die Bank gegen das allgemeine Verfügungsverbot, obwohl es ihr bekannt war, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch nicht gegen eine etwaige Guthabenforderung des Kunden verrechnen; ist das Konto des Kunden debitorisch, so kann sie ihre Aufwendungsersatzforderung nicht mehr in das Kontokorrent einstellen und auch nicht später als Insol-

1 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – XI ZR 211/86, BGHZ 101, 26. 2 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14; vgl. auch OLG Karlsruhe v. 10.7.1985 – 6 U 206/84, NJW 1986, 63. 3 von Godin NJW 1958, 856; BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, ZIP 1989, 1593 = WM 1989, 1816 = WuB Vl C § 106 KO 1.90 Obermüller; OLG Karlsruhe v. 17.9.2003 – 1 U 167/02, ZInsO 2003, 999. 4 LG Offenburg v. 24.2.2004 – 4 O 56/03, ZInsO 2004, 559 für den Überweisungsauftrag. 5 BGH v. 15.11.1999 – II ZR 98/98, ZIP 2000, 146. 6 Ebenso für die Fiktion der öffentlichen Bekanntmachung des § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768 = ZInsO 2003, 374. 7 Huber in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 36 Rn. 51; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, §§ 115, 116 Rn. 14. 8 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334.

600 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.519 Dritter Teil

venzforderung geltend machen1. Der Bank kann jedoch ein Bereicherungsanspruch gegen den Inhaber des Wechsels zustehen (Einzelheiten s. Rn. 3.58)2. b) Vorläufiger Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt Ein vorläufiger Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann zwar ohne Mitwirkung des Kunden nicht über dessen Konten verfügen und weder selbst Wechsel akzeptieren, die zu Lasten des Kontos einzulösen wären, noch Aufträge zur Einlösung von Wechseln, die der Schuldner vorher akzeptiert hatte, erteilen. Er kann allerdings – wenn Wechsel vorgelegt werden – entscheiden, ob er die Einlösung genehmigt oder ablehnt. Die Bank muss sich dann seine Zustimmung nachweisen lassen.

3.515

frei

3.516

c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot Ohne Anordnung eines Verfügungsverbots geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Daher kann der Verwalter ohne Zustimmung des Kunden nicht über dessen Konten verfügen und Aufträge zur Einlösung von Wechseln weder erteilen noch widerrufen.

3.517

4. Einlösung von Wechseln nach Insolvenzeröffnung Der im Domizilvermerk liegende Auftrag des Akzeptanten kann nicht losgelöst von dem Geschäftsbesorgungsverhältnis gesehen werden, in dem er ausgestellt worden ist3. Dieses wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet, denn grundsätzlich erlöschen durch die Verfahrenseröffnung alle von dem Kunden erteilten Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge (§ 116 InsO)4. Demgemäß erlischt auch der Auftrag zur Einlösung von Wechseln. Im Gegensatz dazu behält aber der vom Schuldner vor Insolvenzeröffnung ausgestellte Wechsel wegen seiner Unabhängigkeit von dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis trotz der Insolvenzeröffnung seine Gültigkeit. Die rechtlichen Beziehungen des Domiziliaten zum Bezogenen richten sich jedoch nicht nach Wechselrecht, sondern nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis5, also dem – infolge der Insolvenzeröffnung beendeten6 – Girovertrag.

3.518

Wird der Wechsel erst nach Insolvenzeröffnung akzeptiert, so kann die Masse daraus nicht in Anspruch genommen werden (§ 38 InsO). Der Inhaber kann nur auf ein etwa entstandenes insolvenzfreies Vermögen zurückgreifen, das sich aber wegen der Einbeziehung des Neuerwerbs (§ 35 InsO) anders als im Konkurs kaum bilden kann.

3.519

1 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 74. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 503; Kübler BB 1976, 805; im Ergebnis auch BGH v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, NJW 1976, 1845. 3 BGH v. 6.10.1953 – I ZR 185/52, DB 1953, 966; BGH v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, DB 1976, 1715; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 112. 4 BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 11. 5 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 4 WG Rn. 5. 6 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZIP 2015, 738 = ZInsO 2015, 742 Rn. 9; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 11.

Büchel | 601

Dritter Teil Rz. 3.520 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.520

Zur Einlösung eines vor Verfahrenseröffnung akzeptierten Wechsels ist die Bank im Verhältnis zum Insolvenzschuldner nicht mehr berechtigt. Zwar kann eine Bank dem Kunden zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn sie trotz ausreichender Deckung einen von ihm ausgestellten Wechsel nicht einlöst1, dies gilt aber nicht mehr nach Beendigung des Girovertrages. Löst die Bank einen von ihrem Kunden akzeptierten Wechsel nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen dennoch ein, so ist für die Rechtsfolgen zu unterscheiden, ob die Bank bei der Einlösung von der Insolvenzeröffnung Kenntnis hatte oder nicht und ob das Konto des Schuldners debitorisch oder kreditorisch war. a) Einlösung trotz Kenntnis der Insolvenzeröffnung

3.521

Löst die Bank den Wechsel trotz Kenntnis der Insolvenzeröffnung ein – was in der Regel auf einem Versehen beruhen wird –, so erwirbt sie gegen ihren Kunden keinen Aufwendungsersatzanspruch, den sie mit ihrer Guthabenschuld verrechnen oder im Falle eines debitorischen Saldos als Insolvenzforderung anmelden könnte2. Denn nach Erlöschen des Girovertrages konnte ein Aufwendungsersatzanspruch nicht mehr begründet werden. Stattdessen ist die Bank auf einen Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger der Zahlung angewiesen3. b) Einlösung ohne Kenntnis der Insolvenzeröffnung

3.522

Ist der Bank bei Einlösung eines Wechsels die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Akzeptanten nicht bekannt, so wird sie trotz Erlöschens des Auftrags von ihrer Schuld befreit bzw. erwirbt – falls ihre Unkenntnis nicht auf Fahrlässigkeit beruhte – Aufwendungsersatzansprüche gegen die Insolvenzmasse. Das richtet sich danach, ob das Konto des Kunden ein Guthaben aufweist oder sich im Soll befindet: aa) Ausführung aus Guthaben

3.523

Wies das Konto des Kunden ein Guthaben auf, so wird die Bank, die in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung einen Wechsel einlöst, durch die Zahlung an den Inhaber von ihrer Schuld gegenüber dem Akzeptanten nach § 82 InsO befreit. Die Beweislast für die fehlende Kenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung trifft bei einer Einlösung vor der öffentlichen Bekanntmachung den Insolvenzverwalter (§ 82 Satz 2 InsO), bei einer Einlösung nach der öffentlichen Bekanntmachung4 muss die Bank ihre Unkenntnis beweisen (§ 82 Satz 1 InsO) (Einzelheiten s. Rn. 2.195).

3.524

Im Wechselinkasso gemäß Wechselabkommen5 muss das bezogene Kreditinstitut protestierte Wechsel mit ordnungsgemäßer Protesturkunde versehen spätestens am ersten Geschäftstag nach Erhalt vom Protestbeamten, Wechsel ohne Protest spätestens am ersten Geschäftstag 1 BGH v. 30.9.1968 – II ZR 224/66, WM 1968, 1214. 2 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 74; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 8 Anm. 42; Heile, Die Anweisung im Konkurs des Anweisenden 1976, S. 137; a.A. Schreiber ZHR 66, 361 ff. 3 BGH v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, BGHZ 67, 75; Kulke in Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2005, § 15 Rn. 6; vgl. im Übrigen die Ausführungen oben Rn. 3.58. 4 Ebenso für die Fiktion der öffentlichen Bekanntmachung des § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768 = ZInsO 2003, 374. 5 Abkommen über den Einzug von Wechseln und die Rückgabe nicht eingelöster und zurückgerufener Wechsel (Wechselabkommen – in Kraft seit dem 1.10.1987 Stand 1.2.2016), abgedr. bei Baum-

602 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.528 Dritter Teil

nach Ablauf der Frist für die Vorlegung zur Zahlung unmittelbar an die erste Inkassostelle zurücksenden (IV Nr. 1 (1) Wechselabkommen). Ein Überschreiten dieser Frist hat jedoch keine Einlösungsfiktion zur Folge. Entscheidend bleibt deshalb für die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Kenntnis der Bank von der Situation des Akzeptanten, ob sie vor der Rückgabe bereits Einlösungswillen hatte, der beispielsweise durch eine Bezahltmeldung bekundet wird. Zu einer nachträglichen Ausübung des Stornorechts ist sie nicht verpflichtet1. bb) Einlösung bei Debetsaldo Wies das Konto des Kunden einen Debetsaldo aus, so kann die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO). Dies gilt aber nicht, wenn die Unkenntnis der Bank auf Fahrlässigkeit beruht. Denn das Fortbestehen des Auftrags zur Einlösung von Wechseln wird nur dann fingiert, wenn dem Beauftragten das Erlöschen des Auftrags weder bekannt war noch bekannt sein musste2.

3.525

Die Bank ist jedoch nicht auf die Insolvenzquote angewiesen, wenn ihr andere Werte des Kunden für ihre Forderung haften3. Zur Begründung kann auf die Ausführungen zur Überweisung verwiesen werden (s. Rn. 3.55 f.).

3.526

c) Einlösung wegen Gefahr im Verzug Eine weitere Ausnahmebestimmung von dem Grundsatz, dass die Bank keinen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Kunden bei Einlösung seiner Wechsel in Kenntnis der Insolvenzeröffnung erwirbt, enthalten die §§ 116, 115 Abs. 2 InsO. Danach gelten der durch die Insolvenzeröffnung an sich erloschene Geschäftsbesorgungsvertrag und damit auch die im Domizilvermerk liegende Weisung zur Einlösung des Wechsels als fortbestehend, wenn mit dem Aufschub der Ausführung Gefahr verbunden ist. Ist ausnahmsweise ein solcher Fall gegeben, so erwirbt die Bank für die Einlösung des Wechsels einen Aufwendungsersatzanspruch, der eine Masseforderung darstellt (§ 115 Abs. 2 Satz 3 InsO)4. Mit dieser Masseforderung kann sie gegen ein etwaiges Guthaben des Gemeinschuldners aufrechnen; § 96 InsO steht dem nicht entgegen5. Eine Bank wird jedoch kaum in der Lage sein, zuverlässig zu beurteilen, ob tatsächlich „Gefahr im Verzug“ ist. Daher ist ihr grundsätzlich abzuraten, nach Insolvenzeröffnung noch Verfügungen zuzulassen.

3.527

II. Insolvenz des Wechselausstellers oder -indossatars beim Domizilwechsel Die Insolvenz des Wechselausstellers hat auf die schon vorher übernommene Wechselverpflichtung des Akzeptanten keinen Einfluss; der Wechselinhaber hat mit der Annahme durch

1 2 3

4 5

bach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, F. Textanhang Nr. 15 . Vgl. LG Kiel v. 4.3.1981 – 10 O 91/80, ZIP 1981, 501 zum Rückruf von Überweisungen. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 502. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 502; Damrau BB 1969, 206 für einen nach Konkurseröffnung eingelösten eurocheque; Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 19 zu der gleich gelagerten Problematik im Vergleichsverfahren. So für die Scheckeinlösung: Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 3 SchG Rn. 17; Damrau BB 1969, 206. BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521.

Büchel | 603

3.528

Dritter Teil Rz. 3.528 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

den Bezogenen einen unentziehbaren Anspruch erworben1, der auch in der Insolvenz des Wechselausstellers nicht erlischt2. Die Beziehungen der Domizilbank zu dem Akzeptanten, insbesondere seine Weisung, den Wechsel einzulösen, werden durch die Insolvenz des Ausstellers nicht berührt. Sie kann deshalb den Einlösungsauftrag auch dann ausführen, wenn ihr die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ausstellers zwischenzeitlich bekannt geworden ist.

3.529

Sie ist allerdings nicht mehr zur Zahlung an den Aussteller, sondern nur noch an dessen Insolvenzverwalter berechtigt. Durch eine Zahlung an den Aussteller wird der Akzeptant nur dann von seinen Verpflichtungen gegenüber der Masse frei, wenn ihm die Verfahrenseröffnung unbekannt war (§ 82 InsO). Eine etwaige Kenntnis der Bank schadet ihm nicht. Zwar wird das Wissen eines Vertreters grundsätzlich dem Vertretenen zugerechnet (§ 166 BGB). Dies setzt jedoch voraus, dass die Bank die Rolle des sog. Wissensvertreters übernommen hat; Wissensvertreter ist derjenige, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen und ggf. weiterzugeben3. Derartige Befugnisse und Aufgaben werden der Domizilbank aber nicht übertragen.

3.530

Hat der Aussteller den Wechsel weiter indossiert, so berührt seine Insolvenz die Beziehungen zwischen dem Akzeptanten, der Domizilbank und dem Indossatar nicht. Die Bank hat den Wechsel einzulösen.

III. Inkassowechsel 3.531

Reicht ein Kunde, der insolvent zu werden droht, der Bank Wechsel zum Einzug ein, so erhebt sich für die Bank die Frage, inwieweit sie den Einzugsauftrag des Kunden noch annehmen kann, ob sie den eingezogenen Gegenwert an den Kunden auszahlen darf bzw. ob sie ihn mit einem etwaigen Debetsaldo verrechnen kann4.

1. Berechtigung zur Übernahme des Einzugsauftrags 3.532

Anders als bei Überweisungsaufträgen zugunsten eines insolventen Kunden, bei denen der Bank des Überweisungsempfängers unter Umständen eine Warnpflicht gegenüber dem Überweisungsauftraggeber obliegt (vgl. dazu Rn. 3.110 ff.), muss die Bank bei der Annahme von Wechseln zum Einzug keine Rücksicht auf die Interessen des Wechselakzeptanten und der sonstigen Wechselverpflichteten nehmen und diese auf eine etwa drohende oder schon eingetretene Insolvenz des Einreichers nicht hinweisen. Sorgfaltspflichten, wie sie durch die Erteilung eines Überweisungsauftrags entstehen können, treffen die Bank gegenüber dem Wechselakzeptanten nicht5. Denn durch die Einreichung des Wechsels seitens des Wechselinhabers bei der Bank entsteht kein Vertragsverhältnis zwischen der Bank und dem Wechselakzeptanten oder den übrigen Wechselverpflichteten, aus dem Sorgfalts- und Warnpflichten der Bank erwachsen könnten. 1 2 3 4 5

Kulke in Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2005, § 15 Rn. 12. BGH v. 29.4.1974 – VIII ZR 200/72, WM 1974, 570. BGH v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 106. Dieser Abschnitt wurde weitgehend übernommen aus Obermüller FS Fuchs, 1996, 157 ff. OLG Düsseldorf v. 11.11.1974 – 6 U 53/74, WM 1975, 18 für den Scheckverkehr; die dortigen Überlegungen gelten in gleicher Weise für den Wechsel.

604 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.537 Dritter Teil

Aber auch wenn der Akzeptant oder die übrigen Wechselverpflichteten ebenfalls Kunden der Bank sein sollten, ergeben sich aus dem Bankvertrag mit ihnen keine Sorgfalts- und Warnpflichten der Bank. Mit einer Warnung oder Aufklärung über die Vermögensverhältnisse des Wechselinhabers wäre weder dem Wechselakzeptanten noch den übrigen Wechselverpflichteten gedient. Der Akzeptant, der Aussteller und die Indossatare können sich von ihren Verpflichtungen aus dem Wechsel gegenüber dem Wechselinhaber nicht befreien, wenn der Wechsel innerhalb der Vorlegungsfrist eingereicht wird.

3.533

2. Auswirkungen der Insolvenz auf die Erteilung neuer Einzugsaufträge Für die Auswirkungen der Insolvenz auf den Einzugsauftrag an die Bank kommt es darauf an, in welchem Stadium der Insolvenz sich der Einreicher des Wechsels bei Erteilung des Einzugsauftrags befindet.

3.534

a) Neue Einzugsaufträge vor Insolvenzantrag Neue Aufträge zum Inkasso von Wechseln kann der Bankkunde vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor der Einsetzung eines vorläufigen Verwalters in Verbindung mit einem Verfügungsverbot oder einem Zustimmungsvorbehalt noch unbeschränkt erteilen.

3.535

b) Neue Einzugsaufträge nach Insolvenzantrag Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten des Bankkunden zur Erteilung neuer Einzugsaufträge ab.

3.536

aa) Einzugsaufträge vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen Solange das Gericht derartige Maßnahmen nicht getroffen hat, kann der Kunde der Bank weiterhin Wechsel zum Inkasso hereingeben. Damit kommt ein wirksamer Inkassoauftrag zustande. Zwar können sich die Geschäftsführer einer GmbH und die Vorstände einer AG schadensersatzpflichtig machen, wenn sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens noch Zahlungen leisten (§ 15b InsO bzw. bis 31.12.2020 §§ 64, 43 GmbHG, § 93 Abs. 3 Nr. 6, § 92 Abs. 2 AktG)1; dazu gehört auch die Rückführung debitorischer Salden durch Einreichung von Wechseln zum Inkasso. Die Ersatzansprüche des Unternehmens richten sich jedoch nur gegen die Geschäftsführer bzw. Vorstände. Sie wirken sich nicht auf das Verhältnis zu der Bank aus. An den Wechseln erwirbt die Bank das Sicherungseigentum (Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 AGB Sparkassen2). Sie dienen als Sicherheit für alle Ansprüche, die der Bank bei Einreichung aus den Kontokor1 OLG Hamburg v. 21.4.1995 – 11 U 195/93, ZIP 1995, 913; LG Itzehoe v. 1.4.1996 – 6 O 236/95, ZIP 1996, 797; s. Rn. 5.620 ff. 2 Diese AGB-Klauseln stehen im Einklang mit der bisherigen Rspr.: BGH v. 29.9.1969 – II ZR 51/ 67, DB 1969, 2079; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI

Büchel | 605

3.537

Dritter Teil Rz. 3.537 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

rentkonten ihres Kunden (Nr. 15 Abs. 4 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften) oder infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere zustehen (Nr. 25 AGB Sparkassen)1. Das Sicherungseigentum kann allerdings im nachfolgenden Insolvenzverfahren unter Umständen angefochten werden (Einzelheiten s. Rn. 3.565 ff.). bb) Einzugsaufträge nach Verfügungsverbot

3.538

Hat das Insolvenzgericht als vorläufige Maßnahme im Insolvenzantragsverfahren ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, so sind damit Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse nicht mehr zulässig. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner2. Dazu zählt auch die Erteilung eines Wechselinkassoauftrages an die Bank. Ebenso wird die mit der Wechseleinreichung verbundene Begründung von Sicherungseigentum der Bank an dem Wechsel durch das allgemeine Verfügungsverbot verhindert. cc) Einzugsaufträge nach Einsetzung eines vorläufigen Verwalters

3.539

Die Rechte und Pflichten des vorläufigen Verwalters unterscheiden sich danach, ob dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot bzw. ein Zustimmungsvorbehalt auferlegt wird oder ob dies nicht der Fall ist.

3.540

Ohne Anordnung eines Verfügungsverbots kann nur der Kunde, nicht aber der vorläufige Verwalter Wechsel zum Inkasso mit den oben dargestellten Wirkungen (Rn. 3.537) einreichen. Der Verwalter selbst kann dagegen über die Wechsel nicht verfügen. Den Gegenwert kann die Bank nur an den Kunden, nicht aber an den Verwalter mit befreiender Wirkung auszahlen.

3.541

Nach Anordnung eines Verfügungsverbots kann nur der vorläufige Verwalter Wechsel zum Inkasso einreichen. Den Gegenwert kann die Bank nur an den Verwalter, nicht aber an den Kunden mit befreiender Wirkung auszahlen. Mit der Begründung von Sicherungseigentum (Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 AGB Sparkassen) darf der Verwalter sich nicht einverstanden erklären. Wenn die Bank eine entsprechende Sondervereinbarung nicht treffen will, muss er das Wechselinkasso über ein Kreditinstitut leiten, das keine sicherungsfähigen Forderungen gegen den Schuldner besitzt.

3.541a

Ein vorläufiger Verwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist, kann nicht allein verfügen und deshalb Wechselinkassoaufträge weder neu erteilen noch bestehende kündigen, aber – wenn der Kontoinhaber Wechselinkassoaufträge erteilt – entscheiden, ob er sie genehmigt oder ablehnt. Die Bank muss sich dann die Zustimmung nachweisen lassen.

B § 15 KO 1.85 Obermüller; BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, ZIP 1990, 368 = WM 1990, 6; Woite Bank-Betrieb 1970, 20. 1 Einzelheiten zu der Einschränkung des Sicherungszwecks s. Merkel WM 1993, 725; Bülow BB 1995, 2485. 2 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14; s. auch schon den Wortlaut von § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

606 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.545 Dritter Teil

c) Neue Einzugsaufträge nach Verfahrenseröffnung Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Wechselinhabers kann grundsätzlich nur der Verwalter, in Ausnahmefällen aber auch der Kunde die Wechsel zum Inkasso einreichen.

3.542

aa) Einzugsaufträge des Verwalters Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Sofern er mit der Bank das Fortbestehen des beendeten Girokontovertrags vereinbart hat, kann er über das Insolvenzkonto Wechsel zum Einzug hereingeben. Mit der Begründung von Sicherungseigentum (Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 AGB Sparkassen) darf er sich allerdings nicht einverstanden erklären, sofern dadurch vor Verfahrenseröffnung entstandene Forderungen aus Kontokorrentkonten abgedeckt werden sollen. Wenn die Bank eine entsprechende Sondervereinbarung nicht treffen will, muss er das Wechselinkasso über ein Kreditinstitut leiten, das keine sicherungsfähigen Forderungen gegen den Schuldner besitzt. Den eingezogenen Betrag darf die Bank nur an den Verwalter auszahlen. Sollen durch die Sicherungsübereignung dagegen Forderungen gesichert werden, die auf der Rückbelastung nicht eingelöster Wechsel beruhen, über deren Gegenwert die Bank den Insolvenzverwalter verfügen lässt, so darf der Verwalter die Sicherungsübereignung vornehmen; den eingezogenen Betrag kann die Bank verrechnen.

3.543

bb) Einzugsaufträge des Kunden Grundsätzlich ist der Kunde nach Verfahrenseröffnung gehindert, der Bank Wechsel zum Einzug zu übertragen bzw. über den Inkassoerlös zu verfügen; die Bank kann mit befreiender Wirkung nur an den Verwalter leisten. Wenn ihr allerdings die Verfahrenseröffnung unbekannt geblieben ist und sie Wechsel einzieht, die der Kunde dem Verwalter vorenthalten hat, wird sie durch Auszahlung des Wechselbetrages an den Schuldner befreit (§ 82 InsO).

3.544

Da der Insolvenzschuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder seine Rechtsnoch seine Geschäftsfähigkeit verliert1, kann er auch nach der Eröffnung wirksam Rechtsgeschäfte abschließen. Er kann also Konten eröffnen und Wechsel zum Inkasso einreichen, sofern diese Wechsel nicht der Insolvenzmasse angehören. Grundsätzlich zählt auch der Neuerwerb, also das, was der Gemeinschuldner nach Insolvenzeröffnung – sei es durch Arbeit oder Erbschaft oder Schenkung – erwirbt, zur Masse (§ 35 InsO). Hier ist aber zu unterscheiden, ob die Forderung, zu deren Erfüllung2 der Wechsel gegeben wird, ausnahmsweise nicht in die Masse gefallen ist3. Solche Ausnahmen werden grundsätzlich nur bei Insolvenzen natürlicher Personen vorkommen; dort sind von der Massezugehörigkeit unpfändbare Forderungen (§ 36 Abs. 1 InsO) wie z.B. Lohnforderungen innerhalb der Pfändungsfreigrenzen der §§ 850c ff. ZPO und Pfändungsschutzkonten ausgenommen. Wechsel werden aber normalerweise nur im kaufmännischen Verkehr benutzt; die dadurch erworbenen Forderungen gehören in der Regel zur Insolvenzmasse, dies gilt auch für den zu ihrer Erfüllung gegebenen

3.545

1 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 14. 2 BGH v. 20.10.1975 – II ZR 55/74, WM 1975, 1255. 3 Ohm WM 1960, 310.

Büchel | 607

Dritter Teil Rz. 3.545 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Wechsel1. Für die Bank bedeutet dies, dass sie keinen Inkassoauftrag von dem Kunden annehmen kann. d) Erteilung neuer Einzugsaufträge im Planverfahren

3.546

Neue Einzugsaufträge kann der Bankkunde im Planverfahren erst dann wieder unbeschränkt erteilen, wenn der Plan bestätigt und das Verfahren aufgehoben ist. Von einem etwa an die Planbestätigung anschließenden Überwachungsverfahren wird das Inkassogeschäft in der Regel nicht berührt; auch wenn die Wirksamkeit bestimmter Geschäfte an die Zustimmung des Verwalters geknüpft wird (§ 263 InsO), dürfte dies kaum einmal das Wechselinkasso betreffen.

3. Auswirkungen der Insolvenz auf laufende Einzugsaufträge a) Auswirkungen von Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag

3.547

Weder die Zahlungsunfähigkeit des Wechseleinreichers noch der Insolvenzantrag berühren das Recht und die Pflicht der Bank zur Durchführung von vorher wirksam erteilten Wechselinkassoaufträgen2.

3.548

Auch ein im Zeitpunkt der Anordnung eines Verfügungsverbots oder der Einsetzung eines vorläufigen Verwalters noch nicht ausgeführter Auftrag zum Inkasso von Wechseln bleibt bestehen. Von dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter wird er nicht berührt. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss aus §§ 115, 116 InsO, wonach Geschäftsbesorgungsverträge erst mit Verfahrenseröffnung erlöschen.

3.549

Über den eingezogenen Wechselbetrag darf aber, wenn ein Verfügungsverbot angeordnet ist, nur noch der vorläufige Insolvenzverwalter verfügen. Ist ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet, so kann der Kunde nur noch verfügen, wenn er der Bank die Zustimmung des vorläufigen Verwalters nachweist. Lässt die Bank Verfügungen des Kunden zu, so kann sie von dem Insolvenzverwalter nochmals auf Zahlung in Anspruch genommen werden, es sei denn, dass ihr zu diesem Zeitpunkt die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war (§§ 24, 82 InsO).

b) Auswirkungen der Anordnung vorläufiger Maßnahmen

c) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung

3.550

Ein im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht ausgeführter Auftrag zum Inkasso von Wechseln würde mit der Eröffnung des Verfahrens (§§ 116, 115 InsO) erlöschen. In Ausnahmefällen, die allerdings nicht selten sind, kann er jedoch fortbestehen: aa) Fortbestand des Inkassoauftrags mangels Kenntnis vom Verfahren

3.551

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz greift ein, wenn der Bank die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste. In diesem Fall gilt der Auftrag ihr gegenüber als fortbestehend (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO).

1 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 1 Rn. 145, 146. 2 Kübler BB 1976, 803.

608 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.555 Dritter Teil

bb) Fortbestand des Inkassoauftrags wegen Gefahr im Verzug Der Inkassoauftrag gilt auch dann als fortbestehend, wenn mit dem Unterlassen der Einziehung eine Gefahr für den Auftraggeber verbunden ist (§§ 116, 115 Abs. 2 InsO). Nachteile für den Einreicher könnten daraus herrühren, dass ihm nach Ablauf der dreitägigen Vorlegungsfrist die Rückgriffsrechte gegen die Wechselverpflichteten verloren gehen, wenn der Wechsel nicht rechtzeitig präsentiert und ggf. protestiert wird (Art. 38, 43 WG). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Wechsel vom Aussteller zum Inkasso hereingegeben wird. Zwar kann der Aussteller den Akzeptanten auch ohne Protest in Anspruch nehmen (Art. 53 Abs. 1 WG), jedoch sind die mit der Protesterhebung für den Akzeptanten verbundenen wirtschaftlichen Nachteile so erheblich, dass die Vorlage innerhalb der Protestfrist nicht versäumt werden sollte, da man grundsätzlich davon ausgehen kann, dass der Akzeptant sein Möglichstes tun wird, um einen Wechselprotest abzuwenden.

3.552

Selbstverständlich kann der Insolvenzverwalter den Einziehungsauftrag widerrufen; davon wird er jedoch im Allgemeinen Abstand nehmen, da ihm vielfach keine Zeit mehr bleibt, um seinerseits rechtzeitig Protest zu erheben. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die mit dem Inkasso beauftragte Bank den Wechsel schon zu einem ausländischen Domizilianten auf den Weg gebracht hat. Allein die Postlaufzeiten für den Rückruf und die Rücksendung des Wechsels könnten oft schon die Laufzeit des Wechsels überschreiten. Hinzu kommt ein technisches Problem: Die Bank kann Wechsel, die sich in der Bearbeitung befinden, angesichts der großen Anzahl der Zahlungsverkehrsvorgänge nicht heraussuchen und daraufhin überprüfen, ob dem Einreicher ein Verlust droht. Generell muss die Bank jedoch davon ausgehen, dass der Abbruch eines Wechselinkassovorganges wegen der damit verbundenen Zeitverzögerung zu einem Verlust von Rückgriffsansprüchen führt. Deshalb muss sie bereits begonnene Inkassi zu Ende führen.

3.553

cc) Verwendung des Inkassoerlöses Über den eingezogenen Wechselbetrag darf nur noch der Insolvenzverwalter verfügen. Lässt die Bank Verfügungen des Kunden zu, so kann sie von dem Insolvenzverwalter nochmals auf Zahlung in Anspruch genommen werden, es sei denn, dass ihr zu diesem Zeitpunkt die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war (§ 82 InsO).

3.554

Wegen ihres Anspruchs auf Gebühren oder Provisionen für den Wechseleinzug ist die Bank nicht auf eine Insolvenzforderung angewiesen. Wenn das Gesetz den Einzugsauftrag als fortbestehend fingiert, um Nachteile für den Kunden abzuwehren, so ist der Gebührenanspruch eine Masseforderung (§§ 116, 115 Abs. 2 InsO). Anderenfalls ist die Bank wegen ihres Anspruchs auf Gebühren für den Wechseleinzug zwar grundsätzlich nur Insolvenzgläubigerin (§§ 116, 115 Abs. 2 Satz 3 InsO), kann sich jedoch aus dem eingezogenen Betrag durch Aufrechnung befriedigen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein, da der Aufwendungsersatzanspruch der Bank (§§ 675, 670 BGB) und der Herausgabeanspruch des Kunden (§§ 675, 667 BGB) mit Annahme des Auftrags, also schon vor Insolvenzeröffnung, aufschiebend bedingt entstanden waren1 und die beiden Bedingungen gleichzeitig eintreten (§ 95 InsO).

3.555

1 BGH v. 7.7.2003 – II ZR 271/00, WM 2003, 1717.

Büchel | 609

Dritter Teil Rz. 3.556 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

4. Verrechnung der Zahlungseingänge 3.556

Eine Bank, die einen Wechseleinzugsauftrag ihres insolventen Kunden ausführt, hat den Gegenwert seinem Konto unabhängig davon gutzuschreiben, ob der Kunde seine Zahlungen schon eingestellt hat, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, ein Verfügungsverbot verhängt oder das Verfahren zwischenzeitlich sogar schon eröffnet ist. Im letzteren Fall ist der Girovertrag zwar bereits erloschen1, die Gutschrift gehört jedoch zu den nachvertraglichen Pflichten der Bank. Über ein Guthaben, das durch den Eingang entsteht oder sich erhöht, darf die Bank den Kunden nach Anordnung eines Verfügungsverbots oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr verfügen lassen.

3.557

Wenn sein Konto dagegen einen Debetsaldo aufweist, erhebt sich die Frage, ob die Bank den eingezogenen Betrag mit ihren Forderungen gegen den Einreicher verrechnen darf. Die Verrechnung bzw. Aufrechnung unterliegt diversen Beschränkungen, die mit zunehmender Nähe des Insolvenzverfahrens steigen (vgl. im Einzelnen Rn. 3.144 ff.). Der Verrechnung bzw. Aufrechnung ist nämlich nicht zulässig, wenn die Bank die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Je nach Lage des Falles kann die Anfechtung generell ausgeschlossen sein oder aber von der wirtschaftlichen Situation des Kunden und der Kenntnis der Bank von dieser Lage im Zeitpunkt der Einreichung bzw. Einlösung des Wechsels abhängen. a) Generelle Anfechtungsausschlüsse

3.558

Bei bestimmten Vorgängen ist eine Anfechtung generell ausgeschlossen, weil es an einer allen Anfechtungstatbeständen gemeinsamen Voraussetzung, nämlich der Gläubigerbenachteiligung2 fehlt. Dies ist beispielsweise bei vorzeitigen Verfügungen des Kunden über den Wechselbetrag, bei Wiederinanspruchnahme der durch den Wechsel reduzierten Kreditlinie oder bei Sicherungsabtretung der der Wechselbegebung zugrunde liegenden Forderung der Fall. aa) Verfügungen vor Einlösung

3.559

Eine Anfechtung der Einstellung des Wechselbetrages in das Kontokorrent ist generell ausgeschlossen, wenn die Bank dem Kunden im Hinblick auf den eingereichten Wechsel Verfügungen in Höhe des Wechselbetrages gestattet hat3. Die Wechseleinreichung und die damit verbundene Sicherungsübereignung (s. Rn. 3.579) stellen nämlich ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft dar. Ein Bargeschäft liegt vor, wenn gleichwertige Leistungen ausgetauscht, die Insolvenzgläubiger durch die Sicherheitenbestellung also nicht benachteiligt werden, weil dem Vermögen des Gemeinschuldners alsbald ein entsprechender Gegenwert zufließt (§ 142

1 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137; BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 720; BGH v. 13.11.1990 – XI ZR 217/89, ZIP 1991, 155 = WM 1991, 60 = WuB I E 1. – 2.91 Sonnenhol; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZIP 2015, 738 = ZInsO 2015, 742 Rn. 9; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 11; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 495; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 114; Merz WM 1983, 106. 2 RG v. 3.2.1905 – VII 497/04, RGZ 60, 109; RG v. 3.3.1914 – VII 452/13, RGZ 84, 254; RG v. 5.11.1918 – VII 202/18, RGZ 94, 307; BGH v. 20.2.1980 – VIII ZR 48/79, WM 1980, 409; BGH v. 19.3.1980 – VIII ZR 195/79, WM 1980, 598; BGH v. 21.4.1988 – IX ZR 71/87, ZIP 1988, 725. 3 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133.

610 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.561 Dritter Teil

InsO)1. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die Bank dem Kunden den Inkassobetrag auszahlt. bb) Verrechnung bei offener Kreditlinie Die Anfechtbarkeit der Verrechnung von Zahlungseingängen, also auch von Eingängen aus Wechselinkassi, scheidet in Höhe eines sog. „anfechtungsrechtlichen Mindestbetrags“ aus, wenn die Bank die Kreditlinien offengehalten und dem Kunden in Höhe der eingegangenen Beträge Verfügungen gestattet hat2, wozu sie bei ungekündigten Kontokorrentkrediten verpflichtet war3. Könnte der Insolvenzverwalter die Herausgabe der Inkassoerlöse verlangen, so würde die Bank ihre Deckung für die späteren Verfügungen des Kunden, die sie noch zugelassen hat, verlieren und ihre ungesicherte Insolvenzforderung über den ursprünglichen Kreditrahmen hinaus um die Beträge der späteren Verfügungen erhöhen.

3.560

Entscheidend ist der enge wirtschaftliche, rechtliche und zeitliche Zusammenhang zwischen Gut- und Lastschriften, wenn die Bank gemäß ihrer vertraglichen Verpflichtung den Kunden bis zu einer Kreditobergrenze wieder verfügen lässt; hier bedingt die Ausführung von Zahlungsaufträgen zugleich den Eingang ausgleichender wirtschaftlicher Werte, ohne den die Kreditlinie alsbald überschritten und die Bank zu einer Verweigerung weiterer Belastungen berechtigt wäre4. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist jedenfalls dann eingehalten, wenn zwischen den kontokorrentmäßigen Soll- und Habenbuchungen weniger als eine5 oder zwei Wochen6 vergehen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Deckung früher oder später entsteht als die Forderung der Bank aus der Ausführung von Zahlungsaufträgen7. Dagegen kann nicht an den Zeitraum angeknüpft werden, in dem nach den Vereinbarungen der Parteien ein

3.561

1 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, WM 1977, 254; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, WM 1980, 779; BGH v. 27.9.1984 – IX ZR 3/84, WM 1984, 1430; BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/ 91, WM 1993, 265; OLG Braunschweig v. 11.11.1949 – 2 U 158/49, MDR 1950, 356; OLG Düsseldorf v. 4.6.1982 – 24 U 23/82, ZIP 1982, 860; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1991, § 30 Rn. 110 m.w.N.; das Gleiche gilt auch nach österreichischem Recht (OGH JBl. 1980, 595); s. im Übrigen Rn. 6.120 ff. 2 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZInsO 1999, 289; BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/99, ZInsO 2003, 374; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856; BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, WM 2008, 169; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 303; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZInsO 2012, 1301 mit Anm. Bartels ZIP 2013, 1756; im Ergebnis auch OLG Jena v. 8.4.1997 – 5 U 962/96 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 9.7.1998 – IX ZR 133/97. 3 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 (VII); BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; OLG Rostock v. 7.3.2005 – 3 U 121/04, WM 2007, 980. 4 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = ZInsO 1999, 289; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZIP 2002, 812 = ZInsO 2002, 426; BGH v. 6.2.2003 – XI ZR 449/99, ZInsO 2003, 374; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324. 5 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = WM 1999, 781; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856. 6 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204. 7 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524.

Büchel | 611

Dritter Teil Rz. 3.561 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Rechnungsabschluss vorzunehmen ist1. Daraus ergibt sich folgende Abgrenzung (Einzelheiten s. Rn. 3.170 ff.): – Wenn zu Beginn des Zeitraums, in dem die Belastungen angefallen sind, die Kreditlinie vollständig ausgenutzt war, ist eine Anfechtung der Einstellung von Eingängen aus Wechselinkassi in das Kontokorrent jedenfalls insoweit ausgeschlossen, als diese Beträge in der nachfolgenden Verrechnung wegen des nachträglichen Entstehens neuer Sollposten nicht zur Befriedigung der Bank geführt haben, und zwar auch dann, – wenn sich Eingänge und Ausgänge in dem fraglichen Zeitraum zwar ausgeglichen hätten, die Kreditlinie zu Beginn dieses Zeitraums aber noch nicht ausgeschöpft war2; – wenn die Eingänge die Ausgänge überstiegen und somit eine Reduzierung des debitorischen Saldos bewirkt haben, kann in Höhe des überschießenden Betrages eine Anfechtbarkeit in Betracht kommen3; – wenn der Kunde den Kredit über den Rahmen der zugesagten Linie hinaus in Anspruch genommen hat, fällt eine Reduzierung dieses Spitzenbetrages durch alsbaldige Eingänge nicht unter die oben beschriebene Ausnahmeregelung. cc) Deckung durch Sicherheiten

3.562

Die Anfechtbarkeit der Verrechnung eines Zahlungseingangs aufgrund eines Wechselinkassoauftrags des späteren Schuldners mit dem debitorischen Saldo auf dessen Konto ist stets ausgeschlossen, wenn die Forderung, die der Überweisende begleichen wollte, der Bank zur Sicherheit abgetreten war. Die üblichen Zessionsverträge4 sehen nämlich vor, dass der Kunde seine Ansprüche aus Schecks und Wechseln, die er zur Bezahlung der abgetretenen Forderungen erhält, an die Bank schon im Voraus sicherungshalber abtritt5. Wenn ein solcher Wechsel auf dem Inkassowege bezahlt wird, erhält die Bank durch die Verrechnung also nur das, was ihr aufgrund der Sicherungszession ohnehin zugestanden hätte6.

1 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524 (offengelassen für Abrechnungsperioden von einem Monat); a.A. OLG Brandenburg v. 8.12.1999 – 7 U 247/97, ZIP 2000, 366. 2 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/99, ZInsO 2003, 374; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324; LG Berlin v. 19.7.2001 – 13 O 130/01; Joeres in Bork/Kübler, Insolvenzrecht 2000, RWS-Forum 18, 2001, S. 99, 119; Zuleger ZInsO 2002, 49; a.A. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1997, § 30 Rn. 277; Heublein ZIP 2000, 161; LG Bochum v. 7.12.2000 – 1 O 444/00, ZIP 2001, 87; OLG Hamm v. 4.9.2001 – 27 U 34/01, ZIP 2001, 1683. 3 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; Heublein ZIP 2000, 161; Steinhoff ZIP 2000, 1141. 4 S. Muster bei Wittig in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, Bankrecht VI H 3. 5 Zur Einziehungsbefugnis für solche Schecks und Wechsel s. OLG Hamm v. 16.12.1997 – 7 U 66/ 97, ZIP 1998, 506. 6 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061; BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 318/99, ZInsO 2000, 101; BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653; BGH v. 25.2.1993 – VII ZR 24/92, BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, ZIP 1983, 961 unter Aufhebung der Entscheidung des OLG Hamm v. 14.7.1982 – 5 U 192/81, ZIP 1982, 1343; OLG Koblenz v. 20.6.1984 – 7 U 670/83, ZIP 1984, 137; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126; BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985, 364 = WuB Vl D § 3 AnfG 2.85 Obermüller; entsprechend für den Verkauf eines belasteten Grundstücks RG v. 8.4.1902 – VII 35/1902, Gruchot 46, 1111.

612 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.566 Dritter Teil

Denn alle Anfechtungstatbestände setzen voraus, dass die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit objektiv benachteiligt sind1. Hieran fehlt es, wenn ein Gläubiger Befriedigung oder Deckung erhält, die nach der besonderen Fallgestaltung auch der Insolvenzverwalter hätte gewähren müssen2. Demgemäß liegt auch in der Herausgabe einer Sache, die hätte abgesondert werden können, keine Gläubigerbenachteiligung3. Hätte der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung die zur Sicherung abgetretene Forderung eingezogen, so wäre die Bank entsprechend § 48 InsO zur Ersatzabsonderung berechtigt gewesen4.

3.563

Wenn dagegen die Forderung, zu deren Bezahlung der Wechsel diente, einem Dritten z.B. aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts abgetreten war, so schließt dies eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich nicht aus. Denn der Dritte hätte weder ein Aus- noch ein Absonderungsrecht noch ein Ersatzaussonderungsrecht erworben5.

3.564

b) Wechseleinzug bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantrag Von den Anfechtungsmöglichkeiten reicht die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen am weitesten zurück. Theoretisch kann die Verrechnung von Wechseln, die in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag eingereicht wurden, in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren angefochten werden, wenn der Kunde bei Einreichung der Wechsel den Vorsatz hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen und die Bank dies wusste (§ 133 Abs. 1 InsO). Aus rechtlichen und praktischen Gründen ist der zeitliche Anwendungsbereich der Absichtsanfechtung jedoch erheblich beschränkt. Durch die Reform des Anfechtungsrechts6 wurde die Frist grundsätzlich durch den neuen § 133 Abs. 2 InsO bei Rechtshandlungen, die dem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, auf vier Jahre verkürzt, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob es sich um eine kongruente oder inkongruente Deckung handelte. Die Unterscheidung hat vor allem bei der Fiktion der Kenntnis des Gläubigers nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO Bedeutung. Bei der kongruenten Deckung greift die Vermutung der Kenntnis nur bei eingetretener, nicht aber schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit, § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO. Der BGH hat zudem die Anforderungen für den Insolvenzverwalter für die teilweise ausufernde Vorsatz-Anfechtungsmöglichkeiten wieder erhöht7.

3.565

Einen Benachteiligungsvorsatz kann der Kunde nur dann hegen, wenn im Zeitpunkt der Wechseleinreichung sein Vermögen nicht mehr ausreicht, seine Gläubiger sämtlich zu befriedigen, wenn er also schon überschuldet ist oder wenn er schon einen Anlass hatte, mit dem

3.566

1 RG v. 3.2.1905 – VII 497/04, RGZ 60, 109; RG v. 8.4.1902 – VII 35/1902, Gruchot 46, 1111; RG JW 1899, 540; BGH v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 347; BGH v. 5.12.1985 – IX ZR 165/ 84, ZIP 1986, 452 = WM 1986, 296 = WuB VI B § 29 KO 1.86 Johlke. 2 BGH v. 24.12.1959 – VIII ZR 220/57, WM 1960, 377; BGH v. 24.10.1962 – VIII ZR 126/61, KTS 1962, 252. 3 BAG v. 29.7.1967 – 3 AZR 55/66, BAGE 20, 11; BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985; 364; s. auch BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB Vl B § 15 KO 2.85 Obermüller. 4 So zu der mit § 48 InsO weitgehend übereinstimmenden Vorschrift des § 46 KO: BGH v. 14.2.1957 – VII ZR 250/56, BGHZ 23, 317; BGH v. 30.10.1967 – VIII ZR 176/65, WM 1967, 1213. 5 BGH v. 11.5.1989 – IX ZR 222/88, ZIP 1989, 785 = WM 1989, 965 m.w.N. = WuB VI B § 30 Nr. 1 KO 3.89 Obermüller. 6 Art. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654. 7 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339; Stohrer ZInsO 2023, 121.

Büchel | 613

Dritter Teil Rz. 3.566 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

baldigen Eintritt einer Krise und einer nachfolgenden Insolvenz zu rechnen1. Subjektiv liegt ein Benachteiligungsvorsatz vor, wenn der Kunde die Gläubigerbenachteiligung als mutmaßliche Folge seines Handelns erkannt und gebilligt hat2.

3.567

Für einen Benachteiligungsvorsatz stellt der Umstand, dass das Wechselinkasso zu einer inkongruenten Deckung (zum Begriff s. Rn. 3.207) führt, ein starkes Indiz dar3. Demgegenüber reicht bei kongruenter Deckung das Bewusstsein des Kunden, dass die Einschaltung dieser Bank in das Wechselinkasso für seine übrigen Gläubiger nachteilig sei, regelmäßig nicht aus, um die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes zu rechtfertigen. Näher liegt dann die Annahme, dass es dem Kunden auf die reibungslose Durchführung des Zahlungsverkehrs und die Einziehung seiner Außenstände und nicht auf die Vereitelung der Ansprüche anderer Gläubiger ankam4.

3.568

Ob die Rückführung des debitorischen Saldos durch Verrechnung von Wechseleingängen eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO darstellt, hängt – da die Bank einen Betrag in der eingegangenen Höhe zu beanspruchen hatte – davon ab, ob sie die Deckung auch zu dieser Zeit und in der empfangenen Art verlangen konnte. aa) Fälligkeit als Kriterium für die Kongruenz

3.569

Ob die Bank einen Betrag in der eingegangenen Höhe zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte, richtet sich nach der Fälligkeit der Forderung der Bank5: – Handelt es sich um einen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellten Kredit, so erhält die Bank durch Rückführung dieses Kredits aus den Wechseleingängen eine Deckung, die sie zu dieser Zeit nicht zu beanspruchen hatte, mithin eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO. Zu Fällen dieser Art zählen insbesondere Annuitätendarlehen und sonstige Ratenkredite6; diese Kredite werden in der Regel über ein gesondertes Konto abgewickelt, so dass nicht eine Verrechnung, sondern eine Aufrechnung in Betracht kommt. – Hatte die Bank einen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellten Kredit für einen Zeitpunkt vor dem Wechseleingang gekündigt, so ist die Fälligkeit hergestellt und damit die Kongruenz gegeben7. Die Kündigung selbst und die damit bewirkte Herbeiführung einer Aufrechnungslage kann nicht angefochten werden. Denn die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen setzt eine Rechtshandlung des Schuldners voraus; hier ist aber

1 OLG Düsseldorf v. 30.6.1983 – 6 U 120/81, ZIP 1983, 786; Plander BB 1972, 1480; Einzelheiten s. Rn. 5.510 ff. 2 BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182; BGH v. 23.9.1981 – VIII ZR 245/80, ZIP 1981, 1229; Einzelheiten s. oben Rn. 3.203. 3 BGH v. 5.5.1959 – VIII ZR 221/57, WM 1959, 1007; BGH v. 11.1.1961 – VIII ZR 203/59, WM 1961, 388; BGH v. 5.11.1964 – VII ZR 2/63, WM 1965, 85; BGH v. 26.2.1969 – VIII ZR 41/67, WM 1969, 375; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/ 92, ZIP 1993, 1653; OLG Düsseldorf v. 8.7.1992 – 19 U 3/92, ZIP 1992, 1488. 4 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572. 5 Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 81. 6 Zu den Kreditarten s. von Heymann BB 1983, Beilage 8, S. 20, 21; von Heymann, Die Kündigung von Darlehen nach § 247 BGB, 1984, S. 76 ff. m.w.N. 7 BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585; BGH v. 22.1.1998 – IX ZR 99/97, WM 1998, 569 = WuB VI B. § 30 Nr. 2 KO 2.98 Obermüller; einschränkend von Usslar BB 1980, 918.

614 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.574 Dritter Teil

lediglich die Bank tätig geworden. Die Anfechtung wegen unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen (§ 132 InsO) kann sich nicht gegen Rechtshandlungen richten, die mehr als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden. – Handelt es sich um eine Überziehung des Girokontos1, so kann die Bank jederzeit Rückführung auf den vereinbarten Saldo verlangen; eine inkongruente Deckung liegt also nicht vor2. – Bei einem Kontokorrentkredit3 oder einem Wechseldiskont-, Akzept- oder Lombardkredit4 erteilt die Bank dem Kunden keine Kreditzusage für eine feste Zeit5. Für die Frage nach der Kongruenz einer Deckung durch Wechselinkassoeingänge auf ein Kontokorrent ist hierbei maßgeblich, ob im Zeitpunkt der kontokorrentmäßigen Aufrechnungslage die Kreditforderung der Bank fällig war6. – Bewegt sich die Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits innerhalb der dem Kunden eingeräumten Linie, so stellt eine Rückführung eines ungekündigten Kontokorrentkredits unter die vereinbarte Linie eine inkongruente Deckung dar, weil die Bank ohne Kündigung nicht die sofortige Reduzierung des Saldos auf einen Betrag unterhalb der Linie fordern kann7. Dabei bleibt allerdings unberücksichtigt, dass das Recht des Kontoinhabers zur jederzeitigen Rückführung und Wiederinspruchnahme der Linie ein Wesenselement des Kontokorrents darstellt, mit dem die Pflicht der Bank zur Annahme eingehender Gelder korrespondiert. frei

3.570–3.573

bb) Zahlung durch Wechsel als Kriterium für die Kongruenz Wenn der Kunde bei der Bank ein Girokonto unterhält, steht der Bank die Deckung auch in der empfangenen Art zu und ist damit kongruent. Zwar soll ein von einem Dritten ausgestellter Scheck – Gleiches müsste dann auch für den Wechsel gelten – nach Auffassung der Rechtsprechung8 eine inkongruente Deckung darstellen, weil die Bank zwar einen Anspruch auf Zahlung gegen ihren Kunden, nicht aber einen Anspruch gegen denjenigen habe, der den Wechsel akzeptiert hat oder als Indossant in Rückgriff genommen werden kann (Einzelheiten s. Rn. 3.430). Denn eine in der kritischen Zeit mit dem Schuldner getroffene Vereinbarung, 1 Die stillschweigende Honorierung von Überziehungen führt als konkludentes Verhalten zu einem Kreditvertrag (W. Obermüller Bank-Betrieb 1974, 204). 2 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; AG Wetzlar v. 31.10.1986 – 3 C 487/86, WM 1986, 1532; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 81; von Usslar BB 1980, 918; Einzelheiten s. Rn. 5.565 ff. 3 Einzelheiten s. Rn. 5.568; anders beim sog. Kontokorrentratenkredit (s. dazu Canaris WM 1987, Sonderbeilage 4). 4 Vgl. dazu Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, Teil I C 2. 5 Gerth BB 1978, 639; Kübler BB 1976, 804; auch BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 310 behandelt derartige Fälle ohne weiteres als kongruente Deckung. 6 OLG Köln v. 29.9.2004 – 2 U 1/04, ZIP 2005, 222. 7 BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, ZIP 1999, 1271; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204; OLG Düsseldorf v. 13.11.2003 – I-12 U 43/03, ZIP 2004, 1008; BGH v. 6.10.2005 – IX ZR 258/03, ZIP 2005, 2171. 8 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZInsO 2009, 1254; BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083; BGH v. 10.10.1961 – 1 StR 163/61, BGHSt 16, 279; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653.

Büchel | 615

3.574

Dritter Teil Rz. 3.574 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

nach der dieser berechtigt ist, sich durch eine andere als die ursprünglich vorgesehene Leistung von seiner Schuld zu befreien, ist inkongruent1. Dies ist jedoch zu undifferenziert: Die Bank hat zwar keinen Anspruch darauf, dass ihr der Kunde eine Forderung gegen einen (solventen) Dritten abtritt; dieser Umstand käme aber nur zur Geltung, wenn die Bank die selbständigen wechselrechtlichen Befugnisse gegenüber dem Akzeptanten und den anderen Wechselverpflichteten bis hin zum Protest ausnutzen und ihn nicht nur gewissermaßen als umgekehrte Überweisung und damit wie einen Zahlungsverkehrsbeleg verwenden würde. So hat der BGH2 auch darauf abgestellt, ob die in einem Scheck oder Wechsel angelegte Verstärkung der Schuld sich tatsächlich ausgewirkt hat, d.h. ob die typischen scheck- oder wechselrechtlichen Elemente für die Bezahlung ursächlich waren oder ob er als reines Zahlungsverkehrsmedium verwendet wurde. Dementsprechend hat der BGH Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren schon früher als verkehrsübliche Zahlungsweise beurteilt, die auch dann zu keiner inkongruenten Befriedigung führt, wenn der Schuldner vertraglich nicht zur Ermächtigung des Gläubigers verpflichtet war3, und diese Betrachtung später auch auf das Abbuchungsauftragsverfahren übertragen4, obwohl der Kunde auch mit Einreichung einer Lastschrift nach Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken seine Ansprüche gegen den Schuldner an die Bank abtritt. Ferner scheint der BGH5 inzwischen zu differenzieren und eine andere als die geschuldete Leistung als kongruent anzusehen, wenn der Gläubiger sie aus Rechtsgründen nicht hätte ablehnen dürfen. Letzteres ist bei der Einreichung von Wechseln auf ein Girokonto der Fall. Schecks, Wechsel und Lastschriften gehören zu den verkehrsüblichen Zahlungsmitteln jedenfalls für Firmenkonten und es kann letztlich nicht darauf ankommen, welcher Zahlungsmittel sich der Kunde zur Rückführung seiner Schulden bedient6. Solange der Girovertrag nicht gekündigt ist, kann die Bank den Einzug von Wechseln nicht verweigern7.

3.574a

Inkongruente Deckung kann aber vorliegen, wenn der Gläubiger einen Wechsel zu früh zum Einzug gibt und damit Erfüllung seines Anspruchs vor Fälligkeit erhält oder wenn die Bank den Kunden verpflichtet hat, sämtliche Wechsel allein ihr vorzulegen. In die gleiche Richtung geht eine Entscheidung des OLG Stuttgart8, welches eine kongruente Deckung angenommen hat, wenn der Insolvenzschuldner mit seinem Gläubiger eine Vereinbarung getroffen hat, wonach Zahlungen eines Kunden des Insolvenzschuldners unverzüglich an den Gläubiger weitergeleitet werden müssen; davon erfasst seien auch Zahlungen durch Schecks. Eine inkongruente Deckung wäre ferner anzunehmen, wenn der Aussteller den Wechsel nicht honoriert und die Bank, an die der Kunde den Wechsel üblicherweise indossiert, nunmehr die wechselrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Aussteller oder anderen Wechselverpflichteten durch Protest ausübt und auf diese Weise Zahlung erhält. Denn damit hat sie gegenüber den Wechselverpflichteten nicht den Anspruch ihres Kunden geltend gemacht, sondern einen eigenen Anspruch aus eigenem Recht durchgesetzt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu Überweisung 1 BGH v. 29.9.2005 – IX ZR 184/04, ZIP 2005, 2025 = ZInsO 2005, 1160. 2 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 = ZInsO 2007, 816. 3 BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, ZIP 2003, 356 = ZInsO 2003, 178, unter III. 1. a; BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 Rn. 45 = ZIP 2008, 1977. 4 BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, ZIP 2013, 324 = ZInsO 2013, 245. 5 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653; vgl. dazu RG v. 23.4.1909 – VII 272/08, RGZ 71, 89; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (183); ebenso OLG Jena v. 7.11.2007 – 4 U 971/05, n.v. 6 BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 868/13, ZInsO 2015, 344 Rn. 14. 7 Zur Verpflichtung beim Scheck vgl. Hülsken, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2017/128. Lfg., Rn. 6/940; differenzierend Burghardt, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/143. Lfg., Rn. 6/616. 8 OLG Stuttgart v. 22.10.2003 – 6 W 59/03, ZInsO 2004, 156; Kox ZInsO 2004, 158.

616 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.576 Dritter Teil

und Lastschrift. Um eine inkongruente Deckung handelt es sich auch bei der Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Geschäft, das der Wechselbegebung zugrunde liegt1. Denn die Bank hatte einen Zahlungsanspruch und keinen Anspruch auf eine Sicherungsabtretung. Anders verhält es sich, wenn die Bank dem Einreicher eine Verfügung über den Wechselbetrag vor seiner Einlösung gestattet (s. Rn. 3.415). Eine solche Sicherungsabtretung ist in Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 25 AGB Sparkassen) und in Nr. 9 Satz 2 des banküblichen Globalzessionsvertrages2 enthalten. cc) Benachteiligungsvorsatz Hat die Bank eine nach den obigen Grundsätzen inkongruente Deckung erhalten, so kann die Rückführung des Saldos in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren nur angefochten werden, wenn der Kunde andere Gläubiger benachteiligen, d.h. die Bank vor den anderen Gläubigern begünstigen wollte und dieser Benachteiligungsvorsatz der Bank auch bekannt war. Dass der spätere Schuldner andere Gläubiger benachteiligen wollte, kann nicht allein aus dem Umstand entnommen werden, dass er Wechsel seiner Schuldner über sein Konto bei der Bank eingezogen hat3. Ein Benachteiligungsvorsatz kann erst angenommen werden, wenn der Kunde über mehrere Bankverbindungen verfügt, aber seine Wechsel angesichts der ihm drohenden Insolvenz nur noch bei einer bestimmten Bank zum Inkasso einreicht, um damit den Sollsaldo zu ermäßigen. Ein starkes Indiz für die Willensrichtung des Kunden stellt dabei seine Praxis in der Vergangenheit dar. Eine auffällige Vermehrung der Wechselinkassi über eine bestimmte Bank bzw. eine Verlagerung von anderen Banken zu dieser Bank kann auf einen Benachteiligungsvorsatz hinweisen, andererseits aber auch eine kaufmännisch vernünftige Reaktion des Kunden auf unterschiedliche Konditionen der Banken für den Wechseleinzug darstellen.

3.575

Wenn der Kunde Wechselinkassoaufträge in der Absicht an eine bestimmte Bank geleitet hat, andere Gläubiger zu benachteiligen, so genügt dies allein noch nicht für eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO. Vielmehr muss der Bank der Benachteiligungsvorsatz bekannt gewesen sein. Diese Kenntnis kann die Bank noch nicht aus dem Umstand gewinnen, dass der Kunde ihr vermehrt Wechsel zum Einzug einreicht. Für Veränderungen in der Häufigkeit und Höhe von Zahlungseingängen kann es eine Vielzahl natürlicher Erklärungen geben. Es ist vielmehr notwendig, dass der Kunde ihr in irgendeiner Form seinen Willen, sie aus den auf seine Außenstände erwarteten Zahlungen bevorzugt zu befriedigen und damit andere Gläubiger zu benachteiligen, mitgeteilt hat. Umgekehrt genügt das Wissen der Bank, dass sie durch Zahlungseingänge objektiv vor anderen Gläubigern bevorzugt wird, nicht für eine Anfechtbarkeit, wenn dem Schuldner ein Benachteiligungsvorsatz fehlte4.

3.576

1 BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, ZIP 2007, 924. 2 Muster s. Wittig in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, Bankrecht VI H 3 – hier fehlt allerdings die zur Rechtssicherheit erforderliche Regelung über einen Übergabeersatz („Die Übergabe der Wechsel oder Schecks wird dadurch ersetzt, dass der Sicherungsgeber sie zunächst für die Bank in Verwahrung nimmt oder, falls er nicht unmittelbaren Besitz an ihnen erlangt, den ihm zustehenden Herausgabeanspruch gegen Dritte hiermit im Voraus an die Bank abtritt.“). 3 BGH v. 20.10.1986 – II ZR 293/85, ZIP 1987, 626 = WM 1987, 603, WuB Vl A § 59 VglO 1.87 Obermüller; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 82. 4 BGH v. 3.3.1960 – VII ZR 86/59, WM 1960, 381 zur Begünstigungsabsicht nach § 30 KO, die das Spiegelbild der Benachteiligungsabsicht darstellt.

Büchel | 617

Dritter Teil Rz. 3.577 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

dd) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis der Bank

3.577

Maßgeblich für die Kenntnis der Bank von dem Benachteiligungsvorsatz ihres Kunden ist nach der Rechtsprechung1 grundsätzlich die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs durch den Anfechtungsgegner. Dies ist nicht etwa der Zeitpunkt der Saldierung, die automatisch mit Insolvenzeröffnung eintritt2, oder der Erklärung, mit der die Bank die Forderungen aus verschiedenen Konten gegeneinander aufrechnet, sondern spätestens der Zeitpunkt, in dem die Aufrechnungslage entsteht3.

3.578

Die Aufrechnungslage entsteht beim Wechselinkasso erst mit der Gutschrift des Wechselbetrages auf dem Einreicherkonto. Wechsel, die der Kunde der Bank einreicht, schreibt die Bank nämlich anders als Schecks in der Regel nicht schon unter dem Vorbehalt des Eingangs („E.v.“)4 gut.

3.579

Im Wechselverkehr kann die Bank jedoch zu einem früheren Zeitpunkt Rechte aus dem Vermögen ihres Kunden erwerben. Wird nämlich einer Bank ein Wechsel zum Inkasso eingereicht, so erhält sie nach Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften das Sicherungseigentum an dem Wechsel5 und die Sicherungsabtretung der Forderungen, die der Wechselbegebung zugrunde liegen (Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften). Sie dienen als Sicherheit für alle Ansprüche, die der Bank bei Einreichung aus den Kontokorrentkonten ihres Kunden (Nr. 15 Abs. 4 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften) oder infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere zustehen (Nr. 25 AGB Sparkassen)6. Wenn die Bank Forderungen besitzt, die von dieser stark eingeschränkten Sicherungszweckvereinbarung erfasst werden, so steht ihr das Sicherungseigentum zu, andernfalls muss sie es dem Kunden zusammen mit den auf sie übergegangenen Forderungen auf seine Anforderung hin zurückübertragen (Nr. 15 Abs. 4 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften7). Für die Anfechtung ist dann der Zeitpunkt der Einreichung des Wechsels maßgebend8. 1 BGH v. 15.1.1964 – VII ZR 236/62, BGHZ 41, 17; BGH v. 2.2.1955 – IV ZR 108/54, BB 1955, 236; BGH v. 13.11.1961 – VIII ZR 158/60, WM 1961, 1371; OLG München v. 3.8.1965 – 4 U 409/64, DNotZ 1966, 371; LG Düsseldorf v. 24.11.1960 – 7 Q 38/60, KTS 1961, 45. 2 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, § 355 Rn. 98 ff.; s. oben Rn. 2.105a. 3 Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 80; BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809. 4 Sonnenhol WM 1993, 677; Peters in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 39 Rn. 69. 5 BGH v. 26.3.1952 – II ZR 53/51, BGHZ 5, 285; BGH v. 29.9.1969 – II ZR 51/67, DB 1969, 2079; BGH v. 11.11.1976 – II ZR 2/75, WM 1977, 50; BGH v. 3.2.1977 – II ZR 116/75, WM 1977, 970; BGH v. 25.6.1984 – II ZR 209/83, WM 1984, 1073; BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057 = WuB VI B § 15 KO 2.85 Obermüller; BGH v. 19.10.1987 – II ZR 9/87, ZIP 1988, 82; KG v. 13.5.1959 – 10 U 706/59, NJW 1959, 2019; OLG Stuttgart v. 13.1.1971 – 4 U 106/70, WM 1971, 288; OLG Düsseldorf v. 15.1.1981 – 6 U 113/80, WM 1981, 370; OLG Köln v. 3.4.1979 – 15 U 71/78, WM 1979, 1193; RG v. 9.7.1921 – V 156/21, RGZ 102, 328; LG Aachen v. 15.6.1983 – 42 O 110/82, ZIP 1983, 929; Klein WM 1975, 374; Prost NJW 1969, 1233, 2041; Woite Bank-Betrieb 1970, 19. 6 Einzelheiten zu der Einschränkung des Sicherungszwecks s. Merkel WM 1993, 725; Bülow BB 1995, 2485. 7 Eine ähnliche Regelung findet sich in Nr. 25 Abs. 1 der AGB Sparkassen. Danach überträgt der Kunde der Sparkasse das Sicherungseigentum für den Fall, dass ein Wechsel, ein Scheck oder ein anderes Einzugspapier nicht eingelöst wird und der Sparkasse aufgrund von Vorausverfügungen des Kunden Ansprüche gegen ihn zustehen, und zwar bis zum Ausgleich dieser Ansprüche. 8 Bülow BB 1995, 2485.

618 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.583 Dritter Teil

Mit Übergang des Sicherungseigentums auf die Bank ist der Vermögensverlust des Kunden eingetreten, so dass sein Vermögen nicht mehr zusätzlich geschmälert werden und keine Gläubigerbenachteiligung mehr eintreten kann, wenn danach durch die Einlösung des Wechsels die Aufrechnungslage entsteht. Denn aufgrund des Sicherungseigentums an dem Wechsel und der Sicherungsabtretung der dem Wechsel zugrunde liegenden Forderungen gebührt der Bank ohnehin der Gegenwert des Wechsels. Die Einreichung hat der Bank nämlich ein Absonderungsrecht verschafft. Von diesem Recht kann die Bank Gebrauch machen, indem sie die Forderung einzieht. Geht der Erlös ein, erlischt insoweit ihre besicherte Forderung gegen den Schuldner. Dazu bedarf es keiner kontokorrentmäßigen Verrechnung; wenn die Bank trotzdem den Erlös dem Konto des Schuldners gutschreibt und ihn mit dem Debet saldiert, handelt es sich lediglich um die buchungstechnische Erledigung dieses Vorgangs, der keine selbständige Bedeutung zukommt1. Wenn die Bank demgemäß an dem Wechsel bereits Sicherungseigentum erworben hat, so kann sie den Gegenwert mit dem Debetsaldo des Kunden verrechnen, auch wenn sie von einem Benachteiligungsvorsatz erfährt, bevor die Gutschrift endgültig wird2.

3.580

c) Wechseleinzug zwei bis drei Monate vor Insolvenzantrag Erhält die Bank einen Wechseleinzugsauftrag von einem Kunden, dessen Konto einen debitorischen Saldo aufweist, innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzantrag, so kann der Verrechnung, die mit der Gutschrift des Wechselbetrages auf dem Konto verbunden ist, das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegenstehen. Dies setzt voraus, dass die Bank die Möglichkeit zur Aufrechnung bzw. Verrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erworben hat. Zu den Anfechtungsrechten wegen vorsätzlicher Benachteiligung (s. Rn. 3.565) tritt vom dritten Monat vor dem Insolvenzantrag an das Recht zur Anfechtung kongruenter (§ 130 InsO) oder inkongruenter Deckungen (§ 131 InsO) hinzu.

3.581

aa) Anfechtbarkeit kongruenter Deckungen Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, auf die er einen Anspruch hatte (kongruente Deckung), sind anfechtbar, wenn der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte. Für diese Kenntnis genügt bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO); unerheblich ist lediglich, ob der Anfechtungsgegner die notwendige Schlussfolgerung tatsächlich auch gezogen hat.

3.582

bb) Anfechtbarkeit inkongruenter Deckungen Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (sog. inkongruente Deckungen), sind anfechtbar, wenn der Schuldner zu dieser Zeit bereits zahlungsunfähig war, ohne dass es auf den Kenntnisstand des Anfechtungsgegners ankommt. Sie sind auch dann anfechtbar, wenn der Schuldner zu diesem Zeitpunkt noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet war, dem Gläubiger aber zur Zeit der Handlung bekannt war, dass 1 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057; BGH v. 31.3.1992 – 1 BvR 1492/91, WM 1992, 1082. 2 BGH v. 24.10.1991 – I ZR 208/89, WM 1992, 1038.

Büchel | 619

3.583

Dritter Teil Rz. 3.583 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden. Der Insolvenzverwalter hat also lediglich zu beweisen, dass dem Anfechtungsgegner entweder die Benachteiligung der anderen Gläubiger positiv bekannt war oder dass er Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs. 2 InsO). cc) Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung

3.584

Für die Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung kann zunächst auf die obige Darstellung verwiesen werden (s. Rn. 3.206). d) Wechseleinzug im letzten Monat vor Insolvenzantrag oder nach Insolvenzantrag

3.585

Erhält die Bank einen Wechseleinzugsauftrag zugunsten eines Kunden, dessen Konto einen debitorischen Saldo aufweist, im letzten Monat vor oder nach einem Insolvenzantrag, so kann der Erfolg der nach §§ 94, 95 ff. InsO an sich zulässigen Aufrechnung bzw. Verrechnung des eingezogenen Wechselbetrages mit dem debitorischen Kontosaldo vom Insolvenzverwalter durch Anfechtung wieder beseitigt werden, deren Voraussetzungen sich danach richten, ob die Bank durch den Wechsel eine kongruente oder eine inkongruente Deckung (zur Abgrenzung s. Rn. 3.206) erhalten hat.

3.586

Kongruente Deckungen sind anfechtbar, wenn die Bank zur Zeit der Einreichung bzw. Einlösung des Wechsels1 die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Für diese Kenntnis genügt bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO); unerheblich ist lediglich, ob die Bank die notwendige Schlussfolgerung tatsächlich auch gezogen hat.

3.587

Kongruente Deckungen, die nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen werden, sind nicht anfechtbar, wenn der Eröffnungsantrag auf Überschuldung oder auf drohende Zahlungsunfähigkeit (§§ 18, 19 InsO) gestützt wird, die Zahlungsunfähigkeit aber noch nicht eingetreten ist, und wenn die Bank von dem Eröffnungsantrag nichts wusste.

3.588

Inkongruente Deckungen sind unabhängig davon anfechtbar, ob der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war; auf den Kenntnisstand der Bank kommt es ebenfalls nicht an. e) Wechseleinzug nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen

3.589

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten der Bank zur Verrechnung des Gegenwerts eingezogener Wechsel mit einem debitorischen Kontosaldo ab.

1 Zum maßgeblichen Zeitpunkt s. oben Rn. 3.577.

620 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.592 Dritter Teil

aa) Allgemeines Verfügungsverbot Wenn das Gericht einen vorläufigen Verwalter einsetzt und dem Kunden ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, untersagt dies dem Kunden die Erteilung von neuen Wechselinkassoaufträgen. An Wechseln, die der Kunde der Bank unter Verstoß gegen dieses Verbot übergibt, kann die Bank kein Sicherungseigentum erwerben, selbst wenn ihr das Verfügungsverbot nicht bekannt war (§ 24 Abs. 1, § 81 InsO) (s. Rn. 1.247 ff.). Wenn sie das Inkasso durchführt, kann sie den Erlös nicht zur Reduzierung ihrer Forderungen verwenden.

3.590

Wenn die Bank dagegen das Sicherungseigentum an dem Wechsel schon vor der Anordnung des Verfügungsverbots erworben hat und dieser Erwerb nicht anfechtbar ist, kann sie wegen der Forderungen, die nach Nr. 15 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften/Nr. 25 AGB Sparkassen durch die Wechsel gesichert werden, auf den Inkassoerlös zurückgreifen. Für eine etwaige Anfechtung der Verrechnung ist die Situation maßgebend, die im Zeitpunkt der Einreichung des Wechsels gegeben war.

3.591

Wenn die Bank den Wechsel vor der Anordnung des Verfügungsverbots zum Einzug hereingenommen hat, ohne gleichzeitig das Sicherungseigentum zu erwerben, hat sie das Inkasso ebenfalls fortzusetzen. Sie kann die eingegangenen Gelder durch Einstellung in das Kontokorrent zur Verrechnung mit dem debitorischen Saldo bringen. Das Verfügungsverbot hat zwar die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben1. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner2. Demgemäß darf der Kunde auch keine Verrechnungsvereinbarungen mehr schließen3. Die dem Kontokorrent zugrunde liegende Verrechnungsabrede ist jedoch bereits vor dem Verfügungsverbot getroffen und wirkt grundsätzlich als Vorausverfügung. Bestehende Vorausverfügungen werden nicht schon durch ein allgemeines Verfügungsverbot, sondern erst durch die Verfahrenseröffnung unwirksam4. Gegen damit verbundene Schmälerungen der künftigen Masse im Eröffnungsverfahren gewähren die Anfechtungsvorschriften angemessenen Schutz, so dass eine Vorverlegung der Wirkungen des Insolvenzbeschlags nicht notwendig ist.

3.592

1 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26. 2 OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14; s. auch schon den Wortlaut von § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO. 3 OLG Koblenz v. 29.11.1983 – 3 U 1638/82, ZIP 1984, 164; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626 = WuB VI A § 59 VglO 1.86 Obermüller; OLG Schleswig v. 23.3.1995 – 5 W 47/94, ZIP 1995, 759. 4 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; OLG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204; LG Rostock v. 30.20.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992; Blankenburg in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022 94. Lfg., § 24 Rn. 17.

Büchel | 621

Dritter Teil Rz. 3.593 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

bb) Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts

3.593

Wenn das Gericht einen vorläufigen Verwalter einsetzt und ihm einen Zustimmungsvorbehalt einräumt, treten für Wechselinkassoaufträge die oben dargestellten Auswirkungen ein, die jedoch allein an den Zustimmungsvorbehalt anknüpfen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Der Zustimmungsvorbehalt führt nicht zu einem Aufrechnungsverbot1. Erst recht hat die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters, der nur mit Prüfungsaufgaben betraut wird, keinen Einfluss auf die Aufrechnungsbefugnis und ebenso wenig auf die Wirksamkeit der antizipierten Verrechnungsabrede; Erlöse aus Wechselinkassi können also weiterhin gutgeschrieben und verrechnet werden. Für die Anfechtung der Sicherungsübereignung bzw. der Verrechnung gelten die obigen Ausführungen (s. Rn. 3.556 ff.). f) Wechseleinzug nach Verfahrenseröffnung

3.594

Mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist dem Kunden die Erteilung von neuen Wechselinkassoaufträgen grundsätzlich verwehrt. An Wechseln, die der Kunde der Bank unter Verstoß gegen dieses Verbot übergibt, kann die Bank kein Sicherungseigentum erwerben, selbst wenn ihr die Verfahrenseröffnung nicht bekannt war (§ 81 InsO). Wenn sie das Inkasso durchführt, kann sie den Erlös nicht zur Reduzierung ihrer Forderungen verwenden.

3.595

Wenn der Inkassoauftrag vor Verfahrenseröffnung erteilt wurde, die Bank das Sicherungseigentum an dem Wechsel erworben hat und dieser Erwerb nicht anfechtbar ist, kann sie wegen der Forderungen, die nach Nr. 15 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften/Nr. 25 AGB Sparkassen durch die Wechsel gesichert werden, auf den Inkassoerlös zurückgreifen.

3.596

Wenn der Inkassoauftrag vor Verfahrenseröffnung erteilt wurde, ohne dass die Bank das Sicherungseigentum an dem Wechsel erworben hat, ist sie nicht mehr berechtigt, Eingänge aus dem Wechselinkasso durch Gutschrift auf dem debitorischen Konto des Schuldners automatisch zu verrechnen und hierdurch ihre Forderung gegen den Schuldner zu reduzieren. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bankkunden ist das Kontokorrentverhältnis erloschen. Auch eine Aufrechnung der Bank mit ihrem Anspruch aus dem Debetsaldo des Schuldners gegen dessen „nachvertraglichen“ Anspruch auf Herausgabe des von der Bank eingezogenen Geldbetrages2 ist gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen. Denn nach dieser Vorschrift kann die Bank nicht aufrechnen, wenn sie aufgrund eines Wechseleinzugs nach Insolvenzeröffnung zur Masse etwas schuldig geworden ist. Eine Ausnahme von dem Aufrechnungsverbot ist aber gerechtfertigt, wenn eine Bank aufgrund eines vor Verfahrenseröffnung erteilten Inkassoauftrags nach Verfahrenseröffnung etwas für die Masse erlangt, falls der Auftrag zu ihren Gunsten – etwa wegen ihrer Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung oder wegen Gefahr im Verzug (s. Rn. 3.551 f.) – als fortbestehend fingiert wird (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO). Denn dann ist die Herausgabeverpflichtung als vor Konkurseröffnung gesetzlich begründet und nur noch durch den Zahlungseingang bedingt anzusehen mit der Folge, dass das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht eingreift3. An dieser zu § 55 KO vertretenen Auffassung hat sich auch durch §§ 94 ff. InsO nichts geändert.

1 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558 = ZInsO 2004, 852. 2 BGH v. 21.3.1995 – Xl ZR 189/94, ZIP 1995, 659 = WM 1995, 745; Kübler BB 1976, 802. 3 Zu § 55 KO: BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 719; BGH v. 7.7.2003 – II ZR 271/00, WM 2003, 1717; LG Hamburg v. 14.8.1961 – 25 S 2/61, MDR 1962, 304; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 55 Anm. 7; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl. 1979, § 55 Rn. 7.

622 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.601 Dritter Teil

IV. Diskontwechsel Für Wechsel, welche die Bank ihrem Kunden diskontiert, gelten bei der Insolvenz des Diskontnehmers im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie beim Wechselinkasso1, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann (s. Rn. 3.531 ff.). Besonderheiten sind für den Fall der Insolvenz des Akzeptanten und des bei Zahlungsunfähigkeit noch nicht angenommenen Diskontangebots anzumerken.

3.597

1. Insolvenz des Akzeptanten Wenn Diskontwechsel eingereicht werden, schreibt die Bank dem Einreicher den Gegenwert sofort gut. Falls der Akzeptant oder ein anderer Wechselverpflichteter nach der Gutschrift in Zahlungsschwierigkeiten gerät, erheben sich die Fragen, ob die Bank den Einreicher zurückbelasten kann, ob der Wechsel protestiert werden soll und ob die Bank gegenüber dem Diskontnehmer Warnpflichten treffen.

3.598

a) Rückbelastungsrecht Im Fall von Zahlungsschwierigkeiten des Akzeptanten oder eines anderen Wechselverpflichteten hat die Bank ein Interesse, den Einreicher zurückzubelasten.

3.599

Meist wird ein Rückbelastungsrecht in den Abmachungen mit dem Kunden anlässlich des jeweiligen Diskontgeschäfts eigens vereinbart2. Die Rückbelastung ermöglicht der Bank die Aufrechnung gegen eine etwaige Guthabenforderung ihres Kunden3. Weist das Konto des Kunden dagegen einen Debetsaldo auf, so wird sie die übrigen Wechselverpflichteten aus dem Wechsel in Anspruch nehmen4.

3.600

Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung über das Rückbelastungsrecht, ist die Bank auf die allgemeinen vertraglichen Ansprüche aus dem Diskontvertrag und die wechselrechtlichen Regressansprüche beschränkt.

3.601

– Bei Verfall und Fälligkeit des Wechsels hat die Bank gegen den Einreicher einen Regressanspruch aus Art. 9 Abs. 1 WG, sofern der Einreicher gleichzeitig Aussteller ist, und einen Anspruch aus Art. 15 WG, wenn der Einreicher den Wechsel indossiert hat. Speziell für den Fall mangelnder Zahlung gibt Art. 43 Abs. 1 WG der Bank einen Regressanspruch gegen den Einreicher als Aussteller oder Indossant. – Vor Verfall hat die Bank gemäß Art. 43 Abs. 2 Nr. 2 WG einen Regressanspruch gegen den Einreicher als Aussteller oder Indossanten, wenn über das Vermögen des Akzeptanten das 1 Auf den Meinungsstreit, ob das Diskontgeschäft als Kaufvertrag zu behandeln (so BGH v. 16.12.1955 – I ZR 134/54, BGHZ 19, 282 [292]; BGH v. 21.3.1963 – VII ZR 219/61, WM 1963, 507 f.) oder nach den Regeln über den Darlehensvertrag zu beurteilen ist (s. dazu Peters in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 40 Rn. 3), kommt es für die insolvenzrechtliche Erörterung nicht an. 2 Burghardt, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/143. Lfg., Rn. 6/646; die Vereinbarkeit mit dem AGB-Recht wird bejaht (OLG Stuttgart v. 29.9.1993 – 9 U 111/93, ZIP 1993, 1782 = WM 1994, 423). 3 RG v. 22.3.1933 – II 406/32, RGZ 140, 161; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Anm. 1563; Freitag in Staudinger, BGB, Stand 2015, § 488 Rn. 678. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Anm. 1563; Schoenle, Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, § 14 II 1.

Büchel | 623

Dritter Teil Rz. 3.601 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder wenn der Akzeptant auch nur seine Zahlungen eingestellt hat oder wenn eine Zwangsvollstreckung in sein Vermögen fruchtlos verlaufen ist. – Vor der Zahlungseinstellung des Akzeptanten stehen der Bank Rückbelastungsrechte nicht zu. Sie erwirbt weder Rückzahlungs- oder Schadensersatzansprüche aus dem Diskontvertrag noch wechselrechtliche Regressansprüche. Betrachtet man den Diskontvertrag als Kaufvertrag1, greift eine etwa vereinbarte kaufvertragliche Garantiehaftung nur, wenn der Akzeptant bereits zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs insolvent ist2. Betrachtet man den Diskontvertrag als Darlehensvertrag3, ist zumindest zweifelhaft, ob bereits die drohende Insolvenz des Akzeptanten eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund begründet. § 490 Abs. 1 BGB und Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken greifen zwar bereits ein, wenn in den Vermögensverhältnissen des anderen Teils eine wesentliche Verschlechterung eintritt, durch die der Anspruch auf die Rückerstattung gefährdet wird. § 490 Abs. 1 BGB und Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken sind aber direkt nur auf eine Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des anderen Teils, also des Einreichers anwendbar. Bei der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Akzeptanten hingegen passen § 490 Abs. 1 BGB und Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken insofern, als eine außerordentliche Kündigung auch im Fall der Verschlechterung einer Sicherheit, als die man das Akzept ansehen kann, zulässig ist. b) Protest

3.602

Ob es sich empfiehlt, einen Wechsel, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Wechselverpflichteten fällig wird, protestieren zu lassen oder die Kosten zu sparen, hängt davon ab, ob durch den Protest die Ansprüche gegen die Wechselmitverpflichteten aufrechterhalten werden sollen; die Ansprüche gegen den Akzeptanten erlöschen jedenfalls auch dann nicht, wenn kein Protest erhoben wird (Art. 44 Abs. 6, Art. 53 WG). c) Warnpflichten

3.603

Warnpflichten treffen die Bank im Verhältnis zu dem Diskontnehmer grundsätzlich nicht. Sind der Bank die wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines anderen Wechselverpflichteten bekannt, so braucht sie den Diskontnehmer darüber nicht aufzuklären4. Eine Ausnahme kann allerdings eingreifen, wenn die diskontierende Bank durch eine günstige Gestaltung der Diskontbedingungen bei den Diskontnehmern den Anschein der Kreditwürdigkeit des Wechsel-

1 BGH v. 16.12.1955 – I ZR 134/54, BGHZ 19, 282 (292); BGH v. 21.3.1963 – VII ZR 219/61, WM 1963, 507 f.; Freitag in Staudinger, BGB, Stand 2015, § 488 Rn. 642; Stauder WM 1968, 562 ff. 2 Stauder WM 1968, 562; Huber in Soergel, BGB, Stand 1999, § 437 Rn. 8. Demnach erklärt der Einreicher bei Abschluss des jeweiligen Diskontgeschäfts konkludent, für die Zahlungsfähigkeit des Akzeptanten zu haften. Das folgt daraus, dass die Bank zum Diskont nur gute Handelswechsel annimmt, die sie bei der Deutschen Bundesbank rediskontieren kann (Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 535). 3 Helm WM 1967, 310 ff., 930 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 532 ff.; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, WG Art. 11 Rn. 31; BGH v. 28.10.1966 – V ZR 208/63, WM 1966, 1221unter III A. 4 BGH v. 10.11.1986 – II ZR 48/86, WM 1987, 678 = WuB I D 4. – 4.87 Ott.

624 | Büchel

C. Wechselgeschäft | Rz. 3.608 Dritter Teil

schuldners hervorgerufen hat und ihr seine Zahlungsunfähigkeit bei Hereinnahme des Wechsels bekannt war1.

2. Unerledigtes Diskontangebot Stellt der Diskontnehmer nach Einreichung von Wechseln zum Diskont seine Zahlungen ein, so kann die Bank sein Diskontangebot – wenn dies nicht schon vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geschehen ist – auch jetzt noch annehmen2. Dies kann sich als wirtschaftlich sinnvoll erweisen, wenn es darum geht, dem Kunden die notwendige Liquidität beispielsweise für Verarbeitung von Halbfertigfabrikaten oder für Restarbeiten an Bauwerken zu verschaffen. Der Akzeptant kann sich gegenüber der Bank also nicht darauf berufen, sie habe wegen der späteren Insolvenzeröffnung kein Wechselrecht erworben.

3.604

Nimmt die Bank das Angebot des Kunden zum Diskont von Wechseln nicht an, so muss sie die ihr etwa schon ausgehändigten Wechsel zurückgeben3. Sie kann die Wechsel nicht zur Deckung anderer Forderungen gegen den Kunden verwenden.

3.605

V. Akzeptantenwechsel und Scheck-/Wechsel-Verfahren In seiner klassischen Form wird der Wechsel vom Lieferanten ausgestellt und vom Abnehmer akzeptiert, so dass der Lieferant die Möglichkeit erhält, sich im Wege des Diskonts den Gegenwert des Wechsels von der Bank zu beschaffen. Die Praxis hat aber auch andere Einsatzmöglichkeiten für den Wechsel entwickelt, von denen manche schon vom Verfahren her oder im Einzelfall missbräuchlich sein können4. Problematisch für die Kreditinstitute kann dabei aus insolvenzrechtlicher Sicht vor allem der Akzeptantenwechsel bzw. das Scheck-/Wechsel-Verfahren sein.

3.606

1. Akzeptantenwechsel Beim Akzeptantenwechsel lässt sich nicht der Lieferant vom Käufer, sondern umgekehrt der Käufer vom Lieferanten gegen Zahlung des Kaufpreises für die Ware einen Wechsel über den Rechnungsbetrag geben (sog. umgedrehter Wechsel)5. Die zur sofortigen Zahlung des Kaufpreises erforderlichen Mittel verschafft sich der Käufer von seiner Bank, indem er sein Akzept zum Diskont einreicht.

3.607

Nimmt die Bank einen Wechsel vom Akzeptanten herein, so kann sie ihre Ansprüche gegen den Akzeptanten in dessen Insolvenz lediglich als einfache Insolvenzforderung anmelden, wenn sie nicht über Sicherheiten verfügt; die Rechte aus dem Grundgeschäft gehen bei dieser Konstruktion nicht nach Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 25

3.608

1 BGH v. 25.11.1976 – II ZR 3/75, WM 1977, 638. 2 LG Siegen v. 14.11.1969 – 1 P 31/67, WM 1970, 1073. 3 BGH v. 6.5.1968 – II ZR 228/65, WM 1968, 695; BGH v. 17.9.1984 – II ZR 23/84, ZIP 1984, 1322 = WM 1984, 1391; BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, ZIP 1985, 523 = WM 1985, 688; BGH v. 24.2.1986 – II ZR 144/85, WM 1986, 610 = WuB I D 4. – 6.86 Koller. 4 S. W. Obermüller NJW 1958, 655; W. Obermüller, Wechselmissbrauch, 1960; W. Obermüller ZKW 1958, 273. 5 Vgl. dazu Kelz Bank-Betrieb 1964, 259; Hucko BB 1968, 1179; Hucko DB 1969, 1135; W. Obermüller NJW 1958, 655; W. Obermüller, Wechselmissbrauch, 1960, S. 18; Peters in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 40 Rn. 33; sowie OLG Düsseldorf v. 9.10.1980 – 6 U 67/80, ZIP 1980, 970; BGH v. 14.6.1971 – II ZR 109/69, WM 1971, 954.

Büchel | 625

Dritter Teil Rz. 3.608 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Abs. 2 AGB Sparkassen) auf die Bank über. Gegen den Aussteller kann die Bank – auch ohne Protest (Art. 44 Abs. 6 WG) – Rückgriff nehmen.

2. Scheck-/Wechsel-Verfahren 3.609

Das Scheck-/Wechsel-Verfahren hat als Ausgangspunkt den oben dargestellten Akzeptantenwechsel, mit dessen Diskontierung sich der Käufer von der Bank die Deckung für einen Scheck verschafft, den er dem Aussteller des Wechsels, also seinem Lieferanten zur sofortigen Bezahlung der Kaufpreisschuld übergibt. Dieser geht das Risiko der Ausstellerhaftung bewusst ein, um den Kaufpreis schnell zu erhalten.

3.610

Auf die Prüfung der Bonität des Akzeptanten durch die diskontierende Bank darf der Aussteller seine Entscheidung, eine wechselmäßige Haftung einzugehen, nicht stützen. Die Bank nimmt dem Aussteller nicht das Risiko ab, die Bonität des Akzeptanten in eigener Verantwortung zu überprüfen. Wenn sie nämlich die Zahlungsfähigkeit des einreichenden Akzeptanten untersucht, so geschieht dies ausschließlich in ihrem und nicht im Interesse des Ausstellers1. Dieser kann nicht davon ausgehen, die Bank nehme nur Wechsel von unzweifelhaft zahlungsfähigen Akzeptanten herein und seine Unterschrift sei mehr oder weniger eine Gefälligkeit, um die Rediskontierung zu ermöglichen. Vielmehr kann die Bank, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden wäre, bei ihrer Entscheidung über den Wechseldiskont die Haftung des Ausstellers in Rechnung stellen.

3.611

In der Insolvenz des Akzeptanten kann die Bank bei dem Aussteller Rückgriff nehmen2. Ausnahmsweise kann der Aussteller der Rückgriffsforderung der Bank mit einem Schadensersatzanspruch begegnen, nämlich dann, wenn sie beim Erwerb des Wechsels mit der Möglichkeit einer Schädigung des ausstellenden Lieferanten rechnete und dies billigend in Kauf genommen hat3. Zwar unterliegt das Scheck/Wechsel-Verfahren keinen Bedenken aus dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit4. Jedoch kann eine Haftung aus § 826 BGB ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die Bank wegen der desolaten Finanzlage des Kunden hätte wissen oder es sich ihr hätte aufdrängen müssen, dass der Akzeptant mit ziemlicher Sicherheit bei Verfall nicht zahlen könne und sie deshalb Rückgriff gegen den Aussteller werde nehmen müssen5.

3.612

So hat beispielsweise eine Sparkasse einer Kundin einen von dieser akzeptierten Wechsel diskontiert und bei Verfall den Aussteller in Anspruch genommen, da die Kundin zu diesem Zeitpunkt bereits insolvent war. Der Aussteller verweigerte die Zahlung mit der Begründung, die Sparkasse habe ihrer Kundin in einem Zeitpunkt, als deren finanzielle Situation aussichtslos und ihre Kontokorrentkreditlinie ausgeschöpft gewesen sei, die Wechselkreditlinie wesentlich erhöht und die Kundin veranlasst, das Wechsel-/Scheck-Verfahren zu wählen, um die Zahlungen aus dem Weiterverkauf der gelieferten Waren zur Reduzierung ihrer Kredite verwenden zu können und das Risiko der Insolvenz ihrer Kun1 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 39/83, ZIP 1984, 37 = WM 1983, 1406. 2 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 17 WG Rn. 57; OLG Hamm v. 13.5.1986 – 7 U 13/86, WM 1987, 66; LG Stuttgart v. 9.3.1987 – 5 KfH O 10/87, WM 1987, 869; BGH v. 14.11.1983 – II ZR 39/83, ZIP 1984, 37 = NJW 1984, 728. 3 BGH v. 30.11.1978 – II ZR 69/78, WM 1979, 272; s. dazu BGH v. 14.11.1983 – II ZR 39/83, ZIP 1984, 37 = WM 1983, 1406; OLG Hamm v. 13.5.1986 – 7 U 13/86, NJW 1986, 2837; OLG Hamm v. 9.12.1994 – 7 U 97/94, WM 1995, 1618 und unten Rn. 5.88 ff. 4 OLG Düsseldorf v. 9.10.1980 – 6 U 67/80, ZIP 1980, 970; Peters in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, 6. Aufl. 2022, § 40 Rn. 35 m.w.N. 5 OLG Hamm v. 9.12.1994 – 7 U 97/94, WM 1995, 1618.

626 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.651 Dritter Teil din auf deren Lieferanten zu verlagern. Das Gericht1 hielt diese Begründung zwar für schlüssig, da aber der Aussteller diese Behauptungen nicht beweisen konnte, wurde er zur Zahlung verurteilt.

frei

3.613–3.649

D. Lastschriftverkehr Im Lastschriftverfahren kann der Gläubiger durch Vermittlung seines Kreditinstituts von seinem Schuldner bei demselben oder einem anderen Kreditinstitut (Zahlstelle) den geschuldeten Betrag einziehen und zwar aufgrund einer vor dem Zahlungsvorgang dem Zahlungsempfänger von dem Zahlungspflichtigen erteilten Ermächtigung zur Einziehung und eines der Zahlstelle von dem Zahlungspflichtigen zugunsten des Empfängers erteilten Auftrags (SEPAFirmenlastschriftverfahren und SEPA-Basislastschriftverfahren2).

3.650

I. Abwicklung des Lastschriftverfahrens im Allgemeinen Das Lastschriftverfahren wurde ursprünglich nur nach dem von den Spitzenverbänden des Deutschen Kreditgewerbes vereinbarten Abkommen abgewickelt, das in seiner ursprünglichen Form am 1.1.1964 in Kraft getreten ist und dem fast alle Kreditinstitute beigetreten sind. Inzwischen ist es durch Vorgaben des europäischen Gesetzgebers abgelöst worden: – Das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren durfte danach seit dem 1.2.2014 nur noch für Zahlungen genutzt werden, die an einer Verkaufsstelle mit Hilfe einer Zahlungskarte generiert werden (Elektronisches Lastschriftverfahren). Seit dem 1.3.2016 ist das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren insgesamt nicht mehr zulässig3. – Sonstige Einzugsermächtigungslastschriften und Abbuchungsauftragslastschriften können seit dem 1.2.2014 nicht mehr verwendet werden. Es besteht seitdem nur noch die Möglichkeit, entweder das SEPA-Basislastschriftverfahren oder das SEPA-Firmenlastschriftverfahren zu nutzen. Bestehende Einzugsermächtigungen konnten bereits seit dem 9.7.2012 als SEPA-Basislastschriftmandat genutzt werden4. – Stattdessen ist das SEPA-Lastschriftverfahren5, ein vom European Payments Council (EPC) geschaffenes Interbankenregelwerk, das Regeln, Praktiken und Standards für den vollautomatisierten Einzug von Lastschriften in Euro innerhalb des Gebiets des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums, der Single Euro Payments Area (SEPA) festlegt, anzuwenden6.

1 OLG Hamm v. 9.12.1994 – 7 U 97/94, WM 1995, 1618. 2 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b) und c). 3 Art. 6 der Verordnung (EU) 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.3.2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 und § 7c ZAG. 4 S. Nr. 2.2.2 Satz 3 der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren. 5 Vgl. auch Hartmann, Rechtliche Aspekte des neuen SEPA-Lastschriftverfahrens, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bankrechtstag 2009, 61. 6 Überblick s. Hadding ZBB 2012, 149; Hadding FS Hüffer, 2009, 273; Walter DB 2013, 385.

Büchel | 627

3.651

Dritter Teil Rz. 3.652 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.652

Ebenso wie das Lastschriftabkommen, das Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten1 begründete, werden im SEPA-Lastschriftverfahren im Lastschrift-Rulebook, das durch Unterzeichnung der Beitrittserklärung (sog. Adherence Agreement) als multilaterale vertragliche Vereinbarung zwischen dem EPC und jedem Teilnehmer sowie zwischen den Teilnehmern untereinander verbindlich wird, nur die Rechte und Pflichten der Verfahrensteilnehmer im Interbankenverhältnis geregelt2.

3.653

Die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Zahlungspflichtigen und dessen Bank sind je nach Verfahrensart in den – Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren3 – Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Firmenlastschriftverfahren4 geregelt und richten sich im Übrigen nach dem Zahlungsdiensterahmenvertrag (§ 675f Abs. 2 BGB)5, womit heute der klassische Girovertrag bezeichnet wird.

3.654

Die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Zahlungsempfänger und dessen Bank richten sich ebenfalls nach dem Girovertrag6, der durch die Vereinbarung über den Einzug von Forderungen mittels Lastschriften7 über das Konto konkretisiert und ergänzt wird.

1. Ehemaliges Einzugsermächtigungsverfahren 3.655

Zum besseren Verständnis des aktuellen SEPA-Lastschriftverfahrens soll an dieser Stelle kurz auf das abgelöste Einzugsermächtigungsverfahren eingegangen werden. Die vom 9.7.2012 bis 29.2.2016 geltenden Bedingungen für das Einzugsermächtigungsverfahren waren in den insolvenzrechtlich bedeutsamen Passagen dabei schon weitgehend identisch mit den Bedingungen für das SEPA-Basislastschriftverfahren.

3.656

Vor Einführung der vorstehenden Bedingungen für das Einzugsermächtigungsverfahren erteilte der Zahlungspflichtige nur seinem Gläubiger die Ermächtigung, bestimmte Zahlungen zu Lasten seines Kontos einzuziehen. Die Zahlstelle handelte nur aufgrund einer Weisung, die die Gläubigerbank im eigenen Namen aufgrund des zwischen den Banken bestehenden Giroverhältnisses erteilte8. Es fehlte eine Weisung des Zahlungspflichtigen an seine Bank zur Ein-

1 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042; BGH v. 22.6.1979 – V ZR 25/77, WM 1979, 1196; Abschnitt IV Nr. 1 des Abkommens. 2 Hadding FS Hüffer, 2009, 273. 3 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b). 4 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. c). 5 Hadding WM 2006, 1549; Werner BKR 2010, 9; BGH v. 22.6.1979 – V ZR 25/77, WM 1979, 1196. 6 Hadding WM 2006, 1549; BGH v. 22.6.1979 – V ZR 25/77, WM 1979, 1196. 7 Abgedr. bei Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/408a. 8 BGH v. 31.3.1977 – III ZR 164/74, WM 1977, 828; BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/84, ZIP 1985, 919 = WM 1985, 905 = WuB I D 2. – 6.85 Hadding/Häuser; Hadding WM 1978, 1368; BGH v. 11.4.2006 – XI ZR 220/05, ZIP 2006, 1041 = WM 2006, 1001.

628 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.657 Dritter Teil

lösung der Lastschrift, so dass die Kontobelastung im Verhältnis zum Zahlungspflichtigen zunächst unberechtigt war und seiner Genehmigung bedurfte1 (sog. Genehmigungstheorie)2. Diese Genehmigung konnte der Zahlungspflichtige ausdrücklich oder konkludent erteilen, üblich und nach § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB zulässig3 war die fingierte Genehmigung. Letztere galt nach den früheren Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren spätestens dann als erteilt, wenn der Kunde der Lastschriftbelastung nicht vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses4 für die entsprechende Kontokorrentperiode widersprochen hat. Diese Ausgangslage führte in der Insolvenz des Zahlungspflichtigen zu zahlreichen Auseinandersetzungen5 über die Frage, – was als konkludente Genehmigung anzusehen ist6, – ob eine Genehmigung fingiert werden kann, wenn ein vorläufiger Verwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsverbot7, ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt8, ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Prüfungsaufgaben oder der endgültige Ver-

1 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042; BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689; BGH v. 31.3.1977 – III ZR 164/74, WM 1979, 828; BGH v. 18.6.1979 – II ZR 84/78, WM 1979, 830; BGH v. 18.6.1979 – II ZR 160/78, WM 1979, 831; BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/84, WM 1985, 905; BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, WM 1987, 895; BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/ 88, WM 1989, 520; BGH v. 11.4.2006 – XI ZR 220/05, WM 2006, 1001; Fischer ZIP 2004, 1679. 2 S. Hadding FS Hüffer, 2009, 273; Kuder, Die Zahlstelle in der Insolvenz des Lastschriftschuldners im Einzugsermächtigungsverfahren, 2006, B II 1e S. 31 m.w.N.; BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538. 3 Laitenberger NJW 2010, 192; Werner BKR 2010, 9. 4 Zu den Anforderungen an einen Rechnungsabschluss bei der Genehmigungsfiktion für Lastschriftbuchungen s. BGH v. 8.11.2011 – XI ZR 158/10, ZIP 2011, 2455; OLG Düsseldorf v. 26.4.2012 – I-14 U 99/11, ZInsO 2012, 1567. 5 Überblick s. Hadding ZBB 2012, 149. 6 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZInsO 2010, 1538 Rn. 48; BGH v. 26.10.2010 – XI ZR 562/07, ZInsO 2010, 2393; BGH v. 25.1.2011 – XI ZR 171/09, ZInsO 2011, 576; BGH v. 26.7.2011 – XI ZR 36/10, ZInsO 2011, 1740; BGH v. 27.9.2011 – XI ZR 215/10, ZInsO 2011, 1980; BGH v. 25.10.2011 – XI ZR 368/09, ZInsO 2011, 2328; BGH v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZInsO 2012, 931; BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 87/09, ZInsO 2012, 128; KG Berlin v. 2.12.2008 – 13 U 8/08, ZIP 2009, 279; OLG Frankfurt v. 6.3.2013 – 17 U 7/12, ZAP 2013, 754; OLG Koblenz v. 26.11.2009 – 2 U 1497/ 08, NZI 2010, 18 mit Kritik von Tetzlaff ZInsO 2010, 161; LG München I v. 11.9.2012 – 28 O 30145/11, WM 2013, 70; zurückhaltend OLG Düsseldorf v. 23.4.2009 – I-6 U 65/08, ZInsO 2009, 1956; für den regelmäßigen Einzug von Steuerforderungen s. FG Münster v. 7.9.2011 – 11 V 2576/ 11 AO, ZIP 2011, 2212; zur Berücksichtigung konkludenter Genehmigungen in automatisierten Verfahren s. OLG Frankfurt v. 6.3.2019 – 3 U 145/18, ZInsO 2019, 1944. 7 Für die Wirksamkeit dieser Genehmigung: BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, ZInsO 2008, 1076; a.A. OLG München v. 13.1.2009 – 5 U 2379/08, ZIP 2009, 231, das die öffentliche Bekanntmachung der Einsetzung eines vorläufigen oder endgültigen Verwalters als Zerstörung der Genehmigungsfiktion ansieht. 8 Für die Wirksamkeit dieser Genehmigung: BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, ZInsO 2008, 1076; BGH v. 27.9.2011 – XI ZR 215/10, ZInsO 2011, 1980; ebenso OLG Stuttgart v. 30.9.2009 – 3 U 113/09, ZIP 2009, 2102; LG Bonn v. 7.11.2008 – 2 O 216/08, WM 2009, 1280; Kirchhof WM 2009, 337; a.A. Fischer WM 2009, 629.

Büchel | 629

3.657

Dritter Teil Rz. 3.657 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

walter die Sechswochenfrist nach Zugang des Rechnungsabschlusses ohne Widerspruch verstreichen lässt1, und – ob der Insolvenzverwalter grundsätzlich auch ohne die sog. anerkennenswerten Gründe einer vom Zahlungspflichtigen noch nicht genehmigten Lastschriftbelastung widersprechen darf2.

3.658

Dadurch konnte es geschehen, dass der Zahlungspflichtige erst nach Ablauf der damaligen sechswöchigen Rückgabefrist im Interbankenverkehr wirksam widersprechen konnte und der Rückgriff der Zahlstelle auf die erste Inkassostelle und der Rückgriff der ersten Inkassostelle auf den Zahlungsempfängers ausgeschlossen war. Auch haben vorläufige Verwalter oft pauschal allen Lastschriften die Genehmigung verweigert mit der Folge, dass die Bank fehlerhaft auch die Belastungen in solchen Fällen zurückgebucht hat, in denen die Genehmigung vom Schuldner bereits wirksam erteilt war3. Diese Probleme hatten sich mit der Angleichung der Bedingungen für das Einzugsermächtigungsverfahren an das SEPA-Basislastschriftverfahren erledigt, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden.

3.659

frei

2. SEPA-Lastschriftverfahren 3.660

Im SEPA-Lastschriftverfahren ist Grundlage des Lastschrifteinzugs eine erweiterte Einzugsermächtigung, die der Zahlungspflichtige dem Zahlungsempfänger erteilt und die auch als SEPA-Lastschriftmandat bezeichnet wird. Inhalt des Mandats ist eine Doppelermächtigung4 durch zwei Willenserklärungen des Zahlungspflichtigen, die an unterschiedliche Adressaten gerichtet sind: – Zum einen wird der Zahlungsempfänger ermächtigt, unter Benutzung des SEPA-Lastschriftverfahrens Lastschriften zu Lasten des Kontos des Zahlungspflichtigen beim Kreditinstitut des Zahlungspflichtigen einzuziehen.

1 Für die Wirksamkeit dieser Genehmigung: BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, ZIP 2007, 2273; OLG München v. 26.10.2006 – 19 U 2327/06, ZInsO 2006, 1279; Knees/Fischer ZInsO 2004, 5. 2 Bejahend BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, ZInsO 2004, 1353; BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 82/03, ZInsO 2005, 40; BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 28/04, EWiR 2005, 227 (Leitsatz); BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, ZInsO 2007, 1216; BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZInsO 2010, 1534; Rattunde/ Berner, DZWIR 2003, 185; s. auch in Reaktion auf BGH v. 4.11.2004 Böhm, BKR 2005, 366; d’Avoine, ZInsO 2006, 225; d’Avoine, ZIP 2006, 1433; Dahl, NZI 2005, 102; Feuerborn, ZIP 2005, 604; Flitsch, BB 2005, 17; Gantenberg, EWiR 2005, 227; Ganter, WM 2005, 1557; Gundlach, EWiR 2005, 121; Hadding, WM 2005, 1549; Hadding, WuB I D 2 Lastschriftverkehr 2.06; Hucklenbruch, FLF 2005, 78; Ringstmeier, BGHReport 2005, 270 f.; Ringstmeier/Homann, NZI 2005, 492; Schröder, ZInsO 2006, 1; Skrotzki, KTS 1974, 136; Spliedt, ZIP 2005, 1260; Streit, EWiR 2005, 123; Stritz, DZWIR 2005, 18; Welsch, DZWIR 2006, 221; Welsch, DZWIR 2006, 386; anders noch BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, NJW 2008, 3348; ebenso AG Hannover v. 6.11.2009 – 568 C 9396/09, ZInsO 2009, 2301; Bork ZIP 2004, 2446; Hadding WM 2005, 1549; Hadding WuB I D 2 Lastschriftverkehr 2.06; Jungmann NZI 2005, 84; Jungmann WuB I D 2. Lastschriftverkehr 1.05, ZBB 2008, 409; Knees/Kröger ZInsO 2006, 393; Nobbe/Ellenberger WM 2006, 1885; Peschke ZInsO 2006, 470; Meder NJW 2005, 637; Burghardt WM 2006, 1892. 3 Zu den Rechtsfolgen s. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 258/12, ZIP 2015, 434 = ZInsO 2015, 393 Rn. 14. 4 Nobbe ZIP 2012, 1937.

630 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.664 Dritter Teil

– Zum anderen wird das Kreditinstitut des Zahlungspflichtigen angewiesen, eingehende Lastschriften des betreffenden Zahlungsempfängers zu Lasten des Kontos des Zahlungspflichtigen einzulösen1. Diese girovertragliche Weisung (§ 675 Abs. 1, § 665 BGB) erteilt der Zahlungspflichtige nicht unmittelbar an seine Bank. Sie wird vielmehr in elektronischer Form vom Zahlungsempfänger und dessen Bank an die Zahlstelle übermittelt2. Diese Weisung ist die Grundlage dafür, dass die Zahlstelle die Einlösung einer entsprechenden SEPA-Lastschrift berechtigterweise vornimmt3. Wie beim früheren Abbuchungsauftragsverfahren erlangt die Bank des Schuldners damit bereits mit Einlösung4 der SEPA-Lastschrift einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB.

3.661

Das SEPA-Lastschriftverfahren kennt zwei Ausgestaltungen, die SEPA-Firmenlastschrift und die SEPA-Basislastschrift, die sich u.a. hinsichtlich der Möglichkeiten des Zahlungspflichtigen, eine Lastschrift rückgängig zu machen, unterscheiden:

3.662

– Im SEPA-Firmenlastschriftverfahren, zu dem nur Unternehmen und keine Verbraucher zugelassen werden5, kann der Zahlungspflichtige eine ordnungsgemäß eingelöste Lastschrift nicht wieder rückgängig machen (§ 675e Abs. 4 BGB i.V.m. Nr. 2.5 Bedingungen für SEPA-Firmenlastschriftverfahren). – Im SEPA-Basislastschriftverfahren kann der Zahlungspflichtige binnen einer Frist von acht Wochen ab Belastungsbuchung die Rückerstattung des belasteten Betrages verlangen (§ 675x Abs. 2 BGB i.V.m. Nr. 2.5 Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren6). In beiden Verfahren kann der Kunde Rückerstattung einer SEPA-Lastschriftbelastung, die nicht vom SEPA-Mandat autorisiert war, von seiner Bank bis zum Ablauf von dreizehn Monaten nach Erhalt der Information über diese Belastungsbuchung fordern (Nr. 2.6.5 Abs. 2 Bedingungen für SEPA-Basislastschriften, Nr. 2.6.3 Abs. 2 Bedingungen SEPA-Firmenlastschriftverfahren7).

3.663

Ein wesentlicher Fortschritt des SEPA-Basislastschriftverfahrens im Vergleich zur früheren Ausgestaltung des Einzugsermächtigungsverfahrens liegt in der Abstimmung der Fristen im Interbankenverhältnis und im Verhältnis zwischen Lastschriftschuldner und Zahlstelle. Solan-

3.664

1 Nr. 2.2.1 Satz 4 der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren; Nr. 2.2.1 Satz 4 der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Firmenlastschriftverfahren; Hadding FS Hüffer, 2010, 273. 2 Nr. 2.3 der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren; Nr. 2.3 der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Firmenlastschriftverfahren. 3 Osterloh ZInsO 2016, 733, 734. 4 S. Nr. 9 Abs. 2 Satz 2 AGB Banken i.V.m. Nr. 2.4.2 der Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren und SEPA-Firmenlastschriften, abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b) und c). 5 S. Einleitung Bedingungen für SEPA-Firmenlastschriftverfahren. 6 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b) und c); Ellenberger in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, 6. Aufl. 2022, Anh. 2 zu § 37. 7 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b) und c); zur Erfüllungswirkung des Lastschrifteinzugs im Verhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner s. Hadding WM 2014, 97.

Büchel | 631

Dritter Teil Rz. 3.664 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

ge der Schuldner die Rückerstattung von Lastschriftbelastungen verlangen kann, kann auch die Zahlstelle ihrerseits die Rückerstattung von der Gläubigerbank einfordern1.

II. Insolvenz des Zahlungspflichtigen 3.665

Bei der Insolvenz des Zahlungspflichtigen ist für die Beurteilung der Rechte und Pflichten der Bank zu unterscheiden, in welchem Stadium der Insolvenz der Zahlungspflichtige sich bei der Einlösung der Lastschrift2 befindet.

1. Einlösung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag 3.666

Bis zur Insolvenzeröffnung kann der zahlungspflichtige Bankkunde, sofern kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen ist (§§ 21, 24 InsO), noch unbeschränkt über sein Vermögen verfügen. Daher bestehen SEPA-Lastschriftmandate, die der Kunde erteilt hat, trotz dessen wirtschaftlicher Schwierigkeiten unverändert fort. Demgemäß kann die Bank Lastschriften zu Lasten des Kontos des Zahlungspflichtigen grundsätzlich bis zur Verfahrenseröffnung einlösen. Ebenso kann der Kunde auch jetzt noch neue Mandate erteilen. Löst die Bank daraufhin Lastschriften ein, so ist sie berechtigt, ihren Aufwendungsersatzanspruch in das Kontokorrent einzustellen. In Höhe dieses Aufwendungsersatzanspruches ermäßigt sich ein etwaiger Guthabensaldo; ein debitorischer Saldo erhöht sich entsprechend.

3.667

Ohne Einfluss auf den Aufwendungsersatzanspruch der Zahlstelle ist das Recht des Schuldners bei einer SEPA-Basislastschrift, gemäß § 675x Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 BGB i.V.m. Nr. 2.5 Bedingungen für SEPA-Basislastschriften binnen acht Wochen nach der Belastungsbuchung von seiner Bank Erstattung des Lastschriftbetrags verlangen zu können3. Dieser Erstattungsanspruch ist unabhängig davon, ob es sich um einen berechtigten oder unberechtigten Lastschrifteinzug im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger handelt. Er entfällt aber schon vor Ablauf dieser Frist, wenn der Schuldner die Lastschrift ausdrücklich oder konkludent genehmigt4.

3.668

In der Insolvenz des Zahlungspflichtigen stellt sich die Frage, wer den Erstattungsanspruch mit welchen Folgen geltend machen kann. a) Erhebung des Erstattungsanspruchs durch Verwalter

3.669

Der Erstattungsanspruch des Kunden bei einem SEPA-Basislastschrifteinzug fällt nach Ansicht des BGH nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht in die Insolvenzmasse, so dass der Insolvenzverwalter insoweit keine Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO erlangt. Demzufolge könne auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verfügungsverbot keine ent-

1 S. Kapitel 4.4 und 4.3.4 SEPA Core Direct Debit Scheme Rulebook (abrufbar unter www.europeanpaymentscouncil.eu). 2 Wegen des Zeitpunkts der Einlösung vgl. BGH v. 7.5.1979 – II ZR 210/78, WM 1979, 996; BGH v. 2.2.1970 – II ZR 80/69, NJW 1970, 898. 3 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 20; zu den Problemen einer dogmatischen Einordnung des Erstattungsanspruchs s. Schnauder WM 2014, 1701; Einsele WM 2015, 1125. 4 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538; OLG Frankfurt v. 6.3.2019 – 3 U 145/18, ZInsO 2019, 1944.

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D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.672 Dritter Teil

sprechende Befugnis für sich herleiten1 (daraus ergibt sich, dass das Insolvenzgericht den vorläufigen Verwalter auch nicht ermächtigen kann, den Erstattungsanspruch geltend zu machen2). Der BGH wendet hierfür den Rechtsgedanken von § 377 Abs. 1 BGB an, wonach das Recht des Schuldners, eine zur Schuldbefreiung hinterlegte Sache zurückzunehmen, unpfändbar ist und demzufolge auch nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO)3. Bei einer mittels SEPA-Lastschrift bewirkten Zahlung sei dies ähnlich. Mit Erteilung des Zahlungsauftrags an seine Bank habe der Schuldner gleichermaßen die endgültige Befriedigung des Gläubigers begonnen. In diesen Zahlungsvorgang darf der Insolvenzverwalter nach Einlösung der Lastschrift nicht mehr eingreifen, da zu diesem Zeitpunkt die Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Gläubiger im Valutaverhältnis auflösend bedingt erfüllt wurde4. Damit sei der Auftrag eines vorläufigen Insolvenzverwalters, die ungleichmäßige Befriedigung der Gläubiger zu verhindern, von vornherein nicht tangiert5. Auf die Unterscheidung, ob das Gericht als vorläufige Sicherungsmaßnahme einen vorläufigen Insolvenzverwalter ausgestattet mit Prüfungsaufgaben, einem Zustimmungsvorbehalt oder einem Verfügungsverbot eingesetzt hat, kommt es demzufolge nicht an. Weder der vorläufige noch der endgültige Insolvenzverwalter dürfen den Erstattungsanspruch nach Nr. 2.5 Abs. 1 Bedingungen für SEPA-Basislastschrift geltend machen. Eine Belastung des SEPA-Basislastschriftverfahrens mit unbedachten insolvenzrechtlichen Konsequenzen6 ist damit wohl abgewendet7.

3.670

b) Erhebung des Erstattungsanspruchs durch den Kunden Somit ist auch nach Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nur der Schuldner selbst berechtigt, Erstattung des Lastschriftbetrages zu verlangen. Ob er die Erstattung des Lastschriftbetrages verlangen will, ist primär seiner Entscheidung überlassen. Der Insolvenzverwalter kann ihn dazu nicht zwingen, auch wenn den Schuldner eine Unterstützungspflicht treffen kann (dazu Rn. 3.679). Auch im Restschuldbefreiungsverfahren gehört die Erhebung des Erstattungsanspruchs nicht zu den Obliegenheiten des Schuldners. Er kann den Insolvenzverwalter darauf verweisen, sich unmittelbar mit dem Lastschriftgläubiger auseinanderzusetzen.

3.671

aa) Erhebung eines berechtigten Erstattungsanspruchs Dass der Erstattungsanspruch vertraglich an keinerlei Voraussetzungen geknüpft ist und auch das Gesetz dieses in § 675x Abs. 2 BGB grundsätzlich zulässt, bedeutet nur, dass die Bank den Rückruf zu beachten hat, aber nicht, dass der Zahlungspflichtige dieses Recht willkürlich ausüben dürfte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung zum Einzugsermächti-

1 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 29. 2 A.A. AG Wolfratshausen v. 29.4.2014 – 2 IN 136/14, n.v. 3 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 30; Bitter WM 2010, 1725. 4 So auch schon für das Einzugsermächtigungsverfahren Bork FS Gerhardt, 2004, 69; Bork ZIP 2004, 2446; Kuder, Die Zahlstelle in der Insolvenz des Lastschriftschuldners im Einzugsermächtigungsverfahren, 2006, C II 2b aa; zur auflösend bedingten Erfüllung im Scheckverkehr BGH v. 26.1.1987 – II ZR 121/86, ZIP 1987, 437. 5 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZInsO 2010, 1538 Rn. 31; Nobbe ZIP 2012, 1937. 6 So zuletzt BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZIP 2010, 1552 = ZInsO 2010, 1534. 7 S. noch zuvor Obermüller/Kuder ZIP 2010, 349.

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3.672

Dritter Teil Rz. 3.672 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

gungsverfahren1 auch hier Anwendung findet und der Zahlungspflichtige seinen Erstattungsanspruch nur geltend machen darf, wenn er entweder überhaupt keine Lastschriftermächtigung erteilt oder den Gläubiger zwar generell ermächtigt hat, aber den im Einzelfall zum Einzug gegebenen Lastschriftbetrag nicht schuldet2, oder wenn er sonstige anerkennenswerte Gründe hat, die ihn in diesem Zeitpunkt davon abgehalten haben würden, den entsprechenden Geldbetrag bar oder durch Banküberweisung zu bezahlen3. Solche „anerkennenswerte Gründe“ sind grundsätzlich gegeben, wenn der Anspruch des Gläubigers entweder nicht besteht oder zwar an sich begründet ist, der Schuldner aber in dem Zeitpunkt, in dem ihm der Kontoauszug mit der Belastungsanzeige zugeht, Leistungsverweigerungs-, Zurückbehaltungsoder auch Aufrechnungsrechte gelten machen will4. bb) Erhebung eines unberechtigten Erstattungsanspruchs

3.673

Ein Erstattungsverlangen unter Verstoß gegen diese Grundsätze wäre rechtsmissbräuchlich und begründet eine Schadensersatzpflicht des Schuldners gegenüber dem Gläubiger oder der Gläubigerbank5, die – wenn die Forderung auf Erstattung nach Verfahrenseröffnung geltend gemacht wird – nur eine Neuforderung und keine Insolvenzforderung darstellt. Denn schadenstiftendes Ereignis ist die Forderung nach Erstattung und nicht die Rückbelastung der Gläubigerbank. Dagegen kann der Gläubiger gegen den vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalter selbst dann keinen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn diese den Schuldner bewegt haben, seinen Erstattungsanspruch zu erheben. Denn deren Handeln betrachtet die Rechtsprechung nicht als rechtsmissbräuchlich, weil es der Insolvenzmasse nützt6.

1 Zur Auswirkung einer Abtretung der einzuziehenden Forderung auf die Lastschriftermächtigung s. Haertlein/Thümmler WM 2008, 2137. 2 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 690; BGH v. 18.6.1979 – II ZR 160/78, WM 1979, 832; BGH v. 27.11.1984 – II ZR 294/83, ZIP 1985, 343 = WM 1985, 82 = WuB I D 2. – 1.85 Hadding/Häuser; Hegel Die Bank 1982, 74; Rottnauer WM 1995, 272; Hadding WM 2005, 1549; etwas unklar BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 33 a.E.; s. auch Bitter WM 2010, 1725; s. auch zum Missbrauch des Lastschriftverfahrens BGH v. 21.4.2009 – VI ZR 304/07, ZIP 2009, 1151 = NJW-RR 2009, 1207. 3 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 690; BGH v. 18.6.1979 – II ZR 160/78, WM 1979, 832; BGH v. 27.11.1984 – II ZR 294/83, ZIP 1985, 343 = WM 1985, 82 = WuB I D 2. – 1.85 Hadding/Häuser; Hegel Die Bank 1982, 74; Rottnauer WM 1995, 272. 4 BGH v. 18.6.1979 – II ZR 160/78, WM 1979, 832; BGH v. 27.11.1984 – II ZR 294/83, ZIP 1985, 343 = WM 1985, 82; BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, ZIP 1987, 900 = WM 1987, 895; OLG Oldenburg v. 6.3.1986 – 1 U 164/85, WM 1986, 1277; Buck KTS 1980, 97; Bauer WM 1981, 1186 (1198); Canaris WM 1980, 354 (363). 5 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689; BGH v. 21.4.2009 – VI ZR 304/07, NJW-RR 2009, 1207; Hadding WM 2005, 1549; Nobbe ZIP 2012, 1937; dagegen billigt OLG Köln v. 26.10.2009 – 13 U 132/09, WM 2010, 652 Schadensersatz nur bei Kenntnis der bevorstehenden Insolvenz des Gläubigers zu. 6 BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, ZInsO 2004, 1353; BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 82/03, ZInsO 2005, 40; BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 28/04, EWiR 2005, 227 (Leitsatz); BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/ 06, ZInsO 2007, 1216; BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZInsO 2010, 1534; BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZInsO 2010, 1538; im Ergebnis ebenso LG Berlin v. 27.1.2004 – 19 O 398/03, DZWIR 2004, 255; AG Hamburg v. 2.12.2008 – 68c IK 625/08, NZI 2009, 117; OLG Düsseldorf v. 23.4.2009 – I-6 U 65/08, ZIP 2009, 980; OLG Hamburg v. 21.7.2009 – 9 U 58/09, ZInsO 2009, 1763; LG Köln v. 27.1.2009 – 5 O 283/08, ZIP 2009, 927; ebenso Rattunde/Berner DZWIR 2003, 185; d’Avoine ZInsO 2006, 225; d’Avoine ZIP 2006, 1433; Dahl NZI 2005, 102; Feuerborn ZIP 2005, 604; Flitsch BB 2005, 17; Gantenberg EWiR 2005, 227; Ganter WM 2005, 1557; Gundlach

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D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.677 Dritter Teil

Ebenso wenig dürfte der Gläubiger einen Schadensersatzanspruch erwerben, wenn der Schuldner im beantragten oder eröffneten Eigenverwaltungsverfahren den Erstattungsanspruch geltend macht. Denn hier steht die Rolle des Schuldners als Verwalter im Vordergrund. Demgegenüber wird die Zahlstelle, die einen Erstattungsanspruch ihres Kunden erfüllen und ihm eine entsprechende Gutschrift erteilen muss, grundsätzlich nicht geschädigt, da sie die Lastschrift an die Gläubigerbank zurückgeben und deren Konto belasten kann. Anders als im früheren Einzugsermächtigungsverfahren ist die Frist zur Rückgabe der Lastschrift bei Erstattungsansprüchen identisch mit der Achtwochenfrist, die dem Zahlungspflichtigen zur Verfügung steht.

3.674

cc) Anstiftung zu einem unberechtigten Erstattungsanspruch Eine Bank sollte ihren Kunden, um auf diese Weise seinen Debetsaldo zu ermäßigen, nicht dazu bewegen, einen Erstattungsanspruch geltend zu machen, wenn der Kunde sich in seinem Verhältnis zu dem Gläubiger der Lastschrift nicht auf anerkennenswerte Gründe stützen kann. Ein solches Verhalten wird der Bank nur selten nutzen, in der Regel aber schaden.

3.675

Nützlich wäre eine Erstattung nur dann, wenn dadurch der Debetsaldo des Kunden insolvenzfest reduziert werden könnte. Das ist jedoch nur dann möglich, wenn es nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden kommt. Anderenfalls unterliegt die Verrechnung nicht nur der Anfechtung als inkongruente Deckung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO, sondern auch der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO.

3.676

Nachteilig und höchst gefährlich für die Zahlstelle ist eine solche Erstattung, wenn dadurch der Gläubiger der Lastschrift oder dessen Bank einen Ausfall erleiden, weil der Gläubiger, dem durch die Erstattung der zunächst gutgeschriebene Betrag wieder entzogen wird, seine Forderung nur als Insolvenzforderung geltend machen kann. Denn eine Bank, die den Kunden im Zeitpunkt seiner Zahlungsunfähigkeit veranlasst, zu ihren Gunsten seine Gläubiger durch Widerspruch gegen sachlich gerechtfertigte Belastungen zu benachteiligen, handelt sittenwidrig und macht sich dementsprechend nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig1.

3.677

So wurde beispielsweise eine Bank zum Schadensersatz verurteilt, der zwar nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie ihren Kunden beeinflusst hatte, den Lastschriften zu widersprechen, die aber unstreitig gemeinsam mit dem Kunden die Lastschriften der letzten sechs Wochen zusammen gestellt EWiR 2005, 121; Ringstmeier BGHReport 2005, 270 f.; Ringstmeier/Homann NZI 2005, 492; Schröder ZInsO 2006, 1; Skrotzki KTS 1974, 136; Spliedt ZIP 2005, 1260; Streit EWiR 2005, 123; Stritz DZWIR 2005, 18; Welsch DZWIR 2006, 221; Welsch DZWIR 2006, 386; Ries ZInsO 2009, 889; Fischer WM 2009, 629; Berger NJW 2009, 473; zur Haftung des Insolvenzverwalters nach §§ 69, 34, 35 AO s. FG Münster v. 7.11.2011 – 11 B 2705/11 AO, ZInsO 2012, 343; Bäumer ZInsO 2011, 1857; Weßeler/Schneider ZInsO 2012, 301; anders noch BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, NJW 2008, 3348; ebenso AG Hannover v. 6.11.2009 – 568 C 9396/09, ZInsO 2009, 2301; Bork ZIP 2004, 2446; Hadding WM 2005, 1549; Hadding WuB I D 2 Lastschriftverkehr 2.06; Jungmann NZI 2005, 84; Jungmann WuB I D 2. Lastschriftverkehr 1.05, ZBB 2008, 409; Knees/Kröger ZInsO 2006, 393; Nobbe/Ellenberger WM 2006, 1885; Peschke ZInsO 2006, 470; Meder NJW 2005, 637; Burghardt WM 2006, 1892. 1 BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/84, ZIP 1985, 919 = WM 1985, 905; BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/ 86, ZIP 1987, 900 = WM 1987, 895; BGH v. 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412 = WM 2001, 1458; OLG Düsseldorf v. 2.8.1976 – 6 U 305/75, WM 1976, 937; OLG Naumburg v. 27.6.2002 – 2 U 157/01, WM 2003, 433; Hegel Die Bank 1982, 74; van Gelder WM 2000, 101.

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Dritter Teil Rz. 3.677 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz und den schriftlichen Widerspruch formuliert hat1. Auch soll es schon ausreichen, wenn die Bank mit dem Lastschuldner die „Möglichkeit“ eines Widerspruchs „wohlwollend erörtert“ und die für sie günstige Entscheidung des Schuldners zügig umsetzt2.

3.678

Pauschale Erstattungsforderungen des Zahlungspflichtigen gegen sämtliche Lastschriften, die in einem bestimmten Zeitraum verbucht worden sind, können leicht dazu führen, dass der Bank mehr Gelder zufließen, als sie zur Abdeckung des debitorischen Saldos benötigt und ein Guthaben entsteht. Die Bank kann sich dann nicht nur den Schadensersatzansprüchen der Lastschriftgläubiger oder der Gläubigerbank ausgesetzt sehen, sondern muss auch der Forderung des vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalters auf Auszahlung des auf diese Weise entstandenen Kontoguthabens nachkommen. Mit den Zahlungen, die die Bank zur Befriedigung der Forderungen der Lastschriftgläubiger aus § 826 BGB geleistet hat, kann sie gegen die Guthabenforderung des Lastschriftschuldners schon deshalb nicht aufrechnen, weil es an der gebotenen Gegenseitigkeit (§ 387 BGB) fehlt. Zwar kann sie von den Lastschriftengläubigern die Abtretung von deren Forderungen gegen den Lastschriftschuldner verlangen (§ 255 BGB). Dies verschafft ihr jedoch weder eine Aufrechnungsmöglichkeit noch ein Pfandrecht an dem entstandenen Guthaben, unabhängig davon, ob die Abtretung vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Lastschriftschuldners vollzogen wird: – Wird die Abtretung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollzogen, so scheitert eine Aufrechnung an dem Verbot des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Die Bank kann wegen der nach § 255 BGB auf sie übergegangenen Forderungen auch nicht ihr Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 AGB Sparkassen) an dem Guthaben geltend machen. Dies würde zwar nicht an § 91 InsO scheitern, wonach der Erwerb von Rechten an Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Verfahrenseröffnung unzulässig ist, denn das Pfandrecht ist bereits vor der Verfahrenseröffnung wirksam entstanden und kann auch für eine künftige Forderung herangezogen werden (§ 1204 Abs. 2 BGB); das Vermögen des Verpfänders ist nämlich bereits mit der Pfandrechtsbestellung vor der Verfahrenseröffnung geschmälert worden3. Dieses Pfandrecht dient jedoch nur zur Sicherung von Forderungen, die der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Kunden zustehen. Dazu gehören die der Bank nach § 255 BGB übertragenen Forderungen der Lastschriftgläubiger nicht. – Gelingt der Bank die Abwicklung mit den Lastschriftengläubigern noch vor der Verfahrenseröffnung, so hängt die Zulässigkeit der Aufrechnung davon ab, ob die Bank die Aufrechnungsmöglichkeit durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Maßgeblich ist die Situation im Zeitpunkt des Übergangs der Forderungen der Lastschriftgläubiger nach § 255 BGB auf die Bank. dd) Pflicht zur Ausübung des Erstattungsanspruchs

3.679

Nicht nur die Bank, sondern auch der Insolvenzverwalter sollte den Schuldner nicht dazu bewegen, einen Erstattungsanspruch geltend zu machen, wenn der Schuldner sich in seinem Verhältnis zu dem Gläubiger der Lastschrift nicht auf anerkennenswerte Gründe stützen 1 LG Münster v. 3.10.1984 – 16 O 295/84, WM 1985, 412 = WuB I D 2. – 2.85 Obermüller; OLG Frankfurt v. 16.9.1996 – 18 U 92/94, ZIP 1996, 1824. 2 OLG Naumburg v. 27.6.2002 – 2 U 157/01, WM 2003, 433. 3 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793 = WM 1998, 968; BGH v. 5.11.1998 – IX ZR 246/97, WM 1998, 2463; Kuder, Die Zahlstelle in der Insolvenz des Lastschriftschuldners im Einzugsermächtigungsverfahren, 2006, F II 2c bb.

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D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.682 Dritter Teil

kann, um auf diese Weise einen Guthabensaldo zu erreichen. Wenn der Erstattungsanspruch aber berechtigt wäre, kann der Insolvenzverwalter von dem Schuldner verlangen, dass dieser seinen Erstattungsanspruch ausübt. Denn den Schuldner trifft die Pflicht, den Insolvenzverwalter zu unterstützen (§ 97 Abs. 2 InsO). Die Unterstützungspflicht bezieht sich zwar in erster Linie auf die Erteilung von Auskünften und das faktische Verschaffen des Zugangs zu Geschäftsräumen, erstreckt sich aber auch auf Handlungen, die dem Insolvenzverwalter die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte erleichtern1, wie z.B. die Erteilung einer sog. Auslandsvollmacht, wenn ausländische Behörden das deutsche Insolvenzverfahren nicht ohne Weiteres als solches anerkennen und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich Vermögen in solchen Ländern befindet2. Dasselbe müsste dann auch für die Erteilung einer Vollmacht zur Ausübung von Erstattungsansprüchen gelten; ebenso kann man dem Schuldner zumuten, selbst die Erstattung durch Zahlung an den Insolvenzverwalter zu fordern. Die Mitwirkungspflicht beschränkt sich zwar auf punktuelle Handlungen, soweit diese unverzichtbar sind, und fordert keine (unentgeltliche) ständige Mitarbeit. Die einmalige oder mehrmalige Erteilung einer Vollmacht belastet den Schuldner aber nicht nennenswert. c) Wirkung der Erstattung Dass nur der Schuldner selbst berechtigt ist, Erstattung des Lastschriftbetrages zu verlangen, bedeutet nicht, dass der Erstattungsbetrag in sein freies Vermögen fällt. Denn wenn der Zahlungspflichtige die Rückerstattung verlangt, muss die Zahlstelle den Lastschriftbetrag dem Konto des Zahlungspflichtigen wieder gutschreiben. Im Gegensatz zum früheren Einzugsermächtigungsverfahren handelt es sich um die Einstellung eines neuen Buchungspostens und nicht um die Berichtigung des Kontostands aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung. Da das Konto des Zahlungspflichtigen im SEPA-Basislastschriftverfahren aufgrund des Mandats berechtigterweise belastet wird, steht dem Zahlungspflichtigen anders als bei Lastschriften im früheren Einzugsermächtigungsverfahren kein Anspruch auf bloße Berichtigung zu. Der Rückerstattungsanspruch nach § 675x Abs. 2 BGB i.V.m. Nr. 2.5 Abs. 1 Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren3 gibt vielmehr einen eigenständigen Anspruch als aktives Gegenrecht, der die Autorisierung des Zahlungsvorgangs nicht entfallen lässt4.

3.680

Nach § 675x Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Zahlstelle jedoch verpflichtet, die Rückerstattung spätestens mit der Wertstellung des Belastungstages vorzunehmen5. Sie verliert damit wieder ihren im Konto eingestellten Aufwendungsersatzanspruch, erhält den Betrag aber im Interbankenverhältnis von der ersten Inkassostelle nach den Regelungen des SEPA-Rulebooks unabhängig von deren Erstattungsmöglichkeit gegenüber dem Lastschrifteinricher zurück6.

3.681

Insolvenzrechtlich ist zu unterscheiden, ob die Buchung vor oder nach Verfahrenseröffnung vorgenommen wird. Maßgebend ist nicht der Zeitpunkt des Erstattungsverlangens, sondern der Belastung und somit der Wertstellung der (Wieder-)Gutschrift auf dem Konto des Zah-

3.682

1 Wimmer/Amend in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 97 Rn. 29. 2 BGH v. 18.9.2003 – IX ZB 75/03, ZIP 2003, 2123 (2124). Zur Verfassungskonformität dieser Pflicht vgl schon BVerfG 6.6.1986 – 1 BvR 574/86, ZIP 1986, 1336 (1337). 3 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b) und c). 4 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 20; Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/484. 5 Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/486. 6 Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/507.

Büchel | 637

Dritter Teil Rz. 3.682 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

lungspflichtigen. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter kann auch nicht verlangen, dass ihm der erstattete Betrag bar ausgezahlt wird1. Dies ist aber auch nicht nötig, da der Insolvenzmasse durch die Verbuchung auf dem Konto kein Nachteil entsteht: – Wird das Konto vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens belastet, wird auch die Gutschrift auf diesen Zeitpunkt erteilt, sodass eine Verrechnung mit einem etwaigen debitorischen Saldo zwar zunächst möglich ist. Sie unterliegt aber der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO, wenn es zur Verfahrenseröffnung kommt. – Erfolgen die Lastschriftbuchung und Erstattung nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, fällt die Erstattung in die Insolvenzmasse, wenn der vom Schuldner geltend gemachte Erstattungsanspruch zu einem Guthabensaldo führt. Eine Verrechnung mit einem debitorischen Saldo scheitert an § 96 Abs. 1 Nr. 1, 3 InsO.

3.683

Erfolgt die Erstattung auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners (zum Pfändungsschutzkonto s. Rn. 2.184 ff.), steht ihm dieses Guthaben wieder zur Verfügung, wenn die Belastungsbuchung aus seinem pfändungsfreien Guthaben erfolgte. Es fällt insoweit nicht in die Insolvenzmasse. d) Anfechtung von Belastungsbuchungen

3.684

In einem späteren Insolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter versuchen, nicht erstattete Belastungsbuchungen anzufechten. Als Anfechtungsgegner kommen der Lastschriftgläubiger und die Zahlstelle in Betracht. aa) Anfechtung gegenüber dem Lastschriftgläubiger

3.685

Gegner einer Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO ist ein Insolvenzgläubiger, an den der Insolvenzschuldner geleistet hat2. Im Verhältnis zwischen dem Zahlungspflichtigen und dem Zahlungsempfänger handelt es sich um eine Holschuld. Für die Anfechtung gegenüber dem Lastschriftgläubiger wegen kongruenter oder inkongruenter Deckung kommt es auf die wirtschaftliche Lage des Lastschriftschuldners und ggf. deren Kenntnis durch den Lastschriftgläubiger in dem Zeitpunkt an, in dem die Belastung des Schuldnerkontos wirksam wird, weil dadurch die gläubigerbenachteiligende Wirkung eintritt. Dies war bei einer Zahlung im Einziehungsermächtigungsverfahren grundsätzlich die Genehmigung der Lastschriftbuchung, nicht bereits die Buchung selbst, weil die Belastung des Kontos bis zur Genehmigung ohne materielle Wirkung blieb3. Im SEPA-Lastschriftverfahren ist im Valutaverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner der Zeitpunkt der vorbehaltlosen Einlösung der Lastschrift durch die Schuldnerbank maßgebend4. Für die Frage, ob der Lastschrifteinzug als Zug um Zug Deckung für die Leistung des Zahlungsempfängers und damit in der Insolvenz des Zahlungspflichtigen als nicht anfechtbares Bargeschäft anzusehen ist, kommt es dagegen auf den Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs und nicht auf den Zeitpunkt des Verstreichens der Rückerstattungsfrist an, 1 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 125/02, ZIP 2002, 2184 = NJW 2003, 143; BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/ 07, ZIP 2009, 673 = ZInsO 2009, 659; LG Karlsruhe v. 13.2.1987 – 9 S 458/86, ZIP 1987, 1334 = WM 1987, 605 = WuB VI C § 106 KO 2.87 Heß. 2 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 14 = ZIP 2008, 190; BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 Rn. 11; OLG Frankfurt v. 28.2.2013 – 3 U 122/12, ZInsO 2013, 732. 3 BGH v. 14.9.2017 – IX ZR 3/16, ZIP 2017, 2370 = ZInsO 2017, 2546 Rn. 26. 4 BGH v. 13.10.2022 – IX ZR 70/21, ZIP 2022, 2445 Rn. 9.

638 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.687 Dritter Teil

wenn ein Verkäufer im unmittelbaren Anschluss an eine von ihm erbrachte Leistung den Kaufpreis von dem Konto des Schuldners einzieht1. Ebenso wenig ist der Zeitpunkt von Bedeutung, in dem der Gläubiger dem Zahlungspflichtigen die nach Nr. 2.5, 3.5 der Bedingungen für den Lastschrifteinzug2 gebotene Vorankündigung zukommen lässt3. Diese Grundsätze lassen sich auf alle Fälle von Lieferungen und Leistungen übertragen. bb) Anfechtung gegenüber der Zahlstelle Eine Anfechtung gegenüber der Zahlstelle ist für den Insolvenzverwalter nur dann von Interesse, wenn der Insolvenzschuldner dort über ein Guthaben verfügte, das durch die Belastung vermindert wurde, oder wenn ein durch die Belastung erhöhter Debetsaldo durch Sicherheiten gedeckt war. Die Zahlstelle ist jedoch grundsätzlich der falsche Anfechtungsgegner4. Sie erlangt durch die Einlösung einen Aufwendungsersatzanspruch. In derselben Höhe wird sie von einer Verbindlichkeit zur Auszahlung oder Kreditgewährung befreit. Hierfür leistet sie die Gutschrift an den Lastschriftgläubiger. Ihm ist der Vermögenswert aus der Masse des Schuldners zugeflossen. Die Bank ist hingegen lediglich als Zahlstelle für die im Einzugsermächtigungsverfahren ausgeführten Lastschriften eingeschaltet worden und hat technisch die entsprechende Zuwendung an die Gläubiger bewirkt. Sie ist damit Zahlungsmittlerin, wenn sie sich darauf beschränkt, ihren Verpflichtungen aus dem Giro- bzw. Zahlungsdienstevertrag nachzukommen5. Bei Zahlung im Lastschriftverfahren handelt es sich nämlich ebenso wie bei einer Banküberweisung um eine mittelbare Zuwendung des Schuldners, die insolvenzrechtlich zu behandeln ist, als habe die Bank als zwischengeschaltete Leistungsmittlerin an den Schuldner geleistet und dieser seinen Gläubiger befriedigt6. Insoweit steht die vom Schuldner dem Gläubiger mittelbar gewährte Leistung, sofern sie für diesen als Schuldnerleistung erkennbar ist, anfechtungsrechtlich einer unmittelbaren gleich7. Leistungsempfänger und damit Anfechtungsgegner im Lastschrifteinzugsverfahren ist folglich der Gläubiger und nicht die Bank als Leistungsmittler, so dass die Deckungsanfechtung einer Lastschriftgenehmigung auf das Rechtsverhältnis zum Lastschriftgläubiger beschränkt ist8.

3.686

Dies ändert sich, wenn die Bank selbst die Gläubigerin ist und beispielsweise fällige Zinsund Tilgungsleistungen mittels Lastschrift von dem laufenden Konto des Kunden abbucht. Dann kommt neben der Anfechtung wegen kongruenter oder inkongruenter Deckung (§§ 130, 131 InsO) auch noch die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO) in

3.687

1 BGH v. 29.5.2008 – IX ZR 42/07, ZIP 2008, 1241 = ZInsO 2008, 749; zur Frage, wann Kenntnis nach § 130 Abs. 1 InsO vorliegen muss, s. BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, ZIP 2010, 2105 = ZInsO 2010, 2089. 2 Abgedr. bei Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/408a. 3 Osterloh ZInsO 2016, 733. 4 BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 219/09, ZInsO 2007, 1216; BGH v. 25.10.2011 – XI ZR 368/09, ZInsO 2011, 2328; a.A. AG Bonn v. 9.8.2012 – 111 C 98/11, ZIP 2012, 2267. 5 Vgl. BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 Rn. 13 = ZIP 2007, 2273; Ellenberger in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 37 Rn. 15 f.; zur Überschreitung der Zahlstellenfunktion bei Abwicklung über CpD und Sicherungsabtretung an die Bank vgl. BGH v. 20.3.2019 – VIII ZR 88/18, ZIP 2019, 856 = WM 2019, 777. 6 BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, 287 = ZIP 1999, 1764; BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 Rn. 13 = ZIP 2007, 2273 und Rn. 44; BGH v. 3.4.2012 – IX ZR 39/11, ZInsO 2012, 931. 7 BGH v. 3.4.2012 – IX ZR 39/11, ZInsO 2012, 931. 8 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038 = ZInsO 2012, 924; BGH v. 3.4.2012 – IX ZR 39/ 11, ZInsO 2012, 931.

Büchel | 639

Dritter Teil Rz. 3.687 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Betracht. Von dem Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, und einer Kenntnis der Bank von diesem Vorsatz kann bei der Ausführung von Lastschriftbuchungen nur dann ausgegangen werden, wenn die kontoführende Bank im Zuge der Verfolgung eigener Interessen in die vom Schuldner angestrebte Benachteiligung anderer Gläubiger eingebunden ist und nicht lediglich die bislang zwischen ihr und dem Kunden übliche Abwicklung des Zahlungsverkehrs fortsetzt1.

3.688–3.689

frei

2. Einlösung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag 3.690

Auch nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag bleibt der Kunde zur Erteilung neuer SEPA-Mandate berechtigt2, sofern kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen ist (§§ 21, 24 InsO) und die Bank wegen der ungünstigen Entwicklung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse die Geschäftsverbindung noch nicht aufgekündigt hat (Nr. 19 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 26 AGB Sparkassen). In der Regel wird sie von ihrem Recht zur Kreditkündigung, nicht aber von ihrem Recht zur Kündigung des Girovertrags Gebrauch machen, da sonst der Zahlungsverkehr zwischen dem Kunden und seinen Geschäftspartnern erheblich gestört würde. Für die Folgen der Einlösung einer in diesem Zeitraum eingehenden Lastschrift durch die Bank ist entscheidend, in welchem Verfahrensstand der Kunde sich befindet: a) Einlösung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags

3.691

Hat die Bank Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag, so wird sie die Lastschrift schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht einlösen, wenn das Konto des Kunden einen debitorischen Saldo aufweist oder durch die Einlösung debitorisch werden würde. Bewegt sich die Kontoverfügung allerdings im Rahmen einer zugesagten Kreditlinie oder hat der Kunde der Bank ausreichende Sicherheiten bestellt, so bestehen gegen die Einlösung keine rechtlichen und wirtschaftlichen Bedenken. Solange die Kreditlinie nicht gekündigt ist, darf die Bank deren Ausnutzung ohnehin nicht verhindern.

3.692

Die Einlösung der Lastschrift kann gegenüber der Bank nicht nach §§ 129 ff. InsO angefochten werden. Richtiger Anfechtungsgegner ist vielmehr der Lastschriftgläubiger als Zahlungsempfänger (vgl. Rn. 3.685)3. Auch unterliegt die Verwendung von Sicherheiten zur Deckung der Lastschriftbelastung aufgrund einer Kreditzusage nicht der Anfechtung, da es sich insoweit um ein Bargeschäft (§ 142 InsO) handelt.

3.693

War das Konto kreditorisch, so sollte die Bank die Lastschrift einlösen, auch wenn sie von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag des Kontoinhabers Kenntnis hatte. Sie kann ihren Aufwendungsersatzanspruch mit dem Guthabensaldo verrechnen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Zwar ist eine Aufrechnung ausgeschlossen,

1 OLG Frankfurt v. 28.2.2013 – 3 U 122/12, ZInsO 2013, 732. 2 Reyher/Terpitz, Der Lastschrifteinzugsverkehr, 1982, S. 91. 3 Vgl. BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 219/09, ZInsO 2007, 1216; BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 Rn. 13 = ZIP 2007, 2273; BGH v. 25.10.2011 – XI ZR 368/09, ZIP 2011, 2398 = ZInsO 2011, 2328; Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 345a, 348 m.w.N.; RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger s. OLG Düsseldorf v. 10.3.2016 – I-12 U 36/15, ZInsO 2016, 968.

640 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.696 Dritter Teil

wenn ein Insolvenzgläubiger die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Die Bank, bei der der Zahlungspflichtige ein Guthaben unterhält, ist aber seine Schuldnerin und nicht Insolvenzgläubigerin. Anders als im Konkurs gilt dies auch bei Einlösung einer Lastschrift nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag. Das Aufrechnungsverbot des § 55 Satz 1 Nr. 3 KO, das pauschal die Aufrechnung mit Forderungen untersagte, die ein Schuldner des insolventen Kunden nach diesen Ereignissen erworben hat, ist nämlich entfallen. Die allgemeinen Anfechtungsvorschriften (§§ 129 ff. InsO) können zwar den Zahlungsempfänger treffen, aber im Verhältnis zu der einlösenden Bank als bloße Zahlungsmittlerin nicht eingreifen (vgl. Rn. 3.686). Insoweit fehlt es auch an einer Gläubigerbenachteiligung, denn mit der Einlösung einer Lastschrift Zug um Zug gegen Herstellung einer Aufrechnungslage oder Verpfändung des Guthabens tätigen die Parteien ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft1. b) Einlösung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags Wenn die Bank beim Eingang einer Lastschrift von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag des Zahlungspflichtigen keine Kenntnis hat, so kann sie die Lastschrift einlösen und das Konto mit dem Lastschriftbetrag belasten. Ein etwaiger Guthabensaldo ermäßigt sich entsprechend; die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Wird der Saldo dagegen debitorisch oder erhöht sich der Sollsaldo, so erwirbt die Bank eine entsprechende Forderung gegen den Kontoinhaber, die aber – sofern die Bank keine Sicherheiten besitzt – nur eine einfache Insolvenzforderung darstellt.

3.694

3. Einlösung nach Anordnung von Verfügungsbeschränkungen Nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann das Gericht alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten der Bank zur Einlösung von Lastschriften ab.

3.695

a) Bearbeitung in Kenntnis der Verfügungsbeschränkungen Kennt die Bank die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts oder eines Verfügungsverbots, darf sie eine auf ihren Kunden gezogene Lastschrift grundsätzlich nicht einlösen2 und mit dem Lastschriftbetrag das Kundenkonto belasten. Dies gilt gleichermaßen für neu ausgestellte wie für schon vorliegende, bei Anordnung der Maßnahme aber noch nicht eingelöste Lastschriften unabhängig von der Art des verwendeten Lastschriftverfahrens. Die Bank benötigt für die Einlösung und die entsprechende Kontobelastung die Zustimmung des vorläufigen Verwalters, ansonsten ist die Belastungsbuchung infolge der Einlösung unwirksam. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht ein-

1 Bork FS Gerhardt, 2004, 69 (84); zu Begriff und Voraussetzungen des Bargeschäfts vgl. Rn. 6.110 ff. 2 LG Gera v. 1.12.1999 – 1 S 219/99, NZI 2001, 100; zu demselben Ergebnis kommt Wessel (KTS 1981, 457) über eine analoge Anwendung von § 23 KO auf das Sequestrationsverfahren (a.A. richtig LG Kiel v. 4.3.1981 – 10 O 91/80, ZIP 1981, 501 = WM 1981, 887).

Büchel | 641

3.696

Dritter Teil Rz. 3.696 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

zuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben1. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die von den Verfügungsbeschränkungen gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO betroffen sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner2. Da die Bank mit der Einlösung einer Lastschrift eine Leistung an den Kontoinhaber erbringt3 und infolgedessen den Tagessaldo des Kunden verringert bzw. erhöht, beschränkt sie dessen Rechte aus dem zugrunde liegenden Kontovertrag und ggf. Kreditvertrag. Das kommt dem Einziehen einer Forderung gleich4. Dass der Zahlungspflichtige noch acht Wochen lang einen Erstattungsanspruch geltend machen kann, ist unerheblich.

3.697

Verstößt die Bank gegen die Verfügungsbeschränkung, obwohl sie ihr bekannt war, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch nicht gegen eine etwaige Guthabenforderung des Kunden verrechnen; ist das Konto des Kunden debitorisch, so kann sie ihre Aufwendungsersatzforderung nicht mehr in das Kontokorrent einstellen und auch nicht später als Insolvenzforderung geltend machen5. Der Bank kann jedoch ein Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger zustehen6.

3.698

Wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verfügungsverbot eingesetzt und hat dieser den Girovertrag bereits beendet, kann er weder neue SEPA-Lastschriftmandate erteilen noch der Bank gestatten, ihr vorgelegte Lastschriften einzulösen. Im Allgemeinen wird er ein neues Konto einrichten, auf das er das Guthaben überträgt und über das er den Zahlungsverkehr abwickelt.

3.699

frei b) Ausführung ohne Kenntnis der Verfügungsbeschränkungen

3.700

Die Verfügungsbeschränkungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO sind zwar öffentlich bekannt zu machen (§ 23 InsO). Wenn die Bank dies aber übersieht und sie auch sonst keine Kenntnis von dem Verfügungsverbot erlangt hat, wird sie die Lastschriften einlösen. Auf die Kenntnis der Bank kann nicht schon aus dem Umstand geschlossen werden, dass sie von dem Insolvenzantrag wusste. Aus diesem Wissen ergibt sich auch keine gesteigerte Nachforschungs-

1 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26. 2 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14; vgl. auch OLG Karlsruhe v. 10.7.1985 – 6 U 206/84, NJW 1986, 63. 3 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 43 a.E.; Engel, Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, 1966, S. 14, 15; OLG Karlsruhe v. 17.9.2003 – 1 U 167/02, ZInsO 2003, 999; ebenso für die Einlösung von Schecks: von Godin NJW 1958, 856; BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, ZIP 1989, 1593 = WM 1989, 1816 = WuB VI C § 106 KO 1.90 Obermüller und für die Ausführung von Überweisungen BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, ZIP 2001, 1239 = WM 2001, 1454. 4 LG Offenburg v. 24.2.2004 – 4 O 56/03, ZInsO 2004, 559 für den Überweisungsauftrag. 5 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 58, 48. 6 Einzelheiten s. Rn. 3.58 und Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 58, 44; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 503; Kübler BB 1976, 805; im Ergebnis auch BGH v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, NJW 1976, 1845; kritisch zur Disharmonie von Bereicherungs- und Zahlungsdiensterecht Omlor JM 2014, 315; für den vergleichbaren Fall der nicht autorisierten Überweisung BGH v. 16.6.2015 – XI ZR 243/13, ZIP 2015, 1622.

642 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.711 Dritter Teil

pflicht hinsichtlich der Bonität ihres Kunden1. Sie kann dann mit befreiender Wirkung aus einem etwaigen Guthaben des Kunden leisten (§§ 21, 24, 82 InsO)2. Bei einer Einlösung vor der öffentlichen Bekanntmachung wird ihre Unkenntnis vermutet, anderenfalls trägt sie die Beweislast für ihre Unkenntnis3. Wenn das Konto des Kunden debitorisch ist, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen4. Das Verfügungsverbot oder der Zustimmungsvorbehalt stehen der Einbeziehung des Aufwendungsersatzanspruchs unter die Deckung von nicht akzessorischen Sicherheiten (z.B. Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen, Grundschulden) und Pfandrechten nicht entgegen, sofern diese Sicherheiten schon vor Erlass des Verbots unanfechtbar bestellt wurden5. frei

3.701

3.702–3.709

4. Einlösung nach Insolvenzeröffnung Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen grundsätzlich alle von dem Kunden erteilten Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge (§ 116 InsO). Demgemäß endet auch der Girovertrag, der die Bank zur Abbuchung oder Einziehung von Lastschriften verpflichtet6, mit Insolvenzeröffnung7. Ebenso erlöschen mit der Insolvenzeröffnung von dem Schuldner schon erteilte SEPA-Basislastschriftmandate und SEPA-Firmenlastschriftmandate, die selbständig als Geschäftsbesorgungsverträge einzuordnen sind. Für die Rechtsfolgen der Einlösung von Lastschriften nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Zahlungspflichtigen ist zu unterscheiden, ob die Bank bei der Einlösung von der Insolvenzeröffnung wusste oder ihr dies unbekannt war und ob das Konto des Schuldners debitorisch oder kreditorisch war.

3.710

a) Einlösung trotz Kenntnis von der Insolvenzeröffnung Löst die Bank trotz Kenntnis von der Insolvenzeröffnung eine Lastschrift ein – was in der Regel auf einem Versehen beruhen wird –, so erwirbt sie mangels wirksamen SEPA-Lastschriftmandats gegen ihren Kunden keinen Aufwendungsersatzanspruch, den sie mit einem Gut-

1 BGH v. 15.11.1999 – II ZR 98/98, ZIP 2000, 146. 2 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038 = ZInsO 2012, 924. 3 Anders nach h.M. im Konkurs wegen der Anwendung von §§ 136, 135 Abs. 2, 407 BGB: Kuhn/ Uhlenbruck, KO, 10. Aufl. 1986, § 106 Rn. 16e; Kohler in Staudinger, BGB, 13. Neubearb. 2003, § 135 Rn. 14; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 504a; a.A. Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl. 1973, § 106 Rn. 8, der § 8 KO analog anwenden wollte. Für die Bank hätte das die in der InsO ausdrücklich niedergelegte Folge gehabt, dass sie die Beweislast für ihre fehlende Kenntnis von dem Konkursantrag bzw. dem allgemeinen Verfügungsverbot treffen würde; ebenso für die Fiktion der öffentlichen Bekanntmachung des § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768 = ZInsO 2003, 374. 4 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 58, 40. 5 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; Kirchhof WM 1996 Sonderbeilage Nr. 2 S. 19. 6 BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, ZIP 2006, 175 = WM 2006, 179; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/ 17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 11. 7 BGH v. 9.10.1974 – VIII ZR 190/73, WM 1974, 1128; BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137; BGH v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, DB 1976, 1715; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZIP 2015, 738 = ZInsO 2015, 742 Rn. 9; s. oben Rn. 2.105a f.

Büchel | 643

3.711

Dritter Teil Rz. 3.711 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

haben verrechnen oder im Falle eines debitorischen Saldos als Insolvenzforderung anmelden könnte1.

3.712

Stattdessen ist die Zahlstelle auf einen Bereicherungsanspruch verwiesen. Dieser richtet sich gegen den Zahlungsempfänger im Wege der Eingriffskondiktion2 und grundsätzlich nicht gegen die Gläubigerbank. Die Anerkennung eines Bereicherungsanspruchs gegen den Lastschrifteinreicher erscheint auf den ersten Blick für die Zahlstelle hilfreich, praktisch nützt er ihr jedoch wenig. Der Arbeitsaufwand für die Durchsetzung steht oft in keinem Verhältnis zu den Werten der einzelnen Lastschriften.

3.713

Ein Bereicherungsanspruch gegen die Gläubigerbank kommt nur dann in Betracht, wenn sich diese die Forderungen aus dem Grundgeschäft zwischen dem Lastschriftschuldner und dem Lastschrifteinreicher nach Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen) zur Sicherung etwaiger Forderungen gegen den Lastschrifteinreicher aus einer etwaigen Rückbelastung oder aus debitorischen Konten hat abtreten lassen. Diese abgetretene Forderung hat dann die Bank durch die versehentliche (endgültige) Einlösung der Lastschrift beglichen. Die Gläubigerbank kann sich allerdings auf einen Wegfall der Bereicherung berufen, wenn sie den Lastschriftbetrag dem Zahlungsempfänger nach Einlösung der Lastschrift zur Verfügung gestellt hat und von ihm diesen Betrag nicht mehr beitreiben kann. b) Einlösung ohne Kenntnis von der Insolvenzeröffnung

3.714

Ist der Bank bei Einlösung einer Lastschrift die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Zahlungspflichtigen nicht bekannt, so kann sie trotz Erlöschens des SEPA-Lastschriftmandats nach den Vorschriften der §§ 82, 116, 115 InsO noch von ihrer Schuld befreit werden bzw. Aufwendungsersatzansprüche gegen die Insolvenzmasse erwerben, je nachdem, ob das Konto des Kunden ein Guthaben aufweist oder sich im Soll befindet. aa) Einlösung aus Guthaben

3.715

Wies das Konto des Zahlungspflichtigen ein Guthaben auf, so wird die Bank, die in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung eine Lastschrift einlöst, von ihrer Schuld gegenüber dem Kontoinhaber nach § 82 InsO befreit3. Die Beweislast für die Kenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung trifft bei einer Einlösung vor der öffentlichen Bekanntmachung den Insolvenzverwalter (§ 82 Satz 1 InsO). Bei einer Zahlung nach der öffentlichen Bekanntmachung muss die Bank ihre Unkenntnis beweisen (§ 82 Satz 2 InsO). Dabei steht fahrlässige Unkenntnis, das sog. Kennenmüssen, der Kenntnis nicht gleich4. 1 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 58, 48.; vgl. auch Jaeger, InsO, 2007, § 82 Rn. 26 ff.; Heile, Die Anweisung im Konkurs des Anweisenden 1976, S. 137; a.A. Schreiber ZHR 66, 361 ff. 2 BGH v. 11.4.2006 – XI ZR 220/05, ZIP 2006, 1041 = WuB I D 2 Lastschriftverkehr 2.06 Hadding; Hadding/Häuser, Rechtsfragen des Lastschriftverfahrens, 1981, S. 115; a.A. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 503. 3 Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 60; zu der insoweit übereinstimmenden Vorschrift des § 8 KO: Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9e; Fallscheer-Schlegel, Das Lastschriftverfahren, 1977, S. 42; Hadding/Häuser, Rechtsfragen des Lastschriftverfahrens, 1981, S. 114; Reyher/Terpitz, Der Lastschriftverkehr, 1982, S. 9. 4 Nur positive Kenntnis schadet, Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 13.

644 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.720 Dritter Teil

bb) Einlösung bei Debetsaldo Wies das Konto des Kunden einen Debetsaldo auf, so kann die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 116, 115 Abs. 3 InsO als Insolvenzforderung geltend machen1, es sei denn, dass ihr andere Werte des Kunden für die Forderung haften (vgl. insoweit Rn. 3.55).

3.716

c) Maßgebender Zeitpunkt für die Unkenntnis Für die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Zahlstelle gutgläubig sein muss, damit die oben genannten Wirkungen (Rn. 3.714 f.) eintreten, kann nicht an den Zeitpunkt angeknüpft werden, in dem die Gläubigerbank Deckung für die Lastschrift erhält. Dieser Zeitpunkt ist nur für die Frage von Bedeutung, wann der Vorbehalt, unter dem die Gläubigerbank dem Zahlungsempfänger Gutschrift erteilt hat, entfällt2. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Zahlstelle die Lastschrift einlöst3. Eingelöst ist die Lastschrift, wenn der Betrag auf dem Konto des Zahlungspflichtigen vorbehaltlos belastet4 ist, also wenn die Buchung nicht spätestens am zweiten Buchungstag bei SEPA-Basislastschriften bzw. am dritten Buchungstag bei SEPA-Firmenlastschriften nach der Belastung rückgängig gemacht wird5 (Nr. 9 Abs. 2 AGB Banken, Kreditgenossenschaften bzw. Sparkassen, s. auch Nr. 2.4. Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren bzw. SEPA-Firmenlastschriftverfahren6). Mit der Einlösung entfällt das Recht der Zahlstelle, die Lastschrift etwa wegen fehlender Deckung zurückzugeben7. frei

3.717

3.718–3.719

5. Einlösung im Planverfahren Nach der Rechtskraft der Bestätigung des Plans wird das Insolvenzverfahren aufgehoben (§ 258 InsO). Damit erhält der Kunde das Recht zurück, frei über die Insolvenzmasse zu verfügen (§ 259 InsO). Die Verfügungsbefugnis über die vom Verwalter eröffneten Konten steht dann kraft Gesetzes dem Kunden zu, ohne dass es eines Übertragungsakts bedürfte. Danach ist der Kunde wieder zur Erteilung von SEPA-Lastschriftmandaten und die Bank zur Einlösung der Lastschriften berechtigt.

1 Fallscheer-Schlegel, Das Lastschriftverfahren, 1977, S. 41; Hadding/Häuser, Rechtsfragen des Lastschriftverfahrens, 1981, S. 114; Reyher/Terpitz, Der Lastschriftverkehr, 1982, S. 91. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 574; a.A. Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 132. 3 Fallscheer-Schlegel, Das Lastschriftverfahren, 1977, S. 41; Belastungsbuchung und Übersendung der Kontoauszüge bekunden für sich allein noch keinen Einlösungswillen (OLG Düsseldorf v. 31.7.1981 – 16 U 197/79); zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger s. OLG Düsseldorf v. 10.3.2016 – I-12 U 36/15, ZIP 2016, 1176 = ZInsO 2016, 968. 4 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 Rn. 13; BGH v. 13.10.2022 – IX ZR 70/21, ZIP 2022, 2445 Rn. 13. 5 BGH v. 23.6.1988 – III ZR 75/87, WM 1988, 1328 = WuB I D 3. – 15.88 Fischer; BGH v. 13.10.2022 – IX ZR 70/21, ZIP 2022, 2445 Rn. 15. 6 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b) und c). 7 Vgl. Nr. III 2 des Lastschriftabkommens sowie Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 131 und Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/465. Allerdings ist die Gläubigerbank auch dann zur Rücknahme der Lastschrift verpflichtet, wenn diese zu Unrecht zurückgegeben wird, erwirbt jedoch ggf. einen Schadensersatzanspruch.

Büchel | 645

3.720

Dritter Teil Rz. 3.721 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.721

Der Kunde erhält auch dann die Verfügungsbefugnis wieder zurück, wenn sich an die Bestätigung des Plans ein Überwachungsverfahren anschließt. Allerdings kann im Plan vorgesehen sein, dass bestimmte Rechtsgeschäfte an die Zustimmung des Verwalters gebunden sind (§ 263 InsO). Die Erteilung von SEPA-Lastschriftmandaten dürfte dazu nur in den seltensten Fällen gehören.

3.722–3.749

frei

III. Insolvenz des Zahlungsempfängers 3.750

Wenn die Insolvenz des Zahlungsempfängers einer Lastschrift droht oder schon eingetreten ist, stellt sich für die Bank zunächst die Frage, unter welchen Voraussetzungen sie Lastschriften überhaupt noch einziehen darf, die dieser Kunde zum Inkasso eingereicht hat. Ist sie zum Einzug berechtigt, erhebt sich die weitere Frage, ob sie die Gutschrift zur Rückführung eines etwaigen Debetsaldos des Kunden verwenden darf und wie die Ausübung des Erstattungsanspruchs im SEPA-Basislastschriftverfahren das Verhältnis zwischen Zahlungsempfänger und seiner Bank beeinflussen.

1. Berechtigung der Bank zum Lastschrifteinzug im Verhältnis zum Zahlungspflichtigen 3.751

Reicht der Gläubiger seiner Bank Lastschriften zum Einzug ein, so ist die Bank aufgrund des durch die Inkassovereinbarung erweiterten Girovertrages grundsätzlich verpflichtet, dieser Weisung nachzukommen und unverzüglich für die ordnungsgemäße Einziehung der Lastschriftbeträge zu sorgen1. Ist der Gläubigerbank aber bekannt, dass der Einreicher sich in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet oder schon den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat, so erhebt sich für sie die Frage, ob sie den Schuldner bzw. die Zahlstelle warnen muss. Vor der gleichen Frage steht die Zahlstelle, wenn die Lastschrift bei ihr eingeht und ihr die wirtschaftliche Lage des Gläubigers bekannt ist. a) Warnpflicht der Gläubigerbank

3.752

Da das Lastschriftabkommen und das Regelwerk für das SEPA-Lastschriftverfahren grundsätzlich nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten Rechte und Pflichten begründen2, bestehen keine vertraglichen Warnpflichten der Gläubigerbank gegenüber dem Zahlungspflichtigen. Auch kann hier kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter angenommen werden, aufgrund dessen die Gläubigerbank den Zahlungspflichtigen auf die wirtschaftliche Lage des Zahlungsempfängers hinweisen müsste. Für das Lastschriftverfahren ist zwar anerkannt, dass Schutzpflichten zugunsten Dritter eingreifen können, wenn das Verfahren für den Dritten, der sich seiner bedient, bestimmte verfahrenstypische Risiken in sich birgt und den mit der Durchführung betrauten Verfahrensbeteiligten ohne Weiteres zugemutet werden kann, diese

1 Engel, Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, 1966, S. 29; Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/426 ff. 2 Für die traditionellen Lastschriftverfahren BGH v. 28.2.1977 – v. 23.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042; BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977, 1196; OLG Düsseldorf v. 6.3.1978 – 6 U 167/77, WM 1978, 769; für die SEPA-Verfahren Nr. IV 1 des Lastschriftabkommens und Nr. 1.1 des SEPA Credit Transfer Scheme Rulebook (http://www.europeanpaymentscouncil.eu/documents/epc125_05 %20ect%20rb%20v2.3 %20approved.pdf).

646 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.755 Dritter Teil

Risiken gering zu halten1. Dieser Grundsatz, der für die Überschreitung von Rückgabefristen bei nicht eingelösten Lastschriften entwickelt wurde, kann nicht auf die Warnpflichten übertragen werden. Das Risiko, das ein Schuldner durch Zahlung an seinen Gläubiger in dessen Krise eingeht, ist nicht typisch für das Lastschriftverfahren, sondern verwirklicht sich bei jeder anderen Zahlungsart im gleichen oder sogar in stärkerem Maße. Im Einzugsermächtigungsverfahren gewann der Zahlungspflichtige nämlich die Möglichkeit, schon geleistete Zahlungen zurückzurufen – vorausgesetzt, dass für den Widerspruch gegen die Belastung „anerkennenswerte Gründe“ vorlagen2, z.B. wenn der Zahlungsempfänger auf die Zahlung keinen Anspruch besaß; im SEPA-Basislastschriftverfahren kann er aus den gleichen Gründen einen Rückerstattungsanspruch geltend machen. b) Warnpflicht der Zahlstelle Für die Zahlstelle wird in der Literatur3 teilweise eine Warnpflicht gegenüber dem Zahlungspflichtigen angenommen. Gegen eine Warnung bestehen zwar unter dem Gesichtspunkt des Bankgeheimnisses keine Bedenken, denn die Verpflichtung, das Bankgeheimnis zu wahren, besteht nur gegenüber Kunden und nicht gegenüber Dritten. Anders ist es nur, wenn der Zahlungsempfänger gleichzeitig auch Kunde der Zahlstelle ist. Im Übrigen ergeben sich gegen die Annahme einer Warnpflicht dieselben Einwände wie im Überweisungsverkehr (vgl. dazu Rn. 3.110 ff.). Wenn die Zahlstelle identisch ist mit der Gläubigerbank, kann sie sich der Problematik der Warnpflicht dadurch entledigen, dass sie den Zahlungsempfänger nicht mehr zur Teilnahme am Lastschriftverfahren zulässt. Schon aus eigenem Interesse sollte sie nämlich nur zuverlässigen und kreditwürdigen Kunden die Teilnahme am Lastschriftverfahren gestatten4. Stattdessen kann die Bank den Zahlungsempfänger auf andere Inkassowege verweisen, bei denen sie keine Warnpflichten treffen, wie z.B. beim Scheckeinzug (vgl. dazu Rn. 3.384).

3.753

2. Auswirkungen der Insolvenz auf die Erteilung neuer Einzugsaufträge Für die Auswirkungen der Insolvenz auf den Einzugsauftrag an die Bank kommt es darauf an, in welchem Stadium der Insolvenz sich der Kunde bei Erteilung des Einzugsauftrags befindet.

3.754

a) Neue Einzugsaufträge vor Insolvenzantrag Neue Aufträge zum Einzug von Lastschriften kann der Bankkunde vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor der Einsetzung eines vorläufigen Verwalters in Verbindung mit einer Verfügungsbeschränkung noch unbeschränkt erteilen.

1 BGH v. 28.2.1977 – v. 23.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042; Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/333 ff. – s. Notiz zu 6/401, in 6/417 wird auf das Urteil BGH 1977 Bezug genommen. 2 Vgl. dazu BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 690; BGH v. 18.6.1979 – II ZR 160/78, WM 1979, 832; sowie Rn. 3.672 ff. 3 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 131; Engel, Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, 1966, S. 39; a.A. Fallscheer-Schlegel, Das Lastschriftverfahren, 1977, S. 43. 4 Pleyer/Holschbach DB 1972, 761; Reyher/Terpitz, Der Lastschriftverkehr, 1982, S. 89; Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/404; Wand WM 1995, 2165.

Büchel | 647

3.755

Dritter Teil Rz. 3.756 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

b) Neue Einzugsaufträge nach Insolvenzantrag

3.756

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten des Bankkunden zur Erteilung neuer Einzugsaufträge ab. Die Bank muss allerdings prüfen, ob sie den Kunden überhaupt noch am Lastschriftverfahren teilnehmen lassen darf (s. Rn. 3.753)1. Im Zweifel ist dies nicht der Fall2. aa) Einzugsaufträge vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen

3.757

Solange das Gericht derartige Maßnahmen nicht getroffen hat, kann der Kunde der Bank weiterhin Lastschriften zum Inkasso einreichen. Damit kommt ein wirksamer Inkassoauftrag zustande. Zwar können sich die Geschäftsführer einer GmbH und die Vorstände einer AG schadensersatzpflichtig machen, wenn sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens noch Zahlungen leisten (§ 15b InsO bzw. bis 31.12.2020 §§ 64, 43 GmbHG, § 92 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG)3; dazu gehört auch die Rückführung debitorischer Salden durch Einreichung von Einzugslastschriften. Die Ersatzpflicht der Vorstände bzw. Geschäftsführer bezieht sich jedoch nur auf deren Verhältnis zu dem Unternehmen. Sie wirkt sich nicht auf das Verhältnis des Unternehmens zu der Bank aus. An den Lastschriften kann die Bank zwar nicht wie an Schecks und Wechseln Sicherungseigentum (Nr. 15 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 Abs. 1 AGB Sparkassen) erwerben, wohl aber gehen die der Lastschrift zugrunde liegenden Forderungen des Kunden gegen den Zahlungspflichtigen auf sie sicherungshalber über (Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen). Diese übergegangenen Forderungen dienen als Sicherheit für alle Ansprüche, die der Bank bei Erteilung des Einzugsauftrags aus den Kontokorrentkonten ihres Kunden zustehen oder die ihr infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere zustehen (Nr. 15 Abs. 4 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 AGB Sparkassen)4. Die Sicherungsabtretung kann allerdings im nachfolgenden Insolvenzverfahren unter Umständen angefochten werden (Einzelheiten s. Rn. 6.150 ff.).

3.758

Wenn die Lastschrift vor der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots eingelöst wird5, so kann der Zahlungsempfänger über einen dadurch bei seiner Bank entstandenen Guthabensaldo weiterhin frei verfügen. Denn die Beschränkungen seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis treten erst mit Erlass einer entsprechenden Verfügungsbeschränkung (§§ 21, 24 InsO) oder mit Insolvenzeröffnung (§§ 80, 81 InsO) ein.

1 Wand WM 1995, 2165. 2 Reyher/Terpitz, Der Lastschriftverkehr, 1982, S. 30. 3 OLG Hamburg v. 21.4.1995 – 11 U 195/93, ZIP 1995, 913; LG Itzehoe v. 1.4.1996 – 6 O 236/95, ZIP 1996, 797; s. oben Rn. 5.620 ff. 4 Einzelheiten zu der Einschränkung des Sicherungszwecks s. Merkel WM 1993, 725. 5 Zum maßgebenden Zeitpunkt s. oben Rn. 3.717.

648 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.762 Dritter Teil

bb) Einzugsaufträge nach Anordnung eines Verfügungsverbots Hat das Insolvenzgericht als vorläufige Maßnahme im Insolvenzantragsverfahren einen vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt und ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, so sind damit Verfügungen des Gemeinschuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse nicht mehr zulässig. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner1. Dazu zählt auch die Erteilung eines Lastschrifteinzugsauftrages an die Bank. Ebenso wird die mit der Lastschrifteinreichung verbundene Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft an die Bank durch das allgemeine Verfügungsverbot verhindert.

3.759

Anstelle des Kunden kann nur der vorläufige Verwalter Lastschriften zum Inkasso einreichen, sofern ihn die Bank ausnahmsweise noch zur Teilnahme am Lastschriftverfahren zulässt (s. Rn. 3.753). Den Gegenwert kann die Bank nur an den Verwalter, nicht aber an den Kunden mit befreiender Wirkung auszahlen. Mit der Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft an die Bank (Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen) darf der Verwalter sich nicht einverstanden erklären. Wenn die Bank eine entsprechende Sondervereinbarung nicht treffen will, muss er den Lastschrifteinzug über ein Kreditinstitut leiten, das keine sicherungsfähigen Forderungen gegen den Schuldner besitzt.

3.760

Lässt die Bank den Verwalter zum Lastschrifteinzug über das fortgeführte Konto des Kunden zu, so sollte sie bei Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren Vorkehrungen für den Fall treffen, dass die Lastschrift zwar zunächst eingelöst wird, dann aber der Zahlungspflichtige die Genehmigung verweigert oder Erstattung verlangt. Da Verbindlichkeiten, die ein vorläufiger Insolvenzverwalter begründet, im anschließenden Insolvenzverfahren Masseverbindlichkeiten darstellen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO), genügt die Zusage des Verwalters, in solchen Fällen die zurückgerufenen Beträge zu erstatten, falls mit einer ausreichenden Masse zu rechnen ist. Anderenfalls müsste die Bank in Höhe der Beträge, über die sie den Verwalter verfügen lässt, Sicherheiten verlangen.

3.761

cc) Einzugsaufträge nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts Hat das Insolvenzgericht als vorläufige Maßnahme im Insolvenzantragsverfahren einen Zustimmungsvorbehalt angeordnet, so kann der Kunde nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters Lastschriften zum Inkasso mit den oben dargestellten Wirkungen (Rn. 3.757) einreichen, sofern ihn die Bank ausnahmsweise noch zur Teilnahme am Lastschriftverfahren zulässt. Eine Verfügung über die im SEPA-Basislastschriftverfahren eingezogenen Beträge kann sie ihm vor Ablauf der Fristen für den Widerspruch oder den Erstattungsanspruch des Zahlungspflichtigen nur erlauben, wenn ihr der Kunde mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters Sicherheiten bestellt; dessen Zahlungszusage begründet keine Masseschuld.

1 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, WM 1989, 1816; Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14; Gerhardt ZIP 1982, 1.

Büchel | 649

3.762

Dritter Teil Rz. 3.763 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

dd) Einzugsaufträge ohne Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts

3.763

Ohne Anordnung eines Verfügungsverbots kann nur der Kunde, nicht aber der vorläufige Verwalter Lastschriften zum Inkasso einreichen. Allerdings sollte ihn die Bank grundsätzlich nicht mehr zur Teilnahme am Lastschriftverfahren zulassen. Der Verwalter selbst kann dagegen über die Lastschriften nicht verfügen. Den Gegenwert kann die Bank nur an den Kunden, nicht aber an den Verwalter mit befreiender Wirkung auszahlen. ee) Einzugsaufträge nach Antrag auf Eigenverwaltung

3.763a

Wenn der Kunde Eigenverwaltung beantragt und das Insolvenzgericht einen vorläufigen Sachwalter eingesetzt hat, kann die Bank mit dem Kunden das Schuldnerkonto unverändert fortführen und ihn weiterhin zum Lastschriftverfahren zulassen. Dabei handelt es sich nicht um ein neues SEPA-Lastschriftmandat. Auch wenn dem vorläufigen Sachwalter die Kassenführungsbefugnis übertragen wurde, kann der Lastschrifteinzug nur über das Konto des Schuldners vorgenommen werden, da nur der Schuldner – und nicht der Sachwalter – über die entsprechenden Lastschriftmandate verfügt und die Verfügungsbefugnis über die Forderungen weiterhin dem Schuldner zusteht. Einem Wunsch des Sachwalters, die durch den Lastschrifteinzug auf dem Konto des Schuldners entstandenen Guthaben jeweils auf sein Sonderkonto zu übertragen, sollte die Bank bei Einzug im Basis-Lastschriftverfahren frühestens nach Ablauf der achtwöchigen Frist, innerhalb deren der Zahlungspflichtige seinen Erstattungsanspruch geltend machen kann, nachkommen. c) Neue Einzugsaufträge nach Verfahrenseröffnung

3.764

Mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist dem Kunden die Erteilung von neuen Lastschrifteinzugsaufträgen grundsätzlich verwehrt. Aufgrund von Lastschriften, die der Kunde der Bank unter Verstoß gegen dieses Verbot einreicht, kann die Bank die Forderungen aus dem Grundgeschäft nicht erwerben, selbst wenn ihr die Verfahrenseröffnung nicht bekannt war (§ 81 InsO). Wenn sie die Lastschriften einzieht, kann sie den Erlös nicht zur Reduzierung ihrer Forderungen verwenden.

3.765

Sofern der Insolvenzverwalter den Einzug von Lastschriften betreiben will, muss er mit der Bank eine entsprechende Vereinbarung treffen. Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind der Girovertrag und das bestehende Kontokorrentverhältnis erloschen1. Dazu muss der Insolvenzverwalter einen neuen Girovertrag mit der Bank abschließen. Zwischen der Beendigung des bisherigen und dem Abschluss des neuen Vertrages kann eine gewisse Zeit vergehen, in der der Kunde vom Zahlungsverkehr abgeschnitten ist und die Bank für ihn beispielsweise keine Zahlungseingänge mehr entgegennimmt. Um diese Lücke zu vermeiden, kann schon der vorläufige Verwalter die Fortsetzung des Girovertrages mit der Bank vereinbaren, wenn er mit einem Verfügungsverbot ausgestattet oder vom Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO zu solchen Geschäften besonders ermächtigt ist2. 1 OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/97, NZI 2000, 181; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/03, ZInsO 2004, 683; OLG Dresden v. 1.9.2005 – 13 U 1139/05, ZInsO 2007, 45; BGH v. 21.6.2005 – XI ZR 152/04, ZIP 2005, 1448; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 803; BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZInsO 2009, 659; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZInsO 2015, 742; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZInsO 2019, 678 Rn. 11; Nobbe KTS 2007, 397. 2 Bitter FS K. Schmidt 2019, 99 (106).

650 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.766b Dritter Teil

Die Bank kann den Verwalter zum Lastschriftverfahren zulassen. Sie kann grundsätzlich darauf vertrauen, dass er nur berechtigte Forderungen einzieht; anderenfalls würde er sich auch persönlich haftbar machen (§ 60 InsO). Ob der Zahlungspflichtige zu diesem Zweck ein neues SEPA-Lastschriftmandat erteilen muss, hängt von der Art des neuen Kontos ab.

3.765a

aa) Konto auf den Namen des Schuldnerunternehmens Wird das Konto weiter auf den Namen des Schuldnerunternehmens geführt, ist ein neues Lastschriftmandat nicht erforderlich. Das gilt auch dann, wenn der Name mit dem Zusatz „i. I.“ versehen wurde. Denn an der Identität des Kontoinhabers hat sich nichts geändert; es ist durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens lediglich ein Wechsel in der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis eingetreten1.

3.766

bb) Insolvenz-Sonderkonto auf den Namen des Insolvenzverwalters Hat der Insolvenzverwalter zur Abwicklung des Verfahrens ein Insolvenz-Sonderkonto auf seinen Namen (vgl. Rn. 2.249 ff.), z.B. mit der Bezeichnung „Herrn A als Insolvenzverwalter der B-GmbH“, eröffnet, so deckt sich die Kontobezeichnung zwar nicht vollständig mit dem Inhalt des Lastschriftmandats. Trotzdem ist ein neues Lastschriftmandat nicht erforderlich. Die Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO) ändert nämlich nichts daran, dass der Schuldner weiterhin Rechtsinhaber2 und damit Inhaber des für ihn vom Insolvenzverwalter unterhaltenen Kontos und Zahlungsempfänger im Sinne des Zahlungsverkehrs ist, auch wenn der Insolvenzverwalter nach der herrschenden Amtstheorie3 im eigenen Namen auftritt. Die Angabe der Gläubigeridentifikationsnummer ist nur eine technische Anforderung, nicht hingegen ein notwendiges Element einer wirksamen Autorisierung im Sinne von § 675 j Abs. 1 BGB.

3.766a

Für das Lastschriftmandat herrscht zwar eine gewisse Formstrenge. Nach Nr. 3 a (i, vi) des Anhangs zu Art. 5 der Verordnung zur Festlegung der technischen Vorschriften für Überweisungen und Lastschriften4 müssen die für die Abwicklung erforderlichen Datenelemente den Namen des Zahlungsempfängers und eine eindeutige Mandatsreferenz enthalten. Wegen der fehlenden Änderung des Gläubigers ist für den Lastschrifteinzug weiter die bisherige Gläubiger-Identifikationsnummer zu benutzen. Denn nach den Erläuterungen der Deutschen Bundesbank in ihrer „Verfahrensbeschreibung Gläubiger-Identifikationsnummer“ wird für jeden Lastschriftgläubiger nur eine Gläubiger-Identifikationsnummer vergeben. Sofern sich Änderungen in der Person des Lastschriftgläubigers ergeben, ist nach Nr. 3.1 der vorgenannten Verfahrensbeschreibung grundsätzlich eine neue Gläubiger-Identifikationsnummer zu beantragen. Dies gilt aber nach Nr. 3.2 der Verfahrensbeschreibung nicht, wenn sich die Änderungen in einem Wechsel des Namens, der Firma oder des Gesellschafterbestands erschöpfen oder ein identitätswahrender Rechtsformwechsel vorliegt. Der Inhaber der Gläubiger-Identifi-

3.766b

1 Vuia in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 80 Rn. 11. 2 BGH v. 7.2.2019 – IX ZR 47/18, ZIP 2019, 718 = ZInsO 2019, 845 Rn. 27; Vuia in MünchKomm/ InsO, 4. Aufl. 2019, § 80 Rn. 11; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 11 ff. 3 Dazu Vuia in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 80 Rn. 27 m.N. zur Rspr.; grundlegende Kritik an der Amtstheorie bei K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, 1990, S. 106 ff. 4 Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 – ABl. EU Nr. L 94/ 37 v. 30.3.2012.

Büchel | 651

Dritter Teil Rz. 3.766b | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

kationsnummer hat auf Verlangen der Deutschen Bundesbank oder seines kontoführenden Zahlungsdienstleisters lediglich den Nachweis zu erbringen, dass durch die Änderungen seine Identität im Übrigen gewahrt bleibt. Wenn aber die bisherige Zahlungsempfängerin auch nach der Insolvenzeröffnung dieselbe ist und auch weiterhin dieselbe Gläubiger-Identifikationsnummer verwendet wird, sind beim Lastschrifteinzug alle Anforderungen erfüllt, welche Ziff. 2.2.1. der Lastschrift-Bedingungen für einen wirksamen Zahlungsauftrag formuliert. Diese Auslegung deckt sich mit der Verordnung (EU) Nr. 260/2012, welche die technischen Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften regelt1. In deren Anhang betreffend „Technische Anforderungen (Art. 5)“ wird unter Nr. 3. a) xi) für die Lastschrift sogar ausdrücklich der Fall einer „Übernahme des Mandats durch einen anderen als den Zahlungsempfänger, der das Mandat ursprünglich erhalten hat,“ erwähnt. Für diesen Fall ist vorgesehen, dass beim Einzug die „Identifikationsnummer des ursprünglichen Zahlungsempfängers“ als „Datenelement“ anzugeben ist. Wenn in diesem Sinne selbst bei der Übernahme durch einen anderen als den bisherigen Zahlungsempfänger die frühere Identifikationsnummer angegeben werden kann, muss das Gleiche erst recht gelten, wenn der Gläubiger identisch bleibt und nur die Kontobezeichnung angepasst wird2. cc) Vollrechts-Treuhandkonto des Insolvenzverwalters

3.766c

Anders verhält es sich, wenn der Insolvenzverwalter ein Konto auf seinen Namen als Vollrechts-Treuhandkonto (aber kein unzulässiges Anderkonto als besondere Form des Vollrechts-Treuhandkontos [vgl. Rn. 2.101]) eröffnet, um z.B. Forderungen aus- und absonderungsberechtigter Gläubiger einzuziehen. Auf diesen neuen Vertrag kann das bisherige Lastschriftmandat nicht ohne Zustimmung des Zahlungspflichtigen übertragen werden. Daher muss der Zahlungspflichtige ein neues SEPA-Lastschriftmandat erteilen. Auf entsprechende Erklärungen, die vor Verfahrenseröffnung erteilt wurden, kann der Insolvenzverwalter nicht zurückgreifen. Zwar erlöschen Vollmachten, Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge nur in der Insolvenz des Vollmachtgebers bzw. Auftraggebers (§§ 117, 116, 115 Abs. 1 InsO), nicht in der des Bevollmächtigten3 bzw. Beauftragten; dasselbe muss für Ermächtigungen gelten.

3.766d

Jedoch müssen die Voraussetzungen der Nr. 2.2.1 der Bedingungen für das SEPA-Firmenlastschriftverfahren und das SEPA-Basislastschriftverfahren4 erfüllt werden. Dazu gehört u.a., dass der Gläubiger korrekt bezeichnet wird und eine Gläubigeridentifikationsnummer erhält. Diese wird für in Deutschland ansässige Kunden von der Deutschen Bundesbank vergeben5. Besteht für einen Lastschriftgläubiger die Notwendigkeit, verschiedene Geschäftsbereiche zu kennzeichnen, hier also verschiedene Insolvenzverfahren zu unterscheiden, kann dies über die in der Gläubiger-Identifikationsnummer enthaltene Geschäftsbereichskennung ge1 Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 – ABl. EU Nr. L 94/ 37 v. 30.3.2012. 2 Bitter FS K. Schmidt 2019, 99 (112). 3 Vgl. Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 117 Rn. 3 ff.; BayObLG v. 13.7.1978 – BReg. 2 Z 37/77, DB 1978, 1929; OLG Düsseldorf v. 18.12.2009 – I-16 U 160/09, ZInsO 2010, 143. 4 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b) und c); Ellenberger in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, 6. Aufl. 2022, Anh. 2 zu § 37. 5 S. Mitteilung 4001/2008 v. 19.3.2008 der Deutschen Bundesbank (Veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 48 v. 28.3.2008).

652 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.770 Dritter Teil

schehen1. Gläubiger ist bei dieser Kontogestaltung der Insolvenzverwalter, er kann nur seine eigene Gläubigeridentifikationsnummer verwenden. Diese weicht von der des Schuldners im Lastschriftmandat erwähnten ab. Schon aus diesem mehr technischen Grund ist ein neues Lastschriftmandat erforderlich2. dd) Konto des eigenverwaltenden Schuldners Wenn das Insolvenzgericht Eigenverwaltung angeordnet hat, kann die Bank mit dem eigenverwaltenden Kunden das Schuldnerkonto aufgrund einer gesonderten Vereinbarung fortführen und ihn in dieser Eigenschaft weiterhin zum Lastschriftverfahren zulassen. Dabei handelt es sich nicht um ein neues SEPA-Lastschriftmandat, da kein Personenwechsel stattgefunden hat. Auch wenn der Sachwalter die Kassenführung an sich gezogen und hierfür ein VollrechtsTreuhandkonto eröffnet hat, kann der Lastschrifteinzug nur über das Konto des Schuldners vorgenommen werden, da nur der Schuldner – und nicht der Sachwalter – über die entsprechenden Lastschriftmandate verfügt und die Verfügungsbefugnis über die Forderungen bei dem Schuldner verblieben ist.

3.767

ee) Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft Mit der Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft an die Bank (Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen) darf der Verwalter sich allerdings nicht einverstanden erklären. Wenn die Bank eine entsprechende Sondervereinbarung nicht treffen will, muss er das Lastschriftinkasso über ein Kreditinstitut leiten, das keine sicherungsfähigen Forderungen gegen den Schuldner besitzt. Den eingezogenen Betrag darf die Bank nur an den Verwalter auszahlen.

3.768

d) Erteilung neuer Einzugsaufträge im Planverfahren Neue Einzugsaufträge kann der Bankkunde im Planverfahren erst dann wieder unbeschränkt erteilen, wenn der Plan bestätigt und das Verfahren aufgehoben ist. Von einem etwa an die Planbestätigung anschließenden Überwachungsverfahren wird das Inkassogeschäft in der Regel nicht berührt; auch wenn die Wirksamkeit bestimmter Geschäfte an die Zustimmung des Verwalters geknüpft wird (§ 263 InsO), dürfte dies kaum einmal den Einzug von Forderungen per Lastschrift betreffen.

3.769

3. Auswirkungen der Insolvenz auf laufende Einzugsaufträge a) Auswirkungen von Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag Weder die Zahlungsunfähigkeit des Lastschrifteinreichers noch der Insolvenzantrag berühren das Recht und die Pflicht der Bank zur Durchführung von vorher wirksam erteilten Lastschrifteinzugsaufträgen3.

1 S. Verfahrensbeschreibung „Gläubiger – Identifikationsnummer“ (Rundschreiben der Deutschen Bundesbank Nr. 27/2008 v. 18.8.2008). 2 Bitter FS K. Schmidt 2019, 99 (111). 3 Kübler BB 1976, 803.

Büchel | 653

3.770

Dritter Teil Rz. 3.771 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

b) Auswirkungen der Anordnung vorläufiger Maßnahmen

3.771

Auch ein im Zeitpunkt der Anordnung eines Verfügungsverbots oder der Einsetzung eines vorläufigen Verwalters noch nicht ausgeführter Auftrag zum Inkasso von Lastschriften bleibt bestehen. Von dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter wird er nicht berührt. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss aus §§ 115, 116 InsO, wonach Geschäftsbesorgungsverträge erst mit Verfahrenseröffnung erlöschen.

3.772

Über den eingezogenen Lastschriftbetrag darf aber, wenn ein Verfügungsverbot angeordnet ist, nur noch der vorläufige Insolvenzverwalter verfügen. Lässt die Bank Verfügungen des Kunden zu, so kann sie von dem Insolvenzverwalter nochmals auf Zahlung in Anspruch genommen werden, es sei denn, dass ihr zu diesem Zeitpunkt die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war (§§ 24, 82 InsO). c) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung

3.773

Wenn der Einzugsauftrag vor Verfahrenseröffnung erteilt wurde, ist sie nicht mehr berechtigt, die Einziehung fortzusetzen, die Erlöse aus dem Lastschrifteinzug durch Gutschrift auf dem debitorischen Konto des Schuldners automatisch zu verrechnen und hierdurch ihre Forderungen gegen den Schuldner zu reduzieren. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bankkunden ist das Kontokorrentverhältnis erloschen. Ebenso würde ein im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht ausgeführter Auftrag zum Inkasso von Lastschriften mit der Eröffnung des Verfahrens (§§ 116, 115 InsO) erlöschen. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen: – Unberührt bleiben Lastschriftinkassoaufträge, die zwar noch nicht zur Einlösung der Lastschrift durch die Zahlstelle geführt haben, zu deren Abwicklung die Gläubigerbank aber alles technisch Notwendige veranlasst hat und deren weitere Bearbeitung sie ohne Eingriffe in die Zahlungsverkehrssysteme nicht mehr verhindern kann. – Eine weitere Ausnahme von diesem Grundsatz greift ein, wenn der Bank die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste. In diesem Fall gilt der Auftrag ihr gegenüber als fortbestehend (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO). – Der Inkassoauftrag gilt auch dann als fortbestehend, wenn mit dem Unterlassen der Einziehung eine Gefahr für den Auftraggeber verbunden ist (§§ 116, 115 Abs. 2 InsO). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, wird die Bank im Einzelfall aus eigenem Wissen kaum feststellen können. Allein die Zeitverzögerung bei der Einziehung von Forderungen, die der Abbruch eines Lastschriftinkassovorganges zwangsläufig verursacht, kann nicht generell die Unterstellung rechtfertigen, dass mit dem Unterlassen der Einziehung eine Gefahr für den Auftraggeber verbunden ist.

3.774

Über den eingezogenen Lastschriftbetrag darf nur noch der Insolvenzverwalter verfügen. Lässt die Bank Verfügungen des Kunden zu, so kann sie von dem Insolvenzverwalter nochmals auf Zahlung in Anspruch genommen werden, es sei denn, dass ihr zu diesem Zeitpunkt die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war (§ 82 InsO).

3.775

Wegen ihres Anspruchs auf Gebühren für den Lastschrifteinzug ist die Bank zwar grundsätzlich nur Insolvenzgläubigerin (§§ 116, 115 Abs. 2 Satz 3 InsO), kann sich jedoch aus dem eingezogenen Betrag durch Aufrechnung befriedigen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein, da der Aufwendungsersatzanspruch der Bank (§§ 675, 670 BGB) und der Herausgabeanspruch des Kunden (§§ 675, 667 BGB) mit Annahme des Auftrags, also schon 654 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.781 Dritter Teil

vor Insolvenzeröffnung, aufschiebend bedingt entstanden waren und die beiden Bedingungen gleichzeitig eintreten (§ 95 InsO). frei

3.776–3.779

4. Verfügung über den Lastschriftbetrag Wenn die Bank den Kunden über den Lastschriftbetrag schon nach der Gutschrift des Lastschriftbetrages verfügen lässt und danach Verfügungsbeschränkungen durch ein allgemeines Verfügungsverbot eintreten oder die Verfügungsbefugnis auf einen vorläufigen oder den endgültigen Verwalter übergeht, erhebt sich die Frage, ob sie mit befreiender Wirkung geleistet hat, wenn die Lastschrift erst nach Eingreifen der Verfügungsbeschränkungen von der Zahlstelle eingelöst wird.

3.780

Im Bankwesen ist es üblich, dem Einreicher den Lastschriftbetrag sofort, allerdings unter dem Vorbehalt des Eingangs („E.v.“-Gutschrift) gutzuschreiben (Nr. 9 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften oder Sparkassen)1. Wann der Vorbehalt aufgehoben wird, hängt von der Art des Lastschriftverfahrens ab:

3.781

– Im SEPA-Firmenlastschriftverfahren steht die Gutschrift unter der aufschiebenden Bedingung der Einlösung2 durch die Schuldnerbank und dass sie nicht spätestens am dritten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird3. Danach erlangt der Gläubiger eine gesicherte Rechtsposition, weil der Zahler – anders als im SEPA-Basislastschriftverfahren – keine Erstattung mehr im Lastschriftverfahren verlangen kann. – Im SEPA-Basislastschriftverfahren steht die Gutschrift unter der aufschiebenden Bedingung der Einlösung durch die Schuldnerbank und dass sie nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird4. Der Gläubiger kann dann zwar über den Betrag verfügen, erlangt aber erst acht Wochen nach der Belastungsbuchung auf dem Schuldnerkonto auch eine endgültig gesicherte Rechtsposition. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Zahler von seiner Bank ohne Angabe von Gründen Erstattung des Zahl-

1 Hadding WM 1978, 1367; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 87; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 129, 134; Jakfeld ZKW 1977, 154; Engel, Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, 1966, S. 31; Laitenberger NJW 2010, 192 für das SEPA-Lastschriftverfahren; BGH v. 25.6.1979 – II ZR 253/78, WM 1979, 995; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; BGH v. 10.4.1978 – II ZR 203/76, DB 1978, 1826; sog. Usancekredite (s. Rundschreiben Nr. 9/96 des BAK v. 10.7.1996). 2 BGH v. 10.4.1978 – II ZR 203/76, WM 1978, 819; Fallscheer-Schlegel, Das Lastschriftverfahren, 1977, S. 30; Engel, Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, 1966, S. 31; a.A. Schlegelberger/ Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 132. 3 Nr. 9 Abs. 2 AGB Banken, Nr. 2.4.2 Bedingungen für SEPA-Firmenlastschriftverfahren; Gößmann/Rodi, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/141. Lfg., Rn. 1/258a. 4 Nr. 9 Abs. 2 AGB Banken, Nr. 2.4.2 Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren; BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 23; BGH v. 12.5.2022 – IX ZR 71/21, ZIP 2022, 1283 = ZInsO 2022, 1454 Rn. 19; Gößmann/Rodi, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/141. Lfg., Rn. 1/258a; Ellenberger in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 36 Rn. 112.

Büchel | 655

Dritter Teil Rz. 3.781 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

betrages verlangen1. Die Gutschrift steht damit unter zwei Bedingungen. Sie ist aufschiebend bedingt durch die Einlösung der Lastschrift durch die Zahlstelle und zum anderen auflösend2 durch die Rückvergütung im Interbankenverhältnis wegen eines Erstattungsanspruchs des Zahlungspflichtigen.

3.782

Folgt man der herrschenden Ansicht, dass der Eingang der Deckung als aufschiebende Bedingung anzusehen ist3, hat der Kunde zunächst noch keinen Anspruch auf den Lastschriftbetrag. Vielmehr erwirbt er einen Anspruch erst mit Eingang der Deckung infolge der Einlösung. Eingelöst ist die Lastschrift, wenn die bezogene Bank das Konto des Zahlungspflichtigen belastet und die Buchung nicht spätestens am zweiten Buchungstag bei SEPA-Basislastschriften bzw. am dritten Buchungstag bei SEPA-Firmenlastschriften nach der Belastung (Nr. 9 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften und Sparkassen, s. auch jeweils Nr. 2.4.2 Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren bzw. SEPA-Firmenlastschriftverfahren4) rückgängig gemacht hat. Dagegen kommt es auf das Verstreichen der achtwöchigen Rückgabefrist im SEPA-Basislastschriftverfahren nicht an. Im Gegensatz zum früheren Einzugsermächtigungsverfahren handelt es sich um die Einstellung eines neuen Buchungspostens und nicht um die Berichtigung des Kontostands, auch wenn die Rückbelastung aufgrund des Erstattungsanspruchs als auflösende Bedingung gesehen wird5. Denn das Konto des Zahlungspflichtigen im SEPABasislastschriftverfahren wird aufgrund des Mandats berechtigterweise belastet. Der Rückerstattungsanspruch nach § 675x Abs. 2 BGB i.V.m. Nr. 2.5 Abs. 1 Bedingungen für SEPABasislastschriftverfahren gibt einen eigenständigen Anspruch als aktives Gegenrecht, der die Autorisierung des Zahlungsvorgangs nicht entfallen lässt6. Daher ändert eine spätere Belastung wegen eines erhobenen Erstattungsanspruchs nichts an der befreienden Wirkung der Leistung, die der Einlösung der Lastschrift für den Lastschriftschuldner zunächst zukam, auch wenn die Erfüllung durch den Erstattungsanspruch rückwirkend wieder entfällt7.

3.783

Kann der Kunde über den Gegenwert der Gutschrift trotz des Vorbehalts sofort verfügen, handelt es sich um einen Dispositionskredit, weil die Banken in ständiger Praxis das Risiko bewusst in Kauf nehmen, dass der Kunde über das Geld verfügt, obwohl es ihm im Verhältnis zu seiner Bank noch nicht endgültig zusteht. Hierauf sind auch die Regelungen der Gutschrift unter dem Vorbehalt der Einlösung und ihre Stornierung in Nr. 9 Abs. 1 AGB Banken, Kredit1 § 675x Abs. 2 BGB, Nr. 2.4.2 Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren, abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b); BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 24; BGH v. 12.5.2022 – IX ZR 71/21, ZIP 2022, 1283 = ZInsO 2022, 1454 Rn. 19. 2 BGH v. 13.10.2022 – IX ZR 70/21, ZIP 2022, 2445 Rn. 11; Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/465; Ellenberger in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 36 Rn. 116. 3 So für das Scheckinkasso BGH v. 30.4.1992 – XI ZR 176/91, BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, ZIP 1992, 778; BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZInsO 2010, 1538 Rn. 23; BGH v. 12.5.2022 – IX ZR 71/21, ZInsO 2022, 1454 Rn. 19; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 744; Gößmann/Rodi, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/141. Lfg., Rn. 1/258a; Ellenberger in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 36 Rn. 112. 4 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b) und c). 5 BGH v. 13.10.2022 – IX ZR 70/21, ZIP 2022, 2445 Rn. 11; Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/465; Ellenberger in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 36 Rn. 116. 6 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 20. 7 BGH v. 12.5.2022 – IX ZR 71/21, ZIP 2022, 1283 = ZInsO 2022, 1454 Rn. 19.

656 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.793 Dritter Teil

genossenschaften und Sparkassen zugeschnitten1. Ein Überziehungskredit läge hingegen nur vor, wenn die Banken sich die Überprüfung, ob sie die Verfügung über ein unter Vorbehalt gebuchtes Guthaben zulassen, von Fall zu Fall vorbehielten. Dies ist nicht der Fall, weil es im Massengeschäft des bargeldlosen Zahlungsverkehrs regelmäßig viel zu aufwendig wäre. frei

3.784–3.789

5. Verrechnung der Zahlungseingänge Eine Bank, die einen Lastschrifteinzugsauftrag ihres insolventen Kunden ausführt, hat den Gegenwert seinem Konto unabhängig davon gutzuschreiben, ob inzwischen der Kunde seine Zahlungen eingestellt hat, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, ein Verfügungsverbot verhängt oder das Verfahren sogar schon eröffnet ist. Im letzteren Fall ist der Girovertrag zwar bereits erloschen2, die Gutschrift gehört jedoch zu den nachvertraglichen Pflichten der Bank.

3.790

Wenn das Konto des Einreichers einen Debetsaldo aufweist, erhebt sich die Frage, ob die Bank den eingezogenen Betrag mit ihren Forderungen gegen den Einreicher verrechnen darf. Die Verrechnung bzw. Aufrechnung unterliegt diversen Beschränkungen, die mit zunehmender Nähe des Insolvenzverfahrens steigen (vgl. im Einzelnen Rn. 1.390). Eine Verrechnung bzw. Aufrechnung ist nämlich nicht zulässig, wenn die Bank die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Je nach Lage des Falles kann die Anfechtung generell ausgeschlossen sein oder aber von der wirtschaftlichen Situation des Kunden und der Kenntnis der Bank von dieser Lage bei der Abwicklung des Lastschrifteinzugsauftrags abhängen.

3.791

a) Generelle Anfechtungsausschlüsse Bei bestimmten Vorgängen ist eine Anfechtung generell ausgeschlossen, weil es an einer allen Anfechtungstatbeständen gemeinsamen Voraussetzung, nämlich der Gläubigerbenachteiligung3 fehlt. Dies ist beispielsweise bei vorzeitigen Verfügungen des Kunden über den Lastschriftbetrag, bei Wiederinanspruchnahme der durch den Lastschriftbetrag reduzierten Kreditlinie oder bei Sicherungsabtretung der der Lastschrift zugrunde liegenden Forderung der Fall.

3.792

aa) Verfügungen vor Einlösung Eine Anfechtung der Einstellung des Lastschriftbetrages in das Kontokorrent ist generell ausgeschlossen, wenn die Bank dem Kunden im Hinblick auf die eingereichte Lastschrift Ver1 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 210/07, ZIP 2008, 747 = ZInsO 2008, 449. 2 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137; BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 720; BGH v. 13.11.1990 – XI ZR 217/89, ZIP 1991, 155 = WM 1991, 60 = WuB I E 1. – 2.91 Sonnenhol; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZIP 2015, 738 = ZInsO 2015, 742 Rn. 9; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 11; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 495; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. zu § 365 Rn. 114; Merz WM 1983, 106. 3 RG v. 3.2.1905 – VII 497/04, RGZ 60, 109; RG v. 28.2.1914 – V 363/13, RGZ 84, 254; RG v. 5.11.1918 – VII 202/18, RGZ 94, 307; BGH v. 20.2.1980 – VIII ZR 48/79, WM 1980, 409; BGH v. 19.3.1980 – VIII ZR 195/79, WM 1980, 598; BGH v. 21.4.1988 – IX ZR 71/87, ZIP 1988, 725.

Büchel | 657

3.793

Dritter Teil Rz. 3.793 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

fügungen in Höhe des Lastschriftbetrages gestattet hat1. Die Lastschrifteinreichung und die damit verbundene Sicherungsabtretung (s. Rn. 3.757) stellen nämlich ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft dar. Ein Bargeschäft liegt vor, wenn gleichwertige Leistungen ausgetauscht, die Insolvenzgläubiger durch die Sicherheitenbestellung also nicht benachteiligt werden, weil dem Vermögen des Gemeinschuldners alsbald ein entsprechender Gegenwert zufließt (§ 142 InsO)2. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die Bank dem Kunden den durch die Lastschrift eingezogenen Betrag ausgezahlt hat. bb) Verrechnung bei offener Kreditlinie

3.794

Die Anfechtbarkeit der Verrechnung von Eingängen aus Lastschrifteinzügen scheidet in der Regel aus, wenn die Bank die Kreditlinien offengehalten und dem Kunden in Höhe der eingegangenen Beträge Verfügungen gestattet hat. Insofern macht es keinen Unterschied, ob die Eingänge auf Überweisungen oder Lastschrifteinzugsaufträgen beruhen. Daher kann insoweit auf die Ausführungen zur Überweisung unter Rn. 3.170–3.200 verwiesen werden. cc) Deckung durch Sicherheiten

3.795

Die Anfechtbarkeit der Verrechnung eines Lastschrifteingangs mit dem debitorischen Saldo auf dem Konto des späteren Schuldners ist stets ausgeschlossen, wenn die Forderung, die der Zahlungspflichtige begleichen wollte, der Bank zur Sicherheit abgetreten war, die Bank durch die Verrechnung also nur das erhalten hat, was ihr aufgrund der Sicherungszession ohnehin zugestanden hätte3. Auch hier macht es keinen Unterschied, ob die Eingänge auf Überweisungen oder Lastschrifteinzugsaufträgen beruhen. Daher kann ebenfalls auf die Ausführungen zur Überweisung unter Rn. 3.156–3.169 verwiesen werden. Für die Angriffsmöglichkeiten gegen die Verrechnung ist zwischen den verschiedenen Insolvenzanfechtungszeiträumen zu unterscheiden: b) Lastschrifteinzug bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantrag

3.796

Von den Anfechtungsmöglichkeiten reicht die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen am weitesten zurück. Theoretisch kann die Verrechnung von Lastschriften, die in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag eingereicht wurden, in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren angefochten werden, wenn der Kunde bei Einreichung der Lastschriften den Vorsatz hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen und die Bank dies wusste (§ 133 Abs. 1 InsO). Aus rechtlichen und praktischen Gründen ist der zeitliche Anwendungsbereich der Ab-

1 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133. 2 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, WM 1977, 254; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, WM 1980, 779; BGH v. 27.9.1984 – IX ZR 3/84, WM 1984, 1430; BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/ 91, WM 1993, 265; OLG Braunschweig v. 11.11.1949 – 2 U 158/49, MDR 1950, 356; OLG Düsseldorf v. 4.6.1982 – 24 U 23/82, ZIP 1982, 860; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1991, § 30 Rn. 110 m.w.N.; das Gleiche gilt auch nach österreichischem Recht (OGH JBl. 1980, 595). 3 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061; BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 318/99, ZInsO 2000, 101; BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653; BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, ZIP 1983, 961 unter Aufhebung der Entscheidung des OLG Hamm v. 14.7.1982 – 5 U 192/81, ZIP 1982, 1343.

658 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.799 Dritter Teil

sichtsanfechtung jedoch erheblich beschränkt. Durch die Reform des Anfechtungsrechts1 wurde die Frist grundsätzlich durch den neuen § 133 Abs. 2 InsO bei Rechtshandlungen, die dem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, auf vier Jahre verkürzt, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob es sich um eine kongruente oder inkongruente Deckung handelte. Die Unterscheidung hat vor allem bei der Fiktion der Kenntnis des Gläubigers nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO Bedeutung. Bei der kongruenten Deckung greift die Vermutung der Kenntnis nur bei eingetretener, nicht aber schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit, § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO. Der BGH hat zudem die Anforderungen für den Insolvenzverwalter für die teilweise ausufernde Vorsatz-Anfechtungsmöglichkeiten wieder erhöht2. Dafür kann zunächst auf die Ausführungen unter Rn. 3.203–3.205 verwiesen werden; es macht keinen Unterschied, ob der Zahlungseingang durch eine Überweisung oder eine Lastschrift herbeigeführt wurde. Für einen Benachteiligungsvorsatz stellt der Umstand, dass der Lastschrifteinzug zu einer inkongruenten Deckung führt, ein starkes Indiz dar3. Demgegenüber reicht bei kongruenter Deckung das Bewusstsein des Kunden, dass die Einschaltung dieser Bank in den Lastschrifteinzug für seine übrigen Gläubiger nachteilig sei, regelmäßig nicht aus, um die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes zu rechtfertigen4. Näher liegt dann die Annahme, dass es dem Kunden auf die reibungslose Durchführung des Zahlungsverkehrs und die Einziehung seiner Außenstände und nicht auf die Vereitelung der Ansprüche anderer Gläubiger ankam5.

3.797

aa) Lastschrifteinreichung als kongruente Deckung Ob die Rückführung des debitorischen Saldos durch Verrechnung von Lastschrifteingängen eine inkongruente Deckung darstellt, hängt – da die Bank einen Betrag in der eingegangenen Höhe zu beanspruchen hatte – davon ab, ob sie die Deckung auch zu dieser Zeit und in der empfangenen Art verlangen konnte.

3.798

Ob die Bank die Deckung zu dieser Zeit verlangen kann, richtet sich nach der Fälligkeit ihrer Forderung6. Für den Zahlungsverkehr wird in der Regel ein Kontokorrentkonto eingesetzt, auf dem die Bank dem Kunden eine Kreditlinie zur Verfügung stellt oder auch Überziehungsmöglichkeiten einräumt. Auf die Frage nach einer kongruenten oder inkongruenten Deckung wirkt sich dies zusammengefasst (Einzelheiten s. Rn. 5.582 ff.) wie folgt aus:

3.799

– Bewegt sich die Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits innerhalb der dem Kunden eingeräumten Linie, so stellt eine Rückführung eines ungekündigten Kontokorrentkredits unter die vereinbarte Linie eine inkongruente Deckung dar, weil die Bank ohne Kündigung nicht die sofortige Reduzierung des Saldos auf einen Betrag unterhalb der Linie fordern kann.

1 Art. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654. 2 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339; Stohrer ZInsO 2023, 121. 3 BGH v. 5.5.1959 – VIII ZR 221/57, WM 1959, 1007; BGH v. 11.1.1961 – VIII ZR 203/59, WM 1961, 388; BGH v. 5.11.1964 – VII ZR 2/63, WM 1965, 85; BGH v. 26.2.1969 – VIII ZR 41/67, WM 1969, 375; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/ 92, ZIP 1993, 1653; OLG Düsseldorf v. 8.7.1992 – 19 U 3/92, ZIP 1992, 1488. 4 BGH v. 5.5.1959 – VIII ZR 221/57, WM 1959, 1007. 5 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572. 6 Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 81.

Büchel | 659

Dritter Teil Rz. 3.799 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

– Die Tilgung eines Kontokorrentkredits am Ende der zugesagten (und nicht verlängerten) Laufzeit ist dagegen kongruent. – Hatte die Bank einen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellten Kontokorrentkredit für einen Zeitpunkt vor dem Zahlungseingang gekündigt, so ist die Fälligkeit hergestellt und damit die Kongruenz gegeben. – Handelt es sich um die Überziehung eines Girokontos, so kann die Bank jederzeit Rückführung auf den vereinbarten Saldo verlangen; eine inkongruente Deckung liegt also nicht vor.

3.800

Wenn der Kunde bei der Bank ein Girokonto unterhält, steht der Bank die Deckung auch in der empfangenen Art zu. Zahlungsansprüche sind nämlich nicht zwingend und ausschließlich auf die Leistung von Bargeld gerichtet. Lediglich geringfügige Abweichungen von der nach dem Inhalt des Anspruchs typischen und gesetzmäßigen Erfüllung, die der Verkehrssitte (§§ 157, 242 BGB) oder Handelsbräuchen (§ 346 HGB) entsprechen, schaden nicht1. Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren hat der BGH schon früher als verkehrsübliche Zahlungsweise beurteilt, die auch dann zu keiner inkongruenten Befriedigung führt, wenn der Schuldner vertraglich nicht zur Ermächtigung des Gläubigers verpflichtet war2. Diese Betrachtung wendete der BGH3 auch auf das Abbuchungsauftragsverfahren an; dieses war in unternehmerischen Geschäftsbeziehungen verkehrsüblich4; denn sonst wäre es nicht im Lastschriftabkommen der Banken behandelt, später in § 675x BGB erfasst und im SEPA-Firmenlastschriftverfahren weiterentwickelt worden. Ein Einzug in den SEPA-Lastschriftverfahren kann nicht anders behandelt werden. Inkongruente Deckung kann aber zustandekommen, wenn der Gläubiger die Lastschrift zu früh einzieht und damit Erfüllung seines Anspruchs vor Fälligkeit erhält oder wenn die Bank den Kunden verpflichtet hat, sämtliche Lastschriften allein ihr vorzulegen5. bb) Benachteiligungsvorsatz

3.801

Hat die Bank eine nach den obigen Grundsätzen inkongruente Deckung erhalten, so kann die Rückführung des Saldos in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren nur angefochten werden, wenn der Kunde andere Gläubiger benachteiligen, d.h. die Bank vor den anderen Gläubigern begünstigen wollte und dieser Benachteiligungsvorsatz der Bank auch bekannt war. Dass der spätere Schuldner andere Gläubiger benachteiligen wollte, kann nicht allein aus dem Umstand entnommen werden, dass er Lastschriften über sein Konto gerade bei dieser Bank eingezogen hat6. Anders als bei Überweisungen, bei denen der Überweisungsauftraggeber die Auswahl hat, auf welches Konto er überweist, wenn sein Gläubiger mehrere Konten führt, trifft bei Lastschriften der Gläubiger die Auswahl. Ein Benachteiligungsvorsatz kann aufgrund dieser Auswahl allein noch nicht unterstellt, sondern erst angenommen werden, wenn der Kunde seine Lastschriften angesichts der ihm drohenden Insolvenz nur noch bei einer bestimmten 1 Thole in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 130 Rn. 11; so für Scheckzahlungen BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, ZIP 2006, 582 Rn. 46. 2 BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, ZIP 2003, 356 = ZInsO 2003, 178, unter III. 1. a; BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 Rn. 45 = ZIP 2008, 1977. 3 BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, ZIP 2013, 324 = ZInsO 2013, 245. 4 LG Darmstadt v. 27.5.2011 – 23 O 240/10, nBB 2011, 1812. 5 OLG Hamm v. 10.3.1992 – 27 U 173/91, ZIP 1992, 1565. 6 BGH v. 20.10.1986 – II ZR 293/85, ZIP 1987, 626 = WuB VI A § 59 VglO 1.87 Obermüller; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 82.

660 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.804 Dritter Teil

Bank zum Einzug einreicht, um damit den Sollsaldo zu ermäßigen. Ein starkes Indiz für die Willensrichtung des Kunden stellt dabei seine Praxis in der Vergangenheit dar. Eine auffällige Vermehrung der Lastschriftinkassi über eine bestimmte Bank bzw. eine Verlagerung von anderen Banken zu dieser Bank kann auf einen Benachteiligungsvorsatz hinweisen, andererseits aber auch eine kaufmännisch vernünftige Reaktion des Kunden auf unterschiedliche Konditionen der Banken für den Lastschrifteinzug darstellen. Wenn der Kunde die Lastschriften auf das Konto der Bank in der Absicht veranlasst hat, andere Gläubiger zu benachteiligen, so genügt dies allein noch nicht für eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO. Vielmehr muss der Bank der Benachteiligungsvorsatz bekannt gewesen sein. Diese Kenntnis kann die Bank noch nicht aus dem Umstand gewinnen, dass der Kunde ihr vermehrt Lastschriften zum Einzug einreicht. Für Veränderungen in der Häufigkeit und Höhe von Zahlungseingängen kann es eine Vielzahl natürlicher Erklärungen geben. Es ist vielmehr notwendig, dass der Kunde ihr in irgendeiner Form seinen Willen, sie aus den auf seine Außenstände erwarteten Zahlungen bevorzugt zu befriedigen und damit andere Gläubiger zu benachteiligen, mitgeteilt hat. Umgekehrt genügt das Wissen der Bank, dass sie durch Zahlungseingänge objektiv vor anderen Gläubigern bevorzugt wird, nicht für eine Anfechtbarkeit, wenn dem Schuldner ein Benachteiligungsvorsatz fehlte1.

3.802

cc) Gutschrift als maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis der Bank Maßgeblich für die Kenntnis der Bank von dem Benachteiligungsvorsatz ihres Kunden ist nach der Rechtsprechung2 grundsätzlich die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs durch den Anfechtungsgegner. Dies ist nicht etwa der Zeitpunkt der Saldierung, die automatisch mit Insolvenzeröffnung eintritt3, oder der Erklärung, mit der die Bank die Forderungen aus verschiedenen Konten gegeneinander aufrechnet, sondern spätestens der Zeitpunkt, in dem die Aufrechnungslage entsteht4.

3.803

Die Aufrechnungslage entsteht im Inkassoverhältnis des Lastschriftgläubigers zu seiner Gläubiger-/Inkassobank durch die Gutschrift des Lastschriftbetrages auf dem Einreicherkonto. Denn die Gutschrift konkretisiert im Augenblick der Buchung ein abstraktes Schuldversprechen der Gläubigerbank gegenüber dem Zahlungsempfänger, wodurch dessen Guthaben entsprechend erhöht bzw., wenn er im Debet ist, dessen Verbindlichkeit gegenüber der Bank gemindert wird5. Der Buchung kommt rechtsbegründende Kraft zu, sie wirkt konstitutiv6 und ist deshalb als diejenige Rechtshandlung anzusehen, auf die eine Anfechtung abzustellen ist7. Die Wertstellung ist insoweit ohne Bedeutung.

3.804

1 BGH v. 3.3.1960 – VIII ZR 86/59, WM 1960, 381 zur Begünstigungsabsicht nach § 30 KO, die das Spiegelbild der Benachteiligungsabsicht darstellt. 2 BGH v. 15.1.1964 – VIII ZR 236/62, BGHZ 41, 17; BGH v. 11.11.1954 – IV ZR 64/54, BB 1955, 236; BGH v. 13.11.1961 – VIII ZR 158/60, WM 1961, 1371; BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250; OLG München v. 3.8.1965 – 4 U 409/64, DNotZ 1966, 371; LG Düsseldorf v. 24.11.1960 – 7 Q 38/60, KTS 1961, 45. 3 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, § 355 Rn. 98 ff.; s. oben Rn. 2.105a. 4 Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 80; BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809. 5 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 unter V 2b bb. 6 Schoele, Das Recht der Überweisung, 1937, S. 25, 26. 7 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 unter V 2b bb; Hadding/Häuser, Rechtsfragen des Lastschriftverfahrens, 1981, S. 121; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 88.

Büchel | 661

Dritter Teil Rz. 3.805 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.805

Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Bank Lastschriften, die der Kunde der Bank einreicht, unter dem Vorbehalt des Eingangs („E.v.“)1 gutschreibt (Nr. 9 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften oder Sparkassen). Auch wenn die Gutschrift unter der aufschiebenden Bedingung des Deckungseingangs steht (s. Rn. 3.781, 3.812 f.), kommt es auf den Zeitpunkt der Gutschrift und nicht auf den Zeitpunkt des Deckungseingangs an. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn die Bank erst nach der Gutschrift, die die Verrechnung ermöglicht, von dem Benachteiligungsvorsatz des Lastschrifteinreichers erfährt. Für die Anfechtung bedingter Rechtshandlungen hat der Gesetzgeber in § 140 Abs. 3 InsO ausdrücklich angeordnet, dass der Eintritt der Bedingung außer Betracht bleibt, mithin der Kenntnisstand des Anfechtungsgegners im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung entscheidend ist2.

3.806

Dagegen kommt es auf das Verstreichen der achtwöchigen Rückgabefrist im SEPA-Basislastschriftverfahren nicht an. Im Gegensatz zum früheren Einzugsermächtigungsverfahren handelt es sich um die Einstellung eines neuen Buchungspostens und nicht um die Berichtigung des Kontostands, auch wenn die Rückbelastung aufgrund des Erstattungsanspruchs als auflösende Bedingung gesehen wird3. Denn das Konto des Zahlungspflichtigen im SEPA-Basislastschriftverfahren wird aufgrund des Mandats berechtigterweise belastet. Der Rückerstattungsanspruch nach § 675x Abs. 2 BGB i.V.m. Nr. 2.5 Abs. 1 Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren4 gibt einen eigenständigen Anspruch des Zahlungspflichtigen als aktives Gegenrecht, der die Autorisierung des Zahlungsvorgangs nicht entfallen lässt5. dd) Lastschrifteinreichung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis der Bank

3.807

Im Lastschriftverkehr kann die Bank auch schon vor der „E.v.“-Gutschrift Rechte aus dem Vermögen ihres Kunden erwerben. Wird nämlich einer Bank eine Lastschrift zum Einzug eingereicht, so werden ihr nach Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen) zugleich die Forderungen, die mit der Lastschrift eingezogen werden sollen, zur Sicherung abgetreten. Die Sicherungsabtretung dient der Sicherung der Ansprüche, die der Bank gegen den Kunden bei der Einreichung aus seinen Kontokorrentkonten zustehen oder infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere oder diskontierter Wechsel entstehen (Nr. 15 Abs. 4 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften). Wenn die Bank Forderungen besitzt, die von dieser stark eingeschränkten Sicherungszweckvereinbarung erfasst werden, so stehen ihr die Forderungen aus dem Grundgeschäft zu, anderenfalls muss sie sie dem Kunden zusammen mit den auf sie übergegangenen Forderungen auf seine Anforderung hin zurückübertragen (Nr. 15 Abs. 4 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften6).

1 BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZIP 2003, 488; OLG Stuttgart v. 13.1.1971 – 4 U 106/70, WM 1971, 288; LG Frankfurt v. 20.8.1975 – 2/1 S 128/75, NJW 1975, 2296. 2 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZInsO 2004, 852; andeutungsweise BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZIP 2003, 488 (490). 3 BGH v. 13.10.2022 – IX ZR 70/21, ZIP 2022, 2445 Rn. 11; Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/465; Ellenberger in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 36 Rn. 116. 4 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b). 5 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 20. 6 Eine ähnliche Regelung findet sich in Nr. 25 Abs. 2 der AGB Sparkassen. Danach überträgt der Kunde der Sparkasse das Sicherungseigentum für den Fall, dass ein Wechsel, ein Scheck oder ein

662 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.811 Dritter Teil

Mit Übergang der Forderungen aus dem Grundgeschäft auf die Bank ist der Vermögensverlust des Kunden eingetreten, so dass sein Vermögen nicht mehr zusätzlich geschmälert werden und keine Gläubigerbenachteiligung mehr eintreten kann, auch wenn die „E.v.“-Gutschrift erst innerhalb der kritischen Zeit erfolgt1. Denn aufgrund der Sicherungsabtretung der dem Lastschrifteinzug zugrunde liegenden Forderungen gebührt der Bank ohnehin der Gegenwert der Lastschrift. Die Einreichung hat der Bank nämlich ein Absonderungsrecht verschafft. Von diesem Recht kann die Bank Gebrauch machen, indem sie die Forderung einzieht. Geht der Erlös ein, erlischt insoweit ihre besicherte Forderung gegen den Schuldner. Dazu bedarf es keiner kontokorrentmäßigen Verrechnung; wenn die Bank trotzdem den Erlös dem Konto des Schuldners gutschreibt und ihn mit dem Debet saldiert, handelt es sich lediglich um die buchungstechnische Erledigung dieses Vorgangs, der keine selbständige Bedeutung zukommt2. Diese Argumentation ist allerdings nicht anwendbar, wenn der Zahlungsempfänger und der Zahlungspflichtige für die Forderungen aus dem Grundgeschäft wirksam3 ein Abtretungsverbot vereinbart haben4, da die Bank kein Absonderungsrecht erwerben konnte.

3.808

c) Lastschrifteinzug bis zu drei Monaten vor Insolvenzantrag Erhält die Bank einen Lastschrifteinzugsauftrag von einem Kunden, dessen Konto einen debitorischen Saldo aufweist, bis zu drei Monate vor dem Insolvenzantrag oder danach, so kann der Verrechnung, die mit der Gutschrift des Lastschriftbetrages auf dem Konto verbunden ist, das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegenstehen. Dies setzt voraus, dass die Bank die Möglichkeit zur Aufrechnung bzw. Verrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erworben hat. Zu den Anfechtungsrechten wegen vorsätzlicher Benachteiligung tritt vom dritten Monat vor dem Insolvenzantrag an das Recht zur Anfechtung kongruenter (§ 130 InsO) oder inkongruenter Deckungen (§ 131 InsO) hinzu.

3.809

Für die Abgrenzung zwischen kongruenten und inkongruenten Deckungen kann auf die Ausführungen unter Rn. 5.582 ff. und für die jeweiligen Anfechtungsvoraussetzungen auf die Ausführungen unter Rn. 3.223–3.232 verwiesen werden.

3.810

d) Gutschrift vor und Einlösung nach Verfahrenseröffnung Zwischen der Gutschrift des Lastschriftbetrages und der Einlösung der Lastschrift können zwei Tage bei SEPA-Basislastschriften bzw. drei Tage bei SEPA-Firmenlastschriften, zwischen der Einlösung und dem Ablauf der Frist für den Erstattungsanspruch im SEPA_Basislastschriftverfahren bis zu acht Wochen vergehen. Innerhalb dieser Zeitspanne kann es geschehen, dass in Bezug auf den Zahlungspflichtigen ein Insolvenzantrag gestellt und vorläufige Sicherungsmaßnahmen angeordnet oder ein Insolvenzverfahren eröffnet wird und die Vorbehalte, unter denen die Gutschriften innerhalb der Inkassokette standen, erst nach einem

1 2 3 4

anderes Einzugspapier nicht eingelöst wird und der Sparkasse aufgrund von Vorausverfügungen des Kunden Ansprüche gegen ihn zustehen, und zwar bis zum Ausgleich dieser Ansprüche. BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; Reyher/Terpitz, Der Lastschriftverkehr, 1982, S. 90; vgl. auch BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI B § 15 KO 2.85 Obermüller. BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057; BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, ZIP 1992, 778 = WM 1992, 1082. Zur Wirksamkeit von Abtretungsverboten s. § 354a HGB und Grub ZIP 1994, 1649. Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 87.

Büchel | 663

3.811

Dritter Teil Rz. 3.811 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

dieser Zeitpunkte entfallen1. Die Gutschrift steht deshalb unter zwei Bedingungen, nämlich dass die Lastschrift durch die Zahlstelle eingelöst wird und dass der Zahlungspflichtige keine Rückerstattung beansprucht. aa) Bedeutung der Einlösung

3.812

Ob es sich bei dem Vorbehalt der Einlösung um eine aufschiebende oder auflösende Bedingung handelt, war allerdings streitig. Nach heute herrschender Auffassung steht im SEPA-Lastschriftverfahren die Gutschrift „E.v.“ unter der aufschiebenden Bedingung der Einlösung durch die Schuldnerbank und dass sie nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag bei SEPA-Basislastschriften bzw. am dritten Buchungstag bei SEPA-Firmenlastschriften nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird2. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung3 – Rechtsprechung gibt es zu dieser Frage bisher nicht – soll eine Verrechnung auch dann nicht mehr in Betracht kommen, wenn es sich um eine kongruente Deckung handelte und die Bank die oben erwähnten, für eine Anfechtung notwendigen Kenntnisse nicht besaß. In der „E.v.“-Gutschrift liege nämlich zugleich ein aufschiebend bedingtes Zahlungsversprechen der Gläubigerbank. Diese Bedingung könne nach Erlöschen des Kontokorrentvertrages durch die Insolvenzeröffnung nicht mehr eintreten. Ein solches Ergebnis sei folgerichtig, weil die Forderung, die im Wege der Lastschrift getilgt werden solle, in die Masse gefallen sei und daher auch die zu ihrer Tilgung erbrachte Leistung der Masse zustehe.

3.813

Dieser Ansicht eines aufschiebend bedingten Zahlungsversprechens kann die Bank entgegenhalten, dass zwar die Forderung aus dem Grundgeschäft der Masse gehört und der Schuldner, wenn er von der Insolvenzeröffnung Kenntnis erlangt hat und zur Verweigerung seiner Leistung berechtigt ist, die Einlösung der Lastschrift nicht mehr zulassen muss, dass er aber andererseits mit befreiender Wirkung auf die Lastschrift zahlen kann, wenn ihm die Insolvenzeröffnung nicht bekannt geworden ist (§ 82 InsO). Lässt der Zahlungspflichtige in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Zahlungsempfängers die Weisung an die Bank zur Einlösung von Lastschriften bestehen, so wird mit Einlösung der Lastschrift durch die Zahlstelle die zwischen der Zahlstelle und der Gläubigerbank wegen der Lastschrift vorgenommene Buchung bedingungsfrei, d.h. die Gläubigerbank hat gegen die Zahlstelle einen unbedingten Anspruch auf Zahlung des Lastschriftbetrages4. Dabei ist außerdem zu beachten, dass der Schuldner bei Einreichung der Lastschrift bei seiner Zahlerbank die Buchung schon vorab autorisiert hat, die er dann nicht mehr widerrufen kann5. Ebenso kann der Zahlungsempfänger von der Gläubigerbank Herausgabe des Lastschriftbetrages verlangen, nachdem diese Deckung erhalten hat6. Der Anspruch des Zahlungsempfängers gegen die Gläubiger1 So noch für das Einzugsermächtigungsverfahren BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 24. 2 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 23; BGH v. 12.5.2022 – IX ZR 71/21, ZIP 2022, 1283 = ZInsO 2022, 1454 Rn. 19; Gößmann/Rodi, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2019/141. Lfg., Rn. 1/258a; Ellenberger in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 36 Rn. 112. 3 Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 88; so auch Hadding/Häuser, Rechtsfragen des Lastschriftverfahrens, 1981, S. 120. 4 Vgl. dazu BGH v. 10.4.1978 – II ZR 203/76, DB 1978, 1826. 5 BGH v. 13.10.2022 – IX ZR 70/21, ZIP 2022, 2445 Rn. 14. 6 Fallscheer-Schlegel, Das Lastschriftverfahren, 1977, S. 30; Engel, Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, 1966, S. 31.

664 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.815 Dritter Teil

bank auf Herausgabe dessen, was diese durch den Lastschrifteinzug erlangt, ist bereits mit Einreichen der Lastschrift entstanden und gleichzeitig mit dem Pfandrecht der Bank aus Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 Satz 3 AGB Sparkassen) behaftet. Zwar kann die Bank diesen Anspruch nicht mehr in das Kontokorrent einstellen, wenn der Kontokorrentvertrag infolge der Insolvenzeröffnung erloschen ist. Sie ist aber nicht gehindert, sich aus dieser Forderung über ihr Pfandrecht zu befriedigen, da dieses vor Insolvenzeröffnung begründet wurde. Außerdem muss bezweifelt werden, ob der Ausgangspunkt der erwähnten Theorien, dass infolge der Beendigung des Kontokorrentvertrages die aufschiebende Bedingung (Einlösung) nicht mehr eintreten könne, überhaupt zutreffend ist. Anerkanntermaßen äußert nämlich auch ein erloschener Kontokorrentvertrag noch nachvertragliche Pflichten, die z.B. auf Weiterleitung späterer Überweisungseingänge gerichtet sein können1. Hat die Gläubigerbank für ihren Kunden Lastschriften eingezogen, so ist sie auch nach Beendigung des Bankvertrages – gleich aus welchem Grunde der Vertrag beendet wird – verpflichtet, alles zu unterlassen, was den Erfolg des Lastschrifteinzugs nachträglich gefährden könnte. Sie muss also den Eintritt der Bedingung dulden und darf ihn nicht etwa durch Rücküberweisung des Lastschriftbetrages vereiteln. Da die Pflichten der Bank aus dem Bankvertrag in Bezug auf die Lastschrift bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung fortbestehen, kann die Gutschrift noch bedingungsfrei werden. Dies bedeutet, dass die Situation des Lastschriftgläubigers in dem Zeitpunkt der Einlösung durch die Zahlstelle für die Aufrechenbarkeit von Zahlungseingängen aus Lastschrifteinzügen und die Anfechtbarkeit von deren Verrechnung nicht maßgeblich ist, wenn die Aufrechnung bzw. Verrechnung im Zeitpunkt der Gutschrift auf seinem Konto zulässig und unanfechtbar war.

3.814

bb) Bedeutung des Erstattungsanspruchs Für die Aufrechenbarkeit von Zahlungseingängen aus Lastschrifteinzügen und die Anfechtbarkeit von deren Verrechnung kann auch nicht auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem die achtwöchige Frist, innerhalb deren der Zahlungspflichtige den Erstattungsanspruch geltend machen kann, verstrichen ist. Wird der Erstattungsanspruch geltend gemacht, so handelt es sich im Gegensatz zum früheren Einzugsermächtigungsverfahren um die Einstellung eines neuen Buchungspostens und nicht um die konstitutive Anerkennung des Kontostands aufgrund der Fiktion einer Genehmigung, die für das frühere Einzugsermächtigungsverfahren spätestens dann als erteilt galt, wenn der Kunde der Lastschriftbelastung nicht vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses2 für die entsprechende Kontokorrentperiode widersprochen hat. Da demgegenüber das Konto des Zahlungspflichtigen im SEPABasislastschriftverfahren aufgrund des Mandats berechtigterweise belastet wird, steht dem Zahlungspflichtigen anders als bei Lastschriften im früheren Einzugsermächtigungsverfahren kein Anspruch auf bloße Berichtigung zu. Der Rückerstattungsanspruch nach § 675x Abs. 2 BGB i.V.m. Nr. 2.5 Abs. 1 Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren3 gibt vielmehr ei1 BGH v. 21.3.1995 – XI ZR 189/94, ZIP 1995, 659 = WM 1995, 745; LG Hamburg v. 11.7.1980 – 18 O 25/79; OLG Hamm v. 8.12.1980 – 2 U 205/80; Aepfelbach BI 1981, Heft 6, 42; Reinhardt JuS 1981, 529. 2 Zu den Anforderungen an einen Rechnungsabschluss bei der Genehmigungsfiktion für Lastschriftbuchungen s. BGH v. 8.11.2011 – XI ZR 158/10, ZIP 2011, 2455; OLG Düsseldorf v. 26.4.2012 – I-14 U 99/11, ZInsO 2012, 1567. 3 Abgedr. bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E Textanhang, 14. b).

Büchel | 665

3.815

Dritter Teil Rz. 3.815 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

nen eigenständigen Anspruch als aktives Gegenrecht, der die Autorisierung des Zahlungsvorgangs nicht entfallen lässt1.

3.816

Wird der Erstattungsanspruch nicht geltend gemacht, so kommt es nicht zu der Einstellung eines neuen Buchungspostens. Damit verbleibt es bei der Gutschrift und ggf. deren Verrechnung, die die Gläubigerbank vor der Verfahrenseröffnung vorgenommen hat. Für die Wirksamkeit und Anfechtbarkeit ist also stets die Situation des Lastschriftgläubigers in dem Zeitpunkt der Gutschrift des eingezogenen Betrages auf seinem Konto maßgebend.

3.817

frei e) Lastschrifteinzug nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen

3.818

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten der Bank zur Verrechnung des Gegenwerts eingezogener Lastschriften mit einem debitorischen Kontosaldo ab. aa) Anordnung eines Verfügungsverbots

3.819

Ein allgemeines Verfügungsverbot untersagt dem Kunden die Erteilung von neuen Lastschrifteinzugsaufträgen. Aufgrund von Lastschriften, die der Kunde der Bank unter Verstoß gegen dieses Verbot einreicht, kann die Bank keine Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft erwerben, selbst wenn ihr das Verfügungsverbot nicht bekannt war (§ 24 Abs. 1, § 81 InsO). Wenn sie den Einzug durchführt, kann sie den Erlös nicht zur Reduzierung ihrer Forderungen verwenden.

3.820

Wenn der Bank dagegen die Forderungen aus dem Grundgeschäft – etwa durch eine Globalzession oder Mantelzession – schon vor der Anordnung des Verfügungsverbots abgetreten wurden und diese Abtretung nicht anfechtbar ist, kann sie wegen der Forderungen, die nach Nr. 15 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften/Nr. 25 AGB Sparkassen durch die Lastschriften gesichert werden, auf den Inkassoerlös zurückgreifen. Für eine etwaige Anfechtung der Verrechnung ist die Situation maßgebend, die im Zeitpunkt der Einreichung der Lastschrift gegeben war.

3.821

Wenn die Bank die Lastschrift vor der Anordnung des Verfügungsverbots zum Einzug hereingenommen hat, ohne gleichzeitig Forderungen aus dem Grundgeschäft zu erwerben, hat sie das Inkasso fortzusetzen. Eine Verrechnung des Erlöses mit dem debitorischen Kontosaldo, die aufgrund der „E.v.“-Gutschrift bereits vor der Anordnung des Verfügungsverbots vorgenommen wurde, bleibt bestehen.

3.822

Das Verfügungsverbot hat zwar die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken,

1 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 20.

666 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.825 Dritter Teil

es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben1. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner2. Demgemäß darf der Kunde auch keine Verrechnungsvereinbarungen mehr schließen3. Die dem Kontokorrent zugrunde liegende Verrechnungsabrede ist jedoch bereits vor dem Verfügungsverbot getroffen und wirkt grundsätzlich als Vorausverfügung. Bestehende Vorausverfügungen werden nicht schon durch ein allgemeines Verfügungsverbot, sondern erst durch die Verfahrenseröffnung unwirksam4. Gegen damit verbundene Schmälerungen der künftigen Masse im Eröffnungsverfahren gewähren die Anfechtungsvorschriften angemessenen Schutz, so dass eine Vorverlegung der Wirkungen des Insolvenzbeschlags nicht notwendig ist. bb) Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts Wenn das Gericht einen vorläufigen Verwalter einsetzt und einen Zustimmungsvorbehalt anordnet, treten für Lastschrifteinzugsaufträge die gleichen, oben dargestellten Auswirkungen wie bei einem Verfügungsverbot ein.

3.823

cc) Vorläufiger Verwalter mit Prüfungsaufgaben Dementsprechend hat die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters, der nur mit Prüfungsaufgaben betraut wird, keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der antizipierten Verrechnungsabrede; Erlöse aus dem Einzug von Lastschriften können also weiterhin gutgeschrieben und verrechnet werden. Für die Anfechtung der Sicherungsabtretung bzw. der Verrechnung gelten die obigen Ausführungen (s. Rn. 3.796 ff.).

3.824

f) Lastschrifteinzug nach Verfahrenseröffnung Wenn die Bank nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Zahlungsempfängers Lastschriften einzieht, kann sie den Erlös grundsätzlich nicht mit einem etwaigen debitorischen Saldo verrechnen und zur Reduzierung ihrer Forderungen verwenden. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bankkunden erlöschen das Kontokorrentverhältnis und etwa vorher erteilte Lastschriftinkassoaufträge. Auch eine Aufrechnung der Bank mit ihrem Anspruch aus dem Debetsaldo des Schuldners gegen dessen „nachvertraglichen“ Anspruch auf Herausgabe des von der Bank eingezogenen Geld1 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26. 2 OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14. 3 OLG Koblenz v. 29.11.1983 – 3 U 1638/82, ZIP 1984, 164; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626 = WuB VI A § 59 VglO 1.86 Obermüller; OLG Schleswig v. 23.3.1995 – 5 W 47/94, ZIP 1995, 759. 4 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; OLG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204; LG Rostock v. 30.20.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992; zurückhaltend Blankenburg in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022 94. Lfg., § 24 Rn. 17.

Büchel | 667

3.825

Dritter Teil Rz. 3.825 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

betrages1 ist gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen. Denn nach dieser Vorschrift kann die Bank nicht aufrechnen, wenn sie aufgrund eines Lastschrifteinzugs nach Insolvenzeröffnung zur Masse etwas schuldig geworden ist.

3.826

Eine Ausnahme von dem Aufrechnungsverbot ist aber gerechtfertigt, wenn eine Bank aufgrund eines vor Verfahrenseröffnung erteilten Lastschrifteinzugsauftrags nach Verfahrenseröffnung etwas für die Masse erlangt, falls der Auftrag zu ihren Gunsten – etwa wegen ihrer Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung, wegen Gefahr im Verzug (s. Rn. 3.71) – als fortbestehend fingiert wird (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO) oder bereits soweit ausgeführt ist, dass er nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (s. Rn. 3.773). Denn unter der Konkursordnung war anerkannt, dass die Herausgabeverpflichtung als vor Konkurseröffnung gesetzlich begründet und nur noch durch den Zahlungseingang bedingt anzusehen war mit der Folge, dass das Aufrechnungsverbot des § 55 Abs. 1 Nr. 1 KO nicht eingreift2. An dieser zu § 55 KO vertretenen Auffassung hat sich auch durch §§ 94 ff. InsO nichts geändert.

3.827

Eine weitere Ausnahme greift ein, wenn der Bank schon vor der Verfahrenseröffnung die Forderungen aus dem Grundgeschäft wirksam zur Sicherung abgetreten sind. Ist dies geschehen und diese Abtretung nicht anfechtbar, kann die Bank wegen der Forderungen, die nach Nr. 15 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften/Nr. 25 AGB Sparkassen durch die Abtretung gesichert werden, auf den Einzugserlös zurückgreifen. g) Lastschrifteinzug im Planverfahren

3.828

Nach der Rechtskraft der Bestätigung des Plans wird das Insolvenzverfahren aufgehoben (§ 258 InsO). Damit erhält der Kunde das Recht zurück, frei über die Insolvenzmasse zu verfügen (§ 259 InsO). Zur Erteilung von Lastschrifteinzugsaufträgen ist der Kunde damit wieder berechtigt, die Bank kann ihn zur Teilnahme am Lastschrifteinzugsverfahren zulassen. Ebenso kann die Bank den Gegenwert der Lastschrift einem neu eröffneten Konto des Kunden oder dem vom Verwalter eröffneten und von dem Kunden fortgeführten Konto gutschreiben und im Kontokorrent verrechnen. Auf diesem Weg kann sie auch ihre aus der Bestätigung des Plans verbliebenen Forderungen reduzieren.

3.829

Der Kunde erhält auch dann die Verfügungsbefugnis wieder zurück, wenn sich an die Bestätigung des Plans ein Überwachungsverfahren anschließt. Allerdings kann im Plan vorgesehen sein, dass bestimmte Rechtsgeschäfte an die Zustimmung des Verwalters gebunden sind (§ 263 InsO). Der Forderungseinzug mittels Lastschriften dürfte dazu nur in den seltensten Fällen gehören. h) Verweigerung der Einlösung

3.830

Hat die Gläubigerbank die Lastschrift bei Einreichen vor der Krise dem Konto des Zahlungsempfängers gutgeschrieben und wird die Einlösung nach Eintritt der Krise bzw. nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens von der Zahlstelle verweigert, so kommt der Vorbehalt, unter

1 BGH v. 21.3.1995 – XI ZR 189/94, ZIP 1995, 659 = WM 1995, 745; Kübler BB 1976, 802. 2 BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 719; LG Hamburg v. 14.8.1961 – 25 S 2/61, MDR 1962, 304; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 55 Anm. 7; BGH v. 7.7.2003 – II ZR 271/00, WM 2003, 1717; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl. 1979, § 55 Rn. 7.

668 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.833 Dritter Teil

dem die Gläubigerbank die Gutschrift erteilt hat1, zum Zuge, d.h. die Gläubigerbank kann die Gutschrift rückgängig machen2. War durch die Gutschrift ein Guthabensaldo entstanden, so wird dieser um den Betrag der nicht eingelösten Lastschrift ermäßigt. Kommt der Vorbehalt erst nach Insolvenzeröffnung zur Geltung, so hat dies nicht etwa zur Folge, dass die Bank den durch die „E.v.“-Gutschrift entstandenen Guthabensaldo in voller Höhe an den Insolvenzverwalter herausgeben müsste und wegen des Erstattungsanspruchs aus Nr. 5.7. (2) der „Bedingungen für den Lastschrifteinzug“3 zwischen der Gläubigerbank und dem Zahlungsempfänger auf eine Insolvenzforderung angewiesen wäre4. Betrachtet man den Vorbehalt, unter dem die Gutschrift steht, als auflösende Bedingung5, so entfällt die Gutschrift mit Ex-tunc-Wirkung6. Sieht man die Forderung aus der Gutschrift als aufschiebend bedingt an7, beseitigt der Ausfall der Bedingung zwar nicht die noch vor der Insolvenzeröffnung liegende Gutschrift, jedoch deren materielle Berechtigung. Mit Verfahrenseröffnung ist allerdings das Recht der Bank zur Stornierung entfallen (s. Rn. 2.106). Dennoch kann der Verwalter nicht die Auszahlung eines durch die Gutschrift entstandenen Guthabens verlangen. Dies würde zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse führen. Mit diesem Massebereicherungsanspruch könnte die Bank auch nach Verfahrenseröffnung aufrechnen. Die Aufrechnungsverbote der § 95 Abs. 1 Satz 3, § 96 InsO greifen gegenüber Masseforderungen nicht durch.

3.831

Soweit durch die „E.v.“-Gutschrift ein debitorischer Saldo ermäßigt wurde, kann die Bank den Lastschriftbetrag in die Anmeldung ihrer Insolvenzforderungen einbeziehen. Sieht man die Bedingung, unter der die Gutschrift erteilt wurde, als auflösende an, so erhöht sich der Debetsaldo auf dem Konto um den Betrag der entfallenen Gutschrift. Geht man von einem aufschiebend bedingten Erstattungsanspruch aus, so ist dieser anzumelden.

3.832

6. Erhebung des Erstattungsanspruchs durch den Zahlungspflichtigen Wenn der Zahlungspflichtige im SEPA-Basislastschriftverfahren nach Nr. 2.5 der Bedingungen Erstattung des belasteten Betrages verlangt, ist die Gläubigerbank nach Nr. 4.7 der Bedingungen zur Lastschriftinkassovereinbarung berechtigt, die Vorbehaltsgutschrift rückgängig zu machen. Geschieht dies nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Zahlungsempfängers, erhebt sich die Frage, ob die Gläubigerbank den zurückzubuchenden Betrag mit einem etwaigen Guthaben verrechnen kann oder ob sie das Guthaben dem Insolvenzverwalter herausgeben und sich wegen des zurückerstatteten Betrags mit einer Insolvenzforderung begnügen muss.

1 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; BGH v. 10.4.1978 – II ZR 203/76, DB 1978, 1826; Bauer WM 1981, 1186 (1193). 2 Nicht zutreffend ist die Auffassung des OLG Dresden v. 14.9.2005 – 8 U 1024/05, WM 2007, 547, das der Gläubigerbank anstelle einer Korrekturbuchung einen vertraglichen Aufwendungsersatzanspruch zubilligt. 3 Abgedr. bei Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/408a. 4 LG Aachen v. 13.3.1990 – 10 O 655/89, WM 1990, 1042; OLG Köln v. 2.11.1990 – 13 U 130/90, WM 1991, 28 = WuB I D 2. – 1.91 Obermüller. 5 So z.B. Merz WM 1983, 106 und Werner in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, Bankrecht IV D 2. 6 Fallscheer-Schlegel, Das Lastschriftverfahren, 1977, S. 44; OLG Düsseldorf v. 20.12.1990 – 12 U 206/89, ZIP 1991, 330. 7 Offengelassen von BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 unter V 2b bb.

Büchel | 669

3.833

Dritter Teil Rz. 3.834 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

a) Wiederherstellung des ursprünglichen Saldos

3.834

Wird der Erstattungsanspruch geltend gemacht, so handelt es sich im Gegensatz zum früheren Einzugsermächtigungsverfahren um die Einstellung eines neuen Buchungspostens und nicht um die konstitutive Anerkennung des Kontostands aufgrund der Fiktion einer Genehmigung, die für das frühere Einzugsermächtigungsverfahren spätestens dann als erteilt galt, wenn der Kunde der Lastschriftbelastung nicht vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses1 für die entsprechende Kontokorrentperiode widersprochen hat. Da demgegenüber das Konto des Zahlungspflichtigen im SEPA-Basislastschriftverfahren aufgrund des Mandats berechtigterweise belastet wird, steht dem Zahlungspflichtigen anders als bei Lastschriften im früheren Einzugsermächtigungsverfahren kein Anspruch auf bloße Berichtigung zu. Der Rückerstattungsanspruch nach § 675x Abs. 2 BGB i.V.m. Nr. 2.5 Abs. 1 Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren gibt vielmehr einen eigenständigen Anspruch als aktives Gegenrecht, der die Autorisierung des Zahlungsvorgangs nicht entfallen lässt2. Dies würde bedeuten, dass es sich um eine neue Forderung handelt, mit der die Bank nicht mehr aufrechnen kann (§ 94 InsO).

3.835

Dabei ist aber noch nicht berücksichtigt, dass die Gläubigerbank dem Zahlungsempfänger den Lastschriftbetrag auf seinem Konto nur „Eingang vorbehalten“ gutschreibt. Muss die Gläubigerbank an die Zahlstelle eine SEPA-Basislastschrift zurückerstatten, weil der Zahler von seinen Erstattungsanspruch Gebrauch gemacht hat, kann sie die Vorbehaltsgutschrift auf den Zeitpunkt der Einreichungswertstellung rückgängig machen3. Die Gutschrift steht damit unter der auflösenden4 Bedingung, dass es nicht zur Rückvergütung im Interbankenverhältnis wegen eines geltend gemachten Rückerstattungsanspruchs des Zahlungspflichtigen kommt. Schon im früheren Einzugsermächtigungsverfahren wurde der Widerspruch einhellig als auflösende Bedingung angesehen5.

3.836

Dies bedeutet, dass die Gutschrift auf dem Empfängerkonto mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt ihrer Erteilung entfällt und der ursprüngliche Saldo wiederhergestellt wird6, unabhängig davon, ob der Zahlungspflichtige vor oder während der Krise oder nach Verfahrenseröffnung Erstattung verlangt. Dass die Bank auf Seiten des Zahlungspflichtigen eine Wiedergutschrift vornehmen muss, der keine Rückwirkung zukommt (s. Rn. 3.680), ändert daran nichts. Die Bank läuft also nicht Gefahr, sich mit den Anhängern der Theorie einer aufschie-

1 Zu den Anforderungen an einen Rechnungsabschluss bei der Genehmigungsfiktion für Lastschriftbuchungen s. BGH v. 8.11.2011 – XI ZR 158/10, ZIP 2011, 2455; OLG Düsseldorf v. 26.4.2012 – I-14 U 99/11, ZInsO 2012, 1567. 2 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 20; Piekenbrock/Rodi/ Aßfalg WM 2017, 2281. 3 So noch für das Einzugsermächtigungsverfahren BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = ZInsO 2010, 1538 Rn. 24. 4 BGH v. 13.10.2022 – IX ZR 70/21, ZIP 2022, 2445 Rn. 11; Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/465; Ellenberger in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 36 Rn. 116. 5 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, BGHZ 74, 309 = WM 1979, 828; OLG Düsseldorf v. 6.5.1977 – 16 U 213/76, NJW 1977, 1403; OLG Bremen v. 28.3.1980 – 4 U 138/79, ZIP 1980, 358; Bauer WM 1981, 1186; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 577; Fallscheer-Schlegel, Das Lastschriftverfahren, 1977, S. 32; Hadding/Häuser, Rechtsfragen des Lastschriftverfahrens, 1981, S. 75; Brian/Krepold, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2020/145. Lfg., Rn. 6/465 – auflösende Bedingung bei SEPA. 6 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 125/02, ZIP 2002, 2184 = NJW 2003, 143.

670 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.838 Dritter Teil

benden Bedingung auseinandersetzen zu müssen, die zur Folge hätte, dass sie auf die Aufrechnung mit einem Massebereicherungsanspruch angewiesen wäre. b) Direktanspruch der Bank gegen den Zahlungspflichtigen Daneben kann die Bank aber auch einen unmittelbaren Anspruch gegen den Zahlungspflichtigen erwerben. Wenn nämlich der Widerspruch des Zahlungspflichtigen nicht darauf zurückzuführen ist, dass die der Lastschrift zugrunde liegende Forderung von dem Zahlungspflichtigen bestritten wird, sondern etwa auf mangelnder Deckung seines Kontos oder auf formellen Beanstandungen (z.B. fehlende Einzugsermächtigung) beruht, kann die Bank sich aus den Forderungen aus dem Grundgeschäft, die ihr nach Nr. 15 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften/Nr. 25 AGB Sparkassen bei Hereinnahme der Lastschrift zur Sicherheit abgetreten wurden1, abgesondert befriedigen. Ebenso haften ihr andere in ihrem Besitz befindliche Werte des Kunden gemäß Nr. 14 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen).

3.837

Die Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft ist allerdings ohne Wert, wenn der Zahlungspflichtige mit Gegenforderungen, die ihm gegen den Zahlungsempfänger zustehen, noch aufrechnen kann. Hatte eine solche Aufrechnungslage bis zur Durchführung des Lastschrifteinzugs bestanden, so darf der Zahlungspflichtige sie nicht durch Ausübung seines Erstattungsanspruchs wiederherstellen, wenn er damit nur seine formelle Rechtsposition ausnutzt, um das Risiko, mit seinen Gegenforderungen in der Insolvenz des Zahlungsempfängers auszufallen, auf die Gläubigerbank zu verlagern2. Der Widerspruch gegen eine Lastschrift war im früheren Einzugsermächtigungsverfahren nämlich dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Zahlungspflichtige ohne die Kenntnis von der Insolvenz des Zahlungsempfängers nicht widersprochen hätte und wenn er mit dem Widerspruch die Gläubigerbank schädigt, die den Zahlungsempfänger über den eingezogenen Betrag hat verfügen lassen; dies gilt entsprechend für die Ausübung eines Erstattungsanspruchs im SEPA-Basislastschriftverfahren. Ein solches missbräuchliches Verhalten gibt der Gläubigerbank einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegenüber dem Zahlungspflichtigen. Demgegenüber ist ein Erstattungsverlangen des Zahlungspflichtigen solange nicht zu beanstanden, wie in seinem bisherigen Verhalten innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist noch kein Verzicht auf die Ausübung seiner Gegenrechte zu sehen ist. Auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Zahlungsunfähigkeit des Zahlungsempfängers kommt es dann nicht an. Auch ist ein Widerspruch wegen einer Aufrechnung mit solchen Forderungen missbräuchlich, die der Zahlungspflichtige von einem Dritten erworben hat, um dessen Ausfall in der drohenden Insolvenz des Zahlungsempfängers zu verhindern3.

3.838

1 BGH v. 12.5.1980 – VIII ZR 170/79, ZIP 1980, 425; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 142/89, WM 1990, 1910 = WuB I 1a. – 6.91 Ott; BFB, 18. Ausgabe 1969, Anm. 9 zu Nr. 44 AGB, S. 45; Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 87. 2 Hegel Die Bank 1982, 74; vgl. auch BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689; BGH v. 18.6.1979 – II ZR 160/78, WM 1979, 831; BGH v. 27.11.1984 – II ZR 294/83, ZIP 1985, 343 = WM 1985, 82. 3 OLG Oldenburg v. 6.3.1986 – 1 U 164/85, EWiR § 826 BGB 4/86 = WM 1986, 1277 = WuB I D 2. – 1.87 Häuser.

Büchel | 671

Dritter Teil Rz. 3.839 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

c) Einbehalten des Lastschriftgegenwerts

3.839

Für die Bank wäre es gegenüber Zahlungsempfängern, deren Bonität nicht über jeden Zweifel erhaben ist, deshalb nützlich, wenn sie Verfügungen über den Gegenwert solcher Lastschriften verweigern könnte, die noch unter der auflösenden Bedingung, dass der Zahlungspflichtige seinen Erstattungsanspruch geltend macht, stehen. Ist durch den Lastschrifteinzug ein Guthaben entstanden, so kann die Bank zwar kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, denn solange die auflösende Bedingung noch nicht eingetreten ist, fehlt es an der nach § 273 Abs. 1 BGB notwendigen Fälligkeit ihres Rückerstattungsanspruchs.

3.840

Sie kann aber an dem Guthaben, soweit es durch das Risiko des Ausübens von Erstattungsansprüchen gefährdet ist, auf ihr Pfandrecht nach Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen) zurückgreifen oder die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (Nr. 13 AGB-Banken bzw. Nr. 22 AGB-Sparkassen) verlangen1. Dieses Pfandrecht steht ihr auch für künftige und bedingte Forderungen zu; gesicherte Forderung ist der Anspruch der Bank aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen der Auszahlung eines Geldbetrages, für die der Rechtsgrund nachträglich, nämlich wegen Eintritts der auflösenden Bedingung weggefallen ist (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Forderung ist keine nur künftige, sondern sie ist mit Auszahlung des Gegenwerts der Lastschrift bereits aufschiebend bedingt durch den Erstattungsanspruch des Zahlungspflichtigen, also den Eintritt der auflösenden Bedingung, unter der die Gutschrift stand, und das Fehlen eines ausreichenden Guthabens nach Vornahme der Korrekturbuchung entstanden2. Bewegt sich das Konto des Zahlungsempfängers im Debet, so kann die Bank in Höhe des Volumens der mit dem Erstattungsanspruch belasteten Gutschriften aus Lastschrifteinzügen Sicherheiten verlangen (Nr. 13 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften; Nr. 22 Abs. 1 AGB Sparkassen).

3.841–3.849

frei

d) Ausgleich zwischen Zahler und Zahlungsempfänger

3.850

Der Zahler kann seinen Erstattungsanspruch unabhängig davon durchsetzen, ob die Forderung des Zahlungsempfängers, die dieser mit der Lastschrift geltend gemacht hat, berechtigt oder unberechtigt ist.

3.851

War sie berechtigt, so bleibt der Anspruch des Zahlungsempfängers aus dem Grundverhältnis erhalten. Infolge des Erstattungsverlangens des Zahlers fällt gleichzeitig die Erfüllungswirkung der ursprünglichen unbaren Leistung aus der Lastschrift nachträglich weg3. Der Insolvenzverwalter des Zahlungsempfängers kann also dessen Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis gegen den Zahler geltend machen, einer Anfechtung bedarf es nicht4.

3.852

War die Forderung unberechtigt, so stand dem Zahler auch materiell-rechtlich im Valutaverhältnis ein Erstattungsanspruch aus § 326 Abs. 1, 4, § 346 BGB oder aus § 812 BGB zu. Damit erhebt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter die Befriedigung dieses Anspruchs durch die

1 Ellenberger in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 36 Rn. 120. 2 Das übersieht LG Krefeld v. 25.4.2002 – 3 O 248/01, ZInsO 2002, 638. 3 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 = ZIP 2010, 1556; BGH v. 12.5.2022 – IX ZR 71/21, ZIP 2022, 1283 = ZInsO 2022, 1454 Rn. 19. 4 Madaus/Knauth/Krafczyk WM 2020, 1283; Knauth/Krafczyk WuB 2022, 325, 328.

672 | Büchel

D. Lastschriftverkehr | Rz. 3.857 Dritter Teil

im Lastschriftverfahren erwirkte Rückzahlung gegenüber dem Zahler, der ersten Inkassostelle oder der Zahlstelle anfechten kann1. aa) Anfechtungen wegen unmittelbarer oder vorsätzlicher Benachteiligung Dabei scheiden Anfechtungen gegenüber dem Zahler, der ersten Inkassostelle oder der Zahlstelle wegen unmittelbarer Benachteiligung (§ 132 InsO) oder vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO) von vornherein aus, da beide Vorschriften eine Rechtshandlung des Schuldners voraussetzen. An einer Rechtshandlung des Zahlungsempfängers fehlt es aber. Denn die Lastschrifterstattung wird im Gegensatz zur Lastschriftzahlung, bei der die Zahlung durch den Zahlungsempfänger initiiert wird, ohne sein Zutun allein durch das Erstattungsverlangen des Zahlers gegenüber der Zahlstelle angestoßen. Die Initiative geht hier nicht vom Zahlungsempfänger als „Rückzahler“ aus, weshalb die Erstattung schon insofern keinen mit der Zahlung vergleichbaren Gesamtvorgang darstellen kann. Die Untätigkeit des Zahlungsempfängers kann insbesondere weder als anfechtungsrelevante Zahlungsautorisierung noch als Unterlassen (§ 129 Abs. 2 InsO) bewertet werden, da beides stets eine Willensbetätigung voraussetzt, die hier fehlt2.

3.853

bb) Anfechtungen wegen kongruenter oder inkongruenter Deckung Damit verbleiben für eine Anfechtung die Bestimmungen über kongruente Deckung (§ 130 InsO) oder inkongruente Deckung (§ 131 InsO), denn dafür ist keine Rechtshandlung des Schuldners erforderlich3. Eine Anfechtung ist hier nur gegenüber dem Zahler, nicht aber gegenüber der Zahlstelle oder der ersten Inkassostelle denkbar.

3.854

Hinsichtlich der Zahlstelle lässt sich schon vorab feststellen, dass sie in keinem denkbaren Fall Anfechtungsansprüchen wird ausgesetzt sein können, da ihr eine eigene Rechtsverbindung zum Zahlungsempfänger fehlt und sie daher im Regress bei der Inkassostelle nie die Befriedigung einer Insolvenzforderung (§ 38 InsO) erlangt.

3.855

Hinsichtlich der ersten Inkassostelle fehlt es an deren Rechtshandlung, denn die Rückbuchung wird nicht von ihr ausgelöst, sondern durch die Zahlstelle. Zudem erhält sie weder eine Sicherung noch eine Befriedigung einer Insolvenzforderung.

3.856

Hinsichtlich des Zahlers liegt mit seinem Erstattungsverlangen eine hinreichende Rechtshandlung vor. Diese führte zur Entstehung des Aufwendungsersatzanspruches der Inkassostelle und so mittelbar zur Möglichkeit der Verrechnung, da diesem nunmehr sowohl bei einem kreditorisch geführten Konto als auch bei einem debitorischen Konto infolge von Zahlungseingängen ein Auszahlungsanspruch des Zahlungsempfängers gegenübersteht4. In einem kreditorisch geführten Konto ergibt sich die Gläubigerbenachteiligung dann aus der Verkürzung des Guthabensaldos, beim debitorisch geführten Konto entweder aus dem Hinzutreten eines weiteren Rückzahlungsanspruches der Inkassostelle (geduldeter Kontokorrentkredit) oder der Verkürzung des bestehenden (Rest-)Verfügungsrahmens (noch nicht ausgeschöpfter

3.857

1 2 3 4

S. dazu Piekenbrock/Rodi/Aßfalg WM 2017, 2281. Madaus/Knauth/Krafczyk WM 2020, 1283. Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 130 Rn. 8. Madaus/Knauth/Krafczyk WM 2020, 1283.

Büchel | 673

Dritter Teil Rz. 3.857 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Kontokorrentkredit). Gleichzeitig erhält der Zahler eine Befriedigung seines Anspruchs aus dem Grundverhältnis aus § 326 Abs. 1, 4, § 346 BGB oder aus § 812 BGB1.

3.858–3.899

frei

E. Kassenverkehr 3.900

Zum klassischen Kassenverkehr gehören die Ein- und Auszahlungen von Bargeld über die Kasse in den Geschäftsräumen einer Bank oder über den Tag- und Nachttresor. Inzwischen haben sich eine Vielzahl weiterer Formen vor allem für die Auszahlung sog. elektronischen Geldes2 etabliert, angefangen vom Geldausgabeautomaten über das „electronic-cash“-System3 zur bargeldlosen Bezahlung an POS4-Kassen bis zum „edc“5-System6. Eine Ausgabe elektronischen Geldes liegt vor, wenn die elektronischen Werteinheiten von der ausgebenden Stelle auf denjenigen, der sie zu Bezahlzwecken einsetzen möchte, übertragen werden7. Dafür reicht es bereits aus, wenn auf irgendeinem elektronischen Speichermedium (z.B. einer Festplatte oder einer Chipkarte) festgehalten wird, dass der Kunde bzw. der durch die Gutscheinkarte Ausgewiesene Inhaber einer bestimmten Werteinheit geworden ist.

3.901

Ein- und Auszahlungen von Bargeld auf ein bzw. von einem Konto werden auf der Basis eines Girovertrages vorgenommen. Besitzt der Kunde eine Code-Karte für Geldautomaten, so beruht dies auf einem sog. Bankkartenvertrag, der gesondert zum Girovertrag abgeschlossen wird und der ebenfalls einen Geschäftsbesorgungsvertrag darstellt8.

3.902

Mit der Auszahlung des Kontoguthabens an den Kunden über die Kasse oder den Geldausgabeautomaten seiner Bank9 wird dessen Guthabenforderung oder seine Forderung auf Auszahlung eines zugesagten Kredits durch Übereignung von Geldzeichen oder Geldmünzen erfüllt; sie erlischt (§ 362 BGB).

3.903

Durch die Einzahlung auf ein Konto verwandelt sich Bargeld in Buchgeld. Dabei handelt es sich nicht um ein irgendwie geartetes Miteigentum am Bankvermögen, sondern um eine Guthabenforderung, die auf dem mit der Bank bestehenden Vertragsverhältnis beruht10.

1 A.A. Madaus/Knauth/Krafczyk WM 2020, 1283, die nur auf das Geschehen in der Inkassokette abstellen. 2 S. auch das Gesetz zur Umsetzung der Zweiten E-Geld-Richtlinie – RL 2009/110/EG v. 1.3.2011, BGBl. I 2011, 288. 3 Vereinbarung über ein institutsübergreifendes System zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen s. WM 1994 Sonderbeilage 1 S. 16 ff. sowie ergänzende Vereinbarungen bei Werner, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2018/133. Lfg., Rn. 6/1526 ff. 4 Point of sale; Einzelheiten s. Bröcker WM 1995, 468; Harbeke WM 1994, Sonderbeilage 1; zu EDIFACT s. Reiser/Werner WM 1995, 1901. 5 Electronic debit card bzw. european debit card. 6 S. Hoeren NJW 1995, 2473. 7 Lösing ZIP 2011, 1944. 8 BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, ZIP 2006, 175 = WM 2006, 179. 9 Zu missbräuchlicher Verwendung von EC-Karten s. OLG Düsseldorf v. 21.5.2014 – I-16 U 191/13, ZIP 2014, 1923. 10 Pikart WM 1980, 510; Liesecke WM 1975, 217.

674 | Büchel

E. Kassenverkehr | Rz. 3.908 Dritter Teil

Für den Fall der Insolvenz des Kontoinhabers ist zwischen Auszahlungen und Einzahlungen zu unterscheiden:

3.904

I. Auszahlungen über die Kasse oder einen Geldausgabeautomaten Für die Rechte und Pflichten der Bank im Kassenverkehr kommt es darauf an, in welchem Stadium der Insolvenz der Kontoinhaber sich im Zeitpunkt der Auszahlung befindet. Unerheblich ist, wann die entsprechende Buchung vorgenommen wurde, denn diese hat nur deklaratorische Bedeutung1. Ebenso ist es rechtlich weitgehend ohne Bedeutung2, ob das Geld in herkömmlicher Weise über die Kasse oder durch einen Geldautomaten3 der kontoführenden Bank4 oder an einem institutsfremden Geldautomaten5 ausgezahlt wurde.

3.905

1. Auszahlung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Bankkunde, sofern kein allgemeines Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet ist (§§ 21, 24 InsO), unbeschränkt über sein Vermögen verfügen. Demgemäß kann er von der Bank noch wirksam die Auszahlung eines Guthabens verlangen und das Eigentum an den Geldzeichen erwerben. Ebenso kann er einen ihm eingeräumten Kredit in Anspruch nehmen. Von einer etwaigen Guthabenforderung bzw. der Forderung auf Auszahlung des zugesagten Kredits wird die Bank in Höhe des ausgezahlten Betrages frei. Bei Inanspruchnahme eines Kredits durch Barauszahlung erhöht sich der debitorische Saldo entsprechend.

3.906

2. Auszahlung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag Auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder einem Insolvenzantrag bleibt der Kunde zur Abhebung von Bargeld an der Kasse oder am Geldausgabeautomaten berechtigt, sofern kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen oder ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet ist (§§ 21, 24 InsO). Das Verhalten der Bank hängt davon ab, ob sie von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag Kenntnis hat.

3.907

a) Auszahlung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags Wenn die Bank von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag des Kunden keine Kenntnis hat, wird sie ihm die Auszahlung seines Guthabens oder eines zugesagten, aber noch nicht in Anspruch genommenen Kredits nicht verweigern. Ein etwaiger Guthabensaldo ermäßigt sich entsprechend; die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Wird der Saldo dagegen debitorisch oder erhöht sich der Sollsaldo, so erwirbt die Bank eine entspre1 BGH v. 17.10.2017 – XI ZR 419/15, ZIP 2017, 2292; BGH v. 9.10.1974 – VIII ZR 190/73, WM 1974, 1127; Merz WM 1983, 106. 2 Wirtschaftlich hat es durch die oft unterschiedlichen Entgelte Bedeutung (zu Entgeltklauseln für Barabhebungen s. BGH v. 18.6.2019 – XI ZR 768/17, ZIP 2019, 2203; OLG München v. 12.10.2017 – 29 U 4903/16, ZIP 2018, 213; OLG Karlsruhe v. 26.6.2018 – 17 U 147/17, WM 2018, 1690). 3 Zum Geldautomaten vgl. Bieber WM 1987, Beilage Nr. 6; Stecher WM 1977, 186. 4 Bei der Benutzung von Geldausgabeautomaten anderer Institute mittels ec-Karte gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Verwendung von eurocheques (s. 7. Aufl. Rn. 3.219 ff.). 5 Bei der Benutzung von Geldausgabeautomaten anderer Institute sind diese Erfüllungsgehilfen des kontoführenden Instituts (Maihold in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 32 Rn. 71).

Büchel | 675

3.908

Dritter Teil Rz. 3.908 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

chende Forderung gegen den Kontoinhaber, die – sofern die Bank keine Sicherheiten besitzt – in einem späteren Insolvenzverfahren eine einfache Insolvenzforderung darstellt. b) Auszahlung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags

3.909

Auch wenn die Bank von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag weiß, kann sie dem Kunden die Auszahlung nicht ohne Weiteres verweigern. Weder die Zahlungsunfähigkeit noch der Insolvenzantrag geben der Bank ein Leistungsverweigerungsrecht, solange das Konto ein Guthaben aufweist oder die Kreditzusage noch besteht. Allerdings wird sie eine Kreditzusage unverzüglich widerrufen, wenn sie von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag erfährt (§ 490 Abs. 1 BGB)1.

3.910

Bewegt sich die Kontoverfügung jedoch im Rahmen einer zugesagten Kreditlinie, für die der Kunde der Bank ausreichende Sicherheiten bestellt hat, so ist eine Kündigung oder Leistungsverweigerung für die Bank nicht zwingend. Durch die Auszahlung können ihr keine rechtlichen Nachteile entstehen. Die Auszahlung kann gegenüber der Bank nicht nach §§ 129 ff. InsO angefochten werden2. Auch die Einbeziehung der durch die Auszahlung entstandenen Kreditforderung unter die Deckung von außerhalb der Anfechtungsfristen bestellten Sicherheiten ist nicht anfechtbar. Bei Grundschulden oder sonstigen, nicht akzessorischen Sicherheiten fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung, da die Sicherheit schon vor der kritischen Zeit aus dem Vermögen des Kunden ausgeschieden war3. Bei akzessorischen Sicherheiten (Hypothek) scheitert eine Anfechtung an dem Umstand, dass es sich um ein Bargeschäft4 handelt. Eine Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO ist allenfalls im Verhältnis zwischen Kunden und dessen Vertragspartner, der den ausgezahlten Betrag erhält, möglich5.

3. Auszahlung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen 3.911

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten des Bankkunden zur Verfügung über sein Konto mittels Barauszahlungen ab. a) Allgemeines Verfügungsverbot

3.912

Nach Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots darf die Bank an ihren Kunden grundsätzlich keine Gelder mehr auszahlen. Besitzt der Kunde eine Code-Karte für Geldautomaten, 1 Zur ordentlichen Kündigung und zum Widerruf der Kreditzusage vgl. unten Rn. 5.318 ff. und Rn. 5.333 ff. 2 RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144; Ganter NZI 2010, 835. 3 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; Kirchhof WM 1996 Sonderbeilage Nr. 2, 19. 4 S. im Einzelnen Rn. 6.110 ff. sowie BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 (VII). 5 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 = ZInsO 2013, 1077; BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 = ZInsO 2013, 1898; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 14 = ZIP 2008, 190; BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 Rn. 11; kritisch dazu Wiester/Kranz NZI 2012, 541.

676 | Büchel

E. Kassenverkehr | Rz. 3.914 Dritter Teil

so muss die Bank unverzüglich eine Sperre veranlassen und die Karte einziehen. Denn ein allgemeines Verfügungsverbot hat die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben1. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner2 im Wege der Barauszahlung von Kontoguthaben. Hat der Kunde noch vor Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots mittels seiner ecKarte im Wege des electronic-cash Systems oder des Maestro Systems eine Zahlung veranlasst, hat er damit auch ein abstraktes Garantieversprechen für seine kontoführende Bank begründet. Dies ergibt sich aus Nr. 10 der Vereinbarung über ein institutsübergreifendes System zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen (electronic-cash-System)3, der auszugsweise wie folgt lautet:

3.913

„(a) Die kartenausgebenden Zahlungsdienstleister werden gegenüber Unternehmen, die die „Bedingungen für die Teilnahme am electronic cash-System der Kreditwirtschaft“ ... anerkannt haben, ein Zahlungsversprechen in Höhe des am electronic cash-Terminal autorisierten Betrages abgeben. (b) Soweit die Kreditwirtschaft mit Kooperationspartnern entsprechende Kooperationsvereinbarungen geschlossen hat, garantieren die angeschlossenen Zahlungsdienstleister auch die von ihren Karteninhabern im Rahmen des Systems der Kooperationspartner bei angeschlossenen Unternehmen getätigten Umsätze in Höhe des autorisierten Betrages. (c) Weiterhin geben die kartenausgebenden Zahlungsdienstleister innerhalb des internationalen Maestro-Systems ein solches Zahlungsversprechen für die im Rahmen jenes Systems von ihnen gegenüber angeschlossenen Unternehmen autorisierten Umsätze ab.“

Der Kunde handelt insofern als Vertreter der kartenemittierenden Bank. Für die Bank ist diese Situation vergleichbar einem bestätigten Überweisungsauftrag oder einem bestätigten Akkreditiv (s. auch Rn. 3.306 ff., 4.41). Das heißt, der Auszahlungauftrag des Kunden ist bereits ausgeführt durch das Begründen einer selbständigen Verpflichtung der Bank gegenüber einem Dritten. Die Bank muss an den Dritten zahlen, so dass für sie das gleiche Schutzbedürfnis besteht, als wenn sie ohne Kenntnis des Verfügungsverbots an den Kunden direkt gezahlt hätte4. aa) Auszahlung ohne Kenntnis der Lage des Kunden Das allgemeine Verfügungsverbot ist zwar wie jede andere Verfügungsbeschränkung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen (§ 23 InsO). Wenn die Bank dies aber übersieht und sie auch sonst keine Kenntnis von dem Verfügungsverbot erlangt hat, wird sie dem Wunsch des Kunden auf Auszahlung seines Guthabens nachkommen. Sie kann dann mit befreiender Wirkung aus dem Guthaben leisten (§§ 21, 24, 82 InsO)5. Bei einer Auszahlung

1 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26. 2 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626; vgl. auch OLG Karlsruhe v. 10.7.1985 – 6 U 206/84, NJW 1986, 63. 3 Abgedr. bei Werner, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2018/133. Lfg., Rn. 6/1526 ff. 4 S. für die vergleichbare Situation eines unter Verwendung einer ec-Karte ausgestellten und begebenen eurocheques vor Insolvenzeröffnung 7. Aufl. 2007, Rn. 3.221 ff.; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 21. 5 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, ZInsO 2006, 92.

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3.914

Dritter Teil Rz. 3.914 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

vor der öffentlichen Bekanntmachung wird ihre Unkenntnis vermutet, anderenfalls trägt sie die Beweislast für ihre Unkenntnis.

3.915

Handelt es sich bei der Barabhebung um die Inanspruchnahme eines vorher zugesagten Kredits, so wird die Bank von dem Auszahlungsanspruch1 des Kunden frei. Ihre Kreditforderung, insbesondere ihren Anspruch aus einem etwaigen Kontokorrentkredit, der als Geschäftsbesorgungsverhältnis von dem Verfügungsverbot nicht insgesamt beseitigt wird (s. Rn. 2.20), kann sie im nachfolgenden Insolvenzverfahren als Insolvenzforderung geltend machen2. Das Verfügungsverbot steht der Einbeziehung ihrer Forderungen unter die Deckung von Sicherheiten (z.B. Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen, Grundschulden, Pfandrechte) nicht entgegen, sofern diese Sicherheiten schon vor Erlass des Verbots unanfechtbar bestellt wurden3. bb) Auszahlung trotz Kenntnis des Verbots

3.916

Verstößt die Bank gegen das allgemeine Verfügungsverbot, obwohl es ihr bekannt war, kann sie sich von der Guthabenforderung des Kunden durch eine Barauszahlung an ihn nicht befreien; ist das Konto des Kunden debitorisch, so kann sie ihre Kreditforderungen später nicht mehr als Insolvenzforderung geltend machen4. Ein Bereicherungsanspruch gegen den Schuldner scheitert an § 814 BGB. b) Vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot

3.917

Ist ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Über ein etwaiges Kontoguthaben kann nur noch der vorläufige Verwalter verfügen.

3.918

Soweit der vorläufige Verwalter mit der Bank vereinbart, dass dieses Konto überzogen werden darf, handelt es sich um eine Kreditabsprache, aus der die künftige Masse haftet. Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nämlich nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 InsO). Dazu zählen auch Ansprüche aus Barverfügungen zu Lasten eines mit der Bank vereinbarten Kontokorrentkredits. c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot

3.919

Ohne Anordnung eines Verfügungsverbots geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Daher kann der Verwalter ohne Zustimmung des Kunden nicht über dessen Konten verfügen und keine Auszahlungen von Guthaben fordern. Das Gleiche gilt für einen vorläufigen Verwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist. Er kann nicht allein verfügen und deshalb keine Auszahlung verlangen, aber – wenn der Kontoinhaber eine Barauszahlung wünscht – entscheiden, ob er sie bewilligt oder ablehnt. Die Bank muss sich dann die Zustimmung nachweisen lassen.

1 2 3 4

Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rn. 1318. Huber in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 36 Rn. 51. BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; Kirchhof WM 1996 Sonderbeilage Nr. 2, 19. Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 48.

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E. Kassenverkehr | Rz. 3.923 Dritter Teil

4. Auszahlung nach Insolvenzeröffnung Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden kann die Bank grundsätzlich nur noch an den Insolvenzverwalter zahlen. Besitzt der Kunde eine Code-Karte für Geldautomaten, so beruht dies auf einem sog. Bankkartenvertrag, der gesondert zum Girovertrag abgeschlossen wird und der ebenfalls einen Geschäftsbesorgungsvertrag darstellt1. Auch dieser erlischt mit der Verfahrenseröffnung2. Daher muss die Bank unverzüglich eine Sperre veranlassen und die Karte einziehen. Eine Ausnahme gilt selbstverständlich für Auszahlungen zu Lasten eines Pfändungsschutzkontos oder eines Kontos, das der Kunde nach der Insolvenzeröffnung eingerichtet hat und das der Aufnahme von Geldern dient, die ihm zur freien Verfügung überlassen wurden oder die ihm als Unterhalt aus der Masse bewilligt wurden (§ 100 InsO).

3.920

Für die Rechtsfolgen einer Barauszahlung nach Insolvenzeröffnung ist zu unterscheiden, ob die Bank bei der Auszahlung von der Insolvenzeröffnung nichts wusste oder ob sie Kenntnis hatte und ob das Konto des Schuldners debitorisch oder kreditorisch war.

3.921

a) Auszahlung ohne Kenntnis von der Insolvenzeröffnung aa) Auszahlung aus Guthaben Wenn die Bank in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung dem Kunden sein Guthaben auszahlt, wird sie von ihrer Schuld nach § 82 InsO befreit3. Die Beweislast für die fehlende Kenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung trifft bei einer Zahlung vor der öffentlichen Bekanntmachung den Insolvenzverwalter (§ 82 Satz 2 InsO), bei einer Zahlung nach der öffentlichen Bekanntmachung muss die Bank ihre Unkenntnis beweisen (§ 82 Satz 1 InsO). Dabei steht fahrlässige Unkenntnis, das sog. Kennenmüssen, der Kenntnis nicht gleich4. Auch die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Insolvenz schließen lassen, schadet nicht. Diese in § 130 Abs. 2, § 131 Abs. 2 InsO enthaltene Fiktion der Kenntnis beruht auf dem Bemühen der Insolvenzrechtsreform, die Anfechtung von Rechtshandlungen vor Verfahrenseröffnung zu erleichtern5; eine Ausdehnung dieser Sonderregelungen auf andere Themen ist nicht zulässig.

3.922

bb) Auszahlung zu Lasten eines Kredits Zahlt die Bank, der die Insolvenzeröffnung nicht bekannt ist, im Rahmen eines vor Insolvenzeröffnung zugesagten Kredits Gelder an den Kunden aus, so wird sie von dem Auszahlungsanspruch6 des Kunden frei. Zwar könnte man zunächst daran denken, dass durch die Auszah1 BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, ZIP 2006, 175 = WM 2006, 179. 2 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 164/14, ZIP 2015, 738 = ZInsO 2015, 742 Rn. 9; BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 11. 3 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92; OLG Rostock v. 19.6.2006 – 3 U 6/06, ZInsO 2006, 884; für den insoweit übereinstimmenden § 8 KO: Jaeger/Henckel, KO, 4. Aufl. 1977, § 8 Rn. 28; Kübler BB 1976, 804; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9b; Liesecke WM 1975, 300; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 114; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 117. 4 LG München v. 2.12.1986 – 32 S 11420/86, WM 1987, 222; nur positive Kenntnis schadet, Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 13. 5 RegE Allgemeine Begründung A 4b gg. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rn. 1318.

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3.923

Dritter Teil Rz. 3.923 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

lung von Bargeld an den Kunden nach Insolvenzeröffnung eine neue Forderung begründet wird, die sich nicht gegen die Insolvenzmasse richtet und deretwegen auch nur in das insolvenzfreie Vermögen vollstreckt werden könnte. Denn die Insolvenzmasse dient nur zur Befriedigung derjenigen „persönlichen Gläubiger, welche einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch an den Schuldner haben“ (§ 38 InsO). Zu den Neugläubigern würde die Bank gehören, wenn die Auszahlung nicht die Erfüllung eines schon vor Insolvenzeröffnung begründeten Auszahlungsanspruchs darstellen, sondern erst den Kreditvertrag selbst zustandebringen würde.

3.924

Die rechtliche Qualifikation der Vereinbarungen zwischen der Bank und dem Kunden über die Einräumung eines Kredits ist unterschiedlich. Sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen, nämlich einmal in Kontokorrentkreditverträge, deren Basis das Kontokorrentkonto darstellt und die vorwiegend in Form einer Kreditlinie eingeräumt werden, die in verschiedener Weise, d.h. z.B. durch Barinanspruchnahme, Aval- und Diskontkredite, ausgenutzt werden kann, und zum anderen in Festkredite, zu denen in erster Linie Annuitätendarlehen und Ratenkredite zählen1. Kontokorrentkreditverträge würden zwar infolge der Insolvenzeröffnung (§ 116 InsO) erlöschen2, jedoch kommt die Schutzwirkung der §§ 116, 115 Abs. 3 InsO zum Zuge: Danach gilt ein Auftrag bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag zugunsten des Beauftragten als fortbestehend, bis der Beauftragte von dem Erlöschen Kenntnis erlangt oder das Erlöschen kennen muss. Unausgenutzte Zusagen für Kredite der letzteren Art bleiben dagegen bestehen und unterliegen dem Wahlrecht des Verwalters.

3.925

Damit ist die Unterscheidung ohne praktische Bedeutung, denn dies bedeutet, dass für die Bank der Auszahlungsanspruch des Kunden entweder fortbesteht oder als fortbestehend fingiert wird. Zahlt sie an den Kunden zur Erfüllung dieses fingierten Anspruchs, so erbringt sie eine Leistung „auf eine zur Insolvenzmasse zu erfüllende Verbindlichkeit“ (§ 82 InsO). Durch die Leistung an den Kunden wird sie von dem Auszahlungsanspruch befreit (§ 82 InsO). Gleichzeitig entsteht die Rückzahlungspflicht3. Der Rückzahlungsanspruch fällt unter die Insolvenzforderungen. Denn er beruht auf dem vor Insolvenzeröffnung geschlossenen Vertrag.

3.926

Die Bank ist jedoch nicht auf die Insolvenzquote angewiesen, wenn ihr andere Werte des Kunden für ihre Forderung haften4. § 115 Abs. 3 InsO schließt nämlich nicht aus, dass die Bank für ihre Forderung ein Absonderungsrecht erhält, sondern stellt nur klar, dass keine Masseforderungen entstehen, obwohl die Bank nach Verfahrenseröffnung eine Leistung zugunsten der Masse erbringt. Die Begründung zum Regierungsentwurf für die Insolvenzrechtsreform, die vom Rechtsausschuss übernommen wurde, führt dazu aus, dass die Regelungen der Konkursordnung über das Erlöschen von Aufträgen und Geschäftsbesorgungsverträgen inhaltlich unverändert übernommen worden seien; dort aber war unstreitig, dass Absonderungsrechte für derartige Forderungen in Anspruch genommen werden dürfen5.

1 Weitere Abgrenzungskriterien s. Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, Teil I C 2.5. 2 OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/97, NZI 2000, 181; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/03, ZInsO 2004, 683; BGH v. 21.6.2005 – XI ZR 152/04, ZIP 2005, 1448; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rn. 1318. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 502. 5 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 27 Rn. 9; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 27 Rn. 5; zur Begründung s. im Einzelnen oben Rn. 3.55 f.

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E. Kassenverkehr | Rz. 3.930 Dritter Teil

b) Auszahlung trotz Kenntnis der Insolvenzeröffnung Zahlt die Bank versehentlich an den Kunden, obwohl ihr die Insolvenzeröffnung bekannt ist, so kann sie von dem Insolvenzverwalter nochmals auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Sie erwirbt gegen den Schuldner einen Bereicherungsanspruch, der nicht als Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann. Dagegen steht ihr gegen ihren Kunden kein Aufwendungsersatzanspruch zu. Er lässt sich nach Fortfall des Bankvertrages auch nicht aus der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB)1 herleiten, da die Zahlung in der Regel dem Interesse und dem Willen des Insolvenzverwalters widerspricht (§ 683 BGB).

3.927

Etwas anderes kann sich aber daraus ergeben, dass die Bank nach Insolvenzeröffnung eine Zahlung aus dem Guthaben des Insolvenzschuldners an einen Dritten aufgrund eines vor Insolvenzeröffnung begründeten Schuld- oder Garantieversprechens vornimmt. Ein solches Versprechen kann durch die Zahlung des Insolvenzschuldners mittels seiner ec-Karte im Wege des electronic-cash Systems oder des Maestro Systems zustande kommen2. Insofern ist die Bank genauso schutzwürdig wie bei Zahlung in Unkenntnis. Die Bank kann schuldbefreiend dem Insolvenzschuldner gegenüber an den Dritten leisten (s. Rn. 3.913).

3.928

Dasselbe Ergebnis gilt, wenn der Insolvenzschuldner noch nach Verfahrenseröffnung die ecKarte zu entsprechenden Zahlungen verwendet. Der Schuldner handelt – da der Bankkartenvertrag infolge der Insolvenzeröffnung erloschen ist – bei Abschluss des Garantievertrages als Vertreter3 der Bank ohne Vertretungsmacht. Ist dem kartenakzeptierenden Dritten die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Zahlers nicht bekannt, so wird er durch § 172 Abs. 2 BGB geschützt4; die Scheckkarte stellt nämlich eine Vollmachtsurkunde dar, bis zu deren Rückgabe an den Vertretenen die Vertretungsmacht im Außenverhältnis bestehen bleibt5.

3.929

c) Maßgebender Zeitpunkt für die Kenntnis Für die Frage, ob die Bank durch die Barauszahlung an den Kunden mit befreiender Wirkung gegenüber der Masse leisten konnte (§ 82 InsO), ist bei der Zahlung über die Kasse das Wissen der auszahlenden Stelle der Bank über die Verfahrenseröffnung bzw. die Anordnung des Verfügungsverbots (§§ 24, 82 InsO) im Zeitpunkt der Aushändigung des Bargelds maßgebend. Die Kenntnis einer anderen Stelle der Bank schadet zunächst nicht6; diese muss ihr Wissen jedoch unverzüglich an die kontoführende Stelle weiterleiten (Einzelheiten s. Rn. 3.61 f.). 1 Geschäftsführung ohne Auftrag für den Konkursverwalter ist grundsätzlich möglich (BGH v. 9.6.1971 – VIII ZR 25/70, NJW 1971, 1564), für den Insolvenzverwalter kann insoweit nichts anderes gelten. 2 Koch in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 43 Rn. 5 ff., 58; Bröcker WM 1995, 468; Harbecke WM 1994 Sonderbeilage 1 S. 8. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 831; Schaudwet NJW 1968, 10; Eisenhardt MDR 1972, 731; OLG Nürnberg v. 8.6.1978 – 8 U 11/78, MDR 1978, 933; AG Aachen v. 6.11.1969 – 10 C 502/69; LG Bochum v. 12.2.1970 – 9 HO 127/69; OLG Hamm v. 18.11.1971 – 2 Ss 685/71, WM 1972, 327; OLG Düsseldorf v. 3.3.1975 – 6 U 168/74, WM 1975, 504; ohne Boten oder Vertreter für ein direktes Angebot durch die Bank: Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E. Recht des Zahlungsverkehrs, Rn. 758. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 842. 5 Vgl. auch zum eurocheque Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 7. Aufl. 2007, Rn. 3.226. 6 BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809; BGH v. 1.6.1989 – III ZR 261/87, WM 1989, 1364 = WuB I G 7. – 8.89 Heymann; BGH v. 1.6.1989 – III ZR 277/87 – 1989, 1368 = WuB IV A § 166 BGB 1.89 Obermüller; vgl. OLG Celle v. 20.3.1981 – 8 U 109/80, ZIP 1981, 467 für die Zurech-

Büchel | 681

3.930

Dritter Teil Rz. 3.931 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.931

Bei der Benutzung eines Geldausgabeautomaten ist es nicht ausgeschlossen, dass die Bank zwar schon Kenntnis von der Verfahrenseröffnung bzw. dem Verfügungsverbot erlangt, aber aus technischen Gründen noch keine Gelegenheit hatte, die Auszahlung zu verhindern. Wie bei der Verwendung von ec-Karten im electronic-cash System nach Verfahrenseröffnung tritt auch hier die befreiende Wirkung der Zahlung ein, wenn der Kunde am Automaten verfügt, bevor die Bank die Sperre bei ordnungsgemäßer Geschäftsabwicklung einmelden konnte.

II. Einzahlungen durch den Kunden über die Kasse 3.932

Für die Wirkung von Bareinzahlungen auf das Konto des Kunden ist zunächst zu unterscheiden, ob das Geld von dem Kunden oder von einem Dritten eingezahlt wird. Zahlt der Kunde ein, so erhebt sich die Frage, ob er der Bank das Geld noch wirksam übereignen und ob die Bank den eingezahlten Betrag mit dem Debetsaldo verrechnen darf. Dabei ergeben sich weitgehende Parallelen zu dem Fall des Eingangs von Überweisungen.

1. Einzahlungen vor Verfügungsverbot bzw. Verfahrenseröffnung 3.933

Einzahlungen, die der Kunde vor der Anordnung eines Verfügungsverbots bzw. vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens tätigt, muss die Bank entgegennehmen und seinem Konto gutschreiben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Bank den eingezahlten Betrag auch endgültig behalten und mit einem debitorischen Saldo verrechnen kann. Für die Zulässigkeit der Verrechnung kommt es wesentlich auf die wirtschaftliche Lage des Kunden und deren Kenntnis auf Seiten der Bank im Zeitpunkt der Einzahlung an. Maßgebend ist die tatsächliche Einzahlung, d.h. die Vollendung der Geldübergabe und Feststellung des gutzubringenden Betrages. Denn der Inhaber eines aufgrund eines Girovertrages bei der Bank1 geführten Kontokorrentkontos erwirbt Forderungsrechte gegen die Bank sofort mit der Einzahlung von Bargeld und nicht erst mit der entsprechenden Gutschriftbuchung2. Die Buchung hat nur deklaratorische Bedeutung3.

3.934

Eine Verrechnung mit einem debitorischen Saldo ist nicht möglich bei der Einzahlung von Geldern, die der Kunde der Bank mit einer besonderen Zweckbestimmung übergeben hat, mit der die Verrechnung nicht vereinbar ist4. Dazu zählt beispielsweise der Auftrag, die eingezahlten Gelder an einen Dritten weiterzuleiten5. Dies entspricht der Regelung in Nr. 14 Abs. 3 AGB-Banken. Danach sind Gelder oder andere Werte, die in die Verfügungsgewalt der Bank mit der Maßgabe gelangen, dass sie nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden dürfen, vom AGB-Pfandrecht ausgenommen. Kann der mit der Einzahlung verfolgte Zweck nicht

1 2 3 4

5

nung der Kenntnis innerhalb einer Anwaltssozietät sowie Rn. 3.239 für die Kenntnis von Mitarbeitern derselben Stelle. BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809. RG v. 29.11.1922 – I 348/22, RGZ 105, 398; BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 96/78, WM 1979, 533; BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809; Merz WM 1983, 106. BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 96/78, WM 1979, 533; BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809; Merz WM 1983, 106. BGH v. 6.5.1968 – II ZR 228/65, WM 1968, 695; BGH v. 30.11.1972 – II ZR 115/71, WM 1973, 167; BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, ZIP 1985, 523 = WM 1985, 688; BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, ZIP 1990, 368 = WM 1990, 6; entsprechend für das Entstehen eines AGB-Pfandrechts LG Dresden v. 25.1.2001 – 16 U 2113/00, WM 2001, 803. OLG Düsseldorf v. 21.5.1987 – 6 U 197/86, WM 1987, 1008 = WuB I D 1. – 8.87 Peterhoff; LG Zweibrücken v. 16.12.1986 – 3 S 101/86, WM 1987, 1010 = WuB I D 1 – 9.87 Gößmann.

682 | Büchel

E. Kassenverkehr | Rz. 3.937 Dritter Teil

mehr erreicht werden, etwa weil der Girovertrag durch Kündigung der Bank oder durch Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Kunden endet, bevor der Auftrag ausgeführt ist, so verhilft dies der Bank nicht nachträglich zu einer Rückführung des Debetsaldos1. Selbst wenn das Verrechnungsverbot, das in der Zweckbestimmung lag, nachträglich entfallen sein sollte, so ist die Einstellung in das Kontokorrent als anfechtbare Rechtshandlung i.S.v. §§ 129 ff. InsO anzusehen; selbstverständlich müssen auch die übrigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen2. Die Verrechnung bzw. Aufrechnung des eingezahlten Betrages mit einem debitorischen Saldo unterliegt weiteren Beschränkungen, die mit zunehmender Nähe des Insolvenzverfahrens steigen (vgl. im Einzelnen Rn. 1.414). Eine Verrechnung bzw. Aufrechnung ist nämlich nicht zulässig, wenn die Bank die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Je nach Lage des Falles kann die Anfechtung generell ausgeschlossen sein oder aber von der wirtschaftlichen Situation des Kunden und der Kenntnis der Bank von dieser Lage im Zeitpunkt der Einzahlung abhängen. Für die Angriffsmöglichkeiten gegen die Verrechnung ist zwischen den verschiedenen Phasen einer Insolvenz zu unterscheiden:

3.935

a) Einzahlungen bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantrag Von den Anfechtungsmöglichkeiten reicht die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen am weitesten zurück. Theoretisch kann die Verrechnung von Einzahlungen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag getätigt wurden, in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren angefochten werden, wenn der Kunde bei der Einzahlung den Vorsatz hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen und die Bank dies wusste (§ 133 Abs. 1 InsO). Aus praktischen Gründen ist der zeitliche Anwendungsbereich der Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen jedoch erheblich beschränkt. Aus rechtlichen und praktischen Gründen ist der zeitliche Anwendungsbereich der Absichtsanfechtung jedoch erheblich beschränkt. Durch die Reform des Anfechtungsrechts3 wurde die Frist grundsätzlich durch den neuen § 133 Abs. 2 InsO bei Rechtshandlungen, die dem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, auf vier Jahre verkürzt, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob es sich um eine kongruente oder inkongruente Deckung handelte. Die Unterscheidung hat vor allem bei der Fiktion der Kenntnis des Gläubigers nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO Bedeutung. Bei der kongruenten Deckung greift die Vermutung der Kenntnis nur bei eingetretener, nicht aber schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit, § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO. Der BGH hat zudem die Anforderungen für den Insolvenzverwalter für die teilweise ausufernde VorsatzAnfechtungsmöglichkeiten wieder erhöht4.

3.936

Einen Benachteiligungsvorsatz kann der Kunde nur dann hegen, wenn im Zeitpunkt der Einzahlung sein Vermögen nicht mehr ausreicht, seine Gläubiger sämtlich zu befriedigen, wenn er also schon überschuldet ist oder wenn er schon einen Anlass hatte, mit dem baldigen Eintritt einer Krise und einer nachfolgenden Insolvenz zu rechnen5. Subjektiv liegt ein Benachtei-

3.937

1 BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 96/78, WM 1979, 533. 2 Zur Verrechnung von Eingängen unter Zulassen der Wiederinanspruchnahme der Kreditlinie vgl. oben Rn. 3.170 und BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133. 3 Art. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654. 4 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339; Stohrer ZInsO 2023, 121. 5 OLG Düsseldorf v. 30.6.1983 – 6 U 120/81, ZIP 1983, 786; Plander BB 1972, 1480; Einzelheiten s. Rn. 5.510 ff.

Büchel | 683

Dritter Teil Rz. 3.937 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

ligungsvorsatz vor, wenn der Kunde die Gläubigerbenachteiligung als mutmaßliche Folge seines Handelns erkannt und gebilligt hat1. Für einen Benachteiligungsvorsatz stellt der Umstand, dass die Einzahlung zu einer inkongruenten Deckung (zum Begriff s. Rn. 3.207) führt, ein starkes Indiz dar2. aa) Einzahlung als kongruente Deckung

3.938

Ob die Rückführung des debitorischen Saldos durch Verrechnung von Einzahlungen eine inkongruente Deckung darstellt, hängt – da die Bank aufgrund des debitorischen Saldos einen Betrag in der eingegangenen Höhe zu beanspruchen hatte – davon ab, ob sie die Deckung auch zu dieser Zeit und in der empfangenen Art verlangen konnte.

3.939

Für den Zahlungsverkehr wird in der Regel ein Kontokorrentkonto eingesetzt, auf dem die Bank dem Kunden eine Kreditlinie zur Verfügung stellt oder auch Überziehungsmöglichkeiten einräumt. Auf die Frage, ob die Bank die Deckung auch zu dieser Zeit verlangen konnte und es sich daher um eine kongruente oder inkongruente Deckung handelt, wirkt sich dies zusammengefasst (Einzelheiten s. Rn. 5.582 ff.) wie folgt aus:

3.940

– Bewegt sich die Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits innerhalb der dem Kunden eingeräumten Linie, so stellt eine Rückführung eines ungekündigten Kontokorrentkredits unter die vereinbarte Linie eine inkongruente Deckung dar, weil die Bank ohne Kündigung nicht die sofortige Reduzierung des Saldos auf einen Betrag unterhalb der Linie fordern kann. – Die Tilgung eines Kontokorrentkredits am Ende der zugesagten (und nicht verlängerten) Laufzeit ist dagegen kongruent. – Hatte die Bank einen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellten Kontokorrentkredit für einen Zeitpunkt vor dem Zahlungseingang gekündigt, so ist die Fälligkeit hergestellt und damit die Kongruenz gegeben. – Handelt es sich um die Überziehung eines Girokontos, so kann die Bank jederzeit Rückführung auf den vereinbarten Saldo verlangen; eine inkongruente Deckung liegt also insoweit nicht vor.

3.941

Eine kongruente Deckung im Hinblick auf die Art des Empfangs der Leistung, nämlich durch Barzahlung, liegt grundsätzlich auch dann vor, wenn vertraglich Zahlung durch Überweisung vorgesehen ist, der Schuldner aber in bar bezahlt3. In beiden Varianten handelt es sich letztlich um Geldzahlungen, die sich nur im Zahlungsmittel unterscheiden. Die Abweichung ist aber so gering, dass daran die Kongruenz nicht scheitern kann. Entscheidend ist, dass es sich um eine verkehrsübliche Zahlungsweise handelt4.

1 BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182; BGH v. 23.9.1981 – VIII ZR 245/80, ZIP 1981, 1229; Einzelheiten s. Rn. 5.510. 2 BGH v. 5.5.1959 – VIII ZR 221/57, WM 1959, 1007; BGH v. 11.1.1961 – VIII ZR 203/59, WM 1961, 388; BGH v. 5.11.1964 – VII ZR 2/63, WM 1965, 85; BGH v. 26.2.1969 – VIII ZR 41/67, WM 1969, 375; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/ 92, ZIP 1993, 1653; OLG Düsseldorf v. 8.7.1992 – 19 U 3/92, ZIP 1992, 1488. 3 AG Braunschweig v. 20.2.2013 – 115 C 2479/12, ZInsO 2014, 2006 mit Anm. Lehmann/Hausherr ZInsO 2014, 2561. 4 BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 868/13, ZInsO 2015, 344 Rn. 14.

684 | Büchel

E. Kassenverkehr | Rz. 3.947 Dritter Teil

frei

3.942–3.943

bb) Benachteiligungsvorsatz Hat die Bank eine nach den obigen Grundsätzen inkongruente Deckung erhalten, so kann die Rückführung des Saldos in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren nur angefochten werden, wenn der Kunde andere Gläubiger benachteiligen, d.h. die Bank vor den anderen Gläubigern begünstigen wollte und dieser Benachteiligungsvorsatz der Bank auch bekannt war.

3.944

Dass der spätere Schuldner andere Gläubiger benachteiligen wollte, kann nicht allein aus dem Umstand entnommen werden, dass er Bargeld zur Rückführung des Debetsaldos bei der Bank aufbringt. Ein starkes Indiz für die Willensrichtung des Kunden stellt seine Praxis in der Vergangenheit dar. Eine auffällige Vermehrung von Bareinzahlungen kann auf einen Benachteiligungsvorsatz hinweisen. Für eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO muss der Bank der Benachteiligungsvorsatz bekannt gewesen sein. Dazu ist notwendig, dass der Kunde der Bank in irgendeiner Form seinen Willen, sie bevorzugt zu befriedigen und damit andere Gläubiger zu benachteiligen, mitgeteilt hat. Umgekehrt genügt das Wissen der Bank, dass sie durch Zahlungseingänge objektiv vor anderen Gläubigern bevorzugt wird, nicht für eine Anfechtbarkeit, wenn dem Schuldner ein Benachteiligungsvorsatz fehlte1.

3.945

cc) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis der Bank Maßgeblich für die Kenntnis der Bank von dem Benachteiligungsvorsatz ihres Kunden ist nach der Rechtsprechung2 grundsätzlich die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs durch den Anfechtungsgegner. Dies ist nicht etwa der Zeitpunkt der Saldierung, die automatisch mit Insolvenzeröffnung eintritt3, oder der Erklärung, mit der die Bank die Forderungen aus verschiedenen Konten gegeneinander aufrechnet, sondern spätestens der Zeitpunkt, in dem die Aufrechnungslage entsteht4.

3.946

Die Aufrechnungslage entsteht nicht erst durch die Gutschrift des eingezahlten Betrages auf dem Kundenkonto, sondern bereits dann, wenn die Bank die Verfügungsmacht über das Geld erlangt. Das ist bei Einzahlung an der Kasse mit der Annahme des Geldes durch den Kassierer und Ausstellung der Empfangsquittung der Fall. Handelt es sich um eine Einzahlung über den Tag-/Nachttresor, so ist noch nicht der Einwurf der Geldkassette, sondern erst der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Inhalt der Kassette sortiert, gezählt und den einzelnen Einzahlern zugewiesen ist. Grundsätzlich ist für eine Anfechtung der Verrechnung die wirtschaftliche Lage des Einreichers in diesem Zeitpunkt maßgeblich.

3.947

1 BGH v. 3.3.1960 – VIII ZR 86/59, WM 1960, 381 zur Begünstigungsabsicht nach § 30 KO, die das Spiegelbild des Benachteiligungsvorsatzes darstellt. 2 BGH v. 15.1.1964 – VIII ZR 236/62, BGHZ 41, 17; BGH v. 11.11.1954 – IV ZR 64/54, BB 1955, 236; BGH v. 13.11.1961 – VIII ZR 158/60, WM 1961, 1371; BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250; OLG München v. 3.8.1965 – 4 U 409/64, DNotZ 1966, 371; LG Düsseldorf 24.11.1960 – 7 Q 38/60, KTS 1961, 45. 3 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, § 355 Rn. 98 ff.; s. oben Rn. 2.105a. 4 Canaris, Einhundert Jahre Konkursordnung, 1977, S. 80; BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809.

Büchel | 685

Dritter Teil Rz. 3.948 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

b) Einzahlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor Insolvenzantrag

3.948

Erhält die Bank Einzahlungen von einem Kunden, dessen Konto einen debitorischen Saldo aufweist, innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzantrag, so kann der Verrechnung, die mit der Gutschrift des eingezahlten Betrages auf dem Konto verbunden ist, das Aufrechnungsverbot des § 96 Nr. 3 InsO entgegenstehen. Dies setzt voraus, dass die Bank die Möglichkeit zur Aufrechnung bzw. Verrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erworben hat. Zu den Anfechtungsrechten wegen vorsätzlicher Benachteiligung tritt vom dritten Monat vor dem Insolvenzantrag an das Recht zur Anfechtung kongruenter (§ 130 InsO) oder inkongruenter Deckungen (§ 131 InsO) hinzu. aa) Anfechtbarkeit kongruenter Deckungen

3.949

Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, auf die er einen Anspruch hatte (kongruente Deckung), sind anfechtbar, wenn der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte. Für diese Kenntnis genügt bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO); unerheblich ist lediglich, ob der Anfechtungsgegner die notwendige Schlussfolgerung tatsächlich auch gezogen hat. bb) Anfechtbarkeit inkongruenter Deckungen

3.950

Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (sog. inkongruente Deckungen), sind anfechtbar, wenn der Schuldner zu dieser Zeit bereits zahlungsunfähig war, ohne dass es auf den Kenntnisstand des Anfechtungsgegners ankommt. Inkongruente Deckungen sind auch dann anfechtbar, wenn der Schuldner zu diesem Zeitpunkt noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet war, dem Gläubiger aber zur Zeit der Handlung bekannt war, dass die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden. Der Insolvenzverwalter hat also lediglich zu beweisen, dass dem Anfechtungsgegner entweder die Benachteiligung der anderen Gläubiger positiv bekannt war oder dass er Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs. 2 InsO). Für die Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung kann auf die obige Darstellung verwiesen werden (s. Rn. 3.207). c) Einzahlungen im letzten Monat vor Insolvenzantrag oder nach Insolvenzantrag

3.951

Erhält die Bank Einzahlungen von einem Kunden, dessen Konto einen debitorischen Saldo aufweist, im letzten Monat vor oder nach einem Insolvenzantrag, so hat sie diese anzunehmen. Zwar können sich die Geschäftsführer einer GmbH und die Vorstände einer AG schadensersatzpflichtig machen, wenn sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens noch Zahlungen leisten (§ 15b InsO bzw. bis 31.12.2020 §§ 64, 43 GmbHG, § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG). Dies wirkt sich jedoch nicht auf das Verhältnis zu der Bank aus. Allerdings kann der Erfolg der nach §§ 94, 95 ff. InsO an sich zulässigen Aufrechnung bzw. Verrechnung des eingezahlten Betrages mit dem debitorischen Kontosaldo vom Insolvenzverwalter durch Anfechtung wieder beseitigt werden, deren Voraussetzungen sich danach richten, ob die Bank eine kongruente oder eine inkongruente Deckung erhalten hat. Für die Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung kann auf die obige Darstellung verwiesen werden (s. Rn. 3.207).

686 | Büchel

E. Kassenverkehr | Rz. 3.958 Dritter Teil

Kongruente Deckungen sind anfechtbar, wenn die Bank zur Zeit der Einzahlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Für diese Kenntnis genügt bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO); unerheblich ist lediglich, ob die Bank die notwendige Schlussfolgerung tatsächlich auch gezogen hat.

3.952

Kongruente Deckungen, die nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen werden, sind nicht anfechtbar, wenn der Eröffnungsantrag auf Überschuldung oder auf drohende Zahlungsunfähigkeit (§§ 18, 19 InsO) gestützt wird, die Zahlungsunfähigkeit aber noch nicht eingetreten ist, und wenn die Bank von dem Eröffnungsantrag nichts wusste.

3.953

Inkongruente Deckungen sind unabhängig davon anfechtbar, ob der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war; auf den Kenntnisstand der Bank kommt es ebenfalls nicht an.

3.954

2. Einzahlungen nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten der Bank zur Verrechnung von Einzahlungen des Kunden mit einem debitorischen Kontosaldo ab.

3.955

a) Allgemeines Verfügungsverbot Ein allgemeines Verfügungsverbot untersagt dem Kunden die Einzahlung von Geldern und die damit verbundene Umwandlung von Bargeld in Buchgeld. Ein gutgläubiger Erwerb ist bei beweglichen Sachen, zu denen auch Bargeld gehört, nicht möglich1.

3.956

Die Bank könnte also nur nach den Vorschriften über die Verbindung und Vermischung beweglicher Sachen (§§ 947, 948 BGB) Alleineigentum oder Miteigentum an dem eingezahlten Geld erwerben2. Eine Verrechnung des Eingangs gegen einen debitorischen Saldo ist wegen der fehlenden Gleichartigkeit nicht möglich. Allerdings wird die Bank vermeiden wollen, an eingezahlten Geldern lediglich Miteigentum zu erwerben, und daher überlegen, ob sie die Einzahlung nicht zurückweisen soll. Dies kann für den Kunden, insbesondere bei größeren Einzelhandelsunternehmen, die ihre Tageseinnahmen abliefern möchten, Schwierigkeiten mit sich bringen.

3.957

Auch ist fraglich, ob die Einzahlung von Bargeld auf ein Konto bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise überhaupt als ein Fall angesehen werden kann, der unter das Verfügungsverbot fällt. Die Umwandlung von Bargeld in Buchgeld ist nämlich wertneutral; die Insolvenzgläubiger, deren Schutz das Verfügungsverbot dient, können dadurch nicht benachteiligt werden. Angesichts der derzeitigen Tendenz der Rechtsprechung, die eine völlige Gleichsetzung von Bargeld und Buchgeld ablehnt3, wird man jedoch vorsorglich von der oben dargestellten

3.958

1 OLG Frankfurt v. 17.2.2003 – 25 W 9/03, ZInsO 2003, 713. 2 Vgl. dazu Henssler in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2002, § 948 Rn. 6 m.w.N. 3 Z.B. OLG Köln v. 5.11.2008 – 2 U 16/08, ZInsO 2009, 390; OLG Hamm v. 18.7.1986 – 11 U 326/ 85, DB 1986, 2531; vgl. dazu Pikart WM 1980, 510; Liesecke WM 1975, 214; Dücker WM 1999, 1257.

Büchel | 687

Dritter Teil Rz. 3.958 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Lage ausgehen müssen. Dies bedeutet, dass die Bank den eingezahlten Betrag nicht zur Reduzierung ihrer Forderungen verwenden kann. b) Vorläufiger Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt

3.959

Wenn das Gericht einen vorläufigen Verwalter einsetzt und ihm einen Zustimmungsvorbehalt einräumt, treten für Bareinzahlungen die oben für ein Verfügungsverbot dargestellten Auswirkungen ein, die jedoch allein an den Zustimmungsvorbehalt anknüpfen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Dies bedeutet, dass die Bank sich vor der Entgegennahme von Bareinzahlungen durch den Kunden die Zustimmung des vorläufigen Verwalters nachweisen lassen müsste. In der Regel wird dieser, wenn er die Fortführung des Betriebes billigt, auch die Zustimmung zu der Einzahlung erteilen, jedoch Wert darauf legen, dass die Gelder nur auf ein Konto gutgeschrieben werden, über das er verfügungsbefugt ist und dessen Guthaben nicht mit debitorischen Salden aus der Zeit vor Erlass des Verfügungsverbots verrechnet werden können.

3.960

Demgegenüber hat die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters, der nur mit Prüfungsaufgaben betraut wird, keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der antizipierten Verrechnungsabrede; Bareinzahlungen können also weiterhin gutgeschrieben und verrechnet werden. Für die Anfechtung der Verrechnung gelten die obigen Ausführungen (s. Rn. 3.936 ff.).

3. Einzahlungen nach Verfahrenseröffnung 3.961

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen (§§ 80, 81 InsO). Demgemäß kann er der Bank das Eigentum an Bargeld nicht mehr übertragen1. Dies gilt auch dann, wenn der Bank die Insolvenzeröffnung nicht bekannt war. Ein gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen ist im Insolvenzverfahren nämlich nicht möglich, da § 81 InsO nur die Vorschriften für anwendbar erklärt, die den guten Glauben an Eintragungen im Grundbuch, Schiffs- und Schiffsbauregister betreffen.

3.962

Die Bank kann aber nach den Vorschriften über die Verbindung und Vermischung beweglicher Sachen (§§ 947, 948 BGB) Alleineigentum oder Miteigentum an dem Geld erwerben2. Der Insolvenzverwalter kann jedoch Herausgabe eines entsprechenden Geldbetrages von der Bank verlangen. Der Meinungsstreit über die rechtliche Konstruktion3 kann dahinstehen, da die Bank wegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO selbst dann nicht mit einer Forderung aus einem debitorischen Saldo aufrechnen könnte, wenn der Insolvenzverwalter einen Bereicherungsanspruch erworben hätte.

3.963

Praktische Bedeutung dürfte dieser Fall allerdings nicht besitzen. Wenn es nämlich nach Insolvenzeröffnung noch zu Einzahlungen kommt, so wird dies darauf beruhen, dass der Insolvenzverwalter den Betrieb des Schuldners fortführt. Der Insolvenzverwalter wird jedoch dafür Sorge tragen, dass die Gelder auf das Insolvenz-Sonderkonto (vgl. dazu Rn. 2.232 ff.) eingezahlt werden.

1 OLG Frankfurt v. 17.2.2003 – 25 W 9/03, ZInsO 2003, 713. 2 Vgl. dazu Henssler in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2002, § 949 Rn. 3 m.w.N. 3 Vgl. Nachweise bei Henssler in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2002, § 949 Rn. 3.

688 | Büchel

F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1001a Dritter Teil

III. Einzahlungen durch Dritte Unabhängig von dem Stadium der Insolvenz des Bankkunden können Dritte Bargeld auf sein Konto einzahlen, d.h. der Bank das Geld übereignen. Soweit der Einzahlende damit seine Schulden bei dem Bankkunden begleichen will, kann der Zahlung nur nach Maßgabe von § 82 InsO befreiende Wirkung zukommen. Im Verhältnis des Kunden zur Bank sind die Wirkungen die gleichen wie bei Eingang von Überweisungen für den Kunden, so dass auf die obigen Ausführungen (s. Rn. 3.2 ff.) verwiesen werden kann. frei

3.964

3.965–3.999

F. Zahlungsverkehrssysteme In den bisherigen Abschnitten wurden die verschiedenen Zahlungsverkehrsmittel behandelt, mit denen ein Schuldner seinem Gläubiger Gutschriften auf dessen Konto bei seiner Bank verschaffen kann. Im Folgenden sollen die insolvenzrechtlichen Risiken dargestellt werden, die bei der Übermittlung der Gelder über verschiedene Banken auftauchen. Hier ist zu unterscheiden zwischen dem Verfahren unter Einschaltung von Korrespondenzbanken und den Zahlungsverkehrssystemen1. Insolvenzsicherheit bei Übermittlung durch Korrespondenzbanken bieten nur die Konzepte, die die Insolvenz einer einzelnen Bank verhindern oder wenigstens die Einlagen ihrer Kunden schützen sollen. Anders verhält es sich bei Zahlungsverkehrssystemen:

3.1000

I. Entwicklung der Gesetzgebung Die insolvenzrechtliche Rechtsprechung und Gesetzgebung verzeichnen seit Jahren eine gegenläufige Entwicklung: Während die Rechtsprechung sich mit dem Ziel einer Anreicherung der Masse2 bemüht, das Wahlrecht des Insolvenzverwalters möglichst weit auszudehnen (s. Rn. 1.421) und insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote extensiv anzuwenden3, versucht die Gesetzgebung, Risiken für die Abwicklung von Verträgen über Finanzleistungen, den Zahlungsverkehr sowie für Wertpapier- und Zahlungsverkehrssysteme, die sich aus der Insolvenz eines Beteiligten für den solventen Partner oder die reibungslose Funktion des Zahlungsverkehrs und des Wertpapiertransfers ergeben, möglichst einzudämmen.

3.1001

Einen ersten Schritt auf diesem Weg stellt § 104 InsO4, auch als das deutsche Nettinggesetz bezeichnet5, dar. In dieser Vorschrift wird die sofortige Beendigung von Verträgen über Finanzleistungen im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung und damit die Saldierung sämtlicher unter einem Rahmenvertrag zusammengefasster Finanzleistungen, wie sie in zahlreichen, vor

3.1001a

1 Weiterführend Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2001, § 10 S. 340 ff. 2 Dessen Gegenteil dabei oft erreicht wird (Beispiele s. Obermüller, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, S. 985). 3 So sollte im Geltungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung die Aufrechnung gegen Forderungen, die erst nach dem Eingang des Eröffnungsantrags bei Gericht begründet werden, unzulässig sein (s. Rn. 3.243a). 4 Diese Vorschrift wurde durch Art. 15 des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes schon am 1.8.1994 und somit lange vor der InsO in Kraft gesetzt. 5 Benzler ZInsO 2000, 1.

Büchel | 689

Dritter Teil Rz. 3.1001a | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

allem internationalen Verträgen vereinbart ist1, gesetzlich verankert (Einzelheiten s. Rn. 8.490 ff.). Dem Insolvenzverwalter wird damit die Möglichkeit genommen, über § 103 InsO die für den Schuldner ungünstigen Geschäfte zu beenden mit der Folge, dass die Bank wegen ihres Schadensersatzanspruchs auf eine einfache Insolvenzforderung verwiesen ist, und an den für die Masse günstigen Geschäften festzuhalten (sog. „cherry-picking“)2.

3.1002

Ihre Fortsetzung fand diese Gesetzgebung in dem Überweisungsgesetz3, das zunächst für grenzüberschreitende Überweisungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union und seit 1.1.2002 auch für Inlandsüberweisungen und Überweisungen in Drittstaaten galt und für das Verhältnis des insolventen Kunden zu seiner Bank im Interesse einer fristgerechten Ausführung von Überweisungen und des reibungslosen Ablaufs des Zahlungsverkehrs den Fortbestand von Überweisungsverträgen über den Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hinaus anordnet (§ 116 Satz 3 InsO)4; der Insolvenzverwalter wird darauf verwiesen, etwaige Anfechtungsmöglichkeiten aus §§ 129 ff. InsO und darauf gestützte Rückgewähransprüche unmittelbar gegenüber dem Überweisungsempfänger geltend zu machen. An dieser Rechtslage hat auch die Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie in deutsches Recht5 nichts geändert. In § 116 Satz 3 InsO ist aber nunmehr in Folge dieser Umsetzung klargestellt, dass nicht nur Zahlungsaufträge (z.B. Überweisungen) des Kunden, sondern auch Aufträge zwischen sog. Zahlungsdienstleistern6 oder etwaigen Zwischenstellen über den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung fortbestehen.

3.1003

Abgerundet wird dieses Konzept durch die nach Art. 251 EG-Vertrag (jetzt Art. 294 AEUV) verabschiedete „Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen“7, auch Finalitätsrichtlinie genannt8. Sie dient dem Ziel, im Fall des Zusammenbruchs eines Teilnehmers an nationalen und internationalen Zahlungsverkehrsund Wertpapierabrechnungssystemen, die auf der Grundlage verschiedener Formen der Aufrechnung (netting) von Zahlungsaufträgen arbeiten9, andere Teilnehmer, den Betreiber und auch die zugehörige Verrechnungsstelle des Systems zu schützen10. Die Richtlinie wurde durch das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften11, die Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie12 in nationales Recht13 umgesetzt. Da die Rechtslage in 1 Bosch WM 1995, 365 ff., 413 ff. 2 Bosch WM 1995, 365 ff., 413 ff.; Bosch/Hodgeson Butterworths Journal of International Banking and Financial Law 1995, 304; Nordhues/Benzler WM 1999, 461. 3 Gesetz v. 21.7.1999, BGBl. I 1999, 1642. 4 Einzelheiten s. Obermüller ZInsO 1999, 690 und oben Rn. 3.2 ff. 5 Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, 2355; die für den Zahlungsverkehr maßgeblichen Änderungen sind am 1.11.2009 in Kraft getreten. 6 Zur Definition eines Zahlungsdienstleisters s. § 1 ZAG. 7 ABl. EG Nr. L 166/45 v. 11.6.1998. 8 Zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 909/2014 v. 23.7.2014, ABl. EU Nr. L 257/1. 9 Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 98/26/EG. 10 Keller WM 2000, 1269. 11 Gesetz v. 8.12.1999, BGBl. I 1999, 2384. 12 Gesetz v. 24.11.2010, BGBl. I 2010, 1592. 13 Zur Umsetzung innerhalb der EU s. Einsele WM 2001, 2415, insbesondere im Hinblick auf Wertpapiere.

690 | Büchel

F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1009 Dritter Teil

Deutschland in weiten Bereichen schon den Vorgaben der Richtlinie entsprach, waren nur geringfügige Änderungen der Insolvenzordnung notwendig, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Im Wesentlichen handelt es sich um folgende Punkte: – Die Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungs- oder Übertragungsaufträgen, die in ein Zahlungsverkehrssystem eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, kann durch ein Insolvenzverfahren weder mit Hilfe der Aufrechnungsverbote des § 96 Abs. 1 InsO und des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO noch mit der Insolvenzanfechtung zunichte gemacht werden, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt (§ 96 Abs. 2 InsO). – Die Verwertung von Forderungen, die der Teilnehmer eines Systems einem anderen Teilnehmer zur Sicherung von dessen Ansprüchen aus dem System oder der Zentralbank eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder Vertragsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums oder an die Europäische Zentralbank abgetreten hat, unterliegt nicht den Einschränkungen, die die InsO für Sicherungszessionen durch die Übertragung des Verwertungsrechts auf den Insolvenzverwalter (§ 166 Abs. 2 InsO) nebst Kostenbeteiligungspflicht des Zessionars (§ 170 Abs. 2 InsO [Einzelheiten s. Rn. 6.1272 ff.]) eingeführt hat; Absonderungsrechte gleich welcher Art können im Insolvenzplanverfahren nicht durch Mehrheitsbeschluss gegen den Willen des gesicherten Gläubigers beschränkt werden (Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften; § 21 Abs. 2 Satz 2, § 166 Abs. 3, § 223 Abs. 1 Satz 2 InsO). – Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Rechte und Pflichten eines Teilnehmers an einem System unterliegen dem Recht, das für das System maßgeblich ist (§ 340 Abs. 3 InsO i.V.m. § 1 Abs. 16 KWG, § 24b KWG). Teils bestätigen diese Änderungen nur die schon vorher bestehende Rechtslage, teils führen sie zu einer erhöhten Sicherheit für die Arbeit der Zahlungsverkehrssysteme. Dies soll im Folgenden für den Fall der Insolvenz des Teilnehmers an einem Zahlungsverkehrssystem dargestellt werden, wobei davon ausgegangen wird, dass sich das Insolvenzverfahren nach deutschem Recht richtet (vgl. § 340 Abs. 3 InsO i.V.m. § 1 Abs. 16 KWG, § 24b KWG)1. frei

3.1004

3.1005–3.1007

II. Arten und Verfahrensweisen der Zahlungsverkehrssysteme Um die Bedeutung des Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften zu ermessen, bedarf es zunächst einer Darstellung der verschiedenen Zahlungsverkehrssysteme.

3.1008

1. Arten von Zahlungsverkehrssystemen In den Genuss der Sonderregelungen der § 21 Abs. 2 Satz 2, § 96 Abs. 2, § 116 Satz 3, § 166 Abs. 3, § 223 Abs. 1 Satz 2 InsO kommen nur solche Zahlungsverkehrssysteme, die in der Finalitätsrichtlinie definiert sind und von der Deutschen Bundesbank oder der zuständigen Stelle eines anderen Mitgliedstaats oder Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemeldet wurden. Kreditinstitute haben die Absicht, ein solches System einzurichten, unverzüglich der Bundesanstalt und der Deut1 Zur Insolvenz ausländischer Teilnehmer s. Ehricke WM 2006, 2109.

Büchel | 691

3.1009

Dritter Teil Rz. 3.1009 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

schen Bundesbank anzuzeigen und die Teilnehmer zu benennen (§ 24b Abs. 1 KWG). § 24b Abs. 1 KWG knüpft an die Definition des § 1 Abs. 16 KWG an, die wiederum auf die Finalitätsrichtlinie verweist und als System eine Vereinbarung bezeichnet, „die – ohne Mitrechnung einer etwaigen Verrechnungsstelle, zentralen Vertragspartei oder Clearingstelle oder eines etwaigen indirekten Teilnehmers – zwischen mindestens drei Teilnehmern getroffen wurde und gemeinsame Regeln und vereinheitlichte Vorgaben für die Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen zwischen den Teilnehmern vorsieht“1. a) Gemeldete Systeme

3.1010

Dazu wurden aus Deutschland insbesondere benannt2 – alle Zahlungssysteme, die von der Deutschen Bundesbank betrieben werden, – die Zahlungssysteme der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, – alle Geldclearings der Clearstream Banking AG, – alle Geldclearings der Eurex Clearing AG, – alle Geldclearings aus Wertpapierumsätzen des Sparkassen- und Genossenschaftsbankensektors, – das Clearing der EBA – der EZB-Payment-Mechanism als Teil von TARGET23. Mitglieder dieser Systeme sind nur Kreditinstitute.

3.1011

Daneben können sog. zentrale Kontrahenten, die als Betreiber eines Systems zur Regelung der Erfüllung, Besicherung und Abwicklung von Geschäften über Finanzleistungen i.S.v. § 104 Abs. 1 und 2 InsO und vergleichbaren Geschäften agieren, eingerichtet werden (vgl. auch die Definition in § 1 Abs. 31 KWG). Zentrale Vertragsparteien haben die früheren Skontrationsverbände4 nahezu vollständig abgelöst5. b) Subsysteme

3.1012

Kreditinstitute, die nicht unmittelbar Mitglieder eines solchen Systems werden, können unter einem Teilnehmer ein sog. Subsystem bilden; auch diese Subsysteme können entsprechend angemeldet werden, sofern sie die Voraussetzungen des Art. 2 der Finalitätsrichtlinie erfüllen (indirekte Teilnehmer nach § 1 Abs. 16 Satz 1 KWG). Zahlungs- und Übertragungsaufträge zwischen Teilnehmern an einer solchen Interoperabilitätsvereinbarung nach § 1 Abs. 16 Satz 3 KWG werden behandelt wie solche innerhalb eines Systems6. Genügt ein Subsystem 1 Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl. 2012, § 24b Rn. 5; Schmieder in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 25 Rn. 16. 2 Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl. 2012, § 24b Rn. 238; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 96 Rn. 74; s. auch Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2001, § 10 III ff. 3 TARGET = Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer. 4 S. dazu Canaris WM 1976, 994; zur Ausgestaltung als multilaterale Aufrechnungsverträge s. Bauer WM 1983, 198 (203). 5 Seel ZInsO 2011, 505; von Hall, Insolvenzverrechnung in bilateralen Clearingsystemen, 2011, 22. 6 Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl. 2012, § 24b Rn. 238.

692 | Büchel

F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1017 Dritter Teil

diesen Anforderungen nicht, so kommen ihm zwar nicht die neuen Regeln zugute, aber es verbleibt bei den bisherigen Bestimmungen über den Schutz Gutgläubiger. Wenn die Konstruktion und die technischen Abläufe des Subsystems an diese Vorgaben angepasst werden, lässt sich nahezu der gleiche Schutz erreichen wie ihn das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften für gemeldete Systeme vorsieht. c) Bruttosysteme Vom Ansatz her werden zunächst Brutto- und Nettosysteme unterschieden1.

3.1013

In einem Bruttosystem wird jeder Überweisungsauftrag einzeln abgerechnet, indem das beauftragte Kreditinstitut den Gegenwert des Auftrags dem Konto des Auftraggebers in aller Regel jeweils einzeln belastet2. Die ein- und ausgehenden Aufträge für dieses Konto werden nicht „vorverrechnet“, sondern mit ihrem vollen Betrag dem betreffenden Konto belastet oder gutgeschrieben. Das System führt die Aufträge nur aus, wenn Guthaben auf dem Konto oder ein Nettoguthaben im Hinblick auf mehrere Konten vorhanden ist, oder es gewährt einen Kredit im Rahmen einer vorher zugesagten Linie. Hierfür kann das System im Voraus Sicherheit verlangen; gebräuchlich ist die Verpfändung hinterlegter Wertpapiere wie beim früheren Lombardkredit der Deutschen Bundesbank. Im Ergebnis „disponiert“ das System jeden Auftrag einzeln. Die Transaktionen über Kundenkonten bei den beteiligten Kreditinstituten werden in aller Regel brutto ausgeführt.

3.1014

Ebenso führt die von den Kreditinstituten wiederum beauftragte Zentralbank die Aufträge über die Zahlungsverkehrskonten der Kreditinstitute im Grundsatz ebenfalls auf Brutto-Basis aus und verlangt für Überziehungen dieser Konten Sicherheiten3.

3.1015

d) Nettosysteme Das Netto-Ausgleichsverfahren wird meist in drei Ebenen abgewickelt, nämlich durch die Auftragserteilung jeweils an die anderen Teilnehmer, die Verrechnung der den jeweiligen Teilnehmer betreffenden ein- und ausgehenden Aufträge (Saldierung oder „Clearing“) und durch den Ausgleich der sich hieraus ergebenden Nettosalden auf den Konten des jeweiligen Teilnehmers bei der Verrechnungsstelle (Spitzenausgleich oder „Settlement“)4.

3.1016

Bei manchen Systemen wird der für jedes Mitglied rechtsverbindliche Saldo mit der Verarbeitung jedes Zahlungsauftrages fortlaufend auf Echtzeitbasis ermittelt. Das bereits erwähnte EBA-Verfahren begründet dabei stets nur ein einziges Anspruchsverhältnis zwischen jeder Teilnehmerbank und der Gemeinschaft der anderen Teilnehmerbanken; unmittelbare Zahlungsansprüche zwischen Absender und Empfänger sind ausgeschlossen. Entsteht irgendwann zu Lasten eines Teilnehmers ein negativer Saldo, so schuldet diese Bank der Gemeinschaft von vornherein nur die Einzahlung des Saldos in ein zentrales Settlementkonto; entsteht ein positiver Saldo, so hat diese Teilnehmerbank einen Anspruch nur in Höhe dieses Saldos. Eine Herausnahme einzelner verarbeiteter Zahlungsaufträge ist unzulässig.

3.1017

1 Vgl. ausführliche Darstellung bei Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2001, §§ 10, 11; Langenbucher FS Canaris, 2002, 65. 2 Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl. 2012, § 24b Rn. 6; Schmieder in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 25 Rn. 9. 3 RegE BR-Drucks. 456/99 v. 13.8.1999. 4 Keller WM 2000, 1269.

Büchel | 693

Dritter Teil Rz. 3.1018 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

e) Risiken

3.1018

Die Finalitätsrichtlinie und das zu ihrer Umsetzung in nationales Recht erlassene Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften wollen Zahlungsund Wertpapiersysteme (auf letztere soll hier nicht eingegangen werden) vor den Folgen der Insolvenz eines Teilnehmers schützen, die aufgrund seiner Einbindung in das Zahlungsverkehrssystem auch auf andere Kreditinstitute ausstrahlen und über einen Dominoeffekt eine Krise des internationalen Bankensystems auslösen könnte.

2. Verfahrensweisen 3.1019

Aus diesem Grund soll verhindert werden, dass die Rechtswirkungen der im System vorgenommenen Verrechnungen durch ein Erlöschen der Verrechnungsabrede aufgrund der Verfahrenseröffnung unwirksam werden; das Vertrauen der anderen Teilnehmer, dass die ihnen als endgültig avisierten eingegebenen Aufträge ihnen tatsächlich auch zufließen, soll geschützt werden. Angesichts des Volumens der täglich über ein solches System abzuwickelnden Transfers ist das Risiko nicht vertretbar, dass sämtliche Zahlungen, die das System zwischen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Teilnehmers oder gar einem Eröffnungsantrag und dem Empfang der Information über die Verfahrenseröffnung bewirkt hat, von dem Insolvenzverwalter zurückgefordert werden können, ohne dass die Zahlungseingänge, auf deren Verrechenbarkeit das System bei der Zulassung der Ausgänge vertraut hat, berücksichtigt werden. Zahlungsaufträge, die ein Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos einem Kreditinstitut zur Überweisung von Geldern an ein anderes Kreditinstitut erteilt hat, berührt die Finalitätsrichtlinie nicht1.

III. Zahlungsverkehr bei Insolvenz eines Teilnehmers eines Zahlungsverkehrssystems 3.1020

Für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen Kreditinstituten über ein Zahlungsverkehrssystem wäre es naheliegend, für die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit von Verrechnungen vor dem Hintergrund der Insolvenz eines Teilnehmers zu unterscheiden zwischen – Zahlungsaufträgen, die vor der Verfahrenseröffnung eingebracht und spätestens am Tage der Verfahrenseröffnung verarbeitet werden, – Zahlungsaufträgen, die am Tage der Verfahrenseröffnung eingebracht und gleichtägig verarbeitet werden, – Zahlungsaufträgen, die vor oder am Tage der Verfahrenseröffnung eingebracht und an einem der folgenden Tage verarbeitet werden, – Zahlungsaufträgen, die das System vor oder in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung erhalten hat und die es am Tage und in Kenntnis von der Verfahrenseröffnung verarbeiten könnte, – Verrechnungen von Zahlungsausgängen mit vorher durch Eingänge entstandenen Guthaben, – Verrechnungen von Zahlungseingängen mit vorher zu Lasten einer Überziehungslinie zugelassenen Zahlungsausgängen,

1 EuGH v. 17.1.2019 – C-639/17, ZIP 2019, 510.

694 | Büchel

F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1025 Dritter Teil

– Zahlungsaufträgen nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, – Zahlungsaufträgen vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen. Das Ziel der Finalitätsrichtlinie und des Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften geht dahin, sämtliche Verrechnungen für insolvenzfest zu erklären, sofern sie noch am Tag der Verfahrenseröffnung ausgeführt werden. Ob und mit Hilfe welcher Vorschriften dieses Ziel erreicht wird, soll im Folgenden dargestellt werden. Dabei kann auf die Besonderheiten der einzelnen Systeme nicht eingegangen werden. Stattdessen soll der Versuch unternommen werden, allgemeine Regeln herauszuarbeiten, die mit gewissen, im Einzelfall unvermeidlichen Modifikationen auf sämtliche Systeme anwendbar sind.

3.1021

1. Vor Verfahrenseröffnung eingebrachte und am Tag der Verfahrenseröffnung bearbeitete Zahlungsaufträge Zahlungsaufträge, die vor der Verfahrenseröffnung in das System eingebracht werden, bei Eröffnung des Verfahrens aber noch nicht verarbeitet sind, behalten ihre Gültigkeit1.

3.1022

a) Fortgeltung der Zahlungsaufträge Zwar erlöschen grundsätzlich alle von einem Bankkunden erteilten Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen (§ 116 Satz 1 InsO)2. Davon ausgenommen sind jedoch Zahlungsaufträge und sonstige Aufträge zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen (§ 116 Satz 3 InsO), und zwar unabhängig davon, ob der Beauftragte von der Verfahrenseröffnung wusste oder ob er keine Kenntnis hatte3. In der Einbringung von Zahlungen in ein Zahlungsverkehrssystem ist ein solcher Auftrag im Sinne des § 116 Satz 3 InsO zu sehen.

3.1023

b) Saldierung der Zahlungsaufträge Am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Teilnehmers kann das System Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge, zu deren Abwicklung es vor der Verfahrenseröffnung beauftragt wurde, weiterverarbeiten und gegeneinander verrechnen. Im Verhältnis zu den beteiligten Teilnehmern ist das System aufgrund der Fiktion des Fortbestandes der Aufträge (§ 116 Satz 3 InsO) dazu berechtigt. Auch die in dem System enthaltenen Verrechnungsabreden werden durch die Verfahrenseröffnung nicht berührt4. Die gesetzlichen Aufrechnungsverbote der §§ 95, 96 Abs. 1 InsO finden auf Verrechnungen in Zahlungsverkehrssystemen keine Anwendung (§ 96 Abs. 2 Satz 1 InsO). Auf die Technik der Verrechnung und das angewandte (Brutto- oder Netto-)Verfahren kommt es nicht an.

3.1024

Eine solche Verrechnung wäre nach bisherigem Recht nur dann möglich gewesen, wenn das System im Zeitpunkt der Ausführung entweder keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung gehabt oder diese Kenntnis erst so spät erlangt hätte, dass es den schon in Bearbeitung befind-

3.1025

1 Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, 2004, § 4 I 5 b S. 127; Langenbucher/Gößmann/ Werner, Zahlungsverkehr, 2004, § 7 Rn. 36. 2 BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 11. 3 Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, 2004, § 4 I 5 b S. 127. 4 Langenbucher/Gößmann/Werner, Zahlungsverkehr, 2004, § 7 Rn. 36.

Büchel | 695

Dritter Teil Rz. 3.1025 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

lichen Auftrag ohne Eingriffe in den Zahlungsverkehr nicht mehr hätte anhalten können; die Zahlungsverkehrssysteme definieren in ihren Bedingungen diesen Zeitpunkt und schließen danach einen Widerruf von Zahlungsaufträgen aus (s. auch § 675p Abs. 5 BGB). Für die Ausführung solcher Zahlungsaufträge zu Lasten eines vorhandenen Guthabens hätte § 82 InsO Schutz gewährt (Einzelheiten s. Rn. 3.52 ff.); auf die Aufrechnungsverbote der §§ 95, 96 InsO wäre es nicht angekommen. Im zuletzt dargestellten Umfang sind Veranstalter von Subsystemen, die noch nicht angemeldet sind und deshalb den vollen Schutz der neuen Regeln noch nicht genießen, in der Insolvenz eines ihnen angeschlossenen Teilnehmers ebenfalls geschützt. c) Spitzenausgleich

3.1026

Die oben dargestellte Fiktion des Fortbestandes der Aufträge (§ 116 Satz 3 InsO), der in dem System enthaltenen Verrechnungsabreden sowie die Einschränkung der Aufrechnungsverbote der §§ 95, 96 InsO erschöpfen sich nicht bereits in der Vorverrechnung oder Saldierung (Clearing) im System, sondern erstrecken sich auch auf den Spitzenausgleich (Settlement) auf den Konten des jeweiligen Teilnehmers bei der Verrechnungsstelle. Insoweit muss das Verfahren nämlich als eine Einheit betrachtet werden; der Gesetzgeber hat, wie sich aus der Regierungsbegründung ergibt, die Unterschiede zwischen den diversen Zahlungsverkehrssystemen gesehen und versucht, entsprechend den Vorgaben der Finalitätsrichtlinie unabhängig von der Konstruktion und der Arbeitsweise des einzelnen Systems eine Lösung zu finden, die wirtschaftlich für alle zugelassenen Systeme zu dem gleichen Ergebnis führt und in den Rechtsfolgen nicht differenziert.

3.1027

Wenn die Ausführung der Zahlung zu einem debitorischen Saldo des Teilnehmers gegenüber dem System oder bei der Verrechnungsstelle führt oder einen solchen erhöht, erwirbt das System bzw. die Verrechnungsstelle in der Insolvenz dieses Teilnehmers eine Masseforderung (§ 116 Satz 3 InsO). Dafür können Sicherheiten, die im Rahmen des Systems bestellt wurden, in Anspruch genommen werden1. Auch kann sie mit einem etwa noch vorhandenen Guthaben verrechnet oder durch gleichtägige Eingänge reduziert werden (§ 96 Abs. 2 InsO). Eine gegen diese Verrechnung gerichtete Insolvenzanfechtung ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 147 Satz 2 InsO)2.

3.1028

Nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes wäre ein Ausgleich der Überziehung durch spätere Eingänge an dem Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO gescheitert, allerdings wäre eine Deckung durch Sicherheiten, die vor der Verfahrenseröffnung bestellt wurden, möglich gewesen3. Seit Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes4, das insoweit durch die grundlegende Reform des Zahlungsverkehrsrechts zum 31.10.2009 übernommen wurde5, führt die Abwicklung von Zahlungen zu einem Aufwendungsersatzanspruch im Rang einer Masseforderung (§ 116 Satz 3 InsO), mit der gegen die Guthabenforderung aufgerechnet werden kann, auch wenn sie aus Eingängen herrührt, die zeitlich nach den Ausgängen eintrafen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO gelten nicht für Massegläubiger6. Au1 Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie; Begründung zum RegE BR-Drucks. 456/99 v. 13.8.1999 zu II Nr. 3. 2 Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften; s. auch Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, 2004, § 4 I 5 b S. 127 ff. 3 Einzelheiten s. Rn. 3.55 f. 4 Gesetz v. 21.7.1999, BGBl. I 1999, 1642. 5 Grundmann WM 2009, 1109. 6 BGH v. 7.7.2005 – IX ZR 241/01, ZIP 2005, 1519; BGH v. 2.7.1959 – VIII ZR 194/58, BGHZ 30, 250; OLG Köln v. 18.2.1987 – 2 U 132/86, ZIP 1987, 928 m.w.N.; Bernsau in FK-InsO, 5. Aufl.

696 | Büchel

F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1032 Dritter Teil

ßerdem können Sicherheiten zur Deckung des Aufwendungsersatzanspruches herangezogen werden. Insoweit sind auch Veranstalter von noch nicht angemeldeten Subsystemen in der Insolvenz eines ihnen angeschlossenen Teilnehmers geschützt. d) Widerruf von Zahlungsaufträgen Wenn das System von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Teilnehmers Kenntnis erlangt, ist es nach den obigen Ausführungen zwar berechtigt, Zahlungsaufträge dieses Teilnehmers weiterzubearbeiten und mit Eingängen zu verrechnen. Dazu ist es jedoch nicht gezwungen1. Vielmehr kann und sollte es den Zahlungsverkehr abbrechen, sobald es Gewissheit über die Verfahrenseröffnung erlangt hat.

3.1029

Dagegen kann der Insolvenzverwalter die Zahlungsaufträge nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, den das System in seinen Bedingungen festlegt, widerrufen. Eine derartige Bestimmung hält einer Überprüfung nach den Anforderungen an Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB stand, da sie der Finalitätsrichtlinie (Art. 5) und den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers (§ 675p Abs. 5 BGB) entspricht. Gelingt es dem Insolvenzverwalter nicht, die Ausführung der Aufträge rechtzeitig zu verhindern, so kann er etwaige Anfechtungsrechte nur gegenüber dem Empfänger der Zahlungen, nicht aber gegenüber dem System geltend machen.

3.1030

2. Nach Verfahrenseröffnung eingebrachte und am Tag der Verfahrenseröffnung bearbeitete Zahlungsaufträge Zahlungsaufträge, die in das System von einem Teilnehmer nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eingebracht werden, dürfen nicht mehr bearbeitet werden2. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Teilnehmer seine Verwaltungsund Verfügungsbefugnis verloren (§§ 80, 81 InsO). Aus § 96 Abs. 2 InsO, der Verrechnungen noch am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässt, kann nichts Gegenteiliges geschlossen werden3. Diese Vorschrift enthält nämlich keine eigene Grundlage für die Wirksamkeit der Erteilung und den Fortbestand von Zahlungsaufträgen, sondern regelt lediglich die Verrechnungsbefugnis für den Fall, dass – was sich aus anderen Vorschriften ergeben muss – ein Aufwendungsersatzanspruch besteht. Das System muss also Vorkehrungen gegen die Aufnahme neuer Aufträge treffen, sobald es Gewissheit über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt hat. Dies ist spätestens dann der Fall, wenn es von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach § 46b Abs. 2 Satz 2 KWG informiert wird.

3.1031

Wenn das System dagegen über die Verfahrenseröffnung nicht informiert ist, gewährt das Gesetz einen gewissen Vertrauensschutz, der sich danach richtet, ob Zahlungsausgänge lediglich

3.1032

2009, § 96 Rn. 20; Begründung RegE zu § 96 – das ursprünglich (§ 320 Abs. 2 RegE) vorgesehene Aufrechnungsverbot für den Fall der Masseunzulässigkeit hat der Rechtsausschuss nicht übernommen. 1 Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, 2004, § 4 I 5 b S. 129 ff.; Begründung RegE BRDrucks. 456/99 v. 13.8.1999 zu II Nr. 1. 2 Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, §§ 115, 116 Rn. 35; Langenbucher/Gößmann/Werner, Zahlungsverkehr, 2004, § 7 Rn. 37; Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, 2004, § 4 I 5 b S. 130. 3 Langenbucher/Gößmann/Werner, Zahlungsverkehr, 2004, § 7 Rn. 37.

Büchel | 697

Dritter Teil Rz. 3.1032 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

aus vorhandenen Guthaben oder zu Lasten einer Kreditlinie oder Überziehungsmöglichkeit zugelassen worden sind: a) Ausführung aus Guthaben

3.1033

Soweit die Zahlungen stets aus einem vorhandenen Guthaben bewirkt werden, wird das System durch die Abwicklung der Zahlung von seiner Schuld gegenüber dem insolventen Teilnehmer nach § 82 InsO befreit1.

3.1034

Daran ändert auch der Umstand, dass die Prokuren und sonstigen Vertretungsberechtigungen der Mitarbeiter des insolventen Teilnehmers, die für die Zahlungsaufträge verantwortlich sind, infolge der Insolvenzeröffnung erloschen sind2, nichts. § 82 InsO gewährt einen Vertrauensschutz unabhängig davon, ob die Leistung an den Insolvenzschuldner, der zu ihrer Entgegennahme wegen des Verlustes seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§§ 80, 81 InsO) nicht mehr befugt ist, bewirkt oder ob sie gegenüber einem Vertreter, dessen Vollmacht infolge der Verfahrenseröffnung erloschen ist, erbracht wird.

3.1035

Für die Anwendung der Schutzvorschrift des § 82 InsO ist es weiterhin ohne Bedeutung, ob das Guthaben, aus dem das System geleistet hat, schon bei Verfahrenseröffnung vorhanden war oder ob es erst im Laufe der weiteren Abwicklung des Zahlungsverkehrs nach der Verfahrenseröffnung entstanden ist. Wie bereits oben erwähnt, bezieht sich § 82 InsO unterschiedslos auf sämtliche Verbindlichkeiten, die „zur Insolvenzmasse zu erfüllen“ waren. b) Ausführung aus Kredit

3.1036

Soweit die Zahlungen im Hinblick auf eine Kreditlinie oder eine sonstige vom System vorgesehene Überziehungsmöglichkeit zugelassen wurden, erwirbt das System bzw. die Zentralbank, die die Zahlungsverkehrskonten der Teilnehmer führt, einen Aufwendungsersatzanspruch. Der Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Teilnehmer gilt nämlich als fortbestehend, solange das System die Eröffnung des Verfahrens ohne Verschulden nicht kennt (§§ 116, 115 Abs. 3 Satz 1 InsO). Hier schadet bereits fahrlässige Unkenntnis.

3.1037

Zwar sind die Vertretungsberechtigungen der handelnden Mitarbeiter erloschen (§ 117 Abs. 1 InsO); ihren Fortbestand ordnet die InsO nur für den Fall der sog. Notgeschäftsführung des § 115 Abs. 2 InsO, nicht aber für den Fall des Vertrauensschutzes wegen Unkenntnis des Vertragspartners nach § 115 Abs. 3 InsO an3. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass einerseits der Geschäftsbesorgungsvertrag fortbesteht, mangels Vertretungsbefugnis der handelnden Mitarbeiter aber keine Wirksamkeit mehr entfalten könne. Dies würde den vom Gesetz angestrebten Vertrauensschutz aushebeln. Vielmehr kann für den Vertrauensschutz wegen Unkenntnis des Erlöschens auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 169 bis 172 BGB zurückgegriffen werden. Demgemäß geht auch die Begründung zum Regierungsentwurf ohne Weiteres davon aus, dass das System in den Genuss des Vertrauensschutzes der §§ 116, 115 Abs. 3 InsO kommt. Die Aufnahme einer ausdrücklichen Klarstellung in das Gesetz, die der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats angeregt hatte4, hielt der Gesetzgeber für überflüssig.

1 2 3 4

Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, 2004, § 4 I 5 b S. 130. BGH v. 4.12.1957 – V ZR 251/56, WM 1958, 431. Smid, InsO, 1999, § 117 Rn. 6. BR-Drucks. 456/1/99 v. 13.9.1999 zu A Nr. 3.

698 | Büchel

F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1042 Dritter Teil

Wenn der Geschäftsbesorgungsvertrag demnach als fortbestehend behandelt wird, erwirbt das System aus der Ausführung von Zahlungsaufträgen Aufwendungsersatzansprüche als Insolvenzforderungen1. Nach Verfahrenseröffnung eintreffende Gutschriften können am Tag der Eröffnung noch zur Reduzierung der dadurch entstandenen Ansprüche des Systems verwendet werden. Das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO greift wegen der Sondervorschrift des § 96 Abs. 2 InsO über die Wirksamkeit von Abrechnungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen nicht ein. Stattdessen kann das System auch auf etwa vorhandene Sicherheiten zurückgreifen2. Eine gegen diese Verrechnung gerichtete Insolvenzanfechtung ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 147 Satz 2 InsO)3.

3.1038

c) Subsysteme Für Subsysteme gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie für die unmittelbare Teilnahme (§ 1 Abs. 16 Satz 1 KWG). Soweit Subsysteme noch nicht angemeldet sind und bis dahin somit nicht unter diesen Schutz fallen, kommt ihnen in der Insolvenz eines ihrer Teilnehmer die Sondervorschrift des § 96 Abs. 2 InsO, die das Aufrechnungsverbot gegenüber späteren Eingängen aufhebt, noch nicht zugute. Sie sind darauf verwiesen, Zahlungen nur aus vorhandenem Guthaben oder unter der Deckung anfechtungsfrei bestellter Sicherheiten zuzulassen.

3.1039

3. Vor oder nach Verfahrenseröffnung eingebrachte und nach dem Tag der Verfahrenseröffnung bearbeitete Zahlungsaufträge Wie oben dargestellt gelten die Vergünstigungen durch das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften nur für Zahlungen, die spätestens bis zum Ende des Tages der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Teilnehmers abgewickelt worden sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Verrechnungen, die infolge einer verspäteten Information des Systems über die Insolvenz eines Teilnehmers erst nach Ablauf dieses Tages vorgenommen werden, stets unwirksam seien. Vielmehr kommen die allgemeinen, naturgemäß nicht so weitgehenden Schutzvorschriften zum Zuge. Sie sind durch das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften nicht ausgeschlossen, sondern gelten subsidiär4. Dies hat auch der Gesetzgeber betont, indem er in der Regierungsbegründung wiederholt auf die allgemeinen Bestimmungen der §§ 82, 116, 115 InsO verwiesen hat.

3.1040

Dies bedeutet, dass das System geschützt ist, wenn zur Zeit der Ausführung der Zahlung ein Guthaben in zumindest gleicher Höhe vorhanden war oder der Teilnehmer anfechtungsfrei Sicherheiten bestellt hatte. Lediglich die Rückführung einer Überziehung aus späteren Eingängen ist nicht mehr möglich.

3.1041

4. Zahlungsaufträge nach vorläufigen Maßnahmen der BaFin Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kann zur Vermeidung des Insolvenzverfahrens vorläufige Maßnahmen treffen (§ 46 KWG). Dazu gehören vor allem die Anord1 Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, 2004, § 4 I 5 b S. 131. 2 Begründung RegE BR-Drucks. 456/99 v. 13.8.1999 zu II Nr. 3. 3 Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften. 4 Keller WM 2000, 1269.

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3.1042

Dritter Teil Rz. 3.1042 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

nung eines Veräußerungs- und Zahlungsverbotes (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG) und das Verbot der Entgegennahme von Zahlungen, die nicht zur Tilgung von Schulden gegenüber dem Institut bestimmt sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG)1. Mit diesen Maßnahmen kommt die BaFin in der Regel der Anordnung von Beschränkungen im Insolvenzantragsverfahren nach §§ 21 ff. InsO zuvor, so dass, wenn Rettungsversuche nicht zum Erfolg führen, in der Regel ein unmittelbarer Übergang in ein Insolvenzverfahren ohne vorherige Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzantragsverfahren stattfinden kann. a) Zahlungen entgegen Veräußerungs- und Zahlungsverbot

3.1043

Trotz der Anordnung eines Veräußerungs- und Zahlungsverbotes (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG) kann das System etwa noch eingegangene Gelder zur Verrechnung mit dem debitorischen Saldo bringen. Das aufsichtsrechtliche Veräußerungs- und Zahlungsverbot hat zwar wie das insolvenzrechtliche Verfügungsverbot die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben2. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner3. Demgemäß darf der Kunde auch keine Verrechnungsvereinbarungen mehr schließen4. Die dem System immanente Verrechnungsabrede ist jedoch bereits vor dem Veräußerungsverbot getroffen und wirkt grundsätzlich als Vorausverfügung. Bestehende Vorausverfügungen werden nicht schon durch ein allgemeines Verfügungsverbot, sondern erst durch die Verfahrenseröffnung unwirksam5. Gegen damit verbundene Schmälerungen der künftigen Masse im Eröffnungsverfahren gewähren die Anfechtungsvorschriften angemessenen Schutz, so dass eine Vorverlegung der Wirkungen des Insolvenzbeschlags nicht notwendig ist.

3.1044

Diese für Verrechnungen im Kontokorrent bislang umstrittene Rechtslage6 ist für Zahlungsverkehrssysteme durch die Bestimmung des § 46 Abs. 2 Satz 7 KWG geregelt. Diese wendet nämlich die Vorschriften der Insolvenzordnung zum Schutz der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen sowie von dinglichen Sicherheiten der Zentralbanken auf das Ver1 Einzelheiten s. Huber, Die Normen des Kreditwesengesetzes zur Verhinderung einer Bankinsolvenz und ihre Auswirkungen auf das Giroverhältnis, 1987, und Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten, 3. Aufl. 2010, 1. Teil D., S. 36 ff. 2 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26. 3 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14; s. auch schon den Wortlaut von § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO. 4 OLG Koblenz v. 29.11.1983 – 3 U 1638/82, ZIP 1984, 164; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626 = WuB VI A § 59 VglO 1.86 Obermüller; OLG Schleswig v. 23.3.1995 – 5 W 47/94, ZIP 1995, 759. 5 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; OLG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204; LG Rostock v. 30.20.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992. 6 S. die Nachweise unter Rn. 3.243.

700 | Büchel

F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1048 Dritter Teil

äußerungsverbot entsprechend an. Daraus ergibt sich für die Auswirkungen eines Veräußerungsverbots auf die Abwicklung über Zahlungsverkehrssysteme folgende Rechtslage: – Am Tag der Anordnung eines Veräußerungsverbots gegen einen Teilnehmer kann das System Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge, zu deren Abwicklung es vor der Verfahrenseröffnung beauftragt wurde, weiterverarbeiten und gegeneinander verrechnen und ggf. den Spitzenausgleich vornehmen1. – Am Tag der Anordnung eines Veräußerungsverbots gegen einen Teilnehmer kann das System Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge, zu deren Abwicklung es nach dieser Anordnung beauftragt wurde, nur dann weiterverarbeiten, gegeneinander verrechnen und ggf. den Spitzenausgleich vornehmen, wenn dem System das Veräußerungsverbot nicht bekannt war; da das aufsichtsrechtliche Veräußerungsverbot anders als das absolute Verfügungsverbot des § 21 InsO ein relatives Verbot darstellt, richtet sich der Gutglaubensschutz nach §§ 136, 135 Abs. 2, § 407 BGB2. – Nach dem Tag der Anordnung eines Veräußerungsverbots können vor oder nach dem Veräußerungsverbot eingebrachte Zahlungsaufträge nur aus einem zur Zeit der Ausführung vorhandenen Guthaben in zumindest gleicher Höhe oder unter der Deckung anfechtungsfrei bestellter Sicherheiten und nur dann mit Wirkung gegenüber der späteren Masse abgewickelt werden, wenn dem System das Veräußerungsverbot nicht bekannt war (§§ 136, 135 Abs. 2, § 407 BGB). Die Rückführung einer Überziehung aus späteren Eingängen ist zwar im Wege der Aufrechnung grundsätzlich möglich. Dies setzt aber voraus, dass dem System weder die Zahlungsunfähigkeit des Teilnehmers noch ein Insolvenzantrag oder Umstände bekannt waren, die zwingend auf eines dieser Ereignisse schließen lassen; andernfalls würde das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Verbindung mit § 130 InsO eingreifen, da die Ausnahmen der § 96 Abs. 2, § 147 Satz 2 InsO nur für eine Abwicklung eingreifen, die am Tage der Anordnung des Veräußerungsverbots abgeschlossen wird. frei

3.1045–3.1046

b) Zahlungen entgegen Annahmeverbot Wenn ein Kreditinstitut entgegen einem Annahmeverbot der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG Zahlungen über ein System oder über eine zwischengeschaltete Stelle entgegengenommen und die Bundesanstalt nach § 46 Abs. 2 Satz 4 KWG deren Erstattung angeordnet hat, wird das Kreditinstitut durch eine Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO nicht gehindert, die Erstattung wirksam vorzunehmen (§ 46 Abs. 2 Satz 8 KWG).

3.1047

5. Zahlungsaufträge vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen Verrechnungen, die ein Zahlungsverkehrssystem vor der Anordnung vorläufiger Maßnahmen nach § 21 InsO und vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Teilnehmers vorgenommen hat, können nur mit der Insolvenzanfechtung angegriffen werden. 1 Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010, Kap. 7 B IV 1c S. 275. 2 Henckel FS Lüke 2007 S. 237 ff.; offen sowohl für die Anwendung von § 82 InsO als auch §§ 136, 135 Abs. 2, 407 BGB Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010, Kap. 7 B IV 2a S. 276.

Büchel | 701

3.1048

Dritter Teil Rz. 3.1048 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Die Anfechtung der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen ist in § 147 Satz 2 InsO nur für solche Vorgänge ausgeschlossen worden, die sich nach der Verfahrenseröffnung ereignet haben. § 147 Satz 2 InsO zieht die Konsequenzen aus § 96 Abs. 2 InsO1; die Wirkung dieses Anfechtungsverbots erschöpft sich jedoch darin, dass Verrechnungen im System bzw. die betreffenden Zahlungs- oder Übertragungsverträge, deren Fortbestand durch § 96 Abs. 2, § 116 Satz 3, § 115 Abs. 3 InsO gewährleistet werden soll, nicht im Wege der Insolvenzanfechtung wieder beseitigt werden können.

3.1049

Dagegen ist eine Anfechtung von Verrechnungen, die vor der Verfahrenseröffnung stattgefunden haben, durch diese Vorschrift nicht generell ausgeschlossen worden2. Sie ist jedoch aus anderen Gründen nicht möglich: – Entweder ist das Zahlungsverkehrssystem so konstruiert, dass es schon von der Ablauftechnik her nicht zu anfechtbaren Sicherungen oder Befriedigungen im Sinne der §§ 130, 131 InsO kommen kann oder – die Abwicklung fällt unter den Begriff der Bargeschäfte (§ 142 InsO), die lediglich wegen vorsätzlicher Benachteiligung von Gläubigern angefochten werden können. a) Anfechtungsausschluss durch die Systemtechnik

3.1050

Für Systeme, die lediglich auf Guthabenbasis arbeiten d.h. die Ausgänge nur im Rahmen schon vorhandener Eingänge zulassen, fehlt es an der von den Anfechtungsvorschriften der §§ 129 ff. InsO vorausgesetzten Ausgangslage, nämlich der nachträglichen Sicherung oder Befriedigung von schon vorhandenen Forderungen. b) Anfechtungsausschluss mangels Gläubigerbenachteiligung

3.1051

Für Systeme, die eine vorübergehende Inanspruchnahme einer Kreditlinie zulassen, ist die Verrechnung ebenfalls nicht anfechtbar3, weil sie das System objektiv nicht begünstigt und die übrigen Gläubiger nicht benachteiligt. Man kann nämlich grundsätzlich davon ausgehen, dass das System in der Krise des Teilnehmers eine Überschreitung oder ein weiteres Ausschöpfen einer nicht voll in Anspruch genommenen Kreditlinie nicht zugelassen, Verfügungen des Teilnehmers also nicht ausgeführt hätte, wenn es nicht einen Ausgleich in Form der Zahlungseingänge erhalten würde. Die Anfechtung dient aber nicht dazu, der Masse Vermögensvorteile zu verschaffen, die sie ohne die angefochtene Rechtshandlung nicht erlangt hätte4. Entscheidend ist der enge wirtschaftliche, rechtliche und zeitliche Zusammenhang zwischen Gut- und Lastschriften, wenn das System gemäß seiner vertraglichen Verpflichtung den Teilnehmer bis zu einer Kreditobergrenze wieder verfügen lässt; hier bedingt die Ausführung von Zahlungsaufträgen zugleich den Eingang ausgleichender wirtschaftlicher Werte, ohne den die Kreditlinie alsbald überschritten und das System zu einer Verweigerung weiterer Belastungen be-

1 Hirte/Borri in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 147 Rn. 2; Thole in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 147 Rn. 7 m.w.N. 2 Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010, Kap. 7 B IV 2b S. 281. 3 Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 96 Rn. 79. 4 BGH v. 26.5.1971 – VIII ZR 61/70, WM 1971, 908; BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334.

702 | Büchel

F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1055 Dritter Teil

rechtigt wäre1. Für die Frage, ob der enge zeitliche Zusammenhang eingehalten ist, muss regelmäßig an den Zeitraum angeknüpft werden, in dem nach den Vereinbarungen der Parteien ein Rechnungsabschluss vorzunehmen ist2. Damit ist eine Anfechtung der Einstellung dieser Ansprüche in die Abrechnung jedenfalls insoweit ausgeschlossen, als diese Beträge in der nachfolgenden Verrechnung wegen des nachträglichen Entstehens neuer Sollposten nicht zur Befriedigung des Systems geführt haben und zu Beginn des Zeitraums, in dem die Belastungen angefallen sind, die Überziehungslinie bereits voll ausgeschöpft war. Darüber hinaus liegt es nahe, mit der obigen Begründung auch die Anfechtbarkeit von Eingängen, die die Ausgänge überstiegen und somit eine Reduzierung des debitorischen Saldos bewirkt haben, jedenfalls solange abzulehnen, wie das System die Kreditlinie offengehalten hat und Zahlungsaufträge, wenn sie der Teilnehmer erteilt hätte, auch ausgeführt hätte3.

3.1052

Die oben dargestellten Anfechtungsausschlüsse gelten vor dem Hintergrund der im Rahmen von Zahlungssystemen auftretenden klassischen Differenzierung zwischen Verrechnungsund Saldenausgleichsphase4 gleichermaßen für beide Abschnitte. Dies ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung, da Art. 5 der Finalitätsrichtlinie die Unwiderruflichkeit eines jeden Auftrags ab dem in den Systemregeln niedergelegten Zeitpunkt fordert; eine ausdrückliche Klarstellung, wie sie der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats5 empfohlen hatte, hielt der Gesetzgeber für überflüssig.

3.1053

Daneben fehlt es auch dann stets an einer Gläubigerbenachteiligung wegen Rückführung eines etwaigen debitorischen Saldos durch nachträgliche Zahlungseingänge, wenn der Teilnehmer dem System für dessen Forderungen anfechtungsfrei werthaltige Sicherheiten bestellt hat, das System durch die Verrechnung also nur das erhalten hat, was ihm aufgrund der Sicherungszession ohnehin zugestanden hätte6. Diese Auslegung wird bestätigt durch Art. 4 der Finalitätsrichtlinie.

3.1054

c) Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger Eine Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger soll dagegen auch dann ermöglicht werden, wenn die Zahlung erst nach Verfahrenseröffnung und damit in einen Zeitraum fällt, der von den Anfechtungsvorschriften der §§ 129 ff. InsO sonst nicht mehr erfasst wird. Wenn der Insolvenzverwalter den Gegenwert von Zahlungen, die über das System geflossen sind, für die Masse zurückgewinnen will, muss er sich an denjenigen halten, dem die Zahlung wirtschaft1 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = WM 1999, 781; Einzelheiten s. Rn. 3.170 ff. 2 OLG Brandenburg v. 8.12.1999 – 7 U 247/97, ZIP 2000, 366. 3 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01 ZInsO 2002, 426; LG Berlin v. 19.7.2001 – 13 O 130/01, n.v.; a.A. Heublein ZIP 2000, 161. 4 Begründung RegE BR-Drucks. 456/99 v. 13.8.1999 zu I Nr. 2. 5 BR-Drucks. 456/1/99 v. 13.9.1999 zu A Nr. 4. 6 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061; BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 318/99, ZInsO 2000, 101; BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653; BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, ZIP 1983, 961 unter Aufhebung der Entscheidung des OLG Hamm v. 14.7.1982 – 5 U 192/81, ZIP 1982, 1343; BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 233/90, WM 1992, 1040 = WuB VI B. § 186 KO 1.92 Summ; OLG Koblenz v. 20.6.1984 – 7 U 670/83, ZIP 1984, 1378; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126; BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985, 364 = WuB VI D § 3 AnfG 2.85 Obermüller.

Büchel | 703

3.1055

Dritter Teil Rz. 3.1055 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

lich zugutegekommen ist. Dies kann beispielsweise ein Gläubiger des insolventen Teilnehmers sein, der auf diese Weise eine Befriedigung erhält, während er sonst möglicherweise nur auf die Insolvenzquote angewiesen wäre. Nur im Verhältnis zu ihm ist daher eine Anfechtung möglich1.

6. Sicherheiten 3.1056

Sowohl Brutto- als auch Nettosysteme haben wegen der ihnen immanenten Verzögerung in der Abwicklung der Verrechnungen auch einen gewissen Kreditgewährungscharakter2, der es gerechtfertigt erscheinen lässt, den Teilnehmern Sicherheiten abzuverlangen. Von den Regelungen, die die Insolvenzordnung für die Verwertung und Beschränkung von Kreditsicherheiten trifft, nimmt das Gesetz die Sicherheiten der Betreiber oder Teilnehmer solcher Systeme im Liquidationsverfahren (§ 166 Abs. 3 Nr. 1 InsO) und im Insolvenzplanverfahren (§ 223 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO) aus. a) Sicherungszessionen

3.1057

Sicherungszessionen oder sonstige Finanzsicherheiten, die einem Teilnehmer eines Systems zur Sicherung seiner Ansprüche aus dem System oder der Zentralbank eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder Vertragsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Europäischen Zentralbank gewährt wurden, unterliegen nicht dem Verwertungsrecht des Verwalters (§ 166 Abs. 3 Nr. 1, 3 InsO), so dass der Sicherungsnehmer auch nicht mit den Kostenbeteiligungsansprüchen des § 170 InsO belastet werden darf. Von einer entsprechenden Regelung für Sicherungsübereignungen hat der Gesetzgeber abgesehen, da ihr nach seinem Erkenntnisstand im Rahmen von Zahlungsverkehrssystemen keine Bedeutung zukommt. Pfandrechte unterliegen ohnehin nicht dem Verwertungsrecht des Verwalters.

3.1058

Der oben erwähnte Wortlaut des Gesetzes erweckt den Anschein, als ob lediglich Sicherheiten von dem Verwertungsrecht des Verwalters ausgenommen seien, die einem Kreditinstitut, das an einem Zahlungsverkehrssystem teilnimmt, etwa für seine Forderungen aus dem System an andere Teilnehmer oder an seine Auftraggeber bestellt werden, nicht aber Forderungen des Systems gegen seine Teilnehmer. Diese Auslegung ist aber zu eng. Dies zeigt ein Vergleich mit der Finalitätsrichtlinie, zu deren Umsetzung das Gesetz dient und die in Erwägungsgrund 18 ausführt, bei Insolvenz eines Teilnehmers sollten die von ihm geleisteten dinglichen Sicherheiten von der Anwendung des Insolvenzrechts auf den insolventen Teilnehmer nicht berührt werden. Dazu führt Art. 9 Abs. 1 der Finalitätsrichtlinie aus, dass die Rechte von Teilnehmern an dinglichen Sicherheiten, die ihnen im Rahmen eines Systems geleistet wurden, erhalten bleiben. Unter „Teilnehmer“ versteht die Finalitätsrichtlinie nach ihrem Art. 2f nicht nur die dem System angeschlossenen Kreditinstitute, sondern auch „eine zentrale Vertragspartei, eine Verrechnungsstelle oder eine Clearingstelle“. Diese Interpretation muss auch auf § 166 Abs. 3 Nr. 1 InsO übertragen werden und damit auch Sicherungszessionen und Finanzsicherheiten, die einem Zahlungsverkehrssystem eingeräumt werden, von dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters und dem darauf beruhenden Kostenbeteiligungsanspruch befreien. Anderenfalls hätte es die Bundesregierung versäumt, die Finalitätsrichtlinie vollständig umzusetzen.

1 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = WM 1999, 781. 2 Hasselbach ZIP 2003, 1493.

704 | Büchel

F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1061 Dritter Teil

b) Sicherheiten im Insolvenzplanverfahren Eingriffe in Sicherheiten gleich welcher Art, die ein Insolvenzplan durch Mehrheitsentscheidung auch gegen den Willen des Sicherungsnehmers vornehmen kann, sind für solche Sicherheiten nicht zulässig, die dem Teilnehmer eines Systems zur Sicherung seiner Ansprüche aus dem System oder der Zentralbank eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Europäischen Zentralbank gestellt wurden (§ 223 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der Begriff des Teilnehmers ist hier in gleicher Weise auszulegen und auf das Zahlungsverkehrssystem selbst auszudehnen wie im Fall der Sicherungszessionen, der vorstehend erörtert wurde.

3.1059

IV. Abwicklung über zentrale Kontrahenten Das ständig wachsende Emissionsvolumen und ein expandierender Wertpapierhandel erfordern auch im Depotgeschäft ein hohes Maß an Rationalisierung, die im In- und Ausland zu einer zunehmenden Konzentration der Wertpapiere bei hierfür geschaffenen Sammelverwahrinstituten geführt hat1. Die Girosammelverwahrung durch eine Wertpapiersammelbank unter Begründung lieferbarer Sammeldepotanteile ist zugleich die wertpapiermäßige Grundlage des Effektengiroverkehrs. Bedeutsam für die praxisbezogene Darstellung des Depotgeschäfts war die Einführung eines zentralen Kontrahenten (Central Counterparty, CCP) für bestimmte Geschäfte in Wertpapieren an der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) im Jahre 2003. Als zentraler Kontrahent tritt dabei die Eurex Clearing AG auf2. Inzwischen können zentrale Vertragsparteien aber über Wertpapiere hinaus theoretisch für alle im Rahmen des börslichen und außerbörslichen Handel gehandelten Gegenstände, insbesondere Derivate und sonstige Verträge über Finanzleistungen eingesetzt werden3. Ein zentraler Kontrahent wird nämlich definiert als Betreiber eines Systems zur Regelung der Erfüllung, Besicherung und Abwicklung von Geschäften über Finanzleistungen i.S.v. § 104 Abs. 1 und 2 InsO und vergleichbaren Geschäften (§ 1 Abs. 31 KWG). Zentrale Vertragsparteien haben die früheren Skontrationsverbände4 nahezu vollständig abgelöst5; die Geschäfte werden im modernen börslichen Handel bilateral abgewickelt6.

3.1060

1. Begriff des zentralen Kontrahenten Geschäfte, die über zentrale Kontrahenten abgewickelt werden, bestehen aus zwei korrespondierenden Einzelgeschäften jeweils zwischen dem Teilnehmer an einem Clearingsystem (das sog. Clearingmitglied, meist eine Bank) und seinem Kunden einerseits und dem Teilnehmer an einem Clearingsystem und dem zentralen Kontrahenten andererseits7. Das Clearingmitglied ist nur deshalb zwischengeschaltet, weil der Bankkunde in der Regel die Qualifikation für die Zulassung zu dem System des zentralen Kontrahenten nicht erfüllt. Das Gegengeschäft des zentralen Kontrahenten vollzieht sich ebenfalls durch zwei korrespondierende Einzel1 Kreße, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2018/136. Lfg., Rn. 8/7. 2 Kreße, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2018/136. Lfg., Rn. 8/10; Foelsch/Wittmann, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2015/117 Lfg., Rn. 7/489d. 3 von Hall, Insolvenzverrechnung in bilateralen Clearingsystemen, 2011, 35. 4 S. dazu Canaris WM 1976, 994; Szur Ausgestaltung als multilaterale Aufrechnungsverträge s. Bauer WM 1983, 198 (203). 5 Seel ZInsO 2011, 505; von Hall, Insolvenzverrechnung in bilateralen Clearingsystemen, 2011, 22. 6 Einzelheiten s. Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, 2004; von Hall, Insolvenzverrechnung in bilateralen Clearingsystemen, 2011; Hartenfels ZInsO 2011, 1831; Holzer BKR 2011, 366. 7 Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei, 2005, S. 58.

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3.1061

Dritter Teil Rz. 3.1061 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

geschäfte jeweils zwischen ihm und einem anderen Clearingmitglied und diesem Clearingmitglied und seinem Kunden. Die Zuordnung und Ausführung der Geschäfte wird automatisch (sog. matching) mit gleichzeitiger Verrechnung der Forderungen mehrerer oder aller Marktteilnehmer mit bzw. gegen den zentralen Kontrahenten vorgenommen, so dass lediglich ein Spitzenausgleich nach Aufrechnung der bestehenden Ansprüche notwendig ist1. Auch wenn diese zentrale Gegenpartei in die Vertragsbeziehung zwischen Käufer und Verkäufer eingeschaltet wird, dient sie jedoch lediglich der technischen Durchführung des Geschäfts2.

2. Insolvenzrechtliche Konsequenzen ohne Sonderregelung 3.1062

Infolge der beschriebenen Konstruktion übernimmt der zentrale Kontrahent das bisherige Kontrahentenrisiko vollständig und allein3. Denn wenn nun ein Clearingmitglied insolvent wird, würde in seinen Rechtsverhältnissen sowohl zum zentralen Kontrahenten als auch zum Kunden § 104 Abs. 2 InsO zum Zuge kommen, d.h. der Insolvenzverwalter könnte, wenn beispielsweise der Kunde per Termin ein Wertpapier verkauft hat und dieses im Kurs gefallen ist, der Kontrakt also einen positiven Wert für den Kunden hat, diesen mit seinem Ausgleichsanspruch aus § 104 Abs. 2 InsO auf eine Insolvenzforderung verweisen, während er aus dem Anschlussvertrag mit dem zentralen Kontrahenten gegen diesen einen werthaltigen Ausgleichsanspruch für die Masse erwirbt. Dies ließe sich z.B. durch Aufrechnungsvereinbarungen, die das Erfordernis der Gegenseitigkeit ausschalten und eine Aufrechnung der Forderung des mittelbaren Teilnehmers gegen die Verbindlichkeit des zentralen Kontrahenten zulassen, vermeiden. Grundsätzlich sind solche Aufrechnungen jedoch anfechtbar, denn die vertragliche Aufgabe des Gegenseitigkeitserfordernisses wird durch § 94 InsO nicht geschützt4.

3.1062a

Ein solches Ergebnis wollen aber die Beteiligten durch entsprechende Vorkehrungen in den Teilnahmebedingungen bzw. Vertragswerken in Übereinstimmung mit den Zielen der Derivateverordnung5 verhindern6 und den zentralen Kontrahenten vor dem Ausfallrisiko aus der Insolvenz eines Teilnehmers schützen. Zu diesem Zweck sollen beide Seiten des Geschäfts so gestellt werden als hätte keine Zwischenschaltung eines Clearingmitglieds stattgefunden. Denn sonst könnte die Insolvenzmasse einen zufälligen Vermögensvorteil erhalten, der allein auf der strukturbedingten Zwischenschaltung eines neutralen Vermittlers beruhen würde. Dies war auf der Basis der bisherigen Gesetze nicht uneingeschränkt möglich.

3. Entwicklung der Gesetzgebung 3.1063

Die u.a. auf Insolvenzfestigkeit bedachten Konzepte von nationalen und internationalen Clearing- oder Abrechnungs- bzw. Abwicklungssystemen im Zahlungsverkehr und der Wertpapierübertragung konnten nicht immer in Einklang mit dem deutschen Insolvenzrecht, hier 1 Holzer DB 2013, 443; Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei, 2005, S. 62. 2 Beule, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2013/102. Lfg., Rn. 7/36. 3 Kindermann WM 1989 Sonderbeilage 2, S. 24. 4 Fischer WM 2008, 1; Kayser WM 2008, 1477; BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, ZIP 2007, 383 = ZInsO 2007, 213; BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 1/09, ZIP 2010, 138 = ZInsO 2010, 133 mit Anm. Krüger/Opp NZI 2010, 672. 5 Verordnung über Risikomanagement und Risikomessung beim Einsatz von Derivaten in Wertpapier-Darlehen und Pensionsgeschäften in Investmentvermögen nach dem Kapitalanlagegesetzbuch v. 16.7.2013 (BGBl. I 2013, 2463). 6 S. die Darstellung zu Zahlungsverkehrssystemen unter Rn. 3.1020 ff.

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F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1064 Dritter Teil

insbesondere mit den Vorschriften über die Anfechtung, Aufrechnung oder dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters gebracht werden. Der Gesetzgeber hat sich deshalb bemüht, Lösungen zu finden, die verhindern, dass deutsche Systeme international ins Abseits geraten (Einzelheiten s. Rn. 3.1000 ff.), zuletzt durch das des Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften1. Dessen Ziel beschränkte sich jedoch darauf, sämtliche Verrechnungen für insolvenzfest zu erklären. Damit und durch die Bestellung von Sicherheiten lässt sich zwar ein weitgehender, aber kein vollständiger Schutz von Systemen mit zentralen Kontrahenten gegen Ausfälle durch die Insolvenz eines Teilnehmers erreichen2. Denn nach Durchführung der Verrechnung und Verwertung der Sicherheiten kann noch immer eine ungesicherte Forderung des Systems verbleiben. Dies wollten die Konzepte für den Fall der Insolvenz eines Teilnehmers im Wesentlichen durch zwei Vertragskonstruktionen vermeiden, unter denen der zentrale Kontrahent die Wahl hat, nämlich die Übertragung auf ein „Ersatz“-Clearingmitglied oder die Glattstellung durch gegenläufige Kontrakte. Die Berechtigung zu solchen Maßnahmen und die Verpflichtung zu deren Duldung oder Mitwirkung konnten die zentrale Gegenpartei und das Clearingmitglied zwar schuldrechtlich oder in Statuten vereinbaren, ihre Durchführung hätte aber an zwingenden insolvenzrechtlichen Normen, insbesondere daran scheitern können, dass ein Erwerb von massezugehörigen Gegenständen nach Insolvenzeröffnung grundsätzlich nicht mehr möglich ist (§ 91 Abs. 1 InsO) und das insolvente Clearingmitglied nicht mehr über sein Vermögen verfügen darf (§ 81 InsO). Die Durchführung von Abwicklungsmaßnahmen hätten auch die engen Vorgaben des § 104 Abs. 3 Satz 1 InsO verhindern können, wonach sich die Höhe der Nichterfüllungsforderung des § 104 Abs. 2 Satz 1 InsO nach dem Marktund Börsenwert zu bestimmen hat, der sich zu einem vorbestimmten Zeitpunkt innerhalb der ersten fünf Werktage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens feststellen lässt.

3.1063a

Um solche Konzepte insolvenzfest darstellen zu können, hatten Diskussionsentwurf, Referentenentwurf und Regierungsentwurf zum ESUG3 als § 104a InsO-E eine Spezialregelung für Clearingsysteme mit zentralen Kontrahenten vorgeschlagen. In der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens hatte der Rechtsausschuss des Bundestags diese Norm wieder gestrichen. Zur Tätigkeit wurde der Gesetzgeber jedoch durch die Verordnung (EU) Nr. 648/20124 gezwungen.

3.1063b

a) Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 Nach Art. 48 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 soll eine zentrale Gegenpartei dafür Sorge tragen, dass ihre Verfahren bei einem Ausfall rechtlich durchsetzbar sind, und alle angemessenen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass sie über die rechtlichen Befugnisse verfügt, um Eigenhandelspositionen des ausfallenden Clearingmitglieds abzuwickeln und die Kundenpositionen des ausfallenden Clearingmitglieds zu übertragen oder abzuwickeln; die Abwicklung geschieht in der Regel durch Glattstellungsgeschäfte. Vermögenswerte und 1 Gesetz v. 8.12.1999, BGBl. I 1999, 2384. 2 Ausführlich dazu von Hall, Insolvenzverrechnung in bilateralen Clearingsystemen, 2011. 3 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582; zur Entwicklung s. Diskussionsentwurf v. 9.7.2010 (abgedr. ZInsO 2010, 1440); RefE v. 25.1.2011 (abgedr. ZInsO 2011, 269); RegE v. 4.3.2011, BR-Drucks. 127/11; RegE v. 4.5.2011, BTDrucks. 17/5712; Überblick s. Schuster/Ruschkowski ZBB 20114, 123. 4 Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister v. 4.7.2012, ABl. EU Nr. L 201, 1.

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3.1064

Dritter Teil Rz. 3.1064 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Positionen, die das ausfallende Clearingmitglied für Rechnung von Kunden hält, soll die zentrale Gegenpartei auf ein anderes, von den betreffenden Kunden benanntes Clearingmitglied übertragen. Gelingt die Übertragung nicht rechtzeitig, kann die zentrale Gegenpartei auch die Liquidierung der Vermögenswerte und Positionen, die das ausfallende Clearingmitglied für Rechnung des Kunden hält, vornehmen (Art. 48 Abs. 6 der VO). Kundensicherheiten, die das Clearingmitglied zur Deckung der Kundenpositionen an die zentrale Gegenpartei weitergeleitet hat, bzw. einen etwaigen Überschuss aus deren Verwertung muss die zentrale Gegenpartei nach Art. 48 Abs. 7 der VO unmittelbar den Kunden, soweit ihr diese bekannt sind, und anderenfalls dem Clearingmitglied für Rechnung des Kunden zurückgeben.

3.1064a

Die oben unter Rn. 3.1063a beschriebenen Hindernisse für die Vereinbarung solcher Maßnahmen werden durch die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 nicht unmittelbar beseitigt, denn sie greift nicht direkt in das Insolvenzrecht ein, sondern bedurfte der Umsetzung in nationales Recht. b) Umsetzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012

3.1065

Seiner Aufgabe, die Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 umzusetzen, ist der Gesetzgeber inzwischen mit dem EMIR-Ausführungsgesetz1 nachgekommen. Mit Art. 102b EGInsO sind die Regelungen – der Entwurf2 bezeichnet sie als Klarstellung – eingeführt worden, – dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der effektiven Durchführbarkeit der nach Art. 48 der EU-Verordnung (aufsichtsrechtlich) gebotenen Maßnahmen nicht entgegensteht, – dass diese Maßnahmen auch dann wirksam durchgeführt werden können, wenn im Eröffnungsverfahren Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden (§ 21 InsO) und – dass vor Verfahrenseröffnung getroffene Maßnahmen von der Insolvenzanfechtung ausgenommen sind. Der Anwendungsbereich dieser Spezialregelung für die Insolvenz von Mitgliedern eines Clearingsystems mit zentralen Kontrahenten beschränkt sich im Wesentlichen auf Insolvenzen von Kreditinstituten und anderen Finanzdienstleistern, für die ohnehin schon eine Fülle von Sonderregelungen gilt.

4. Wirkung der Umsetzung 3.1066

Durch Art. 102b EGInsO erhält der zentrale Kontrahent eine Reihe von Rechten, ohne dass ihm genaue Vorgaben für deren Ausübung gemacht werden. a) Rechte des zentralen Kontrahenten

3.1066a

Aufgrund der Umsetzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 durch Art. 102b EGInsO hat der zentrale Kontrahent folgende Rechte:

1 Ausführungsgesetz zur Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister v. 15.2.2013, BGBl. I 2013, 174. 2 Entwurf eines Ausführungsgesetzes zur Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister v. 11.9.2012.

708 | Büchel

F. Zahlungsverkehrssysteme | Rz. 3.1068 Dritter Teil

– Eigenhandelspositionen des ausfallenden Clearingmitglieds kann der zentrale Kontrahent abwickeln (bei vielen Geschäften wurde dies durch § 104 InsO auch bisher schon ermöglicht). – Kundenpositionen des ausfallenden Clearingmitglieds kann der zentrale Kontrahent auf ein anderes, von den betreffenden Kunden benanntes Clearingmitglied übertragen, ohne durch die Vorschriften der §§ 21, 81, 91 InsO gehindert zu sein. Der zentrale Kontrahent kann und muss also in einem solchen Fall dafür sorgen, dass alle Verträge zwischen ihm und dem Clearingmitglied mitsamt etwaigen Sicherheiten auf ein Ersatzmitglied übergehen. Entsprechend müssen auch die Rechte und Pflichten aus den Vertragsverhältnissen zwischen dem Clearingmitglied und dessen Kunden auf das Ersatzmitglied übergehen, – Kundenpositionen des ausfallenden Clearingmitglieds – in der Regel durch Glattstellungsgeschäfte – kann der zentrale Kontrahent abwickeln. – Kundensicherheiten1, die das Clearingmitglied zur Deckung der Kundenpositionen an die zentrale Gegenpartei weitergeleitet hat, bzw. einen etwaigen Überschuss aus deren Verwertung darf der zentrale Kontrahent unmittelbar den Kunden, soweit ihm diese bekannt sind, und anderenfalls dem Clearingmitglied für Rechnung des Kunden zurückgeben. b) Rechte des Insolvenzverwalters Weder der vorläufige noch der endgültige Insolvenzverwalter kann die Durchführung solcher Maßnahmen verhindern; ihm stehen auch keine Mitwirkungsrechte zu.

3.1066b

c) Art und Weise der Durchführung Die Voraussetzungen und Modalitäten der Abwicklung der Geschäfte mit der Eurex und die Behandlung der Sicherheiten sind in deren Clearing-Bedingungen in Nrn. 7.2., 8. im Einzelnen geregelt. Wie und durch wen aber die zur Übertragung von Kundenpositionen notwendigen schuldrechtlichen Verträge und dinglichen Einigungen zwischen der zentralen Gegenpartei, dem ausfallenden Clearingmitglied und dem eintretenden Clearingmitglied zustande kommen sollen, lässt Art. 102b EGInsO offen. Es ist der zentralen Gegenpartei überlassen, entsprechende Konzepte zu entwickeln2. Umstritten ist die Notwendigkeit eines Nachteilsausgleichs.

3.1067

aa) Übertragung von Kundenpositionen Kundenpositionen des ausfallenden Clearingmitglieds können auf ein anderes Clearingmitglied durch Vertragsübernahme oder durch Aufhebung der alten Verträge und Neuabschluss übertragen werden. Die dazu notwendigen Willenserklärungen des ausfallenden Clearingmitglieds sollte die zentrale Gegenpartei nicht erst aus Anlass von dessen Insolvenz einholen, sondern sich schon vorher über ihre Bedingungen oder Statuten beschaffen und sich von den Clearingmitgliedern die erforderlichen Vollmachten und Ermächtigungen erteilen lassen, um die jeweils geeigneten Maßnahmen auch mit Wirkung für das insolvente Clearingmitglied treffen zu können.

1 Zur Pflicht des Clearingmitglieds zur Segregation von eigenen Positionen s. Decker BKR 2014, 397. 2 Zur Vertragsdokumentation s. Köhling BKR 2013, 491; Schuster/Ruschkowski ZBB 2014, 123.

Büchel | 709

3.1068

Dritter Teil Rz. 3.1068a | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.1068a

Dabei muss sie berücksichtigen, dass Vollmachten, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, kraft Gesetzes durch die Verfahrenseröffnung erlöschen (§ 117 InsO)1. Daran ändert auch Art. 102b EGInsO nichts. Auch kann der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO), der von Art. 102b § 1 EGInsO unberührt bleibt, ein Hindernis bilden; zum Austausch des insolventen Clearingmitglieds etwa notwendige Willenserklärungen und Verfügungen kann nach Verfahrenseröffnung nämlich nur noch der Insolvenzverwalter abgeben bzw. vornehmen. Ob die Ausschlüsse der Vorschriften der §§ 21, 81, 91 InsO durch Art. 102b § 1 EGInsO dann noch reichen, um die Übertragung von Positionen vor oder nach Verfahrenseröffnung insolvenzfest zu ermöglichen, bleibt abzuwarten. bb) Nachteilsausgleich

3.1069

Die Umsetzung ist nicht ohne Kritik geblieben. So wurde bedauert, dass der Nachteilsausgleich, der noch im Regierungsentwurf zum ESUG2 als § 104a Abs. 3 Satz 4 InsO-E vorgesehen war, in Art. 102b EGInsO nicht übernommen wurde3. Denn damit hätte der Insolvenzverwalter ebenso wie bisher nach § 104 Abs. 2 InsO einen Ausgleichsanspruch für die Nachteile erhalten, die die Masse dadurch erleidet, dass sie den gegen sie gerichteten Anspruch nicht auf die Quote verweisen und den deckungsgleichen Anspruch gegen den zentralen Kontrahenten voll realisieren kann. Dies hätte jedoch den vom Gesetz verfolgten Zweck konterkariert4. Ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf Nachteilsausgleich wäre zudem mit der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, die in Erwägungsgrund 11 das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme als grundlegende Aufgabe des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) bezeichnet, nicht in Einklang zu bringen.

3.1069a

Wenn der zentrale Kontrahent Kundenpositionen abwickelt und über Gegengeschäfte für einzelne Positionen oder auch für ein gesamtes Portfolio eine Glattstellung vornimmt, kann dieselbe Lage wie in Rn. 3.1069 geschildert eintreten: Aus der Glattstellung eines Geschäfts, das sich für ihn positiv entwickelt hat, erwirbt der mittelbare Teilnehmer eine Ausgleichsforderung gegen das Clearingmitglied, die er als Insolvenzforderung anmelden muss, während die deckungsgleiche Ausgleichsforderung des Clearingmitglieds gegen den zentralen Kontrahenten voll beglichen werden muss. Einen Ausgleichsanspruch für diesen Nachteil sieht das Gesetz nicht vor.

G. Cash-Pool 3.1070

Im Zahlungsverkehr legen Konzerne großen Wert auf die Bildung eines sog. Cash-Pools, zu deren Realisierung die Banken unter verschiedenen Namen, z.B. Cash Management oder Cash-Pooling, ihre Dienstleistung anbieten. Darunter versteht man ein Verrechnungssystem, das dazu dient, einen Gesamtsaldo aus den Konten sämtlicher Konzernunternehmen zu bil-

1 FG Hamburg v. 20.8.2011 – 3 K 151/11, ZIP 2011, 2275 = ZInsO 2011, 1985; weiterführend Schilken KTS 2007, 1. 2 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582; zur Entwicklung s. Diskussionsentwurf v. 9.7.2010 (abgedr. ZInsO 2010, 1440); RefE v. 25.1.2011 (abgedr. ZInsO 2011, 269); RegE v. 4.3.2011 – BR-Drucks. 127/11; RegE v. 4.5.2011 – BT-Drucks. 17/5712. 3 Holzer DB 2013, 443. 4 Jaskulla BKR 2012, 441.

710 | Büchel

G. Cash-Pool | Rz. 3.1072 Dritter Teil

den und damit einen optimalen konzerninternen Liquiditätsausgleich1 sicherzustellen. Damit können der Finanzbedarf des Konzerns und seiner einzelnen Unternehmen besser geplant und kontrolliert und die Aussichten, durch die Nachfrage höherer Volumina interessantere Konditionen zu erhalten, verbessert werden2.

I. Vertragsgestaltung und wirtschaftlicher Zweck 1. Vertragsgestaltung und Abwicklung Im Außenverhältnis zur Bank stützt sich das Cash-Pooling auf eine mehrseitige Vereinbarung, die rechtlich als Geschäftsbesorgungsvertrag der jeweiligen Konzerngesellschaft mit der Bank eingeordnet werden kann3. Je nach Ausgestaltung dieses Vertragswerks kann sich eine Konzerngesellschaft die Übertragung und Steuerung der Kontoumsätze vorbehalten oder die jeweilige Gesellschaft weist wie bei einem Dauerauftrag die Bank an, täglich, meist am Ende des Geschäftstages eine Zahlung in Höhe eines bis dahin etwa entstandenen Guthabens einem Zielkonto, in der Regel dem der Konzernobergesellschaft zuzuführen. Vom normalen Dauerauftrag unterscheidet dieser sich nur durch den Umstand, dass der Auftraggeber den zu überweisenden Betrag nicht fest vorgibt, sondern die Bank anhand des abendlichen Saldos den Überweisungsbetrag selbst feststellt. Solche Verträge werden i.d.R. auf unbestimmte Zeit mit der Befugnis jeder Seite zur Kündigung mit einer vereinbarten Frist abgeschlossen, wobei das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund unberührt bleibt.

3.1071

Dafür bestehen in der Praxis unterschiedliche Verfahren. So ist zwischen den typischen und atypischen Verfahren zu unterscheiden:

3.1072

– Bei den typischen Cash Pool-Verfahren, auch physisches cash-pooling genannt4, fungiert die zuständige Gesellschaft, meist die Muttergesellschaft oder eine besonderen Finanzierungstochter als Konzernbank, auf deren Konto (Zielkonto) am Ende eines jeden Bankarbeitstages alle Guthaben der angeschlossenen Gesellschaften (Quellkonten) überwiesen werden. Umgekehrt werden Sollsalden der teilnehmenden Gesellschaften täglich „glattgestellt“, so dass sich sämtliche Konten der Konzernunternehmen zum Buchungsschnitt auf null stellen und das Zielkonto den debitorischen oder kreditorischen Konzernsaldo ausweist. Deren Gläubiger werden danach von den Konten ihrer jeweiligen Vertragspartner befriedigt. Bei der virtuellen Variante findet der Ausgleich zwischen den Konten der beteiligten Konzerngesellschaften nur rechnerisch statt, es kommt also nicht zu realen Überweisungen zwischen Quellkonten und Zielkonto5. – Bei den atypischen Cash Management-Systemen werden die Verbindlichkeiten des dem Cash Pool angeschlossenen Vertragspartners (unter Umständen nur im Fall der fehlenden Liquidität) nicht von ihm selbst, sondern von dem Konto einer anderen Gesellschaft getilgt (externes Cash Management-System)6.

1 2 3 4 5

Büschgen WM 1995, 733; Becker DStR 1998, 1528. Früh GmbHR 2000, 105; Reuter NZI 2001, 393. Jäger DStR 2000, 1653; zu Fragen des Cash-Pooling bei Factoring s. Primozic NZI 2005, 358. Brand ZInsO 2019, 2091. BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 16/18, ZIP 2019, 1972 = ZInsO 2019, 2164 Rn. 26; vgl. Brinkmann in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2022 94. Lfg., Anhang zu § 135 Anfechtung im Konzern Rn. 32. 6 BGH v. 3.3.2005 -IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276, 277 = ZIP 2005, 767; s. dazu Rn. 3.1128; BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 16/18, ZIP 2019, 1972 = ZInsO 2019, 2164 Rn. 26.

Büchel | 711

Dritter Teil Rz. 3.1072 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Maßgeblich für die insolvenzrechtliche Betrachtung ist jedoch nicht so sehr die Technik, sondern die dahinterstehende materielle Rechtslage.

3.1072a

Die Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis1 unter den beteiligten Konzernunternehmen werden als wechselseitige Darlehensverhältnisse eingestuft2.

3.1073

Im Außenverhältnis übernehmen zum Teil sämtliche Konzernunternehmen die gesamtschuldnerische Haftung gegenüber der Bank für alle Forderungen, die diese gegen alle oder einzelne der angeschlossenen Gesellschaften aus dem Cash-Pooling erwirbt.

2. Wirtschaftlicher Zweck 3.1074

Mit dem Cash-Pooling soll erreicht werden, dass sich die debitorischen und die kreditorischen Salden der einzelnen Konzernunternehmen ganz oder teilweise ausgleichen, damit nicht eine Konzerngesellschaft zum Sollzins Mittel aufnimmt, während die andere überschüssige Mittel zu einem niedrigeren Habenzins anlegen muss3. Ein etwaiger Sollsaldo entsteht dann nur auf dem Zielkonto, für das eine entsprechende Kreditlinie eingeräumt wird4. Durch diese Gestaltung wird der Kreditbedarf für die Firmengruppe insgesamt reduziert5. Gleichzeitig wird auch der Kreditrahmen, den die Bank dem Konzern zur Verfügung stellt, entsprechend niedriger gehalten; der Kreditbedarf muss nämlich nur für das Unternehmen, bei dem das Zielkonto geführt wird, bemessen und an den zu erwartenden Salden ausgerichtet werden.

3.1075

Eine andere Variante besteht in dem sog. „Notional Pooling“. Hier finden keine tatsächlichen Überträge statt, vielmehr bleiben die Einzelkonten mit ihrem jeweiligen Saldo bestehen, jedoch wird für die Zinsberechnung eine Konzentration sämtlicher Salden fingiert6. Der dadurch für den Konzern entstandene Zinsvorteil kommt entweder der Gesellschaft, die das Zielkonto führt, zugute oder wird unmittelbar an die Konzernunternehmen weitergegeben, indem der auf ihren Konten tatsächlich bestehende jeweilige Saldo mit dem Zinssatz des Gesamtsaldos verzinst wird7. An den Ansprüchen und Verbindlichkeiten der jeweiligen Tochtergesellschaften gegenüber der Bank ändert sich also mit Ausnahme der Zinsberechnung nichts, so dass auf dieses Modell nicht weiter eingegangen werden muss.

3. Risiken 3.1076

Das Cash Management birgt wirtschaftliche Gefahren für die einbezogenen Tochtergesellschaften8.

1 Zum Innenverhältnis s. auch Rendels ZIP 2003, 1583. 2 Priester ZIP 2006, 1557; BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 16/18, ZIP 2019, 1972 = ZInsO 2019, 2164 Rn. 29. 3 Altmeppen ZIP 2006, 1025; Becker DStR 1998, 1528; Piepenburg NZI 2004, 231; Reidenbach WM 2004, 1421; Saenger/Koch GmbHR 2010, 113. 4 Piepenburg NZI 2004, 231; Reidenbach WM 2004, 1421. 5 Früh GmbHR 2000, 105; die darin möglicherweise liegenden Bankgeschäfte innerhalb des Konzerns fallen nicht unter die staatliche Bankenaufsicht (Götze WM 2005, 727). 6 Werner BKR 2006, 211. 7 Oho/Eberbach DB 2001, 825. 8 S. auch Kamm/Kropf ZInsO 2014, 689.

712 | Büchel

G. Cash-Pool | Rz. 3.1080 Dritter Teil

So vorteilhaft dieses Verfahren in einem gesunden Konzern auch sein mag1, so riskant ist es in der Insolvenz des Unternehmens, das Inhaber des Zielkontos ist, für die in das Cash Management einbezogenen Konzernunternehmen2. Wenn diese nämlich täglich ihre gesamte Liquidität an die Muttergesellschaft als Zielkontoinhaberin abführen, bedeutet dies, dass sie in dem Zeitpunkt, in dem die Muttergesellschaft von einem Verfügungsverbot betroffen oder in dem ein Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet wird, ihrer Zahlungsmittel beraubt und damit im Zweifel gezwungen sind, ihrerseits ein Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit zu beantragen, obwohl sie nicht überschuldet sind. Die Überschuldung der Konzernunternehmen kann dadurch ausgelöst wird, dass durch die Abführung ihrer Liquidität an die Muttergesellschaft hohe Forderungen an diese entstanden sind, die wegen deren Insolvenz wertberichtigt werden müssen3.

3.1077

Für die Bank erhebt sich beim Cash Management die Frage,

3.1078

– ob sie das Cash-Pooling in der Krise des Konzerns noch unbeirrt weiter durchführen darf oder ob sie auf die Lage des Konzerns und die Konsequenzen für die Geschäftsführer oder Vorstände der Konzernunternehmen Rücksicht nehmen muss, – welches Schicksal die Cash-Pooling-Vereinbarung in den verschiedenen Phasen einer Insolvenz erleidet und – ob sich die Bank außerdem der Gefahr einer Insolvenzanfechtung aussetzt:

II. Gesellschaftsrechtliche Grenzen Wenn das Cash-Pooling nicht zu einem ausgeglichenen Verhältnis von Eingängen und Ausgängen auf dem Konto der Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft führt, sondern ein Kapitalstrom nur in eine Richtung stattfindet, ist zu unterscheiden, ob die überwiegenden Zahlungen von der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft (sog. upstream loans) oder von der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft (sog. downstream loans) geflossen sind.

3.1079

1. Überwiegende Zahlungen von Tochtergesellschaft an Muttergesellschaft Im Fall überwiegender Zahlungen von der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft können im Innenverhältnis die Grundsätze zur Kapitalerhaltung (§ 30 Abs. 1 GmbHG) und zur Kapitalaufbringung (§ 19 Abs. 5 GmbHG) einer GmbH oder AG verletzt sein4.

1 Zum Ausschluss einer Tochtergesellschaft aus dem Cash-Pooling als existenzvernichtender Eingriff s. OLG Köln v. 18.12.2008 – 18 U 162/06, EWiR 2009, 667 – § 826 BGB 2/09. 2 Piepenburg NZI 2004, 231; Saenger/Koch GmbHR 2010, 113; Klein ZIP 2017, 258; zu Warnpflichten der Bank s. Wunderlich BKR 2005, 387. 3 Zur Auswirkung des Cash-Pooling auf die Fortbestehensprognose bei der Überschuldungsprüfung s. Küting/Eichenlaub GmbHR 2014, 169; zur Feststellung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit durch softwaregestützte Auswertung der Datenbestände des insolventen Unternehmens s. Gaa ZInsO 2006, 476. 4 Vorschläge für Konstruktionen zur Vermeidung dieser Risiken s. Komo BB 2011, 2307.

Büchel | 713

3.1080

Dritter Teil Rz. 3.1081 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

a) Verletzung der Grundsätze der Kapitalerhaltung

3.1081

Während die frühere Rechtsprechung1 Kredite einer GmbH an ihre Muttergesellschaft zu Lasten des gebundenen Vermögens der Tochtergesellschaft als grundsätzlich verboten angesehen hat, auch wenn der Rückzahlungsanspruch im Einzelfall vollwertig war, hat sich dies mit dem MoMiG2 teilweise geändert. Die Auszahlung an Gesellschafter ist nach § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG solange zulässig und mit den Grundsätzen zur Kapitalerhaltung vereinbar, wie die Leistungen der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft durch einen vollwertigen Erstattungsanspruch gedeckt sind oder aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags geschehen. Mit dieser Klarstellung im Gesetz soll das Cash-Pooling erleichtert werden3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist derjenige der Kreditauszahlung. Die Geschäftsleiter der Tochtergesellschaft sind jedoch verpflichtet, das Kreditrisiko laufend zu überprüfen und ggf. das Darlehen zu kündigen oder Sicherheiten zu fordern4.

3.1082

Die Zahlungen der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft können unter extremen Voraussetzungen auch als missbräuchliche Schädigung des zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens der Tochtergesellschaft angesehen werden, wenn diese Zahlungen letztlich vom Gesellschafter veranlasst zur Insolvenz der Tochtergesellschaft führen oder diese noch vertiefen. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich dann um eine Innenhaftung des Gesellschafters gegenüber der „ausgeplünderten“ Gesellschaft nach § 826 BGB (sog. „Existenzvernichtungshaftung“)5. b) Verletzung der Grundsätze der Kapitalaufbringung

3.1083

Schließlich können die Zahlungen von einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft im Rahmen eines Cash-Poolings bei der Gründung oder der Kapitalerhöhung der Tochtergesellschaft gegen die Kapitalaufbringungsregeln der § 19 GmbHG, § 27 AktG verstoßen.

1 BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01, ZIP 2004, 262; im Schrifttum dazu s. Altmeppen ZIP 2006, 1025; Altmeppen ZIP 2009, 1545; Bayer/Lieder GmbHR 2006, 449; Gehrlein MDR 2006, 789; Goette ZIP 2005, 1481; Habersack/Schürnbrand NZG 2004, 689; Kerber DB 2005, 1835; Pentz ZIP 2006, 781; Priester ZIP 2006, 1557; Thomas ZInsO 2006, 77; Wessels ZIP 2006, 1701; zur Anwendung auf die AG und die GmbH & Co. KG Grothaus/Halberkamp GmbHR 2005, 1317. 2 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026; zu den Regeln über die Kapitalaufbringung s. Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449. 3 S. Begründung RegE § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG BT-Drucks. 16/ 6140. 4 So ausdrücklich für die Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG BGH v. 1.12.2008 – II ZR 102/07, ZInsO 2009, 40; Wilhelmi WM 2009, 1917; Altmeppen ZIP 2009, 49; Kiefner/Theusinger NZG 2008, 801, insbesondere zur Vollwertigkeit und nachträglichen Wertveränderungen; s. auch Weitzel/Socher ZIP 2010, 1069. 5 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 unter Aufgabe der Durchgriffsaußenhaftung des Gesellschafters (s. BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, ZIP 2001, 1874; BGH v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, ZIP 2002, 848; BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00, ZIP 2002, 1578; BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01, GmbHR 2004, 302; BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, ZIP 2005, 117; BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, ZIP 2005, 250); BGH v. 9.2.2009 – II ZR 292/07, ZInsO 2009, 878; BGH v. 24.7.2012 – II ZR 177/11, ZInsO 2012, 1718; grundlegend dazu Gehrlein WM 2008, 761; Strohn ZInsO 2008, 706; Altmeppen ZIP 2008, 1201.

714 | Büchel

G. Cash-Pool | Rz. 3.1084 Dritter Teil

Nach § 19 Abs. 5 GmbHG, § 27 Abs. 4 AktG können Leistungen der Tochtergesellschaft, die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entsprechen, die Muttergesellschaft von ihrer Einlagepflicht nur dann befreien, wenn sie durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt sind, der jederzeit fällig ist oder den die Tochtergesellschaft fristlos kündigen kann. Die Einbeziehung der Tochtergesellschaft in ein Cash-Pooling kann zur Folge haben, dass die von der Muttergesellschaft gezahlte Einlage gleichtägig oder sukzessive wieder an sie zurückfließt. Dies wird, wenn im Wege des Cash-Poolings ein durch die Mittel aus der Kapitalerhöhung entstandenes Guthaben wieder an die Muttergesellschaft rücküberwiesen wird, als ein sog. „Hin- und Herzahlen“ angesehen1, das die Muttergesellschaft von ihrer Einlagepflicht dann nicht befreit, wenn der Rückzahlungsanspruch der Tochtergesellschaft nicht vollwertig ist2. Wenn dagegen ein bei der Tochtergesellschaft bis dahin vorhandener Debetsaldo ausgeglichen wird, handelt es sich um eine verdeckte Sacheinlage, da „verdeckt“ die Darlehensforderung eingebracht wird3. Auch diese befreit die Muttergesellschaft von ihrer Einlagepflicht grundsätzlich nicht (§ 19 Abs. 4 GmbHG).

3.1083a

c) Haftung wegen Insolvenzverschleppung Daneben sind die allgemeinen Haftungsgrundsätze wegen verspäteter Stellung des Insolvenzantrags zu beachten. Danach können sich Mitglieder des Vorstandes oder der Geschäftsführung schadensersatzpflichtig machen, wenn sie den Antrag nicht rechtzeitig stellen (§ 823 Abs. 2 BGB, § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO)4. Diese Schadensersatzpflicht besteht nicht nur gegenüber außenstehenden Gläubigern des Unternehmens. Vielmehr ist der Vorstand einer Konzernholding wegen Insolvenzverschleppung auch gegenüber Tochtergesellschaften zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der diesen dadurch entsteht, dass sie weiter in den Cash-Pool des Konzerns einzahlen, obwohl bereits Zahlungsunfähigkeit eingetreten, jedoch noch kein Insolvenzantrag für die Konzernmutter gestellt worden ist5. Für Geschäftsleiter der Tochtergesellschaft kommen strafrechtliche Risiken hinzu: Der Geschäftsleiter einer poolzugehörigen Gesellschaft, der trotz Gesellschaftskrise der Cash-Pool-Abrede nachkommt und freie Gesellschaftsmittel bankarbeitstäglich an das Pool-Konto überweist, kann sich durch dieses Verhalten entweder wegen Bankrotts gem. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder aber wegen Gläubigerbegünstigung gem. § 283c Abs. 1 StGB strafbar machen, sofern die von § 283 Abs. 6, § 283c Abs. 3 StGB geforderte objektive Strafbarkeitsbedingung eintritt und über das Gesellschaftsvermögen das Insolvenzverfahren eröffnet bzw. mangels Masse nicht eröffnet wird oder die Gesellschaft ihre Zahlungen einstellt6.

1 BGH v. 16.9.2002 – II ZR 1/00, BB 2002, 2461; BGH v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, DB 2003, 387; BGH v. 15.3.2004 – II ZR 210/01, GmbHR 2004, 736; BGH v. 22.3.2004 – II ZR 7/02, ZIP 2004, 1046 (= Barein- und Barauszahlung an demselben Tag); BGH v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, ZInsO 2005, 1267; BGH v. 16.1.2006 – II ZR 76/04, ZIP 2006, 665; BGH v. 9.1.2006 – II ZR 72/05, ZIP 2006, 331 (= Hin- und Herzahlen verbunden mit Treuhandabrede); BGH v. 15.3.2004 – II ZR 210/01, WM 2004, 931; BGH v. 12.6.2006 – II ZR 334/04, DB 2006, 1889. 2 S. Begründung RegE § 19 Abs. 5 GmbHG BT-Drucks. 16/6140. 3 Zur Abgrenzung s. auch BGH v. 16.2.2009 – II ZR 120/07, ZIP 2009, 713; Ekkenga ZIP 2010, 2469. 4 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, NJW 1979, 1823; OLG Düsseldorf v. 23.6.1972 – 16 U 44/72, DB 1974, 712; OLG Köln v. 13.7.1982 – 14 U 3/82, ZIP 1982, 1086. 5 OLG Düsseldorf v. 20.12.2013 – I-17 U 51/12, ZIP 2015, 73. 6 Brand ZInsO 2019, 2091.

Büchel | 715

3.1084

Dritter Teil Rz. 3.1085 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

d) Auswirkungen auf die kontoführende Bank

3.1085

Diese gesellschaftsrechtlichen Grundsätze dienen zwar dem Gläubigerschutz1, treffen jedoch grundsätzlich nur die beteiligten Konzernunternehmen und nicht die Bank, die die technische Infrastruktur für die Zahlungen innerhalb eines Cash-Poolings zwischen den einzelnen Konzernunternehmen zur Verfügung stellt und abwickelt. Geschäfte mit Dritten werden durch die Grundsätze zur Kapitalerhaltung und -aufbringung nämlich grundsätzlich nicht berührt2. Die genannten Vorschriften können zwar in Ausnahmefällen auch Dritte einbeziehen, die sich an derartigen Handlungen beteiligen. Dies hat die Rechtsprechung3 aber nur bei einer gesellschafterähnlichen Stellung dieser Dritten angenommen, die die Bank im Rahmen eines Cash-Management-Vertrags nicht besitzt.

3.1086

Auch ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB kommt insoweit nicht in Betracht. Das wäre zwar möglich, wenn ein Schuldner (z.B. die Tochtergesellschaft) planmäßig mit eingeweihten Helfern zusammenwirkt, um sein wesentliches Vermögen dem Zugriff von Gläubigern zu entziehen4.

3.1087

Diesen Vorwurf kann man allerdings der Bank gegenüber nur aufgrund des Cash-Management-Vertrags nicht machen. Wenn Zahlungen innerhalb des Cash-Poolings den gesellschaftsrechtlichen Regeln über Kapitalerhaltung, Kapitalaufbringung und Existenzschutz nicht entsprechen sollten, wirkt sich dies auf die Position der kontoführenden Bank in der Regel nicht aus. Leistungsempfänger ist bei den hier in Rede stehenden Zahlungen der Tochtergesellschaft die Muttergesellschaft; ihr gegenüber sind etwaige Zahlungsansprüche geltend zu machen. Die Bank wird zwar mittelbar begünstigt, wenn ein etwaiger Debetsaldo der Mutter verringert wird. Dies beruht jedoch nicht auf einem Eingriff ihrerseits oder einem Einwirken auf die Tochtergesellschaft, sondern ist von vornherein im Cash-Pooling angelegt, also systemimmanent. Bei Abschluss des Cash-Management-Vertrags ist es nicht vorauszusehen, ob sich die täglichen Überweisungen zu Lasten der Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft auswirken werden. Motiv ist nicht der Wunsch der Bank nach Abdeckung von Schulden der Muttergesellschaft durch Leistungen der Töchter, sondern der Wunsch der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft nach Zinsersparnis im Konzern. Der Bank fehlt als Kontoführer des Cash-Poolings die vorwerfbare Absicht einer sittenwidrigen Schädigung. Hingegen trifft die Geschäftsleiter der Tochtergesellschaft die Pflicht5, die Abführung von Geldern an die Muttergesellschaft abzubrechen, wenn sie sehen, dass dies zu einer Verletzung der Kapitalerhaltung oder gar zur Existenzgefährdung führt6. Aus diesem Grund sehen die Cash-Management-Verträge auch ein entsprechendes sofortiges Suspendierungsrecht der Tochtergesellschaft hinsichtlich der Dienstleistung der Bank vor.

1 Veil in Scholz, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 19 Rn. 1; Verse in Scholz, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 30 Rn. 2. 2 Verse in Scholz, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 30 Rn. 35. 3 OLG Rostock v. 10.12.2003 – 6 U 56/03, ZIP 2004, 118. 4 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 = ZIP 2008, 125. 5 Zur Haftung der Geschäftsführer gegenüber Arbeitnehmern und Gläubigern s. LAG Düsseldorf v. 10.12.2004 – 9 (6) Sa 96/04, ZIP 2005, 999; zur Haftung gegenüber dem Fiskus nach § 69 AO s. FG Bremen v. 7.7.2005 – 1 K 429/02, ZIP 2005, 2159. 6 Hentzen ZGR 2005, 480; Kerber DB 2005, 1835.

716 | Büchel

G. Cash-Pool | Rz. 3.1089 Dritter Teil

2. Überwiegende Zahlungen der Muttergesellschaft an eine Tochtergesellschaft a) Anfechtbare Rückführung von Gesellschafterdarlehen Im Fall überwiegender Zahlungen von der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft erwirbt die Muttergesellschaft Kreditforderungen gegen die Tochtergesellschaft. In der Insolvenz der Tochtergesellschaft treten „Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen,“ in den Nachrang (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Dagegen sind die Vorschriften über unzulässige Einlagenrückgewähr auf die Begleichung von Darlehensforderungen der Gesellschafter nicht mehr anzuwenden (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG, § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG in der ab 1.11.2008 geltenden Fassung). In der Begründung zum Regierungsentwurf vom 23.5.20071 heißt es dazu, „die Rückzahlung des Gesellschafterkredits ist während des normalen Lebens der Gesellschaft grundsätzlich unproblematisch und wird erst in der Insolvenz kritisch“.

3.1088

Die Verrechnungen der gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft innerhalb eines solchen Cash-Pooling vollziehen sich in der Regel auf der Basis eines Kontokorrents2, so dass in der Insolvenz der Muttergesellschaft oder der Tochtergesellschaft deren Wirksamkeit an §§ 94, 96, 129 ff. (insbes. § 135 Abs. 1) InsO zu messen ist3. Zahlungen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft können als Gesellschafterdarlehen angesehen werden, die durch die Rückzahlungen innerhalb des Cash-Pooling-Systems ganz oder teilweise wieder ausgeglichen werden. Soweit dies innerhalb des letzten Jahres vor dem Insolvenzantrag geschehen ist, kommt die Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Betracht. Diese kann sich aber nicht auf sämtliche Leistungen der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft erstrecken, sondern beschränkt sich auf den sog. „anfechtungsrechtlichen Mindestbetrag“, der sich aus der Differenz aus den Salden am Anfang und am Ende des Anfechtungszeitraums errechnet4; maßgeblich ist dabei der gesamte Zeitraum, auf den sich die Anfechtung erstrecken kann5, also maximal der Zeitraum von einem Jahr nach § 135 Abs. 1 InsO. Insofern können nämlich die Grundsätze, die die Rechtsprechung für die Anfechtbarkeit der Verrechnung von Zahlungen innerhalb eines Bankenkontokorrents bei offengehaltener Kreditlinie entwickelt hat6, auf dieses Kontokorrent übertragen werden7.

3.1089

1 2 3 4

Abgedr. ZIP 2007 Beilage zu Heft 23. Willemsen/Rechel BB 2009, 2215. S. auch Rönnau/Krezer ZIP 2010, 2269; van Marwyk ZInsO 2015, 335. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZInsO 2009, 1054; OLG Hamm v. 4.9.2001 – 27 U 34/01, ZIP 2001, 1683; a.A. Rigol/Homann ZIP 2002, 15. 5 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182 = ZInsO 2002, 1136; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 = WM 2008, 169; Onusseit FS Heumann, 2006, 199. 6 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZInsO 1999, 289; BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/99, ZInsO 2003, 374; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856; BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, WM 2008, 169; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 303; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZInsO 2012, 1301 mit Anm. Bartels ZIP 2013, 1756; im Ergebnis auch OLG Jena v. 8.4.1997 – 5 U 962/96 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 9.7.1998 – IX ZR 133/97; Thole in Kayser/ Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 142 Rn. 15. 7 Willemsen/Rechel BB 2009, 2215; Reuter NZI 2011, 921; Göcke/Rittscher DZWIR 2012, 355; van Marwyk ZInsO 2015, 335; Schubmann GmbHR 2014, 519 (unter Betonung des Bargeschäftscharakters).

Büchel | 717

Dritter Teil Rz. 3.1090 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

b) Auswirkungen auf die Bank

3.1090

Die Grundsätze über Gesellschafterdarlehen infolge des Überhangs der Zahlungen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft enthalten kein Verbot, an dessen Verletzung sich die Bank durch Ausführung der Überweisungen hätte beteiligen können. Sie sehen nur für die Muttergesellschaft nachteilige Rechtsfolgen vor (§ 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 InsO). Wenn dies der Geschäftsleiter der Muttergesellschaft in Kauf nimmt, mag darin in extrem gelagerten Einzelfällen eine Untreuehandlung gesehen werden1. Allein in der Fortführung des Cash-PoolingSystems kann aber noch keine Beteiligung der Bank daran liegen.

3.1091

Wenn also nicht besondere Umstände vorliegen2, führt das Cash-Management-System nicht zu einer Haftung der Bank gegenüber den Gläubigern der Tochtergesellschaften. Die Vorsicht gebietet es jedoch, keine neuen Cash-Pooling-Verträge abzuschließen, wenn sich die Muttergesellschaft bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Für die bestehenden Cash-Pooling-Systeme sehen die üblichen Verträge zudem ein sofortiges Kündigungsrecht der Tochtergesellschaft vor. Von diesem sollte die Tochtergesellschaft rechtzeitig Gebrauch machen, denn die Erfahrung aus zahlreichen Insolvenzen hat gezeigt, wie gefährlich das Cash-Pooling für eine an sich solvente Tochtergesellschaft wird, wenn die Muttergesellschaft in die Insolvenz steuert; die Tochtergesellschaft muss damit rechnen, dass sie von einem Tag zum anderen keine Liquidität mehr besitzt, weil alle verfügbaren Mittel an die Muttergesellschaft abgeführt wurden und der Rückgewähranspruch wertlos oder durch einstweilige Maßnahmen im Insolvenzantragsverfahren oder durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Muttergesellschaft blockiert ist.

3. Vorsichtsmaßnahmen

III. Auswirkungen der Insolvenz auf die Cash-Management-Vereinbarung 1. Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag 3.1092

Die Zahlungsunfähigkeit der Muttergesellschaft oder einer Tochtergesellschaft oder ein Insolvenzantrag lassen die Cash-Management-Vereinbarung zunächst unberührt; weder gesetzliche Vorschriften noch die üblichen Vereinbarungen sehen ein automatisches Erlöschen für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder eines Insolvenzantrags vor.

3.1093

Wenn sich eine Partei wegen der Insolvenz der anderen von dem Vertrag lösen will, bedarf es einer Kündigung. An etwa vertraglich vereinbarte Kündigungsfristen muss sich die solvente Partei nicht halten, da die Zahlungsunfähigkeit ihres Vertragspartners stets einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellt. Das Gleiche gilt für den Insolvenzantrag, den die Muttergesellschaft bzw. Tochtergesellschaft selbst eingereicht hat, während der Insolvenzantrag eines Dritten für sich allein genommen keinen Kündigungsgrund darstellt; hier muss die solvente Partei sich selbst vergewissern, ob ein Insolvenzgrund vorliegt, der sie zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte.

3.1094

Die Bank wird eine solche Kündigung unabhängig davon, ob sie nur von der Muttergesellschaft oder nur von der Tochtergesellschaft oder von beiden ausgesprochen wird, stets beachten und die Berechtigung zur Kündigung grundsätzlich nicht überprüfen. Ob die kündigende Partei zu der Kündigung berechtigt war, ist eine Frage, die lediglich das Innenverhältnis der Konzerngesellschaften zueinander berührt. 1 Rönnau/Krezer ZIP 2010, 2269. 2 S. z.B. Parmentier (ZInsO 2008, 9) zur Haftung einer Emissionsbank.

718 | Büchel

G. Cash-Pool | Rz. 3.1098 Dritter Teil

2. Anordnung eines Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts Für die Wirkungen der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts im Insolvenzantragsverfahren ist zu unterscheiden zwischen der Cash-Management-Vereinbarung und den einzelnen Übertragungen.

3.1095

a) Auswirkungen auf den Bestand der Vereinbarung Die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts im Insolvenzantragsverfahren wirkt sich auf die schuldrechtliche Seite der Cash-Management-Vereinbarung nicht unmittelbar aus. Das Cash Management ist rechtlich als ein Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizieren; Geschäftsbesorgungsverträge erlöschen kraft Gesetzes erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftraggebers, also der Muttergesellschaft oder der Tochtergesellschaft, nicht aber schon mit Anordnung eines Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes (§§ 116, 115 InsO). Praktisch bringt das Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt die Cash-Management-Vereinbarung jedoch unabhängig davon zum Erliegen, ob es sich gegen eine Tochtergesellschaft oder gegen die Muttergesellschaft richtet.

3.1096

b) Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt gegen eine Tochtergesellschaft Nach Anordnung eines Verfügungsverbots gegen eine Tochtergesellschaft darf die Bank keine Zahlungsausgänge mehr zulassen und deshalb einen etwa angelaufenen Guthabensaldo nicht mehr an die Muttergesellschaft transferieren (s. Rn. 3.29).

3.1097

Eingänge von Seiten der Muttergesellschaft darf die Bank dagegen grundsätzlich mit einem debitorischen Saldo auf dem Konto der Tochtergesellschaft verrechnen und sollte sie deshalb auch gutschreiben. Ob der Zweck, der mit dieser Zahlung verfolgt wird, d.h. die Reduzierung des angelaufenen Saldos auf null, mit der Gutschrift auf dem Konto erreicht werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab:

3.1098

– Falls in der Cash-Management-Vereinbarung eine gesamtschuldnerische Haftung der Konzernunternehmen für Debetsalden auf dem Konto eines der einbezogenen Unternehmen oder eine Haftung der Muttergesellschaft für die Schulden ihrer Tochtergesellschaften im Wege einer Bürgschaft oder einer Schuldmitübernahme enthalten ist, kann die Bank die Zahlung als Leistung aus der eigenen Verpflichtung der Muttergesellschaft vereinnahmen, muss dies der Muttergesellschaft jedoch ausdrücklich mitteilen. – Fehlt eine solche Vereinbarung, so ist die Bank auf eine Verrechnung ihrer Forderung gegen die Tochtergesellschaft aus dem Debetsaldo gegen deren Forderung aus dem Anspruch auf Gutschrift verwiesen. Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt haben zwar die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Demgemäß darf der Kunde auch keine Verrechnungsvereinbarungen mehr schließen1. Die dem Cash-Management-System immanente Verrechnungsabrede ist jedoch bereits vor dem Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt getroffen und wirkt grundsätzlich als Vorausverfügung. Bestehende Vorausverfügungen werden nicht schon durch ein allgemeines Verfügungsverbot oder einen Zustimmungsvor1 OLG Koblenz v. 29.11.1983 – 3 U 1638/82, ZIP 1984, 164; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626 = WuB VI A § 59 VglO 1.86 Obermüller; OLG Schleswig v. 23.3.1995 – 5 W 47/94, ZIP 1995, 759.

Büchel | 719

Dritter Teil Rz. 3.1098 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

behalt, sondern erst durch die Verfahrenseröffnung unwirksam1. Gegen damit verbundene Schmälerungen der künftigen Masse im Eröffnungsverfahren kann der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft jedoch auf die Anfechtungsvorschriften zurückgreifen, die je nach den Umständen des Einzelfalls dazu führen können, dass die Bank Zahlungseingänge, die sie mit einem debitorischen Saldo verrechnet hat, wieder herausgeben muss (Einzelheiten s. Rn. 3.170 ff.).

3.1099–3.1100 frei c) Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt gegen die Muttergesellschaft

3.1101

Nach der Anordnung eines Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts gegen die Muttergesellschaft ist es dieser verwehrt, Zahlungen zum Ausgleich debitorischer Salden ihrer Tochtergesellschaften zu leisten.

3.1102

Etwaige Eingänge, die auf Überträgen von Guthaben von Tochtergesellschaften beruhen, können im Wege der Verrechnung zur Reduzierung eines etwaigen Debetsaldos der Muttergesellschaft verwendet werden. Eine Verrechnung wäre möglich (s. Rn. 3.1098). Ihre Wirkungen können jedoch in dem anschließenden Insolvenzverfahren von dem Insolvenzverwalter durch eine Insolvenzanfechtung wieder beseitigt werden. Deshalb sollte sie das Cash-ManagementVerfahren nicht fortführen.

3. Eröffnung eines Insolvenzverfahrens 3.1103

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Muttergesellschaft erlischt die Cash-Management-Vereinbarung insgesamt (§ 116 InsO). Die Bank darf also keine Zahlungen mehr an Tochtergesellschaften zum Ausgleich von deren debitorischen Salden leisten. Eingänge von Seiten der Tochtergesellschaften kann die Bank weder durch Verrechnung noch durch Aufrechnung zur Rückführung eines debitorischen Saldos der Muttergesellschaft verwenden. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie auch im Überweisungsverkehr (s. dazu Rn. 3.141 ff.).

3.1104

Ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Tochtergesellschaft das Cash-Management-Verfahren insgesamt oder nur in Beziehung zu dieser Tochtergesellschaft beendet, während es mit den übrigen Konzerngesellschaften aufrechterhalten bleibt, hängt von den im Einzelfall getroffenen Vereinbarungen ab. Sofern die Vereinbarung grundsätzlich das Ausscheiden einzelner Teilnehmer und den Beitritt neuer Teilnehmer vorsieht, ist sie dahingehend auszulegen, dass sie im Fall der Insolvenz eines Teilnehmers mit den Übrigen fortgesetzt wird. Ob die Insolvenz eines Teilnehmers der Bank das Recht zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung der Gesamtvereinbarung gibt, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von der Bedeutung des insolventen Teilnehmers für die Bonität des Konzerns ab. Meist ist die Insolvenz eines Konzernunternehmens der Anfang vom Ende des Konzerns. 1 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737; OLG Rostock v. 30.10.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; OLG Hamburg v. 9.4.1910, LZ 1910, Sp. 791; OLG Celle v. 7.1.1998 – 13 U 78/97, ZInsO 1998, 235; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204; LG Rostock v. 30.20.2001 – 10 O 203/01, ZIP 2002, 270; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 18; Edelmann WiB 1995, 992; zurückhaltend Blankenburg in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022 94. Lfg., § 24 Rn. 17.

720 | Büchel

G. Cash-Pool | Rz. 3.1107 Dritter Teil

IV. Insolvenzanfechtung Aus Sicht der Bank mag es positiv sein, dass sie grundsätzlich in gesellschaftsrechtliche Haftungstatbestände infolge eines Cash-Poolings nicht hineingezogen werden kann. Aus Risikogesichtspunkten muss eine Bank, die Cash-Management-Verträge anbietet, jedoch auch sicher sein, dass ihr im Falle der Insolvenz der Vertragspartner keine unerwarteten Anfechtungsrisiken drohen. Für die Insolvenzanfechtung von Zahlungen aufgrund eines Cash-Poolings ist zu unterscheiden zwischen der Insolvenz des Ursprungskontoinhabers, also regelmäßig der Tochtergesellschaft, und der Insolvenz des Zielkontoinhabers, meist der Muttergesellschaft.

3.1105

1. Insolvenzanfechtung durch den Verwalter der Tochtergesellschaft (Ursprungskontoinhaber) a) Verrechnung von Zahlungseingängen bei debitorischen Konten Das Grundkonzept eines jeden Cash-Poolings beruht auf der täglichen Rückführung der kreditorischen oder debitorischen Salden sämtlicher Ursprungskonten auf null und der Akkumulation dieser Salden auf dem Zielkonto der Muttergesellschaft. Dies bedeutet, dass die Tochtergesellschaft den Tag mit einem Saldo auf ihrem Ursprungskonto von null beginnt, ihn während des Tages auf ein mehr oder weniger hohes Guthaben oder Debet anwachsen lässt und am Ende wieder auf null stellt. Gemäß den üblichen Cash-Management-Verträgen hat die Bank, sofern ein Ursprungskonto tagsüber ins Soll gerät, einen Anspruch gegen die Tochtergesellschaft und die Muttergesellschaft als Zielkonteninhaberin auf taggleichen Ausgleich des Solls. Rechtlich ist darin keine Kreditvereinbarung im Sinne von § 488 BGB zu sehen, sondern der Anspruch der Bank auf Ersatz ihrer Aufwendungen (§ 670 BGB), mit denen sie für die Tochtergesellschaft tagsüber in Vorleistung getreten ist. Dieser Ausgleich ist als Bargeschäft der Anfechtung entzogen (§ 142 InsO)1.

3.1106

Dennoch könnte man auf die Idee kommen, die Zahlungseingänge der Bank gegenüber nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Anfechtung von Verrechnungen in einer offenen Kreditlinie anzufechten2. Die Anfechtung müsste sich dann aber auf einen „anfechtungsrechtlichen Mindestbetrag“3 beschränken, der sich aus der Differenz aus den Salden am Anfang und am Ende des Anfechtungszeitraums errechnet4. In einem täglichen Cash-Pooling kann der anfechtungsrechtliche Mindestbetrag bei der Tochtergesellschaft aber immer nur null betragen. Denn am Beginn des ersten Tages des jeweiligen Anfechtungszeitraums stand der Saldo der Tochtergesellschaft auf null. Ob der Saldo zu der Uhrzeit des ersten

3.1107

1 Kamm/Kropf ZInsO 2014, 689. 2 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZInsO 1999, 289; BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/99, ZInsO 2003, 374; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856; BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, WM 2008, 169; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 303; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZInsO 2012, 1301 mit Anm. Bartels ZIP 2013, 1756; im Ergebnis auch OLG Jena v. 8.4.1997 – 5 U 962/96 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 9.7.1998 – IX ZR 133/97; Thole in Kayser/ Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 142 Rn. 15. 3 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509, 1512. 4 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZIP 2002, 812 = ZInsO 2002, 426; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/ 08, ZIP 2009, 1124 = ZInsO 2009, 1054; Kamm/Kropf ZInsO 2014, 689.

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Dritter Teil Rz. 3.1107 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Tages zu der Uhrzeit am letzten Tag des Anfechtungszeitraums negativ war, ist unerheblich. Kommt es für die Anfechtung darauf an, ob sich eine etwaige gläubigerbenachteiligende Handlung innerhalb einer von dem Insolvenzantrag zurückgerechneten Frist ereignet hat, so ist nach § 139 Abs. 1 Satz 1 InsO der Beginn des Tages als Anknüpfungspunkt maßgeblich. Eine Anfechtbarkeit der Verrechnung von Zahlungseingängen nach §§ 131, 130 InsO scheidet demnach grundsätzlich aus1.

3.1108

Nur wenn während des Anfechtungszeitraums zwischen den einzelnen Kontobewegungen größere Abstände als zwei Wochen lagen2, könnte eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechung zur Anfechtung der Verrechnung von Zahlungseingängen bei offener Kreditlinie dazu führen, dass theoretisch für sämtliche Zahlungseingänge, die während des Anfechtungszeitraums stattgefunden haben, eine Verrechnung mit den Zahlungsausgängen nicht statthaft ist. Ein derart bewegungsarmes Konto wird jedoch kaum einmal in das Cash-Pooling einbezogen. b) Verrechnung von Zahlungseingängen bei kreditorischer Kontoführung

3.1109

Wenn die Bank das Konto der Tochtergesellschaft fortführt, obwohl diese oder die Muttergesellschaft in eine wirtschaftliche Krise geraten ist, wird die Bank Verfügungen nur noch auf kreditorischer Basis zulassen. Wird dies strikt durchgehalten, d.h. lässt die Bank Zahlungsausgänge immer nur dann und insoweit zu, als Guthaben auf dem Konto angelaufen sind, besteht keine Gefahr, dass die Verrechnungen später angefochten werden. Denn dann war die Bank zu keinem Zeitpunkt ein Gläubiger, dessen Forderungen befriedigt wurden, sondern stets ein Schuldner, der seine Schuld beglichen hat.

3.1110

Bestand zu Beginn des Anfechtungszeitraums ein Debetsaldo, der ausgeglichen wurde, und wurden danach nur noch Verfügungen über Guthaben zugelassen, ist die Anfechtung ebenfalls nicht möglich3. c) Anfechtung gegenüber der Muttergesellschaft

3.1111

Der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft kann die Zahlungen an die Muttergesellschaft ihr gegenüber anfechten. Das kann vor allem dann der Fall sein, wenn das Ursprungskonto der Tochtergesellschaft auf Guthabenbasis geführt wird und demzufolge nur Zahlungen von der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft im entsprechenden Anfechtungszeitraum stattgefunden haben. Aber auch wenn das Ursprungskonto der Tochtergesellschaft im Anfechtungszeitraum gelegentlich im Soll war, kann nach Verrechnung der Zahlungsströme eine anfechtbare Nettozahlung der Tochter auf das Zielkonto der Muttergesellschaft vorliegen.

3.1112

Der Geldtransfer durch die Bank stellt eine Leistung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft dar; die Tochtergesellschaft bedient sich der Bank als Leistungsmittlerin4. Eine Anfechtung ist grundsätzlich nur im Leistungsverhältnis möglich5. Hat der Schuldner eine solche Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwen1 2 3 4 5

Kamm/Kropf ZInsO 2014, 689. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZIP 2002, 812 = ZInsO 2002, 426. S. Rn. 3.1107. BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 = ZInsO 2013, 1898; Pape DB 2015, 1147. RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144; Kamm/Kropf ZInsO 2014, 689; Kirchhof WM 1996 Sonderbeilage Nr. 2, 21; Eskes BankPraktiker 2006, 135.

722 | Büchel

G. Cash-Pool | Rz. 3.1115 Dritter Teil

dung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert, richtet sich die Deckungsanfechtung allein gegen den Dritten als Empfänger, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners handelte1. Dem Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft ist damit aber nicht allzu viel geholfen, wenn die Muttergesellschaft ebenfalls insolvent ist. Er kann auf etwaige Anfechtungsansprüche allenfalls die Quote vereinnahmen. d) Anfechtung gegenüber der Bank Der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft wird in einer solchen Situation jedoch versuchen, die Zahlungen an die Muttergesellschaft gegenüber der Bank anzufechten und damit Wiederherstellung des ursprünglichen (Guthaben-)Saldos verlangen. Eine Anfechtung wegen kongruenter oder inkongruenter Deckung (§§ 130, 131 InsO) scheidet zwar aus, denn wenn die Tochtergesellschaft Guthaben angesammelt und daraus Zahlungen an die Muttergesellschaft hatte leisten können, war die Bank kein Gläubiger, sondern Schuldner der Tochtergesellschaft und hat weder eine Sicherung noch eine Befriedigung erlangt. In Betracht kommen aber die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung und die Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistungen.

3.1113

aa) Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung Dem Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft bleibt der Versuch, die Zahlungen von der kontoführenden Bank mittels Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO zurück zu erlangen. Nach der Rechtsprechung des BGH soll sogar die Vorsatzanfechtung bei einer mittelbaren Zuwendung auch gegenüber dem Angewiesenen in Betracht kommen2. Das wäre im Rahmen einer Überweisung aufgrund des Cash-Poolings die ausführende Bank.

3.1114

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Schuldner seinen Drittschuldner angewiesen, die Zahlung nicht ihm direkt, sondern einem Gläubiger des Schuldners zu erbringen. Nach Ansicht des BGH lag in dieser vom Schuldner veranlassten Verrechnung seiner Schuld mit seiner Forderung gegen den Drittschuldner eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung3. Denn der Umstand, dass die Bank mehreren Firmen eine gemeinsame Kreditlinie einräumt, besagt nur, dass jede von ihnen im Rahmen der gemeinsamen offenen Kreditlinie Darlehensmittel abrufen kann. Nimmt eine der verbundenen Gesellschaften Kreditmittel in Anspruch, gleichviel ob diesseits oder jenseits der eingeräumten Kreditlinie, wird insoweit nur diese Gesellschaft Darlehensnehmerin. Nur ihre Gläubiger werden benachteiligt, wenn die Bank das Darlehen nicht an die anweisende Gesellschaft, sondern zu Lasten ihres Kontos direkt an einen Dritten auszahlt4. Wendet man dies auf die mittelbare Zuwendung infolge einer Überweisung der Bank vom Ursprungskonto der Tochtergesellschaft an, so käme auch insoweit eine anfechtbare Rechtshandlung in Betracht. Durch Ausführung der Überweisung aus einem Guthaben erlangt die Bank Befreiung von ihrer Guthabenschuld gegenüber der Tochtergesell-

3.1115

1 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZInsO 2013, 1898; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZInsO 1998, 89; BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, ZIP 1999, 1764; BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZInsO 2008, 106; BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 16/08, ZInsO 2009, 768 mit Abgrenzung der mittelbaren Zuwendung von der Leistungskette bei der Deckungsanfechtung; zu den besonderen Anfechtungsrisiken bei Direktzahlungen in Dreiecksverhältnissen s. Huber FS Fischer, 2008, 255. 2 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190. 3 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190, Rn. 27 f. 4 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 = ZInsO 2016, 700 Rn. 8.

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Dritter Teil Rz. 3.1115 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

schaft. Selbst wenn die Tochtergesellschaft diese Überweisung mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen hätte, so müsste für eine Anfechtung nach § 133 InsO auch die Bank diesen Benachteiligungsvorsatz gekannt haben.

3.1116

Daran wird es der Bank im Rahmen eines Cash-Management-Vertrags jedoch regelmäßig fehlen. Sowohl im normalen Überweisungsverkehr als auch im Rahmen des Cash-Poolings kennt die Bank das Valutaverhältnis zwischen dem Zahlenden und dem Zahlungsempfänger (z.B. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) regelmäßig nicht. Die angewiesene Bank kann nicht beurteilen, ob der Empfänger die Leistung zu beanspruchen hatte oder ob das nicht der Fall war. Aus Sicht der Bank handelt es sich – auch im Rahmen eines Cash-Poolings – um übliche Geschäftsvorgänge, denen für sich genommen eine Absicht des Insolvenzschuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, nicht zu entnehmen ist1. Allein die Tatsache, dass die Bank ihre Leistung nicht gegenüber dem Kontoinhaber, sondern gegenüber einem Dritten erbringt, beinhaltet keinen Sachverhalt, welcher wertend betrachtet zu einem starken Beweisanzeichen für die Kenntnis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Bank führt. Auch eine etwaige Kenntnis der Bank von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners indiziert noch keinen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Eine solche Kenntnis berechtigt ein Kreditinstitut nämlich nicht, die Ausführung von Zahlungsaufträgen eines weiterhin verpflichtungs- und verfügungsbefugten Schuldners zu verweigern. Vielmehr darf ein Zahlungsdienstleister gemäß § 675o Abs. 2 BGB die Ausführungen von Zahlungsaufträgen nicht ablehnen, wenn die vertraglich vereinbarten Bedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt2. Mithin muss die Bank, sofern ein Guthaben oder eine offene Kreditlinie vorhanden ist, grundsätzlich eine Überweisung vornehmen, selbst wenn sie von der Zahlungsunfähigkeit des Kontoinhabers Kenntnis erlangt hat.

3.1117

Hinzu kommt, dass der Zahlungsverkehr von vornherein auf mittelbare Zuwendungen angelegt ist und schon deshalb nicht mit dem vom BGH entschiedenen Fall ohne Weiteres vergleichbar ist. Dort wurde der Drittschuldner in atypischer Weise angewiesen, die Forderung des Schuldners nicht direkt an ihn, sondern durch Zahlung an einen Gläubiger des Schuldners zu begleichen3. Bei den typischen Fällen mittelbarer Zuwendungen im Rahmen eines Cash-Poolings wird man erst dann eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO annehmen können, wenn die Bank bewusst in Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung tätig wird. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn die Bank einen neuen Cash-Management-Vertrag mit den Konzernunternehmen schließt, obwohl sie bereits Kenntnis von der Insolvenzantragspflicht ihres Kunden und seinem Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung hat4. Entscheidend sind insoweit der vorgefasste und auch verwirklichte Plan des Schuldners und die Kenntnis der Bank von diesem Plan5.

3.1118

Sofern der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft demnach Zahlungsausgänge nach § 133 InsO anfechten kann6, sind Bank und Überweisungsempfänger Gesamtschuldner7, wobei im Innenverhältnis die Muttergesellschaft den überwiesenen Betrag allein schuldet8.

1 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190, Rn. 37. 2 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 = ZInsO 2013, 1898 Rn. 24; Pape DB 2015, 1147. 3 Kirstein/Sietz ZInsO 2008, 761. 4 Kirstein/Sietz ZInsO 2008, 761. 5 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183. 6 A.A. Ganter NZI 2010, 835 (schon die anfechtbare Rechtshandlung ablehnend). 7 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, ZIP 2008, 372. 8 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038 = ZInsO 2012, 924 Rn. 15.

724 | Büchel

G. Cash-Pool | Rz. 3.1120 Dritter Teil

Wenn eine gesamtschuldnerische Haftung der Muttergesellschaft und sämtlicher Tochtergesellschaften für alle Forderungen der Bank aus dem Cash-Pooling vereinbart ist, führt die gesamtschuldnerische Bindung trotz getrennter Inanspruchnahme dazu, dass die Kreditrückzahlung durch einen Kreditnehmer dem oder den anderen zugutekommt und bei der Berechnung der Gesamtlinie stets berücksichtigt wird; Zahlungen eines der Gesamtschuldner stellen eine Erfüllung der Gesamtschuld dar, die auch für die übrigen Gesamtschuldner wirkt (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB). Umgekehrt verpflichten Kreditinanspruchnahmen bei einem Unternehmen jedes andere Unternehmen wegen seiner gesamtschuldnerischen Haftung in gleicher Weise wie Kreditauszahlungen zu Lasten seines eigenen Kontos. Dies ändert aber nichts daran, dass die Tochtergesellschaft durch Überträge auf das Zielkonto eine Leistung an die Muttergesellschaft und nicht an die Bank erbringt. Dies begründet der BGH1 wie folgt:

3.1119

Durch die Umbuchungen auf das Zielkonto erfüllt die Tochtergesellschaft allein ihre Verpflichtungen aus der Cash-Pool-Vereinbarung gegenüber der Muttergesellschaft. Die Verrechnung auf dem Zielkonto beruht ausschließlich auf der Kontokorrentabrede zwischen der Muttergesellschaft als Kontoinhaberin und der Bank. Auf diesem Konto nimmt nur die Muttergesellschaft Kredit in Anspruch; die Tochtergesellschaft hat keine unmittelbaren Befugnisse und kann weder das Konto betreffende Verpflichtungen eingehen noch Verfügungen treffen. Auch wenn die Bank den Kredit allen Konzerngesellschaften einräumt und die Tochtergesellschaft hierfür in vollem Umfang als Gesamtschuldnerin haftet, stellen Zahlungen der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft keine mittelbaren Zuwendungen an die Bank dar. Die Muttergesellschaft ist nicht Leistungsmittlerin der Tochtergesellschaft. Als Leistungsmittlerin kann nur eine Person angesehen werden, die der Schuldner einschaltet, damit sie für ihn eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt. Für den Dritten muss es sich erkennbar um eine Leistung des Schuldners handeln. Diese Voraussetzungen liegen bei Transfers innerhalb eines Cash-Pool-Systems typischerweise nicht vor, weil sich die Tochtergesellschaft nicht der Muttergesellschaft bedient, um eine Leistung an die Bank zu erbringen. Vielmehr ist die Bank als bloße Leistungsmittlerin der Muttergesellschaft tätig, d.h. als deren Zahlstelle. Es geht der Tochtergesellschaft erkennbar allein darum, ihre Pflichten aus dem Poolvertrag gegenüber der Muttergesellschaft zu erbringen. Der Stand des Kontos der Muttergesellschaft ist von der Tochtergesellschaft, abgesehen von den Auswirkungen ihrer eigenen Buchungen, nicht zu beeinflussen. Es ist ersichtlich nicht in ihrem Interesse, eine Leistung an die Bank zu erbringen. Überweisungen auf ein im Soll geführtes Konto eines Gläubigers haben regelmäßig die Befriedigung der Forderung dieses Gläubigers zum Ziel und nicht den Zweck, den Kredit des Gläubigers bei der Bank zurückzuführen.

bb) Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistungen

Die Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistungen (§ 134 InsO) kommt grundsätzlich ebenso wenig in Betracht. Eine unentgeltliche Leistung kann zwar in der Zahlung eines Dritten, vorzugsweise eines verbundenen Unternehmens an die Bank auf deren Forderung an den Kreditnehmer liegen. Die Frage der Entgeltlichkeit ist stets im Zuwendungsverhältnis zwischen dem verfügenden Insolvenzschuldner und dem Leistungsempfänger zu beurteilen2. In der Insolvenz dieses Dritten kann dessen Insolvenzverwalter Rückgewähr der Zahlung auf dem Weg über die Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistungen erlangen, wenn die Forderung der Bank gegen ihren Kreditnehmer wegen dessen desolater Situation im Zeitpunkt der Entgegennahme der Zahlung bereits wertlos geworden war; ob die Bank diese Umstände kannte, ist unerheblich3. 1 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 = ZInsO 2013, 1898. 2 BGH v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 = ZInsO 2013, 2265. 3 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, ZIP 2005, 767 = ZInsO 2005, 431; zur Anfechtung im Dreiecksverhältnis s. auch BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZIP 2008, 125 = ZInsO 2008, 106 und Huber NZI 2008, 149 mit Hinweis auf den drohenden „Krieg der Insolvenzverwalter“; kritisch auch Herrlich/Merckel WM 2010, 2343; s. auch Übersicht bei Steinwachs BankPraktiker 2007, 608.

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3.1120

Dritter Teil Rz. 3.1120 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

Auch ist es unerheblich, ob der leistende Dritte seinerseits eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Kreditnehmer hatte und dann auf Weisung des Kreditnehmers zur Erfüllung seiner eigenen Schuld direkt an die Bank zahlt1 oder ob der Dritte für die Verbindlichkeiten des Kreditnehmers eine Haftung übernommen hatte2.

3.1121

Zahlungen, die die Tochtergesellschaft an die (insolvente) Muttergesellschaft oder umgekehrt die Muttergesellschaft an die (insolvente) Tochtergesellschaft im Wege des Cash-Pooling auf deren Konto leistet, sind jedoch keine Leistungen an die Bank, sondern an den Kontoinhaber als Zahlungsempfänger. In der Zahlung auf das Konto der Muttergesellschaft bei der Bank liegt keine Leistung der Tochtergesellschaft an die Bank, sondern eine Leistung an die Muttergesellschaft3 im Rahmen des Cash Management. Die Tochtergesellschaft zahlt nicht als Dritter auf Schulden der Muttergesellschaft an die Bank4, sondern an die Muttergesellschaft auf deren Bankkonto. Die Gutschrift auf dem Zielkonto führt zu einem eigenen, auf einem selbständigen Rechtsgrund beruhenden Anspruch des Kunden, also der Muttergesellschaft gegen die Bank5. Letztere ist nur Zahlstelle. Der Tochtergesellschaft kommt es nicht darauf an, auf Weisung der Muttergesellschaft deren Gläubiger zu befriedigen, sondern der Muttergesellschaft Raum für die Liquiditätsversorgung innerhalb des Konzerns zu verschaffen. Während der Laufzeit des Cash-Pooling kommt es durch die Zahlungen seitens der Tochtergesellschaft nicht einmal zu einer endgültigen Befriedigung der Bank, wenn diese ihre Linie offenhält und der Muttergesellschaft erneute Verfügungen über die reduzierte Linie ermöglicht.

3.1122

Die Anfechtung hat deshalb im jeweiligen Leistungsverhältnis stattzufinden und richtet sich ggf. gegen die Muttergesellschaft bzw. deren Insolvenzverwalter6.

2. Insolvenzanfechtung durch den Verwalter der Muttergesellschaft 3.1123

Wie erwähnt beruht das Konzept eines jeden Cash-Pooling-Systems auf der täglichen Rückführung der kreditorischen oder debitorischen Salden sämtlicher Tochtergesellschaften auf null und der Akkumulation dieser Salden bei der Muttergesellschaft. Das Zielkonto wird typischerweise als Kontokorrentkonto geführt, auf dem eine Kreditlinie eingeräumt ist. In der Insolvenz der Muttergesellschaft wird deren Insolvenzverwalter überlegen, ob und inwieweit er die Verrechnung von Zahlungen, die die Muttergesellschaft von ihren Tochtergesellschaften erhalten hat, und Zahlungen, die die Muttergesellschaft zum Ausgleich debitorischer Salden von Tochtergesellschaften an die Bank geleistet hat, anfechten kann. a) Anfechtung der Verrechnung von Zahlungseingängen

3.1124

Soweit die Bank eine Kreditlinie offengehalten und der Muttergesellschaft in Höhe der eingegangenen Beträge Verfügungen gestattet hat, wozu sie bei ungekündigten Kontokorrentkrediten verpflichtet war, beschränkt sich die Anfechtbarkeit auf einen „anfechtungsrechtlichen

1 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZInsO 2008, 106; a.A. Wittig NZI 2005, 606; Henckel ZIP 2004, 1671; Prütting KTS 2005, 253. 2 OLG Köln v. 5.7.2006 – 2 U 147/05, n.v. 3 Wittig NZI 2005, 606. 4 Zu dieser Konstellation Passarge ZInsO 2005, 971. 5 BGH v. 22.3.2005 – XI ZR 286/04, ZIP 2005, 941 = WM 2005, 1022. 6 Thomas ZInsO 2006, 77.

726 | Büchel

G. Cash-Pool | Rz. 3.1125 Dritter Teil

Mindestbetrag“1, der sich aus der Differenz aus den Salden am Anfang und am Ende des Anfechtungszeitraums errechnet2. Maßgeblich ist dabei der gesamte Zeitraum, auf den sich die Anfechtung erstrecken kann3, also maximal der Zeitraum von drei Monaten nach §§ 130, 131 InsO, sofern während des gesamten Zeitraums zwischen den einzelnen Kontobewegungen keine größeren Abstände als die oben erwähnten ca. ein bis zwei Wochen lagen. Für Zahlungseingänge innerhalb eines Cash-Pooling-Systems gilt insoweit nichts anderes als für den Zahlungsverkehr mit außenstehenden Dritten. Damit ist aber bisher nur gesagt, dass es sich in Höhe des anfechtungsrechtlichen Mindestbetrags nicht um ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft handelt. Offen bleibt jedoch die Frage, ob eine kongruente oder inkongruente Deckung vorliegt. Grundsätzlich stellt eine Rückführung eines ungekündigten Kontokorrentkredits unter die vereinbarte Linie zwar eine inkongruente Deckung dar, weil die Bank ohne Kündigung nicht die sofortige Reduzierung des Saldos auf einen Betrag unterhalb der Linie fordern kann4. Dabei bleibt aber unberücksichtigt, dass sich aus der Cash-Management-Vereinbarung typischerweise die Pflicht der Bank ergibt, die bei den Tochtergesellschaften am Ende des vereinbarten Zeitraums, in der Regel am Ende des Tages aufgelaufenen Guthaben an die Muttergesellschaft zu übertragen und ihrem Konto gutzuschreiben; die Bank ist also nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Eingänge für die Muttergesellschaft entgegenzunehmen und mit dem Saldo zu verrechnen, um die Inanspruchnahme eines Kredits möglichst niedrig zu halten. Umgekehrt kann die Bank je nach Fassung des Cash-Pooling-Vertrages auch einen Anspruch gegen die Muttergesellschaft auf Rückführung der Linie der Muttergesellschaft haben, sobald dafür Mittel auf Konten von Tochtergesellschaften zur Verfügung stehen. Der Zeitpunkt, zu dem diese Verpflichtung zu erfüllen ist, ist grundsätzlich das Ende des Geschäftstages, an dem das Guthaben der Tochtergesellschaft angefallen ist. Wenn aber der Kunde jederzeit zurückzahlen darf und die Bank dies nicht nur entgegennehmen muss, sondern sogar fordern kann, entsteht eine Wechselwirkung, die für die Kongruenz der Deckung ausreichen müsste. Denn durch die Vorschriften der § 130 Abs. 1, § 131 Abs. 1 InsO soll nur ausgeschlossen werden, dass ein Gläubiger eine vorzeitige Befriedigung erhält, was hier nicht der Fall ist. Dies spricht dafür, dass es sich bei der Reduzierung eines Debetsaldos der Muttergesellschaft durch Übertragungen von Guthaben der Tochtergesellschaften im Rahmen eines Cash-Management-Vertrages stets um eine kongruente Deckung handelt. Die Rechtsprechung5 hat sich diesen Argu1 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZInsO 1999, 289; BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 6.2.2003 – IX ZR 449/99, ZInsO 2003, 374; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 = ZInsO 2004, 856; BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585; KG v. 29.11.2001 – 8 U 5537/00, ZInsO 2002, 324; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, WM 2008, 169; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 303; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZInsO 2012, 1301 mit Anm. Bartels ZIP 2013, 1756; im Ergebnis auch OLG Jena v. 8.4.1997 – 5 U 962/96 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 9.7.1998 – IX ZR 133/97; Thole in Kreft, HK-InsO, 7. Aufl. 2014, § 142 Rn. 10. 2 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZInsO 2002, 426; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZInsO 2009, 1054; OLG Hamm v. 4.9.2001 – 27 U 34/01, ZIP 2001, 1683; a.A. Rigol/Homann ZIP 2002, 15. 3 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182 = ZInsO 2002, 1136; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 = WM 2008, 169; Onusseit FS Heumann, 2006, 199. 4 BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, ZIP 1999, 1271; BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZInsO 2009, 1054; OLG München v. 21.12.2001 – 23 U 4002/01, NZI 2002, 204; OLG Düsseldorf v. 13.11.2003 – I-12 U 43/03, ZIP 2004, 1008; BGH v. 6.10.2005 – IX ZR 258/03, ZIP 2005, 2171. 5 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 = WM 1999, 781.

Büchel | 727

3.1125

Dritter Teil Rz. 3.1125 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

menten jedoch bisher verschlossen. Allerdings bezogen sich sämtliche Entscheidungen auf Fälle, in denen es dem Kontoinhaber freigestanden hatte, ob er überhaupt Zahlungen seiner Debitoren veranlasst und auf welches Konto er sie lenkt, die Bank also keinen Anspruch darauf hatte, während es zum Bestandteil des Cash Management gehört, dass Zahlungseingänge auf dieses Zielkonto veranlasst werden.

3.1126

Nimmt man danach eine inkongruente Deckung an, so ist sie, falls sie in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vorgenommenen wurde, anfechtbar, wenn die Muttergesellschaft zur Zeit des Eingangs des Guthabenübertrags von der Tochtergesellschaft zahlungsunfähig war oder der Bank bekannt war, dass die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden. Wenn die Deckung nach dem Insolvenzantrag oder im letzten Monat davor herbeigeführt wurde, genügt schon dieser Umstand für eine Anfechtung, ohne dass es auf die Kenntnis der Bank von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag oder die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf eines dieser Ereignisse schließen lassen (§ 130 InsO), noch ankäme. b) Anfechtung von Zahlungsausgängen

3.1127

Im Fall eines Überhangs von Zahlungen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft mögen zwar die oben dargestellten Grundsätze über Gesellschafterdarlehen eingreifen, wenn die Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft mehr Zahlungen geleistet als sie von ihr erhalten hat. Dann kann der Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft u.U. die Zahlungen anfechten und zwar unabhängig davon, ob sie direkt an die Tochtergesellschaft geleistet wurden oder ob die Muttergesellschaft Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft bei Dritten beglichen hat1.

3.1128

Wenn ein Dritter an den Anfechtungsgegner zahlt, liegt die Rechtshandlung des Schuldners in der an den Dritten gerichteten Anweisung, zugunsten des Anfechtungsgegners eine Überweisung auszuführen. Die Gläubigerbenachteiligung äußert sich in der Weggabe der Zahlungsmittel an den Anfechtungsgegner, durch die entweder das auf dem Konto des Dritten befindliche Treugut des Schuldners vermindert und zugleich das für seine Verbindlichkeiten haftende Vermögen verkürzt wird oder der Dritte seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner tilgt und dieser dadurch unter Verkürzung des haftenden Vermögens seine Forderung gegen den Dritten verliert2. Solche Zahlungen sind meist als inkongruente Deckung anfechtbar3. Demgegenüber liegt eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung bei einer Überweisung von einem Konto eines Dritten nicht vor, wenn dieser auf Veranlassung des Schuldners, ohne dazu diesem gegenüber verpflichtet zu sein, dessen Verbindlichkeiten aus eigenen Mitteln begleicht (Anweisung auf Kredit)4. Schließlich fehlt es an einer die Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung, sofern der Dritte ohne Veranlassung und nähere Kenntnis des Schuldners im ausschließlichen Interesse der Befriedigung des Anfechtungsgegners aus eigenem Vermögen die Überweisungen vornimmt5. 1 BGH v. 12.9.2019 – IX ZR ZR 16/18, ZInsO 2019, 2164 Rn. 17 ff. = mit Anm. Möhring NWB 2019, 877; Römermann/Kästner GmbHR 2019, 1277; Schluck-Amend NJW 2019, 3578. 2 BGH v. 12.4.2018 – IX ZR ZR 88/17, ZInsO 2018, 1210 Rn. 10. 3 BGH v. 12.9.2019 – IX ZR ZR 16/18, ZInsO 2019, 2164 Rn. 22. 4 BGH v. 12.9.2019 – IX ZR ZR 16/18, ZInsO 2019, 2164 Rn. 17 = mit Anm. Möhring NWB 2019, 877; Römermann/Kästner GmbHR 2019, 1277; Schluck-Amend NJW 2019, 3578. 5 Vgl. BGH v. 12.4.2018 – IX ZR ZR 88/17, ZInsO 2018, 1210 Rn. 11; BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/ 11, ZIP 2012, 1468 0 InsBüro 2012, 441 Rn. 12.

728 | Büchel

H. Kreditkartengeschäft | Rz. 3.1153 Dritter Teil

Dies alles berührt aber das Verhältnis zur Bank nicht. Im Verhältnis zur Bank kommt allenfalls, wie im umgekehrten Fall bei einem Überhang von Leistungen der Tochtergesellschaft deren Verwalter Anfechtungsmöglichkeiten gegenüber der Bank hat, bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung, nicht aber wegen unentgeltlicher Leistungen (§ 134 InsO) in Betracht. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. frei

3.1129

3.1130–3.1149

H. Kreditkartengeschäft Die Zahlung mittels Universalkreditkarte (Master Card1, Visa, American Express) gehört neben Giroüberweisung, Lastschrift und electronic cash unter Einsatz der ec-Karte2 zur wirtschaftlich bedeutsamsten Art des bargeldlosen Zahlungsverkehrs3. Für die Betrachtung der Auswirkungen einer Insolvenz des Karteninhabers sollen zunächst die Rechtsnatur der Kreditkarte und die Rechtsbeziehungen unter den Beteiligten dargestellt werden.

3.1150

I. Rechtsnatur und Rechtsbeziehungen Bei der Kreditkarte handelt es sich um eine privatrechtliche Beweisurkunde4, gegen deren Vorlage der Inhaber Waren oder Dienstleistungen ohne sofortige Barzahlung erhält. Die Bezahlung erfolgt durch den Kartenausgeber oder Emittenten, die Abrechnung zwischen diesem und dem Karteninhaber zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen periodischer Sammelrechnungen5. Dafür gibt es unterschiedliche Systeme.

3.1151

1. Kartenzahlungssysteme Nach dem Grundmodell der Kreditkartenzahlung, dem Dreiparteiensystem, schiebt sich zwischen Händler und Kunden ein Zahlungsmittler, der sowohl für die Anwerbung des Händlers (Akquisition) als auch für die Ausgabe der Karte an den Verbraucher (Emission) verantwortlich zeichnet6. Dieses klassische Modell der Dreiparteienbeziehung ist in den letzten Jahren durch Vier- und Mehrparteiensysteme fast vollständig verdrängt worden.

3.1152

Beim Vierparteiensystem muss zwischen den für die Akquisition und den für die Emission verantwortlichen juristischen Personen unterschieden werden. Hier steht der Emittent nur mit dem Karteninhaber, der Akquisiteur lediglich mit dem Händler in Vertragsbeziehung. Über das sog. Interchange bekommt der Akquisiteur die durch ihn an den Händler unter Vorbehalt vergüteten Beträge vom Kreditkarten-Emittenten erstattet7. Die Rolle des Emittenten wurde bei bankgestützten Kartensystemen von Banken übernommen, die von Kreditkarten-

3.1153

1 Zum Gesellschafterhintergrund s. Werner in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 4.803. 2 Zur ec-Karte als Rektapapier s. Hofmann WM 2005, 1305; Schinkels WM 2006, 841. 3 Barnert WM 2003, 1153; Bitter WM 2010, 1773; Strube in Assies/Beule/Heise/Strube, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2012, Kap. 3 Rn. 122. 4 Werner, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/1868. 5 Eckert WM 1987, 161. 6 Tschall ZBB 2003, 343. 7 Meder WM 2002, 1993.

Büchel | 729

Dritter Teil Rz. 3.1153 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

organisationen Lizenzen erhalten haben und auf dieser Basis eigenständig Karten an ihre Privat- und Geschäftskunden ausgeben1.

2. Vertragsbeziehungen beim Grundmodell 3.1154

Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Emittenten und dem Kreditkarteninhaber werden weitgehend in Geschäftsbedingungen geregelt2. Wenn es auch kein gesetzlich geregeltes Leitbild des Kreditkartenvertrages gibt3, so sind die meisten Verträge als Geschäftsbesorgungsverträge ausgestaltet4. Aufgrund dieses Vertrages erteilt der Karteninhaber dem Emittenten die verbindliche Weisung, im Valutaverhältnis seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vertragsunternehmen aus dem mit ihm eingegangenen Geschäft (Kauf, Miete, Dienstleistung) zu tilgen5. Diesem Deckungsverhältnis liegt ein Kreditkartenvertrag zugrunde, der ein Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne von § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB ist6. Die Weisung erteilt der Karteninhaber entweder durch Unterzeichnung und Weiterleitung des Belastungsbelegs, Eingabe seiner PIN, durch Übermittlung der Kartendaten im Online- oder Telefonverfahren. Der autorisierte Einsatz der Kreditkarte durch deren Inhaber begründet einen entsprechenden Aufwendungsersatzanspruch des Kartenunternehmens nach §§ 675, 670 Abs. 1 BGB, der nach Maßgabe der Vereinbarungen im Deckungsverhältnis gegenüber dem Karteninhaber abgerechnet wird und mit dem es das Kreditkartenkonto belasten darf (Nr. 8 Abs. 2 Satz 4 der Kreditkartenbedingungen7). Der Anspruch auf Aufwendungsersatz entsteht mit der Zahlung des Kartenunternehmens an das Vertragsunternehmen. Fällig wird er aber erst im – meist monatlich – vereinbarten Abrechnungszeitpunkt. Statt der Fälligkeit des vollständigen Abrechnungssaldos können die Vertragsbedingungen auch eine Rückführung des Saldos in Teilbeträgen vorsehen, was der Gewährung eines Kredits entspricht. Sind Emittent und Kundenbank identisch, so ermächtigt der Karteninhaber den Emittenten, die Salden von Kreditkarten- und Girokonto zum vereinbarten Zeitpunkt zu verrechnen8. Dass die Bank dabei in Mehrfachfunktion tätig wird, ändert nichts daran, dass der Kunde infolge der Personenidentität sein Einverständnis mit der Abbuchung nicht allein der Bank in ihrer Funktion als Kreditkartenausstellerin erteilt, sondern zugleich auch in ihrer Funktion als girokontenführender Schuldnerbank.

1 Omlor in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 42 Rn. 5; Tschall ZBB 2003, 343 mit Beschreibung der diversen Organisationsstrukturen. 2 Vgl. Kreditkartenbedingungen, abgedr. bei Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/ 89. Lfg., Rn. 6/2013. 3 BGH v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, ZIP 1997, 2118; Omlor in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, 6. Aufl. 2022, § 42 Rn. 7b f. 4 Vgl. z.B. BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213; OLG Oldenburg v. 21.12.1993 – 5 U 82/93, WM 1994, 378; OLG Karlsruhe v. 28.11.1990 – 1 U 189/90, WM 1991, 184; LG Frankfurt v. 11.6.1991 – 2/13 O 371/90, ZIP 1991, 1420; Nobbe WM 2011, 961; Werner, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/1899. 5 Barnert WM 2003, 1153. 6 BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2351 = ZInsO 2014, 2359 Rn. 11; Werner in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 4.823 ff.; Grundmann WM 2009, 1157. 7 Abgedr. bei Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/2013. 8 LG Duisburg v. 28.5.2014 – 5 S 96/13, ZInsO 2014, 1720; zur Wirksamkeit einer Banken-Klausel über ein Entgelt für die Barauszahlung am Geldautomaten an eigene Kunden mittels Kreditkarte s. OLG Naumburg v. 14.11.2018 – 5 U 71/18, ZIP 2019, 2153.

730 | Büchel

H. Kreditkartengeschäft | Rz. 3.1157 Dritter Teil

Im Zuwendungs- bzw. Vollzugsverhältnis zahlt der Kartenaussteller in Wahrnehmung der Pflicht zur Geschäftsbesorgung aufgrund eines eigenen abstrakten Zahlungsversprechens (§ 780 BGB) gegenüber dem Vertragsunternehmen1. Dieses abstrakte Schuldversprechen ist im schriftlichen Akquisitionsvertrag zwischen dem Kartenaussteller und dem Vertragsunternehmen rahmenmäßig vereinbart und aufschiebend bedingt durch die Einreichung ordnungsgemäßer Belastungsbelege2, die in jedem Einzelfall die Zahlungspflicht des Kartenausstellers entstehen lassen; dies gilt auch bei missbräuchlicher Verwendung der Kreditkarte, sofern das vertraglich vereinbarte Prozedere eingehalten ist3.

3.1155

3. Insolvenzrechtliche Stufen Im Vierparteiensystem stellt sich die Frage, wie sich die Insolvenz des Karteninhabers auf seine Beziehungen zu der emittierenden Bank auswirkt. Im Vordergrund der Überlegungen steht die Verbraucherinsolvenz, da Kreditkarten ganz überwiegend an natürliche Personen ausgegeben werden4. Hier ist zu unterscheiden zwischen dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren, dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren (mit oder ohne Anordnung von Sicherungsmaßnahmen) und dem vereinfachten Insolvenzverfahren.

3.1156

II. Kreditkartengeschäft während eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Bankkunde, sofern kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen oder ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet ist (§§ 21, 24 InsO), unbeschränkt über sein Vermögen verfügen. Demgemäß kann er auch während eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens Verträge mit den Händlern bzw. Dienstleistern abschließen und mittels Kreditkarte die Bezahlung veranlassen. Dies geschieht dadurch, dass der Karteninhaber durch Unterzeichnung des Belastungsbelegs oder durch Übermittlung der Kartendaten im Online- oder Telefonverfahren dem Aussteller die verbindliche Weisung erteilt, seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vertragsunternehmen aus dem mit ihm eingegangenen Geschäft (Kauf, Miete, Dienstleistung) zu tilgen5; das Vertragsunternehmen übermittelt diese Weisung als Bote des Inhabers an die Emittentin/Bank6. Damit wird diese aufgrund ihres abstrakten Zahlungsversprechens (§ 780 BGB) gegenüber dem Vertragsunternehmen verpflichtet7. Zivilrechtlich ist der Abschluss derartiger Verträge unter Verwendung seiner Kreditkarte auch dann noch wirksam, wenn der Karteninhaber zum Abschlusszeitpunkt bereits einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan vorgelegt hat und damit für ihn

1 BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158; BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, WM 2002, 1120; BGH v. 13.1.2004 – XI ZR 479/02, ZIP 2004, 402; BGH v. 12.7.2005 – XI ZR 412/04, ZIP 2005, 1406; BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZInsO 2014, 2359 Rn. 11. 2 BGH v. 13.1.2004 – XI ZR 479/02, ZIP 2004, 402; BGH v. 16.3.2004 – XI ZR 169/03, ZIP 2004, 988; s. im Einzelnen Werner in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 4.829. 3 BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, ZIP 2002, 974 = WM 2002, 1120. 4 Zur Firmenkarte s. Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/1962 ff. 5 Barnert WM 2003, 1153. 6 Oechsler WM 2000, 1613; Werner in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 4.831. 7 BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, ZIP 2001, 2084 = WM 2001, 2158; BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, ZIP 2002, 974 = WM 2002, 1120.

Büchel | 731

3.1157

Dritter Teil Rz. 3.1157 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

klar ist, dass er seine Schulden nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang tilgen kann; allerdings kann er sich hierdurch persönlich strafbar machen (§ 266b StGB).

3.1158

Tätigt der Kunde vor Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit oder einem Insolvenzantrag einen Vertragsabschluss mittels Kreditkarte, so ist die Bank in Wahrnehmung ihrer Pflicht zur Geschäftsbesorgung gegenüber dem Kunden und aufgrund eines eigenen abstrakten Zahlungsversprechens (§ 780 BGB) gegenüber dem Vertragsunternehmen1 zur Bezahlung der Forderung des Vertragsunternehmens verpflichtet und gleichzeitig berechtigt, ihren Aufwendungsersatzanspruch in das mit dem Kunden vereinbarte Kontokorrent einzustellen2. In Höhe dieses Aufwendungsersatzanspruches ermäßigt sich ein etwaiger Guthabensaldo; ein debitorischer Saldo erhöht sich entsprechend.

1. Kündigung 3.1159

Um zu verhindern, dass ein Kunde, dessen wirtschaftliche Verhältnisse ihn zur Vorlage eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zwingen, zu Lasten der Bank noch weitere Verpflichtungen eingeht, muss die Bank bei Kenntnis von solchen Umständen den Kreditkartenvertrag kündigen und die Kreditkarte einziehen3. Zur fristlosen Kündigung ist die Bank beispielsweise nach Nr. 16 Abs. 2, 3 der Kreditkartenbedingungen4 berechtigt, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage des Kunden eingetreten ist oder einzutreten droht und dadurch die Erfüllung von Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag gegenüber der Bank gefährdet ist; diese Klausel entspricht Nr. 19 AGB Banken und stellt eine Ausprägung des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund dar, das aus der Rechtsnatur des Kreditkartenvertrages als Dauerschuldverhältnis folgt. Die wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage wird durch den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch dokumentiert, so dass die Bank nicht in Beweisnot gerät. Der Kunde ist dann nach Nr. 14 Satz 3 der Kreditkartenbedingungen5verpflichtet, die Kreditkarte unverzüglich zurückzugeben; zu ihrem Einsatz ist er nicht mehr berechtigt.

3.1160

Wenn der Kunde trotz wirksamer Kündigung des Kreditkartenvertrages die Karte nicht zurückgibt, bleibt er faktisch in der Lage, diese gegenüber solchen Vertragsunternehmen einzusetzen, die beim Karteneinsatz keinen telefonischen aktuellen Datenabgleich vornehmen, sondern im Belegverfahren arbeiten. Zwar fehlen ihm dann die Befugnisse, gegenüber dem Emittenten eine Zahlungsanweisung auszusprechen und diesen durch das abstrakte Schuldversprechen gegenüber dem Vertragsunternehmen zu verpflichten, weil der Geschäftsbesorgungsvertrag erloschen ist. Insoweit handelt er als Vertreter6 der Bank ohne Vertretungs1 BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, ZIP 2001, 2084 = WM 2001, 2158; BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, ZIP 2002, 974 = WM 2002, 1120. 2 S. z.B. Nr. 6 Satz 3 der Kreditkartenbedingungen, abgedr. bei Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/2013. 3 Zu Entgeltklauseln für die Kartensperre s. OLG Düsseldorf v. 19.7.2012 – I-6 U 195/11, ZIP 2012, 1748. 4 Abgedr. bei Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/2013. 5 Abgedr. bei Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/2013. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 831; Schaudwet NJW 1968, 10; Eisenhardt MDR 1972, 731; OLG Nürnberg v. 8.6.1978 – 8 U 11/78, MDR 1978, 933; AG Aachen v. 6.11.1969 – 10 C 502/69; LG Bochum v. 12.2.1970 – 9 HO 127/69; OLG Hamm v. 18.11.1971 – 2 Ss 685/71, WM 1972, 327; OLG Düsseldorf v. 3.3.1975 – 6 U 168/74, WM 1975, 504; dagegen sieht ihn die Mindermeinung als Boten an: Damrau BB 1969, 199; Possen Bank-Betrieb 1968, 62; Giese/Lang/Reyher, Sparkassen-Scheckkarte, 2. Aufl. 1968, Rn. 81; Bette, Rechts- und Wirtschaftspraxis 1971, S. 57

732 | Büchel

H. Kreditkartengeschäft | Rz. 3.1164 Dritter Teil

macht. Im Außenverhältnis zu dem Vertragsunternehmen scheint er aber – ausgewiesen durch die Kreditkarte – legitimiert, das abstrakte Schuldversprechen des Emittenten zu überbringen. Ist dem Vertragsunternehmen die Beendigung des Kreditkartenvertrages nicht bekannt, so wird es durch § 172 Abs. 2 BGB geschützt1; die Kreditkarte stellt nämlich eine Vollmachtsurkunde dar, bis zu deren Rückgabe an den Vertretenen die Vertretungsmacht im Außenverhältnis bestehen bleibt. Auf diese gesetzlichen Regelungen kommt es nicht an, wenn vertragliche Vereinbarungen bestehen, die das Vertragsunternehmen sichern. Dies ist beispielsweise mittelbar im Mastercard/Visa-System geschehen, dessen Akzeptanzbedingungen2 in Nr. 4 festlegen, dass der Vertragspartner Zahlung verlangen kann, wenn er Leistungen aufgrund der Verwendung einer Karte erbracht hat, die u.a.

3.1161

– zeitlich gültig und unterschrieben, – nicht durch Sperrlisten oder andere Benachrichtigungen widerrufen und – nicht erkennbar verändert oder unleserlich ist. Wenn die Bank im Verhältnis zu dem Vertragsunternehmen verpflichtet ist, die Zahlung zu leisten, kann sie unabhängig davon, ob der Kreditkartenvertrag noch bestand oder bereits gekündigt war, in Höhe ihres Aufwendungsersatzanspruchs das Konto des Kunden belasten. Zwar haftet der Karteninhaber für Schäden aus missbräuchlichen Verfügungen nicht oder nur beschränkt (z.B. Nr. 12 der Kreditkartenbedingungen3). Auf diese Klausel kann er sich jedoch nicht berufen, wenn er selbst vorsätzlich missbräuchlich gehandelt hat4.

3.1162

2. Aufrechnung Sofern ein Guthaben vorhanden ist, kann die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch mit dem Guthabensaldo verrechnen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Zwar ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, wenn ein Insolvenzgläubiger die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Die Bank, bei der der Kreditkarteninhaber ein Guthaben unterhält, ist aber seine Schuldnerin und nicht Insolvenzgläubigerin.

3.1163

Wird der Saldo dagegen debitorisch oder erhöht sich der Sollsaldo, so erwirbt die Bank eine entsprechende Forderung gegen den Karteninhaber, die in einem späteren Insolvenzverfahren grundsätzlich nur eine Insolvenzforderung darstellt. Die Zahlung und die Einstellung des Aufwendungsersatzanspruchs in das Konto können in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren gegenüber der Bank nicht nach §§ 129 ff. InsO angefochten werden5.

3.1164

1 2 3 4 5

(Abt. II); Sennekamp MDR 1971, 630; Sennekamp Sparkasse 1971, 16; für die ec-Karte ohne Boten oder Vertreter für ein direktes Angebot durch die Bank: Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, E. Recht des Zahlungsverkehrs, Rn. 758. Omlor in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 42 Rn. 40b; Werner in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 4.856; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 842 zur ec-Karte. Allgemeine Geschäftsbedingungen der ConCardis GmbH für den Eurocard/Mastercard/Visa-Ivisa Elektron-Akzeptanzservice abgedr. bei Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/2014. Abgedr. bei Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/2013. Einzelheiten s. Hoffmann/Petrick ZBB 2003, 343. Ganter NZI 2010, 835; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, §§ 115, 116 Rn. 31 m.w.N.; RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144.

Büchel | 733

Dritter Teil Rz. 3.1164a | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.1164a

Auch die Einbeziehung des Aufwendungsersatzanspruchs unter die Deckung von außerhalb der Anfechtungsfristen bestellten Sicherheiten ist nicht anfechtbar. Bei Grundschulden oder sonstigen nicht akzessorischen Sicherheiten fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung, da die Sicherheit schon vor der kritischen Zeit aus dem Vermögen des Kunden ausgeschieden war1. Bei akzessorischen Sicherheiten (Hypothek) scheitert eine Anfechtung an dem Umstand, dass es sich um ein Bargeschäft2 handelt. Eine Anfechtung ist allenfalls im Verhältnis zwischen Karteninhaber und dem Vertragsunternehmen möglich3.

3. Anfechtung 3.1165

Diese Verrechnung mit einem Guthaben braucht in einem etwa nachfolgenden Insolvenzverfahren nicht wieder rückgängig gemacht zu werden. Insoweit gelten dieselben Grundsätze wie für die Anfechtung der Verrechnung von Belastungen aus Überweisungsaufträgen und Lastschriften (s. Rn. 3.23 ff., 3.685 ff.). Diese besagen, dass die insolvenzrechtliche Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO im Verhältnis zur Bank wegen des Vorrangs der Anfechtung gegenüber dem jeweiligen Vertragsunternehmen als Leistungsempfänger ausgeschlossen ist4. Hat der Schuldner eine Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert hat, so richtet sich die Deckungsanfechtung allein gegen den Dritten als Empfänger, wenn es sich für diesen erkennbar wirtschaftlich um eine Leistung des Schuldners handelte5. Für den Zahlungsverkehr mittels einer Kreditkarte ist zu unterscheiden, ob diese nur die Funktion des Bargeldersatzes hat oder ob es zu einer Kreditgewährung kommt. a) Kreditkarte als Bargeldersatz

3.1165a

Für den Zahlungsverkehr mittels einer Kreditkarte gilt nichts anderes, wenn der Einsatz der Kreditkarte nur die Funktion des Bargeldersatzes hat und es zu keiner Kreditgewährung kommt6. Um einen Kredit handelt es sich dann noch nicht, wenn der Karteninhaber nach den getroffenen Vereinbarungen im Anschluss an die monatliche Abrechnung jeweils den vollen Saldo aus einem im Guthaben geführten Konto auszugleichen hat; der mit der Sammelabrechnung verbundene Zahlungsaufschub hat nur abwicklungstechnische Gründe. Der Einordnung der Kartenzahlung als mittelbare Zuwendung steht nicht entgegen, dass das Kartenunternehmen sich gegenüber dem Vertragsunternehmen selbst im Wege eines abstrakten Schuldversprechens nach § 780 BGB zur Zahlung in Höhe der eingereichten Belastungsbelege (abzüglich des vereinbarten Entgelts) verpflichtet hat und dass es mit der auf die eingereichten Belege erfolgenden Zahlung auf diese eigene Verpflichtung leistet7. Zahlt ein Dritter an den Gläubiger auf eine eigene Schuld, etwa als Sicherungsgeber oder Gesamtschuldner, kann dies 1 2 3 4

BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334. BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 (VII). RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144; Kirchhof WM 1996 Sonderbeilage Nr. 2, 21. BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2351 = ZInsO 2014, 2359 mit Anm. Jungmann WuB 2015, 119 – Insolvenzrecht § 130 InsO. 5 BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, ZIP 1999, 1764; BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZInsO 2008, 106 Rn. 35; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 14; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZInsO 2012, 924 Rn. 9; BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZInsO 2013, 1898 Rn. 21; BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZInsO 2014, 2359 Rn. 8. 6 BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2351 = ZInsO 2014, 2359 Rn. 10. 7 Vgl. Nobbe FS Hadding, 2004, 1007 (1015).

734 | Büchel

H. Kreditkartengeschäft | Rz. 3.1166 Dritter Teil

zwar zu der Beurteilung führen, dass keine unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, sondern jeweils eigene Leistungsbeziehungen zwischen dem Dritten und dem Gläubiger einerseits und zwischen dem Schuldner und dem Dritten andererseits bestehen1. Bei Kartenzahlungen ist eine solche Beurteilung jedoch nicht gerechtfertigt2. Die eigene Verpflichtung des Kartenunternehmens gegenüber den Vertragsunternehmen entsteht jeweils erst infolge des Karteneinsatzes durch den Karteninhaber, denn dadurch kann das Vertragsunternehmen dem Kartenunternehmen Belastungsbelege einreichen und so die Bedingung für die Verpflichtung des Kartenunternehmens herbeiführen. Die Verpflichtung des Kartenunternehmens stellt sich deshalb als Teil eines Gesamtvorgangs dar, der darauf gerichtet ist, eine Barzahlung des Karteninhabers zu ersetzen und zur Tilgung der Verbindlichkeit des Schuldners eine Leistung aus dessen Vermögen mittels des Kartenunternehmens als Zahlstelle an das Vertragsunternehmen als Gläubiger zu erbringen. Auch nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts, an das sich die anfechtungsrechtliche Behandlung anlehnt3, liegt eine Leistung des Schuldners an den Gläubiger vor. Er verschafft dem Gläubiger den Anspruch gegen das Kartenunternehmen und kann, wenn das Valutaverhältnis unwirksam ist und die Zahlung des Kartenunternehmens an den Gläubiger bereits erfolgt ist, bei diesem den im Valutaverhältnis vereinbarten Betrag kondizieren4. Der Insolvenzverwalter des Karteninhabers kann eine Anfechtung daher nur gegen das Vertragsunternehmen als Zahlungsempfänger richten. b) Kreditkarte mit Rahmenkreditabrede Anders verhält es sich, wenn eine Kreditkarte mit Rahmenkreditabrede eingesetzt wird. Hier muss der monatliche Saldo, der aus den mit der Karte getätigten Umsätzen resultiert, nicht stets in voller Höhe, sondern in beliebigen Raten – wobei typischerweise eine (prozentuale oder absolute) Mindestsumme vorgesehen ist, zurückgeführt werden; dies ist echte Darlehensgewährung in Form eines Kontokorrentratenkredits5. In diesen Fällen ist die ausstellende Bank nicht bloße Zahlungsmittlerin, sondern Gläubigerin des Karteninhabers. Dies führt dazu, dass im Deckungsverhältnis zwischen Bank und Karteninhaber eine Anfechtung nach den allgemeinen Regeln möglich ist und es keinen Vorrang der Anfechtung im Valutaverhältnis zwischen Karteninhaber und Vertragsunternehmen als Zahlungsempfänger gibt. Meist wird eine Anfechtung dann an der fehlenden Gläubigerbenachteiligung scheitern, weil der Bank eine Aufrechnungsmöglichkeit zur Verfügung steht.

3.1165b

III. Kreditkartengeschäft im Insolvenzantragsverfahren Scheitert der außergerichtliche Schuldenbereinigungsversuch, so kann der Kunde einen Insolvenzantrag stellen. Unabhängig davon, ob jetzt das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren durchgeführt wird oder ob das Gericht die Fortsetzung des Verfahrens über den Eröffnungsantrag anordnet, weil nach seiner freien Überzeugung der Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich nicht angenommen wird (§ 306 Abs. 1 InsO), ändert sich an der oben für den Zeitraum des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs dargestellten Rechtslage nichts, solange das Gericht dem Kunden keine Verfügungsbeschränkungen auferlegt.

1 2 3 4 5

Vgl. BGH v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (46 f.); Gehrlein ZInsO 2012, 197, 198. BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2351 = ZInsO 2014, 2359 Rn. 14. BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, ZIP 1999, 1764. Nobbe FS Hadding, 2004, 1007 (1015 f.); Ott FS Musielak, 2004, 383 (391 f.). Jungmann in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 56 Rn. 56.

Büchel | 735

3.1166

Dritter Teil Rz. 3.1167 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

3.1167

Auch nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit oder einem Insolvenzantrag bleibt der Karteninhaber also zum Abschluss von Verträgen mit den Vertragsunternehmen unter Einsatz der Kreditkarte berechtigt, solange die Bank den Kreditkartenvertrag nicht wegen der ungünstigen Entwicklung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse aufgekündigt hat. Die Kündigungssperre des § 112 InsO steht dem nicht entgegen, da sie für Verträge dieser Art nicht eingreift.

1. Anordnung vorläufiger Maßnahmen 3.1168

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

3.1169

Durch ein allgemeines Verfügungsverbot wird der Karteninhaber zwar nicht gehindert, neue Verpflichtungen einzugehen, also neue Verträge mit Vertragsunternehmen zu schließen1. Das Gleiche gilt für die Anordnung, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

3.1170

Der Karteninhaber kann dem Aussteller jedoch durch die Kartenbenutzung mit Unterzeichnung des Belastungsbelegs, Eingabe seiner PIN oder durch Übermittlung der Kartendaten im Online- oder Telefonverfahren, die das Vertragsunternehmen als Bote übermittelt, keine verbindliche Weisung mehr erteilen, seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vertragsunternehmen aus dem mit ihm eingegangenen Geschäft (Kauf, Miete, Dienstleistung) zu tilgen2 und mit dem Aufwendungsersatzanspruch sein im Guthaben befindliches Konto zu belasten. Denn ein allgemeines Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt haben die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Unter Verfügungen in diesem Sinne werden alle Rechtshandlungen verstanden, die auf das Vermögen des Schuldners unmittelbar einwirken3, also die Übertragung, Belastung, Änderung und Aufhebung von Rechten4, die Einziehung von Forderungen5 und die Ermächtigung eines Dritten durch den Schuldner, für ihn eine Leistung entgegenzunehmen6, soweit der eingezogene Forderungsbetrag nicht in die Masse gelangt, und die Begleichung von Schulden7. Da die Bank mit der Zahlung an das Vertragsunternehmen eine

1 Laroche in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 24 Rn. 11; Haarmeyer in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 24 Rn. 13. 2 Barnert WM 2003, 1153. 3 BGH v. 13.3.2014 – IX ZR 147/11, ZIP 2014, 1037 = ZInsO 2014, 1011. 4 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26; BGH v. 4.11.2009 – XII ZR 170/07, ZIP 2010, 332; BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 1/09, ZInsO 2010, 133; BGH v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, ZIP 2011, 1419. 5 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch in BK InsO, Stand 2003, § 24 Rn. 14; s. auch schon den Wortlaut von § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO. 6 BGH v. 12.7.2012 – IX ZR 210/11, ZIP 2012, 1565 Rn. 7. 7 LG Hamburg v. 9.2.1982 – 64 O 9/82, ZIP 1982, 336, 337.

736 | Büchel

H. Kreditkartengeschäft | Rz. 3.1175 Dritter Teil

Leistung an den Kontoinhaber erbringt1, stellt dieser Vorgang eine Art der Einziehung der Guthabenforderung dar, die unter das allgemeine Verfügungsverbot oder den Zustimmungsvorbehalt fällt2. Da auf das allgemeine Verfügungsverbot oder die Anordnung, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, durch die Verweisung in § 24 Abs. 1 InsO der Schutz guten Glaubens aus § 82 InsO Anwendung findet, ist für die Folgen der Abwicklung einer Kartenzahlung durch die Bank danach zu unterscheiden, ob die Bank von der Verfügungsbeschränkung nichts wusste oder ob sie davon Kenntnis hatte. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem der Kunde eine Verfügung mittels der Kreditkarte getroffen hat; wann die Belastung gebucht wird, ist dagegen unerheblich3.

3.1171

a) Abwicklung ohne Kenntnis der Verfügungsbeschränkungen Das allgemeine Verfügungsverbot und der Zustimmungsvorbehalt sind zwar wie jede andere Verfügungsbeschränkung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen (§ 23 InsO). Wenn die Bank dies aber übersieht und sie auch sonst keine Kenntnis von dem Verfügungsverbot erlangt hat, wird sie an das Vertragsunternehmen zahlen. Sie kann dann mit befreiender Wirkung aus einem etwaigen Guthaben des Karteninhabers leisten (§§ 21, 24, 82 InsO). Bei einer Einlösung vor der öffentlichen Bekanntmachung wird ihre Unkenntnis vermutet, anderenfalls trägt sie die Beweislast für ihre Unkenntnis4.

3.1172

Wenn das Konto des Karteninhabers debitorisch ist, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen5. Das Verfügungsverbot steht der Einbeziehung des Aufwendungsersatzanspruchs unter die Deckung von nicht akzessorischen Sicherheiten (z.B. Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen, Grundschulden) und Pfandrechten nicht entgegen, sofern diese Sicherheiten schon vor Erlass des Verbots unanfechtbar bestellt wurden6.

3.1173

b) Abwicklung in Kenntnis der Verfügungsbeschränkungen Hat die Bank in dem Zeitpunkt, in dem sie von dem Vertragsunternehmen die „Weisung“ des Karteninhabers zur Zahlung übermittelt bekommt, Kenntnis von den Verfügungsbeschränkungen, so könnte sie nach den obigen Ausführungen nicht mehr mit befreiender Wirkung aus dem Guthaben leisten.

3.1174

Dies berechtigt sie jedoch nicht, gegenüber dem Vertragsunternehmen die Zahlung zu verweigern. Tätigt der Kunde einen Vertragsabschluss mittels Kreditkarte, so ist die Bank auf-

3.1175

1 von Godin NJW 1958, 856; BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, ZIP 1989, 1593 = WM 1989, 1816 = WuB VI C § 106 KO 1.90 Obermüller. 2 Für das frühere Recht kommt Wessel (KTS 1981, 457) über eine analoge Anwendung von § 23 KO (= §§ 116, 115 InsO) auf das Sequestrationsverfahren zu demselben Ergebnis (a.A. richtig LG Kiel v. 4.3.1981 – 10 O 91/80, ZIP 1981, 501 = WM 1981, 887). 3 LG Frankfurt v. 14.5.2009 – I-12 O 244/08, n.v. 4 BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768 = ZInsO 2003, 374. 5 So für die Lage nach Verfahrenseröffnung Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, §§ 115, 116 Rn. 35. 6 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334.

Büchel | 737

Dritter Teil Rz. 3.1175 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

grund eines eigenen abstrakten Zahlungsversprechens (§ 780 BGB) gegenüber dem Vertragsunternehmen1 zur Bezahlung der Forderung des Vertragsunternehmens verpflichtet, auch wenn sie ihrer Pflicht zur Geschäftsbesorgung gegenüber dem Kunden nicht mehr wirksam nachkommen kann. Im Verhältnis zwischen der Bank und dem Vertragsunternehmen kommt es nämlich nicht darauf an, dass die Weisung des Kunden zur Begleichung der Rechnung wirksam ist. Entscheidend ist vielmehr allein, dass das Vertragsunternehmen die Akzeptanzbedingungen2 eingehalten hat. Danach ist die Bank zur Erstattung verpflichtet, wenn dem Vertragsunternehmen eine Karte vorgelegt wurde, die zeitlich gültig und unterschrieben, nicht durch Sperrlisten oder andere Benachrichtigungen widerrufen und nicht erkennbar verändert oder unleserlich ist (Nr. 4 der Akzeptanzbedingungen).

3.1176

Damit ist wirtschaftlich die gleiche Lage eingetreten wie bei einem vor Anordnung von Verfügungsbeschränkungen oder vor Insolvenzeröffnung dem Begünstigten gegenüber verbindlich bestätigten Überweisungsauftrag oder einem bestätigten Akkreditiv oder – in der Zeit des ehemaligen eurocheque-Verfahrens – bei einer Zahlung unter Verwendung einer eurochequeKarte: In solchen Fällen besteht der Geschäftsbesorgungsvertrag fort. Nach Verfahrenseröffnung gilt er als fortbestehend. Die §§ 116, 115 InsO, die ein Erlöschen von Aufträgen nach Insolvenzeröffnung vorsehen, die der Schuldner erteilt hat, wirken nur für die Zukunft3, der Insolvenzverwalter muss gegen sich gelten lassen, was der Beauftragte bis zu diesem Zeitpunkt getan hat4, wenn der Auftrag also bereits ganz oder teilweise ausgeführt ist5; insoweit entsteht ein Aufwendungsersatzanspruch6. Eine teilweise Ausführung liegt vor, wenn schon eine selbständige Verpflichtung gegenüber dem Dritten entstanden ist7.

3.1177

So bleibt ein bestätigter Überweisungsauftrag bestehen, wenn die Bank – wie es bei Abgabe einer verbindlichen Bestätigung der Fall ist – sich schon vor der Insolvenzeröffnung gegenüber dem Begünstigten zur Zahlung verpflichtet hatte (Begründung s. Rn. 3.306 ff.).

1 BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, ZIP 2001, 2084 = WM 2001, 2158; BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, ZIP 2002, 974 = WM 2002, 1120. 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen der ConCardis GmbH für den Mastercard/Visa-Ivisa ElektronAkzeptanzservice abgedr. bei Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/ 2014. 3 BGH v. 6.7.2006 – IX ZR 121/05, ZIP 2006, 1781 = ZInsO 2006, 1055; Goetsch in BK InsO, Stand 2010, § 115 Rn. 6; Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 115 Rn. 6; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand 2022 94.Lfg., §§ 115 Rn. 30; Wegener in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 115 Rn. 7. 4 Kießner in Nerlich/Römermann, InsO, Stand 2009, § 115 Rn. 8; Wegener in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 115 Rn. 7. 5 G. Schmidt in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 115 Rn. 7 f.; Flöther/Wehner in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 115 Rn. 6; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1079; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 23 Anm. 2 – diese Vorschrift wurde inhaltlich unverändert als §§ 115, 116 InsO übernommen (Begründung RegE zu §§ 133, 134); insoweit entsteht ein Aufwendungsersatzanspruch (RG v. 16.11.1911 – IV 119/11, LZ 1912, Sp. 326; RG v. 24.5.1911 – VI/1910, LZ 1912, Sp. 329). 6 RG v. 16.11.1911 – IV 119/11, LZ 1912, Sp. 326; RG v. 24.5.1911 – VI/1910, LZ 1912, Sp. 329; Bunjes/Pfister, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2016/122. Lfg., Rn. 5/193. 7 Schäfer Bank-Archiv 1937/38, 53; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl. 1926, Anh. zu § 363 Anm. 43; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9c; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 20; OLG Bamberg v. 7.1.2004 – 3 U 81/03, ZInsO 2004, 620; OLG Frankfurt v. 2.6.2005 – 3 U 185/04, ZIP 2005, 1245; OLG München v. 25.10.2005 – 25 U 2246/05, ZIP 2006, 677.

738 | Büchel

H. Kreditkartengeschäft | Rz. 3.1183 Dritter Teil

Wenn die Bank vor Verfahrenseröffnung ein unwiderrufliches Akkreditiv eröffnet bzw. bestätigt hat, wird sie, auch wenn sie erst nach Insolvenzeröffnung und in Kenntnis davon an den Begünstigten zahlt, von einer etwaigen Guthabenforderung des Akkreditivauftraggebers frei (Begründung s. Rn. 4.41).

3.1178

Bei dem zum 31.12.2001 eingestellten eurocheque-Verfahren wurde der Kunde mit Aushändigung der Karte und der Scheckformulare in die Lage versetzt, durch die Begebung eines Scheckkartenschecks eine abstrakte Verpflichtung der Bank zu begründen. Die Bank kann also den Eintritt ihrer Zahlungspflicht nicht verhindern. Infolgedessen besteht für sie das gleiche Schutzbedürfnis, als wenn sie in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung geleistet hätte1.

3.1179

In die gleiche Lage gerät die Bank bei der Zahlung mittels Kreditkarten. Solange sich der Kunde im Besitz der Karte befindet, kann er im Außenverhältnis Verpflichtungen gegenüber den Vertragsunternehmen zu Lasten der Bank eingehen, ohne dass die Bank eine realistische Möglichkeit hätte, auf die vom Gericht angeordneten Verfügungsbeschränkungen des Kunden zu reagieren und dies zu verhindern. Sie befindet sich also in derselben Situation, wie sie sich befinden würde, wenn sie von der Verfügungsbeschränkung keine Kenntnis hätte. Dies rechtfertigt es, den Geschäftsbesorgungsvertrag grundsätzlich bis zur Rückgabe der Karte als fortbestehend zu fingieren. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

3.1180

Weist das Konto des Karteninhabers einen Debetsaldo aus, so erwirbt die Bank gegen ihn einen Aufwendungsersatzanspruch aufgrund des Kreditkartenvertrages, der trotz der Verfügungsbeschränkung fortbesteht. Er ist mit der Bestätigung bereits teilweise ausgeführt. Den Aufwendungsersatzanspruch kann sie als Insolvenzforderung anmelden.

3.1181

Weist das Konto des Karteninhabers dagegen ein Guthaben aus, so ist aus den oben angeführten Gründen (Rn. 3.313) eine Anwendung von §§ 24, 82 InsO geboten, d.h. die Bank wird in Höhe ihrer Zahlung von ihrer Guthabenschuld befreit2. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man nach Verfahrenseröffnung unter Anwendung der Vorschriften über das Fortbestehen von Geschäftsbesorgungsverträgen. Insoweit überlagern sich die Schutzvorschriften der InsO.

3.1182

Dies kann allerdings nicht zeitlich unbeschränkt gelten und dazu führen, dass die Bank im Hinblick auf ein etwaiges Guthaben untätig bleibt bzw. sich mit einer (einmaligen) schriftlichen Rückforderung der Karte begnügt. Vielmehr muss die Bank unverzüglich alles Erforderliche veranlassen, um die Karte zu sperren3 und zurückzuholen; dazu gehören auch zivilrechtliche und strafrechtliche Maßnahmen wie z.B. ein Antrag auf einen Arrest oder eine Strafanzeige. Dies ist die Konsequenz aus der Analogie zu den Vorschriften über den Schutz Gutgläubiger; ebenso wie dieser Schutz nicht mehr gerechtfertigt ist, wie sich der „Gutgläubige“ einer Kenntnisnahme verschließt, kann auch die Analogie nur solange eingreifen, wie der Geschützte alles unternimmt, um eine Inanspruchnahme wider Willen zu verhindern.

3.1183

1 Begründung s. 7. Aufl. Rn. 3.221 ff. 2 So für den eurocheque Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, 24. Aufl. 2020, Art. 3 SchG Rn. 17; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 851; Damrau BB 1969, 205; Heile, Die Anweisung im Konkurs des Anweisenden, 1976, S. 142 mit anderer Begründung; Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 55 für die entsprechende Problematik im Vergleich; Lehnhoff BI 1983 Heft 5, 43; a.A. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 8 Rn. 46. 3 Zur Sperrberechtigung s. Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/1984.

Büchel | 739

Dritter Teil Rz. 3.1184 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

2. Einsetzung eines vorläufigen Verwalters 3.1184

Die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters kommt im Insolvenzantragsverfahren natürlicher Personen, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben, praktisch nicht vor. Anders verhält es sich bei Selbständigen und juristischen Personen. Stets ist zu unterscheiden, ob das Gericht Verfügungsbeschränkungen angeordnet oder dem vorläufigen Verwalter lediglich Prüfungs- und Überwachungsaufgaben übertragen hat. Im letzteren Fall kann der Kreditkarteninhaber die Karte weiterhin wirksam einsetzen; die Bank ist darauf verwiesen, den Vertrag zu kündigen. Hat das Gericht dagegen den Verwalter mit Verfügungsbeschränkungen unterstützt, so gelten die obigen Ausführungen (Rn. 3.1168 ff.).

IV. Kreditkartengeschäft im eröffneten Insolvenzverfahren 3.1185

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen grundsätzlich alle von dem Kunden erteilten Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge (§ 116 InsO)1. Damit endet auch der Kreditkartenvertrag, so dass der Karteninhaber dem Aussteller nicht mehr die verbindliche Weisung erteilen kann, seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vertragsunternehmen zu tilgen. Einer Kündigung seitens der Bank bedarf es deshalb nicht. Ihr ist jedoch anzuraten, die Kreditkarten unverzüglich zu sperren2 und zurückzufordern, um einen Missbrauch zu verhindern. Ein solcher Missbrauch wird dadurch erleichtert, dass die Beziehungen der Bank zu dem Vertragsunternehmen von der Insolvenz einzelner Karteninhaber unberührt bleiben und der Kreditkarteninhaber faktisch die Möglichkeit hat, weiterhin mit Hilfe der Kreditkarten einzukaufen bzw. Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

3.1186

Trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners verbunden ist, behält dieser nämlich seine Geschäftsfähigkeit sowie vor allem seine Verpflichtungs- und Verfügungsfähigkeit hinsichtlich des nicht zur Insolvenzmasse gehörigen Vermögens; er ist also weiter in der Lage, rechtsgeschäftlich tätig zu werden. Vermögensgegenstände und Rechte, die der Schuldner dadurch erwirbt, gehören zwar zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO), wogegen sich die daraus resultierenden Verpflichtungen wegen der in § 38 InsO enthaltenen Legaldefinition ausschließlich gegen den Schuldner und nicht gegen die Insolvenzmasse richten3.

3.1187

Dies bedeutet, dass der Karteninhaber weiterhin Verträge unter Vorlage seiner Kreditkarten abschließen kann und die Bank – wenn das Vertragsunternehmen dabei die Akzeptanzbedingungen eingehalten hat – diesem gegenüber zur Erstattung verpflichtet ist. Damit erhebt sich die Frage, inwieweit die Bank auf ein Kontoguthaben des Karteninhabers zugreifen bzw. eine Insolvenzforderung geltend machen kann und ob Rückgriffsmöglichkeiten gegenüber Dritten bestehen.

1. Rückgriff auf Kontoguthaben oder Insolvenzforderung 3.1188

Die Rechtsfolgen aus solchen Abläufen sind die gleichen wie nach Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts im Insolvenzantragsverfahren, d.h. es ist wieder danach zu unterscheiden, ob die Bank von der Verfahrenseröffnung nichts wusste oder ob sie Kenntnis hatte: 1 BGH v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17, ZIP 2019, 577 = ZInsO 2019, 678 Rn. 11. 2 Zur Sperrberechtigung s. Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/1984. 3 Ries in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 35 Rn. 4.

740 | Büchel

H. Kreditkartengeschäft | Rz. 3.1191 Dritter Teil

a) Abwicklung ohne Kenntnis der Lage des Karteninhabers War der Bank die Verfahrenseröffnung nicht bekannt, so kann sie mit befreiender Wirkung aus einem Guthaben des Karteninhabers an das Vertragsunternehmen zahlen (§ 82 InsO). War das Konto des Kunden debitorisch, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen.

3.1189

b) Abwicklung in Kenntnis der Lage des Karteninhabers Kannte die Bank im Zeitpunkt der Inanspruchnahme durch das Vertragsunternehmen die Insolvenz des Karteninhabers, so gelten die gleichen Regeln mit der Begründung, dass die Bank – bevor sie Kenntnis von der Verfahrenseröffnung erhalten hat – den Auftrag bereits teilweise ausgeführt hat und damit genauso schutzbedürftig ist, als wenn ihr die Verfahrenseröffnung nicht bekannt wäre. Sie kann also mit befreiender Wirkung aus einem Guthaben des Karteninhabers an das Vertragsunternehmen zahlen (§ 82 InsO).

3.1190

War das Konto des Kunden debitorisch, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen. Die Bank wäre jedoch nicht auf die Insolvenzquote angewiesen, wenn ihr andere Werte des Kunden als Sicherheit für ihre Forderung haften würden1. Dafür kommt beispielsweise das Pfandrecht aus Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen) in Betracht. Danach haften diese Werte auch für alle künftigen Forderungen der Bank gegen den Kunden2 aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung3. Jedoch verhindern die Vorschriften der §§ 81, 91 InsO, dass noch nach Insolvenzeröffnung einzelne Gläubiger Forderungen gegen den Schuldner und für diese Forderungen Vorzugsrechte an dem Schuldnervermögen erwerben können; demgemäß ist ein für eine künftige Forderung bestelltes Pfandrecht im Insolvenzverfahren grundsätzlich unwirksam, wenn die Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Entstehung gelangt. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Rechtsgrund für die Forderung schon vor Insolvenzeröffnung vorhanden war und die Forderung zwar nach Insolvenzeröffnung, aber ohne Zutun des Schuldners entsteht4. Zwar ist der Kreditkartenvertrag schon vor Insolvenzeröffnung abgeschlossen und gilt nach Insolvenzeröffnung fort, wenn er bereits teilweise ausgeführt ist, wie dies mit Aushändigung der Kreditkarte geschehen ist. Der Aufwendungsersatzanspruch der Bank aus dem vom Kunden mittels Kreditkarte getätigten Geschäft ist auch in dem vor Verfahrenseröffnung angelegten Kreditkartenvertrag begründet, er konkretisiert sich aber nach Insolvenzeröffnung durch Zutun des Kunden, nämlich durch dessen Vertragsabschluss und mithin durch eine neue Rechtshandlung. Diesem Rechtserwerb steht § 81 InsO entgegen5. Insoweit verhält es sich anders als bei bestätigten Überweisungsaufträgen oder Akkreditiven;

3.1191

1 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl. 1988, Rn. 502; Damrau BB 1969, 206 für einen nach Konkurseröffnung eingelösten eurocheque; Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 19 zu der gleich gelagerten Problematik im Vergleichsverfahren. 2 BGH v. 13.5.1997 – IX ZR 129/96, ZIP 1997, 1231 = KTS 1997, 636. 3 Zum Begriff s. BGH v. 28.10.1997 – XI ZR 26/97, ZIP 1997, 2194. 4 Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 15 Anm. 22, 23; einschränkend Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 15 Rn. 21; so im Ergebnis auch BGH v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, ZIP 1985, 150 = WM 1985, 78, der den Vorrang des AGB-Pfandrechts gegenüber einem Pfändungspfandrecht auch dann anerkennt, wenn der Kunde eurocheques erst nach der Pfändung begibt. 5 Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 15 KO Anm. 22, 23; ebenso Wörbelauer (DNotZ 1965, 580) für die Valutierung einer Grundschuld nach Konkurseröffnung; einschränkend Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1980, § 15 Rn. 21.

Büchel | 741

Dritter Teil Rz. 3.1191 | Zahlungsverkehr in den verschiedenen Stadien einer Insolvenz

dort hängt die Zahlungspflicht der Bank nicht mehr von einer Handlung des Kunden ab, sondern ergibt sich aus der Natur des Geschäfts bzw. der Anforderung durch einen unbeteiligten Dritten. c) Verfahrenseröffnung zwischen Kartenzahlung und Verbuchung

3.1192

Zwischen dem Abschluss des Kauf- oder Dienstleistungsvertrages durch den Karteninhaber mit dem Vertragsunternehmen und der Belastung des Kontos vergeht ein gewisser Zeitraum, der bei der Unterzeichnung von Belastungsbelegen und deren Versendung über die Post naturgemäß länger ist als bei der Übermittlung der Kartendaten im Online- oder Telefonverfahren. Dies kann zur Folge haben, dass das Insolvenzverfahren zeitlich nach dem Abschluss des Vertrages zwischen dem Karteninhaber und dem Vertragsunternehmen, aber noch vor Eingang der Belastungsbelege oder der Verbuchung auf dem Konto eröffnet wird bzw. die Bank die Kenntnis von der Verfahrenseröffnung innerhalb dieser Zeitspanne erlangt. Damit erhebt sich die Frage, ob die Bank mit dem Betrag, den sie dem Vertragsunternehmen zahlen muss, das Konto des Kunden belasten bzw. ob sie noch mit befreiender Wirkung aus dem Guthaben zahlen kann.

3.1193

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt das bestehende Kontokorrentverhältnis1. Für die Kontokorrentkonten ist ein außerordentlicher Saldenabschluss durchzuführen2, falls dies nicht schon vorher wegen der Anordnung eines Verfügungsverbots geschehen ist. Bei dem Kontoabschluss können wegen § 91 Abs. 1 InsO nur diejenigen Forderungen gegeneinander verrechnet werden, die vor Insolvenzeröffnung entstanden und somit kontokorrentgebunden sind3.

3.1194

Entscheidend für das Entstehen einer Aufrechnungslage ist bei Übermittlung der Kartendaten im Online- und Telefonverfahren der Akt der Kartenzahlung bei dem Vertragsunternehmen durch den Karteninhaber. Denn mit Vorlage der Karte wird das im Akquisitionsvertrag zwischen dem Vertragsunternehmen und dem Emittenten rahmenmäßig vereinbarte abstrakte Schuldversprechen konkretisiert und damit die Verpflichtung der Bank gegenüber dem Vertragsunternehmen und gleichzeitig der Aufwendungsersatzanspruch der Bank gegenüber dem Karteninhaber begründet. Die nachfolgende Verbuchung hat dann nur noch deklaratorische Bedeutung.

3.1195

Bei Übermittlung von Belastungsbelegen durch die Post ist zwar die Verpflichtung der Bank gegenüber dem Vertragsunternehmen und damit ihr Aufwendungsersatzanspruch gegen den Karteninhaber dem Grunde nach ebenfalls schon entstanden, jedoch aufschiebend bedingt durch den Eingang der Belastungsbelege bei der Bank4. Wenn das Insolvenzverfahren zwischen dem Vertragsabschluss und dem Eingang der Belastungsbelege eröffnet wird, scheitert eine Aufrechnung bzw. Verrechnung mit dem Guthaben zwar an § 95 Abs. 1 InsO. Danach kann die

1 OLG Celle v. 6.1.1999 – 14a (6) U 48/97, NZI 2000, 181; OLG Köln v. 19.4.2004 – 2 U 187/03, ZInsO 2004, 683; OLG Dresden v. 1.9.2005 – 13 U 1139/05, ZInsO 2007, 45; BGH v. 21.6.2005 – XI ZR 152/04, ZIP 2005, 1448; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZInsO 2006, 92; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZIP 2008, 1437 = ZInsO 2008, 803; BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZInsO 2009, 659; Nobbe KTS 2007, 397. 2 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137; BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 720; BGH v. 13.11.1990 – XI ZR 217/89, ZIP 1991, 155 = WM 1991, 60 = WuB I E 1. – 2.91 Sonnenhol. 3 BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 720. 4 BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, ZIP 2002, 974 = WM 2002, 1120.

742 | Büchel

H. Kreditkartengeschäft | Rz. 3.1199 Dritter Teil

Aufrechnung erst erfolgen, wenn die aufschiebende Bedingung eingetreten ist; sie ist ausgeschlossen, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann. Die Guthabenforderung ist fällig, bevor der Aufwendungsersatzanspruch unbedingt wird. Die Bank ist dann aber durch ihr Pfandrecht nach Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 AGB Sparkassen) an dem Guthaben gedeckt.

2. Rückgriff auf Dritte Die Möglichkeit, für ihre Aufwendungen aus dem Missbrauch einer Kreditkarte durch den insolventen Karteninhaber Rückgriff bei Dritten zu nehmen, besteht für die Bank bei der Ausgabe von Zusatzkarten und Firmenkarten. Hier ist zu unterscheiden zwischen der Haftung des Hauptkarteninhabers und der des Zusatzkarteninhabers.

3.1196

a) Haftung des Hauptkarteninhabers Fast alle Kreditkartenunternehmen bieten heute auch sog. Zusatzkarten, häufig als Familienoder Firmenkreditkarten an, die über ein einheitliches Konto abgerechnet werden1. Für die Verbindlichkeiten aus einer gemeinsam beantragten Karte haften die Antragsteller als Gesamtschuldner. Die gesamtschuldnerische Haftung des Hauptkarteninhabers für die Umsätze des Zusatzkarteninhabers ist rechtlich nicht zu beanstanden2, weil der Hauptkarteninhaber den Inhaber der Zusatzkarte aussuchen kann und der Emittent bei der Vergabe der Zusatzkarte erkennbar auf die Bonität des Hauptkarteninhabers abstellt. Dies gilt auch dann, wenn ein Unternehmen seinen Mitarbeitern für beruflich veranlasste Ausgaben eine Kreditkarte zur Verfügung stellt (Firmenkarte) und der Karteninhaber die Firmenkarte missbräuchlich zu privaten Zwecken verwendet. In der Insolvenz des Zusatzkarteninhabers kann sich die Bank deshalb an den Hauptkarteninhaber halten.

3.1197

b) Haftung des Zusatzkarteninhabers Der Zusatzkarteninhaber haftet für Umsätze, die er selbst mit der Zusatzkarte tätigt3.

3.1198

Ob ihm in den Kartenbedingungen auch das Risiko der Insolvenz des Hauptkarteninhabers für dessen Umsätze auferlegt werden kann, ist streitig4. Eine Haftung wird insoweit jedoch bei Firmenkarten in der Insolvenz des Unternehmens anzunehmen sein, wenn der Mitarbeiter über die Firmenkarte eigene Umsätze abwickelt, die er im Unternehmensinteresse tätigt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Karte zur Begleichung von Flug-, Bahn- oder Hotelkosten im Rahmen einer Dienstreise benutzt wird. Geschäftsbedingungen, die dem Arbeitnehmer die gesamtschuldnerische Mithaftung gegenüber dem Kartenausgeber auferlegen, hat die Rechtsprechung als gültig angesehen5; dies ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer die Karte für Ausgaben einsetzt, die er sonst bar hätte vorlegen müssen.

3.1199

1 Omlor in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 42 Rn. 53. 2 OLG München v. 28.4.1988 – 1 U 1929/88, NJW-RR 1988, 1076; BezG Potsdam v. 13.8.1992 – 2 S 49/92, WM 1993, 545; LG Aachen v. 26.1.1993 – 10 O 446/92, WM 1994, 2158. 3 OLG Köln v. 23.1.1992 – 13 U 206/91, WM 1993, 369. 4 Nachweise bei Neuberger, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 2010/89. Lfg., Rn. 6/1972; Burkard/ Lambrecht NZI 2011, 96; Omlor in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 42 Rn. 54; zu arbeitsrechtlichen Fragen s. Lunk/Hinrichs DB 2007, 2144. 5 BAG v. 30.4.1975 – 5 AZR 171/74, KTS 1976, 140; OLG München v. 28.4.1988 – 1 U 1929/88, NJW-RR 1988, 1076.

Büchel | 743

744 | Büchel

Vierter Teil Akkreditiv- und Dokumentengeschäft Der internationale Handelsverkehr kennt drei Hauptformen der Zahlungsabwicklung, nämlich

4.1

– die Zahlung gegen Rechnung, bei der die Aufgabe der Banken lediglich in der Überweisung des geschuldeten Kaufpreises und der dazu notwendigen Anschaffung von Devisen liegt, – Kasse gegen Dokumente1, d.h. Bezahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe der Dokumente, (vorwiegend Transportdokumente, aber auch Handelsrechnungen, Tratten und dergleichen) und – das Dokumentenakkreditiv, d.h. die Verpflichtungserklärung einer Bank, Zug um Zug gegen Empfang bestimmter Dokumente den Kaufpreis an den Verkäufer auszuzahlen2. Während für die insolvenzrechtlichen Fragen des Zahlungsverkehrs bei der Zahlung gegen offene Rechnung auf die obigen Ausführungen zum Überweisungsverkehr (vgl. Rn. 3.2 ff.) verwiesen werden kann, bieten das Dokumentenakkreditiv und das Dokumenteninkasso eine Reihe insolvenzrechtlicher Besonderheiten, die im Folgenden dargestellt werden sollen. frei

4.2

4.3–4.9

A. Dokumentenakkreditiv I. Allgemeines Das Wesen des Dokumentenakkreditivs besteht in der vertraglichen Zusicherung einer Bank, für Rechnung ihres Auftraggebers innerhalb eines festgelegten Zeitraumes an einen bestimmten Empfänger unter der Voraussetzung, dass konforme Dokumente vorgelegt werden3, einen bestimmten Betrag in einer vorgeschriebenen Währung zu zahlen4.

4.10

Die Grundlage für das Akkreditivgeschäft bilden die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive (ERA), die von der Internationalen Handelskammer in Paris erstmalig 1933 aufgestellt und seitdem mehrfach, zuletzt zum 1.7.2007 (Publikation Nr. 600

4.11

1 Zur Auslegung dieser Klausel s. BGH v. 5.3.1997 – VIII ZR 118/96, ZIP 1997, 890 = WM 1997, 957. 2 Ingelmann/Schmitt in Häberle, Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, 2000, S. 271 Anm. 3.1.1.1; Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 4. 3 Zur Aufnahmefähigkeit von Transportdokumenten im Akkreditivgeschäft s. Nielsen WM 1993, Sonderbeilage 3; Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, 3. Aufl. 2008, Rn. 92 ff. 4 BGH v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047 = WM 2004, 1138; Haas in Ellenberger/BunteBankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2021, § 103 Rn. 7; vgl. auch OLG Schleswig v. 10.4.1979 – 11 U 207/78, WM 1980, 48.

Ingelmann | 745

Vierter Teil Rz. 4.11 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

der Internationalen Handelskammer) revidiert worden sind1, und mit Wirkung vom 1.7.2019 durch die Richtlinien zur elektronischen Vorlage von Dokumenten bei Akkreditiven und Inkassi ergänzt worden sind2. Die ERA wurden bis zur Änderung der AGB ab 1.1.1993 im Verkehr mit Banken als Sonderbedingungen nach der inzwischen entfallenen Nr. 28 AGB Banken (Nr. 27 AGB Kreditgenossenschaften, Nr. 35 Satz 2 AGB Sparkassen) einbezogen3. Nach der ersatzlosen Streichung dieser Passagen aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute gelten die ERA in einigen Teilen kraft Handelsbrauchs4, Gewohnheitsrechts5 oder im Übrigen als AGB6 aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung. Zu unterscheiden sind beim Dokumentenakkreditiv stets drei, gewöhnlich aber vier Rechtsbeziehungen, nämlich – das Grundgeschäft, das meist ein Kaufvertrag zwischen dem Käufer als Akkreditivauftraggeber und dem Verkäufer als Akkreditivbegünstigtem sein wird und in dem sich der Käufer aufgrund einer Akkreditivklausel verpflichtet, zur Bezahlung der gekauften Waren dem Verkäufer bei einer im Vertrag bezeichneten Bank ein Akkreditiv zu stellen, und in dem sich der Verkäufer verpflichtet, die zur Verfügung über die Ware berechtigenden Dokumente der Bank vollständig und fristgerecht einzureichen, – der Akkreditivauftrag, ein Geschäftsbesorgungsvertrag7 des Käufers als Auftraggeber mit seiner Bank, aufgrund dessen die das Akkreditiv eröffnende Bank gegenüber dem Käufer verpflichtet ist, dem begünstigten Verkäufer das Akkreditiv mitzuteilen und zu eröffnen, – die Verpflichtung der eröffnenden Bank gegenüber dem Begünstigten zur Honorierung und – ggf. die Beziehungen zwischen der eröffnenden Bank und der im internationalen Zahlungsverkehr gewöhnlich zur Durchführung des Akkreditivs eingeschalteten zweiten Bank; zwischen diesen beiden Banken besteht ebenfalls ein Geschäftsbesorgungsvertrag8, der einen verschiedenen Inhalt aufweist, je nachdem, ob die zweite Bank das Akkreditiv lediglich an den Begünstigten als avisierende Bank weiterleiten oder als benannte bzw. bestätigende Bank agieren soll.

4.12

Zu unterscheiden ist zwischen widerruflichen (Ausnahme) – auf die allerdings seit Einführung der ERA 600 nicht mehr ausdrücklich in Bezug genommen wird (vgl. Art. 3 ERA 600) – und unwiderruflichen Akkreditiven (Regel)9 sowie zwischen Sichtzahlungsakkreditiven, Ak1 S. Nielsen WM 1994, Sonderbeilage 2, und Ingelmann/Schmitt in Häberle, Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, 2000, Abschnitt 3 zur vorangegangenen Fassung (ERA 500 v. 1.1.1994). 2 Einzelheiten s. Vorpeil WM 2019, 1469 ff. und 1521 ff. 3 Liesecke WM 1976, 258; Stötter WM 1981, 86. 4 BGH v. 18.9.1958 – VII ZR 170/57, WM 1959, 25 (allerdings ohne abschließende Stellungnahme); LG Frankfurt v. 6.10.1995 – 3-11 O 31/95, WM 1996, 153; Eisemann/Schütze, Das DokumentenAkkreditiv im internationalen Handelsverkehr, 3. Aufl. 1989, S. 53; Nielsen, BuB, Stand 1996, Rn. 5/498 m.w.N.; Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2021, § 103 Rn. 19. 5 Ingelmann/Schmitt in Häberle, Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, 2000, S. 272 Anm. 3.1.1.1. 6 Seeger in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 7.156 m.w.N.; Wälzholz WM 1994, 1457. 7 BGH v. 30.10.1958 – II ZR 161/57, WM 1958, 1542; Seeger in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 7.184; Schütze DB 1987, 2189 m.w.N. 8 Schütze DB 1987, 2189 m.w.N. 9 Vgl. Art. 3 Abs. 2 ERA 600; Grader von der Maas, Handbuch der Dokumentenakkreditive, 1973, S. 22, 29; Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, 3. Aufl. 2008, Rn. 23.

746 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.16 Vierter Teil

zeptleistungsakkreditiven und Akkreditiven mit hinausgeschobener Zahlung. Sonderformen stellen die Gegenakkreditive (back to back credit)1 und der Standby Letter of Credit2 dar. Für die insolvenzrechtlichen Fragen ist zunächst zu trennen zwischen der Insolvenz des Akkreditivauftraggebers und der Insolvenz des Akkreditivbegünstigten. Da es zu weit führen würde, die Auswirkungen ausländischen Rechts zu untersuchen3, soll im Folgenden nur die Insolvenz eines inländischen Akkreditivauftraggebers bzw. Akkreditivbegünstigten dargestellt und von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen werden.

4.13

II. Insolvenz des Akkreditivauftraggebers Für die Rechte und Pflichten der eröffnenden Bank bei Insolvenz des Akkreditivauftraggebers kommt es nach deutschem Recht (s. Rz. 4.13) darauf an, in welchem Stadium der Abwicklung des Akkreditivgeschäfts die Insolvenz eintritt.

4.14

1. Akkreditive vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen oder Verfahrenseröffnung Vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Akkreditivauftraggebers kann die Abwicklung von Aufträgen zur Akkreditiveröffnung bereits durch Ereignisse wie Zahlungsunfähigkeit, Insolvenzantrag oder Anordnung vorläufiger Maßnahmen im Eröffnungsverfahren beeinträchtigt werden.

4.15

a) Akkreditivabwicklung vor Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzantrag Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Bankkunde, sofern kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen ist (§§ 21, 24 InsO), noch unbeschränkt über sein Vermögen verfügen. Demgemäß kann er der Bank noch wirksam Aufträge zur Eröffnung von Akkreditiven erteilen. Führt die Bank diese Aufträge noch vor Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit oder einem Insolvenzantrag durch Honorierung gegenüber dem Begünstigten und Entgegennahme einer konformen Dokumentenvorlage aus, so ist sie berechtigt, ihren Aufwendungsersatzanspruch in das Kontokorrent einzustellen. In Höhe dieses Aufwendungsersatzanspruches ermäßigt sich ein etwaiger Guthabensaldo auf dem laufenden Konto; hat die Bank für die Ausführung des Akkreditivauftrags ein Akkreditivdeckungskonto gebildet, so kann sie auf dieses Guthaben zurückgreifen4. Entsteht oder erhöht sich durch die Honorierung des Akkreditivbetrages ein Debetsaldo des Auftraggebers, so stehen der Bank als Sicherheit für ihre Forderungen gegen den Akkreditivauftraggeber die Dokumente5 zur Verfügung. An den aufgenommenen Dokumenten erwirbt sie nämlich – soweit dies rechtlich möglich ist – ein Pfandrecht (Nr. 14 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen)6. 1 Peters WM 1978, 1038. 2 Zu Formen und Regelungen des Standby s. Nielsen WM 1999, 2005; Seeger in Kümpel/Mülbert/ Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 7.177 ff.; Häberle, Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, 2000, S. 96 Anm. 1.4.2. 3 Zu den kollisionsrechtlichen Problemen vgl. Schütze WM 1982, 226; Schefold IPrax 1996, 347; Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 436 ff. 4 Geßler, Pfändungen in Akkreditive, 1967, S. 9 ff.; Liesecke WM 1966, 461. 5 Zur Definition s. Art. 2 ERA 600. 6 Liesecke WM 1966, 461; 1964, 1282; 1969, 548; Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 488.

Ingelmann | 747

4.16

Vierter Teil Rz. 4.17 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

b) Akkreditivabwicklung nach Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag

4.17

Auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder einem Insolvenzantrag bleibt der Kunde zur Erteilung von Akkreditivaufträgen berechtigt, sofern kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen ist (§§ 21, 24 InsO). Das Verhalten der Bank hängt davon ab, ob sie von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag Kenntnis hat. aa) Bearbeitung ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags

4.18

Wenn die Bank bei Erteilung oder Bearbeitung des Akkreditivauftrags von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag des Akkreditivauftraggebers keine Kenntnis hat und den Auftrag annimmt und durchführt, kann sie das Konto mit dem Akkreditivbetrag belasten. Ein etwaiger Guthabensaldo ermäßigt sich entsprechend; die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Wird der Saldo dagegen debitorisch oder erhöht sich der Sollsaldo, so erwirbt die Bank eine entsprechende Forderung gegen den Akkreditivauftraggeber, die – sofern die Bank keine Sicherheiten besitzt – eine einfache Insolvenzforderung darstellt. bb) Abwicklung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags

4.19

Hat die Bank Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag, so wird sie einen neuen Auftrag zur Eröffnung eines Akkreditivs schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht annehmen, wenn das Konto des Kunden einen debitorischen Saldo aufweist oder durch die Ausführung des Auftrags debitorisch werden würde. Bewegt sich die Kontoverfügung allerdings im Rahmen einer zugesagten und nicht widerrufenen Kreditlinie oder hat der Kunde der Bank ausreichende Sicherheiten bestellt, so kann es zur Annahme und Ausführung des Auftrags kommen.

4.20

Eine Honorierung des Akkreditivs kann gegenüber der Bank nicht nach §§ 129 ff. InsO angefochten werden. Eine Anfechtung ist allenfalls im Verhältnis zwischen Akkreditivauftraggeber und dem Akkreditivbegünstigten möglich1. Auch die Einbeziehung des Aufwendungsersatzanspruchs unter die Deckung von außerhalb der Anfechtungsfristen bestellten Sicherheiten ist nicht anfechtbar. Bei Grundschulden oder sonstigen, nicht akzessorischen Sicherheiten fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung, da die Sicherheit schon vor der kritischen Zeit aus dem Vermögen des Kunden ausgeschieden war2. Bei akzessorischen Sicherheiten (Hypothek) scheitert eine Anfechtung an dem Umstand, dass es sich um ein Bargeschäft3 handelt. Auch der Erwerb eines Pfandrechts nach Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 AGB Sparkassen) an den Dokumenten, der mit dem Eigentumserwerb des Akkreditivauftraggebers bei Entgegennahme von Traditionspapieren durch die Bank einhergeht, ist als Bargeschäft unanfechtbar4. Der Zahlung der Akkreditivsumme kommt nämlich eine Doppelwirkung zu: Sie stellt nicht nur eine Leistung an den Akkreditivnehmer dar, sondern auch eine Leistung an den Auftraggeber aus der Kreditzusage, der das Pfandrecht als Gegenleistung gegenübersteht.

1 RG v. 20.12.1912 – VII 406/12, RGZ 81, 144; Kirchhof WM 1996 Sonderbeilage Nr. 2, 21; Eskes BankPraktiker 2006, 135. Da die Situation die gleiche ist wie bei der Ausführung von Überweisungen, kann im Übrigen auf die Darstellung unter Rn. 3.23 verwiesen werden. 2 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334. 3 S. im Einzelnen Rn. 6.110 sowie BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 (VII). 4 Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 492.

748 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.24 Vierter Teil

War das Konto kreditorisch und hat die Bank in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Kunden oder eines Insolvenzantrags seinen Akkreditivauftrag angenommen und das Akkreditiv eröffnet, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch mit dem Guthabensaldo verrechnen. Die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO greifen nicht ein. Zwar ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, wenn ein Insolvenzgläubiger die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Die Bank, bei der der Akkreditivauftraggeber ein Guthaben unterhält, ist aber seine Schuldnerin und nicht Insolvenzgläubigerin. Dies gilt auch bei Ausführung eines Akkreditivauftrags nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach einem Insolvenzantrag. Die allgemeinen Anfechtungsvorschriften (§§ 129 ff. InsO) können zwar den Akkreditivbegünstigten treffen, aber im Verhältnis zu der eröffnenden Bank nicht eingreifen. Insoweit fehlt es nämlich an einer Gläubigerbenachteiligung, denn mit der Auszahlung des Akkreditivbetrags Zug um Zug gegen Herstellung einer Aufrechnungslage oder Verpfändung des Guthabens tätigen die Parteien ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft. Zu Begriff und Voraussetzungen des Bargeschäfts vgl. Rn. 6.110.

4.21

2. Akkreditive nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten des Bankkunden zur Erteilung neuer Akkreditivaufträge und das Recht und die Pflicht der Bank zur Abwicklung bestehender Akkreditive ab.

4.22

a) Allgemeines Verfügungsverbot Nach Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots wird die Bank einen neuen Akkreditivauftrag des Kunden nicht mehr annehmen.

4.23

Bei Anordnung des Verbots vorliegende, aber noch nicht bearbeitete Aufträge kann sie nicht weiter abwickeln. Zwar erlischt der Geschäftsbesorgungsvertrag nicht kraft Gesetzes; die Vorschriften der §§ 116, 115 Abs. 1 InsO greifen erst mit Verfahrenseröffnung ein und können wegen des abschließenden Charakters der in den §§ 21 ff. InsO enthaltenen Verweisungen1 nicht auf das Antragsverfahren ausgedehnt werden. Das allgemeine Verfügungsverbot hindert jedoch die Bank an der Durchführung des Auftrags. Es hat nämlich die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben2. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind,

4.24

1 G. Schmidt in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 115 Rn. 13; Vui in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 115 Rn. 10; Onusseit KTS 1994, 3; LG Lübeck v. 2.12.1999 – 11 O 89/99, DZWIR 2000, 78. 2 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26.

Ingelmann | 749

Vierter Teil Rz. 4.24 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner1. Da die Bank mit der Ausführung eines Akkreditivauftrags zu Lasten eines Guthabens des Kunden oder eines nicht ausgenutzten und noch nicht gekündigten Kredits eine Leistung an den Kunden erbringen würde2, stellt dies eine Art der Einziehung von Forderungen dar, die unter das allgemeine Verfügungsverbot fällt. aa) Ausführung ohne Kenntnis der Lage des Kunden

4.25

Das allgemeine Verfügungsverbot ist zwar wie jede andere Verfügungsbeschränkung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen (§ 23 InsO). Wenn die Bank dies aber übersieht und sie auch sonst keine Kenntnis von dem Verfügungsverbots erlangt hat, wird sie den Akkreditivauftrag weiter bearbeiten und letztlich nach Aufnahme einer konformen Dokumentenvorlage gegenüber dem Begünstigten honorieren. Damit wird sie von einer etwaigen Guthabenforderung des Kunden frei (§§ 21, 24, 82 InsO)3. Die Zahlung an den Akkreditivbegünstigten ist nämlich rechtlich wie eine Zahlung im Überweisungsverkehr und damit als Leistung an den Kontoinhaber zu werten4. Bei einer Zahlung vor der öffentlichen Bekanntmachung wird ihre Unkenntnis vermutet, anderenfalls trägt sie die Beweislast für ihre Unkenntnis.

4.26

Wenn das Konto des Kunden debitorisch ist, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen. Zwar verschafft § 116 Satz 3 InsO einer Bank, die einen Zahlungsauftrag nach Verfahrenseröffnung ausführt, die Stellung einer Massegläubigerin. Diese Vorschrift kann aber nicht auf das Eröffnungsverfahren ausgedehnt werden5. Das Verfügungsverbot steht der Einbeziehung des Aufwendungsersatzanspruchs unter die Deckung von nicht akzessorischen Sicherheiten (z.B. Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen, Grundschulden) und Pfandrechten nicht entgegen, sofern diese Sicherheiten schon vor Erlass des Verbots unanfechtbar bestellt wurden6 (Einzelheiten s. Rn. 3.56 f.). bb) Ausführung trotz Kenntnis des Verbots

4.27

Verstößt die Bank gegen das allgemeine Verfügungsverbot, obwohl es ihr bekannt war, kann sie ihren Aufwendungsersatzanspruch nicht gegen eine etwaige Guthabenforderung des Kunden verrechnen und auch nicht später als Insolvenzforderung geltend machen7. Der Bank

1 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZIP 2003, 1161 = ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, ZIP 1986, 973 = WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch/Beth in BK InsO, Stand 2017, § 24 Rn. 7; s. auch schon den Wortlaut von § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO. 2 BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, ZIP 2001, 1239 = WM 2001, 1454; BGH v. 15.11.2005 – XI ZR 265/04, ZIP 2006, 17 = WM 2006, 28; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, ZIP 1989, 1593 = WM 1989, 1816 = WuB VI C § 106 KO 1.90 Obermüller; von Godin NJW 1958, 856. 3 OLG Brandenburg v. 25.3.2004 – 8 U 40/03, ZInsO 2004, 806; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92. 4 BGH v. 18.10.1973 – VII ZR 8/73, DB 1973, 2393; BGH v. 15.11.2005 – XI ZR 265/04, WM 2006, 28; OLG Koblenz v. 17.11.1988 – 5 U 720/88, WM 1989, 1816 = WuB VI C § 106 KO 1.90 Obermüller; BGH v. 12.6.1997 – IX ZR 110/96, WM 1997, 1658; BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, ZIP 2001, 1239; von Godin NJW 1958, 856; Steinhoff ZIP 2000, 1141. 5 Nobbe KTS 2007, 397. 6 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; Kirchhof WM 1996 Sonderbeilage Nr. 2, 19. 7 Mock in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 48.

750 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.32 Vierter Teil

kann jedoch ein Bereicherungsanspruch gegen den Akkreditivbegünstigten zustehen (Einzelheiten s. Rn. 3.59 f.). b) Vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot Die Rechte und Pflichten des vorläufigen Verwalters unterscheiden sich danach, ob dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird oder ob dies nicht der Fall ist. Wird ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO).

4.28

Allein der vorläufige Verwalter ist jetzt berechtigt, neue Akkreditivaufträge zu erteilen. Schon vorliegende, aber noch nicht durch Eröffnung oder Bestätigung des Akkreditivs ausgeführte Aufträge bleiben zwar bestehen, die weitere Abwicklung ist jedoch ohne Zustimmung des vorläufigen Verwalters nicht möglich. Die Bank muss deshalb seine Entscheidung einholen, die davon abhängen wird, ob der Verwalter das zugrunde liegende Geschäft auch in der Insolvenz durchführen will und kann. Wenn er sich für die Beibehaltung des Akkreditivauftrags entscheidet, kann die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch aus derartigen Akkreditiven als Masseforderung (§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO) geltend machen bzw. unbehelligt von den Aufrechnungsverboten der §§ 94 ff. InsO – sie gelten nicht für Massegläubiger – auf vorhandene Guthaben des Kunden zurückgreifen.

4.29

c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot Ohne Anordnung eines Verfügungsverbots geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Daher kann der Verwalter ohne Zustimmung des Kunden Aufträge zur Erstellung von Akkreditiven weder erteilen noch widerrufen. Diese Rechte sind vielmehr bei dem Kunden verblieben; die Bank wird jedoch sorgsam prüfen, ob es angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse noch vertretbar ist, von ihm neue Aufträge zur Erstellung von Akkreditiven entgegenzunehmen oder mit der Abwicklung unerledigter Aufträge fortzufahren.

4.30

Das Gleiche gilt für einen vorläufigen Verwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist. Er kann nicht allein verfügen und deshalb Aufträge zur Eröffnung von Akkreditiven weder neu erteilen noch bestehende kündigen, könnte aber – wenn die Bank bereit wäre, einen Auftrag anzunehmen – entscheiden, ob er die Akkreditiveröffnung genehmigt oder ablehnt. Die Bank muss sich dann die Zustimmung nachweisen lassen.

4.30a

3. Akkreditivaufträge nach Verfahrenseröffnung Neue Akkreditivaufträge kann nach Verfahrenseröffnung nur noch der Insolvenzverwalter, nicht aber der Kunde erteilen. Die daraus herrührenden Forderungen der Bank stellen Masseforderungen dar (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

4.31

Angesichts der Laufzeiten von Akkreditiven kommt es des Öfteren vor, dass der Akkreditivauftraggeber erst nach Annahme des Akkreditivauftrags seitens der Bank oder erst nach Anzeige über die Akkreditiveröffnung durch die Bank gegenüber dem Begünstigten, aber noch vor Einreichen der Dokumente oder sogar nach Einreichen der Dokumente, aber vor der Auszahlung des Akkreditivbetrages an den Begünstigten insolvent wird. Handelt es sich bei der inländischen Bank um die bestätigende, so berührt sie zwar nicht die Insolvenz des Akkreditivauftraggebers, denn ihr Vertragspartner ist die eröffnende Bank, wohl aber deren Insolvenz.

4.32

Ingelmann | 751

Vierter Teil Rz. 4.32 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

Die Auswirkungen der Insolvenz der eröffnenden Bank auf die das Akkreditiv bestätigende Bank sind die gleichen wie die der Insolvenz des Akkreditivauftraggebers auf die eröffnende Bank, so dass im Folgenden nur der letztere Sachverhalt erörtert werden muss. a) Insolvenzeröffnung vor Avisierung und Honorierung

4.33

Wird über das Vermögen des Akkreditivauftraggebers das Insolvenzverfahren eröffnet, bevor die Bank den Akkreditivauftrag abgewickelt hat, so erlischt dieser Auftrag (§§ 116, 115 Abs. 1 InsO)1. Das aufgrund der Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie2 mit Wirkung vom 1.11.20093 eingeführte Recht der Zahlungsdienste (§§ 675c ff. BGB), das unter bestimmten Voraussetzungen den Fortbestand von Überweisungsverträgen vorsieht (s. Rn. 3.20 ff.), findet auf den Akkreditivverkehr keine Anwendung4. Die Bank darf daher das Akkreditiv nicht mehr eröffnen und muss einen etwa bereits erhaltenen Vorschuss zurückgeben, sofern ihr nicht an dem Betrag wegen anderweitiger Forderungen gegen den Akkreditivauftraggeber ein Pfandrecht zusteht (Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 21 AGB Sparkassen)5. Von dem Deckungsbetrag, den sie herausgeben muss, kann die Bank zuvor ihre Auslagen und Provisionen, soweit diese bereits angefallen sind, abziehen6.

4.34

Der Akkreditivauftrag gilt zugunsten der Bank solange als fortbestehend, bis sie das Erlöschen kennt oder kennen muss (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO)7. Eröffnet die Bank dem Begünstigten das Akkreditiv und honoriert sie diesem gegenüber den Akkreditivbetrag ohne Kenntnis von der Insolvenzeröffnung, so erwirbt sie trotz des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Akkreditivauftraggebers einen Aufwendungsersatzanspruch (§§ 675, 670 BGB). Für die Rechtsfolgen der Auszahlung des Akkreditivbetrages nach Insolvenzeröffnung ist zu unterscheiden, ob das Konto des Kunden ein Guthaben aufweist oder sich im Soll befindet: aa) Ausführung aus Guthaben

4.35

Wies das Konto des Kunden ein Guthaben auf, so wird die Bank, die in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung ein Akkreditiv eröffnet und dies honoriert, durch die Zahlung an den Ak1 So für den insoweit identischen § 23 KO: BGH v. 9.10.1974 – VIII ZR 190/73, WM 1974, 1128; BFH v. 4.6.1975 – VI R 199/73, WM 1976, 90; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137; Canaris WM 1980, 357 m.w.N.; Nielsen in MünchKomm/HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV H 252; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1075, 1078; Liesecke, Die Stellung der kreditgebenden Bank beim Dokumenten-Inkasso und Dokumenten-Akkreditiv, FS Fischer, 1982, 397; Nielsen, BuB, Stand 1996, Rn. 5/728; Schubert BB 1952, 128 (132); Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/495. 2 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, ABl. L 319/1 v. 5.12.2007. 3 Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufsund Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, 2355. 4 Grundmann WM 2009, 1157; Lohmann/Koch WM 2008, 58. 5 Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 490. 6 von Godin in RGRK-HGB, 2. Aufl. 1963, Anh. I nach § 365 Anm. 1. 7 Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/495; Ott/Vuia in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2013, § 116 Rn. 41; ebenso für den insoweit identischen § 23 KO: Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1078; zur Frage der fahrlässigen Unkenntnis vgl. BGH v. 23.2.1989 – IX ZR 143/88, ZIP 1989, 453 = WM 1989, 616 = WuB VI B. § 55 Nr. 1 KO 1.89 Obermüller.

752 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.38 Vierter Teil

kreditivbegünstigten von ihrer Schuld gegenüber dem Akkreditivauftraggeber, ihrem Kunden aus seinem Kontoguthaben nach § 82 InsO befreit1. Die Beweislast für die fehlende Kenntnis der Bank von der Insolvenzeröffnung trifft bei einer Zahlung vor der öffentlichen Bekanntmachung den Insolvenzverwalter (§ 82 Satz 2 InsO), bei einer Zahlung nach der öffentlichen Bekanntmachung muss die Bank ihre Unkenntnis beweisen (§ 82 Satz 1 InsO). Dabei steht fahrlässige Unkenntnis, das sog. Kennenmüssen, der Kenntnis nicht gleich2. Auch die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Insolvenz schließen lassen, schadet nicht. Diese in § 130 Abs. 2, § 131 Abs. 2 InsO enthaltene Fiktion der Kenntnis beruht auf dem Bemühen der Insolvenzrechtsreform, die Anfechtung von Rechtshandlungen vor Verfahrenseröffnung zu erleichtern3; eine Ausdehnung dieser Sonderregelungen auf andere Themen ist nicht zulässig. bb) Ausführung bei Debetsaldo Wies das Konto des Kunden einen Debetsaldo aus, so kann die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung geltend machen (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO). Die Bank ist jedoch nicht auf die Insolvenzquote angewiesen, wenn ihr andere Werte des Kunden für ihre Forderung haften4. Insbesondere kann sie auf ein etwa errichtetes Akkreditivdeckungskonto zurückgreifen5.

4.36

cc) Ausführung wegen Gefahr im Verzug Wenn die Bank von der Insolvenzeröffnung zwar Kenntnis hat, mit dem Aufschub in der Ausführung des Akkreditivauftrags aber Gefahr für den Akkreditivauftraggeber verbunden ist, gilt der Auftrag ebenfalls als fortbestehend; ihren Aufwendungsersatzanspruch kann sie in diesem Fall als Masseforderung geltend machen (§ 116, § 115 Abs. 2 InsO). Derartige Ausnahmefälle werden allerdings nur selten vorkommen, so z.B. wenn der Kaufvertrag, zu dessen Erfüllung das Akkreditiv gestellt wurde, sich wegen erheblicher Preissteigerungen der Ware als ungewöhnlich günstig für den Käufer erwiesen hat.

4.37

b) Insolvenzeröffnung nach Eröffnung eines widerruflichen Akkreditivs Tritt die Insolvenz erst nach der Eröffnung des Akkreditivs ein und erfährt dies die Bank noch vor der Einreichung der Dokumente bzw. der Honorierung an den Begünstigten, so ist für ihre Rechtsstellung zu unterscheiden, ob es sich um ein widerrufliches – auf das allerdings seit Einführung der ERA 600 wegen der geringen Praxisrelevanz nicht mehr ausdrücklich Bezug genommen wird6 – oder ein unwiderrufliches Akkreditiv handelt. 1 OLG Brandenburg v. 25.3.2004 – 8 U 40/03, ZInsO 2004, 806; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 = ZInsO 2006, 92; ebenso noch für den insoweit übereinstimmenden § 8 KO: Jaeger/Henckel, KO, 4. Aufl. 1977, § 8 Rn. 28; Kübler BB 1976, 804; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9b; Liesecke WM 1975, 300; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 114; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 117; zum maßgeblichen Zeitpunkt bei Kenntniserwerb während der Laufzeit der Überweisung s. Rn. 3.62 ff. 2 LG München v. 2.12.1986 – 32 S 11420/86, WM 1987, 222. 3 RegE Allgemeine Begründung A 4b gg. 4 Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 492. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1078; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/452. 6 Diese Akkreditive sind jedoch gemäß Art. 1 Satz 2 ERA 600 nach wie vor möglich, Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, 3. Aufl. 2008, Rn. 23.

Ingelmann | 753

4.38

Vierter Teil Rz. 4.39 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

4.39

Zwar enthält auch das widerrufliche Akkreditiv ein abstraktes Schuldversprechen der Bank gegenüber dem Begünstigten im Sinne von § 780 BGB. Dieses Zahlungsversprechen steht jedoch – wie sich aus seiner Bezeichnung schon ergibt – unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs1; das Erlöschen des Akkreditivauftrags infolge der Insolvenzeröffnung (§§ 116, 115 Abs. 1 InsO)2 stellt stets einen Widerrufsgrund dar. Demgemäß ist die akkreditiveröffnende Bank zum Widerruf berechtigt. Von ihrem Widerrufsrecht wird sie schon aus wirtschaftlichen Gründen unverzüglich Gebrauch machen, wenn der Akkreditivauftraggeber keine Deckung eingezahlt und ihr auch sonst keine Sicherheiten bestellt hat. Aber auch wenn die Bank über Sicherheiten verfügt, wird sie aus Rechtsgründen den Widerruf ausüben müssen3. Denn sie kann nach Erlöschen des Akkreditivauftrags keinen Aufwendungsersatzanspruch mehr gegen den Akkreditivauftraggeber erwerben, für den sie abgesonderte Befriedigung verlangen könnte. Im Übrigen kommt es maßgeblich auf die vereinbarten Bedingungen an, nach denen das Akkreditiv widerrufen werden kann4. c) Insolvenz nach Eröffnung eines unwiderruflichen Akkreditivs

4.40

Der Auftrag eines Kunden zur Eröffnung eines unwiderruflichen Akkreditivs erlischt nach §§ 116, 115 Abs. 1 InsO durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nur dann, wenn das Akkreditiv in diesem Zeitpunkt noch nicht durch die Akkreditivbank eröffnet wurde. Soweit eine mit der Abwicklung betraute Zweitbank das Akkreditiv noch nicht bestätigt hat, wird diese nicht verpflichtet5.

4.41

Anders verhält es sich, wenn das Akkreditiv schon eröffnet ist. Die §§ 116, 115 InsO, die ein Erlöschen von Aufträgen vorsehen, die der Schuldner erteilt hat, wirken nur für die Zukunft6, der Insolvenzverwalter muss gegen sich gelten lassen, was der Beauftragte bis zu diesem Zeitpunkt getan hat, wenn der Auftrag also bereits ganz oder teilweise ausgeführt ist7; insoweit entsteht ein Aufwendungsersatzanspruch8. Eine teilweise Ausführung liegt vor, wenn schon eine selbständige Verpflichtung gegenüber dem Dritten entstanden ist9. Dies ist geschehen, 1 Liesecke WM 1966, 460; 1976, 260 m.w.N.; RG v. 5.3.1923 – VI 723/22, RGZ 107, 7, 9. 2 So für den insoweit identischen § 23 KO: Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 253; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1076; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 23 Rn. 14a; Nielsen, BuB, Stand 1996, Rn. 5/728; Schubert BB 1952, 128 (132); und für §§ 115, 116 InsO Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/495. 3 Ott/Vuia in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2013, § 116 Rn. 41. 4 Vgl. Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, 3. Aufl. 2008, Rn. 23. 5 Schäfer Bank-Archiv 1937/38, 51. 6 BGH v. 6.7.2006 – IX ZR 121/05, ZIP 2006, 1781 = ZInsO 2006, 1055; Goetsch in BK InsO, Stand 2010, § 115 Rn. 6; Vui in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 115 Rn. 10; Tintelnot in Kübler/ Prütting/Bork, InsO, Stand 2008, §§ 115, 116 Rn. 9; Wegener in Wimmer, FK-InsO, 8. Aufl. 2015, § 115 Rn. 7. 7 G. Schmidt in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 115 Rn. 8; Flöther/Wehner in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2014, § 115 Rn. 6; Wegener in Wimmer, FK-InsO, 8. Aufl. 2015, § 115 Rn. 7; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1079; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 23 Anm. 2 – diese Vorschrift wurde inhaltlich unverändert als §§ 115, 116 InsO übernommen (Begründung RegE zu §§ 133, 134). 8 RG v. 16.11.1911 – IV 119/11, LZ 1912, Sp. 326; RG v. 24.5.1911 – VI/1910, LZ 1912, Sp. 329; Nielsen, BuB, Stand 1992, Rn. 5/193. 9 Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 492; Seeger in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 7.251; Schäfer

754 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.41a Vierter Teil

wenn die Bank bei Empfang des Akkreditivauftrags von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag des Kunden keine Kenntnis hat und ein unwiderrufliches Akkreditiv eröffnet bzw. bestätigt. Dann kann sie sich von ihrer Verpflichtung gegenüber dem Akkreditivbegünstigten nicht mehr lösen1. Sie hat nämlich im Verhältnis zu dem Akkreditivbegünstigten ein abstraktes Schuldversprechen im Sinne des § 780 BGB abgegeben2. Auf diese Verpflichtung hat die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Akkreditivauftraggebers keinen Einfluss3. Ebenso wenig wirkt es sich auf das Akkreditiv aus, wenn der Insolvenzverwalter in dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen Akkreditivauftraggeber und Begünstigten sein Wahlrecht aus § 103 InsO ausübt und die Erfüllung verweigert4. Denn die Erfüllungsablehnung hat nicht etwa zur Folge, dass der Verkäufer den Akkreditivbetrag zurückzahlen müsste, seine eigene Leistung aber nicht herausverlangen könnte, sondern es hat bei dem bestehenden Rechtszustand sein Bewenden. Allerdings kann die Inanspruchnahme aus dem Akkreditiv als unzulässige Rechtsausübung zu werten sein, wenn für jedermann klar ersichtlich oder zumindest liquide beweisbar ist, dass ein Zahlungsanspruch aus dem Kausalgeschäft nicht besteht5. Bei der Dokumentenaufnahme wird die Bank eine ganz besondere Sorgfalt walten lassen, um nicht aufgrund von Unstimmigkeiten in den Dokumenten ihren Rückgriffsanspruch zu gefährden oder gar eine Zahlung zu leisten, bei der sie insolvenzbedingt keinen Ausgleich erhält. Häufige Unstimmigkeiten6: – Akkreditiv abgelaufen oder Dokumente zu spät eingereicht – Liefertermin nicht eingehalten – Fehlerhafte Warenbeschreibung – Lieferung falsch oder gar nicht ausgewiesen – Fehlende Dokumente – Einander widersprechende Dokumente – Falsche Schreibweise der beteiligten Firmen – Unzureichende Versicherung

1 2 3

4 5 6

Bank-Archiv 1937/38, 53; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl. 1926, Anh. zu § 363 Anm. 43; Baumbach/Duden, HGB, 24. Aufl. 1980, § 406 Anh. I Anm. 8 H; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9c; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 20; OLG Bamberg v. 7.1.2004 – 3 U 81/03, ZInsO 2004, 620; OLG Frankfurt v. 2.6.2005 – 3 U 185/04, ZIP 2005, 1245; OLG München v. 25.10.2005 – 25 U 2246/05, ZIP 2006, 677. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1078; Schubert BB 1952, 132; Haas in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022 § 120 Rn. 492. BGH v. 18.9.1958 – VII ZR 170/57, BGHZ 28, 129; OLG Frankfurt v. 6.10.1987 – 5 U 247/86, WM 1988, 214 = WuB I H 2.-1.88 Eberding. Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022 § 120 Rn. 491; Schubert BB 1952, 132; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/ 497; ebenso für die angenommene Anweisung OLG Bamberg v. 7.1.2004 – 3 U 81/03, ZInsO 2004, 620. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1076; Nielsen, BuB, Stand 1996, Rn. 5/730. BGH v. 16.4.1996 – XI ZR 138/95, ZIP 1996, 913. Vgl. auch Arnas Bräutigam unter https://www.trafima.de/haeufigste-unstimmigkeiten-in-akkreditivdokumenten/und https://www.marktundmittelstand.de/zukunftsmaerkte/die-zehn-haeufigstenunstimmigkeiten-in-akkreditivdokumenten-1273641/.

Ingelmann | 755

4.41a

Vierter Teil Rz. 4.41a | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

– Faktura beinaltet mehr als die im Akkreditiv aufgeführten Waren aa) Zahlung aus Guthaben

4.42

Bei Honorierung eines vor Verfahrenseröffnung eröffneten Akkreditivs besteht für die Bank das gleiche Schutzbedürfnis, als wenn sie in Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung geleistet hätte. Demgemäß wird die Bank, auch wenn sie erst nach Insolvenzeröffnung und in Kenntnis davon an den Begünstigten zahlt, von einer etwaigen Guthabenforderung des Akkreditivauftraggebers frei1. Denn die Akkreditiveröffnung, die schon vor der Verfahrenseröffnung geschehen ist, steht der Auszahlung an den Begünstigten gleich2.

4.43

Dabei ist es für die insolvenzrechtliche Betrachtung unerheblich, ob die Zahlung durch die akkreditiveröffnende Bank vorgenommen wird oder ob eine Drittbank das Akkreditiv dem Begünstigten bestätigt hat. In der Bestätigung liegt wie in der Akkreditiveröffnung ein abstraktes Schuldversprechen3, durch das die bestätigende Bank als Gesamtschuldnerin neben die eröffnende tritt4.

4.44

Wenn die zweitbeauftragte Bank dagegen nur benannte Bank ist, ohne das Akkreditiv bestätigt zu haben, oder das Akkreditiv nur avisiert hat, übernimmt sie eigene Pflichten nur im Verhältnis zur akkreditiveröffnenden Bank, nicht gegenüber dem Begünstigten5. Im Verhältnis zum Akkreditivauftraggeber haben die Leistungen der Zwischenbank die gleiche Wirkung wie die der eröffnenden Bank, denn insoweit ist die Zwischenbank Erfüllungsgehilfin6. bb) Honorierung ohne Deckungsguthaben

4.45

Wenn das Konto des Akkreditivauftraggebers kein Guthaben ausweist, erwirbt die Bank durch die Zahlung aus dem Akkreditiv einen Aufwendungsersatzanspruch, den sie nur als Insolvenzforderung geltend machen kann (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO)7, wenn ihr keine Sicherheiten zur Verfügung stehen8.

1 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 255; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1078, 1079; Düringer/Hachenburg, Das Handelsgesetzbuch, 4. Band, 3. Aufl. 1932, Anh. V nach §§ 363–365 Anm. 48; von Godin in RGRK-HGB, 2. Aufl. 1963, Anh. I nach § 365 Anm. 81; Schäfer, Bank-Archiv 1937/38, 52; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl. 1926, Anh. nach § 363 Anm. 43. 2 Ebenso OLG Bamberg v. 7.1.2004 – 3 U 81/03, ZInsO 2004, 620 für die angenommene Anweisung. 3 BGH v. 18.9.1958 – VII ZR 170/57, BGHZ 28, 129; OLG Frankfurt v. 6.10.1987 – 5 U 247/86, WM 1988, 214 = WuB I H 2.-1.88 Eberding; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/150. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 987; Liesecke WM 1976, 260. 5 Liesecke WM 1966, 458; RG v. 17.6.1922 – I 358/21, RGZ 105, 48; RG v. 12.12.1922 – III 126/22, RGZ 106, 26. 6 OLG Frankfurt v. 6.10.1987 – 5 U 247/86, WM 1988, 214 = WuB I H 2.-1.88 Eberding; von Godin in RGRK-HGB, 2. Aufl. 1963, Anh. I nach § 365 Anm. 46. 7 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 254; Schlosser ZIP 2005, 781. 8 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1078.

756 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.47 Vierter Teil

cc) Erwerb von Sicherheiten an den Dokumenten Hat der Akkreditivauftraggeber der Bank weder ein Deckungsguthaben angeschafft noch sonstige Sicherheiten1 bestellt, so wird die Bank überlegen, ob sie auf die Gegenleistung, die der Akkreditivbegünstigte dem Akkreditivauftraggeber schuldet, in irgendeiner Weise zugreifen kann2. Die Ware selbst ist für die Bank in der Regel faktisch nicht erreichbar. Sie kann aber an den Dokumenten, sofern es sich um Traditionspapiere handelt – d.h. Papiere, deren Übergabe die gleiche Wirkung wie die Übergabe der Ware hat3 –, eine Sicherheit erwerben4. Dabei herrscht in der Literatur Streit weniger über das Ergebnis als über die rechtliche Konstruktion. Die Rechtsprechung hat noch keine Stellung genommen.

4.46

Am überzeugendsten erscheint die Begründung, dass die Bank ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht entsprechend § 369 HGB an den Dokumenten erwirbt5, aus dem sie zur abgesonderten Befriedigung berechtigt ist (§ 51 Nr. 3 InsO). Nach § 369 Abs. 1 HGB erwirbt ein Kaufmann wegen der fälligen Forderungen aus den zwischen ihm und seinem Schuldner geschlossenen beiderseitigen Handelsgeschäften ein Zurückbehaltungsrecht an den beweglichen Sachen und Wertpapieren des Schuldners, welche mit dessen Willen aufgrund von Handelsgeschäften in seinen Besitz gelangt sind, sofern er – insbesondere mittels Konnossement, Ladeschein oder Lagerschein – darüber verfügen kann. Diese Voraussetzungen sind bei Einreichen der Dokumente nach Insolvenzeröffnung erfüllt:

4.47

– Die Forderungen der Bank gegen den Akkreditivauftraggeber sind, wenn sie nicht schon vorher fällig waren, zumindest mit Insolvenzeröffnung fällig geworden. Denn nach § 41 InsO gelten betagte Forderungen als fällig; diese Fiktion wird lediglich insoweit vom Gesetz wieder abbedungen, als sie eine sonst nicht zulässige Aufrechnung ermöglichen würde (§ 95 Abs. 1 Satz 2 InsO). – Das Dokumentenakkreditiv fällt als klassisches Zahlungsmittel des Außenhandels6 unter die Handelsgeschäfte der Bank. Ob der Auftrag zur Akkreditiveröffnung auch für den Ak-

1 Zur Importsicherung durch Sicherungsübereignung im Wege des Geschäfts für den, den es angeht, s. Ingelmann WM 1997, 745; Ingelmann, Dokumentäre Sicherungsübereignung bei kombinierten Transporten, 1992, S. 111 ff. 2 Schlosser ZIP 2005, 781. 3 Vgl. im Einzelnen Brinkmann in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 50 Rn. 10; Nielsen WM 1994, 2221, 2261; Schnauder NJW 1991, 1642; über die Gefährdung der Bank durch wertlose Dokumente vgl. Liesecke WM 1976, 266; Ingelmann, Dokumentäre Sicherungsübereignung bei kombinierten Transporten, 1992, S. 23 ff. 4 Vgl. dazu Liesecke, WM 1976, 267; Loeffler, Der Einfluss des Käufer-Konkurses auf das Dokumenten-Akkreditivgeschäft, Diss. Hamburg 1969, S. 101 ff.; Lücke, Das Dokumenten-Akkreditiv in Deutschland, Frankreich und der Schweiz, Diss. Kiel 1976, S. 250 ff.; Nielsen, BuB, Stand 1996, Rn. 5/731; Nielsen ZIP 1983, 131; Nielsen in MünchKomm/HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV H 252; Schücking, Importkreditsicherung, 1980, S. 168, mit ausführlicher Darstellung der Literaturmeinungen auf S. 145 ff.; Würdinger/Röhricht, Großkomm/HGB, 3. Aufl. 1970, vor § 373 Anm. 216; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/497 f.; Zahn FS Rittershausen, 1968, 254 ff.; a.A. lediglich Eisele, Akkreditiv und Konkurs, Diss. Tübingen 1976, S. 97 ff. 5 Loeffler, Der Einfluss des Käufer-Konkurses auf das Dokumenten-Akkreditivgeschäft, Diss. Hamburg 1969, S. 101 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1079; Würdinger/Röhricht, Großkomm/HGB, 3. Aufl. 1970, vor § 373 Anm. 216; a.A. Liesecke, Die Stellung der kreditgebenden Bank beim Dokumenten-Inkasso und Dokumenten-Akkreditiv, FS Fischer, 1982, 397. 6 Schücking, Importkreditsicherung, 1980, S. 18.

Ingelmann | 757

Vierter Teil Rz. 4.47 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

kreditivauftraggeber ein Handelsgeschäft darstellt, ist für die Anwendbarkeit von § 369 HGB unerheblich, da es genügt, wenn der Besitzerwerb an den Dokumenten auf Seiten des Gläubigers, also der Bank, ein Handelsgeschäft ist1. – Den Besitz an den Dokumenten erwirbt die Bank zwar nicht von dem Schuldner, es genügt jedoch, wenn ein Dritter der Bank den Besitz an den Dokumenten mit dem Willen des Schuldners verschafft (§ 369 Abs. 1 Satz 2 HGB). Der Wille des Schuldners ergibt sich aus dem Grundgeschäft mit dem Akkreditivbegünstigten, das die Akkreditivklausel enthält. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Insolvenzverwalter von seinem Wahlrecht aus § 103 InsO gegenüber dem Verkäufer keinen Gebrauch gemacht und den Vertrag aus dem Grundgeschäft aufrechterhalten hat, sondern auch dann, wenn er die Erfüllung abgelehnt hat. Denn in der Übersendung der Dokumente ist dann der Versuch einer nachträglichen Erfüllung zu sehen2. Zwar verlangt § 369 Abs. 1 HGB, dass das Eigentum an den Dokumenten entweder dem Akkreditivauftraggeber oder der Bank zusteht. Bei Übergabe der Dokumente nach Insolvenzeröffnung ist es aber zweifelhaft, ob der Begünstigte sein Eigentum überhaupt verliert, da die Bank nicht mehr für den Schuldner Eigentum erwirbt und möglicherweise auch nicht selbst Eigentümerin wird. § 369 HGB kann jedoch auch auf andere Fälle entsprechend angewendet werden3. Für die Anwendung von § 369 HGB muss es ausreichen, dass der ursprüngliche Eigentümer die Dokumente mit dem Willen, das Eigentum an den Akkreditivauftraggeber zu übertragen, der Bank unter dem Akkreditiv vorgelegt hat und – wenn er auch sein Eigentum infolge von Änderungen in dem Verhältnis zwischen Akkreditivbank und Akkreditivauftraggeber nicht verliert – dennoch keine Rechte an den Dokumenten mehr geltend macht.

4.48

Dies entspricht dem allgemeinen Gedanken des § 369 HGB, wonach das Handelsrecht dem Kaufmann in dem allgemeinen Zurückbehaltungsrecht eine Sicherung besonderer Art zur Verfügung stellen will, die auf der natürlichen Auffassung beruht, dass der Gläubiger die in seinem Besitz befindlichen Sachen des Schuldners auch ohne Vereinbarung als Deckung des von ihm gewährten Kredits zurückbehalten und sich aus ihnen wie aus einem Pfand befriedigen kann4.

4.49–4.51

frei

dd) Anfechtung der Besicherung

4.52

Der Erwerb des Zurückbehaltungsrechts ist nicht anfechtbar, da die §§ 129 ff. InsO sich nur auf Handlungen in der Zeit vor Insolvenzeröffnung beziehen. Das Verbot des Erwerbs von Rechten nach Insolvenzeröffnung an den zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenständen (§§ 81, 91 InsO) kann das Entstehen des Zurückbehaltungsrechts nicht hindern5, da die Dokumente nicht aus der Insolvenzmasse stammen, sondern von dem Begünstigten zur Weiterleitung durch die eröffnende Bank an den Akkreditivauftraggeber eingereicht werden. Diese Übergabe führt nach einhelliger Meinung nicht zu einem Eigentumserwerb des Akkreditiv-

1 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, § 369 Rn. 40 m.w.N.; RG v. 13.10.1934 – I 117/34, Bank-Archiv 1934/35, 192. 2 RG v. 4.6.1890 – I 92/90, RGZ 26, 60; vgl. auch RG v. 24.3.1880 – III 467/79, RGZ 1, 282 (284) zu § 313 HGB a.F. 3 Göppert ZHR 95, 55; Ratz in RGRK-HGB, 2. Aufl. 1963, § 369 Anm. 25. 4 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, § 369 Rn. 1. 5 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 255.

758 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.55 Vierter Teil

auftraggebers, da die Bank nach Erlöschen des Geschäftsbesorgungsvertrages durch die Insolvenzeröffnung (§§ 116, 115 Abs. 1 InsO) nicht mehr den Willen hat, als Vertreter für den Akkreditivauftraggeber das Angebot des Begünstigten auf Übereignung der Dokumente anzunehmen. Auf die Frage, ob die Dokumente mit einem Blankoindossament, einem Indossament an die Bank oder einem Indossament an den Akkreditivauftraggeber versehen sind, kommt es bei dieser Konstruktion nicht an, da dies nur für den Eigentumswechsel von Bedeutung ist. Ebenso kann offenbleiben, ob die Bank ein Pfandrecht an den Dokumenten erwirbt, obwohl das Eigentum nicht auf den Akkreditivauftraggeber übergeht, mit dem in Nr. 14 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 AGB Sparkassen) – sofern die Allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt vereinbart waren, was im Verkehr mit ausländischen Banken oft nicht der Fall ist – die Pfandvereinbarung geschlossen wurde.

4.53

Auch ist es unerheblich, in welchem Sinne der Insolvenzverwalter in seinem Verhältnis aus dem Grundgeschäft mit dem Verkäufer von dem Wahlrecht aus § 103 InsO Gebrauch macht. Selbst wenn er Erfüllung wählt, bringt dies den Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Bank, der inzwischen erloschen ist (§§ 116, 115 Abs. 1 InsO), nicht wieder zum Entstehen. Erneuert er aber den Geschäftsbesorgungsvertrag, so stellen die Forderungen der Bank aus deren Zahlung an den Akkreditivbegünstigten eine Masseschuld dar (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

4.54

d) Insolvenzeröffnung zwischen Dokumentenvorlage und Honorierung Akkreditive mit hinausgeschobener Zahlung (deferred payment credits) müssen die eröffnende und ggf. bestätigende Bank nicht wie bei Sichtzahlungsakkreditiven Zug um Zug gegen eine konforme Dokumentenvorlage honorieren, sondern erst zu einem näher zu bestimmenden Zeitpunkt nach Dokumentenvorlage (gemäß Art. 7a (i) bzw. 8a (i) a) ERA 600, soweit das Akkreditiv bei der eröffnenden bzw. bestätigenden Bank selbst, und gemäß Art. 7a (iii) bzw. 8a (i) c) ERA 600, soweit das Akkreditiv bei einer anderen benannten Bank benutzbar gestellt ist, falls diese benannte Bank keine Verpflichtung zur hinausgeschobenen Zahlung übernimmt oder unter einer solchen Verpflichtung bei Fälligkeit nicht zahlt); sie gewährleistet also dem Begünstigten, dass er zum vorgesehenen Termin tatsächlich honoriert wird1. Wird nach Einreichung einer konformen Dokumentenvorlage durch den Begünstigten unter dem Akkreditiv das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Auftraggebers eröffnet, so bleibt die Verpflichtung der Bank gegenüber dem Begünstigten unberührt. Die Bank muss also bei Eintritt der Fälligkeit der hinausgeschobenen Zahlung an den Begünstigten zahlen; in Höhe ihres dadurch erworbenen Aufwendungsersatzanspruchs wird sie aus den oben dargestellten Gründen (Rn. 4.42) von einer etwaigen Guthabenforderung des Auftraggebers auch bei Honorierung nach Insolvenzeröffnung frei2.

1 Nielsen, BuB, Stand 1996, Rn. 5/479. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1078, 1079; Düringer/Hachenburg, Das Handelsgesetzbuch, 4. Band, 3. Aufl. 1932, Anh. V nach §§ 363–365 Anm. 48; von Godin in RGRK-HGB, 2. Aufl. 1963, Anh. I zu § 365 Anm. 81; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 255; Schäfer Bank-Archiv 1937/38, 52; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl. 1926, Anh. nach § 363 Anm. 43; ebenso OLG Bamberg v. 7.1.2004 – 3 U 81/03, ZInsO 2004, 620 für die angenommene Anweisung.

Ingelmann | 759

4.55

Vierter Teil Rz. 4.56 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

4.56

Entsteht oder erhöht sich durch die Zahlung an den Begünstigten eine Forderung der Bank gegen den Akkreditivsteller, so erwirbt die Bank eine einfache Insolvenzforderung. Insoweit erhebt sich aber die Frage, ob und auf welche Sicherheiten sie zurückgreifen kann. aa) Erwerb einer Sicherheit an den Dokumenten

4.57

Für ihren Aufwendungsersatzanspruch ist die Bank durch die Dokumente gesichert, sofern es sich um Traditionspapiere handelt und sie diese dem Akkreditivauftraggeber noch nicht weitergegeben hat.

4.58

Wenn das Insolvenzverfahren erst nach der Aufnahme der Dokumente durch die Bank eröffnet wird, ist der Akkreditivauftraggeber zwar mit Aufnahme der Dokumente Eigentümer geworden; gleichzeitig hat aber die Bank an den Dokumenten ein Pfandrecht (Nr. 14 Abs. 2 AGB Banken und Kreditgenossenschaften, Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen) erworben, aus dem sie sich wegen ihres Aufwendungsersatzanspruchs aus der Zahlung an den Begünstigten abgesondert befriedigen kann1. Ist mit dem Akkreditivauftraggeber die Geltung der AGB nicht vereinbart – was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn es sich bei dem Auftraggeber um eine ausländische Bank handelt, so steht der akkreditiveröffnenden Bank ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht zu, das ihr ebenfalls ein Absonderungsrecht gewährt (§§ 369, 371 HGB, § 51 Nr. 3 InsO). Das Pfandrecht und das Zurückbehaltungsrecht sichern die Bank auch für Forderungen, die ihr nicht aus der Abwicklung des Akkreditivs, sondern aus anderen Geschäften zustehen2. bb) Unanfechtbarkeit der Sicherheitenbestellung

4.59

Der Erwerb des Pfandrechts und des Zurückbehaltungsrechts durch die Bank unterliegt grundsätzlich nicht der Insolvenzanfechtung.

4.60

Anfechtungen wegen unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen (§ 132 InsO) und wegen vorsätzlicher Benachteiligungen (§ 133 InsO) scheiden schon deshalb aus, weil das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht nicht aufgrund einer Rechtshandlung des Schuldners entstanden ist, sondern auf der Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes durch einen Dritten, nämlich den Akkreditivbegünstigten, beruht, welcher der Bank den Besitz an den Dokumenten überträgt und damit die Voraussetzungen für das Zurückbehaltungsrecht schafft3. Ein Vergleich mit dem Vermieterpfandrecht, dessen Begründung anfechtbar sein soll4, wenn der Mieter innerhalb der Fristen der §§ 129 ff. InsO Gegenstände in die Mieträume bringt, geht fehl, da die Voraussetzungen für das Entstehen eines Zurückbehaltungsrechts nicht von dem Schuldner, sondern von einem Dritten geschaffen wurden. Bei einer anderen Auslegung würde man zu dem unverständlichen Ergebnis kommen, dass die Bank bei Einreichen der Doku1 Geßler, Pfändungen in Akkreditive, 1967, S. 39; Liesecke WM 1960, 210; Schütz BB 1964, 334; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/497. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl. 1988, Rn. 970; Liesecke WM 1964, 1282; Schütz BB 1964, 334; Wiele, Das Dokumenten-Akkreditiv und der anglo-amerikanische Documentary Letter of Credit, 2. Aufl. 1955, S. 49; Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 7. Aufl. 2001, Rn. 2/452; a.A. Eisemann RIW 1956, 117; differenzierend Geßler, Pfändungen in Akkreditive, 1967, S. 41, 42. 3 Zweifelnd: Schücking, Importkreditsicherung, 1980, S. 210. 4 Brinkmann in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 50 Rn. 35 ff.; Giesen KTS 1995, 579.

760 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.63 Vierter Teil

mente nach Insolvenzeröffnung ein Zurückbehaltungsrecht erwerben könnte, weil die an sich viel strengeren Vorschriften der §§ 81, 91 InsO nach einhelliger Meinung nicht eingreifen1, bei Einreichen innerhalb des Zeitraums, in dem nur die viel schwächeren Anfechtungsvorschriften zum Zuge kommen, dem Insolvenzverwalter dagegen der Zugriff auf die Dokumente ermöglicht wird. Soweit auch Rechtshandlungen Dritter der Anfechtung unterliegen wie bei der Anfechtung kongruenter und inkongruenter Deckungen (§§ 130, 131 InsO), scheitert die Anfechtung an den Grundsätzen über Bargeschäfte (§ 142 InsO). Ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft liegt vor, wenn gleichwertige Leistungen ausgetauscht, die Insolvenzgläubiger durch die Sicherheitenbestellung also nicht benachteiligt werden, weil dem Vermögen des Schuldners alsbald ein entsprechender Gegenwert zufließt2. Der Leistungsaustausch muss – damit ein Bargeschäft angenommen werden kann – nicht unbedingt Zug um Zug vorgenommen werden3. Ein Rechtsgeschäft verliert daher den Charakter eines Bargeschäfts noch nicht dadurch, dass zwischen Vertragsabschluss und Zahlung eine gewisse Zeitspanne liegt4. Dieser zeitliche Zusammenhang ist hier gegeben, denn mit Einreichung akkreditivkonformer Dokumente hat der Begünstigte alle Voraussetzungen geschaffen, um die Bank in Anspruch nehmen zu können; seine Forderung ist lediglich betagt. Gleichzeitig erwirbt die Bank einen zwar betagten, im Übrigen aber bedingungsfreien Aufwendungsersatzanspruch gegen den Akkreditivauftraggeber, der neben ihren fälligen Anspruch auf Vorschuss (§§ 675, 669 BGB) tritt. Kreditiert sie diesen Anspruch dem Akkreditivauftraggeber gegen Erwerb des Pfandrechts bzw. eines kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts an den Dokumenten, so ist das Erfordernis des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Begründung der Forderungen und Bestellung der Sicherheit erfüllt.

4.61

e) Akkreditive im Planverfahren Nach der Rechtskraft der Bestätigung des Plans wird das Insolvenzverfahren aufgehoben (§ 258 InsO). Damit erhält der Kunde das Recht zurück, frei über die Insolvenzmasse zu verfügen (§ 259 InsO). Die Verfügungsbefugnis über die vom Verwalter eröffneten Konten steht dann kraft Gesetzes dem Kunden zu, ohne dass es eines Übertragungsakts bedürfte. Zur Erteilung von Akkreditivaufträgen ist der Kunde damit wieder berechtigt.

4.62

Der Kunde erhält auch dann die Verfügungsbefugnis wieder zurück, wenn sich an die Bestätigung des Plans ein Überwachungsverfahren anschließt. Allerdings kann im Plan vorgesehen sein, dass bestimmte Rechtsgeschäfte an die Zustimmung des Verwalters gebunden sind (§ 263 InsO). Aufträge zur Erstellung von Akkreditiven dürften dazu nur in den seltensten Fällen gehören.

4.63

1 Vgl. Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 255; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1079. 2 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793; BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZIP 2003, 488; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZInsO 2008, 91; s. Rn. 6.88. 3 RG v. 28.9.1920 – VII 93/20, RGZ 100, 62; BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, WM 1977, 254; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76 WM 1978, 133; BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, ZIP 1980, 518 = WM 1980, 779. 4 RG v. 26.4.1932 – VII 3/32, RGZ 136, 158; BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZInsO 2010, 673; OLG Düsseldorf v. 4.6.1982 – 24 U 23/82, ZIP 1982, 860.

Ingelmann | 761

Vierter Teil Rz. 4.64 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

III. Insolvenz des Akkreditivbegünstigten 4.64

Wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Akkreditivbegünstigten droht oder eine Insolvenz schon eingetreten ist, stellt sich für die Bank die Frage, ob sie noch honorieren muss und ob sie die Dokumente für den Akkreditivauftraggeber entgegennehmen darf. Dabei ist nach deutschem Recht (s. Rz. 4.13) zu unterscheiden, ob die Dokumente vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. vor Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots oder erst später eingereicht werden.

1. Einreichung der Dokumente vor Verfügungsverbot und vor Insolvenzeröffnung 4.65

Bis zum Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist der Begünstigte – nach deutschem Recht – nicht in der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen beschränkt. Er kann daher das Akkreditiv bedienen, d.h. die Dokumente vorlegen und – falls es sich dabei um Traditionspapiere (Rn. 4.46)1 handelt – das Eigentum an ihnen übertragen. Ebenso kann die Bank ihre abstrakte Verpflichtung unter dem Akkreditiv2 durch Zahlung an den Begünstigten mit befreiender Wirkung erfüllen.

4.66

Es ist unerheblich, ob die Dokumente erst innerhalb der Anfechtungsfristen der §§ 129 ff. InsO eingereicht werden. Die Anfechtungsvorschriften kommen im Verhältnis zwischen der Bank und dem Akkreditivbegünstigten nicht zum Zuge, da es sich bei der Abwicklung des Akkreditivs um ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft handelt. Ein Bargeschäft (§ 142 InsO) liegt vor, wenn gleichwertige Leistungen ausgetauscht, die Insolvenzgläubiger also nicht benachteiligt werden, weil dem Vermögen des Schuldners alsbald ein entsprechender Gegenwert zufließt (s. Rn. 6.110)3. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn Zahlung kann der Begünstigte nur Zug um Zug gegen Aushändigung der Dokumente verlangen.

4.67

Ist der Akkreditivbegünstigte gleichzeitig Kunde der akkreditiveröffnenden bzw. bestätigenden Bank, so kann diese den Akkreditivbetrag seinem Konto gutschreiben. Für die Frage, inwieweit sie diesen Betrag mit einem etwaigen debitorischen Saldo verrechnen darf, kann auf die Ausführungen zur Behandlung von Überweisungseingängen verwiesen werden (Rn. 3.141 ff.)4.

1 Definition s. Brinkmann in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 50 Rn. 10; Nielsen WM 1994, 2221, 2261; Schnauder NJW 1991, 1642. 2 BGH v. 18.9.1958 – VII ZR 170/57, BGHZ 28, 129; OLG Frankfurt v. 6.10.1987 – 5 U 247/86, WM 1988, 214 = WuB I H 2.1.1988 Eberding; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/187. 3 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793; BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZIP 2003, 488; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZInsO 2008, 91; OLG Düsseldorf v. 4.6.1982 – 24 U 23/82, ZIP 1982, 860. 4 Zu der Frage, ob die Aufrechnung gegen eine Akkreditivforderung grundsätzlich zulässig ist, vgl. Liesecke WM 1960, 210; 1966, 469; Pleyer WM 1973, Sonderbeilage 2, 1 (12); OLG Frankfurt v. 26.6.1984 – 5 U 221/83, WM 1984, 1021; BGH v. 22.4.1985 – II ZR 180/84, ZIP 1985, 729 = WM 1985, 684 = WuB I K 3.-3.85 Nielsen; verneinend als obiter dictum OLG Köln v. 25.5.1994 – 2 U 143/93, ZIP 1994, 1791 = WM 1994, 1877.

762 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.72 Vierter Teil

2. Einreichung der Dokumente nach Verfügungsverbot Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten der Bank zur Entgegennahme von Dokumenten und zur Honorierung des Akkreditivbetrages bzw. seiner Verrechnung mit einem debitorischen Saldo auf dem Konto des Akkreditivbegünstigten ab.

4.68

a) Anordnung eines Verfügungsverbots Die Akkreditivbank kann nach Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots von dem Begünstigten nicht mehr das Eigentum an den Dokumenten – auch wenn es sich um Traditionspapiere handelt – für den Akkreditivauftraggeber erwerben. Ein nach §§ 21, 24 InsO als vorläufige Sicherungsmaßnahme im Anschluss an den Insolvenzantrag erlassenes allgemeines Verfügungsverbot hat nämlich die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. An Dokumenten, die der Kunde der Bank unter Verstoß gegen dieses Verbot übergibt, können weder die Bank noch der Akkreditivauftraggeber Rechte erwerben, selbst wenn ihnen das Verfügungsverbot nicht bekannt war (§ 24 Abs. 1, § 81 InsO).

4.69

Auch kann die Akkreditivbank ihr abstraktes Schuldversprechen aus dem Akkreditiv nicht mehr durch Honorierung gegenüber dem Begünstigten mit Wirkung gegenüber der künftigen Insolvenzmasse erfüllen1. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner2. Dagegen wird das Recht der Bank zur Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) durch das Verfügungsverbot nicht berührt.

4.70

Das allgemeine Verfügungsverbot ist zwar wie jede andere Verfügungsbeschränkung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen (§ 23 InsO). Wenn die Bank dies aber übersieht und sie auch sonst keine Kenntnis von dem Verfügungsverbot erlangt hat, wird sie dem Wunsch des Kunden auf Auszahlung des Akkreditivbetrages nachkommen. Sie kann dann mit befreiender Wirkung leisten (§§ 21, 24, 82 InsO). Bei einer Zahlung vor der öffentlichen Bekanntmachung wird ihre Unkenntnis vermutet, anderenfalls trägt sie die Beweislast für ihre Unkenntnis.

4.71

Wenn nur der Akkreditivauftraggeber, nicht aber die Bank von dem Erlass des allgemeinen Verfügungsverbots wusste, so ändert dies nichts an der befreienden Wirkung der Zahlung der Bank aus dem Akkreditiv. Die Bank leistet nämlich aufgrund einer eigenen Zahlungsverpflichtung aus dem abstrakten Schuldversprechen und nicht in Vertretung des Akkreditivauftraggebers, so dass ihr seine Kenntnis nicht nach § 166 Abs. 2 BGB zugerechnet werden kann.

4.72

1 Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 85 für das allgemeine Veräußerungsverbot im Vergleichsverfahren. 2 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch/Beth in BK InsO, Stand 2017, § 24 Rn. 7; vgl. auch OLG Karlsruhe v. 10.7.1985 – 6 U 206/84, NJW 1986, 63; Gerhardt ZIP 1982, 1.

Ingelmann | 763

Vierter Teil Rz. 4.73 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

b) Einsetzung eines vorläufigen Verwalters

4.73

Die Rechte und Pflichten des vorläufigen Verwalters unterscheiden sich danach, ob dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird oder ob dies nicht der Fall ist. aa) Vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot

4.74

Wird ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Für die Bedienung von Akkreditiven durch den Begünstigten treten die oben dargestellten Auswirkungen ein, die jedoch allein an das Verfügungsverbot anknüpfen. Stattdessen kann und darf nur noch der vorläufige Verwalter die Dokumente übertragen und den Akkreditivbetrag entgegennehmen. bb) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot

4.75

Ohne Anordnung eines Verfügungsverbots geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Daher kann der Verwalter ohne Zustimmung des Kunden keine Dokumente übertragen und keine Auszahlung des Akkreditivbetrages fordern. Wie weit der Akkreditivbegünstigte zur Übertragung der Dokumente berechtigt ist, hängt davon ab, welche vorläufigen Maßnahmen das Gericht ergriffen, insbesondere ob es einen Zustimmungsvorbehalt für den vorläufigen Verwalter angeordnet hat.

3. Einreichung der Dokumente nach Insolvenzeröffnung 4.76

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Akkreditivbegünstigten über sein Vermögen auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Damit obliegen die Bedienung des Akkreditivs und die Entgegennahme der Zahlung dem Insolvenzverwalter, der nach § 103 InsO auch entscheiden kann, ob er das Akkreditiv in Anspruch nehmen will oder verfallen lässt1. Reicht der Begünstigte trotzdem der Bank die Dokumente ein, so kann die Bank an diesen Dokumenten – selbst wenn es sich um Traditionspapiere handelt – für den Akkreditivauftraggeber kein Eigentum mehr erwerben (§§ 81, 91 InsO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Bank die Insolvenzeröffnung bekannt war, denn Schutzvorschriften zugunsten des gutgläubigen Erwerbers gibt es nur im Falle der Übertragung von Grundstücken und Rechten an Grundstücken sowie an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (§§ 81, 91 InsO).

4.77

Wenn der Bank die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Begünstigten nicht bekannt war und sie deshalb eine konforme Dokumentenvorlage honoriert, wird sie von ihrer Verpflichtung aus dem abstrakten Schuldversprechen im Verhältnis zu dem Begünstigten frei (§ 82 InsO).

4.78

Ob der Akkreditivauftraggeber, der kein Eigentum an den Dokumenten erwerben kann und gleichwohl dem Aufwendungsersatzanspruch der Bank ausgesetzt ist, Schadenersatzansprüche gegen die Bank stellen kann, hängt davon ab, inwieweit die Bank bei der Hereinnahme der Dokumente und der Zahlung die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet hat. Zu ihren Pflichten bei der Entgegennahme der Dokumente gehört nicht nur die Dokumenten-

1 Seeger in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 7.257.

764 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.82 Vierter Teil

prüfung, vielmehr muss sie sich auch über die Solvenz des Begünstigten vergewissern1. Musste die Bank dabei erkennen, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Begünstigten eröffnet war, so haftet sie dem Akkreditivauftraggeber für seinen Schaden. Wenn die Bank trotz Kenntnis von der Insolvenzeröffnung versehentlich an den Begünstigten gezahlt hat, wird sie von ihrer Verpflichtung aus dem Akkreditiv nicht frei, kann vielmehr von dem Insolvenzverwalter nochmals auf Honorierung in Anspruch genommen werden, falls die Gelder, die der Begünstigte erhalten hat, nicht in die Insolvenzmasse gelangt sind. Von dem Akkreditivauftraggeber kann sie jedoch nur einmal Erstattung verlangen.

4.79

4. Einreichung auf Akkreditive mit hinausgeschobener Zahlung Wenn die Bank konforme Dokumente für Akkreditive mit hinausgeschobener Zahlung (deferred payment credit)2 schon vor Insolvenzeröffnung erhalten hat, das Insolvenzverfahren aber noch vor Zahlung an den Begünstigten eröffnet wird, so hat dies auf den Eigentumserwerb des Akkreditivauftraggebers an den Dokumenten keinen Einfluss. Wenn es sich bei den Dokumenten um Traditionspapiere handelt, hat die Bank in dem Zeitpunkt, in dem sie die Dokumente als akkreditivkonform anerkennt, das Eigentum an den Dokumenten in Vertretung des Akkreditivauftraggebers für diesen erworben3. Dieser Eigentumserwerb kann durch die nachfolgende Insolvenz des Begünstigten nicht mehr rückgängig gemacht werden.

4.80

Zahlungen aus dem Akkreditiv kann die Bank nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Begünstigten mit befreiender Wirkung nur noch an den Insolvenzverwalter leisten. Hat sie jedoch keine Kenntnis von der Insolvenzeröffnung, so wird sie auch durch eine Zahlung an den Begünstigten befreit (§ 82 InsO). Auf die Kenntnis des Akkreditivauftraggebers von der Insolvenzeröffnung kommt es nicht an, da die Bank ihn bei der Zahlung nicht vertritt, sondern eine eigene Verbindlichkeit aus dem abstrakten Schuldversprechen, das in der Akkreditiveröffnung bzw. -bestätigung liegt4, erfüllt (vgl. auch Art. 7 b und 8 b ERA 600).

4.81

5. Besonderheiten bei Bevorschussung des Akkreditivs Wenn die Bank dem Akkreditivbegünstigten schon vor Fälligkeit ihrer Verpflichtungen unter dem Akkreditiv einen Kredit gewährt hat, erhebt sich die Frage, inwieweit sie für diesen Kredit gesichert ist. Scheitert die Abwicklung des Akkreditivs, weil der Insolvenzverwalter des Begünstigten keine Dokumente bei der Bank einreicht, so ist die Bank wegen ihrer Ansprüche gegen den Begünstigten aus dem Kredit einfache Insolvenzgläubigerin5, wenn der Begünstigte ihr keine anderweitigen Sicherheiten bestellt hat.

1 Zum Umfang der Prüfungspflicht vgl. Ingelmann/Schmitt in Häberle, Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, 2000, S. 297 Anm. 3.1.3.1; Leo JW 1932, 586. 2 Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/123. 3 Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/503. 4 BGH v. 18.9.1958 – VII ZR 170/57, BGHZ 28, 129; OLG Frankfurt v. 6.10.1987 – 5 U 247/86, WM 1988, 214 = WuB I H 2.-1.88 Eberding; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/150. 5 Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/504.

Ingelmann | 765

4.82

Vierter Teil Rz. 4.83 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

a) Besicherungsmöglichkeiten

4.83

Wenn das Akkreditivgeschäft abgewickelt wird, kann die Bank an den Dokumenten – sofern es sich um Traditionspapiere handelt1 – und an dem gegen sie gerichteten Anspruch des Akkreditivbegünstigten aus der abstrakten Zahlungsverpflichtung ein Pfandrecht erwerben (Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 21 Abs. 1 Satz 3 AGB Sparkassen)2. Dieses Pfandrecht der Bank erstreckt sich nämlich auf alle irgendwie in den Besitz oder die Verfügungsgewalt der Bank gelangten Sachen und Rechte einschließlich der Ansprüche des Kunden gegen die Bank selbst. Das Pfandrecht an der Forderung aus dem abstrakten Schuldversprechen entsteht mit der Erteilung dieses Schuldversprechens durch die Bank. Daneben kommt eine Aufrechnung in Betracht. aa) Sicherheit an Dokumenten

4.84

Die Verpfändung der Dokumente vollzieht sich, wenn es sich um Orderpapiere handelt, nach der Vorschrift des § 1292 BGB, also durch Einigung über die Pfandrechtsbestellung und Übergabe des indossierten Papiers. Hierzu zählen insbesondere die kaufmännischen Orderpapiere3 wie z.B. die Traditionspapiere: das Konnossement der Seeschiffer (§ 519 Satz 2 Nr. 2 HGB), der Ladeschein der Frachtführer (§ 444 Abs. 3 Nr. 2 HGB) und die Lagerscheine der Lagerhäuser (§ 475d Abs. 3 HGB). Diese Dokumente gehören zu den „gekorenen“ Orderpapieren4, d.h. sie können nur dann durch Indossament übertragen werden, wenn sie an Order ausgestellt sind. Handelt es sich dabei um Traditionspapiere, so hat die Übergabe des Papiers die gleiche Wirkung wie die Übergabe der Ware selbst5 (§§ 448, 475g, 524 HGB). Sind die Dokumente an Order gestellt, so ist zwischen der Verpfändung mit oder ohne Indossament zu unterscheiden. Erfolgt die Verpfändung durch Indossament, so kann sie sowohl durch ein offenes als auch durch ein verdecktes Pfandindossament vereinbart werden6. Auch letzteres führt zu einer Verpfändung und nicht etwa zu einer Sicherungsabtretung7.

4.85

Die Bank kann aber dann kein Pfandrecht erwerben, wenn das Dokument an den Empfänger der Ware, an den sie es weiterleiten soll, indossiert ist8.

4.86

Übergibt der Kunde der Bank ein Orderpapier ohne Indossament, so wird dieses durch die bloße Einigung und Übergabe des nicht indossierten Papiers und ohne Anzeige nach § 1280 BGB verpfändet9. Für eine solche Verpfändung könnten schon Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken und Nr. 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen ausreichen; in der Regel lassen sich die Banken ein Dokument dieser Art jedoch blanko indossieren. 1 Definition s. Brinkmann in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 50 Rn. 10; Nielsen WM 1994, 2221, 2261; Schnauder NJW 1991, 1642 und oben Rn. 4.46. 2 Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/504. 3 Nobbe in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 10. Aufl. 2015, § 1292 Rn. 1. 4 Steimle/Dornieden in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 5. Aufl. 2019, § 363 Rn. 6, 10 f.; RG v. 9.2.1921 – I 337/20, RGZ 101, 297. 5 Brinkmann in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 50 Rn. 10; Nielsen WM 1994, 2221, 2261; Schnauder NJW 1991, 1642. 6 Nobbe in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 10. Aufl. 2015, § 1292 Rn. 2; Stupp DB 2006, 655 (657 f.); Nodoushani WM 2007, 289, 292. 7 RG v. 13.11.1925 – II 394/25, Seuff. A. 80, Nr. 47. 8 BFB, 18. Ausg. 1969, Nr. 19 AGB S. 23 Anm. 14 a. 9 OLG Hamburg v. 7.2.1913 – 5 ZG – OLGE 26, 206; Stupp DB 2006, 655 (657); Nobbe in Prütting/ Wegen/Weinreich, BGB, 10. Aufl. 2015, § 1292 Rn. 3; a.A. G. Hoffmann WM 2007, 1547.

766 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.90 Vierter Teil

bb) Sicherheit durch Warenübereignung Sind über die Waren keine Traditionspapiere ausgestellt, so kann allein durch die Übergabe anderer Dokumente kein Pfandrecht der Bank entstehen. Die Bank kann dann nur dadurch gesichert werden, dass ihr das Eigentum an der Ware zur Sicherheit übertragen wird. Da die Ware in der Regel bereits verschifft ist, kann die Sicherungsübereignung nur durch Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den Frachtführer oder Schiffer vollzogen werden (§§ 929, 931 BGB).

4.87

Für bestimmte sonstige Warendokumente wird die Auffassung vertreten, dass ihre Aushändigung an den Empfänger bei Abwicklung eines Kaufvertrages mit Kassaklausel eine stillschweigende Übereignung (§§ 929, 931 BGB) darstelle und demgemäß vereinbart werden könne, dass die Bank mit Übergabe der Dokumente Sicherungsrechte durch eine Abtretung der Herausgabeansprüche gegen den Aussteller der Dokumente erlange1. Dies soll für Dokumente gelten, die ein Auslieferungsversprechen enthalten, wie z.B. Lagerscheine sowie Dokumente des multimodalen oder kombinierten Transportes2 oder die sich auch nur in reiner Sperrfunktion erschöpfen. Hier ist jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig.

4.88

cc) Sicherheit durch Abtretung der Kaufpreisforderung Wenn der Kunde der Bank Inkassodokumente übergibt, gelten gleichzeitig die dem Kunden aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis herrührenden Forderungen als abgetreten (Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen)3. Der Kreis der dort erwähnten kaufmännischen Handelspapiere ist vom BGH4 selbst umschrieben worden; es handelt sich um die Handelspapiere nach Maßgabe der „Einheitlichen Richtlinien für Inkassi“, namentlich Rechnungen, Verladedokumente, Dispositionsdokumente, Anweisungen und Rechnungen.

4.89

Ob man die Dokumente auch dann noch als Einzugspapiere im Sinne von Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen ansehen kann, wenn sie unter einem Akkreditiv und nicht im Wege eines Dokumenteninkassos eingereicht werden, ist zweifelhaft. Selbst wenn man dies bejaht, hat die Abtretung der Kaufpreisforderung als Sicherheit für die Bank keinen großen Wert, da das Eigentum an der Ware nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch mit Zustimmung des Insolvenzverwalters auf den Käufer übergehen kann (§§ 80, 81, 91 InsO). Wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Kaufvertrages ablehnt, wird der Käufer den Kaufpreis nicht mehr entrichten und keinen vom Kunden auf ihn gezogenen Wechsel akzeptieren. Mit Verfahrenseröffnung ist der Bank die Sicherungsabtretung der Kaufpreisforderungen aber auch dann verloren gegangen, wenn der Insolvenzverwalter sich für die Erfüllung des Kaufvertrages entscheidet. Denn die Erfüllungswahl hat zur Folge, dass die zunächst nicht durchsetzbaren Ansprüche die Rechtsqualität von originären Forderungen der und gegen die Masse erhalten und nur diese und nicht der Zessionar für solche Leistungen, welche nach Verfahrenseröffnung aus der Masse erbracht werden, die Ge-

4.90

1 Nielsen ZIP 1983, 131. 2 Eingehend hierzu Ingelmann, Dokumentäre Sicherungsübereignung bei kombinierten Transporten, 1992. 3 OLG Köln v. 25.5.1994 – 2 U 143/93, ZIP 1994, 1791 = WM 1994, 1877. 4 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, BGHZ 95, 149 = ZIP 1985, 1126.

Ingelmann | 767

Vierter Teil Rz. 4.90 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

genleistung beanspruchen kann1. Die Abtretung ist auch deshalb meist ohne Wert, weil sie als sog. stille Zession zwar nach deutschem Recht zulässig ist, im Ausland aber häufig eine Anzeige an den Drittschuldner unter Beachtung bestimmter Formvorschriften erfordert. Da über die Wirksamkeit der Abtretung das für die abgetretene Forderung maßgebende Recht entscheidet2, kommt es darauf an, ob nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts auf den Kaufvertrag das deutsche Recht angewandt wird.

4.91

Inwieweit die Bank nach diesen Grundsätzen mit ihrer Forderung gegen den Begünstigten gegen dessen Forderung aus der Akkreditiveröffnung bzw. Bestätigung aufrechnen oder an dieser Forderung ein Pfandrecht nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltend machen kann und ob sie wirksam ein Pfandrecht an den Dokumenten erwirbt, hängt davon ab, in welchem Stadium der Insolvenz das Akkreditiv eröffnet bzw. die Dokumente eingereicht werden. b) Akkreditiveröffnung und Dokumentenvorlage vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen und vor Verfahrenseröffnung

4.92

Wenn die Bank das Akkreditiv vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen und vor Verfahrenseröffnung eröffnet bzw. bestätigt und dem Begünstigten den Akkreditivbetrag bevorschusst, d.h. ihm in Höhe des Akkreditivbetrages einen Kredit einräumt, so kann sie mit ihrer Kreditforderung auf die Forderung des Kunden aus der Akkreditiveröffnung bzw. -bestätigung zurückgreifen3. Dies gilt auch dann, wenn das Akkreditiv erst nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, einem Insolvenzantrag oder der Insolvenzeröffnung bedient wird. aa) Bedienung vor Verfahrenseröffnung

4.93

Wenn das Akkreditiv zwar nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder einem Insolvenzantrag, aber noch vor Anordnung vorläufiger Maßnahmen und vor der Insolvenzeröffnung bedient wird, kann die Bank den Akkreditivbetrag dem Konto des Kunden gutschreiben und mit dem debitorischen Saldo verrechnen bzw. aufrechnen. Die Aufrechnungsverbote der §§ 95, 96 InsO stehen der Aufrechnung nicht entgegen.

4.94

Auch kann die Verrechnung bzw. Aufrechnung nicht nach §§ 129 ff. InsO angefochten werden. Die Anfechtbarkeit ist stets ausgeschlossen, wenn die Forderung, die der Überweisende begleichen wollte, der Bank zur Sicherheit abgetreten war, die Bank durch die Verrechnung also nur das erhalten hat, was ihr aufgrund der Sicherungszession ohnehin zugestanden hät-

1 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZInsO 2002, 577; s. auch Besprechung von Graf/Wunsch ZIP 2002, 2117; BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, ZIP 2003, 1208; BGH v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZIP 2006, 87. 2 BGH v. 28.10.1957 – II ZR 99/56, WM 1957, 1575; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI B. § 15 KO 2.85 Obermüller. 3 OLG Frankfurt v. 26.6.1984 – 5 U 221/83, WM 1984, 1021; BGH v. 22.4.1985 – II ZR 180/84, ZIP 1985, 729 = WM 1985, 684 = WuB I K 3.-3.85 Nielsen; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1009; Liesecke WM 1966, 469. Demgegenüber verneint OLG Köln v. 25.5.1994 – 2 U 143/93, ZIP 1994, 1791 = WM 1994, 1877 die Aufrechnungsbefugnis wegen Widerspruchs mit dem Charakter des Akkreditivs als abstrakte Zahlungsgarantie. Allerdings ist dem Urteil nicht zu entnehmen, ob dieses Aufrechnungsverbot auch für die Aufrechnung mit Forderungen aus der Bevorschussung des Akkreditivs oder nur für sonstige Forderungen gelten soll.

768 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.97 Vierter Teil

te1. Denn alle Anfechtungstatbestände setzen voraus, dass die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit objektiv benachteiligt sind2. Hieran fehlt es, wenn ein Gläubiger Befriedigung oder Deckung erhält, die nach der besonderen Fallgestaltung auch der Insolvenzverwalter hätte gewähren müssen3. Hätte der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung den Akkreditivbetrag eingezogen, so wäre die Bank entsprechend § 48 InsO zur Ersatzaussonderung berechtigt gewesen4. Für ihre Ansprüche aus der Bevorschussung des Akkreditivs kann die Bank ein Pfandrecht an der Forderung des Kunden aus dem Akkreditiv nach Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen) geltend machen5. Dieses Pfandrecht kann nach den Vorschriften der §§ 129 ff. InsO nicht angefochten werden, da es auf einem Bargeschäft beruht. Ein Bargeschäft (§ 142 InsO) liegt vor, wenn gleichwertige Leistungen ausgetauscht, die Insolvenzgläubiger durch die Sicherheitenbestellung also nicht benachteiligt werden, weil dem Vermögen des Schuldners alsbald ein entsprechender Gegenwert zufließt6. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die Bank dem Akkreditivbegünstigten im Hinblick auf ihr Pfandrecht an seiner Forderung aus der Akkreditiveröffnung bzw. Bestätigung einen Kredit gewährt.

4.95

bb) Bedienung nach Verfahrenseröffnung Wenn das Akkreditiv erst nach der Insolvenzeröffnung bedient wird, stehen zwar die Aufrechnungsverbote der §§ 95, 96 InsO einer Aufrechnung bzw. Verrechnung des Akkreditivbetrages mit der Kreditforderung der Bank entgegen7. Die Bank kann aber auf ihr Pfandrecht an der Forderung des Kunden aus dem Akkreditiv (Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen) zurückgreifen, das sie vor Verfahrenseröffnung unanfechtbar erworben hat (s. Rn. 4.95).

4.96

cc) Kredit bei Dokumentenvorlage Gibt die Bank dem Begünstigten den Kredit erst bei Entgegennahme konformer Dokumente, so erwirbt sie an den Dokumenten – sofern es sich um Traditionspapiere handelt – nach den 1 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZInsO 2008, 803; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435; BGH v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, WM 2007, 874; BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061; BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 318/99, ZInsO 2000, 101; BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/ 92, ZIP 1993, 1653. 2 RG v. 3.2.1905 – VII 497/04, RGZ 60, 109; RG v. 8.4.1902 – VII 35/1902, Gruchot 46, 1111; RG JW 1899, 540; BGH v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 347; BGH v. 5.12.1985 – IX ZR 165/ 84, ZIP 1986, 452 = WM 1986, 296 = WuB VI B § 29 KO 1–86 Johlke; BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512 = ZInsO 2004, 859. 3 BGH v. 24.11.1959 – VIII ZR 220/57, WM 1960, 377; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZIP 2008, 183 = ZInsO 2008, 91; BGH v. 24.10.1962 – VIII ZR 126/61, KTS 1962, 252. 4 So zu der mit § 48 InsO weitgehend übereinstimmenden Vorschrift des § 46 KO: BGH v. 14.2.1957 – VII ZR 250/56, BGHZ 23, 317; BGH v. 30.10.1967 – VIII ZR 176/65, WM 1967, 1213. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1009. 6 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793; BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZIP 2003, 488; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZInsO 2008, 91; s. Rn. 6.110. 7 A.A. OLG Stuttgart v. 26.7.2000 – 20 U 18/00, ZIP 2001, 82 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 23.9.2004 – IX ZR 323/00, ZIP 2005, 89.

Ingelmann | 769

4.97

Vierter Teil Rz. 4.97 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

Grundsätzen über das Bargeschäft (s. Rn. 6.110)1 ebenfalls ein unanfechtbares Pfandrecht und nach Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen) eine Sicherungsabtretung der Forderung aus dem Grundgeschäft. Dieses Sicherungsrecht hat neben dem Pfandrecht an der Forderung aus dem Akkreditiv allerdings nur dann Bedeutung, wenn das Akkreditiv etwa wegen geleisteter Anzahlungen nicht über den vollen Warenwert lautet, die Bank aber einen Kredit in Höhe des Rechnungsbetrages ausgezahlt hat.

4.98

Wenn die Bank den Kredit schon vor Empfang der Dokumente ausgezahlt hat, ist es möglich, dass die Verpfändung der Dokumente bzw. die Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft nicht mehr als Bargeschäft anerkannt werden kann. Dann kommt eine Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO in Betracht, wenn der Akkreditivbegünstigte die Dokumente innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag einreicht. In der Regel wird die Verpfändung der Dokumente bzw. die Sicherungsabtretung eine kongruente Deckung darstellen. Um eine inkongruente Deckung, wie sie § 131 InsO voraussetzt, handelt es sich nur, wenn die Bank bei der Bevorschussung keine konkrete Sicherheitenabsprache – gerichtet auf Verpfändung der Dokumente bzw. Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft – getroffen hat. c) Akkreditiveröffnung bzw. Bestätigung nach Anordnung vorläufiger Maßnahmen

4.99

Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten der Bank zur Bevorschussung von Dokumenten, zur Honorierung des Akkreditivbetrages bzw. seiner Verrechnung mit einem debitorischen Saldo auf dem Konto des Akkreditivbegünstigten ab.

4.100

Die Akkreditivbank kann nach Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots mit dem Begünstigten keine Vereinbarung über die Bevorschussung des Akkreditivs mehr treffen. Denn der begünstigte Kunde kann dem Akkreditivauftraggeber nicht mehr das Eigentum an den Dokumenten – auch wenn es sich um Traditionspapiere handelt – verschaffen und über die Forderungen aus dem Akkreditiv nicht mehr verfügen, insbesondere sie der Bank nicht mehr verpfänden. Ein nach §§ 21, 24 InsO als vorläufige Sicherungsmaßnahme im Anschluss an den Insolvenzantrag erlassenes allgemeines Verfügungsverbot hat nämlich die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. An Dokumenten, die der Kunde der Bank unter Verstoß gegen dieses Verbot übergibt, können weder die Bank noch der Akkreditivauftraggeber Rechte erwerben, selbst wenn ihnen das Verfügungsverbot nicht bekannt war (§ 24 Abs. 1, § 81 InsO).

aa) Anordnung eines Verfügungsverbots

1 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793; BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZIP 2003, 488; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZInsO 2008, 91.

770 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.105 Vierter Teil

bb) Einsetzung eines vorläufigen Verwalters mit Verfügungsverbot Die Rechte und Pflichten des vorläufigen Verwalters unterscheiden sich danach, ob dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird oder ob dies nicht der Fall ist.

4.101

Wird ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Für Vereinbarungen mit dem Begünstigten über die Bevorschussung von Akkreditiven treten die oben dargestellten Auswirkungen ein, die jedoch allein an das Verfügungsverbot anknüpfen. Anstelle des Begünstigten kann und darf nur noch der vorläufige Verwalter Vereinbarungen mit der Bank über die Bevorschussung der Dokumente treffen, die Dokumentenvorlage einreichen und die Forderung auf den Akkreditivbetrag der Bank verpfänden. Die Forderungen aus der Bevorschussung stellen im anschließenden Insolvenzverfahren Masseforderungen dar (§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO).

4.102

cc) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot Ohne Anordnung eines Verfügungsverbots geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Daher kann der Verwalter keine Vereinbarungen mit der Bank über die Bevorschussung der Dokumente treffen, keine Dokumente übertragen und die Forderung auf den Akkreditivbetrag der Bank nicht verpfänden.

4.103

d) Akkreditiveröffnung und Dokumentenvorlage nach Insolvenzeröffnung Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann die Bank nur noch mit dem Verwalter Vereinbarungen über die Bevorschussung von Akkreditiven treffen. Aus diesen Kreditierungen erwirbt sie Masseforderungen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Zusätzlich kann sie sich von dem Verwalter die Forderungen aus den zugrunde liegenden Geschäften zur Sicherung abtreten lassen, die nach Verfahrenseröffnung begründet wurden oder die aus vor Verfahrenseröffnung abgeschlossenen Verträgen stammen, für deren Erfüllung sich der Verwalter entschieden hat. Zur Begründung vgl. Rn. 4.90.

4.104

Hat die Bank keine Kenntnis von der Insolvenz des Begünstigten, so ist es theoretisch vorstellbar, dass sie zu seinen Gunsten noch ein Akkreditiv eröffnet bzw. bestätigt und den Akkreditivbetrag bevorschusst. In diesem Fall würden der Erwerb von Sicherungsrechten an den Dokumenten oder der Kaufpreisforderung an §§ 81, 91 InsO, eine Aufrechnung mit der Kreditforderung gegen die Forderung aus dem Akkreditiv an dem Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheitern.

4.104a

6. Forfaitierung von Akkreditiven Exporteure, zu deren Gunsten der Käufer ein Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung (deferred payment credits) eröffnet hat, können sich die Liquidität für den Zeitraum bis zu dem vereinbarten Zeitpunkt nach Dokumentenvorlage nicht nur durch Inanspruchnahme von Krediten ihrer Bank, sondern auch durch Forfaitierung ihrer Forderung aus dem Akkreditiv verschaffen. Dabei handelt es sich nicht um eine Übertragung des Akkreditivs, die voraussetzt, dass das Akkreditiv in den Akkreditivbedingungen ausdrücklich als übertragbar bezeichnet ist (Art. 38 Buchst. b ERA), sondern um eine gewöhnliche Forderungsabtretung, die nicht an die Zustimmung der Akkreditivbank geknüpft und daher auch bei einem nicht über-

Ingelmann | 771

4.105

Vierter Teil Rz. 4.105 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

tragbaren Akkreditiv ohne Weiteres möglich ist (Art. 39 ERA)1. Soweit die Regelung der Art. 7c Satz 2, Art. 8c Satz 2 ERA 600 entgegen dem Rat von Nielsen2 bei Akkreditiveröffnung nicht ausgeschlossen wurde, besteht die Remboursverpflichtung auch bei vorzeitiger Honorierung akkreditivkonformer Dokumente.

4.105a

Wird nach Einreichung einer konformen Dokumentenvorlage durch den Begünstigten unter dem Akkreditiv das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet, so bleibt die Verpflichtung der Bank gegenüber dem Forfaiteur unberührt3. Die Bank muss also bei Eintritt der Fälligkeit der hinausgeschobenen Zahlung an den Forfaiteur zahlen. Der Insolvenzverwalter des Begünstigten kann kein eigenes Einziehungsrecht nach § 166 InsO geltend machen und die Abtretung der Forderung grundsätzlich nicht anfechten. a) Einziehungsrecht

4.105b

Der Forfaiteur kann die angekauften Forderungen aus dem Akkreditiv auch nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Akkreditivbegünstigten von der Akkreditivbank einziehen. Sie fallen weder in die Insolvenzmasse4 noch können sie durch das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO beeinträchtigt werden, da das der Zession zugrunde liegende Kausalgeschäft, nämlich der Verkauf der Forderung, vor Verfahrenseröffnung durch die Abtretung der Forderung und die Zahlung des Kaufpreises bereits von beiden Seiten voll erfüllt ist. Die Forderungen unterliegen auch nicht dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters (§§ 166 ff. InsO), denn dieses beschränkt sich auf Forderungen, die lediglich zur Sicherung abgetreten sind (§ 51 Nr. 1, § 166 Abs. 2 InsO), hier aber handelt es wegen des regresslosen Verkaufs um eine Vollabtretung. b) Anfechtbarkeit

4.105c

Der Insolvenzverwalter des Begünstigten kann eine Abtretung der Forderung, die der Begünstigte vor der Anordnung eines Verfügungsverbots, eines Zustimmungsvorbehalts oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, grundsätzlich nicht anfechten. In der Regel wird es sich nämlich um ein Bargeschäft handeln, das der Anfechtung entzogen ist (§ 142 InsO). Ein Bargeschäft liegt vor, wenn gleichwertige Leistungen ausgetauscht, die Insolvenzgläubiger durch die Abtretung also nicht benachteiligt werden, weil dem Vermögen des Gemeinschuldners alsbald ein entsprechender Gegenwert zufließt (§ 142 InsO)5. Das ist hier der Fall, denn bei der Forfaitierung werden grundsätzlich gleichwertige Leistungen ausgetauscht: 1 Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, 5. Aufl. 1999, Rn. 345 ff.; Scheuermann/Göttsche RIW 2005, 894. 2 Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, 3. Aufl. 2008, Rn. 81. 3 Scheuermann/Göttsche RIW 2005, 894; Art. 7 c, 8 c ERA 600. 4 So für das echte Factoring, das der Forfaitierung gleichzusetzen ist: Bette FLF 1997, 133; Bette FLF 1998, 45; Brink ZIP 1987, 817 m.w.N.; Litten ZInsO 2014, 473; Sinz, Factoring in der Insolvenz, 1997, Rn. 563; Sinz in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, §§ 115, 116 Rn. 43; Henckel in Jaeger, InsO, 2004, § 47 Rn. 127. 5 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, WM 1977, 254; BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133; BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, WM 1980, 779; BGH v. 27.9.1984 – IX ZR 3/84, WM 1984, 1430; BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/ 91, WM 1993, 265; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793; BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZIP 2003, 488; OLG Braunschweig v. 11.11.1949 – 2 U 158/49, MDR 1950, 356; OLG Düsseldorf v. 4.6.1982 – 24 U 23/82, ZIP 1982, 860.

772 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.105f Vierter Teil

Der Forfaitist tritt seine Forderung auf Zahlung aus dem Akkreditiv an den Forfaiteur ab und erhält als Gegenleistung Zug um Zug deren Zeitwert, d.h. den Nennwert der Exportforderung zuzüglich Abnehmerzinsen abzüglich Diskontzinsen des Forfaiteurs (Forfaitierungserlös)1. Eine Anfechtung käme nur nach § 130 InsO als kongruente Deckung und nur dann Betracht, wenn das Zug-um-Zug-Geschäft verlassen und die Abtretung erst eine gewisse Zeit nach der Zahlung des Kaufpreises nachgeholt wird. Ein solcher Ablauf wäre aber höchst ungewöhnlich.

7. Schutzzusagen Banken geben dem Exporteur manchmal eine sog. Schutzzusage, in der sich die Bank gegenüber ihrem Kunden, dem Exporteur, zur Zahlung des Akkreditivbetrages in dem Fall verpflichtet, dass die akkreditivbestätigende Bank ihre Verpflichtungen aus dem Akkreditiv nicht erfüllt, etwa weil sie durch zwischenzeitlich verhängte Devisenbeschränkungen oder durch Boykottvorschriften daran gehindert wird. Damit verlagert der Kunde sein Auslandsrisiko auf eine Inlandsbank. Dafür erhält die Inlandsbank eine Provision und lässt sich in der Regel die Zahlungsansprüche aus dem Akkreditiv zur Sicherheit abtreten.

4.105d

Wird über das Vermögen des Exporteurs ein Insolvenzverfahren eröffnet, so erlischt die Schutzzusage. Denn Basis ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag, für den §§ 115, 116 InsO gelten. Zwar wirken die §§ 116, 115 InsO, die ein Erlöschen von Aufträgen vorsehen, die der Schuldner erteilt hat, nur für die Zukunft2, der Insolvenzverwalter muss gegen sich gelten lassen, was der Beauftragte bis zu diesem Zeitpunkt getan hat, wenn der Auftrag also bereits ganz oder teilweise ausgeführt ist3. Eine teilweise Ausführung liegt aber erst vor, wenn eine selbständige Verpflichtung gegenüber einem Dritten entstanden ist4. Der Exporteur ist aber kein Dritter. Damit entfällt der Anspruch auf die Provision ex nunc.

4.105e

Dem Insolvenzverwalter steht auch kein Wahlrecht nach § 103 InsO zu. Wenn er auf eine Fortsetzung der Schutzzusage Wert legt, muss er den Auftrag neu erteilen. Die Provisonsansprüche stellen dann eine Masseforderung dar.

4.105f

1 Scheuermann/Göttsche RIW 2005, 894. 2 BGH v. 6.7.2006 – IX ZR 121/05, ZIP 2006, 1781 = ZInsO 2006, 1055; Goetsch in BK InsO, Stand 2010, § 115 Rn. 6; Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 115 Rn. 6; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 2008, §§ 115, 116 Rn. 9; Wegener in Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 115 Rn. 7. 3 G. Schmidt in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 115 Rn. 8; Hergenröder/Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2014, § 115 Rn. 6; Wegener in Wimmer, FK-InsO, 8. Aufl. 2015, § 115 Rn. 7; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1079; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. 1958, § 23 Anm. 2 – diese Vorschrift wurde inhaltlich unverändert als §§ 115, 116 InsO übernommen (Begründung RegE zu §§ 133, 134). 4 OLG Düsseldorf v. 17.12.2020 – I-12 U 27/20, ZInsO 2021, 1509; Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 492; Jacoby in Jaeger/Henckel/Gerhardt, InsO, 2014, § 115 Rn. 160; Sinz in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 115, 116 Rn. 25e; Schäfer Bank-Archiv 1937/38, 53; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl. 1926, Anh. zu § 363 Anm. 43; Baumbach/Duden, HGB, 24. Aufl. 1980, § 406 Anh. I Anm. 8 H; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 8 Rn. 9c; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 8 Rn. 20; OLG Bamberg v. 7.1.2004 – 3 U 81/03, ZInsO 2004, 620; OLG Frankfurt v. 2.6.2005 – 3 U 185/04, ZIP 2005, 1245; OLG München v. 25.10.2005 – 25 U 2246/05, ZIP 2006, 677.

Ingelmann | 773

Vierter Teil Rz. 4.106 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

IV. Benachrichtigungspflichten der Bank 4.106

Die in die Abwicklung des Akkreditivgeschäfts eingeschalteten Banken können sich veranlasst sehen, ihren Kunden über die Insolvenz seines Vertragspartners zu unterrichten.

1. Insolvenz des Akkreditivbegünstigten 4.107

Wenn die Insolvenz des Akkreditivbegünstigten droht oder schon eingetreten ist, erhebt sich für die akkreditiveröffnende Bank die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sie den Auftraggeber auf diesen Umstand aufmerksam machen darf oder dazu sogar verpflichtet ist. Sind weitere Banken eingeschaltet – sei es zur Bestätigung oder Avisierung des Akkreditivs oder auch nur als benannte Bank unter einem bestätigten Akkreditiv – so ergibt sich für diese die gleiche Problematik. Dabei ist zunächst zu unterscheiden, ob in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Bank von dem Vermögensverfall des Begünstigten erfährt, das Akkreditiv schon eröffnet oder ob der Auftrag noch nicht ausgeführt ist. a) Kenntnis der Insolvenz nach Akkreditiveröffnung

4.108

Nach Eröffnung bzw. Bestätigung eines unwiderruflichen Akkreditivs kann sich – wie oben ausgeführt – die Bank von ihrer Verpflichtung aus dem Akkreditiv nicht mehr befreien und das Entstehen eines Aufwendungsersatzanspruchs nicht mehr vermeiden1, wenn der Akkreditivbegünstigte nachträglich insolvent wird. Ebenso wenig kann der Akkreditivauftraggeber die Bedienung des Akkreditivs verhindern, selbst wenn die Insolvenz des Akkreditivbegünstigten ihm im Grundverhältnis ein Recht zur Kündigung oder zum Rücktritt gäbe. Denn nach Art. 4a ERA 600 sind Akkreditive ihrer Natur nach von den Kauf- oder anderen Verträgen, auf denen sie beruhen können, getrennte Geschäfte. Demgemäß können Einwendungen aus dem Grundgeschäft der Forderung aus dem Akkreditiv nur entgegengesetzt werden, wenn sich das Zahlungsbegehren des Akkreditivbegünstigten als unzulässige Rechtsausübung darstellt2.

4.109

Gegen eine Unterrichtung des Akkreditivauftraggebers über die Insolvenz des Begünstigten ergeben sich zwar aus dem Gesichtspunkt des Bankgeheimnisses keine Bedenken, denn es handelt sich um eine offenkundige Tatsache3, andererseits besteht auch keine Pflicht zur Benachrichtigung4, da der Akkreditivauftraggeber eine Inanspruchnahme des Akkreditivs nicht mehr wirksam verhindern kann; so fehlt beispielsweise für eine einstweilige Verfügung gegen die Bank, durch welche die Auszahlung an den Begünstigten verboten wird, entweder der materiell-rechtliche Anspruch oder der Verfügungsgrund5. Insbesondere stellt allein die Tatsache, dass der Akkreditivbegünstigte insolvent geworden ist, keinen Verfügungsgrund dar, solange 1 Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1078; Schubert BB 1952, 132; Haas in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 491; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/497. 2 BGH v. 16.3.1987 – II ZR 127/86, ZIP 1987, 1038 = WM 1987, 977 = WuB I H 2.-2.87 Eberding. 3 Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, Bankgeheimnis und Bankauskunft, 3. Aufl. 1984, S. 30. 4 Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 86. 5 OLG Düsseldorf v. 13.2.1978 – 6 U 184/77, WM 1978, 359; LG Verden v. 26.3.1980 – 4 O 134/80; OLG Frankfurt v. 27.4.1987 – 4 W 17/87, WM 1988, 1480 = WuB I K 3.-5.88 Gedzig; vgl. jedoch zu der verwandten Problematik im Garantiegeschäft OLG Saarbrücken v. 23.1.1981 – 4 U 99/80, WM 1981, 275; LG Braunschweig v. 22.5.1980 – 21 O 25/80, WM 1981, 278; LG Dortmund v. 9.7.1980 – 10 O 9/80, WM 1981, 280; OLG Stuttgart v. 11.2.1981 – 4 U 142/80, ZIP 1981, 497;

774 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.113 Vierter Teil

der Insolvenzverwalter an dem Grundgeschäft festhält oder über die Ausübung seines Wahlrechts aus § 103 InsO noch nicht entschieden hat. Bei einer noch nicht eingetretenen, aber bereits drohenden Insolvenz des Akkreditivbegünstigten besteht ein Warnrecht der Bank nur dann, wenn der Akkreditivbegünstigte nicht zu ihren Kunden gehört, sie ihre Kenntnis von seinem Vermögensverfall also nicht im Rahmen der vom Bankgeheimnis umfassten Kundenbeziehung erlangt hat. Eine Warnpflicht wird man allerdings verneinen müssen, da – wie bereits oben erwähnt – der Akkreditivauftraggeber die Bedienung des Akkreditivs nicht mehr verhindern kann, weil allein die Tatsache, dass eine Insolvenz des Begünstigten droht, noch kein Indiz für eine missbräuchliche Ausnutzung des Akkreditivs darstellt. Zählt der Begünstigte dagegen zu ihren Kunden, so ist die Bank wegen des Bankgeheimnisses zu einer Warnung des Akkreditivauftraggebers nicht berechtigt.

4.110

b) Kenntnis der Insolvenz vor Akkreditiveröffnung Wenn bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Begünstigten der Bank ein Auftrag zur Eröffnung eines unwiderruflichen Akkreditivs zwar vorliegt, das Akkreditiv jedoch noch nicht eröffnet bzw. bestätigt wurde, so hat die Bank noch keine eigenen Verpflichtungen gegenüber dem Begünstigten übernommen. Damit stellt sich die Frage, ob sie solche Pflichten, die sich zu Lasten des Auftraggebers auswirken, noch eingehen darf oder ob sie zuvor den Auftraggeber über den Vermögensverfall des Begünstigten unterrichten muss.

4.111

aa) Pflicht zur Benachrichtigung Eine Verpflichtung zur Benachrichtigung über eine drohende oder schon eingetretene Insolvenz ist grundsätzlich zu verneinen1, da dem Akkreditivauftraggeber aus der Durchführung des Akkreditivgeschäfts in der Regel keine unmittelbar insolvenzbedingten Nachteile entstehen können. Er ist nämlich dadurch gesichert, dass der Insolvenzverwalter das Akkreditiv nur durch Einreichung einer konformen Dokumentenvorlage, welche also die vorgeschriebenen Warendokumente enthält, in Anspruch nehmen kann und dass die Einreichung der Dokumente den Eintritt des Insolvenzverwalters in den Grundvertrag mit allen sich daraus ergebenden Pflichten (Gewährleistungsansprüche, Lieferung von Ersatzteilen usw.) zwingend voraussetzt. Im Gegensatz zum Überweisungsverkehr weiß die Bank beim Akkreditivgeschäft, dass ein Leistungsaustausch – Zahlung gegen Dokumente – stattfindet; die z.B. im Überweisungsverkehr bestehende Gefahr, dass der Auftraggeber eine Anzahlung oder Vorauszahlung erbringen will, die bei einer nachfolgenden Insolvenz des Empfängers verloren ist, scheidet aus. Die drohende oder schon eingetretene Insolvenz des Begünstigten bildet auch kein Indiz dafür, dass die Ware minderwertig oder mit Mängeln behaftet sein wird. Solange das Grundgeschäft fortbesteht, würde der Akkreditivauftraggeber durch einen Widerruf des Akkreditivauftrags im Verhältnis zu dem Begünstigten seine Pflichten aus der Akkreditivklausel im Grundgeschäft, die eine Akkreditivstellung vorschreibt, verletzen.

4.112

Im Grundsatz ist demgemäß wie im Überweisungsverkehr zu verfahren, d.h. eine Pflicht der Bank zur Benachrichtigung des Auftraggebers über eine drohende Insolvenz des Begünstigten

4.113

Trost ZIP 1981, 1307; von Westphalen WM 1981, 294 (301); OLG Frankfurt v. 3.3.1983 – 10 U 244/82, ZIP 1983, 556. 1 Pohl, Der Zahlungsverkehr der Bank mit dem Kunden während der Krise und nach Vergleichseröffnung, Diss. Bielefeld 1982, S. 86; demgegenüber empfiehlt Nielsen, BuB, Stand 1996, Rn. 5/ 732 aus Zweckmäßigkeitsgründen eine Rückfrage beim Akkreditivauftraggeber.

Ingelmann | 775

Vierter Teil Rz. 4.113 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

ist in der Regel zu verneinen. Treu und Glauben können jedoch im Einzelfall eine Warnpflicht begründen1. Da es sich beim Akkreditivgeschäft im Gegensatz zum (Massen-) Überweisungsverkehr um ein Individualgeschäft handelt, bei dem die Bank oft Einblick in das Grundverhältnis zwischen den Kaufvertragsparteien bekommt, wird sie die Risiken des Akkreditivauftraggebers in vielen Fällen besser abschätzen können als die des Überweisungsauftraggebers. Daher kann die Einzelfallbetrachtung hier häufiger zu einer Warnpflicht führen.

4.114

Das Gleiche gilt, wenn die Insolvenz des Akkreditivbegünstigten bereits eingetreten ist. bb) Recht zur Benachrichtigung

4.115

Ein Recht zur Unterrichtung des Akkreditivauftraggebers über eine schon eingetretene Insolvenz des Begünstigten ist der Bank zuzugestehen. Im Interesse des meist im Ausland ansässigen und mit der wirtschaftlichen Lage des Begünstigten nicht voll vertrauten Auftraggebers ist eine Benachrichtigung auch zu empfehlen, damit dieser die Gelegenheit hat, vor Akkreditiveröffnung mit dem Insolvenzverwalter des Begünstigten durch Fristsetzung an diesen gemäß § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO zu klären, ob der Grundvertrag aufrechterhalten werden soll2. Selbst wenn der Akkreditivbegünstigte Kunde der Bank ist, steht das Bankgeheimnis einer Benachrichtigung des Akkreditivauftraggebers nicht entgegen. Die Bank teilt nämlich lediglich eine allgemein bekannte Tatsache mit, die im Interesse der Unterrichtung der Allgemeinheit sogar von Amts wegen zu veröffentlichen ist (§ 30 InsO).

4.116

Über eine drohende Insolvenz des Begünstigten darf die Bank den Akkreditivauftraggeber – sofern sie nicht schon nach den oben dargestellten Grundsätzen dazu verpflichtet ist – dagegen nur unterrichten, wenn der Begünstigte nicht zu ihren Kunden zählt. Andernfalls ist sie durch das Bankgeheimnis gehindert. Zwar kann im Überweisungsverkehr nach Treu und Glauben im Einzelfall eine Warnpflicht der Empfängerbank gegenüber dem Überweisungsauftraggeber eingreifen, wenn sie Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Empfängers einer Überweisung oder auch nur vom unmittelbaren Bevorstehen seines wirtschaftlichen Zusammenbruchs hat3. Dieser Grundsatz kann jedoch nicht auf das Akkreditivgeschäft übertragen werden. Da beim Akkreditiv dem Akkreditivauftraggeber in der Regel kein allein durch die Insolvenz bedingter Schaden entstehen kann, die Bekanntgabe der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Begünstigten durch die Bank an Dritte dagegen in der Regel jeden Versuch, diese zu überwinden, zum Scheitern verurteilt, muss hier den Interessen des Begünstigten an der Aufrechterhaltung des Bankgeheimnisses eindeutig der Vorzug gegeben werden. Etwas anderes kann nur gelten, wenn – was im Akkreditivgeschäft häufig der Fall ist – wegen der großen örtlichen Entfernung des Auftraggebers vom Begünstigten und wegen fehlender Kommunikation zwischen dem Auftraggeber und Gläubigern des Begünstigten nicht zu besorgen ist, dass sich die Nachricht über die Zahlungsschwierigkeiten im Bereich des Begünstigten verbreitet.

1 BGH v. 20.10.1960 – II ZR 141/59, WM 1960, 1321; BGH v. 21.3.1961 – VI ZR 149/60, WM 1961, 511; BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 589; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 105, 495; a.A. Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 19 ff. 2 Nielsen, BuB, Stand 1996, Rn. 5/732. 3 BGH v. 20.10.1960 – II ZR 141/59, WM 1960, 1321; BGH v. 21.3.1961 – VI ZR 149/60, WM 1961, 511; BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 589; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 105; 495; a.A. Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 19 ff.

776 | Ingelmann

A. Dokumentenakkreditiv | Rz. 4.120 Vierter Teil

2. Insolvenz des Akkreditivauftraggebers Aus der Insolvenz des Akkreditivauftraggebers kann dem Begünstigten im Regelfall kein Schaden entstehen, denn er erhält für die von ihm gelieferte Ware aus dem Akkreditiv den vereinbarten Kaufpreis. In diesem Regelfall ist eine Warnung über eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Akkreditivauftraggebers oder dessen Insolvenz für ihn ohne Bedeutung. Dementsprechend ist eine Pflicht der akkreditiveröffnenden bzw. bestätigenden Bank zur Benachrichtigung zu verneinen. Wegen des Bankgeheimnisses ist die Bank auch nicht zur Benachrichtigung berechtigt.

4.117

Dem Begünstigten kann allerdings dann ein Schaden aus der Bedienung des Akkreditivs entstehen, wenn das Akkreditiv nicht den gesamten Forderungsbetrag deckt oder wenn die Bank dem Begünstigten gegen Empfang der Dokumente Wechselakzepte des Akkreditivauftraggebers aushändigen soll. In diesen Fällen wird man ausnahmsweise eine Benachrichtigungspflicht annehmen müssen1. Im Akkreditivgeschäft ist dies im Gegensatz zum Inlandsüberweisungsverkehr eher zu vertreten, da schon wegen der räumlichen Entfernung meist nicht damit zu rechnen ist, dass die Nachricht in den Kreisen, die mit dem Akkreditivauftraggeber geschäftlich verkehren, bekannt wird und dessen Insolvenz auslöst.

4.118

V. Sonderformen von Akkreditiven 1. Commercial letter of credit Unter Commercial letter of credit (auch Handelskreditbrief genannt) versteht man ein Akkreditiv, bei dem der Begünstigte anders als bei einem nur an bestimmter Stelle benutzbaren Dokumentenakkreditiv die freie Wahl hat, Tratten und Dokumente jeder beliebigen Bank zur Ausnutzung des Akkreditivs (in der Regel zur Negoziierung unter dem Akkreditiv) anzubieten, die bereit ist, die Funktion der benannten Bank (Art. 2, 6a ERA 600) zu übernehmen2. Für die insolvenzrechtliche Betrachtung ist die Aushändigung des Kreditbriefes an den Begünstigten der Eröffnung bzw. Bestätigung eines Dokumentenakkreditivs gleichzusetzen. Im Übrigen kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

4.119

2. Back-to-back-Akkreditive Back-to-back-Akkreditive (auch Gegenakkreditive genannt) dienen der finanziellen und dokumentären Abwicklung des Zwischenhandels3. Der Zwischenhändler kauft Ware ein und stellt seinem Lieferanten ein Akkreditiv (Einkaufsakkreditiv); er verkauft die Ware weiter an einen Abnehmer, der ihm seinerseits ein Akkreditiv stellt (Verkaufsakkreditiv)4. Für die Bank des Zwischenhändlers stellt sich bei dieser Konstruktion die Frage, ob sie in dessen Insolvenz für ihre Verpflichtungen aus dem Akkreditiv, das sie in seinem Auftrag eröffnet hat, auf das zu seinen Gunsten erstellte Akkreditiv zurückgreifen kann.

1 Vgl. dazu BGH v. 20.10.1960 – II ZR 141/59, WM 1960, 1320. 2 Häberle, Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, 2000, Abschnitt 1.4.1 S. 87. 3 Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 195; Zahn/Ehrlich/ Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 7/1. 4 Vgl. Liesecke WM 1978, 1038; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 7/1; Seeger in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 7.234.

Ingelmann | 777

4.120

Vierter Teil Rz. 4.121 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

4.121

Eine Besicherung der Bank durch das Verkaufsakkreditiv setzt zunächst voraus, dass die Dokumente, die die Bank unter dem Einkaufsakkreditiv erhält, trotz einer zwischenzeitlich etwa eingetretenen Insolvenz des Zwischenhändlers noch unter dem Verkaufsakkreditiv angedient werden können. Dies ist dann möglich, wenn die Bank nach den oben dargestellten Grundsätzen (Rn. 4.47) an den Dokumenten wirksam ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht erworben hat. Aufgrund dieses Zurückbehaltungsrechts könnte sie auch im Fall einer Insolvenz des Zwischenhändlers die Dokumente unter dem Verkaufsakkreditiv andienen (§ 51 Nr. 3 InsO, § 371 HGB). Ein eigenes Verwertungsrecht erwirbt der Verwalter nicht, da er keinen Besitz an den Dokumenten erlangt, was nach § 166 InsO Voraussetzung wäre.

4.122

Aus dem Verkaufsakkreditiv kann aber nur der Verwalter Zahlung verlangen. Zwar sind die Dokumente auf die Bank übergegangen, nicht aber der Anspruch aus dem Akkreditiv. Wenn die Bank sich diesen nicht ebenfalls hat übertragen lassen, kommt es darauf an, inwieweit sie nach den oben dargestellten Grundsätzen (Rn. 4.92 ff.) mit ihren Forderungen an den Zwischenhändler gegen dessen Anspruch aus dem Verkaufsakkreditiv aufrechnen kann oder an diesem Anspruch wirksam ein Pfandrecht nach Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen) erworben hat. Da bestritten ist, ob die akkreditiveröffnende Bank mit einer ihr gegen den Begünstigten zustehenden anderweitigen Forderung, d.h. einer Forderung, die nicht aus der Bevorschussung des Akkreditivs herrührt, aufrechnen darf1, empfiehlt sich von vornherein eine Vereinbarung, in der sich der Zwischenhändler mit der Aufrechnung einverstanden erklärt.

3. Akzeptleistungs-Akkreditive 4.123

Akzeptleistungsakkreditive begründen gemäß Art. 7a (i), 8a (i) a) ERA 600 die Verpflichtung, „wenn das Akkreditiv benutzbar ist durch: ... Akzeptleistung bei der eröffnenden Bank“/„bei der bestätigenden Bank“, zu honorieren, d.h. gemäß Unterabsatz c) der Definition von „Honorieren“ „einen vom Begünstigten gezogenen Wechsel („Tratte“) zu akzeptieren und diesen bei Fälligkeit zu zahlen“, Art. 6c ERA 600 hat die bereits in Art. 9a (iv) und 9b (iv) ERA 500 enthaltene Regelung noch weiter verstärkt, gemäß der Trattenziehungen nur noch auf eine am Akkreditiv beteiligte Bank, nicht aber mehr auf den Auftraggeber des Akkreditivs erfolgen dürfen2.

4.124

Besondere insolvenzrechtliche Probleme ergeben sich aus dieser Konstruktion nicht, so dass die oben für die Insolvenz des Akkreditivauftraggebers und des Akkreditivbegünstigten entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden sind. 1 Bejahend: Liesecke WM 1960, 212; 1966, 469; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1976, Anh. nach § 365 Rn. 223; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Bearb. 1988, Rn. 1009; OLG Frankfurt v. 26.6.1984 – 5 U 221/83, WM 1984, 1021; a.A. Geßler, Pfändungen in Akkreditive, 1967, S. 106; von Godin in RGRK-HGB, 2. Aufl. 1963, Anh. I nach § 365 Anm. 79; verneint wird eine Aufrechnungsmöglichkeit mit einer Forderung, die dem Akkreditivauftraggeber gegen den Akkreditivbegünstigten aus dem der Akkreditivstellung zugrunde liegenden Geschäft zustand und die er der Bank abgetreten hat, von BGH v. 18.9.1958 – VII ZR 170/57, BGHZ 28, 129; BGH v. 21.3.1971 – VIII ZR 228/71, BGHZ 60, 262; ebenso verneint OLG Köln v. 25.5.1994 – 2 U 143/93, ZIP 1994, 1791 = WM 1994, 1877 die Aufrechnungsbefugnis wegen Widerspruchs mit dem Charakter des Akkreditivs als abstrakte Zahlungsgarantie. Allerdings ist dem Urteil nicht zu entnehmen, ob dieses Aufrechnungsverbot auch für die Aufrechnung mit Forderungen aus der Bevorschussung des Akkreditivs oder nur für sonstige Forderungen gelten soll. 2 Haas in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 103 Rn. 37; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/121.

778 | Ingelmann

B. Dokumenteninkasso | Rz. 4.132 Vierter Teil

frei

4.125–4.129

B. Dokumenteninkasso Mit dem Dokumenteninkasso beteiligen sich die Banken an der Einziehung von Forderungen in der Weise, dass ein Kreditinstitut (Inkassobank) im Auftrag eines Kunden (Einreicher, meist Exporteur) oder dessen Hausbank (Einreicherbank) dem Verpflichteten (Bezogener) Handelspapiere gegen Barzahlung oder gegen Übernahme einer meist wechselmäßigen Verpflichtung vorzulegen hat1. Die Einschaltung der Banken beruht dabei meist auf der im Rahmen eines Außenhandelsvertrages vereinbarten Kassa-Klausel, die hauptsächlich in zwei Formen auftritt:

4.130

– Dokumente gegen Kasse (D/P documents against payment), – Dokumente gegen Akzept (D/A documents against accept)2. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Einreicher und der Inkassobank ist ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 675, 611 ff. BGB)3 und dessen Grundlage meist die „Einheitlichen Richtlinien für Inkassi“ (ERI) bilden4. Die ERI wurden bis zur Änderung der AGB ab 1.1.1993 im Verkehr mit Banken als Sonderbedingungen nach den inzwischen entfallenen Nr. 28 AGB Banken (Nr. 27 AGB Kreditgenossenschaften, Nr. 35 Satz 2 AGB Sparkassen) einbezogen5. Nach der ersatzlosen Streichung dieser Passagen aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute gelten die ERI nur noch aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung (Art. 1 (a) ERI 522)6.

4.131

Zwar wird im Gegensatz zum Akkreditiv die Inkassobank nicht im Auftrag des Käufers, sondern des Verkäufers tätig, dem sie kein Zahlungsversprechen leistet, sondern für den sie gegen Übergabe bestimmter Dokumente entweder den Kaufpreis beim Schuldner einzieht (D/ P-Geschäft) oder von dem sie die Akzeptierung einer Tratte verlangt (D/A-Geschäft). Für die insolvenzrechtliche Betrachtung kann aber eine Parallele gezogen werden zwischen der Insolvenz des Akkreditivauftraggebers und der des Bezogenen einerseits und der Insolvenz des Akkreditivbegünstigten und der des Dokumenteneinreichers andererseits.

4.132

1 Vgl. auch Häberle, Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, 2000, Abschnitt 4.1 S. 409; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 3/1 ff. 2 Beispiele und Nachweise von Entscheidungen s. Menkhaus, Kreditsicherung beim Dokumenteninkasso, Diss. Köln 1984, S. 4. 3 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI B. § 15 KO 2.85 Obermüller; BGH v. 30.4.1952 – II ZR 143/51, BGHZ 6, 55; BGH v. 24.10.1957 – II ZR 114/56, BGHZ 26, 1; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057. 4 Fassung ab 1.1.1996, Broschüre der ICC Nr. 522, abgedruckt WM 1996, 229. 5 Menkhaus, Kreditsicherung beim Dokumenteninkasso, Diss. Köln 1984, S. 26, 27. 6 Ingelmann/Schmitt in Häberle, Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, 2000, S. 524 Anm. 6.1.1; Seeger in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 7.276.

Ingelmann | 779

Vierter Teil Rz. 4.133 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

I. Insolvenz des Inkassobezogenen 4.133

Für das Rechtsverhältnis zwischen dem Bezogenen (= Käufer) und der Inkassobank liegt beim Dokumenteninkasso im Vergleich zum Akkreditiv der wesentliche Unterschied darin, dass die Bank keine eigenen Verpflichtungen aus einer abstrakten Verpflichtung zur Honorierung zugunsten des Einreichers im Auftrag des Bezogenen übernimmt. Vielmehr dient sie die Dokumente in dem Zustand, in dem sie ihr der Verkäufer eingereicht hat, dem Bezogenen an und fordert ihn entweder zur sofortigen Barzahlung oder zur Akzeptleistung gegen Übergabe der Dokumente auf1.

4.134

Ist der Bezogene Kunde der Inkassobank, so benötigt sie, um die Dokumente zu honorieren, von ihm einen entsprechenden Auftrag; das Verhältnis zwischen der Inkassobank und dem Bezogenen unterliegt nicht den Einheitlichen Richtlinien für Inkassi, sondern bestimmt sich nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen2. Für den Fall, dass der Bezogene sich bei der Erteilung des Auftrags in einer wirtschaftlichen Krise befindet oder schon insolvent ist, ergeben sich für die Frage, ob und mit welchen Wirkungen die Bank zahlen kann, im Wesentlichen dieselben Probleme wie bei der Erteilung eines Überweisungsauftrags3. Demgemäß können die oben aufgestellten Grundsätze (Rn. 3.3 ff.) entsprechend angewendet werden. Für die Frage, inwieweit die Bank an den Dokumenten eine Sicherheit erwirbt, kann auf die Ausführungen zu Rn. 4.46 ff. verwiesen werden.

II. Insolvenz des Einreichers 4.135

Wenn sich in den Vermögensverhältnissen des Einreichers (= Verkäufers) eine Krise abzeichnet oder eine Insolvenz schon eingetreten ist, erhebt sich für die Einreicherbank die Frage, ob und inwieweit sie den Auftrag noch ausführen muss und ob sie die Dokumente noch an den Bezogenen weitergeben darf. Die gleiche Frage stellt sich für die Inkassobank, wenn sie nicht Erfüllungsgehilfin der Einreicherbank, sondern Substitutin bzw. Unterbeauftragte im Sinne von § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB ist4. Sieht man dagegen die Inkassobank als Erfüllungsgehilfin an, so besteht zwischen ihr und dem Einreicher keine unmittelbare vertragliche Beziehung5; für sie sind dann nur die Weisungen der Einreicherbank maßgebend.

1. Auftragserteilung und Dokumentenübergabe vor Verfügungsverbot und vor Insolvenzeröffnung 4.136

Bis zum Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots, eines Zustimmungsvorbehalts oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist der Einreicher noch nicht in der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen beschränkt. Er kann daher der Bank noch Inkassoaufträge erteilen und die Dokumente übergeben.

1 2 3 4

Nielsen in MünchKomm/HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV I 10. OLG Schleswig v. 21.3.2002 – 5 U 156/01, WM 2003, 20. Vgl. auch Schücking, Importkreditsicherung, 1980, S. 180 ff. So OLG Frankfurt v. 11.4.2000 – 5 U 211/98, WM 2000, 1637; Nielsen, BuB, Stand 1996, Rn. 5/ 754 f.; zur Abgrenzung vgl. im Einzelnen W. Obermüller FS Bärmann, 1975, 709 ff. (711). 5 Vgl. OLG Hamburg v. 27.10.1969 – 8 U 63/69, MDR 1970, 335; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 3/8.

780 | Ingelmann

B. Dokumenteninkasso | Rz. 4.140 Vierter Teil

a) Sicherung der Bank An den Dokumenten kann die Bank nach den oben dargestellten Grundsätzen (Rn. 4.84 ff.) ein Pfandrecht1 erwerben, sofern es sich um Traditionspapiere, d.h. Papiere, deren Übergabe die gleiche Wirkung wie die Übergabe der Ware hat2, handelt. Anderenfalls kommt eine Sicherungsübereignung der Ware in Betracht. Sie wird in den üblichen Exportsicherungsverträgen ausdrücklich vereinbart3. Zusätzlich kann die Bank die Forderungen des Einreichers aus dem Grundgeschäft mit dem Bezogenen nach Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen) oder durch eine gesonderte Abtretungsvereinbarung erwerben4. Der Kreis der in den AGB erwähnten kaufmännischen Handelspapiere ist vom BGH5 selbst umschrieben worden; es handelt sich um die Handelspapiere nach Maßgabe der „Einheitlichen Richtlinien für Inkassi“, namentlich Rechnungen, Verladedokumente, Dispositionsdokumente, Anweisungen und Rechnungen (Art. 2b ERI).

4.137

Diese Sicherheitenbestellung ist wirtschaftlich bedeutungsvoll, wenn der Bezogene die Dokumente nicht einlöst und die Bank das Inkasso bevorschusst hat oder wenn der Bezogene die Dokumente zwar aufnimmt, seine Zahlung bei der Einreicherbank jedoch innerhalb der vom Insolvenzantrag des Einreichers zurückgerechneten Anfechtungsfristen oder erst nach Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots oder der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Einreichers eingeht.

4.138

aa) Sicherung wegen Bevorschussung des Inkassogeschäfts Da insbesondere bei Überseegeschäften zwischen der Verladung der Ware und der Übergabe der Dokumente an die Bank einerseits und dem Eingang des Verkaufserlöses andererseits ein längerer Zeitraum vergeht und der Verkäufer seine Betriebsmittel nicht solange festlegen möchte, bemüht er sich, von der Bank einen Kredit zu erhalten, der später durch den Inkassoerlös abgedeckt werden soll (sog. unechter Rembours-Kredit)6.

4.139

Zahlt der Bezogene nicht, so ist für die Wirksamkeit bzw. Unanfechtbarkeit einer Sicherheit, die nach den oben dargestellten Grundsätzen (Rn. 4.84 ff.) eingeräumt wurde, nicht von Bedeutung, ob sie innerhalb der Anfechtungsfristen der §§ 130 ff. InsO begründet wurde. Die Anfechtungsvorschriften (§§ 129 ff. InsO) kommen nämlich nicht zum Zuge, da es sich bei der Verpfändung bzw. Sicherungsübereignung der Dokumente oder der Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft oder der Sicherungsübereignung der Ware Zug um Zug gegen Bevorschussung des Kaufpreises um ein Bargeschäft handelt7. Bargeschäfte sind

4.140

1 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 44; Menkhaus, Kreditsicherung beim Dokumenteninkasso, Diss. Köln 1984, S. 65, der außerdem auch ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht annimmt. 2 Brinkmann in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 50 Rn. 10; Nielsen WM 1994, 2221, 2261; T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022 § 102 Rn. 45; Schnauder NJW 1991, 1642; über die Gefährdung der Bank durch wertlose Dokumente vgl. Liesecke WM 1976, 266. 3 Musterverträge s. Nielsen, BuB, Stand 1993, Rn. 5/208 ff. 4 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057 = WuB VI B. § 15 KO 2.85 Obermüller; vgl. im Einzelnen W. Obermüller FS Bärmann, 1975, 709 ff. (724); Nielsen ZIP 1983, 535. 5 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, BGHZ 95, 149 = ZIP 1985, 1126. 6 Kaeferlein, Der Bankkredit und seine Sicherungen, 1953, S. 251. 7 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 48; Menkhaus, Kreditsicherung beim Dokumenteninkasso, Diss. Köln 1984, S. 96.

Ingelmann | 781

Vierter Teil Rz. 4.140 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

der Insolvenzanfechtung entzogen (§ 142 InsO). Ein Bargeschäft liegt vor, wenn gleichwertige Leistungen ausgetauscht, die Insolvenzgläubiger durch die Sicherheitenbestellung also nicht benachteiligt werden, weil dem Vermögen des Schuldners alsbald ein entsprechender Gegenwert zufließt1. bb) Sicherung wegen anderer Forderungen

4.141

Hat die Bank die Dokumente dagegen nicht bevorschusst, stehen ihr aber aus anderen Geschäften, z.B. aus früheren Krediten, noch Forderungen zu, so stellt der Erwerb von Sicherungsrechten im Zusammenhang mit dem gescheiterten Dokumenteninkasso kein Bargeschäft dar. Dies bedeutet, dass die Anfechtungsbestimmungen der Insolvenzordnung (§§ 129 ff. InsO) zum Zuge kommen können (Einzelheiten s. Rn. 6.150 ff.). b) Verfügungsverbot vor Weitergabe der Dokumente

4.142

Aufträge, die bei Anordnung eines Verfügungsverbots noch nicht bearbeitet sind, kann die Bank nicht weiter abwickeln. Zwar erlischt der Geschäftsbesorgungsvertrag nicht kraft Gesetzes; die Vorschriften der §§ 116, 115 Abs. 1 InsO greifen erst mit Verfahrenseröffnung ein und können wegen des abschließenden Charakters der in den §§ 21 ff. InsO enthaltenen Verweisungen2 nicht auf das Antragsverfahren ausgedehnt werden. Das allgemeine Verfügungsverbot hindert jedoch die Bank an der Durchführung des Auftrags. Es hat nämlich die Unwirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zur Folge. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben3. Zu den rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die durch das allgemeine Verfügungsverbot untersagt sind, gehört auch die Einziehung von Forderungen durch den Schuldner4. Die Ausführung eines Inkassoauftrags stellt eine Art der Einziehung von Forderungen dar, die unter das allgemeine Verfügungsverbot fällt.

4.143

Das allgemeine Verfügungsverbot ist zwar wie jede andere Verfügungsbeschränkung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen (§ 23 InsO). Wenn die Bank dies aber übersieht und sie auch sonst keine Kenntnis von dem Verfügungsverbots erlangt hat, wird sie den Inkassoauftrag weiter bearbeiten und letztlich die Dokumente an den Begünstigten unter Entgegennahme des Inkassobetrages aushändigen. Dieser kann allerdings kein Eigentum an den Dokumenten bzw. der durch sie repräsentierten Ware erwerben, selbst wenn ihm das Verfügungsverbot nicht bekannt ist (§§ 81, 91 InsO).

4.143a

Dasselbe gilt bei Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts. Findet die Übertragung im Ausland statt, so kann das dortige Recht zu anderen Ergebnissen führen.

1 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793; BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZIP 2003, 488; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZInsO 2008, 91; OLG Düsseldorf v. 4.6.1982 – 24 U 23/82, ZIP 1982, 860; s. Rn. 6.110. 2 G. Schmidt in Kayser/Thole, HK-InsO, 11. Aufl. 2023, § 115 Rn. 13; Onusseit KTS 1994, 3. 3 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294 (304); BGH v. 18.6.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 = NJW 1979, 2101; BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 26. 4 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, ZInsO 2003, 817; OLG Düsseldorf v. 14.11.1985 – 6 U 95/85, WM 1986, 626 (zu § 59 VglO); Blersch/Beth in BK InsO, Stand 2017, § 24 Rn. 7; vgl. auch OLG Karlsruhe v. 10.7.1985 – 6 U 206/84, NJW 1986, 63; Gerhardt ZIP 1982, 1.

782 | Ingelmann

B. Dokumenteninkasso | Rz. 4.147 Vierter Teil

c) Insolvenzeröffnung vor Weitergabe der Dokumente Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Einreichers erlischt der Inkassoauftrag1, sofern er noch nicht ganz oder teilweise ausgeführt ist. Das ergibt sich aus §§ 116, 115 Abs. 1 InsO, da der Inkassoauftrag einen Geschäftsbesorgungsvertrag darstellt2. Nach Erlöschen des Geschäftsbesorgungsvertrages muss die Bank grundsätzlich die Dokumente an den Insolvenzverwalter herausgeben. Eine Aushändigung der Dokumente an den Bezogenen kann Schadenersatzansprüche des Verwalters auslösen3.

4.144

Wenn sie den Inkassoerlös aber bevorschusst hat, kann sie die Herausgabe der Dokumente verweigern und sich aus ihnen bzw. der durch sie repräsentierten Ware abgesondert befriedigen4. Der Insolvenzverwalter ist zur Verwertung nicht berechtigt, da er an den Dokumenten und damit auch an der Ware keinen Besitz erworben hat. Dies ist aber Voraussetzung für sein Verwertungsrecht nach § 166 InsO. Wenn die Bank aus anderen Rechtsgründen Forderungen gegen den Einreicher erworben hat, hängt ihr Verwertungsrecht davon ab, dass sie nach den oben dargestellten Grundsätzen unanfechtbar (vgl. Rn. 4.94 ff.) eine Sicherheit erworben hat. Vgl. zur Art des Sicherungsrechts Rn. 4.83 ff.

4.145

Trotz der Insolvenzeröffnung hat die Bank den Inkassoauftrag weiter durchzuführen, bis der Insolvenzverwalter anderweitig Fürsorge treffen kann5, sofern mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist6. Eine solche Lage kann z.B. eintreten, wenn der Bank bekannt ist, dass der Einreicher aus dem Grundgeschäft nur innerhalb einer bestimmten Frist die Dokumente andienen darf und die Ware, falls der Bezogene die Dokumente wegen Überschreitens der Frist nicht mehr aufnimmt, anderweitig nicht verwertbar ist. In diesen Fällen gilt der Auftrag als fortbestehend (§§ 116, 115 Abs. 2 Satz 2 InsO). Ansprüche, die der Bank aus der Fortführung des Auftrags entstehen, sind Masseforderungen (§§ 116, 115 Abs. 2 Satz 3 InsO). Dabei handelt es sich vor allem um die für den Inkassoauftrag vereinbarte Provision.

4.146

Wenn der Bank bei der Abwicklung des Inkassoauftrags die zwischenzeitliche Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Einreichers nicht bekannt ist, gilt der Auftrag ebenfalls als fortbestehend (§§ 116, 115 Abs. 3 InsO)7. Die Bank wird daher die Dokumente an den Bezogenen herausgeben und den Inkassoerlös entgegennehmen. Wenn ihr die Forderungen gegen den Inkassobezogenen nicht zur Sicherheit abgetreten waren, muss sie den Erlös dem Insolvenzverwalter herausgeben und ist wegen ihrer Forderung auf Zahlung der Inkassoprovision Insolvenzgläubigerin (§§ 116, 115 Abs. 3 Satz 2 InsO). Der Bezogene erwirbt an den Dokumenten und der von ihnen repräsentierten Ware kein Eigentum, da die Insolvenzordnung an beweglichen Sachen auch gutgläubigen Eigentumserwerb nicht anerkennt (§§ 81, 91 InsO).

4.147

1 Nobbe, Neue höchstrichterliche Rechtsprechung zum Bankrecht, 6. Aufl. 1995, Rn. 636; T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 43. 2 Menkhaus, Kreditsicherung beim Dokumenteninkasso, Diss. Köln 1984, S. 78; BGH v. 30.4.1952 – II ZR 143/51, BGHZ 6, 55; BGH v. 24.10.1957 – II ZR 114/56, BGHZ 26, 1; BGH v. 27.4.1995 – X ZR 60/93, NJW-RR 1995, 936. 3 BGH v. 27.4.1995 – X ZR 60/93, NJW-RR 1995, 936. 4 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022 § 102 Rn. 47; Seeger in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 7.293. 5 Sinz in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, §§ 115, 116 Rn. 13; kritisch insoweit Menkhaus, Kreditsicherung beim Dokumenteninkasso, Diss. Köln 1984, S. 79 ff. 6 BGH v. 27.4.1995 – X ZR 60/93, NJW-RR 1995, 936. 7 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 43.

Ingelmann | 783

Vierter Teil Rz. 4.147 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

Allerdings wird der Insolvenzverwalter es in der Praxis nicht leicht haben, seinen Eigentumsherausgabeanspruch im Land des Bezogenen, der den Kaufpreis bezahlt hat, durchzusetzen. d) Insolvenzeröffnung nach Weitergabe der Dokumente

4.148

Mit Übergabe der Dokumente durch die Inkassobank an den Bezogenen gegen Empfang des Erlöses bzw. eines Akzepts verliert die Einreicherbank eine etwaige Sicherheit, die sie aufgrund des Dokumenteninkassoauftrags an den Dokumenten, der Ware oder der Kaufpreisforderung erlangt hat1. Wenn die Einreicherbank die Inkassodokumente bevorschusst hat oder wenn ihr aus anderen Geschäften Forderungen gegen den Einreicher zustehen, erhebt sich jetzt die Frage, ob sie wegen dieser Forderungen auf den Inkassoerlös zurückgreifen kann, falls dieser innerhalb der Anfechtungsfristen, insbesondere innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag oder erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Einreichers bei ihr eingeht.

4.149

Die Rechtslage unterscheidet sich von der Situation bei der Eröffnung oder Bestätigung eines unwiderruflichen Akkreditivs insofern, als die Akkreditiv eröffnende bzw. bestätigende Bank dem Begünstigten aus der abstrakten Akkreditivverpflichtung (§ 780 BGB)2 haftet und gegen diese Forderung des Begünstigten mit ihrer eigenen Forderung aufrechnen bzw. wegen ihrer Forderung ein Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 Satz 3 AGB Sparkassen) an der Forderung des Begünstigten geltend machen kann3. Demgegenüber ist beim Dokumenteninkassogeschäft für das Entstehen des Anspruchs des Einreichers gegen seine Bank auf Herausgabe des Inkassoerlöses zu unterscheiden, ob die Inkassobank als Substitutin oder Erfüllungsgehilfin der Einreicherbank tätig wird. Ob die Inkassobank als Unterbeauftragte oder als Erfüllungsgehilfin der Hausbank tätig wird, hängt von der Art der übernommenen Tätigkeit ab und ist daher Tatfrage; in den meisten Fällen wird man zu dem Ergebnis kommen, dass sie als Unterbeauftragte tätig wird4.

4.150

Handelt sie als Substitutin, so erwirbt der Einreicher den Anspruch auf den Inkassoerlös nicht schon dann, wenn der Bezogene an die Inkassobank gezahlt hat – auch wenn die Einreicherbank aufgrund ihres Geschäftsbesorgungsvertrages mit der Inkassobank in diesem Zeitpunkt einen Herausgabeanspruch gegen die Inkassobank erworben hat –, sondern erst dann, wenn die Einreicherbank ihren Auftrag vollständig ausgeführt, d.h. wenn sie den Erlös selbst erhalten hat5. Bis dahin ist der Anspruch des Auftraggebers weder betagt noch bedingt6, auch

1 Vgl. dazu im Einzelnen W. Obermüller FS Bärmann, 1975, 709 ff. 2 BGH v. 18.9.1958 – VII ZR 170/57, BGHZ 28, 129; OLG Frankfurt v. 6.10.1987 – 5 U 247/86, WM 1988, 214 = WuB I H 2.-1.88 Eberding; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 2/150. 3 Vgl. dazu im Einzelnen oben Rn. 4.83 ff. und BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057. 4 OLG Frankfurt v. 11.4.2000 – 5 U 211/98, WM 2000, 1637; vgl. wegen der Abgrenzung im Einzelnen W. Obermüller FS Bärmann, 1975, 724 ff.; Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 3/13 ff. 5 Kümpel, Die Bevorschussung von Inkasso-Dokumenten, 1968, S. 13; W. Obermüller FS Bärmann, 1975, 714; RG v. 21.1.1903 – I 258/02, RGZ 53, 330. 6 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI B. § 15 KO 2.85 Obermüller; RG v. 21.1.1903 – I 258/02, RGZ 53, 327; T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 55.

784 | Ingelmann

B. Dokumenteninkasso | Rz. 4.155 Vierter Teil

wenn er schon im Kern entstanden ist1. Insoweit entsteht eine Sicherheitenlücke2. Für die Frage, wann die Einreicherbank den Erlös erhalten hat, sind die gleichen Grundsätze maßgebend wie bei dem Empfang einer Überweisung3 (vgl. im Einzelnen Rn. 3.116). Ist die Inkassobank ausnahmsweise Erfüllungsgehilfin, so wird der Inkassoerlös, den sie von dem Bezogenen vereinnahmt hat, der Einreicherbank zugerechnet, d.h. er gilt als bei dieser eingegangen, auch wenn er noch nicht an sie abgeführt ist4. Dadurch erwirbt der Einreicher schon in diesem Augenblick einen Herausgabeanspruch gegen seine Bank. Bei der Prüfung der Frage, ob die Einreicherbank den Inkassoerlös an den Insolvenzverwalter herausgeben muss oder ihn zur Rückführung eigener Forderungen aus der Bevorschussung des Inkassogeschäfts oder aus anderen Geschäften verwenden darf, ist zu unterscheiden, wann der Inkassoerlös eingegangen ist und ob der Einreicherbank die Forderungen aus dem Grundgeschäft oder das Sicherungseigentum an der Ware bzw. den Dokumenten zustehen5.

4.151

frei

4.152

aa) Verrechnung von vor Verfahrenseröffnung eingegangenen Inkassoerlösen Wenn die Einreicherbank den Inkassoerlös noch vor Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Einreichers erhält, kann sie den Erlös grundsätzlich zur Rückführung ihrer Forderungen aus einem etwaigen Vorschuss oder aus sonstigen Geschäften durch Verrechnung mit einem debitorischen Saldo oder durch Aufrechnung verwenden6. Nach Anordnung eines Verfügungsverbots ist sie auf die Aufrechnung beschränkt, eine Verrechnung ist nicht mehr zulässig.

4.153

Die Aufrechnung bzw. Verrechnung kann allerdings anfechtbar sein (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Dies richtet sich nach den §§ 129 ff. InsO. Maßgebend ist die Situation des Einreichers im Zeitpunkt des Eingangs des Erlöses bei der Einreicherbank, wenn die Inkassobank als deren Substitutin handelt. Wenn die Inkassobank nicht als Substitutin, sondern als Erfüllungsgehilfin der Einreicherbank tätig war, kommt es für die Zulässigkeit der Aufrechnung auf den Zeitpunkt des Eingangs bei der Inkassobank an; soweit für eine Anfechtbarkeit der Aufrechnung die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag notwendig ist, wird die Kenntnis der Inkassobank der Einreicherbank zugerechnet (s. Rn. 4.44).

4.154

Erhält die Einreicherbank den Inkassoerlös innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag ihres Kunden, so ist zu unterscheiden zwischen der Anfechtung wegen kongruenter oder inkongruenter Deckung:

4.155

1 BGH v. 1.6.1978 – III ZR 44/77, WM 1978, 1014; BGH v. 23.2.1989 – IX ZR 143/88, BGHZ 107, 88 = ZIP 1989, 453 = WuB VI B. § 55 Nr. 1 KO 1.89 Obermüller. 2 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 51. 3 Nielsen ZIP 1983, 131; W. Obermüller FS Bärmann, 1975, 714. 4 W. Obermüller FS Bärmann, 1975, 724 ff.; T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022 § 102 Rn. 55. 5 Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 3/48. 6 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022 § 102 Rn. 56.

Ingelmann | 785

Vierter Teil Rz. 4.155 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

– Wenn die Bank das Dokumenteninkasso bevorschusst hat, steht ihr ein Anspruch auf den Erlös zu; es handelt sich um eine kongruente Deckung1. – Wenn ihr dagegen aus anderen Geschäften Forderungen gegen den Einreicher zustehen und sie nicht außerhalb der kritischen Zeit ausdrücklich vereinbart hat, dass der Inkassoerlös auch zur Reduzierung dieser Forderungen dienen soll, handelt es sich um eine inkongruente Deckung.

4.156

Die Anfechtung kongruenter Deckungen setzt voraus, dass der Inkassoauftraggeber zur Zeit des Eingangs des Inkassoerlöses zahlungsunfähig war und die Bank die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag kannte (Einzelheiten s. Rn. 1.415 ff.). Für diese Kenntnis genügt bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO); unerheblich ist, ob der Anfechtungsgegner die notwendige Schlussfolgerung tatsächlich auch gezogen hat. Eine etwaige Kenntnis der Inkassobank wird der Einreicherbank nur dann zugerechnet, wenn die Inkassobank ausnahmsweise Erfüllungsgehilfin der Einreicherbank war (s. Rn. 4.44).

4.157

Die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen inkongruenter Deckungen sind unterschiedlich je nach der zeitlichen Nähe des Eingangs des Inkassoerlöses zum Insolvenzantrag:

4.158

– Inkongruente Deckungen, die innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag zustande kommen, sind anfechtbar, wenn der Inkassoauftraggeber zur Zeit des Eingangs des Inkassoerlöses bereits zahlungsunfähig war, ohne dass es auf den Kenntnisstand der Bank ankommt. – Inkongruente Deckungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag sind auch dann anfechtbar, wenn der Inkassoauftraggeber zur Zeit des Eingangs des Inkassoerlöses noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet war, die Bank aber wusste, dass die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden. Der Insolvenzverwalter hat also lediglich zu beweisen, dass dem Anfechtungsgegner entweder die Benachteiligung der anderen Gläubiger positiv bekannt war oder dass er Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs. 2 InsO). – Inkongruente Deckungen innerhalb des letzten Monats vor dem Eröffnungsantrag sind unabhängig davon anfechtbar, ob der Inkassoauftraggeber zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war; auf den Kenntnisstand der Bank kommt es ebenfalls nicht an.

4.159

Wenn die Bank allerdings durch Aushändigung der Dokumente an den Bezogenen Sicherheiten aufgegeben hat, auf die sie wegen ihrer Gegenforderungen hätte zurückgreifen können, so scheidet eine Anfechtung der Aufrechnung aus2. Es fehlt nämlich an der Gläubigerbenachteiligung3 und damit an einer wesentlichen Voraussetzung für sämtliche Anfechtungstatbestände. Denn es hat nur ein Sicherheitentausch – Pfandrecht an den Dokumenten gegen die Aufrechnungsbefugnis mit dem Inkassoerlös – stattgefunden und nicht die erstmalige 1 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022 § 102 Rn. 56; so wohl auch im Ergebnis Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 3/49. 2 Nielsen in MünchKomm/HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV I 48; T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022 § 102 Rn. 56. 3 BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, ZIP 2001, 885; Cierniak DB 2006, 1996; Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, 2006, Kap. 7 Rn. 11 S. 492.

786 | Ingelmann

B. Dokumenteninkasso | Rz. 4.165 Vierter Teil

Hergabe von Sicherheiten aus dem Vermögen des Kunden. Die übrigen Gläubiger stehen also nicht schlechter, als wenn die Bank die Dokumente als Sicherheit behalten und verwertet hätte. In diesem Fall ist allerdings zu prüfen, ob nicht schon die Übergabe der Dokumente von dem Dokumenteninkassoauftraggeber an die Bank und die damit verbundene Besicherung anfechtbar ist.

4.160–4.161

frei bb) Verrechnung von nach Verfahrenseröffnung eingegangenen Inkassoerlösen

Erhält die Einreicherbank den Inkassoerlös erst nach Insolvenzeröffnung, so steht § 96 Nr. 1 InsO einer Aufrechnung entgegen1. Danach ist die Aufrechnung gegen Forderungen des Schuldners unzulässig, die dieser nach Insolvenzeröffnung erworben hat. Zu letzteren gehört auch der Anspruch des Einreichers auf Herausgabe des nach Insolvenzeröffnung eingegangenen Inkassoerlöses.

4.162

An dem Anspruch des Kunden auf Herausgabe des Inkassoerlöses soll die Bank nach Ansicht der Rechtsprechung2 auch kein Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 AGB Sparkassen) erlangen. Begründet wird dies mit dem Verbot des Erwerbs von Rechten an massezugehörigen Gegenständen (§§ 81, 91 InsO)3.

4.163

cc) Ausnahmen bei gesonderter Sicherheitenabsprache Wenn die Aufrechnung mit einer Forderung der Einreicherbank aus der Bevorschussung der Inkassodokumente oder aus einem anderen Geschäft gegen den Anspruch des Einreichers auf Herausgabe des Inkassoerlöses nach den oben dargestellten Grundsätzen (Rn. 4.162 f.) nicht möglich ist, kann die Einreicherbank trotzdem den Inkassoerlös zur Rückführung dieser Forderungen verwenden, wenn der Inkassoerlös von einer Sicherheitenabsprache erfasst ist4.

4.164

In Betracht kommt in erster Linie eine Sicherungsabtretung der Forderungen des Einreichers aus dem Grundgeschäft mit dem Bezogenen, die nach Nr. 15 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 25 Abs. 2 AGB Sparkassen) oder durch einen gesonderten Sicherungsabtretungsvertrag vollzogen sein kann. Wenn dies geschehen ist, könnte die Einreicherbank auch im Falle eines nachfolgenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Einreichers die Forderung einziehen und sich aus dem Erlös befriedigen5. Zahlt der Bezogene an die Inkassobank und leitet die Inkassobank den Erlös erst nach Insolvenzeröffnung über das Ver-

4.165

1 So schon Liesecke, Die Stellung der kreditgebenden Bank beim Dokumenten-Inkasso und Dokumenten-Akkreditiv, FS Fischer, 1982, 397 zu § 55 Satz 1 Nr. 1 KO. 2 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI B. § 15 KO 2.85 Obermüller; BGH v. 1.6.1978 – III ZR 44/77, WM 1978, 1014; BGH v. 23.2.1989 – IX ZR 143/88, BGHZ 107, 88 = ZIP 1989, 453 = WuB VI B. § 55 Satz 1 Nr. 1 KO 1.89 Obermüller; BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080 = WM 1996, 2250. 3 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022 § 102 Rn. 57. 4 Zahn/Ehrlich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010, Rn. 3/50. 5 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 52; Seeger in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 7.294; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI B. § 15 KO 2.85 Obermüller; OLG Köln v. 25.5.1994 – 2 U 143/93, ZIP 1994, 1791 = WM 1994, 1877; OLG Hamburg v. 22.5.1996 – 5 U 278/95, WM 1997, 1773 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 13.5.1997 – IX ZR 177/96, WM 1997, 1774.

Ingelmann | 787

Vierter Teil Rz. 4.165 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

mögen des Einreichers an dessen Bank weiter, so kann der Insolvenzverwalter trotz des Aufrechnungsverbots nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht die Herausgabe verlangen. Denn dies würde zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse führen, die auf den Erlös keinen Anspruch hat, nachdem die Forderung aus dem Grundgeschäft auf die Bank übergegangen ist. Die Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft wird durch die Verfahrenseröffnung nicht etwa hinfällig. Zwar verlieren nach § 103 InsO die noch offenen Ansprüche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind, und die Erfüllungswahl hat zur Folge, dass die zunächst nicht durchsetzbaren Ansprüche die Rechtsqualität von originären Forderungen der und gegen die Masse erhalten und nur diese und nicht der Zessionar für solche Leistungen, welche nach Verfahrenseröffnung aus der Masse erbracht werden, die Gegenleistung beanspruchen kann1. Um einen solchen beiderseits nicht oder nicht vollständig erfüllten Vertrag handelt es sich aber dann nicht mehr, wenn der Einreicher mit der Aushändigung der Dokumente vor Verfahrenseröffnung seine vertraglich geschuldete Leistung bereits vollständig erbracht hat. Die Bank kann demgemäß den Erlös zur Rückführung ihrer Forderung verwenden.

4.166

Sind der Bank die Dokumente – sofern es sich um Traditionspapiere handelt – oder die Ware zur Sicherung übereignet, so kann sie den Erlös auch bei Eingang innerhalb der Anfechtungsfristen zur Rückführung ihrer Forderungen verwenden. Die Verrechnung kann nicht angefochten werden. Denn es fehlt an einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, wenn die Sicherungsübereignung unanfechtbar vollzogen ist2. Die Verrechnung stellt nur einen buchungstechnischen Vorgang ohne selbständige rechtliche Bedeutung dar3.

4.167

Da die Sicherungslücke für die Einreicherbank nach Auslieferung der Inkassodokumente darauf beruht, dass im Gegensatz zum Akkreditiv ein Anspruch des Einreichers auf Herausgabe des Inkassoerlöses erst bei Zahlungseingang begründet wird und die Bank an diesem gegen sie gerichteten Anspruch nach Nr. 14 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen) vor diesem Zeitpunkt kein Pfandrecht erwerben kann4, wird manchmal überlegt, ob die Einreicherbank schon vorher ein Schuldversprechen gegenüber dem Einreicher abgibt5. An der Forderung des Einreichers aus dem Schuldversprechen kann die Bank nach Nr. 14 Abs. 1 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen) ein Pfandrecht erwerben, aufgrund dessen sie sich aus dem Inkassoerlös wegen ihrer Forderungen gegen den Einreicher befriedigen kann. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass das Pfandrecht noch in unanfechtbarer Weise bestellt wurde.

1 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZInsO 2002, 577; s. auch Besprechung von Graf/Wunsch ZIP 2002, 2117; BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, ZIP 2003, 1208; BGH v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZIP 2006, 87. 2 Nielsen ZIP 1985, 777; vgl. BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334; BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, ZIP 1983, 961 und die Parallele im Scheckinkasso (oben Rn. 3.353 f.). 3 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI B. § 15 KO 2.85 Obermüller; OLG Hamburg v. 22.5.1996 – 5 U 278/95, WM 1997, 1773 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 13.5.1997 – IX ZR 177/96, WM 1997, 1774. 4 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057. 5 Zur Problematik dieses Schuldversprechens vgl. im Einzelnen W. Obermüller FS Bärmann, 1975, 727 ff.; Liesecke, Die Stellung der kreditgebenden Bank beim Dokumenten-Inkasso und Dokumenten-Akkreditiv, FS Fischer, 1982, 397; Menkhaus, Kreditsicherung beim Dokumenteninkasso, Diss. Köln 1984, S. 161 ff.

788 | Ingelmann

B. Dokumenteninkasso | Rz. 4.173 Vierter Teil

2. Auftragserteilung und Dokumentenübergabe nach Verfügungsverbot Wenn das Gericht auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst einmal nähere Ermittlungen anordnet, kann es alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 InsO). Das Gericht kann insbesondere ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen, einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Von der Art dieser Anordnungen hängen auch die Möglichkeiten des Bankkunden zur Erteilung neuer Inkassoaufträge und das Recht und die Pflicht der Bank zur Abwicklung bestehender Inkassoaufträge ab.

4.168

a) Allgemeines Verfügungsverbot Nach Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots wird die Bank einen neuen Inkassoauftrag des Kunden nicht mehr annehmen.

4.169

b) Vorläufiger Verwalter mit Verfügungsverbot Die Rechte und Pflichten des vorläufigen Verwalters unterscheiden sich danach, ob dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird oder ob dies nicht der Fall ist. Wird ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO).

4.170

Allein der vorläufige Verwalter ist jetzt berechtigt, neue Inkassoaufträge zu erteilen und die weitere Abwicklung schon vorliegender, aber noch nicht durch Eröffnung oder Bestätigung des Inkassos ausgeführter Aufträge zu verlangen. Ihren Aufwendungsersatzanspruch aus derartigen Inkassi kann die Bank als Masseforderung (§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO) geltend machen bzw. unbehelligt von den Aufrechnungsverboten der §§ 94 ff. InsO – sie gelten nicht für Massegläubiger – auf vorhandene Guthaben des Kunden zurückgreifen.

4.171

c) Vorläufiger Verwalter ohne Verfügungsverbot Ohne ein Verfügungsverbot geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf den vorläufigen Verwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO), selbst wenn das Gericht einen Zustimmungsvorbehalt angeordnet hat. Daher kann der Verwalter ohne Zustimmung des Kunden Inkassoaufträge weder erteilen noch widerrufen. Diese Rechte sind vielmehr bei dem Kunden verblieben; die Bank wird jedoch sorgsam prüfen, ob es angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse noch vertretbar ist, von ihm neue Inkassoaufträge entgegenzunehmen.

4.172

3. Inkassoaufträge nach Verfahrenseröffnung Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Kunden über sein Vermögen auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Damit obliegt die Erteilung eines Inkassoauftrags dem Insolvenzverwalter. Reicht trotzdem der Kunde der Bank die Dokumente ein, so kann die Bank an diesen Dokumenten – selbst wenn es sich um Traditionspapiere handelt – kein Pfandrecht mehr erwerben (§§ 81, 91 InsO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Bank die Insolvenzeröffnung bekannt war, denn Schutzvorschriften zugunsten des gutgläubigen Erwerbers gibt es nur im Falle der Übertragung von Grundstü-

Ingelmann | 789

4.173

Vierter Teil Rz. 4.173 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

cken und Rechten an Grundstücken sowie an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken, aber nicht an beweglichen Sachen und Traditionspapieren.

4.174

Wenn der Bank die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Einreichers nicht bekannt war und sie deshalb den Inkassoauftrag annimmt und durchführt, so muss sie den Inkassoerlös an den Insolvenzverwalter abführen. Von dieser Verpflichtung wird sie jedoch frei, wenn sie in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung an den Einreicher zahlt (§ 82 InsO).

4. Besonderheiten bei Akzept von Wechseln 4.175

Während die Bank bei Inkassoaufträgen, nach denen die Dokumente nur gegen Zahlung auszuhändigen sind, sich unter bestimmten Umständen aus dem Inkassoerlös für ihre Forderungen aus einer etwaigen Bevorschussung des Inkassoauftrags oder aus sonstigen Geschäften befriedigen kann (s. Rn. 4.139 ff.), erhebt sich die Frage, ob sie auch dann eine Sicherheit erwerben kann, wenn der Bezogene nicht sofort Zahlung zu leisten hat, sondern stattdessen einen Zielwechsel akzeptieren soll.

4.176

Wenn der Bezogene gegen Empfang der Dokumente den Wechsel akzeptiert, so wird dadurch für ihn eine selbständige wechselrechtliche Zahlungsverpflichtung begründet (Art. 28 WG). Wird der Wechsel – wie üblich – an die Einreicherbank giriert oder lautet er an deren Order, so ist sie formell Wechselinhaberin und somit Gläubigerin der verbrieften Wechselforderung1. Im Innenverhältnis zu dem Einreicher erhält die Bank jedoch nur die Stellung einer Pfandgläubigerin2. Dass die Einreicherbank zur Zeit der Akzeptleistung keinen unmittelbaren Besitz an den Wechseln hat, hindert die Entstehung eines Pfandrechts nicht, denn die Inkassobank verschafft ihr den mittelbaren Besitz, der für die Entstehung des Pfandrechts ausreicht3.

4.177

Aufgrund ihres Pfandrechts kann sich die Bank auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots wegen ihrer Forderungen aus einer Bevorschussung der Inkassodokumente oder sonstigen Geschäften befriedigen, vorausgesetzt, dass das Pfandrecht nicht nach den Regeln der §§ 129 ff. InsO angefochten werden kann bzw. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Anordnung eines Verfügungsverbots dem Erwerb nicht entgegenstehen. Dies hängt davon ab, ob die Forderung, für die der Wechsel akzeptiert wurde, bei dem Inkassoauftraggeber verblieben ist oder der Bank zur Sicherung ihrer Forderungen aus der Bevorschussung abgetreten wurde. a) Wechsel für sicherungshalber abgetretene Forderung

4.178

Wenn die Forderung, für die der Wechsel akzeptiert wurde, der Bank zur Sicherung ihrer Ansprüche aus der Bevorschussung abgetreten wurde, ist der Erwerb des Wechsels durch die Bank weder anfechtbar4 noch verstößt dies gegen das Verfügungsverbot über Gegenstände, die zur Insolvenzmasse gehören (§ 91 InsO).

1 Kümpel, Die Bevorschussung von Inkassodokumenten, 1968, S. 39. 2 KG v. 13.5.1959 – 10 U 406/59, NJW 1959, 2019; T. Fischer in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 59. 3 RG v. 22.10.1927 – I 125/27, RGZ 118, 253; vgl. im Einzelnen Kümpel, Die Bevorschussung von Inkassodokumenten, 1968, S. 39 ff. 4 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 60.

790 | Ingelmann

B. Dokumenteninkasso | Rz. 4.181 Vierter Teil

Die Anfechtbarkeit ist stets ausgeschlossen, wenn die Forderung, deretwegen der Wechsel akzeptiert wurde, der Bank zur Sicherheit abgetreten war, die Bank durch die Verrechnung also nur das erhalten hat, was ihr aufgrund der Sicherungszession ohnehin zugestanden hätte1. Denn alle Anfechtungstatbestände setzen voraus, dass die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit objektiv benachteiligt sind2. Hieran fehlt es, wenn ein Gläubiger Befriedigung oder Deckung erhält, die nach der besonderen Fallgestaltung auch der Insolvenzverwalter hätte gewähren müssen3. Demgemäß liegt auch in der Herausgabe einer Sache, die hätte ausgesondert werden können, keine Gläubigerbenachteiligung4. Hätte der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung die zur Sicherung abgetretene Forderung eingezogen, so wäre die Bank entsprechend § 48 InsO zur Ersatzaussonderung berechtigt gewesen5.

4.179

Leistet der Bezogene das Akzept erst nach Insolvenzeröffnung, so steht dem Erwerb eines Sicherungsrechts der Einreicherbank die Vorschrift des § 91 InsO nicht entgegen6. Danach können Rechte an den zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenständen nach Verfahrenseröffnung nicht mehr mit Wirksamkeit gegenüber den Insolvenzgläubigern erworben werden. Zur Insolvenzmasse gehört die Forderung aus dem Wechselakzept nur dann, wenn der Wechsel erfüllungshalber für eine Forderung akzeptiert wurde, die in die Insolvenzmasse fällt7. Dies ist nicht der Fall, wenn die Forderung aus dem Grundgeschäft schon vor der Insolvenzeröffnung wirksam an die Bank abgetreten worden ist.

4.180

Die Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Grundgeschäft schließt eine Anfechtung des Erwerbs eines Wechsels über den Forderungsbetrag nur dann aus, wenn die Sicherungsabtretung durch die Verfahrenseröffnung nicht etwa hinfällig geworden ist. Zwar verlieren bei einem Vertrag, der vom Schuldner und seinem Vertragspartner bei Verfahrenseröffnung nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, durch die Verfahrenseröffnung die noch offenen Ansprüche ihre Durchsetzbarkeit8, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind9. Um einen solchen beiderseits nicht oder nicht vollständig erfüllten Vertrag handelt es sich aber dann nicht mehr, wenn der Einreicher mit der Aushändigung der Dokumente vor Verfahrenseröffnung seine vertraglich geschuldete Leistung bereits vollständig erbracht hat.

4.181

1 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZInsO 2002, 1136; BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061; BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 318/99, ZInsO 2000, 101; BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653. 2 RG v. 3.2.1905 – VII 497/04, RGZ 60, 109; RG v. 8.4.1902 – VII 35/1902, Gruchot 46, 1111; RG JW 1899, 540; BGH v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 347; BGH v. 5.12.1985 – IX ZR 165/ 84, ZIP 1986, 452 = WM 1986, 296 = WuB VI B § 29 KO 1–86 Johlke; BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512 = ZInsO 2004, 859. 3 BGH v. 24.11.1959 – VIII ZR 220/57, WM 1960, 377; BGH v. 24.10.1962 – VIII ZR 126/61, KTS 1962, 252. 4 BAG v. 29.7.1967 – 3 AZR 55/66, BAGE 20, 11; BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985, 364; s. auch BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, ZIP 1985, 1126 = WM 1985, 1057 = WuB VI B § 15 KO 2.85 Obermüller. 5 So zu der mit § 48 InsO weitgehend übereinstimmenden Vorschrift des § 46 KO: BGH v. 14.2.1957 – VII ZR 250/56, BGHZ 23, 317; BGH v. 30.10.1967 – VIII ZR 176/65, WM 1967, 1213. 6 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 60. 7 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 1 Rn. 145. 8 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZInsO 2002, 577; s. auch Besprechung von Graf/Wunsch ZIP 2002, 2117; BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, ZIP 2003, 1208; BGH v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZIP 2006, 87. 9 S. Übersicht bei Smid NZI 2004, 1.

Ingelmann | 791

Vierter Teil Rz. 4.182 | Akkreditiv- und Dokumentengeschäft

b) Wechsel ohne sicherungshalber abgetretene Forderung

4.182

Wenn die Bank die Forderungen, deretwegen der Wechsel akzeptiert wurde, nicht im Wege der Sicherungsabtretung für ihre Ansprüche aus der Bevorschussung erworben hat, ist die Übertragung eines Wechsels, die vor der Verfahrenseröffnung vorgenommen wurde, dem Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters ausgesetzt. Für die Anfechtbarkeit gelten die gleichen Grundsätze wie für die Anfechtung der Verrechnung des Inkassoerlöses (s. Rn. 4.153 ff.). Nach Verfahrenseröffnung kann die Bank keinen Wechsel bzw. kein Pfandrecht an Wechseln, die für Forderungen ihres Kunden akzeptiert werden, mehr erwerben1. Ein Wechselakzept gehört nämlich zur Insolvenzmasse, wenn der Wechsel erfüllungshalber für eine Forderung akzeptiert wurde, die in die Insolvenzmasse fällt2.

1 T. Fischer in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 102 Rn. 60. 2 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1977, § 1 Rn. 145.

792 | Ingelmann

Fünfter Teil Kreditgeschäft „Die Quelle der Konkurse ist der Kredit“ beginnt Leopold Levy sein Lehrbuch über das Konkursrecht1. In den Motiven zur Konkursordnung heißt es: „Wo es keinen Kredit gibt, da ist überhaupt ein Konkurs kaum denkbar“2. Daraus den Schluss zu ziehen, um Insolvenzen zu vermeiden, dürfe man eben keine Kredite mehr geben, wäre aber verfehlt und würde weder der Intention der genannten Verfasser entsprechen noch wäre dies (damals und heutzutage) volkswirtschaftlich erwünscht: Ohne Kredit gäbe es keine Insolvenz, aber auch keine prosperiende Wirtschaft3. Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung4 hat zwar in seinen Ausführungen zur Funktionsunfähigkeit des Konkursrechts diese nicht explizit mit konkreten Ursachen wie Kreditvergaben verknüpft5; dennoch lässt sich z.B. der Begründung für die Einbeziehung der gesicherten Gläubiger deutlich entnehmen6, dass als Quelle eines Konkurses bzw. nun einer Insolvenz immer noch der (Geld- bzw. Waren-)Kredit angesehen wird. Wenn der Kredit die Quelle der Insolvenzen und damit zwangsläufig mit einem besonderen Risiko für den Kreditgeber belastet ist7, muss der Kreditgeber diesem Risiko Rechnung tragen. Dazu muss er in erster Linie die Bonität des Kreditnehmers sorgfältig prüfen und danach ggf. werthaltige Sicherheiten hereinnehmen8.

5.1

Ein Risiko liegt aber nicht nur in der Gefahr, dass der Kreditnehmer zur Rückzahlung nicht in der Lage sein wird, vielmehr muss im Kreditgeschäft und bei der Sicherheitenbestellung noch eine weitere Komponente berücksichtigt werden, nämlich das Verhältnis der Bank zu dritten Gläubigern; diese können unter Umständen Schadenersatzansprüche gegen die Bank erheben, wenn diese vor allem (kriselnde) Unternehmen, mit denen Gläubiger weiterhin in Geschäftsverbindung stehen, durch (weitere) Kredite zu lange am Leben hält, ohne dessen Insolvenz endgültig abzuwenden (vgl. dazu z.B. weiter Rn. 5.281 ff.).

5.2

Bei der rechtlichen Würdigung dieser Vorgänge muss ein längerer Zeitraum in Betracht gezogen werden. Unabhängig vom Beginn der Fristen für die verschiedenen Arten der Insolvenzanfechtung können schon in einem längeren, nicht genau abschätzbaren Zeitraum vorher Handlungen vorgenommen werden, die bei einer späteren Insolvenz Ansprüche Dritter auslösen. Diese Ansprüche können unabhängig davon entstehen, ob später ein Insolvenz-

5.3

1 2 3 4 5

Levy, Konkursrecht, 2. Aufl. 1926, S. 2. Hahn, Die gesamten Materialien zur Konkursordnung, 1881, S. 292. Pape/Laroche/Grote ZIP 2020, 1805 (1808). Insolvenzordnung v. 5.10.1994, BGBl. I 1994, 2866. Vgl. nur Allgemeiner Teil der Begründung zum RegE der InsO, abgedr. in Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 4. 6 Allgemeiner Teil der Begründung zum RegE der InsO, abgedr. in Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 24: „... der langfristige Trend zu immer höheren Verschuldungsgraden...“. 7 Uhlenbruck FS Vieregge, 1996, S. 883 (885). 8 Dies gilt für jeden Kreditgeber, also auch für den Warenkreditgläubiger; nachstehend wird es nur noch um Geldkredit- und Haftungskreditgläubiger gehen, d.h. die Kreditinstitute, die die einschlägigen Bankgeschäfte betreiben (vgl. auch § 1 KWG). Damit sind die klassischen (Volks-)Banken (s. auch § 39 KWG) und Sparkassen (s. auch § 40 KWG) und ggf. Spezialinstitute gemeint. Im Text dieses Teils werden die Begriffe „Kreditinstitut“ und „Bank“ synonym verwendet.

Huber | 793

Fünfter Teil Rz. 5.3 | Kreditgeschäft

verfahren eröffnet und durchgeführt oder ob es mangels Masse nicht eröffnet oder wieder eingestellt wird. Daran hat auch die seit dem 1.1.2021 geltende neue Restrukturierungsoption1 für „nur“ drohend zahlungsunfähige Unternehmen grundsätzlich nichts geändert.

5.4

Demgemäß ist zu unterscheiden zwischen – dem Kreditgeschäft während der Krise, d.h. einem Zeitraum vor Insolvenzantragstellung, insbesondere also (auch) vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, in dem sich die Insolvenzreife des Unternehmens aber schon abzeichnet, – dem Kreditgeschäft nach Insolvenzantragstellung bzw. im eröffneten Insolvenzverfahren und – der Bestellung von Sicherheiten in den genannten Zeiträumen.

5.4a

Auch wenn die Insolvenzantragstellung als „Grenze“ zwischen den genannten Zeiträumen bestimmt wird, heißt dies nicht, dass nicht bereits vor der Insolvenzantragstellung insolvenzrechtliche Regelungen relevant werden können. Gerade das Insolvenzanfechtungsrecht kann deutliche Vorwirkungen auf das Kreditgeschäft (inkl. Besicherungen) vor der Insolvenzantragstellung haben, d.h. derartige Vorwirkungen sollten bei einem Kredit bzw. einer Besicherung rechtzeitig bedacht werden. Die Auswirkungen der Insolvenzordnung auf den Zeitraum vor der Insolvenzantragstellung wird bei den nachstehenden Ausführungen jeweils berücksichtigt werden.

5.5

Der Begriff „Krise“ ist soeben im Zusammenhang mit dem Zeitraum vor der Insolvenzantragstellung erwähnt worden. Dieser Begriff ist in der Gesellschaft zu einem Modewort geworden, der in sehr vielen Bereichen des Lebens ohne genauere Definition benutzt wird2, z.B. als Krise eines Einzelnen, einer Volkswirtschaft, einer spezifischen Branche, der Gesellschaft oder eines ganzes Staatswesens3. Der Krisenbegriff kann sich aber auch auf eine einzelne Unternehmung beziehen; in diesem Sinne wird er im Folgenden gebraucht und auch näher eingegrenzt (vgl. Rn. 5.8 ff.). Auf den Verbraucherkunden wird erforderlichenfalls gesondert eingegangen.

5.6

Außerdem sind Sonderprobleme wie die Rechtsprechung und Gesetzgebung zu Gesellschafterdarlehen, die Haftung aus faktischer Geschäftsführung4 oder anderen gesellschaftsrechtlichen Aspekten wie § 117 AktG, insbesondere der Existenzvernichtungshaftung5 und des Ein-

1 Eingeführt durch Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. Diese neue Restrukturierungsoption wird nachstehend erörtert, soweit sie für das „Kreditgeschäft“ relevant ist. 2 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 5; Küting BB 2009, 1742. 3 S. auch BGH v. 12.1.2022 – XII ZR 8/21, ZIP 2022, 175 (180, Rn. 55: COVID-19-Pandemie als „Systemkrise“); Küting BB 2009, 1742 m.w.N.; Martin Obermüller, Möglichkeiten und Grenzen des Genussrechts als Sanierungsinstrument, 2008, S. 25 ff. 4 Zum Begriff des faktischen Geschäftsführers s. z.B. BGH v. 11.6.2013 – II ZR 389/12, ZIP 2013, 1519 = NJW 2013, 3303 (3305, Rn. 23); BGH v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, ZIP 2005, 1414 = WM 2005, 1606 (1607 f.); BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, ZIP 1988, 771 = NJW 1988, 1789 f. 5 Dazu z.B. BGH v. 24.7.2012 – II ZR 177/11, ZIP 2012, 1804 = WM 2012, 1779 (1781, Rn. 21 m.w.N.); Haas/Kolmann/Kurz in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 90 Rn. 405 ff. m.w.N.

794 | Huber

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.9 Fünfter Teil

griffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu beachten1. Es würde zu weit führen, auf alle diese Haftungstatbestände einzugehen; deshalb soll lediglich die Thematik der Gesellschafterdarlehen erörtert werden, die nunmehr im Insolvenzrecht verankert ist (s. im Einzelnen Rn. 5.876 ff.).

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen Ein Kreditinstitut kann sich nur dann auf die Krise eines (Unternehmens-)Kunden einstellen, wenn es zum einen weiß, was eine „relevante“ Krise ist, d.h. der wirtschaftlich „kranke“ Zustand eines Unternehmens, der dem Kreditinstitut – mittlerweile, d.h. seit dem StaRUG2, allerdings auch dem kriselnden Unternehmen3 – einerseits aus dieser Krisensituation resultierende Handlungsoptionen gerade bei gewährten Krediten eröffnet4 und andererseits weiteres Handeln die Berücksichtigung spezifischer Bestimmungen sei es gesetzlicher Art oder sei es von der Rechtsprechung entwickelter spezifischer Anforderungen erfordert5. Zum anderen muss das Kreditinstitut die Krise und die drohende Insolvenz überhaupt erkennen können. Ohne diese Grundvoraussetzungen kann es nicht darüber nachdenken, welche Maßnahmen es ergreifen sollte und welcher rechtliche Rahmen dafür besteht. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Kreditinstitut grundsätzlich keinen Einblick in die Buchhaltung des Kunden hat und so z.B. nicht beurteilen kann, ob er zahlungsunfähig ist oder nicht. Es muss also andere Kriterien geben, die möglichst früh eine Krise erkennen lassen.

5.7

I. Zum Begriff der „Krise“ Obwohl somit von ganz erheblicher Bedeutung sein kann, was eine „Krise“ eines Unternehmenskunden6 ist, verstehen die beiden für diese Thematik relevanten Disziplinen, die Betriebswirtschaftslehre und die Rechtswissenschaft, den Begriff unterschiedlich, wenn sie „Krise“ überhaupt definieren7.

5.8

Der rechtliche Krisenbegriff war für das Eigenkapitalersatzrecht bis 2008 legaldefiniert als „Zeitpunkt, in dem ihr (= der Gesellschaft) die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten“8. Für diesen Zeitpunkt, zu dem die Gesellschafter hätten handeln müssen, hat die Rechtsprechung den Begriff der Kreditunwürdigkeit geschaffen; damit war der Zeitpunkt definiert, zu dem die Gesellschaft von dritter Seite keinen Kredit mehr zu marktüblichen Bedingungen erhalten konnte und demzufolge ohne die Gesellschafterleistung hätte liquidiert werden müssen9. In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung auch da-

5.9

1 S. auch den Überblick zu diesen Problembereichen bei Hoffmann WM 2012, 10 ff. 2 Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 3 Zum StaRUG – aus der Sicht des Kreditinsituts – vgl. Rn. 5.95. 4 Vgl. dazu Rn. 5.62 ff. 5 Vgl. dazu Rn. 5.79 ff. 6 Zur „Krise“ des Verbraucherkunden siehe Rn. 5.16. 7 Huber NZI 2015, 447 f.; Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 5. 8 Vgl. § 32a Abs. 1 GmbHG in der bis zu seiner Aufhebung durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026 geltenden Fassung. 9 BGH v. 23.1.2018 – II ZR 246/15, ZIP 2018, 576 = WM 2018, 562 (563, Rn. 15); BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, ZIP 1980, 361 = NJW 1980, 1524 (1525).

Huber | 795

Fünfter Teil Rz. 5.9 | Kreditgeschäft

rauf hingewiesen, dass Kreditunwürdigkeit vorliegen kann, ohne dass das Unternehmen „bereits in einer Konkurslage“1 sei, d.h. also bevor eine Insolvenzantragstellung verpflichtend ist; denn „eine Krise liegt vor, wenn die Gesellschaft insolvenzreif oder kreditunwürdig ist“2. Auch wenn die Legaldefinition heute nicht mehr im Gesetz steht, dürften die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien, die de iure den Eintritt der Unternehmenskrise auf einen Zeitpunkt vor die Antragspflicht legen, heute noch von grundsätzlicher Bedeutung sein3; auch der Gesetzgeber hat die Restrukturierungsoption des StaRUG in die Zeit vor der Antragspflicht gelegt und lässt sie mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit beginnen (§ 29 Abs. 1 StaRUG)4. Demzufolge dürfte nach der Rechtsprechung dieser Zeitpunkt als eher insolvenznah zu verstehen sein5.

5.10

Neben dieser (früheren) Legaldefinition und ihrer Auslegung durch die Gerichte hat die Rechtsprechung besondere Pflichten eines Kreditinstituts in der Krise entwickelt, insbesondere wenn es weiterhin Kredit gewähren will6; fraglich ist somit, ob den Entscheidungen, in denen diese „Anforderungen“ entwickelt wurden, bzw. den zugrunde liegenden Szenarien zu entnehmen ist, was die Rechtsprechung unter „Krise“ versteht bzw. wie sie sie eingrenzt? So ging es beispielhaft bei dem jeweiligen Unternehmen darum, dass „die Gefahr des baldigen Zusammenbruchs“ nahegelegen haben könnte7, ob es „vor dem Zusammenbruch“ stand8, dass es „objektiv unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit“ stand9, dass es „zahlungsfähig“ war und sich seine Kreditwürdigkeit darauf gründete, dass es für die Betriebsmittelkredite Sicherheiten am Umlaufvermögen stellen konnte10, ob „der wirtschaftliche Zusammenbruch ... absehbar“ war11 bzw. ob es „insolvenzreif“ war12. Ähnlich wie bei der Rechtsprechung zur Kreditunwürdigkeit liegt eine Krise also nicht erst bei der Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung vor, sondern sie ist schon vorher anzunehmen, wenn dem Unternehmen also bis zur Insolvenzanmeldungspflicht noch eine gewisse Karenzzeit verbleibt. Krise im Sinne der Rechtsprechung ist also ein insolvenznahes Szenario13, ohne dass zu dieser Karenzzeit etwas Genaueres gesagt wird.

5.11

Ein Blick in das Aufsichtsrecht bzw. die auf § 25a KWG zurückzuführenden „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“14 hilft ebenfalls nicht weiter. In ihrem Rundschreiben 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

13 14

BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, ZIP 1980, 361 = NJW 1980, 1524. So BGH v. 23.1.2018 – II ZR 246/15, ZIP 2018, 576 = WM 2018, 562 (563, Rn. 15 m.w.N.). Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 9 m.w.N. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 131 f.; s. auch Haffa/Schuster in Braun, StaRUG, 2021, § 29 Rn. 12 ff. Huber ZInsO 2018, 1761 (1763); Huber NZI 2015, 447 (448). Diese besonderen Pflichten werden in Rn. 5.149 ff. dargestellt. BGH v. 14.11.1983 – II ZR 39/83, ZIP 1984, 37 = NJW 1984, 728 (729). BGH v. 11.11.1985 – II ZR 109/84, ZIP 1986, 14 = NJW 1986, 837 (841); auf S. 838 wird auch vom „Hinausschieben des Konkurses“ gesprochen. BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630 = NJW 1995, 1668. OLG Köln v. 27.2.1981 – 22 U 117/79, WM 1981, 1238 (1239). OLG Köln v. 9.1.2002 – 13 U 22/01, ZIP 2002, 521 = WM 2003, 1070 (1071). OLG Köln v. 3.4.2009 – 6 U 80/08, BeckRS 2010, 03013, wobei der Senat zu Beginn der Entscheidung bei der abstrakten Darlegung der Rechtslage annimmt, dass „die Hausbank in eine Konfliktlage“ gerät, wenn sich ein Unternehmen „in wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ befindet und ihm „ohne neue Kredite die Insolvenz“ droht. Vgl. auch Urlaub/Kamp, ZIP 2014, 1465 (1466). BaFin-Rundschreiben 10/2021 v. 16.8.2021 „Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk“, abrufbar unter www.bafin.de.

796 | Huber

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.14 Fünfter Teil

legt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) lediglich fest, dass seitens eines Kreditinstitutes „Kriterien festzulegen (sind), die die Abgabe eines Engagements an die auf die Sanierung beziehungsweise Abwicklung spezialisierten Mitarbeiter oder Bereiche beziehungsweise deren Einschaltung regeln.“1 Ferner hat ein Kreditinstitut für den Fall, dass es „die Begleitung einer Sanierung in Betracht (zieht), ... sich ein Sanierungskonzept zur Beurteilung der Sanierungsfähigkeit des Kreditnehmers vorlegen zu lassen und auf dieser Grundlage ein eigenständiger Urteil darüber zu treffen, ob eine Sanierung erreicht werden kann.“2 In ihrem Rundschreiben erklärt sich die BaFin (verständlicherweise) somit nicht zur Frage, wann eine Krise vorliegt, sondern setzt sie als gegeben voraus, um für diesen Fall vom Kreditinstitut die Festlegung von Kriterien für die Behandlung von Krediten, die das Kreditinstitut an den kriselnden Unternehmenskunden gewährt hat, zu verlangen. Die Betriebswirtschaftslehre definiert dagegen die Krise durch diverse „Krisenszenarien“ erheblich weiter; so beginnt eine Krise deutlich vor der Antragspflicht, wenn ein Unternehmen z.B. ohne Gegensteuern eine „strategische Krise“ und eine „Erfolgskrise“ vor der „Liquiditätskrise“ durchläuft, bis es dann in der Insolvenz endet3. Der IDW-Standard 6 weist mit der „Stakeholderkrise“ und der „Produkt- und Absatzkrise“ noch 2 weitere Krisenstadien vor der Insolvenz aus4. Gerade in den ersten Szenarien einer so verstandenen Krise dürfte ein Unternehmen noch deutlich entfernt von einem für ein Kreditinstitut relevanten Krisenstadium sein, d.h. ein Stadium, bei dem ein Kreditinstitut aus Rechtsgründen sich mit Handlungsoptionen befassen kann oder sich mit den ihm auferlegten besonderen Pflichten befassen muss5.

5.12

Für ein einzelnes Unternehmen einen Krisenzustand zu fassen, ist also nicht leicht; auch insoweit ist der Begriff der Krise schillernd6. So umfasst sie gerade bei einem betriebswirtschaftlichen Ansatz Lebenszyklen eines Unternehmens, die von einer Insolvenzreife noch so weit entfernt sind, dass aus Sicht eines Kreditinstituts an einen (außergerichtlichen) „klassischen Sanierungsfall“ z.B. bei einer Finanzierung dieses Kunden nicht zwingend gedacht werden muss; nimmt man z.B. die Krisenszenarien des IDW S 6, so können „insb. die Stadien der Stakeholder-, Strategie- sowie Produkt und Absatzkrisen ... Folge einer falschen Personalmanagementstrategie“7 sein, was aus der Sicht eines finanzierenden Kreditinstituts nicht als der soeben genannte „Klassiker“ einzuordnen sein dürfte, während dies bei einer Liquiditätskrise ganz anders ist.

5.13

Letztlich sollte für die Antwort auf die Frage, wann eine Krise so weit gediehen ist, dass sie für ein Kreditinstitut relevant ist, d.h. dass es deshalb nunmehr Handlungsoptionen hat bzw. es

5.14

1 BaFin-Rundschreiben 10/2021 v. 16.8.2021 „Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk“, BTO 1.2.5 Nr. 1 S. 1, abrufbar unter www.bafin.de. Als Vorstufe kann eine „Intensivbetreuung“ (BTO 1.2.4) relevant werden; der Begriff bzw. die BaFin-Erläuterungen in BTO 1.2.4 geben ebenfalls keinen Anhaltspunkt, welche Voraussetzungen dafür verlangt werden. 2 BaFin-Rundschreiben 10/2021 v. 16.8.2021 „Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk“, BTO 1.2.5 Nr. 3, abrufbar unter www.bafin.de. 3 Dazu Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 6 m.w.N. 4 Vgl. IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6) mit Stand 16.5.2018, Nr. 2.2. In der Vorgängerfassung mit Stand 20.8.2012, Nr. 3.4. waren die Krisenstadien näher erläutert, was der mit der Neufassung angestrebten Straffung des IDW S 6 zum Opfer gefallen ist. 5 Huber ZInsO 2018, 1761 (1764); Huber NZI 2015, 447 (448). 6 Huber ZInsO 2018, 1761 (1763); Huber NZI 2015, 447 (448). 7 So der (in der aktuellen Fassung gestrichene) einschlägige Hinweis in IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6) mit Stand 20.8.2012, Nr. 3.4., Rn. 63.

Huber | 797

Fünfter Teil Rz. 5.14 | Kreditgeschäft

ohne die geforderten besonderen Prüfungsanforderungen „gefährlich“ werden könnte, grundsätzlich auf die Rechtsprechung abgestellt werden, d.h. auf eine insolvenzrechtliche Krise und den unmittelbaren Zeitraum vor der Insolvenzantragspflicht. Allerdings liegt darin auch die Gefahr: die Rechtsprechung stellt auf einen „Zeitraum“ vor einer Antragspflicht ab, ohne ihn einzugrenzen und sie hat davon gesprochen hat, dass ein Kreditinstitut ein Unternehmen auch „wirklich“1 sollte sanieren wollen – und dafür benötigt man eine gewisse und oft auch längere Zeit. Von daher hat sich in der rechtswissenschaftlichen Literatur herauskristallisiert, den Zeitraum über die Insolvenzreife hinaus weiter zu fassen und darauf abzustellen, ob ein Unternehmen „sanierungsbedürftig“ ist, sich also in einem fortgeschrittenen krisenhaften Stadium befindet, ohne dass es direkt vor dem unmittelbaren Zusammenbruch steht. Danach liegt Sanierungsbedürftigkeit vor, wenn ein Unternehmen ohne insbesondere finanzielle Stützungsmaßnahmen nicht mehr erfolgreich weitergeführt werden kann und die für die Abdeckung der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden kann2. Man sollte sie bereits dann annehmen, wenn abzusehen ist, dass – falls sich die derzeitige Entwicklung fortsetzt – das Unternehmen in gewisser Zeit zahlungsunfähig oder überschuldet sein wird, und wenn eine rechtzeitige Änderung dieser Entwicklung nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist3. Auch wenn dies ebenfalls ein Ansatz ist, der Beurteilungsspielräume lässt, erweitert er die „Krise“ über die Insolvenzreife hinaus nach vorne; sie umfasst richtigerweise einen längeren Zeitraum, der von den Umständen des Einzelfalls abhängt.

5.15

Bei diesem Verständnis wird in vielen Fällen aus der Sicht des kriselnden Unternehmens neben einer „freien“ Sanierung (dazu im Einzelnen Rn. 5.96 ff.) seit dem 1.1.2021 auch eine Restrukturierung nach dem StaRUG (dazu im Einzelnen Rn. 5.95, Rn. 5.100, Rn. 5.102 und Rn. 5.264 ff.) relevant werden können, für das der Gesetzgeber als „Schwelle“ für ein „Eingreifen“ die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 29 Abs. 1 StaRUG)4 festgesetzt hat. Die erwähnte Einzelfallbetrachtung schließt aber eine freie Sanierung – außerhalb einer drohenden Zahlungsunfähigkeit5 oder weil das kriselnde (nicht insolvenzreife) Unternehmen sie anstrebt – nicht aus. Bei eingetretener Insolvenzreife, die innerhalb der gesetzlichen Insolvenzantragsfristen zulässigerweise beseitigt werden kann, dürfte eine freie Sanierung ebenfalls das Mittel der Wahl sein. Aus der Sicht eines Kreditinstituts ist auf jeden Fall festzuhalten, dass die nach Rn. 5.14 verstandene Krise und damit das relevante Krisenstadium, das vom Kreditinstitut neben der möglichen Eröffnung neuer Handlungsoptionen vorallem besondere Verhaltensmaßregeln fordert, sachgemäß verlängert und vorallem die besondere „Krisenhaftung“ (vgl. dazu Rn. 5.79 ff.) besser vermieden wird.

5.16

Diese Grundsätze können auf einen Verbraucherkunden nicht ohne Weiteres übertragen werden. Dieser kann natürlich ebenfalls in eine wirtschaftliche „Krise“ gelangen, die zu seiner Insolvenz führt. Die Ursachen können verschieden sein: Scheidung, Arbeitslosigkeit, schwere Krankheit, Unfall, Spielschulden, Steuersparmodelle, „Leben über die eigenen Verhältnisse“ etc. Eine Krise dürfte sicherlich vorliegen, wenn eine wesentliche Verschlechterung der wirt1 BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (234). 2 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 29; Huber ZInsO 2018, 1761 (1764); Huber NZI 2015, 447 (448 f.); Wenzel NZI 1999, 294; Neuhof NJW 1998, 3225 (3229). 3 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 29; Huber ZInsO 2018, 1761 (1764); Huber NZI 2015, 447 (449). 4 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 131 f.; s. auch Haffa/Schuster in Braun, StaRUG, 2021, § 29 Rn. 12 ff. 5 S. auch Drukarczyk/Schöntag in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 3.

798 | Huber

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.17 Fünfter Teil

schaftlichen Verhältnisse festgestellt werden kann oder – falls dies nicht zusammenfällt – ein Zahlungsverzug, der nach § 498 BGB zu einer Kündigung führen kann. Da in der Kreditpraxis aber nur bei einem Unternehmen die Frage nach der Sanierungsbedürftigkeit gestellt wird, ist dies bei einem Verbraucher irrelevant: wenn der Verbraucher in Zahlungschwierigkeiten gegenüber seinem kreditgebenden Kreditinstitut gerät, hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, was geschieht. Wenn seine Zahlungsschwierigkeiten ersichtlich vorübergehender Natur sind, wird er sich insbesondere zur Vermeidung von Fälligkeiten bei Festbetragsdarlehen mit seinem Kreditinstitut auf eine vertragliche Lösung wie z.B. Umschuldung in ein Darlehen mit geringerer Ratenhöhe oder eine Tilgungsstreckung einigen. Falls das Kreditinstitut diesbezüglich keine Chance sieht, wird es das Darlehen fristlos kündigen und versuchen, seinen Ausfall möglichst gering zu halten. In der Kreditpraxis haben sich insoweit strukturierte Bearbeitungsprozesse entwickelt, die dem Verbraucher zwar die soeben genannten Möglichkeiten eröffnen können, ihn aber grundsätzlich nicht – wie dies beim Unternehmerkunden sein kann – bei seiner Sanierung vor allem durch die Vergabe neuer Darlehen aktiv begleiten. Wegen dieses begrenzten Handlungsspektrums wird nachstehend auf den Unternehmerkunden abgestellt und der Verbraucherkunde nur erwähnt, wenn dies erforderlich wird.

II. Wege zur Früherkennung der Krise Für ein Kreditinstitut ist es – ebenso wie z.B. auch für die Lieferanten oder andere (Groß-) Gläubiger – weiterhin von ganz entscheidender Bedeutung, die Krise eines Kunden möglichst früh zu erkennen, um wirtschaftliche Verluste oder Rechtsverluste vermeiden oder zumindest minimieren zu können. Die rechtliche und betriebswirtschaftliche Literatur hat sich intensiv bemüht, Ansatzpunkte zur Früherkennung von Krisen bzw. Insolvenzen zu entwickeln1. Auch dem Gesetzgeber ist schon seit längerem bewusst, dass es Früherkennungssysteme geben sollte, um den Fortbestand einer Gesellschaft gefährdende Entwicklungen rechtzeitig erkennen zu können: demzufolge hat er schon vor einiger Zeit den Vorständen von Aktiengesellschaften explizit die Einführung sog. Früherkennungssysteme auferlegt (§ 91 Abs. 2 AktG)2 und nunmehr im StaRUG3, basierend auf der einschlägigen EU-Richtlinie4, Pflichten zu „Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern“ (so die Überschrift in § 1 StaRUG) aufgenommen5. Allerdings bleibt festzustellen, dass es nicht gelungen ist, für außenstehende Gläubiger wirklich zuverlässige Kriterien für eine um-

1 Vgl. z.B. Drukarczyk/Schöntag in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 10 ff. m.w.N.; Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, 6. Aufl. 2021, S. 27 ff.; Behringer, Unternehmenssanierung, 2017, S. 19 ff.; Krystek, Unternehmenskrisen, 1987, S. 121 ff. 2 Einzelheiten s. Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl. 2021, § 91 Rn. 4 ff.; im GmbHG fehlt eine entsprechende Regelung, diese Pflicht gilt aber sinngemäß für die Geschäftsführer einer GmbH, vgl. Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 43 Rn. 17; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 43 Rn. 31; Bunting ZIP 2012, 357 ff.; Drygala/Drygala ZIP 2000, 297 ff. 3 Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 4 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172 v. 26.6.2019, S. 18. 5 Vgl. dazu Ehret in Braun, StaRUG, 2021, § 1 Rn. 1 ff.

Huber | 799

5.17

Fünfter Teil Rz. 5.17 | Kreditgeschäft

fassende Krisenfrüherkennung zu ermitteln1; demzufolge haben zwar deutscher und EU-Gesetzgeber dies zwar postuliert, aber letztlich geben sie keine konkreten Handlungsanweisungen zur Umsetzung dieser Pflicht.

5.18

So gibt es z.B. für eine drohende Zahlungsunfähigkeit viele Anzeichen, die aber für sich allein selten zu dem Schluss zwingen, dass der Schuldner sich wirklich in einer existenzbedrohenden Krise befindet. Dabei sind die Erkenntnismöglichkeiten der Geschäftspartner sehr unterschiedlich, je nachdem, welchem Wirtschaftszweig sie angehören2. Ebenfalls von Bedeutung kann neben allgemein bekannten Informationen z.B. sein, wie intensiv Einblick in das „Zahlenwerk“ eines Unternehmens genommen werden kann, ob also wirtschaftliche Daten über die Unternehmensentwicklung Dritten und damit auch Banken bekannt gemacht werden (müssen) oder ob sie nur im Unternehmen bekannt sind3. Da es letztlich um die möglichst frühe Erkennbarkeit einer Krise anhand von zu interpretierendem „Zahlenmaterial“ des Unternehmens bzw. anderen Anzeichen aus dem oder über das Unternehmen geht, haben sich in der Vergangenheit beispielsweise für Warenlieferanten umfangreiche Indizienkataloge herausgebildet4, die für das Kreditgewerbe nur von geringer Bedeutung waren. Dennoch ist es auch für eine Bank von entscheidender Wichtigkeit, aus den ihr von ihrem oder über ihren Unternehmenskunden vorliegenden Informationen eine krisenhafte Entwicklung möglichst frühzeitig zu erkennen; dies wird insgesamt nur bei einer Gesamtbetrachtung aller verfügbaren Informationen über ein Unternehmen gelingen5. In dem Zusammenhang sei colorandi causa erwähnt, dass insoweit die Methode der Finanzverwaltung effektiv erscheint, mittels sog. Liquiditätsprüfungen im Betrieb frühzeitig Liquiditätsschwierigkeiten zu ermitteln, um mit Zwangsvollstreckungen anderen Gläubigern zuvorzukommen6.

1. Indizien für Kreditinstitute (aus der direkten Geschäftsbeziehung) 5.19

Banken erhalten üblicherweise aus der Geschäftsbeziehung wie insbesondere der Kontoführung, aber auch aus Kreditverträgen bzw. den damit verbundenen Informationspflichten, viele Informationen, die etwas über die wirtschaftliche Entwicklung aussagen können. Gerade die Informationspflichten in den Kreditverträgen sollen auch sicherstellen, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Identifizierung, Steuerung und Überwachung der Risiken im Kreditgeschäft, wie sie sich aus § 18 KWG bzw. § 25a KWG in Verbindung mit den MaRisk für ein Kreditinstitut ergeben, von diesen erfüllt werden können.

5.20

Im Hinblick auf eine Unternehmenskrise sollten Kreditinstitute folgenden Unterlagen/Informationen bzw. „Erscheinungen“ besondere Beachtung schenken7:

1 S. auch Drukarczyk/Schöntag in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 13. 2 Zu wirtschaftskriminalistischen Beweisanzeichen s. BGH v. 10.7.2018 – 1 StR 605/16, ZIP 2018, 2178= NZI 2018, 764 (765, Rn. 3); BGH v. 12.4.2018 – 5 StR 538/17, ZInsO 2018, 1410 (1411, Rn. 16); BGH v. 23.7.2015 – 3 StR 518/14, ZInsO 2015, 2021 (2022, Rn. 14). 3 Drukarczyk/Schöntag in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 15. 4 Vgl. z.B. Schimmelpfeng-Checkliste, abgedr. bei Steiner, Ertragskraftorientierter Unternehmenskredit und Insolvenzrisiko, 1980, S. 155 und Bönkhoff, Die Kreditwürdigkeitsprüfung, 1983, S. 53. 5 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 17. 6 Einzelheiten s. Maus ZInsO 2004, 837 ff. 7 Vgl. insoweit die umfassende Darstellung bei Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 668 ff.; Weyand ZInsO 2002, 851 ff.; vgl. auch die sog. Anfechtungsampel bei Priebe ZInsO 2015, 425 (432).

800 | Huber

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.20 Fünfter Teil

– sog. „steife Kontoführung“1, d.h. das Zahlungskonto wird am Limit2 geführt und es werden permanent Kontoüberziehungen angefragt, ohne dass es dafür saisonale Gründe gibt, – ungewöhnliche Kontoumsätze über einen gewissen Zeitraum, – Beitragsrückstände gegenüber der Sozialversicherung3, sofern der Sozialversicherungsträger erfolglos Einziehungsmaßnahmen getroffen hat4, – Steuerrückstände, insbesondere wenn sie durch Kontopfändung eingetrieben werden5, – schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern6, – plötzlicher Kreditmehrbedarf, etwa wegen der Forderungen der Lieferanten nach Vorkasse7, – das „Reißen“ von Financial Covenants, – plötzlicher Wechsel der Zahlungsart gegenüber Lieferanten, z.B. Verzicht auf bisher übliche Ausnutzung von Skonti oder Umstellung von Scheck- auf Wechselzahlung, – Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen, die sich nicht im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs halten8, – vordatierte Schecks oder erhöhte Einreichung eigener, auf ein eigenes Konto bei einem anderen Kreditinstitut gezogene Schecks (potentielle Scheckreiterei)9, – Rückgabe von Lastschriften10, – Verschlechterung der Qualität der zum Diskont eingereichten Wechsel, – zusätzliche Aufnahmen von Wechselkrediten (wenn auch Wechsel- und Scheckproteste selbst bei einem Kaufmann nicht immer dessen Zahlungsunfähigkeit bedeuten),

1 S. auch Kuder/Unverdorben in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Restrukturierung und Insolvenz, 6. Aufl. 2023, Rn. 3.53; vgl. ferner Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 18. 2 Damit ist entweder das Limit „0“ oder ein eingeräumtes Kreditlimit gemeint. 3 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 = WM 2015, 591 (594, Rn. 19); BGH v. 11.4.2013 – IX ZB 256/11, ZIP 2013, 1086 = WM 2013, 1033 (1034, Rn. 10); BGH v. 28.4.2008 – II ZR 51/ 07, ZInsO 2008, 1019 (Rn. 2). 4 BGH v. 22.6.2017 – IX ZR 111/14, ZIP 2017, 1379 = WM 2017, 1424 (1427, Rn. 23); BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 223/13, ZInsO 2014, 1057, (1058, Rn. 6); zur schleppenden Zahlung s. BGH v. 9.6.2016 – IX ZR 174/15, ZIP 2016, 1348 = WM 2016, 1238 (1240, Rn. 23 ff.); BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, ZIP 2015, 1234 = WM 2015, 1202 (1203, Rn. 15). 5 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1344 f., Rn. 42); BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 32/14, ZIP 2016, 481 = WM 2016, 422 (423, Rn. 15); OLG Oldenburg v. 23.7.2015 – 1 U 94/14, ZInsO 2015, 2025 (2028 f.). 6 BGH v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, ZInsO 2008, 378 (380, Rn. 20); BGH v. 28.4.2008 – II ZR 51/07, ZInsO 2008, 1019 (Rn. 7). 7 OLG Karlsruhe v. 7.8.1997 – 12 U 318/96, ZIP 1997, 1712 (1713); Richter in LBS, BankrechtsKommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 18. 8 BGH v. 18.1.2018 – IX ZR 144/16, ZIP 2018, 432 = WM 2018, 433 (436, Rn. 20); BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 6/14, ZIP 2015, 937 = WM 2015, 933 (Rn. 3 f.). 9 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 18. 10 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 18.

Huber | 801

Fünfter Teil Rz. 5.20 | Kreditgeschäft

– Rückholung von Eigentumsvorbehaltsware durch Lieferanten1, – zunehmende Anzahl von Auskunftsanfragen, – steigende Vorräte ohne gleichzeitiges Ansteigen der Außenstände, – Unklarheiten in der Buchhaltung, Verschieben des Bilanzierungszeitpunkts, (deutliche) negative Abweichung von vorläufigen zu endgültigen Zahlen2, – Änderung von Abschreibungsmethoden, Auflösung von Reserven, Heben stiller Reserven, Umbuchung von Posten des Umlauf- in das Anlagevermögen3, – Verzögerung in der Aushändigung des Jahresabschlusses, der Statuszahlen oder Inventur, – Verweigerung oder Einschränkung des Testats des Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters bzw. Weigerung der Geschäftsführer/Gesellschafter, die einzureichende Ausfertigung des nicht zu testierenden Jahresabschluss zu unterzeichnen4, – vermehrte Grundbucheintragungen (namentlich auf Privatbesitz), Freigabeverlangen von Sicherheiten, die Gesellschafter bzw. Geschäftsführer gestellt haben, – Veränderungen in der Rechtsform einschließlich Betriebsaufspaltung, – Erheblicher Verlust des Stammkapitals5 bzw. entsprechende Anzeige nach § 92 AktG, § 49 Abs. 3 GmbHG, – rechnerische Überschuldung (insbesondere, wenn sie schon länger besteht) mit steigender Tendenz, – erhebliche und dauerhafte Liquiditätsengpässe, ungewöhnliche Darlehenskonditionen, Nachbesicherungsverlangen oder Kreditkündigung Dritter, – Sicherheiten können nur noch durch Gesellschafter gestellt werden, da das Unternehmen keine freien Vermögensgegenstände mehr hat, Stehenlassen von zustehenden (Gewinn-) Ausschüttungen durch die berechtigten Gesellschafter.

5.21

Für die meisten dieser Umstände kann es jeweils für sich genommen glaubhafte Erklärungen geben, die der Schuldner in der Regel auch anführt. So können z.B. gestiegene Vorräte nicht auf Absatzstockungen hindeuten, sondern stattdessen den Schluss auf eine erhöhte Produktivität zulassen; verringerte Warenbestände können einerseits durch größeren Umsatz verursacht worden sein – wenn gleichzeitig die Debitoren mitgewachsen sind –, andererseits kann dies auch das erste Anzeichen für einen beginnenden Preisverfall oder für Unterbeschäftigung sein. Ein Ansteigen der Außenstände kann auf Zahlungsschwierigkeiten der Abnehmer beruhen, während geringere Außenstände auf einen Umsatzrückgang hindeuten. Das „Reißen“ von Financial Covenants (dazu auch Rn. 5.368) wird nur dann relevant sein, wenn es mehr als einmal erfolgt und einen entsprechenden negativen Trend belegt. Und ein Gericht kann selbst dann, wenn der Schuldner auf eine relativ geringfügige Forderung erst aufgrund mehrerer Mahnungen nach über einem Jahr zwei Raten zahlt und die Forderung nicht voll-

1 2 3 4 5

OLG Stuttgart v. 22.1.1997 – 9 U 138/96, ZIP 1997, 652. Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 19. Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 19. Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 19. Dazu und zu den nachstehenden Spiegelstrichen Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 21.

802 | Huber

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.23 Fünfter Teil

ständig tilgt, zu dem Ergebnis gelangen, der Gläubiger habe allein hieraus nicht auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen müssen1. Dies zeigt, wie schwer es ist, aus den Indikatoren auf eine Krise oder gar die Insolvenzreife eines Unternehmens zu schließen2. Es zeigt aber auch, dass das von anderen Gläubigern gegenüber der Bank oft verwendete Schlagwort vom „Informationsvorsprung der Banken“3 nur eingeschränkt richtig sein kann bzw. dieser sogar von der Aufsicht vorgegeben wird. Die Beurteilung wird daher stets dem Einzelfall überlassen bleiben müssen, ohne dass der Bank eindeutige Richtlinien gegeben werden können. Leichter ist es für einen Insolvenzverwalter, der sich im Insolvenzanfechtungsprozess zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf ein oder mehrere Beweisanzeichen und auf die im Falle einer Zahlungseinstellung bestehende gesetzliche Vermutung stützen kann: Dann ist auf Antrag des Anfechtungsgegners zur Entkräftung der Beweisanzeichen und zur Widerlegung der Vermutung durch einen Sachverständigen eine Liquiditätsbilanz erstellen zu lassen4.

5.22

2. Indizien für Lieferanten Interessant, wenn auch für Banken teilweise nur bedingt verwendbar (und wenn sie „rechtzeitig“ davon etwas – und sei es auch nur aus der Presse – erfahren), ist der Indizienkatalog, der den Lieferanten zur Verfügung steht5: – Kurzarbeit, – hohe Fluktuation, – Einstellungsstopp, – vorzeitige Versetzungen in den Ruhestand, – Streichung geplanter Investitionen, – fehlende Ersatzinvestitionen, – mangelnde Investitionsüberlegungen, – hohe Lagerbestände, – schlechte Produktqualitäten,

1 BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 149/14, ZIP 2015, 1549 = WM 2015, 1339. 2 S. auch Drukarczyk/Schöntag in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 14 u. Rn. 86. 3 S. dazu Hopt ZfB 1984, 743 (754). Wenn es ihn denn überhaupt noch gibt, s. dazu Interview mit Marc Bürki, NZZ v. 27.6.2019, zu finden unter www.nzz.ch/wirtschaft/fintech-banken-und-libraswissquote-chef-marc-buerki-im-gespraech-ld.1489177. 4 BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 242/13, ZIP 2016, 874 = WM 2016, 797, 799 (Rn. 17); BGH v. 26.3.2015 – IX ZR 134/13, ZIP 2015, 1077 = WM 2015, 1025 (1026, Rn. 6). Der II. Zivilsenat hat kürzlich festgestellt, dass die Zahlungsunfähigkeit nicht durch die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz dargestellt werden „muss“, sondern dies auch mit anderen Mitteln erfolgen kann, z.B. durch mehrere Liquiditätsstatus, BGH v. 28.6.2022 – II ZR 112/21, ZIP 2022, 1606 = ZInsO 2022, 1793 (1794, Rn. 13 ff.) m. krit. Anm. Hageböke/Benzinger ZInsO 2022, 1795 f. und Comtesse ZInsO 2022, 2329 ff.; ausführlich zu dieser Entscheidung auch Brünkmans/Clev ZInsO 2022, 2272 ff., die richtigerweise feststellen, dass für die Praxis weiter auf die Liquiditätsbilanz abzustellen ist. 5 Handelsblatt v. 18.1.1983, S. 15.

Huber | 803

5.23

Fünfter Teil Rz. 5.23 | Kreditgeschäft

– Auslastung von Leerkapazitäten durch Übernahme von Fremdarbeiten, – häufige Sonderangebote, verbunden mit extrem hohen Nachlässen, – Bindung an einen Kunden (kumulative Insolvenz), – fehlende Bonität der Abnehmer des Kunden, – häufige Kleinaufträge bei der Beschaffung, – häufiger Wechsel der Zulieferer, – gute Mitanbieter beliefern die Firma nicht mehr, – anormal häufige Reklamationen, – Stilllegung von Betriebsteilen, Aufgabe von Arbeitsplätzen.

5.24

Auch diese Indikatoren sind stets darauf zu überprüfen, ob es nicht plausible Erklärungen gibt. So sind insbesondere in einer Zeit, in der die Kostenkontrolle die Maxime ist und den Mangel an Erfindungsgeist zu kompensieren versucht1, Maßnahmen zur Einsparung von Mitarbeitern anders zu bewerten als in einer prosperierenden Phase.

3. Insolvenzprognose durch Diskriminanzanalyse und Financial Covenants 5.25

Ein wesentliches Verfahren zur Früherkennung von Insolvenzen kann die Diskriminanzanalyse2 bieten. Sie geht davon aus, dass die Jahresabschlüsse insolventer Unternehmen gewisse gemeinsame Merkmale aufweisen, die sie von den wirtschaftlich gesunden Unternehmen unterscheiden. Als Unterscheidungsmittel verwendet man eine Kennzahl, deren mathematischer Ausdruck die sog. Diskriminanzfunktion darstellt, zu deren Ermittlung eine Stichprobe insolventer und solventer Unternehmen gezogen und mit Hilfe eines statistisch-mathematischen Verfahrens untersucht wird. Daraus werden Kennzahlenwerte ermittelt, die die Trennlinie zwischen solventen und insolventen Unternehmen darstellen. Das Verfahren mag zwar umstritten sein, seine Erfolgsquote kann sich jedoch mit den traditionellen Methoden messen3.

5.26

Manche Kreditinstitute versuchen, sich durch die Vereinbarung sog. Financial Covenants zusätzliche Erkenntnismöglichkeiten über eine Erhöhung ihres Kreditrisikos zu verschaffen4. Diese aus dem angloamerikanischen Rechtskreis übernommenen Klauseln schreiben dem Kreditnehmer vor, sein Unternehmen so zu führen, dass festgelegte finanzielle Rahmenbedingungen erfüllt, insbesondere bestimmte Bilanzrelationen eingehalten werden5. Typischerweise stellen sie Mindestanforderungen an 1 Kath, Die Kostenknechte, 1994, S. 96 f. 2 Einzelheiten s. Drukarczyk WM 1992, 1136 (1142 m.w.N.) und Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 648 ff. 3 Der Beweis dürfte Drukarczyk gelungen sein, der anlässlich seiner Untersuchung über die Auswirkungen der Insolvenzrechtsreform auf die Kreditvergabepraxis (WM 1992, 1136 ff.) insgesamt 475 Kreditengagements von drei Kreditinstituten mit der Diskriminanzanalyse untersucht hat und seine Untersuchungsergebnisse den Bewertungen durch Kreditfachleute, die nach herkömmlicher, nicht im Detail festgelegter Methodik vorgingen, gegenübergestellt hat, und dabei zu vergleichbar guten Ergebnissen gekommen ist. 4 Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3140; Zülch/Holzamer/Böhm/Kretzmann DB 2014, 2117 f.; Krolak/Morzfeld/Remmen DB 2009, 1417 f. 5 Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3139; Zülch/Holzamer/Böhm/Kretzmann DB 2014, 2117 f.; Hannen DB 2012, 2233 (2234); Krolak/Morzfeld/Remmen DB 2009, 1417 (1419).

804 | Huber

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.28 Fünfter Teil

– die Eigenkapitalausstattung (net worth), – den Verschuldungsgrad (leverage ratio), – den Zinsdeckungsgrad (interest cover ratio), – auf die Liquiditätsausstattung (cashflow cover ratio)1. Die Vorlage einschlägiger Unterlagen und deren Inhalt können Warnsignale enthalten, die nicht mit einer Krise verbunden sein müssen, aufgrund derer die Bank aber Hinweisen auf eine Krise wachsamer gegenübersteht. Einige dieser Merkmale sind2:

5.27

– die Unterlagen werden verspätet oder unvollständig eingereicht, – den Unterlagen fehlt das Testat des Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters oder sie erhalten nur ein eingeschränktes Testat, – die der Bank in Aussicht gestellten Planzahlen werden nicht erreicht, – die im Kreditvertrag vereinbarten Finanzkennzahlen werden nicht erreicht, – das Eigenkapital wird sukzessive aufgezehrt, – die Fremdverschuldung (Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital) steigt, – die Vorräte steigen, ohne dass sich die Außenstände erhöhen, – Umsatzrückgang bei gleichbleibenden oder steigenden Kosten, – fehlende Fristenkongruenz; langfristigen Forderungen stehen kurzfristige Verbindlichkeiten gegenüber, – im Verhältnis zum Ertrag der Gesellschaft hohe Privatentnahmen der Gesellschafter, – die Gesellschafter nehmen Gesellschafterdarlehen aus der Gesellschaft und ziehen sich zurück, – die Forderungen der Gesellschaft gegen verbundene Unternehmen nehmen zu, – es werden Taktiken angewendet, die den Vergleich von Daten mit früheren Daten erschweren, z.B. die Verschiebung des Bilanzierungszeitpunktes oder die Wahl unterschiedlicher Bilanzierungszeitpunkte für verbundene Unternehmen oder die Änderung von Abschreibungsmethoden. Der Wert dieser Covenants als Mittel zur Früherkennung einer Krise muss jedoch schon deshalb als zweifelhaft angesehen werden, weil sich die Covenants auf das Rechnungswesen des Kunden stützen, das bestenfalls Aussagen für die mehr oder weniger weit zurückliegende Vergangenheit zulässt, während krisenhafte Entwicklungen erfahrungsgemäß erst so spät Eingang in dieses Rechenwerk finden, dass kaum noch Raum für eine effektive Reaktion des Kreditgebers auf eine Verletzung der Covenants bleibt.

1 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 5 Rn. 22. 2 S. auch Obermüller in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 15/63b.

Huber | 805

5.28

Fünfter Teil Rz. 5.29 | Kreditgeschäft

4. Aufsichtsrechtliche Vorgaben für die interne Organisation der Bearbeitung von Krisenengagements 5.29

Obwohl es in den meisten Kreditinstituten für die Bearbeitung von kritischen Engagements schon immer spezialisierte Mitarbeiter bzw. Fachabteilungen gegeben hat, ist es seit einiger Zeit aufsichtsrechtlich vorgeschrieben, wie mit „Problemkrediten“1 umzugehen ist. Auf der Grundlage des § 25a KWG2 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit Datum vom 16.8.2021 ihre überarbeiteten Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) von Kreditinstituten vorgelegt3. Die MaRisk sollen einen flexiblen und praxisnahen Rahmen für die Ausgestaltung des Risikomanagements vorgeben4. Sie enthalten daher im Modul BTO 1 Kreditgeschäft, das Anforderungen an die Ausgestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation, die Verfahren zur Früherkennung von Risiken und die Verfahren zur Klassifizierung der Risiken im Kreditgeschäft stellt5, auch einschlägige Anforderungen an die Behandlung von Problemkrediten.

5.30

So hat ein Kreditinstitut nach BTO 1.2.5 im Wesentlichen6 – Kriterien festzulegen, die die Abgabe eines Engagements an die auf die Sanierung bzw. Abwicklung spezialisierten Mitarbeiter oder Bereiche bzw. Einschaltung regeln; – soweit es eine Sanierung in Betracht zieht, sich ein Sanierungskonzept zur Beurteilung der Sanierungsfähigkeit des Kreditnehmers vorlegen zu lassen und auf dieser Grundlage ein eigenständiges Urteil darüber zu treffen, ob eine Sanierung erreicht werden kann; – die Umsetzung des Sanierungskonzepts sowie die Auswirkungen der Maßnahmen zu überwachen; erforderlichenfalls kann bei dem Sanierungsprozess auf externe Spezialisten mit entsprechenden Kenntnissen zurückgegriffen werden; – für den Fall der Abwicklung eines Engagements ein Abwicklungskonzept zu erstellen und beim Prozess der Sicherheitenverwertung Mitarbeiter oder ggf. externe Spezialisten mit entsprechenden Kenntnissen einzubeziehen; – bei potentiellen Rettungserwerben eine Richtlinie zu entwickeln, die das Verfahren zum Erwerb von gestellten Sicherheiten beschreibt und die u.a. die beabsichtigte Haltedauer festlegt.

5.31

Die Abgabe von „Problemengagements“ an die auf die Sanierung bzw. Abwicklung spezialisierten Bereiche sollte in Handlungsanweisungen o.ä. ebenso stringent schriftlich geregelt sein wie das anschließend vom jeweiligen Bereich zu beachtende (formelle) Verfahren für eine

1 Vgl. die Überschrift zu BTO 1.2.5 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. 2 Vgl. AT 1.1 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. Dabei hat die BaFin es bei einem Rundschreiben „belassen“, d.h. der nach § 25a Abs. 4 KWG mögliche Weg der Verordnung durch das Bundesministerium der Finanzen wurde nicht gegangen, Dürselen/Schulter-Mattler WM 2018, 1237 f. 3 Rundschreiben 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. 4 Vgl. AT 1.1 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. 5 Vgl. BTO 1 unter 1. des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. 6 Vgl. im Einzelnen BTO 1.2.5.1-9 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de.

806 | Huber

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.33 Fünfter Teil

Sanierung bzw. Abwicklung. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich dabei, neben Handlungsanweisungen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu nennen, wie sie insbesondere von der Rechtsprechung des BGH entwickelt und ausgestaltet worden sind.

III. Sofortmaßnahmen bei einer krisenhaften Entwicklung eines Kunden Wenn ein Kreditinstitut mit der krisenhaften Entwicklung eines Kunden konfrontiert wird, sollte es unverzüglich abklären, ob bereits ein Zustand erreicht ist, der zum einen kreditinstitutsintern zu einer Übertragung des Engagements auf einen spezialisierten Bereich führen muss und zum andern dem Kreditinstitut „extern“ gegenüber dem Kunden Handlungsoptionen eröffnet – bzw. seit dem 1.1.2021 mit Implementierung des StaRUG auch dem Kunden gegenüber seinen Gläubigern – oder an das Kreditinstitut nun besondere Anforderungen gestellt werden, wenn es den Kunden weiter begleiten will (vgl. dazu Rn. 5.79 ff.). Spätestens (!) wenn eine Krise so weit gediehen ist, dass sie „relevant“1 ist, d.h. der Kunde bereits sanierungsbedürftig ist oder gar ein Insolvenzverfahren kaum oder nicht mehr abzuwenden ist, ist vor allem dann, wenn das Kreditinstitut dem Kunden mit Krediten zur Verfügung steht, eine Reihe von Sofortmaßnahmen zu empfehlen:

5.32

1. Erfassung des Gesamtengagements Als Erstes muss sich die Bank einen (aktuellen) Überblick über das gesamte Engagement verschaffen, das sie bzw.2 ihre Tochtergesellschaften mit dem krisengeschüttelten bzw. insolvenzbedrohten Kunden sowie ggf. dessen Tochtergesellschaften eingegangen ist. Nach den MaRisk sind bei Kreditkunden „außerordentliche Überprüfungen von Engagements einschließlich der Sicherheiten ... zumindest dann unverzüglich durchzuführen, wenn dem Institut aus externen oder internen Quellen Informationen bekannt werden, die auf eine wesentliche negative Änderung der Risikoeinschätzung des Engagements oder der Sicherheiten hindeuten“3. Spätestens mit Kenntniserlangung über eine Krise des Kunden dürfte diese aufsichtsrechtliche Vorgabe erfüllt sein, so dass unverzüglich eine aktuelle Übersicht erstellt werden sollte über – Kredite, – Sicherheiten, – Guthaben, – Depots, – Daueraufträge, – Wechselobligen, – Lastschriftrisiken (SEPA-Lastschriftverfahren) des Kunden der letzten acht Wochen, – Umfang der Lieferantenlastschriften (SEPA-Lastschriftverfahren) der letzten acht Wochen, – Linien anderer Kreditinstitute, – Linien der Kreditversicherer. 1 Vgl. zu diesem Begriff Rn. 5.14. 2 Es ist durch entsprechende vertragliche Vereinbarung (rechtzeitig) sicherzustellen, dass auf diese Daten ebenfalls zugegriffen werden kann. 3 BTO 1.2.2.4 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de.

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5.33

Fünfter Teil Rz. 5.34 | Kreditgeschäft

2. Auskünfte 5.34

Die Auskünfte, die das Kreditinstitut (zulässigerweise1) Dritten über den Kreditnehmer erteilt2, bzw. die zugrunde liegenden Informationen sind laufend einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und den sich ändernden Verhältnissen anzupassen.

5.35

Eine Bankauskunft muss stets der Wahrheit, d.h. dem tatsächlichen Informationsstand des Kreditinstituts entsprechen und das vorhandene Wissen bei der Formulierung zutreffend umsetzen3; sie muss vollständig sein, so dass der Anfragende keine falschen Rückschlüsse ziehen kann4. Daher kann z.B. eine Auskunft über einen Kunden, dessen Zahlungseinstellung oder Überschuldung droht, nur negativ ausfallen. Grundsätzlich ist zwar auch die Erteilung negativer Auskünfte von dem generellen Einverständnis des Kunden gedeckt5; Angaben, die geeignet sind, etwaige Kreditgeber zu einer sorgfältigen Bonitätsprüfung zu veranlassen, sind vom Betroffenen grundsätzlich hinzunehmen6. Dies gilt jedoch nicht, wenn für das Kreditinstitut offenkundig ist, dass es mit der Auskunftserteilung den Interessen des Kunden zuwiderhandelt7. Diese Lage wird bei einer Auskunft, die im Zeitpunkt drohender Zahlungseinstellung oder Überschuldung des Kunden erbeten wird, in der Regel gegeben sein. Deshalb ist eine Rückfrage beim Kunden notwendig und im Verhältnis zu dem Auskunftssuchenden auch zulässig, es sei denn, dass sich aus der Rückfrage auf die Person des Anfragenden schließen lässt8. Der Kunde muss sich dann entscheiden, ob er die nachteilige Auskunft tolerieren oder den unter Umständen noch negativeren Eindruck einer Auskunftsverweigerung in Kauf nehmen will.

5.36

Sofern die üblichen Auskunftsformulare verwendet werden können, sind bei Kunden in der Krise bzw. kurz vor der Insolvenz Rubriken wie z.B. – „Die finanziellen Verhältnisse erscheinen uns angespannt“ und – „Wir raten zur Vorsicht“ anzukreuzen, damit sich die Bank nicht einer Haftung gegenüber Dritten aussetzt9.

5.37

Frühere zutreffend erteilte Auskünfte muss die Bank nicht nachträglich ergänzen. Eine Pflicht, den Anfragenden später über eine inzwischen eingetretene Verschlechterung der Ver1 Auch in der Krisensituation stellt eine Bankauskunft eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses dar, d.h. sie kann nur unter den Voraussetzungen von Nr. 2 AGB-Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 3 AGB-Sparkassen) erteilt werden; vgl. auch Müller-Christmann in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 1, Rn. 92 ff. 2 Vgl. auch die „Grundsätze für die Durchführung des Bankauskunftsverfahrens zwischen Kreditinstituten“ abgedr. bei Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 2/962 und bei Müller-Christmann in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 1, Rn. 277. 3 BGH v. 5.12.2000 – XI ZR 340/99, ZIP 2001, 108 = WM 2001, 134 (135 f.). 4 Müller-Christmann in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 1, Rn. 107 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl. 1988, Anm. 79f. 5 Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 2/953; Bruchner/Stützle, Leitfaden zu Bankgeheimnis und Bankauskunft, 2. Aufl. 1990, S. 101. 6 BGH v. 24.6.2003 – VI ZR 3/03, ZIP 2003, 1498 = NJW 2003, 2904 (2905). 7 Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 2/953 und Rn. 2/958; Stützle in Anm. zu LG Mönchengladbach v. 13.11.1980 – 1 O 596/79, WM 1981, 289 (290). 8 Krepold/Zahrte in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 9 Rn. 22; Bruchner/ Stützle, Leitfaden zu Bankgeheimnis und Bankauskunft, 2. Aufl. 1990, S. 103; kritisch Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 2/984. 9 Zur Haftung Müller-Christmann in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 1, Rn. 120 ff.

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A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.40 Fünfter Teil

hältnisse seines Vertragspartners zu unterrichten und vor weiterer Kreditgewährung zu warnen, lässt sich aus dem Verhältnis zwischen einer Bank und ihrem Kunden nicht herleiten1.

3. Überprüfung der Sicherheiten Als Teil der Erfassung des Gesamtengagements sind auch die Sicherheiten zu überprüfen2. Dies erfordert oft eine Aktualisierung der Sicherheitenwerte, daneben sollte die formelle Richtigkeit und Vollständigkeit – auf die grundsätzlich schon bei der Hereinnahme der Sicherheit geachtet worden sein sollte – geprüft werden. Kreditinstitute haben sich in der Regel vertraglich das Recht ausbedungen, Einblick in die betrieblichen Bereiche ihrer Kunden zu nehmen und insbesondere körperliche Gegenstände, die als Sicherheiten dienen, in Augenschein zu nehmen und zu überprüfen bzw. durch Vorlage entsprechender Debitoren- und Kreditorenlisten oder Sicherheitenbestandslisten Einblick in die Buchhaltungsunterlagen zu nehmen3. Spätestens jetzt sind bei der Aktualisierung der Sicherheitenwerte bei den Sicherheiten, die ein Kreditinstitut nicht alleine auf Basis der bei ihm vorhandenen Unterlagen bewerten kann, diese Regelungen zu „ziehen“ und eine (externe) Sicherheitenüberprüfung vorzunehmen, während die Prüfung der Sicherheiten auf formelle Richtigkeit und Vollständigkeit eher ein interner Überprüfungsvorgang ist.

5.38

a) Zessionen Anhand neuer Bestandslisten, die ggf. zu beschaffen sind, sind der Umfang der Zessionen sowie die Zusammensetzung der Drittschuldner nach Inland/Ausland, Alter der Forderungen, notleidenden Forderungen, Einwendungen der Drittschuldner und vereinbarten Zahlungszielen zu überprüfen. Weiterhin ist insbesondere zu klären, ob

5.39

– Blankozessionsanzeigen in genügender Anzahl vorhanden sind, – Abtretungen von Lebensversicherungen bei Versicherungen angezeigt sind, – Abtretungen von Entschädigungsansprüchen aus Kreditversicherungen angezeigt sind und Kreditversicherer zugestimmt haben, – bisher nicht angezeigte Einzelabtretungen jetzt angezeigt werden können und sollen. Diese Arbeiten sind ebenfalls vollumfänglich zu leisten, wenn eine Insolvenz wahrscheinlich ist, dann eine Verwertung durch den Insolvenzverwalter in Betracht kommen kann und damit z.B. die Frage nach einer ausreichenden Anzahl von Blankozessionsanzeigen obsolet erscheint. Zwar wird in den meisten Fällen ein Insolvenzantrag zu einer Verfahrenseröffnung führen; allerdings gibt es immer noch genug Unternehmen, bei denen es mangels ausreichender Masse nicht zur Verfahrenseröffnung kommt – und damit ist das Kreditinstitut gefordert, sich selbst um die Verwertung der Sicherheiten zu kümmern.

1 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 26/72, WM 1973, 1134 (1135); BGH v. 5.7.1962 – VII ZR 199/60, WM 1962, 1110 (1111); BGH v. 21.12.1955 – VI ZR 192/54, WM 1956, 283 (284); OLG München v. 16.12.1979 – 23 U 2521/79, WM 1980, 505 (507); Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 2/ 995; Müller-Christmann in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 1, Rn. 109. 2 Dies wird auch aufsichtsrechtlich explizit gefordert, vgl. BTO 1.2.2.4 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. 3 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31 Rn. 20.

Huber | 809

5.40

Fünfter Teil Rz. 5.41 | Kreditgeschäft

5.41

Soweit der Kunde für die Forderungen gegen seine Debitoren Kreditversicherungen abgeschlossen und die Ansprüche, die er gegen den Kreditversicherer bei Insolvenz seiner Debitoren erwirbt, dem Kreditinstitut abgetreten hat, muss das Kreditinstitut beachten, dass der Kreditversicherer diese Versicherung bei Zahlungsunfähigkeit des versicherten Kunden ggf. nur unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung zu § 119 InsO kündigen kann (vgl. dazu Rn. 5.345)1 und dass der Versicherungsvertrag erlischt, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherten eröffnet wird. Wenn das Kreditinstitut den Versicherungsschutz für die ihm abgetretenen Forderungen erhalten will, muss es überlegen, ob es mit dem Kreditversicherer einen Anschlussvertrag abschließen soll. b) Sicherungsübereignungen

5.42

Bei Listenverträgen über die Sicherungsübereignung von Maschinen und Betriebseinrichtungen sind anhand der Maschinennummern des Sicherungsübereignungsvertrages Existenz, Zustand und Wert von Maschinen und sonstigen übereigneten Gegenständen zu überprüfen.

5.43

Bei der Sicherungsübereignung von Warenlägern sind anhand neuer, ebenfalls ggf. zu beschaffender Bestandslisten Umfang, Zusammensetzung und Werthaltigkeit (auftragsbezogen, Lagerproduktion, unverwertbare Altbestände, zurückgenommene Waren wegen Reklamationen) des Sicherungsgutes zu ermitteln. Die Rechtsposition der Lieferanten ist daraufhin zu überprüfen, ob deren Lieferbedingungen oder eigene Einkaufsbedingungen des Kunden gelten. c) Grundschulden

5.44

Die Verwertbarkeit des Objekts ist zu prüfen und zu überlegen, ob Beschlagnahmen wegen der Zubehörhaftung notwendig sind (s. dazu Rn. 6.950). Ferner ist festzustellen, ob – notariell beglaubigte Abtretungen bei abgetretenen Briefgrundschulden vorhanden sind, – Abtretungen von Buchgrundschulden im Grundbuch eingetragen sind, – eine vollstreckbare Ausfertigung für die Bank und gegen den derzeitigen Eigentümer vorliegt, um unverzüglich2 die Beschlagnahme veranlassen zu können3, – der Versicherungsschutz angepasst werden muss, – Sicherungsscheine vorhanden sind.

1 Die Entscheidung des OLG Koblenz v. 13.12.2002 – 10 U 1837/01, ZInsO 2003, 83 ist nicht mehr einschlägig, da die die Kündigung ermöglichende Norm des § 14 a.F. VVG ersatzlos gestrichen worden ist, vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, BT-Drucks. 16/3945 v. 20.21.2006, S. 161; s. zur damaligen Rspr. auch Blank/Möller ZInsO 2003, 437 ff. 2 S. aber die Sechsmonatsfrist für die Kündigung der Grundschuld (§ 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB) und zu den Folgen Lieder in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, § 1193 Rn. 4 ff.; Gladenbeck in Gladenbeck/Samhat, Kreditsicherung durch Grundschulden, 10. Aufl. 2020, Kap. 9, Rn. 278 ff. und unten Rn. 6.915. 3 Zur Glaubhaftmachung der einem etwa geplanten Insolvenzantrag zugrunde liegenden Forderung und deren Fälligkeit reicht die vollstreckbare Ausfertigung allein allerdings nicht, vgl. OLG Frankfurt v. 11.5.2001 – 26 W 37/01, WM 2001, 1629 (1631).

810 | Huber

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.49 Fünfter Teil

d) Bürgschaften Damit an Vermögenswerten des Bürgen ein Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 2 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 Abs. 3 Satz 2 AGB Sparkassen) geltend gemacht werden kann, ist zu überprüfen, ob die Forderungen gegen den Kunden fällig sind oder in ausreichender Höhe fällig gestellt werden können. Denn regelmäßig wird (erst) mit der Fälligstellung des verbürgten Anspruchs auch der Anspruch gegen den Bürgen aus der gestellten Bürgschaft fällig1.

5.45

4. Maßnahmen gegenüber dem Kunden Neben der „internen“ Sofortmaßnahmen zum Kundenengagements kann ein Kreditinstitut allerdings auf Basis seiner vorhandenen sowie der neu gewonnenen Erkenntnisse auch nach außen hin unverzüglich gegenüber dem Kunden tätig werden. Dabei sollten die nachstehenden Überlegungen bedacht werden. Weiterhin wird sich das Kreditinstitut aber auch – über Sofortmaßnahmen hinaus – darüber klar werden müssen, wie es sich künftig zum Kunden und seinem Engagement stellt2.

5.46

a) Sicherheitenverstärkung und Sicherheitenerhaltung Sollten noch freie Sicherheiten im Vermögen des Kunden vorhanden oder ein Dritter zur Sicherheitenstellung bereit sein, kann an die Geltendmachung des Nachbesicherungsrechts nach Nr. 13 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 22 Abs. 1 AGB Sparkassen) oder ggf. gleichlautender Bedingungen in den Kreditverträgen gedacht werden. Allerdings kann diese Forderung nach Bestellung zusätzlicher Sicherheiten und erforderlichenfalls auf Unterlegung von Bürgschaften nur dann noch erhoben werden, wenn sich der Kunde damit nicht der Gefahr einer Gläubigerbegünstigung aussetzt (Einzelheiten s. Rn. 6.147).

5.47

Bei bestehenden Sicherheiten sind nach ihrer Überprüfung unverzüglich ggf. noch ausstehende Schritte zu ihrer Durchsetzung durchzuführen. Es könnte ferner z.B. Zweckmäßigkeit und geeigneter Zeitpunkt der Offenlegung von Zessionen (Einzelheiten s. Rn. 6.918 ff.) abgeklärt werden. Auch kann die Kennzeichnung und Sicherung übereigneter Gegenstände vorbereitet werden durch Bereitstellung von Aufklebern, Ketten, Schlössern und Hereinnahme von KfzScheinen und Kfz-Schlüsseln. Eine Auslagerung des Sicherungsguts kann nicht nur zur Sicherung gegen Zugriffe Dritter, sondern auch zur Abwehr der Inbesitznahme durch den Verwalter zweckmäßig sein, der sonst das Verwertungsrecht erwirbt (Einzelheiten s. Rn. 6.1109). Der Widerruf der Einzugsermächtigung, der Verkaufserlaubnis und der Benutzungsermächtigung ist zumindest zu prüfen und ggf. auszusprechen.

5.48

b) Vorbereitung der Kreditkündigung Regelmäßig wird sich bei einer krisenhaften Entwicklung für die finanzierende Bank eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse eröffnen. Dennoch setzt die Entscheidung einer Kreditkündigung in jedem Ein1 Vgl. Piekenbrock in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/1181a. Anders wäre dies, wenn das Kreditinstitut mit dem Bürgen vereinbart, dass die Fälligkeit eine Inanspruchnahmeerklärung durch das Kreditinstitut voraussetzt, vgl. BGH v. 26.2.2013 – XI ZR 417/11, ZIP 2013, 816 = WM 2013, 696 (697 f., Rn. 14). 2 Zu den einschlägigen Handlungsoptionen vgl. Rn. 5.62 ff.

Huber | 811

5.49

Fünfter Teil Rz. 5.49 | Kreditgeschäft

zelfall die Prüfung voraus, ob die Kündigung zulässig ist (Einzelheiten s. Rn. 5.311 ff.). Es sollte auch ihre Zweckmäßigkeit überlegt werden. So kann es z.B. bei einem angedachten Schutzschirmverfahren zweckmäßig sein, mit einer Kündigung noch bis kurz nach der Insolvenzantragstellung zu warten, um ein erfolgversprechendes Eigenverwaltungsverfahren zu ermöglichen; zu beachten ist lediglich, dass der Kündigungsgrund nicht durch zu langes Warten verwirkt wird. Eine Kreditkündigung bedeutet also nicht automatisch, dass das Kreditinstitut sich von dem Kunden vollständig trennen will. Vielmehr kann gerade in der Insolvenz des Kunden eine weitere Begleitung bei einer vorgesehenen Sanierung in Betracht kommen, wenn sich das Kreditinstitut einen höheren „Nutzen“ als bei einer vollständigen Zerschlagung verspricht.

5.50

Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und Versuche, noch schnell einen Vollstreckungstitel zu erwirken1, sind dagegen zumindest in einem fortgeschrittenen Krisenstadium nicht zu empfehlen, da sie nur Kosten verursachen, wegen der Rückschlagsperre des § 88 InsO (Einzelheiten s. Rn. 6.228 ff.) aber nicht mehr zum Erfolg führen, wenn es zur Eröffnung des Verfahrens kommt. Eine Bank, die aus diesen Gründen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen absieht, sollte jedoch das Verhalten anderer Gläubiger kritisch beobachten; es besteht nämlich die Gefahr, dass diese Pfändungen ausbringen und die Rückschlagsperre, die nur den Monat vor2 und die Zeit nach dem Eröffnungsantrag erfasst, wegen einer Verzögerung des Eröffnungsantrags oder wegen Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse nicht greift. c) Zahlungsverkehr

5.51

Der Zahlungsverkehr des Kunden ist strikt zu beobachten, damit je nach der Entwicklung seiner wirtschaftlichen Situation sofort die notwendigen Schritte unternommen werden können. Grundsätzlich gilt: – Eingänge sind weiter gutzuschreiben; – Ausgänge sind vor Insolvenzantragstellung aus Guthaben oder einem – nicht gekündigten und nicht ausgenutzten – Kredit auszuführen, nach Insolvenzantragstellung und Kenntnis eines Verfügungsverbots bzw. ab Verfahrenseröffnung unzulässig, nach Insolvenzantragstellung, aber vor Verfahrenseröffnung oder Kenntnis vom Verfügungsverbot aus Guthaben auszuführen, wenn kein Pfandrecht geltend gemacht wird und keine Retouren – Schecks, Lastschriften (Lastschriftenrisiko im SEPA-Basislastschriftverfahren acht Wochen) – mehr möglich sind, jedoch grundsätzlich nicht zu Lasten eines Kredits, der rechtzeitig gekündigt werden sollte.

5.52

Eine Überprüfung, ob der Rückruf noch nicht vollständig ausgeführter Verfügungen zu Lasten debitorischer Konten rechtlich zulässig und technisch noch möglich ist3, kann zumindest im Insolvenzfall bei größeren Beträgen lohnend sein.

1 Zur Verfassungswidrigkeit von Selbsttitulierungsrechten öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute s. BVerfG v. 18.12.2012 – 1 BvL 8, 22/11, WM 2013, 255. 2 Im Verbraucherinsolvenzverfahren beträgt die Frist drei Monate (§ 88 Abs. 2 InsO). 3 Zur Rückgabe von Lastschriften s. Rn. 3.667 ff. und Rn. 3.833 ff.

812 | Huber

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.57 Fünfter Teil

Ein Wechselprotest ist vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bezogenen wegen des Rückgriffs auf Aussteller und Indossanten erforderlich, nach Verfahrenseröffnung dagegen entbehrlich (Art. 44 Abs. 6 WG).

5.53

Kredit- und Zahlungskarten und Scheckvordrucke sind spätestens mit der Insolvenzantragstellung nach Kündigung der einschlägigen Verträge einzuziehen.

5.54

5. Gespräche mit dem Kunden In den Kundengesprächen sollte das Kreditinstitut darauf hinwirken, dass der Kunde sich sehr schnell über seinen „Zustand“ und seine Handlungsoptionen klar wird und alle (Vorsorge-) Maßnahmen trifft, die geeignet sind, die Krise zu überwinden oder – im Fall der unvermeidlichen Insolvenz – einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten und die Vermögenswerte der Masse möglichst weitgehend zu erhalten. Sollte der insolvente Kunde keinen Fachmann einschalten wollen oder können, ist für ihn die Entwicklung eines Ablaufplans, in dem die wichtigsten Maßnahmen aufgezählt werden, die in der Hektik der ersten Tage nach der Veröffentlichung des Insolvenzantrags zu treffen sind, von entscheidender Bedeutung. Das Kreditinstitut sollte allerdings von einer Mithilfe o.ä. beim Erstellen des Ablaufplans die Finger lassen; nur so kann es Vorwürfe eines fehlerhaften Verhaltens bzw. Haftungsgefahren vermeiden. Unabhängig davon sollte das Kreditinstitut aber ebenfalls entsprechend (intern) vorgesorgt haben und entsprechend gerüstet sein, wie es grundsätzlich auch das Aufsichtsrecht vorschreibt1.

5.55

Bei einer geplanten Sanierung ist es dem Kunden dringend anzuraten, sich der Mitarbeit eines versierten Fachmanns zu versichern, um die Sanierungsvoraussetzungen zu schaffen und später bestenfalls auch Unterstützung bei der Durchführung der Sanierung zu erhalten. Ist die Insolvenz nicht mehr zu vermeiden, ist es – insbesondere bei Kunden, die eine Überlebenschance haben – ebenfalls oft zu empfehlen, dass der Kunde einen darauf spezialisierten Fachmann einzuschaltet, der ihn auf das Insolvenzverfahren vorbereiten und ihn gleichzeitig davor bewahren kann, sog. Firmenbestattern2 in die Hände zu fallen. Vor einem Insolvenzverfahren eingeschaltete Fachleute, die unter gewissen Voraussetzungen vom Gericht zu Insolvenzverwaltern ernannt werden können, treten dann das Amt nicht mehr unvorbereitet an. Die früher verbreitete Einstellung mancher Gerichte, einen Insolvenzverwalter, den das Unternehmen oder dessen Gläubiger anbieten, prinzipiell abzulehnen, hat sich nach dem ESUG3 in den letzten Jahren gewandelt (s. auch Rn. 1.465 ff.).

5.56

Insbesondere bei einer Insolvenz kann es erfahrungsgemäß in den ersten Tagen zu einer besonders kritischen Liquiditätsenge kommen, so dass rechtzeitig überlegt werden muss, ob die Bank bereit ist, einen Überbrückungskredit (vgl. im Einzelnen Rn. 5.199 ff.) bzw. unter Zustimmung des vorläufigen Verwalters oder vorläufigen Sachwalters einen neuen Kredit einzuräumen (vgl. im Einzelnen Rn. 5.153 ff.) oder ob Insolvenzgeld vorfinanziert werden soll

5.57

1 Vgl. BTO 1.2.5 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. 2 S. dazu z.B. BGH v. 23.11.2015 – NotSt 4/15, WM 2016, 187 (189, Rn. 18); BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, ZInsO 2013, 1302 (1305 f., Rn. 28 ff.); OLG Zweibrücken v. 3.6.2013 – 3 W 87/12, ZInsO 2013, 2165 f.; LG Berlin v. 8.3.2006 – 86 O 33/05, ZInsO 2006, 722 ff.; zur organisierten „Bestattung“ von Kapitalgesellschaften s. z.B. Brand ZIP 2010, 2134 ff.; Hirte ZInsO 2003, 833 ff. 3 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582.

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Fünfter Teil Rz. 5.57 | Kreditgeschäft

(vgl. im Einzelnen Rn. 5.762 ff.). Vom Kreditnehmer ist in einer Krisensitutation die Durchfinanzierung sicherzustellen; bei seiner Insolvenz ist ein kurzfristiger Zahlungsplan zu erstellen mit dem Ziel, gewisse Prioritäten zu setzen, um Kettenreaktionen zu vermeiden, die z.B. aus der Nichtbezahlung von Betriebsstoffen (Rohmaterial, Energie etc.) für die wenigstens vorübergehende Fortführung des Betriebes entstehen können. Bei Steuern und Sozialabgaben ist zu bedenken, dass die Nichtabführung einbehaltener Abzüge unter Umständen zu einer persönlichen Haftung der Geschäftsführer des Unternehmens führt (vgl. z.B. §§ 34, 69 AO) oder er sich sogar strafbar macht (§ 266a StGB).

6. Compliance-relevante Informationen 5.58

Wenn die Bank als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 2 Abs. 10 WpHG1 bzw. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 596/20142 mit Insiderpapieren im Sinne der Verordnung (EU) 596/2014 handelt, muss sie vor Einleitung der oben beschriebenen Sofortmaßnahmen prüfen, ob sie die Informationen, die den Anlass für ihre Aktionen geben, überhaupt ausnutzen darf oder ob sie daran durch das Verbot von Insidergeschäften gehindert ist. So kann es geschehen, dass eine Bank aufgrund ihrer Kreditbeziehungen von dem Unternehmen über dessen Überschuldung oder bevorstehenden Insolvenzantrag unterrichtet wird und vor der nach Art. 17 der Verordnung (EU) 596/2014 gebotenen Ad-hoc-Mitteilung (Einzelheiten s. Rn. 8.157 f.) des Kunden ihre Handelsabteilungen nicht in Kenntnis setzen darf. Dies trägt ihr naturgemäß den Vorwurf der Verletzung von Beratungspflichten durch solche Kunden ein, die zu diesem Zeitpunkt noch Wertpapiere des insolventen Unternehmens über die Bank erworben haben. Dem kann die Bank jedoch unter Hinweis auf die sog. Chinese Walls, also die nach den Compliance-Grundsätzen3 intern zu schaffenden Vertraulichkeitsbereiche entgegentreten4.

7. Öffentlichkeitsarbeit 5.59

Wenn Krisen oder drohende Insolvenzen gerade bei größeren Unternehmenskunden die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregen, sehen sich die Kreditinstitute oft auch Fragen von Journalisten nach den Erfolgsaussichten einer Sanierung und nach der Einstellung und den Plänen des Kreditinstituts ausgesetzt. Dann müssen die Vertreter der Kreditinstitute strikt darauf achten, dass sie – falls sie überhaupt antworten – keine Tatsachen und Wertungen mitteilen, die dem Bankgeheimnis unterliegen. Sie laufen sonst Gefahr, dass ihnen der Kunde bzw.

1 Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG) in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.9.1998, BGBl. I 1998, 2708. 2 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 173/1 v. 12.6.2014. 3 S. dazu das Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 05/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten (MaComp) v. 19.4.2018, zu finden auf www.bafin.de. 4 Zu „chinese walls“ vgl. AT 6.2.3 des Rundschreibens 05/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten (MaComp) v. 19.4.2018, zu finden auf www.bafin.de.

814 | Huber

A. Früherkennung der Krise und Sofortmaßnahmen | Rz. 5.64 Fünfter Teil

sein Insolvenzverwalter vorwirft, durch öffentliche Äußerungen die Insolvenz erst ausgelöst zu haben1. Zweckmäßig ist es, die Öffentlichkeitsarbeit mit dem Kunden vorher abzustimmen. So kann es empfehlenswert sein, gemeinsam mit dem Unternehmen eine Erklärung gegenüber der Öffentlichkeit, insbesondere der Arbeitnehmerschaft abzugeben, in der bestätigt wird, dass die notwendigen Gelder für eine jedenfalls vorläufige Fortführung des Betriebes gesichert sind.

5.60

Umgekehrt kann sich das Kreditinstitut auch Drohungen des Kunden ausgesetzt sehen, z.B. dass er insbesondere die Weigerung zur Erhöhung der Kredite an die Presse geben werde, um das Kreditinstitut auf diese Weise zur Änderung seiner Entscheidung zu bewegen. Solche Drohungen sind grundsätzlich nicht rechtswidrig2. Das Kreditinstitut kann also keinen Unterlassungsanspruch geltend machen, sondern muss sich mit der Position des Kunden ggf. publizistisch auseinandersetzen.

5.61

IV. Entscheidung über das weitere Vorgehen Mit oder ohne Sofortmaßnahmen gegenüber dem Kunden wird das Kreditinstitut bei einer krisenhaften Entwicklung eines Kunden zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Entscheidung treffen (müssen), wie es mit dem Kundenengagement weiter „umgeht“. Dabei hat es im Wesentlichen folgende Handlungsoptionen3:

5.62

1. (Vorinsolvenzliche) Begleitung des Kunden, insbesondere bei dessen geplanter Sanierung Eine Kreditkündigung ist nicht zwingend, wenn durch das Unternehmen ein erfolgversprechendes Sanierungsszenario aufgezeigt wird; das Kreditinstitut kann sich dann zur Begleitung der Sanierung entschließen, die als Sanierung außerhalb eines gerichtlichen (Insolvenz-) Verfahrens auch als „freie“ Sanierung bezeichnet wird4. Nunmehr hat der Gesetzgeber mit dem StaRUG5 zum 1.1.2021 ein Restrukturierungsverfahren implementiert, mit dem ein Unternehmen, das drohend zahlungsunfähig ist (§ 29 Abs. 1 StaRUG)6, selbst seine Sanierung „von sich aus“ gestalten kann und die involvierten Gläubiger sich unter gewissen Voraussetzungen „fügen“ müssen7.

5.63

Eine Sanierungsbegleitung ist in den meisten Fällen mit einem Neukreditbedarf verknüpft. Üblicherweise ist es die bisher finanzierende Bank, die dann einen Sanierungskredit gewähren

5.64

1 Als (sehr) prominentes Beispiel soll an dieser Stelle alleine die jahrelange Auseinandersetzung Kirch/Deutsche Bank AG genannt werden, vgl. zum Sachverhalt nur OLG München v. 14.12.2012 – 5 U 2472/09, ZIP 2013, 558 = WM 2013, 795 ff. 2 BGH v. 19.4.2005 – X ZR 15/04, WM 2005, 1235 (1238 ff.). 3 Huber ZInsO 2018, 1761 (1764). 4 Zur Sanierungsbegleitung ausführlich Rn. 5.96 ff. 5 Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 6 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 131 f.; s. auch Haffa/Schuster in Braun, StaRUG, 2021, § 29 Rn. 12 ff. 7 Insoweit kann als bei außergerichtlichen Verhandlungen durch das In-Aussicht-stellen eines StaRUG-Verfahrens ein Einigungsdruck erzeugt bzw. wesentlich erhöht werden, vgl. Bernsau/Beyer BB 2022, 1090; s. ferner Bitter in FS Markus Gehrlein, 2022, S. 27. Zum StaRUG s. auch Rn. 5.95.

Huber | 815

Fünfter Teil Rz. 5.64 | Kreditgeschäft

soll und möglicherweise in der Vorstufe einen Überbrückungskredit. In dem Zusammenhang wird auch Stellung genommen zu anderen Finanzierungsbausteinen wie Stundung, Kreditprolongation, Sicherheitenverstärkung bei gleichbleibendem Kreditengagement, „beredtem“ Stillhalten oder geduldeter Überziehung.

5.65

Oft wird schon zu Beginn einer weiteren Begleitung, bevor überhaupt geklärt ist, ob eine Sanierung erfolgversprechend sein kann, der Ruf nach ggf. zusätzlichen Sicherheiten durch den Kunden oder Dritte laut. Davon kann bei vom Kunden geforderten Sicherheiten zu diesem Zeitpunkt wegen der Gefahr einer späteren Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO (vgl. dazu Rn. 5.503 ff.) nur abgeraten werden; unabhängig davon darf sich der Kunde damit nicht der Gefahr einer Gläubigerbegünstigung aussetzen (Einzelheiten s. Rn. 6.147).

5.66

Abhängig davon, welche Sicherheiten dem Kreditinstitut gestellt sind bzw. wie das Kreditinstitut den Kunden begleiten will, kann es sich anbieten, gewisse Maßnahmen zur Sicherung des Sicherungsguts zu unternehmen. Zu denken ist bei Globalsicherheiten, die nach der Rechtsprechung des BGH der Deckungsanfechtung unterliegen1, an den Widerruf der Einzugsermächtigung, der Verkaufserlaubnis und der Benutzungsermächtigung.

2. „Schweigendes“ Stillhalten 5.67

Das Kreditinstitut kann in der Krise des Kunden auch „nichts tun“, d.h. die Geschäftsbeziehung erst einmal so weiter laufen lassen wie bisher. Auch wenn es die Krise oder Insolvenzreife erkannt hat, ist das Kreditinstitut nicht verpflichtet, die Kredite zu kündigen und damit einen Antragsgrund zu schaffen (dazu Rn. 5.90). Es hat nur darauf zu achten, dass es nichts „nach außen hin“ unternimmt, was als positive Unterstützung des Kunden verstanden werden und dann Haftungsprobleme (vgl. dazu Rn. 5.108 ff.) mit sich bringen könnte. Das Kreditinstitut muss also „schweigend“ stillhalten2. Diese Option ist dann nicht sinnvoll, wenn das Kreditengagement besichert und ein Abschmelzen der Sicherheiten zu befürchten ist3 oder der Kunde von sich aus ein Restrukturierungsverfahren beantragt4.

3. Rückführung des Engagements, insbesondere durch Kreditkündigung 5.68

Als weitere Option ist die Rückführung des Engagements („Exit-Strategie“) zu nennen, die eine Bank umsetzen kann, – wenn sich ein anderes Institut zur Ablösung ihrer Kredite bereitfindet, – durch eine Rückzahlungsvereinbarung, die ggf. eine Ratenzahlung vorsieht, unter Umständen auch einen teilweisen Verzicht, oder – durch Kündigung der Kredite und Abwicklung nebst Sicherheitenverwertung.

1 Grundlegend BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZIP 2008, 183 = WM 2008, 204 ff.; z.B. auch BGH v. 11.6.2015 – IX ZR 110/13, ZIP 2015, 1398 = WM 2015, 1384 (1384, Rn. 14); BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223 = WM 2013, 215 (217, Rn. 19); BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435 = WM 2008, 1512 (1513 f., Rn. 16 ff.); zur Deckungsanfechtung Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32, Rn. 106 ff. 2 Anders als beim „Beredten“ Stillhalten, s. dazu Rn. 5.101. 3 Dies gilt gerade bei Globalsicherheiten, vgl. z.B. 5.676. 4 Vgl. Rn. 5.7.

816 | Huber

B. Rechtliche Grenzen in der Krise und bei drohender Insolvenz | Rz. 5.73 Fünfter Teil

Gerade in einem fortgeschritteneren Krisenstadium oder bei Insolvenzreife ist die Kreditkündigung regelmäßig die einzig verbleibende Möglichkeit, die noch – vor allem wenn Sicherheiten gestellt worden sind – zu einer manchmal auch nur teilweisen Rückführung der Kreditverbindlichkeiten führen kann. Eine Kreditablösung wird realistischerweise nur ganz am Anfang einer Krise möglich sein, wenn es keine rechtlichen Risiken gibt und die ablösende Bank die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Kunden positiver einschätzt als die abzulösende Bank. Der Abschluss einer Rückzahlungsvereinbarung wird ebenfalls vorrangig in einem sehr frühen Krisenstadium denkbar sein, insbesondere wenn auch keine Zahlungsunfähigkeit droht; im Übrigen sollten bei einer angedachten Rückzahlungsvereinbarung – sicherlich abhängig von den Umständen des Einzelfalls – ihre möglichen insolvenzrechtlichen Risiken im Blick behalten werden (vgl. dazu Rn. 5.539 ff.).

5.69

Die Entscheidung über das weitere Vorgehen ist zwar in erster Linie nach wirtschaftlichen Kriterien zu treffen. Aber insbesondere bei der vorinsolvenzlichen Begleitung ist für ein Kreditinstitut durch Gesetzgebung und Rechtsprechung ein enger Rahmen für eine freie Sanierung gesteckt, der im Folgenden dargestellt werden soll. Auch die seit dem 1.1.2021 mögliche (nicht mehr ganz so freie) Restukturierung nach dem StaRUG wird erörtert. Wird das Kreditinstitut von einem Insolvenzverfahren „überrascht“, wird es regelmäßig die Kredite kündigen, unabhängig davon, was im Insolvenzverfahren geschehen soll.

5.70

B. Allgemeine rechtliche Grenzen in der Krise und bei drohender Insolvenz in der Übersicht Insbesondere wenn sich ein Kreditinstitut entscheidet, einen Kreditnehmer trotz dessen Krisensituation bzw. einer drohenden Insolvenz weiter zu begleiten, kann es in ein gefährliches Spannungsfeld1 geraten, denn die Erfahrung zeigt, dass eine Weiterbegleitung oft mit dem (dringenden) Wunsch nach „frischem Geld“ verbunden ist. Dann ist das Kreditinstitut oft zwei völlig gegensätzlichen Positionen ausgesetzt, nämlich einmal der meistens mit wirtschaftlichen, in Ausnahmefällen auch mit rechtlichen2 (s. auch Rn. 5.61) Argumenten vorgetragenen Forderung ihres Kunden nach neuen Krediten und zum anderen vorallem Insolvenzanfechtungsansprüchen des Insolvenzverwalters bzw. Sachwalters oder Schadenersatzansprüchen von dritten Gläubigern, falls dieser zusätzliche Kredit nicht zu einer erfolgreichen Sanierung führt3. Auch bei den sonstigen Handlungsoptionen oder einer Kündigung sind stets die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten.

5.71

Die Entscheidung über sein Verhalten in einer Krise des Kunden darf das Kreditinstitut deshalb nicht nur unter wirtschaftlichen Aspekten treffen, vielmehr muss es jede Maßnahme auch unter rechtlichen Gesichtspunkten auf ihre Zulässigkeit und Risikofreiheit überprüfen.

5.72

Das Reichsgericht hatte in seiner grundlegenden Entscheidung vom 9.4.1932 versucht, den Handlungsspielraum des Kreditgebers durch fünf Tatbestände einzugrenzen, deren Verwirklichung es als sittenwidrig angesehen hat4:

5.73

1 Knops in Knops/Bamberger/Lieser, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 14 Rn. 5; Urlaub/Kamp ZIP 2014, 1465; Batereau WM 1992, 1517. 2 Kiehte KTS 2005, 179 (180); Canaris ZHR 143 (1979), 113 (132 f.). 3 BGH v. 9.7.1953 – II ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (232 ff.). 4 RG v. 9.4.1932 – IX 74/31, RGZ 136, 247 (253 f.).

Huber | 817

Fünfter Teil Rz. 5.73 | Kreditgeschäft

– Konkursverschleppung, – Aussaugung, – stille Geschäftsinhaberschaft, – Kreditbetrug, – Gläubigergefährdung1.

5.74

Der Begriff der Aussaugung2 mag zwar als Gebilde vampiristischer Phantasie apostrophiert werden3, und manche Autoren fühlen sich durch das in diesem Zusammenhang auch oft verwendete Wort „Knebelung“ an das Nachtprogramm mancher Fernsehanstalten erinnert4, dennoch waren diese Tatbestände für die Praxis wegen ihrer schlagwortartigen Abgrenzung hilfreich5. Der BGH hat sie jedoch nicht übernommen, sondern ausgesprochen, dass ihnen nur die Bedeutung eines Anhaltspunkts zukomme6. Denn nach seit langen Jahren unverändert wiederholter Ansicht des BGH könne die Grenze zwischen dem, was einer Bank bei Vergabe und Sicherung ihrer Kredite noch erlaubt, und dem, was für den redlichen Verkehr unerträglich und deshalb sittlich unstatthaft sei, nicht fest gezogen werden: „Die Grenze fließt“7. Deshalb dürfe der Rechtsanwender nicht allgemein von bestimmten Tatbeständen ausgehen, sondern „welche Merkmale in objektiver und subjektiver Hinsicht vorliegen müssen, hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Erst deren erschöpfende Würdigung auf Grund einer Gesamtschau aller Umstände erlaubt die Beantwortung der Frage, ob die Bank sittenwidrig gehandelt hat“8. Dass diese Vorgaben dem Rechtsanwender nur bedingt nützen, scheint auch dem BGH klar zu sein, denn er verweist darauf, dass die Rechtsprechung „immerhin ... Grundsätze“ herausgearbeitet hat, die bei Beantwortung der Frage, ob die Bank sittenwidrig gehandelt hat, von Bedeutung sind9. Diese Grundsätze werden später noch genauer dargelegt. Ein Kreditinstitut hat ferner – zumindest seit der Geltung der InsO – in seine Risikobetrachtung verstärkt eine potentielle Insolvenzanfechtung ins Kalkül zu ziehen, nachdem die Rechtsprechung z.B. die Vorsatzanfechtung zu einem aus Sicht des anfechtenden Verwalters starken Instrument ausgebaut hatte, was sich allerdings in jüngerer Vergangenheit wieder etwas gedreht hat10. Daraus hat sich insgesamt eine umfangreiche Kasuistik entwickelt, die nur noch schwer zu überschauen ist. Auch wenn die Vorwirkungen einer Insolvenzanfechtung bereits in der Krise ins Kalkül genommen werden sollten, setzt sie doch ein Insolvenzverfahren voraus, in dem sich auch weitere rechtliche Rahmenbedingungen für das Kreditgeschäft ändern.

1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

Auch RG v. 17.1.1931 – IX 335/30, LZ 1931, Sp. 694 Nr. 4. Von Kiehte KTS 2005, 179 (191) mit Ausplünderung gleichgesetzt. Mertens ZHR 143 (1979), 174, (185). H.P. Westermann ZIP 1982, 379 (380). Weitere Abgrenzungsversuche s. Thole WM 2010, 685 (687 ff.). BGH v. 30.10.1990 – IX ZR 9/90, ZIP 1990, 1541 (1543); BGH v. 4.4.1958 – VIII ZR 213/57, WM 1958, 590 (591); BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658). BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658). BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658). Auf dieses Urteil hat der BGH explizit z.B. in seinem Beschluss zur Sittenwidrigkeit eines Überbrückungskredits verwiesen, vgl. BGH v. 7.3.2017 – XI ZR 571/15, ZIP 2017, 809= NZI 2017, 507 m. Anm. Huber. Siehe auch OLG Köln v. 3.4.2009 – 6 U 80/08, BeckRS 2010, 03013 (II 1). BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658). S. z.B. Gehrlein/Pape ZInsO 2021, 2061: „...: eine unendliche Geschichte“.

818 | Huber

B. Rechtliche Grenzen in der Krise und bei drohender Insolvenz | Rz. 5.77 Fünfter Teil

Angesichts dieser Ausgangslage soll anhand typischer Geschäftsvorfälle aufgezeigt werden, welche Grenzen die Rechtsprechung bisher gezogen hat und mit welchen Entwicklungen nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion in der Literatur und der obiter dicta der Rechtsprechung vorsorglich gerechnet werden muss. Dabei können mehrere Hauptabschnitte gegeneinander abgegrenzt werden:

5.75

– die Behandlung schon ausgezahlter oder bereits zugesagter Kredite in der (vorinsolvenzlichen) Krise und in der Insolvenz (nachstehend Rn. 5.311 ff.); – die Vereinbarung neuer Kredite mit einem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Kunden, ohne dass ein Insolvenzantrag gestellt wurde (nachstehend Rn. 5.149 ff.); – die Finanzierungen in der Insolvenz eines Kunden (nachstehend Rn. 5.666 ff.). Eine wesentliche Rolle spielt bei diesen Abschnitten jeweils die Frage, ob im Zusammenhang mit dem Kredit Sicherheiten bestellt oder verstärkt werden. Weiterhin kann bei den ersten beiden Abschnitten der Insolvenzanfechtung eine teilweise erhebliche Rolle zukommen. Den Ausgangspunkt der rechtlichen Würdigung stellen die §§ 138 und 826 BGB sowie die Insolvenzanfechtungstatbestände der §§ 129 ff. InsO dar:

5.76

Nach § 138 BGB können Kreditverträge und Verträge über die Bestellung von Sicherheiten nichtig sein, wenn sie gegen die guten Sitten verstoßen. Auf diese Vorschrift kann in der Regel nur der Insolvenzverwalter gegen die Bank Ansprüche, z.B. auf Freigabe von Sicherheiten, stützen. Nach § 826 BGB können dritte Gläubiger die Bank auf Schadenersatz in Anspruch nehmen, wenn nämlich ihr Verhalten eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Gläubiger darstellt. Eine Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) als besonderes, nur dem Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter zustehendes Recht kann zu einer vom Kreditinstitut durchzuführenden „Rückabwicklung“ z.B. einer Rückzahlung des Schuldners auf einen Kredit oder einer durch den Schuldner gestellten Sicherheiten führen. Zwar berühren sich die Voraussetzungen des § 138 BGB mit denen einer Schadenersatzklage aus § 826 BGB1, die Klagevoraussetzungen sind jedoch in wesentlichen Punkten verschieden: So ist bei § 138 BGB auf den Inhalt des zwischen Bank und Schuldner geschlossenen Vertrages und auf die sie leitenden Beweggründe, vor allem die der Bank im Verhältnis zu dem Schuldner, abzustellen2. Demgegenüber kommt es bei § 826 BGB wesentlich auf das Verhalten der Bank gegenüber den Gläubigern des Schuldners an3. Auch eine Insolvenzanfechtung kann sich bei der gewollten Rückabwicklung mit den Voraussetzungen insbesondere des § 138 BGB „berühren“; allerdings grenzt die Rechtsprechung bei den Voraussetzungen deutlich ab und lässt die Insolvenzanfechtung eher greifen als § 138 BGB.

1 BGH v. 20.12.1957 – VI ZR 188/56, WM 1958, 249 (250). 2 OLG Stuttgart v. 26.9.2012 – 9 U 65/12, BB 2012, 3161 (3162). 3 BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658); BGH v. 18.9.1963 – VIII ZR 46/62, WM 1963, 1093 (1094).

Huber | 819

5.77

Fünfter Teil Rz. 5.78 | Kreditgeschäft

5.78

Alleine1 anhand der Insolvenzantragszahlen dürfte indiziell sein, dass die Praxis ihr Hauptaugenmerk auf eine (spätestens dann erfolgende) Kündigung bereits bestehender Kredite sowie potentielle Finanzierungen im (vorläufigen) Insolvenzverfahren zu richten hat. Dennoch soll nachstehend nicht damit, sondern mit der (faktisch vorhergehenden) vorinsolvenzlichen Sanierungsbegleitung insbesondere durch neue Kredite begonnen werden, da sie gerade bei größeren Unternehmen immer mehr an Bedeutung erlangt. Auch die EU-Restrukturierungsrichtlinie2 bzw. das daraus resultierende StaRUG3 könnte zu einer weiteren Bedeutungszunahme vorinsolvenzlicher Sanierungsbegleitungen führen.

C. Die besonderen Risiken der vorinsolvenzlichen Sanierungsbegleitung, insbesondere durch neue Kredite I. Ausgangssituation: Jedes Krisenszenario ist (ein kleines bisschen) anders 5.79

Eine Sanierungsbegleitung kommt – außer in seltenen Ausnahmefällen4 – nur in Betracht, wenn ein Unternehmen mit einem Kreditinstitut bereits in darlehensvertraglichen Beziehungen steht und das Unternehmen in eine existenzbedrohende Krise gerät, also Sanierungsbedürftigkeit anzunehmen ist. Es sind verschiedene Szenarien aus der Sicht eines Kreditinstituts möglich, die in einer Sanierungsbedürftigkeit enden können. Es kann bei einem Unternehmen intern oder extern verursachte überraschende Entwicklungen geben, die anschließend auch für das Kreditinstitut überraschend sind, so dass sich das Unternehmen noch in der Normalbetreuung befindet, also im Kreditinstitut noch keine Sanierungsspezialisten eingeschaltet worden sind. Oft befindet sich allerdings ein Unternehmen schon seit mehr oder weniger geraumer Zeit auf dem „Weg nach unten“, so dass das Kreditinstitut intern das Engagement bereits auf die Intensivbetreuung oder die „Sanierungsbetreuung“ übertragen hat. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass es für das Unternehmen wieder „aufwärts“ geht, denn Grundvoraussetzungen für ein „Umschwenken“ sind die Einsicht der Sanierungsbedürftigkeit und der Wille, die geeigneten Schritte zu einer Sanierung zu unternehmen.

5.80

Die Erfahrung zeigt bedauerlicherweise immer wieder, dass es oft (und manchmal zu) lange dauert, bis sich die Einsicht der Sanierungsbedürftigkeit durchsetzt – und dies, obwohl entsprechende (ggf. sehr) deutliche Hinweise nicht nur von Seiten des Kreditinstituts in Kundengesprächen gegeben werden, sondern auch von anderen Personen, die die wirtschaftliche Situation des Unternehmens kennen wie z.B. Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer (wenn letztere nicht schon eine Einschränkung beim Bestätigungsvermerk machen müssen). Ob sich daran im Hinblick auf die jetzt in § 102 StaRUG implementierten, aus der Rechtsprechung re-

1 Es wären also auch die Kündigungen vor einer Insolvenzantragsstellung einzubeziehen, wenn ein Kreditinstitut einem Unternehmen in der Krise keine wirtschaftliche Chance einräumt oder aus anderen Gründen eine Sanierungsbegleitung nicht in Betracht kommt. 2 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1121 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172, S. 18. 3 Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 4 Huber ZInsO 2018, 1761 (dort auch: Fn. 2).

820 | Huber

C. Besondere Risiken vorinsolvenzlicher Sanierungsbegleitung | Rz. 5.83 Fünfter Teil

sultierenden und vom Gesetzgeber auf bestimmte Berufsgruppen erweiterten1 Hinweis- und Warnpflichten künftig etwas ändern wird, bleibt abzuwarten2. Setzt sich die Einsicht durch, ist es leider nicht der seltene Ausnahmefall, dass die Krise schon sehr weit fortgeschritten ist und sich die Entscheidungsspielräume für Unternehmen und Kreditinstitute (deutlich) eingeschränkt haben. Manchmal muss es dann sehr schnell gehen, um ein Insolvenzverfahren des Unternehmens noch abwenden zu können. Auch wenn demnach kein Krisenszenario dem anderen gleichen muss, ändert die Krise eines Kunden für das finanzierende Kreditinstitut – wenn es mit ihr konfrontiert wird – jedes Mal nichts daran, dass es sich bei seinem weiteren Handling über den rechtlichen Rahmen klar sein muss, innerhalb dessen es ohne zusätzliches Risiko handeln kann. Anders als beim Normalkreditgeschäft ist ein Kreditinstitut in der Krise des Kunden in seinen Möglichkeiten der weiteren Geschäftstätigleit mit dem Kunden insbesondere durch die höchstrichterliche Rechtsprechung deutlich eingeschränkt worden. Nur wenn die von der Rechtsprechung eingezogenen Leitplanken beachtet werden, kann das Kreditinstitut eine (weitergehende) Haftung in der Krise vermeiden. Die von der Rechtsprechung für die freie Sanierung entwickelten Grundsätze werden nachstehend zuerst dargestellt und anschließend (s. Rn. 5.264 ff.) wird geprüft, ob für eine Restrukturierung nach dem StaRUG andere Maßstäbe gelten.

5.81

II. Besondere Risiken des Kreditgeschäfts in der Krise und Haftung Die Rechtsprechung hat diese Leitplanken beim Kreditgeschäft in der Krise eines (Unternehmens-)Kunden hauptsächlich anläßlich von in der Krise gewährten (neuen) Krediten entwickelt (sog. Sanierungskreditrechtsprechung). Die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze können bei der freien Sanierung3 allerdings als „allgemeingültig“ für das Tätigwerden von Kreditinstituten in der Krise angesehen werden. Unabhängig davon, was das Kreditinstitut unternehmen will, wenn auch die Neukreditgewährung regelmäßig im Vordergrund steht, sind also die Grundsätze zu beachten, da ansonsten die Gefahr der besonderen (Krisen-)Haftung besteht.

5.82

1. „Rettungschance“ sollte zwingend gegeben sein Grundsätzlich ist es einem Kreditinstitut nicht verwehrt, auch einem sanierungsbedürftigen oder gar insolvenzreifen Unternehmen noch einen neuen Kredit einzuräumen4 oder es anderweitig zu begleiten, insbesondere wenn das Kreditinstitut noch der Auffassung ist, dass das Unternehmen damit aus seiner Schieflage gerettet werden kann. Die z.B. durch einen Neukredit erfolgende Unterstützung eines Unternehmens ohne „Rettungschance“ sollte aber auf jeden Fall vermieden werden, denn diese Fälle waren die Grundlage der Sanierungskreditrechtsprechung, weil einschlägiges Handeln eines Kreditinstituts rechtlich unvertretbar war bzw. ist. Aus dieser Erwägung heraus sollte ein Kreditinstitut die kritische Haltung der Rechtsprechung (dazu Rn. 5.84 ff.) zur Kreditgewährung in der Krise kennen und deren Vorgaben (= „Leitplanken“) beachten, um nicht zuletzt auch Reputationsschäden zu vermeiden.

1 2 3 4

Weber/Dömmecke in Braun, StaRUG, 2021, § 102 Rn. 1. So auch Weber/Dömmecke in Braun, StaRUG, 2021, § 102 Rn. 16. Zur Restrukturierung nach dem StaRUG vgl. Rn. 5.264 ff. BGH v. 3.3.1956 – IV ZR 334/55, WM 1956, 527 (529).

Huber | 821

5.83

Fünfter Teil Rz. 5.84 | Kreditgeschäft

2. Zu beachtende Risiken als „Geschäftsgrundlage“ für eine (freie) Sanierungsbegleitung 5.84

Besondere Risiken, auf die ein Kreditinstitut insbesondere bei einer Kreditvergabe in der Krise zwecks Haftungsvermeidung zu achten hat und die es somit zu vermeiden gilt, können aus dem Kreditvertrag bzw. dessen Besicherung, aus Ansprüchen Dritter, aus einem sog. Rettungserwerb sowie aus dem Strafrecht resultieren. a) Sittenwidrigkeit des Kreditvertrags (§ 138 BGB)

5.85

Für die Risikobetrachtung des Kreditvertrages sowie seiner Besicherung setzt § 138 BGB eine Leitplanke: nach dieser Norm ist ein Vertrag, der gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Der schwere Vorwurf der Sittenwidrigkeit eines Kreditvertrages wird dann erhoben, wenn er „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt“1. Durch § 138 BGB soll die in der Allgemeinheit oder einer beteiligten Gruppe herrschende Rechts- und Sozialmoral, wobei ein durchschnittlicher Maßstab zugrunde zu legen ist2, und die sich daraus ergebenden Verhaltensgebote die äußere Grenze für ein Rechtsgeschäft setzen3, bei deren Überschreitung eben „nichts mehr geht“. Diese äußere Grenze ist bei einem Kreditvertrag bzw. einem damit korrespondierenden Sicherungsvertrag immer dann überschritten, wenn ein Kreditinstitut nur Zwecke verfolgt, die „nicht als berechtigt anerkannt werden können“4. Dies soll z.B. der Fall sein, wenn durch den Kreditvertrag der Zusammenbruch des Schuldners nur hinausgeschoben werden soll bzw. das Kreditinstitut sich dadurch persönliche Vorteile zu verschaffen hofft5, z.B. weil durch eine unzureichende Kreditgewährung ein Unternehmen noch solange am Leben erhalten wird, bis auch schon längere Zeit bestehende Kreditverträge vollständig zurückgeführt worden sind6. Es sind also eigennützige Beweggründe, die in einer Abwägung die entscheidende Rolle für den Sittenwidrigkeitsvorwurf spielen können; sind die Beweggründe dagegen auch bzw. überwiegend fremdnützig wie dies z.B. bei einer wirklich gewollten Sanierung7 der Fall wäre, kann damit kein Sittenwidrigkeitsvorwurf verbunden werden, auch wenn die Sanierung später scheitern sollte. Auch die sittenwidrige Gläubigergefährdung kann zur Unwirksamkeit nach § 138 BGB führen, allerdings ist deren Zielrichtung oft eine etwas andere und sie ist eher bei den Ansprüchen Dritter anzusiedeln. Ferner führt nur die „sittenwidrige“ Gläubigergefährdung zum Eingreifen des § 138 BGB, während eine „normale“ Gläubigergefährdung alleine eine Gläubigeranfechtung bzw. Insolvenzanfechtung nach sich ziehen kann8.

1 2 3 4 5 6

S. nur Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 138 Rn. 2. BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (232). Vgl. nur Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 138 Rn. 1 ff. BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (233). BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (233). Soweit die Rspr. für diese „äußere Grenze“ noch andere Gesichtspunkte wie z.B. eine Knebelung erwähnt, sind diese hier nicht von weiterem Interesse. 7 BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (234). 8 BGH v. 28.10.2011 – V ZR 212/10, NJW-RR 2012, 18 (19, Rn. 13); BGH v. 23.4.2002 – XI ZR 136/ 01, ZIP 2002, 1155= NZI 2002, 430 (433).

822 | Huber

C. Besondere Risiken vorinsolvenzlicher Sanierungsbegleitung | Rz. 5.88 Fünfter Teil

b) Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) Auch eine Insolvenzanfechtung1 kann ein erhebliches Risiko darstellen und damit eine Leitplanke aufstellen, wenn ein Kreditinstitut bei der Gewährung eines Kredits (nebst Besicherung) an ein Krisenunternehmen oder bei anderen Unterstützungsmaßnahmen nicht aufpasst. Gerade die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO spielt dabei eine erhebliche Rolle, während die Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131 InsO wegen ihres sehr kurzen Eingriffszeitraums von 3 Monaten2 keine größere Bedeutung hat. Als anzufechtende Rechtshandlungen stehen neben Kreditrückführungen des Kreditnehmers die Gewährung von Sicherheiten durch den Schuldner an das kreditgewährende Institut im Focus; in diesem Fall hat also bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen das Kreditinstitut den Kredit gegeben, eine dafür gewährte Sicherheit kann ihm aber nach § 133 InsO aus der Hand geschlagen werden. Zur Insolvenzanfechtung ausführlich Rn. 5.495 ff.

5.86

c) Vorinsolvenzlicher Erwerb von Unternehmensanteilen („Rettungserwerb“) Auch ein sog. (vorinsolvenzlicher) Rettungserwerb kann risikobehaftet sein; das Risiko ist in § 39 Abs. 4 InsO zu verorten. Wenn ein Kreditinstitut Anteile an einem (regelmäßig bereits schuldenden) Unternehmen erwirbt3 und dann neue Kredite vergibt, sollte es dies nur unter den dort genannten Voraussetzungen, d.h. insbesondere Anteilserwerb „zum Zwecke ihrer Sanierung“ machen, weil andernfalls bereits gewährte und auch die neuen Kredite in einer nachfolgenden Insolvenz wegen der Gesellschafterstellung des Kreditinstitutes als nachrangig nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO eingeordnet werden könnten und das Kreditinstitut dann komplett ausfällt. Denn es kommt sehr selten vor, dass nachrangige Gläubiger nach § 174 Abs. 3 InsO vom Insolvenzgericht überhaupt zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert werden4.

5.87

d) Ansprüche Dritter Ein weiteres, bei der Kreditvergabe in der Krise zu beachtendes wichtiges Risiko betrifft die ggf. entstehenden Ansprüche Dritter. Ansprüche Dritter können vertraglich begründet sein, was in der Praxis aber kaum vorkommt; es ist also nach einer „außervertraglichen“ Anspruchsgrundlage zu suchen und die findet sich üblicherweise in § 826 BGB. Nach dieser Norm ist, „wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ... dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet“. Auch wenn der Begriff der Sittenwidrigkeit schon bei § 138 BGB maßgeblich war, ist mit der Rechtsprechung zwischen § 138 BGB und § 826 BGB zu unterscheiden, denn die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit in § 138 BGB berühren sich zwar mit den Voraussetzungen einer Schadensersatzklage aus § 826 BGB, die Klagevoraussetzungen sind aber in wesentlichen Punkten verschieden5. Während bei § 138 BGB auf den Inhalt des zwischen Bank und Schuldner geschlossenen Vertrages und auf die sie leitenden Beweggründe, vor allem die der Bank im Hinblick auf den

1 Zur Insolvenzanfechtung vgl. z.B. Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 77 ff., zur Vorsatzanfechtung insbesondere Rn. 120 ff. 2 Dazu Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 103. 3 Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 39 Rn. 68. 4 Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 39 Rn. 2; Huber ZInsO 2018, 1761 (1762, Fn. 15). 5 So BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658); s. bereits BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (232, mit dem Hinweis, dass das Reichsgericht „nicht immer genügend zwischen diesen beiden Tatbeständen geschieden“ habe).

Huber | 823

5.88

Fünfter Teil Rz. 5.88 | Kreditgeschäft

Schuldner, abzustellen ist1, kommt es bei § 826 BGB wesentlich auf das Verhalten der Bank gegenüber den Gläubigern des Schuldners an2. Mit § 138 BGB kann ein Rechtsgeschäft als solches angegriffen werden; will dagegen ein dritter Gläubiger die Bank wegen Gläubigergefährdung oder Konkursverschleppung für seinen Ausfall im Insolvenzverfahren schadensersatzpflichtig machen, kann er sich nur auf § 826 BGB stützen, wobei er ein Verhalten der Bank dartun und gegebenenfalls beweisen muss, das als sittenwidrig zu qualifizieren ist und bei dem, was bei § 138 BGB nicht erforderlich ist, die Bank den Gläubiger vorsätzlich geschädigt hat3.

5.89

Allerdings gibt es nach dem BGH keine feste „rote Linie“, die nicht überschritten werden dürfe, vielmehr könne die Grenze zwischen dem, was einer Bank bei der Gewährung und Sicherung ihrer Kredite noch erlaubt ist, und dem, was für den redlichen Verkehr unerträglich und deshalb sittlich unstatthaft ist, nicht fest gezogen werden: „Die Grenze fließt“4. Die Rechtsanwender können also nicht allgemein von bestimmten Tatbeständen ausgehen, sondern „welche Merkmale in objektiver und subjektiver Hinsicht vorliegen müssen, hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Erst deren erschöpfende Würdigung aufgrund einer Gesamtschau aller Umstände erlaubt die Beantwortung der Frage, ob die Bank im Rechtssinne sittenwidrig gehandelt hat“5. Dass diese Vorgaben dem Rechtsanwender nur bedingt nützen, scheint auch dem BGH klar zu sein, denn er verweist noch darauf, dass die Rechtsprechung „immerhin ... Grundsätze“ herausgearbeitet hat, die bei Beantwortung der Frage, ob die Bank sittenwidrig gehandelt hat, von Bedeutung sind6. Diese Grundsätze können wie folgt festgehalten werden7: aa) Wahrnehmung eigener Interessen

5.90

Die gute Sitte sinnt einem Kreditinstitut nicht an, die Wahrnehmung des eigenen Interesses hinter den Belangen anderer Gläubiger zurücktreten zu lassen, zumal es davon ausgehen kann, dass die Gläubiger sich selbst darüber vergewissern, ob sie auf Kredit liefern wollen, ohne dabei auf Sicherungen zu bestehen. In aller Regel ist es daher nicht sittenwidrig, wenn es einen gewährten Kredit nicht kündigt (und deshalb keinen Antragsgrund „schafft“); das gilt auch dann, wenn es den unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch bzw. die Konkursreife erkannt hat8.

1 Dazu BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (232 f.). 2 Explizit BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658); vgl. auch BGH v. 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412 = NZI 2001, 541 (542); OLG Köln v. 9.1.2002 – 13 U 22/01, ZIP 2002, 521 = WM 2003, 1070 (1071); OLG Köln v. 3.4.2009 – 6 U 80/08, BeckRS 2010, 03013 (II. 1.). 3 BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658); s. a. BGH v. 4.7.1961 – VI ZR 236/60, WM 1961, 1126 (1127). 4 BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658). 5 BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658); ebenso OLG Köln v. 3.4.2009 – 6 U 80/08, BeckRS 2010, 03013 (II.1.). 6 BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658). 7 Zu den ersten beiden Gliederungspunkten insbesondere BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658). S. dazu und zum Nachstehenden auch Huber ZInsO 2018, 1761 ff.; Huber NZI 2015, 447 (449 ff.). 8 BGH v. 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412 = WM 2001, 1458 (1459); BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572 = NJW 1984, 1893 (1900); s.a. BGH v. 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671 (673).

824 | Huber

C. Besondere Risiken vorinsolvenzlicher Sanierungsbegleitung | Rz. 5.92 Fünfter Teil

bb) Anstößiger Eigennutz Allerdings kann das Kreditinstitut „bei solcher Lage“ mit den Interessen der anderen Gläubiger in bedenkliche Konflikte geraten, vor allem mit den Neugläubigern, die das Unternehmen im Vertrauen auf die scheinbar bejahte Kreditwürdigkeit weiter beliefern; diese Konfliktsituation komme vor allem dann in Betracht, wenn das Kreditinstitut das Unternehmen durch neue Kredite zu sanieren versucht. Vor allem handele ein Kreditinstitut, das das Hinausschieben des nach den Verhältnissen (die es meist am besten durchschaut) gebotenen Insolvenzantrages durch sein Stillhalten und Weitergewähren des Kredits bewirkt oder duldet, dann sittenwidrig, wenn es das nicht mehr in der Annahme tut, dass es sich nur um eine überwindbare und vorübergehende Krise gehandelt habe, sondern deshalb, um in rücksichtsloser und eigensüchtiger Weise seine Stellung bei dem in Kürze erwarteten Zusammenbruch auf Kosten der anderen Gläubiger zu verbessern1. Das gelte vor allem dann, wenn es dem insolvenzreifen Unternehmen nicht (mehr) Kredit in der Höhe geben oder belassen will, den es zur Sanierung braucht, sondern nur einen solchen, der den wirtschaftlichen Todeskampf des Unternehmens lediglich verlängert2, damit es sich in der so gewonnenen Zeit aus den Sicherheiten zum Nachteil der anderen Gläubiger ungehindert und besser befriedigen kann3. Der anstößige Eigennutz des Kreditinstituts liege auf der Hand, wenn es die um eigener Vorteile willen bewirkte Hinausschiebung der Insolvenz veranlasst, obwohl es weiß oder doch billigend in Kauf nimmt, dass dadurch die Lieferanten des Unternehmens zu Schaden kommen können, während es, weil deren Lieferungen kraft des Sicherungsvertrages in sein Eigentum übergehen, dadurch demnächst günstiger abschneiden kann.

5.91

cc) Erhöhte Prüfungsanforderungen bei wirklich gewollter Sanierung Verfolgt dagegen das Kreditinstitut den Zweck, den Schuldner „wirklich zu sanieren, so reicht die nicht allzu naheliegende Möglichkeit einer Täuschung und Schädigung Dritter dann nicht aus, um den Vertrag sittenwidrig erscheinen zu lassen, wenn die Parteien auf Grund einer sachkundigen und sorgfältigen Prüfung der Lage des Schuldners und besonders der Geschäftsaussichten überzeugt waren, das Sanierungsvorhaben werde Erfolg haben und eine Schädigung Dritter letztlich nicht eintreten. Dabei sind an die Pflicht zur sachkundigen, sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Lage des Schuldners und der Entwicklungsmöglichkeiten seines Geschäfts strengere Anforderungen zu stellen, wenn der Beweggrund für die Bewilligung des Kredites zur Sanierung des Schuldners eigennützig war. Ein eigennütziger Beweggrund würde z.B. insbesondere dann vorliegen, wenn der Gläubiger befürchtet, der Schuldner werde, falls eine Sanierung nicht versucht werde, auch die ihm von dem Gläubiger früher eingeräumten Kredite nicht zurückzahlen können. Unter solchen Umständen, in denen der Beweggrund für die Sanierung des Schuldners von seiten des kreditgewährenden Gläubigers eigennützig ist, müssen Gläubiger und Schuldner, um dem Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens zu entgehen, besonders sorgfältig prüfen, ob das Sanierungsvorhaben auch Erfolg haben wird“4.

1 2 3 4

Ähnlich BGH v. 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671 (673). S. bereits RG v. 9.4.1932 – IX 74/31, RGZ 136, 247 (253). Ebenso OLG Köln v. 3.4.2009 – 6 U 80/08, BeckRS 2010, 03013 (II.1.). BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (234).

Huber | 825

5.92

Fünfter Teil Rz. 5.93 | Kreditgeschäft

dd) Fremdnütziges Handeln muss vorrangig sein

5.93

Festzuhalten ist also, dass es entscheidend darauf ankommt, ob ein Kreditinstitut einem sanierungsbedürftigen Unternehmen auch wirklich bei dessen Sanierung helfen will und damit vorrangig fremdnützig handelt oder ob seine Begleitung von überwiegend eigennützigen Motiven und damit als grundsätzlich sittenwidrig vorwerfbar getragen ist. Da ein Kreditinstitut eine Sanierungsbegleitung nur erwägen wird, wenn es bereits Kredit gewährt hat1, stehen immer auch eigennützige Motive im Raum, so dass es für eine (möglichst) risikolose Begleitung entscheidend auf die von der Rechtsprechung geforderte besonders sorgfältige Prüfung ankommt, damit die erforderliche vorrangige Fremdnützigkeit „gerichtsfest“ belegt werden kann. Dazu wird weiter unten ausführlich Stellung genommen (Rn. 5.153 ff.). e) Strafrecht

5.94

Das Strafrecht kann ebenfalls eine Leitplanke setzen und ist damit in einer Risikobetrachtung nicht außer Acht zu lassen. Wenn nach der Rechtsprechung ein Kreditinstitut „das Hinausschieben des ... gebotenen Insolvenzantrages durch ... Stillhalten und Weitergewähren des Kredits bewirkt oder duldet“2, könnte dies eine Beteiligung an einer Insolvenzverschleppung bedeuten. Nach § 15a Abs. 4 InsO wird „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe ... bestraft, wer ...einen (nach den vorstehenden Absätzen gebotenen) Eröffnungsantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt.“ Dieser Normbefehl ist zwar an die Organe des insolventen Unternehmen gerichtet; aber ein Kreditinstitut bzw. die dort handelnden Personen können durch das soeben genannte Bewirken oder Dulden des Hinausschiebens des gebotenen Insolvenzantrags sich ebenfalls strafrechtlich relevant verhalten, wenn nach § 27 StGB „vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet wird.“ Es reicht insoweit, dass die tatbestandsmäßige Handlung gefördert, erleichtert oder der Täter in seinem Entschluss zur Tatbegehung bestärkt wurde3; neben einem Vorsatz des Täters muss der Gehilfe erkannt haben, dass der Täter den Insolvenzantrag trotz gegebener Insolvenzreife pflichtwidrig unterlässt4. Diese Erkenntnis und damit eine Strafbarkeit dürfte nach dem erwähnten Rechtsprechungszitat nahe liegen; hinzu käme eine zivilrechtliche Schadensersatzhaftung nach den § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2 BGB, § 15a InsO. Neben dem soeben genannten Straftatbestand könnte je nach Krisenzustand und Handlungsintensität beispielsweise auch noch an die in den §§ 283 ff. StGB geregelten sog. Insolvenzstraftaten bzw. Beihilfehandlungen zu diesen gedacht werden, und wenn jemand noch tiefer verstrickt ist, würde „auch noch mehr gehen“ (z.B. Beihilfe zum Eingehungsbetrug); letzteres dürfte der von einer besonderen kriminellen Energie geprägte absolute Ausnahmefall sein.

3. Restrukturierungsbegleitung nach dem StaRUG 5.95

Bei einer seit dem 1.1.2021 möglichen Restrukturierung nach dem StaRUG kann ein Kreditinstitut – abgesehen davon, dass es als „Altgläubiger“ von einer Restrukturierungsmaßnahme betroffen sein könnte – involviert sein, wenn es ähnlich wie bei einer freien Sanierung um einen Neukredit, eine Besicherung oder andere finanzielle „Begleitmaßnahmen“ für die vor1 Vgl. oben Rn. 5.79. 2 BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658). 3 Dazu z.B. Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 27 Rn. 9 ff.; s.a. BGH v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, ZIP 2005, 1734 = WM 2005, 1843 (1845). 4 Zum doppelten Gehilfenvorsatz vgl. z.B. Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 27 Rn. 22; s. a. BGH v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, ZIP 2005, 1734 = WM 2005, 1843 (1845).

826 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.97 Fünfter Teil

gesehene Restrukturierung geht. Da es bei der gesetzlich geregelten Restrukturierung (die letztlich die gleiche Zielrichtung hat wie eine Sanierung) wie bei der freien Sanierung für ein Kreditinstitut um die „finanzielle“ Begleitung eines kriselnden Unternehmens mit dem Ziel einer Restrukturierung regelmäßig auf Basis eines fachgerechten Restrukturierungsplans geht und kein Grund ersichtlich ist, dass bei der Restrukturierung im Hinblick auf die von der Rechtsprechung bei einer freien Sanierung für ein Kreditinstitut gesetzten Leitplanken etwas anderes gelten sollte, kommt es somit auch bei einer Restrukturierung entscheidend auf die Beachtung dieser soeben in Rn. 5.84 ff. dargestellten Leitplanken an. Um Restrisiken bei finanziellen Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Restrukturierung nach dem StaRUG zu beseitigen, hat der Gesetzgeber nicht nur in § 12 StaRUG eine Vorschrift zu „neuen Finanzierungen“ aufgenommen, sondern in §§ 89 ff. InsO eigene Bestimmungen zum „Anfechtungsund Haftungsrecht“, die für die Restrukturierung erforderliche Finanzierungsmaßnahmen schützen sollen1. Solange demnach ein Kreditinstitut wie bei einer freien Sanierung (überwiegend) fremdnützig die Restrukturierung eines Kunden durch erforderliche finanzielle Maßnahmen begleiten will und dabei auch den vom StaRUG gesetzten Rahmen nicht verlässt, dürfte also dasselbe gelten, wie es die Rechtsprechung für die freie Sanierung mit den von ihr gesetzten Leitplanken sieht; das Kreditinstitut dürfte dementsprechend dann grundsätzlich „auf der sicheren Seite“ sein2.

D. Handlungsoptionen einer vorinsolvenzlichen Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung Mag jede Krise auch ein bisschen anders sein bzw. beim Kreditinstitut „aufschlagen“, kann doch aus Praxissicht festgestellt werden, dass es für das Handling der Krise bzw. einer (erfolgversprechenden) Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung „Handwerkszeug“ gibt, das regelmäßig Verwendung finden kann. Die Neukreditgewährung ist das wohl wichtigste „Handwerkszeug“; aber auch weitere bedeutende Handlungsoptionen muss ein Kreditinstitut kennen, um situationsangepasst einen erfolgversprechenden Sanierungs- bzw. Restrukturierungsweg begleiten zu können, wenn es sich dazu entschieden hat. Manches kann wie eine reine Stillhaltevereinbarung der Neukreditgewährung vorgeschaltet sein. Eine besondere Gemengelage entsteht, wenn ein Kreditinstitut nicht der einzige Kreditgeber ist, sondern mehrere Kreditinstitute oder auch weitere Finanzierer mit dem kriselnden Unternehmen in Geschäftsverbindung stehen. Nachstehend werden die für die Praxis bedeutendsten Handlungsoptionen, wie sie sich für die freie Sanierung herausgebildet haben, dargestellt und gleichzeitig erörtert, ob – und ggf. wie – die jeweilige Option auch für die gesetzlich mit dem StaRUG seit dem 1.1.2021 mögliche Restrukturierung in Betracht kommt.

5.96

I. Stillhalte-Vereinbarung („Standstill“) In der Praxis geht es in vielen Fällen, insbesondere wenn die Krise für das Unternehmen „überraschend“ auftritt, zuerst einmal um eine Prüfung, wie es weitergehen kann und soll. Dies benötigt eine gewisse Zeit, d.h. für das Unternehmen kann es überlebenswichtig sein, dass sein Kreditinstitut erst einmal stillhält. Weil gerade größere Unternehmen üblicherweise

1 Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 89 Rn. 1; s. auch RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 181 f. 2 Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 89 Rn. 15 f.

Huber | 827

5.97

Fünfter Teil Rz. 5.97 | Kreditgeschäft

mehrere Kreditinstitute als Kreditgeber haben, soll nachstehend mit dem Stillhalten und damit begonnen werden, dass mehrere Kreditinstitute „unter einen Hut gebracht werden“ sollen.

1. Begriff des Stillhaltens 5.98

Grundsätzlich können zwei Formen des Stillhaltens unterschieden werden: entweder macht ein Kreditinstitut nichts, d.h. es hält „schweigend“ still, oder es erklärt sich zum Stillhalten bereit („beredtes Schweigen“). a) Schweigendes Stillhalten

5.99

Da die gute Sitte einem Kreditinstitut nicht ansinnt, die Wahrnehmung des eigenen Interesses hinter den Belangen anderer Gläubiger zurücktreten zu lassen und es – auch wenn es den unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch bzw. die Insolvenzreife erkannt hat1 – in aller Regel nicht sittenwidrig ist, einen gewährten Kredit nicht zu kündigen (vgl. Rn. 5.90), kann das Kreditinstitut gerade in der Krise des Kunden auch „nichts tun“, d.h. die Geschäftsbeziehung (erst einmal) so weiter laufen lassen wie bisher. Es hat nur darauf zu achten, dass es nichts „nach außen hin“ unternimmt, was als positive Unterstützung des Kunden verstanden werden und dann einschlägige Haftungsprobleme (vgl. Rn. 5.108 ff.) mit sich bringen könnte. Das Kreditinstitut muss also „schweigend“ stillhalten. In der Praxis ist schweigendes Stillhalten eher unüblich, da ein Kreditinstitut bei einem kriselnden Unternehmen entweder eine Exitoder eine Sanierungsstrategie verfolgen wird.

5.100

Wird das Unternehmen nach dem StaRUG initiativ bzw. geht es mit einem Restrukturierungsvorschlag auf das Kreditinstitut zu, dürfte ein schweigendes Stillhalten ebenfalls nicht in Betracht kommen bzw. sogar kontraproduktiv sein, denn ggf. kann das Unternehmen nach dem StaRUG das Schweigen zum Nachteil des Kreditinstituts „aushebeln“. b) Beredtes Schweigen

5.101

Beim beredten Schweigen geht es dagegen um eine (auch stillschweigend mögliche, in der Praxis allerdings regelmäßig ausdrückliche) Erklärung des Kreditinstituts, (erst einmal) still zu halten; daher auch der terminus technicus Stillhalte-“Vereinbarung“. In der Regel wird ein Kreditinstitut dazu nur bereit sein, wenn das kriselnden Unternehmen zum einen deutlich gemacht und zumindest plausibilisiert hat, dass es eine fachgerechte Sanierung in Angriff nehmen will und zum anderen es einen Standstill benötigt, um entsprechende Schritte einzuleiten oder weiter zu betreiben. Das Kreditinstitut wird die Angaben ebenfalls zumindest plausibilisieren und das Unternehmen nur dann vorläufig weiter begleiten wollen, wenn die einzuleitenden oder eingeleiteten Schritte zu einer Sanierung erfolgversprechend erscheinen; in einem sehr frühen Stadium kann insoweit nichts weiter verlangt werden. Der jeweilige Einzelfall wird die Stillhalte-Vereinbarung bzw. ihren Inhalt „definieren“, ob es also nur um einen Standstill oder auch schon um weitere Vereinbarungen zwischen dem Kunden und den Kreditinstituten gehen soll. Nachstehend wird der „reine“ Standstill dargestellt. Auf weitere denkbare Regelungen wird später2 hingewiesen, wenn sie behandelt und als sinnvoll angesehen worden sind. Ein Standstill muss nicht zwingend zu dem Ergebnis führen, dass es anschlie1 S.a. BGH v. 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671 (673). 2 Vgl. Rn. 5.134 f.

828 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.104 Fünfter Teil

ßend mit der Sanierung des Unternehmens weiter- bzw. ggf. auch erst losgeht; es kann sich ebenso herausstellen, dass eine Sanierung keinen Sinn macht. Die Berechtigung eines beredten Schweigens folgt wie beim schweigenden Stillhalten aus dem von der Rechtsprechung akzeptierten „Recht auf Nichtstun“, das von den nachfolgend erörterten Schranken ergänzt wird. Bei einer Restrukturierung nach dem StaRUG ist eine Stillhaltevereinbarung ebenfalls denkbar, soweit das Unternehmen nicht Restrukturierungsschritte initiiert hat, die vom Kreditinstitut ein Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums verlangen oder bei denen ein Stillhalten zu einem Rechtsverlust führen können.

5.102

2. Umfang eines beredten Schweigens Für das kriselnde Unternehmen ist es von entscheidender Bedeutung, dass das Kreditinstitut während der Laufzeit des Standstills mit dem oder den Kreditverträgen eben „stillhält“, d.h. erst einmal soll alles so weiter laufen wie (bisher) vertraglich vereinbart und vorallem sollen Kündigungsrechte nicht ausgeübt werden. Im Vordergrund steht dabei regelmäßig die Betriebsmittelfinanzierung des Unternehmens, die üblicherweise durch die Gewährung einer unbefristeten Kreditlinie (oder auch „b.a.w.-Linie“1) auf dem Zahlungskonto („laufendes Konto“ oder „Girokonto“) des kriselnden Unternehmens ermöglicht worden ist. Die Kreditlinie soll aufrechterhalten werden, d.h. das Kreditinstitut soll durch den Standstill auf die Ausübung eines ihm zustehenden Kündigungsrechts verzichten. Solange eine unbefristete Kreditlinie nicht, z.B. nach Nr. 19 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 AGB Sparkassen) oder den teilweise gleichlautenden gesetzlichen Rechten aus §§ 314, 321, 490 Abs. 1 BGB gekündigt wird, ist das Kreditinstitut verpflichtet, das Unternehmen bis zur eingeräumten Höchstbetragsgrenze – ggf. immer wieder – verfügen zu lassen. Die Verpflichtung besteht weiterhin, auch wenn das Kreditinstitut die wirtschaftliche Krise des Kunden erkannt hat. Das Stillhalten umfasst den weiteren Zinslauf und die Zinsbelastung auf dem Zahlungskonto; die Zinsbelastung stellt keinen neuen Kredit dar.

5.103

Ist die Kreditlinie vor dem Standstill (ganz oder teilweise) „eingefroren“ worden, ist dies hinsichtlich des „eingefrorenen“ Kredits nicht als „vorgezogener“ Standstill, sondern als (ggf. Teil-)Kündigung zu werten (vgl. Rn. 5.387). Das „Einfrieren“ dient regelmäßig dazu, eine nicht vollständig ausgenutzte Kreditlinie auf den zum Zeitpunkt des „Einfrierens“ bestehenden Sollsaldo zu begrenzen; dadurch sollen weitere Kreditziehungen des Kunden (bis zum ursprünglich vereinbarten Limit) verhindert werden. Das Kreditinstitut „entzieht“ sich in Bezug auf den „eingefrorenen“ Betrag seiner darlehensvertraglichen Hauptpflicht, dem Kunden auch diesen Betrag zur Verfügung zu stellen2; dem Kunden wird durch eine einseitige Erklärung des Kreditinstituts das Kapitalnutzungsrecht genommen. Dies ist nichts anderes als eine (Teil)Kündigung. Der Einschätzung, dass der Zeitraum des Einfrierens nicht stets als Kündigung, sondern auch als Zeit für das Kreditinstitut für interne Überlegungen zu verstehen sein kann3, ist schon aus vorsorglichen Erwägungen nicht zu folgen, weil der Kunde die ihm nicht mehr mögliche Kreditziehung im Zweifel als Kündigung verstehen wird und das Kreditinstitut bei einer „Wiedereröffnung“ der Kreditlinie sich nicht fragen lassen möchte, ob es nun – in der Krise – die Grundsätze für die Gewährung eines Sanierungskredits4 zu beachten hat. Im Übrigen sollte ein Kreditinstitut bei einem kriselnden Kunden, der sich im Zweifel in der Betreu-

5.104

1 2 3 4

Da die Kreditlinie „bis auf weiteres“ zur Verfügung steht, also nicht befristet ist. S. dazu nur Grüneberg/Weidenkaff, 82. Aufl. 2023, § 488 Rn. 2 ff. Vgl. die 9. Aufl., Rn. 5.303. Dazu Rn. 5.153 ff.

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Fünfter Teil Rz. 5.104 | Kreditgeschäft

ung der Fachabteilung befindet, sehr schnell (innerhalb von Stunden) in der Lage sein, sich über sein weiteres Vorgehen klar zu werden und entsprechend zu handeln; nur bei einer überraschenden Krise bzw. Insolvenz, was allerdings bei weitem nicht die Regel ist, mag eine kurze Überlegungs- und Prüffrist denkbar sein. Die sog. Unsicherheiteneinrede des § 321 BGB kann nicht weiterhelfen. § 321 BGB soll eine Ausprägung des Synallagmas sein, denn ein gegenseitiger Vertrag ist auch im Falle einer Vorleistungspflicht auf einen Leistungsaustausch ausgelegt, so dass eine Vorleistungspflicht nicht mehr uneingeschränkt in Betracht gezogen werden kann, wenn die Erbringung der Gegenleistung in Gefahr ist1. Zum einen kann § 321 BGB deshalb keine Anwendung finden, weil beim Darlehensvertrag die Zinszahlungspflicht des Kreditnehmers, nicht aber seine Rückzahlungspflicht im Synallagma steht2; die Einrede kann also einem Darlehensauszahlungsbegehren nicht entgegengehalten werden, wenn es um die (künftige) Darlehensrückzahlung geht. Zum anderen gibt es mit dem § 490 Abs. 1 BGB eine im Darlehensrecht dem § 321 BGB vergleichbare Regelung3, die als lex specialis der Unsicherheiteneinrede vorgehen dürfte.

5.105

In manchen Kreditverträgen wird als Inanspruchnahmevoraussetzung das Nichtvorliegen von Kündigungsgründen vereinbart; wenn und solange Kündigungsgründe vorliegen (sollen), kann das Kreditinstitut die Inanspruchnahme verweigern. Ob mit dieser vertraglichen Regelung eine Inanspruchnahme verweigert und damit im Ergebnis die Kreditlinie „eingefroren“ werden kann, erscheint fraglich. Zwar kann die Inanspruchnahmeverweigerung als milderes Mittel im Verhältnis zu einer Kündigung angesehen werden, denn der Vertrag bleibt erst einmal bestehen. Allerdings suspendiert das Kreditinstitut damit auch seine Hauptleistungspflicht aus dem Darlehensvertrag für eine im Zweifel nicht zu bestimmende Zeit, ohne die im Darlehensrecht für diesen Fall vorgesehene Option – die Kündigung aus wichtigem Grund – „ziehen“ zu wollen. Stellt man mit der aktuellen Rechtsprechung des BGH auf die wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen (Darlehens)Regelungen ab4, könnte diese regelmäßig als AGB zu verstehende Vertragsregelung gemäß § 307 BGB unwirksam sein, weil sie dem Kunden das Kapitalnutzungsrecht nimmt, ohne insoweit den dafür im Gesetz vorgesehenen Weg zu gehen, das Kreditinstitut also seine sich aus dem Darlehensvertrag ergebende Hauptleistungspflicht so einschränkt, dass der Vertragszweck gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB)5. Es wird letztlich eine eigene (vertragliche) Unsicherheiteneinrede bestimmt, die über die gesetzlichen Vorgaben des § 321 BGB (s. Rn. 5.104) hinausgeht und insoweit auch § 490 BGB als lex specialis zu § 321 BGB nicht ausreichend berücksichtigt. Demzufolge sollte ein Kreditinstitut sich nicht auf diese Klausel – soweit sie vereinbart ist – zurückziehen, denn im Falle ihrer Unwirksamkeit würde sich das Kreditinstitut vertragswidrig verhalten, wenn sie eine Inanspruchnahme verweigert. Dies ist anders als beim „Einfrieren“ (Rn. 5.104), bei dem die einschlägige Erklärung als Kündigung zu werten ist. In beiden Konstellationen geht es um die entscheidende Frage, ob das Kreditinstitut seiner Hauptleistungspflicht nachkommt bzw. dem Kreditnehmer das Kapitalnutzungsrecht verbleibt – und da macht es keinen Unterschied, auf welcher „Ebene“ dieses Recht des Kreditnehmers „eingefroren“ wird. Liegt also ein Kündigungsgrund vor und ist eine entsprechende Inanspruchnahmeklausel vereinbart und will das Kreditinstitut keine weiteren Verfügungen mehr zulassen, sollte es kündigen.

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Emmerich in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 321 Rn. 2. Grüneberg/Weidenkaff, 82. Aufl. 2023, Vorb. v. § 488 Rn. 2. Emmerich in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 321 Rn. 1. BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, ZIP 2017, 1610 = WM 2017, 1643 (1646, Rn. 37). Die Inhaltskontrolle dürfte eröffnet sein, weil es nicht um die Hauptleistungspflicht geht, sondern um eine sie ergänzende und nur für einen bestimmten Fall vereinbarte Regelung.

830 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.109 Fünfter Teil

Bei anderen – regelmäßigen befristeten – (Bar-)Krediten, die als Festbetragsdarlehen vereinbart sind, stellt sich die Aufrechterhaltung nicht in dieser Schärfe, da sie bereits ausgenutzt worden sind und das kriselnde Unternehmen nunmehr annuitätisch Zinsen und Tilgung oder Zinsen und eine endfällige Tilgung zahlt. Dennoch wird auch diesbezüglich ein Kündigungsausübungsverzicht erklärt, um eine nur darauf bezogene Kündigung und die daran im Zweifel sich anschließende Zahlungsunfähigkeit eindeutig auszuschließen1. Wenn das kriselnde Unternehmen ausnahmweise keine Zins- und/oder Tilgungsleistungen mehr erbringen kann, ist dies – wenn nicht daran die Sanierungsbegleitung per se scheitert – im Standstill zu berücksichtigen. Üblicherweise werden die fälligen oder fällig werdenden Forderungen gestundet.

5.106

Für den Roll-over-Kredit gelten keine Besonderheiten. Regelmäßig liegt einem Roll-over-Kredit eine längerfristige Kreditzusage zugrunde mit der Abrede, dass die Kapitalnutzung für einen Zeitraum von in der Regel einem bis sechs Monaten erfolgen soll, d.h. der ausgereichte Kreditbetrag soll zurückgezahlt und sofort wieder ausgezahlt werden und für den neuen Rollover-Zeitraum wird ein neuer – marktaktueller – Zinssatz vereinbart2. In vielen Fällen, insbesondere wenn der Darlehensbetrag gleich bleibt, kommt es nicht mehr zum Hin- und Herzahlen der Darlehenssumme, sondern nur noch zum Zinsausgleich3. In einer Standstill-Vereinbarung geht es also auch beim Roll-over-Kredit um die Darlehensaufrechterhaltung; können Zinszahlungen nicht mehr erbracht werden, gelten die Ausführungen in Rn. 5.106 sinngemäß.

5.107

3. Grenzen eines beredten Schweigens Beim beredten Schweigen ist, da das Kreditinstitut eben nicht nur „nichts tut“, auf gewisse Grenzen zu achten, um sich nicht bei den nachfolgenden Konstellationenn unnötig „angreifbar“ zu machen:

5.108

a) Neuhereinnahme von (Kunden-)Sicherheiten („Nachbesicherung“) bzw. „Ausnutzen“ bereits vorhandener Sicherheiten Wird ein Kreditinstitut vom kriselnden Unternehmen auf einen Standstill angesprochen, ist es keine Seltenheit, dass das Kreditinstitut verlangt, dass noch nicht belastete Vermögensgegenstände des Unternehmens als Sicherheit für noch unbesicherte Kredite bzw. Kreditanteile zu stellen sind. Von der Hereinnahme von (Kunden-)Sicherheiten zu diesem Zeitpunkt, also bevor eine nach der Rechtsprechung ausreichende Faktenlage besteht, die eine Sanierungsbegleitung als erfolgversprechend und damit (einigermaßen) rechtssicher erscheinen lässt, ist abzuraten. Die Sicherheitenstellung durch das Unternehmen ist in einem späteren Insolvenzverfahren im Zweifel nach § 133 InsO anfechtbar4; wird dagegen der Zeitraum bis zu einer „rechtsprechungskonformen“ (Überbrückungs- bzw.) Sanierungskreditentscheidung abgewar1 Auch ohne dem dürfte bei der Aufrechtserhaltung einer unbefristeten Kreditlinie durch einen Standstill die Kündigung von Festbetragsdarlehen rechtsmissbräuchlich sein, wenn beide Verträge vom selben Kreditgeber gewährt worden sind. 2 Castor in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 16 Rn. 25. 3 Castor in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 16 Rn. 25; s. auch K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 489 Rn. 9. 4 Regelmäßig ist bei einer Nachbesicherung auch eine Anfechtung wegen inkongruenter Deckung nach § 131 InsO zu prüfen; wegen des kurzen „Interventionszeitraum“ dieser Norm hat sie nicht die Bedeutung wie die Vorsatzanfechtung des § 133 InsO.

Huber | 831

5.109

Fünfter Teil Rz. 5.109 | Kreditgeschäft

tet, ist eine von einem Sanierungskonzept gedeckte Sicherheitenhereinnahme nicht nach § 133 InsO anfechtbar1. Werden dennoch neue Sicherheiten hereingenommen, ist strikt auf ein Rangverhältnis zu den bereits bestehenden Sicherungen zu achten, da andernfalls die Anfechtbarkeit (der Neuhereinnahme(n)) den gesamten Sicherheitenbestand infizieren wird2. Nur wenn eine Anfechtung ausgeschlossen werden kann, könnte über die Sicherheiten(neu-) hereinnahme nachgedacht werden; diese Konstellation erscheint aber in der hier angesprochenen Situation eines Wartezustands im Hinblick auf eine angedachte Sanierung unrealistisch, denn ein sanierungsbedürftiger Kunde wird immer so viel Masse generieren können, dass es im worst-case-Fall stets zur Insolvenzeröffnung reicht und die umgekehrte Konstellation – absehbar keine ausreichende Masse zur Verfahrenseröffnung und damit keine Insolvenzanfechtung – kein Fall einer Sanierungsbegleitung sein dürfte. Die Hereinnahme von Sicherheiten Dritter ist dagegen – soweit sich nicht im Verhältnis zu den Dritten eine Insolvenzanfechtungsthematik ergibt – nicht anfechtbar.

5.110

Keine Nachbesicherung liegt vor, wenn bereits vor der Krise gewährte Sicherheiten in der Krise an Wert gewinnen, wie dies z.B. bei Globalsicherheiten bei der Weiterverarbeitung der Fall sein kann. Nur der Wertzuwachs könnte nach der Rechtsprechung des BGH im Wege der Deckungsanfechtung vom Kreditinstitut herausverlangt werden3. Verbleibt der Wertzuwachs z.B. wegen Fristablaufs beim Kreditinstitut, ist es nicht verpflichtet, etwas zu unternehmen oder gar zur Vermeidung des (weiteren) Wertzuwachses zu kündigen; das Kreditinstitut kann seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellen, zumal der Wertzuwachs „ohne Weiteres“ eingetreten und es dem Kreditinstitut nicht zurechenbar ist, dass der Anfechtungszeitraum bei der Deckungsanfechtung maximal 3 Monate beträgt.

5.111

Der Vorwurf sittenwidrigen Handelns durch das Kreditinstitut dürfte bei der Nachbesicherung nur im seltenen Ausnahmefall erhoben werden können4. b) Einflussnahme auf den Kunden

5.112

Hält das Kreditinstitut (beredt) still, muss es bei seinem „Umgang“ mit dem kriselnden Unternehmen aufpassen, dass es sich nicht dem Vorwurf sittenwidriger Schädigung dritter Gläubiger aussetzt. Nach der Rechtsprechung ist das der Fall, wenn das – in den entschiedenen Fällen gesicherte – Kreditinstitut die Geschäftsführung des Schuldnerunternehmens praktisch entmachtet und sie durch Vertrauensleute übernimmt oder zumindest wesentlich beeinflusst5. Schon das Reichsgericht hatte in seiner grundlegenden Entscheidung vom 9.4.1932 als Voraussetzung für eine Sittenwidrigkeit verlangt, dass „der Sicherungsnehmer den Schuldner zu seinem Strohmann erniedrigt, der nur noch nach außen hin als Inhaber des Geschäfts erscheint, ihm gegenüber in Wirklichkeit nur noch die Stellung eines abhängigen Verwalters hat, und zwar so, dass der ganze Gewinn des Geschäfts dem Sicherungsnehmer zufließt, ein 1 St. Rspr., vgl. z.B. BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1704 f., Rn. 9 f. m.w.N.); s. auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 123. Dies dürfte grundsätzlich auch nach der „Neuausrichtung“ des § 133 InsO durch BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 gelten. 2 BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 57/08, NZI 2012, 81 (Rn. 2 f.). 3 Grundlegend BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 = ZIP 2008, 183 (309 ff., Rn. 35 ff.). 4 Vgl. dazu auch Rn. 5.85. 5 BGH v. 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671 (673); BGH v. 3.3.1956 – IV ZR 334/55, WM 1956, 527 (529).

832 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.115 Fünfter Teil

etwaiger Verlust aber von ihm nicht getragen und jede Haftung für die Geschäftsschulden auch bei fehlender Deckung von ihm abgelehnt wird.“1 Demzufolge kann Sittenwidrigkeit nur bei einer erheblichen Einflussnahme in Betracht kommen, die dem Schuldner letztlich „die Luft zum Atmen nimmt“. Dies hat der BGH aufgegriffen und eine gewisse Kontrolle der Geschäftsführung durch den Kreditgeber als dem Schuldner zumutbar angesehen, solange ihm noch eine ausreichende wirtschaftliche Bewegungsfreiheit bleibt; nur wenn ihm keine freien Mittel zur eigenen Verfügung mehr verbleiben oder ihm in anderer Weise die Möglichkeit zu wirtschaftlich selbständigem Handeln genommen wird, ist Sittenwidrigkeit zu bejahen2. Dies ist z.B. erfüllt, wenn das Kreditinstitut – z.B. durch Drohung mit einer Kündigung der Kredite – den Kunden bewegt, sich eine Überwachung seiner Geschäftsführung durch einen Vertrauensmann der Bank gefallen zu lassen, und jede Verfügung über Vermögenswerte an ihre vorherige Zustimmung knüpft3. Die Entsendung eines Vertrauensmannes in das Kundenunternehmen kann sogar zur Folge haben, dass dieser bzw. das Kreditinstitut in den Anwendungsbereich der Regeln über den faktischen Geschäftsführer4 gerät und sich damit gesellschaftsrechtlichen Haftungen (z.B. §§ 15a f. InsO, § 43 Abs. 2 und 3 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG) und strafrechtlichen Konsequenzen (z.B. nach § 84 GmbHG, § 401 AktG, §§ 283 ff. StGB) aussetzt5. Auch darf ein Kreditinstitut, das sowohl Kredite gewährt als auch das Konto seines Schuldners führt, diesen – soweit nach §§ 675x, 675e Abs. 4 BGB ein Widerruf möglich ist – nicht zum Widerruf von Lastschriften von Lieferanten veranlassen, um eine Reduzierung des debitorischen Saldos zu erreichen, oder auf den Kreditnehmer einwirken, sein restliches Vermögen übereilt und unter Wert zu verschleudern, um mit den Erlösen seine Kredite zu tilgen, obwohl dadurch die Befriedigung anderer Gläubiger ernsthaft gefährdet wird6.

5.113

Dagegen liegt keine Eingriff in die Geschäftsführung vor, wenn das Kreditinstitut, dem eine Globalzession gestellt ist, mit dem Kunden täglich abstimmt, in welcher Höhe Eingänge seiner Debitoren zu verzeichnen sein müssen, damit er über sein Konto weiter verfügen darf7; es wird nur eine strikte Begrenzung seiner Inanspruchnahmen auf den genehmigten Rahmen sichergestellt. Ebenso hat die Rechtsprechung8 es hingenommen, dass eine maßgeblich engagierte Bank die Verlängerung einer für die Gesellschaft lebenswichtigen Kreditlinie von der Abberufung eines bestimmten Vorstandsmitglieds abhängig macht.

5.114

Dass es ab einem bestimmten Kreditumfang zu einer gewissen Kontrolle des Unternehmens und damit auch seiner Geschäftsführung durch die Überprüfung der geschäftlichen Unterlagen eines Kunden kommen muss, folgt im Übrigen aus dem Gesetz. Nach § 18 KWG hat ein

5.115

1 RG v. 9.4.1932 – IX 74/31, RGZ 136, 247 (253 f.); s. dazu auch Rn. 5.73 f. 2 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793 = NJW 1998, 2593 (2595); BGH v. 11.10.1961 – VIII ZR 113/60, WM 1961, 1297 (1298 f.); BGH v. 20.12.1957 – VI ZR 188/56, WM 1958, 249 (250); BGH v. 9.11.1955 – IV ZR 196/54, WM 1955, 1667 (1669). 3 Vgl. dazu BGH v. 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671 (673). 4 Zum Begriff s. BGH v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, ZIP 2005, 1414 = WM 2005, 1606 (1607 f. m.w.N.); s. auch BGH v. 18.12.2014 – 4 StR 323, 324/14, ZInsO 2015, 196; Kleindiek in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, vor § 35 Rn. 11; Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 43 Rn. 101. 5 Weiterführend Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, 2014, Rn. 342 ff. 6 Vgl. Hoffmann WM 2012, 10 ff. m.w.N.; s. auch BGH v. 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412 = WM 2001, 1458 (1460). 7 OLG Düsseldorf v. 13.12.1991 – 17 U 115/91, DB 1992, 524. 8 BGH v. 23.10.2006 – II ZR 298/05, ZIP 2007, 119 = WM 2007, 164 f.

Huber | 833

Fünfter Teil Rz. 5.115 | Kreditgeschäft

Kreditinstitut im Interesse der Gesamtheit seiner Einleger die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Schuldner zu überprüfen, um Schäden für sich und damit für die Einleger abzuwenden. Der Kunde selbst wird allerdings dadurch nicht geschützt und kann auf eine etwaige Verletzung der Überprüfungspflichten durch das Kreditinstitut keine Ansprüche stützen1. Bei Krediten an Verbraucher ist dies mittlerweile anders, nachdem der Gesetzgeber im Jahre 20162 den Kreditinstituten in §§ 505a ff. BGB umfangreiche Pflichten zur Kreditwürdigkeitsprüfung auferlegt und dies auch in § 505d BGB sanktioniert hat3. Die gesetzlichen Regelungen sind vom Kreditinstitut bei einer Kreditgewährung zu beachten und können somit nicht als vorzuwerfender Eingriff angesehen werden. Auf dieser Grundlage kann das Kreditinstitut somit in seinen Kreditverträgen grundsätzlich die Einsichtnahme in die Geschäftsbücher des Kunden vereinbaren, um eine Gefährdung der eigenen Kredite rechtzeitig zu erkennen und notwendige Schutzmaßnahmen treffen zu können.

5.116

Verpflichtet ein Kreditinstitut den Kreditnehmer durch eine sog. Zahlstellenklausel, sicherungsabgetretene Forderungen oder Erlöse aus der Weiterveräußerung sicherungsübereigneter Waren auf ein Konto bei ihm einzuzahlen bzw. einzahlen zu lassen, kann dies zumindest in einer Gesamtschau mit weiteren Regelungen, die in der Kredit(sicherungs)praxis üblicherweise als AGB einzuordnen sind, eine unzulässige Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit und Selbständigkeit eines Unternehmens darstellen4; demzufolge ist die Verwendung einer entsprechenden Zahlstellenklausel in der Formularpraxis unüblich5. Auf keinen Fall darf sich ein Kreditinstitut das Recht vorbehalten, die Zweckmäßigkeit der Verfügungen des Schuldners über sein Konto zu überprüfen und in seine Entscheidungen einzugreifen. Sie darf also die Kontoführung nicht dazu ausnutzen, Zahlungen an bestimmte Gläubiger zu verhindern und an andere Gläubiger zu fördern. Eine solche Verfahrensweise würde über ein Stillhalten hinausgehen und erheblich in die Geschäftstätigkeit des Schuldners eingreifen. Dies dürfte auch für eine Verpflichtung anzunehmen sein, nicht mit anderen Kreditinstituten zusammenzuarbeiten6, während eine Pflicht der rechtzeitigen Information unschädlich ist. c) Einflussnahme auf Dritte (Geschäftspartner des Unternehmens)

5.117

Beredtes Schweigen in der Krise eines Kunden kann für ein Kreditinstitut nicht nur im Verhältnis zum Kunden, sondern auch zu Dritten, die mit diesem Unternehmen Geschäfte abschließen wollen, zu der Frage führen, ob es (zwingend) zu beachtende Verhaltensregeln gibt, z.B. dass das Kreditinstitut auf Risiken des vorgesehenen Geschäftes hinweisen muss.

1 Döser in Schwennicke/Auerbach, KWG, 4. Aufl. 2021, § 18 Rn. 44 m.w.N. 2 Durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften v. 11.3.2016, BGBl. I 2016, 396, s. auch Begründung zum RegE. BTDrucks. 18/5922 v. 7.9.2015 und Omlor ZIP 2017, 112. 3 Dazu z.B. Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 505a Rn. 1 ff. sowie § 505d Rn. 1 ff. In § 18a KWG gibt es entsprechende aufsichtsrechtliche Bestimmungen, denen keine verbraucherschützende Wirkung zukommt, s. Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, KWG, 4. Aufl. 2021, § 18a Rn. 63. 4 Dies würde früher als eher unproblematisch angesehen, vgl. z.B. BGH v. 2.11.1955 – IV ZR 103/ 55, NJW 1956, 417 (418). 5 S. auch Huber in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/595i. 6 Anders noch BGH v. 4.3.1955 – I ZR 183/53, WM 1955, 914 (916).

834 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.119 Fünfter Teil

aa) Bankgeheimnis heißt grundsätzlich: Schweigepflicht Das Bankgeheimnis verpflichtet das Kreditinstitut grundsätzlich zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen, von denen es Kenntnis erlangt. Diese Verschwiegenheitspflicht, die auch in Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 AGB Banken (deklaratorisch) geregelt ist1, ist als Nebenpflicht der vertraglichen Beziehungen zwischen Kreditinstitut und Kunden umfassend zu verstehen2. Bei einem Darlehensvertrag beinhaltet diese Pflicht unter anderem, „die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers weder durch Tatsachenbehauptungen, auch wenn sie wahr sind, noch durch Werturteile oder Meinungsäußerungen zu gefährden“3. Daraus folgt, dass sich das Kreditinstitut auch gegenüber Dritten, insbesondere Geschäftspartnern des kriselnden Unternehmens stillschweigend zu verhalten hat, es z.B. den Abschluss neuer Geschäfte nicht durch ungefragte Warnungen der Geschäftspartner vor den damit verbundenen Risiken vereiteln darf. Auch wenn ein Dritter für ein Geschäft mit dem kriselnden Kunden des Kreditinstituts ein Darlehen aufnehmen will, darf es grundsätzlich weder über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden unterrichten noch auf Risiken des zu finanzierenden Geschäfts hinweisen4. Denn die Aufgabe, sich über das damit verbundene Risiko zu informieren, obliegt demjenigen, der mit dem notleidenden Unternehmen in Geschäftsverbindung treten will5. Daher ist das Kreditinstitut auch nicht verpflichtet, den Geschäftspartner des Kunden darauf hinzuweisen, dass es (derzeit) selbst nicht bereit ist, dem Kunden weiter Kredit zu gewähren6. Somit gehört zur Verschwiegenheitspflicht auch, dass das Kreditinstitut jeden Anschein vermeidet, der darauf hindeutet, dass das Kreditinstitut ein kriselndes Unternehmen erst einmal – durch Stillschweigen bis zur endgültigen Klärung einer Sanierungsbegleitung – weiter unterstützen will bzw. es Erfolgsaussichten sieht.

5.118

bb) Aufklärungspflicht als Ausnahme Nur in Ausnahmefällen wird die Verschwiegenheitspflicht durch eine Aufklärungs- und Warnpflicht durchbrochen; sie ist gegeben, wenn im Einzelfall ein besonderes Aufklärungsund Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers besteht und nach Treu und Glauben ein Hinweis des Kreditinstituts geboten ist7. Es haben sich insoweit typisierende Fallgruppen gebildet8. Demnach kommt eine Aufklärungspflicht in Betracht, wenn das Kreditinstitut – in Bezug auf die speziellen Risiken des zu finanzierenden Vorhabens gegenüber dem Darlehensnehmer einen konkreten Wissensvorsprung hat und dies auch erkennen kann9, weil

1 Die AGB Sparkassen enthalten keine entsprechende Bestimmung, vgl. auch Hoffmann in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/79. 2 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, ZIP 2006, 317 = WM 2006, 380 (384 f.). 3 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, ZIP 2006, 317 = WM 2006, 380 (385). 4 BGH v. 27.11.1990 – XI ZR 308/89, ZIP 1991, 90 = NJW 1991, 693 m.w.N. 5 BGH v. 8.3.1982 – II ZR 60/81, ZIP 1982, 545 = NJW 1982, 1520 f. 6 BGH v. 27.6.1989 – XI ZR 52/88, ZIP 1989, 1250 = NJW 1989, 2882 (2883). 7 BGH v. 21.9.2010 – XI ZR 232/09, ZIP 2010, 2140 = NJW-RR 2010, 124 (125); BGH v. 18.3.2003 – XI ZR 188/02, ZIP 2003, 984 = NJW 2003, 2088 (2090); BGH v. 27.11.1990 – XI ZR 308/89, ZIP 1991, 90 = NJW 1991, 693 m.w.N.; BGH v. 21.1.1988 – III ZR 179/86, ZIP 1988, 562 = NJW 1988, 1583 (1584). 8 Siol/Grüneberg in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 88 Rn. 20. 9 Vgl. z.B. BGH v. 21.9.2010 – XI ZR 232/09, ZIP 2010, 2140 = NJW-RR 2010, 124 (125); BGH v. 29.4.2008 – XI ZR 221/07, ZIP 2008, 1421 = WM 2008, 1121 (1122); BGH v. 18.3.2003 – XI ZR 188/02, ZIP 2003, 984 = NJW 2003, 2088 (2090); BGH v. 11.2.1999 – IX ZR 352/97, ZIP 1999,

Huber | 835

5.119

Fünfter Teil Rz. 5.119 | Kreditgeschäft

es z.B. weiß bzw. damit rechnet, dass dieses Vorhaben scheitern wird1 oder weil es positive Kenntnis davon hat, dass der Darlehensnehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde2. Bejaht wurde eine Aufklärungspflicht auch, wenn das Kreditinstitut anders als der Kunde Kenntnis über einen erheblichen, wertbildenden Mangel des von ihm zu erwerbenden Objekts hat3 oder es – nachdem es das Vertrauen in Anspruch genommen hat, entscheidenden Einfluss auf die Durchführung eines zwischen anderen Personen bestehenden Vertrags zu besitzen – unterlässt, einem der Vertragspartner wesentliche Informationen der weiteren Durchführung des Geschäfts zu geben und dieser Dispositionen trifft, die ihm schädlich sind, oder solche nicht trifft, die ihn vor Schaden bewahren würden4. – seine Rolle als Kreditgeber überschreitet, wobei es entscheidend darauf ankommt, dass das Kreditinstitut gleichsam als Partei des zu finanzierenden Geschäfts in nach außen erkennbarer Weise Funktionen oder Aufgaben des Veräußerers oder Vertreibers übernimmt und damit einen zusätzlichen auf die übernommenen Funktionen bezogenen Vertrauenstatbestand schafft5. Eine Aufklärungspflicht besteht demzufolge z.B., wenn ein Kreditinsitut als Hauptgeldgeber des in der Krise befindlichen Unternehmens an dessen Sanierung wirtschaftlich besonders interessiert ist und sich aktiv in die Bemühungen dieses Unternehmens, neue Geldgeber zu finden, einschaltet6, d.h. wenn es selbst die potentiellen Geldgeber anspricht und deren Engagement befürwortet. – selbst einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken des finanzierten Geschäfts hinzutretenden speziellen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehen jedenfalls begünstigt, wobei eine solche Gefährdung z.B. zu bejahen ist, wenn das Kreditinstitut das eigene wirtschaftliche Wagnis auf den Kunden verlagert und diesen bewusst mit einem Risiko belastet, das über die mit dem zu finanzierenden Vorhaben normalerweise verbundenen Gefahren hinausgeht7. Ein Kreditinstitut, das die Finanzierung eines Kaufpreises unter Auszahlungsbedingungen bewilligt, die die eigenen und die gleichgerichteten Sicherungsinteressen des Kreditnehmers wahren (durch Zahlung über ein Notaranderkonto erst nach Fertigstellung und Abtretung des Kaufpreisanspruchs), schafft einen Gefährdungstatbestand, wenn es später den Kaufvertragsparteien rät, die Modalitäten der Kaufpreiszahlung dahingehend zu ändern, dass der Kaufpreis direkt an den auch vom Kreditinstitut finanzierten Verkäufer zu zahlen ist; damit wälzt es sein Ausfallrisiko auf den Kunden ab und macht sich, da die Zahlung (aus dem Darlehensvertrag) erfolgt ist und der Verkäufer vor Eigentumseintragung insolvent wurde, schadensersatzpflichtig8.

1 2 3 4 5 6 7 8

574 = NJW 1999, 2032; BGH v. 1.6.1989 – III ZR 277/87, ZIP 1989, 1184 = NJW 1989, 2881 (2882). BGH v. 11.2.1999 – IX ZR 352/97, ZIP 1999, 574 = NJW 1999, 2032 m.w.N. BGH v. 21.9.2010 – XI ZR 232/09, ZIP 2010, 2140 = NJW-RR 2010, 124 (125). OLG Karlsruhe v. 15.7.2008 – 17 U 4/07, WM 2008, 1870 (1871). BGH v. 9.7.1984 – II ZR 193/83, ZIP 1984, 1070 = NJW 1985, 2584 (2585). Vgl. BGH v. 18.3.2003 – XI ZR 188/02, ZIP 2003, 984 = NJW 2003, 2088 (2090); Siol/Grüneberg in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 88 Rn. 34. BGH v. 29.5.1978 – II ZR 173/77, NJW 1978, 2547 f.; s. auch BGH v. 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412 = WM 2001, 1458 (1459). So BGH v. 11.2.1999 – IX ZR 352/97, ZIP 1999, 574 = NJW 1999, 2032 f.; Siol/Grüneberg in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 88 Rn. 37 f. BGH v. 30.5.1995 – XI ZR 180/94, ZIP 1995, 1075 = NJW 1995, 2218.

836 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.126 Fünfter Teil

– einen schwerwiegenden Interessenkonflikt eingegangen ist, was z.B. bei der Finanzierung beider Kaufvertragsparteien möglich sein kann. Allerdings reicht die „Doppelfinanzierung“ allein nicht aus, vielmehr müssen für die Bejahung eines schwerwiegenden Interessenkonflikts noch besondere Umstände hinzutreten1 wie z.B. die im 2. Spiegelstrich erwähnte „Hilfeleistung“ für ein kriselndes Unternehmen bei der Beschaffung neuer Geldgeber2. frei

5.120–5.123

cc) Hereinnahme von Drittsicherheiten/Darlehensablösung Nimmt ein Kreditinstitut Sicherheiten von Dritten3 herein, braucht es den Sicherungsgeber grundsätzlich nicht über das wirtschaftliche Risiko, das er eingeht, zu unterrichten. Es kann davon ausgehen, dass er die rechtliche Tragweite und das von ihm übernommene wirtschaftliche Risiko kennt4. Ausnahmsweise kann eine Aufklärungspflicht bestehen, wenn das Kreditinstitut erkennt, dass der Sicherungsgeber sich über die Tragweite seines Handelns irrt oder nicht hinreichend informiert ist und die Verhältnisse nicht durchschaut5.

5.124

Ein Kreditinstitut, das ein notleidendes Darlehen durch mehrere sichere Darlehen ablösen lässt, muss die ablösenden Darlehensnehmer nicht über die Problematik des Engagements aufklären6. Solange das Kreditinstitut nicht erkennen konnte und musste, dass das finanzierte Projekt von vorneherein zum Scheitern verurteilt war, verlässt es auch bei einer Ablösung seine Rolle als Kreditgeber nicht7.

5.125

dd) Bekannte bzw. veröffentlichte Tatsachen Eine Aufklärungs- und Warnpflicht besteht nicht, wenn die Krise des Unternehmens in der Öffentlichkeit bereits bekannt ist8, weil darüber in der Presse oder sonstigen Medien berichtet wurde. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kunde die Veröffentlichungen tatsächlich zur Kenntnis genommen hat; ein Gläubiger, der eigene Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt lässt, kann sich redlicherweise nicht darauf berufen, auf das Verhalten eines Kreditinstituts besonders vertraut zu haben9.

1 Vgl. BGH v. 18.3.2003 – XI ZR 188/02, ZIP 2003, 984 = NJW 2003, 2088 (2090); Siol/Grüneberg in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 88 Rn. 42. 2 Siehe ferner im 3. Spiegelstrich – die zu einer Aufklärungs- und Warnpflicht führenden Tatbestände können sich also überschneiden. 3 Bei der Hereinnahme von Sicherheiten vom kriselnden Unternehmen gilt dies umso mehr. 4 BGH v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, ZIP 2006, 363 = NJW 2006, 845 (847, Rn. 21); BGH v. 15.4.1997 – IX ZR 112/96, ZIP 1997, 1058 = NJW 1997, 3230 (3231); BGH v. 16.1.1996 – XI ZR 151/95, ZIP 1996, 499 = NJW 1996, 1206 (1207); BGH v. 17.3.1994 – IX ZR 174/93, ZIP 1994, 861 = NJW 1994, 2146 (2148). 5 BGH v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, ZIP 2006, 363 = NJW 2006, 845 (847, Rn. 21); BGH v. 16.1.1996 – XI ZR 151/95, ZIP 1996, 499 = NJW 1996, 1206 (1207). 6 BGH v. 21.1.1988 – III ZR 179/86, ZIP 1988, 562 = NJW 1988, 1583 (1584); OLG Hamm v. 6.9.1989 – 31 U 195/88, WM 1990, 802 f. 7 OLG Hamm v. 6.9.1989 – 31 U 195/88, WM 1990, 802 (803). 8 BGH v. 20.9.1962 – VII ZR 254/61, WM 1962, 1220 (1222); BGH v. 20.12.1957 – VI ZR 188/56, WM 1958, 249 (251). 9 BGH v. 22.4.1981 – VIII ZR 34/80, WM 1981, 876 (878).

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5.126

Fünfter Teil Rz. 5.127 | Kreditgeschäft

4. Rechtsfolgen 5.127

Beachtet das Kreditinstitut die von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen und hält es in der Krise ihres Kunden (auch „beredt“) still, handelt es nicht sittenwidrig. Bereits vor der Krise abgeschlossene Kredit- und Sicherungsverträge sind nicht nach § 138 BGB nichtig, ferner haben dritte Gläubiger keine Schadenersatzansprüche aus § 826 BGB. Das Kreditinstitut ist nicht zur Kündigung von Rahmenzusagen bzw. Kreditlinien, insbesondere wenn sie nicht ausgeschöpft sind, verpflichtet; es muss dem Kunden weiterhin eine Inanspruchnahme bis zur vereinbarten Kredithöhe oder eine Wiederinanspruchnahme einer ganz oder teilweise durch Eingänge zurückgeführten Kreditlinie gestatten1. Erst recht ist es nicht zur gerichtlichen Beitreibung eines durch Zeitablauf fällig gewordenen Kredits verpflichtet.

5.128

Nur wenn das Kreditinstitut darüber hinaus Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt, können unter den oben aufgezeigten Voraussetzungen die Verträge, die ihm derartige Rechte einräumen, nichtig sein; schädigt es durch seine Eingriffe dritte Gläubiger, setzt es sich Schadenersatzansprüchen nach § 826 BGB aus. Diese müssen sich bei der Schadensberechnung im Wege des Vorteilsausgleichs etwaige Leistungen der Bank bzw. des Kunden entgegenhalten lassen, die ihnen ohne das Stillhalten der Bank nicht zugeflossen wären2.

5.129

Bei einem Verbraucherdarlehen gelten die vorstehenden Ausführungen grundsätzlich sinngemäß, allerdings wird in der Praxis nicht mit Stillhaltevereinbarungen wie bei kriselnden Unternehmen gearbeitet. Entweder wird das Darlehen bei Vorliegen der unten dargestellten Voraussetzungen gekündigt oder es wird mit dem oder den Darlehensnehmer(n) Vereinbarungen wie z.B. eine Stundungsvereinbarung geschlossen, wenn dadurch die Chance eröffnet werden kann, dass die krisenhafte Situation überwunden werden kann. Zu einer Stundungsvereinbarung und weiteren Regelungen wird auf die Ausführungen in Rn. 5.139 ff. verwiesen.

5.130

Sind Drittsicherheiten, beispielsweise Bürgschaften oder Grundschulden Dritter, gestellt und führt nach der Sicherheitenstellung eine Stillhaltevereinbarung oder eine andere Vereinbarung zu einer Forderungsstundung bzw. Änderung einer Tilgungsregelung, ist die Rechtsprechung des BGH zum engen Sicherungszweck bei Drittsicherheiten bzw. § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB zu beachten. Danach folgt aus § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB, dass nachteilige Folgen einer Stundung bzw. einer Änderung der Tilgungsregelung gegenüber dem Bürgen unwirksam sind3; für andere Drittsicherheiten mit engem Sicherungszweck dürfte dies sinngemäß gelten. Um dies zu vermeiden, sollten Kreditinstitute anlässlich einer entsprechenden Regelung in einer Stillhaltevereinbarung oder einer anderen Regelung vorsorglich stets darauf achten, dass „anlassbezogene“ Drittsicherheiten für den gestundeten Kredit neu bestellt bzw. darauf ausdrücklich erstreckt werden.

5. Einbindung mehrerer Kreditinstitute 5.131

Während es für ein allein finanzierendes Kreditinstitut nur das kriselnde Unternehmen als (Vertrags- und) Ansprechpartner für die Sanierungsbegleitung gibt, ist dies bei mehreren finanzierenden Kreditinstituten naturgemäß anders: Im Regelfall sind alle oder zumindest die Hauptkreditgeber auf eine Sanierungsbegleitung anzusprechen. In diesem, in der Praxis gar 1 S. Rn. 5.105 für den Fall, dass im Darlehensvertrag eine einschlägige Inanspruchnahmevoraussetzung vereinbart ist. 2 OLG Zweibrücken v. 17.10.1984 – 2 U 39/83, WM 1985, 86 (88). 3 BGH v. 27.1.2004 – XI ZR 111/03, WM 2004, 724 (726); BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 2/98, ZIP 2000, 962 = WM 2000, 1141 (1143); Habersack in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, § 767 Rn. 17 f.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.135 Fünfter Teil

nicht so selten vorkommenden Fall wird entweder das kriselnde Unternehmen von sich aus aktiv und lädt z.B. die Kreditinstitute zu einem sog. Bankengespräch ein oder auf Unternehmensinitiative geschieht dies in der Regel durch das Kreditinstitut mit dem größten Kreditportfolio. Die Ausgangslage kann – abhängig vom bisherigen Krisenhandling des Unternehmens und dem damit oft zusammenhängenden Kenntnisstand bei den Kreditinstituten – sehr unterschiedlich sein; nach dem Bankengespräch sollte allerdings zumindest klar sein, ob die Reise in Richtung Insolvenz oder Sanierung geht. Auch wenn die Signale auf grün stehen und sich die Kreditinstitute (zumindest zum überwiegenden Teil) eine Sanierungsbegleitung vorstellen können, geht es für sie in den meisten Fällen darum, abzuwarten, dass das kriselnde Unternehmen die Voraussetzungen für seine Sanierung erfüllt und bis dahin (möglichst) alle Kreditinstitute „die Füße still halten“ und sich kein Kreditinstitut Sondervorteile verschafft. Was die finanzierenden Kreditinstitute bis zu diesem Zeitpunkt – regelmäßig erfolgt dann ein weiteres Bankengespräch – unternehmen „müssen“, um das kriselnde Unternehmen in eine Sanierung hinein zu begleiten, hängt wiederum vom Einzelfall ab. An dieser Stelle1 wird auf ein (nur erforderliches) Stillhalten abgestellt, d.h. Zielrichtung ist das Halten des status quo, ohne dass ein Kreditinstitut bis zur Entscheidung über die Sanierungsbegleitung einen Sondernutzen ziehen kann.

5.132

Die erörterten Voraussetzungen für ein Stillhalten gelten ohne Weiteres auch dann, wenn (zwei oder) mehrere Kreditinstitute stillhalten wollen. Für die Stillhaltevereinbarung wird üblicherweise ein Kreditinstitut – entweder das mit dem größten Kreditportfolio oder der (falls bereits vorhanden) Sicherheitenpoolführer – als „führendes“ Kreditinstitut bestimmt. Möglich ist auch die Einbindung eines sog. Standstill-Agenten, der die technische Abwicklung des Standstills übernehmen soll; zwingend erforderlich ist diese aus der anglo-amerikanischen Dokumentationspraxis kommende und zusätzliche Kosten verursachende „Partei“ einer Standstill-Vereinbarung nicht.

5.133

Ein „Klassiker“ des ersten Bankengesprächs ist das Verlangen nach Nachbesicherung, gerade wenn ein „Ungleichgewicht“ bei den Besicherungen der einzelnen Kreditinstitute festgestellt wird und es freie Vermögensteile gibt. Die Sicherheiten sollen unter einem (neuen) Sicherheitenpoolvertrag hereingenommen bzw. ein bestehender Sicherheitenpoolvertrag soll entsprechend erweitert werden. Es kann an dieser Stelle nur wiederholt werden, dass zwecks Vermeidung von Problemen mit der Sicherheitenstellung durch das Unternehmen bis zu einer „rechtsprechungskonformen“ Sanierungsentscheidung abgewartet werden sollte2.

5.134

Auch bei der Einbindung mehrerer Kreditinstitute „definiert“ der jeweilige Einzelfall die Stillhalte-Vereinbarung bzw. ihren Inhalt, ob es also nur um einen Standstill oder auch schon um weitere Vereinbarungen zwischen Kunden und Kreditinstituten gehen soll. Wenn und soweit – was regelmäßig der Beweggrund sein dürfte – durch eine Standstill-Vereinbarung die Zeit bis (spätestens) zur Vorlage eines Sanierungsgutachtens überbrückt werden soll, dürfte es kaum Sinn machen, weitere Regelungen aufzunehmen, denn erst nach der „Sanierungsprüfung“ steht fest, ob eine Sanierung erfolgversprechend erscheint und Maßnahmen wie z.B. eine Kreditvergabe unter Berücksichtigung der Vorgaben der Rechtsprechung rechtssicher erfolgen können. Vorher getroffene Regelungen sind dagegen aus Rechtsgründen problematisch,

5.135

1 Zu weiteren Handlungsoptionen vgl. 5.62 ff. 2 Vgl. dazu schon Rn. 5.109.

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Fünfter Teil Rz. 5.135 | Kreditgeschäft

denn die „Sanierungsprüfung“ muss nicht zwingend zu dem Ergebnis führen, dass es anschließend mit der Sanierung des Unternehmens weiter- bzw. ggf. auch erst losgeht; kommt es zur Insolvenz, wird ein Insolvenzverwalter prüfen, ob und inwieweit er die Maßnahmen insbesondere anfechten kann. Nachstehend wird demzufolge der klassische Standstill dargestellt. Ist eine Restrukturierung nach dem StaRUG vorgesehen, bleibt gerade bei der vorgesehenen Einbindung mehrerer Kreditinstitute abzuwarten, ob es noch Standstillvereinbarungen nach dem bisherigen Muster geben wird.

6. Ausgestaltung einer Stillhaltevereinbarung 5.136

Hat das kriselnde Unternehmen nur einen Kreditgeber, kann die bilaterale Stillhaltevereinbarung auch durch ein Schreiben des Kreditgebers und der Gegenzeichnung durch das Unternehmen zustandekommen. Dabei sind als wesentliche Punkte der Standstill, die Beauftragung eines Sanierungskonzepts bzw. dessen Vorlage bis zu einem gewissen Zeitpunkt, ggf. die Nichtbegleichung von Gesellschafterforderungen, die Laufzeit des Standstills und Regelungen für eine außerordentliche Kündigung vorzusehen; als Beispiel dafür können die im nachstehenden Muster aufgeführten Regelungen dienen, soweit sie nicht die Einbindung mehrerer Kreditgeber betreffen.

5.137

Eine Stillhaltevereinbarung unter Einbindung mehrerer Kreditinstitute könnte in etwa wie folgt aussehen:

M 11 Stillhaltevereinbarung unter Einbindung mehrerer Kreditinstitute Stillhaltevereinbarung vom ... zwischen der Firma ... – nachstehend auch „Kreditnehmerin“ genannt – und den Kreditinstituten1: 1. ... 2. ... 3. ... 4. ... ... – nachstehend auch „Kreditinstitute“ genannt –

1 Soweit in der Stillhaltevereinbarung auch reine Avalkreditgeber explizit aufgeführt werden sollen, kann dies natürlich geschehen. Handelt es sich dabei um einen Kautionsversicherer, bietet es sich an, die (klassischen) „Kreditinstitute“ gesondert als solche zu bezeichnen und Kreditinstitute und Avalkreditgeber gemeinsam als „Finanzierer“. Nachstehend werden nur „Kreditinstitute“ berücksichtigt; bei der Einbindung von „Avalkreditgebern“ sind materiell grundsätzlich keine weiteren Bedingungen erforderlich.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.137 Fünfter Teil

und dem Drittsicherungsgeber1: ... – nachstehend auch „Drittsicherungsgeber“ genannt – und dem geschäftsführenden Gesellschafter2: ... – nachstehend auch „geschäftsführender Gesellschafter“ genannt – Präambel ... (in der Präambel kann z.B. – kurz die aktuelle (Finanzierungs-)Situation der Kreditnehmerin angesprochen werden, – dass die Kreditinstitute aufgrund einer vorgelegten Liquiditätstplanung davon ausgehen, dass bei der Aufrechterhaltung der gewährten Kredite (ggf.: und der Factoringfazilitäten sowie der Warenkreditversicherungslimite) die Lquidität bzw.Zahlungsfähigkeit bis zur Vorlage des (zu beauftragenden/beauftragten) Sanierungskonzepts3 gesichert ist, – dass die Kreditinstitute bei einem während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung entstehenden zusätzlichen Finanzierungsbedarf dessen Deckung durch die (geschäftsführenden) Gesellschafter erwarten, – dass (soweit dies nicht bereits geschehen ist, dann wäre die Beauftragung zu erwähnen) die Kreditnehmerin die Erstellung eines Sanierungskonzepts beauftragen wird (soweit die Kreditnehmerin die Beratungsgesellschaft schon ausgesucht hat, sollte sie konkret genannt werden), wobei die Kreditinstitute auf einschlägige Musterauftragsschreiben verweisen können, die insbesondere die Mindestanforderungen der BGH-Rechtsprechung an Sanierungskonzepte erwarten lässt4, – dass die Beauftragung bis zu einem bestimmten (kurzfristig anzusetzenden) Zeitpunkt nachzuweisen ist und die Vorlage des fertigen Sanierungskonzepts voraussichtlich bis zu einem „Zeitpunkt X“5 erfolgen wird, – und dass sich die Kreditinstitute unter der Voraussetzung einer fristgemäßen Beauftragung des Sanierungskonzepts (ggf.: in der Bankensitzung am ...) auf eine weitere Begleitung der Kreditnehmerin verständigt haben und demzufolge die beteiligten Parteien das Nachfolgende vereinbaren)

1 Gibt es keine von einem Dritten gestellte Sicherheit, sind diese „Partei“ sowie die sie betreffenden Regelungen zu streichen. Gibt es mehrere Drittsicherheitengeber, sind sie einzeln aufzuführen. 2 Gibt es keinen geschäftsführenden Gesellschafter, sind diese „Partei“ sowie die sie betreffenden Regelungen zu streichen. Sind im Einzelfall mehrere geschäftsführenden Gesellschafter vorhanden, sind sie einzeln aufzuführen. 3 Geht es um eine Restrukturierung nach dem StaRUG, sollte jeweils von „Restrukturierungskonzept“ gesprochen werden. 4 Vgl. dazu auch Huber ZInsO 2018, 1761 (1766 f.). 5 Dieser „Zeitpunkt X“ hängt von der Größe und Komplexität der Kreditnehmerin und damit auch dem Umfang des zu erstellenden Sanierungskonzepts ab und kann demzufolge nicht vorher genau festgelegt werden. Die Praxis geht von Erfahrungswerten von regelmäßig mehreren Wochen aus, die auf die Kreditnehmerin „angepasst“ werden.

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Fünfter Teil Rz. 5.137 | Kreditgeschäft 1. Stillhalteregelung 1.1. Einbezogene Verträge Folgende Kreditverträge werden in die Stillhaltevereinbarung einbezogen: Kreditinstitut 1 (z.B.: Barkreditlinie vom ... über ..., auch ausnutzbar durch Aval-, Diskontoder Akzeptkredite) Kreditinstitut 2 (z.B.: Barkreditlinie vom ... über ... sowie Annuitätendarlehen vom ... über ...) Kreditinstitut 3 (z.B.: Avalkreditlinie vom ... über ...) Kreditinstitut 4 (z.B.: Endfälliges Darlehen vom ... über ...) ... – Bar- und Avalkreditlinien zusammen auch „Kreditlinien“ – 1.2. Stillhalten 1.2.1. Die Kreditinstitute werden Inanspruchnahmen der Kreditlinien für die Dauer dieser Stillhaltevereinbarung weiter zulassen und die Rückführung von Tilgungsansprüchen, die nach den vertraglichen Bestimmungen während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung fällig werden, bis zum Ende der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung nicht geltend machen1. 1.2.2. Fällige oder während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung fällig werdende Zinsen und Provisionen und sämtliche weiteren fälligen oder fällig werdenden Kosten, Entgelte und Gebühren sowie Regeltilgungen der Darlehen sind unbeschadet der vorstehenden Regelung von der Kreditnehmerin während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung in vollem Umfang und fristgerecht an das jeweilige Kreditinstitut zu leisten. 1.2.3. Die Kreditinstitute erklären, während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung ordentliche Kündigungsrechte und zum Abschluss dieser Stillhaltevereinbarung bereits bestehende außerordentliche Kündigungsrechte nicht geltend zu machen. Während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung entstehende außerordentliche Kündigungsrechte können vom jeweiligen Kreditinstitut dagegen geltend gemacht werden. (Ggf. beim Bestehen von Financial Covenants: Dies gilt nicht beim Entstehen außerordentlicher Kündigungsgründe aufgrund periodischer Verstöße gegen in Kreditverträgen bereits vereinbarter Financial Covenants; auf die Ausübung der periodisch neu entstehenden außerordentlichen Kündigungsgründe wird abweichend von S. 2 dieses Absatzes verzichtet). 1.2.4. Ferner werden zum Zeitpunkt des Abschlusses der Stillhaltevereinbarung eventuell bestehende Aufrechnungsmöglichkeiten oder Nachbesicherungsansprüche während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung nicht gelternd gemacht. 1.3. Laufzeit 1.3.1. Die Stillhaltevereinbarung ist bis zum ... befristet („Laufzeit der Stillhaltevereinbarung“). 1 Sollen abgeschlossene Finanztermingeschäfte ebenfalls berücksichtigt werden, kann insoweit ergänzt werden, dass sie (einschl. Derivative) unverändert bis zum Ende ihrer jeweiligen Laufzeit bestehen bleiben, dass die Kreditinstitute sich bei bestehenden Margenlinien verpflichten, mit der Kreditnehmerin neue Finanztermingeschäfte abzuschließen, es sei denn, diese dienten nicht der Zins- und Währungssicherung, und dass bei Abwicklung eines Finanztermingeschäftes fällig werdende Ausgleichszahlungen zu begleichen sind. Ggf. sind die Geschäfte auch im Saldenausgleich zu berücksichtigen.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.137 Fünfter Teil

1.3.2. Die Stillhaltevereinbarung endet automatisch, d.h. ohne dass eine weitere Rechtshandlung gegenüber der Kreditnehmerin oder der Kreditinstitute untereinander erforderlich ist, wenn über das Vermögen der Kreditnehmerin ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird. 1.4. Außerordentliche Kündigung Die Stillhaltevereinbarung kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes außerordentlich gekündigt werden. Ein wichtiger Grund, der jedes Kreditinstitut zur Kündigung berechtigt, liegt insbesondere vor, wenn – die beauftragte Beratungsgesellschaft die Sanierungsfähigkeit bzw. eine positive Fortführungsprognose nicht oder nur unter kurzfristig nicht umsetzbaren Voraussetzungen bestätigen oder dieses Ergebnis vorab avisieren sollte. – die Kreditnehmerin nicht bis zum ... den erteilten Auftrag zur Erstellung eines Sanierungskonzepts für die Kreditnehmerin (ggf.: unter Einbeziehung ihrer Tochtergesellschaften) in Übereinstimmung mit den Mindestanforderungen des BGH für Sanierungskonzepte vorlegt oder der Auftrag vorzeitig beendet wird, – eine Bedingung bzw. eine Verpflichtung dieser Stillhaltevereinbarung nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt oder eingehalten wird, – eines der Kreditinstitute einen Kreditvertrag oder diese Stillhaltevereinbarung außerordentlich kündigt, – die vollständige Finanzierung der Kreditnehmerin während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung gefährdet ist (ggf.: die Warenkreditversicherungslimite in Höhe von ... nicht aufrecht erhalten werden). 1.5. Weitere Finanzierung Nach Vorlage des finalen Sanierungskonzepts werden die Kreditinstitute über die weitere finanzielle Begleitung der Sanierung der Kreditnehmerin einzeln entscheiden. Eine Rechtspflicht zur weiteren Finanzierung wird hierdurch nicht begründet. 2. Bedingungen und Verpflichtungen 2.1. Gleichbehandlung bei der Besicherung 2.1.1. Ungeachtet der Stillhaltevereinbarung gelten die zwischen der Kreditnehmerin und den Kreditinstituten außerhalb der Stillhaltevereinbarung getroffenen Gleichbehandlungsverpflichtungen bei der Besicherung weiter. 2.1.2. Im Hinblick auf alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Ansprüche, die dritten Gläubigern oder den Kreditinstituten aus der Geschäftsverbindung, aus Bürgschaften oder sonstigen Gewährleistungen und aus abgetretenen oder kraft Gesetzes übergegangenen Forderungen sowie aus Wechseln – auch soweit diese von Dritten hereingereicht worden sind – gegen die Kreditnehmerin zustehen, verpflichtet sich die Kreditnehmerin (ggf.: und der geschäftsführende Gesellschafter) während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung – dritten Gläubigern keine wie immer gearteten neuen und/oder zusätzlichen Sicherheiten für Kredite zu bestellen oder durch Dritte (z.B. direkte oder indirekte Tochtergesellschaften, Beteiligungsgesellschaften bzw. -gesellschafter) bestellen zu lassen, – keinem der beteiligten Kreditinstitute keine wie immer gearteten neuen und/oder zusätzlichen Sicherheiten für Kredite zu bestellen oder durch Dritte (z.B. direkte oder indirekte Tochtergesellschaften, Beteiligungsgesellschaften bzw. -gesellschafter) bestellen zu lassen, Huber | 843

Fünfter Teil Rz. 5.137 | Kreditgeschäft – keine Verpflichtung einzugehen, die eine Bestellung von wie immer gearteten neuen Sicherheiten für dritte Gläubiger oder beteiligte Kreditinstitute für Kredite zum Gegenstand hat oder Dritte (z.B. direkte oder indirekte Tochtergesellschaften, Beteiligungsgesellschaften bzw. -gesellschafter) nicht zu solchen Verpflichtungen zu veranlassen. Dies gilt nicht für branchenübliche verlängerte Eigentumsvorbehalte von Lieferanten und die aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen der Banken bestellten Pfand- und Sicherungsrechte. 2.2. Beteiligungen Die Kreditnehmerin verpflichtet sich, Beteiligungen an anderen Unternehmen nicht zu veräußern, zu belasten oder in sonstiger Weise über sie zu verfügen und für seine indirekten und direkten Tochtergesellschaften sicherzustellen, dass diese Beteiligungen an anderen Unternehmen nicht veräußern, belasten oder in sonstiger Weise über sie verfügen. 2.3. Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse Der geschäftsführende Gesellschafter verpflichtet sich, unverzüglich seine privaten Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen. (Ggf.: Er wird in diesem Zusammenhang zudem ein Angebot zur Verstärkung der Eigenmittel als teilweises Äquivalent zum Jahresfehlbetrag unterbreiten.) 2.4. Warenkreditversicherer1 Die Warenkreditversicherer haben separate Erklärungen zur Offenhaltung ihrer Limite abgegeben bzw. werden diese noch abgeben. 3. Saldenausgleich2 3.1. Die Kreditnehmerin wird die in Nr. 1.1. aufgeführten Kreditlinien nach Möglichkeit im Verhältnis der Linien gleichmäßig in Anspruch nehmen. 3.2. Maßgeblicher Zeitpunkt für den ersten Saldenausgleich ist jeweils – bei außerordentlicher Kündigung der Zeitpunkt des Eingangs der Kündigung bei den anderen Kreditinstituten, – bei Insolvenzantrag der Zeitpunkt der Antragstellung. 3.3. Die Kreditinstitute sind dann berechtigt und verpflichtet, ihre Kreditforderungen aus den aufgeführten Kreditlinien, soweit sie die Kreditlinien nicht übersteigen, durch entsprechende Überträge auf einen solchen Stand zu bringen, dass für die Kreditinstitute eine Inanspruchnahme nach dem Verhältnis der genannten Kreditlinien zueinander entsteht. 3.3.1. Bei der Durchführung des Saldenausgleichs haben die Kreditinstitute eventuelle Guthaben auf Konten des Kreditnehmers – soweit aufrechenbar bzw. soweit nicht zur Sicherung anderer Kreditforderungen abgetreten bzw. verpfändet – zunächst mit ihren Forderungen zu verrechnen, die sich im Rahmen der genannten Kreditlinien bewegen. 3.3.2. Die aufgeführten mittel- und langfristigen Darlehen sind von einem Saldenausgleich ausdrücklich ausgenommen. 3.3.3. Belastungen aus aufzunehmenden Lastschrift- und Scheckrückgaben werden im Rahmen des Saldenausgleichs den Forderungen aus den entsprechenden Kreditlinien zu-

1 Dies kann entfallen, wenn keine Warenkreditversicherer vorhanden sind. 2 Vgl. dazu auch Huber WM 2018, 1585 ff. zum Saldenausgleich beim (Muster-)Sicherheitenpoolvertrag – die Erwägungen auf S. 1587 ff. gelten für den Saldenausgleich bei einer Stillhaltevereinbarung entsprechend.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.137 Fünfter Teil

geschlagen, wenn und soweit hierdurch die Kreditlinien des betreffenden Kreditinstituts nicht überschritten werden. 3.3.4. „Forderungen aus etwaigen Wechseldiskontierungen, Akzeptkrediten sowie aus eröffneten Akkreditiven im Rahmen der Barkreditbeanspruchung gelten nur insoweit als Inanspruchnahme, als ein Ausfall feststeht bzw. Zahlungen darauf geleistet worden sind. 3.3.5. Forderungen im Rahmen der Avalkreditbeanspruchung werden beim Saldenausgleich nur berücksichtigt, wenn und soweit hierauf vom jeweiligen Kreditinstitut Zahlungen geleistet wurden. 3.3.6. Wenn sich nach Durchführung eines Saldenausgleichs dessen Berechnungsgrundlage (auch nach Ablauf der Laufzeit dieser Stillhaltevereinbarung) ändert, sind die Salden auf jederzeit zulässiges Anfordern eines Kreditinstituts (ggf.: zu jedem Halbjahresende) erneut auszugleichen. 3.3.7. Soweit ein Saldenausgleich nicht rechtswirksam gegenüber der jeweiligen Kreditnehmerin oder Dritten vorgenommen werden kann, sind die Kreditinstitute im Innenverhältnis zur Herbeiführung eines entsprechenden Ergebnisses verpflichtet. 4. Verpflichtungserklärung zur Belassung bestehender Gesellschafterdarlehen1 4.1. Der geschäftsführende Gesellschafter2 verpflichtet sich hiermit, während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung eine qualifizierte Rangrücktrittserklärung sowie eine Darlehensbelassungserklärung für die Gesellschafterdarlehen in Höhe von EUR ... anzugeben (möglich wäre auch: die der Kreditnehmerin gewährten Gesellschafterdarlehen in Höhe von EUR ... durch Kapitalerhöhung in Kapital umzuwandeln). 4.2. Sollten sich die Kreditinstitute dazu bereit erklären, die Stillhaltevereinbarung zu prolongieren oder die Kreditnehmerin während der Laufzeit der Sanierung zu begleiten, ist eine qualifizierte Rangrücktrittserklärung sowie die Darlehensbelassungserklärung auch auf den Zeitraum der Prolongation bzw. der Sanierungsbegleitung auszudehnen3. 5. Auskunftspfllicht der Kreditnehmerin 5.1. Unabhängig von den unter den Kreditverträgen bestehenden Informationspflichten verpflichtet sich die Kreditnehmerin [ggf.: bzw. der geschäftsführende Gesellschafter] alle Kreditinstitute stets unverzüglich und gleichzeitig über alle für die Kreditbeurteilung wesentlichen Umstände zu unterrichten. 5.2. Die unter den Kreditverträgen bestehenden, laufenden Informationsrechte- und -pflichten der Kreditnehmerin bleiben während der Laufzeit dieser Stillhaltevereinbarung unverändert bestehen. 5.3. [Sollte im Einzelfall noch keine umfangreiche Offenlegungspflicht vereinbart sein, kann dies an dieser Stelle nachgeholt und für die Laufzeit der Stillhaltevereinbarung4 mit der 1 Dies kann entfallen, wenn keine einschlägige Verpflichtungserklärung in Betracht kommt. 2 Soll (auch) ein nicht geschäftsführender Gesellschafter eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgeben, ist (auch) auf ihn abzustellen und das „geschäftsführend“ zu streichen. 3 Soll während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung die Ausschüttung von Stammkapital, Rücklagen, Gewinnvorträgen oder Jahresüberschüssen verhindert werden, ist eine entsprechende Thesaurierungsvereinbarung hereinzunehmen. 4 Eine Vereinbarung für die Laufzeit der Kreditlinien ist zwar ebenfalls denkbar und sinnvoll. Dann ist aber für den Fall, dass die Stillhaltevereinbarung endet und keine Insolvenz nachfolgt, darauf zu achten, dass diese Bestimmung weiterhin Berücksichtigung findet und wegen des „Standorts“ in der – beendeten – Stillhaltevereinbarung nicht später in Vergessenheit gerät. Insoweit ist also der „richtige“ Standort in den Kreditvereinbarungen zu präferieren.

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Fünfter Teil Rz. 5.137 | Kreditgeschäft Kreditnehmerin neben der Unterrichtung über alle für die Kreditbeurteilung wesentlichen Umstände die Einreichung konkret zu benennender Unterlagen und Informationen nebst ggf. darauf abgestimmten Einreichungsrhythmus – z.B. monatlich eine betriebswirtschaftliche Auswertung oder vierteljährlich einen Quartalsbericht – vereinbart werden.] 5.4. Sofern und sobald die tatsächliche Entwicklung Änderungen der gültigen Finanplanung erfordert, sind die Kreditinstitute unverzüglich zu unterrichten, welche Auswirkungen in welcher Zeit aus welchen Gründen erwartet werden. 5.5. Weitere Unterlangen, die einen zeitnahen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse gestatten, wird die Kreditnehmerin auf jeweilige Anforderung einreichen. 6. Kosten Durch die mit dieser Stillhaltevereinbarung übernommene Verpflichtung zum Stillhalten während des Stillhaltezeitraums ergibt sich für die Kreditinstitute ein erhöhtes Risiko, für dessen Übernahme die Kreditinstitute der Kreditnehmerin eine zusätzliche Risikoprovision in Höhe von ...% p.a. auf die jeweiligen Kreditlinien berechnen. Diese Risikoprovision wird nachträglich monatlich zu jedem Monatsende sowie am Ende der Laufzeit dieser Stillhaltevereinbarung zur Zahlung fällig. 7. Inkrattreten Diese Stillhaltevereinbarung tritt mit Erfüllung der nachstehenden Verpflichtungen in Kraft: ... (z.B.: Nennung von Unterlagen, Informationen, Verpflichtungen oder Erklärungen, die aus Sicht der Kreditinstitute zwingend bereits bei Abschluss der Stillhaltevereinbarung vorliegen müssen) 8. Sonstiges 8.1. Für alle Sachverhalte im Zusammenhang mit dieser Stillhaltevereinbarung befreit die Kreditnehmerin die Kreditinstitute hiermit untereinander vom Bankgeheimnis. 8.2. Änderungen oder Ergänzungen dieser Stillhaltevereinbarung einschließlich dieser Schriftformklausel bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. 8.3. Sollten einzelne Bestimmungen dieser Stillhaltevereinbarung unwirksam oder undurchführbar sein oder werden, sollen die übrigen Bestimmungen dennoch wirksam bleiben. Die Vertragspartein verpflichten sich für diesen Fall, eine dem beabsichtigten wirtschaftlichen Zweck entsprechende Zusatzvereinbarung zu treffen. Dasselbe gilt für die Ausfüllung von Vertragslücken. 8.4. Aus Regelungen, die ausschließlich das zwischen den Kreditinstituten bestehende Rechtsverhältnis betreffern, können die Kreditnehmerin und der geschäftsführende Gesellschafter keine Rechte herleiten. Insoweit verbleibt es bei den jeweils gegenseitigen Vereinbarungen mit den Kreditinstituten. 8.5. Der Vertrag unterliegt deutschem Recht. Gerichtsstand ist .... Zusätzlich kann jede Vertragspartei auch an ihrem Hauptsitz verklagt werden. Ort, Datum und Unterschriften der Kreditinstitute, der Kreditnehmerin sowie ggf. des geschäftsführenden Gesellschafters (sowie der nicht geschäftsführenden Gesellschafter, soweit sie eine Verpflichtung übernommen haben).

846 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.141 Fünfter Teil

Soweit Drittsicherungsgeber vorhanden sind: Die Vereinbarung haben wir zustimmend zur Kenntnis genommen, Ort, Datum und Unterschrift(en) des/der Drittsicherungsgeber(s)

7. (Stundungs-)Vereinbarungen im Privatkundengeschäft Den im Kreditgeschäft mit Unternehmenskunden üblichen Standstill-Vereinbarungen entsprechen im Verbraucherdarlehensgeschäft Stundungsverträge, Forderungsbeschränkungsverträge und Vollstreckungsbeschränkungsverträge. Manchmal erklären Banken sogar den Verzicht auf ihre Forderungen.

5.138

a) Stundungsvereinbarung Durch eine Stundung werden die Zahlungsverpflichtungen des Kunden gestreckt, d.h. die Ratenzahlungspflichten zeitlich verschoben oder deren Höhe herabgesetzt oder beides. In einer entsprechenden Vereinbarung finden sich üblicherweise auch eine Verfallklausel, eine Regelung zu Sicherheiten sowie ein vollstreckbares Schuldanerkenntnis1.

5.139

Rechtlich sind Verfallklauseln zwar grundsätzlich zulässig2, bei ihrer Ausgestaltung sind aber in der Bankpraxis insbesondere die Vorgaben des AGB-Rechts zu beachten3. Ihre Wirksamkeit verlangt eine schwerwiegende Vertragsverletzung, die von den Anforderungen nicht hinter denen für eine Kündigungsregelung zurückbleiben darf4. Nach § 498 Abs. 1 BGB darf in einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag – dies gilt ebenso für eine Vereinbarung über einen Zahlungsaufschub (§ 506 Abs. 1 BGB) – die sofortige Kündbarkeit aller noch ausstehenden Beträge nur für den Fall vereinbart werden, dass der Schuldner mit mindestens zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mit mindestens 10 %, bei einer Laufzeit über drei Jahre mit 5 % des Nennbetrages in Verzug ist und der Gläubiger erfolglos eine zweiwöchige Frist mit der Erklärung gesetzt hat, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlange; bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag beträgt gemäß § 498 Abs. 2 BGB die Mindestverzugssumme 2,5 % des Darlehennennbetrags. Diese Bestimmungen können allerdings nur dann als Vorbild dienen, wenn die Stundungsvereinbarung feste Raten für einen festen Zeitraum oder einen genauen Gesamtbetrag vorsieht. Wenn sie dagegen nur die Abführung der jeweils pfändungsfreien Beträge zuzüglich eines Aufschlags oder ohne einen solchen verlangt, fehlt es an einer bestimmbaren Bezugsgröße für die Anwendung des § 498 BGB. Einen Anhaltspunkt könnte ggf. die gesetzliche Wiederauflebensklausel des § 255 InsO darstellen, die eingreift, wenn der Schuldner mit der Erfüllung eines Insolvenzplans erheblich in Rückstand gerät und seine fälligen Verbindlichkeiten trotz schriftlicher Mahnung seitens des Gläubigers nicht innerhalb von zwei Wochen begleicht.

5.140

Schließen Bank und Kunde noch vor der Kündigung des Kredits eine solche Stundungsvereinbarung, führt sie dazu, dass eine Zahlungseinstellung des Kunden nicht eintritt; Stun-

5.141

1 Zur Anfechtung als inkongruente Deckung s. BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 = WM 2010, 851 (852 f., Rn. 11 ff.). 2 Vgl. Krüger in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 271 Rn. 28. 3 S. auch BGH v. 18.4.2019 – III ZR 191/18, NJW-RR 2019, 1072 (1073 f., Rn. 13 ff.). 4 BGH v. 18.4.2019 – III ZR 191/18, NJW-RR 2019, 1072 (1074, Rn. 20); Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 307 Rn. 148.

Huber | 847

Fünfter Teil Rz. 5.141 | Kreditgeschäft

dungsvereinbarungen, die nach der Kündigung geschlossen werden, beseitigen eine vorher schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit nur dann, wenn der Schuldner die Rückzahlungen im Wesentlichen vereinbarungsgemäß erbringt und die Zahlungen auf die Forderungen anderer Gläubiger wieder aufnimmt. Zur Anfechtung s. Rn. 5.531 ff.

5.142

Eine Stundungsvereinbarung könnte in etwa wie folgt aussehen:

M 12 Stundungsvereinbarung Stundungsvereinbarung zwischen ... [Herrn/Frau Vorname, Name, Anschrift], – nachstehend „Schuldner“ genannt – und der ... Bank [genaue Bezeichnung, Anschrift] – nachstehend „Bank“ genannt – wird folgende Stundungsvereinbarung geschlossen: § 1 Schuld (1) Der Schuldner schuldet der Bank per ... auf IBAN ... ... Euro zuzüglich Zinsen in Höhe eines variablen Zinssatzes von 5 % p.a. über dem Basiszinssatz (§ 288 BGB bzw. § 247 BGB) und Kosten der Rechtsverfolgung (nachstehend insgesamt „Forderung“ genannt). Die Forderung ist fällig. (2) Der Schuldner erkennt die Forderung dem Grunde und der Höhe nach an. (3) Der Basiszinssatz verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres. Steigt der Basiszinssatz, so steigt der Zinssatz gemäß Absatz 1 um die Prozentpunkte, die der Basiszinssatz gestiegen ist. Fällt der Basiszinssatz, so fällt der Zinssatz um die Prozentpunkte, die der Basiszinssatz gefallen ist. Der Basiszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank unverzüglich nach den in Satz 1 genannten Terminen im Bundesanzeiger und in den überörtlichen Tageszeitungen sowie auf der Homepage der Deutschen Bundesbank (http://www.bundesbank.de) bekannt gegeben. § 2 Raten Der Schuldner zahlt auf die Forderung monatliche Raten in Höhe von mindestens ... Euro beginnend am ... und dann jeweils am 30. der folgenden Monate. Maßgebend für die Rechtzeitigkeit der Zahlung ist das Datum der Gutschrift auf dem in § 3 bestimmten Konto. § 3 Zahlung, Verrechnung Die Zahlungen sind auf das Konto IBAN ... der Bank ... BIC ..., mit dem Vermerk „...“ zu leisten.

848 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.142 Fünfter Teil

§ 4 Zahlungsverzug Wenn 1. der Schuldner mit mindestens zwei aufeinander folgenden Raten ganz oder teilweise und mindestens 10 %, bei einer Laufzeit der Stundungsvereinbarung über drei Jahre mit 5 % der Forderung in Verzug ist und 2. die Bank dem Schuldner erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrages mit der Erklärung gesetzt hat, dass sie bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restforderung verlange, kann die Bank diese Stundungsvereinbarung mit sofortiger Wirkung kündigen und die gesamte Restforderung sofort fällig stellen. Die Bank ist dann ohne weitere Mahnung zum sofortigen Forderungseinzug, einschließlich Zwangsvollstreckung, berechtigt. § 5 Sicherheiten Die der Bank vor Abschluss der Stundungsvereinbarung gestellten und nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen haftenden Sicherheiten (insbesondere die dem Pfandrecht gemäß Nr. 14 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegenden Sachen und Rechte) haften in dem vereinbarten Umfang weiter1. § 6 Vertragsende (1) Die Stundungsvereinbarung endet, sofern nicht ein Fall des § 4 vorliegt, am ... (2) Der Schuldner wird sich rechtzeitig vor Ablauf dieser Frist, spätestens jedoch am ... zum Abschluss einer neuen Stundungsvereinbarung – unter Offenlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse und Vorlage entsprechender Nachweise (insbesondere Steuerbescheide und -erklärungen) – mit der Bank in Verbindung setzen. (3) Sollte vor Ablauf der Stundungsvereinbarung eine neue Stundungsvereinbarung, zu deren Abschluss die Bank nicht verpflichtet ist, nicht abgeschlossen sein, gelten die in § 4 bestimmten Rechtsfolgen entsprechend. (4) Eine neue Stundungsvereinbarung kommt nicht durch die Weiterleistung der Ratenzahlungen in der in der Stundungsvereinbarung vereinbarten Höhe zustande, auch wenn die Bank die Zahlungen vorbehaltlos annimmt. § 7 Zwangsvollstreckung (1) Die Bank wird Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht einleiten, solange der Schuldner die Stundungsvereinbarung einhält. Bereits eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bleiben jedoch bestehen und werden für ruhend erklärt, solange die Stundungsvereinbarung eingehalten wird. (2) Hat die Bank bei Abschluss des Stundungsvertrages den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides oder eine Klage bei Gericht eingereicht, ist sie berechtigt, das Verfahren bis zur Erlangung des Vollstreckungstitels fortzusetzen.

1 Soll vom Schuldner eine sicherungsweise Abtretung von Ansprüchen auf Arbeitseinkommen und Sozialleistungen hereingenommen werden, ist auf das einschlägige Muster z.B. des Bankverlags (abgedr. bei Huber in Bankrecht und Bankpraxis Rn. 4/699m) zurückzugreifen. Zur Sicherungsabtretung derartiger Ansprüche ausführlich Huber in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/696 ff.

Huber | 849

Fünfter Teil Rz. 5.142 | Kreditgeschäft § 8 Mithaftende Durch den Abschluss der Stundungsvereinbarung bleibt das Recht der Bank unberührt, uneingeschränkt gegen Mithaftende vorzugehen. ...

5.143

...

Ort, Datum

Ort, Datum

...

...

Schuldner

...Bank

Soweit früher auch ein Verjährungsverzicht durch den (Verbraucher-)Darlehensnehmer verlangt wurde, sollte davon trotz der in § 202 BGB geregelten Möglichkeit einer Vereinbarung über die Verjährung Abstand genommen werden. In § 497 Abs. 3 BGB findet sich für den Verzug des Darlehensnehmers eine Verjährungs-Sonderregelung, die zu einer Hemmung von bis zu 10 Jahre führt. Von dieser Bestimmung, die auch bei einem Zahlungsaufschub gemäß § 506 BGB gilt, kann nach § 512 BGB nicht zu Lasten des Verbrauchers abgewichen werden. Somit dürfte dieses gesetzliche Verbot der Aufnahme eines Verjährungsverzichts in eine Stundungsvereinbarung – soweit er nicht ausnahmsweise zu Gunsten des Verbrauchers formuliert wird – entgegen stehen, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob eine von der Bank gestellte Verjährungsverzichtserklärung den Vorgaben des AGB-Rechts und hier vorallem des § 307 BGB1 entspricht. b) Forderungsbeschränkungsvertrag

5.144

Anstelle eines Forderungsverzichts oder eines Besserungsversprechens kommt auch ein Forderungsbeschränkungsvertrag in Betracht. Darin verpflichtet sich die Bank, ihre persönlichen Forderungen nur in dem Maß geltend zu machen, wie sie durch den Wert bestimmter Sicherheiten gedeckt sind2. Dies kann zur Beseitigung einer Zahlungseinstellung ausreichen, denn die Fälligkeit der Forderung ist damit auf den Zeitpunkt der Sicherheitenverwertung hinausgeschoben mit der Maßgabe, dass sie nur und insoweit zu tilgen ist, als der Sicherheitenerlös dazu ausreicht. War das Sicherungsgut zu einem unter dem Betrag der Forderung liegenden Wert aktiviert, so führt dieser Vertrag auch zu einer Entlastung in der Bilanz und dem Überschuldungsstatus.

1 Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 202 Rn. 12. 2 Beispielhaft OLG Köln v. 27.2.1981 – 22 U 117/79, WM 1981, 1238 (1239, 1241). Im Kreditgeschäft mit Unternehmenskunden kann es bei Konzernfinanzierungen mit der Vereinbarung einer sog. Limitation Language zu einer ähnlichen Regelung kommen, vgl. z.B. Rödding in Eilers/ Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl. 2014, Rn. C 525.

850 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.146 Fünfter Teil

5.145

In Betracht kommt folgender Text:

M 13 Forderungsbeschränkungsvertrag Forderungsbeschränkungsvertrag zwischen der ...-Bank – im Folgenden „Bank“ genannt – und der Firma ... – im Folgenden „Kreditnehmer“ genannt – Der Bank stehen gegen den Kreditnehmer aus Darlehen und Krediten einschließlich Avalkrediten unbedingte und bedingte Forderungen in Höhe von insgesamt ... Euro zu. Für diese Kredite sind der Bank folgende Sicherheiten bestellt worden: 1. ... 2. ... 3. ... Bank und Kreditnehmer sind sich darüber einig, dass Forderungen aus den Darlehen und Krediten nur noch insoweit bestehen, als sie aus dem Erlös der unter Nr. 1–3 genannten Sicherheiten befriedigt werden können. Im Übrigen erlöschen die Forderungen. ... Ort/Datum ...

...

Unterschrift(en) der Bank

Unterschrift(en) des Kreditnehmers

c) Vollstreckungsbeschränkungsvertrag Ähnlich verhält es sich mit einem Vollstreckungsbeschränkungsvertrag, in dem sich die Bank verpflichtet, die Zwangsvollstreckung aus der Forderung nicht zu betreiben („pactum de non petendo“)1. Von der Formulierung der Vereinbarung hängt es ab2, ob die Fälligkeit erhalten bleibt oder aufgeschoben wird, bis der Schuldner sich zur Zahlung bereitfindet. In der Insol1 BGH v. 29.4.1987 – VIII ZR 258/86, NJW-RR 1987, 907 (908); BGH v. 11.12.1967 – III ZR 115/ 67, NJW 1968, 700; OLG München v. 24.9.1997 – 7 U 2402/97, WM 1999, 317 (319); Krüger in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 271 Rn. 18; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 271 Rn. 13. 2 Krüger in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 271 Rn. 18.

Huber | 851

5.146

Fünfter Teil Rz. 5.146 | Kreditgeschäft

venz des begünstigten Schuldners ist dessen Insolvenzverwalter an die Beschränkung nicht gebunden, kann also den Gegenstand, in den die Bank nicht vollstrecken durfte, veräußern und muss den Erlös der Bank bis zur Höhe ihrer Forderungen (abzüglich etwaiger Kostenbeiträge) aushändigen1.

5.147

Entsprechendes gilt für den vertraglichen Verzicht auf die Zwangsvollstreckung aus einem dinglichen Titel. Wenn ein Grundpfandgläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Schuldner verbindlich zusagt, aus der Grundschuld nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zu vollstrecken, bindet ihn das grundsätzlich auch in der Insolvenz des Schuldners. Den Insolvenzverwalter hindert diese Vereinbarung aber nicht, seinerseits die Verwertung des Grundstücks nach § 165 InsO zu betreiben, selbst wenn das Grundstück zu Gunsten dieses Gläubigers wertausschöpfend belastet ist und damit der Erlös aus der Aktivität des Verwalters allein dem Gläubiger zugute kommt2.

5.148

frei

II. Neue Kredite 1. „Frisches Geld“ ist oft Sanierungsvoraussetzung 5.149

In den meisten Fällen insbesondere einer freien Sanierung wird eine Stillhaltevereinbarung nur der erste Schritt der Sanierungsbegleitung sein, vor allem um Zeit zur Überprüfung der Erfolgsaussichten der angedachten Sanierung zu gewinnen, denn üblicherweise benötigt ein kriselndes Unternehmen für die Sanierung neue Liquidität („frisches Geld“). Letzteres dürfte auch für eine Restrukturierung nach dem StaRUG gelten, es sei denn, die Restrukturierung kann ohne neue Bankdarlehen durch rein bilanziell wirkende Maßnahmen oder neue Gesellschafterdarlehen gelingen. Wenn es um „frisches Geld“ geht, droht dem Kreditinstitut, das das Unternehmen schon bisher finanziert hat3, eine sehr unangenehme Gemengelage, wenn es die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze4 nicht beachtet und z.B. die neue Finanzierung nur gewährt, um die Altkredite zu retten. Es hat auch ins Kalkül zu ziehen, dass die Interessen des Unternehmens, des Kreditinstituts und dritter Gläubiger sich bei einer Krise oder Insolvenzreife des Unternehmens diametral entgegenstehen können. Während die Verantwortlichen eines Unternehmens vielfach um nahezu jeden Preis versuchen, die Existenz des Unternehmens zu sichern5, können die Gläubiger an einer möglichst baldigen Verfahrenseröffnung interessiert sein, weil sie bei einer Verzögerung noch höhere Ausfälle befürchten.

5.150

So wird die Unternehmensleitung, oft unterstützt vom Betriebsrat, auf neue Kredite drängen, um die Überlebenschancen des Unternehmens zu wahren und die gefährdeten Arbeitsplätze 1 BGH v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, ZIP 2011, 387 = WM 2011, 367 (368, Rn. 14); s. auch BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34 = WM 2012, 46 (49, Rn. 39). 2 BGH v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, ZIP 2011, 387 = WM 2011, 367 (368 f., Rn. 14 f.); s. auch BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34 = WM 2012, 46 (49, Rn. 39). 3 Das ist der Regelfall, denn ein Kreditinstitut ist regelmäßig bemüht, nur „gute“ Risiken einzugehen und wird daher die Finanzierung eines kriselnden Neukunden ablehnen. Aber auch hier bestätigen die Ausnahmen die Regel: so gibt es einige wenige Kreditinstitute, die sanierungsfähige Unternehmen bei der Sanierung als Neukunden gewinnen wollen; ferner kann z.B. in einer Konzernsituation die Finanzierung einer kriselnden, bisher nicht schuldenden Tochtergesellschaft von der „gesunden“ Muttergesellschaft, die vollwertige Sicherheiten stellen will, erbeten werden. 4 Dazu Rn. 5.79 ff. und Rn. 5.153 ff. 5 Weyand ZInsO 1998, 195.

852 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.151 Fünfter Teil

zu sichern1. Zwar ist ein Unternehmen keineswegs gehalten, sich um zusätzliche Kredite zu bemühen, wenn es sich von der Fortführung seines Gewerbes keinen Erfolg mehr verspricht; erfahrungsgemäß wird jedoch meist der Versuch unternommen, die Kreditmöglichkeiten weitestgehend auszuschöpfen2. Rechtlich können Kreditnehmer auf eine im Schrifttum vereinzelt3 vertretene Auffassung verweisen, wonach die Hausbank gegenüber einem sanierungsbedürftigen Unternehmen grundsätzlich verpflichtet sein soll, im Rahmen vorhandener oder zusätzlich angebotener Sicherheiten den unerlässlichen, kurzfristigen Liquiditätsbedarf zur Verfügung zu stellen. Diese Auffassung steht in Einklang mit der Überlegung, dass die erfolgversprechende Sanierung rechtspolitisch erwünscht ist4 und auch vom Staat durch Finanzierungshilfen wie z.B. Bürgschaften unterstützt werden kann5, weil die Alternative, nämlich ein Insolvenzverfahren, eine schlechte Alternative ist6. Die Auffassung hat sich allerdings zu Recht nicht durchsetzen können, weil es grundsätzlich keine Pflicht zur Kreditgewährung gab und gibt7. Kreditinstitute sind derzeit – und daran hat sich auch durch die (Umsetzung der) EU-Restrukturierungsrichtlinie8 nichts geändert – nicht verpflichtet, eine Finanzierung und damit auch eine Sanierungsfinanzierung zu gewähren. Tun sie es, sollten sie zur Risikovermeidung die Vorgaben der Rechtsprechung strikt beachten. Kann – unbeschadet der nicht bestehenden Kreditgewährungspflicht – ein Sanierungskredit eine wesentliche Maßnahme für eine – rechtspolitisch grundsätzlich erwünschte – Sanierung sein, „passt“ dies zu den langjährigen Bestrebungen des Gesetzgebers, Firmenzusammenbrüche einzudämmen und Arbeitsplätze zu erhalten9, wenn und soweit Sanierungsfähigkeit gegeben ist. Allerdings wäre auch in der Vergangenheit manchmal ein deutlichere „Unterstützung“ des Gesetzgebers für Sanierungen bzw. auch für Sanierungskredite wünschenswert gewesen. So sei z.B. an die langjährigen Rufe aus der Praxis für eine gesetzliche Regelung der gerade durch Forderungsverzichte entstehenden „Sanierungsgewinne“ erinnert, die erst kürzlich mehr oder weniger zwangsweise „erhört“ worden sind. Als weiteres Beispiel sei angeführt, dass die Insolvenzrechtsreform Sanierungskredite außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens völlig unberücksichtigt gelassen hat10. Daneben wurde denjenigen Beteiligten, von denen am ehesten ein Sanierungsbeitrag zu erwarten und zu fordern wäre, nämlich den Gesellschaf-

1 S. auch Neuhof NJW 1998, 3225. 2 BGH v. 25.9.1997 – IX ZR 231/96, ZIP 1997, 1926 = NJW 1998, 607 (608); s. auch BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, ZIP 1999, 1271 = WM 1999, 1577 (1580). 3 Canaris ZHR 143 (1979), 113 (133). 4 Bamberger in Knops/Bamberger/Lieser, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 1 Rn. 20; Claussen ZHR 147 (1983), 195 (198); Hopt ZHR 143 (1979), 139 (140 f.). 5 Zu Finanzierungshilfen der öffentlichen Hand ausführlich z.B. Gerlach in Knops/Bamberger/Lieser, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 15. 6 Bamberger in Knops/Bamberger/Lieser, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 1 Rn. 20; Claussen ZHR 147 (1983), 195 (198 f.). 7 Ausführlich Pleyer, Gedächtnisschrift für Dietrich Schultz, 1987, S. 271 ff. 8 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172/18 v. 26.6.2019. 9 BMF-Finanznachrichten Nr. 37/82 v. 22.11.1982, DB 1982, 2548. 10 Uhlenbruck FS Vieregge, 1996, 883 (888).

Huber | 853

5.151

Fünfter Teil Rz. 5.151 | Kreditgeschäft

tern1, selbst im Insolvenzplanverfahren die Vergabe von Sanierungskrediten durch die Verweisung ihrer Forderungen in den Nachrang (§ 264 Abs. 3, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) verleidet und ihnen damit ein gutes Argumentarium gegen die Bestrebungen der Gläubiger, sie für die Sanierungsaktion zu gewinnen, verschafft. Soweit durch das ESUG2 eine „Einbindung“ von Gesellschaftern in das Insolvenzverfahren geschaffen worden ist, hat dies ebenfalls nicht zu einer Verbesserung geführt; nunmehr kann die Einbindung zwangsweise erfolgen, ohne dass sich etwas an der Einordnung vorinsolvenzlicher Sanierungsbeiträge durch die Gesellschafter geändert hat. Angesichts dieser unveränderten Rechtslage müssen Banken auch künftig darauf achten, dass keine anderen Gläubiger gegen sie den Vorwurf sittenwidrigen Handelns erheben können (vgl. dazu auch Rn. 5.88 ff.). Auch Interventionen aus der Politik3, die vorallem erfolgen, wenn größere Unternehmen mit vielen Arbeitsplätzen Insolvenz anmelden müssen, und deren Ziel alleine eine Finanzierung zum Zweck der Fortführung des Unternehmens wegen der Erhaltung der Arbeitsplätze ist, können das Kreditinstitut nicht von seiner Verantwortung befreien, bei der Prüfung einer angefragten Finanzierung die Vorgaben der Rechtsprechung zu beachten (vgl. dazu im Einzelnen Rn. 5.153 ff.).

5.152

An dieser eher abwartenden Haltung des deutschen Gesetzgebers hat sich erst in der jüngeren Vergangenheit etwas geändert. Nachdem der EU-Gesetzgeber mit der Restrukturierungsrichtlinie4 verpflichtende Regelungen für eine Restrukturierung vorgeschlagen hat, hat der deutsche Gesetzgeber mit dem StaRUG5 innerhalb der zweijährigen Umsetzungsfrist „nachgezogen“ und z.B. in § 12 StaRUG auch eine Regelung für eine „neue Finanzierung“ aufgenommen. Nachdem der bisher bei der freien Sanierung gebräuchliche Sanierungskredit dargestellt worden ist, wird anschließend erörtert, ob mit § 12 StaRUG in der gesetzlichen Restrukturierung insoweit Änderungen zu beachten sind.

2. Begriff des Sanierungskredits 5.153

Bei der Darstellung (vgl. Rn. 5.84 ff.) der Entwicklung der Rechtsprechung zu Sanierungskrediten ist bereits ausgeführt worden, dass es um Konstellationen ging und geht, in denen ein sanierungsbedürftiges Unternehmen „frisches Geld“ für seine Sanierung benötigt. Kredite, die in dieser Situation vergeben werden, können als Sanierungskredite bezeichnet werden. „Frisches Geld“ impliziert, dass unter den Begriff der Sanierungskredite nur neu eingeräumte Kredite fallen6, also die Aufstockung bestehender Linien oder die Vereinbarung zusätzlicher Darlehen7. Dem kriselnden Unternehmen muss also ein Nutzungsrecht über neues Kapital eingeräumt werden; das neue Kapitalnutzungsrecht ist auch nach den MaRisk das entscheidende

1 Zur Entstehungsgeschichte s. Bitter ZGR 2010, 147 (187 f.). 2 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582. 3 Kritisch gegenüber jeglicher Intervention AG Duisburg v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1636 (1640 f.). 4 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172/18 v. 26.6.2019. 5 Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 6 OLG Stuttgart v. 26.9.2012 – 9 U 65/12, BB 2012, 3161 (3163). 7 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31 Rn. 81.

854 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.157 Fünfter Teil

Kriterium für eine vom Kreditinstitut begleitete Sanierung eines sanierungsbedürftigen Unternehmens. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass von den Regeln über Sanierungskredite die Auszahlung schon früher zugesagter Kredite oder die volle Inanspruchnahme einer nur teilweise ausgenutzten Kreditlinie nicht erfasst werden1. Letzteres hätte die Bank nur über eine Kündigung verhindern können, zu der sie weder gegenüber dem Kunden noch gegenüber Dritten verpflichtet ist (dazu Rn. 5.90).

5.154

Ob der Umkehrschluss auch für die Wiedereröffnung einer „gesperrten“ oder gekündigten Kreditlinie2 (auch wenn sie eine durch die Kündigung bewirkte Zahlungseinstellung wieder beseitigen kann), der Überführung von geduldeten Überziehungen in banküblich vereinbarte Kredite3 oder einer Prolongation gilt – in allen diesen Fällen wird entweder ein Kapitalnutzungsrecht wieder eingeräumt oder ein neuer Kredit gewährt –, soll im Einzelnen erst erörtert werden, wenn der „klassische“ Sanierungskredit behandelt worden ist.

5.155

Die Grundsätze über die Zulässigkeit von Sanierungskrediten müssen auch solche Banken beachten, die sich an einer Sanierungsaktion mehrerer Banken zwar nicht durch eigene neue Kredite beteiligen, aber den anderen Banken die Entscheidung über eine zusätzliche Finanzierung dadurch erleichtern, dass sie diesen gegenüber mit ihren bestehenden Kreditforderungen für den Fall eines Fehlschlags der Sanierungsaktion in den Nachrang hinter deren Neukredite treten4. Denn diese Verfahrensweise geht über ein bloßes Stillhalten hinaus.

5.156

3. Grundsätzliche Berechtigung zur Einräumung neuer Kredite An dieser Stelle soll nochmals erinnert werden (vgl. Rn. 5.83), dass ein Kreditinstitut grundsätzlich auch dann noch zur Vergabe neuer Kredite an ein Unternehmen berechtigt ist, wenn dieses sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet oder bereits insolvenzreif ist. Solange das Kreditinstitut nach den Umständen der Meinung sein kann, dass sich ein Rettungsversuch lohnt, d.h. dass die Krise noch mit seiner Hilfe überwindbar sein wird, ist die Einräumung neuer Kredite nicht zu beanstanden. Wenn auch ein Versuch stets die Möglichkeit des Fehlschlags einschließt, zwingt dies das Kreditinstitut nicht dazu, das Unternehmen schon dann fallen zu lassen, wenn es ohne zusätzliche Kredite mit Sicherheit zum Erliegen käme und der Erfolg einer Stützungsaktion nicht gewährleistet ist. Entscheidend ist, dass das Kreditinstitut zur Vermeidung der entsprechend aufgezeigten Risiken bei einer nicht fachgerechten Kreditgewährung in der Krise des Unternehmens die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgelegten „Leitplanken“5 strikt beachtet. Sicherlich ist die Abgrenzung zwischen erlaubtem Sanierungskredit und sittenwidriger Insolvenzverschleppung diffizil6, allerdings dürften bei Einhaltung der Rechtsprechungsgrundsätze die Risiken der Gewährung eines Sanierungskredits als überschaubar anzusehen sein. Sieht man sich die Fälle, die zur Ausgestaltung der Sanierungskreditrechtsprechung geführt haben, genauer an, kann unter „Ansatz“ des gesunden Menschenverstands in vielen Fällen nachvollzogen werden, warum zumindest zu Beginn von

1 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31 Rn. 81; Huber NZI 2015, 489 (493); Urlaub/Kamp ZIP 2014, 1465 (1467). 2 Schäffler BB 2006, 56 (58). 3 OLG Köln v. 9.1.2002 – 13 U 22/01, ZIP 2002, 521 = WM 2003, 1070 (1072). 4 Zur Konstruktion s. Obermüller, Ersatzsicherheiten im Kreditgeschäft, 1987, Rn. 240 ff. 5 Dazu 5.81 ff. 6 Die Vorauflage, Rn. 5.94, spricht sogar von „äußerst diffizil“.

Huber | 855

5.157

Fünfter Teil Rz. 5.157 | Kreditgeschäft

einer kritischen Haltung der Rechtsprechung zu Krisenfinanzierungen gesprochen worden ist1. Dies hat sich deutlich relativiert und wird letztlich jetzt auch vom EU- sowie dem nationalen Gesetzgeber anerkannt.

4. Das Sanierungskonzept als entscheidende Grundlage für eine Sanierung (sfinanzierung) 5.158

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept2, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist3 und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt, die conditio sine qua non für eine ernsthaft beabsichtigte Sanierung4. Ein Sanierungskonzept, das erst nach dem Zeitpunkt der ersten Darlehensgewährung bzw. einer Sicherheitenstellung vorgelegt wird, reicht nicht5. a) Langjährige Anforderungen der Rechtsprechung

5.159

Sowohl das kriselnde beauftragende (dazu Rn. 5.185) Unternehmen als auch ein finanzierendes Kreditinstitut müssen wissen, wie ein Sanierungskonzept aussehen muss, damit es vor den Augen der Rechtsprechung Gnade findet. Nur wenn ein „richtiges“, d.h. den Vorgaben der Rechtsprechung entsprechendes Sanierungskonzept beauftragt wird, kann dies später, wenn es fachgerecht erstellt und in der Praxis „angewendet“ wird, sowohl dem Unternehmen(sorgan) als auch dem Kreditinstitut die Haftungssorgen nehmen. Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an das „schlüssige Konzept“ bzw. für einen ernsthaften Sanierungsversuch wie folgt umschrieben6:

5.160

Das Konzept geht von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten aus und ist nicht offensichtlich undurchführbar; sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten –, branchenkundigen Fachmanns abzustellen, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorlagen7.

1 S. auch die Vorauflage, Rn. 5.94. 2 Terminologisch handelt es sich dabei um ein „Sanierungsgutachten“, also die Darlegung des Istund Sollzustands als „Konzept“ nebst der gutachterlichen Stellungnahme eines sachkundigen Dritten zur Geeignetheit des Konzepts, das Unternehmen fachgerecht zu sanieren. Würde also der Begriff Sanierungsgutachten sicherlich besser passen, soll nachstehend denoch von „Sanierungskonzept“ gesprochen werden, da auch die Rspr. diesen Begriff verwendet. 3 Rätselhaft blieb bis vor kurzem, wie eine Umsetzung schon begonnen werden kann, wenn das Konzept noch gar nicht fertig ist, vgl. Huber NZI 2015, 489, 492 f.; s. jetzt aber BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (535, Rn. 79 f.: „nichts ausnahmslos“). 4 Vgl. z.B. nur BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 15 m.w.N.). 5 Insoweit richtig KG v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, ZIP 2016, 1451 = WM 2016, 1073 (1076); zur abzulehnenden Ansicht des 24. Zivilsenats des KG zur Laufzeit von Überbrückungskrediten s. Rn. 5.205. 6 Vgl. auch Huber ZInsO 2018, 1761 (1766 f.); Huber NZI 2015, 489 f.; Pohl ZInsO 2011, 207 (209); s. ferner Richter in LBS, Bankrechtskommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 49. 7 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 18); BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1563 f.).

856 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.166 Fünfter Teil

Das Konzept muss die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysieren und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfassen1.

5.161

Nach der pflichtgemäßen Einschätzung eines objektiven Dritten im Augenblick der Kreditentscheidung (= ex-ante-Prognose2) ist das Unternehmen objektiv sanierungsfähig und die für seine Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen zusammen sind objektiv geeignet, das Unternehmen in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren3.

5.162

Die vorzunehmende Prüfung des Unternehmens gilt grundsätzlich unabhängig von dessen Größe; lediglich das Ausmaß der Prüfung kann dem Umfang des Unternehmens und der verfügbaren Zeit angepasst werden4.

5.163

Der Sanierungsversuch sollte bereits fachgerecht eingeleitet worden sein, da dies Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit des Versuchs zulassen kann5.

5.164

Ein nach diesen Vorgaben unternommener ernsthafter Sanierungsversuch bleibt privilegiert, auch wenn er letztlich scheitert6. Privilegierung bedeutet, dass ein Kreditinstitut bei Beachtung dieser Anforderungen einen Sanierungskredit gewähren kann, ohne sich einem begründeten Sittenwidrigkeitsvorwurf, einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung oder der Gefahr auszusetzen, dass ein Dritter einen Anspruch wegen Gläubigergefährdung realisieren kann; ferner bleibt der sog. Rettungserwerb „folgenlos“ und auch strafrechtlich dürfte kein Risiko entstehen, da die Insolvenz gerade nicht verschleppt, sondern ernsthaft verhindert werden soll7.

5.165

b) Ausdifferenzierung durch die Rechtsprechung in jüngerer Zeit Diese im Wesentlichen auf langjähriger Rechtsprechung beruhenden Grundsätze hat der BGH im Jahre 20168 teilweise – insbesondere für die Gläubiger – ausdifferenziert:

1 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564). 2 BGH v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279 = NJW 2006, 1282 (1285, Rn. 15). 3 BGH v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279 = NJW 2006, 1282 (1284, Rn. 14); vgl. a. BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894 = WM 2013, 763 (765, Rn. 11). 4 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 19); BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564). 5 So BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564); andere Entscheidungen sprechen nur davon, dass das Sanierungskonzept „mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist“, z.B. BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894 = WM 2013, 763, (765, Rn. 11), ohne dies mit einem „Rückschluss“ zu verknüpfen. 6 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1563); BGH v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279 = NJW 2006, 1282 (1285, Rn. 15); BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (234). S. auch BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 14). Zum Scheitern eines Sanierungsversuchs s. BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (531, Rn. 35). 7 Vgl. zu diesen Risiken Rn. 5.82 ff. 8 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182; bestätigt durch BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 und BGH v. 28.3.2019 – IX ZR 7/18, ZIP 2019, 1537 = ZInsO 2019, 1060.

Huber | 857

5.166

Fünfter Teil Rz. 5.167 | Kreditgeschäft

aa) Formale Erfordernisse?

5.167

So hat er – sogar in einem Leitsatz – darauf hingewiesen1, dass das Sanierungskonzept nicht den formalen Erfordernissen entsprechen muss, wie sie das Institut für Wirtschaftsprüfer (IDW2) in seinem Standard IDW S 63 oder das Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) als Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) aufgestellt haben. In der Praxis findet vor allem IDW S 6 Verwendung, wenn Sanierungskonzepte (nur) „nach IDW S 6“ erstellt werden sollen. Der BGH stützt damit die Sicht der Kreditpraxis, die sich an den Vorgaben der Rechtsprechung ausrichten muss, dass gerade für die Beauftragung, aber auch für die Durchführung nicht allein auf IDW S 6 abgestellt werden kann. IDW S 6 ist eine vom IDW erstellte Handlungsvorgabe für dem IDW angeschlossene Berufsträger; IDW S 6 legt „die Berufsauffassung zu den Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten dar“4. Obwohl IDW S 6 seit der Änderung 2012 ebenfalls praktisch vollständig die Vorgaben der Rechtsprechung umsetzt, bleibt der Standard eine „Handlungsanweisung“ für die Berufsträger, der genauso viel bzw. wenig Rechtsqualität zukommt wie anderen einschlägigen Vorgaben5. Ein Sanierungskonzept ist demnach zumindest auch nach den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verlangen (und zu beauftragen bzw. durchzuführen) und nicht nur nach IDW S 66. bb) Kreis der einzubeziehenden Gläubiger

5.168

Nach Ansicht des BGH müssen in ein schlüssiges Sanierungskonzept nicht alle Gläubiger eingebunden werden. Entscheidend ist für einen aussichtsreichen Sanierungsversuch, auch wenn sich die vorgesehenen Maßnahmen nur auf einen Teil der Gläubiger erstrecken, dass der Schuldner dadurch in die Lage versetzt wird, seine übrigen Gläubiger vollständig zu befriedigen7. Zu Recht weist der BGH darauf hin, dass häufig ohnehin nicht alle Gläubiger zustimmen werden; er ergänzt, dass die für eine erfolgreiche Sanierung erforderliche Quote von den Umständen des Einzelfalls abhängt und auch für unterschiedliche Gläubiger unterschiedliche Quoten denkbar sind, weil verkehrswertbestimmende Faktoren bei der Festlegung der Quote berücksichtigt werden können8. cc) Unterschiedliche Anforderungen für Schuldner bzw. Gläubiger

5.169

Wenn es um die Kenntnis des Gläubigers vom Vorliegen derVoraussetzungen eines ernsthaften Sanierungsversuchs geht, judiziert der BGH, dass daran nicht dieselben Anforderungen 1 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (LS 5 und 1184, Rn. 19); vgl. auch BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1704 f., Rn. 10). 2 IDW = Institut der Wirtschaftsprüfer, S bezeichnet einen vom IDW veröffentlichten Standard als Handlungsvorgabe für dem IDW angeschlossene Berufsträger. 3 IDW Standard 6: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6) mit Stand 16.5.2018. 4 IDW S 6 mit Stand 16.5.2018, Nr. 1.1., ebenso in der Vorgängerfassung mit Stand 20.8.2012, Nr. 1.1. 5 Vgl. dazu Richter in LBS, Bankrechtskommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 60. 6 Huber ZInsO 2018, 1761 (1767); Huber NZI 2015, 489 (490). Dies gilt sinngemäß auch für die MaS. 7 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 16); s. auch BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1705, Rn. 12). 8 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 16); ähnlich BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1705, Rn. 10).

858 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.170 Fünfter Teil

zustellen sind wie sie für den Schuldner oder dessen Geschäftsführer gelten1. Der BGH erkennt zwar explizit die Abhängigkeit des Gläubigers hinsichtlich eines ernsthaften Sanierungsversuchs von den Informationen des Schuldners an, auf deren Erteilung im erforderlichen Umfang der Gläubiger im Vorfeld einer Sanierungsvereinbarung (= hier: Sanierungskredit o.ä.) im eigenen Interesse bestehen muss; ein Verzicht könnte die einschlägigen Risiken2 für den Gläubiger verwirklichen3 – oder anders: der Gläubiger kann keinen Entlastungsbeweis führen, wenn er ohne ausreichende Informationen das Sanierungskonzept billigt. Allerdings verneint der BGH ein Auskunftsrecht des Gläubigers zum Inhalt des Sanierungskonzepts gegen den Schuldner, der eine entsprechende Prüfung auch nicht ermöglichen muss, bezüglich des wesentlichen Inhalts des Sanierungskonzepts, der anderen Gläubiger, die mit welcher Quote bedient werden sollen oder ob andere dem Sanierungskonzept zugestimmt haben4. Sozusagen als Ergänzung verneint der BGH in diesem Zusammenhang eine Verpflichtung des Gläubigers, auf seine Forderung ganz oder teilweise zu verzichten und sich mit einer Quote zu begnügen5; ein Gläubiger ist also grundsätzlich nicht verpflichtet, einem Sanierungsversuch zuzustimmen, wenn und soweit er vorher nicht entsprechende Aussagen gemacht hat. Für die Kreditpraxis ist sicherlich von Bedeutung, dass der BGH eine grundsätzliche Sanierungsverpflichtung verneint; im Übrigen wird es (auch für die finanziellen Sanierungsmaßnahmen) wie bisher so sein, dass der Schuldner das gewünschte „frische Geld“ (ebenfalls) nur erwarten kann, wenn er durch ausreichende Informationen die Erstellung eines fachgerechten Sanierungskonzepts ermöglicht. dd) Schlüssige Angaben des Schuldners Der BGH verneint eine Pflicht des Gläubigers, das Sanierungskonzept fachmännisch überprüfen zu lassen6. Der Gläubiger darf sich i.d.R. auf schlüssige Angaben des Schuldners verlassen, ferner ist der Gläubiger selbst dann nicht verpflichtet, beim Schuldner Untersuchungen oder Nachforschungen über die Erfolgsaussicht eines Sanierunsgkonzepts anzustellen oder durch einen Fachmann anstellen zu lassen, wenn der Schuldner damit einverstanden ist7. Der Gläubiger darf vielmehr den Angaben des Schuldners oder dessen Sanierungsberaters vertrauen, solange er keine erheblichen Anhaltspunkte dafür hat, dass er getäuscht werden soll oder dass das Sanierungskonzept keine Aussicht auf Erfolg hat; Falschangaben mögen die Strafbarkeit oder Schadensersatzpflicht des Schuldners oder seines Bevollmächtigten zur Folge, begründen aber grundsätzlich keine Kenntnis des Gläubigers von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners8.

1 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185, Rn. 24); ferner BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1704, Rn. 9). 2 Vgl. dazu Rn. 5.82 ff. 3 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185, Rn. 25). 4 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185, Rn. 26). 5 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185, Rn. 26). 6 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185, Rn. 27). 7 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, WM 2016, 1182 (1185, Rn. 27); s. auch BGH v. 23.6.2022 – IX ZR 75/21, ZIP 2022, 1608 (1611 f., Rn. 32). 8 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185, Rn. 27); s. auch BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1705, Rn. 13).

Huber | 859

5.170

Fünfter Teil Rz. 5.171 | Kreditgeschäft

ee) Dauerhafte Sanierung

5.171

Der BGH stellt weiter fest, dass zur Risikovermeidung ein Sanierungskonzept das Schuldnerunternehmen auf der Grundlage der gegenwärtigen Erkentnnisse dauerhaft sanieren muss; so ist nach dem BGH das Sanierungskonzept eines ständig mit Verlusten arbeitenden Unternehmens, das nur den gegenwärtigen Schuldenstand reduzieren wird, von vorneherein nicht tragfähig, weil der erneute Anstieg der Schulden unausweichlich und der erneute Eintritt der Insolvenzreife absehbar ist1. Eine Reduzierung des Schuldenstands ist ebenfalls nicht tragfähig, wenn absehbar ist, dass mangels kostendeckender Arbeit des Unternehmens auch künftige neue Gläubiger nicht befriedigt werden können2. Diese erläuternden Hinweise des BGH machen sehr deutlich, dass eine dauerhafte Sanierung die Prüfung des Unternehmens als Ganzes im Hinblick auf durchzuführende Maßnahmen erfordert, also nicht nur finanzwirtschaftliche Maßnahmen, sondern – „eigentlich“ noch viel wichtiger, weil es das das Unternehmen „tragende“ Geschäftsmodell betrifft – insbesondere leistungswirtschaftliche Maßnahmen in den Blick zu nehmen sind3. Beruht der Grund für die Krise oder Insolvenzreife alleine auf einem Finanzierungsproblem, kann auch ein Schuldenschnitt ausreichen, wenn nur anschließend das Problem bereinigt, d.h. die Zahlungsfähigkeit dauerhaft wiederhergestellt bzw. eine Überschuldung beseitigt ist4. Dieser für die freie Sanierung (vor StaRUG) gezogene Schluss muss sinngemäß auch für die seit dem 1.1.2021 implementierte Restrukturierung nach dem StaRUG gelten: nur wenn es um ein Finanzierungsproblem geht und dies durch eine entsprechende Maßnahme beseitigt werden kann, braucht es bei der Restrukturierung keiner eingehenderen Beschäftigung mit dem Geschäftsmodell und der Prüfung von zur Restrukturierung erforderlichen Maßnahmen. ff) Mindestanforderungen an die Information der Gläubiger

5.172

Der BGH stellt anschließend noch für den „Regelfall“, d.h. wenn es um die Sanierung eines „dauerhaft unwirtschaftlichen Betrieb“ eines Unternehmens (und nicht nur z.B. um ein Finanzierungsproblem als Ausnahmefall) geht, Mindestanforderungen an die Information des Gläubigers auf, der von einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept nur ausgehen kann, wenn die „Grundlagen einer weitergehenden Sanierung schlüssig dargelegt wurden“5. Andernfalls kann der Gläubiger im Fall des Scheiterns der Sanierung keinen Entlastungsbeweis führen:

5.173

– Erforderlich ist die Darlegung der Ursachen der drohenden Insolvenz, insbesondere ob es lediglich Probleme auf der Finanzierungsseite gibt oder eine strukturelle Krise des Unternehmens vorliegt; Details müssen den Gläubigern nicht mitgeteilt werden, sie müssen aber zumindest erkennen können, ob zur Sanierung ein Forderungsverzicht ausreicht oder ob Umstrukturierungsmaßnahmen erforderlich sind6.

1 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185, Rn. 29). 2 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 30). 3 Vgl. ferner BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 40): Die Beseitigung der Krisenursachen ist die Grundlage jeder erfolgversprechenden Sanierung; in der Regel ist eine Reduzierung allein der Schulden für eine Sanierung nicht erfolgversprechend. 4 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 31). 5 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 34); s. auch BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1705, Rn. 23). 6 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, IP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 35).

860 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.179 Fünfter Teil

– Sind Umstrukturierungsmaßnahmen notwendig, müssen sie ebenfalls nicht im Detail erörtert werden, es ist aber zumindest darzulegen, dass sie in Angriff genommen werden und dass nach ihrer Durchführung für das Unternehmen wieder Erfolgsaussichten bestehen und die Rentabilität wieder hergestellt werden kann1. Die Maßnahmen „müssen eine positive Fortführungsprognose begründen“2. – Falls „wie im Regelfall“ ein finanzieller Beitrag des Gläubigers erbracht werden soll, ist „zumindest Art und Höhe der bei Sanierungsbeginn bestehenden ungedeckten Verbindlichkeiten des Schuldners offenzulegen (Finanzlage), weil dies Ausgangspunkt jeder Sanierungsüberlegung auf der Finanzierungsseite ist“3. – Ferner muss dem Gläubiger bekannt sein, in welcher Weise mit dem Sanierungskonzept der Insolvenzgrund beseitigt werden soll; damit muss in Grundzügen, wiederum nicht im Detail dargelegt werden, wie bzw. in welcher Höhe die Verbindlichkeiten reduziert und ggf. Eigenkapitalmaßnahmen durchgeführt werden müssen und wie die Erfolgsaussicht dieser Maßnahme ist4. – Aus den Informationen, die dem Gläubiger nach diesen Mindestanforderungen mitgeteilt worden sind, muss sich für ihn das Sanierungskonzept als schlüssig darstellen und erfolgversprechend erscheinen; der Erfolg muss nicht sicher sein, es genügen „gute Chancen für eine Sanierung“5 – Der BGH betont erneut, dass ein Gläubiger mit vollem Risiko handelt, insbesondere die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz nicht ausgeräumt ist, wenn aus der Perspektive des Gläubigers dem Sanierungskonzept von vorneherein keine realistische Realisierungschance zugebilligt werden kann, weil dann von vorneherein nicht mit einem Erfolg zu rechnen war6. Und wenn der Gläubiger bereits keine Kenntnis von den Krisenursachen sowie den Gründen für eine positive Fortführungsprognose hat, kann er per se nicht von einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept ausgehen7. Ebensowenig ist es – wenn es „darauf ankommt“ – dem Gläubiger später möglich, darzulegen und zu beweisen, dass er Zahlungen auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts erhalten hat8. Für die Sanierungspraxis der Kreditinstitute sind diese Mindestanforderungen nicht wirklich „kritisch“, denn üblicherweise enthalten (fachgerechte) Sanierungskonzepte deutlich mehr und tiefer gehende Informationen über Ist- und Sollzustand des zu sanierenden Unternehmens nebst positiver Fortführungsprognose („Leitbild des sanierten Unternehmens“). frei

1 2 3 4 5 6 7 8

5.174

5.175–5.179

BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 36). So BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 36). Vgl. BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 37). BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 38); ferner BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1705, Rn. 10). BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 39). BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 39). BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 40). BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185, Rn. 23); ferner BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1705, Rn. 13).

Huber | 861

Fünfter Teil Rz. 5.180 | Kreditgeschäft

c) Schlussfolgerungen aus den Vorgaben der Rechtsprechung

5.180

Nach alledem kann die Bedeutung eines (fachgerechten) Sanierungskonzepts immer wieder nur besonders hervorgehoben werden: ohne Sanierungskonzept kann ein Kreditinstitut, das die Darlegungs- und Beweislast trägt, wenn die Sanierung schief läuft und regelmäßig ein Insolvenzverwalter „Geld zurückhaben“ will, nicht belegen, dass es spätere Zahlungen auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzeptes erlangt hat.

5.181

Weiterhin ergibt sich aus den dargelegten Anforderungen, dass nicht zwingend alle Gläubiger das Sanierungskonzept tragen müssen1. Ferner entfällt die Prüfungspflicht des Kreditinstituts nicht deshalb, weil der Sanierungskredit durch öffentliche Bürgschaften oder Garantien abgesichert und damit die Situation des Schuldners und dessen Erfolgsaussichten bereits durch die öffentliche Hand geprüft worden ist; es hat nach der Rechtsprechung selbst zu prüfen, darf sich also nicht auf das Ergebnis der Prüfung staatlicher Stellen verlassen2. Auch der Umstand, dass andere Kreditinstitute sich an der Sanierung beteiligen wollen und ihre Bereitschaft bekunden, in einem Sanierungskonsortium mitzuwirken, ist zwar als Indiz zu werten, dass die Bemühungen um eine Sanierung als sinnvoll erachtet werden können, ändert aber ebenfalls nichts an der Pflicht zur eigenen Prüfung. Ebensowenig entfällt die Prüfungspflicht, wenn sich die Werthaltigkeit des Kundenunternehmens aus der Höhe des Angebots eines Dritten für eine Betriebsübernahme ergibt3.

5.182

Wenn ein Kreditinstitut zum Zweck der Überwindung der Krise nicht nur mit Krediten zur Verfügung stehen will, sondern zusätzlich Geschäftsanteile an der Gesellschaft erwirbt, kann es zwar in den Genuss des Sanierungsprivilegs des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO kommen, das diesen Anteilserwerb für seine bestehenden oder neu gewährten Kredite als Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Regeln über Gesellschafterdarlehen ausgeschlossen hat (Einzelheiten s. Rn. 5.942 ff.). Dies entbindet den Gesellschafter in seiner Eigenschaft als Kreditgeber jedoch nicht von der Beachtung der soeben dargestellten Grundsätze über die Notwendigkeit einer Sanierungsprüfung. Die Regeln über Gesellschafterdarlehen und die Grundsätze über Sanierungskredite stehen selbständig nebeneinander; in § 39 Abs. Satz 2 InsO geht es nur um eine Sanierungsbeteiligung, nicht um einen Sanierungskredit4.

5.183

Das Kreditinstitut muss sich klar machen, dass Gegenstand der Sanierungsprüfung die Sanierungswürdigkeit des Unternehmens ist, d.h. der allemal nur unvollständig nachprüfbare Fortbestand einer wettbewerbsfähigen Fertigungs- und vertriebstechnischen Unternehmenssubstanz, die in absehbarer Zeit zur sich selbst tragenden Geschäftstätigkeit und zur Rückgewinnung der allgemeinen Kreditfähigkeit führen kann5. Ferner muss die Sanierungsfähigkeit gewährleistet sein, also die Behebbarkeit und tatsächliche Behebung der Krisenursachen6. Das Ergebnis der Prüfung ist (hoffentlich) ein schlüssiges Sanierungskonzept und dessen Prüfung7. So kann die Schlüssigkeit bei einem Sanierungskonzept zu verneinen sein, wenn dessen 1 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 16). 2 Anders früher auch die Rspr., z.B. BGH v. 13.5.1958 – VIII ZR 331/56, WM 1958, 845 (846 f.); vgl. z.B. auch Rümker ZHR 143 (1979), 195 (207); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. III, 1970, S. 53. 3 OLG Köln v. 25.10.1985 – 19 U 75/82, ZIP 1985, ZIP 1985, 1472 (1477). 4 Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 39 Rn. 68. 5 Vgl. auch Knops in Knops/Bamberger/Lieser, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 14 Rn. 14 f. 6 Richter in LBS, Bankrechtskommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 46. 7 Dazu Rn. 5.215 ff.

862 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.185 Fünfter Teil

Umsetzung von rechtlichen und tatsächlichen Unwägbarkeiten abhängt und nicht erwartet werden kann, dass innerhalb der dem Schuldner noch zur Verfügung stehenden Zeit die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für die Realisierung des Sanierungskonzepts geschaffen werden können1. Formale Vorgaben setzt die Rechtsprechung nicht; Bestimmungen der Bankenaufsicht dazu gibt es nicht. Darauf hinzuweisen ist auch nochmals – und wie erwähnt sieht das auch der BGH in seiner Entscheidung vom 12.5.2016 so (vgl. Rn. 5.171) –, dass zu einem Sanierungskonzept neben einem finanzwirtschaftlichen Konzept regelmäßig ein leistungswirtschaftliche, also insbesondere ein absatzwirtschaftliches und ein produktionswirtschaftliches Konzept gehören. Daraus muss sich ergeben, wie sich die Marktverhältnisse der betreffenden Branche entwickeln und welchen Stellenwert die Produkte des Unternehmens auf diesem Markt errungen haben, in welcher Phase zwischen Einführung, Wachstum, Reifezeit und Marktsättigung sich die Produktpalette des Unternehmens bewegt. Das Schwergewicht des produktionswirtschaftlichen Konzepts wird meist auf dem Abbau von Personalkosten und der Aufgabe unrentabler Produktionen liegen. Das finanzwirtschaftliche Konzept muss erkennen lassen, wie die Zahlungsfähigkeit wiederhergestellt und wie das Unternehmen in seiner neuen „Aufstellung“ finanziert werden soll. Sind mehrere Kreditinstitute an der vorgesehenen Sanierung beteiligt, muss überprüft werden, ob sie ihre Kredite weiter offenhalten und ggf. an einer Krediterhöhung mitwirken werden. Dies gilt gleichermaßen für andere Gruppen von Großgläubigern, wie z.B. Lieferanten. Ggf. kann an die Bildung eines Sanierungskonsortiums oder den Abschluss einer „Sanierungsvereinbarung“ gedacht werden, damit nicht einzelne Gläubiger sich zurückziehen und den Erfolg der ganzen Sanierungsaktion in Frage stellen können. Besteht bereits eine Stillhaltevereinbarung der Banken2, kann auf diese beim Abschluss einer „Sanierungsvereinbarung“ ggf. „aufgesetzt“ werden. Eine (schuldrechtliche) Stillhalte- bzw. Sanierungsvereinbarung ist von einem üblicherweise als GbR gebildeten Sanierungskonsortium klar zu unterscheiden.

5. Die Beauftragung des Sanierungskonzepts Sind damit insbesondere von der Rechtsprechung die Parameter für ein Sanierungskonzept festgelegt, stellen sich für ein Kreditinstitut zu Beginn einer Sanierungsbegleitung regelmäßig einige Fragen: Wer beauftragt das Sanierungskonzept, was kann ein Kreditinstitut ggf. z.B. bezüglich des Konzepterstellers „vorgeben“ und wie „gelangt“ das Kreditinstitut an das Sanierungskonzept?

5.184

a) Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter Die erste Frage kann schnell beantwortet werden3. Eine Beauftragung durch das Kreditinstitut wäre bereits de facto problematisch, weil ein „Zugriff“ auf die für das Sanierungskonzept erforderlichen Daten nicht so ohne Weiteres erfolgen kann. Außerdem sollte ein Kreditinstitut die Erstellung des Konzepts auch de iure nicht beauftragen oder sich in das Auftragsverhältnis zwischen Unternehmen und Konzeptersteller hineinziehen lassen, weil es sich andernfalls unnötigen Haftungsgefahren aussetzt; so könnte ihm vorgeworfen werden, durch das Sanierungskonzept dem Kunden seinen Willen aufgezwungen zu haben und für das etwaige Schei-

1 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, WM 2022, 527 (536 f., Rn.85 ff., Rn. 90); s. auch erstinstanzlich LG Frankfurt/M. v. 7.5.2015 – 2-32 O 102/13, ZIP 2015, 1358 (1360 f.) m. Anm. Thole ZIP 2015, 2145 ff. 2 Vgl. dazu Rn. 5.131 ff. 3 Vgl. auch Huber NZI 2015, 489 (490).

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Fünfter Teil Rz. 5.185 | Kreditgeschäft

tern und die daraus sowohl für den Kunden als auch für dritte Gläubiger resultierenden Schäden mitverantwortlich zu sein1. Im Übrigen ist es nach der Rechtsprechung die ureigene Aufgabe des Unternehmens bzw. seiner Organe, sich stets über den eigenen wirtschaftlichen „Status quo“ im Klaren zu sein, d.h. die Geschäftsführung sollte schon wissen, ob das Unternehmen unverändert zahlungs(un)fähig bzw. (nicht) überschuldet ist. So erwartet die Rechtsprechung von der Geschäftsleitung eines Unternehmens, dass sie sich „über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit“2; andernfalls sind die entsprechenden Schritte einzuleiten, wozu auch die Kenntniserlangung über die Sanierungsfähigkeit durch ein Sanierungskonzept gehören kann. Richtigerweise hat also allein das kriselnde Unternehmen selbst den Konzeptersteller zu beauftragen; es schließt dazu einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter nach §§ 675, 631 BGB3. Meistens werden Allgemeine Geschäftsbedingungen einbezogen; z.B. werden bei der Beauftragung eines Wirtschaftsprüfers mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts die Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zugrunde gelegt4. Als Auftraggeber hat das Unternehmen nicht nur Anspruch auf Erstellung des Sanierungskonzepts nebst Erteilung einer gutachterlichen Stellungnahme, sondern auch Anspruch auf Aushändigung des fertiggestellten Sanierungskonzepts (nebst Begutachtung). Denkbar ist natürlich auch die Erstellung des Sanierungskonzepts durch das Unternehmen und anschließende Begutachtung durch den beauftragten Dritten; in der Praxis wird aber auch das Sanierungskonzept regelmäßig vom beauftragten Dritten erstellt. Zur Terminologie s. Rn. 5.158 (in der ersten Fn.). b) Interessenlage des Kreditinstituts

5.186

Die zweite Thematik ist schon etwas schwieriger zu beantworten, denn ein Kreditinstitut sollte sich z.B. nicht dem Vorwurf aussetzen, es habe die Sanierungsprüfung „gesteuert“ o.ä. Auf der anderen Seite hat es – dazu weiter unten (vgl. Rn. 5.194 f.) – ein eigenes Interesse, ein fachgerecht erstelltes Sanierungskonzept zu bekommen. Es fragt sich also, ob es dieses Interesse bei der Auswahl des prüfenden Konzepterstellers geltend machen kann.

1 Richter in LBS, Bankrechtskommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 61. 2 Vgl. BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 = NZI 2007, 477 (478, Rn. 16). Vgl. weiterhin z.B. BGH v. 27.10.2020 – II ZR 355/18, ZIP 2020, 2453 = WM 2020, 2277 (2282 f., Rn. 53); BGH v. 6.11.2018 – II ZR 11/17, ZIP 2019, 261 = WM 2019, 265 (266, Rn. 14); BGH v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 = WM 2012, 1539 (1540. Rn. 13). 3 Heermann in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, § 675 Rn. 45 u. Rn. 51; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 675 Rn. 26; Müller-Feldhammer NJW 2008, 1777 (1778); Frege NZI 2006, 545 (547); der BGH geht offensichtlich von einem Werkvertrag aus, s. BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, ZIP 2012, 1353 = NJW 2012, 3165 (3166, Rn. 9); BGH v. 1.2.2000 – X ZR 198/97, ZIP 2000, 543 = NJW 2000, 1107. Davon zu trennen ist eine Sanierungsberatung oder eine der Konzepterstellung nachfolgende Umsetzungsbegleitung, die als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter einzuordnen sind, vgl. OLG Celle v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118 = NJW 2003, 3638 f.; Müller-Feldhammer NJW 2008, 1777 (1778); Frege NZI 2006, 545 (547). 4 Vom 1.1.2017, verfügbar über den IDW-Verlag oder über Homepages von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.188 Fünfter Teil

aa) Neutraler sachverständiger Dritter Die notwendige Prüfung sollte von einem unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten – branchenkundigen Fachmann vorgenommen werden, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen1. Auch wenn nach der Rechtsprechung der Fachmann „nicht notwendigerweise unbeteiligt“2 sein muss, sollte ein Kreditinstitut Wert darauf legen, dass die Konzepterstellung und -prüfung an einen externen Dritten vergeben wird, um eine möglichst unvoreingenommene Prüfung zu erhalten; in der Regel werden bei größeren Unternehmen spezialisierte Unternehmensberater und/oder Wirtschaftsprüfer beauftragt3. Wenn es sich um mittlere bzw. kleinere Unternehmen handelt, könnte an die Erstellung durch einen (spezialisierten) Steuerberater oder gar – bei sehr kleinen Unternehmen – an eine „komplette“ Ausnahme, d.h. die Erstellung durch das Unternehmen selbst gedacht werden4. Die Einschaltung eines neutralen Dritten wird gerade im letztgenannten Fall von den Umständen des Einzelfalls abhängen und bei kleineren Unternehmen, insbesondere wenn die Verhältnisse überschaubar sind, könnte eine „interne“ Erstellung eines Sanierungskonzepts genauso fachkundig möglich sein wie die Erstellung durch einen Dritten, ohne dass zusätzliche Kosten anfallen. Allerdings könnte dann die Frage zu stellen sein, ob eine Sanierungsprüfung in „kleinerem Umfang“ überhaupt noch Sinn macht, wenn (auch) für die Beauftragung eines Dritten kein Geld mehr vorhanden ist. Grundsätzlich bezeichnet auch die Rechtsprechung bei „kleinen Unternehmen“ eine Sanierungsprüfung als „nicht immer in vollem Umfang geboten“ für möglich5. Wenn der BGH weiter ausführt, dass dann „jedoch die Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysiert (werden muss) und ... die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags-, und Finanzlage (müssen) erfasst werden“6, schließt dies eine „interne“ fachkundige Erstellung eines Sanierungskonzepts per se nicht aus; ob allerdings das erforderliche Know-how – Ausgangspunkt ist das Unternehmen in der Krise – zur Erstellung eines fachkundigen Sanierungskonzepts intern vorhanden ist, dürfte in den meisten Fällen sehr fraglich sein. Wegen der von der Rechtsprechung ständig hervor gehobenen Bedeutung der Erstellung eines Sanierungskonzepts durch einen branchenkundigen Fachmanns sollte also daran stets festgehalten werden.

5.187

Die Einschaltung eines dritten sachverständigen Fachmanns ist dem Kreditinstitut auch im eigenen Interesse dringend zu empfehlen7, da es sich im Streitfall durch den Hinweis auf das Gutachten eines neutralen Dritten eher von dem Vorwurf sittenwidrigen Handelns entlasten kann als durch andere Beweismittel8. Mit dieser Ausgangssituation steht fest, dass ein Kreditinstitut, von dem zusätzliche Kredite erwartet werden oder das zumindest mit den bereits ausgezahlten Krediten stillhalten soll, schon aus eigenem Interesse Wert darauf legen sollte, dass ein nicht nur neutraler, sondern auch kompetenter Prüfer zum Zuge kommt. Deshalb dürften

5.188

1 St. Rspr., vgl. z.B. BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564). 2 Vgl. z.B. BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564); soweit der BGH in seiner Entscheidung vom 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182, nicht mehr den Passus „nicht notwendigerweise unbeteiligt“ aufführt, soll es sich dabei nach Aussage eines Senatsmitglieds in einer Podiumsdiskussion, an der der Verfasser dieses Kapitels teilgenommen hat, um ein Redaktionsversehen handeln. Für Kreditinstitute sollte aber – siehe sogleich im Text – eine „Beteiligung“ per se nicht in Betracht kommen. 3 Zum Auftragsverhältnis siehe Rn. 5.185. 4 Richter in LBS, Bankrechtskommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 50. 5 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 19). 6 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 19). 7 S. auch Huber NZI 2015, 489 (492). 8 S. z.B. OLG Schleswig v. 2.10.1981 – 11 U 160/80, WM 1982, 25 (27).

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Fünfter Teil Rz. 5.188 | Kreditgeschäft

erst einmal keine Bedenken dagegen bestehen, dass das Kreditinstitut seine Mitwirkung davon abhängig macht, dass ein Konzeptersteller eingesetzt wird, dessen Kompetenz auch das Kreditinstitut Vertrauen schenkt. Angesichts der kritischen Situation des Schuldnerunternehmens ist ein solches Vorgehen legitim und kann nicht dazu führen, dem Kreditinstitut die Haftung für etwaige Beratungsfehler dieses „aufgezwungenen“ Beraters aufzubürden1. In der Praxis kommt es immer wieder dazu, dass ein kriselndes Unternehmen sein Kreditinstitut bittet, einschlägige Fachleute zu benennen; es sollten stets mindestens drei Namen genannt und dem Unternehmen die Auswahl unter diesen Namen überlassen werden2. bb) Honorierung

5.189

Ein qualifizierter Sachverständiger wird sich nur finden lassen, wenn er sicher sein kann, dass er sein Honorar nicht nur erhält, sondern auch behalten kann. Demzufolge hat er bei der Zahlung seines Honorars darauf zu achten, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für ein Bargeschäft gemäß § 142 InsO beachtet werden. Die Konzepterstellung dauert in der Regel mehrere Wochen, so dass z.B. bei erst nach Vorlage des Sanierungskonzepts erfolgender Zahlung des vereinbarten Honorars – falls die Sanierung fehlschlägt3 – im anschließenden Insolvenzverfahren eine Anfechtung möglich ist, weil keine Unmittelbarkeit des wechselseitigen Leistungsaustausches anzunehmen ist4. Demzufolge ist darauf zu achten, dass jeweils spätestens nach 30 Tagen eine Zwischenabrechnung in Höhe der in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen nebst zeitnaher Erfüllung erfolgt5. cc) Ex-ante-Prognose

5.190

Die Frage, ob ein Kredit, der einem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen eingeräumt wird, zu einer sittenwidrigen Schädigung anderer Gläubiger geführt hat oder ein Insolvenzverwalter oder Sachwalter (§ 280 InsO) Rückzahlungen oder Sicherheitenstellungen anfechten kann, wird erst dann aufgeworfen, wenn der Kunde trotz des Sanierungskredits in eine Insolvenz geraten ist. Die Gefahr für ein Kreditinstitut, deshalb nachträglich in Auseinandersetzungen verwickelt zu werden, wird dadurch erhöht, dass mögliche Anspruchsteller ihre Beurteilung immer wieder aus einer Ex-post-Betrachtung vornehmen6. Nicht jeder gescheiterte, mit einem neuen Kredit unterstützte Sanierungsversuch kann rückblickend als unseriös gekennzeichnet werden und entsprechende Sanktionen auslösen, wenn auch einschlägige Sachverhalte die Grundlage für die Herausbildung der Sanierungskreditrechtsprechung waren7. Demgemäß kann es auch nicht darauf ankommen, welche Geschäftsentwicklungen ein Sachverständiger rückschauend für möglich hält; maßgebend ist vielmehr, wie sich die Lage im Zeitpunkt der Kreditentscheidung für die Beteiligten darstellt (ex-antePrognose)8. Auch bei einem Gericht ist naturgemäß die Gefahr nicht auszuschließen, dass es

1 Ausführlich dazu Bork WM 2014, 1841 ff. 2 Vgl. auch Bork WM 2014, 1841. 3 Zur Haftung des Beraters s. z.B. Schmittmann ZInsO 2011, 545 (546 ff.); Ehlers NZI 2008, 211 ff.; Smid WM 2007, 1589 ff. 4 Vgl. dazu z.B. Kirchhof/Piekenbrock in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 142 Rn. 26 ff. 5 Kirchhof/Piekenbrock in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 142 Rn. 34. 6 Schäffler BB 2006, 56 (57). 7 Huber ZInsO 2018, 1761. 8 BGH v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279 = WM 2006, 399 (401); BGH v. 30.5.1985 – III ZR 112/84, WM 1985, 1136.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.193 Fünfter Teil

nachträglich den Kredit als für die Sanierung unzureichend und die Prüfung als zu oberflächlich bewertet (sog. Rückschaufehler [„hindsight bias“]). dd) Umfassender Prüfungsauftrag mit Vorgabe der BGH-Rechtsprechung Schon aus den genannten, anzuerkennenden Interessen eines Kreditinstituts sollte es Wert auf die Beauftragung eines geeigneten Prüfers legen und sich vergewissern, dass das Unternehmen einen umfassenden und vorbehaltlosen Prüfungsauftrag erteilt hat. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kreditinstitut dem kriselnden Unternehmen die Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (die auch vom Unternehmen zu beachten ist) „vorgibt“. In der Praxis haben sich entsprechende Anforderungsschreiben herausgebildet, die mindestens die von der Rechtsprechung erarbeiteten „Leitlinien“1 enthalten sollten (s. im Einzelnen Rn. 5.158 ff.). Ein Muster findet sich in Rn. 5.198.

5.191

c) Weitergabe des Sanierungskonzepts an das Kreditinstitut und Haftung Nach der auftragsgemäßen Lieferung des Sanierungskonzeptes an das Unternehmen sollte der nächste Schritt die Weitergabe an das Kreditinstitut sein2, denn der – dem Konzeptersteller bekannte – Sinn und Zweck des Sanierungskonzepts ist nicht nur die Kenntniserlangung beim beauftragenden Unternehmen, wie es um es steht, sondern – die Sanierungsfähigkeit vorausgesetzt – die Darstellung eines „Leitbilds des sanierten Unternehmens“3 und damit auch der Maßnahmen, mit denen das Unternehmen saniert werden soll. Wenn der Konzeptersteller eine Finanzierungsmaßnahme vorschlägt, dürfte ihm bewusst sein, dass sein Konzept die Grundlage für eine Kreditentscheidung zwecks Gewährung eines Sanierungskredites sein wird. Insoweit folgt aus Sinn und Zweck eines Sanierungskonzepts ohne Weiteres, dass es auch von Dritten, hier: einem Kreditinstitut, benötigt wird.

5.192

aa) Kreditinstitut ist kein Vertragspartner Allerdings steht das Kreditinstitut regelmäßig außerhalb des der Konzepterstellung zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses; eine vertragliche „Einbindung“ ist nicht erforderlich und auch nicht wünschenswert (vgl. dazu Rn. 5.185). Damit stellt sich zum einen für das Kreditinstitut die Frage, ob es im Falle eines fehlerhaften Sanierungskonzepts überhaupt einen Anspruch gegen den Konzeptersteller haben kann, während der Konzeptersteller bei einer anzunehmenden „Dritthaftung“ kein Interesse an einer Haftung haben dürfte, denn diese könnte ggf., z.B. wenn mehrere Kreditinstitute oder Lieferanten auf das Sanierungskonzept abstellen (müssen), zu erheblichen Haftungssummen führen. Der Konzeptersteller könnte also seine Haftung vertraglich z.B. gegenüber Dritten ausschließen oder zumindest eine „eingeschränkte“ Haftungsregelung auch im Verhältnis zu Dritten vereinbaren wollen. Dies wird in der Praxis auch so oder ähnlich gemacht, wenn der Konzeptersteller beispielsweise im Vertrag mit dem Unternehmen die Weitergabe des Sanierungskonzepts an Dritte verbietet oder die Weitergabe von der Zustimmung des Dritten zu einer mehr oder weniger weitgehenden Haftungsfreistellung (sog. „hold harmless letters“) abhängig macht; von Wirtschaftsprüfungs1 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 5 Rn. 49. 2 Zum Nachstehenden s. auch Huber ZInsO 2018, 1761 (1767); Huber NZI 2015, 489 (490 f.). 3 S. dazu IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6) mit Stand 16.5.2018, Nr. 1.5 u. Nr. 4; vgl. z.B. auch Knecht/Hermanns in Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 5. Aufl. 2022, § 6 Rn. 1 ff.

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5.193

Fünfter Teil Rz. 5.193 | Kreditgeschäft

gesellschaften wird z.B. immer wieder die Einbeziehung zumindest der Haftungsbeschränkung in den Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfergesellschaften verlangt1. bb) Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte

5.194

Die Grundlage für einen vom Konzeptersteller in die vertragliche Regelung mit dem Unternehmen „hineingeschriebenen“ Haftungsausschluss bzw. eine Haftungsbeschränkung auch gegenüber Dritten findet sich in der Rechtsprechung zur Haftung bei einem sog. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte2. Danach kann ein Dritter einen Schadensersatzanspruch gegen den Konzeptersteller geltend machen, wenn er durch ein fehlerhaftes Konzept einen Schaden erleidet und er in den Schutzbereich des Vertrages zwischen Unternehmen und Konzeptersteller eingebunden war; dies ist er immer dann, wenn dem Vertrag sozusagen immanent war, dass das Ergebnis auch für einen Dritten von Bedeutung gewesen ist, dies für den Ersteller erkennbar war und der Dritte schutzbedürftig ist. Diese Voraussetzungen sind bei einem Sanierungskonzept regelmäßig gegeben, so dass grundsätzlich eine Schadensersatzhaftung des Konzepterstellers gegenüber einem Kreditinstitut, das auf Basis des Konzepts einen Sanierungskredit gewährt, in Betracht kommen kann. Da Sanierungskredite auch Millionen- oder gar Milliardensummen erreichen und von verschiedenen Kreditinstituten gewährt werden können, ist der Wunsch nach einer Haftungsbeschränkung dem Grunde nach verständlich. cc) Relevanz einer empfindlichen Haftung

5.195

Dennoch sollte eine empfindliche Haftung verbleiben. Denn die Rechtsprechung verlangt für einen ernsthaften Sanierungsversuch, dass ein „unvoreingenommener, branchenkundiger Fachmann“3 das Konzept erstellt und die Sanierungsfähigkeit begutachtet, d.h. das Kreditinstitut muss sich trotz einer eigenen Prüfung (vgl. dazu Rn. 5.215 ff.) des Konzepts letztlich darauf verlassen, dass der Konzeptersteller seinen – meistens längere Zeit dauernden – Auftrag fachkundig und mit der gebotenen Sorgfalt vollständig erfüllt und seine gutachterliche Stellungnahme nach bestem Wissen und Gewissen abgegeben hat. Eine Sanktionierung durch eine Haftung hilft sicherzustellen, dass der Konzeptersteller per se nicht unsorgfältig arbeitet, weil er z.B. weiß, dass er für das Ergebnis nicht haften muss. Eine empfindliche Haftung „sichert“ also die Ernsthaftigkeit der Tätigkeit des Konzepterstellers und damit auch der Sanierung bzw. der vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen. Würde die Haftung dagegen ganz oder im Wesentlichen ausgeschlossen sein und damit der Sanktionsmechanismus gegenüber dem Konzeptersteller fehlen, könnte die Frage gestellt werden, ob ein Kreditinstitut auf das Konzept vertrauen darf – denn wie ernsthaft ist ein Sanierungsversuch, wenn seine Grundlage, das Sanierungskonzept (nebst gutachterlicher Stellungnahme), ohne Obligo gegenüber denjenigen sein soll, die nach den Rechtsprechungsvorgaben darauf abstellen „müssen“? Nach dem Scheitern der Sanierung könnte der Vorwurf erhoben und dem Kreditinstitut vorgewor-

1 Nach deren Nr. 9 (Stand: 1.1.2017) soll die Haftung pro Schadensfall – auch bei mehreren Anspruchstellern – auf 4 Mio. Euro begrenzt sein; zu dieser Höchstsumme s. gleich noch im Text (Rn. 5.196). 2 Vgl. dazu z.B. BGH v. 17.9.2002 – X ZR 237/01, NJW 2002, 3625 (3626); OLG Hamm v. 29.5.2013 – 12 U 178/12, NJW-RR 2013, 1522; Gottwald in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 328 Rn. 166 ff., Rn. 217; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 311 Rn. 60 ff. 3 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 18); BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564).

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.197 Fünfter Teil

fen werden, keinen ernsthaften Sanierungsversuch gewollt zu haben; damit stünde auch die Privilegierung des Sanierungskredits nebst Besicherung „im Feuer“1. dd) Zur Ausgestaltung einer Haftungsbegrenzung Für die Ausgestaltung des „Haftungsverhältnisses“ des Konzepterstellers gegenüber dem Kreditinstitut kann somit ein völliger Haftungsausschluss oder ein Weitergabeverbot – dies würde einen Sanierungskredit von vorneherein unmöglich machen – bzw. ein entsprechend ausgestalteter Genehmigungsvorbehalt nicht in Betracht kommen bzw. er wäre unwirksam, auch wenn dies nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 307, 309 Nr. 7 BGB) vereinbart wäre. Auf der anderen Seite sollte eine Haftungsbeschränkung den Sanktions- und Ernsthaftigkeitsgesichtspunkt nicht beeinträchtigen, d.h. trotz Beschränkung müßte eine empfindliche Haftung verbleiben, was wohl im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden ist. Da ein Sanierungskonzept Grundvoraussetzung für die Gewährung des Sanierungskredits ist, könnte eine Haftungsbegrenzungssumme an der gewährten Kreditsumme ausgerichtet werden, um eine Berechnungsgröße zu haben2. Die verbleibende Haftung muss „weh tun“ können, um die Ernsthaftigkeit des Sanierungskonzepts zu dokumentieren. Da das Kreditinstitut das Konzept selbst prüfen muss3, könnte etwa die Hälfte der Kreditsumme ein Berechnungsansatz sein; für den Sanierungskredit neu bestellte Sicherheiten sollten nicht berücksichtigt werden, da diese wegen eines fehlerhaften Konzepts dem Kreditinstitut aus der Hand geschlagen werden könnten. Bei einer Haftungsbeschränkung ist ferner darauf zu achten, ob sich die vereinbarte Haftungssumme nur auf einen möglichen Schaden des Kreditinstituts bezieht oder ob darin mehrere potentiell Geschädigte „aufgehen“. Letzteres ist insbesondere bei Konsortialkrediten mit mehreren Kreditinstituten der Fall; dann sollte eine entsprechend erhöhte Höchstsumme angesetzt wird. Die Vereinbarung höherer Haftungsbeträge dürfte im Ergebnis unproblematisch sein, weil sie versicherbar sind.

5.196

ee) Schriftliche Vereinbarung der Haftungsbegrenzung Die Haftungsbegrenzung sollte zwischen Ersteller und Dritten schriftlich vereinbart werden, d.h. es sollte in der Praxis nicht darauf vertraut werden, dass – was auch vorkommt – ein Schreiben,wonach sich ein Kreditinstitut durch eine Einsichtnahme eines mitübersandten Sanierungskonzepts mit einem Ausschluss oder einer Begrenzung der Haftung einverstanden erklärt, nur nicht beantwortet werden zu braucht, um anschließend nach Einsichtnahme in das Konzept einen (vollständigen) Anspruch zu haben. Man wird auf die Umstände des Einzelfalls abstellen müssen, ob es ggf. unter Berücksichtigung der Grundsätze eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens auch dann zu einer Haftungsbegrenzung kommen kann, wenn ein entsprechendes Schreiben nicht beantwortet wird. Es ist also schon aus Vorsichtsgründen zu empfehlen, auf einschlägige Bitten bzw. Forderungen zu reagieren und vor allem eine zu niedrig angesetzte Haftungsbeschränkung explizit zurück zu weisen. In der Praxis hat sich dazu in den letzten Jahr ein bestimmtes Procedere herausgebildet, was ebenfalls im Anforderungsschreiben seine Berücksichtigung finden sollte, damit das Unternehmen bereits bei der Auftragserteilung an den Konzeptersteller eine klare Vorgabe zur Haftung(sbegrenzung) weitergeben kann. Die Vorgabe sollte eine wörtliche oder sinngemäß enthaltene Zusage des 1 Vgl. die in Rn. 5.84 ff. genannten Risiken für einen nicht fachgerechten Sanierungsversuch. 2 Soll die Sanierung nur durch bestehende Kredite begleitet werden, dafür aber nunmehr Sicherheiten hereingenommen werden, wäre wohl auf die Werthaltigkeit der Sicherheiten abzustellen. 3 Dazu und zur Prüfungsintensität s. Rn. 5.215 ff.

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5.197

Fünfter Teil Rz. 5.197 | Kreditgeschäft

Konzepterstellers enthalten, dass das Kreditinstitut in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen ist und ihm gegenüber ebenfalls mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und der berufsüblichen Sorgfalt der Wirtschaftsprüfer gehaftet wird; damit kann das Kreditinstitut auf das Konzept in gleichem Maße vertrauen als ob es für es selbst erstellt worden wäre (sog. reliance letter). Weitere Bestimmungen – außer einer konkreten Haftungssumme – sollten nicht vereinbart werden. d) Muster für die Anforderung eines Sanierungskonzepts

5.198

Ein Muster für die Anforderung eines Sanierungskonzepts vom Darlehensnehmer in der Krise, das ausnahmslos den rechtlich zwingenden Mindestanforderungen der Rechtsprechung an Sanierungskonzepte entsprechen muss, kann etwa wie folgt aussehen:

M 14 Anforderung eines Sanierungskonzepts „An die ... (Name des Unternehmens) Betreff: Sanierungskonzept mit einer darauf aufbauenden, abschließenden gutachterlichen Stellungnahme zur Sanierungsfähigkeit, das die rechtlich zwingenden Mindestanforderungen des BGH an Sanierungskonzepte erfüllt (Sanierungsgutachten) Sehr geehrte(r) ... im Hinblick auf das bestehende Kreditverhältnis bitten wir Sie, dass Sie einen [ggf.: auch aus der Sicht der Ihr Unternehmen mitfinanzierenden Kreditinstitute (Name der Kreditinstitute)] geeigneten branchenkundigen Wirtschaftsfachmann mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens beauftragen. In diesem Zusammenhang ist es im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) rechtlich zwingend erforderlich, dass der von Ihnen beauftragte, geeignete branchenkundige Wirtschaftsfachmann im Rahmen seines Sanierungsgutachtens mindestens die folgenden sieben Punkte berücksichtigt bzw. bestätigt: 1. Das Sanierungsgutachten geht von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten des Unternehmens aus und rechtfertigt die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg. Dabei ist sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit der Sanierung auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten – branchenkundigen Wirtschaftsfachmanns abzustellen. 2. Dem unabhängigen branchenkundigen Wirtschaftsfachmann lagen die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen des Unternehmens vor. 3. Das Sanierungsgutachten enthält eine Analyse der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche und es erfasst die Krisenursachen. 4. Das Sanierungsgutachten beurteilt die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens zutreffend. 5. Das Unternehmen ist objektiv sanierungsfähig und die für seine Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen sind insgesamt objektiv geeignet, das Unternehmen in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren, d.h. dass diese Maßnahmen eine positive Fortführungsprognose begründen. 6. Die geplanten Sanierungsmaßnahmen sind jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt, das heißt, die Sanierungsaktivitäten wurden objektiv sachgerecht eingeleitet.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.198 Fünfter Teil

7. Als Fazit im (positiven) Sanierungsgutachten muss insbesondere auch folgende eindeutige Aussage des branchenkundigen Wirtschaftsfachmanns enthalten sein: „Wir waren beauftragt, die Geschäftsleitung der .... bei der Erstellung des Sanierungskonzepts zu begleiten und auf der Grundlage dieses Konzepts eine abschließende gutachterliche Stellungnahme zur Sanierungsfähigkeit des Unternehmens abzugeben. Das vorliegende Sanierungsgutachten geht von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten aus. Im Rahmen unserer Tätigkeit sind wir zu der abschließenden gutachterlichen Beurteilung gelangt, dass aufgrund der im vorliegenden Sanierungsgutachten beschriebenen Sachverhalte, Erkenntnisse und Maßnahmen – auch im Hinblick auf die überwiegende Eintrittswahrscheinlichkeit der Annahmen und Bedingungen – – keine ernsthaften Zweifel an der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens bestehen und deshalb die Sanierung ernsthafte und begründete Aussichten auf Erfolg hat, – das Unternehmen aus Sicht eines objektiven Dritten sanierungsfähig ist und die für eine Sanierung in Angriff genommenen Maßnahmen zusammen objektiv geeignet sind, das Unternehmen in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren, d.h. dass diese Maßnahmen eine positive Fortführungsprognose begründen. Das vorliegende Sanierungsgutachten erfüllt zum Zeitpunkt seiner Erstellung die rechtlich zwingenden BGH – Mindestanforderungen an ein solches Gutachten.“ [Ggf.: Wenn der Gutachter eine Haftungsbegrenzung auch im Verhältnis zu den (der) mitfinanzierenden Bank(en) wünscht, setzt diese eine Vereinbarung voraus, die von den (der) mitfinanzierenden Bank(en) nur dann in Betracht gezogen wird, wenn vom Gutachter ein im Verhältnis zum Risiko angemessener Haftungshöchstbetrag1 vorgesehen ist und er im Zusammenhang mit der Haftungsbegrenzung bereit ist, die nachstehenden Erklärungen (ggf. im Gutachten) abzugeben: „Das (vorstehende) die [...] (Unternehmensname) betreffende Sanierungsgutachten vom [...] wurde von uns gemeinsam mit der Geschäftsleitung des Unternehmens mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und der berufsüblichen Sorgfalt der Wirtschaftsprüfer (ggf. andere Berufsgruppe) zur eigenen Verwendung der [...] (Unternehmensname) und auch zur Vorlage bei den/der mitfinanzierenden Bank(en) erstellt. Die mitfinanzierende(n) Bank(en) sind/ist in den Schutzbereich dieses Vertrages einbezogen. Diesen/Dieser gegenüber haften wir ebenfalls mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und der berufsüblichen Sorgfalt der Wirtschaftsprüfer (ggf. andere Berufsgruppe). Unsere Haftung ist auf einen Höchstbetrag von EUR [...] (angemessenen Betrag einfügen) begrenzt.“] Dies vorausgeschickt bitten wir Sie, dem von Ihnen vorgesehenen [ggf.: auch aus der Sicht der Ihr Unternehmen mitfinanzierenden Bank(en)] geeigneten, branchenkundigen Wirtschaftsfachmann eine Kopie dieses Schreibens zu übermitteln, den Inhalt dieses Schreibens zu einem wesentlichen Bestandteil Ihres Auftrages zur Erstellung des in Rede stehenden Sanierungsgutachtens zu machen und uns eine Kopie des von Ihnen vorgesehenen Auftrages – vor seiner Erteilung – zu übersenden2. Mit freundlichen Grüßen (Name des Kreditinstitutes)“

1 Der „angemessene“ Haftungshöchstbetrag wird in der abzugebenden Erklärung nachstehend konkretisiert; der Betrag ist im Einzelfall zu entscheiden (s. dazu auch Rn. 5.196). 2 Soll der Konzeptersteller später die Umsetzung des (unterstellt) positiven Sanierungskonzept begleiten und nach dem Ende der Sanierung eine Abschlussbestätigung erteilen – s. dazu Rn. 5.233 ff. – sollte dies schon im Auftragsschreiben erwähnt werden.

Huber | 871

Fünfter Teil Rz. 5.199 | Kreditgeschäft

6. Kredit(e) zur Überbrückung des Prüfungszeitraums („Überbrückungskredit“) 5.199

Viele Unternehmen lassen trotz entsprechender Warnzeichen bzw. Hinweise von sachkundigen Dritten (viel) zu viel Zeit verstreichen, bis sie verstanden haben, dass eine Sanierung für sie die letzte Überlebensmöglichkeit eröffnen kann. Das notwendige Sanierungskonzept kann nicht schnell (genug) erstellt werden, vielmehr dauert dies eine gewisse Zeit, wobei Größe bzw. Komplexität des Unternehmens ein erhebliche, „verlängernde“ Rolle spielen können. Da dem Kreditinstitut anschließend eine Prüfung ermöglicht werden muss1, bevor es den Sanierungskredit gewähren darf, ist es in der Praxis nichts Ungewöhnliches, dass ein (sanierungsbedürftiges) Unternehmen zwar offensichtlich „sanierungswert“ erscheint und daher die Beauftragung eines Sanierungskonzepts ein richtiger Schritt zur Schaffung der Sanierungsvoraussetzungen ist, das Unternehmen allerdings zum Zeitpunkt der Entscheidung des Kreditinstituts zur Sanierungsgleitung z.B. bereits zahlungsunfähig ist oder im Zeitraum der Erstellung des Sanierungskonzepts zahlungsunfähig zu werden droht. Bei mehreren beteiligten Kreditinstituten kann dies je nach Vorbereitung bzw. Kenntnis der Kreditinstitute der Zeitpunkt der ersten Bankensitzung sein oder aber ein späterer Zeitpunkt sein, wobei der Sanierungsbegleitung regelmäßig eine gemeinsame Willensbildung zugrunde liegt. Wenn in der ersten Bankensitzung ein gemeinsames Verständnis gefunden werden kann, vorläufig keine Exit-Strategie zu fahren, wird oft eine Stillhaltevereinbarung geschlossen, die den Kreditinstituten (kurze) Zeit für die Entscheidungsfindung einräumen soll. Kommt es zu einer Sanierungsbegleitung und fehlt es wiederum an ausreichender Liquidität, stellt sich ebenfalls die Frage nach einer Überbrückungsfinanzierung2, deren Laufzeit gerade bei Unternehmen mit höherer Kompexität durchaus eher in Monaten als in Wochen anzusetzen sein dürfte. Die Ausgestaltung der Überbrückungsfinanzierung hängt von der aktuellen Situation des Unternehmenskunden ab. In vielen Fällen wird „frisches Geld“, also ein neuer Barkredit, (zwingend) benötigt, denkbar kann ebenso die Prolongation eines fälligen bzw. fällig werdenden Kredits, eine Stundungsregelung oder gar „nur“ eine Stillhaltevereinbarung sein3. Da „frisches Geld“ in der Praxis am meisten in der Überbrückungssituation nachgefragt wird, wird der (echte) Überbrückungskredit hier behandelt. Zu den weiteren Optionen vgl. Rn. 5.257 ff. a) Der entscheidende Zweck: die Überbrückung des Prüfungszeitraums

5.200

Da das Unternehmen durch den Überbrückungskredit solange finanziell überleben soll, bis geklärt ist, ob eine Sanierung erfolgreich durchgeführt werden kann4, ergibt sich daraus eine Zweckbindung des (fachgerechten) Überbrückungskredits mit folgenden Parametern5:

5.201

Der Überbrückungskredit ist nur für den Überbrückungszeitraum und damit immer befristet einzuräumen.

1 Vgl. dazu Rn. 5.215 ff. 2 Die durch ein gemeinsames Agieren sich ggf. ergebenden Fragen der Kreditgewährung sind nicht „sanierungsspezifisch“ und sollen daher hier nicht angesprochen werden. 3 Vgl. auch Huber NZI 2016, 521 (522); Waldburg ZInsO 2014, 1405. 4 Im Fall einer positiven Aussage könnte der Überbrückungskredit – dies hängt von den Aussagen des Sanierungskonzepts ab – von einem Sanierungskredit abgelöst werden. 5 Huber ZInsO 2018, 1761 (1765 f.); Huber NZI 2016, 521 (522 f.); Huber NZI 2015, 447 (449); Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1406 f.); Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 82;. S. auch Wallner/Neuenhahn NZI 2006, 553 (554); Neuhof NJW 1998, 3225 (3229).

872 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.204 Fünfter Teil

Da der Überbrückungskredit nur deshalb gewährt werden soll, um die Erstellung eines Sanierungskonzepts zu ermöglichen, ist diese „Verknüpfung“ von Überbrückungskredit und einzuholendem Sanierungskonzept im (Überbrückungs-)Kreditvertrag sicherzustellen. Soweit – wie meistens in der Praxis – die Entscheidung über die Gewährung eines Überbückungskredits vor der Beauftragung des Sanierungskonzepts liegt, ist, z.B. durch eine aufschiebende Bedingung oder durch eine Inanspruchnahmevoraussetzung, der Kredit daran zu binden, dass durch das kreditnehmende Unternehmen ein fachkundiger objektiver Dritter mit der Erstellung eines den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechenden Sanierungskonzepts beauftragt wird1.

5.202

Der Überbrückungskredit muss für den gesamten vorgesehenen Zeitraum der Überbrückung dienen können. Das gewährende Kreditinstitut, das üblicherweise bereits mit Krediten oder Darlehen zur Verfügung steht und somit die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens kennen sollte, muss ggf. später – was ex-ante zu betrachten ist – belegen können, dass der Kredit ausreichend bemessen ist und die angestrebte Sanierung nicht von vorneherein aussichtslos ist, z.B. weil das Geschäftsmodell ersichtlich nicht mehr funktionieren wird2. Die Einschätzung der Sanierungschancen, die endgültig erst am Ende des Überbrückungszeitraums durch das Sanierungskonzept verifiziert werden können3, dürfte und sollte bereits zu Beginn der Sanierungsbegleitung erfolgt sein. Die ausreichende Bemessung der Überbrückungskreditsumme sollte durch eine Durchfinanzierungsbestätigung eines fachkundigen Dritten wie z.B. eines Wirtschaftsprüfers nachgewiesen werden4. Insoweit ist darauf zu achten, dass eine nach § 15a InsO bestehende oder erwartbare Insolvenzantragspflicht durch den Überbrückungskredit auch für die Kreditlaufzeit vollständig beseitigt wird. Würde sie nicht beseitigt, dürfte eine Sanierungschance des Unternehmens bereits am Drei-Wochen-Zeitraums des § 15a InsO scheitern. Räumt ein Kreditinstitut bei dieser ihm ersichtlichen Konstellation einen Überbrückungskredit ein, könnte es „sehenden Auges“ ggf. an einer Insolvenzverschleppung5 mitwirken oder sich dem Vorwurf der sittenwidrigen Gläubigergefährdung aussetzen oder einen Insolvenzanfechtungstatbestand erfüllen und sich dadurch den gleichen (insbesondere Schadensersatz- und Anfechtungs-)Vorwürfen gegenüber sehen wie bei einem untauglichen Sanierungskredit6. Auch aus Reputationsgründen ist also auf eine Insolvenzantragspflicht bzw. ihre Beseitigung oder Nichtentstehung ein besonderes Augenmerk zu richten. Dass durch den Überbrückungskredit eine Zahlungsunfähigkeit (vollständig) abgewendet wird, kann als solches den Vorwurf sittenwidrigen Handelns nicht rechtfertigen7.

5.203

b) Laufzeit des Überbrückungskredits Aus der Verknüpfung von Überbrückungskredit und Sanierungskonzept folgt zwanglos, dass der Überbrückungskredit mindestens bis zur Vorlage des Sanierungskonzepts gewährt werden kann. Schon aus faktischen Überlegungen – die Erstellung eines Sanierungskonzepts 1 Die Bindung muss natürlich auch während der Kreditlaufzeit aufrechterhalten bleiben; dies geschieht üblicherweise durch eine entsprechende Kündigungsklausel. 2 Als Beispiel mag der der Entscheidung des BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 = WM 2016, 366 zugrunde liegende Sachverhalt dienen. 3 Vgl. auch Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 82 f. 4 Huber ZInsO 2018, 1761 (1765); Huber NZI 2016, 521 (522); Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1406). 5 Dazu Rn. 5.94; s. z.B. auch Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1406). 6 Dazu Rn. 5.85 ff. S. ferner Huber ZInsO 2018, 1764 (1765); Huber NZI 2017, 507 (508); Huber NZI 2016, 521 (522). 7 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564).

Huber | 873

5.204

Fünfter Teil Rz. 5.204 | Kreditgeschäft

dauert erfahrungsgemäß mehrere Wochen/Monate – war von einer Kreditlaufzeit von (deutlich) mehr als drei Wochen auszugehen.

5.205

Die Frage seiner Laufzeit war bis vor wenigen Jahren in der Rechtsprechung kein Thema. Im Jahre 2015 hat es dann in kurzem Abstand gegensätzliche Aussagen von zwei Senaten des KG gegeben. Während der 24. Zivilsenat sogar in einem Leitsatz als Laufzeit für einen Überbrückungskredit „längstens drei Wochen“ zugestehen will1, spricht nur kurze Zeit später der 14. Zivilsenat2 von einer regelmäßigen Laufzeit zwischen einem und drei Monaten3. Hätte sich die (abzulehnende4) Ansicht des 24. Zivilsenats durchgesetzt, wäre dies das „Aus“ für Überbrückungskredite und ggf. nachfolgende Sanierungskredite gewesen5 und damit wären Sanierungen (sehr) deutlich erschwert worden. Die in der Praxis entstandene Unsicherheit wurde vom BGH beseitigt, der die Aussage des 24. Zivilsenats nicht nur als „rechtsfehlerhaft“ bezeichnet, sondern ausführt, dass es auf die Frage nach der Laufzeit eines Überbrückungskredits keine pauschale Antwort und insbesondere keine starren Fristen gebe, es vielmehr auf eine umfassende Gesamtwürdigung des (Überbrückungs-)Kreditvertrags unter Berücksichtigung aller den Vertrag kennzeichnenden Umstände ankomme6. Die Grenze der erlaubten und damit nicht sittenwidrigen Kreditgewährung ist wie bei jeder Kreditgewährung zu ziehen7. Der BGH bestätigt hinreichend deutlich die Zulässigkeit eines Überbrückungskredits nebst seiner Besicherung und stellt für seine Laufzeit auf die Umstände des Einzelfalls ab8. Damit kann der Überbrückungskredit weiterhin ein wesentlicher erster Baustein für die Sanierung eines Unternehmens und für dessen Überleben sein9.

5.206

Bedingen richtigerweise die Umständes des Einzelfalls die Laufzeit, ist damit die in der Praxis unterschiedlich beantwortete Frage, ob der Überbrückungskredit bis zur Vorlage des Sanierungskonzepts oder bis zu einer anschließend auf Basis des Sanierungskonzepts ggf. erfolgenden Implementierung eines Sanierungskredits zu gewähren ist, noch offen. Nach Sinn und Zweck eines Überbrückungskredits kann die Antwort nur lauten, dass er bis zur eventuellen Implementierung eines Sanierungskredits gewährt werden kann. Andernfalls würde „auf halbem Weg“ stehen geblieben10. Das vorgelegte Sanierungskonzept soll die Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit belegen und die durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen aufzeigen. Es ist damit nur der erste Schritt. Ein eventueller Sanierungskredit kann, soweit er sich aus dem Sanierungskonzept ergibt, erst nach der Vorlage und der auch vom BGH geforderten eigenen Prüfung des Sanierungskonzepts durch das Kreditinstitut gewährt werden. Daher würde eine auf die Vorlage des Sanierungskonzepts bestimmte Frist für einen Überbrückungskredit zu kurz greifen. Zu verlangen ist in diesem Zusammenhang, dass das Sanierungskonzept in einem auf das zu prüfende Unternehmen bezogenen sachgerechten Zeitraum erstellt wird. Ferner hat das Kreditinstitut anschließend auch im üblichen Rahmen seinen Prüfungs-

1 KG v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, ZIP 2016, 1451= NZI 2016, 546. 2 KG v. 15.12.2015 – 14 U 79/14, ZIP 2016, 1450= NZI 2016, 552. 3 Ausführlich zu diesen Entscheidungen Huber NZI 2016, 521 ff.; ferner z.B. Bettermann/Schulz BKR 2016, 395; Längsfeld/Meyer-Löwy/Nardi WM 2016, 1269, Weiß/v. Jeinsen ZIP 2016, 2251. 4 Huber NZI 2016, 521 (523). 5 Huber NZI 2017, 507 (508) in der Anm. zu BGH v. 7.3.2017 – XI ZR 171/15, NZI 2017, 507. 6 BGH v. 7.3.2017 – XI ZR 171/15, NZI 2017, 507. 7 BGH v. 7.3.2017 – XI ZR 171/15, NZI 2017, 507 unter Hinweis auf BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/ 68, NJW 1970, 657. 8 Huber NZI 2017, 507 (508) in der Anm. zu BGH v. 7.3.2017 – XI ZR 171/15, NZI 2017, 507. 9 Huber NZI 2016, 521 (525). 10 Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1406).

874 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.209 Fünfter Teil

pflichten nachzukommen und eine evtl. Kreditentscheidung muss banküblich zeitnah erfolgen und umgesetzt werden. Im aufgezeigten Rahmen gibt es mehrere Möglichkeiten einer Fristvereinbarung. So ist es denkbar, keine feste Frist zu setzen, sondern die Laufzeit bis zur Vorlage des Sanierungskonzepts bzw. einer anschließenden Sanierungskreditimplementierung zu vereinbaren. Ebenso kann eine rein zeitliche Frist vereinbart werden, die sich ggf. an einem üblichen Erstellungszeitraum von z.B. 3 Monaten orientiert und die erforderlichenfalls zu verlängern ist (dazu Rn. 5.209). Oder der Überziehungskredit wird bis zur Vorlage des Sanierungskonzepts befristet und bei einer positiven Sanierungsaussage für die eigene Prüfung nebst anschließender Implementierung eines Sanierungskredits verlängert. Soweit ersichtlich, bevorzugt die Praxis eine stringente zeitliche Befristung.

5.207

c) Besicherung des Überbrückungskredits Ein Kreditinstitut wird einen Überbrückungskredit im Wege des „frischen Geldes“ nur gewähren, wenn es dafür Sicherheiten – ggf. auch von einem Dritten – erhält. Dass ein Überbrückungskredit besichert werden kann, dürfte spätestens durch den Beschluss des BGH vom 7.3.20171 geklärt sein2. Eine Sicherheitenstellung durch das kreditnehmende Unternehmen dürfte nicht anfechtbar sein, wenn sich das Kreditinstitut banküblich besichern lässt und dabei insbesondere die Regeln des Bargeschäfts (§ 142 InsO) beachtet3. Auch eine Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) wird kaum in Betracht kommen, da dem Kreditinstitut ein „anfechtungsrechtlich unbedenklicher Willen“ zuzugestehen ist4. Dies gilt zumal dann, wenn die weiter oben (Rn. 5.203) erwähnte Durchfinanzierung durch die Bestätigung eines sachkundigen Dritten belegt ist.

5.208

d) Verlängerung des Überbrückungskredits Die Laufzeit des Überbrückungskredits richtet sich im Einzelfall danach, welche Größe ein Unternehmen hat bzw. wie komplex eine Prüfung bis zur Vorlage des Sanierungskonzepts bzw. ggf. eine anschließende Prüfung des Sanierungskonzepts durch das Kreditinstitut werden könnte. Es ist letztlich eine von Erfahrungswerten gespeiste Prognose, die konkreter sein kann, wenn das zu prüfende Unternehmen bereits einen sachkundigen Dritten mit der Prüfung beauftragt oder vorab involviert hat, der sich zu dem von ihm angenommenen Prüfungszeitraum nachvollziehbar äußert. Eine Prognose bedeutet natürlich, dass die Frist zu kurz bemessen sein kann5. Eine dann erforderliche Verlängerung des Überbrückungskredits – das dürfte

1 BGH v. 7.3.2017 – XI ZR 171/15, NZI 2017, 507. 2 Vgl. auch Huber ZInsO 2018, 1761 (1766); Huber NZI 2017, 507 (508) in der Anm. zu BGH v. 7.3.2017 – XI ZR 171/15, NZI 2017, 507. 3 Huber NZI 2015, 447 (449); zur Insolvenzanfechtung allgemein vgl. Huber in LBS, BankrechtsKommentar, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 78 ff. und zu § 142 InsO Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 91 ff. Bei der Stellung der Sicherheit durch einen Dritten kann sich in der Insolvenz des Dritten ggf. das Risiko des § 134 InsO verwirklichen, vgl. Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 130. 4 Vgl. z.B. BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894= NZI 2013, 500 f. (Rn. 11 m.w.N.). Dies folgt auch aus BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564). Vgl. auch Theewen, BKR 2003, 141 (147); Neuhof NJW 1998, 3225 (3229). 5 Auch der umgekehrte Fall ist denkbar, er kommt aber praktisch nicht vor.

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5.209

Fünfter Teil Rz. 5.209 | Kreditgeschäft

ohne Weiteres aus den Äußerungen des BGH folgen1 – ist möglich, wenn es für die Verlängerung einen sachgerechten Grund gibt, der z.B. in einer nachvollziehbar dargelegten Verzögerung der Prüfung des Unternehmens und damit der Vorlage des Sanierungskonzepts liegen kann2. Entscheidend muss sein, dass die Verlängerung ebenfalls vom (fortbestehenden) Überbrückungszweck und einer plausiblen Sanierungschance getragen und maximal bis zu einer eventuellen Implementierung der Sanierungsfinanzierung vereinbart wird. Hat ein Kreditinstitut bei der Befristung von vorneherein nur auf die Vorlage des Sanierungskonzepts abgestellt (vgl. dazu Rn. 5.206), ist ihm aus denselben Erwägungen eine Verlängerungsmöglichkeit zuzugestehen, wenn das Sanierungskonzept als durchzuführende Sanierungsmaßnahme z.B. einen neuen Sanierungskredit benennt und es bis zur Implementierung eines banküblichen Prüfungs- und Gewährungszeitraums bedarf. e) Kündbarkeit des Überziehungskredits

5.210

Aus der Zweckbindung des Überziehungskredits folgt, dass – wie bei einem Sanierungskredit3 – ein Überziehungskredit nicht ordentlich kündbar ist. Eine außerordentliche Kündigung ist dagegen denkbar, wenn sich entweder die Situation so wesentlich verschlechtert hat, dass auch unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Gewährung eines Überbrückungskredits dessen Gewährung nicht mehr in Betrachtung kommen könnte, oder es einen anderen wichtigen Grund gibt, der für den Kreditgeber die Aufrechterhaltung unzumutbar werden lässt4. Weist das vorgelegte Sanierungskonzept eine negative Sanierungsaussage aus und ist eine Befristung des Überbrückungskreditvertrag noch nicht abgelaufen, dürfte ebenfalls eine fristlose Kündigung in Betracht kommen5. f) Unbedenklichkeit des „fachgerechten“ Überbrückungskredits

5.211

Festzuhalten ist abschließend, dass bei ordnungsgemäßer Erfüllung der genannten (vgl. Rn. 5.200 ff.) Parameter zwar noch kein sachgerechter Sanierungsversuch vorliegt, da die Beteiligten lediglich das finanzielle Überleben bis zur Vorlage des Sanierungskonzepts bzw. einer eventuellen Implementierung einer Sanierungsfinanzierung sichern wollen6. Ihr Handeln erfolgt aber ernsthaft und mit zu diesem Zeitpunkt tauglichen Mitteln, so dass ein „fachgerechter“ Überbrückungskredit unbedenklich gewährt werden kann. Dem Kreditinstitut kann folglich wegen der vorrangig für den Prüfungszeitraum bestehenden „lebenserhaltenden“ Zweckbindung und der plausiblen Chance auf ein späteres – nach erfolgter Sanierung mögliches – Weiterleben des kriselnden Unternehmens nicht vorgeworfen werden, es habe mit der Kreditgewährung sittenwidrig gehandelt oder es komme deshalb aus anderen Gründen ein Haftung des Kreditinstituts in Betracht7. 1 BGH v. 7.3.2017 – XI ZR 171/15, NZI 2017, 507. 2 Vgl. auch Huber ZInsO 2018, 1761 (1766); Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1408). 3 BGH v. 14.9.2004 – XI ZR 184/03, ZIP 2004, 2131 = WM 2004, 2200 (2202); BGH v. 6.7.2004 – XI ZR 254/02, ZIP 2004, 1589 = NJW 2004, 3779 (3780). 4 Ausführlich Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1408 ff.). 5 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 82; Wallner/Neuenhahn NZI 2006, 553 (554). 6 Vgl. BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564). 7 BGH v. 7.3.2017 – XI ZR 171/15, NZI 2017, 507; BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564); Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 83; Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1407, 1410); Rusch, GWR 2011, 151 (153); Theewen, BKR 2003, 141 (147); Neuhof NJW 1998, 3225 (3229).

876 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.216 Fünfter Teil

Sollte es im Übrigen während der Laufzeit des Überbrückungskredits zu weiterem Kreditbedarf kommen, wird man dem Kreditinstitut das Recht zugestehen müssen, einen weiteren Überbrückungskredit zu gewähren bzw. den gewährten Überbrückungskredit aufzustocken, wenn sich ansonsten an den Parametern nichts geändert hat und es auch für die weitere Finanzierung eine Durchfinanzierungsbestätigung eines sachkundigen Dritten gibt. Nur eine solche Auslegung der Entscheidungen des BGH1 erscheint praxisgerecht. Allerdings hat der Kunde keinen Anspruch auf eine Verlängerung einer eingeräumten Überbrückungsfinanzierung, wenn sich die Prüfung über die vereinbarte Zeit hinaus hinzieht2.

5.212

Diese Grundsätze dürften auch für den Fall gelten, dass Wechsel, Schecks oder Lastschriften zur Bezahlung hereingegeben bzw. vorgelegt werden und im Falle ihrer Einlösung die dem Unternehmen eingeräumte Kreditlinie überschritten, also ein Neukredit gewährt wird. Wenn innerhalb der Scheck- und Lastschriftrückgabefristen und der Wechselprotestfristen das Sanierungskonzept nicht fertig gestellt werden kann, sollte wegen der nachteiligen Folgen von Wechselprotesten und Scheckrückgaben3 das Kreditinstitut das Recht haben, diese Papiere auch vor Abschluss der Prüfung einzulösen, wenn und soweit ein Überbrückungskredit angenommen werden kann4. Kommt dies allerdings gehäuft vor, spricht das indiziell dafür, dass das kriselnde Unternehmen seine von ihm veranlassten „Zahlungsströme“ nicht im Griff hat und damit auch die Zahlenbasis der für die Gewährung eines Überbrückungskredit zu fordernden (vgl. Rn. 5.203) Durchfinanzierungsbescheinigung auf tönernen Füßen stehen könnte. Das Kreditinstitut hat dann einen im Zweifel (ggf. deutlich) erhöhten Prüfungsaufwand, um nicht später sich vorwerfen lassen zu müssen, es habe die Indizien nicht beachtet und „sehenden Auges“ einen nicht fachgerechten (weiteren) Überbrückungskredit gewährt.

5.213

frei

5.214

7. Prüfung des Sanierungskonzepts durch das Kreditinstitut a) Zeit der Konzepterstellung Im Regelfall – dies ist gerade bei größeren Unternehmen und wenn mehrere Kreditinstitute eingebunden sind, üblich – wird das Kreditinstitut nicht von einem mehr oder weniger umfangreichen Sanierungskonzept „überrascht“ werden, vielmehr ist es in der Praxis Usus, das Kreditinstitut von Anfang an in den Prozess der Konzepterstellung einzubinden und aktuell, bei mehreren beteiligten Kreditinstituten oft in sog. Bankenrunden, zu informieren bzw. auch anstehende, die Kreditinstitute betreffenden Punkte im Sanierungskonzept zu diskutieren. Die Kreditinstitute sollten dabei peinlichst darauf achten, tatsächlich nur eine die Fortentwicklung des Konzepts fördernde Darstellung der eigenen Position bzw. Diskussion zu führen und Unternehmen bzw. Konzeptersteller nicht unsachgerecht zu beeinflussen.

5.215

b) Anforderungen an die Prüfung des vorgelegten Sanierungskonzepts Nach der Vorlage des Sanierungskonzepts hat das Kreditinstitut bzw. die mit einschlägigen Fallkonstellationen betraute Fachabteilung selbst zu prüfen, ob die von der Rechtsprechung

1 2 3 4

BGH v. 7.3.2017 – XI ZR 171/15, NZI 2017, 507. Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1408). Vgl. BGH v. 30.9.1968 – II ZR 224/66, WM 1968, 1214 (1215). Dhonau/Velden in Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, 2005, § 10 Rn. 61.

Huber | 877

5.216

Fünfter Teil Rz. 5.216 | Kreditgeschäft

postulierten Anforderungen erfüllt sind1. Dabei darf nicht nur ein Abgleich erfolgen, ob die einzelnen Vorgaben für ein fachgerechtes Sanierungskonzept im Konzept genannt werden; es hat eine eigene Prüfung zu erfolgen. Das Kreditinstitut muss das Konzept allerdings nicht selbst fachmännisch überpüfen oder durch Sachverständige überprüfen lassen2. Es darf grundsätzlich von der Eignung des von einem Fachmann erstellten bzw. geprüften Sanierungskonzepts ausgehen, sofern es keine erheblichen Anhaltspunkte für dessen Unrichtigkeit (oder eine Täuschung) hat und die Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit – also bei objektiver Betrachtung die Sanierungstauglichkeit der Gesellschaft und die Tauglichkeit der ergriffenen Sanierungsmaßnahmen – aufgrund dieses Konzepts bestätigt wird3. Die Ausführungen des Gutachtens müssen transparent und plausibel dargestellt sein und damit die Sanierung objektiv realisierbar erscheinen; ein Erfolg muss nicht sicher sein, es genügen gute Chancen für eine Realisierung4. Aus der Sicht des Kreditinstituts muss sich das Sanierungskonzept „schlüssig“ darstellen und erfolgversprechend sein5, d.h. es hat das Sanierungskonzept (nur) auf dessen Plausibilität mit positivem Ergebnis zu überprüfen6. Diese Plausibilitätskontrolle bedeutet:

5.217

1. Plausibel müssen die Ausführungen zur (bejahten) Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit sein, d.h. die Prüfung kann mit der „Quintessenz“ beginnen, denn bei einer negativen Aussage hat sich die weitere Prüfung erledigt. 2. Das Konzept muss von einem unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmann (erstellt und) überprüft worden sein. Das Kreditinstitut hat hoffentlich rechtzeitig7 Wert darauf gelegt, dass das Konzept von einem „unbeteiligten“ Fachmann erstellt worden ist, um eine möglichst unvoreingenommene Prüfung zu erhalten. 3. Inhaltlich folgt das Konzept der Abfolge Analyse mit Darlegung des Istzustandes auf der Basis ausreichender Buchhaltungsunterlagen und dann Prognose mit Darlegung des Sollzustandes nach Sanierung und entsprechendem „Beleg“ durch Verprobungsrechnungen, d.h. also, dass das Leitbild des sanierten Unternehmens sich ohne Weiteres „herausschälen“ lassen muss; 4. Die vorgesehene Sanierung darf nicht offensichtlich undurchführbar sein und zumindest aus der gutachterlichen Stellungnahme ergibt sich, dass die vorgesehenen Maßnahmen objektiv geeignet sind, das Unternehmen in einem überschaubaren Zeitraum durchgreifend zu sanieren. Während als „überschaubar“ ein Zeitraum von (bis zu) etwa 18 bis 24 Monaten anzusehen ist – ein längerer Zeitraum dürfte grundsätzlich mit zu vielen Unwägbarkeiten verbunden sein –, meint durchgreifende Sanierung, dass spätestens mit Ende des Sanie-

1 Vgl. dazu auch Huber ZInsO 2018, 1761 (1767 f.); Huber NZI 2015, 489 (492 f.). 2 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185, Rn. 27). 3 BGH v. 23.6.2022 – IX ZR 75/21, ZIP 2022, 1608 (1612, Rn. 33); BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, WM 2016, 1182 (1185 f., Rn. 27 ff.); BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 (1564). 4 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 39). 5 So BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 39). 6 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 63. 7 Vgl. dazu Rn. 5.188.

878 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.218 Fünfter Teil

rungszeitraums das Unternehmen wieder nachhaltig ertragsfähig ist1; letzteres meint nicht eine bestimmte, insbesondere branchenübliche Rendite (vgl. dazu Rn. 5.250)2. Von der Rechtsprechung wurde bisher verlangt, dass der Sanierungsversuch schon eingeleitet bzw. „(das schlüssige Konzept) jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt“3 ist. Insoweit war und ist zu fragen, wie es in der Praxis funktionieren soll, dass ein Konzeptersteller ein schlüssiges Konzept begutachten soll, wenn das Konzept noch nicht richtig „fertig“ ist, weil die (unterstellt) im Konzept vorgesehene Finanzierungsmaßnahme noch nicht gewährt worden ist, da Grundlage der Finanzierungsmaßnahme das schlüssige Konzept sein soll4. Die Lösung dürfte aus der Rechtsprechung abzuleiten gewesen sein, denn der BGH hat anlässlich der Frage, ob eine Sicherung anfechtbar erlangt worden ist, zur Gläubigerbenachteiligung(sabsicht) judiziert, dass „der Begriff der Gläubigerbenachteiligungsabsicht, welcher bedingten Vorsatz erfordert, ein Element der persönlichen Unlauterkeit enthält, das schon dann fehlt, wenn der Sanierungsversuch für den Gemeinschuldner zwar erkennbar mit Risiken belastet ist, die Bemühungen um eine Rettung des Unternehmens jedoch ganz im Vordergrund stehen und aufgrund konkret benennbarer Umstände eine positive Prognose nachvollziehbar und vertretbar erscheint.“5 Entscheidend war und ist demnach, wie die Gläubigerbenachteiligungsabsicht später – nach dem Scheitern einer Sanierung – belegt werden soll, denn sie ist eine innere Tatsache, die keinem direkten Beweis zugänglich ist; die Rechtsprechung löst dieses Problem über sog. Indiztatsachen, also äußere, einem Beweis zugängliche Tatsachen, die einen Schluss auf die inneren Beweggründe zulassen, hier also den Willen, ob und inwieweit einer ernsthafter Sanierungsversuch von Anfang an gewollt war. Und eine „äußere“ Tatsache im Sinne der soeben genannten „konkret benennbaren Umstände“ kann die begonnene Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen sein; wenn ein Vorstand oder eine Geschäftsführung das Unternehmen retten will, wird üblicherweise schon vor Fertigstellung des Sanierungskonzepts mit der Einleitung von geeigneten Sanierungsmaßnahmen begonnen. Bei diesem Verständnis der Rechtsprechung – und zumindest eine Entscheidung des BGH deutet hierauf hin6 –, im Beginn der Sanierung also lediglich „ein konkret benennbaren Umstand“ als Beleg für die Ernsthaftigkeit eines fachgerecht eingeleiteten Sanierungsversuchs (und damit einer fehlenden 1 Die in Rn. 5.216 f. genannten Gesichtspunkte trennen erfahrungsgemäß oft die Spreu vom Weizen, d.h. daran kann man erkennen, wie gut ein Konzept für die Praxis brauchbar ist. Dass man in einem Konzept vorne schreibt, dass die „Mindestanforderungen“ der Rspr. erfüllt werden und auch IDW S 6 beachtet worden ist, bedeutet nicht, dass das vorgelegte Sanierungskonzept von einem Kreditinstitut als Grundlage für einen Sanierungskredit ohne Weiteres verwendet werden kann. Die Fachleute des Kreditinstituts prüfen die Konzepte vor dem Hintergrund ihrer Erfahrung, aber oft auch vertiefter Kenntnisse des Unternehmens. Sie können üblicherweise die „Güte“ eines Konzepts sehr gut einschätzen, wobei es nicht zwingend auf den Umfang des Konzepts ankommt (also viele Seiten müssen nicht zwingend eine gutes Gutachten bedeuten), sondern auf das, was substantiell über das Unternehmen und das „neue“ Leitbild drinsteht. Manchmal entsteht der Eindruck, dass dem (augenscheinlich nicht sehr erfahrenen) Konzeptersteller das Konzept „in die Feder diktiert“ worden ist oder dass alle wesentlichen „Mindestanforderungen“ erfüllt scheinen, aber z.B. bei den Verprobungsrechnungen nur ein best case gerechnet worden ist. 2 S. auch Huber NZI 2017, 913 (917). 3 Z.B. BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 15); BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894 = WM 2013, 763, (765, Rn. 11); BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276 = NJW-RR 1993, 238 (241). 4 S. dazu auch Huber NZI 2015, 489 (492 f.). 5 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276 = NJW-RR 1993, 238 (241). 6 Vgl. BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564), wonach „die fachgerechte Einleitung des Versuchs ... Rückschlüsse auf dessen Ernsthaftigkeit zulassen (kann)“.

Huber | 879

5.218

Fünfter Teil Rz. 5.218 | Kreditgeschäft

Gläubigerbenachteiligungsabsicht) zu sehen, kann das Sanierungskonzept sich auch auf Sanierungsmaßnahmen beziehen, die noch nicht „eingeleitet“ werden konnten, z.B. weil sie von der Mitwirkung Dritter abhängig sind. Umgekehrt sollte es aber auch bedeuten, dass es für die Frage, ob ein Sanierungsversuch ernsthaft gewollt ist, nicht zwingend darauf ankommen kann, ob er bereits begonnen worden ist, wenn der „unbedenkliche Willen“ anderweitig „konkret“ belegt werden kann. Allerdings dürfte bei den meisten Sanierungsversuchen für die Frage der Ernsthaftigkeit der Beginn der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen ein wesentlicher Ansatzpunkt sein, ohne dass es – gerade wenn die Erstellung des Konzepts und seine Begutachtung eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt – zu diesem Zeitpunkt das Gutachten fertig sein muss, weil Dritte bei der beabsichtigten Sanierung „gefordert“ sein sollen, ihre Sanierungsbeiträge aber vom Gutachten „abhängig“ sind. Entscheidend kann somit nur sein, dass die vorgesehene Mitwirkung Dritter ihre fachgerechte Berücksichtigung im Sanierungskonzept findet, wobei es ausreichen sollte, dass der Gutachter auf noch fehlende „Maßnahmenbestandteile“ hinweist und – soweit dies für die fachgerechte Durchführung des Sanierungsversuchs zwingend ist – in seiner Stellungnahme entweder einen entsprechenden Vorbehalt macht oder die gutachterliche Stellungnahme erst nach der erfolgten Mitwirkung des Dritten abgibt. In wohl eher überschaubaren Sanierungsszenarien könnte also auch erst das Sanierungskonzept fertig gestellt werden und anschließend der erste Sanierungsschritt die vorgesehene Finanzierungsmaßnahme sein, also der Beginn vor einer Finanzierungsmaßnahme nicht der erste Schritt ist – entscheidend ist allein, dass die Ernsthaftigkeit des Sanierungsversuchs belegt wird. Zumindest bei Zahlungen an einen Sanierungsberater hat der BGH jüngst seine Auffassung dahingehend geändert, dass sie ohne Benachteiligungsvorsatz „unter bestimmten Umständen“ erbracht werden können, auch „wenn der Sanierungsversuch noch nicht in den Anfängen in die Tat umgesetzt worden ist“1. Ein Schuldner, der einen Sanierungsversuch startet und aus dessen Sicht „der Sanierungsversuch nicht von vorneherein2 aussichtslos ist und der Schuldner mit der Vorstellung handelt, dass eine Vergütung dieser Beratungsleistungen erforderlich ist, um die Erfolgsaussichten einer Sanierung zu prüfen oder eine Sanierung beginnen zu können“3, kann demzufolge bei Zahlungen an einern Sanierungsberater ohne Benachteiligungsvorsatz handeln4. Mit dieser Entscheidung bejaht also der BGH bei einem (ex ante) erfolgversprechenden Sanierungskonzept, dass ein Benachteiligungsvorsatz unter bestimmten Umständen auch dann entfallen kann, „wenn das Sanierungskonzept noch nicht einmal in den Anfängen in die Tat umgesetzt worden ist“5. Diese Umstände dürften bei der angesprochenen Finanzierungsthematik ebenfalls anzunehmen sein.

5.219–5.221

frei

c) Tauglichkeit des eigenen Sanierungsbeitrags

5.222

Das Kreditinstitut hat darauf zu achten, dass sein Sanierungsbeitrag dem Sanierungskonzept nicht zuwider läuft6. Wegen der Verknüpfung von Sanierungskonzept und darin aufgeführter 1 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (534, Rn. 72). 2 Der BGH hebt diese „ex-ante“-Sicht deutlich auch in der Begründung hervor, vgl. BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (535, Rn. 75 ff.). 3 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527, Leitsatz 1 e. 4 S. im Einzelnen BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (534 f., Rn. 73 ff.). 5 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (535, Rn. 80 m.w.N.). 6 Dazu auch Huber NZI 2015, 489 (493); s. ferner Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 69.

880 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.224 Fünfter Teil

Maßnahmen für den Beleg der Ernsthaftigkeit bzw. Tauglichkeit des Sanierungsversuchs sollte ein Kreditinstitut den von ihm erwarteten Sanierungsbeitrag (hier: der Sanierungskredit) nur im „Rahmen“ des Sanierungskonzepts vergeben, da es die Klammer darstellt. Auch die (einzelne) Maßnahme eines Kreditinstituts muss „tauglich“ für die vorgesehene Sanierung sein. Ein Kreditinstitut sollte nach Vorlage des die Finanzierungsmaßnahme enthaltenden Sanierungskonzepts demzufolge nicht ohne Weiteres eine (wesentlich) andere Finanzierung gewähren – zumindest müsste sie dahingehend geprüft werden, ob sie ebenfalls tauglich ist. Es dürfte problematisch sein, wenn ein Kreditinstitut z.B. nur einen unbefristeten („b.a.w.“1) Kredit gibt, obwohl als Sanierungsmaßnahme eine (längerfristige) Finanzierung für den gesamten Sanierungszeitraum als erforderlich angesehen wird. Unabhängig davon, ob eine fehlende Befristung des b.a.w.-Kredits mit der Rechtsprechung zur (grundsätzlich nicht möglichen ordentlichen) Kündigung von Sanierungskrediten in Einklang steht (dazu Rn. 5.374 ff.), könnte die nicht dem Sanierungskonzept entsprechende Finanzierung so verstanden werden, dass das Kreditinstitut nicht hinter der Sanierung steht bzw. seinen Kredit nicht zu Sanierungszwecken geben will. Die Gewährung eines kürzer laufenden befristeten Kredits, der in der vertraglich vereinbarten Zeit nicht zurückgeführt werden kann, ohne die – länger laufende – Sanierung zu gefährden, erscheint noch problematischer. d) Prüfungsdokumentation Die Prüfung ist zwingend ausreichend zu dokumentieren, um bei einem ggf. späteren Streit über die Erfüllung der von der Rechtsprechung aufgestellten Prüfungsanforderungen einen Nachweis führen zu können.

5.223

e) Prüfungsanforderungen für „kleine“ Unternehmen Nach der Rechtsprechung2 ist die vorzunehmende Prüfung des Unternehmens grundsätzlich unabhängig von dessen Größe, lediglich das Ausmaß der Prüfung kann dem Umfang des Unternehmens und der verfügbaren Zeit angepasst werden3. Dazu hat der BGH ausgeführt, dass die Einhaltung der z.B. in IDW S 6 oder den MaS des ISU (vgl. zu den beiden auch Rn. 5.167) aufgestellten Voraussetzungen „bei kleinen Unternehmen nicht immer in vollem Umfang geboten (ist). Auch dort muss jedoch die Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysiert und müssen die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfasst werden.“4 Für ein Kreditinstitut reduziert sich bei der Prüfung des ein „kleines“ Unternehmen begutachtenden Sanierungskonzepts möglicherweise der Aufwand, nicht aber die einzelnen Prüfungsschritte als solche. Die Prüfung eines allein vom (sehr kleinen) Unternehmen erstellten Konzepts durch das Kreditinstitut ist denkbar5; besonders bei einem vorher nicht bekannten Konzept dürfte die Prüfungsanforderungen höher sein, denn das Kreditinstitut muss – wenn es nicht per se das Anliegen 1 B.a.w. = bis auf weiteres: im Sprachgebrauch ein unbefristet gewährter Kredit, der regelmäßig mit einer Frist von im Einzelfall bis zu 3 Monaten gekündigt werden kann; s. auch Nr. 19 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften oder Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen. 2 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 19). 3 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 19); BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561 (1564). 4 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 19). 5 In der (vom Verf. erlebten) Praxis kann sich diese Konstellation nicht nur ergeben, wenn das Kreditinstitut dies im absoluten Ausnahmefall mitmacht oder vom fertigen Sanierungskonzept „überrascht“ wird, d.h. vorher nicht eingebunden war.

Huber | 881

5.224

Fünfter Teil Rz. 5.224 | Kreditgeschäft

zurückweist – im Einzelnen anstelle des üblicherweise auch das Konzept erstellenden fachkundigen Dritten die Voraussetzungen für die Plausibilität bzw. die Erfolgsaussichten des Sanierungskonzepts prüfen. Kann im Übrigen das kleine Unternehmen keinen fachkundigen Dritten bezahlen, ist wohl zu fragen, ob dies nicht bereits ein schlechtes Zeichen ist; eine Prüfung sollte auf jeden Fall durch die von der bisher betreuenden Abteilung unabhängige Abwicklungs- bzw. Sanierungsabteilung erfolgen, um später belegen zu können, dass bis auf die Beauftragung eines Beraters alle anderen Vorgaben eingehalten worden sind1. Eine ausreichende Dokumentation versteht sich von selbst.

8. Der Sanierungskredit(vertrag) 5.225

Sind die bisher aufgezeigten Anforderungskriterien positiv „abgearbeitet“ worden, liegt es nun in der Hand des Kreditinstituts, über den gewünschten Sanierungskredit abschließend und unter Berücksichtigung der im Sanierungskonzept vorgegebenen Tauglichkeit (vgl. dazu Rn. 5.222)2 zu entscheiden. Fällt die Entscheidung zu Gunsten des Sanierungskredits aus, kann der Kreditvertrag geschlossen werden. a) Vertragsgestaltung

5.226

Die Vertragsdokumentation sollte über die bei einem Darlehensvertrag im Normalgeschäft üblichen Bestimmungen die „Besonderheiten“ der Kreditgewährung in der Krise berücksichtigten. Daher sollten wesentliche Überlegungen und Prüfungen, aufgrund deren das Kreditinstitut sich zur Vergabe des neuen Kredits entschlossen hat, insbesondere die Gesichtspunkte, die es bei einem Scheitern der Sanierung von rechtlichen Vorwürfen entlasten können, nicht nur in der internen Dokumentation (vgl. dazu Rn. 5.223), sondern zusätzlich im Sanierungskreditvertrag aufgeführt werden: – anstatt eines pauschalen Hinweises, der Kredit diene dem Zweck einer Sanierungsfinanzierung, sollten die im Sanierungskonzept u.a. zur Sanierungsfähigkeit, zu dem für eine erfolgreiche Sanierung erforderlichen Finanzbedarf sowie zur veranschlagten Sanierungsdauer enthaltenen Kernaussagen übernommen und dargestellt werden, welche Finanzierungsund sonstigen Beiträge der Kreditgeber übernimmt und ggf. durch welche weiteren Kreditgeber ein etwa verbleibender Finanzierungsbedarf abgedeckt wird3. – dazu muss die Höhe des Sanierungskredites so bemessen sein, dass der vereinbarte Zweck auch erreicht werden kann („Tauglichkeit“ des Sanierungskredits). Ist die Deckung dieses weiteren Finanzierungsbedarfs durch andere Kreditgeber für ein Gelingen der Sanierung erkennbar notwendig, sollte der Abschluss der entsprechenden Vereinbarungen (sowie ggf. weiterer Sanierungsmaßnahmen) als Wirksamkeits-, zumindest aber als Auszahlungsvoraussetzung des Sanierungskredites festgelegt werden4.

1 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 57. 2 Für die Praxis ist auch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass ein (wesentlich) anderer als im Sanierungskonzept vorgegebener Sanierungskredit nicht gewährt bzw. seine Tauglichkeit nochmals geprüft werden sollte; aus Vorsichtsgründen sollte ein enger Maßstab angelehnt werden, zumal in der Praxis erfahrungsgemäß eine nochmalige (begrenzte) Prüfung des geänderten Kredits kurzfristig eingeholt werden kann. 3 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 85; Wallner/Neuenhahn NZI 2006, 553 (560). 4 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 86.

882 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.230 Fünfter Teil

– die Höhe der Zinsen muss naturgemäß das Ausfallrisiko berücksichtigen. Sinnvoll ist ein Festzins, um dem Unternehmen in seiner Sanierungsphase eine bessere Planungssicherheit zu verschaffen. Weicht der im Sanierungskreditvertrag vorgesehene Zinssatz zu weit von einem im Sanierungskonzept aufgeführten Zinssatz ab (z.B., weil das Kreditinstitut nun einen sog. Sanierungszuschlag o.ä. erheben will, weil andere Kreditinstitute das ebenfalls machen), sollte vorsorglich nochmals auch dessen „Tauglichkeit“ bestätigt werden (s. dazu Rn. 5.222). – die Laufzeit des Kredits muss – Stichwort wiederum: Tauglichkeit des Sanierungskredits – den im Sanierungskonzept vorgesehenen Mittelbedarf nicht nur der Höhe nach, sondern auch zeitlich, und zwar für den prognostizierten Sanierungszeitraum abdecken. Dies sollte in der Dokumentation eindeutig herausgestellt werden. Eine darunter bleibende Befristung sollte nicht erfolgen. Soweit dies in der Vergangenheit geschehen ist, wäre dies nur dann vertretbar gewesen, wenn das Kreditinstitut eine „wohlwollende Prüfung“ eines Verlängerungsersuchens auf Basis des Sanierungskonzepts zugesagt und sich aus der internen Dokumentation ergeben hätte, dass die Verlängerung nur dann nicht in Betracht kommt, wenn auch eine Kündigung eines länger laufenden Kredits zulässig wäre. Dieser Weg wurde mit den unterschiedlichsten Argumenten beschritten, z.B. wurde auf entsprechendes Handeln anderer Kreditinstitute hingewiesen oder auf die MaRisk, die tatsächlich eine jährliche Neubeurteilung des Risikos durch das Kreditinstitut vorsehen1 oder es wurde argumentiert, nur so könne wenigstens zum Ablauf der vorgesehenen Befristung Einfluss auf den Kunden genommen werden, um Bedingungen oder Auflagen o.ä. (der „Instrumentenkasten“ müsse verfügbar bleiben) ggf. zu ergänzen oder nachzujustieren. Diese Ausgumente sind sämtlich tönern (gewesen); entweder sind sie rechtlich nicht greifbar, um richterrechtlich vorgegebene Handlungsanweisungen „overrulen“ zu können, oder sie „schlagen“ nicht durch, z.B. weil die Vorgabe der MaRisk nur intern wirkt, aber keine Befristungsvorgabe für eine externe Kreditvergabe darstellt. Das Argument mit dem „Instrumentenkasten“ ist zwar – wenn man die Praxis kennt – ohne Weiteres nachzuvollziehen. Allerdings kann de iure dadurch ebenfalls keine – letztendlich die Vorgaben der Rechtsprechung nicht beachtende – Befristung „begründet“ werden: Da der Sanierungskredit „tauglich“ zu vergeben ist, kommt es entscheidend auf den durch das Sanierungskonzept vorgegebenen Sanierungszeitraum an, aus dem die Laufzeit des Sanierungskredit folgt. Im Übrigen steht es dem Kreditinstitut frei, ggf. während der Laufzeit des Sanierungskredites zu überprüfende Bedingungen/Auflagen etc. in den Sanierungskreditvertrag aufzunehmen bzw. sie nur befristet zu vereinbaren2 resp. sich die „Einführung“ zusätzlicher Bedingungen/Auflagen etc. nach einer gewissen Zeit vorzubehalten. Dies darf natürlich die Tauglichkeit des Sanierungskredits insgesamt nicht beeinträchtigen, weil andernfalls – siehe dazu bereits Rn. 5.222 – dem Kreditinstitut wiederum vorgeworfen werden könnte, es habe das Unternehmen nicht in dem im Konzept vorgesehenen Umfang unterstützt und daher auch nicht auf die erfolgreiche Sanierung vertrauen dürfen. frei

5.227–5.230

1 Vgl. BTO 1.2.2 Nr. 2 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. 2 Die befristete Vereinbarung hat gegenüber der erstgenannten Alternative den Nachteil, dass sie mit Befristungsablauf nicht weiter gelten, während die anderen in der Welt bleiben, gleichgültig, was die Überprüfung ergibt und ob sich er Kunde nach der Überprüfung mit einer Änderung einverstanden erklärt.

Huber | 883

Fünfter Teil Rz. 5.231 | Kreditgeschäft

b) Überwachung der Plandurchführung

5.231

Das Kreditinstitut wird nicht nur darauf achten müssen, dass der Kunde die angekündigten Sanierungsmaßnahmen tatsächlich einleitet und damit dokumentiert, wie ernst die Sanierung gewollt ist1. Dazu gehört beispielsweise der ernsthafte Versuch, nicht betriebsnotwendiges Vermögen zu veräußern und unrentable Betriebsteile auszugliedern und zu verkaufen oder stillzulegen. Die Aktivitäten des Kunden bei dieser Aufgabe lassen sich manchmal der Tagespresse entnehmen oder aus der Bitte an das Kreditinstitut erkennen, bei der Vermittlung von Übernahmeinteressenten behilflich zu sein. Wichtig kann auch eine Verbesserung des Managements durch Auswechseln von Geschäftsführern und anderen leitenden Angestellten sein, die sich als unfähig oder glücklos erwiesen haben. Die Maßnahmen können zwar vor der Entscheidung des Kreditinstituts über einen Sanierungskredit nur selten abgeschlossen, in der Regel aber zumindest eingeleitet sein.

5.232

Daneben hat das Kreditinstitut aber auch die Umsetzung des Sanierungskonzepts sowie die Auswirkungen der Sanierungsmaßnahmen zu überwachen; dies ist eine Vorgabe der Bankenaufsicht2. Das Kreditinstitut soll sich dadurch über den Stand der Sanierung aktuell informiert halten, um damit die mit dem Sanierungskredit verbundenen Risiken ebenfalls stets aktuell einschätzen zu können. Es bedeutet dagegen nicht, dass die genaue Einhaltung des Plans überwacht und durchgesetzt werden müsste3. Unvorhergesehene Entwicklungen können Abweichungen vom Sanierungskonzept erfordern; dann muss das Kreditinstitut sich nur vergewissern, ob die geplanten (weiteren) Maßnahmen lediglich eine sinnvolle Anpassung an die veränderten Verhältnisse oder schon ein Indiz für das Scheitern des Plans darstellen. Die aufsichtsrechtliche Vorgabe hält das Kreditinstitut zu einer Überwachung nur im eigenen Interesse und nicht im Interesse anderer Gläubiger an; auch sonst ist nichts ersichtlich, wonach eine Sanierungsüberwachung durch ein Kreditinstitut im Interesse anderer Gläubiger erfolgt4. Diese können somit aus einer fehlenden oder lückenhaften Überwachung keine Schadenersatzansprüche herleiten; ein zulässiger Sanierungskredit wird nicht nachträglich dadurch sittenwidrig, dass das Kreditinstitut den Fortgang und die Durchführung des Plans nicht mehr überwacht. c) Erforderlichkeit einer Sanierungsabschlussbestätigung?

5.233

Wegen der zumindest vom Aufsichtsrecht vorgegebenen „Überwachungsphase“, aber vorallem wegen des zwingenden Erfordernis eines Sanierungskonzepts für eine Sanierungsfinanzierung hat sich die Sanierungspraxis die Frage gestellt, ob am Ende der Sanierung ebenfalls ein aus rechtlichen Bestimmungen oder der Rechtsprechung sich ergebendes zwingendes Erfordernis besteht, sich als sanierungsbegleitendes Kreditinstitut eine Bestätigung über den (erfolgreichen) Sanierungsabschluss vorlegen lassen zu müssen. Ist demnach eine Abschluss-

1 Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1412). 2 Vgl. BTO 1.2.5 Nr. 5 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. Nach der Rspr. besteht keine Verpflichtung, „die laufende Umsetzung des erfolgversprechenden Sanierungskonzepts zu überprüfen“, so BGH v. 23.6.2022 – IX ZR 75/21, ZIP 2022, 1608 (1612, Rn. 33). 3 Wallner/Neuenhahn NZI 2006, 553 (557 f., 561). 4 S. auch Richter in LBS in Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 65.

884 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.235 Fünfter Teil

bestätigung1 ähnlich dem Sanierungskonzept ein auf jeden Fall einzuholendes Dokument oder ist sie nicht zwingend gefordert2?

5.234

frei aa) Praxisrelevante Gründe für eine Abschlussbestätigung (1) Aus der Sicht eines Kreditinstituts Während der Begleitung einer Sanierung muss ein Kreditinstitut zur Risikovermeidung die Vorgaben der Rechtsprechung genau beachten und die Finanzierung des Kreditinstituts muss dem im Sanierungskonzept vorgesehenen (finanziellen) Sanierungsbeitrag im Wesentlichen entsprechen3. Anschließend muss das Kreditinstitut die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen überwachen. Wird während des Sanierungszeitraums eine weitere Finanzierung angefragt, muss das Kreditinstitut prüfen, ob bzw. wie die Vorgaben der Rechtsprechung zwecks (weiterer) Begleitung einer Sanierung unverändert zu beachten sind. Ferner ist das Kreditinstitut während des Sanierungszeitraums in den Kündigungsmöglichkeiten beschränkt, da die Rechtsprechung nur eine außerordentliche Kreditkündigung bei einem neuen wichtigen Grund zulässt4. Die abschließende Bestätigung einer erfolgreichen Sanierung könnte somit die kreditvertragliche Geschäftsbeziehung zwischen Kreditinstitut und Unternehmen wieder in den „Normalzustand“ bringen, d.h. insbesondere die besonderen Vorgaben der Rechtsprechung für eine Sanierungsbegleitung wären nicht mehr zu beachten. Weiterhin wird sich der Bearbeitungsaufwand für ein Kreditinstitut verringern, da die nach aufsichtsrechtlichen Vorgaben5 zuständige spezialisierte Fachabteilung mit entsprechend fachkundigem Personal und einem regelmäßig teilweise erheblich erhöhten Arbeitsaufwand das Engagement in die Intensiv- oder in die Normalbetreuung6 zurückgeben kann. Ideal wäre es last but not least, wenn mit der Abschlussbestätigung das Unternehmen „automatisch“ aus der Sanierungsbegleitung entlassen werden könnte.

1 Terminologisch wird von „Abschlussbestätigung“ gesprochen, da „Sanierungsbestätigung“ leicht mit der Bestätigung im Sanierungskonzept über eine erfolgversprechende Sanierung oder der „(Sanierungs-)Bescheinigung“ nach § 270d Abs. 1 InsO verwechselt werden kann. Eine klare Unterscheidung ist geboten, zumal letztere nicht mehr eine vorinsolvenzliche Sanierung betrifft, sondern eine Sanierung in der Insolvenz durch ein Schutzschirmverfahren eröffnen soll. Zwar geht auch die Bescheinigung nach § 270d InsO auf die Erfolgsaussichten einer Sanierung („nicht offensichtlich aussichtslos“) ein. Allerdings ist die Bestätigung im Sanierungskonzept regelmäßig sehr viel fundierter und soll den Weg in ein Insolvenzverfahren verhindern, während die Sanierungsbescheinigung ihn eröffnen soll. 2 Zum Nachstehenden auch Huber ZInsO 2018, 1761 (1768 f.); Huber NZI 2017, 913 ff. 3 Huber NZI 2015, 489 (493). 4 Vgl. BGH v. 14.9.2004 – XI ZR 184/03, ZIP 2004, 2131 0 NJW 2004, 3782 (3783); BGH v. 6.7.2004 – XI ZR 254/02, ZIP 2004, 1589 = NJW 2004, 3779 (3780); Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 90. 5 Vgl. BTO 1.2.5 Nr. 1 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. 6 Die beiden Begriffe werden von der BaFin verwendet, vgl. z.B. BTO 1.2.4.2. des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de.

Huber | 885

5.235

Fünfter Teil Rz. 5.236 | Kreditgeschäft

(2) Aus der Sicht des Unternehmens

5.236

Aus der Sicht des Unternehmens könnte für eine Abschlussbestätigung ebenfalls sprechen, dass wieder der „Normalzustand“ gilt und die Betreuung innerhalb des sanierungsbegleitenden Kreditinstituts aus der darauf spezialisierten Fachabteilung1 wieder in die Intensiv- oder Normalbetreuung übergeleitet werden kann. Das Unternehmen müßte als wieder „normaler“ Kreditkunde z.B. anderen Kreditinstituten nicht mehr offenlegen, dass es sich in der für Sanierungskunden zuständigen Betreuungseinheit befindet. Ferner ist die Option denkbar, mit einer Abschlussbestätigung das Kreditinstitut von sich aus „unter Druck“ setzen zu können, den „Normalzustand“ wieder herzustellen, unabhängig davon, ob das Kreditinstitut möglicherweise anderer Ansicht ist. Eine Abschlussbestätigung könnte also das Unternehmen ggf. vorzeitig wieder an den „normalen“ Kreditmarkt heranführen und ihm damit auch die Möglichkeit eröffnen, bei anderen Kreditinstituten leichter und günstiger Kredit zu bekommen. War die Sanierungsbegleitung mit zusätzlichen Zinsen bzw. Kosten oder – bei mehreren Kreditinstituten – einer Poolbildung verbunden, könnte je nach Absprachen auch eine Zins- oder Kostenreduzierung bzw. eine Auflösung des Pools gefordert werden. bb) Gibt es rechtliche Vorgaben?

5.237

Gute praktische Gründe sowohl für das Kreditinstitut als auch für das Unternehmen ergeben noch keinen rechtlich zwingenden Grund, eine Abschlussbestätigung vorlegen bzw. hereinholen zu müssen. Dies wäre anders, wenn es de iure eine zwingend zu beachtende Vorgabe mit ggf. zu beachtenden Rechtsfolgen gäbe oder dies zwischen Kreditinstitut und Unternehmen vorher vereinbart worden wäre. (1) Veränderte Umfeldbedingungen

5.238

Vergleicht man in dem Zusammenhang die Umfeldbedingungen zu Beginn einer angedachten Sanierung, die zur Sanierungskreditrechtsprechung geführt haben, mit den üblichen Bedingungen am Ende einer (erfolgreichen) Sanierung, ist weder ein entsprechendes Risikoszenario wie zu Beginn einer Sanierung noch ein „neues“ Risiko ersichtlich. Zwar dürfte es für ein Kreditinstitut von Interesse sein, den Abschluss der Sanierung bestätigt zu bekommen, da es sich andernfalls noch in der Sanierung mit den weiter oben angesprochenen (vgl. Rn. 5.153 ff.) Einschränkungen im Kreditgeschäft befinden könnte. So könnten ggf. (abhängig vom Stand der Sanierung) die erwähnten Risiken unverändert zu beachten sein, d.h. ein neuer Kredit hat sich wiederum an der Sanierungskreditrechtsprechung zu orientieren. Daraus folgt aber kein neues Risiko, das durch die zwingende Hereinnahme einer Abschlussbestätigung minimiert werden könnte. (2) Gesetzliche Vorgaben?

5.239

Eine gesetzliche Vorschrift, die eine Abschlussbestätigung ggf. auch nur indirekt zwingend fordert, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Zwar ist beim Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO davon die Rede, dass es „bis zur nachhaltigen Sanierung“ bei Vorliegen der Vorausset1 Nach der Terminologie der BaFin ist es eine Abteilung für „Sanierung“, vgl. z.B. BTO 1.2.5 Nr.1 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. In der Praxis werden teilweise „schicke“ Abteilungsbezeichnungen verwendet, um den Begriff „Sanierung“ zu vermeiden; letztlich wissen aber die Marktteilnehmer, was damit ausgedrückt werden soll.

886 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.241 Fünfter Teil

zungen beansprucht werden kann1. Nach dem Gesetzgeber muss lediglich die Sanierung nachhaltig sein; es wird nichts zur Nachhaltigkeit oder dazu gesagt, wie eine nachhaltige Sanierung belegt werden soll2. Demzufolge kann aus der Regelung kein Fingerzeig oder ein rechtlich zwingendes Vorlageerfordernis für eine entsprechende Bestätigung herausgelesen werden. Daneben sind keine weiteren Bestimmungen ersichtlich, die diesbezüglich mehr aussagen. (3) Kann die Rechtsprechung weiterhelfen? Es ist zwar keine Entscheidung „ex post“ zur Frage einer erfolgreichen Sanierung ersichtlich3, aber „ex ante“ gibt es immer wieder deutliche Äußerungen zu den Vorstellungen einer erfolgreichen Sanierung:

5.240

Die obergerichtliche Rechtsprechung verlangt in ihren Entscheidungen zu Sanierungskonzepten einerseits teilweise eine „durchgreifende“4 oder „nachhaltige“5 Sanierung bzw. eine dauerhafte Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage6, lässt anderseits aber auch „eine ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg“7 ausreichen. Kürzlich spricht der BGH in einer wichtigen Entscheidung zu einem tragfähigen Sanierungskonzept8 zum einen von der „Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit“, weil andernfalls „die Finanzierung des Unternehmens auch künftig nicht stabil ist“, da „die bei Unternehmensfortführung zu verdienenden Gelder weiterhin nicht ausreichen werden, um die anfallenden Kosten zu decken“ und somit „der (erneute) Zusammenbruch des Unternehmens bereits absehbar ist“9. Zum anderen stellt er zu den Umstrukturierungsmaßnahmen fest bzw. hält es für erforderlich, dass „nach ihrer Durchführung für das Unternehmen wieder Erfolgsaussichten bestehen und die Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit wiederhergestellt werden kann“10. Sind es einerseits Äußerungen zu Beginn der Sanierung und erschließt sich aus ihnen auch „ex post“ kein weiteres „formales Element“ für den Abschluss der Sanierung, geben gerade die zuletzt genannten Äußerungen Hinweise, wie der BGH eine nachhaltige oder durchgreifende Sanierung verstanden wissen will (vgl. dazu Rn. 5.247 ff. bei der Ausgestaltung einer Abschlussbestätigung).

5.241

1 Das Sanierungsprivileg dürfte allerdings im hier erörterten Kontext kaum relevant werden, da es nach der gesetzlichen Regelung für den Anteilserwerb zumindest die drohende Zahlungsunfähigkeit verlangt und außergerichtliche Sanierungen oft früher ansetzen. 2 Auch die Gesetzesmaterialien sind nicht aussagekräftig, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BT-Drucks. 16/ 6140, S. 57. 3 Auch die Entscheidung des BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 zeigt auf S. 531, Rn. 35 nur auf, wann ein Sanierungsversuch gescheitert ist. 4 Z.B. BGH v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279 = NZI 2006, 604 (605, Rn. 14 m.w.N.); OLG Köln v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, BeckRS 2009, 88341. 5 Z.B. OLG München v. 16.1.2014 – 23 AktG 3/13, ZIP 2014, 472 = WM 2014, 943 (946); OLG Hamm v. 10.5.2013 – I-25 U 13/11, BeckRS 2016, 04557. 6 So BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894= NZI 2013, 500 (501, Rn. 13). 7 Z.B. BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276 = NJW-RR 1993, 238 (241); ähnlich BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (535, Rn. 75). 8 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182. 9 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185 f., Rn. 30); s. auch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (536, Rn. 84). 10 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 36).

Huber | 887

Fünfter Teil Rz. 5.242 | Kreditgeschäft

5.242

In einer Entscheidung des BFH wird die Tauglichkeit eines Schulderlasses als Sanierungsmaßnahme verneint, wenn durch den Schulderlass „die Ertragsfähigkeit nicht wiederhergestellt wird“1. In der Entscheidung des BFH ging es um den mittlerweile für unwirksam erklärten Sanierungserlaß2, der von einer Maßnahme ebenfalls u.a. verlangt hat, dass sie darauf gerichtet ist, das Unternehmen „wieder ertragsfähig zu machen“3. Diese Äußerungen legen ebenfalls nur dar, was eine erfolgreiche Sanierung bedeuten soll; sie sind ersichtlich nicht auf eine formale zwingende Bestätigung nach erfolgreichen Abschluss der Sanierung gerichtet.

5.243

Zielführender könnte die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Benachteiligungsvorsatz bzw. der dies indizierenden eingetretenen Zahlungseinstellung/Zahlungsunfähigkeit für die zwingende Hereinnahme einer Abschlussbestätigung sein. Regelmäßig im Zusammenhang mit einer Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO verlangt sie, dass das Kreditinstitut als Anfechtungsgegner, das von der einmal eingetretenen Zahlungsunfähigkeit wusste, „darzulegen und zu beweisen (hat), warum es später davon ausging, der Schuldner habe seine Zahlungen möglicherweise allgemein wieder aufgenommen“4. Damit stellt der BGH im Rahmen der üblichen Darlegungs- und Beweislastregelungen klar, dass der Anfechtungsgegner belegen muss, warum die eingetretene Zahlungsunfähigkeit nicht mehr bestehen soll; ein zwingendes Erfordernis für eine Abschlussbestätigung nach einer erfolgreichen Sanierung ist der Aussage nicht zu entnehmen. Die geforderte Darlegung bzw. der Beweis könnte auch anderweitig erbracht werden, zumal ein sanierungsbegleitendes Kreditinstitut üblicherweise das entsprechende Knowhow nach den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (dazu Rn. 5.244) selbst vorhalten muss und somit diesen Nachweis ohne Weiteres selbst wird erbringen können. Eine externe abschließende Bestätigung kann zwar die „Nachweiserbringung“ durch das Kreditinstitut unterstützen, dass die Rechtsprechung sie aus Rechtsgründen fordert, lässt sich ihr nicht entnehmen. Das Risiko des Nachweises der wieder aufgenommenen Zahlungen bzw. der abgeschlossenen Sanierung trägt somit das Kreditinstitut, das mit einer (Dritt-)Bestätigung das Risiko zwar minimieren, aber nicht loswerden kann. (4) Aufsichtsrechtliches Erfordernis?

5.244

Aufsichtsrechtlich ist ebensowenig ein zwingendes Erfordernis ersichtlich. Zwar hat wie bereits erwähnt das Kreditinstitut „die Umsetzung des Sanierungskonzeptes sowie die Auswirkungen der Maßnahmen ... vom Institut zu überwachen“5. Im Kontext mit dem bereits (s. Rn. 5.11) erfolgten Hinweis, dass die Sanierungsbegleitung durch spezialisierte Mitarbeiter(innen) erfolgen muss, dürfte es ohne Weiteres einleuchtend sein, dass die Überwachung durch das Kreditinstitut bzw. seine spezialisierten Mitarbeiter(innen) selbst erfolgen muss. Damit kann es das Ende der Überwachung „in eigener Regie“ beurteilen. Daran ändert sich nichts, dass „erforderlichenfalls ... bei dem Sanierungsprozess auf externe Spezialisten mit entsprechenden Kenntnissen zurückgegriffen werden (kann)“6. Es ist eine „Kann-Regelung“, die die

1 2 3 4

BFH v. 12.12.2013 – X R 39/10, ZIP 2014, 638= ZInsO 2014, 1221 (1224, Rn. 30). BMF v. 27.3.2003, IV A 6 - S 2140 – 8/03, BStBl. I 2003, 240. So I.1.1 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003, IV A 6 - S 2140 – 8/03, BStBl. I 2003, 240. BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228= NZI 2013, 140 (1443, Rn. 33); BGH v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355= NZI 2012, 963 (964, Rn. 16). 5 So BTO 1.2.5 Nr. 5 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de. 6 So BTO 1.2.5 Nr. 6 des Rundschreibens 10/2021 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 16.8.2021, zu finden auf www.bafin.de.

888 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.248 Fünfter Teil

Verantwortlichkeit der Fachabteilung1 unberührt lässt, denn es wird nicht von „übertragen“ o.ä., sondern von „zurückgreifen“ gesprochen, was eine lediglich unterstützende Einschaltung eines externen Dritten indiziert. cc) Ergebnis: „nice to have“, aber nicht mehr Somit gibt es keinen rechtlich zwingenden Grund, nach (erfolgreichem) Abschluss einer Sanierung eine Abschlussbestätigung hereinholen zu müssen. Eine Abschlussbestätigung kann aber im Sinne eines „nice to have“ hilfreich sein und ein sanierungsbegleitendes Kreditinstitut unterstützen bei dessen Einschätzung, ob eine Sanierung erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Ist kein Zwang ersichtlich und obliegt es einem Kreditinstitut, das Ende einer Sanierung selbst festzustellen, kann es auch nur auf diese Feststellung ankommen, so dass ein Unternehmen von sich aus durch die Vorlage einer Abschlussbestätigung keinen Druck ausüben kann, wenn das Kreditinstitut hinsichtlich eines Sanierungsendes anderer Auffassung sein sollte. Es ist alleine Aufgabe des Kreditinstituts, das Ende der Sanierung festzustellen. Lässt es sich dazu eine Abschlussbestätigung vorlegen, kann dies unterstützend wirken, auch wenn das Kreditinstitut sie zumindest auf Plausibilität prüfen muss.

5.245

d) Die Ausgestaltung einer Sanierungsabschlussbestätigung Während sich für ein fachgerechtes Sanierungskonzept Standards herausgebildet haben2, ist dies zumindest bisher für eine Abschlussbestätigung nicht ersichtlich. Da die Bestätigung die (erfolgreiche) Sanierung abschließen soll, dürfte ihr Ausgangspunkt das ggf. fortgeschriebene Sanierungskonzept sein, das Grundlage des gesamten Sanierungsprozesses gewesen ist und das eine erfolgreiche Sanierung prognostiziert hat.

5.246

aa) Hinweise der Rechtsprechung Die Rechtsprechung verlangt, dass am Ende des Sanierungsprozesses eine durchgreifende oder nachhaltige Sanierung stehen muss, für die ein fachgerechtes Sanierungskonzept die Grundlage bildet. Soweit ersichtlich gibt es keine insbesondere höchstrichterliche Entscheidung „ex post“ zur Frage, was eine erfolgreich durchgeführte Sanierung ist.

5.247

In seiner Entscheidung zu den Anforderungen an ein schlüssiges Sanierungskonzept vom 16.5.20163 dürfte der BGH allerdings ausreichend Hinweise gegeben haben, was er unter einer nachhaltigen oder durchgreifenden Sanierung versteht und was somit auch inhaltlich in einer Abschlussbestätigung abgebildet werden kann. So hat er zum einen auf die „Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit“ und zum anderen auf die „Wiederherstellung der Rentabilität“ abgestellt. Im Hinblick auf das in diesem Zusammenhang ebenfalls genannte „Wiederbestehen von Erfolgsaussichten“ kann dies nur eine nach Durchführung der Sanierung prognostisch festzustellende (erneute) Fähigkeit zur Erwirtschaftung eines dann

5.248

1 Also die für die Sanierung zuständige Abteilung, vgl. dazu Rn. 5.11. 2 Insbesondere der vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) entwickelte IDW- Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6). Daneben gibt es z.B. noch die „Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS)“ des Instituts für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU). Vgl. dazu auch Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 60. 3 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182; s. jetzt auch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (535 f., Rn. 83 ff.).

Huber | 889

Fünfter Teil Rz. 5.248 | Kreditgeschäft

wieder möglichen positiven Jahresergebnisses bei vorhandener Zahlungsfähigkeit bedeuten, also um „Aussichten“, wieder wirtschaftlich Erfolg zu haben. Insoweit ist es auch richtig, von „Renditefähigkeit“1 oder von Rentabilität zu sprechen, denn nur wenn ein Unternehmen nach der durchgeführten Sanierung (erst einmal) rentabel arbeiten wird, kann es auch eine Rendite „einfahren“.

5.249

Der Abschluss der Sanierung dürfte somit nicht nur bedeuten, dass ein Unternehmen uneingeschränkt wieder zahlungsfähig ist, sondern dass es nach den durchgeführten Sanierungsmaßnahmen auch wieder fähig ist, eine Rendite zu erwirtschaften, wobei die Rechtsprechung offenlässt, welche Rendite gemeint sein soll bzw. ob eine bestimmte Rendite erzielt werden muss. Die durch die Sanierung zu erreichenden Ziele werden im Sanierungskonzept (nicht nur durch die durchzuführenden Maßnahmen, sondern) insbesondere durch eine mehrjährige Planrechnung (Ergebnis-, Finanz- und Vermögensplan) verprobt, die damit auch wesentlich für die Sanierungsbegleitung ist. Da die Zahlen während der Sanierungsphase fortgeschrieben werden und somit aus der Planrechnung immer mehr eine „echte Rechnung“ wird, liegen üblicherweise (spätestens) zum Ende des prognostizierten Sanierungszeitraums genügend „echte Zahlen“ – und eine ebenfalls fortgeschriebene Planrechnung – vor, um eine fundierte Aussage machen zu können, ob die Sanierung erfolgreich abgeschlossen ist oder ob es z.B. noch weiterer Maßnahmen bedarf2. Nach der Rechtsprechung dürfte es somit bei einem üblichen Sanierungszeitraum von 18 bis 24 Monaten ausreichend für den erfolgreichen Sanierungsabschluss sein, wenn das Unternehmen ein mindestens ausgeglichenes Jahresergebnis und einen mindestens ausgeglichenen Netto-Cashflow innerhalb der letzten 12 Monate ausweist und sich voraussichtlich im laufenden und folgenden Geschäftsjahr die Ertrags- und Liquiditätslage sich nicht so verschlechtern wird, dass künftig nicht zumindest ein ausgeglichenes Jahresergebnis und ein ausgeglichener Netto-Cashflow erzielt werden. Dadurch dürfte aus Rechtsgründen auch die Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger des Unternehmens ausreichend sichergestellt sein. bb) Ohne bestimmte Rendite keine Abschlussbestätigung?

5.250

Während die Rechtsprechung offenlässt, ob eine bestimmte Rendite für eine nachhaltige Sanierung zu erzielen ist, wird z.B. vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) für die Renditefähigkeit bzw. die Sanierungsfähigkeit im letzten Planjahr als „ausreichend“ eine „Renditefähigkeit am unteren Ende der branchenüblichen Bandbreite“ verlangt, während er früher noch eine „branchenübliche Rendite“, die sich regelmäßig innerhalb einer Bandbreite bewegt, gefordert hat3. Der IDW hat also seine stringente Haltung etwas abgeschwächt, stellt aber im Ergebnis immer noch auf eine branchenübliche Rendite – wenn auch am unteren Ende der Bandbreite – ab; er hält also die branchenübliche Rendite letztlich immer noch für „zwingend“ und dürfte immer noch der Ansicht sein, dass ein Unternehmen, das diese zum Ende des Sanierungszeitraums nicht erwirtschaften kann, nicht durchgreifend bzw. nachhaltig sa-

1 Fähigkeit heißt noch nicht, dass sie auch eintritt. 2 In der Praxis ist es nicht ungewöhnlich, dass es manchmal (etwas) länger bis zum Sanierungsende braucht oder dass die Sanierungsmaßnahmen so gut greifen, dass das Ziel der Sanierung bereits früher als prognostiziert erreicht wird. 3 Vgl. IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6) mit Stand 16.5.2018, Nr. 2.2n Rn. 27 und die Vorgängerfassung mit Stand 20.8.2012, Rn. 14; vgl. dazu auch Nr. 5.2 der Fragen und Antworten zur Erstellung und Beurteilung von Sanierungskonzepten nach IDW S 6 (FAQ IDW S 6) mit Stand: 22.8.2016.

890 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.251 Fünfter Teil

niert ist1. Die Erzielung einer (mindestens) branchenüblichen Rendite ist sicherlich wünschenswert. Es erscheint allerdings sehr fraglich, ob sie und damit eine bestimmte Zielgröße bzw. Zielbandbreite erzielt werden muss, um de iure erst dann ein erfolgreiches Sanierungsende durch eine Abschlussbestätigung feststellen zu können. Die Rechtsprechung verlangt dies nicht (vgl. Rn. 5.249). Das erscheint deshalb richtig, weil die Rechtsprechung aus Rechtsgründen nicht mehr vorgeben kann als dass das Unternehmen wieder dauerhaft zahlungsfähig und renditefähig sein muss, um grundsätzlich am Markt bestehen zu können. Mit welcher Renditevorgabe das Unternehmen anschließend geführt wird, hat grundsätzlich die Unternehmensleitung und nicht ein Gericht zu entscheiden. Ein Unternehmen ist ferner nicht bereits ein Sanierungsfall, wenn eine branchenübliche Rendite nicht mehr erzielt wird, vielmehr muss das Krisenstadium des Unternehmens deutlich weiter fortgeschritten sein2, bevor die Sanierungskreditrechtsprechung greift; warum es dann ein Sanierungsfall bis zur Erreichung dieser Zielgröße bleiben soll, ist nicht ersichtlich. Auch für die Fortführungsprognose nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB wird nicht vertreten, dass als entgegenstehende tatsächliche Gegebenheit das Verfehlen einer branchenüblichen Rendite von Bedeutung sein könnte3. Auch dürfte beim Abstellen auf die branchenübliche Rendite das Ende der Sanierung regelmäßig erst (viel) später erreicht sein, d.h. ohne einen triftigen rechtlichen Grund würde sich die Sanierungsphase bis zum Erreichen einer bestimmten Ertragszahl verlängern, ohne dass möglicherweise absehbar ist, wann sie erreicht werden kann. Solange müßte dann z.B. das Unternehmen von der Sanierungsabteilung des Kreditinstituts mit den damit verbundenen Konsequenzen für Unternehmen und Kreditinstitut betreut werden (s. dazu auch Rn. 5.235 f.). Dass das Abstellen auf eine branchenübliche Rendite bzw. eine Bandbreite zu unnötigen Bewertungs- und Abgrenzungsfragen führen kann, dürfte ohne Weiteres einsichtig sein. Nach dem „Schutzzweck der Sanierungsbestimmungen“ kann somit – wie es die Rechtsprechung auch vorgibt – für das Ende der Sanierung aus Rechtsgründen nur verlangt werden, dass das sanierte Unternehmen dauerhaft, d.h. mindestens für das laufende und das folgende Geschäftsjahr wieder zahlungsfähig und ertragsfähig ist. Eine in der Branche übliche Rendite ist keine Voraussetzung für das Sanierungsende und damit für das Erstellen einer Abschlussbestätigung. cc) Muster einer Abschlussbestätigung Da die Abschlussbestätigung am Ende der Sanierung stehen soll und die Sanierung wiederum ihren Anfang im ggf. fortgeschriebenen Sanierungskonzept gefunden hat, kann grundsätzlich darauf abgestellt und festgestellt werden, ob seine Ziele im wesentlichen erreicht (und vielleicht sogar überschritten) wurden und damit die Sanierung als beendet bezeichnet werden kann. Die im Sanierungskonzept nach der Rechtsprechung abzuarbeitenden diversen Bausteine müssen dabei nicht sämtlich in der Abschlussbestätigung Berücksichtigung finden oder gar „abgearbeitet“ werden. Es sollten (nur) die wesentlichen Kriterien kurz angesprochen werden. Anhand der umgesetzten Maßnahmen und des aktuellen Zahlenmaterials sollte beurteilt werden, ob das Unternehmen (wieder) die uneingeschränkte Zahlungsfähigkeit und Renditefähigkeit erreicht und die Sanierung ein erfolgreiches Ende gefunden hat. Üblicherweise sind am

1 Vgl. Nr. 5.2 der Fragen und Antworten zur Erstellung und Beurteilung von Sanierungskonzepten nach IDW S 6 (FAQ IDW S 6) mit Stand: 22.8.2016. 2 Vgl. dazu Rn. 5.14 f. und Huber NZI 2015, 447 (448 f.). 3 Böcking/Gros/Wirth in Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht, 4. Aufl. 2019, HGB § 252 Rn. 13 ff.; Merkt in Hopt, HGB, 41. Aufl. 2022, § 252 Rn. 7; Heyes/Thelen/Elprana in Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl. 2020, § 252 Rn. 11.

Huber | 891

5.251

Fünfter Teil Rz. 5.251 | Kreditgeschäft

Ende des prognostizierten Sanierungszeitraums so viele „echte“ Daten vorhanden, dass der zahlenmäßige Nachweis kein Problem sein dürfte, so dass ggf. die wesentlichen Kernzahlen als Beleg für das Sanierungsende in die Bestätigung mit einfließen können.

5.252

Eine Abschlussbestätigung könnte demzufolge beispielsweise folgende Kernaussagen enthalten: – Beseitigung der wesentlichen Krisenursachen; – mindestens ausgeglichenes Jahresergebnis und mindestens ausgeglichener Netto-Cashflow innerhalb der letzten 12 Monate; – nach der aktuellen und geprüften Planung wird sich voraussichtlich im laufenden und im folgenden Geschäftsjahr die Ertrags- und Liquiditätslage nicht so verschlechtern, dass zukünftig nicht zumindest ein ausgeglichenes Jahresergebnis und ein ausgeglichener NettoCashflow erzielt werden; – voraussichtlich durchgängig gesicherte Arbeitsliquidität im laufenden und im folgenden Geschäftsjahr; – eine Gefährdung der Rückzahlungsansprüche der Gläubiger kann mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden; – abschließende Stellungnahme, dass nach Auffassung des Bestätigers das Unternehmen durchgreifend saniert ist. e) Die Abschlussbestätigung in der praktischen Umsetzung aa) Ersteller der Bestätigung

5.253

Ersteller der Bestätigung sollte der üblicherweise die Sanierung begleitende Fachmann sein, der dazu vom Unternehmen beauftragt wird1. Natürlich könnte auch das Unternehmen – ähnlich wie ein Kreditinstitut dies für sich machen muss – beurteilen, ob seine Sanierung erfolgreich beendet ist. Wegen der mit der Abschlussbestätigung gewollten unabhängigen Bestätigung erscheint dies nicht sinnvoll, zumal es möglicherweise eine sehr positive Sichtweise einnimmt, um den Sanierungspfad verlassen zu können. Wie bei der Erstellung eines Sanierungskonzepts sollte ein unabhängiger und fachkundiger Dritter die Beurteilung des Sanierungsendes vornehmen. bb) Absprache erforderlich

5.254

Da es keine rechtlich zwingende Notwendigkeit für die Vorlage einer Abschlussbestätigung gibt, bedarf es einer besonderen Absprache zwischen dem Unternehmen und einem Kreditinstitut, dem es auf eine einschlägige Abschlussbestätigung ankommt. Andernfalls kann eine Verpflichtung zu ihrer Vorlage durch das Unternehmen nicht begründet werden. Das Kreditinstitut selbst sollte ebenso wie bei einem Sanierungskonzept keine Beauftragung vornehmen wollen, da es z.B. schon keinen Zugriff auf die relevanten Daten gewährleisten kann (dazu Rn. 5.185). Hinsichtlich der Haftung des Erstellers der Abschlussbestätigung sollten die gleichen Grundsätze wie beim Sanierungskonzept gelten (vgl. Rn. 5.193 f.). Aus praktischen Er1 Ist ausnahmsweise kein Sanierungsberater mehr an Bord, ist ein anderer geeigneter Fachmann zu beauftragen, falls eine Abschlussbestätigung auch in diesem Fall vom Unternehmen einzuholen ist.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.256 Fünfter Teil

wägungen sollte ein Kreditinstitut, das eine Sanierungsabschlussbestätigung erhalten möchte, dies bereits in seinen Anforderungen an das Unternehmen zu Beginn der Sanierung artikulieren (vgl. Rn. 5.198). An dieser Stelle sei allerdings nochmals festgehalten, dass sich das Kreditinstitut nicht auf die Bestätigung verlassen darf, sondern sie bzw. das in ihr abgebildete Ergebnis zumindest plausibilisieren und mit den eigenen Erkenntnissen abgleichen muss.

9. Besicherung des Sanierungskredits Sind die Erfolgsaussichten der Sanierung nach fachkundiger Prüfung bejaht worden, kann das Kreditinstitut sich für den Sanierungskredit aus dem Vermögen des Kunden auch Sicherheiten in angemessenem Umfang bestellen lassen. Scheitert die Sanierung und kommt es zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, so unterliegt diese Sicherheitenbestellung grundsätzlich nicht der Insolvenzanfechtung, da es sich um ein Bargeschäft handelt (vgl. Rn. 6.110 ff.)1; eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung, die trotz des Bargeschäftscharakters eine Anfechtung allerdings nur noch unter den Voraussetzungen der § 142 Abs. 1, § 133 Abs. 1–3 InsO ermöglichen würde, liegt bei Durchführung einer ordnungsgemäßen Sanierungsprüfung nicht vor2. Die Rechtsprechung gesteht dem Kreditinstitut für diesen Fall einen „anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen“3 zu. Kommt der Besicherung allerdings (ausnahmsweise) ein höherer Wert zu als die Kredithöhe beträgt, können die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden und es kann ggf. zur Insolvenzanfechtung des überschießenden Sicherheitenteils kommen. Dabei kann es nur auf den Nominalwert des Kredites ankommen, nicht aber darauf, welchen wirtschaftlichen Wert er für den Verfahrensschuldner und sein Vermögen hatte, oder zu letzterem anders: War zu erwarten oder bestand begründete Aussicht, dass mit dem Kredit das Unternehmen des Verfahrensschuldners gerettet werden könnte oder wenigstens eine werterhaltende Fortführung des Unternehmens bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermöglicht würde, so soll der wirtschaftliche Wert dem Nominalwert gleichgesetzt werden; war dagegen ein Sanierungsversuch von vornherein aussichtslos oder war voraussehbar, dass die Fortführung des Unternehmens nur zu weiteren Verlusten führt, die durch eine Unternehmensveräußerung im Insolvenzverfahren nicht auszugleichen sind, so habe der Kredit keinen wirtschaftlichen Wert oder jedenfalls einen geringeren als die Sicherheit, so dass eine unmittelbare Benachteiligung angenommen werden müsse4. Durch das (positive) Sanierungskonzept ist zum einen die „Rettungschance“ dokumentiert; zum anderen verkennt diese Ansicht, dass für den Kreditnehmer der Kredit stets den Nominalwert besitzt und es für ihn wirtschaftlich ohne Bedeutung ist, wie Forderungen gegen ihn auf dem Markt bewertet werden.

5.255

Auch stellt die Besicherung kein Bankrottdelikt (§§ 283 ff. StGB) dar. Schon der objektive Tatbestand ist nicht gegeben5. Eine Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) liegt nicht vor, weil dieser Sondertatbestand nur Gläubiger eines bereits bestehenden Anspruchs betrifft6. Ein Beiseiteschaffen von Vermögenswerten (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder eine Verringerung des Vermögensstands entgegen den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft (§ 283 Abs. 1

5.256

1 2 3 4

S. ferner Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31 Rn. 88. Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 88. Vgl. z.B. nur BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 14). Henckel in Jaeger, InsO, 2008, § 142 Rn. 42; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 132 Rn. 17; a.A. Kayser/Freudenberg in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 132 Rn. 15. 5 Tiedemann ZIP 1983, 513 (514 ff.); s. auch Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 283 Rn. 3 ff. 6 BGH v. 22.6.2022 – 2 StR 353/21, ZInsO 2022, 2580 (2581, Rn. 13); Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 283c Rn. 2; Tiedemann ZIP 1983, 513 (516).

Huber | 893

Fünfter Teil Rz. 5.256 | Kreditgeschäft

Nr. 8 StGB) scheiden aus, da es sich nur um eine Vermögensumschichtung handelt1. Werden die Sicherheiten zum Teil auch für die Deckung von Altkrediten verwendet, so ändert dies nichts an der oben dargelegten Straflosigkeit2.

10. Die Relevanz des Sanierungskonzepts für weitere Sanierungsfinanzierungsoptionen 5.257

Neben dem Sanierungskredit gibt es weitere praxisrelevante Optionen für eine Finanzierung des kriselnden Unternehmens; es stellt sich wiederum die Frage nach der Relevanz eines Sanierungskonzepts für diese Optionen3: a) Auszahlung eines außerhalb der Krise gewährten Kredits

5.258

Soweit es um die Auszahlung eines bereits außerhalb einer Krise gewährten Kredits und damit nicht um einen (erst in der Krise zu entscheidenden) Sanierungskredit geht, kommt das Kreditinstitut nur seinen vertraglichen Verpflichtungen nach, denen es sich nur entziehen kann, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt und die Kündigung ausgesprochen wird oder die Inanspruchnahme aus anderen (vertraglichen) Gründen verweigert werden kann. Ein Sanierungskonzept ist nicht erforderlich. b) Prolongation

5.259

Bei einer Prolongation, also der Laufzeitverlängerung von befristeten Krediten mit und ohne Hereinnahme von Sicherheiten, stellt es sich etwas anders dar. Erfolgt sie in einer Überbrückungsphase, gelten die Ausführungen zum Überbrückungskredit entsprechend (vgl. Rn. 5.199 ff.). Wie es ansonsten aussieht, ist eher ungeklärt:

5.260

Nach der Rechtsprechung des BGH dürfte wegen des übereinstimmenden Parteiwillens bei einer Prolongation, mit der alleine das Kapitalnutzungsrecht verlängert bzw. aufrechterhalten wird, nur eine Änderung und keine Novation des Kreditvertrags vorliegen4. Wenn das Kreditinstitut dies zu Sanierungszwecken macht und keine (zusätzlichen) Sicherheiten hereinnimmt, dürfte ein Sanierungskonzept nicht erforderlich sein. Soweit ein Gläubiger eine Gefährdung darin sehen sollte, dass das Kreditinstitut seinen Kredit „eigennützig“ zumindest aufrechterhalten hat, ist richtig, dass ein Kreditinstitut mit der Prolongation versucht, seine Rückführungschancen hinsichtlich des gewährten Kredits zu verbessern. Dagegen steht aber, dass es mit der Prolongation den kriselnden Unternehmenskunden in seinem Sanierungsversuch unterstützen will, das Kreditinstitut über die Chancenverbesserung hinaus nichts5 erlangt und die Alternative in einem fälligen Anspruch mit für die Sanierung im Zweifel negativen Auswirkungen liegen dürfte. Demzufolge dürfte sich ein Kreditinstitut damit überwiegend fremdnützig verhalten, so dass die oben im Einzelnen genannten Voraussetzungen der Rechtsprechung für die Vorlage eines Sanierungskonzepts nicht erfüllt sind. 1 Hadamitzky in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, Anh. XI, § 283 StGB Rn. 32 u. Rn. 69. 2 Str., vgl. Tiedemann ZIP 1983, 513 (516). 3 Vgl. dazu auch Huber NZI 2015, 489 (493 f.). 4 Vgl. BGH v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, ZIP 2011, 16 = WM 2011, 23 (26, Fn. 28 m.w.N.). 5 Natürlich erhöhen sich insgesamt die zu erbringenden Zinsen, aber dies ist bei einem Sanierungsszenario zum einen von deutlich untergeordnetem Interesse und zum anderen kein Beweggrund für eine Prolongation.

894 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.264 Fünfter Teil

Bei der Hereinnahme von zusätzlichen Sicherheiten ist dagegen von Eigennützigkeit im Sinne der Rechtsprechung auszugehen, so dass die Einhaltung der einschlägigen Anforderungen bzw. die vorherige Vorlage eines Sanierungskonzepts geboten ist.

5.261

c) Stundung Die Stundung, also das Hinausschieben der Fälligkeit z.B. einer anstehenden Tilgungsrate oder zu erbringenden Zinsen, ist einerseits ähnlich wie die Prolongation zu sehen, andererseits geht es dabei nicht um den Kreditvertrag als solchen, sondern nur um das „Schieben“ einer fälligen oder demnächst fällig werdenden Forderung. In einem Sanierungskontext dürfte ebenfalls eher von fremdnützigem Handeln auszugehen sein – und nach außen hin kann eine Stundung auch nicht als weitere Zur-Verfügung-Stellung eines Kredits angesehen werden.

5.262

frei

5.263

11. „Neue Finanzierung“ nach § 12 StaRUG a) Voraussetzungen einer Restrukturierungsfinanzierung, auch aus Sicht eines Kreditinstituts Eine Restrukturierung nach dem StaRUG verlangt die drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens sowie eine Anzeige an das Restrukturierungsgericht nach § 31 Abs. 1 StaRUG. Damit wird die Restrukturierungssache rechtshängig (§ 31 Abs. 3 StaRUG) und erst dann können die gesetzlich vorgegebenen Sanierungsinstrumente in Anspruch genommen werden bzw. eine „neue Finanzierung“ nach § 12 StaRUG in Betracht kommen. Die gesetzlich gebundene Restrukturierung richtet sich ausschließlich an den Schuldner, d.h. nur ein kriselndes Unternehmen kann den Antrag beim Restrukturierungsgericht stellen und auch erst dann befindet es sich „formal“ in der Restrukturierung. In der Zeit vor dem Antrag kann es also alleine Vorbereitungshandlungen geben oder es geht um Maßnahmen einer freien Sanierung. Ein Gläubiger wie z.B. ein Kreditinstitut mit Darlehensforderungen kann von sich aus diesbezüglich nicht aktiv werden, also – um eine Restrukturierungssache in die Wege zu leiten – insbesondere nicht einen Antrag beim Restrukturierungsgericht stellen. Wegen des ausschließlich beim Unternehmen liegenden Initiativrechts für eine Restrukturierung ist das Kreditinstitut auf eine rechtzeitige Information durch den Schuldner angewiesen, wobei der Schuldner seinen Restrukturierungsweg sowie die dafür ggf. vorgesehenen Instrumente des StaRUG benennen sollte. Das Kreditinstitut kann dann im Einzelnen einschätzen, wie es „betroffen“ sein wird bzw. – und das ist der Focus nachstehend – ob es für (gewünschte) neue Finanzierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen will. Neben einer neuen Finanzierung nach § 12 StaRUG kann es nach Antragstellung im Zeitraum der Verhandlungen ebenfalls Finanzierungsbedarf geben. Diese Überbrückungsfinanzierung, die in der Terminologie des StaRUG bzw. der zugrunde liegenden EU-Richtlinie „Zwischenfinanzierung“ heißt, wird weiter unten erörtert (s. Rn. 5.270 ff.). Kommt es zum ungünstigsten Fall, dass ein Kreditgläubiger von der Beantragung einer Restrukturierung durch ein Unternehmen überrascht wird, dürfte ein solches Agieren kaum sinnvoll sein, wenn es gleichzeitig von diesem Kreditgläubiger frisches Geld benötigt – denn warum sollte sich ein Kreditinstitut damit beschäftigen, wenn es vor vollendete Tatsache gestellt und nicht rechtzeitig eingebunden wird?

Huber | 895

5.264

Fünfter Teil Rz. 5.265 | Kreditgeschäft

b) Aussagen des StaRUG zur Vermeidung eines Finanzierungsrisikos in der Krise

5.265

Ein Kreditinstitut wird sich bei einer angefragten neuen Finanzierung wie bei einer freien Sanierung fragen müssen, ob es bei einem Eingehen auf diesen Wunsch ein besonderes Risiko eingeht, da der Unternehmenskunde drohend zahlungsunfähig ist und sich die Krisensituation kaum von einer entsprechenden Situation bei der freien Sanierung unterscheiden dürfte. Die gesetzlich gebundene Restrukturierung hat grundsätzlich die gleiche Zielrichtung wie die freie Sanierung; beide „setzen“ auf die Krise „auf“, so dass auch bei einer Restrukturierung für eine Vermeidung der wie bei der freien Sanierung bestehenden Risiken einer Neukreditgewährung an die Beachtung der von der Rechtsprechung aufgestellten Leitplanken bei einer freien Sanierung gedacht werden könnte. Der Gesetzgeber nimmt zwar den „sittenwidrigen Beitrag zur Insolvenzverschleppung“ (§ 89 Abs. 1 StaRUG) in den Blick, greift allerdings die Sanierungskreditrechtsprechung des BGH ansonsten nicht explizit auf und fordert insbesondere nicht ein den Anforderungen der Rechtsprechung genügendes (Sanierungs- bzw. terminologisch richtiger) Restrukturierungskonzept mit positiver Aussage zur Restrukturierungsfähigkeit oder gar einen von einen externen fachkundigen Dritten erstellten bzw. geprüften Restrukturierungsplan, der eine neue Finanzierung im Sinne des § 12 StaRUG enthält. Er verlangt in § 14 Abs. 1 StaRUG nur, dass „dem Restrukturierungsplan ... eine begründete Erklärung zu den Aussichten darauf beizufügen (ist), dass die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch den Plan beseitigt wird und dass die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicher- oder wiederhergestellt wird“.

5.266

Die Regelung in § 89 Abs. 1 StaRUG soll für „Rechtshandlungen, die während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache vorgenommen werden“ für die Anfechtungsthematik und für die bei einem kriselnden Kunden für Kreditinstitute zu beachtende Haftungsthematik „wegen eines Sittenverstoßes (§§ 138, 826 BGB) auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit der Gewährung oder Besicherung von Krediten“1 ... „der Gefahr vorbeugen, dass sich die Geschäftspartner des Schuldners allein durch die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder die Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens abschrecken lassen, ihre Geschäftsbeziehung zum Schuldner fortzuführen oder sich am Restrukturierungsplan zu beteiligen...“2. Der Gesetzgeber sieht also die einschlägig beschriebene Haftungsthematik, „mildert“ eine Haftung wegen sittenwidriger Kreditvergabe aber nur in der Weise ab, dass der Tatvorwurf nicht allein darauf gestützt werden kann, dass die Restrukturierungssache rechtshängig war oder dass der Schuldner Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch nahm3. Damit wird alleine wegen der genannten „besonderen“ Tatumstände ein Schutz für eine neue Finanzierung vorgesehen, ohne dass andere Umstände, die Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit der Gewährung oder Besicherung von Krediten waren, ebenfalls Berücksichtigung finden. Dies allein dürfte es für ein Kreditinstitut bei einer gewünschten neuen Finanzierung im Rahmen einer Restrukturierung nach dem StaRUG angeraten erscheinen lassen, die für die freie Sanierung entwickelte Sanierungskreditrechtsprechung zu beachten und sich ein fachgerechtes Restrukturierungskonzept vorlegen zu lassen.

5.267

Allerdings könnte wegen der Bestimmung in § 14 Abs. 1 StaRUG gefragt werden, ob es auch für eine neue Finanzierung ausreichen kann, „dem Restrukturierungsplan ... eine begründete 1 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. 2 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 181. 3 So Wilkens WM 2021, 573 (583).

896 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.268 Fünfter Teil

Erklärung zu den Aussichten darauf beizufügen, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch den Plan beseitigt wird und dass die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicher- oder wiederhergestellt wird“ und dadurch ein klassisches Restrukturierungskonzept zu „sparen“. Nach dem Gesetzgeber soll § 14 Abs. 1 StaRUG „... der Umsetzung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe h Satz 1 der Richtlinie (dienen), wonach der Plan eine Begründung enthalten muss, aus der sich ergibt, wie sich auf Grundlage des Plans die Insolvenz verhindern und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens gewährleisten lässt“1. Weiteres und vorallem was der Gesetzgeber unter „Bestandsfähigkeit“ versteht, lässt sich weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung entnehmen2. Auch die Restrukturierungsrichtlinie hilft kaum weiter; allerdings postuliert sie (nur) für den Schutz von Zwischenfinanzierungen, dass sie „für die Fortsetzung des Betriebs oder das Überleben des Unternehmens des Schuldners oder für die Erhaltung oder Steigerung des Wertes dieses Unternehmens bis zur Bestätigung des Plans nach vernünftigem Ermessen unverzüglich erforderlich“ sein müssen3 und indiziert damit ähnlich wie bei einer Überbrückungsfinanzierung in der freien Sanierung eine Zweckgerichtetheit auf ein sanierungsfähiges Unternehmen, das bis zum Abschluss der Planverhandlungen für das weitere Überleben bzw. sogar die Erhaltung oder Steigerung des Unternehmenswertes eine Finanzierung benötigt. Dies mag nur ein kleiner Fingerzeig sein, der zumindest einen Hinweis auf das Verständnis der Restrukturierungsrichtlinie als auch des StaRUG gibt, worauf es bei der Restrukturierung ankommen muss: es geht um ein zumindest überlebensfähiges Unternehmen, das sich im Stadium „vor“ der Planbestätigung befindet und das nur wegen eines vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln wegen der erfolgversprechenden Restrukturierungssituation („ nach vernünftigem Ermessen ... erforderlich“4) nicht fallen gelassen werden soll. Eine Restrukturierung wird wie eine freie Sanierung nur erfolgreich sein werden, wenn die Krisenursachen erkannt und anschließend „beseitigt“ werden; zwar mag die Restrukturierung ursprünglich eher auf die finanzielle Struktur des kriselnden Unternehmens gerichtet sein, was aber nichts daran ändert, dass eine Restrukturierung nur gelingen kann, wenn sämtliche Krisenursachen beseitigt werden. Damit kann es bei einer Restrukturierung nicht anders als bei einer Sanierung nur darum gehen, wie der Weg aus der Krise heraus und die erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen aufgezeigt werden, damit das überlebensfähige Unternehmen wieder „normal am Markt“ teilnehmen kann. c) Fachgerechtes Restrukturierungskonzept? Einen fundierten Weg dazu hat die Rechtsprechung für die freie Sanierung aufgezeigt, damit der Schuldner anhand eines fachgerechten Sanierungskonzepts die „Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit“ erreicht, weil andernfalls „die Finanzierung des Unternehmens auch künftig nicht stabil ist“, da „die bei Unternehmensfortführung zu verdienen1 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120. 2 Steffan/Oberg/Poppe ZIP 2021, 617, 621. 3 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172/30 v. 26.6.2019 (ErwGr 68). 4 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172 v. 26.6.2019, S. 30 (ErwGr 68).

Huber | 897

5.268

Fünfter Teil Rz. 5.268 | Kreditgeschäft

den Gelder weiterhin nicht ausreichen werden, um die anfallenden Kosten zu decken“ und somit „der (erneute) Zusammenbruch des Unternehmens bereits absehbar ist“1. Zum anderen stellt der BGH zu den Umstrukturierungsmaßnahmen fest bzw. hält es für erforderlich, dass „nach ihrer Durchführung für das Unternehmen wieder Erfolgsaussichten bestehen und die Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit wiederhergestellt werden kann“2. Wenn die Rechtsprechung dieses als Ziel für eine freie Sanierung vorgibt, ist erst einmal kein großer Unterschied zu der in § 14 Abs. 1 StaRUG verlangten „Erklärung zur Bestandsfähigkeit“ zu sehen, die in dürren Worten ebenfalls die Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit verlangt sowie die Sicherung oder Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit. Unter der Prämisse einer erfolgreichen Restrukturierung kann dies in der Diktion des BGH nichts anders sein als die Sicherung oder Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens (ein nicht rentabel arbeitendes Unternehmen macht Verlust(e) und wird sehr schnell wieder in die Abwärtsspirale geraten) sowie wieder bestehende Erfolgsaussichten. Wenn ergänzend auf die vom BGH erst in jüngerer Vergangenheit wieder herausgestellten „Knackpunkte“ für ein fachgerechtes Sanierungskonzept rekurriert wird (vgl. ausführlich Rn. 5.159 ff.), kann dies ohne Weiteres auf ein Restrukturierungskonzept übertragen werden. Im Übrigen hat der BGH auch deutlich gemacht, dass eine rein finanzielle Restrukturierung auch Grundlage einer Sanierung sein kann – im Regelfall recht sie alleine aber nicht aus – und dafür ein Sanierungskonzept benötigt wird, das dann im Zweifel nicht so umfassend sein wird. Die besseren Argumente für ein Kreditinstitut, das eine neue Finanzierung nach § 12 StaRUG gewähren will, sprechen also dafür, dass es sich – analog wie bei einer freien Sanierung – ein fachgerechtes Restrukturierungskonzept geben lassen sollte. Ein Fingerzeig aus dem StaRUG dürfte dies untermauern: In § 63 Abs. 2 StaRUG ist die Bestätigung für einen Restrukturierungsplan, der eine neue Finanzierung nach § 12 StaRUG vorsieht, zu versagen, wenn das dem Plan „zugrundeliegende Restrukturierungskonzept“ unschlüssig ist oder wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass „das Konzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine begründete Aussicht auf Erfolg vermittelt.“ Zumindest die Tatbestandsvoraussetzungen des „Ausgehens von den tatsächlichen Gegebenheiten“ sowie die „begründete Aussicht auf Erfolg“ sind wesentliche Elemente der Sanierungskreditrechtsprechung bzw. der dort gezogenen Vorgaben für ein fachgerechtes Sanierungskonzept: ohne eine Ursachenforschung nach der Krise anhand der tatsächlichen Gegebenheiten (dazu Rn. 5.160) leidet ein Sanierungs- und auch ein Restrukturierungskonzept mangels korrekter Tatsachenbasis an einem Kardinalfehler und nur wenn es „eine ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg“3 ausweist, kann ein Sanierungsund auch ein Restrukturierungskonzept vom Unternehmen und damit auch von den Gläubigern nach der Rechtsprechung als fachgerecht akzeptiert werden.

5.269

Festzuhalten ist also nach alledem, dass es auch zur Vermeidung der bei einer fehlgeschlagenen Restrukturierung ähnlichen Risiken wie bei einer fehlgeschlagenen Sanierung ein Kreditinstitut sich vor der Entscheidung über eine neue Finanzierung gemäß § 12 StaRUG ein fachgerechtes Restrukturierungskonzept vorlegen lassen sollte, das in Voraussetzungen, Struktur, Inhalt und Handling etc. einem Sanierungskonzept wie bei einer freien Sanierung entspricht. Insoweit kann also auf die Ausführungen zum fachgerechten Sanierungskonzept als Grundlage eines Sanierungskredits verwiesen werden. Anhand dieses fachgerechten Restrukturie-

1 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185 f., Rn. 30); s. auch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (536, Rn. 84). 2 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1186, Rn. 36). 3 Z.B. BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276 = NJW-RR 1993, 238 (241); ähnlich BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (535, Rn. 75).

898 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.271 Fünfter Teil

rungskonzepts kann das Kreditinstitut nach der Prüfung wie bei einem Sanierungskonzept somit eine „taugliche“ neue Finanzierung nach § 12 StaRUG gewähren. d) Finanzierung zur Überbrückung des Zeitraums bis zum Plan („Zwischenfinanzierung“) Bei einer Restrukturierung nach dem StaRUG kann es wie bei der freien Sanierung zu dem Problem kommen, dass die Restrukturierung nicht ohne eine Überbrückungsfinanzierung durchführbar ist. Der Gesetzgeber hat lediglich für eine „neue Finanzierung“ in § 12 StaRUG eine explizite gesetzliche Regelung getroffen, nicht aber für einen davor liegenden, ggf. zu überbrückenden Zeitraum. In die dem StaRUG zugrunde liegende EU-Richtlinie („RL“)1 hat dagegen eine Überbrückungsfinanzierung ausdrücklich Eingang gefunden; sie wird in Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 RL als „Zwischenfinanzierung“ legaldefiniert als „von einem bestehenden oder einem neuen Gläubiger bereitgestellte neue finanzielle Unterstützung, die mindestens finanzielle Unterstützung während der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen umfasst sowie angemessen und unverzüglich notwendig ist, damit das Unternehmen des Schuldners seinen Betrieb fortsetzen kann oder um den Wert dieses Unternehmens zu erhalten oder zu steigern“; ferner wird in Art. 17 RL ein „Schutz für neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen“ geregelt2. Eine neue Schutzregelung (auch) für Zwischenfinanzierungen hat der (deutsche) Gesetzgeber „an sich“ nicht für erforderlich gehalten, da den in Art. 17 RL genannten Anforderungen an einen Schutz „das deutsche Recht (genügt)“3. Lediglich eine „klarstellende Regelung“ sollte mit § 89 Abs. 1 StaRUG geschaffen werden, „welche es ausschließt, dass den Beteiligten schon die Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens anfechtungs- oder haftungsrechtlich zum Nachteil gereicht“4. Und in § 89 Abs 2 StaRUG sollte „für die seltenen Fälle, in denen der Schuldner seine Insolvenzreife anzeigt und das Gericht die Restrukturierungssache nicht aufhebt, ... zudem geregelt werden, dass allein die Kenntnis von der Insolvenzreife nicht die Annahme eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes oder die Kenntnis eines solchen trägt“5.

5.270

Demzufolge sollte eine Zwischenfinanzierung nach dem StaRUG nur gewährt werden, wenn diese für die Überbrückung eines Zeitraums bis zur Implementierung des Restrukturierungsplans erforderlich ist und die Finanzierung auch alleine der Überbrückung dient. Grundsätzlich gelten also die Grundsätze, wie sie für einen Überbrückungskredit bei einer freien Sanierung entwickelt worden sind (vgl. Rn. 5.199 ff.), bei der Zwischenfinanzierung sinngemäß6.

5.271

1 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172 v. 26.6.2019, S. 18. 2 S. auch Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172 v. 26.6.2019, S. 30 f. (ErwGr 66 ff.). 3 So RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 213. 4 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 213. 5 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 213 f. 6 S. auch Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 7 und § 89 Rn. 14 ff.

Huber | 899

Fünfter Teil Rz. 5.271 | Kreditgeschäft

Werden sie berücksichtigt, kann von einer unbedenklichen „fachgerechten“ (s. Rn. 5.211) Zwischenfinanzierung ausgegangen werden.

5.271a

Die Zwischenfinanzierung nach dem StaRUG bzw. auch ihr Schutz nach § 89 Abs. 1 StaRUG verlangt, dass die Restrukturierungssache rechtshängig ist, wenn eine Zwischenfinanzierung gewährt wird1. Ist (wohl eher ausnahmsweise) eine Überbrückungsfinanzierung außerhalb bzw. vor einer rechtshängigen Restrukturierungssache vorgesehen, die möglicherweise nach der Gewährung auch für eine Restrukturierung verwendet werden soll, dürfte von einer fachgerechten Überbrückungs- bzw. Zwischenfinanzierung wiederum nur bei Beachtung der Grundsätze, wie sie für einen Überbrückungskredit bei einer freien Sanierung entwickelt worden sind, auszugehen sein. e) Arten von neuen Finanzierungen

5.272

Nach § 12 Satz 1 StaRUG wird eine neue Finanzierung als „Darlehen oder sonstiger Kredit“ legaldefiniert; nach § 12 Satz 2 StaRUG gilt als neue Finanzierung „auch deren Besicherung“. Es soll mit dieser Regelung „im Einklang mit Artikel 2 Absatz 1 Nummer 7, 8 Absatz 1 Buchstabe g Ziffer vi der Richtlinie klar(gestellt werden), dass in den Plan auch Bestimmungen über die Finanzierung des Restrukturierungsvorhabens aufgenommen werden können“2; diese wenigen Worte lassen allerdings ungeklärt, welche Arten von Finanzierungen in den Restrukturierungsplan aufgenommen werden können3. Lassen sich dem genannten Richtlinientext insoweit auch keine neuen Erkenntnisse dazu entnehmen, hilft doch die Begründung: danach soll der Begriff der finanziellen Hilfen „im weiteren Sinne“ verstanden werden und Folgendes miteinschließen: Bereitstellung von finanziellen Mitteln oder Bürgschaften Dritter sowie von Waren, Vorräten, Rohstoffen und Versorgungsdienstleistungen, zum Beispiel dadurch, dass dem Schuldner ein längerer Rückzahlungszeitraum gewährt wird“4. Von diesem Verständnis werden die von einem Kreditinstitut gewährten (Bar bzw. Haftungs-)Kredite ohne Weiteres umfasst, wobei die vertragliche Ausgestaltung dem Kreditnehmer und dem Kreditinstitut frei steht5.

5.273

Während Prolongationen und Stundungen ursprünglich ebenfalls als „neue Finanzierung“ im Gesetzestext einbezogen sein sollten, ist diese Einbindung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wieder entfallen6. Da bei einer Prolongation oder einer Stundung bereits ein Darlehensvertrag besteht, kann unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 StaRUG eine Gestaltung vertraglicher Nebenbestimmungen bei kollektiven Finanzierungsverträgen in Betracht kommen; unbeschadet der Frage, ob der Restrukturierung ein fachgerechtes Restrukturierungskonzept zugrunde liegt, ist in diesem Fall eine Privilegierung nach § 90 StaRUG anzunehmen7. Ob bestehende Einzeldarlehensverträge dagegen „eher nicht zum Werkzeugkasten der 1 2 3 4

Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 89 Rn. 2. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120. Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 8. Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172 v. 26.6.2019, S. 30 (ErwGr 66). 5 Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 10. 6 Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 14. 7 Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 14.

900 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.276 Fünfter Teil

Restrukturierung gehören sollen“1, erscheint zumindest fraglich, denn der Richtliniengesetzgeber hat als Beispiel für eine finanzielle Hilfe auch genannt, „dass dem Schuldner ein längerer Rückzahlungszeitraum gewährt wird“2. Demzufolge ist anzunehmen, dass eine Prolongation oder eine Stundung als Maßnahme einer Zwischenfinanzierung nach den dafür geltenden Regeln zu behandeln ist (vgl. dazu Rn. 5.270 ff.) und sie wegen des geäußerten Willens des Richtliniengesetzgebers ebenfalls als neue Finanzierung i.S.d. § 12 StaRUG eingeordnet werden können. Als neue Finanzierung gilt nach § 12 Satz 2 StaRUG ebenfalls die Besicherung einer neuen Finanzierung3. Umfasst werden die Gestellung von Personal-und Sachsicherheiten für eine neue Finanzierung, zum Beispiel die Eingehung einer Mithaftung zur Absicherung eines Kredits4. Regelmäßig dürfte eine erforderliche Besicherung auch Bestandteil des Restrukturierungskonzepts sein, was wiederum wie bei der freien Sanierung zur Haftungsminimierung führt.

5.274

f) Aufnahme in den Plan und Erforderlichkeit der neuen Finanzierung Damit ein Darlehen oder ein sonstiger Kredit als neue Finanzierung i.S.d. § 12 StaRUG gelten kann, verlangt die Norm zum einen die Aufnahme in den Restrukturierungsplan und zum andern die Erforderlichkeit „zur Finanzierung der Restrukturierung auf der Grundlage des Plans“.

5.275

Mit der Aufnahme in den Restrukturierungsplan wird die neue Finanzierung ein Bestandteil des Plans, über den die Planbetroffenen abzustimmen haben5. Keinen Eingang in den Gesetzestext gefunden hat dagegen die Vorgabe aus Art. 10 Abs. 1 b der EU-Richtlinie, dass ein Restrukturierungsplan, der eine neue Finanzierung vorsieht, für die Parteien nur verbindlich wird, wenn er vom Restrukturierungsgericht bestätigt wird; nach dem StaRUG könnte also entgegen der Richtlinienvorgabe ein Restrukturierungsplan auch ohne eine gerichtliche Bestätigung für die Parteien verbindlich sein, denn alleine der Schuldner ist der „Herr“ des Verfahrens und damit auch (nur) derjenige, der einen Antrag auf gerichtliche Bestätigung stellen kann6. Zwar dürfte es sich bei diesem Umsetzungsdefizit7 um eine der Schnelligkeit des Gesetzesverfahrens geschuldete und möglicherweise im Wege der (europarechtskonformen) Auslegung zu schließende Lücke handeln, da der Gesetzgeber des StaRUG in § 63 Abs. 2 StaRUG hinreichend deutlich den Restrukturierungsplan, der eine neue Finanzierung vorsieht, mit einer Bestätigung verknüpft, die dann zu versagen ist, wenn die genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind; das bedeutet im Umkehrschluss, dass nach dem Gesetzgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen die Bestätigung zu erteilen ist, was im Gesamtzusammenhang nur Sinn

5.276

1 Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 15; wohl auch Jungmann WM 2022, 353 (358 f.). 2 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172 v. 26.6.2019, S. 30 (ErwGr 66). 3 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120; Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 17; kritisch dazu Smid in Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 9. 4 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120. 5 Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 21. 6 Jungmann WM 2022, 353 (354). 7 Jungmann WM 2022, 353 (354 m.w.N.).

Huber | 901

Fünfter Teil Rz. 5.276 | Kreditgeschäft

macht, wenn bei einer neuen Finanzierung entsprechend der EU-Vorgabe eine gerichtliche Bestätigung oder deren Versagung zwingend erforderlich ist. Um allerdings die mit diesem Umsetzungsdefizit verbundenen Risiken – z.B. verlangt § 90 StaRUG für die Anfechtungsprivilegierung einen „rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplan“ – bei einer neuen Finanzierung nicht bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung oder einer gesetzlichen Anpassung tragen zu müssen, erscheint der von Jungmann gemachte Vorschlag1 eines „echt bedingten“ Restrukturierungsplans als zielführend. Danach sollte ein Restrukturierungsplan vorsehen, dass zumindest die neue Finanzierung, möglicherweise auch der Restrukturierungsplan insgesamt auf die gerichtliche Bestätigung bedingt ist, so dass ein Restrukturierungsplan durch diese privatautonome Regelung für die Parteien nur verbindlich wird, wenn er vom Restrukturierungsgericht bestätigt worden ist2.

5.277

Nach Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 e der EU-Richtlinie sollen die Voraussetzungen, unter denen ein Restrukturierungsplan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt werden kann, genau festgelegt sein und u.a. „eine etwaige neue Finanzierung, die zur Umsetzung des Restrukturierungsplans erforderlich ist und die Interessen der Gläubiger nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt“ enthalten. Diese Vorgabe wollte der Gesetzgeber mit § 63 Abs. 2 StaRUG umsetzen3. Während die Erforderlichkeit in § 12 Satz 1 StaRUG genannt wird, regelt § 63 Abs. 2 StaRUG, dass die Bestätigung eines Restrukturierungsplans, der eine neue Finanzierung vorsieht, zu versagen ist, wenn das dem Plan zugrunde liegende Restrukturierungskonzept unschlüssig ist oder Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das Restrukturierungskonzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine begründete Aussicht auf Erfolg vermittelt. Ferner sind gemäß Nr. 8 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG die Gründe für die Erforderlichkeit der neuen Finanzierung im darstellenden Teil des Restukturierungsplans zu erläutern und zu begründen4. Dass § 63 Abs. 2 StaRUG allein keine vollständige Umsetzung der genannten EU-Vorgabe ist, dürfte offensichtlich sein5. Die Erforderlichkeit einer neuen Finanzierung ist aber ausreichend umgesetzt. Erforderlich dürfte eine neue Finanzierung immer dann sein, wenn sie auf der Grundlage des schlüssigen Restrukturierungskonzepts und des hierauf aufbauenden Plans der Restrukturierung zum Erfolg verhelfen kann; sie kann also zum einen der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit dienen, zum anderen aber auch der Finanzierung der im Plan vorgesehenen Restrukturierungsmaßnahmen6. Insoweit ist stets ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzugestehen, so dass es zu eng erscheint, die Erforderlichkeit einer neuen Finanzierung nur dann als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, wenn ohne eine neue Finanzierung keine Aussicht auf Erfolg bestünde und die gerade zur Abstimmung vorgelegte neue Finanzierung die „beste“ Option sein muss7. Die Interessen der Gläubiger sind sicherlich in unangemessener Weise beeinträchtigt, wenn das Restrukturierungskonzept unschlüssig ist oder Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das Restrukturierungskonzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine begründete Aussicht auf Erfolg vermittelt (§ 63 Abs. 2 StaRUG). In dem Fall fehlt dem Plan nach § 63

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Jungmann WM 2022, 353. Ausführlich dazu Jungmann WM 2022, 353 (354 f.). RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120; Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 19. Jungmann WM 2022, 353 (356). Tashiro in Braun, StaRUG, 2021, § 12 Rn. 20. So Jungmann WM 2022, 353 (358).

902 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.280 Fünfter Teil

Abs. 2 StaRUG – wie bereits erwähnt – die Bestätigungsfähigkeit1. Ob es darüber hinaus aus der Vorgabe der EU-Richtlinie weitere zwingende Maßstäbe gibt, die eine neue (erforderliche) Finanzierung als die Gläubigerinteressen in unangemessener Weise beeinträchtigend anzusehen sind2, erscheint bei banküblichen – erforderlichen (!) – Finanzierungen zumindest als fraglich. Ein Kreditgeber sollte eine neue Finanzierung – und da schließt sich der Kreis – nicht ohne ein fachgerechtes Restrukturierungskonzept gewähren, um die – von sachkundigen Dritten geprüfte – Erforderlichkeit der neuen Finanzierung ebenso belegen zu können wie die fehlende unangemessene Beeeinträchtigung von Gläubigerinteressen; nichts anderes kann von ihm verlangt werden, um die Privilegien des StaRUG für eine gesetzeskonforme neue Finanzierung in Anspruch nehmen zu können. Zu beachten ist, dass es nach dem StaRUG keine Möglichkeit gibt, die neue Finanzierung so zu privilegieren, dass in einem späteren Insolvenzverfahren die Forderungen des Kreditinstituts als Masseforderungen eingeordnet werden können.

5.278

12. Folgen unterlassener Prüfung Hat das Kreditinstitut bei bzw. vor einer Kreditgewährung in der Krise nicht die von der Rechtsprechung geforderte sorgfältige Prüfung des Sanierungs- oder Restrukturierungskonzepts bzw. der Vermögensverhältnisse des Unternehmens durchgeführt, können sich die oben genannten Risiken realisieren. Da das entsprechende Verhalten von der Rechtsprechung grundsätzlich als sittenwidrig angesehen wird, sind der Kredit- und ein etwaiger Sicherungsvertrag nach § 138 BGB nichtig. Der Insolvenzverwalter kann also Rückgewähr der bestellten Sicherheiten verlangen; der Anspruch des Kreditinstituts ist dagegen als Insolvenzforderung geltend zu machen. Daneben kommen Schadenersatzansprüche des Insolvenzverwalters und dritter Gläubiger in Betracht.

5.279

a) Schadenersatzansprüche des Insolvenzverwalters Zwar kann der Insolvenzverwalter wegen der fehlenden bzw. fehlerhaften Sanierungsprüfung grundsätzlich keine Schadenersatzansprüche nach § 826 BGB geltend machen; diese stehen nach der Rechtsprechung alleine den geschädigten Gläubigern zu3, ferner dürfte die fehlende oder fehlerhafte Prüfung als solche keinen Schaden beim Insolvenzschuldner verursacht haben, zumal man auch fragen kann, ob der Insolvenzschuldner selbst nicht Prüfungs- bzw. Aufklärungspflichten gegenüber dem Kreditinstitut verletzt hat. Hat aber die Bank den durch den vergeblichen Sanierungsversuch gewonnenen Zeitraum benutzt, um ihre Kredite aus Zahlungen von Schuldnern des Kreditnehmers auf sein Konto bei der Bank zurückzuführen, so liegt darin gleichzeitig grundsätzlich eine Verkürzung der Masse. Die Masseverkürzung kann zu Schadenersatzansprüchen der Alt-Insolvenzgläubiger führen, die als Gesamtschaden vom Insolvenzverwalter – bzw. vom Sachwalter in einem Eigenverwaltungsverfahren (§ 280 InsO) – nach § 92 InsO geltend gemacht werden können4; durch die ausschließliche Zuweisung5 der Geltendmachung eines Gesamtschadens an den Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter ist also 1 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120. Zur Unterstützung bei der Prüfung der Bestätigungsfähigkeit kann das Restrukturierungsgericht gemäß § 73 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen. 2 Dazu Jungmann WM 2022, 353 (356 f.). 3 Vgl. auch BAG v. 24.1.1964 – 5 AZR 258/63, BB 1964, 699. 4 Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 2. 5 Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 4.

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5.280

Fünfter Teil Rz. 5.280 | Kreditgeschäft

die Abtretung von Ersatzansprüchen der einzelnen Insolvenzgläubiger ebensowenig erforderlich wie der Nachweis, inwieweit die Quote des Einzelnen verkürzt worden ist1. Der Insolvenzverwalter ist im Rahmen des § 92 InsO nur befugt, einen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger durch die Schädigung der Insolvenzmasse entstandenen Schaden geltend zu machen2. Dagegen steht es ihm nicht zu, Ansprüche zu verfolgen, die nur einzelnen Insolvenzgläubigern gegen Dritte zustehen. Sind die Rückführungsbeträge der Bank (insolvenzfest) abgetreten gewesen, besteht die Masseverkürzung nur in den entgangenen Kostenbeiträgen. Die Masseverkürzung kann weiterhin zu einem Insolvenzanfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters bzw. Sachwalters (§ 280 InsO) führen. Die Ansprüche bestehen unabhängig voneinander. b) Schadenersatzansprüche Dritter

5.281

Für Schadenersatzansprüche Dritter reicht dagegen der Umstand, dass Kreditgewährung und Sicherheitenbestellung sittenwidrig waren, nicht aus. Während bei § 138 BGB auf den Inhalt des geschlossenen Vertrags und auf die leitenden Beweggründe, vor allem die des Kreditinstituts im Hinblick auf den Schuldner, abzustellen ist3, kommt es bei § 826 BGB wesentlich auf das Verhalten des Kreditinstituts gegenüber den Gläubigern des Schuldners an4. Da § 826 BGB nur bei vorsätzlichem Handeln eine Schadenersatzpflicht der Bank begründet, muss dargelegt und bewiesen werden, dass die Bank eine Schädigung der übrigen Gläubiger als möglich erkannt und gebilligt5, d.h., dass sie zumindest ernste Zweifel an dem Gelingen des Sanierungsversuchs hatte6. Liegt ein planmäßiges Zusammenwirken mit eingeweihten Helfern vor, um das wesentliche pfändbare Vermögen des Schuldners dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, kann auch der deliktsrechtliche Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung erfüllt sein7.

5.282

Für einen Schadenersatzanspruch genügt es nicht, dass die Bank die entscheidenden Umstände fahrlässig außer Acht lässt, wenn sie sich z.B. über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nur mangelhaft unterrichtet und sich aus grober Nachlässigkeit der Erkenntnis verschlossen hat, dass Dritte hierdurch Schaden erleiden können8. Dagegen begründet leichtfertiges Verhalten den Schluss auf eine gleichgültige und gewissenlose Haltung gegenüber den Interessen anderer und somit die Annahme bedingt-vorsätzlichen Handelns9; zu bejahen ist dies, wenn die Bank – um der Verantwortung zu entgehen – vor einer erkennbar hoffnungs-

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Zu weiteren Gesichtspunkten vgl. Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 2. Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 9. Dazu BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (232 f.). Explizit BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 (658); vgl. auch BGH v. 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412 = NZI 2001, 541 (542); OLG Köln v. 9.1.2002 – 13 U 22/01, ZIP 2002, 521 = WM 2003, 1070 (1071); OLG Köln v. 3.4.2009 – 6 U 80/08, BeckRS 2010, 03013 (II. 1.). Wagner in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, § 826 Rn. 26 ff. m.w.N.; Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, § 826 Rn. 11. S. auch Wagner in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, § 826 Rn. 30. BGH v. 4.2.2005 – V ZR 294/03, WM 2005, 610 (611); KG v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, WM 2016, 1073 (1074). BGH v. 22.1.1962 – III ZR 198/60, WM 1962, 527 (529); BGH v. 13.5.1958 – VIII ZR 331/56, WM 1958, 845 (846). Wagner in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, § 826 Rn. 31 f.; Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, § 826 Rn. 9.

904 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.285 Fünfter Teil

losen Lage geradezu die Augen verschließt1 und sich durch Unterlassen der Prüfung grob fahrlässig der Erkenntnis entzieht, dass ihr Verhalten zur Knebelung und Gläubigergefährdung führt2. Eine Sittenwidrigkeit scheidet dagegen aus, wenn eine Täuschung Dritter über die Kreditwürdigkeit des Schuldners nicht möglich ist. Die Bank kann unterstellen, dass Dritten die Vermögensverhältnisse des Schuldners bekannt sind, wenn z.B. über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Presse berichtet wurde oder wenn eine außerordentliche Hauptversammlung nach § 92 AktG durch Einladung im (elektronischen) Bundesanzeiger einberufen wurde3. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Dritte diese Veröffentlichungen auch tatsächlich gelesen hat. Handelt es sich bei dem Kreditnehmer um ein neu gegründetes Unternehmen, so müssen dessen Geschäftspartner grundsätzlich davon ausgehen, dass es im Wesentlichen mit fremdem Kapital arbeitet und entsprechende Sicherheiten gestellt hat4. Gesellschafter und Aktionäre des Schuldnerunternehmens, die ihre Beteiligung nach dem Einsetzen der insolvenzverzögernden Maßnahmen erworben und infolge einer Fehleinschätzung der Verhältnisse ein zu hohes Entgelt entrichtet haben, können keinen Schadenersatz wegen Insolvenzverschleppung verlangen, da der Erwerb bereits existierender Anteile nicht vom Schutzzweck der Norm gedeckt ist5; anders ist dies zu bewerten, wenn neue Aktien bzw. Geschäftsanteile ausgegeben werden und diese Ausgabe gerade das Mittel bildet, mit dem die Insolvenz auf Kosten der Erwerber dieser neu ausgegebenen Anteile (weiter-)verschleppt wird6.

5.283

Auch Drittsicherungsgeber sollen nach einer Entscheidung des OLG Rostock nicht berechtigt sein, einer Inanspruchnahme ihrer Sicherheit durch eine sittenwidrig finanzierende Bank entgegenzutreten7. Dies mag zumindest dann verwundern, wenn die Sicherheit nicht für alte Kredite, sondern aus Anlass des insolvenzverschleppenden Kredits eingeräumt wurde. Der Drittsicherungsgeber, der durch die Bestellung von Sicherheiten die Insolvenzverschleppung erst ermöglicht, gehört jedoch grundsätzlich nicht zu dem geschützten Personenkreis8.

5.284

Nimmt die Bank Sicherheiten von Dritten herein, braucht sie diese grundsätzlich nicht über das wirtschaftliche Risiko, das der Sicherungsgeber eingeht, zu unterrichten, denn sie kann davon ausgehen, dass er die rechtliche Tragweite und das von ihm übernommene wirtschaftliche Risiko kennt9. Ausnahmsweise kann aber eine Aufklärungspflicht bestehen, wenn die Bank erkennt, dass der Sicherungsgeber sich über die Tragweite seines Handelns irrt oder

5.285

1 BGH v. 3.12.2013 – XI ZR 295/12, ZIP 2014, 65 = NJW 2014, 1098 (1100, Rn. 34); BGH v. 11.9.2012 – VI ZR 92/11, ZIP 2012, 2302 = WM 2012, 2195 (2198, Rn. 31); BGH v. 30.5.1985 – III ZR 112/84, WM 1985, 1136 (1137); OLG Frankfurt v. 27.9.1989 – 21 U 247/88, WM 1990, 2010 (2012). 2 OLG Köln v. 25.10.1985 – 19 U 75/82, ZIP 1985, 1472 = WM 1986, 452 (455). 3 Rümker WM 1982, 286 (288). 4 BGH v. 20.12.1957 – VI ZR 188/50, WM 1958, 249 (250). S. auch BGH v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, ZIP 2009, 922 = NJW 2009, 1601 (1602 f., Rn. 13 u. Rn. 17). 5 BGH v. 11.11.1985 – II ZR 109/84, ZIP 1986, 14 = NJW 1986, 837 (839). 6 BGH v. 11.11.1985 – II ZR 109/84, ZIP 1986, 14 = NJW 1986, 837 (839). 7 OLG Rostock v. 8.4.2004 – 7 W 19/04, BKR 2004, 319 (320 f.); a.A. Heinze BKR 2004, 321 (323 ff.). 8 Ausnahmen s. Rn. 5.119 ff. 9 BGH v. 16.1.1996 – XI ZR 151/95, ZIP 1996, 499 = NJW 1996, 1206 (1207); BGH v. 17.3.1994 – IX ZR 174/93, ZIP 1994, 861 = NJW 1994, 2146; BGH v. 16.11.1989 – III ZR 236/88, ZIP 1990, 443 = NJW 1990, 1034. S. auch Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, 10. Aufl. 2021, Rn. 1266.

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Fünfter Teil Rz. 5.285 | Kreditgeschäft

nicht hinreichend informiert ist und die Verhältnisse nicht durchschaut1. Bei der Drittbesicherung eines vorsätzlich sittenwidrig gewährten Kredits dürfte demnach regelmäßig eine Aufklärungspflicht zu bejahen sein, wenn und soweit der Drittsicherheitengeber „gutgläubig“ ist. c) Schadensberechnung

5.286

Werden Schadenersatzansprüche von Gläubigern erhoben2, so ist zwischen den sog. Altgläubigern, deren Forderungen schon vor der insolvenzverschleppenden Handlung begründet waren, und den sog. Neugläubigern zu unterscheiden, die erst nach Beginn der Insolvenzverschleppung eine Forderung gegen die Insolvenzschuldnerin erworben haben3. aa) Altgläubiger

5.287

Der Schaden der Altgläubiger kann nur in dem Unterschiedsbetrag zwischen der Insolvenzquote, die im Falle einer rechtzeitigen Insolvenzeröffnung erzielt worden wäre, und derjenigen Insolvenzquote liegen, die tatsächlich gezahlt wurde (sog. Quotenschaden4). Dies bedeutet, dass anhand des hypothetischen und des tatsächlichen Insolvenzverfahrens ermittelt werden muss, welcher Schaden durch die Verzögerung des Insolvenzantrags eingetreten ist5. Betroffen sind damit auch Gläubiger, die vor dem Zeitpunkt, in dem spätestens die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte beantragt werden müssen, dem Schuldner einen Kredit eingeräumt und ausgezahlt hatten. Ebenso ist ein Vermieter, der dem Mieter vor Insolvenzreife Räume überlassen hat, regelmäßig Altgläubiger, auch wenn er die Mietsache dem Schuldner nach Eintritt der Insolvenzreife weiter überlässt, weil der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht nicht ursächlich für den Vertragsschluss und damit für die Geld- oder Sachleistung nach Insolvenzreife ist, der Gläubiger bei Eintritt der Insolvenzreife vielmehr bereits in vertragliche Beziehungen zur Schuldnerin getreten war6.

5.288

Diese für Dauerschuldverhältnisse grundsätzlich geltende Sichtweise gilt nicht, wenn – ohne dass § 119 InsO greift – das Dauerschuldverhältnis mit Insolvenzeröffnung endet oder gekündigt werden kann oder eine Lösung vom Vertrag bei Stellung eines Eröffnungsantrags möglich ist; die Fortsetzung des Vertrags kann dann darauf beruhen, dass der Gläubiger seine Leistung im Vertrauen auf die Solvenz der Schuldnerin fortsetzt, obwohl er sich bei Kenntnis der Insolvenzreife vom Vertrag gelöst hätte7.

1 BGH v. 16.1.1996 – XI ZR 151/95, ZIP 1996, 499 = NJW 1996, 1206 (1207). 2 Zur Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen Insolvenzverschleppung s. OLG Saarbrücken v. 6.5.2008 – 4 U 484/07-165, ZIP 2009, 565 = NJW-RR 2008, 1621 (1622 f.). 3 Vgl. auch BGH v. 22.4.2004 – IX ZR 128/03, ZIP 2004, 1218 = WM 2004, 1297 f.; BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, ZIP 1998, 776 = WM 1998, 944 (945 f.); BGH v. 14.10.1985 – II ZR 276/84, ZIP 1986, 456 = WM 1986, 237 (238, 239). 4 BGH v. 22.4.2004 – IX ZR 128/03, WM 2004, 1297; BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, WM 1998, 944 (945); BGH v. 28.4.1997 – II ZR 20/96, WM 1997, 1679; BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103 (1107 ff., insoweit unter Aufgabe von BGH v. 16.12.1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100); Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 8. 5 OLG Jena v. 28.11.2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 = GmbHR 2002, 112; OLG Düsseldorf v. 20.6.1985 – 6 U 78/84, ZIP 1985, 876 = WM 1985, 1009 (1013). 6 BGH v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 = WM 2013, 2369 (2370). 7 BGH v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 = WM 2013, 2369 (2370).

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.291 Fünfter Teil

bb) Neugläubiger Die sog. Neugläubiger haben ihren Schaden erst dadurch erlitten, dass sie während des durch die Verzögerung des Insolvenzantrags gewonnenen Zeitraums der Kreditnehmerin im Vertrauen auf deren Kreditwürdigkeit Leistungen auf Kredit erbracht haben. Ersatzfähig ist der Schaden, der dadurch entsteht, dass der vertragliche Neugläubiger infolge des Vertragsschlusses mit der insolvenzreifen Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz dieser noch Geldoder Sachmittel als Vorleistungen zur Verfügung stellt und dadurch Kredit gewährt, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen, oder er infolge des Vertragsschlusses Aufwendungen erbracht hat1. Der Schadensersatzanspruch des Neugläubigers ist also auf (vollständigen) Ersatz des negativen Interesses gerichtet; der Schaden muss durch die Insolvenzreife der Schuldnerin verursacht worden sein2. Zahlungen, die Neugläubiger innerhalb des sog. Verschleppungszeitraums auf etwaige Altkredite erhalten haben, sind nicht anzurechnen3. In einem nachfolgenden Insolvenzverfahren können die Neugläubiger ihren Schadenersatzanspruch selbständig geltend machen. Es handelt sich dabei nicht um einen Gesamtschaden, dessen Durchsetzung nach § 92 InsO dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist4.

5.289

Diese Rechtsprechung basiert auf einer wohlbekannten – man möchte fast sagen: alltäglichen – Fallgestaltung5: Eine GmbH war seit längerem zahlungsunfähig und überschuldet. Dennoch stellte der Geschäftsführer zunächst keinen Konkursantrag; vielmehr wurde die Geschäftstätigkeit fortgesetzt, vermutlich in der vagen Hoffnung, irgendwie über die Probleme hinwegzukommen. In der Folge lieferte ein Händler an die konkursreife GmbH große Mengen an Weihnachtsbäumen und Tannengrün (Rechnungsbetrag ca. 363.000 Euro). Dem Lieferanten wurde das Weihnachtsfest dadurch gründlich verdorben, dass er für seine Lieferungen von der GmbH lediglich relativ geringe Teilzahlungen (ca. 110.950 Euro) erhielt. Erst ein halbes Jahr später wurde vom Geschäftsführer der Konkursantrag gestellt. Nun war es aber selbst für ein geordnetes Konkursverfahren zu spät; ein solches wurde mangels ausreichender Masse gar nicht erst eröffnet. Der Lieferant verlangte nun erfolgreich vom Geschäftsführer Schadenersatz wegen Insolvenzverschleppung, der ihm in voller Höhe zugesprochen wurde.

5.290

13. Ersatzansprüche der Bank gegen Organe des Kunden Hat die Bank bei der Kreditgewährung die schlechte Vermögenslage des Kunden nicht erkannt, weil die Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder des Schuldnerunternehmens sie nicht hinreichend aufgeklärt haben, erwirbt die Bank gegen diese unter Umständen Schadenersatzansprüche wegen Verletzung von Schutzpflichten, die gegenüber der Bank aus dem Kreditvertrag bestehen oder der Vertragsanbahnung entstehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Geschäftsführer bei den Vertragsverhandlungen ein besonderes Vertrauen der Bank für sich in Anspruch genommen und dadurch den Vertragsabschluss erheblich beeinflusst 1 2 3 4

BGH v. 21.10.2014 – II ZR 113/13, ZIP 2015, 267 = WM 2015, 288 (289, Rn. 14 m.w.N). BGH v. 21.10.2014 – II ZR 113/13, ZIP 2015, 267 = WM 2015, 288 (289, Rn. 13 m.w.N). BGH v. 12.3.2007 – II ZR 315/05, ZIP 2007, 1060 = WM 2007, 970 (972, Rn. 23). BGH v. 22.4.2004 – IX ZR 128/03, ZIP 2004, 1218 = WM 2004, 1297 f.; BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, ZIP 1998, 776 = WM 1998, 944 (945 f.); OLG Köln v. 29.5.2006 – 2 U 50/06, ZInsO 2006, 1278 f.; OLG Karlsruhe v. 20.6.2002 – 19 U 150/01, ZInsO 2002, 935 (936); Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 20. 5 Sachverhaltsdarstellung aus Urteilsbesprechung von Karollus ZIP 1995, 269 zu BGH v. 7.11.1994 – II ZR 108/93, ZIP 1995, 211 f. Das Beispiel stammt zwar aus der Zeit der Konkursordnung (und der DM), aber auch unter der Geltung der InsO ist die grundsätzliche Fallgestaltung immer noch sehr aktuell. Die DM-Beträge aus der Sachverhaltsdarstellung wurden in Euro-Beträge umgerechnet.

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5.291

Fünfter Teil Rz. 5.291 | Kreditgeschäft

(§ 311 Abs. 3 BGB) oder wenn sie an dem Abschluss des Kreditvertrags ein eigenes wirtschaftliches Interesse gehabt haben, und zwar so, dass der Vertrag wirtschaftlich wie „in eigener Sache“ abgeschlossen wurde1.

5.292

So kann beispielsweise ein Hinweis des Geschäftsführers auf seine bisherigen Erfolge als Sanierer schon zu erhöhtem Vertrauen der Bank führen, das eine besondere Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers auslöst2. In solchen Fällen haben sich die Vertreter des Kunden sowohl bei der Vertragsanbahnung als auch bei der Vertragsabwicklung so zu verhalten, dass die Bank in ihrem Vermögen nicht geschädigt wird. Dies bedeutet, dass sie die Bank über die wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Unternehmens aufklären und sich alle dazu erforderlichen Kenntnisse, insbesondere aus der Buchführung, beschaffen müssen. Versäumen sie dies und erleidet die Bank dadurch einen Schaden, so sind ihr die Geschäftsführer persönlich zum Ersatz verpflichtet.

5.293

Diese Haftung trifft nicht nur die Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder der Kundenfirma, sondern auch sonstige Vertreter oder Beauftragte, die besonderen Einfluss in der vertretenen Firma ausüben, als maßgebender Partner für den Vertragsabschluss auftreten und auf die Entscheidung der Bank erheblichen Einfluss haben3. Ob die Bank daneben auch die Gesellschafter in Anspruch nehmen kann, richtet sich nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen, auf die hier nicht eingegangen werden soll4.

5.294

Der wirtschaftliche Wert solcher Ansprüche ist allerdings in der Regel gering. Zunehmend schließen jedoch Unternehmen für ihre leitenden Mitarbeiter eine sog. D & O (directors and officers)-Versicherung ab5. Darauf kann zwar je nach Vertragsgestaltung der Gläubiger meist nicht zugreifen6. Die D & O-Versicherung bietet jedoch häufig in der Insolvenz der versicherungsnehmenden Gesellschaft den Gläubigern der Gesellschaft einen Anreiz zu dem Versuch, diese Versicherung „abzuschöpfen“, indem sie von der Gesellschaft insolvenzbedingt nicht befriedigte Forderungen gegen die Organe der Gesellschaft erheben7.

5.295

Daneben kommen unter engen Voraussetzungen auch Ansprüche gegen die den Jahresabschluss prüfenden Wirtschaftsprüfer des Kunden in Betracht, wenn diesen deutlich gemacht wurde, dass von ihnen eine besondere Leistung im Interesse der Kreditgeber erwartet wird, die über die Prüfungsleistung hinausgeht und dem Kreditgeber als Grundlage für seine Kreditentscheidung dienen soll8. Dafür genügt aber weder die Anwesenheit des Wirtschaftsprüfers bei Kreditgesprächen noch der Umstand, dass der Prüfer mit einer Weitergabe des

1 BGH v. 13.12.2005 – KZR 12/04, NJW-RR 2006, 993 (994, Rn. 15); BGH v. 7.11.1994 – II ZR 138/ 92, ZIP 1995, 31 f. (m.w.N.); BGH v. 3.4.1990 – XI ZR 206/88, NJW 1990, 1907 (1908 m.w.N.); BGH v. 2.3.1988 – VIII ZR 380/86, ZIP 1988, 505 (506 f.). 2 BGH v. 3.4.1990 – XI ZR 206/88, ZIP 1990, 659 = NJW 1990, 1907 (1908 f.). 3 BGH v. 13.12.2005 – KZR 12/04, NJW-RR 2006, 993 (994, Rn. 15); BGH v. 7.11.1994 – II ZR 138/ 92, ZIP 1995, 31 f. (m.w.N.); BGH v. 3.4.1990 – XI ZR 206/88, NJW 1990, 1907 (1908 m.w.N.). 4 Vgl. z.B. Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 13 Rn. 73 ff. u. Rn. 123 ff., jeweils m.w.N. 5 S. Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 43 Rn. 176; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl. 2021, § 93 Rn. 58 ff. 6 Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 43 Rn. 176; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl. 2021, § 93 Rn. 58c. 7 Werner ZInsO 2014, 1940. 8 OLG Karlsruhe v. 10.2.2015 – 8 U 76/13, ZInsO 2015, 2102 (2103); OLG Düsseldorf v. 2.6.2009 – I-23 U 108/08, WM 2009, 2375 (2376 ff.).

908 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.299 Fünfter Teil

Jahresabschlusses an die Bank rechnen musste. Zur Haftung des Wirtschaftsprüfers, der ein Sanierungskonzept erstellt hat, vgl. Rn. 5.194 ff.

14. Strafbarkeit und Haftung von Verantwortlichen der Bank Bei Sanierungskrediten oder Finanzierungen in einer StaRUG-Restrukturierung trifft die für die Bearbeitung maßgeblichen Mitarbeiter der Bank eine eigene Verantwortung gegenüber der Bank. So müssen sie bei der Entscheidung über die Einräumung neuer Kredite an ein sanierungsbedürftiges Unternehmen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung besonders gründlich prüfen, ob der Bank daraus ein Schaden entstehen kann. Versäumen sie dies, kann dies für sie persönlich zu strafrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen führen.

5.296

a) Strafrechtliche Verantwortlichkeit Strafrechtlich kommen Untreue gegenüber der Bank und Anstiftung oder Beihilfe zur Insolvenzverschleppung durch die Geschäftsleiter des Kundenunternehmens in Betracht1.

5.297

aa) Untreue Wegen Untreue wird bestraft, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder seine Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt (§ 266 Abs. 1 StGB). Dafür genügt bereits eine Vermögensgefährdung, die aber erst dann vorliegt, wenn nach den Umständen des Einzelfalls mit wirtschaftlichen Nachteilen ernsthaft zu rechnen oder wenn die Gefahr eines Vermögensnachteils so groß ist, dass sie bereits eine Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat2. Ein Geschäftsleiter hat grundsätzlich einen weiten Handlungsspielraum, der erst dann überschritten ist, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen3. Vorstände, Geschäftsführer oder sonstige verantwortliche Mitarbeiter der Bank, die ohne nähere Prüfung in der Hoffnung, dass der Sanierungsversuch gelingen werde, Kredite geben, machen sich unter Umständen wegen Untreue strafbar4.

5.298

Für die Strafbarkeit reicht es keinesfalls schon aus, dass ein Kredit an ein in einer Krise befindliches Unternehmen vergeben wird. Jede Kreditbewilligung ist nämlich ihrer Natur nach ein mit einem Risiko behaftetes Geschäft5. Bei einer Kreditvergabe sind aber auf der Grundlage umfassender Informationen diese Risiken gegen die sich daraus ergebenden Chancen abzuwä-

5.299

1 Urlaub/Kamp ZIP 2014, 1465 (1471); ausführlich zur Untreue Schmitt BKR 2006, 125 ff. 2 BGH v. 27.1.2021 – 3 StR 628/19, ZIP 2021, 946 = ZInsO 2021, 904 (905 f., Rn. 25 ff.); BGH v. 30.5.2013 – 5 StR 309/12, ZInsO 2013, 1350 (1351, Rn. 10); s. auch Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 266 Rn. 150 ff. 3 KG v. 22.3.2005 – 14 U 248/03, ZIP 2005, 1866 (1867); s. auch Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 266 Rn. 63 ff. 4 Vgl. z.B. Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 43 Rn. 6 ff. (m.w.N.). 5 S. auch Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 266 Rn. 70 ff. Zur sog. Business Judgement Rule und dem damit zusammenhängenden Grundsatz einer angemessenen Information s. Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 43 Rn. 8 ff.; Buchta/Ott ZInsO 2015, 288 ff.

Huber | 909

Fünfter Teil Rz. 5.299 | Kreditgeschäft

gen1. Ist diese Abwägung sorgfältig vorgenommen worden, kann eine Pflichtverletzung nicht deshalb angenommen werden, weil das Engagement später notleidend wird2. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Verletzung der Prüfungspflicht können sich insbesondere daraus ergeben, dass – die Pflichten zur Einholung der notwendigen Informationen vernachlässigt wurden, – die Entscheidungsträger nicht die erforderliche Kompetenz besaßen, – im Zusammenhang mit dem Kredit unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber Mitverantwortlichen oder Vorgesetzten gemacht wurden, – die Entscheidungsträger eigennützig handelten3. Auch wenn eine solche Pflichtverletzung vorliegt und der Kredit später notleidend wird, führt dies allein noch nicht zur Annahme einer Untreue. Vielmehr muss auf der subjektiven Seite der Entscheidungsträger eine über das allgemeine Risiko bei solchen Kreditgeschäften hinausgehende Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs der Bank erkannt und gebilligt haben4. Das kann nur angenommen werden, wenn kein plausibles Sanierungskonzept vorlag, sondern nur die vage Hoffnung auf Besserung bestand.

5.300

Dagegen führt die Vergabe neuer Kredite nicht schon wegen der Bestellung von Sicherheiten zu einer Strafbarkeit der Mitarbeiter der Bank wegen Teilnahme, d.h. Anstiftung oder Beihilfe zur Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB; Einzelheiten s. Rn. 6.146). Vom Anwendungsbereich dieser Strafvorschrift wird nämlich nur die nachträgliche Besicherung schon bestehender Forderungen erfasst, nicht aber der Austausch von Sicherheiten Zug um Zug gegen neues Geld5. bb) Anstiftung oder Beihilfe zur Insolvenzverschleppung

5.301

Auch wenn ein Kredit zur Sanierung nicht ausreicht oder sonst ungeeignet ist, kann er doch bewirken, dass der Geschäftsleiter des Unternehmens dadurch in die Lage versetzt wird, den an sich gebotenen Insolvenzantrag hinauszuschieben. Eine dadurch ausgelöste Strafbarkeit des Geschäftsleiters wegen verspäteter Insolvenzantragstellung kann auch für Bankmitarbeiter Folgen haben, die ihn durch Rat oder Tat bewegen, den gebotenen Insolvenzantrag nicht einzureichen, oder ihn in diesem Entschluss bestärken; sie können Anstifter oder Gehilfen sein. Subjektiv müssen sie dabei zumindest die Erkenntnis gehabt haben, dass der Geschäftsleiter den Insolvenzantrag trotz Insolvenzreife pflichtwidrig unterlässt6.

1 BGH v. 27.1.2021 – 3 StR 628/19, ZIP 2021, 946 = ZInsO 2021, 904 (905, Rn. 18); BGH v. 13.8.2009 – 3 StR 576/08, ZIP 2009, 1854 = WM 2009, 1930 (1932 f., Rn. 27 f. m.w.N.); weiterführend z.B. Altenburg BB 2015, 323 ff. 2 BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, ZIP 2002, 346 = WM 2002, 225 (229). 3 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, NJW 2000, 2364 (2365); kritisch Aldenhoff/Kuhn ZIP 2004, 103 (106). Zum ersten Spiegelstrich auch BGH v. 13.8.2009 – 3 StR 576/08, WM 2009, 1930 (1932 f., Rn. 27). 4 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, ZIP 2000, 1210 = NJW 2000, 2364 (2365). 5 Nur die inkongruente Deckung wird also vom Straftatbestand erfasst, vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 283c Rn. 3. 6 Zum doppelten Anstifter- bzw. Gehilfenvorsatz Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 26 Rn. 7 ff. und § 27 Rn. 22; s. auch BGH v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, ZIP 2005, 1734 = WM 2005, 1843 (1845).

910 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.304 Fünfter Teil

cc) Übernahme von Geldauflagen durch die Bank Gesellschaften haben häufig großes Interesse daran, dass Strafverfahren gegen ihre Vorstandsmitglieder wegen eines etwaigen (vermeintlichen) Fehlverhaltens im Zuge deren Amtsausübung zeitnah beendet werden. Der Aufsichtsrat drängt daher nicht selten darauf, dass die Unternehmensleiter einer Einstellung des Verfahrens unter Geldauflage zustimmen, verbunden mit dem Angebot, dass die Gesellschaft die Geldauflage übernimmt1. Dieses wirtschaftlich mitunter sinnvolle2 Vorgehen bedarf bei Aktiengesellschaften grundsätzlich eines entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses3.

5.302

b) Zivilrechtliche Verantwortlichkeit Einem Geschäftsleiter ist grundsätzlich ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen, da ohne einen solchen ein unternehmerisches Handeln gar nicht vorstellbar ist4. Ein unternehmerisches Risiko darf aber nur nach kaufmännisch sinnvoller Interessenabwägung eingegangen und muss so weit wie möglich minimiert werden. Deshalb muss zunächst eine Entscheidungsgrundlage ermittelt werden, um überhaupt eine Interessenabwägung vornehmen zu können5. Für eine Kreditvergabe ist maßgeblich, ob die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines zu finanzierenden Vorhabens gegeben ist oder ein Kredit zur Überbrückung eines Liquiditätsbedarfs tatsächlich geeignet sein wird. Naturgemäß ist die Gefahr eines Ausfalls bei der Vergabe von Krediten an insolvenzgefährdete Unternehmen besonders hoch. Diese Gefahr ist abzuwägen gegen die Chance, durch den neuen Kredit alte Kredite zu retten6. Eine solche Prognoseentscheidung ist zwangsläufig verbunden mit der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen7. Eine haftungsbegründende Sorgfaltspflichtverletzung kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn aus der Perspektive der damaligen Entscheidungssituation das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar war und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprachen, es dennoch einzugehen8 oder wenn die Entscheidungsgrundlage nicht oder nicht mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt wurde.

5.303

Neben der vertraglichen Haftung der Bankmitarbeiter kommt auch eine Haftung wegen unerlaubter Handlung nach § 823 BGB in Betracht, wenn sich Bankmitarbeiter wegen Untreue oder wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Insolvenzverschleppung strafbar gemacht haben.

5.304

1 2 3 4

5

6 7 8

Selter ZIP 2015, 714. Zur Pflichtwidrigkeit im Einzelfall vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 266 Rn. 84a m.w.N. BGH v. 8.7.2014 – II ZR 174/13, ZIP 2014, 1728 = WM 2014, 1678 (1679 f., Rn. 13 ff.). BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, ZIP 2016, 966 = WM 2015, 926 (932, Rn. 57); BGH v. 3.3.2008 – II ZR 124/06, ZIP 2008, 785 = WM 2008, 787 (788, Rn. 11); BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, ZIP 1997, 883 = NJW 1997, 1926 (1927 f.); KG v. 22.3.2005 – 14 U 248/03, ZIP 2005, 1866 = WM 2005, 1570 (1571); Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 43 Rn. 8 m.w.N. BGH v. 15.1.2013 – II ZR 90/11, ZIP 2013, 455 = WM 2013, 456 (460, Rn. 35); BGH v. 3.11.2008 – II ZR 236/07, ZIP 2009, 223 = WM 2009, 26 (Rn. 3); OLG Hamm v. 12.7.2012 – I-27 U 12/10, ZIP 2012, 2112 = WM 2012, 2200; instruktiv ist der vom BGH v. 8.1.2007 – II ZR 304/04, ZIP 2007, 322 = WM 2007, 344 entschiedene Fall. S. auch Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 43 Rn. 14 m.w.N. KG v. 22.3.2005 – 14 U 248/03, ZIP 2005, 1866 = WM 2005, 1570 (1571 f.). BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, ZIP 1997, 883 = NJW 1997, 1926 (1927)¸zur sog. Business Judgement Rule s. Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 43 Rn. 8 ff.; Buchta/Ott ZInsO 2015, 288 ff. BGH v. 3.3.2008 – II ZR 124/06, ZIP 2008, 785 = WM 2008, 787 (788, Rn. 11); BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, ZIP 1997, 883 = NJW 1997, 1926 (1927 f.); KG v. 22.3.2005 – 14 U 248/03, ZIP 2005, 1866 = WM 2005, 1570 (1571).

Huber | 911

Fünfter Teil Rz. 5.305 | Kreditgeschäft

15. Kredite zur Durchführung einer stillen Liquidation 5.305

Wenn eine Sanierung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht, ist zu überlegen, ob ein Insolvenzverfahren dadurch vermieden werden kann, dass das Unternehmen still liquidiert wird. Die stille Liquidation hat gegenüber dem Insolvenzverfahren erhebliche Vorteile. Da sie nicht oder jedenfalls nicht in dem Maße publik wird wie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, kann das Unternehmen schwebende Geschäfte geordnet abwickeln und sein Vermögen nach und nach unter Ausnutzung der Marktchancen und nicht zu Zerschlagungswerten veräußern. Voraussetzung für eine ordnungsgemäße stille Liquidation ist allerdings ein Gesellschafterbeschluss über die Einstellung der Geschäftstätigkeit sowie die vorherige Abwendung evtl. bestehender Insolvenzgründe1. Wird eine GmbH ohne einen solchen Beschluss durch Abzug aller Ressourcen in eine masselose Insolvenz geführt, kann allein dieser Verstoß gegen die Eigeninteressen der GmbH als sittenwidrige Schädigung ihrer Gläubiger angesehen werden und zu Ersatzansprüchen gegen Geschäftsführer und Gesellschafter führen2.

5.306

Meist fehlen dem Unternehmen jedoch die notwendigen Mittel, um den Liquidationszeitraum zu überbrücken. Stellt eine Bank dem Unternehmen Kredite zur Verfügung, um ihm damit die stille Liquidation zu ermöglichen, sollte sie sich vergewärtigen, ob die Liquidation bis zur Beendigung „geräuschlos“ durchgeführt werden kann oder ob auch die Überleitung in ein Insolvenzverfahren möglich erscheint und dann die Gefahr besteht, den gleichen Vorwürfen ausgesetzt zu sehen wie bei der Gewährung eines nicht fachgerechten Sanierungskredits3. Sind also Liquidations- und Sanierungskredite „strukturell mit ähnlichen Rechtsrisiken verbunden“4, kann demzufolge ein Lquidationskredit auch grundsätzlich zu einer sittenwidrigen Insolvenzverschleppung führen5. Auch wenn es einer Bank nicht verwehrt ist, tatkräftig mitzuhelfen, den Schuldenstand eines Unternehmens abzubauen und schließlich eine stille Liquidation zu ermöglichen, darf sie allerdings den dadurch gewonnenen Zeitraum nicht benutzen, um z.B. eigene Sicherheiten auf Kosten anderer Gläubiger zu vermehren6. Um diesen Rechtsrisiken und dahingehenden Vorwürfen zu entgehen bzw. ihnen später fundiert begegnen zu können, sollte die Bank sich wie bei Sanierungskrediten verhalten und ein durch einen unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten – branchenkundigen Fachmann erstelltes Liquidationskonzept verlangen, das neben der Analyse von Krisenursachen und der Darlegung eines nachvollziehbaren Gesamtkonzeptes für die Liquidation die Chancen der Liquidation zu quantifizieren und durch die zu planenden Maßnahmen zur Stilllegung des Geschäftsbetriebes zu unterlegen hat. Hierin sollte insbesondere auch dargestellt werden, wie die Gläubiger des Unternehmens durch die Liquidation einheitlich befriedigt werden können, so dass später nachweisbar ausgeschlossen werden kann, dass sich das Kreditinstitut durch die stille Liquidation auf Kosten dritter Gläubiger unrechtmäßige Vorteile verschafft hat7.

1 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31 Rn. 96. 2 BGH v. 12.2.1996 – II ZR 279/94, ZIP 1996, 637 = NJW 1996, 1283 (1284). 3 S. auch Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31 Rn. 96; zum nicht fachgerechten Sanierungskredit s. Rn. 5.82 ff. 4 So Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31 Rn. 96. 5 Anders noch die Vorauflage, Rn. 5.175. S. auch OLG Köln v. 27.2.1981 – 22 U 117/79, WM 1981, 1238 (1240 f.). 6 Veith, BankPraktiker 2006, 300 (305). 7 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31 Rn. 96.

912 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.309 Fünfter Teil

16. Verweigerung neuer Kredite Ist die Bank nach den oben dargestellten Grundsätzen, ohne sich dem Vorwurf sittenwidrigen Handelns auszusetzen, berechtigt, ihrem Kunden einen Sanierungskredit einzuräumen, folgt aus diesem Recht keineswegs gleichzeitig die Pflicht, den Kredit tatsächlich zu gewähren. Wie bereits ausgeführt worden ist (vgl. Rn. 5.150), gibt es keine Kreditgewährungspflicht einer Bank, insbesondere nicht bei einem kriselnden Unternehmenskunden. Auch der Gesetzgeber des StaRUG hat nur die Möglichkeit eröffnet, eine „neue Finanzierung“ (§ 12 StaRUG) zu privilegieren, ohne gleichzeitig einen Finanzierer irgendwie in die Pflicht zu nehmen bzw. nehmen zu wollen.

5.307

17. Sonderprobleme bei Finanzierung von Leveraged Buyouts Als eine Form des (vollständigen oder teilweisen) Erwerbs von Unternehmensanteilen weist der Leveraged Buyout („LBO“) die Besonderheit aus, dass der Kaufpreis ganz oder teilweise über erhebliche Fremdmittel und geringe Eigenmittel des Investors finanziert wird1; von Leveraged Buyout wird gesprochen, wenn der Fremdfinanzierungsanteil zwischen etwa 40 % und 60 % liegt2. Für Kredite an den oder die Erwerber oder an zwischengeschaltete Zweckgesellschaften („SPV“ = Single Purpose Vehicles) bestellt in der Regel das erworbene Unternehmen („Zielgesellschaft“) Sicherheiten aus seinem Vermögen3. Für den (finanziellen) Erfolg des Erwerbs kommt es damit entscheidend darauf an, dass die Erträge der Zielgesellschaft höher sind als der Zins- und Tilgungsdienst für die Fremdmittel. Zwar wird der LBO-Markt sowohl auf Erwerber- als auch auf Finanziererseite von professionellen Akteuren geprägt, die das Risiko grundsätzlich einzuschätzen wissen. Allerdings kann es auf der Finanziererseite dazu kommen, dass Kreditinstitute das mit einer LBO-Finanzierung verbundene Kreditrisiko manchmal auf Kapitalanleger abwälzen, denen sie ihre Kreditforderungen verkaufen4.

5.308

Die Struktur einer LBO-Finanzierung (hohe Fremdfinanzierung, die aus dem Vermögen der Zielgesellschaft besichert wird) wird gelegentlich für die spätere Insolvenz der Zielgesellschaft verantwortlich gemacht; gegen die Mitwirkenden werden von den übrigen Gläubigern Schadenersatzansprüche aus § 826 BGB erhoben5. Eine LBO-Finanzierung ist jedoch nicht grundsätzlich sittenwidrig gemäß § 826 BGB. Eine im Vergleich zum Eigenkapital hohe Fremdkapitalquote ist aus finanzwirtschaftlicher Sicht nicht schon per se schädlich. Dass sich wegen des hohen Fremdkapitalanteils das Ausfallrisiko der Gläubiger erhöht6, zwingt die finanzierende Bank nicht zu einer besonderen Rücksichtnahmepflicht gegenüber anderen Gläubigern7. Diese müssen sich – insbesondere wenn sie professionell agieren – über ihr Kreditrisiko selbst informieren und können, wenn sie sich der Kreditentscheidung der Bank anschließen, diese nicht für etwaige Fehleinschätzungen haftbar machen. Dies gilt auch beim Forderungsverkauf

5.309

1 Hasselbach/Rödding in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl. 2014, Rn. I 1 ff.; Siemon ZInsO 2013, 1549 (1550 f.); Vallender NZI 2007, 129 (132). Zu Insolvenzursachen und Insolvenzgefährdung von LBO vgl. Knauer/Wiedemann, BFuP 2013, 493 ff. 2 Hasselbach/Rödding in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl. 2014, Rn. I 3, die auch darauf hinweisen, dass es „früher 75% und mehr waren“. 3 Hasselbach/Rödding in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl. 2014, Rn. I 47; zur Zulässigkeit s. Rn. 6.90 ff. 4 Siemon ZInsO 2013, 1549 (1551 m.w.N.). 5 Vgl. dazu Kuntz ZIP 2008, 814 ff. 6 Eidenmüller ZIP 2007, 1729 f. 7 Kuntz ZIP 2008, 814 (816 ff.).

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Fünfter Teil Rz. 5.309 | Kreditgeschäft

an (nicht professionell handelnde) Kapitalanleger, wenn und soweit die Bank über die „Qualität“ der Forderung hinreichend aufklärt. Die Bank hat alleine darauf zu achten, dass sie die von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen zur Insolvenzverschleppung nicht überschreitet (vgl. dazu Rn. 5.85 ff.). Eine Haftung der Bank aus § 826 BGB kommt somit erst in Betracht, wenn die Erstattungsansprüche der haftenden Zielgesellschaft gegen die Kreditnehmerin wertlos sind und es sich der Bank aufdrängen musste, dass ein wirtschaftlicher Zusammenbruch droht (Einzelheiten s. Rn. 6.97 f.).

5.310

Ist dies wie regelmäßig nicht der Fall, kann die Bank auch nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Zielgesellschaft nicht zum Verzicht auf ihre Sicherheiten gezwungen werden, wenn und soweit sie keine (indirekte) Gesellschafterin ist. Die Besicherung der Bank durch die Zielgesellschaft für ihre Forderung gegen das SPV bzw. den Erwerber ist außerhalb einer (indirekten) Gesellschafterstellung der Bank nicht den Regeln über Gesellschafterdarlehen unterworfen; § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist nicht einschlägig. Denn hier hat nicht ein Gesellschafter eine Sicherheit für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gestellt, sondern umgekehrt die Gesellschaft für Verbindlichkeiten der Gesellschafter.

III. Kündigung von Krediten 5.311

Eine weitere Handlungsoption (dazu Rn. 5.62 ff.) in der Krise des Kunden ist die Kündigung der ihm gewährten Kredite. Diese Handlungsoption wird ein Kreditinstitut insbesondere dann auswählen (müssen), wenn es keine Möglichkeit mehr sieht, weiter mit Kredit(en) oder auch nur stillschweigend zur Verfügung zu stehen, z.B. weil beim Unternehmenskunden keine Chance mehr auf Rettung besteht bzw. der Verbraucherkunde wirtschaftlich „am Ende“ ist. Auch die strengen Anforderungen der Rechtsprechung zur Sanierungsbegleitung eines Unternehmenskunden mögen immer mal wieder den Ausschlag geben, zwecks Haftungsvermeidung Kredite lieber zu kündigen, obwohl eine „fachgerechte“ Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung grundsätzlich de iure gut „machbar“ ist1. Wählt das Kreditinstitut die „Kündigungsoption“, darf es sein Kündigungsrecht nicht willkürlich und nach Belieben ausüben2.

5.312

An dieser Option hat auch das seit dem 1.1.2021 mögliche Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG im Wesentlichen nichts geändert. Zwar hat der Gesetzgeber – ähnlich wie bei § 119 InsO – in § 44 StaRUG ein Verbot von Lösungsklauseln ausgeprochen; allerdings bezieht sich das Verbot nur auf Lösungsklauseln, die im Restrukturierungsfall „ohne Weiteres“ gelten, d.h. beim Hinzutreten weiterer, nicht das Restrukturierungsverfahren als solches betreffender Gründe, ist eine Lösung vom Vertrag und damit auch eine Kündigung weiterhin möglich3. Regelmäßig dürfte ein Kreditinstitut bei einem drohend zahlungsunfähigen Kunden, der erst dann eine Restrukturierung nach dem StaRUG einleiten kann, ein Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse haben4 – und damit ein Lösungsrecht, dessen Grundlage im Sinne des § 44 StaRUG nicht das Restrukturierungsverfahren ist. Dies gilt auch für den Fall, dass es zu Stabilisierungsmaßnahmen kommt, die den Schutz des § 44 StaRUG durch § 55 StaRUG erweitern; insoweit

1 Huber ZInsO 2018, 1761 (1769). 2 BGH v. 14.7.1983 – III ZR 176/82, WM 1983, 1038. 3 Haffa/Schuster in Braun, StaRUG, 2021, § 44 Rn. 3; unklar Riedemann in Pannen/Riedemann/ Smid, StaRUG, 2021, § 44 Rn. 25 einerseits, Rn. 31 andererseits; Schönfelder WM 2022, 361 ff.; Trowski NZI 2021, 297 (298); Rechtmann WM 2021, 520 (525). 4 Rechtmann WM 2021, 520 (525); wohl auchTrowski NZI 2021, 297 (298).

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.315 Fünfter Teil

hat der Gesetzgeber aber in § 55 Abs. 3 StaRUG eine Sonderregelung geschaffen, die das Kündigungsrecht des Darlehensgebers nach § 490 Abs. 1 BGB auch im Geltungsbereich des § 55 StaRUG unberührt lassen1. Nichts anderes sollte gelten, wenn eine Kündigung auf die AGB, auf Sonderbedingungen oder auf eine vertragliche Regelung gestützt wird, die den Wortlaut des § 490 Abs. 1 BGB abbildet. Wie eine Bank ein Kreditverhältnis oder gar die Geschäftsverbindung insgesamt beenden kann, hängt erst einmal davon ab, ob der Kredit befristet oder unbefristet gewährt worden ist. Dann ist je nach Sachverhalt zu klären, ob die Bank ein ordentliches oder ein außerordentliches Kündigungsrecht ausüben kann bzw. ob weitere Vorgaben zu berücksichtigen sind, z.B. wenn es sich bei dem Kredit um einen Sanierungskredit oder um ein Verbraucherdarlehen handelt. Nachstehend werden zuerst die allgemeinen Regelungen für die Kreditkündigung durch ein Kreditinstitut2, wie sie z.B. auf einen Unternehmerkredit Anwendung finden, erörtert; die Vorgaben des Verbraucherdarlehensrecht werden anschließend gesondert angesprochen.

5.313

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Parteien auch einen Aufhebungsvertrag schließen können3. Wegen der Krisensituation des Kreditnehmers wird ein Aufhebungsvertrag in der Praxis unrealistisch sein, solange die Kreditrückführung – wie regelmäßig – nicht gesichert ist; außerdem könnte sein Abschluss für das Kreditinstitut in einer anschließenden Insolvenz des Kreditnehmers zu Auseinandersetzungen mit dem Insolvenzverwalter bzw. – in der Eigenverwaltung gemäß § 280 InsO – mit dem Sachwalter (Stichwort: Insolvenzanfechtung) führen.

5.314

1. Fristablauf Bank und Kunde können eine Befristung des zu gewährenden Kredits vereinbaren, d.h. mit Fristablauf ist der Kredit zur Rückzahlung fällig („Festdarlehen“ oder „befristetes Darlehen/ befristeter Kredit“). Die vereinbarte Befristung eines Darlehens wird in der Praxis stets im Vertrag dokumentiert. Es handelt sich dabei entweder um einen festen Rückzahlungstermin für den gesamten Darlehensbetrag oder um die ratenweise Fälligkeit im Rahmen eines Tilgungsplans4. In bestimmten Fällen kann auch eine stillschweigende Fristvereinbarung in Betracht kommen, vor allem wenn der vertraglich vereinbarte Zweck des Darlehens anders nicht zu erreichen ist5; relevant kann dies bei einem Existenzgründungs- oder einem Sanierungskre-

1 Schönfelder WM 2022, 361 (363 ff.); De Bruyn/Ehmke NZG 2021, 661 (665). 2 Zur Kündigung durch den Kreditnehmer, die in seiner Krisensituation kaum vorkommen dürfte, vgl. z.B. Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 68 ff., Rn. 78 ff., Rn. 148 ff., Rn. 247 f., Rn. 251 ff. u. Rn. 276 f.; Krepold/Fischbeck/Kropf/Werner, Bankrecht, 2. Aufl. 2018, S. 120 ff.; Schönfelder/Früh/Müller-Arends in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 3/152 ff. u. Rn. 3/160a ff.; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/516 ff. u. Rn. 1/526b. 3 Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 488 Rn. 12 u. Rn. 28; Schönfelder/Früh/MüllerArends in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 3/140b. 4 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 225. 5 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 226; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 488 Rn. 11; Schönfelder/Früh/Müller-Arends in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 3/140c.

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5.315

Fünfter Teil Rz. 5.315 | Kreditgeschäft

dit werden (zu letzterem vgl. Rn. 5.153 ff.). Die Fristbestimmung schließt die ordentliche – nicht aber die außerordentliche1 – Kündigung aus2.

5.316

Der Darlehensvertrag ist mit der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs beendet, er tritt in sein Abwicklungsstadium ein3. Dementsprechend hat der Kunde den Kredit zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzuzahlen, ohne dass es zuvor einer Kündigung seitens der Bank bedürfte (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB)4. Ebensowenig ist es für den Eintritt der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs erforderlich, dass das Kreditinstitut den Kreditnehmer gesondert zur Zahlung auffordert5. Da das Festdarlehen mit Ablauf der vereinbarten Frist beendet ist, steht dem Kreditinstitut kein Anspruch mehr auf Vertragszinsen oder Überziehungszinsen zu, sondern alleine auf Ersatz des Verzugsschadens nach § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 BGB6. Da der Rückzahlungszeitpunkt für den Kunden bereits bei Aufnahme des Kredits voraussehbar ist, kann und muss er sich bei seinen Dispositionen auf diesen Zeitpunkt einrichten; auf die Schranken, die für die Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts gegenüber einem in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Kunden gezogen werden (vgl. Rn. 5.332), kann er sich nicht berufen: dass eine Rückzahlung des Kredits nicht zur Unzeit verlangt werden dürfe, dass das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) oder die Schaffung eines Vertrauenstatbestands durch langfristige Kreditgewährung eine Bindung begründen oder dass eine starke Abhängigkeit des Kunden von der Bank einen Anspruch auf Fortsetzung des Kreditverhältnisses auslösen könne, mag bei einem unbefristeten Darlehen argumentierbar sein, nicht aber bei einem Festdarlehen, bei dem sich der Kunde zu einer Zeit, als er sich noch nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, vertraglich zur Rückzahlung zu einem bestimmten Termin gebunden hat.

5.317

Hat die Bank dem Kunden vor dem Rückzahlungstermin Gespräche über die Verlängerung des Kreditvertrages in Aussicht gestellt hat, ist sie damit alleine grundsätzlich noch nicht verpflichtet, den Kredit nach Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs offenzuhalten. Wurde dagegen eine Kreditlinie für eine feste Laufzeit zugesagt, diese Laufzeit in der Vergangenheit jedoch stets für bestimmte Perioden verlängert, kann sich für die Bank aus Treu und Glauben die Pflicht ergeben, den Kreditnehmer rechtzeitig darauf hinzuweisen, falls sie die bisherige Praxis aufgeben will7.

2. Ordentliche Kündigung 5.318

Haben die Parteien keine feste Laufzeit im Kreditvertrag vereinbart, steht der Bank ein ordentliches Kündigungsrecht gemäß § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB zu. Das Kündigungsrecht muss nicht 1 Ein Dauerschuldverhältnis kann grundsätzlich immer außerordenlich gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, vgl. auch Rn. 5.341. 2 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 224; Krepold/Fischbeck/Kropf/Werner, Bankrecht, 2. Aufl. 2018, S. 128; Schönfelder/Früh/Müller-Arends in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 3/140a. 3 So K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 221. 4 Kiehte KTS 2005, 179 (193). 5 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZIP 2013, 79 = WM 2013, 88 (90, Rn. 12). 6 BGH v. 20.2.2018 – XI ZR 445/17, ZIP 2018, 821 = WM 2018, 782 (784, Rn. 19); BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZIP 2013, 79 = WM 2013, 88 (90, Rn. 13); BGH v. 18.3.2003 – XI ZR 202/02, ZIP 2003, 840 = WM 2003, 922 (924); K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 208 u. 211; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 488 Rn. 27. 7 BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, NJW 1978, 947 (948); OLG Hamm v. 12.9.1990 – 31 U 102/90, WM 1991, 402 (403).

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.320 Fünfter Teil

explizit im Kreditvertrag aufgeführt werden; dies wäre aber auch unschädlich, da nur der Gesetzeswortlaut wiedergegeben würde. Die ordentliche Kündigung ist an keine Voraussetzungen geknüpft, insbesondere bedarf sie keines Kündigungsgrundes; auch eine vorherige Abmahnung oder Ankündigung ist grundsätzlich nicht erforderlich1. Es gilt allerdings, gewisse Grenzen zu beachten (vgl. dazu Rn. 5.322 ff.). Die Kündigungsfrist beträgt nach § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB drei Monate. Soweit nach § 488 Abs. 3 Satz 3 BGB der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt ist, wenn „Zinsen nicht geschuldet“ sind, hat diese Bestimmung in der Kreditpraxis keine Bedeutung, da ein Kreditinstitut ein Darlehen nicht zinslos vereinbaren wird2. Die gesetzliche Kündigungsfrist ist dispositiv, d.h. sie kann auch verkürzt oder vollständig abbedungen werden3. Ist in einem Kreditvertrag weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart, enthält Nr. 19 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen) eine Sonderregelung für die Kündigung unbefristeter Kredite4. Danach kann die Bank (unbefristete) Kredite und Kreditzusagen „jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen“; bei der Ausübung des Kündigungsrechts wird sie „auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen“. Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen knüpft die Kündigung einer Sparkasse an das „Vorliegen eines sachgerechten Grundes“; Nr. 19 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften enthält keine entsprechende „Verknüpfung“. Die Regelung in den AGB Sparkassen ist dem Umstand geschuldet, dass eine Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden ist und demnach den Zugang zu ihren Einrichtungen nicht ohne einen sachgerechten Grund willkürlich beschneiden darf5; eine ordentliche Kündigung, die eines sachgerechten Grundes entbehrt, ist demnach gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, § 134 BGB nichtig6. Die Voraussetzung eines sachgerechten Grundes, der nicht mit dem Vorliegens eines (gravierenderen) wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung (vgl. Rn. 5.342) verwechselt werden darf, soll die Einhaltung des Willkürverbots sicherstellen7. Nach Nr. 19 Abs. 5 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften wird die Bank dem Kunden für die Kreditrückzahlung eine angemessene Frist („Abwicklungsfrist“) einräumen, soweit nicht eine sofortige Erledigung erforderlich ist8. Ein Abstellen auf das in den AGB niedergelegte Kündigungsrecht setzt natürlich voraus, dass diese AGB auch vereinbart worden sind. Ganz überwiegend wird die Geltung in den Kreditverträgen vereinbart; ist dies z.B. bei strukturierten Finanzierungen anders, ist ggf. auf eine entsprechende vertragliche Regelung zu achten.

5.319

Das Recht zur ordentlichen Kündigung besteht grundsätzlich unabhängig vom „Status“ eines vereinbarten Kredits; er kann also vollständig ausgezahlt, nur zugesagt oder teilweise valutiert

5.320

1 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 229. 2 Es ist also zu unterscheiden, ob ein Darlehen zinslos gewährt wird oder ein vereinbarter Zinssatz ggf. auf Null absinkt; nur im erstgenannten (in der Praxis völlig unüblichen) Fall hätte der Darlehensnehmer ein jederzeitiges Rückzahlungsrecht ohne Kündigung. 3 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 223; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 488 Rn. 25; Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 73. 4 Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/516 ff. u. Rn. 1/559; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 400. 5 BGH v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, ZIP 2015, 1380 = WM 2015, 1379 (1380, Rn. 12); s. auch BGH v. 14.5.2019 – XI ZR 345/18, ZIP 2019, 1563 = WM 2019, 1556 (1559, Rn. 34). 6 BGH v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, ZIP 2015, 1380 = WM 2015, 1379 (1380, Rn. 12 m.w.N.). 7 Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Sparkassen Rn. 85. 8 Die AGB Sparkassen enthalten keine Bestimmung einer Abwicklungsfrist.

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Fünfter Teil Rz. 5.320 | Kreditgeschäft

sein. Relevant kann dies z.B. bei einem sog. „b.a.w.“- Kredit werden, also einem Kredit, der „bis auf weiteres“ und damit unbefristet als Kreditlinie zugesagt1 und üblicherweise über das „Girokonto“2 des Kreditnehmers valutiert wird. Eine Kündiging ist auch stillschweigend möglich3; in der Kreditpraxis kommt sie allerdings nicht vor, denn nur bei einer ausdrücklichen Kündigungserklärung können entsprechende Unklarheiten vermieden werden.

5.321

Diese Kündigungsbestimmungen formen letztlich den Grundsatz aus, dass bei unbefristeten Kreditverträgen ebenso wie bei anderen unbefristeten Dauerschuldverhältnissen der Kreditgeber nach Treu und Glauben das Recht haben muss, den (unbefristeten) Kreditvertrag nach Ablauf eines gewissen Zeitraums oder bei Eintritt besonders wichtiger Umstände mit Wirkung für die Zukunft zu kündigen4. Da die Dauer der bisherigen Geschäftsverbindung unbeachtlich ist, kann eine Genossenschaftsbank auch gegenüber langjährigen Mitgliedern kündigen; sie müssen die gegenüber allen Kunden maßgebenden AGB ebenfalls gegen sich gelten lassen5.

5.322

Die ordentliche Kündigungsoption besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr muss das Kreditinstitut (auch in der Krise des Kunden) Grenzen beachten, die sich im Wesentlichen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben und die auch in Nr. 19 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen) ihre Dokumentation finden, wenn das Kreditinstitut sich bei der Ausübung des Kündigungsrechts zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange des Kunden verpflichtet6. Diese Rücksichtnahmeverpflichtung und damit die Grenzziehungen aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) finden sich grundsätzlich in folgenden Fallgruppen wieder: – Einschränkungen bei der Fristbemessung/Verbot der Kündigung zur Unzeit, – Verbot der rechtsmissbräuchlichen Kündigung, – weitere Grenzen nach Treu und Glauben, z.B. Schaffung eines Vertrauenstatbestands. a) Einschränkungen bei der Fristbemessung/Verbot der Kündigung zur Unzeit

5.323

Für die ordentliche Kündigung eines unbefristeten Darlehensvertrages hat der Gesetzgeber in § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB eine dispositive Frist von drei Monaten vorgesehen. Der Kreditneh1 Andere Bezeichnungen sind z.B. Kontokorrentkredit, Kontokorrentlinie, Kreditrahmenvertrag, Betriebsmittel(kredit)linie oder (besonders im Verbraucherkreditgeschäft) Dispositionskredit. Einer Kreditlinie liegt ein Krediteröffnungsvertrag zugrunde, vgl. dazu z.B. Pamp in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 50 Rn. 8 ff.; Huber in Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer, Handbuch Insolvenzverwaltung, 10. Aufl. 2022, Kap. 28 Rn.186; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 4. 2 Dieser umgangssprachliche Begriff bezeichnet das vom Gesetzgeber als „Zahlungskonto“ (§ 675f Abs. 2 BGB) benannte Konto, über das der Zahlungsverkehr abgewickelt wird; zugrunde liegt ein Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 BGB (umgangssprachlich auch „Girovertrag“ oder „Kontokorrentvertrag), vgl. Huber in Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer, Handbuch Insolvenzverwaltung, 10. Aufl. 2022, Kap. 28 Rn. 14. 3 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 230. 4 BGH v. 10.6.1985 – III ZR 63/84, ZIP 1985, 1192 = NJW 1986, 252 (253); BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, NJW 1978, 947 (948). 5 BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, NJW 1978, 947; OLG Nürnberg v. 31.3.1960 – 3 U 210/59, WM 1960, 890 (892). 6 S. auch OLG Köln v. 22.1.1999 – 6 U 70/98, WM 1999, 1004 (1005).

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.326 Fünfter Teil

mer soll also nicht „von jetzt auf gleich“ ohne das ihm gewährte Darlehen dastehen, sondern er soll für die Suche nach einem anderen Darlehensgeber angemessen Zeit erhalten; denn anders als bei einem befristeten Darlehen kennt der Darlehensnehmer keinen Endzeitpunkt, auf den er sich einstellen muss. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist diese „Suchzeit“ allgemein auf jeden Fall mit 3 Monaten als angemessen zu bewerten; da die Frist allerdings dispositiv ist, können auch andere, insbesondere kürzere Fristen, angemessen sein1. Maßgeblich für die Länge der Kündigungsfrist ist in der Praxis demnach in erster Linie die vertragliche Vereinbarung, die die gesetzliche Kündigungsfrist (soweit sie nicht nur wiederholt wird) verkürzen oder verlängern kann; erst bei ihrem Fehlen ist § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB einschlägig. Fehlt eine konkrete vertragliche Vereinbarung und sind – wie regelmäßig – die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart, kann die Bank Kredite und Kreditzusagen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist unter Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange des Kunden kündigen (Nr. 19 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, ähnlich Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen, die zusätzlich noch auf die Kündigung zur Unzeit eingehen; dazu Rn. 5.327); dem Kunden ist nach Nr. 19 Abs. 6 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften jedoch für die Abwicklung eine angemessene Frist einzuräumen, während Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen mit Rücksicht auf den Status einer Sparkasse als Anstalt öffentlichen Rechts „das Vorliegen eines sachgerechten Grund“ (vgl. dazu Rn. 5.319) für eine ordentliche Kündigung verlangt. Die AGB sehen bewusst davon ab, eine feste Kündigungsfrist niederzulegen. Ursächlich war dafür, dass vermieden werden sollte, Kreditzusagen mit Eigenkapital unterlegen zu müssen2. Denn bis zur Einführung der verschärften EU-Eigenkapitalvorschriften entfiel eine solche Unterlegungspflicht, wenn die Kreditzusage jederzeit kündbar ist. Nunmehr ist auch eine jederzeit kündbare Kreditlinie zu unterlegen, wenn auch nicht in dem Maße wie Darlehen.

5.324

Hat ein Kreditinstitut bei der beabsichtigten ordentlichen Kündigung eines unbefristeten Darlehen auf der einen Seite die Vorgabe des Gesetzgebers einer Drei-Monatsfrist, muss es sich auf der anderen Seite fragen, wie weit es – wenn es vertraglich vereinbart ist – die Kündigungsfrist verkürzen darf, z.B. ob auch eine Kündigung ohne Frist in Betracht kommen kann. Damit eng im Zusammenhang steht auch das Verbot der Kündigung zur Unzeit; das Kreditinstitut darf nicht „unzeitig“, d.h. überraschend bzw. „aus heiterem Himmel“3 und auch nicht mit zu kurzer Frist kündigen. Denn letztlich ist es für die Frage der Unzeitigkeit gleichgültig, ob ohne oder mit einer zu kurzen Frist gekündigt wird.

5.325

Aus der Rücksichtnahmeverpflichtung auf die berechtigten Belange „des“ Kunden folgt ohne Weiteres, dass die Bank bei der Bemessung der Frist die Besonderheiten des Einzelfalls (= Darlehen „des“ Kunden) zu betrachten hat. Demzufolge sollten es also schon „Besonderheiten“ des Einzelfalls sein, die dem Kreditinstitut Anlass (genug4) geben, von der gesetzlichen Vorgabe des § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB „nach unten“ abzuweichen und sich damit ggf. einem Schadensersatzanspruch des Kunden auszusetzen. Die Frist sollte sich demzufolge grundsätzlich an § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB orientieren, der drei Monate vorsieht. Die Fristvorgabe stellt ein

5.326

1 BGH v. 28.6.1977 – III ZR 13/75, WM 1977, 834 (835); OLG Düsseldorf v. 9.2.1989 – 6 U 90/88, WM 1989, 1838 (1841 f.). 2 Merkel WM 1993, 725 (734). 3 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 230. 4 Damit ist nicht gemeint, dass das Kreditinstitut „fast“ schon einen wichtigen Grund zur Kündigung haben muss.

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Fünfter Teil Rz. 5.326 | Kreditgeschäft

gesetzliches Leitbild für die Frage, ob eine Frist angemessen ist, dar; auf das gesetzliche Leitbild stellt die Rechtsprechung im Darlehensrecht immer wieder ab1 und hat dies auch schon bei der Kündigungsregelung für einen Kreditkartenvertrag, der ebenfalls ordentlich ohne Kündigungsfrist gekündigt werden sollte, getan2 und eine fristlose (ordentliche) Kündigungsregelung für unwirksam erklärt. Eine ordentliche Kündigung eines unbefristeten Darlehensvertrags sollte demzufolge stets mit der Drei-Monatsfrist des § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB gekündigt werden, wenn es keine vertragsspezifischen Besonderheiten für eine Verkürzung gibt.

5.327

Das Leitbild des § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB hängt eng mit dem Verbot der Kündigung zur Unzeit zusammen, das gesetzlich in den § 627 Abs. 2, § 671 Abs. 2, § 675 Abs. 1, § 727 Abs. 2 BGB verankert ist und im Darlehensrecht mittels einer Analogie zu diesen Normen gilt3. Ein Kreditinstitut darf in der Regel – Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel – einen Darlehensnehmer grundsätzlich nicht von „jetzt auf gleich“ ohne Vorwarnung von der Kreditversorgung abschneiden; es muss ihm vielmehr die Möglichkeit zur Abhilfe, zur anderweitigen Beschaffung von Geldmittel oder zu sonstigen Maßnahmen geben4. Ohne dass es im Einzelfall Besonderheiten gibt, kann als Maßgabe gerade für die Unternehmensfinanzierung ein Zeitraum – auch wenn es jeweils auf den Einzelfall ankommt – gelten, innerhalb dem dem Darlehensnehmer bei eigenem sachgerechtem Handeln und der banküblichen Bearbeitungs-, Entscheidungs- und Valutierungsdauer (letztere auch abhängig von vorherigen Sicherheitenübertragungen oder Eintragungen im Grundbuch) eines Darlehensantrags in der betreffenden Art und Größenordnung eine Ablösung des Darlehens möglich ist5. In vielen Fällen geht es dann um einige Wochen, so dass sich sehr schnell wieder der Kreis zum Leitbild des § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB schließt. Und wenn es keine Besonderheiten gibt, sollte auf die Drei-Monatsfrist abgestellt werden, da das Kreditinsitut damit „auf der sicheren Seite“ ist.

5.328

Im Einzelfall kann somit eine kürzere Frist vertretbar sein, vor allem dann, wenn der Kredit verglichen mit den finanziellen Verhältnissen des Kunden unbedeutend ist und ein anderes Kreditinstitut schnell „einspringen“ kann. Keinesfalls muss die Frist umso länger sein, je schwieriger sich für den Kunden angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse die Suche nach einem neuen Kreditgeber gestaltet. Dies würde dazu führen, dass die Bank mit der Kreditkündigung, die die Voraussetzung für eine Sicherheitenverwertung darstellt, gerade in der Krise des Kunden besonders lange warten müsste, da es dem Kunden wohl kaum noch möglich ist, einen neuen Kreditgeber zu finden6. Ein solches Ergebnis wäre nicht vertretbar. Denn es hätte unter Umständen zur Folge, dass die Bank dem Kunden eine Verzögerung des Insolvenzantrags erleichtern müsste. Richtig ist, dass der Ermessenspielraum für ein Kreditinstitut um so enger wird, je größer die wirtschaftliche Abhängigkeit des Darlehensnehmers von seinem Kreditinsitut ist7; dies kann aber für eine ordentliche Kündigung lediglich – soweit es nicht um eine vom Kreditinstitut begleitete Sanierung geht (vgl. dazu Rn. 5.374 ff.) – bedeu-

1 Z.B. BGH v. 5.6.2018 – XI ZR 790/16, ZIP 2018, 1389 = WM 2018, 1363 (1367, Rn. 44); BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, ZIP 2017, 1610 = WM 2017, 1643 (1646, Rn. 38). 2 BGH v. 29.3.1994 – XI ZR 69/93, ZIP 1994, 690 = NJW 1994, 1532 (1533). 3 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 238; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/561; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 404. 4 OLG München v. 27.9.1996 – 21 U 2414/96, BB 1997, 435 (436); K.P. Berger in MünchKomm/ BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 238; Pleyer in GS Dietrich Schultz, 1987, 271 (280 f.). 5 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 238. 6 S. auch K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 238; Obermüller ZInsO 2002, 97 (98). 7 S. Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/563.

920 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.330 Fünfter Teil

ten, dass im Zweifel die vom Gesetzgeber als angemessen eingestufte Frist des § 488 Abs. 2 Satz 3 BGB nicht unterschritten werden sollte. b) Verbot der rechtsmissbräuchlichen Kündigung Rechtsmissbräuchlich handelt, wer keine eigenen schutzwürdigen Interessen verfolgt oder ganz überwiegende Interessen des anderen Teils missachtet1. Einer (ordentlichen) Kreditkündigung kann demnach im Einzelfall der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen, wenn sie für den Darlehensnehmer zu einer groben, unerträglichen Unbilligkeit führt, insbesondere wenn ihm ein unverhältnismäßig großer Schaden droht, während das Kreditinstitut ohne Kreditkündigung bei voller werthaltiger Sicherheitendeckung praktisch nicht belastet wird2. Vorübergehend kann man demnach einem Kreditinstitut das Recht zur ordentlichen Kündigung absprechen,

5.329

– wenn es über vollwertige Sicherheiten verfügt und – durch Hinausschieben der Kündigung keine Beeinträchtigung der Sicherheit zu befürchten ist, – der Kunde seine Annuitäten pünktlich erbracht hat, – die Kündigung für den Kunden unverhältnismäßige Nachteile bringen würde, und – bei gewissenhafter Prüfung der Vermögensverhältnisse und der Erfolgsaussichten des Unternehmens zu erwarten ist, dass die Rückzahlung zu einem späteren Zeitpunkt ohne schwerwiegende Probleme möglich sein wird. Nicht außer Acht gelassen werden darf die Frage, ob die vorhandenen vollwertigen Sicherheiten während der Zeit der „Kündigungsaussetzung“ ihren Wert voraussichtlich behalten werden oder die Gefahr besteht, dass eben diese Werthaltigkeit während dieses Zeitraums geschmälert wird. Das kann z.B. bei einer werthaltigen Globalzession der Fall sein, wenn die „Kündigungsaussetzung“ nicht hilft3, die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens zu beseitigen und die Bank hiervon Kenntnis hat. Denn unter diesen Umständen sind die Aufwertung von sicherungshalber abgetreten Forderungen und die Sicherungsabtretung neuer Forderungen in einer späteren Insolvenz anfechtbar (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO; vgl. dazu Rn. 6.223 ff.). Ein Kündigungsaufschub darf jedoch nicht zu einer unbefristeten Fortsetzung des Kreditverhältnisses führen. Unter Berücksichtigung der ohnehin für die Abwicklung nach einer Kündigung aus wichtigem Grund vorgesehenen Frist nach Nr. 19 Abs. 6 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften wird man einer Bank – vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – grundsätzlich und allenfalls einen Kündigungsaufschub bis zu drei Monaten zumuten können. Ein Kunde, dem es innerhalb dieser Zeitspanne nicht gelangt, die für den „Kündigungsaufschub“ relevanten Umstände zu beseitigen, kann sich nicht mehr auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs bei einer dann erfolgenden ordentliche Kündigung berufen, wobei dem Kreditinstitut (wenn es nicht ohnehin aus wichtigem Grund kündigen kann) anzuraten ist, die Kündigung mit der vom Gesetzgeber als angemessen angesehenen Drei-Monatsfrist (§ 488 Abs. 3 Satz 3 BGB) zu 1 So Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/568. 2 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 236; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/568; Obermüller ZInsO 2002, 97 (98 f.). 3 Dies unbeschadet der Frage, ob nicht möglicherweise auch ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt. Die Frage der Anfechtbarkeit einer Globalzession bzw. deren Werthaltigmachung stellt sich bei beiden Kündigungsoptionen.

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5.330

Fünfter Teil Rz. 5.330 | Kreditgeschäft

erklären. Geht es im Einzelfall dann nur noch darum, dass der Zwang zur Rückführung des Darlehens in einer Summe den Darlehensnehmer in die Insolvenz drängen würde, könnte anstelle eines monatelangen vollständigen Aufschubs an eine ratenweise Rückführung als eine beiden Seiten zumutbare Lösung gedacht werden1.

5.331

Ein Kreditinstitut darf das Kündigungsrecht also nicht willkürlich2 und ohne Rücksicht darauf ausüben, ob dem Kunden ein vermeidbarer Nachteil zugefügt wird, der durch eigene Interessen der Bank nicht zu rechtfertigen ist3. Nicht willkürlich auch für einen wirtschaftlich schwachen Schuldner, sondern von einem „ernstlichen Anlaß“ getragen ist nach dem BGH4 z.B. eine Änderungskündigung nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen einer Sparkasse und ihrem Kreditnehmer über den neuen Zinssatz nach Ablauf der Zinsfestschreibungsfrist.

5.332

Bei der Entscheidung über die Kündigung ist vom Kreditinstitut zu beachten, dass ein wirtschaftlich gefährdeter Betrieb für eine Kreditentziehung besonders empfindlich ist5. Wenn aber eine Bank nicht der einzige Kreditgeber des Kunden ist, keine oder keine vollwertigen Sicherheiten besitzt und auch sonst auf die Geschäftspolitik des Kunden keinen Einfluss genommen hat, kann man von ihr – soweit nicht per se ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt – nicht verlangen, auf eine Kündigung zu verzichten, die ihr aus Vorsichtsgründen wegen einer vermuteten negativen wirtschaftlichen Entwicklung des Schuldnerunternehmens geboten erscheint6. Denn einen allgemeinen Grundsatz, dass ein Kreditgeber Kredite nicht kündigen darf, wenn dadurch der Zusammenbruch eines Unternehmens herbeigeführt werden könnte, gibt es nicht und kann es nicht geben7. Die Bank muss mit der Vergabe von Krediten nicht gleichzeitig das unternehmerische Risiko des Kunden mit übernehmen8. Das Gesetz gibt keine Anhaltspunkte dafür her, dass Kreditinstitute sich bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte strengeren Schranken unterwerfen müssen als andere Gläubiger aus Dauerschuldverhältnissen. Anderen Gläubigern aus Dauerschuldverhältnissen wird das Recht nicht bestritten, ein vertraglich eingeräumtes Kündigungsrecht auszunutzen, wenn sie die Sorge haben, dass ihr Vertragspartner seine Verpflichtungen nicht mehr erfüllen wird und sie dadurch Schaden nehmen. Eine andere Beurteilung kann es nur geben, wenn sich ein Kreditinstitut zur Begleitung einer Sanierung bereit erklärt hat (dazu Rn. 5.374 ff.). c) Weitere Grenzen aus Treu und Glauben, z.B. Schaffung eines Vertrauenstatbestands

5.333

Für die Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ist weiterhin von Bedeutung, ob die Kündigung sich auf ein bereits ausgezahltes Darlehen bezieht oder ob 1 So für das außerordentliche Kündigungsrecht des § 490 Abs. 1 BGB BegrRegE zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz v. 14.5.2001, BT-Drucks. 14/6040, S. 254. 2 BGH v. 30.5.1985 – III ZR 112/84, WM 1985, 1136; BGH v. 3.3.1956 – IV ZR 334/55, WM 1956, 527 (530); OLG Hamm v. 21.6.1985 – 11 U 111/84, ZIP 1985, 1387 (1390). 3 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 236; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/568; s. auch Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1413). 4 BGH v. 28.6.1977 – III ZR 13/75, WM 1977, 834 (835). Der „ernstliche Anlaß“ ist im Ergebnis nichts anderes ist als ein „sachgerechter Grund“, vgl. zu letzterem Rn. 5.319. 5 BGH v. 30.9.1968 – II ZR 224/66, WM 1968, 1214 (1215). 6 S. auch OLG Köln v. 22.1.1999 – 6 U 70/98, WM 1999, 1004 (1006). 7 OLG Frankfurt v. 13.1.1992 – 4 U 80/90, WM 1992, 1018 (1022); s. auch K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 237; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 409; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/565; Obermüller ZInsO 2002, 97 (98). 8 Arg. aus BGH v. 3.3.1956 – IV ZR 301/55, WM 1956, 597.

922 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.336 Fünfter Teil

sie auch oder allein eine Kreditzusage, die noch nicht ausgenutzt wurde, betrifft. Denn für die Interessenabwägung ist es wesentlich, ob die Bank mit der Kündigung eines schon ausgezahlten Kredits auf einen insoweit bereits eingetretenen Vermögensverlust reagieren oder ob sie durch Widerruf einer Darlehenszusage bzw. eine Beschränkung der Kreditlinie auf die Höhe der gegenwärtigen Inanspruchnahme ein weiteres Ansteigen ihres Risikos vermeiden will. Wie sich nämlich aus den Vorschriften der §§ 321, 490 BGB, § 103 InsO ergibt, will der Gesetzgeber dem Gläubiger nicht zumuten, eine Leistung zu erbringen, wenn zu befürchten ist, dass der Schuldner die Gegenleistung nicht mehr bewirken kann1. Daraus folgt, dass die Bank jedenfalls dann zur Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts befugt ist, wenn sie angesichts einer kritischen Entwicklung in den Vermögensverhältnissen des Kunden verhindern will, dass dieser den Kredit voll in Anspruch nimmt, obwohl er zur Rückzahlung möglicherweise nicht mehr in der Lage sein wird. Dagegen ist die Bank nicht verpflichtet, auf die Interessen anderer Gläubiger ihres Kunden Rücksicht zu nehmen. Sie handelt nicht sittenwidrig, wenn sie von ihrem vertraglichen Recht auf Kündigung Gebrauch macht, auch wenn dadurch möglicherweise andere Gläubiger gefährdet werden können2.

5.334

Es ist in der Vergangenheit diskutiert worden, ob das Kündigungsrecht in Fällen sehr starker Abhängigkeit des Kreditnehmers vom Kreditgeber ausgeschlossen sein soll, wobei danach unterschieden wurde, ob der Kreditnehmer sich freiwillig in diese Abhängigkeit gebracht hat3 oder ob die Bank ihm etwa vertraglich untersagt hat, bei Dritten noch Kredite aufzunehmen4. Unbeschadet der – zu verneinenden – Frage, ob letzteres rechtlich überhaupt zulässig ist, kann sich die Thematik nur stellen, wenn die Bank eine Abhängigkeit des Kunden zu verantworten hat; andernfalls bestünde die Gefahr, dass sich ein Kreditnehmer, der sich bei der Kreditversorgung ausschließlich auf eine Bank stützt, regelmäßig auf eine sehr starke Abhängigkeit berufen kann.

5.335

Bei der Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit können schwierige Abgrenzungsprobleme auftauchen, die bei der meist gebotenen schnellen Kreditentscheidung der Bank nicht immer eindeutig geklärt werden können. So erhebt sich zunächst die Frage, was unter einem „Hinwirken“ auf ausschließliche Kreditbeziehungen der Bank zu verstehen ist. Es kann dafür nicht ausreichen, wenn die Bank in der Vergangenheit Konkurrenzangebote anderer Kreditinstitute dadurch abgewehrt hat, dass sie dem Kunden günstigere Konditionen geboten hat. Dies ist ein Ausfluss des Wettbewerbs, der nicht rückwirkend durch Sanktionen im Zeitraum der Krise des Kunden beeinträchtigt werden darf. Denn die Tatsache, dass eine Rückzahlung des Kredites die Existenz des Kreditnehmers gefährdet, ist keine Folge der Ausübung des Kündigungsrechts, sondern primär auf die schlechte Finanz- und Ertragslage des Kreditnehmers zurückzuführen, also auf einen Umstand, der in der Sphäre des Kunden und nicht der des Kreditinstituts liegt. Anders verhält es sich dagegen, wenn die Bank den Kunden vertraglich – soweit

5.336

1 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 237; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/568; Obermüller ZInsO 2002, 97; so auch BegrRegE des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zu § 490 Abs. 1 BGB, BT-Drucks. 14/6040, S. 254. 2 OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82, WM 1984, 586 (600). 3 BGH v. 3.3.1956 – IV ZR 334/55, WM 1956, 527 (530); angedeutet von OLG Köln v. 16.3.1984 – 3 U 71/83, WM 1985, 1128 (1132 f.), in der Nichtannahmeentscheidung BGH v. 30.5.1985 – III ZR 112/84, WM 1985, 1136 geht der BGH hierauf nicht ein. 4 Canaris ZHR 143 (1979), 113 (125); angedeutet auch bei BGH v. 14.7.1983 – III ZR 176/82, WM 1983, 1038.

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Fünfter Teil Rz. 5.336 | Kreditgeschäft

dies überhaupt rechtlich möglich ist – verpflichtet hat, bei Dritten keine Kredite aufzunehmen, oder soweit sie sich vertraglich ein Kündigungsrecht für diesen Fall vorbehalten oder dem Kunden mit dem Abbruch der Kreditbeziehung für den Fall gedroht hat, dass er auch bei Dritten Kredite aufnimmt1. Soweit heutzutage in Darlehensverträgen eine Informationspflicht für den Fall der Kreditaufnahme bei einem anderen Kreditinstitut vereinbart wird, kann dies keine Abhängigkeit bewirken. Auch eine Negativerklärung reicht nicht aus, da sie dem Kunden lediglich die Bestellung von Sicherheiten an Dritte und dies auch nur so lange untersagt, wie er der Bank nicht gleichwertige Sicherheiten einräumt2.

5.337

Ähnlich verhält es sich, wenn der Kunde öffentliche Mittel (z.B. Existenzgründungsdarlehen) mit Auflagen erhalten hat, die einen Wechsel der Bank ausschließen oder wesentlich erschweren3.

5.338

Nur wenn also die Bank die Ursache für eine sehr starke Abhängigkeit gesetzt hat, kann die Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts sittenwidrig sein, wenn die Bank selbst auf die Abhängigkeit des Kunden hingewirkt hat, hinreichend gesichert ist und die aktuelle Situation, die zu einer Einschränkung des Kündigungsrechts führt, überwindbar erscheint4.

5.339

Einer ordentlichen Kündigung kann ein Verstoß gegen Treu und Glauben entgegen gehalten werden, wenn das Kreditinstitut einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat und ggf. dem Darlehensnehmer keine Zeit – z.B. durch eine entsprechende Ankündigung – einräumt, sich auf eine geänderte „Sichtweise“ des Kreditinstituts einzustellen. Dabei verlangt die Annahme eines Vertrauenstatbestands ein Verhalten des Kreditinstituts, bei dem eine Kündigung als Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens anzusehen ist5. Ein einschlägiger Vertrauenstatbestand liegt also weder in der Kreditgewährung als solcher noch in einer langjährigen Kreditverbindung6. Auch die Tatsache, dass das Kreditinstitut einen steigenden Kreditbedarf mehrfach durch erhöhte Darlehen befriedigt hat, schafft keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand; ein Kunde kann demnach nicht davon ausgehen, dass sein Kreditinstitut auch weiterhin mit (neuen) Darlehen zu Verfügung steht oder ihn gar in seiner finanziellen Krise unverändert stützt7. Erst wenn ein Kreditinstitut über das für die Kreditgewährung und Kreditdurchführung erforderliche bankmäßige Handling hinaus ein Verhalten an den Tag legt, bei dem ein Kunde berechtigterweise davon ausgehen kann, dass das Kreditinstitut sich an dieses Verhalten festhalten lassen muss, weil es andernfalls widersprüchlich handeln würde, kann es (ausnahmsweise) zur Schaffung eines entsprechenden Vertrauenstatbestands kommenn. Das in der Schaffung bzw. Durchführung eines Darlehensverhältnisses liegende „normale“ Vertrauensverhältnis muss sich also durch ein „besonderes“ Verhalten deutlich intensiviert haben und damit zu einer Erweiterung der Pflichten des Kreditinstituts geführt haben8. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein Kreditinstitut – wobei es stets auf den Einzelfall ankommt – über einen längeren Zeitraum immer wieder deutliche Überziehungen eines vereinbarten Kredit1 2 3 4 5 6

Rümker KTS 1981, 493 (500). S. dazu Obermüller, Ersatzsicherheiten im Kreditgeschäft, 1987, Rn. 410 ff. u. Rn. 510. OLG Hamm v. 21.6.1985 – 11 U 111/84, ZIP 1985, 1387 (1389). Rümker KTS 1981, 493 (501); Canaris ZHR 143 (1979), 113 (125). K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 237. K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 237; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/566. 7 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 237; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 409; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/566. 8 Vgl. K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 237; s. auch Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/567.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.341 Fünfter Teil

rahmens – möglicherweise sogar bis zu einem (internen, aber faktisch natürlich sichtbaren) bestimmten Betrag – zugelassen hat1, wenn ein Kreditinstitut sich zur Sanierungsbegleitung grundsätzlich bereit erklärt hat und der Kunde ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept vorlegt2, wenn das Kreditinstitut bei Kreditverhandlungen das berechtigte Vertrauen des Kunden geweckt hat, das Kreditverhältnis werde mit Sicherheit fortgesetzt3 oder wenn das Kreditinstitut deutlich gemacht hat, das Kreditverhältnis nur beim Vorliegen „triftiger Gründe“ ordentlich kündigen zu wollen4. Wie ein entsprechender Vertrauenstatbestand wieder „aus der Welt geschafft werden kann“, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. So wird im „Überziehungsfall“ das Kreditinstitut dem Darlehensnehmer eine ordentliche Kündigung androhen und ihm eine angemessene Frist zur Wiederherstellung des ursprünglich vertraglich vereinbarten Zustands einräumen müssen, bevor es kündigen kann5; nach (erfolglosem) Ablauf der angemessenen Frist, die sich im Zweifel an der Drei-Monatsfrist des § 488 Abs. 3 Satz 3 BGB ausrichten sollte, sollte das Kreditinstitut wie angekündigt handeln und dem Kunden nicht durch die Einräumung einer oder gar mehrerer weiteren Frist(en) entgegen kommen, um den Vorwurf zu vermeiden, die Androhung(en) sei(en) nicht ernst gemeint gewesen und demzufolge könne auch nicht gekündigt werden. In den anderen Fällen – es kommt stets auf den Einzelfall an – kann es soweit gehen, dass das Kreditinstitut sich von dem geschaffenen besonderen Vertrauenstatbestand auch längere Zeit nicht lösen kann, solange z.B. keine „triftigen Gründe“ vorliegen oder nichts darauf hindeutet, dass eine auf einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept basierende Sanierung, zu deren Unterstützung sich das Kreditinstitut grundsätzlich bereit erklärt hatte, im Wesentlichen nicht so läuft, wie es im Sanierungskonzept vorgesehen ist6. Last but not least sei noch ergänzt, dass das Kreditinstitut Verfügungen, die der Kunde im Vertrauen auf die Fortführung des geschaffenen Zustands vorgenommen hat wie z.B. die Begebung von Schecks vor einer Kündigung, noch durchführen muss7.

5.340

3. Außerordentliche Kündigung Einem Darlehensvertrag immanent ist das außerordentliche Kündigungsrecht bei Vorliegen der Voraussetzungen. Es ist in der Rechtsprechung und der Rechtslehre schon seit langem anerkannt, dass Dauerschuldverhältnisse – wie es ein Darlehensvertrag regelmäßig ist – auch dann aus wichtigem Grund gekündigt werden können, wenn dies weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehen ist8. Die Möglichkeit zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund ist im Kern zwingendes Recht; eine Einschänkung durch AGB ist nicht

1 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 237; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 408; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/567. 2 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 237; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 409; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/567. 3 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 237; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 406. 4 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 237. 5 Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 408; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/567. 6 Vgl. dazu auch Rn. 5.374 ff. 7 Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 408; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/567. 8 Vgl. nur BegrRegE des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zu § 314 BGB, BT-Drucks. 14/6040, S. 176; s. auch Gaier in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 314 Rn. 1 m.w.N. zur Rspr.

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5.341

Fünfter Teil Rz. 5.341 | Kreditgeschäft

möglich1. Der Gesetzgeber hat dies im Schuldrechtsmodernisierungsgesetz2 nachvollzogen und das außerordentliche Kündigungsrecht von Dauerschuldverhältnissen im BGB geregelt. Während § 314 BGB die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigen Grund „allgemein“ regelt, hat der Gesetzgeber in § 490 BGB eine Sonderregelung für Darlehensverhältnisse vorgesehen, die als lex specialis § 314 BGB vorgeht3. Wegen des zwingenden Charakters besteht das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund auch bei einer anderweitigen („ordentlichen“) Kündigungsregelung oder einer Laufzeitvereinbarung. Bei Vorliegen der Voraussetzungen können ordentliches und außerordentliches Kündigungsrecht nebeneinander bestehen. Weiterhin haben die Kreditinstitute in ihren AGB ein außerordentliches Kündigungsrecht geregelt (Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen), das das gesetzliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grund ebenfalls nicht „aushebeln“ kann. Da die Bestimmungen in den AGB auf die gesetzlichen Vorgaben „aufsetzen“, sind die Voraussetzungen für eine Kündigung grundsätzlich gleich, werden aber insbesondere beim erforderlichen wichtigen Grund in den AGB noch etwas deutlicher spezifiziert. Demzufolge kann – und dies entspricht dem Handling in der Praxis – ohne Weiteres auf die AGB-Regelungen abgestellt werden.

5.342

Entscheidend für eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Darlehensvertrags ist also das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, „wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann“; in § 314 Abs. 2 BGB wird die Zulässigkeit einer fristlosen Kündigung an den erfolglosen Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder eine erfolglose Abmahnung für den Fall geknüpft, dass der wichtige Grund „in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag“ besteht und Abhilfefrist bzw. Abmahnung nach den dort genannten Voraussetzungen auch nicht entbehrlich sind. In § 490 Abs. 1 BGB ist speziell normiert, dass der Darlehensgeber, „wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückzahlung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird, ... den Darlehensvertrag vor der Auszahlung des Darlehens im Zweifel stets, nach Auszahlung nur in der Regel fristlos kündigen (kann)“. Diese gesetzlichen „Vorgaben“ finden sich praktisch „1 zu 1“ übernommen und leicht ausdifferenziert in Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen) wieder4. Danach ist eine fristlose Kündigung zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der der Bank die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses (oder auch der gesamten Geschäftsverbindung) auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden unzumutbar werden lässt. Anhand von nicht abschließend aufgeführten Regelbeispielen („insbesondere“) soll nach Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften ein wichtiger Grund insbesondere vorliegen,

1 BGH v. 8.2.2012 – XII ZR 42/10, NJW 2012, 1431 (1432, Rn. 27); Gaier in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 314 Rn. 7; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 314 Rn. 3; BegrRegE des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zu § 314 BGB, BT-Drucks. 14/6040, S. 176. 2 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001, BGBl. I 2001, 3138. 3 Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 314 Rn. 4; BegrRegE des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zu § 314 BGB, BT-Drucks. 14/6040, S. 177. 4 OLG Düsseldorf v. 21.4.2020 – I-6 U 136/19, ZIP 2020, 1654 = WM 2021, 70.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.344 Fünfter Teil

– wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat, die für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung von erheblicher Bedeutung waren1, – wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens gegenüber der Bank – auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit – gefährdet ist, oder – wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften oder aufgrund einer sonstigen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt. In Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen werden als weitere Regelbeispiele die Einleitung einer Zwangsvollstreckung gegen den Kunden sowie die wesentliche Verschlechterung oder erhebliche Gefährdung der Vermögensverhältnisse eines Mitverpflichteten oder des persönlich haftenden Gesellschafters, sowie Tod oder Wechsel des persönlich haftenden Gesellschafters genannt2. Nach den Regelbeispielen wird – ebenso in Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften – der gesetzliche „Hinweis“ für eine Abmahnung bei einer Vertragspflichtverletzung (dazu Rn. 5.351) übernommen. Dieses außerordentliche Kündigungsrecht wird in Kreditverträgen oft – insbesondere durch Nennung zusätzlicher wichtiger Gründe – weiter spezifiziert bzw. ausgedehnt. So kann zwecks Absicherung des Beleihungswerts z.B. bei einer Schiffs- oder (Gewerbe-)Immobilienfinanzierung eine Verpflichtung zur Nachbesicherung (oder vorzeitigen Teilrückführung des Darlehens) an das Unterschreiten eines bestimmten Wertverhältnisses zwischen Darlehensrestvaluta und Schiffs- bzw. Immobilienwert vereinbart werden3, was letztlich eine Spezifizierung des Nachbesicherungsrechts darstellt. Das außerordentliche Kündigungsrecht unterliegt zwar grundsätzlich auch den Schranken, die für das ordentliche Kündigungsrecht gelten, insbesondere dem Verbot der willkürlichen Ausübung und der Kündigung zur Unzeit (s. Rn. 5.322 ff.). Allerdings dürfte das Verbot der Kündigung zur Unzeit wegen des zwingenden Erfordernisses eines wichtigen Grundes und der umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen im Rahmen der (Un-)Zumutbarkeitsprüfung das Kündigungsrecht kaum beschränken4, während das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens in Ausnahmefällen eher relevant werden kann5.

5.343

Nachdem der Gesetzgeber das außerordentliche Kündigungsrecht im BGB geregelt hat und die Kreditinstitute in Ihren AGB die gesetzlichen Bestimmungen praktisch übernommen haben, bestehen gegen die Wirksamkeit der Regelungen in Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften bzw. Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen grundsätzlich keine Bedenken. Aber

5.344

1 Die anschließend in der Klausel aufgeführte Einschränkung bei Verbraucherdarlehensverträgen wird unter Rn. 5.410 ff. behandelt. 2 Vgl. dazu Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Sparkassen Rn. 86. 3 Sog. Loan to Value Klausel, s. dazu Schmid-Burgk WM 2015, 57 ff. 4 Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/597. 5 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 54, der als – richtigen – Beispielfall anführt, dass eine Bank bei einem (erneuten) Verstoß gegen vereinbarte Financial Covenants nicht außerordentlich kündigen kann, wenn der Kunde vorher wiederholt gegen diese Financial Covenants verstoßen hat und die Bank daraus keine (vereinbarten) Konsequenzen gezogen hat.

Huber | 927

Fünfter Teil Rz. 5.344 | Kreditgeschäft

auch vorher waren die AGB-Regelungen zur außerordentlichen Kündigung von der Rechtsprechung allgemein anerkannt1.

5.345

An der Zulässigkeit haben auch die Entscheidungen des BGH2, die besagen, dass insolvenzabhängige Lösungsklauseln außer beim Vorliegen berechtigter Gründe unwirksam sind, nichts geändert. Eine insolvenzabhängige Lösungsklausel liegt vor, wenn eine der Parteien für den Fall der Zahlungseinstellung, des Insolvenzantrages oder der Insolvenzeröffnung das Recht eingeräumt wird, sich vom Vertrag zu lösen3, oder wenn der Vertrag unter der auflösenden Bedingung des Eintritts dieser insolvenzbezogenen Umstände steht. Eine insolvenzabhängige Lösungsklausel ist nach § 119 InsO unwirksam, wenn sie im Voraus das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO ausschließt. Der Zweck des Erfüllungswahlrechts ist es, die Masse zu schützen und im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu mehren4. Dieser Zweck könnte vereitelt werden, wenn sich der Vertragspartner des Schuldners allein wegen der Insolvenz von einem für die Masse günstigen Vertrag lösen und damit das Wahlrecht des Insolvenzverwalters unterlaufen kann5. Eine insolvenzabhängige Klausel ist aber wirksam, wenn sie einer gesetzlichen Lösungsmöglichkeit entspricht6. Da die Regelbeispiele des Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken bzw. Kreditgenossenschaften oder in gleichlautenden Sonderbestimmungen allerdings nicht bzw. nicht nur an die soeben genannten insolvenzabhängigen Tatbestände, sondern – insolvenzunabhängig – an Veränderungen anknüpfen, die schon (weit) im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens eingetreten sein können und im Übrigen lediglich der Wortlaut des § 490 Abs. 1 BGB wiedergegeben wird, liegt keine nach § 119 InsO unwirksame Lösungsklausel7 vor und eine einschlägige Kündigungserklärung kann nicht unwirksam sein8. Dagegen wird in Nr. 26 Abs. 2 AGB-Sparkassen auf die Zahlungseinstellung und damit auf einen insolvenzabhängigen Lösungstatbestand abgestellt9; da nach dem BGH eine insolvenzabhängige Lösungsklausel allerdings dann wirksam sein soll, „wenn die Vereinbarung einer gesetzlich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit entspricht“10, dürfte dieser Lö1 BGH v. 30.5.1985 – III ZR 112/84, WM 1985, 1136 m.w.N.; BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234 (235); OLG Köln v. 15.9.2000 – 11 W 56/00, NZI 2001, 262 (263); OLG Frankfurt v. 13.1.1992 – 4 U 80/90, WM 1992, 1018 (1020); zur Entwicklung dieser Klausel s. Koch, Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, 1932, S. 57 ff. 2 BGH v. 27.10.2022 – IX ZR 213/21, ZIP 2023, 45; BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, ZIP 2013, 274 = NZI 2013, 178; s. auch BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 = NZI 2016, 532. 3 BGH v. 27.10.2022 – IX ZR 213/21, ZIP 2023, 45 (46, Rn. 13); BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, ZIP 2003, 1208 = WM 2003, 1384 (1386). 4 Wegener in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 15. Aufl. 2019, § 103 Rn. 2 f. 5 BGH v. 27.10.2022 – IX ZR 213/21, ZIP 2023, 45 (49, Rn. 42 f.); Berberich in Fridgen/Geiwitz/ Göpfert, Insolvenzrecht, 2022, § 119 InsO Rn. 2; s. auch M. Huber in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 119 Rn. 57. 6 BGH v. 27.10.2022 – IX ZR 213/21, ZIP 2023, 45 (46, Rn. 18; s. auch 50, Rn. 54); BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, ZIP 2013, 274 = NZI 2013, 178 (179, Rn. 13); s. auch BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 = NZI 2016, 532 (533, Rn. 25). 7 Vgl. dazu BGH v. 27.10.2022 – IX ZR 213/21, ZIP 2023, 45 (47 ff., Rn. 24 ff.); BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, ZIP 2013, 274 = NZI 2013, 178 f. (Rn. 10 ff.); s. auch BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 = NZI 2016, 532 f. (Rn. 14 u. Rn. 25). 8 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 8; Obermüller ZInsO 2013, 476 (478 f.); M. Huber ZIP 2013, 493 (497); Knof DB 2013, 1769 (1772); vgl. auch Becker ZInsO 2018, 1881 (1884 f.). 9 Dazu Becker ZInsO 2018, 1881 (1885, Rn. 29). 10 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, ZIP 2013, 274 = NZI 2013, 178 (179, Rn. 13); s. auch BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 = NZI 2016, 532 (533, Rn. 25).

928 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.348 Fünfter Teil

sungstatbestand1 zumindest dann zu einer wirksamen Kündigung führen, wenn einschlägige Kreditverträge entweder nach §§ 115, 116 InsO mit Verfahrenseröffnung erlöschen oder zu diesem Zeitpunkt Fälligkeit gemäß § 41 InsO eintritt und somit der die Entscheidung des BGH tragende Grund – das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO darf durch eine insolvenzabhängige Lösungsklausel nicht ausgeschlossen werden2 – nicht relevant ist3.

5.346

Dies ist im Kreditgeschäft in der Regel der Fall: – Kredite gleich welcher Art, die der Kunde auf Basis der Kontokorrentabrede innerhalb der vereinbarten Linie oder auch durch Überziehung dieser Linie in Anspruch genommen hat, unterliegen nicht dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters, sondern werden mit der Verfahrenseröffnung sofort fällig4. – Kredite, die nicht auf Kontokorrentbasis, sondern auf fester Vereinbarung hinsichtlich der Auszahlung und Rückzahlung gewährt worden sind, wie z.B. Annuitätendarlehen, Ratenkredite und Schuldscheindarlehen, werden mit Insolvenzeröffnung fällig (§ 41 InsO). Einer Kündigung bedarf es grundsätzlich nicht5. – Bei Tilgungskrediten, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht oder nicht voll ausgezahlt sind, und bei sog. Forward-Krediten6 innerhalb der Vorlaufzeit oder bei turnusmäßiger Rückzahlung eines Roll-over-Kredits zum Ablauf einer Zinsperiode erlischt die Kreditzusage über den noch oder wieder offenen Betrag anders als beim Kontokorrentkredit zwar nicht schon durch die Insolvenzeröffnung. Demgemäß kann der Insolvenzverwalter wählen, ob er den Vertrag ablehnt oder ob er Erfüllung verlangt (§ 103 InsO)7. Aber auch wenn der Insolvenzverwalter ausnahmsweise die Auszahlung verlangen sollte, kann die Bank den Kreditvertrag gemäß § 490 Abs. 1, § 314 Abs. 1, § 321 BGB und damit anhand einer gesetzlichen Lösungsmöglichkeit kündigen. Aus diesen Erwägungen folgt, dass, auch wenn im Einzelfall ein Insolvenzereignis eingetreten ist, die Kündigung auf Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften bzw. Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen gestützt werden kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Insolvenzereignis für die Entscheidung, zu kündigen, den Ausschlag gibt oder als Kündigungsgrund ausdrücklich genannt wird.

5.347

a) Wichtiger Grund und Unzumutbarkeit der Vertragsweiterführung Wie bereits erwähnt setzt die außerordentliche Kündigung eines Darlehensvertrags das Vorliegen eines wichtigen Grunds voraus und eine Abwägung der Interessen von Kreditinstitut und Darlehensnehmer mit dem Ergebnis, dass dem Kreditinstitut die Weiterführung des Darlehensvertrags nicht zumutbar ist, d.h. die Belange des Darlehensnehmers stehen einer außer1 Empfehlenswert erscheint, zumal dies ausreichend ist, eine Kündigungsklausel bzw. auch ein Regelbeispiel alleine an § 490 Abs. 1 BGB auszurichten, vgl. M. Huber ZIP 2013, 493 (499). 2 BGH v. 27.10.2022 – IX ZR 213/21, ZIP 2023, 45 (49, Rn. 42 f.); BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/ 11, ZIP 2013, 274 = NZI 2013, 178 (179, Rn. 13); ebenso BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 = NZI 2016, 532 (Rn. 14). 3 Ebenso Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 8; Obermüller ZInsO 2013, 476 (479); ähnlich M. Huber ZIP 2013, 493 (498); Knof DB 2013, 1769 (1772). 4 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 14. 5 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 17. 6 Dazu Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 31 (m.w.N. in Fn. 133). 7 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 17.

Huber | 929

5.348

Fünfter Teil Rz. 5.348 | Kreditgeschäft

ordentlichen Kündigung nicht entgegen1. Bedeutende wichtige Gründe sind als Regelbeispiele in der AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften und AGB Sparkassen aufgeführt, ohne dass dieser Katalog abschließend ist („insbesondere“) (s. Rn. 5.342). Über die in den AGB genannten Regelbeispielen hinaus gibt es auch weitere wichtigen Gründen für die außerordentliche Kündigung eines Darlehensvertrags; auch diese weiteren wichtigen Gründe, von denen einige weiter unten erörtert werden, müssen nach einer Abwägung der beiderseitigen Interessen wie bei den Regelbeispielen zum Ergebnis führen, dass eine Vertragsweiterführung für das Kreditinstitut nicht mehr zumutbar ist. Dabei bedeutet jeweils das Verdikt Unzumutbarkeit nicht, dass das Kreditinstitut zwingend kündigen müsste. De iure obliegt auch dann das „ob“ einer Kündigung der Entscheidung des Kreditinstituts, das im Regelfall kündigen wird; allerdings kann es auch eine andere Entscheidung geben, was der Gesetzgeber dadurch anerkennt, dass nach § 490 Abs. 1 BGB die Kündigung eines ausgezahlten Darlehens nur „in der Regel“ außerordentlich erfolgen kann2. Da die Interessenabwägung im Zusammenhang mit dem wichtigen Grund und dem konkreten Darlehensverhältnis steht, wird – soweit dies erforderlich ist -auf die Abwägung bei den nachstehend zu erörternden AGB-Regelbeispielen eingegangen. b) Unrichtige Angaben über die Vermögensverhältnisse

5.349

Ein zur außerordentlichen Kündigung berechtigender wichtiger Grund ist nach Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 1. Spiegelstrich AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 Satz 3 c) AGB Sparkassen) gegeben, wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat3, die für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung von erheblicher Bedeutung waren4. Die falschen Angaben müssen sich entweder auf die Sicherheit des Darlehens unmittelbar nachteilig auswirken oder Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit des Kunden begründen5. Der Kunde hat das Kreditinstitut über die (kredit)entscheidungserheblichen Umstände aufzuklären und ihm entsprechende und vollständige Informationen über seine wirtschaftliche und finanzielle Lage zu liefern6. Die Offenlegung der Vermögensverhältnisse gehört zu den wesentlichen Verpflichtungen eines jeden Darlehensnehmers, die unter dem Einfluss anglo-amerikanischer Kreditverträge zunehmend durch sog. „Representations and Warranties“ spezifiziert und besonders betont werden. Sie zu fordern ist die Bank im Interesse ihrer Einleger (§ 18 KWG) – und bei Verbraucherdarlehen auch im Interesse ihrer Kreditnehmer (§§ 505a ff. BGB, § 18a KWG; vgl. dazu Rn. 5.115) – rechtlich verpflichtet; daraus kann mittelbar auch eine Verpflichtung des Kunden zur Vorlage abgeleitet werden7. Der Kunde darf also das Kreditinstitut durch unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse, z.B. durch unrichtige Bilanzen, nicht täuschen und auch nicht angesichts

1 2 3 4

Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/596. Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/596. Zu den Besonderheiten beim Verbraucherdarlehensvertrag s. Rn. 5.410 ff. OLG München v. 5.5.1995 – 14 U 875/94, WM 1996, 1623; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 415; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/584. 5 BGH v. 3.6.1985 – VIII ZR 150/84, ZIP 1985, 1203 = WM 1985, 999 f.; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 415; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/584. 6 BGH v. 1.3.1994 – XI ZR 83/93, NJW 1994, 2154 (2155); BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, ZIP 1983, 1053 = NJW 1983, 2701 (2703); OLG Frankfurt v. 25.3.2011 – 19 U 173/10, ZIP 2011, 999 = DB 2011, 2312 f.; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 416 f.; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/584 ff. 7 OLG Frankfurt v. 25.3.2011 – 19 U 173/10, ZIP 2011, 999 = DB 2011, 2312.

930 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.351 Fünfter Teil

seiner wirtschaftlichen Krise deren Offenlegung verweigern1. Das pflichtwidrige Unterlassen vollständiger Aufklärung bzw. eine nachhaltige und beharrliche Verweigerung der Offenlegung steht einer unrichtigen Angabe gleich2 und reicht für die Kündigung aus, selbst wenn kein Zahlungsverzug vorliegt3. Hier bedarf es auch keiner Abwägung mehr, wenn das Verhalten des Kunden derart eindeutig ist. Anders als beim Verbraucherdarlehen (vgl. Rn. 5.415) kann sich der Unternehmenskunde bei einer einschlägigen Darlehenskündigung nicht darauf berufen, dass das Kreditinstitut bei der Kreditwürdigkeitsprüfung sorglos verfahren ist und etwa leichtfertig die Insolvenzreife des Unternehmens übersehen hat4. Insoweit handelt es sich alleine um eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Kreditinstituts5, sich die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers offenlegen zu lassen. Die Verpflichtung schützt den Darlehensnehmer nicht, so dass er auf eine etwaige Verletzung der Überprüfungspflichten durch das Kreditinsititut keine Ansprüche stützen kann6. Eine fehlerhafte Prüfung eines Unternehmenskredits dürfte keinen Schadenersatzanspruch des Darlehensnehmers gegen das Kreditinstitut auslösen, da es schon im Verbraucherdarlehensrecht als Sanktionsnorm lediglich den § 505d BGB gibt, der als Sanktion im Wesentlichen eine Zinsermäßigung bzw. ein Kündigungsrecht des Verbraucherdarlehensnehmers vorschreibt7. Darüber hinaus lässt sich ein Schadensersatzanspruch (des Verbrauchers) nicht begründen8. Der Umkehrschluss aus dieser Sanktionsnorm, die sich ausdrücklich nur auf Verbraucherdarlehensverträge bezieht, spricht deutlich gegen einen Schadenersatzanspruch von Unternehmenskunden wegen fehlerhafter Kreditprüfungen.

5.350

Ein Verstoß des Kunden gegen seine Offenlegungspflicht stellt unabhängig von der Schwere des Verstoßes eine Vertragspflichtverletzung dar, so dass das Kreditinstitut vor einer Kündigung prüfen muss, ob es dem Kunden nicht nach Nr. 19 Abs. 3 Satz 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 Satz 4 AGB Sparkassen) eine Abhilfefrist setzen oder ihn abmahnen muss. Eine Abhilfefrist ist immer dann zu setzen, wenn die Pflichtverletzung selbst oder deren Folgen noch andauern9. Dagegen bedeutet eine Abmahnung die Rüge einer „abgeschlossene“ Pflichtverletzung und für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung die Androhung vertragrechtlicher Konsequenzen; es ist keine ausdrückliche Kündigungsandrohung erforderlich, jedoch muss aus der Erklärung für den Kreditnehmer deutlich werden, dass die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel steht10. Kommt das Setzen einer Abhilfefrist in Betracht, muss ihre Dauer angemessen sein und dem Kreditnehmer eine tatsächliche Mög-

5.351

1 BGH v. 1.3.1994 – XI ZR 83/93, NJW 1994, 2154 (2155); OLG Hamm v. 3.11.1997 – 31 U 45/97 nicht veröffentlicht. 2 Vgl. Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 416. 3 OLG Frankfurt v. 25.3.2011 – 19 U 173/10, ZIP 2011, 999 = DB 2011, 2312 (2313). 4 BGH v. 12.2.1959 – VII ZR 70/58, WM 1959, 626 (628). 5 BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, ZIP 2005, 287 = WM 2005, 369 (372 ff.); s. auch EuGH v. 12.10.2004 – C-222/02, ZIP 2004, 2039 = WM 2005, 365 (368 f., Rn. 34 ff.). 6 Nur in Ausnahmefällen bejaht die Rspr. einen Anspruch, vgl. dazu z.B. BGH v. 10.12.2013 – XI ZR 508/12, ZIP 2014, 118 = WM 2014, 125 (126 f., Rn. 14 u. Rn. 26); BGH v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, ZIP 2006, 1187 = WM 2006, 1194 (1199 ff., Rn. 40 ff. m.w.N.). 7 Vgl. nur Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 505d Rn. 3 ff. 8 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 505d Rn. 18; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 505d Rn. 3; Buck-Heeb NJW 2016, 2065 (2069 f.); a.A. Bartlitz ZIP 2020, 1337 (1338 ff.). 9 Gaier in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 314 Rn. 37. 10 BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 3/11, NJW 2012, 53 (Rn. 17); Gaier in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 314 Rn. 37 f.

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Fünfter Teil Rz. 5.351 | Kreditgeschäft

lichkeit zur Abhilfe einräumen; eine zu kurze Frist macht die Erklärung nicht unwirksam, sondern setzt eine angemessene Frist in Gang1. Die Fristdauer, die immer mit einem konkreten Zeitraum oder einem konkreten Enddatum gesetzt werden sollte, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab; weniger schwere Verstöße, die einer Fortsetzung des Darlehensvertrages nicht grundsätzlich im Wege stehen, können länger „befristet“ werden (2 bis 4 Wochen), während schwere Verstöße, die Zweifel an der Fortsetzung eröffnen, mit einer kürzeren Frist (1 bis 2 Wochen) versehen werden sollten. Davon zu trennen ist, wann eine Fristsetzung bzw. Abmahnung nach Erkennen der Vertragspflichtverletzung durch das Kreditinstitut erfolgen sollte; insoweit ist zu empfehlen, eine erforderliche Fristsetzung oder Abmahnung unverzüglich vorzunehmen, gerade wenn eine Kündigung des Darlehensverhältnisses im Raum steht, um auch den Vorwurf zu vermeiden, wegen zu langen Wartens sei das Handeln des Kreditinstituts verspätet und eine anschließende Kündigung unberechtigt. Das Setzen einer Abhilfefrist bzw. Erteilung einer Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn dies wegen besonderer Umstände des Einzelfalls wie bei einer offensichtlichen Zwecklosigkeit entbehrlich ist2. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Kreditnehmer seine Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat oder die Pflichtverletzung zu einer irreparablen Störung der Vertrauensbasis geführt hat, die auch durch Gewährung einer Abhilfefrist bzw. Erteilung einer Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann3. Eine nachhaltige und beharrliche Verweigerung einer Offenlegung oder eine Täuschung, z.B. durch die Vorlage unrichtiger Bilanzen, sind Beispiele für die Zwecklosigkeit einer Fristsetzung bzw. Abmahnung. Erteilt ein Kreditinstitut in diesem Fall dennoch eine Fristsetzung bzw. Abmahnung, muss es sich aus Treu und Glauben daran festhalten lassen4, d.h. eine außerordentliche Kündigung kommt nur unter Berücksichtigung des Inhalts dieser (nicht erforderlichen) Maßnahme in Betracht. c) Wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit

5.352

Der im zweiten Spiegelstrich des Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 Satz 3 a) AGB Sparkassen) genannte wichtige Grund der wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit liegt in der Kreditpraxis am häufigsten einer außerordentlichen fristlosen Kündigung zugrunde. Bei der Abwägung für eine Kündigung nach diesem wichtigen Grund hat das Kreditinstitut einige Kriterien ins Kalkül zu ziehen. aa) Wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse

5.353

Eine „Grundvoraussetzung“ ist eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers. Der Begriff „Vermögensverhältnisse“ umfasst die gesamte wirtschaftliche und finanzielle Lage des Darlehensnehmers und damit auch externe Faktoren, soweit

1 Gaier in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 314 Rn. 37; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 314 Rn. 8. 2 Gaier in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 314 Rn. 40; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 314 Rn. 8; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/600. 3 Gaier in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 314 Rn. 40; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 314 Rn. 8; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/600; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 435. 4 Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 314 Rn. 8.

932 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.354 Fünfter Teil

diese sich auf seine konkrete Vermögenssituation auswirken1. Letzteres kann z.B. bei einer starken Abhängigkeit von einem insolvent gewordenen Unternehmen oder bei einer erheblichen Verteuerung eines für die Produktion ganz wesentlichen Rohstoffs relevant werden2. Da es auf die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers ankommt, reicht eine Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage wie z.B. ein – auch erheblicher – Rückgang der Konjunktur als solches nicht aus. Eine „wesentliche“ Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers mag in Einzelfällen nicht leicht zu bestimmen sein3. Eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse setzt voraus, dass sich beim Darlehensnehmer die tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrags und dem Zeitpunkt der Entscheidung über eine Kündigung wesentlich verändert haben4. Es genügt nicht, wenn nur erhoffte Verbesserungen nicht eintreten oder Prognosen hinsichtlich der Umsatzentwicklung sich nicht erfüllen5. Auch der Umstand, dass sich die Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers immer schon als schlecht darstellen bzw. sie bereits zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung vorgelegen haben und dem Kreditinstitut zu diesem Zeitpunkt auch bekannt waren, gibt dem Kreditinstitut keinen Kündigungsgrund6. Veränderungen in den Bilanzen des Kunden, die sich als notwendige und voraussehbare Folge der Kreditgewährung darstellen, können ebenfalls nicht als relevante Vermögensverschlechterung angesehen werden7. Demgemäß kann auch der Wegfall einer Sicherheit keinen Grund zur außerordentlichen Kündigung bieten, wenn die Sicherheit ohnehin nicht werthaltig war8. Nur wenn sich die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers nach dem Vertragsabschluss, nicht notwendigerweise erst nach der Auszahlung des Darlehensbetrags9, tatsächlich verschlechtern und diese Verschlechterung auch „wesentlich“ ist, kann über eine außerordentliche Kündigung weiter nachgedacht werden. Die „wesentliche“ Verschlechterung tritt sicherlich nicht erst ein, wenn der Darlehensnehmer (drohend) zahlungsunfähig geworden oder überschuldet ist10; allerdings sind sie die augenscheinlichsten Umstände. Auch wenn es auf eine Gesamtschau aller wirtschaftlichen Umstände des Einzelfalls ankommt, kann zu ihrer Feststellung z.B. auf bei Kaufleuten anerkannte Risikobewertungsmodelle, auf die deutliche Verschlechterung von Bilanzkennziffern, auf den umfassenden Ausfall von Absatz- oder Gewinnchancen, eine dauerhafte erhebliche Verschlechterung von Eigenkapital oder Liquidität oder eine Begründung weiterer namhafter Verbindlichkeiten zwecks Weiterexistenz des Darlehensnehmers abgestellt werden11. Bei einem Verbraucher (s. dazu Rn. 5.424) dürfte insoweit eher auf einen nicht nur unwesentlichen, dauernden Wert-

1 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 4; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 490 Rn. 3; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/589. 2 Vgl. Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/589. 3 Dazu Knops WM 2012, 1649 (1651). Im Allgemeinen hat die Kreditpraxis mit der Feststellung dieses Tatbestands keine allzu großen Probleme. 4 OLG Düsseldorf v. 21.4.2020 – I-6 U 136/19, ZIP 2020, 1654 = WM 2021, 70 (71). 5 LG Potsdam v. 8.10.2003 – 8 O 505/02, n.v. 6 BGH v. 7.5.2002 – XI ZR 236/01, ZIP 2002, 1241 = WM 2002, 1345 (1346). 7 BGH v. 14.12.1989 – III ZR 198/88, ZIP 1990, 1051 = WM 1990, 215 (217 f.); BGH v. 20.12.1955 – I ZR 171/53, WM 1956, 217 (220); OLG Düsseldorf v. 18.9.1978 – 6 U 112/77, WM 1978, 1300 (1303). 8 OLG Frankfurt v. 15.2.2002 – 24 U 5/01, ZIP 2002, 1030 (1031 f.). 9 Dies folgt aus dem Wortlaut des § 490 Abs. 1 BGB, der auch vor der Auszahlung eine außerordentliche Kündigung zulässt, wenn die Voraussetzungen vorliegen. 10 So aber offensichtlich Knops WM 2002, 1649 (1652 f.). 11 So mit weiteren Beispielen K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 5.

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5.354

Fünfter Teil Rz. 5.354 | Kreditgeschäft

verlust von wesentlichen Vermögensteilen oder die wesentliche Verschlechterung seiner Einkommenssituation abzustellen sein1. Auch die Vorladung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, die Einleitung der Zwangsvollstreckung oder die Androhung bzw. Ankündigung des Darlehensnehmers einen Insolvenzantrag stellen zu wollen2, sind relevante Umstände für eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers3. Auf ein Verschulden des Darlehensnehmers bzw. seiner Mitarbeiter(innen) kommt es nicht an4. Wurde der Darlehensvertrag von mehreren Darlehensnehmern als Gesamtschuldner geschlossen, reicht es zwar grundsätzlich aus, wenn die wesentliche Verschlechterung nur bei einem Darlehensnehmer vorliegt5; allerdings muss das Kreditinstitut die Interessenabwägung für eine außerordentliche Kündigung mit besonderer Sorgfalt vornehmen6.

5.355

Es reicht für den „Grundtatbestand“ aus, dass die wesentliche Verschlechterung zum Zeitpunkt der Kündigung(sentscheidung) „einzutreten droht“ (§ 490 Abs. 1 BGB bzw. Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 2. Spiegelstrich AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften). Das Kreditinstitut muss also den tatsächlichen Eintritt der Vermögensverschlechterung nicht abwarten, sondern es reicht, dass sich die wesentliche Verschlechterung und die daraus folgende Gefährdung der Darlehensrückzahlung „sichtbar abzeichnet“7. Das bedeutet, dass sich die wesentliche Verschlechterung aufgrund objektiv nachvollziehbarer Indizien konkret, also sichtbar, abzeichnet; ein bloßer Verdacht reicht nicht aus8.

5.356

Ähnlich verhält es sich mit der Kündigung von Anleihen in Insolvenznähe: Haben Gläubiger eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Emittentin genutzt, um Inhaberschuldverschreibungen kurz vor dem Fälligkeitszeitpunkt zu einem Kurs weit unter dem Nennwert zu erwerben, können sie dieses in ihren Einstandspreis eingepreiste Risiko nicht zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB nehmen9. Dasselbe muss für eine Kündigung aufgrund eines vertraglich eingeräumten, auf eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse bezogenen Kündigungsrechts gelten. Daran ändern auch die §§ 793 ff. BGB, die eine Sonderregelung für Inhaberschuldverschreibungen darstellen, nichts. Denn sie enthalten weder eine Regelung über die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse, noch verweisen sie auf § 490 BGB, noch ergibt sich eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit aus ihrem Sinn und Zweck. Gerade bei börsennotierten Inhaberschuldverschreibungen besteht im Hinblick auf deren Fungibilität keine Notwendigkeit für eine derartige außerordentliche Kündigungsmöglichkeit.

1 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 5. 2 Droht dies ein Gläubiger an, bedarf dies in Bezug auf eine möglicherweise „wesentliche“ Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers einer genaueren Überprüfung, da derartige Androhungen auch – dies zeigt sich immer wieder in der Praxis – einen anderen Hintergrund haben können. 3 Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/588. 4 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 5. 5 Huber NZI 2019, 97 (101); K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 3. 6 Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/587. 7 So BegrRegE zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz v. 14.5.2001, BT-Drucks. 14/6040, S. 254. 8 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 7. 9 OLG München v. 22.6.2015 – 21 U 4719/14, ZIP 2015, 2174 (2175 f.).

934 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.358 Fünfter Teil

bb) Wesentliche Verschlechterung der Werthaltigkeit einer Sicherheit Als weitere „Grundvoraussetzung“ gibt es die wesentliche Verschlechterung einer Sicherheit. Während bei der wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse alleine auf den Darlehensnehmer abzustellen ist, kann die „betroffene“ Sicherheit bei der weiteren Grundvoraussetzung nicht nur vom Darlehensnehmer, sondern von einem Dritten gestellt worden sein. In Betracht kommen sowohl Personalsicherheiten wie Bürgschaft oder Schuldbeitritt als auch dingliche Sicherheiten wie Grundschuld, Sicherungsabtretung oder Sicherungsübereignung. Ist die Sicherheit vom Darlehensnehmer gestellt und verschlechtert sich die Werthaltigkeit, sind immer auch die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers in Bezug zu nehmen1. Nur wenn sich letztere durch den Wertverlust der Sicherheit ebenfalls wesentlich verschlechtert, kann kumulativ auf beide „Grundvoraussetzungen“ angestellt werden; insoweit kommt dieser weiteren Grundvoraussetzung eine sehr eingeschränkte Bedeutung zu2. Nur wenn die Sicherheit von einem Dritten gestellt worden ist und sie deutlich an Wert verliert, kann diese Grundvoraussetzung von Belang werden. Insgesamt empfiehlt es sich in diesen Fällen für die Praxis eher, den Weg des Nachbesicherungsverlangens nach Nr. 13 AGB-Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 22 AGB Sparkassen) zu beschreiten, da dazu keine Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs erforderlich ist3 und beim „Nichterfolg“ der Nachbesicherung ein (anderer) wichtiger Grund zur Kündigung gegeben sein kann (vgl. dazu Rn. 5.362 ff.). Auch für diese Grundvoraussetzung reicht es aus, dass die wesentliche Verschlechterung der Werthaltigkeit der Sicherheit einzutreten „droht“ (vgl. dazu Rn. 5.355).

5.357

cc) Gefährdung der Darlehensrückzahlung Die Verschlechterung bzw. Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers bzw. der Werthaltigkeit einer Sicherheit gibt für sich allein noch keinen Grund zur fristlosen Kündigung des Kredits. Hinzukommen muss (§ 490 Abs. 1 BGB bzw. Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 2. Spiegelstrich AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften), dass die Rückzahlung des Darlehens dadurch gefährdet wird; in den AGB wird der „Gefährdungstatbestand“ noch durch die „Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber der Bank“ (Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 2. Spiegelstrich AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften) ergänzt bzw. er dahingehend formuliert (Nr. 26 Abs. 2 Satz 3 AGB Sparkassen), dass „die Einhaltung der Zahlungspflichten des Kunden oder die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Sparkasse“ gefährdet sein muss. Die erforderliche Gefährdung der Darlehens- und Zinsrückzahlung4 verlangt eine „akute Ausfallgefährdung“5, die objektiv vorliegen muss oder vom Kreditinstitut nach pflichtgemäß ausgeübtem Ermessen unter Wahrung der berechtigten Belange des Darlehensnehmers angenommen werden durfte6. Dies bedarf einer sorgfältigen Prüfung durch das Kreditinstitut; ergibt sich nur der Verdacht des Gefährdungstatbestands, kann das Kreditinstitut nicht kündigen. Bei seiner

1 2 3 4

K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 11. K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 6 u. Rn. 11. K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 14. Die Ergänzung in den AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften – über den Gesetzeswortlaut hinaus – auf sonstige Verbindlichkeiten wie z.B. Zinszahlungen ist im Gesamtzusammenhang der Regelung des Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 2. Spiegelstrich AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften unschädlich, vgl. K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 61 m.w.N. 5 So K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 8. 6 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 8; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 490 Rn. 3; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/590; Obermüller ZInsO 2002, 97 (100).

Huber | 935

5.358

Fünfter Teil Rz. 5.358 | Kreditgeschäft

Prüfung hat das Kreditinstitut zu berücksichtigen, dass die Ausfallgefährdung „auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit“ (§ 490 Abs. 1 BGB bzw. Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 2. Spiegelstrich AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften sowie Nr. 26 Abs. 2 Satz 3 AGB Sparkassen) gegeben sein muss. Dies bedeutet jetzt nicht, dass Sicherheiten erst verwertet sein müssen1, sondern für gestellte Sicherheiten ist jeweils ein Verwertungserlös im Wege der Prognose bei der Prüfung der Ausfallgefährdung einzubeziehen2.

5.359

Sicherheiten bieten einen vollständigen Ausgleich für den Minderwert des Rückzahlungsanspruchs nur dann, wenn sie – gemessen an ihrem Wert zur Zeit des Geschäftsabschlusses – nach dem Urteil eines unbeteiligten, sachkundigen und unterrichteten Beobachters im Hinblick auf die Gesamtumstände zur Deckung des vollen Kreditrisikos ausreichen und ohne nennenswerte Schwierigkeiten verwertbar sind3. Gerade in der Krise des Schuldners sind die von ihm gestellten Sicherheiten oft nur schwer zu bewerten. Denn in dieser Zeit stellt sich die Frage, ob von den Zerschlagungswerten oder vom Going-concern-Prinzip ausgegangen werden kann. Anders als bei der Aufstellung eines Überschuldungsstatus durch den Kunden (s. Rn. 5.482) muss man hier der Bank das Recht zuerkennen, den ungünstigsten Fall zu unterstellen und die Sicherheiten nach Zerschlagungswerten zu bemessen4, wenn die Bank nicht mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Überwinden der Krise rechnen kann. Auf die Bewertungen, die anlässlich der Ermittlung des Beleihungswerts bzw. der Deckungsgrenze (s. Rn. 6.55) getroffen wurden, kommt es jetzt nicht mehr an. Anders sieht dies allerdings aus, wenn sich das Kreditinstitut zur Sanierungsbegleitung bereit erklärt bzw. ggf. bereits einen Überbrückungs- oder Sanierungskredit gewährt hat (vgl. dazu Rn. 5.255).

5.360

Ein Aufschieben oder gar ein Verzicht auf die Kündigung ist der Bank aber nicht schon dann zumutbar, wenn sie in dem Zeitpunkt, in dem sie die Vermögensverschlechterung des Kunden erkennt, lediglich soviel Sicherheiten besitzt, dass der Kapitalbetrag und die schon aufgelaufenen Zinsen gedeckt sind. Vielmehr kommt es darauf an, ob zu besorgen ist, dass die Sicherheiten im Laufe der Zeit einen Wertverlust erleiden und dass bei Verwertung bestimmter Sicherheiten nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Kostenbeiträge an den Verwalter abzuführen sind (vgl. im Einzelnen Rn. 6.1173 ff.), und darauf, wie lange die Sicherheiten noch ausreichen werden, um auch die anfallenden Zinsen zu decken. Wenn die Bank ohne eine Änderung der finanziellen Verhältnisse des Schuldners in absehbarer Zeit befürchten muss, durch die weiterhin auflaufenden Zinsen einen Verlust zu erleiden, so wird man ihr nicht zumuten können, dass sie bis dahin ihre Kündigung zurückstellt5. Selbst wenn die Bank ausreichend besichert ist, so ist sie jedenfalls dann zur Kündigung ihrer Kredite berechtigt, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Kunden derart verschlechtert haben, dass seine Sanie-

1 Da würde sich wohl auch „die Katze in den Schwanz beißen“, denn die Sicherheitenverwertung setzt Verwertungsreife voraus, was wiederum die Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs – regelmäßig nach einer Kündigung des Darlehensvertrags – voraussetzt, vgl. dazu Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 18; Huber in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/ 600f. 2 Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 490 Rn. 3; s. auch OLG Düsseldorf v. 21.4.2020 – I6 U 136/19, ZIP 2020, 1654 = WM 2021, 70 (72). 3 Schönfelder/Früh/Müller-Arens in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 3/156a. 4 Wittig NZI 2002, 633 (635). 5 Vgl. dazu auch BGH v. 6.3.1986 – III ZR 245/84, ZIP 1986, 770 = NJW 1986, 1928 (1929); s. ferner OLG Düsseldorf v. 21.4.2020 – I-6 U 136/19, ZIP 2020, 1654 = WM 2021, 70 (72).

936 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.363 Fünfter Teil

rungsfähigkeit verneint werden muss1. Auch die unmittelbar drohende Gefahr der Zahlungsunfähigkeit gibt stets einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung2. Trotzdem kann ein wichtiger Grund zur Auflösung eines Rechtsverhältnisses fehlen, „wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer der Bank unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Vertragsverhältnisses zugemutet werden kann“3. So bietet beispielsweise ein Preisverfall des Immobilienmarkts noch keine Handhabe zur Kündigung von Baukrediten, solange der Kreditnehmer seine Verpflichtungen vertragsgemäß erfüllt und nicht abzusehen ist, dass er dazu künftig nicht mehr in der Lage sein wird. Auch mag eine Kündigung vorübergehend ausgeschlossen sein, wenn der Kunde nachvollziehbar darlegt, dass er zu einer kurzfristigen Umschuldung in der Lage sein werde4 oder wenn er Sanierungsbemühungen nach dem Schuldverschreibungsgesetz beabsichtigt und zeitnah eingeleitet hat5.

5.361

d) erfolgloses Nachbesicherungsverlangen Als weiteres Regelbeispiel für eine außerordentliche Kündigung wird in Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 3. Spiegelstrich AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 Satz 3 b) AGB Sparkassen) benannt, dass „ein Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 Abs. 26 dieser Geschäftsbedingungen oder aufgrund einer sonstigen Verpflichtung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten Frist nachkommt“. Das Kreditinstitut muss also einen berechtigten Anspruch auf die verlangten Sicherheiten haben, was sich deutlich aus der Bezugnahme auf Nr. 13 Abs. 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 22 Abs. 1 AGB Sparkassen) bzw. auf die Erwähnung einer anderweitigen „Vereinbarung“ ergibt7. Dabei muss die Bank nur „bankmäßige“ Sicherheiten, also solche mit leichter und rascher Verwertbarkeit, akzeptieren8 und braucht keine Rücksicht darauf zu nehmen, ob dem Kreditnehmer aus der Sicherheitenbestellung Nachteile erwachsen; insoweit geht ihr Sicherungsinteresse vor9. Ein Kreditinstitut kann keinen wichtigen Kündigungsgrund herbeiführen, wenn es bereits vollwertig besichert ist und ein Verlangen lediglich zu einer Übersicherung führen würde10.

5.362

Weitere Voraussetzung ist, dass der Kunde dem Nachbesicherungsverlangen nicht fristgerecht nachgekommen ist. Damit wird ein weiterer Bezug zu Nr. 13 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften11 hergestellt; dort ist in Abs. 3 geregelt, dass für die Erfüllung des Nach-

5.363

1 OLG Celle v. 30.6.1982 – 3 U 258/81, ZIP 1982, 942 (952). 2 BGH v. 20.5.2003 – XI ZR 50/02, ZIP 2003, 1336 = WM 2003, 1416 (1417 f.); BGH v. 21.9.1989 – III ZR 287/88, NJW-RR 1990, 110 (111); BGH v. 26.9.1985 – III ZR 213/84, WM 1985, 1493. 3 Arg. aus BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, NJW 1978, 947 (948); s. auch BGH v. 19.9.1979 – III ZR 93/76, NJW 1980, 399; OLG Zweibrücken v. 21.9.1984 – 1 U 244/82, ZIP 1984, 1334 (1339). 4 OLG Celle v. 27.4.1988 – 3 U 72/86, WM 1989, 11 (14); Kiehte KTS 2005, 179 (206); zur Bedeutung des Scheiterns von Umschuldungsbemühungen s. OLG München v. 2.4.1990 – 17 U 2411/89, ZIP 1990, 1552 ff. 5 BGH v. 31.5.2016 – XI ZR 370/15, ZIP 2016, 1279 = WM 2016, 1293 (1296, Rn. 38 ff.). 6 In den AGB Sparkassen ist Nr. 22 Abs. 1 die korrespondierende Vorschrift. 7 Zu den Besonderheiten im Verbraucherdarlehensrecht s. Rn. 5.424. 8 BGH v. 5.10.1989 – III ZR 34/88, NJW 1990, 1356 (1358). 9 OLG Hamm v. 7.5.2001 – 31 U 196/00, WM 2001, 2438 (2439). 10 Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 426. 11 In den AGB Sparkassen folgt die Fristsetzung aus Nr. 26 Abs. 2 Satz 3 b).

Huber | 937

Fünfter Teil Rz. 5.363 | Kreditgeschäft

besicherungsverlangen das Kreditinstitut „eine angemessene Frist einräumen“ wird und es den Kunden – falls das Kreditinstitut von seinem Recht zur fristlosen Kündigung Gebrauch machen will, wenn der Kunde dem Besicherungsverlangen nicht fristgerecht nachkommt – „zuvor hierauf hinweisen wird“. Nur wenn das Kreditinstitut also eine angemessene Frist eingeräumt und den Kunden am besten zum selben Zeitpunkt darauf hingewiesen hat, dass es bei erfolglosem Fristablauf von seinem außerordentlichen Kündigungsrecht nach Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 3. Spiegelstrich AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 Satz 3 b) AGB Sparkassen) Gebrauch machen will, kann es auf diesen wichtigen Grund „zurückgreifen“ und kündigen, wenn die Vertragsfortsetzung für das Kreditinstitut auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden unzumutbar ist1. Die Angemessenheit der Frist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, sollte aber mindestens eine Woche bei Unternehmen (und zwei Wochen bei Verbrauchern2) betragen3.

5.364

Wenn das Kreditinstitut bei Nichteinhaltung kündigen will, ist es entscheidend – und in der Praxis wird das auch gerne mal vergessen –, dass das Kreditinstitut explizit „zuvor“ darauf hinweist, d.h. die Kündigung ausdrücklich androht, am besten mit der Fristsetzung; ohne die ausdrückliche und eindeutige Androhung besteht das Kündigungsrecht nicht4. Die Kündigungsandrohung enthält nicht die Kündigung, die gesondert auszusprechen ist5. e) Sonstige (wichtigen) Gründe

5.365

Die soeben erörterten wichtigen Gründe bilden keinen abschließenden Katalog, sondern sind – was die „insbesondere“-Formulierung belegt – nur Regelbeispiele. Weitere wichtigen Gründe, die Grundlage einer außerordentlichen Kündigung sein können, müssen in ihrer Schwere den in den Regelbeispielen der Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 Satz 3 AGB Sparkassen) genannten Vertragsverstößen entsprechen6. Es muss also eine schwerwiegende Verletzung der vertraglichen Pflichten vorliegen, die dem Kreditinstitut ein Festhalten am Darlehensvertrag bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigunsgfrist bzw. – bei befristeten Darlehensverträgen – bis zum Vertragsende unzumutbar machen7. In der Praxis typische Vertragsverletzungen sind neben den bereits erörterten unrichtigen Vermögensangaben und dem erfolglosen Nachbesicherungsverlangen z.B.8 auch der Zahlungsverzug (insbesondere fehlende Rückführung ungenehmigter Überziehungen)9 oder ein schwerwiegender Vertrauensbruch, aber auch die Drohung des Kunden, seine Zahlungen einzustellen10.

1 S. auch Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/594. 2 Zu den Besonderheiten im Verbraucherdarlehensrecht s. Rn. 5.410 ff. 3 Weitergehend Aßfalg in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/377; ähnlich wie hier Bunte/Zahrte/ Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 278. 4 Aßfalg in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/378; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 279. 5 Aßfalg in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/378. 6 Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/595; Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 428. 7 Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/595. 8 Vgl. auch Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 428 ff. 9 OLG Schleswig v. 3.5.2010 – 5 U 29/10, WM 2011, 460 (461). 10 OLG Hamm v. 12.9.1990 – 31 U 102/90, WM 1991, 402. Davon zu trennen ist die Ankündigung des Kunden, alsbald einen Insolvenzantrag stellen zu wollen.

938 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.367 Fünfter Teil

aa) Verzug Die Bank ist zur Ausübung eines außerordentlichen Kündigungsrechts befugt, wenn der Kunde die fälligen Zinsen und Tilgungen nicht zahlt1 oder eingeräumte Kreditlinien überschreitet2. In diesen Fällen ist jedoch eine vorherige Mahnung (mit angemessener Fristsetzung) erforderlich, die zwar höflich gefasst sein darf, aber unzweideutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Bank die fälligen Zahlungen einfordert3. Die Mahnung ist nichts anderes als die bei der Verletzung einer Vertragspflicht geforderte Abmahnung bzw. Abhilfehandlung vor einer Kündigung (vgl. dazu Rn. 5.351). Bleibt die Mahnung erfolglos, ist die Bank unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, eine länger andauernde erhebliche Kontoüberziehung und damit einen wesentlichen Vertragsverstoß des Kunden trotz Gefährdung ihrer eigenen Vermögensinteressen hinzunehmen, weil die von dem Kunden bestellten Sicherheiten ihren Schaden möglicherweise ausgleichen4. Wenn der Kunde dagegen die Kreditlinie einmal oder mehrfach überzogen hat, ohne dass die Bank dies beanstandet oder in sonstiger Weise eingegriffen hat, so muss das Kreditinstitut, das aus einem solchen Verhalten Konsequenzen durch Kündigung der Geschäftsbeziehung ziehen will, den Kunden vorher warnen (s. Rn. 5.339). Das bisherige Verhalten des Kreditinstituts konnte nämlich bei dem Kunden den Eindruck erwecken, es billige dessen Handlungsweise und ändere damit stillschweigend die Höhe des Kreditlimits oder es werde ihm weiterhin wie bisher entgegenkommen. Bei tilgungsfrei gestellten Darlehen soll der Verzug mit Zinsen nicht stets zur Kündigung berechtigen, insbesondere wenn der Vertrag jahrelang beanstandungsfrei lief, der Rückstand geringfügig war, es nicht gleichzeitig Anhaltspunkte für eine Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers gibt und das Kreditinstitut grundpfandrechtlich gesichert ist5.

5.366

bb) schwerwiegender Vertrauensbruch Auch ein schwerwiegender Vertrauensbruch kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen6. Er kann vorliegen, wenn der Darlehensnehmer die Darlehensvaluta abredewidrig verwendet7 oder wenn er Zahlungen umleitet, die das Kreditinstitut aus ihm gestellten Sicherheiten beanspruchen kann8. Darunter wird man auch das Erheben unberechtigter schwerwiegender Vorwürfe oder Beleidigungen, aber auch die Abwicklung unseriöser oder krimineller Geschäfte über das Kreditinstitut fassen können9. Das Kreditinstitut muss wiederum die (Un-)Zumutbarkeit der weiteren Vertragsdurchführung prüfen wie auch die Frage, ob z.B. bei der abredewidrigen Verwendung eines Darlehens oder einer Zahlungsumleitung eine Abmahnung bzw. Abhilfeandrohung zu erteilen ist oder ob sie z.B. wegen der 1 BGH v. 2.3.1999 – XI ZR 81/98, WM 1999, 840 (841); BGH v. 12.7.1984 – III ZR 32/84, WM 1984, 1273; OLG Köln v. 30.1.2002 – 13 U 32/01, ZIP 2002, 751 (752). Zu den Besonderheiten im Verbraucherdarlehensrecht s. Rn. 5.410 ff. 2 BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 235 (237). 3 BGH v. 17.10.2008 – V ZR 31/08, NJW 2009, 1813 (1816, Rn. 30); BGH v. 10.3.1998 – X ZR 70/ 96, ZIP 1998, 1401 = NJW 1998, 2132 (2133). 4 BGH v. 28.2.1985 – III ZR 223/83, WM 1985, 769; BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 235 (237); OLG Zweibrücken v. 21.9.1984 – 1 U 244/82, ZIP 1984, 1334 (1340). 5 OLG Schleswig v. 27.4.2006 – 5 U 176/05, ZIP 2006, 1339 = WM 2006, 1338 (1339 f.). 6 BGH v. 26.9.1985 – III ZR 213/84, WM 1985, 1493; BGH v. 10.1.1980 – III ZR 108/78, WM 1980, 380 (381); OLG Zweibrücken v. 21.9.1984 – 1 U 244/82, ZIP 1984, 1334 (1339). 7 Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/595. 8 Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/595; s. auch Huber NZI 2020, 89 (95 f.). 9 Vgl. Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 431; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/595.

Huber | 939

5.367

Fünfter Teil Rz. 5.367 | Kreditgeschäft

Schwere der Vorwürfe oder Beleidigungen oder bei kriminellen Geschäften nicht wegfallen kann. f) Einhaltung von Finanzkennzahlen

5.368

Wenn dem Kreditnehmer durch sog. Financial Covenants1 vorgeschrieben ist, sein Unternehmen so zu führen, dass festgelegte finanzielle Rahmenbedingungen erfüllt, insbesondere bestimmte Bilanzrelationen eingehalten werden2, stellt eine Missachtung dieser Finanzkennzahlen eine Vertragsverletzung dar, die zur Kündigung berechtigen kann3. Häufig werden derartige harte Konsequenzen jedoch nicht gezogen. Stattdessen wird für den jeweiligen Termin ein Verzicht („Waiver“) erklärt. Dies kann je nach Zahl der Wiederholungen dieser Verzichte dazu führen, dass die zuletzt erreichten und geduldeten Kennzahlen für die Zukunft die Basis darstellen und erst weitere Verschlechterungen zur Kündigung berechtigen. g) Unterscheidung zwischen zugesagten und ausgezahlten Krediten

5.369

Ein Kreditinstitut kann, wenn die vorstehend beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, vor der Auszahlung des Kredits „im Zweifel stets, nach der Auszahlung nur in der Regel“ fristlos kündigen (§ 490 Abs. 1 BGB). Mit dieser etwas eigenartigen Formulierung soll nur gesagt sein, dass dem Darlehensgeber eine Auszahlung „sehenden Auges“, dass er den Darlehensbetrag vom Darlehensnehmer nicht mehr zurückerhalten wird, „schlechterdings nicht zugemutet werden kann“, er aber nach der Auszahlung auf die berechtigten Belange des Darlehensnehmers Rücksicht nehmen muss, wenn er prüft, ob er fristlos kündigen will, was im Einzelfall auch dazu führen kann, dass er das Darlehen weiter belassen muss4. Während also vor der Valutierung eine außerordentliche Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes grundsätzlich immer möglich ist5, verlangt sie nach der Valutierung eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Darlehensnehmers, so dass der Gesetzeswortlaut („in der Regel“) letztlich etwas Selbstverständliches manifestiert6. Damit erscheint einer Wiedergabe dieser Unterscheidung in den AGB auch nicht erforderlich, denn die geforderte Gesamtwürdigung muss per se ein Element der Kündigungsentscheidung sein (vgl. Rn. 5.348). h) Zumutbarkeit eines Kündigungsaufschubs

5.370

Liegen die erwähnten Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vor, kann der Bank ein vollständiger oder wenigstens zeitweiser Verzicht auf ihr außerordentliches Kündigungsrecht auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben grundsätzlich nicht zugemutet werden. Denn auf Treu und Glauben kann sich ein Kunde nicht berufen, wenn er selbst seine Verpflichtungen verletzt7. Zwar ist zuzugeben, dass die Ausübung eines außerordentli-

1 Vgl. dazu Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3139 ff.. 2 Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3139; Hannen DB 2012, 2233 (2234 f.); s. auch Zülch/Holzamer/Böhm/Kretzmann BB 2014, 2117. 3 S. auch Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3155; Nouvertné ZIP 2012, 2139 (2141 f.). 4 So BegrRegE zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz v. 14.5.2001, BT-Drucks. 14/6040, S. 254. 5 Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 490 Rn. 4. 6 Vgl. K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 18. 7 BGH v. 29.10.1957 – VIII ZR 282/56, NJW 1958, 177.

940 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.373 Fünfter Teil

chen Kündigungsrechts durch die Bank zu einem Zeitpunkt, in dem sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden ungünstig entwickelt haben, den Schuldner und auch andere Gläubiger sehr hart treffen kann1. Das Gesetz verlangt jedoch keine Schonung von Schuldnern, die unrichtige Angaben über ihre Vermögensverhältnisse gemacht haben, sondern knüpft an ein solches Verhalten noch weitaus härtere Sanktionen als nur ein Kündigungsrecht für Kredite, wie §§ 265b, 283 Abs. 1 Nr. 5, 7, 8 StGB zeigen.

4. Kündigung trotz besonderer Härten Ein nach den oben dargestellten Grundsätzen bestehendes ordentliches oder außerordentliches Kündigungsrecht kann auch dann ausgeübt werden, wenn die Folgen für den Kreditnehmer mit erheblichen bzw. unangenehmen Konsequenzen verbunden sind und beispielsweise seine Existenz gefährdet wird oder er in ein Strafverfahren verwickelt werden könnte.

5.371

a) Kündigungsverbot wegen Existenzgefährdung Grundsätzlich kann eine nach den obigen Grundsätzen berechtigte Kündigung auch dann ausgesprochen werden, wenn der Kreditnehmer dadurch in die Insolvenz getrieben und somit seine Existenz ruiniert wird. Dies kann nur darauf beruhen, dass der Kreditnehmer kein anderes Kreditinstitut mehr findet, das bereit wäre, die kündigende Bank abzulösen. Das aber zeigt, dass er nicht mehr kreditwürdig ist und die wirtschaftliche Existenz durch ein Kündigungsverbot nur künstlich aufrechterhalten würde. Man kann dann der Bank nicht zumuten, unter diesen Umständen einen nicht mehr vertretbaren Kredit auf unabsehbare Zeit offenzuhalten. Wenn allerdings – wie es in öffentlich geförderten Darlehensverträgen, insbesondere bei Existenzgründungsdarlehen, gelegentlich vorkommt – vereinbart ist, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch nicht geltend gemacht werden darf, soweit und solange dies zu einer vom Darlehensnehmer nicht verschuldeten Existenzgefährdung führen würde, so ist diese Bestimmung auch in der Insolvenz zu beachten2.

5.372

b) Kündigung trotz Gefahr strafrechtlicher oder ordnungswidrigkeitenrechtlicher Konsequenzen Wenn die Kündigung zur Zahlungseinstellung des Unternehmens führt, kann dies u.a. zur Folge haben, dass es Sozialversicherungsbeiträge bzw. Umsatz- und Lohnsteuern nicht mehr entrichten kann oder wegen der Zahlungssperre, die nunmehr in § 15b InsO3 geregelt ist, grundsätzlich nicht mehr entrichten darf. Dadurch geriet der Geschäftsleiter in der Vergangenheit zwischen die „Mühlsteine widerstreitenden Rechts“4, nämlich in die Kollision von § 266a StGB bzw. § 26b UStG, § 380 AO, § 41a Abs. 1, § 38 Abs. 3 EStG mit § 64 GmbHG a.F., 1 BGH v. 30.9.1968 – II ZR 224/66, WM 1968, 1214 (1215). 2 BGH v. 5.11.1996 – XI ZR 274/95, ZIP 1996, 2157 = NJW 1997, 257 (258). 3 Die bis zum 31.12.2020 in § 64 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, § 130a Abs. 1, § 177a HGB, § 99 GenG geregelte Zahlungssperre wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020; BGBl. I 2020, 3256 einheitlich in § 15b InsO „zusammengefasst“ und die bisherigen Bestimmungen aufgehoben. 4 Schröder GmbHR 2005, 736; ebenso im Ergebnis Blank ZInsO 2013, 461 (465 ff.); Werres ZInsO 2009, 1845 (1847); zu den Problemen im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren s. AG Düsseldorf v. 10.7.2014 – 504 IN 124/14, ZInsO 2014, 2389; AG Hamburg v. 14.7.2014 – 67b IN 196/14, ZInsO 2014, 2390; dazu Buchalik/Kraus ZInsO 2014, 2345 ff. mit Erwiderung Frind ZInsO 2015,

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5.373

Fünfter Teil Rz. 5.373 | Kreditgeschäft

bis der BGH entschieden hat, dass die Abführung von Umsatz- und Lohnsteuer sowie der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, d.h. nicht auch der Arbeitgeberbeiträge1, als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar anzusehen ist2. Der Gesetzgeber hat nun mit der zum 1.1.2021 erfolgten (Zusammen- und) Neufassung der Zahlungssperre in § 15b InsO versucht, die Risiken des Geschäftsleiters ähnlich einzugrenzen. Nach § 15b Abs. 8 InsO liegt eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten nicht vor, wenn zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO oder der Überschuldung nach § 19 InsO und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sofern der Geschäftsleiter seinen Verpflichtungen nach § 15a InsO nachgekommen ist3. Solange er also seinen insolvenzrechtlichen Antragspflichten nachkommt, braucht der Geschäftsleiter steuerrechtlichen Zahlungspflichten nicht nachzukommen. Allerdings hat der Gesetzgeber in § 15b InsO diese „Sonderregelung“4 allein auf steuerrechtliche Zahlungspflichten erstreckt, nicht aber auf die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Solange daher nicht geklärt ist, ob § 15b Abs. 8 InsO im Wege der Analogie auch für die (Nicht-)Zahlung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung gelten kann, sollte ein Geschäftsleiter zur Vermeidung eines strafrechtlichen Risikos eher den sicheren Weg des „zahlen und anfechten“ gehen5. Ergänzt sei, dass sich die Strafandrohung nur gegen die Geschäftsleiter eines Unternehmens richtet und Dritte weder zum Unterlassen einer Kreditkündigung noch zur Bereitstellung neuer Kredite verpflichtet.

5. Kündigungsrechte bei Sanierungskrediten 5.374

Für die Kündigung eines Sanierungskredits gelten zusätzliche Schranken. Sanierungskredite sind grundsätzlich nicht kündbar, solange die Sanierung erwartungsgemäß verläuft6. Die Kündigung ist erst zulässig, wenn sich die Verhältnisse des Schuldners seit den Sanierungsvereinbarungen wesentlich verschlechtert haben7. Der BGH erklärt zu dem Recht auf Kündigung eines Sanierungskredits nur, dass eine Bank, die ihre Mitwirkung an der Sanierung zugesagt hat bzw. einen Sanierungskredit in Aussicht gestellt hat, ihre Zusage jedenfalls dann widerrufen kann, wenn nach der Zusage eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist, die die Sanierung als nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt bzw. der Schuldner bis zur Auszahlung

1 2

3 4 5 6 7

22; zu Lösungsvorschlägen s. z.B. Kollbach/Lodyga/Zanthoff ZInsO 2016, 2453 ff. oder Laroche/ Wollenweber ZInsO 2016, 2225 ff. BGH v. 7.4.2011 – IX ZR 118/10, ZIP 2011, 966 = WM 2011, 903; BGH v. 8.6.2009 – II ZR 147/ 08, ZIP 2008, 1468 = WM 2009, 1514 (Rn. 6). BGH v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 = WM 2011, 406 (407 f., Rn. 12 ff.); BGH v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 = WM 2008, 1403 (1404, Rn. 6); BGH v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229 = WM 1227 (1228, Rn. 13); BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 = WM 2007, 1274 (1276, Rn. 12); OLG Düsseldorf v. 16.9.2014 – I-21 U 38/14 – WM 2015, 1205 (1209). S. auch Jakobs/Kruth DStR 2021, 2534 (2538 f.); Altmeppen ZIP 2021, 2413 ff.; Thole BB 2021, 1347 (1353 f.); Uhländer DB 2021, 1027 (1029 f.). Jakobs/Kruth DStR 2021, 2534 (2538). Thole BB 2021, 1347 (1354) Jakobs/Kruth; DStR 2021, 2534 (2540). BGH v. 14.9.2004 – XI ZR 184/03, ZIP 2004, 2131 = WM 2004, 2200 (2202 f.); BGH v. 6.7.2004 – XI ZR 254/02, ZIP 2004, 1589 = WM 2004, 1676 (1679); Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 65 Rn. 78 f. m.w.N; Bitter/Alles WM 2013, 537 (538). Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 65 Rn. 83 ff.; Bitter/Alles WM 2013, 537 (538).

942 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.376 Fünfter Teil

in völligen Vermögensverfall gerät1. Dies entspricht der wirtschaftlich richtigen Überlegung, dass eine Bank sich niemals verpflichten wird, einen zugesagten Kredit unabhängig davon auszuzahlen, ob das Unternehmen des Kunden im Zeitpunkt der Auszahlung noch lebensfähig erscheint und eine Rückzahlung des Kredits gewährleistet2. Grundsätzlich wird man davon ausgehen können, dass eine Bank mit der Kündigung eines Sanierungskredits nicht warten muss, bis ein völliger Vermögensverfall eingetreten ist. Vielmehr muss auch hier eine Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben und Zumutbarkeit stattfinden3. Für neue Finanzierungen nach § 12 StaRUG (vgl. dazu Rn. 5.264 ff.) dürfte dies sinngemäß gelten. a) Kündigungsausschluss bei planmäßigem Sanierungsverlauf Bei der Interessenabwägung muss man sich zunächst vergegenwärtigen, unter welchen Umständen der Sanierungskredit eingeräumt worden ist: Hat das schuldende Unternehmen erkannt, dass es sich in einer Krise befindet bzw. die weitere Entwicklung die Gefahr einer Insolvenz aufzeigt, kann es – regelmäßig unter Mitwirkung fachkundiger Personen – versuchen, ein Sanierungskonzept zu entwickeln4. Dieses Konzept wird es seinen Gläubigern vortragen, um deren Unterstützung für die Durchführung der Sanierung zu gewinnen. Da Sanierungen häufig erhebliche Eingriffe in das Unternehmen mit sich bringen und demgemäß nicht innerhalb kurzer Zeit abgewickelt werden können, ist es für das Gelingen wesentlich, dass sämtliche Beteiligten solange mitwirken, bis die Sanierung erfolgreich ist oder feststeht, dass die Bemühungen aussichtslos sein werden5. Dies bedeutet, dass jeder Gläubiger, der an einem Sanierungskonzept mitwirkt, sich selbst dann, wenn keine Stillhaltevereinbarung geschlossen oder kein Sanierungskonsortium gebildet wird (vgl. auch Rn. 5.183), durch schlüssiges Handeln Bindungen nicht nur gegenüber dem Schuldner, sondern auch gegenüber anderen Gläubigern unterwirft, die auf sein Mitwirken vertrauen und daraufhin eigene Risiken eingehen6.

5.375

Für die Zulässigkeit der Kündigung eines Kredits, der unter solchen Umständen zugesagt, ausgezahlt oder verlängert wurde, kommt es dann darauf an, welchen Fortgang die Sanierung nimmt und inwieweit sie die Anforderungen, die die Beteiligten insbesondere auf Basis des von allen mitgetragenen Sanierungskonzepts an ihren Verlauf gestellt haben, erfüllt7. Dies bedeutet, dass nicht jeder kurzfristige Misserfolg, wie z.B. hohe Verluste innerhalb eines bestimmten Monats, zur Kündigung berechtigt8. Vielmehr ist maßgebend, ob nach einer gründlichen Untersuchung der neu eingetretenen Entwicklung jetzt nicht mehr damit zu rechnen ist, dass die Sanierung vernünftige Erfolgsaussichten hat, und zu erwarten ist, dass die Bank

5.376

1 BGH v. 14.9.2004 – XI ZR 184/03, ZIP 2004, 2131 = WM 2004, 2200 (2202); BGH v. 12.2.1959 – VII ZR 70/58, WM 1959, 626 (629). 2 So schon BGH v. 13.6.1957 – VII ZR 221/56, WM 1957, 949 (951). 3 Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 65 Rn. 83; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/599; BGH v. 9.3.1959 – VII ZR 90/58, WM 1959, 855 (856); BGH v. 20.12.1955 – I ZR 171/53, WM 1956, 217 (220). 4 Vgl. dazu Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 46 ff.; Huber ZInsO 2018, 1761 (1766 ff.); Huber NZI 2015, 489 ff.; s. auch Rn. 5.156 ff. 5 S. auch BGH v. 14.9.2004 – XI ZR 184/03, ZIP 2004, 2131 = WM 2004, 2200 (2202). 6 Vgl. Bamberger in Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 24 Rn. 18 f. und Rn. 30 ff. 7 S. auch Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 91; vgl. auch BGH v. 20.12.1955 – I ZR 171/53, WM 1956, 217 (220). 8 Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 88 u. Rn. 92; Kiehte KTS 2005, 179 (196).

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Fünfter Teil Rz. 5.376 | Kreditgeschäft

bei Verzicht auf die Kündigung einen größeren Schaden erleidet1. Für die Zulässigkeit der Kündigung eines Sanierungskredits ist es unerheblich, ob der Kredit bereits ausgezahlt oder noch nicht in Anspruch genommen ist2.

5.377

Diese Einschränkung in den Kündigungsbefugnissen einer Bank für Sanierungskredite gilt nicht nur dann, wenn die Bank einziger Gläubiger oder Großgläubiger des Unternehmens ist, sondern in der Regel auch bei einer Beteiligung mit einer geringen Quote. Selbst wenn die Kündigung ihres Kredits wegen seines verhältnismäßig geringen Betrages für sich allein noch nicht die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens herbeiführt, so werden die übrigen an der Sanierungsaktion beteiligten Gläubiger erfahrungsgemäß meist nicht bereit sein, weiter stillzuhalten, wenn einer der Beteiligten versucht, sich einseitig aus den Sanierungsbemühungen zurückzuziehen. b) Kündigungsrechte außenstehender Banken

5.378

Banken, die sich an der Sanierungsaktion nicht beteiligt haben, können von den Banken, die die Sanierung begleiten, nicht gehindert werden, ein Kündigungsrecht auszuüben3. Gläubiger, die einem außergerichtlichen Sanierungsvergleich nicht zugestimmt haben, handeln mit einer Kündigung nicht rechtsmissbräuchlich; die Annahme einer Gefahrengemeinschaft aller Gläubiger mit der Folge des Zwangs zu einem gemeinsamen Vorgehen aufgrund von Mehrheitsentscheidungen ist mit dem Gesetz nicht vereinbar4. Denn auch Anleihegläubiger, deren Situation vielleicht noch am ehesten mit der Stellung finanzierender (sich nicht an einer Sanierungsaktion beteiligender) Kreditinstitute vergleichbar ist, sind ohne einschlägige Anleihebedingungen bzw. ggf. darauf basierender Mehrheitsbeschlüsse nach § 5 SchVG nicht verpflichtet, im Fall von finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners die Restrukturierung gemeinsam loyal zu tragen. Eine Treue- oder Sanierungspflicht der Anleihegläubiger dahin gehend, der Emittentin im Krisenfall nicht aufgrund formal bestehender Rechte Kapital zu entziehen, besteht nicht. Es widerspricht auch nicht der Intention des SchVG, Gläubigern in bestimmten Phasen von Restrukturierungsmaßnahmen die Möglichkeit zu gewähren, der Emittentin ihr Kapital durch Kündigung zu entziehen; vielmehr bleibt die Einzelkündigung des Gläubigers grundsätzlich zulässig5. Eine solche Kündigung kann die Versammlung der Anleihegläubiger nicht wieder aufheben, es sei denn, dass sie dazu in den Anleihebedingungen ermächtigt wurde6.

5.379

Demzufolge kann sich auch aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht von Gesellschaftern eines sanierungsbedürftigen Unternehmens, in besonders gelagerten Ausnahmefällen entweder sich an der Sanierung ihres Unternehmens zu beteiligen oder auf ihre Gesellschafterstellung zu verzichten („dulde oder liquidiere“), nichts anderes ergeben. Diese Grundsätze, die

1 Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 92; Bitter/Alles WM 2013, 537 (538); vgl. auch BGH v. 20.12.1955 – I ZR 171/53, WM 1956, 217 (220); OLG Celle v. 30.6.1982 – 3 U 258/81, ZIP 1982, 942 (951 f.). 2 Häuser in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 88. 3 BGH v. 12.12.1991 – IX ZR 178/91, ZIP 1992, 191 = NJW 1992, 967 ff. 4 Allerdings eröffnet das StaRUG seit dem 1.1.2021 im Rahmen einer gesetzlich gebundenen Restrukturierung unter gewissen Voraussetzungen auch die Einbindung von ablehnenden Gläubigern. 5 Bliesener/Schneider in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 17, § 5 SchVG Rn. 83. 6 Vgl. dazu BGH v. 8.12.2015 – XI ZR 488/14, ZIP 2016, 308 = WM 2016, 305 (306 f., Rn. 16 ff.).

944 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.382 Fünfter Teil

auch für eine Publikumsgesellschaft in Gestalt einer GbR1 gelten, können jedoch nicht auf außenstehende Banken bei einer Sanierungsaktion von Gläubigern übertragen werden. Denn weder sind sie rechtlich in die „Sanierungsgemeinschaft“ der anderen Kreditinstitute, die sich auch zu einem Sanierungskonsortium als GbR zusammenschließen können, eingebunden – so dass es insoweit auch an einer Treuepflicht unter den Kreditinstituten fehlt –, noch werden sie von Schulden befreit, sondern nehmen – unverdientermaßen – nur an den Chancen des von anderen getragenen Sanierungsversuchs teil; das aber reicht nicht, um ihnen die Kündigung zu untersagen. Wenn auch die Kündigung zulässig bleibt, so bedeutet dies noch nicht, dass die kündigende Bank ihre Forderung auch stets durchsetzen kann. Vereinzelt haben nämlich die Gerichte dem Schuldner gestützt auf die Härteklausel des § 765a ZPO Vollstreckungsschutz gewährt2. So stellte es z.B. eine unzumutbare Härte und einen Verstoß gegen die guten Sitten dar, wenn eine einzelne Bank wegen einer Forderung von (umgerechnet) rd. 1 Mio. Euro die Zwangsvollstreckung betreiben und die Existenzvernichtung eines Unternehmens mit ca. 30 000 Arbeitsplätzen in Kauf nehmen will, obwohl sich 43 Gläubigerbanken zu einem Stillhalteabkommen mit einem Volumen von (umgerechnet) rd. 550 Mio. Euro unter der Voraussetzung bereitgefunden haben, dass sich sämtliche Banken daran beteiligen.

5.380

c) Kündigungsrechte beim Überbrückungskredit Ein Überbrückungskredit kommt als „Vorstufe“ eines Sanierungskredits in Betracht, wenn die finanziellen Verhältnisse eines kriselnden Unternehmens nicht ausreichen, den Zeitraum der Erstellung eines Sanierungskonzepts nebst anschließender Entscheidung über die Gewährung eines Sanierungskredits sowie – bei einer positiven Entscheidung – der Implementierung des Sanierungskredits zu überleben (vgl. im Einzelnen Rn. 5.199 ff.). Für den Überbrückungskredit gelten somit die Ausführungen zu den Kündigungsrechten bei einem Sanierungskredit sinngemäß3. Wenn sich also ein Kreditinstitut bereit erklärt hat, an der Sanierung eines Unternehmens mitzuwirken und es für die endgültige Entscheidung eines Sanierungskonzepts bedarf, dessen Erstellungszeitraum (nebst anschließender Kreditentscheidung und ggf. Implementierung) durch einen zweckgebundenen Kredit zu überbrücken ist, kann es während des Überbrückungszeitraums den Kredit zumindest solange nicht kündigen, solange es keinen „neuen“ wichtigen Grund für eine Kündigung des Überbrückungskredits gibt4. Ein neuer wichtiger Grund kann z.B. darin liegen, dass sich schon im Verlauf des Erstellungszeitraums die fehlende Sanierungseignung herausstellt und damit der Zweck des Überbrückungskredits hinfällig wird5. Für die Kündigung einer Zwischenfinanzierung nach dem StaRUG (vgl. dazu Rn. 5.270 ff.) dürfte dies sinngemäß Anwendung finden6.

5.381

frei

5.382

1 2 3 4 5 6

BGH v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 = WM 2015, 1635 (1637, Rn. 17). AG Duisburg v. 3.4.1983 – 24 M 2140/83, n.v.; LG Duisburg v. 27.4.1983 – 4 T 129/83, n.v. Huber NZI 2016, 521 (524). Huber NZI 2016, 521 (524). S. auch Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 83. S. auch Schönfelder WM 2022, 361 (365).

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Fünfter Teil Rz. 5.383 | Kreditgeschäft

6. Ausübung des Kündigungsrechts a) Ordentliche Kündigung

5.383

Ist die Bank nach den obigen Regeln zur ordentlichen Kündigung befugt, braucht sie den Kunden vorher nicht abzumahnen, es sei denn, sie hat vorher in ihm das Vertrauen erweckt, sie werde den Kredit trotz der fehlenden Laufzeitzusage jedenfalls für eine bestimmte Zeit zur Verfügung halten. Sie muss ihn dann eindeutig darauf hinweisen, dass sie dazu nicht bereit ist (vgl. dazu Rn. 5.339 f.)1.

5.384

Welche Missverständnisse hier aufkommen können, zeigt ein vom BGH2 entschiedener Fall, in dem eine Bank ständige ungenehmigte Erhöhungen der überzogenen Kreditlinie mit Schreiben wie diesem beantwortet hatte: „Die kreditpolitischen Maßnahmen der Deutschen Bundesbank, die im Rahmen der stabilitätsorientierten Aktionen bisher erfolgten und unter Umständen noch bevorstehen, zwingen uns zur weitgehenden Zurückhaltung im Kreditgeschäft. Zwangsläufig müssen wir unsere einzelnen Kunden bitten, ihren finanziellen Dispositionen mehr Beachtung zu schenken. Es wird uns vorher nicht mehr möglich sein, Überziehungen in dem großzügigen Ausmaß zu gestatten, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass unser Ersuchen in der derzeit allgemein schwierigen Situation nicht gerade Ihr Wohlwollen finden dürfte, doch haben Sie bitte Verständnis für unser Anliegen, da auch wir uns dem restriktiven monetären Druck nicht entziehen können ...“ Anders als die Vorinstanz sah hier der BGH das Schreiben als eindringliche Mahnung und Basis für die Kündigung an. Eine klarere Sprache hätte jedoch einen Prozess vielleicht vermieden. b) Außerordentliche Kündigung

5.385

Bei der Ausübung eines außerordentlichen Kündigungsrechts wegen Vermögensverfalls des Kunden ist die Bank ebenfalls grundsätzlich nicht verpflichtet, den Kunden zu warnen oder abzumahnen3. Wenn eine außerordentliche Kündigung wegen einer wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse ausgesprochen werden soll, ist eine vorherige Abmahnung in der Regel nicht nur sinnlos, weil der Kunde dann bereits aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht mehr zur Abhilfe in der Lage sein wird; sie kann sogar schädlich sein, weil dem Kunden durch die mit der Abmahnung verbundene Fristsetzung noch für einen gewissen Zeitraum Gelegenheit gegeben wird, über Sicherungsgut zu verfügen, das damit dem Zugriff der Bank entgeht. Insbesondere ist eine Mahnung entbehrlich, wenn der Kunde bereits seine Zahlungen eingestellt oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt hat.

5.386

Dagegen kann bei einer Kündigung wegen Vertragsverletzungen grundsätzlich noch erwartet werden, dass der Kunde nach einer Abmahnung die Folgen der Verstöße gegen seine vertraglichen Pflichten beheben wird. Deshalb ist hier eine Abmahnung geboten, soweit sie nicht ausnahmsweise entbehrlich ist (§ 314 Abs. 2 BGB bzw. die den Gesetzeswortlaut wiedergebenden Nr. 19 Abs. 3 Satz 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften sowie Nr. 26 Abs. 2 Satz 4

1 BGH v. 6.3.1986 – III ZR 245/84, ZIP 1986, 770 = NJW 1986, 1928 (1930); BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234 (236); Ehlers ZInsO 2006, 510 (514 f.). 2 BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234. 3 BGH v. 19.9.1979 – III ZR 93/76, NJW 1980, 399; BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234 (235); K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 53.

946 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.388 Fünfter Teil

u. Satz 5 AGB Sparkassen)1. Das gilt z.B. bei einer ungenehmigten Kontoüberziehung oder der Weigerung des Kunden, seine wirtschaftlichen Verhältnisse offenzulegen, worauf die Bank wegen ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung aus §§ 18, 18a KWG bestehen muss. Denn unter diesen Umständen ist die Fortsetzung der Geschäftsverbindung für das Kreditinstitut noch nicht unzumutbar2. c) Umfang des Kündigungsrechts Wenn die Bank zur Kündigung berechtigt ist, kann sie den Kredit insgesamt oder auch nur teilweise kündigen3. Der Grundsatz, dass ein Rechtsverhältnis durch einseitige Kündigungserklärungen im Allgemeinen nur insgesamt beendet werden kann, kennt verschiedene Ausnahmen, zu denen auch Darlehensverhältnisse gehören. So ist zumindest bei einem jederzeit kündbaren Kontokorrentkredit eine auf die Reduzierung der Kreditlinie gerichtete Teilkündigung zulässig4; nach Ansicht des OLG Celle kann auch für ein (Festbetrags-)Darlehen eine Teilkündigung in Betracht kommen5. Die Kündigung eines Kontokorrentkredits führt nicht ohne Weiteres zur Beendigung des – mit einem Zahlungsdiensterahmenvertrag („Girovertrag“) verbundenen6 – Kontokorrentverhältnisses7. Die Bank kann sich also überlegen, ob sie beispielsweise nur den nicht ausgenutzten oder einen ungesicherten Teil der Linie oder den Kredit insgesamt kündigt (zum Einfrieren vgl. Rn. 5.104). Mit einer Teilkündigung verwirkt sie nicht das Recht, den noch offengehaltenen Kredit nachträglich ebenfalls zu kündigen; dazu bedarf es keiner weiteren Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden. Sie darf allerdings durch zu langes Warten (bei unverändertem Kündigungssachverhalt) keinen Vertrauenstatbestand beim Kunden auslösen, dass eine Kündigung nicht mehr erfolgen wird. Löst der Kreditnehmer nach einer Teilkündigung auch den ungekündigten Teil des Kredits ab, kann die Bank bei Festsatzkrediten insoweit eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen8.

5.387

Sollen nicht nur der Kredit, sondern auch das Konto außerordentlich gekündigt werden, ist zu beachten, dass dem Kunden insoweit eine angemessene Abwicklungsfrist einzuräumen ist, damit er eine neue Kontoverbindung finden kann (Nr. 19 Abs. 6 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften9). Bei einer gemäß § 675h BGB zulässigen ordentlichen Kündigung des Zahlungskontos darf die Kündigungsfrist zwei Monate nicht unterschreiten (§675h Abs. 2 Satz 2

5.388

1 BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234 (236); K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 53; Sonnenhol WM 2002, 1259 (1265). 2 OLG München v. 14.10.1993 – 6 U 2622/92, ZIP 1994, 50 = WM 1994, 1561 (1564). 3 BGH v. 4.5.1999 – XI ZR 137/98, ZIP 1999, 1093 = WM 1999, 1206 (1207); OLG Celle v. 1.7.2009 – 3 U 37/09, WM 2010, 402 (404). 4 BGH v. 4.5.1999 – XI ZR 137/98, ZIP 1999, 1093 = WM 1999, 1206 (1207). 5 OLG Celle v. 1.7.2009 – 3 U 37/09, WM 2010, 402 (404); a.A. K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 20. 6 Ein Kontokorrentkredit wird üblicherweise auf dem Zahlungskonto („Girokonto“) des Kunden eingeräumt; dem Zahlungskonto liegt rechtlich ein Zahlungsdiensterahmenvertrag nach § 675f Abs. 2 BGB zugrunde, der mit einem Kontokorrentverhältnis nach § 355 HGB verbunden ist, um die laufenden Zahlungen über das Girokonto besser abwickeln zu können, vgl. dazu Huber in Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer, Handbuch Insolvenzverwaltung, 10. Aufl. 2022, Kap. 28 Rn. 13 ff.; s. auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32, Rn. 4 u. Rn. 22 ff. 7 BGH v. 20.5.2003 – XI ZR 235/02, ZIP 2003, 1435 = WM 2003, 1418 (1419). 8 OLG Celle v. 1.7.2009 – 3 U 37/09, WM 2010, 402 (404). 9 Die AGB Sparkassen enthalten keine einschlägige Bestimmung, so dass auf das Interessenwahrgebot des Nr. 26 Abs. 2 Satz 2 AGB Sparkassen abzustellen ist.

Huber | 947

Fünfter Teil Rz. 5.388 | Kreditgeschäft

BGB); dies ist in Nr. 19 Abs. 1 Satz 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften sowie Nr. 26 Abs. 1 Satz 3 AGB Sparkassen entsprechend berücksichtigt. d) Mehrere Darlehensnehmer

5.389

Ist der Darlehensvertrag von mehreren Darlehensnehmern unterzeichnet worden, kann das Vertragsverhältniss nur durch eine Kündigung gegenüber allen beendet werden1; das kündigende Kreditinstitut hat also darauf zu achten, dass die Kündigungserklärung auch allen Darlehensnehmern zugeht. Davon eindeutig zu trennen ist bei einer außerordentlichen Kündigung der Umstand, dass der wichtige Grund nur bei einem Darlehensnehmer entstanden sein muss (vgl. auch Rn. 5.354). e) Zweckmäßigkeit der Kündigung

5.390

Auch wenn die Bank nach den vorstehenden Ausführungen berechtigt ist, ihre Kredite zu kündigen, muss doch sorgfältig überlegt werden, ob eine solche Kündigung zweckmäßig ist. Eine Kündigung, die in der Krise des Unternehmens ausgesprochen wird, hat nur selten die Wirkung, dass es tatsächlich zu einer Rückzahlung der gekündigten Kredite kommt. Dennoch hat die Kündigung Vorteile, aber auch gravierende Nachteile. aa) Vorteile einer Kündigung

5.391

Ohne vorherige Kündigung der Kredite kann keine Verwertungsreife entstehen und eine Bank ist nicht berechtigt, ihre Sicherheiten zu verwerten. Sofern sie befürchtet, dass die Sicherheiten durch weiteres Zuwarten einen Wertverlust erleiden, muss sie baldmöglichst die Voraussetzungen für eine Verwertungsberechtigung schaffen. Der Widerruf der Einziehungsermächtigung bei Sicherungszessionen und der Veräußerungsermächtigung für Sicherungseigentum reicht nicht zum vollständigen Schutz der Interessen der Bank aus, da sie sich zunächst nur im Innenverhältnis zu dem Kunden auswirken2 und Dritten Leistungen mit befreiender Wirkung an den Kunden nicht verwehren. Eine Kündigung kann ferner in gewissen Krisensituation den Vorteil bieten, dass das Kreditinstitut sich bei anschließenden Verhandlungen z.B. über die Einräumung von Krediten im (vorläufigen) Insolvenzverfahren im „driver seat“ befindet und die Kreditneugewährung aktiv mitgestalten kann. bb) Nachteile einer Kündigung

5.392

Die Nachteile sind zahlreicher: – Durch die Kündigung verliert die Bank die Zahlstellenfunktion (s. Rn. 6.934). – Mit der Kündigung und dem Widerruf der Einziehungsbefugnis führt die Sicherheitenverwertung zur Haftung der Bank aus § 13c UStG (s. Rn. 6.1037 ff.). – Selbst wenn die Kredite zurückgezahlt werden, muss dies keinesfalls endgültig sein, denn in einer nachfolgenden Insolvenz kann die Tilgung möglicherweise angefochten werden, wobei die Gründe, die die Bank zur Kündigung veranlasst haben, ihr entgegengehalten

1 Huber NZI 2019, 97 (101). 2 Huber NZI 2020, 89 (90).

948 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.396 Fünfter Teil

werden können, wenn über die Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtungstatbestände gestritten wird1. – Die Kündigung gibt der Unternehmensleitung die Gelegenheit, medienwirksam von eigenen Fehlern abzulenken und die Schuld für den Untergang des Unternehmens der Bank wegen ihrer angeblich verfrühten Kündigung zuzuschieben.

7. Form der Kündigung Für die Erklärung der Kündigung ist keine besondere Form vorgeschrieben. Die Kündigung kann daher auch mündlich ausgesprochen werden. Zweckmäßig und banküblich ist die Schriftform. Die Äußerung der Bank muss zweifelsfrei als Kündigung zu verstehen sein. Aus der Kündigungserklärung muss sich insbesondere auch die von der Bank gewünschte Reichweite der Kündigung klar ergeben. Sie muss also erkennen lassen, ob sie den Kredit insgesamt oder nur den nicht in Anspruch genommenen Teil einer Kreditlinie kündigen will. Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn die Bank von einem „Einfrieren“ der Kreditlinie spricht (zum Einfrieren vgl. Rn. 5.104). In der Praxis herrscht manchmal die Auffassung vor, „Einfrieren“ sei nur eine Vorstufe einer (Teil-)Kündigung, denn im Gegensatz zu einer (endgültigen) „Kündigung“ impliziere der Begriff des „Einfrierens“ nur etwas Vorübergehendes, so dass möglicherweise, z.B. bei veränderter Sachlage die eingefrorene Kreditlinie wieder „aufgemacht“ werden kann. Da es aber darauf ankommt, wie die Erklärung des Kreditinstituts vom Kunden zu verstehen ist, kann auch ein „Einfrieren“ nur als (Teil-)Kündigung verstanden werden (s. Rn. 5.387). Im Übrigen muss die Kündigungserklärung – insbesondere wenn es um eine Kreditlinie (auch z.B. Kontokorrentkredit, Betriebsmittellinie, Kreditrahmen oder Überziehungskredit genannt) geht, die über ein Zahlungskonto gezogen werden kann – zum Ausdruck bringen, ob mit der Kündigung nur der Kredit, auch das Zahlungskonto oder die gesamte Geschäftsbeziehung beendet werden soll2.

5.393

So liegt z.B. eine Kündigung des dem Zahlungskonto zugrunde liegenden Zahlungsdiensterahmenvertrages („Girovertrages“) noch nicht vor, wenn die Bank schreibt: „Wir machen von unserem außerordentlichen Kündigungsrecht nach Nr. 19 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Gebrauch und stellen den Saldo zuzüglich noch anfallender Zinsen und Gebühren sofort fällig.“ Dies bedeutet, dass sie lediglich den (Soll-)Saldo zur sofortigen Rückzahlung fällig stellt3. Daraus kann nicht auf eine Beendigung des Kontokorrentverhältnisses oder gar der Geschäftsbeziehung geschlossen werden4.

5.394

Die ordentliche Kündigung bedarf keiner Begründung5. Auf eine Begründung sollte schon deshalb verzichtet werden, weil sie leicht zu unliebsamen und letztlich auch zwecklosen Diskussionen mit dem Kunden führen kann.

5.395

Auch die außerordentliche Kündigung muss nicht begründet werden6. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB, der nur Dienstverhältnisse betrifft und dort bestimmte Anforderungen an die Art und Weise der Kündigung stellt. Diese Vorschrift

5.396

1 2 3 4 5

Kritisch dazu s. Rn. 5.407 ff. LG Nürnberg-Fürth v. 18.7.1996 – 10 O 56/96, WM 1997, 1143 (1144). OLG München v. 14.10.1993 – 6 U 2622/92, ZIP 1994, 50 = WM 1994, 1561 (1564). BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524 = WM 2001, 689 (691). Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 28; s. auch K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 239. 6 Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 29.

Huber | 949

Fünfter Teil Rz. 5.396 | Kreditgeschäft

kann nicht verallgemeinert werden. Aus der Kündigung muss jedoch unzweideutig zu erkennen sein, dass es sich um eine fristlose handelt. Dazu genügen der Hinweis auf Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen) oder die Verwendung der Worte „aus wichtigem Grund“. Es sollte – soweit dies der wichtige Grund ist – noch ergänzt werden, dass der wichtige Grund in einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse gesehen wird, ohne dass dies im Einzelnen ausgeführt werden müsste; notwendig ist nur, dass der Kündigungsgrund objektiv vorliegt1. Ergibt sich nach der Erklärung der Kündigung ein weiterer wichtiger Grund, der schon im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorgelegen hat, kann dieser weitere wichtige Grund ebenfalls als Grundlage der außerordentlichen Kündigung dienen. Sollte er erst nach der Kündigung entstanden sein, kann er ebenfalls als Rechtfertigung für die Kündigung herangezogen werden, wenn die Kündigung auch mit dem weiteren wichtigen Grund aufrecht erhalten bleiben soll und keine berechtigten Interessen des Kunden entgegenstehen2; um insoweit aber unnötige Auseinandersetzungen über die Heranziehung des weiteren wichtigen Grundes zu vermeiden, sollte das Kreditinstitut, gerade wenn es sich hinsichtlich des Durchgreifens der (ersten) außerordentlichen Kündigung nicht sicher ist, besser erneut außerordentlich kündigen.

5.397

Für eine außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs kommt folgender Wortlaut in Betracht:

M 15 Außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs Briefkopf der Bank An ... (Firma und Anschrift) Kreditkündigung (IBAN ...) Sehr geehrte ..., für die oben genannten Kredite haben Sie die vereinbarten Tilgungs-/Zins-/Zins- und Tilgungszahlungen seit ... nicht/nicht in voller Höhe geleistet, obwohl wir diese Zahlungen wiederholt angemahnt haben. Mit unserem letzten Mahnschreiben vom ... haben wir Sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir den/die Ihnen zur Verfügung gestellten Kredit/e kündigen werden, falls die ausstehenden Zahlungen nicht eingehen. Dennoch konnten wir bis heute keine Zahlung feststellen. Deshalb kündigen wir gemäß Nr. 19 Abs. 3 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus wichtigem Grund den/die Ihnen zur Verfügung gestellten Kredit/e fristlos. Damit werden nachstehende, gemäß beigefügten Kontoabschlüssen ermittelte Forderungen zur sofortigen Rückzahlung fällig: IBAN ...

Euro ...

IBAN ...

Euro ...

1 BGH v. 6.3.1986 – III ZR 245/84, ZIP 1986, 770 = NJW 1986, 1928 (1929); Samhat in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 88 Rn. 29; K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 21. 2 BGH v. 1.10.1987 – III ZR 175/86, WM 1988, 195 (196 f.); Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 29.

950 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.398 Fünfter Teil

IBAN ...

Euro ...

insgesamt

Euro ...

Für die Zeit des Zahlungsverzuges bis zur endgültigen Begleichung unserer Forderung berechnen wir Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus der fälligen Forderung. Wir fordern Sie auf, unverzüglich, spätestens aber bis zum ... unsere Forderung zzgl. Verzugsschaden für den Zeitraum von der Fälligkeit an bis zum Tag der Rückzahlung zu begleichen. ...

...

Ort, Datum

Unterschrift(en) der Bank

Eine außerordentliche Kündigung wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse könnte wie folgt formuliert werden:

M 16 Außerordentliche Kündigung wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse Briefkopf der Bank An ... (Firma und Anschrift) Kreditkündigung (IBAN ...) Sehr geehrte ..., wie wir erfahren haben, ist eine wesentliche Verschlechterung Ihrer Vermögenslage eingetreten, die unter Umständen zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen könnte, jedenfalls aber die Erfüllung Ihrer Kreditverbindlichkeiten gegenüber unserem Haus gefährdet. Deshalb kündigen wir gemäß Nr. 19 Abs. 3 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus wichtigem Grund die Ihnen zur Verfügung gestellten Kredite fristlos. Damit werden nachstehende, gemäß beigefügten Kontoabschlüssen ermittelte Forderungen zur sofortigen Rückzahlung fällig: IBAN ...

Euro ...

IBAN ...

Euro ...

IBAN ...

Euro ...

insgesamt

Euro ...

Für die Zeit des Zahlungsverzuges bis zur endgültigen Begleichung unserer Forderung berechnen wir Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz.

Huber | 951

5.398

Fünfter Teil Rz. 5.398 | Kreditgeschäft Wir fordern Sie auf, unverzüglich, spätestens aber bis zum ... unsere Forderung zzgl. Verzugsschaden für den Zeitraum von der Fälligkeit an bis zum Tag der Rückzahlung zu begleichen.

5.399

...

...

Ort, Datum

Unterschrift(en) der Bank

Soll nicht nur der Kredit gekündigt, sondern die gesamte Geschäftsbeziehung beendet werden, ist für die Kündigungsklausel in den Mustern bei Rn. 5.397 und Rn. 5.398 ergänzend folgende Formulierung empfehlenswert:

M 17 Außerordentliche Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung Deshalb kündigen wir gemäß Nr. 19 Abs. 3 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus wichtigem Grund die gesamte Geschäftsverbindung und damit auch die Ihnen zur Verfügung gestellten Kredite fristlos. Für die Abwicklung setzen wir eine Frist bis zum .... Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass wir nach Ablauf dieser Frist auch keine für Sie eingehenden Zahlungen mehr entgegennehmen werden.

5.400

Sofern die Kredite durch Sicherungsabtretung oder Sicherungsübereignung gesichert sind, sollten die Einziehungs- und Veräußerungsermächtigung spätestens zugleich mit der Kreditkündigung widerrufen werden1. Das Kündigungsschreiben ist entsprechend (Mustertexte s. Rn. 6.928 f.) zu ergänzen.

5.401

frei

8. Rechtsfolgen a) Rechtsfolgen einer unzulässigen Kündigung

5.402

Während eine rechtsmissbräuchliche Kündigung nach § 242 BGB unwirksam ist2, ist eine (ordentliche) unzeitige Kündigung zwar wirksam3, jedoch rechtswidrig und setzt eine angemessene Kündigungsfrist in Gang4. Bei einer außerordentlichen Kündigung hat das Kreditinstitut sein Kündigungsrecht innerhalb einer angemessenen Zeit nach Kenntniserlangung des wichtigen Grundes auszuüben, da das Kündigungsrecht andernfalls wegen Verwirkung entfällt5. Kündigt ein Kreditinstitut unzulässigerweise, kann es sich, unbeschadet davon, ob die Kündi-

1 Huber NZI 2020, 89 (91). 2 Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 56 u. Rn. 58; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/565 u. 1/568, jeweils für die ordentliche Kündigung. 3 S. auch Rn. 5.405 zum Zugang. 4 Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 65; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/564. 5 Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 27.

952 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.403 Fünfter Teil

gung dennoch wirksam ist, schadenersatzpflichtig machen1. Aus einer solchen unberechtigten Kündigung kann nur der Schuldner bzw. im Fall einer Insolvenz sein Insolvenzverwalter Rechte herleiten; der Insolvenzverwalter kann Schadenersatzansprüche auch dann noch geltend machen, wenn die Darlehensforderung der Bank bereits zur Insolvenztabelle festgestellt wurde2. Ansprüche Dritter sind dagegen ausgeschlossen3. Auch ein Gesellschafter des Kreditnehmers kann keinen Schadenersatzanspruch geltend machen. Denn ein Darlehensvertrag zwischen einer Bank und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung entfaltet grundsätzlich keine Schutzwirkung zu seinen Gunsten4. Der Gesellschafter wird vielmehr von der Darlehensgewährung in der Regel nur mittelbar betroffen. Dies gilt auch dann, wenn Pflichtverletzungen aus dem Darlehensverhältnis zur Insolvenz der GmbH geführt haben5. Wohl aber kann ein Bürge die Zahlung verweigern, wenn die Bank durch eine unberechtigte Kündigung den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners schuldhaft verursacht, also den Bürgschaftsfall selbst herbeigeführt und jeden Rückgriff des Bürgen vereitelt hat6. Der Schadenersatzanspruch umfasst alle unmittelbaren und mittelbaren Schäden, insbesondere auch den Substanzverlust, der durch ein Insolvenzverfahren entsteht7. Der Kunde bzw. sein Insolvenzverwalter muss jedoch darlegen und beweisen, dass die Kündigung für die Insolvenz ursächlich gewesen ist; die Behauptung, die Kündigung habe ihn in die Insolvenz getrieben, reicht nicht aus, wenn nicht ausgeschlossen ist, dass sonst aus anderen Gründen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre8. Die Ursächlichkeit der Kündigung für den eingetretenen Schaden, also für die Insolvenz, kann allerdings fraglich sein, wenn die Bank darstellen kann, dass das Unternehmen auch ohne ihre Kündigung in die Insolvenz geraten wäre9. Solche Umstände können berücksichtigt werden, „wenn sie der Sache als Schadensanlage im Zeitpunkt der Schädigung bereits innewohnten und binnen kurzem denselben Schaden herbeigeführt hätten“10. Anders dürfte das nur sein, wenn das Kreditinstitut mit der unberechtigten Kündigung den entscheidenden Anstoß zum wirtschaftlichen Zusammenbruch gegeben hat11.

1 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 238 u. § 490 Rn. 63; Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 65 u. Rn. 231; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/564 u. Rn. 1/600. 2 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 (758 f., Rn. 5 ff.). 3 BGH v. 3.3.1956 – IV ZR 301/55, WM 1956, 597 (598); vgl. auch OLG Köln v. 16.3.1984 – 3 U 71/ 83, WM 1985, 1128 (1133 f.); K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 64. 4 OLG Celle v. 15.2.2007 – 3 W 5/07, WM 2007, 740 (741); LG Hagen v. 30.4.2014 – 10 O 52/12, zu finden auf der NRW-Rechtsdatenbank NRWE. 5 OLG Hamm v. 7.12.1998 – 31 U 38/98, MDR 1999, 556 = ZBB 1999, 178; OLG Celle v. 15.2.2007 – 3 W 5/07, WM 2007, 740 f. 6 BGH v. 14.9.2004 – XI ZR 184/03, ZIP 2004, 2131 = WM 2004, 2200 (2202); BGH v. 6.7.2004 – XI ZR 254/02, ZIP 2004, 1589 = WM 2004, 1676 (1678 f.). 7 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 63. 8 OLG Frankfurt v. 10.1.2003 – 10 U 122/02, ZInsO 2003, 284 (285 f.), Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen von BGH v. 11.11.2003 – IX ZR 47/03. 9 Beispiel zur Kausalität s. OLG München v. 18.12.2013 – 7 U 2900/09, ZIP 2014, 69= ZInsO 2014, 248 ff. 10 BGH v. 1.2.1994 – VI ZR 229/92, NJW 1994, 999 (1000); weiterführend Bitter/Alles WM 2013, 537 ff. 11 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 63.

Huber | 953

5.403

Fünfter Teil Rz. 5.404 | Kreditgeschäft

b) Rechtsfolgen einer zulässigen Kündigung

5.404

Sofern die Kündigung nach den erörterten Grundsätzen zulässig ist oder die Bank auf Rückzahlung zu dem vereinbarten Termin besteht, können weder der Kunde noch Dritte eine Vertragspflichtverletzung noch Schadenersatzansprüche aus § 826 BGB geltend machen oder die Rückzahlungsforderung als sittenwidrig und damit nach § 138 BGB nichtig zurückweisen. Insbesondere können Dritte von der Bank nicht die Verlängerung des Kredits verlangen. Denn die Bank ist grundsätzlich nicht verpflichtet, das Risiko anderer Gläubiger ihres Kunden durch Prolongation oder sogar Einräumung zusätzlicher Kredite zu verringern1. Dies gilt auch dann, wenn der Eintritt der Fälligkeit des Kredits die Zahlungsunfähigkeit und damit einen Insolvenzgrund für den Kunden herbeiführt (s. auch Rn. 5.372).

5.405

Die Kündigungserklärung2 wird mit dem Zugang beim Darlehensnehmer wirksam (§ 130 Abs. 1 BGB)3. Wird der Zugang bestritten, hat das Kreditinstitut ihn zu beweisen; ggf. sollte das Kreditinstitut also für einen ohne Weiteres nachweisbaren Zugang Sorge tragen. Wurde die Kündigung mit einer Frist erklärt, treten die Rechtsfolgen der Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist ein; erfolgt die Kündigung fristlos, treten die Rechtsfolgen mit Zugang beim Darlehensnehmer ein4. Rechtsfolgen einer Kündigung sind insbesondere die Beendigung des Darlehenvertrags bzw. seine Umwandlung in ein Abwicklungsverhältnis und die Fälligstellung des Rückzahlungsanspruchs5. Als Konsequenz der Vertragsbeendigung darf das Kreditinstitut nicht mehr den Vertragszins verlangen, sondern alleine den Verzugszins, der 5 % über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) beträgt. Räumt ein Kreditinstitut bei einer fristlosen Kündigung eine Abwicklungsfrist nach Nr. 19 Abs. 6 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften6 ein, kann erst mit Ablauf der Abwicklungsfrist Verzug eintreten und auch erst dann der Verzugszins berechnet werden7; in diesem Fall dürfte unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Vertragsparteien bis zum Ablauf der Abwicklungsfrist weiter der Vertragszins berechnet werden können8.

5.406

Durch ihre Kündigung kann die Bank die Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellung des Unternehmens auslösen. Zahlungseinstellung ist das vom Schuldner ausgehende, nach außen erkennbare Verhalten, das den beteiligten Verkehrskreisen den berechtigten Eindruck vermittelt, der Schuldner könne einen nicht unwesentlichen Teil seiner fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten aufgrund eines objektiven, nicht nur vorübergehenden Mangels an Geldmitteln nicht bezahlen (Einzelheiten zu Zahlungsunfähigkeit und Zahlungseinstellung s. Rn. 1.31 ff.). Dazu reicht schon die Nichtbezahlung einer einzigen, für die Verhältnisse des

1 BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, NJW 1978, 947 (948); BGH v. 3.3.1956 – IV ZR 301/55, WM 1956, 597 (598); OLG Köln v. 16.3.1984 – 3 U 71/83, WM 1985, 1128 (1132). 2 Das gilt auch für den Fall, dass die Kündigung nach den Ausführungen in Rn. 5.402 unzulässig, aber nicht unwirksam ist. 3 Bei mehreren Darlehensnehmern (dazu Rn. 5.389) muss sie also allen zugehen. 4 Vgl. nur Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 26. 5 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 242 u. § 490 Rn. 20; Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 37; Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/564 u. Rn. 1/600. 6 Nr. 26 Abs. 4 AGB Sparkassen stellt dagegen die Rückzahlungsbeiträge sofort fällig, vgl. dazu Bunte/Zahrte/Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Sparkassen Rn. 88. 7 Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 43. 8 Samhat in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 43.

954 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.409 Fünfter Teil

Schuldners erheblichen Schuld1. Dieser Umstand kann sich für die Bank ungünstig auswirken, wenn beispielsweise die Anfechtung ihrer Sicherheiten oder Verrechnungen von Zahlungseingängen in Betracht kommt. Es kommt nämlich nicht mehr darauf an, ob die Zahlungseinstellung den beteiligten Verkehrskreisen bekannt geworden ist, wenn der Gläubiger, der die Zahlungseinstellung bewirkt hat, zugleich der Anfechtungsgegner ist2. c) Rückzahlungen aufgrund einer Kündigung Führt eine Kündigung – was selten ist – dazu, dass der Kreditnehmer trotz seiner wirtschaftlichen Krise den Kredit ganz oder teilweise zurückzahlt, so kann die Bank diesen Umstand nicht uneingeschränkt genießen.

5.407

Zwar müssen die Mitarbeiter oder Organe der Bank, die die Kündigung veranlasst haben, nicht befürchten, sich durch die Entgegennahme der Zahlung strafbar zu machen. Die Disposition des Schuldners, eine bestehende fällige Verbindlichkeit zu erfüllen, entspricht einer von Gläubigerseite durchsetzbaren zivilrechtlichen Leistungspflicht, so dass eine Strafbarkeit des Kreditnehmers nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen Beiseiteschaffens von künftigen Massebestandteilen und nach § 283c StGB wegen Gläubigerbegünstigung schon objektiv ausscheidet3. Wenn nicht einmal der Kreditnehmer einen Straftatbestand verwirklicht, kommt eine Beteiligung Dritter wegen Anstiftung oder Beihilfe von vornherein nicht in Betracht.

5.408

Wohl aber besteht die erhebliche Gefahr, dass im Fall einer späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter bzw. – bei einer Eigenverwaltung (§ 280 InsO) – der Sachwalter die Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO erklärt und Rückgewähr des gezahlten Betrages (nebst Zinsen; s. ausführlich Rn. 5.495 ff.) fordert. Denn eine Kündigung durch das Kreditinstitut erleichtert dem Insolvenzverwalter für eine Anfechtung etwa erhaltener Kreditrückzahlungen den nach §§ 130, 131 Abs. 1 Nr. 3, § 133 InsO erforderlichen Nachweis der Kenntnis des Kreditinstituts über die wirtschaftliche Lage des Kunden. Deshalb sollten Kreditinstitute mit dem Instrument der Kündigung nicht leichtfertig umgehen und es insbesondere nicht als Druckmittel gegen den Kunden missbrauchen. Dies kann auf das Kreditinstitut zurückschlagen. Dann kann es sich nicht darauf berufen, es habe zu keinem Zeitpunkt den bestehenden Debetsaldo ernsthaft eingefordert, mit der Kündigung hätte lediglich „ein Warnschuss“ abgegeben werden oder die Kündigung habe der Schuldnerin nur „die Ernsthaftigkeit der Forderung der Bank verdeutlichen“ sollen4. An der durch die Kündigung eingetretenen Zahlungseinstellung ändert es auch nichts, wenn das Kreditinstitut dem Kunden mitteilt, es werde auch künftig Kontoüberziehungen zulassen. Eine solche Erklärung bedeutet nach einer Kreditkündigung weder die Annahme einer Zurücknahme der Kündigung noch eine Stundung der Rückzahlungspflicht5, sondern im Allgemeinen nur, dass es im Einzelfall nach vorheriger Überprüfung – freibleibend – Verfügungen duldet. Dadurch erhält der Kunde aber noch keine geschützte Rechtsposition; insbesondere nimmt das Kreditinstitut von dem – in

5.409

1 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1341, Rn. 15); BGH v. 12.10.2017 – IX ZR 50/15, ZIP 2017, 2368 = WM 2017, 2322 (2323, Rn. 12); BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524 = WM 2001, 689 (690 f.); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32, Rn. 104. 2 Kayser/Freudenberg in Münchener Kommentar zum InsO, 4. Aufl. 2019, § 130 Rn. 29b m.w.N. 3 Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, 2014, Rn. 300; s. dort auch Rn. 306 zur vorzeitigen Rückzahlung von Krediten. 4 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524 = WM 2001, 689 (691). 5 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524 = WM 2001, 689 (691).

Huber | 955

Fünfter Teil Rz. 5.409 | Kreditgeschäft

der Fälligstellung liegenden – ernsthaften Einfordern noch nicht Abstand, sondern behält sich vor, jederzeit Rückzahlung der Kredite zu verlangen1.

9. Besondere Bestimmungen im Verbraucherdarlehensrecht 5.410

Ist der kriselnde Kunde ein Verbraucher2 und beabsichtigt das Kreditinstitut die Kündigung der kreditvertraglichen Geschäftsbeziehung, sind besondere Regelungen des Verbraucherdarlehensrechts zu beachten.

5.411

Das Gesetz unterscheidet nach der durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie3 veranlassten Änderung des Verbraucherdarlehensrechts4 nach § 491 Abs. 1 Satz 2 BGB bei Verbraucherdarlehensverträgen nunmehr5 in Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und in Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge6. Bei beiden Vertragsformen handelt es sich um „entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer“ (§ 491 Abs. 2 bzw. Abs. 3 BGB). Ein Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag ist – wie bisher – als „üblicher“ Darlehensvertrag zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB) anzusehen, es sei denn, die Ausnahmen des § 491 Abs. 2 Satz 2 BGB liegen vor. Dagegen muss ein Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nach § 491 Abs. 3 BGB zusätzlich durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert sein oder er ist für den Erwerb oder die Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder für den Erwerb oder die Erhaltung von grundstücksgleichen Rechten bestimmt.

5.412

Gemäß § 512 BGB ist ein Abweichen von den Bestimmungen des Verbraucherdarlehensrecht – auch was die nachstehend erörterten besonderen Kündigungsvorgaben betrifft – zum Nachteil des Verbrauchers verboten. a) Fristablauf bzw. ordentliche Kündigung

5.413

In § 499 Abs. 1 BGB ist für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge – nicht aber für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge – explizit geregelt, dass bei einem befristeten AllgemeinVerbraucherdarlehensvertrag „eine Vereinbarung über ein Kündigungsrecht des Darlehensgebers unwirksam“ ist. Eine vereinbarte Vertragslaufzeit schließt also eine Vereinbarung über ein ordentliches Kündigungsrecht aus, unabhängig davon, ob ein fester oder variabler Zinssatz vereinbart ist7. Bei einem unbefristeten Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag verbietet § 499 Abs. 1 BGB eine ordentliche Kündigung, wenn bei einer Vereinbarung über ein 1 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524 = WM 2001, 689 (691). 2 Zum (Verbraucher-)Krisenbegriff vgl. Huber NZI 2019, 97 (98). 3 Richtlinie 2014/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. EU Nr. L 60 v. 28.2.2014, S. 34. 4 Durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften v. 11.3.2016, BGBl. I 2016, 396. 5 Bereits vorher war der „Immobiliardarlehensvertrag“ als Form des Verbraucherdarlehensvertrag in § 503 a.F. BGB normiert und legaldefiniert, allerdings hat erst die letzte Änderung ihn mit dem „normalen“ Verbraucherdarlehensvertrag auf eine Stufe gestellt. 6 Vgl. auch Huber in Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer, Handbuch Insolvenzverwaltung, 10. Aufl. 2022, Kap. 28 Rn. 200. 7 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 5; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 499 Rn. 2.

956 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.414 Fünfter Teil

Kündigungsrecht „die Kündigungsfrist zwei Monate unterschreitet“. Diese Frist beträgt also einen Monat weniger als die Drei-Monatsfrist des § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB, der als gesetzliche Leitbild bei einer ordentlichen Kündigung zu verstehen ist, so dass auch bei einer vorgesehenen ordentlichen Kündigung eines unbefristeten Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags grundsätzlich von einer Kündigungsfrist von 3 Monaten ausgegangen werden sollte (s. dazu Rn. 5.323 ff.). Bei einer eingeräumten Überziehungsmöglichkeit (§ 504 BGB) sowie bei einer geduldeten Überziehung (§ 505 BGB) ist § 499 Abs. 1 BGB nicht einschlägig1. In Nr. 19 Abs. 2 Satz 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften ist im Hinblick auf diese Bestimmungen geregelt, dass ein Kreditinstitut, soweit das BGB Sonderregelungen für die Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrags vorsieht, „nur nach Maßgabe dieser Regelungen kündigen“ kann. Insgesamt ist festzustellen, dass diese Bestimmungen kein anderes Vorgehen als bei einem „normalen“ Darlehensvertrag (vgl. dazu Rn. 5.315 ff.) erfordern; ggf. ist auf die Zwei-Monatsfrist des § 499 Abs. 1 BGB zu achten. b) Exkurs: Leistungsverweigerungsrecht nach § 499 Abs. 2 BGB Bei entsprechender Vereinbarung kann der Darlehensgeber „die Auszahlung eines AllgemeinVerbraucherdarlehens, bei dem eine Zeit für die Rückzahlung nicht bestimmt ist, aus einem sachlichen Grund verweigern“ (§ 499 Abs. 2 Satz 1 BGB). Es handelt sich um eine Einrede, die den Auszahlungsanspruch nur suspendiert, ihn aber fortbestehen lässt2. § 499 Abs. 2 BGB gewährt also kein Kündigungsrecht; wegen der „Nähe“ zum außerordentlichen Kündigungsrecht nach § 490 Abs. 1 BGB bzw. der genannten Variante einer im Zweifel stets möglichen Kündigung „vor Auszahlung des Darlehens“ soll auf diese Option beim Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag zumindest hingewiesen werden. Als sachliche Gründe, bei deren Vorliegen dem Darlehensgeber die Auszahlung nicht zumutbar ist, werden neben der wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers, die die Kreditrückzahlung gefährdet, der Verdacht einer nicht zulässigen oder missbräuchlichen Kreditverwendung insbesondere die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor allem durch die Verwendung des Kreditbetrags zu terroristischen Zwecken oder Geldwäsche, aber auch andere rechtswidrige Zwecke wie etwa der Erwerb verbotener Betäubungsmittel angesehen3. Letztlich sind die genannten sachlichen Gründe nicht viel anders als die für eine außerordentliche Kündigung erforderlichen wichtigen Gründe4. Ein Kreditinstitut muss also insoweit keine Vereinbarung für ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht schließen bzw. als AGB verwenden5, sondern kann bei den erwähnten sachlichen Gründen grundsätzlich auf das unverändert bestehende außerordentliche Kündigungsrecht abstellen (vgl. dazu Rn. 5.417 ff.).

1 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 2; s. auch § 504 Abs. 1 Satz 4 BGB sowie § 505 Abs. 4 BGB. 2 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 8; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 499 Rn. 3. 3 Vgl. Erwägungsgrund 33 der Verbraucherkreditlinie (Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.8.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 133 v. 22.5.2008, S. 66); Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 10 sowie Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 499 Rn. 3, beide unter Hinweis auf Erwägungsgrund 29 der Verbraucherkreditrichtlinie. 4 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 10. 5 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 9.

Huber | 957

5.414

Fünfter Teil Rz. 5.415 | Kreditgeschäft

c) Kündigungsausschluss bei unzureichender Kreditwürdigkeitsprüfung

5.415

Wird die nach § 505d BGB verpflichtend erforderliche Kreditwürdigkeitsprüfung durch den Darlehensgeber nicht ordnungsgemäß durchgeführt oder sind die vom Darlehensnehmer vor Vertragsschluss gemachten Angaben unvollständig, kann der Darlehensgeber nach § 499 Abs. 3 Satz 1 BGB den Darlehensvertrag „nicht allein deshalb kündigen“ bzw. anderweitig beenden oder seine Änderung verlangen. Da es in der Verantwortung des Darlehensgebers liegt, eine den §§ 505d ff. BGB entsprechende Kreditwürdigkeitsprüfung ordnungsgemäß vorzunehmen, hat sich der Darlehensgeber bei einer nicht ordnungsgemäß durchgeführten oder unvollständigen Prüfung auch nach Vertragsschluss daran festhalten zu lassen, solange der Darlehensnehmer bei seinen Angaben nicht „relevante Informationen wissentlich vorenthalten oder diese gefälscht hat“ (§ 499 Abs. 3 Satz 2 BGB)1. Im letztgenannten Fall kann dem Darlehensgeber ein wichtiger Grund zustehen, der zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt2. Gibt es neben den unzureichenden Angaben des Verbrauchers bzw. der nicht ordnungsgemäßen Kreditwürdigkeitsprüfung weitere Gründe, die eine Kündigung ermöglichen, wird die Kündigung nicht durch § 499 Abs. 3 BGB ausgeschlossen3.

5.416

frei d) außerordentliche Kündigung aa) Kündigung trotz unzureichender Kreditwürdigkeitsprüfung

5.417

Der Kündigungsausschluss nach § 499 Abs. 3 Satz 1 BGB bei unzureichender Kreditwürdigkeitsprüfung gilt nach § 499 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht, wenn der Darlehensnehmer bei seinen Angaben „relevante Informationen wissentlich vorenthalten oder diese gefälscht hat“4. Die Beweislast dafür trägt der Darlehensgeber5. Da es um „wissentliches“ Vorenthalten bzw. Fälschung geht, schadet dem Darlehehensnehmer auch grobe Fahrlässigkeit nicht6. Für die Relevanz der Informationen ist auf § 505b Abs. 1–3 BGB abzustellen7. § 499 Abs. 3 Satz 2 BGB gibt kein eigenständiges Kündigungsrecht; sind seine Voraussetzungen erfüllt, kann der Darlehensvertrag aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn dafür die weiter oben (vgl. Rn. 5.341 ff.) erörterten allgemeinen Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vorliegen8.

1 Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 499 Rn. 4. 2 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 15. Zur außerordentlichen Kündigung s. Rn. 5.417. 3 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 14; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 499 Rn. 4. 4 Zum Kündigungsausschluss vgl. Rn. 5.416. 5 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 15. 6 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 15. 7 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 15; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 499 Rn. 4. 8 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 499 Rn. 15; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 499 Rn. 4.

958 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.420 Fünfter Teil

bb) Kündigung wegen Verzug bei Teilzahlungsdarlehen Auch für den Zahlungsverzug bei Teilzahlungsdarlehen gibt es eine Kündigungsbeschränkung, um den Verbraucher zu schützen und eine einvernehmliche Regelung zu fördern1. Nach § 498 Abs. 1 BGB kann der Darlehensgeber den Verbraucherdarlehensvertrag – die Bestimmung gilt also grundsätzlich sowohl für einen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag als auch für einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag – bei einem Darlehen, das in Teilzahlungen zu tilgen ist2, wegen Zahlungsverzugs des Verbrauchers nur kündigen, wenn der Darlehensnehmer mit mindestens zwei aufeinander folgenden Raten ganz oder teilweise in Verzug ist und sich der Rückstand bei einer Darlehenslaufzeit bis zu drei Jahren auf mindestens 10 %, bei längeren Laufzeiten auf mindestens 5 % des Nennbetrages eines Allgemein-Verbraucherdarlehens bzw. – insoweit ändert § 498 Abs. 2 BGB die Quote – 2,5 % eines Immobiliar-Verbraucherdarlehens beläuft. Das Kreditinstitut muss dem Kunden vor einer Kündigung erfolglos eine mindestens zweiwöchige Frist mit der Erklärung gesetzt haben, dass es den gesamten Darlehensbetrag verlangen wird, wenn der Kunde nicht fristgemäß die Rückstände begleicht (§ 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB). Die Frist ist allerdings entbehrlich, wenn der Kunde ernsthaft und endgültig weitere Zahlungen verweigert3. Als Verzugszins kann das Kreditinstitut nach § 497 Abs. 1 Satz 1 BGB bei (Allgemein-)Verbraucherdarlehensverträgen 5 % über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB) verlangen; bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen beträgt der Satz nach § 497 Abs. 4 Satz 1 BGB 2,5 % über dem Basiszinssatz. Liegen die in § 498 Abs. 1 Satz 1 BGB genannten Voraussetzungen nicht kumulativ vor, ist eine dennoch erfolgende Kündigung des Darlehensgebers unwirksam4.

5.418

Bevor das Kreditinstitut eine Kündigung ausspricht, soll es dem Darlehensnehmer spätestens mit der Fristsetzung ein Gespräch über die Möglichkeit einer einverständlichen Regelung anbieten (§ 498 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies gilt auch dann, wenn das Kreditinstitut von der wirtschaftlichen Situation des Schuldners erst durch dessen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch Kenntnis erhält5. Denn wenn es zu einer Einigung mit der Bank über die Behandlung ihrer Kredite kommt, kann ein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsversuch mit anderen Gläubigern entbehrlich werden. Das Gesprächsangebot des Darlehensgebers ist grundsätzlich nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Kündigung ausgestaltet6. Es sollte dennoch immer – zweckmäßigerweise in Verbindung mit dem Fristsetzungsschreiben (nebst Ablehnungsandrohung) – erfolgen, um auch einen im Einzelfall möglichen Schadensersatzanspruch des Darlehensnehmers zu vermeiden7.

5.419

Das Mahnschreiben (nebst Gesprächsangebot) muss nach § 492 Abs. 5 BGB auf einem dauerhaften Datenträger verkörpert sein und insbesondere deutlich die in § 498 Abs. 1 Satz 1 BGB

5.420

1 Vgl. Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 498 Rn. 1. 2 Zur Kündigung von tilgungsfrei gestellten Darlehen bei Verzug allein mit drei Zinsraten s. OLG Schleswig v. 27.4.2006 – 5 U 176/05, ZIP 2006, 1339 = WM 2006, 1338 (1339 f.). 3 BGH v. 5.12.2006 – XI ZR 341/05, ZIP 2007, 414 = WM 2007, 440 (442, Rn. 23); Schürnbrand/ Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 498 Rn. 18; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 498 Rn. 3. 4 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 498 Rn. 9; s. auch BGH v. 14.7.2020 – XI ZR 553/19, ZIP 2020, 1803 = WM 2020, 1735 (1736, Rn. 17). 5 Das einer Privatinsolvenz vorgeschaltete außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren (s. auch § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) soll „in einem nennenswerten Umfan“ zu einer erfolgreichen Schuldenbereinigung führen, so Vuia in Münchener Kommentar zum InsO, 4. Aufl. 2020, § 304 Rn. 40. 6 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 498 Rn. 9 u. Rn. 21. 7 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 498 Rn. 21 m.w.N.

Huber | 959

Fünfter Teil Rz. 5.420 | Kreditgeschäft

genannten Voraussetzungen für eine wegen Zahlungsverzug vorgesehene Kündigung herausstellen.

5.421

Für die Mahnung kommt folgender Text in Betracht:

M 18 Mahnung beim Verbraucherdarlehen Briefkopf der Bank Ihr Kredit Nr. ... Mahnung Sehr geehrte ..., Sie sind mit mindestens zwei aufeinander folgenden Raten in Höhe von insgesamt ... Euro in Verzug. Bitte zahlen Sie daher den genannten Betrag bis spätestens zum ... auf Ihr Kreditkonto ein. Falls Sie dieser Aufforderung nicht bis zu diesem Termin nachkommen, werden wir den Kredit kündigen und die Rückzahlung des Restkreditbetrages (zurzeit ... Euro) in einer Summe verlangen. Sollten Sie nach der Kündigung des Kredits den Restkreditbetrag nicht bis zu dem im Kündigungsschreiben genannten Termin ausgleichen, werden wir fristgerecht Ihrem Arbeitgeber die als Sicherheit vereinbarte Abtretung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt anzeigen. Darüber hinaus werden wir die SCHUFA (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) über die Kündigung, die Offenlegung der Lohn-/Gehaltsabtretung sowie über etwaige weitere Schritte zur Geltendmachung unserer Forderung informieren. Die bisher auf den Rückstand angefallenen Verzugszinsen betragen ... Euro. Sie sind zusammen mit eventuell weiter anfallenden Verzugszinsen nach der vollständigen Rückführung des Kredits auszugleichen. Sollte Ihnen eine Zahlung zurzeit nicht möglich sein, sprechen Sie bitte umgehend mit Ihrem Kundenberater, damit gemeinsam Möglichkeiten einer einvernehmlichen Regelung gefunden werden können. Hochachtungsvoll ... A.-Bank

5.422

Nach der Mahnung kann sich das Kreditinstitut mit der Kündigung bzw. auch Einleitung gerichtlicher Schritte zur Durchsetzung ihrer Forderung Zeit lassen. Das Recht auf Darlehensrückzahlung geht nicht allein schon durch einen großen zeitlichen Abstand zwischen Rückforderung und Mahnverfahren verloren, da nach § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB eine Hemmung der Verjährung bis zu zehn Jahren nach Fälligkeit eintritt. Auch während der langjährigen Hemmung der Verjährung kann die Bank ihren Rückzahlungsanspruch nicht allein dadurch verwirken, dass sie den über die Aufrechterhaltung der Forderung informierten Schuldner später nicht erneut an seine Zahlungspflicht erinnert1. Die Verjährungshemmung des § 497 Abs. 3

1 OLG Dresden v. 20.10.2016 – 8 U 1211/16, ZIP 2017, 221 = NJW-RR 2017, 300 (302, Rn. 18 ff.); OLG Nürnberg v. 28.7.2014 – 14 U 2180/13, ZIP 2014, 1576 = WM 2014, 1953 ff.

960 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.424 Fünfter Teil

Satz 3 BGB findet nicht nur auf Zins- und Tilgungsrückstände im ungekündigten Darlehensverhältnis, sondern auch auf Ansprüche aus gekündigten Darlehen Anwendung1. cc) Kündigung aus sonstigen Gründen bei Teilzahlungsdarlehen Wenn der Kunde seine Zahlungspflichten aus dem Kredit erfüllt und die Bank z.B. erst durch den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch von seinen Problemen mit anderen Gläubigern und der Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse erfährt, kann sie den Kredit kündigen. Zwar sind die Voraussetzungen des § 498 BGB nicht erfüllt. Ihr steht aber ein Kündigungsrecht aus (einem anderen) wichtigem Grund zu, zumindest nach §§ 490, 314 BGB, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen – wie im Verbraucherkreditbereich weitgehend üblich – nicht vereinbart sind und es im Verbraucherdarlehensvertrag ebenfalls keine entsprechenden Bestimmungen gibt. Dieses Kündigungsrecht wird durch § 498 BGB nicht ausgeschlossen, zumindest soweit nicht, als ein anderer wichtiger Grund als nur der Zahlungsverzug vorliegt2. In § 498 BGB ist nur eine Kündigungsbeschränkung für den Zahlungsverzug bei Teilzahlungsdarlehen normiert, nicht aber für andere wichtige Gründe. Eine Kündigung wegen einer wesentlichen Verschlechterung des Vermögens des Kreditnehmers, durch die die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gegenüber der Bank gefährdet ist, ist daher zulässig3. Erreicht nämlich der Grad der Vermögensverschlechterung das Ausmaß einer Insolvenz, so kann man der Bank ein weiteres Zuwarten, bis der Kunde auch ihr gegenüber seine Ratenverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann, nicht zumuten4. Denn dies zöge eine Benachteiligung dieser Bank gegenüber sonstigen Gläubigern nach sich, da sie zusehen müsste, wie jene ihre Rechte realisieren, während sie an der Sicherheitenverwertung gehindert wäre. Auch eine außerordentliche Kündigung nach §§ 490, 314 BGB bzw. den in Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen) genannten wichtigen Gründen ist bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen möglich5, solange der wichtige Grund nicht allein ein Zahlungsverzug ist. Soweit dann noch auf Besonderheiten zu achten ist, wird auf den folgenden Punkt verwiesen.

5.423

dd) Kündigung sonstiger Darlehen Für andere Darlehen als Teilzahlungsdarlehen, also insbesondere für Kontokorrentkredite6 gilt die Kündigungsbeschränkung des § 498 BGB nicht. Auch wenn der Kunde nicht in Verzug geraten ist, kann die Bank ihr Kündigungsrecht aus wichtigem Grund ausüben, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers verschlechtert haben. Ihr Kündigungsrecht kann die Bank auch dann ausüben, wenn der Kunde einen außergerichtlichen Schulden1 BGH v. 14.7.2020 – XI ZR 553/19, ZIP 2020, 1803 = WM 2020, 1735 (1736 f., Rn. 19 ff.); OLG Bremen v. 27.4.2020 – 1 U 60/19, ZIP 2021, 75 = WM 2020, 2370 (2371), jeweils m.w.N. 2 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 498 Rn. 25; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 498 Rn. 1; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32, Rn. 32; OLG Karlsruhe v. 29.3.2000 – 1 U 101/99, WM 2000, 1996 (2001). 3 OLG Stuttgart v. 29.3.2017 – 9 U 223/16, ZIP 2017, 1897 (1900 ff.); Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 498 Rn. 25; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 498 Rn. 1; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32, Rn. 32. 4 BGH v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, WM 2001, 31 (39); BGH v. 26.5.1988 – III ZR 115/87, WM 1988, 1223 (1224). 5 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 498 Rn. 25. 6 Werden Kontokorrentkredite, was allerdings in Deutschland nicht sehr üblich ist, in Raten zurückgeführt, ist § 498 BGB dagegen einschlägig.

Huber | 961

5.424

Fünfter Teil Rz. 5.424 | Kreditgeschäft

bereinigungsversuch unternimmt. Dieser dokumentiert hinreichend die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse. Er entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber der Kündigung. Auch für die anderen wichtigen Gründe, wie sie oben (vgl. Rn. 5.349 ff.) besprochen worden sind, gibt es keine Kündigungsbeschränkungen, allerdings ist bei einzelnen wichtigen Gründen auf Folgendes hinzuweisen: – Unrichtige Angaben über Vermögensverhältnisse: Die Offenlegung der Vermögensverhältnisse gehört zu den wesentlichen Verpflichtungen eines jeden Darlehensnehmers (s. Rn. 5.349). Sie zu fordern ist die Bank im Interesse ihrer Einleger (§ 18 KWG) und auch im Interesse ihrer Verbraucher-Kreditnehmer (§§ 505a ff. BGB, § 18a KWG) rechtlich verpflichtet; daraus kann mittelbar auch eine Verpflichtung des Kunden zur Vorlage abgeleitet werden1. Im Verbraucherdarlehensrecht ist die Offenlegung auch die Voraussetzung für die nach §§ 505a ff. BGB durchzuführende Kreditwürdigkeitsprüfung; allerdings findet sich in § 499 Abs. 3 BGB eine Sonderregelung für das Kündigungsrecht des Darlehensgebers bei vom Darlehensnehmer vor Vertragsschluss gemachten unvollständigen Angaben bzw. einer vom Darlehensgeber nicht ordnungsgemäß durchgeführten Kreditwürdigkeitsprüfung (vgl. dazu Rn. 5.415)2. Nur wenn der Mangel der Kreditwürdigkeitsprüfung auf dem wissentlichen Vorenthalten oder dem Fälschen von für die Kreditwürdigkeitsprüfung relevanten Informationen beruht, gilt die Kündigungssperre des § 499 Abs. 3 Satz 1 BGB (vgl. dazu Rn. 5.417) nicht und das Kreditinstitut könnte wegen dieses wichtigen Grundes kündigen. – Wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse: Anders als bei der Betrachtung eines Unternehmens (s. Rn. 5.352 ff.) wird es bei einem Verbraucher darauf ankommen, ob wesentliche Vermögensteile an Wert verlieren oder sich seine Einkommenssituation, z.B. durch Arbeitslosigkeit, so verschlechtert, dass er auf sein Vermögen zurückgreifen muss3. Bei ihm können aber auch – wie bei einem Unternehmen – die Vorladung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, die Einleitung der Zwangsvollstreckung oder seine Androhung bzw. Ankündigung, einen Insolvenzantrag stellen zu wollen4, relevante Umstände für eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse sein5. Auf ein Verschulden des Darlehensnehmers kommt es wiederum nicht an6. Wurde der Darlehensvertrag von mehreren Darlehensnehmern als Gesamtschuldner geschlossen, reicht es zwar grundsätzlich aus, wenn die wesentliche Verschlechterung nur bei einem Darlehensnehmer vorliegt7; allerdings muss das Kreditinstitut die Interessenabwägung für eine außerordentliche Kündigung mit besonderer Sorgfalt vornehmen8. In der Praxis ist es keine Seltenheit, dass bei gesamtschuldnerisch haftenden Verbrauchern – typischerweise Eheleuten – ein Verbraucher seine Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann bzw. sogar Insolvenz anmeldet, während der andere unverändert kreditwürdig ist und er alleine –

1 OLG Frankfurt v. 25.3.2011 – 19 U 173/10, ZIP 2011, 999 = DB 2011, 2312. 2 Die Rechtsfolgen richten sich alleine nach § 505d BGB, ohne dass der Darlehensnehmer einen Schadensersatzanspruch hätte, vgl. Rn. 5.415. 3 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 5. 4 Droht dies ein Gläubiger an, bedarf dies in Bezug auf eine möglicherweise „wesentliche“ Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers einer genaueren Überprüfung, da derartige Androhungen auch – dies zeigt sich immer wieder in der Praxis – einen anderen Hintergrund haben können. 5 Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/588. 6 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 5. 7 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 3; Huber NZI 2019, 97 (101). 8 Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/587.

962 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.424 Fünfter Teil

wenn er es sowieso nicht schon gemacht hat – das Darlehen zurückführen will1. Hat die Krise oder Insolvenz des einen Verbrauchers keine Auswirkungen auf das Darlehen bzw. die Zahlungsfähigkeit des anderen, kann aus Praxissicht alles unverändert weiterlaufen, d.h. es muss der Darlehensvertrag nicht zwingend gekündigt werden. So ist es z.B. bei grundschuldgesicherten Baufinanzierungsdarlehen nicht unüblich, den Darlehensvertrag mit dem solventen Verbraucher fortzusetzen. Können Zahlungen des insolventen Verbrauchers wegen einer (anfechtungsfrei) bestellten Sicherheit nicht erfolgversprechend angefochten werden – da es an der Gläubigerbenachteiligung fehlt (vgl. dazu Rn. 5.498) –, ist beim solventen Verbraucher kein Grund ersichtlich, warum das Kreditinstitut den Darlehensvertrag kündigen sollte. Aber auch wenn eine Insolvenzanfechtung in Betracht käme, wäre zu prüfen, ob der solvente Verbraucher (auch) dies auffangen könnte. § 41 InsO stellt lediglich die Forderung des insolventen Verbrauchers fällig, ohne dass zwingend gegenüber dem anderen Verbraucher ebenfalls die Fälligkeit – durch Kündigung des Darlehensvertrags – herbeigeführt werden müßte2. Will der insolvente Verbraucher eine Restschuldbefreiung erlangen, ist dies im Hinblick auf den anderen Verbraucher unschädlich, da er nach § 301 Abs. 2 InsO unbeschränkt für das Darlehen weiter haftet; das gleiche gilt für eine (anfechtungsfrei) gestellte Sicherheit. – Erfolgloses Nachbesicherungsverlangen: Bei Verbraucherdarlehensverträgen beschränken die Vorgaben des Gesetzgebers ein wirksames Nachbesicherungsverlangen des Darlehensgebers deutlich, so dass auch der wichtige Grund eines erfolglosen Nachbesicherungsverlangen nur selten als Grundlage für eine außerordentliche Kündigung gegeben ist. Nach § 494 Abs. 6 BGB, Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB kann das Kreditinstitut nur die Sicherheiten – auch im Wege der Nachbesicherung3 – verlangen, die im Verbraucherdarlehensvertrag angegeben sind. Fehlen Angaben zu Sicherheiten, „so können Sicherheiten nicht gefordert werden“ (§ 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 BGB). Dies wiederum „gilt nicht bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen, wenn der Nettodarlehensbetrag 75.000 Euro übersteigt“ (§ 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BGB). Daher findet sich auch in Nr. 13 Abs. 2 Satz 5 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AGB Sparkassen) die Regelung, dass bei Verbraucherdarlehensverträgen ein Anspruch auf die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nur besteht, soweit die Sicherheiten im Kreditvertrag angegeben sind. Und in Nr. 13 Abs. 2 Satz 6 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AGB Sparkassen) ist die „Ausnahme“ normiert, dass Nachbesicherung auch dann verlangt werden kann, wenn in einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag4, dessen Nettodarlehensbetrag 75.000 Euro übersteigt, keine oder keine abschließenden Angaben über Sicherheiten enthalten. Im letztgenannten Fall5 kann somit der Darlehensgeber Nachbesicherung verlangen und unter Berücksichtigung der allgemeinen Voraussetzungen anschließend außerordentlich kündigen, wenn das Verlangen erfolglos bleiben sollte6. Dazu gehört insbesondere auch, dass der Darlehensgeber für die Erfüllung 1 Vgl. zum Nachstehenden auch Huber NZI 2019, 97 (102). 2 Davon zu trennen ist die Konstellation, dass ein Kreditinstitut seine Forderung auch gegenüber einem nichtinsolventen Kunden durchsetzen will; in diesem Fall ist zu kündigen. 3 Schürnbrand/Weber in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 498 Rn. 25. 4 Bzw. in einem vor dem 21.6.2016 abgeschlossenen „Verbraucherdarlehensvertrag“, da die Aufteilung in Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag bzw. Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag (s. dazu Rn. 5.411) erst ab dem 21.6.2016 gilt. 5 Und in dem erörterten Fall, wenn die Sicherheiten im Darlehensvertrag bereits angegeben sind – das ist in der Praxis allerdings unüblich. 6 Vgl. insgesamt zum Nachbesicherungsverlangen Rn. 5.362 ff.

Huber | 963

Fünfter Teil Rz. 5.424 | Kreditgeschäft

des Nachbesicherungsverlangens „eine angemessene Frist“ eingeräumt hat (Nr. 13 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften1). Die Angemessenheit der Frist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, sollte aber anders als bei Unternehmen2 bei Verbrauchern mindestens zwei Wochen betragen3.

5.425–5.427

frei

10. Bilanzierung 5.428

Eine Kreditkündigung schlägt sich auch in der Bankbilanz nieder. Je nach Lage des Falles kann eine Teilwertberichtigung oder eine vollständige Abschreibung angemessen sein. Ausgangspunkt für den Ansatz von Darlehensforderungen sind die Anschaffungskosten (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB; § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG), die regelmäßig dem Nennwert der Forderung entsprechen4. Aufgrund des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips nach § 253 Abs. 3 und Abs. 4 HGB ist dann auf den niedrigeren Teilwert abzuschreiben5. Insoweit kommt es darauf an, in welchem Umfang noch mit einer Rückzahlung gerechnet werden kann. Dabei ist der Wert von Sicherheiten entsprechend zu berücksichtigen. Sofern eine kurzfristige Realisierung des Erlöses aus der Sicherheitenverwertung nicht zu erwarten ist, kann zusätzlich eine Abzinsung des Sicherheitenwerts vorgenommen werden.

IV. Forderungsverzicht 5.429

Entscheidet sich ein Kreditinstitut in der Krise eines (Unternehmens-)Kunden, erst einmal nicht zu kündigen, sondern den Weg der vom Kunden aufgezeigten und nicht aussichtslosen Sanierung vorläufig – gerade wenn zu Beginn noch kein tragfähiges Sanierungskonzept vorliegt – mitzugehen, reicht in vielen Fällen ein Stillhalten nicht aus, vor allem wenn es darum geht, vorliegende Insolvenzgründe zu beseitigen, um eine kurzfristige Insolvenzantragstellung wegen bestehender und vom Kunden zu beachtender Antragsfristen nach der Insolvenzordnung zu vermeiden. Kann der Insolvenzgrund der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit durch „frisches Geld“ (vgl. dazu auch Rn. 5.203) beseitigt werden, muss bei schuldenden Unternehmen, für die auch die Überschuldung einen Insolvenzgrund darstellt, ggf. darauf geachtet werden, dass (auch) dieser Insolvenzgrund nicht eintritt bzw. beseitigt wird. Ein probates Mittel zur Abwendung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung ist der Verzicht auf Forderungen6, wobei nicht nur Kreditinstitute, sondern insbesondere auch Gesellschafter – soweit sie Forderungen gegen ihr Unternehmen haben – oder andere Gläubiger auf Forderungen verzichten können. Nachstehend wird alleine auf den Forderungsverzicht durch ein Kreditinstitut abgestellt.

1 In den AGB Sparkassen folgt die Fristsetzung aus Nr. 26 Abs. 2 Satz 3 b). 2 Vgl. Rn. 5.363: mindestens eine Woche. 3 Weitergehend Aßfalg in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 1/377; ähnlich wie hier Bunte/Zahrte/ Bunte, 5. Aufl. 2019, AGB Banken Rn. 278. 4 Böcking/Gros/Wirth in Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht, 4. Aufl. 2019, § 253 HGB Rn. 112. 5 BFH v. 2.12.2015 – I R 83/13, WM 2016, 1535 (1536 f., Rn. 15); BFH v. 24.10.2006 – I R 2/06, ZIP 2007, 1306 = WM 2007, 1722 (1723). 6 Lieser/Jüchser in Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 18 Rn. 1.

964 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.431 Fünfter Teil

1. Vereinbarkeit mit guten Sitten Der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens richtet sich – ebenso wie die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen durch Kredite – im Wesentlichen gegen Rechtshandlungen, mit denen ein Kreditinstitut sich in der Krise ihres Kreditnehmers Sondervorteile vor anderen Gläubigern zu verschaffen versucht (vgl. dazu auch Rn. 5.84 ff.). Dagegen geht es bei einem Forderungsverzicht eher um das Gegenteil: Ein Kreditinstitut erklärt sich zwecks „Unterstützung“ des kriselnden Kunden bereit, auf Forderungen gegen ihn ganz oder teilweise zu verzichten und verschafft ihm und den anderen Gläubigern damit einen Vorteil. Wenn schon die bloße Untätigkeit, das sog. Stillhalten, nicht zu einer Haftung führt (vgl. Rn. 5.99), sollte dies auch für das Zugeständnis eines Vorteils für das Unternehmen und die anderen Gläubiger gelten. Reicht ein solcher Forderungsverzicht allerdings nicht aus, um die Insolvenz des Kreditnehmers abzuwenden, kann im Ergebnis nichts anderes gelten; das Kreditinstitut hat zwar seine erlassene Forderung verloren und ist mit der verbleibenden auf die Quote oder einen etwaigen Sicherheitenerlös verwiesen, setzt sich aber nicht zusätzlich noch Schadenersatzansprüchen des Insolvenzverwalters oder dritter Gläubiger aus. Zwar könnte argumentiert werden, das Kreditinstitut habe es durch seine Zugeständnisse dem Schuldner ermöglicht, seinen Insolvenzantrag hinauszuschieben, und in der gewonnenen Zeit hätten sich sein Vermögen und damit die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter vermindert. Dies reicht aber nicht aus, um den Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens zu rechtfertigen. Denn zum einen hat das Kreditinstitut den Forderungsverzicht erklärt, um den Kunden in seiner Krise bzw. deren Bewältigung zu unterstützen (und oft wäre ohne diese Unterstützung eine Sanierung schon beendet, bevor sie angefangen hat), und zum andern hat es sich keine Sondervorteile vor anderen Gläubigern verschafft, sondern im Gegenteil sogar mehr verloren, da der Teil der Forderungen, auf den es verzichtet hat (oder mit dem es im Rang zurückgetreten ist; zum Rangrücktritt vgl. Rn. 5.464 ff.), vollständig aufgegeben worden ist – und auf die Restforderung erhält auch das Kreditinstitut nur die Quote. Im Übrigen ist ein Kreditinstitut als Gläubiger (auch) in dieser Konstellation nicht verpflichtet, im Interesse anderer Gläubiger die Insolvenz eines Kreditnehmers auszulösen.

5.430

2. Zivilrechtliche Wirkungen eines Forderungsverzichts ohne Zusatzerklärungen Mag der Begriff „(Forderungs-)Verzicht“ auch auf eine einseitige Erklärung des Gläubigers hindeuten, kommt er zivilrechtlich dennoch nur durch eine vertragliche Übereinkunft zwischen Kreditinstitut und Kunden zustande. Es handelt sich dabei um einen Erlassvertrag gemäß § 397 BGB1. Der Wille, auf eine Forderung verzichten zu wollen, muss unmissverständlich erklärt werden2. Grundsätzlich kann es bei der erforderlich werdenden Auslegung einer Verzichtserklärung keine Vermutung eines Verzichtes geben, d.h. im Zweifel ist die Erklärung

1 Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 1; Schlüter in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 1; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 397 Rn. 5; Lieser/Jüchser in Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 18 Rn. 8; Knebel DB 2009, 1094. 2 BGH v. 10.6.2015 – VIII ZR 99/14, NJW 2015, 2324 (2325, Rn. 19); BGH v. 15.1.2002 – X ZR 91/ 00, NJW 2002, 1044 (1046); BGH v. 810.5.2001 – VII ZR 356/00; NJW 2001, 2325 f.; Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 118; Schlüter in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 3.

Huber | 965

5.431

Fünfter Teil Rz. 5.431 | Kreditgeschäft

nicht als Verzicht zu werten1. Das schließt zwar nicht aus, dass ein Erlaßvertrag auch stillschweigend geschlossen werden kann; allerdings ist in diesem Fall der Verzichtswille besonders streng zu prüfen und es bedarf regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf ihn schließen lassen2. Der Verzicht kann für die gesamte Forderung oder einen Forderungsteil erklärt werden. Durch einen Forderungsverzicht kann nicht (gleichzeitig) auf das zugrundeliegende Schuldverhältnis, z.B. den Darlehensvertrag verzichtet werden, sondern nur auf eine Forderung bzw. einen Forderungsteil „aus“ diesem Schuldverhältnis3. Soll auch z.B. der Darlehensvertrag ganz oder teilweise erlöschen, müssen die Parteien einen – von einem Erlaßvertrag zu unterscheidenden – Aufhebungsvertrag schließen4. Haben sich mehrere Personen als Gesamtschulder verpflichtet, kann das Kreditinstitut zwar bei jedem Gesamtschuldner einen Verzicht mit unterschiedlichen Verzichtsbeträgen aussprechen; auch der Verzicht bei nur einem Gesamtschuldner ist möglich. Bei Forderungsverzichten mit Gesamtschuldnern ist immer ein potentieller Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB im Blick zu halten, d.h. – und dies gilt besonders, wenn Verzichte gegenüber den einzelnen Gesamtschuldner unterschiedliche Beträge aufweisen oder nur bei einem verzichtet werden soll – der Forderungsverzicht bzw. die einzelnen Verzichte sind so zu vereinbaren, dass das Kreditinstitut bei einem eventuellen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB später nicht in diesen Ausgleich „hineingezogen“ werden kann und sich schadensersatzpflichtig macht. In der Praxis führen gerade diese „gemischten“ Forderungsverzichte immer wieder zu Problemen, meistens weil bei ihrer Abfassung hinsichtlich des Gesamtschuldnerausgleichs nicht aufgepasst worden ist; im Zweifel sollten sie also vermieden werden.

5.432

Mit Zustandekommen des Erlassvertrags wird über die (ganz oder teilweise) zu erlassende Forderung verfügt und die Forderung erlischt (ganz oder teilweise) ex nunc in Folge des Erlasses5. Vor dem Erlassvertrag bereits aufgelaufene Begleitansprüche des Kreditinstituts wie insbesondere Zinsen bleiben bestehen, wenn auf sie nicht explizit verzichtet wird6. Waren Sicherheiten für die Forderung bestellt, bedeutet der Erlass, dass das Kreditinstitut diese insoweit nicht mehr beanspruchen kann. Akzessorische Sicherheiten (Bürgschaften, Pfandrechte) erlöschen automatisch mit dem Erlöschen der Forderung7; abstrakte Sicherheiten (Sicherungsabtretungen, Sicherungsübereignungen, Grundschulden) sind zurückzuübertragen, da sich mit dem Erlass der Sicherungszweck erledigt hat8. Eine Forderung, die erlassen wurde und deshalb nicht mehr existiert, kann auch nicht mehr in Genussrechte umgewandelt oder 1 BGH v. 15.1.2002 – X ZR 91/00, NJW 2002, 1044 (1046); Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 119; Schlüter in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 3; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 397 Rn. 6. 2 BGH v. 10.6.2015 – VIII ZR 99/14, NJW 2015, 2324 (2325, Rn. 19); Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 124; Schlüter in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 3. 3 Das Gesetz spricht zwar in § 397 Abs. 1 BGB selbst davon, dass das „Schuldverhältnis“ erlischt; gemeint ist aber das „Schuldverhältnis im engeren Sinne“ und damit die dem Schuldverhältnis „im weiteren Sinne“ entspringenden einzelnen Forderungen, vgl. Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 70; Schlüter in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 7. 4 Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 72; Schlüter in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 7. 5 Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 283 f.; Schlüter in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 6 f.; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 397 Rn. 2 f.; Lieser/ Jüchser in Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 18 Rn. 11. 6 Staudinger/Rieble, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 284; Schlüter in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 7. 7 Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 292. 8 Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 294.

966 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.434 Fünfter Teil

als Sacheinlage für den Erwerb von Wandelschuldverschreibungen benutzt werden. Wird der Erlassvertrag ohne weitere Erklärungen wie z.B. einer Besserungsabrede (dazu Rn. 5.439 ff.) geschlossen, kann die erloschene Forderung nur durch Neubegründung wieder entstehen1.

3. Form des Forderungsverzichts Der Erlassvertrag kann grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden2. Dennoch sollte er stets schriftlich abgeschlossen werden, um gerade in der Krisensituation des Kunden eine klare Absprache dokumentieren zu können. Es wäre im Übrigen für ein Kreditinstitut äußerst außergewöhnlich, wenn es sich nicht an die Schriftform halten würde. Dennoch hat es wegen der möglichen Formfreiheit eines Erlassvertrages immer wieder Versuche von Schuldnern gegeben, Fakten zu schaffen, die ein Gericht als eine formlose Verzichtserklärung des Kreditinstituts auslegen könnte. Dieses unter dem Stichwort „Erlassfalle“ bekannt gewordene Schuldnerverhalten zeichnet(e) sich vorallem dadurch aus, dass ein Schuldner dem Kreditinstitut einen Scheck mit einem im Verhältnis zur Gesamtforderung des Kreditinstituts teilweise extrem niedrigen Scheckbetrag3 übersendet und in einem Begleitschreiben – gerne unter Schilderung seiner desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse – die Schecksumme als einmalige Zahlung zur Abgeltung aller Forderungen anbietet mit dem Hinweis, dass in der Scheckeinlösung die Zustimmung zu diesem „Vergleichsangebot“ gesehen wird und im übrigen der Schuldner auf den Eingang der Annahmeerklärung verzichtet4. Der Schuldner hofft(e) dabei auf die übliche Trennung von Scheck und Begleitschreiben beim Kreditinstitut und die Einlösung des Schecks ohne Berücksichtigung des Erlassangebots im Begleitschreiben. Diese Variante der Erlassfalle wurde besonders in den Zeiten, als die Scheckzahlung noch sehr viel üblicher war als heutzutage, immer wieder von Schuldnern versucht. Des Öfteren ist es auch zur Einlösung eines solchen Schecks gekommen, ohne dass im Kreditinstitut das Begleitschreiben oder der Verwendungszweck des Schecks näher geprüft worden ist. Aber auch die Variante mit einer Überweisung wurde und wird versucht, wenn z.B. Vorverhandlungen über den Erlass der über einen hohen Betrag hinausgehenden Forderungen stattgefunden haben und der Schuldner darauf bezogen eine geringe Teilzahlung als Ablösungsumme schriftlich angekündigt hat und das Kreditinstitut die Teilzahlung widerspruchlos annimmt.

5.433

Ursprünglich hat der BGH5 in der widerspruchslosen Einlösung eines solchen Schecks grundsätzlich die Annahme eines Erlassvertrags über den noch ausstehenden Restbetrag der Forderung gebilligt6. Mittlerweile7 berücksichtigt der BGH allerdings viel mehr die Sicht des Erklä-

5.434

1 Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 177; Schlüter in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 10; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 397 Rn. 2. 2 Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 163; Schlüter in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 2; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 397 Rn. 8. 3 Vgl. z.B. den Sachverhalt In BGH v. 10.5.2001 – XII ZR 60/99, ZIP 2001, 1329 = NJW 2001, 2324: 0,68 % der Hauptforderung ohne Zinsen. 4 Es handelt(e) sich dabei um eine typische Konstellation, wobei manchmal der Scheck getrennt übersandt wurde oder die Schecheinlösung unter die Bedingung des Erlasses gestellt wurde, vgl. auch Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 143 ff. 5 BGH v. 28.3.1990 – VIII ZR 258/89, ZIP 1990, 566 = NJW 1990, 1655 (1656); BGH v. 6.2.1990 – X ZR 39/89 NJW 1990, 1656 (1657 f.); BGH v. 18.12.1985 – VIII ZR 297/84, WM 1986, 322 (324). 6 S. auch Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 144. 7 Die Instanzrechtsprechung hatte schon vorher mit verschiedenen Begründungen den Abschluss eines Erlassvertrages verneint, vgl. Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 145 m.w.N.

Huber | 967

Fünfter Teil Rz. 5.434 | Kreditgeschäft

rungsgegners, also des Kreditinstituts, und verneint z.B. bei einem Missverhältnis zwischen Gesamtforderung und Abfindungsangebot einen Verzichtswillen des Kreditinstituts1. Auch bei einer erkennbar entgegenstehenden Interessenlage kann das Schweigen des Kreditinsituts nicht als Annahme des Verzichtsangebots interpretiert werden2. Das Abstellen auf den eindeutigen Erklärungswert des Verhaltens des Kreditinstituts ist die richtige Vorgehensweise3. Ein Kreditinstitut, das tatsächlich einen Erlassvertrag mit einem (sehr) niedrigen Vergleichsbetrag (im Verhältnis zu einer hohen Forderung) schließen will, wird dies immer explizit und vorallem auch schriftlich erklären, nachdem es regelmäßig Verhandlungen zwischen den Parteien gegeben hat; kein Schuldner kann davon ausgehen, dass das Kreditinstitut stillschweigend nach einem eher „aus heiterem Himmel“ kommenden Vergleichsangebot auf einen wesentlichen Teil seiner Forderungen verzichtet, nur weil es eine geringfügige Zahlung erhält. Aber auch sonst ist es völlig unüblich, dass ein Kreditinstitut einen Erlassvertrag so ohne Weiteres „zustande kommen lässt“, d.h. ohne dass es über Grund und Höhe eines Verzichtes verhandelt und ohne dass es ihn regelmäßig schriftlich oder in Textform vereinbart. Allerdings schließt letzteres nicht aus, dass Ausnahmen die Regel bestätigen und es dennoch im Hinblick auf den Erklärungswert des Verhalten des Kreditinstituts zu einem Verzicht durch stillschweigendes Verhalten des Kreditinstituts kommen kann. Dies könnte bei oft von mehreren Gläubigern getragenen Sanierungsverhandlungen der Fall sein, wenn sich die Sanierung eines Unternehmens als erfolgversprechend darstellt und Sanierungsgespräche stattfinden.

5.435

Ein Kreditinstitut muss demnach darauf achten, dass seine Teilnahme an den Gesprächen keine Veranlassung gibt, dass sein Verhalten vorsätzlich oder fahrlässig fehl interpretiert werden kann und ihm ein Verzicht unterstellt wird, den es noch gar nicht zu erklären bereit war. Denn anders als bei einem Vergleichsangebot „aus heiterem Himmel“ durch Zusendung eines Schecks ohne vorherige Verhandlung kann durch die widerspruchslose Annahme einer Teilzahlung ein Erlassvertrag zustandekommen, wenn (längere) Vorverhandlungen über den Erlass der über den Zahlbetrag hinausgehenden Forderungen stattgefunden haben und der Schuldner darauf bezogen seine Teilzahlung als Ablösungsumme schriftlich angekündigt hat.

5.436

So hatten sich z.B.4 mehrere Gläubigerbanken gemeinsam um eine Lösung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihrer Kundin bemüht und nach längeren Verhandlungen am 16.12. einen Vorschlag unterbreitet, der einen Verzicht auf 20 % der Kreditforderungen vorsah, wenn die Restforderung bis zum 31.12. des Jahres abgelöst würde. Eine der Banken, die an der Ausarbeitung des Vorschlags maßgeblich beteiligt war, hatte den von ihr für einen Teilerlass in Aussicht genommenen Betrag errechnet und darauf hingewiesen, dass er die Zustimmung ihres intern zuständigen Gremiums finden könnte. Den entsprechenden Zahlungseingang, der am 22.12. durch Textform angekündigt und am 29.12. überwiesen wurde, verbuchte sie widerspruchslos auf dem Kundenkonto und verlangte den Restbetrag, nachdem ihr Gremium eine Woche später im neuen Jahr die Zustimmung zu dem Teilverzicht verweigert hatte. Ihre Klage blieb erfolglos.

1 BGH v. 10.5.2001 – XII ZR 60/99, ZIP 2001, 1329 = NJW 2001, 2324 f. 2 BGH v. 10.5.2001 – VII ZR 356/00, NJW 2001, 2325 (2326). 3 S. auch BGH v. 28.11.2001 – VIII ZR 37/01, ZIP 2002, 440 = NJW 2002, 1042 (1044); Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 146. 4 Fall aus BGH v. 14.2.1995 – XI ZR 65/94, ZIP 1995, 574 = NJW 1995, 1281.

968 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.438 Fünfter Teil

4. Forderungsverzicht mit Verfallklausel In der Regel verzichtet ein Kreditinstitut nicht auf die volle Forderung, sondern nur auf einen Teil; der verbleibende Teil soll in einer Rückzahlungsvereinbarung geregelt werden. Insbesondere im Verbraucherdarlehensgeschäft sind Ratenzahlungsvereinbarungen üblich. Ist es für das Kreditinstitut von wesentlicher Bedeutung, dass der Erlass eines Teils der Schulden mit der Zusage des Schuldners der vollständigen Begleichung der verbleibenden Forderungen verknüpft wird, wird es eine sog. Verfallklausel in die Vereinbarung aufnehmen1. Erfüllt der Schuldner anschließend seine Rückzahlungsverpflichtungen nicht oder nicht vollständig, leben die Forderungen, auf die das Kreditinstitut verzichtet hat, unter Berücksichtigung der erbrachten Zahlungen wieder auf.

5.437

Folgende Formulierung genügt:

5.438

M 19 Erlassvertrag mit Verfallklausel Erlassvertrag zwischen der ... -Bank – im Folgenden „Bank“ genannt – und der ... (Firma) – im Folgenden „Kreditnehmer“ genannt – Der Bank stehen gegen den Kreditnehmer aus mit Darlehensvertrag vom ... gewährten Darlehen2 (ggf.: einschließlich Avalkrediten) unbedingte und bedingte Forderungen in Höhe von insgesamt ... Euro zu. Bank und Kreditnehmer sind sich darüber einig, dass Forderungen aus dem Darlehen in Höhe von ... Euro [ggf.: und aus den Avalen (im Fall ihrer Inanspruchnahme) in Höhe von ... % des in Anspruch genommenen Avalbetrages] erlöschen. Die für dieses Darlehen bestellten Sicherheiten wird die Bank dem Kreditnehmer in gesonderten Vereinbarungen zurückübertragen, soweit sie nicht ohnehin kraft Gesetzes erlöschen oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung an ihn zurückfallen und nicht auch andere, nicht erlöschende Forderungen sichern. Die danach verbleibenden Forderungen wird der Kreditnehmer in monatlichen Raten von ...Euro zurückzahlen. Wenn der Kreditnehmer mit mehr als zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen 1 Dazu z.B. Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 25; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 339 Rn. 4; zur Zulässigkeit s. Rn. 5.140. 2 Sollen Forderungen aus mehreren Darlehensverträgen erlassen werden, ist der Text entsprechend anzupassen.

Huber | 969

Fünfter Teil Rz. 5.438 | Kreditgeschäft ganz oder teilweise und mindestens 10 % der nicht erlassenen Forderungen in Verzug geraten ist und diese Zahlungen trotz einer Mahnung und Setzung einer Frist von zwei Wochen nicht nachholt, lebt die gesamte Forderung einschließlich Zinsen abzüglich der bis dahin erbrachten Leistungen wieder auf. ... Ort/Datum ...

...

Unterschrift(en) der Bank

Unterschrift(en) des Kreditnehmers

5. Forderungsverzicht mit Besserungsversprechen 5.439

Ein isolierter Forderungsverzicht eines Kreditinstituts dürfte eher die Ausnahme sein, da Kreditinstitute in der Regel nicht bereit sind, einen Sanierungsbeitrag zu leisten und die daraus entstehenden Vorteile für das Unternehmen allein seinen Gesellschaftern zu überlassen oder ggf. andere Gläubiger zu begünstigen. Anstelle des Wortes „Besserungsversprechen“ werden auch die Begriffe „Besserungsabrede“ oder „Besserungsschein“ benutzt.

5.440

Der Forderungsverzicht mit Besserungsversprechen verfolgt das Ziel, die Überschuldung des Bankkunden durch Verzicht auf die Kreditforderungen, aber unter Wiederaufleben der Forderungen für den Fall, dass die damit bezweckte Sanierung gelingt, zu beseitigen. Anders als beim isolierten Forderungsverzicht will das Kreditinstitut damit erreichen, dass der etwaige Sanierungserfolg den Gesellschaftern ihres Schuldners erst dann zugute kommt, wenn es für das Opfer, das es mit dem Verzicht erbracht hat, entschädigt worden ist1. a) Zivilrechtliche Wirkungen

5.441

Mit einem Forderungsverzicht mit Besserungsschein verzichtet ein Gläubiger auf seine Forderung mit der Maßgabe, dass sie zunächst erlischt, aber dann und in dem Maß wieder auflebt, wie sie aus einem künftigen Jahresüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigenden Vermögen oder aus einem Liquidationsüberschuss getilgt werden kann2.

5.442

Der auch in diesem Fall vorliegende Erlassvertrag nach § 397 BGB – insoweit wird auf die Ausführungen in Rn. 5.431 verwiesen – führt dazu, dass die Forderung je nach Vereinbarung ganz oder teilweise sofort erlischt, aber unter der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), dass sie, wenn die im Besserungsversprechen genannten Voraussetzungen eintreten, wieder entsteht3. Die Forderung ist also bis zum Eintritt eines dieser Ereignisse nicht existent.

1 S. auch Lieser/Jüchser in Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 18 Rn. 33. 2 Zum Schicksal von Besserungsscheinen in Umwandlungsfällen s. Bildstein/Dallwitz DStR 2009, 1177 ff. 3 BGH v. 28.1.2016 – IX ZR 185/13, ZIP 2016, 426 = NJW 2016, 2115 (2117, Rn. 21); BGH v. 13.6.1984 – IVa ZR 196/82, ZIP 1984, 1405 = NJW 1984, 2762 (2763); Lieser/Jüchser in Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 18 Rn. 35; s. auch Rieble in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 397 Rn. 170 ff.; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 397 Rn. 5.

970 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.447 Fünfter Teil

Auch bei einem Forderungsverzicht mit Besserungsversprechen erlöschen akzessorische Sicherheiten; abstrakte Sicherheiten sind freizugeben. Es könnte natürlich bei einer weit gefassten Sicherungszweckerklärung darüber nachgedacht werden, ob abstrakte Sicherheiten für die künftig etwa wieder auflebenden Forderungen haften könnten1. Allerdings erscheint dies kaum durchsetzbar, denn die gesicherten Forderungen existieren eben nicht mehr und es dürfte kaum vorhersehbar sein, wann der „Sicherungsfall“ wieder gegeben ist. Im Übrigen bekommt das notleidende Unternehmen eher die Möglichkeit, neue Kredite aufzunehmen, wenn es dafür Sicherheiten bieten kann. Für den Fall, dass die Forderungen, auf die verzichtet wurde, wieder aufleben, besteht auch kein dringender Bedarf nach Sicherheiten. Denn wenn sich die wirtschaftliche Lage des Kunden so gebessert hat, dass sogar Gewinne entstehen oder ein Überschuss bei der Liquidation verbleibt, ist die Bedeutung von Sicherheiten geringer. Weiterhin dürfte auch ein Nachbesicherungsanspruch des Kreditinstituts mit der wieder auflebenden Forderung entstehen. Für Sicherheiten, die ein Dritter gestellt hat, kann eine abweichende Vereinbarung zweckmäßig sein.

5.443

Zinsen kann das Kreditinstitut im Fall eines Forderungsverzichts mit Besserungsversprechen bei Wiederaufleben der Forderungen für die Zukunft stets, für die seit dem Abschluss der Vereinbarung verstrichene Zeit dagegen nur dann verlangen, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist2. Diese Möglichkeit eröffnet § 159 BGB, der schuldrechtlich eine Rückbeziehung der an den Eintritt der Bedingung geknüpften Rechtsfolgen gestattet.

5.444

Ob es sinnvoll ist, über das Schicksal der Zinsen und ggf. der (Dritt-)Sicherheiten eine ausdrückliche Vereinbarung zu treffen, dürfte vom Einzelfall abhängen. Eine Vereinbarung, dass Zinsen, obwohl die Forderungen nicht geltend gemacht werden können, weiter gezahlt werden müssen, belastet zwar die Liquidität, berührt aber nicht die Passivseite.

5.445

b) Insolvenzverfahrensrechtliche Wirkungen Ein Forderungsverzicht mit Besserungsversprechen führt bei dem allerdings eher sehr seltenen Fall, dass im Insolvenzverfahren ein Liquidationsüberschuss erzielt wird, dazu, dass die verzichtenden Gläubiger bei dessen Verteilung (§ 199 Satz 2 InsO) vor den Gesellschaftern und Aktionären befriedigt werden. Dagegen können sie ihre Forderungen im Insolvenzverfahren nicht im Nachrang (§ 39 InsO) geltend machen.

5.446

Ein Teilverzicht kann in besonderen Fällen zur Folge haben, dass die Rückzahlung des verbliebenen Teils der Forderung keine Gläubigerbenachteiligung mehr darstellt und deshalb nicht anfechtbar ist3. Eine Schuldtilgung löst keine für eine Insolvenzanfechtung erforderliche Gläubigerbenachteiligung (dazu Rn. 5.498) aus, soweit sie dazu führt, dass der Schuldner infolge der Zahlung als bleibendem Vermögensvorteil von zusätzlichen Verbindlichkeiten befreit wird. Denn das insolvenzanfechtungsrechtliche Verbot der Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs betrifft nur Tatbestände, bei denen die benachteiligende Handlung in adäquat ursächlichem Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Insolvenzmasse auch Vorteile gebracht hat, die jedoch keine Gegenleistung für die durch die Handlung bewirkte Vermögensminderung darstellen4. Anders ist es aber, wenn der Schuldner infolge der Tilgung eines Teils sei-

5.447

1 2 3 4

Peters WM 1988, 685 (687). Niemann/Mertzbach DStR 1992, 929 (932). BGH v. 28.1.2016 – IX ZR 185/13, ZIP 2016, 426 = NJW 2016, 2115 (2116 f., Rn. 19 ff.). BGH v. 28.1.2016 – IX ZR 185/13, ZIP 2016, 426 = NJW 2016, 2115 (2116, Rn. 19); BGH v. 24.11.1959 – VIII ZR 220/57, WM 1960, 377 (379).

Huber | 971

Fünfter Teil Rz. 5.447 | Kreditgeschäft

ner Verbindlichkeiten beispielsweise erst in die Lage versetzt wird, sein Unternehmen gewinnbringend zu veräußern. Dann beruht der erzielte Vorteil auf der anfechtbaren Rechtshandlung selbst und nicht auf einem anderen, der Masse vorteilhaften Ereignis. Die Schuldtilgung benachteiligt die anderen Insolvenzgläubiger nicht, wenn der Betrieb ohne die Zahlung weniger wert gewesen wäre als der tatsächlich erzielte Kaufpreis abzüglich der Tilgungsleistung1. c) Wirkungen einer Beendigung der Krise

5.448

Die Forderungen leben wieder auf, wenn die im Erlassvertrag bestimmten Ereignisse eintreten, nämlich entweder ein Gewinn erwirtschaftet oder ein Liquidationsüberschuss erzielt wird oder in sonstiger Weise ein Vermögen entsteht, das die Verbindlichkeiten übersteigt2. In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass trotz sorgfältiger Formulierung des Besserungsversprechens dem sanierten Unternehmen in aller Regel Wege offenstehen, sich durch geschickte Bilanzierung, insbesondere durch Ausnutzung von handelsrechtlichen Bilanzierungswahlrechten den Verpflichtungen aus einem Besserungsversprechen zumindest zeitweise zu entziehen.

5.449

Unter Gewinn im Sinn des Besserungsversprechens, der die erloschene Forderung wieder aufleben lässt, ist nicht etwa erst der Bilanzgewinn, der sich aus der Handels- oder Steuerbilanz ergibt, oder der Jahresüberschuss zu verstehen. Gemeint ist vielmehr der hypothetische Gewinn vor Steuern. Um einen hypothetischen Gewinn handelt es sich deshalb, weil der tatsächlich vor Steuern erwirtschaftete Gewinn zum Wiederaufleben der Forderung führt und durch deren Begleichung geschmälert wird.

5.450

Sieht das Besserungsversprechen vor, dass der Berechtigte Zahlung auch aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigenden („freien“) Vermögen verlangen kann, lebt eine Forderung erst dann wieder auf, wenn über das gezeichnete Kapital hinaus freies Vermögen etwa durch Leistung von Gesellschafterzuschüssen entstanden ist bzw. ohne Berücksichtigung des Besserungsversprechens entstehen würde. Bei der Ermittlung des Jahres- bzw. Liquidationsüberschusses sind auch diejenigen Verbindlichkeiten mit Vorrang zu berücksichtigen, die im Insolvenzverfahren zu den nachrangigen gerechnet werden wie z.B. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), sofern keine abweichende Vereinbarung mit dem Unternehmen getroffen wird. d) Formulierungen

5.451

Ein Forderungsverzicht mit Besserungsversprechen wird nur dann den gewünschten Erfolg haben, wenn er die Überschuldung beseitigt, d.h. er in Bilanz und Überschuldungsstatus berücksichtigt werden kann3. Um dies zu gewährleisten, empfiehlt es sich, von den Standardformulierungen nicht abzuweichen. Ein korrekt formulierter Erlassvertrag mit Besserungsversprechen4 lautet z.B. wie folgt:

1 BGH v. 28.1.2016 – IX ZR 185/13, ZIP 2016, 426 = NJW 2016, 2115 (2116, Rn. 19). 2 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 77; Lieser/Jüchser in Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 18 Rn. 35. 3 Zu den bilanziellen und steuerlichen Auswirkungen s. Rn. 5.454 ff. 4 S. auch Textvorschlag bei Schluck-Amend in Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, 4. Aufl. 2018, § 23 Rn. 57; vgl. ferner Eisolt/Engler NZI 1999, 306 ff., die ein Erlöschen der Forderung im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung oder -abweisung mangels Masse vorsehen.

972 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.451 Fünfter Teil

M 20 Verzichtsvereinbarung mit Besserungsversprechen Verzichtsvereinbarung mit Besserungsversprechen zwischen der ... -Bank – im Folgenden „Bank“ genannt – und der ... (Firma) – im Folgenden „Kreditnehmer“ genannt – 1. Erlöschen von Forderungen Bank und Kreditnehmer sind sich darüber einig, dass aus dem mit Darlehensvertrag vom ... gewährten Darlehen1, das sich derzeit auf insgesamt

... Euro

beläuft, Forderungen in Höhe von

... Euro

erlöschen. Die für dieses Darlehen bestellten Sicherheiten wird die Bank dem Kreditnehmer in gesonderten Vereinbarungen zurückübertragen, soweit sie nicht ohnehin kraft Gesetzes erlöschen oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung an ihn zurückfallen und nicht auch andere, nicht erlöschende Forderungen sichern. 2. Wiederaufleben von Forderungen Die nach Nr. 1 erloschenen Forderungen werden dann und insoweit wiederaufleben, wie ihre Erfüllung dem Kreditnehmer aus seinen künftigen Gewinnen oder aus seinem die sonstigen Schulden übersteigenden Vermögen oder aus einem etwaigen Liquidationserlös möglich ist. Damit sind die Forderungen aufschiebend bedingt. Zinsen werden erst berechnet, wenn die Forderungen wieder entstehen. Der Zinslauf beginnt an dem Stichtag der Bilanz bzw. Zwischenbilanz für das Geschäftsjahr, in dem die Voraussetzungen für das Wiederaufleben der Forderungen eingetreten sind. Mehrere zurückgetretene Gläubiger sind anteilmäßig im Verhältnis ihrer Forderungen zu befriedigen. 3. Unterrichtungspflichten Der Kreditnehmer verpflichtet sich, der Bank spätestens sechs Monate nach seinem Bilanzstichtag einen Jahresabschluss vorzulegen, der von einem der Bank genehmen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater testiert ist. Unabhängig davon hat die Bank das Recht, jederzeit die Vorlage von Bilanzen und zusätzlichen Unterlagen zu verlangen und Einsicht in die Geschäftsbücher des Kreditnehmers zu nehmen.

1 Soll auf Forderungen aus mehreren Darlehensverträgen mit Besserungsversprechen verzichtet werden, ist der Text entsprechend anzupassen.

Huber | 973

Fünfter Teil Rz. 5.451 | Kreditgeschäft ... Ort/Datum ...

...

Unterschrift(en) der Bank

Unterschrift(en) des Kreditnehmers

5.452–5.453

frei

6. Bilanzielle und steuerrechtliche Wirkungen eines Forderungsverzichts a) Bilanzielle Wirkungen

5.454

In der Bilanz des Schuldners bewirkt der isolierte Forderungsverzicht eine unmittelbare Entlastung der Passivseite. In Höhe des Nennwerts der Forderung, auf die verzichtet wird, führt dies zu einem außerordentlichen Ertrag1. Der Verzicht wirkt sich auch auf die Bilanz des Gläubigers unmittelbar aus. Er muss die Forderung ebenfalls vollständig ausbuchen und kann sich nicht mit einer mehr oder weniger weitgehenden Wertberichtigung begnügen.

5.455

Eine Forderung, für die ein Forderungsverzicht mit Besserungsschein ausgesprochen worden und die damit erloschen und nur oder auch aus einem Liquidationsüberschuss oder einem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen zu tilgen ist, muss weder im Überschuldungsstatus des Schuldners noch in der Handels- und Steuerbilanz2 berücksichtigt werden. Dies ist Folge des Realisationsprinzips, das als „grundlegendes Aktivierungs- und Passivierungsprinzip“3 zur Passivierung einer Verbindlichkeit erst verpflichtet, wenn sie wirtschaftlich verursacht ist, d.h. wenn ihr Entstehen nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Merkmalen abhängig und im Wesentlichen bereits verwirklicht ist4. Demzufolge bestimmt § 5 Abs. 2a EStG, dass für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten erst anzusetzen sind, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Da bei einem Forderungsverzicht mit Besserungsschein die Schuld erst (wieder) bei Eintritt der Bedingung entsteht und ungewiss ist, ob es zum Bedingungseintritt kommt, ist vor diesem Zeitpunkt das Merkmal der wirtschaftlichen Verursachung grundsätzlich nicht erfüllt5. Bei Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften i.S.d. § 264a HGB ist auf die Besserungsverpflichtung jedoch im Anhang hinzuweisen (§ 285 Nr. 15a HGB)6.

5.456

In der Bilanz des Gläubigers wird die Forderung voll abgeschrieben. Eine eventuell schon vorgenommene Wertberichtigung wird aufgelöst. Der Besserungsschein ändert daran nichts. Denn künftige, aufschiebend bedingte Forderungen werden nicht aktiviert7.

1 Zur Besteuerung des Sanierungsgewinns s. Rn. 5.457 ff. 2 BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, ZIP 2015, 1386 m. Anm. Kahlert = NZG 2016, 1235 f. (Rn. 9 ff.), BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570 = NZG 2012, 357 (358, Rn. 19). 3 Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 5 Rn. 78. 4 Vgl. nur Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 5 Rn. 78 ff. 5 Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 5 Rn. 315. 6 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 78. 7 BFH v. 26.4.2018 – III R 5/16, DB 2018, 1703 (1704, Rn. 15); BFH v. 23.3.2011 – X R 42/08, DB 2011, 1951 (1952, Rn. 20); Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 5 Rn. 314.

974 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.458 Fünfter Teil

b) Steuerrechtliche Wirkungen Sowohl ein isolierter Forderungsverzicht als auch ein Forderungsverzicht mit Besserungsversprechen führt dazu, dass die „betroffenen“ Darlehensverbindlichkeiten in der Steuerbilanz des Kreditnehmers als außerordentliche Erträge erfolgswirksam auszubuchen sind1, ggf. vorhandene Verlustvorträge aufgebraucht werden und mit oder ohne evtl. weiteren steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten sogar Ertragsteuern anfallen könnten. Entsteht bzw. verbleibt ein steuerpflichtiger Sanierungsgewinn, bedeutet die auf diesen, allein bilanziell entstehenden Buchgewinn anfallende Steuerlast eine zusätzliche Liquiditätsbelastung für das kriselnde Unternehmen, da der Gewinn keine Liquidität geschaffen hat2. Um diese Liquiditätsbelastung zu vermeiden, wenn z.B. ein Kreditinstitut auf eine Forderung gegen das kriselnde Unternehmen verzichtet, ist die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns schon sehr lange ein Thema.

5.457

Sanierungsgewinne werden seit mehr als 80 Jahren einkommen-, körperschaft- und gewerbesteuerlich freigestellt3. Dies betrifft Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstanden sind, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen wurden. Zwar wurde § 3 Nr. 66 EstG a.F., der Sanierungsgewinne von der Einkommensteuer befreite4, durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform5 ab dem 1.1.1998 aufgehoben, da die grundsätzlich uneingeschränkte Möglichkeit eines Verlustvortrages nach § 10 Abs. 2 EStG 1997, § 10a GewStG 1997 zu einer „Doppelbegünstigung“ von Sanierungsgewinnen hätte führen können. Sollte der Verlustvortrag im Einzelfall nicht möglich sein, war der Weg für eine Billigkeitsentscheidung nach §§ 163, 222, 227 AO eröffnet6. Eine Einschränkung der Steuerfreiheit wäre allerdings mit der Insolvenzordnung, die nach Art. 110 Abs. 1 EGInsO ein Jahr danach zum 1.1.1999 in Kraft getreten ist, in einen Zielkonflikt geraten. Denn die Insolvenzordnung verfolgt als wesentliche Ziele auch die Förderung der außergerichtlichen Sanierung, die bessere Abstimmung von Sanierungsverfahren und die gesetzliche Schuldenbefreiung für den redlichen Schuldner. Um diesen Konflikt aufzulösen, hatte die Finanzverwaltung im sog. Sanierungserlass auf der Grundlage der §§ 163, 227 AO allgemeinverbindlich geregelt, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Ertragsteuern auf einen Sanierungsgewinn erlassen werden können7, und diese Grundsätze später auf den Sanierungsgewinn erweitert, der im Restschuldbefreiungsverfahren entstehen kann8. Dass diese Rechtsgrundlage den Sanierungserlass trägt, wurde von der Rechtsprechung zunächst überwiegend bejaht9 und auch die EU-

5.458

1 Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 5 Rn. 312 i.V.m. Rn. 315 sowie Rn. 671; Thiele ZInsO 2014, 325 (332); Thiele ZInsO 2014, 373 (374). 2 Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 2; Lieser/Jüchser in Recht der Sanierungsfinanzierung, 2. Aufl. 2019, § 18 Rn. 23. 3 Nach BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, ZInsO 2017, 340 (343, Rn. 51) führte die Rspr. des RFH seit 1927 zum Tätigwerden des Gesetzgebers und der ersten gesetzlichen Regelung 1934; s. auch Kahlert ZIP 2016, 2107 f.; Skauradszun ZIP 2018, 1901; Seer ZIP 2014 Beilage zu Heft 42 S. 10. 4 S.a. Thiele ZInsO 2014, 325 (326). 5 Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. 29.10.1997, BGBl. I 1997, 2590. 6 Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 8; Begründung zum Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1999 BT-Drucks. 13/7480 S. 192. 7 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 – 8/03, BStBI. I 2003, 240. 8 BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001-01, BStBl. I 2010,18. 9 Z.B. BFH v. 12.12.2013 – X R 39/10, NZG 2014, 797 (798, Rn. 14); BFH v. 14.7.2010 – X R 34/08, DB 2010, 2033; a.A. FG Sachsen v. 24.4.2013 – 1 K 759/12, ZInsO 2013, 2331 (2333); FG Sachsen v. 14.3.2013 – 5 K 1113/12, DStR 2014, 190 (192 f.); zweifelnd BFH v. 28.2.2012 – VIII R 2/08, ZIP 2012, 989 (990); daher befürwortete die 2012 auf Anregung des BMJV sowie des Verbandes der Deutschen Insolvenzverwalter (VID) ins Leben gerufene Kommission zur Harmonisierung

Huber | 975

Fünfter Teil Rz. 5.458 | Kreditgeschäft

Kommission hat keine verbotene steuerliche Beihilfe gesehen1. Der Sanierungserlass galt für die Einkommen- und die Körperschaftsteuer; für die gemeindlich erhobene Gewerbesteuer wurde eine Bindungswirkung verneint2. Im Jahre 2016 hat der BFH allerdings dem Sanierungserlass die Grundlage entzogen3. Das BMF habe gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen4, indem es mit dem Sanierungserlass die Besteuerung eines trotz Ausschöpfung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinns unter Bedingungen, die § 3 Nr. 66 EStG a.F. ähneln, allgemein für unbillig erklärt und von der Besteuerung ausnimmt. Der Sanierungserlass sei nicht als ermessenslenkende, sondern normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren, beschreibe aber keinen Fall sachlicher Billigkeit. Das BMF nehme durch die Schaffung von solchen typisierenden Regelungen eine „strukturelle Gesetzeskorrektur“5 vor, die dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Dieser „überraschende und gewaltige Paukenschlag“6 des BFH führte zu erheblichem Handlungsdruck, denn ohne eine neue Lösung für entsprechende Sanierungsgewinne wurden „unübersehbare Folgen für die Insolvenzkultur in Deutschland und den Wirtschaftsstandort Deutschland“ befürchtet7. Dabei ging es nicht nur um eine Lösung für künftige Sanierungsvorhaben, sondern auch darum, wie nach der BFH-Entscheidung in noch laufenden Sanierungen mit angefallenen Sanierungsgewinnen umzugehen ist8. Die Finanzverwaltung hat versucht, die BFH-Entscheidung durch ein Anwendungsschreiben9 zumindest für Altfälle auszuhebeln, indem sie aus Gründen des Vertrauensschutzes den Sanierungserlass auf bis einschließlich zum 8.2.2017 – an diesem Tag wurde die BFH-Entscheidung veröffentlicht – endgültig vollzogene Forderungsverzichte weiterhin für anwendbar erklärte10. Auch dieses Vorgehen der Verwaltung und damit auch die Anwendung des Sanierungserlasses auf Altfälle wurde vom BFH als nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbar erklärt11. Darauf hat die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass reagiert12. Zwischenzeitlich hatte aber auch der Gesetzgeber reagiert und die für eine gesetzliche Grundlage für die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen erforderliche gesetzliche Regelung im EStG und im GewStG geschaffen13. Inhaltlich weitgehend auf Basis des Sanierungserlasses hat er in § 3b EStG (weitere Bestimmungen finden sich in § 3c Abs. 4 EStG, § 7b GewStG) Sanierungserträge von der Steuer freigestellt, wenn es sich dabei um Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

von Insolvenz- und Steuerrecht in ihrem Abschlussbericht eine Kodifizierung (s. Seer ZIP 2014, Beilage zu Heft 42 S. 11). BMF v. 10.8.2012 – IV C 6 - S 2140/11/10001, ZKF 2013, 93; de Weerth DStR 2014, 2485 (2488). Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 8. BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, ZIP 2017, 338 = ZInsO 2017, 340 m. Anm. de Weerth ZInsO 2017, 352. Vgl. BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, ZIP 2017, 338 = ZInsO 2017, 340 (346 ff., Rn. 88 ff.). BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, ZIP 2017, 338 = ZInsO 2017, 340 (352, Rn. 147). Kahlert/Schmidt ZIP 2017, 503; s. auch de Weerth ZInsO 2017, 352. So die Stellungnahme des BV ESUG und Sanierung e.V. zur BFH-Entscheidung, ZInsO 2017, 376 f. Vgl. dazu z.B. Lautenbach/Roll/Völkner BB 2017, 643 (645 ff.); Krüsmann ZInsO 2017, 522 (525 ff.); s. auch de Weerth ZInsO 2017, 352 (353). BMF v. 27.4.2017 – IV C 6-S 2140/13/10003, BStBl. I 2017, 741. Dazu i.E. Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 11. BFH v. 23.8.2017 – I R 52/14, ZIP 2017, 2158 = DB 2017, 2519 (2520 ff., Rn. 18 ff.); BFH v. 23.8.2017 – X R 38/15, ZIP 2017, 2161 = DB 2917, 2522 (2523, Rn. 19); s. auch BFH v. 8.5.2018 – VIII B 124/17, ZInsO 2018, 1511 (1512, Rn. 7 ff.). BMF v. 29.3.2018 – IV C 6-S 2140/13/10003, 2018/0193836, ZInsO 2018, 1036. Durch das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen v. 27.6.2017, BGBl. I 2017, 2074.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.460 Fünfter Teil

aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung handelt (§ 3a Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach § 3a Abs. 2 EStG liegt eine unternehmensbezogene Sanierung vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist. Aus der Sicht eines Kreditinstituts1 kommt es dabei auf folgende Punkte besonders an: – Ein Schuldenerlass muss im Rahmen einer unternehmensbezogenen Sanierung zu einer Betriebsvermögensmehrung oder einer Betriebseinnahme führen. Sanierungsmaßnahmen, die zu Erträgen aufgrund ihrer Auswirkungen auf der Aktivseite der Unternehmensbilanz führen, fallen also nicht darunter2. Ein Schuldenerlass eines Kreditinstitut, der eine Passivierung einer (Darlehens-)Verbindlichkeit nach bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen ausschließt, fällt dagegen in den Anwendungsbereich, wenn eine unternehmensbezogene Sanierung vorliegt3. Demnach ist ein Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB und damit sowohl ein isolierter Forderungsverzicht als auch ein Forderungsverzicht mit Besserungsversprechen als Schuldenerlass im Sinne der Norm zu verstehen4. Für einen Rangrücktritt ist dies nur dann anzunehmen, wenn er nicht (mehr) zu passivieren ist5, wenn er also nur aus künftigen Gewinnen oder einem Liquidationsüberschuss zu tilgen ist (vgl. dazu Rn. 5.482 ff.). – Der Forderungsverzicht muss im Rahmen einer unternehmensbezogenen Sanierung und in Sanierungsabsicht vorgenommen werden und für den Sanierungsertrag ursächlich sein. Da ein Kreditinstitut einen Forderungsverzicht in der Krise eines Unternehmens regelmäßig nur aussprechen wird, wenn es sich nicht nur zur Sanierungsbegleitung bereit erklärt, sondern dies auch – soweit es noch nicht vorliegt – unter den Vorbehalt eines positiven Sanierungskonzepts, das den Anforderungen der BGH-Rechtsprechung entspricht, gestellt hat, dürften die Voraussetzungen der Unternehmensbezogenheit stets vorliegen. Ein Sanierungskonzept wird ganz überwiegend nur von einem sanierungsbedürftigen Unternehmen in Auftrag gegeben und ein positives Sanierungskonzept, das einen Forderungsverzicht eines Kreditinstituts enthält, belegt die Sanierungsfähigkeit und die Sanierungseignung des Forderungsverzichts, denn das Kreditinstitut wird ihn nur vereinbaren, wenn er für die Sanierung unverzichtbar ist6. frei

5.459

§ 3 Abs. 5 EStG stellt Sanierungserträge aus einer erteilten Restschuldbefreiung, einem Schuldenerlass auf Grund eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans zur Vermeidung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens oder eines Schuldenbereinigungsplans, dem in einem Verbraucherinsolvenzverfahren zugestimmt oder die Zustimmung durch das Gericht ersetzt

5.460

1 Zu der gesetzlichen Regelung aus Schuldnersicht allgemein s. z.B. Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 1 ff.; Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 3a Rn. 2 ff. 2 Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 34. 3 Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 3a Rn. 9 ff. 4 Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 35; Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 3a Rn. 11 ff., jeweils auch zu weiteren Maßnahmen, die als Schuldenerlass eingordnet werden können. 5 Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 35; Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 3a Rn. 13. 6 Zu den Tatbestandselementen der unternehmensbezogenen Sanierung ausführlich z.B. Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 40 ff.; Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 3a Rn. 20 ff.

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Fünfter Teil Rz. 5.460 | Kreditgeschäft

wurde, soweit es sich bei den Erträgen um Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen handelt, ebenfalls steuerfrei, auch wenn die Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des § 3 Abs. 2 EStG nicht vorliegen1. Mit dieser Regelung sollen hauptsächlich Einzelunternehmer erfasst werden2.

5.461

Die gesetzliche Regelung, die auch noch nicht abziehbare Sanierungskosten (§ 3c Abs. 4 EStG) und bestehende und laufende Verluste nach einer komplizierten „Nacheinander-Anrechungsregelung“3 in § 3a Abs. 3 EStG berücksichtigt, sollte erst in Kraft treten, wenn die Europäischen Kommission feststellt, dass es sich bei der Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen nicht um eine nach dem EU-Recht unzulässige Beihilfe handelt4. Der insoweit erwartete förmliche Notifizierungsbeschluss wurde allerdings nicht gefasst, vielmehr hat die Europäische Kommission ihre Auffassung in einem sog. „comfort letter“ mitgeteilt5. Die gesetzliche Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen sei, falls sie als staatliche Beihilfe eingeordnet würde, als Alt-Beihilfe anzusehen, was einen förmlichen Beschluss der EU-Kommission obsolet mache6. Diese nur in einem „comfort letter“ mitgeteilte Auffassung der Europäischen Kommission dürfte trotz mancher Rechtsunsicherheiten zu einem gewissen Vertrauens- bzw. Dispositionsschutz geführt haben, so dass der Gesetzgeber die gesetzlichen Regelungen in Kraft gesetzt hat7. Die zeitliche Anwendung des § 3a EStG folgt aus § 52 Abs. 4a EStG8. In § 52 Abs. 4a Satz 1 EStG ist die rückwirkende Anwendung des § 3a EStG auf die Sachverhalte geregelt, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.2.2017 (Veröffentlichung der BFH-Entscheidung v. 28.11.2016, vgl. Rn. 5.460) erlassen wurden. Nach § 54 Abs. 4a Satz 2 EStG gilt dies nicht, wenn dem Steuerpflichtigen auf Antrag Billigkeitsmaßnahmen aus Gründen des Vertrauensschutzes für einen Sanierungsertrag zu gewähren sind und nach § 54 Abs. 4a Satz 3 EStG ist auf Antrag des Steuerpflichtigen § 3a EStG in den Fällen anzuwenden, in denen die Schulden vor dem 9.2.2017 erlassen wurden. Mit diesen Anwendungsbestimmungen sollte also eine nahtlose Weitergeltung der Steuerbefreiung von Sanierungserträgen trotz der BFHEntscheidung sicher gestellt werden9.

5.462

Neben der Ergänzung des EStG wurde auch in § 7b GewStG eine „Sonderreglung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bei unternehmensbezogener Sanierung“ eingefügt. Gemäß § 7b Abs. 1 GewStG sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags „die §§ 3a und 3c Abs. 4 EStG (...) entsprechend anzuwenden“. Die Steuerbefreiung gemäß § 3a EStG wirkt gemäß § 7 Abs. 1 GewStG also auch für die Gewerbesteuer10; im Gegensatz zu früher besteht nunmehr Bindungswirkung der EStG-Bestimmungen11.

5.463

Auch für die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG, die sich nicht auf die Steuerfreiheit eines bloßen Buchgewinns richtet, sondern gegen den Untergang eines Verlustvortrags auf 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. dazu Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 3a Rn. 45 ff. Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 3a Rn. 47. De Weerth ZInsO 2017, 924 (925). Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen v. 27.6.2017, BGBl. I 2017, 2074. BR-Drucks. 372/1/18 v. 11.9.2018, S. 47. LfSt. Niedersachsen v. 28.1.2019, S 2000-90-St 236, Nr. 6. Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 10; s. auch de Weerth ZInsO 2018, 1893 f. Vgl. auch Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 12 ff.; Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 3a Rn. 2 f. Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 12. Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 3a Rn. 4. Sommer in Frotscher/Geurts, EStG, § 3a Rn. 27; s. auch Eisolt/Janjuah ZInsO 2018, 2790 (2791).

978 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.465 Fünfter Teil

der Ebene einer sanierungsbedürftigen Kapitalgesellschaft bei einem Gesellschafterwechsel, besteht nun Klarheit hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Der in § 8c Abs. 1 KStG für bestimmte Fälle geregelte Verlustuntergang wird ausnahmsweise durch § 8c Abs. 1a KStG bei einem Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft als Verlustvortrag erhalten. Wegen der Eröffnung eines förmlichen Beihilfe-Prüfverfahren durch die EU-Kommission1 wies das BMF die Steuerbehörden der Länder an, die Sanierungsklausel bis zu einer abschließenden Entscheidung der Kommission nicht mehr anzuwenden2. Nachdem der EUGH entgegen dem EuG3 entschieden hat, dass die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG keine unzulässige Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt4, hat der Gesetzgeber in § 34 Abs. 6 Satz 3 KStG bestimmt5, dass die Sanierungsklausel ab dem Veranlagungszeitraum 2008 und für Anteilübertragungen nach dem 31.12.2007 anzuwenden ist. § 8c Abs. 1a KStG kann also bei Sanierungen wieder rechtssicher berücksichtigt werden.

V. Rangrücktritt Neben dem Forderungsverzicht (vgl. dazu Rn. 5.429 ff.) ist der sog. Rangrücktritt ein weiteres geeignetes Mittel zur Beseitigung der Überschuldung. Der Rangrücktritt als Mittel zur Überschuldungsbeseitigung hat mit der im Sprachgebrauch der Bankpraxis ebenfalls als (soweit es darum geht) Rangrücktritt bezeichneten Rangänderung nach § 880 BGB nichts zu tun. Rangrücktritt und Forderungsverzicht mit Besserungschein sind ebenfalls klar auseinander zu halten.

5.464

Oft wird in der Praxis ein Rangrücktritt bevorzugt, da er im Gegensatz zum Forderungsverzicht die „betroffenen“ Forderungen bestehen lässt und lediglich ein Nachrang für die zurücktretenden Forderungen vereinbart wird. Demzufolge wirkt sich der Rangrücktritt z.B. auch bei Sicherheiten anders aus (dazu Rn. 5.477). Zwar ist die Überschuldung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO lediglich dann ein Insolvenzantragsgrund, wenn es für das Unternehmen keine positive Fortführungsprognose mehr gibt, dennoch verlieren Rangrücktrittsvereinbarungen ihre Bedeutung nicht6. Da sie nicht nur zum Ausschluss der Passivierungspflicht, sondern auch zur Verringerung der maßgeblichen fälligen Verbindlichkeiten führen, beeinflussen sie automatisch die Frage der (drohenden) Zahlungs(un)fähigkeit sowie die Fortführungsprognose7.

5.465

1 Schreiben der EU-Kommission v. 24.2.2010, K (2010), 970, Staatliche Beihilfe C 7/2010 (ex NN 5/ 2010) – „Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes über den steuerlichen Verlustvortrag – Sanierungsklausel“, ABl. Nr. C 90 v. 4.8.2010, S. 8 (abgedr. in ZInsO 2010, 904 ff.). 2 BMF v. 30.4.2010 – IV C 2 - S 2745-a/08/10005:002, 2010/0332067 (abgedr. in ZInsO 2010, Heft 20 S. II m. Anm. de Weerth). 3 EuG v. 4.2.2016 – T-287/11, T-620/11, m. Anm. Weiss StuB 2016, 377; s. auch Roth ZInsO 2016, 1877 ff. 4 EuGH v. 28.6.2018 – C-203/16 P, ZIP 2018, 1345. 5 Durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. 6 Zur Bedeutung eines qualifizierten Rangrücktritts für die Einordnung als Einlagengeschäft gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG s. VG Frankfurt v. 26.11.2013 – 9 L 2958/13.F, ZIP 2015, 367 (368); LG Hamburg v. 16.1.2013 – 332 O 72/12, ZIP 2015, 368 (369 f.). 7 S. auch Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 98; vgl. ferner Taplan/ Baumgartner/Baumgartner GmbHR 2015, 347.

Huber | 979

Fünfter Teil Rz. 5.466 | Kreditgeschäft

1. Inhalt einer Rangrücktrittsvereinbarung 5.466

Als Rangrücktritt werden ganz allgemein Vereinbarungen bezeichnet, nach denen eine Forderung hinter eine oder mehrere andere, nicht nachrangige Forderungen zurücktritt, sie also nach der oder den anschließend vorgehenden Forderungen befriedigt wird. Ein Rangrücktritt wird vielfach zwischen einem Gesellschafter als Inhaber einer Darlehens- oder sonstigen Drittforderung und seiner Gesellschaft vereinbart1. Es besteht aber ohne Weiteres auch die Möglichkeit, einen Rangrücktritt zwischen einer Gesellschaft und einem Nichtgesellschafter zu verabreden2. Rangrücktritte mit Nichtgesellschaftern finden insbesondere als Bestandteil mezzaniner Finanzierungsformen Verbreitung, durch die der Kapitalgeber im Wege der Gewährung eines Nachrangdarlehens in die Zwischenebene von Fremd- und Eigenkapital einrückt3, werden aber auch – meist aus aktuellem Anlass – zur Abwendung einer drohenden oder schon eingetretenen Überschuldung eingesetzt.

5.467

Was die einen Rangrücktritt schließenden Parteien im Einzelnen vereinbaren wollen, steht Ihnen grundsätzlich frei4. Für einen die Überschuldung ausschließenden Rangrücktritt sind allerdings gewisse Mindestanforderungen zu beachten, um die es im Nachstehenden geht. Nach der Rechtsprechung ist eine Vereinbarung sowohl zwischen Gesellschafter und Gesellschaft als auch zwischen Nicht-Gesellschafter und der Gesellschaft erforderlich5. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO legt dies für eine Vereinbarung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ausdrücklich fest; dies gilt aber auch für eine Vereinbarung zwischen Nicht-Gesellschafter und Gesellschaft6. Demzufolge braucht nicht mehr wie früher in einen einfachen und in einen qualifizierten Rangrücktritt unterschieden zu werden7, da eine Rangrücktrittserklärung, die die überschuldungsausschließenden Mindestanforderungen aufweist, stets – wie es der BGH in seiner Entscheidung aus 2015 benennt8 – eine „qualifizierte“ sein muss9. Nachstehend wird nur vom (überschuldungsvermeidenden) Rangrücktritt gesprochen.

5.468

Davon strikt zu unterscheiden ist eine Vereinbarung (allein) zwischen zwei Gläubigern über den Rücktritt einer Forderung hinter die andere, d.h. der Gläubiger mit der zurückgetretenen Forderung kann Befriedigung erst verlangen, wenn die bevorrechtigte Forderung erfüllt worden ist. Diese in der Praxis auch als Forderungsrücktritt bezeichnete Vereinbarung ist nur ein relativer Rangrücktritt ohne Auswirkung auf einen evtl. Überschuldungstatbestand bei

1 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (624, Rn. 14); Grögler/Schneider ZInsO 2015, 1528 (1529). 2 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (624, Rn. 14); Westphal/Kresser DB 2016, 33 (34); Grögler/Schneider ZInsO 2015, 1528 (1529); Berger ZInsO 2015, 1938 (1940). 3 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (624, Rn. 14); Poelzig WM 2014, 917 f. 4 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (624, Rn. 15); Grögler/Schneider ZInsO 2015, 1528 (1529). 5 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (624, Rn. 14 f.); BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/89, ZIP 2001, 235 = WM 2001, 317 (319 f.). 6 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, WM 2015, 623 (624, Rn. 14 f.); Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 233; Westphal/Kresser DB 2016, 33 (34); Grögler/Schneider ZInsO 2015, 1528 (1529); K. Schmidt ZIP 2015, 901 (903). 7 Vgl. z.B. die Vorauflage, Rn. 5.383. 8 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (624, Rn. 11). 9 Vgl. auch K. Schmidt ZIP 2015, 901 (906).

980 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.470 Fünfter Teil

dem schuldenden Unternehmen. Der relative Rangrücktritt stellt eine atypische Form der Kreditbesicherung dar1. Auf ihn wird nicht weiter eingegangen. Von der Ausgestaltung der Rangrücktrittsvereinbarung hängen zivilrechtliche, bilanzielle, steuerliche, strafrechtliche2 und insolvenzrechtliche Folgen ab. Bei ihrer Abfassung besteht die wohl größte Herausforderung darin, einen Überschneidungsbereich von Insolvenz- und Steuerrecht zu treffen, innerhalb dessen einerseits die bilanzielle Überschuldung und das Risiko der Insolvenzverschleppung ausgeschlossen werden, andererseits die betreffende Verbindlichkeit für Steuerzwecke weiter passiviert, also kein steuerpflichtiger Wegfallgewinn ausgelöst wird3. Die Kunst der Formulierung eines Rangrücktritts liegt deshalb darin, dass der Rangrücktritt tief genug sein muss, um die bilanzielle Überschuldung zu vermeiden, aber nicht so tief, dass er das steuerliche Passivierungsverbot auslöst4. Es kommt daher darauf an, welchen Zweck die Vertragsparteien mit ihr verfolgen.

5.469

2. Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens Ebensowenig wie bei einem Forderungsverzicht (vgl. dazu Rn. 5.430) setzt sich ein Kreditinstitut – wie auch andere Gläubiger – durch einen Rangrücktritt dem Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens oder einer Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligungen aus. Auch wenn beim Rangrücktritt die Forderung erhalten bleibt, verschafft sich das Kreditinstitut damit in der Krise ihres Kreditnehmers keinen Sondervorteil vor anderen Gläubigern, sondern – eher im Gegenteil – es tritt zwecks „Unterstützung“ des kriselnden Kunden hinter die anderen Gläubigerforderungen zurück und verschafft so dem Unternehmen und den anderen Gläubigern einen Vorteil. Wenn schon die bloße Untätigkeit, das sog. Stillhalten, nicht zu einer Haftung führt (vgl. Rn. 5.99), sollte auch beim Zugeständnis eines Vorteils für das Unternehmen und die anderen Gläubiger nichts anderes gelten. Reicht ein Rangrücktritt nicht aus, um die Insolvenz des Kreditnehmers abzuwenden, gerät das Kreditinstitut zwar mit den zurückgetretenen Forderung in den Nachrang und fällt in der Regel bei der Verteilung aus, begründet aber nicht zusätzlich auch noch Schadenersatzansprüche des Insolvenzverwalters oder dritter Gläubiger. Zwar könnte wiederum argumentiert werden, das Kreditinstitut habe es durch seine Zugeständnisse dem Schuldner ermöglicht, seinen Insolvenzantrag hinauszuschieben und in der gewonnenen Zeit hätten sich sein Vermögen und damit die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter vermindert. Dies reicht aber nicht, um den Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens zu rechtfertigen. Denn zum einen hat das Kreditinstitut den Rangrücktritt erklärt, um den Kunden in seiner Krise bzw. deren Bewältigung zu unterstützen (und oft wäre ohne diese Unterstützung eine Sanierung schon beendet, bevor sie angefangen hat), und zum andern hat es sich keine Sondervorteile vor anderen Gläubiger verschafft, sondern im Gegenteil sogar mehr verloren, nämlich den Teil ihrer Forderungen, mit dem es im Rang zurückgetreten ist. Im Übrigen ist ein Kreditinstitut als Gläubiger (auch) in dieser Konstellation nicht verpflichtet, im Interesse anderer Gläubiger die Insolvenz eines Kreditnehmers auszulösen.

1 Wittig/Berger in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/2978. 2 Auf die strafrechtlichen Aspekte soll hier nicht eingegangen werden, s. stattdessen zu Insolvenzverschleppung, Untreue, Bankrott durch Beiseiteschaffen, Verletzung der Buchführungspflicht und Kreditbetrug Hadamitzky ZInsO 2015, 1778 ff. 3 Blumenberg/Neumann Ubg 2016, 181. 4 K. Schmidt ZIP 2015, 901 (903); K. Schmidt DB 2015, 600; s. auch Taplan/Baumgartner/Baumgartner GmbHR 2015, 347.

Huber | 981

5.470

Fünfter Teil Rz. 5.471 | Kreditgeschäft

3. Zivilrechtliche Wirkungen 5.471

Deutet der Begriff „(Rang-)Rücktritt“ auch darauf hin, dass eine einseitige Erklärung des Gläubigers ausreichen könnte, verlangt der Rangrücktritt zivilrechtlich dennoch eine vertragliche Übereinkunft zwischen Kreditinstitut und Kunden. Die dogmatische Einordnung dieses Rangrücktrittsvertrags war allerdings lange nicht abschließend geklärt. So wurde im Wesentlichen vertreten1, die Rangrücktrittsvereinbarung sei einzuordnen als schuldrechtliches Versprechen, die Forderung trotz eingetretener Fälligkeit nicht geltend zu machen (pactum de non petendo)2, auflösend bedingter Erlassvertrag3, aufschiebend bedingter Erlassvertrag und auflösend bedingte Forderung4, modifizierter Erlassvertrag5, Vertrag zugunsten Dritter6, Vertrag sui generis7 oder als abstrakter Schuldänderungsvertrag nach § 311 Abs. 1 BGB8. Dem mit einer Rangrücktrittsvereinbarung angestrebten Ziel der Überschuldungsvermeidung bzw. -beseitigung kommt man am nächsten, wenn man sie mit der wohl herrschenden Ansicht als einen verfügenden Schuldänderungsvertrag gemäß § 311 Abs. 1 BGB ansieht9, der den Bestand des Schuldverhältnisses und der Darlehensforderung grundsätzlich unberührt lässt, der Darlehensforderung jedoch vertraglich mit quasi-dinglicher Wirkung10 eine nachrangige Stellung zuweist, die eine Befriedigung im Insolvenzfall ausschließt und eine Tilgung nur aus freiem, nicht zur Schuldendeckung benötigtem Vermögen gestattet. Die Forderung bleibt demnach während der Laufzeit der Rangrücktrittserklärung stets erhalten.

5.472

Welcher Nachrang exakt der zurücktretenden Forderung zuzuweisen ist, um eine Überschuldung zu vermeiden oder zu beseitigen, war – gerade wenn es nicht um einen Rangrücktritt zwischen Gesellschafter und Gesellschaft, sondern um einen zwischen Nichtgesellschafter und Gesellschaft ging – ebenfalls lange unklar. Die Entscheidung des BGH v. 8.1.200111 hatte insoweit nur festgelegt, dass der Rücktritt einer Gesellschafterforderung eine Vereinbarung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft erfordert und eine Aufnahme der Forderung in den Überschuldungsstatus nicht mehr notwendig ist, wenn der Gesellschafter erklärt, er wolle wegen der zurücktretenden Forderung erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und – bis zur Abwendung der Krise – auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden,

1 Zusammenfassend z.B. auch Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 99; Martinek/Omlor WM 2008, 617 (619 f.); s. ferner BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (626, Rn. 30). 2 Vgl. z.B. K. Schmidt GmbHR 1999, 9 (13); Häuselmann BB 1993, 1552 (1553); offengelassen bei Primozic/Schaaf ZInsO 2014, 1831; s. auch BFH v. 9.6.1997 – GrS 1/94, ZIP 1998, 471 (474 f.). 3 Vgl. z.B. Meyer-Landrut, GmbHG, 1987, § 63 GmbHG Rn. 6; Janka/Löwenstein DB 1992, 1648 (1651); Haack KTS 1980, 309 (312). 4 So noch Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, 1977, 102, 133. 5 Serick ZIP 1980, 9 (14 f.). 6 Duss AG 1974, 133 (134). 7 Zilias WPg 1977, 445 (446); Herget AG 1974, 137 (140). 8 Vgl. z.B. Bullinger DStR 1993, 225 (229); Priester DB 1991, 1917 (1920); Peters WM 1988, 685 (689); Knobbe-Keuk ZIP 1983, 127 (129); offengelassen bei Primozic/Schaaf ZInsO 2014, 1831. 9 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (627, Rn. 32); Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 99; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 237; Taplan/Baumgartner/Baumgartner GmbHR 2015, 347 (349); Grögler/Schmidt ZInsO 2015, 1528 (1530). 10 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 99. 11 BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/89, ZIP 2001, 235 = WM 2001, 317.

982 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.473 Fünfter Teil

als handele es sich bei seiner Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital1. Für Rangrücktrittsvereinbarungen zwischen Nichtgesellschaftern und Gesellschaft war der „richtige“ Nachrang damit ungeklärt, zumal sich auch der im Jahre 2008 eingefügte § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO2 nur auf Vereinbarungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft beziehen sollte3. Somit blieb nach dieser Entscheidung für die Abfassung einer ausreichenden, also überschuldungsvermeidenden bzw. – beseitigenden Rangrücktrittsvereinbarung zwischen einem Kreditinstitut (als Nichtgesellschafter) und einem Unternehmen weiterhin vorallem „ein Blick ins Gesetz“. Allerdings hat die Insolvenzordnung auch nur bedingt weitergeholfen, denn nach ihr war (und ist) die Einordnung in drei Rangklassen möglich4: zum einen der Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, also ein Rücktritt in den Rang eines Gesellschafterdarlehens, zum zweiten der Rang des § 39 Abs. 2 InsO, also (laut Gesetzesnorm) „im Zweifel“ ein Rücktritt hinter den Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, und drittens der Rang des § 199 Satz 2 InsO, d.h. ein Rücktritt in den Rang der Überrschußforderungen bei der Schlussverteilung, wenn nach Befriedigung sämtlicher Masseverbindlichkeiten und nach Befriedigung sämtlicher im Schlussverzeichnis aufgeführter Gläubigerforderungen tatsächlich noch ein Überschuß zur Verteilung an die Gesellschafter vorhanden sein sollte5. Demzufolge war für ein Kreditinstitut der sichere Weg, als Ausgangspunkt auf § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 39 Abs. 2 InsO abzustellen und sinngemäß zu erklären, es wolle wegen der Forderung erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und – bis zur Abwendung der Krise – auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagenrückgewähransprüchen der Gesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handele es sich bei dem Darlehen um statutarisches Kapital6. Erst das Urteil des BGH v. 5.3.20157, das sich explizit auch auf Rangrücktrittsvereinbarungen zwischen Nichtgesellschaftern und Gesellschaft bezieht8, brachte für ein Kreditinstitut mehr Klarheit für die „richtige“ Rangeinordnung. Nach der Entscheidung kann eine Rangrücktrittserklärung nunmehr nach dem Wortlaut der § 19 Abs. 2 Satz 2, § 39 Abs. 2 InsO darauf beschränkt werden, hinter die Forderungen aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zurückzutreten, ohne darüber hinaus eine Gleichstellung mit den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter zu verlautbaren9. Allerdings ist ein Rücktritt hinter die Darlehen von Gesellschaftern für außenstehende Gläubiger nur schwer erträglich und konzeptionell auch wenig nachvollziehbar, aber wegen des gesetzlichen Wortlauts und der Entscheidung des BGH hinzunehmen10. Letztlich müsste es auch ausreichen können, wenn in den Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zurückgetreten werden kann und in diesem Rang der außenstehende Gläubiger eine weitere Rangvereinbarung mit den Gesellschaftern trifft, so dass die Forderung des Nichtgesellschafters insoweit wieder vorrangig wird; dies hätte keinen Einfluss auf die Vorgabe für einen Rangrücktritt, dass eine nachrangige Forderung „in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämt1 So BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/89, ZIP 2001, 235 = WM 2001, 317 (319). 2 Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 3 BegrRegE MoMiG BT-Drucks. 16/6140, S. 56. 4 Vgl. dazu auch Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 100. 5 Wegener in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 199 Rn. 3. 6 BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/89, ZIP 2001, 235 = WM 2001, 317 (319). 7 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623. 8 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (624, Rn. 14). 9 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (625, Rn. 18). 10 So auch Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 100.

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5.473

Fünfter Teil Rz. 5.473 | Kreditgeschäft

licher normaler Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) befriedigt werden darf“1. Ferner würden dann auch nicht – wie bei der jetzigen Vorgehensweise – die Gesellschafter begünstigt werden, ohne dass dies zum Schutz der übrigen außenstehenden Gläubiger notwendig wäre2; im Übrigen bliebe die vorgeschlagene „interne“ Rangänderung auch „innerhalb“ des Rangs des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und würde ebenfalls die Rechte der „normalen“ Gläubiger nicht beeinträchtigen. Für die Lösung spricht ferner, das ein Kapitalgeber, der hinter die Ansprüche aller gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger der Schuldnerin für den Fall der Liquidation oder Insolvenz der Schuldnerin zumindest in den Rang nach den Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO zurücktritt, sich damit nicht dem Regelungsregime für Gesellschafterdarlehen mit der Folge unterwirft, dass er sich auch anfechtungsrechtlich so behandeln lassen müsste, als sei er gesellschaftergleicher Dritter3.

5.474

Für eine überschuldungsvermeidende bzw. -beseitigende Rangrücktrittserklärung verlangt die Rechtsprechung nicht nur, dass die Forderung des Gläubigers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger befriedigt werden, sondern der Gläubiger muss dauerhaft gehindert sein, seine Forderung geltend zu machen – ein zeitlich befristeter Rangrücktritt reicht nicht aus4. Ebenso darf dem zurücktretenden Gläubiger kein ordentliches Kündigungsrecht eingeräumt werden5. Der Rangrücktritt muss ferner auch den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung umfassen, denn für die Feststellung einer Überschuldung kann eine Forderung nicht vor Verfahrenseröffnung durchsetzbar sein, nach Verfahrenseröffnung aber ausgeblendet werden6. Allerdings ist es nach Ansicht des BGH unschädlich, wenn die Parteien die Wirksamkeit des Rangrücktritts nur für den Fall vereinbaren, dass im Falle einer Befriedigung der zurückgetretenen Forderung beim Umternehmen „eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zu befürchten war“7.

5.475

Infolge der Nachrangvereinbarung darf die Forderung nicht getilgt werden, wenn sich der Schuldner im Stadium der Insolvenzreife befindet. Die Rangrücktrittsvereinbarung bewirkt eine Durchsetzungssperre8. Der Schuldner, der die Forderung bei Insolvenzreife entgegen der

1 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (624, Rn. 16): Das betrifft zwar die Darstellung des Rechtszustandes vor MoMiG im Jahre 2008, allerdings lässt sich aus Rn. 18 auf S. 625 keine andere Sichtweise für die Zeit nach MoMiG erkennen. 2 BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235 = WM 2001, 317 (319 unter I 2c (2)). 3 OLG Düsseldorf v. 20.5.2014 – I-12 U 87/13, ZIP 2015, 187 = WM 2014, 2218 (2020 f.); Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 135 Rn. 8. 4 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (624, Rn. 16): Das betrifft zwar die Darstellung des Rechtszustandes vor MoMiG im Jahre 2008, allerdings lässt sich aus Rn. 18 auf S. 625 keine andere Sichtweise für die Zeit nach MoMiG erkennen; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 241. 5 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 101. 6 So BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, WM 2015, 623 (625, Rn. 19); s. auch Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 239; Westphal/Kresser DB 2016, 33 (34); Grögler/Schneider ZInsO 2015, 1528 (1529 f.); K. Schmidt ZIP 2015, 901 (904). 7 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (626, Rn. 25). 8 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (627, Rn. 34); in Rn. 19 auf S. 625 hat er bereits eine „vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre“ erwähnt.

984 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.477 Fünfter Teil

Rangrücktrittsvereinbarung berichtigt, leistet auf eine Nichtschuld1. Damit steht dem Schuldner bzw. seinem Insolvenzverwalter ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB gegen den Gläubiger zu2. Allerdings kann dem Bereicherungsanspruch § 814 BGB entgegenstehen, sofern der Schuldner die Zahlung in Kenntnis seiner Insolvenzreife und der folglich durchgreifenden Zahlungssperre bewirkt hat3. Daran würde es allerdings fehlen, wenn es sich um eine routinemäßig von der Buchhaltung des Schuldners bewirkte Zahlung handelt oder wenn der Schuldner auf Druck des Gläubigers geleistet hätte4. Von den Bindungen, die der Schuldner durch die Rangrücktrittsvereinbarung eingegangen ist, kann er sich nachträglich nicht mehr durch einen Aufhebungsvertrag mit dem Gläubiger der zurückgetretenen Forderung befreien. Bei einer Rangrücktrittsvereinbarung handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB), nämlich zum Vorteil aller Gläubiger des Schuldners. Ein solcher Vertrag kann nicht durch eine Abrede des Schuldners mit dem Forderungsgläubiger aufgehoben werden5; dies bedarf der Mitwirkung der begünstigten Gläubiger6. Da deren Recht allerdungs gemäß § 328 Abs. 2 BGB an gewisse Voraussetzungen geknüpft werden kann, wird ein Mitwirkungsrecht der begünstigten Gläubiger nach dem BGH nicht (mehr) begründet, wenn nach dem Inhalt der maßgeblichen Rangrücktrittsvereinbarung die zurückgetretenen Forderungen aus freiem Vermögen der Schuldnerin beglichen werden dürfen und im Zahlungszeitpunkt eine zur Deckung sämtlicher Verbindlichkeiten genügende Vermögensmasse vorhanden ist7. Erst wenn eine Insolvenzreife des Schuldners nicht (mehr) vorliegt oder beseitigt ist, ist demnach eine Aufhebung des Rangrücktritts ohne Mitwirkung der begünstigten Gläubiger möglich8. Ist das Stadium der Aufhebung einer Rücktrittsvereinbarung erreicht, liegt also keine Insolvenzreife mehr vor, sollte bei der Aufhebung ausreichend dokumentiert werden, warum keine Insolvenzreife (mehr) bestand. Das hat natürlich keine konstitutive Wirkung, kann aber die spätere Beweisführung sichern helfen9.

5.476

Da der Rangrücktritt anders als ein Forderungsverzicht mit Besserungsversprechen nicht zum automatischen Erlöschen der Forderung führt, werden bestehende Sicherheiten von der Vereinbarung nicht direkt berührt10. In der Rangrücktrittserklärung darf die Erstreckung des

5.477

1 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (627, Rn. 34); Bitter ZIP 2013, 2 (6); Teller/Steffan, Rangrücktrittsvereinbarungen zur Vermeidung der Überschuldung bei der GmbH, 3. Aufl. 2003, Rn. 373 ff. 2 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (627, Rn. 34); Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 254. 3 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628, Rn.43 f.); Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 254. 4 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628, Rn. 44); Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 254. 5 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (627, Rn. 35). 6 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628, Rn. 42). 7 So BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628, Rn. 42). 8 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628, Rn. 42). 9 Schmidt-Hern DB 2015, 1153 (1154). 10 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (627, Rn. 32); Westphal/Kresser DB 2016, 33 (38); Berger ZInsO 2015, 1938 (1941 f.).

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Fünfter Teil Rz. 5.477 | Kreditgeschäft

Nachrangs auf die Sicherheiten nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden1. Wegen der Durchsetzungssperre könnte an eine Freigabe zumindest der vom Schuldner gestellten Sicherheiten gedacht werden, da auf sie ohnehin nicht zurückgegriffen werden darf, solange die Krise andauert, und sie bei Eintritt der Insolvenz endgültig zurückzugeben sind2. Unter der Prämisse, dass ein Rangrücktritt eine Maßnahme der Sanierungsbegleitung darstellt und Zielrichtung somit eine Sanierung ist, die den Schuldner wieder in eine „normale“ Wirtschaftstätigkeit ohne finanzielle Probleme zurückführen, die Durchsetzungssperre somit zu einem späteren Zeitpunkt ein (positives) Ende finden soll, wird eine Freigabe von Schuldnersicherheiten einzelfallabhängig sein und z.B. eher nicht in Betracht kommen, wenn die Sicherheit auch in und nach der Sanierung als Kreditunterlage dienen soll. Bei nicht vom Schuldner gestellten Sicherheiten ist das Kreditinstitut im Insolvenzverfahren des Schuldners dagegen nicht daran gehindert, diese Drittsicherheiten zu verwerten bzw. ggf. vom Insolvenzverwalter verwerten zu lassen und sich aus dem Erlös zu befriedigen3.

5.478

Eine Rangrücktrittserklärung hindert den weiteren Lauf der Zinsen nicht, diese können jedoch nur unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Rang wie die Hauptforderung geltend gemacht werden (§ 39 Abs. 3 InsO)4. Nach Aufhebung des Rangrücktritts kann das Kreditinstitut Zinsen für die Zukunft stets verlangen.

5.479

Ob über das Schicksal der Sicherheiten und der Zinsen eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen werden sollte, ist ebenfalls einzelfallabhängig und macht wohl nur Sinn, wenn ein Sanierungserfolg absehbar ist. Es könnte z.B. vereinbart werden, dass Zinsen, obwohl die Forderungen nicht geltend gemacht werden können, weiter gezahlt werden müssen; dies belastet zwar die Liquidität, berührt aber nicht die Passivseite. Wegen § 814 BGB bestünde auch kein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, allerdings könnte in einem dennoch eröffneten Insolvenzverfahren eine Insolvenzanfechtung nach § 134 InsO relevant werden5.

5.480

Soll im Übrigen nicht nur die Überschuldung, sondern auch eine schon vorliegende oder drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden, muss die Vereinbarung so ausgestaltet werden, dass der Schuldner die Zahlung an den zurücktretenden Gläubiger vorübergehend verweigern darf und damit ein für § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO bedeutsamer Leistungsaufschub bewirkt wird6.

1 OLG Düsseldorf v. 10.11.2011 – I-6 U 275/10, NRWE (Rechtsprechungsdatenbank NRW), Rn. 46 ff.; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 242; Berger ZInsO 2015, 1938 (1942). 2 Berger ZInsO 2015, 1938 (1941 f.); s. auch Martinek/Omlor WM 2008, 665 (668). 3 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 102; Westphal/Kresser DB 2016, 33 (38). 4 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (625, Rn. 17); Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 102. 5 Vgl. dazu BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628 f., Rn. 46 ff.); Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 254. 6 AG Itzehoe v. 1.5.2014 – 28 IE 1/14, ZInsO 2014, 1106 (1107); Bitter/Rauhut ZIP 2014, 1005 (1006 ff.); a.A. Bork ZIP 2014, 997 (999 ff.), der schon aus dem Begriff „Nachrang“ folgert, dass die davon erfassten Ansprüche nicht „ernsthaft eingefordert“ i.S.d. BGH-Rspr. sind, so dass es an der insolvenzrechtlichen Fälligkeit i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO fehle.

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.483 Fünfter Teil

4. Form des Rangrücktritts Der Rangrücktrittsvertrag kann grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden, wenn er nur ausdrücklich und mit allen Anforderungen vom Gläubiger erklärt worden ist; anschließend kann er konkludent oder gemäß § 151 BGB angenommen werden1. Dennoch sollte er stets schriftlich abgeschlossen und von den Parteien unterzeichnet werden2, um gerade in der Krisensituation des Kunden eine klare Absprache dokumentieren und ggf. beweisen zu können. Es wäre im Übrigen für ein Kreditinstitut äußerst außergewöhnlich, wenn es sich nicht an die Schriftform halten würde.

5.481

5. Bilanzielle und steuerrechtliche Wirkungen Die richtige Gestaltung einer Rangrücktrittserklärung soll die Überschuldung vermeiden bzw. beseitigen und ggf. auch eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit verhindern. Ob ein Unternehmen überschuldet ist oder nicht, ist anhand eines sog. Überschuldungsstatus festzustellen, in den die zu berücksichtigenden Aktiva und Passiva mit ihren echten Werten einzustellen sind3. Eine richtig gestaltete Rangrücktrittserklärung eines Gläubigers4 führt dazu, dass die zurückgetretenen Forderungen nicht eingestellt werden müssen und damit – soweit der Betrag ausreicht – eine Überschuldung und daraus resultierend der Insolvenzgrund nach § 19 InsO beseitigt bzw. vermieden werden kann. Die Frage ist, ob eine entsprechende Rangrücktrittserklärung noch weitere, ggf. negative Auswirkungen auf die bilanzielle Situation des Unternehmens haben kann. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die zurückgetretenen Forderungen insgesamt auszubuchen wären und demzufolge ein in dieser Situation unerwünschter Buchgewinn entstünde.

5.482

In der Handelsbilanz sind nach § 247 Abs. 1 HGB Schulden des Unternehmens zu passivieren, wenn es zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und eine wirtschaftliche Belastung darstellt5. Nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gilt dies auch für Zwecke der Steuerbilanz6. Darlehensverbindlichkeiten, für die ein Rangrücktritt vereinbart worden ist, sind weiterhin als Passivposten in der Handelsbilanz zu bilanzieren, da der Rangrücktritt den Bestand der Forderung unberührt lässt7. Zu einer Auflösung der Darlehensverbindlichkeit kommt es nur, wenn der Gläubiger dem Schuldner die Schuld gemäß § 397 BGB erlässt oder wenn sich ergibt, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden muss; dann handelt es sich nicht mehr um eine wirtschaftliche Belastung8.

5.483

1 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 101; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 245 (§ 271a dürfte nicht einschlägig sein). 2 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 101. 3 Vgl. dazu z.B. Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 58 ff. 4 Vgl. Rn. 5.490; zur Rangrücktrittserklärung eines Gesellschafters s. Rn. 5.981. 5 BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, DB 2016, 2824 (2825); BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, ZIP 2015, 1386 m. Anm. Kahlert = NZG 2016, 1235 (Rn. 8); BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570 = NZG 2012, 357 (Rn. 11); Wacker DB 2017, 26 f. 6 BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, DB 2016, 2824 (2825); BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, ZIP 2015, 1386 m. Anm. Kahlert = NZG 2016, 1235 (Rn. 8); BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570 = NZG 2012, 357 (Rn. 11); Wacker DB 2017, 26 (27). 7 Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 103; Wacker DB 2017, 26 (27 f.); s. auch BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, DB 2016, 2824 (2825). 8 BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, DB 2016, 2824 (2825).

Huber | 987

Fünfter Teil Rz. 5.484 | Kreditgeschäft

5.484

Der Rangrücktritt führt jedoch weder – er ist gerade kein Forderungsverzicht (vgl. dazu Rn. 5.431 f.) – zu einem Erlöschen der Schuld noch erlaubt er die Schlussfolgerung, die Verpflichtung müsste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden. Ersteres ergibt sich schon aus dem klaren Wortlaut der Vereinbarung, die nur einen Nachrang hinter den übrigen Gläubigern begründet und keinen Verzicht enthält. Letzteres folgt aus dem wirtschaftlichen Hintergrund der Vereinbarung, die geschlossen wird, um ein Insolvenzverfahren zu vermeiden, und zu der sich die Gläubiger nur angesichts der Prognose bereitfinden, dass das Schuldnerunternehmen nach Überwindung der gegenwärtigen Krise wieder zur Bedienung der zurücktretenden Forderungen in der Lage sein werde; würden die Gläubiger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einem Fehlschlag der Sanierungsversuche rechnen, würden sie nämlich die sofortige Insolvenz und ihre Bedienung mit der Insolvenzquote vorziehen.

5.485

Für die Annahme einer fehlenden wirtschaftlichen Belastung genügt es nicht, dass das Unternehmen überschuldet ist; allein die Vermögenslosigkeit führt nicht dazu, dass eine rechtliche bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen ist1. Daraus folgt also kein Passivierungsverbot bzw. ein Passivierungsaufschub.

5.486

Allerdings kann sich ein Passivierungsverbot bzw. ein Passivierungsaufschub aus § 5 Abs. 2a EStG ergeben. Nach dieser Vorschrift sind für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen in der Steuerbilanz erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Gestattet eine Rangrücktrittserklärung die Befriedigung der zurückgetretenen Forderungen nur aus künftigen Jahresüberschüssen oder einem eventuellen Jahresüberschuss, wird das vom Rangrücktritt „begünstigte“ Unternehmen in seinem gegenwärtigen Vermögen zum Bilanzstichtag nicht belastet2. Dies gleicht wirtschaftlich der Situation eines Unternehmens, dem eine Verbindlichkeit gegen Besserungsschein erlassen wurde; dort ist die Verbindlichkeit ebenfalls nur aus künftigen Gewinnen zu erfüllen3. Da es damit an einer wirtschaftlichen Belastung fehlt, ist diese Verbindlichkeit aus der Steuerbilanz auszubuchen, was (nach Berücksichtigung evtl. Verlustvorträge bzw. einer Kapitalrücklage) zu einem zu versteuerndem Buchgewinn führen kann4. Für die richtige Formulierung einer Rangrücktrittserklärung kommt es demnach nicht nur auf die zivilrechtlichen Vorgaben der Rechtsprechung des BGH, sondern auch auf die Beachtung einschlägiger BFH-Rechtsprechung an. Es ist darauf zu achten, dass ein Passivierungsverbot bzw. ein Passivierungsaufschub nach § 5 Abs. 2a EStG vermieden wird und durch eine Rangrücktrittserklärung das Vermögen des Unternehmens nicht nur zukünftig, sondern auch gegenwärtig belastet wird. Wenn also die Rückzahlung auch aus sog. freiem Vermögen,

1 BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, DB 2016, 2824 (2825); BFH v. 10.8.2016 – I R 25/15, ZIP 2017, 818 = NZG 2017, 634 (635, Rn. 15); BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, ZIP 2015, 1386 m. Anm. Kahlert = NZG 2016, 1235 (Rn. 9). 2 BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, DB 2016, 2824 (2825); BFH v. 10.8.2016 – I R 25/15, ZIP 2017, 818 = NZG 2017, 634 (635 f., Rn. 13 ff.); BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, ZIP 2015, 1386 m. Anm. Kahlert = NZG 2016, 1235 (12, 36, Rn. 10 ff.); BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570 = NZG 2012, 357 (358, Rn. 19); Wacker DB 2017, 26 (29). 3 BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, DB 2016, 2824 (2825); BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570 = NZG 2012, 357 (358, Rn. 17). 4 BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, DB 2016, 2824 (2825); BFH v. 10.8.2016 – I R 25/15, ZIP 2017, 818 = NZG 2017, 634 (636, Rn. 16); BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, ZIP 2015, 1386 m. Anm. Kahlert = NZG 2016, 1235 (1236, Rn. 10); BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570 = NZG 2012, 357 (358, Rn. 1 f.).

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D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.487 Fünfter Teil

d.h. Vermögen, das die sonstigen Schulden übersteigt, erfolgen muss, ist die Belastung des Unternehmensvermögens nicht mehr allein zukünftig, sondern auch gegenwärtig und die Verbindlichkeit ist weiterhin (auch) in der Steuerbilanz auszuweisen1. Deshalb ist der in Muster M 21 Rn. 5.490 vorgeschlagene Zusatz, dass die Verbindlichkeiten nicht nur aus künftigen Gewinnen oder einem eventuellen Liquidationsüberschuss, sondern auch aus sonstigem Vermögen zu bedienen sind, das die sonstigen Schulden des Kreditnehmers übersteigt, zwingend erforderlich2. Fehlt dieser, so ist nach dem BFH3 eine Passivierung in der Steuerbilanz gemäß § 5 Abs. 2a EStG unzulässig. Die BFH-Rechtsprechung ist also bei der Abfassung einer Rangrücktrittsvereinbarung ebenfalls zwingend zu beachten und der Zusatz zu ergänzen, auch wenn er regelmäßig mangels freien Vermögens des Unternehmens für den Gläubiger keine wirtschaftliche Relevanz haben dürfte; die Ergänzung ist somit für die Vermeidung einer steuerlichen Belastung entscheidend4.

6. Wirkungen einer Beendigung der Krise Die zurückgetretenen Forderungen können wieder im Gleichrang mit den Forderungen nicht zurückgetretener Gläubiger geltend gemacht werden, wenn ein Aufhebungstatbestand erfüllt ist. Bevor die Krise nicht beendet ist, bedürfte eine Aufhebung der Mitwirkung der begünstigten Gläubiger5. Dieses Mitwirkungsrecht der begünstigten Gläubiger entfällt – wie bereits angeführt – nach dem BGH, wenn nach dem Inhalt der maßgeblichen Rangrücktrittsvereinbarung die zurückgetretenen Forderungen aus freiem Vermögen der Schuldnerin beglichen werden dürfen und eine zur Deckung sämtlicher Verbindlichkeiten genügende Vermögensmasse (wieder) vorhanden ist6. Erst wenn eine Insolvenzreife des Schuldners nicht (mehr) vorliegt oder beseitigt ist, ist demnach eine Aufhebung des Rangrücktritts ohne Mitwirkung der begünstigten Gläubiger möglich7. Durch geschickte Bilanzierung, insbesondere durch Ausnutzung von handelsrechtlichen Bilanzierungswahlrechten kann das Unternehmen die Verpflichtungen aus einem Rangrücktritt insoweit zumindest zeitweise „gestalten“. Ist das Stadium der Aufhebung einer Rücktrittsvereinbarung erreicht, liegt also keine Insolvenzreife mehr vor, sollte bei der Aufhebung ausreichend dokumentiert werden, warum keine Insol-

1 BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, DB 2016, 2824 (2825); BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, ZIP 2015, 1386 m. Anm. Kahlert = NZG 2016, 1235 (1236, Rn. 9); BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570 = NZG 2012, 357 (358, Rn. 20); s. auch BMF v. 8.9.2006, IV B 2 - S 2133 – 10/06, BStBl. I 2006, 497. 2 Zur ausschließlich steuerrechtlichen Sicht des BFH mit der Folge, dass Fragen der insolvenzrechtlichen Überschuldung keine entscheidungsleitende Bedeutung zukommt, vgl. Wacker DB 2017, 26 (29 f.). 3 BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, DB 2016, 2824 (2825); BFH v. 10.8.2016 – I R 25/15, ZIP 2017, 818 = NZG 2017, 634 (635 f., Rn. 13 ff.); BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, ZIP 2015, 1386 m. Anm. Kahlert = NZG 2016, 1235 f. (Rn. 9 ff.); BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570 = NZG 2012, 357 (Rn. 11); s. auch BMF v. 8.9.2006, IV B 2 - S 2133 – 10/06, BStBl. I 2006, 497; s. ferner Taplan/Baumgartner/Baumgartner GmbHR 2015, 347 (351). 4 Ein Berater kann damit auch eine Haftung vermeiden, vgl. auch Taplan/Baumgartner/Baumgartner GmbHR 2015, 347 (352); Grögler/Schneider ZInsO 2015, 1528 (1533). 5 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628, Rn. 42). 6 So BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628, Rn. 42); s. auch Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 104. 7 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628, Rn. 42); Richter in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 31, Rn. 104.

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5.487

Fünfter Teil Rz. 5.487 | Kreditgeschäft

venzreife (mehr) bestand. Das hat natürlich keine konstitutive Wirkung, kann aber die spätere Beweisführung sichern helfen1.

7. Vertragsgestaltung 5.488

Um sowohl den steuerlichen Anforderungen zu genügen als auch eine Passivierung im Überschuldungsstatus zu vermeiden, sind Vereinbarungen gebräuchlich, durch die ein Gläubiger mit seinen Anprüchen dergestalt im Rang hinter die Forderungen aller bestehenden und künftigen Gläubiger des Schuldners zurücktritt, dass sie erst nach Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und, soweit ein Liquidationsüberschuss oder ein die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigendes Vermögen der Gesellschaft hierfür zur Verfügung steht, nur zugleich mit, im Rang jedoch vor den Einlagenrückgewähransprüchen der Gesellschafter der Schuldnerin Erfüllung dieser Ansprüche verlangen kann.

5.489

An einer Sanierung mitwirkende Banken werden aber stets auf einen Rangrücktritt Wert legen, der ihnen außerdem noch einen Vorrang vor den im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO eingeordneten Gesellschafterdarlehen gewährt. Um dieses Ergebnis zu erreichen, gibt es vertragstechnisch2 zwei Wege: Entweder werden die Gesellschafter in die Rangrücktrittserklärung einbezogen und vereinbaren dort ihren Nachrang gegenüber den zurücktretenden Forderungen des außenstehenden Gläubigers (Muster M 21 Rn. 5.490) oder die Rangrücktrittserklärung beschränkt sich auf das Verhältnis zwischen dem zurücktretenden Gläubiger und der Gesellschaft, der zurücktretende Gläubiger schließt aber mit den Gesellschaftern eine separate Vereinbarung, derzufolge diese ihm gegenüber einen Forderungsrücktritt3 erklären (Muster M 22 Rn. 5.491).

5.490

M 21 Rangrücktrittsvereinbarung Rangrücktrittsvereinbarung Zwischen der ...-Bank – im Folgenden „Bank“ genannt – der ... (Firma) – im Folgenden „Kreditnehmer“ genannt – und den Gesellschaftern der ... (Firma) wird zur Vermeidung bzw. zur Beseitigung der Rechtsfolgen einer Überschuldung i. S. d. § 19 Abs. 2 InsO des Kreditnehmers folgende Rangrücktrittsvereinbarung getroffen:

1 Schmidt-Hern DB 2015, 1153 (1154). 2 Zur Inhaltskontrolle formularmäßig vereinbarter Rangrücktritte s. BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 137/ 13, ZIP 2014, 1087 = WM 2014, 897 (898 ff., Rn. 8 ff.). 3 Zum Zurücktreten mit Forderungen s. Obermüller, Ersatzsicherheiten im Kreditgeschäft, 1987, Rn. 240 ff.

990 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.490 Fünfter Teil

1. Rangrücktritt Bank und Kreditnehmer sind sich darüber einig, dass die Bank aus ihrem mit Darlehensvertrag vom ... gewährten Darlehen1, das sich derzeit auf insgesamt ... Euro beläuft, mit Forderungen in Höhe von ... Euro gegenüber allen gegenwärtigen und künftigen Gläubigern im Rang zurücktritt. Rangrücktritt bedeutet, dass die betroffenen Forderungen der Bank nur aus einem etwaigen Bilanzgewinn oder einem Liquidationsüberschuss oder aus sonstigem freien Vermögen zu bedienen sind, das die sonstigen Schulden des Kreditnehmers übersteigt. Im Insolvenzverfahren treten sie in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO zurück. 2. Gesellschafteransprüche Innerhalb des Ranges des § 39 Abs. 2 InsO sind die Forderungen der Bank vorrangig vor den Darlehensforderungen der Gesellschafter, die ebenfalls einen Rangrücktritt erklärt haben. Außerdem sind sie vorrangig vor den Einlagenrückgewähransprüchen der Gesellschafter. 3. Zinsen Zinsen werden erst von dem Zeitpunkt an wieder berechnet, wenn die Forderungen wieder geltend gemacht werden können. (Alternativ: Zinsen werden weiter berechnet und unterliegen in gleicher Weise dem Rangrücktritt wie die Hauptforderung.) 4. Sicherheiten Sicherheiten2 aus dem Vermögen des Kreditnehmers bleiben einstweilen bestehen. Sie sind von der Bank freizugeben, sobald ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kreditnehmers eröffnet wird, jedoch mit der Maßgabe, dass ein etwaiger Übererlös, der nicht zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger und der Massegläubiger benötigt wird, der Bank auszuzahlen ist. 5. Unterrichtungspflichten Der Kreditnehmer verpflichtet sich, der Bank spätestens sechs Monate nach seinem Bilanzstichtag einen Jahresabschluss vorzulegen, der von einem der Bank genehmen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater testiert ist. Unabhängig davon hat die Bank das Recht, jederzeit die Vorlage von Bilanzen und zusätzlichen Unterlagen zu verlangen und Einsicht in die Geschäftsbücher des Kreditnehmers zu nehmen. ...

...

Unterschrift der Bank

Unterschrift des Kreditnehmers

... Unterschrift der Gesellschafter

1 Sollen Forderungen aus mehreren Darlehensverträgen zurücktreten, ist der Text entsprechend anzupassen. 2 Dies bezieht sich auf Sicherheiten aus dem Vermögen des Kreditnehmers. Dass von dritter Seite gestellte Sicherheiten unberührt bleiben, sollte klargestellt werden, um Auslegungsschwierigkeiten (vgl. BGH v. 27.4.2004 – XI ZR 49/03, ZIP 2004, 1303 = GmbHR 2004, 1018) zu vermeiden.

Huber | 991

Fünfter Teil Rz. 5.491 | Kreditgeschäft

5.491

M 22 Forderungsrücktrittsvereinbarung Forderungsrücktrittsvereinbarung: Zwischen der ... – im Folgenden „Bank“ genannt – und den Gesellschaftern 1. ... 2. ... 3. ... 4. ... der ... (Firma) – im Folgenden „Kreditnehmerin“ genannt – Die Bank ist zur Vermeidung bzw. zur Beseitigung der Rechtsfolgen einer Überschuldung der Kreditnehmerin aufgrund der als Anlage 1 beigefügten Rangrücktrittsvereinbarung mit ihren Kreditforderungen in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO zurückgetreten. Den Gesellschaftern stehen gegen die Kreditnehmerin folgende Forderungen zu Gesellschafter 1 ... Gesellschafter 2 ... Gesellschafter 3 ... Gesellschafter 4 ... Für diese Forderungen beanspruchen die Gesellschafter gegenüber der Kreditnehmerin für den Fall einer Insolvenz den Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. § 39 Abs. 2 InsO. Zwischen der Bank und den Gesellschaftern besteht Einigkeit, dass die Gesellschafter Befriedigung ihrer Forderungen erst dann verlangen können, wenn sämtliche Forderungen der Bank gegen die Kreditnehmerin einschließlich der im Rang zurückgetretenen befriedigt sind. Dies vorausgeschickt treten die Gesellschafter mit ihren oben erwähnten Forderungen und allen daran haftenden Rechten hiermit hinter die Forderungen der Bank zurück. Solange die Bank hinsichtlich der vorgenannten Ansprüche nicht voll befriedigt ist, verpflichten sich die Gesellschafter, über ihre Forderungen gegen die Kreditnehmerin ohne die vorherige Zustimmung der Bank nicht zu verfügen, insbesondere Sie nicht einzuziehen, nicht auf sie zu verzichten, sie auch nicht an einen Dritten abzutreten oder zu verpfänden. Die Gesellschafter verpflichten sich, auf Aufforderung der Bank ihre Forderungen gegen die Kreditnehmerin im eigenen Namen, aber für Rechnung der Bank geltend zu machen, und Zahlungen, die sie darauf erhalten, an die Bank abzuführen, oder die Forderungen an die Bank abzutreten. Diese Vereinbarung bleibt gültig, bis sie im gegenseitigen Einvernehmen schriftlich aufgehoben wird. Die Bank ist verpflichtet, in die Aufhebung einzuwilligen, wenn die Kreditnehmerin ihre sämtlichen Verbindlichkeiten ihr gegenüber abgedeckt hat und feststeht, dass der Bank die an sie zurückgezahlten Beträge endgültig verbleiben.

992 | Huber

D. Vorinsolvenzliche Sanierungs- bzw. Restrukturierungsbegleitung | Rz. 5.493 Fünfter Teil

...

...

Ort, Datum

Unterschrift der Bank

...

...

Ort, Datum

Unterschrift Gesellschafter 1

...

...

Ort, Datum

Unterschrift Gesellschafter 2

...

...

Ort, Datum

Unterschrift Gesellschafter 3

...

...

Ort, Datum

Unterschrift Gesellschafter 4

Um eine Passivierung der Forderung im Überschuldungsstatus zu vermeiden, reicht es dagegen nicht,

5.492

– dass der Nachrang nur für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Geltung haben soll. Eine solche Abrede wäre indessen nicht geeignet, eine Überschuldung des Unternehmens abzuwenden, weil der Gläubiger nicht gehindert wäre, seine Forderung vor Verfahrenseröffnung durchzusetzen1. – dass ein Gläubiger vereinbarungsgemäß hinter bestimmte einzelne Gläubiger zurücktritt. Dadurch lässt sich eine Überschuldung ebenfalls nicht verhüten, weil die betroffene Forderung dann als letztrangige Verbindlichkeit bestehen bleibt, die weiterhin das Schuldnervermögen belastet. – dass der Rangrücktritt den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung nicht erfasst2. Eine Forderung kann nicht vor Verfahrenseröffnung durchsetzbar sein, nach Verfahrenseröffnung aber ausgeblendet werden, wenn es um die Feststellung der Überschuldung geht.

5.493

Ebenso wenig reicht es aus, wenn sich der Gläubiger lediglich verpflichtet, – mit seinen Forderungen im Rang hinter alle übrigen Gläubigern zurückzutreten – diese Erklärung ist inhaltlich unbestimmt und auslegungsbedürftig –, oder – seine Forderungen erst nach Befriedigung aller Drittgläubiger geltend zu machen – dies kann dahingehend verstanden werden, dass die Erklärung sich nur auf die im Zeitpunkt ihrer Abgabe vorhandenen und nicht auch auf die zukünftigen Forderungen bezieht3, oder – seine Rückgriffsansprüche, die er im Fall seiner Inanspruchnahme aus einer von ihm für Ansprüche gegen das Unternehmen eingegangenen Bürgschaft erwirbt, nicht geltend zu 1 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (625, Rn. 19); s. auch Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 239; Westphal/Kresser DB 2016, 33 (34); Grögler/Schneider ZInsO 2015, 1528 (1529 f.); K. Schmidt ZIP 2015, 901 (904). 2 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (625, Rn. 19); Bitter ZIP 2015, 345 (347); Frystatzki NZI 2013, 609 (610 ff., 613); Henkel/Wentzler GmbHR 2013, 239 (240); wohl auch Poelzig WM 2014, 917 (918). 3 Hartung NJW 1995, 1186 (1187 m.w.N.).

Huber | 993

Fünfter Teil Rz. 5.493 | Kreditgeschäft

machen – da dies den Gläubiger nicht hindert, primär von dem Unternehmen Zahlung zu fordern, wäre zusätzlich eine bei dem Schuldnerunternehmen aktivierbare Verpflichtung des Bürgen notwendig, das Unternehmen von einer Inanspruchnahme freizustellen1.

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite 5.494

Das Sanierungskonzept ist negativ, die Sanierung verläuft trotz eines positiven Sanierungskonzepts negativ, die materielle Insolvenz ist bei einem Unternehmen bereits soweit fortgeschritten, dass über einen Sanierungversuch gar nicht erst gesprochen werden sollte, nach einer durchgeführten Sanierung wird das Unternehmen erneut insolvenzreif, ein Verbraucher wird arbeitlos und kann seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen oder er ist schon längere Zeit hoffnungslos überschuldet – es gibt viele Gründe für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Mit der Verfahrenseinleitung, d.h. mit der Stellung eines Insolvenzantrags, ändern sich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen – die Insolvenzordnung „betritt die Bühne“. Der Insolvenzantrag ist der entscheidende Einschnitt zwischen der Betrachtung vorinsolvenzlichen Handelns (inklusive Sanierens) nach den „allgemeinen“ Regeln und den nunmehr zu berücksichtigenden Auswirkungen von (ausschließlich oder zusätzlich geltenden) insolvenzrechtlichen Bestimmungen. Das „neue“ Regime der Insolvenzordnung kann, z.B. bei der Insolvenzanfechtung, auch dazu führen, dass vorinsolvenzliches Verhalten rechtlich neu oder anders bewertet werden kann und Konsequenzen zeitigt, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht zu gewärtigen gewesen wären. Erfährt ein Kreditinstitut von einem Insolvenzantrag, wird es – soweit dies nicht schon im Vorfeld durchgeführt werden konnte, weil der Antrag zu erwarten war – die oben erörterte (vgl. Rn. 5.32 ff.) Engagementsüberprüfung durchführen. Es gilt ferner die Auswirkungen und wie erwähnt ggf. Rückwirkungen der mit dem Insolvenzantrag die Bühne betretenden Insolvenzordnung auf das Engagement zu bedenken. Aber auch Kreditneugeschäft kann relevant werden, denn erfahrungsgemäß sind viele Insolvenzverfahren ohne eine neue Finanzierung nicht durchzuführen. In der Praxis können sich die Auswirkungen eines Insolvenzantrags auf bestehendes und ggf. neues Kreditgeschäft nach der Verfahrenseröffnung mit seiner Rückwirkung durch eine Insolvenzanfechtung auf vorinsolvenzliche Zeiträume überlagern2. Um dies nachstehend klar voneinander abzugrenzen, werden zuerst die möglichen Rückwirkungen einer Insolvenzanfechtung behandelt und anschließend die Auswirkungen eines mit dem Insolvenzantrag beginnenden Insolvenzverfahrens auf bestehendes und neues Kreditgeschäft.

I. Rückwirkungen eines Insolvenzverfahrens durch eine Insolvenzanfechtung 5.495

Ist der Insolvenzantrag die entscheidende Verfahrenshandlung, die die Insolvenzordnung „auf die Bühne ruft“ und formell ein Insolvenz(vor)verfahren auslöst, kommt es für die Insolvenzanfechtung auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an. Alleine der Insolvenzverwalter – bzw. der Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren (§ 280 InsO) – ist nach § 129 Abs. 1 InsO zur Insolvenzanfechtung berechtigt3. Im vorläufigen Insolvenzverfahren gibt es sie also eben-

1 OLG München v. 15.4.1996 – 31 U 4886/95, GmbHR 1998, 281 f. 2 Betrachtet werden allein kreditvertragliche Fragestellungen; zu Sicherheiten vgl. insbesondere Rn. 6.100 ff. und Rn. 6.1100 ff. 3 BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 14/18, ZIP 2019, 37 = WM 2019, 42 (44, Rn. 21); im Verbraucherinsolvenzverfahren gibt es gemäß § 270 Abs. 1 Satz 3 InsO keine Eigenverwaltung (s. auch Ring-

994 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.498 Fünfter Teil

sowenig wie nach einer Verfahrensaufhebung1 (§ 200 InsO). Der Anfechtungsanspruch entsteht bereits mit der Vornahme der Rechtshandlung und nicht erst durch eine Erklärung des Insolvenzverwalters; er wird mit der Verfahrenseröffnung fällig, da dann das Anfechtungsrecht entsteht2. Zweck der Insolvenzanfechtung ist die Rückgängigmachung von Vermögensverschiebungen, die gerade in der Zeit der Krise vor der Verfahrenseröffnung zum Nachteil der Gläubiger vorgenommen worden sind3. „Krise“ in diesem Sinne sind nach der Entscheidung des Gesetzgebers aus Gründen der Rechtssicherheit die letzten drei Monate vor Insolvenzantragstellung4, in denen die Deckungsanfechtung den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung verwirklichen soll. Die weiter zurückgreifende Vorsatzanfechtung beruht dagegen nicht auf diesem Grundsatz, sondern schützt das Interesse der Gläubiger, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt5. Die damit beabsichtigte Anreicherung der den Gläubigern haftenden Insolvenzmasse soll also auch den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum) sicherstellen, da die Gläubigergesamtheit benachteiligende Vermögensabflüsse korrigiert und den Gläubigern zur gemeinschaftlichen Befriedigung (s. auch § 1 InsO) zur Verfügung gestellt werden sollen6. Die Insolvenzanfechtung will Handlungen erfassen, die im Hinblick auf eine Insolvenz, aber noch vor der formellen Verfahrenseröffnung vorgenommen werden.

5.496

Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte, die der Schuldner nach Insolvenzeröffnung vornimmt, sind dagegen nach § 81 InsO generell unwirksam, Leistungen an den Schuldner sind nur unter den Voraussetzungen des § 82 InsO für den Gläubiger schuldbefreiend. Kommt es allerdings nicht zu einer Eröffnung eines Verfahrens, wird es auch keine Insolvenzanfechtung geben; in diesem Fall verbleibt also der „Anfechtungsgegenstand“ beim (ansonsten) „Anfechtungsgegner“.

5.497

Neben der vor Verfahrenseröffnung vorgenommenen Rechtshandlung – der nach § 129 Abs. 2 InsO eine Unterlassung gleichsteht – ist weitere Anfechtungsvoraussetzung gemäß § 129 Abs. 1 InsO, das die Rechtshandlung7 bezüglich des Gemeinschuldnervermögens zu einer ob-

5.498

1 2

3 4 5 6 7

stmeier in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 270 InsO Rn. 5) und damit auch keinen (anfechtungsbefugten) Sachwalter. Für eine Verfahrenseinstellung nach § 207 InsO gilt das sinngemäß. Ein Insolvenzanfechtungsrechtsstreit kann allerdings unter den Voraussetzungen des § 259 Abs. 3 InsO nach Verfahrensaufhebung weitergeführt werden. H.M., vgl. z.B. BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 14/18, ZIP 2019, 37 = WM 2019, 42 (44, Rn. 21); BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 275/13, NZI 2015, 178 (Rn. 2); BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176 = NJW-RR 2007, 121 (122, Rn. 15 f.); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 79; Gehrlein ZInsO 2017, 128; s. auch Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 129 Rn. 6 ff., auch zu nicht der hM entsprechenden Ansichten. So BegrRegE InsO, Balz/Landfermann S. 226; s. auch Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 129 InsO Rn. 1. BegrRegE InsO, Balz/Landfermann S. 231. BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1920, Rn. 16). Kirchhof/Freudenberg in Münchner Kommentar zum InsO, 4. Aufl. 2019, Vorb. v. §§ 129–147 Rn. 2 f.; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 129 Rn. 5; Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 1; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 77. Auch bei einer Unterlassung kommt es auf die gläubigerbenachteiligende Wirkung und nicht auf die Verletzung einer speziellen Handlungspflicht an, BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 = WM 2014, 272 (274, Rn. 16).

Huber | 995

Fünfter Teil Rz. 5.498 | Kreditgeschäft

jektiven Gläubigerbenachteiligung geführt hat. Diese Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Insolvenzmasse durch die anfechtbare Rechtshandlung verkürzt wird, so dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger ohne die fragliche Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten; dies ist bei einer Verkürzung der Aktivmasse oder einer Vermehrung der Schuldenmasse anzunehmen, die den Gläubigerzugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert1. Es besteht ein Anscheinsbeweis, dass im eröffneten Verfahren die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu befriedigen2. Auch Kreditgeschäfte können gläubigerbenachteiligend sein, was gleich noch näher erläutert wird3.

5.499

Die Insolvenzordnung unterscheidet zwischen der Anfechtung kongruenter und inkongruenter Deckungen (§§ 130, 131 InsO), der Anfechtung vorsätzlicher Benachteiligungen (§ 133 InsO), der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen (§ 134 InsO), der Anfechtung von Sicherungen und Rückzahlungen von Gesellschafterdarlehen (§ 135 InsO) und enthält als Auffangtatbestand die Anfechtung unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen (§ 132 InsO; Einzelheiten s. Rn. 5.503 ff.).

5.500

Die einzelnen Anfechtungstatbestände beziehen sich auf Handlungen, die sich in einem Zeitraum bis zehn Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abgespielt haben können. Je näher ein Vorgang vor dem Insolvenzantrag liegt, desto mehr Anfechtungstatbestände können zum Zuge kommen. Am besten verdeutlicht dies die unter Rn. 1.390 wiedergegebene Zeittabelle, anhand derer auch die Anfechtungsmöglichkeiten im Kreditgeschäft dargestellt werden sollen.

5.501

Die dort aufgeführten einzelnen Anfechtungstatbestände stehen selbständig nebeneinander; sie lösen sich also einander nicht etwa ab, sondern können kumulativ vorliegen und gegen den Anfechtungsgegner geltend gemacht werden4. Die Anfechtungsvorschriften enthalten grundsätzlich eine abschließende Regelung der Rechtsfolgen, die durch anfechtbare Entziehungen von Werten aus dem Vermögen des Schuldners ausgelöst werden5. Ob derartige Vereinbarungen wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) nichtig sind, kann im Insolvenzfall

1 St.Rspr., z.B. BGH v. 15.11.2018 – IX ZR 229/17, ZIP 2019, 233 = WM 2019, 213 (214, Rn. 11); BGH v. 25.1.2018 – IX ZR 299/16, ZIP 2018, 385 = WM 2018, 328 (329, Rn. 9); BGH v. 28.1.2016 – IX ZR 185/13, ZIP 2016, 426 = WM 2016, 427 (429, Rn. 24); BGH v. 19.12.2013 – IX ZR 127/ 11, ZIP 2014, 231 = WM 2014, 226 (227, Rn. 7); BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 = WM 2010, 1986 (1988, Rn. 19); BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = NJWRR 2010, 118 (119, Rn. 25), jeweils m.w.N.; vgl. auch Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 160 ff.; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 129 Rn. 63; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 87; Gehrlein ZInsO 2021, 2701 ff.; Gehrlein ZInsO 2017, 128 (129); Onusseit ZInsO 2010, 2022 (2023). 2 BGH v. 6.2.2020 – IX ZR 5/19, WM 2020, 521 (522, Rn. 4); vgl. dazu Lang/Beck ZIP 2020, 1650 ff. 3 Soweit Kredite mit Sicherheiten unterlegt werden, wird wegen der möglichen Insolvenzanfechtung der Sicherungsgeschäfte auf die Erläuterungen unter Rn. 6.100 ff. verwiesen. 4 Kirchhof/Freudenberg in Münchner Kommentar zur InsO, 4. Aufl. 2019, Vorb. v. §§ 129–147 Rn. 94; Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 14; vgl. auch BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 = WM 2013, 174 (179, Rn. 47). Rühren aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt neben Anfechtungsansprüche auch materiell-rechtliche Rückgewähransprüche her, kann (nur) der Insolvenzverwalter sämtliche Ansprüche verfolgen, BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 14/18, ZIP 2019, 37 = WM 2019, 42 (44, Rn. 19). 5 BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, WM 2016, 1026 (1029, Rn. 43); BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/ 97, ZIP 1998, 793 (795).

996 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.504 Fünfter Teil

dahinstehen, da die Anfechtungsregeln der Insolvenzordnung vorrangig sind1. Weiter gehende Ansprüche wie z.B. auf Schadenersatz können nur erhoben werden, wenn besondere, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände hinzukommen, die dem Verhalten der Beteiligten den Charakter der Sittenwidrigkeit verleihen2: Letzteres wird durch die Anfechtbarkeit nicht indiziert3. Von den Anfechtungsmöglichkeiten reicht – abgesehen von dem Sonderfall der Gesellschafterdarlehen – auch nach der Änderung des § 133 InsO durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz4, das am 5.4.2017 in Kraft trat5, die Anfechtung vorsätzlicher Benachteiligungen am weitesten zurück; allerdings dürfte bei Kreditgeschäften die 10-Jahresfrist des § 133 Abs. 1 InsO nach der Änderung des § 133 Abs. 2 InsO bzw. der damit verbundenen Implementierung einer 4-Jahresfrist von letzterer abgelöst werden. Die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO kann sich leicht mit den oben dargestellten Sondertatbeständen für Nichtigkeit und Schadenersatzpflichten gegenüber dritten Gläubigern im Zusammenhang mit Kreditverträgen überlagern (vgl. Rn. 5.85 ff.).

5.502

1. Anfechtung wegen einer vorsätzlichen Benachteiligung Die Anfechtung wegen einer vorsätzlichen Benachteiligung richtet sich gegen eine Rechtshandlung, welche der Schuldner mit dem dem anderen Teile bekannten Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen hat (§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO). Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt nach § 133 Abs. 2 InsO die Frist (nicht zehn, sondern nur) vier Jahre. Alleine eine Rechtshandlung des Schuldners, nicht aber eines Dritten, verlangt § 133 InsO6. Als „kreditgeschäftliche“ Rechtshandlung im Sinne dieser Vorschrift kommen sowohl der Abschluss eines Kreditvertrages bzw. die Auszahlung des Kredits als auch dessen Rückzahlung in Betracht.

5.503

a) Abschluss eines Kreditvertrags und Auszahlung der Kreditsumme Grundsätzlich stellen weder der Abschluss eines Kreditvertrags noch die Auszahlung des Kreditbetrags eine Gläubigerbenachteiligung dar, so dass wegen dieser Rechtshandlungen keine Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO in Betracht kommen kann. Denn dem Kunden werden

1 BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058 = WM 2016, 1026 (1029, Rn. 43 u. 1030, Rn. 54); BGH v. 18.2.1993 – IX ZR 129/92, ZIP 1993, 521 = WM 1993, 738 (739 f.); OLG Düsseldorf v. 20.5.2014 – I-12 U 96/12, ZInsO 2015, 99. 2 BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058 = WM 2016, 1026 (1029, Rn. 43); BGH v. 23.4.2002 – XI ZR 136/01, ZIP 2002, 1155 = WM 2002, 1186 (1189); BGH v. 4.7.2000 – VI ZR 192/99, ZIP 2000, 1539 = WM 2000, 1855 (1856); Beispiele s. Thole WM 2010, 685 ff. 3 OLG Hamburg v. 22.2.1985 – 11 W 86/84, ZIP 1985, 352 = WM 1985, 773 (774 f.). 4 Gesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654. 5 Die bis zum Inkrafttreten am 5.4.2017 geltenden Vorschriften sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 5.4.2017 eröffnet worden sind, weiter anzuwenden (Art. 103j EGInsO); soweit erforderlich, wird auf den alten Gesetzeszustand eingegangen. 6 BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 = WM 2014, 272 (273, Rn. 7); Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 133 InsO Rn. 4; Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 8; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 121.

Huber | 997

5.504

Fünfter Teil Rz. 5.504 | Kreditgeschäft

zusätzliche Geldmittel zugeführt, durch welche die spätere Insolvenzmasse angereichert wird. Selbst wenn kreditvertraglich ein im Verhältnis zu ähnlichen Krediten erhöhter Zinssatz vereinbart wird, kann daraus noch nicht auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Kreditnehmers geschlossen werden. Denn die Höhe der Zinsen wird lediglich die Höhe des Risikos widerspiegeln, das die Bank mit der Auszahlung von Krediten in einer kritischen Phase eingeht1. Eine Gläubigerbenachteiligung wird erst dann einsetzen, wenn sich der vereinbarte Zinssatz dem Wucherzins nähert – er sich also nach Maßgabe der BGH-Rechtsprechung zu § 138 Abs. 2 BGB in Richtung Übersteigen des marktüblichen Effektivzinses um das Doppelte oder absolut um 12 Prozentpunkte bewegt2 – und der Schuldner dies bewusst akzeptiert hat, um den Geldgeber auf diese Art und Weise zu begünstigen. b) Rückzahlung

5.505

Demgegenüber stellt eine Rückzahlung grundsätzlich einen Vorteil für den befriedigten und spiegelbildlich einen Nachteil für die übrigen Gläubiger dar, so dass die Gläubigerbenachteiligung indiziert ist.

5.506

Keine Rückzahlung im insolvenzrechtlichen Sinn stellen reine Umbuchungen oder Umschuldungen dar, bei denen der Kredit auf einem Konto durch Überträge von einem anderen Konto oder durch Vereinbarung eines neuen Kredits zur Ablösung des bestehenden „getilgt“ wird, solange sich an dem Gesamtobligo des Kunden und dem Gesamtrisiko der Bank nichts ändert3. Anders soll es sich verhalten, wenn die für die Rückzahlung des einen Kredits notwendigen Mittel durch einen anderen, bei derselben Bank während der Krise neu aufgenommenen Kredit aufgebracht werden4. Das Gericht will beide Rechtsgeschäfte getrennt voneinander beurteilen, übersieht dabei jedoch, dass der neue zur Verfügung gestellte Kreditrahmen und der darauf beruhende, auch der späteren Masse zugerechnete Auszahlungsanspruch von vornherein mit dem Pfandrecht nach Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (Nr. 21 AGB Sparkassen) belastet ist und somit keinen selbständigen Vermögenswert darstellt, dessen Verlust die Gläubiger benachteiligen würde.

5.507

Erfolgt eine Rückzahlung auf einen Kredit, für den eine werthaltige Besicherung (anfechtungsfest) bestellt worden ist, fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung, denn mit der Rückzahlung wird die Sicherheit entsprechend frei bzw. ist freizugeben5. Überschreitet die Rückzahlung den Wert des Sicherungsguts, kommt in Höhe der Differenz eine Gläubigerbenachteiligung in Betracht. Ferner liegt keine Gläubigerbenachteiligung vor, wenn ein Dritter die

1 Kruppa, Die Bankenhaftung bei der Sanierung einer Kapitalgesellschaft im Insolvenzfall, 1982, S. 53 f. 2 Vgl. Armbrüster in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2021, § 138 Rn. 153, Rn. 205 ff., Rn. 223 ff.; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 138 Rn. 27. 3 BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 207/10, ZIP 2012, 931 = WM 2012, 886 (887, Rn. 11 ff.); BGH v. 3.6.2008 – XI ZR 353/07, ZIP 2008, 1624 = WM 2008, 1298 (1299, Rn. 18 f.); BGH v. 10.7.2008 – IX ZR 142/07, ZIP 2008, 1695 = WM 2008, 1606 (Rn. 2); OLG Naumburg v. 15.2.2006 – 5 U 158/ 05, WM 2006, 1677 (1678). Zur Ablösung eines Kredits durch ein anderes Kreditinstitut s. Rn. 5.539 ff. 4 AG Kempen v. 19.10.2006 – 14 C 80/06, ZIP 2006, 2088 (2089) sowie ZIP 2007, 1025. 5 BGH v. 19.12.2013 – IX ZR 127/11, ZIP 2014, 231 = WM 2014, 226 (227, Rn. 8); BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 39/08, ZIP 2009, 817 = WM 2009, 812 (813, Rn. 13); BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 148/07, ZIP 2008, 1593 = WM 2008, 1606 (1607, Rn. 14); OLG Nürnberg v. 30.1.2008 – 4 U 792/07, DZWIR 2008, 481 (483).

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E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.510 Fünfter Teil

Schuld zurückzahlt, ohne gegenüber dem Schuldner verpflichtet gewesen zu sein1. Dann kommt es lediglich zu einem Gläubigerwechsel, wobei die Belastung der Masse mit Rückgriffsansprüchen durch ihre Befreiung von der Verbindlichkeit ausgeglichen wird. Ob eine Kreditrückzahlung zu einer Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO führen kann, hängt neben der Rechtshandlung von weiteren Parametern ab. Obwohl dies aus dem Wortlaut von § 133 Abs. 1 InsO unmittelbar nicht entnommen werden kann, ist zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung, also der Rückzahlung fälliger Kredite und der Rückzahlung vor Fälligkeit zu unterscheiden. Weiterhin kann es darauf ankommen, ob der Schuldner die Gelder, die er für die Rückzahlung verwendet, aus eigenen Mitteln aufbringt oder ob eine neue Bank den bisherigen Kreditgeber ablöst. Von Bedeutung ist ferner, ob der Schuldner freiwillig zahlt oder er dazu durch Zwangsvollstreckung veranlasst oder die Schuld beigetrieben wird.

5.508

aa) Rückzahlung bei Fälligkeit Zahlt der Kreditnehmer bei Fälligkeit den gesamten Kreditbetrag oder einzelne Kreditbeträge zurück, so schließt allein der Umstand, dass die Bank einen klagbaren Anspruch auf die Zahlung in diesem Zeitpunkt besaß, die Anfechtung noch nicht aus. Auch eine völlig kongruente Deckung, bei der der Schuldner dem Gläubiger mit der angefochtenen Rechtshandlung nur das gewährt, worauf dieser einen Anspruch hatte, kann nämlich nach § 133 Abs. 1, 2 InsO anfechtbar sein2; dies hat auch die 2017 erfolgte Ergänzung in § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO, die sich explizit auf eine kongruente Deckung bezieht, bestätigt. Es muss aber immer ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Rechtshandlung und der wirtschaftlichen Lage der Masse in der Weise bestehen, dass sich die Befriedigung der Insolvenzgläubiger ohne die angefochtene Handlung günstiger gestaltet hätte3. Für die Anfechtbarkeit kommt es auch ganz wesentlich auf die subjektive Seite an, denn insoweit verlangt § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO, dass der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hat und der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

5.509

(1) Benachteiligungsvorsatz des Schuldners Ein Benachteiligungsvorsatz ist anzunehmen, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge seines Handelns – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebenswerten anderen Vorteils4 – erkannt und gebilligt hat5. Da der 1 BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 16/18, ZIP 2019, 1972 = WM 2019, 1886 (1887 f., Rn. 17); BGH v. 12.4.2018 – IX ZR 88/17, ZIP 2018, 1033 = WM 2018, 958 (959, Rn. 11); BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, ZIP 2008, 2182 = WM 2008, 2224 (2225, Rn. 9); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 121. 2 Z.B. BGH v. 18.7.2019 – IX ZR 258/18, ZIP 2019, 1624 = WM 2019, 1605 (1607, Rn. 22); BGH v. 4.5.2017 – IX ZR 285/16, ZIP 2017, 1232 = WM 2017, 1221 (1222, Rn. 7); Gehrlein in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 133 InsO Rn. 25; Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 41 m.w.N. 3 Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 32 i.V.m. § 129 Rn. 159 ff., 169. 4 OLG Düsseldorf v. 12.11.2015 – I-12 U 18/15, ZIP 2016, 236 = ZInsO 2016, 44 (45). 5 BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 264/18, ZIP 2019, 1921 = WM 2019, 1849 (1853, Rn. 27); BGH v. 12.10.2017 – IX ZR 50/15, ZIP 2017, 2368 = WM 2017, 2322 (2323, Rn. 9); BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 = WM 2016, 172 (173, Rn. 16); BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, ZIP 2015, 437 = WM 2015, 381 (382, Rn. 12); BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 =

Huber | 999

5.510

Fünfter Teil Rz. 5.510 | Kreditgeschäft

Benachteiligungsvorsatz – ebenso wie die gleich noch zu erörternde Kenntnis des anderen Teile – eine innere Tatsache ist, die gleichwohl als Tatfrage im Anfechtungsprozess festgestellt werden muss1, kann deren Vorliegen meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden2. Solche Tatsachen stellen nach der Rechtsprechung „nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen dar, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen“3. Bis zur Entscheidung des BGH v. 6.5.20214 war es grundsätzlich so, dass ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kannte, in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz handelte; der Vorsatz war auch zu vermuten, wenn er seine drohende Zahlungsunfähigkeit kannte5.

5.511

Mit Urteil vom 6.5.2021 hat der BGH seiner Rechtsprechung zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und der Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon eine „neue Ausrichtung“ gegeben6. Um künftig zu vermeiden, dass im Falle der Gewährung einer kongruenten Deckung der Schluss von der erkannten Zahlungsunfähigkeit auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung zu einem weitgehenden Gleichlauf mit den Voraussetzungen der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und damit faktisch zu einer Verlängerung des für die Deckungsanfechtung maßgeblichen Zeitraums von drei Monaten auf zehn

1 2

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ZIP 2006, 1261 (194, Rn. 14 m.w.N.); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 35. Die Wissenszurechnung Dritter erfolgt nach den allgemeinen Regeln. Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 133 Rn. 22. BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 53/19, ZIP 2022, 704 = WM 2022, 589 (590, Rn. 9); BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1340, Rn. 11); BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1920 f., Rn. 17); BGH v. 18.1.2018 – IX ZR 144/16, ZIP 2018, 432 = WM 2018, 433 (434, Rn. 10); BGH v. 14.9.2017 – IX ZR 3/16, ZIP 2017, 2370 = WM 2017, 2319 (Rn. 8); BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, ZIP 2015, 437 = WM 2015, 381 (384, Rn. 25); BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 49/13, ZIP 2013, 2318 = WM 2013, 2272 (2273, Rn. 8); BGH v. 7.11.20, ZIP 2013, 236813 – IX ZR 248/12, WM 2013, 2233 (2234, Rn. 7); s. auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 123. BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 49/13, ZIP 2013, 2318 = WM 2013, 2272 (2273, Rn. 8); BGH v. 7.11.20, ZIP 2013, 236813 – IX ZR 248/12, WM 2013, 2233 (2234, Rn. 7); s. auch BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1340 f., Rn. 12); BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1920 f., Rn. 17); BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, ZIP 2020, 1191 = WM 1074 (1075, Rn. 10). BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339. BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, WM 1074 (1075, Rn. 10); BGH v. 21.11.2019 – IX ZR 238/18, WM 2020, 100 (102, Rn. 23); BGH v. 18.1.2018 – IX ZR 144/16, WM 2018, 433 (434, Rn. 10); BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, NJW 2015, 2113 (2114, Rn. 11); BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, WM 2015, 381 (382, Rn. 12); BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (195, Rn. 14). Auch wenn für nach dem 4.4.2017 eröffnete Verfahren – dazu Rn. 5.517 – die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO bei einer kongruenten Deckungshandlung zulasten des Anfechtungsgegners erst bei einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit greift, sollte auch für diesen Fall für den Schuldner die Vermutungswirkung der drohenden Zahlungsunfähigkeit aufrechterhalten bleiben, Thole ZIP 2017, 401 (404). BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1343, Rn. 30); bestätigt durch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527; BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 53/19, ZIP 2022, 704 = WM 2022, 589; BGH v. 24.2.2022 – IX ZR 250/20, ZIP 2022, 654 = WM 2022, 522 und BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477, diese Entscheidungen zusammenfassend Schneider DB 2022, 1051.

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E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.512 Fünfter Teil

Jahre nach altem Recht bzw. vier Jahre nach neuen Recht führt1, soll der Bezugspunkt für die Beurteilung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes erweitert werden2. Dafür soll künftig maßgeblich sein, ob der Schuldner wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können, wobei entsprechendes für die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners gelten soll3. Die bisherige Zeitpunktbetrachtung wurde also für die Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO durch eine Zeitraumbetrachtung konkretisiert. Für die Feststellung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit sollen weiterhin die hergebrachten Grundsätze gelten; insbesondere kann weiterhin von der erkannten Zahlungseinstellung auf die erkannte Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden4. So wird bei einer eigenen Erklärung des Schuldners, er könne eine fällige und nicht unbeträchtliche Verbindlichkeit binnen drei Wochen nicht – und zwar auch nicht nur ratenweise – begleichen, in aller Regel von seiner Zahlungseinstellung im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung auszugehen sein; dies gilt erst Recht, wenn er ausdrücklich erklärt, zahlungsunfähig zu sein5. Fehlt es an einer (ausdrücklichen) Erklärung des Schuldners, müssen die für eine Zahlungseinstellung sprechenden Umstände ein der Erklärung entsprechendes Gewicht haben; Zahlungsverzögerungen allein, auch wenn sie wiederholt auftreten, reichen dafür nicht, vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die mit hinreichender Gewissheit dafür sprechen, dass die Zahlungsverzögerung auf der fehlenden Liquidität des Schuldners beruht6. Zur erkannten Zahlungsunfähigkeit muss nun hinzukommen, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Rechtshandlung wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine anderen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können7. Von Bedeutung ist nach der Rechtsprechung „in diesem Zusammenhang die im Moment der angefochtenen Rechtshandlung bestehende Deckungslücke zwischen dem liquiden Vermögen des Schuldners und seinen Verbindlichkeiten“8. Hatte die Deckungslücke ein Ausmaß erreicht, das „selbst bei optimistischer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung in absehbarer Zeit keine vollständige Befriedigung der bereits vorhandenen und der absehbar hinzutretenden Gläubiger erwarten ließ, musste dem Schuldner klar sein,

1 So BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1343, Rn. 33 mit anschließender ausführlicher Begründung in Rn. 33 ff.). Zu diesem sog. Abstandsgebot Ganter NZI 2021, 945 (949 f.). 2 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1344, Rn. 36); s. auch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (529, Rn. 18 f.). 3 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1343, Rn. 30). 4 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1344, Rn. 41); s. auch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (529, Rn. 22), BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 53/19, ZIP 2022, 704 = WM 2022, 589 (590, Rn. 11). 5 So BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1344, Rn. 41); s. auch BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477 (480, Rn. 22). 6 Vgl. BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1344 f., Rn. 41 f.); s. auch BGH v. 28.4.2022 – IX ZR 48/21, ZIP 2022, 1341 = WM 2022, 1287 (1289, Rn. 29); BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477 (480, Rn. 27). 7 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1345, Rn. 46); s. auch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (529, Rn. 19), BGH v. 24.2.2022 – IX ZR 250/20, ZIP 2022, 654 = WM 2022, 522 (523, Rn. 21), BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477 (478 f., Rn. 13). 8 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1345, Rn. 46).

Huber | 1001

5.512

Fünfter Teil Rz. 5.512 | Kreditgeschäft

dass er nicht einzelne Gläubiger befriedigen konnte, ohne andere zu benachteiligen“1. Der Schuldner handelt demnach mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er in dieser Situation einzelne Gläubiger befriedigt.

5.513

Zum Zeitraum der „absehbaren Zeit“ führt der BGH nur aus, dass bei einer bestehenden – vom Ausmaß der bestehenden Deckungslücke und der aus objektiver Sicht erwartbaren und vom Schuldner erkannten Entwicklung abhängigen – Aussicht „auf nachhaltige Beseitigung der gegenwärtigen Zahlungsunfähigkeit“ dem Schuldner der dafür erforderliche Zeitraum verbleiben muss, was von der Krisenursache2, aber auch vom Verhalten der übrigen Gläubiger abhängt3. Wenig später hat er dies dahin konkretisiert, dass sich für den Zeitraum, den der Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat, für eine künftige Befriedigung seiner Gläubiger in Betracht ziehen darf, keine Begrenzung aus der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO oder dem Zahlungsverbot nach § 15b InsO ergibt4. Die Voraussetzungen, unter denen der Schuldner mit Benachteiligungsvorsatz handelt, sind nicht deckungsgleich mit dem vom Gesetzgeber für die Insolvenzantragspflicht bestimmten Zeitraum, da es bei der Vorsatzanfechtung um eine rechtfertigende Grundlage für den Eingriff in die Vermögensposition des Empfängers geht, was insbesondere für kongruente Deckungen gilt, bei denen die Anforderungen im Hinblick auf die zeitliche Begrenzung der Deckungsanfechtung nach § 130 InsO eigenständig zu bestimmen sind5. Die Vorsatzanfechtung regelt den Interessenkonflikt zwischen dem Schuldner, der Gesamtheit der Gläubiger und dem Empfänger der Leistung, während die Bestimmungen der §§ 15a, 15b InsO den Interessenkonflikt zwischen den Organen des Schuldners, dem Schuldner und der Gesamtheit der Gläubiger regeln6. Die Unterschiede seien „grundlegend“7, so dass „die aus §§ 15a, 15b InsO folgenden Fristen und Unterlassungsgebote ... daher nicht über die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO (bestimmen)“8. Welchen Zeitraum ein Schuldner in Betracht ziehen kann, unterliegt also alleine tatrichterlicher Würdigung9. Sieht sich der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung „erheblichem Mahn- und/oder Vollstreckungsdruck ausgesetzt, begrenzt dies den für eine Beseitigung der vorhandenen Deckungslücke zur Verfügung stehenden Zeitraum10. Der Schuldner darf auch keinen Zeitraum in seine Überlegungen einbeziehen, der ihm unter Berücksichtigung des Verhaltens seiner übrigen Gläubiger nicht zur Verfügung steht; er handelt dann mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz11. 1 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1345, Rn. 46); s. auch BGH v. 28.4.2022 – IX ZR 48/21, ZIP 2022, 1341 = WM 2022, 1287 (1288, Rn. 15); BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (529 f., Rn. 23), BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 53/19, ZIP 2022, 704 = WM 2022, 589 (590 f., Rn. 13); BGH v. 24.2.2022 – IX ZR 250/20, ZIP 2022, 654 = WM 2022, 522 (523 f., Rn. 21 ff.). 2 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (530, Rn. 26). 3 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1345, Rn. 47). 4 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (530, Rn. 27); s. auch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 53/19, ZIP 2022, 704 = WM 2022, 589 (591, Rn. 19). 5 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (530, Rn. 28). 6 Vgl. ausführlich BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (530 f., Rn. 28 ff.). 7 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (531, Rn. 31). 8 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (531, Rn. 32). 9 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (530, Rn. 27). 10 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1345, Rn. 47); s. auch BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477 (480, Rn. 23). 11 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1345, Rn. 47); s. auch BGH v. 28.4.2022 – IX ZR 48/21, ZIP 2022, 1341 = WM 2022, 1287 (1288, Rn. 15).

1002 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.515 Fünfter Teil

Der BGH nimmt in dieser Entscheidung auch die erkannte drohende Zahlungsunfähigkeit in den Blick. Er will an dem Schluss von dieser Erkenntnis auf die subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO nicht mehr festhalten1, schließt es aber nicht aus, dass auch im Stadium der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit vorgenommene Deckungshandlungen nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sein können, wenn z.B. „im Zustand der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit und in der sicheren Erwartung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit mit den noch vorhandenen Mitteln gezielt bestimmte (womöglich nahestehende) Altgläubiger außerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs befriedigt werden“2. Damit kann bei der Deckungsanfechtung eine drohende Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich nur noch dann ein „Ausgangspunkt“ für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sein, wenn weitere besondere Umstände hinzutreten3; die Anforderungen an die Darlegung dieser weiteren besonderen Umstände dürften hoch sein4.

5.514

Die erkannte Zahlungsunfähigkeit ließ zwar schon bisher nicht stets auf einen Benachteiligungsvorsatz schließen5. Nach der Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung bei der Frage der Anfechtbarkeit einer Rückzahlung bei Fälligkeit ist eine solche „Einzelfallbetrachtung“ zum Regelfall geworden. Bei einer Rückzahlung bei Fälligkeit liegt grundsätzlich eine kongruente – und nicht eine inkongruente (vgl. dazu Rn. 5.579 ff.) – Deckung vor, bei der aber auch ein Benachteiligungsvorsatz zu bejahen sein kann6, wenn die Voraussetzungen nach der Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung gegeben sind. Wenn der Schuldner also seine Zahlungsunfähigkeit kennt und weiß, dass er seine Gläubiger auch künftig wird nicht befriedigen können, kann Vorsatzanfechtung auch künftig in Betracht kommen, wenn der Schuldner z.B. in Kenntnis der genannten Umstände eine Geldstrafe begleicht7, er noch einzelne Gläubiger befriedigt, um sie von der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten8 oder er im Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens erkannt hat, dass er sich damit selbst der Mittel beraubt hat, die er zur wenigstens anteilmäßigen Befriedigung seiner übrigen Gläubiger benötigt9. Auch weiterhin wird alleine das Bewusstsein des Schuldners, dass seine Handlung für die übrigen Gläubiger nachteilig sein kann, regelmäßig nicht für die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes ausreichen, wenn es sich um eine kongruente Deckung handelte und es dem Schuldner vornehmlich darauf ankam, im Zuge des normalen Geschäftsverkehrs eine bestehende und fällige Verpflichtung zu erfüllen10. Bis zur Änderung des § 142 InsO (vgl. dazu Rn. 5.517) war ein unlauteres Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger ebenso wenig für den Benachtei-

5.515

1 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1344, Rn. 39). 2 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1344, Rn. 40); s. auch BGH v. 23.6.2022 – IX ZR 75/21, ZIP 2022, 1608 (1610, Rn. 19 u. Rn. 22). 3 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (529, Rn. 20 u. 533, Rn. 54). 4 Ellers DB 2021, 2678 (2679). 5 BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, ZIP 2020, 1191 = WM 1074 (1075, Rn. 10). 6 S. auch BGH v. 12.10.2017 – IX ZR 50/15, ZIP 2017, 2368 = WM 2017, 2322 (2323, Rn. 9); BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 = WM 2008, 452 (453, Rn. 19). 7 Dazu BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 = WM 2014, 1868 (1870, Rn. 17); s. auch BGH v. 12.10.2017 – IX ZR 50/15, ZIP 2017, 2368 = WM 2017, 2322 (2324, Rn. 20). 8 Vgl. Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 41 ff. und Rn. 89 ff. 9 Zu weiteren Indiztatsache vgl. BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (533, Rn. 55 f. u. 538, Rn. 102 ff.); BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 53/19, ZIP 2022, 704 = WM 2022, 589 (590 f., Rn. 11 ff. insbesondere zur Überschuldung); BGH v. 24.2.2022 – IX ZR 250/20, ZIP 2022, 654 = WM 2022, 522 (524, Rn. 22 ff.). 10 S. dazu BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 = NJW 2013, 611 (612, Rn. 15); BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512 = WM 2004, 1587 (1588).

Huber | 1003

Fünfter Teil Rz. 5.515 | Kreditgeschäft

ligungsvorsatz erforderlich wie irgendeine Art von Treu- oder Sittenwidrigkeit1. Nunmehr verlangt § 142 Abs. 1 InsO für die Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften ein unlauteres Handeln des Schuldners, das der andere Teil erkannt haben muss. Da Kreditgewährung und Kreditrückzahlung nicht als Bargeschäft eingeordnet werden können, da die Rückzahlung keine unmittelbare Gegenleistung für die Darlehensgewährung darstellt2, ist die Gesetzesänderung nur relevant, wenn werthaltige Sicherheiten „im Spiel sind“ (vgl. dazu Rn. 6.142 ff.). Demzufolge setzt der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz (auch) für die Kreditrückzahlung unverändert ein unlauteres Zusammenwirken nicht voraus3.

5.516

Bei einem kongruenten Deckungsgeschäft sind demnach an Darlegung und Beweis des Benachteiligungsvorsatzes durch den Insolvenzverwalter4 erhöhte Anforderungen zu stellen5. Ein Benachteiligungsvorsatz liegt wie bisher nahe, wenn der Schuldner in Kenntnis seiner, auch künftig nicht zu beseitigenden Zahlungsunfähigkeit mit der Befriedigung gerade dieses Gläubigers Vorteile für sich erlangen oder Nachteile von sich abwenden will. Einem Schuldner, der weiß, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und der Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung eines Insolvenzantrags abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen in Kauf6. Dies gilt vor allem, wenn der Gläubiger einen zwar gesetzmäßigen, aber massiven Druck ausübt (z.B. durch die Drohung, „die Bude dicht zu machen“)7. Dagegen können Beweisanzeichen, die einen Benachteiligungsvorsatz (und eine Kenntnis) nahelegen, zurücktreten, wenn die Rechtshandlung von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet worden ist und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger in den Hintergrund getreten ist8 oder der Schuld-

1 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, ZIP 2008, 1291 = NJW 2008, 2506 (2507, Rn. 20); BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 = WM 2008, 231 (232, Rn. 18); Kayser/Freudenberg in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 133 Rn. 13 ff. 2 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 271/12, NZI 2013, 816 (Rn. 4); BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, WM 2006, 1159 (1162, Rn. 33); OLG Celle v. 8.10.2012 – 13 U 95/12, ZInsO 2012, 2050 (2051). 3 Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 40 und Rn. 52. 4 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1345, Rn. 48); s. auch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (539, Rn. 109); BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 53/19, ZIP 2022, 704 = WM 2022, 589 (592, Rn. 24 ff.: keine Erleichterung durch Vorlage einer Handelsbilanz, die einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweist); BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477 (479, Rn. 17 ff.: sekundäre Darlegungslast des Insolvenzverwalters für die Fortdauervermutung, wenn der Anfechtungsgegner einen Umstand beweist oder ein solcher unstreitig ist, der eine Wiederaufnahme der Zahlungen im Allgemeinen als möglich erscheinen lässt). 5 S. auch BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512 = WM 2004, 1587 (1588); zu verbreiteten Verteidigungsargumenten von Gläubigern s. Meier ZInsO 2015, 339 ff.; Meier ZInsO 2015, 1534 ff. 6 S. auch BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 = NJW 2013, 611 (612, Rn. 15); BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512 = WM 2004, 1587 (1588); BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799 = WM 2003, 1923 (1925). 7 BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799 = WM 2003, 1923 (1925). 8 BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 264/18, ZIP 2019, 1921 = WM 2019, 1849 (1853, Rn. 29); BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1704, Rn. 9); BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 14); BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894 = WM 2013, 763 (764 f., Rn. 11); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 96.

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E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.519 Fünfter Teil

ner eine kongruente Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines eigenen Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im allgemeinen nützt1. Bis zur Änderung des § 133 InsO durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz2, das am 5.4.2017 in Kraft trat3, konnte sich die Anfechtung auf alle Rechtshandlungen erstrecken, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden waren; dennoch war der zeitliche Anwendungsbereich von § 133 Abs. 1 InsO aus praktischen Gesichtspunkten beschränkt. Mit der Änderung ist der Anfechtungszeitraum für Deckungshandlungen auf vier Jahre beschränkt worden (§ 133 Abs. 2 InsO). Einen Benachteiligungsvorsatz konnte und kann der Kreditnehmer nur dann hegen, wenn im Zeitpunkt der Rückzahlung des Kredits sein Vermögen erkennbar nicht mehr ausreicht, seine Gläubiger sämtlich zu befriedigen, wenn er also schon überschuldet ist oder wenn er wenigstens schon einen Anlass hatte, mit dem baldigen Eintritt einer Krise zu rechnen4. Aber selbst dann wird es dem Schuldner bei der Rückzahlung mehr auf die Erfüllung seiner Pflicht als auf die Schädigung seiner übrigen Gläubiger ankommen.

5.517

(2) Kein Benachteiligungsvorsatz bei ernsthaften Sanierungsbemühungen Ein klassischer Anwendungsfall für den „Ausschluss“ eines Benachteiligungsvorsatzes durch einen anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen (s. dazu Rn. 5.516) liegt vor, wenn der Schuldner einen ernsthaften Sanierungsversuch unternimmt und in dem Zusammenhang mit der planmäßigen Erfüllung einer Bankverbindlichkeit die Kreditbereitschaft der Bank erhalten will, auf die er für eine erfolgreiche Sanierung angewiesen ist5. Denn das Motiv, das sanierungsbedürftige Unternehmen – und zwar auch im Interesse der Gläubiger – zu erhalten, wird einer verantwortungsbewussten Unternehmensführung regelmäßig näher liegen als die bloße Verzögerung des Insolvenzverfahrens auf Kosten der Gläubiger. Dazu gehört vor allem die pünktliche Erfüllung von Verpflichtungen, die schon vor dem Beginn von ernsthaften Sanierungsbemühungen vereinbart worden waren und nun fristgerecht zu erfüllen sind. Kommt es später – regelmäßig weil die Sanierung nicht erfolgversprechend war oder sie fehlgeschlagen ist – zur Frage, ob Zahlungen nach § 133 InsO anzufechten sind, ist die Situation stets ex ante zu beurteilen6.

5.518

Sanierungsbemühungen sprechen aber nur dann gegen den Benachteiligungsvorsatz, wenn sie nach den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgen, also zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein fachgerechtes Sanierungskonzept beauftragt worden ist, mit dem

5.519

1 BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 264/18, ZIP 2019, 1921 = WM 2019, 1849 (1853, Rn. 29); BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, ZIP 2016, 2423 = WM 2017, 51 (55, Rn. 31); BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, ZIP 2014, 1491 = WM 2014, 1488 (1493, Rn. 44). 2 Gesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654. 3 Die bis zum Inkrafttreten am 5.4.2017 geltenden Vorschriften sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 5.4.2017 eröffnet worden sind, weiter anzuwenden (Art. 103j EGInsO). 4 S. auch BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12, ZIP 2013, 2368 = WM 2013, 2233 (2234 f., Rn. 13); BGH v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, ZIP 2004, 957 = WM 2004, 1037 (1039); BGH v. 21.1.1999 – IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406 = WM 1999, 456 (458). 5 OLG Düsseldorf v. 30.6.1983 – 6 U 120/81, ZIP 1983, 786 (797 f.). 6 BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (534, Rn. 70).

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Fünfter Teil Rz. 5.519 | Kreditgeschäft

festgestellt worden soll, ob eine Sanierung erfolgversprechend ist1, oder bereits ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegt, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist2 und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt3. Auch eine inkongruente Deckung, die Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist, lässt den Benachteiligungsvorsatz entfallen4. Anders wäre es nur, wenn die Geschäftsführung die Erfolglosigkeit von Sanierungsversuchen bereits als eine naheliegende Möglichkeit erkennt, gleichwohl unter Verletzung ihrer Insolvenzantragspflicht aussichtslose Sanierungsbemühungen fortsetzt und durch die bevorzugte Erfüllung der Forderungen eines Gläubigers die Benachteiligung der übrigen Gläubiger bewusst herbeiführt5. Ebenso wenig räumt die bloße Hoffnung des Schuldners auf eine Sanierung seinen Benachteiligungsvorsatz aus, wenn die dazu erforderlichen Bemühungen über die Entwicklung von Plänen und die Erörterung von Hilfsmöglichkeiten nicht hinausgekommen sind6. (3) Kenntnis der Bank vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz

5.520

Neben Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligungsvorsatz setzt eine Anfechtung nach § 133 InsO weiter voraus, dass das Kreditinstitut den Vorsatz des Kreditnehmers zur Gläubigerbenachteiligung kannte7. Da die positive Kenntnis des Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz – Kennenmüssen reicht nicht aus8 – ebenso wie der erörterte (s. Rn. 5.510 ff.)

1 Zu dieser Überbrückungsphase vgl. Rn. 5.199 ff.; zu möglichen Änderungen durch die Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung vgl. Ellers DB 2021, 2678 (2684). 2 In Ausnahmefällen kann auf dieses Element verzichtet werden, vgl. BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/ 20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (535, Rn. 79 f.). 3 BGH v. 23.6.2022 – IX ZR 75/21, ZIP 2022, 1608 (1611 f., Rn. 32); BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/ 20, WM 2022, 527 (534, Rn. 76 f.); BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, WM 2018, 1703 (1704 f., Rn. 9 f.); BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, WM 2016, 1182 (1184, Rn. 14 f.); BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, WM 2013, 763 (764 f., Rn. 11); BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, WM 2013, 180 (182, Rn. 17); OLG Düsseldorf v. 20.2.2014 – I-12 U 91/13, NZI 2015, 73 (74); Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 133 InsO Rn. 20; dazu z.B. auch Huber ZInsO 2018, 1761 (1766 f.); Huber NZI 2015, 489 f. 4 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894 = WM 2013, 763 (764 f., Rn. 11); BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 = WM 2012, 146 (147, Rn. 11); BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, ZIP 2009, 91 = WM 2009, 117 (123, Rn. 52); OLG Düsseldorf v. 20.2.2014 – I-12 U 91/13, NZI 2015, 73 (74 f.); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 129. 5 S. auch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (534, Rn. 77); BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 = WM 2012, 146 (147, Rn. 15); BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, ZIP 2009, 91 = WM 2009, 117 (122, Rn. 46). 6 BGH v. 23.6.2022 – IX ZR 75/21, ZIP 2022, 1608 (1612, Rn. 33); BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, WM 2018, 1703 (1705, Rn. 10); BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, WM 2016, 1182 (1184, Rn. 15); BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, WM 2013, 180 (182, Rn. 18); BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, WM 2012, 146 (147, Rn. 11); Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 133 InsO Rn. 21; Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 137. 7 BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1704, Rn. 9); BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 13); BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 = WM 2013, 180 (182, Rn. 24); BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 = WM 2012, 146 (147 f., Rn. 16 u. Rn. 18); BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, ZIP 2009, 91 = WM 2009, 117 (122, Rn. 46); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 49 ff. u. Rn. 141. 8 Vgl. nur Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 51 m.w.N.

1006 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.521 Fünfter Teil

Gläubigerbenachteiligungsvorsatz eine innere Tatsache ist, die als Tatfrage im Anfechtungsprozess ebenfalls festgestellt werden muss, kann ihr Vorliegen wiederum meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen, sog. Beweisanzeichen, hergeleitet werden1. Auch für ein Kreditinstitut als Anfechtungsgegner gilt die Neuausrichtung der Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung2. Es muss nicht nur wie bisher die Zahlungsunfähigkeit erkannt haben, sondern im maßgeblichen Zeitpunkt zusätzlich wissen, dass der Schuldner seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht wird befriedigen können, was sich nach den ihm bekannten objektiven Umständen richtet3. Nur soweit es um die Kenntnis des anderen Teils von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit geht – nicht aber für andere Beweisanzeichen –, hat der Gesetzgeber in § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO eine Vermutungsregel aufgestellt4. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz5 wurde diese Vermutung durch § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO dahin ergänzt, dass bei einer Rechtshandlung, die dem anderen Teil eine kongruente Deckung verschafft hat, an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit die eingetretene tritt. Ob die Ergänzung als solche tatsächlich zu signifikant weniger Anfechtungen von Deckungshandlungen führt, bleibt abzuwarten, denn meistens lag den relevanten Entscheidungen eingetretene Zahlungsunfähigkeit in Form der Zahlungseinstellung zugrunde6. Erfolgt eine Kreditrückzahlung demnach fristgerecht bei Fälligkeit, setzt die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO voraus, dass das Kreditinstitut, wenn es eine Zahlung erhält, Kenntnis von einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit hat7 und es um die Umstände weiß, dass der Schuldner seine anderen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht wird befriedigen können8. Der Insolvenzverwalter bzw. der Sachwalter bei einer Eigenverwaltung (§ 280 InsO) muss dann darlegen und beweisen, dass der Anfechtungsgegner tatsächliche Umstände gekannt hat, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit und die Kenntnis der auch künftig nicht möglichen vollständigen Gläubigerbefriedigung zweifelsfrei folgt9. Der Anfechtende kann sich nicht auf die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO für eine Kenntnis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners stützen, wenn sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Liquiditätslage des Schuldners darauf beschränkt, dass dieser Sozialversicherungsbeiträge

1 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1340, Rn. 11); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 60 ff.; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 124. 2 Ellers DB 2021, 2678 (2680); zu dieser Neuausrichtung s. Rn. 5.511 ff. 3 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1345, Rn. 46); s. auch BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477 (481, Rn. 29 f.). 4 Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 66; s. auch Ellers DB 2021, 2678 (2680). 5 Gesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654, in Kraft seit dem 5.4.2017. 6 Pape ZInsO 2018, 296 (300); zu den Erwartungen z.B. Willemsen/Kühn BB 2017, 649 (650); Kindler/Bitzer NZI 2017, 369 (374); Dahl/Schmitz NJW 2017 1505 (1507). 7 BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, ZIP 2020, 1191 = WM 2020, 1074 (1075, Rn. 13). 8 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1345, Rn. 46). 9 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1345, Rn. 48); s. auch Ellers DB 2021, 2678 (2679 f., 2682 ff.); zu verbreiteten Verteidigungsargumenten von Gläubigern s. Meier ZInsO 2015, 339 ff.; Meier ZInsO 2015, 1534 ff.

Huber | 1007

5.521

Fünfter Teil Rz. 5.521 | Kreditgeschäft

über einen längeren Zeitraum regelmäßig mit einer Verspätung von zwei bis drei Monaten zahlt1. Derlei Zahlungsverzögerungen können ebenso gut auf einem vorübergehenden Liquiditätsengpass2 oder „Schlendrian“ beruhen3 und reichen schon für sich alleine häufig nicht aus, um eine Zahlungseinstellung als solche feststellen zu können4. Wie bereits vor der Neuausrichtung der Rechtsprechung richtigerweise ausgeführt wurde, darf einem außenstehenden Gläubiger nicht zuviel „unterstellt“ werden: „Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb ein außenstehender Dritter an der Zahlungsfähigkeit seines Vertragspartners zweifeln muss, wenn Wirtschaftsauskunftsdateien wie bspw. Creditreform oder Schufa ihm im Vorfeld des Geschäfts eine positive Bonität bescheinigen. Auch die Beibehaltung oder Erhöhung eines Kreditlimits durch die Warenkreditversicherung ist ein Umstand, der gegen die Zahlungsunfähigkeit des Vertragspartners spricht. Eine Pflicht zur Prüfung der Liquiditätslage oder eine Insolvenzantragspflicht für Gläubiger kennen weder das Gesetz noch die Rechtsprechung. Sie widerspricht zudem der Lebenswirklichkeit der am Wirtschaftsleben Beteiligten. Im Rahmen der Beweiswürdigung muss auch berücksichtigt werden, wenn und soweit verspätete oder schleppende Zahlungen „üblich“ sind, sich also für den Empfänger nicht als ungewöhnlich darstellen“5.

5.522

Dagegen vermittelt die Erklärung des Schuldners, seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen zu können, die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit6 und im Zweifel auch zum Wissen um den Umstand, dass der Schuldner seine anderen Gläubiger auch künftig nicht mehr vollständig wird befriedigen können. Führt dies zur Vermutungsregel des § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO und liegt der Vorsatzanfechtung ein fehlgeschlagener Sanierungsversuch zugrunde, trägt das Kreditinstitut die Darlegungs- und Beweislast, dass es die Zahlungen auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzeptes erlangt hat7. Das Kreditinstitut kann nur dann ein schlüssiges Sanierungskonzept des Kreditnehmers annehmen, wenn es in Grundzügen über die wesentlichen Grundlagen des Konzeptes informiert ist; es muss das Sanierungskonzept nicht fachmännisch untersuchen lassen8. Vielmehr darf es sich grundsätzlich auf die Angaben des Schuldners oder dessen Berater zu den Erfolgsaussichten des Konzeptes verlassen9.

5.523

Von voreiligen Anfechtungen sollte die Bank sich nach alledem deshalb nicht unter Druck setzen lassen, sondern die Begründung des Insolvenzverwalters sorgfältig und gewissenhaft

1 BGH v. 28.4.2022 – IX ZR 48/21, ZIP 2022, 1341 = WM 2022, 1287 (1290, Rn. 32); OLG Düsseldorf v. 5.2.2015 – I-12 U 22/14, ZInsO 2015, 638 (639 f.: drei bis sieben Wochen). 2 S. dazu auch BGH v. 28.4.2022 – IX ZR 48/21, ZIP 2022, 1341 = WM 2022, 1287 (1290, Rn. 35), der bei fortlaufend verzögerten Zahlungen darauf hinweist, dass der Schuldner „fast ausschließlich für die öffentliche Hand tätig gewesen ist, deren schleppende Zahlungsweise nach den Feststellungen des Landgerichts branchen- und gerichtsbekannt ist“. 3 BGH v. 17.6.2010 – IX ZR 134/09, ZInsO 2010, 1324 (1325, Rn. 9). 4 BGH v. 28.4.2022 – IX ZR 48/21, ZIP 2022, 1341 = WM 2022, 1287 (1290, Rn. 32 f.); BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1344, Rn. 41). 5 Buchalik/Hiebert ZInsO 2015, 538 (541). 6 BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477 (480, Rn. 22); BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1344, Rn. 41); BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/ 14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184 f., Rn. 21). 7 BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1705, Rn. 13); BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1185, Rn. 23). 8 BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, ZIP 2018, 1794 = WM 2018, 1703 (1705, Rn. 13); BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235 = WM 2016, 1182 (1184, Rn. 27). 9 Zu den Anforderungen, die die Rspr. an ein Kreditinstitut stellt, ausführlich Rn. 5.158 ff.; vgl. ferner z.B. Huber ZInsO 2018, 1761 (1765 ff.); Huber NZI 2015, 447 ff. und 489 ff.

1008 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.525 Fünfter Teil

prüfen1. Kosten für die Insolvenzmasse, die der Insolvenzverwalter durch leichtfertige Anfechtungen verursacht hat, können eine Kürzung seiner Vergütung rechtfertigen2. bb) Rückzahlung vor Fälligkeit Wurde zwischen Kreditinstitut und Kreditnehmer eine bestimmte Kreditlaufzeit fest vereinbart, erhält das Kreditinstitut durch die Rückführung des Kredits vor dem Ende seiner Laufzeit grundsätzlich3 eine inkongruente Deckung, denn es hat keinen Anspruch auf die vorzeitige Rückzahlung. Für die vorzeitige Rückzahlung von einzelnen, fest vereinbarten Tilgungsraten gilt das sinngemäß. Übt das Kreditinstitut allerdings ein ihm zustehendes Kündigungsrecht wirksam aus und führt dies zur Fälligstellung des Kredits, sind alle anschließend eingehenden Zahlung kongruent4, denn das Kreditinstitut hat nach der Kündigung einen fälligen Anspruch auf die Kreditrückführung. Auch bei einer Kreditlinie, die ohne feste Laufzeit – regelmäßig bis auf weiteres („b.a.w.“) – vereinbart wird, führt erst die Kündigung zu einem fälligen Rückzahlungsanspruch des Kreditinstituts; wird ein b.a.w.-Kredit – wie es gerne heißt – „eingefroren“5, ist dies nichts anderes als eine Teilkündigung (s. Rn. 5.387). Will das Kreditinstitut dem Kreditnehmer gerade bei einer fristlosen Kündigung eine Frist zur Rückführung des Kredits setzen (s. auch Nr. 19 Abs. 6 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften), sollte es klar die Fälligstellung des Kredits durch die Kündigung und die sich daran anschließende Rückzahlungsfrist kommunizieren, die an der Fälligstellung des Kredits nichts mehr ändert, sondern nur weitere (Durchsetzungs-)Maßnahmen des Kreditinstituts während der Laufzeit der Rückzahlungsfrist hindert. Ist die Fälligstellung nicht eindeutig und zahlt der Kreditnehmer vor Ablauf einer eingeräumten Rückzahlungsfrist zurück, kann dies als inkongruente Deckung interpretiert werden, auch wenn es sich um einen Kontokorrentkredit (= Kreditlinie) handelt und das Kreditinstitut unter Setzung eines Rückzahlungstermins erklärt hat, es setze die Kreditlinie mit sofortiger Wirkung aus, es werde ab sofort keine Belastungen mehr zulassen, es werde aber erst fristlos kündigen, wenn bis zu dem gesetzten Rückzahlungstermin kein Ausgleich des Schuldsaldos erfolgt sei6. Die Kündigung selbst kann nicht angefochten werden. Nur eine Rechtshandlung des Schuldners kann zu einer Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 133 InsO führen; hier ist aber lediglich das Kreditinstitut tätig geworden.

5.524

Die Rückzahlung eines Kredits – auch in Tranchen – oder einer Tilgungsrate schon vor Fälligkeit und die damit dem Kreditinstitut gewährte inkongruente Deckung, d.h. eine Deckung, die das Kreditinstitut nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit beanspruchen konnte (§ 131 Abs. 1 InsO), lässt einen Benachteiligungsvorsatz des Kreditnehmers schon dann bejahen, wenn er die Benachteiligung anderer Gläubiger als notwendige Folge seines Handelns

5.525

1 Bruns ZInsO 2014, 1991 f.; s. auch Ellers DB 2021, 2678 (2683 f.). 2 Textvorschlag für entsprechende Anregung an das Insolvenzgericht s. Bruns ZInsO 2014, 1991 (1992 f.). 3 Die Rspr. akzeptiert bisher wegen der zu erwartenden Dauer einer Überweisung eine Abweichung von maximal 5 Bankarbeitstagen zwischen Zahlungseingang beim Gläubiger und Fälligkeit, vgl. BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243 = NJW-RR 2005, 1575 f.; fraglich könnten sein, ob die seit der Entscheidung verkürzte Ausführungsfrist für Zahlungsvorgänge (§ 675s BGB) auch zur Verkürzung der 5-Tages-Frist führen wird. 4 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 130/16, ZIP 2017, 489 = WM 2017, 439 (Rn. 8); BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = NJW 2009, 2600 (2601, Rn. 13). 5 Soweit das Einfrieren sich nur auf die Inanspruchnahme bezieht, kann dies natürlich keine fällige Rückzahlungsforderung begründen. 6 Vgl. dazu BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182 = WM 2002, 2369 ff.

Huber | 1009

Fünfter Teil Rz. 5.525 | Kreditgeschäft

erkannt hat; für das Vorliegen dieses Bewusstseins ist die Tatsache, dass eine inkongruente Deckung gewährt wurde, ein starkes Beweiszeichen, wenn gleichzeitig die finanziellen Verhältnisse beengt sind1. Die Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung durch den BGH mit Entscheidung vom 6.5.20212 (s. auch Rn. 5.511 ff.) insbesondere im Hinblick auf den Gläubigerbenachteiligungvorsatz und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon bezieht sich explizit auf die Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO, soll also nur kongruente Deckungen betreffen3. Für die inkongruente Deckung als „eigenständiges Beweisanzeichen“4 soll es ersichtlich bei der bisherigen Rechtsprechung bleiben.

5.526

Es bleibt also bei der Rechtsprechung, die schon bisher neben der Gewährung eines Sondervorteils für den Insolvenzfall5 insbesondere das Vorliegen einer inkongruenten Deckung als starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes hat genügen lassen6, es sei denn, es fehlt an einer „finanziell beengten Lage“7. Verdächtig wird die Inkongruenz schon, sobald erste, ernsthafte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners auftreten; es genügt die ernsthafte Besorgnis bevorstehender Zahlungskürzungen oder -stockungen des Schuldners, weil sich damit die Gefährdung anderer, nicht in gleicher Weise begünstigter Gläubiger aufdrängt8. Erfahrungsgemäß lösen bereits erste, ernsthafte Zweifel oft Gegenmaßnahmen gut informierter und durchsetzungskräftiger Gläubiger aus, die damit in einer späteren Insolvenz die Gleichbehandlung aller Gläubiger durchbrechen9. Finanziell beengte Verhältnisse liegen vor, wenn die finanziellen Reserven des Schuldners nicht ausreichen, um einen Einfluss der inkongruenten Leistung auf die Gleichheit aller Befriedigungschancen auszuschließen, wobei für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners entscheidend ist, welche Vorstellungen sich der Schuldner von der zukünftigen finanziellen Entwicklung macht10. Besteht aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände zum Zeitpunkt der Rechtshandlung die ernsthafte Besorgnis, dass der Schuldner aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht in der Lage ist, seine bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen, und hat der Schuldner dies erkannt, kann dies zusammen mit der Inkongruenz der Leistung den Schluss auf einen Benachteiligungsvorsatz rechtfertigen11. Fehlt es dagegen an einer finanziell beengten Lage, stellt die Inkongruenz der Deckung allein kein ausreichendes Beweisanzeichen des Schuldners dar12.

1 BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1921, Rn. 18); BGH v. 20.4.2017 – IX ZR 252/16, ZIP 2017, 1233 = WM 2017, 1215 (1218, Rn. 24); BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12, ZIP 2013, 2368 = WM 2013, 2233 (2234, Rn. 12 m.w.N.). 2 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339. 3 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1343, Rn. 32 f.). 4 BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZIP 2021, 1447 = WM 2021, 1339 (1343, Rn. 32). 5 BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12, ZIP 2013, 2368 = WM 2013, 2233 (2234, Rn. 7). 6 Z.B. BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 = WM 2012, 146 (Rn. 10); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 99 m.w.N. 7 BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12, ZIP 2013, 2368 = WM 2013, 2233 (2234, Rn. 13); s. auch BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1920, Rn. 18 u. R. 23). 8 BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1921, Rn. 23); BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12, ZIP 2013, 2368 = WM 2013, 2233 (2234, Rn. 12); BGH v. 21.1.1999 – IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406 = WM 1999, 456 (458). 9 BGH v. 21.1.1999 – IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406 = WM 1999, 456 (458). 10 BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1921 f., Rn. 24). 11 BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1922, Rn. 24). 12 BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1921, Rn. 23); BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12, ZIP 2013, 2368 = WM 2013, 2233 (2234 f., Rn. 13).

1010 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.528 Fünfter Teil

Auch hier (vgl. dazu auch Rn. 5.520 ff.) muss die positive Kenntnis des Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz als innere Tatsache wiederum meist mittelbar aus objektiven Tatsachen, sog. Beweisanzeichen, hergeleitet werden1. Die Inkongruenz einer Deckung ist auch ein starkes Beweisanzeichen für die Kenntnis des Gläubigers2. Nur soweit es um die Kenntnis des anderen Teils von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit geht – nicht aber für andere Beweisanzeichen –, hat der Gesetzgeber in § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO eine Vermutungsregel aufgestellt3. Da es vorliegend um eine inkongruente Deckung geht, ist nicht § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO, sondern alleine § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO einschlägig; danach wird die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Benachteiligungsvorsatz bzw. die innere Einstellung des Kreditnehmers muss – wenn eine Anfechtung durchgreifen soll – also dem Kreditinstitut bei Annahme der Zahlung bekannt gewesen sein oder es muss diese Absicht wenigstens im Allgemeinen durchschaut haben4. Da das Kredititinstitut als Anfechtungsgegner grundsätzlich keinen Einblick in die Buchhaltung des Insolvenzschuldners hat, dementsprechend nicht beurteilen kann, ob dieser zahlungsunfähig ist oder nicht, ist für seine Kenntnis darauf abzustellen, ob es aufgrund eigens wahrnehmbarer Indizien, insbesondere durch schleppende oder ganz ausbleibende Tilgung eigener Forderungen konkrete Anhaltspunkte dafür gehabt haben muss, dass eine Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners droht5. Die Wirkung der Inkongruenz als Beweisanzeichen entfällt dagegen, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung zweifelsfrei liquide war6.

5.527

cc) Rückzahlung über Zwangsvollstreckung Kredite oder Kreditbeträge können nicht nur aufgrund eigenen Willens des Kreditnehmers zurückgeführt werden, sondern eine Befriedigung des Kreditinstituts kann auch im Wege der Zwangsvollstreckung erzwungen werden. Geschieht dies mehr als drei Monate vor dem Insolvenzantrag7, kommt eine Anfechtung nach § 133 InsO wegen vorsätzlicher Benachteiligung in Betracht. Diese setzt bekanntlich eine Rechtshandlung des Schuldners und seinen Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung voraus.

1 Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 60 ff.; Huber in LBS, BankrechtsKommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 124. 2 Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 133 InsO Rn. 34; Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 113. 3 Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 66. 4 Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 50. 5 BGH v. 24.10.2013 – IX ZR 104/13, ZIP 2013, 2262 = WM 2013, 2231 (2232, Rn. 14); LG Düsseldorf v. 4.4.2014 – 6 O 422/12, ZInsO 2015, 154 (157); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 63 u. Rn. 115. 6 BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12, ZIP 2013, 2368 = WM 2013, 2233 (2234 f., Rn. 12); BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, ZIP 2013, 2323 = WM 2013, 1361 (1362, Rn. 10); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 114. 7 Nach der Rspr. ist eine im Wege der zulässigen Zwangsvollstreckung erhaltene Deckung innerhalb der ersten drei Monate vor Antragstellung inkongruent, für den Zeitraum davor nicht, vgl. z.B. BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 262/18, WM 2019, 2019 (2020, Rn. 19); BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/ 02, ZIP 2003, 1799 = WM 2003, 1923 (1924); s. auch Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 131 Rn. 60 u. § 133 Rn. 110; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 112. Damit ist für den anfechtenden Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter (§ 280 InsO) für den erstgenannten Zeitraum die Deckungsanfechtung nach § 131 InsO deutlich erfolgversprechender.

Huber | 1011

5.528

Fünfter Teil Rz. 5.529 | Kreditgeschäft

5.529

Eine Zwangsvollstreckung ist allerdings grundsätzlich eine Rechthandlung des Gläubigers, die meist gegen den Willen des Schuldners vorgenommen wird1. Dennoch kann eine im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung dann anfechtbar sein, wenn dazu „zumindest auch eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat“2. Der BGH lässt für eine Mitwirkungshandlung allerdings nicht mehr einen „auch nur entfernten Mitwirkungsbeitrag“ des Schuldners ausreichen, vielmehr muss der Schuldnerbeitrag „bei wertender Betrachtung dazu führen, dass die Vollstreckungstätigkeit zumindest auch als eigene, willensgeleitete Entscheidung des Schuldners anzusehen ist“ und er „ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers zumindest vergleichbares Gewicht erreichen (muss)“3. Diese „vergleichbare“ Mitwirkungshandlung wird unverändert z.B. bei Übergabe eines Schecks an den Gerichtsvollzieher4 anzunehmen sein, wenn er in Erwartung eines Vollstreckungsversuches gezielt seine Kasse oder das bereits gepfändete Konto5 auffüllt bzw. er an den Pfändungsgläubiger zu Lasten des gepfändeten Kontos eine Überweisung veranlasst6, wenn er also selbst eine Leistung, und sei es auch unter Druck und zur Abwendung der Vollstreckungsmaßnahmen, erbringt und seine Schuldnerhandlung oder eine der Handlung gleichstehende Unterlassung zum Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme beigetragen hat7. Der Schuldner wirkt nicht mit, wenn er die berechtigte Vollstreckung des Gläubigers hinnimmt bzw. er sich angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhält, als er dies ohne die Vollstreckungsmaßnahme getan hätte8, er z.B. nach der Pfändung seines Geschäftskontos in gleicher Weise wie zuvor Leistungen an seine Kunden erbringt und er sich zum Einzug der ihm daraus erwachsenen Forderungen des auch in der Vergangenheit verwendeten, nunmehr gepfändeten Kontos bedient9. Trägt der Schuldner dagegen aktiv, z. B. durch eine Einigung mit dem Gläubiger über dessen weiteres Vorgehen, zu einer vom Gläubiger ausgebrachten Pfändung bei, kann auch das so erwirkte Pfändungspfandrecht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sein10. Dagegen ist das bloße Unterlassen eines aussichtslosen Rechtsmittels nicht als „selbstbestimmte Rechtshandlung“ (§ 129 Abs. 2 InsO) im Sinne der Rechtsprechung 1 BGH v. 14.9.2017 – IX ZR 108/16, ZIP 2017, 1962 = WM 2017, 1988 (1989, Rn. 12); BGH v. 1.6.2017 – IX ZR 48/15, ZIP 2017, 1281 = WM 2017, 1315 (1316, Rn. 14). 2 BGH v. 1.6.2017 – IX ZR 48/15, ZIP 2017, 1281 = WM 2017, 1315 (1317, Rn. 15). 3 So BGH 1.6.2017 – IX ZR 48/15, ZIP 2017, 1281 = WM 2017, 1315 (1317, Rn. 16 f.); BGH v. 1.6.2017 – IX ZR 114/16, WM 2017, 1348 f. (Rn. 8), in Rn. 11 mit dem Hinweis, dass Entsprechendes gilt, wenn an ein Unterlassen des Schuldners angeknüpft werden soll. Vgl. ferner BGH v. 22.6.2017 – IX ZR 111/14, ZIP 2017, 1379 = WM 2017, 1424 (1425, Rn. 10). S. zur Thematik auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 121. Vorher fehlte eine willensgeleitete Rechtshandlung des Schuldners grundsätzlich erst dann, wenn er nur noch die Wahl hatte, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende Vollziehungsperson zu dulden, vgl. z.B. BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, ZIP 2010, 191 = WM 2010, 360 (362, Rn. 10). 4 BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, ZInsO 2012, 1318 (1319, Rn. 10); vgl. auch OLG Köln v. 25.10.2017 – I-2 U 17/17, ZIP 2018, 794 (795). 5 BGH v. 19.9.2013 – IX ZR 4/13, ZIP 2013, 2113 = WM 2013, 2074 (2075, Rn. 10). 6 BGH v. 21.11.2013 – IX ZR 128/13, ZIP 2014, 35 = WM 2014, 44 (45, Rn. 9); s. auch Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 133 InsO Rn. 6. 7 BGH v. 14.9.2017 – IX ZR 108/16, ZIP 2017, 1962 = WM 2017, 1988 (1989, Rn. 13). 8 BGH v. 1.6.2017 – IX ZR 48/15, ZIP 2017, 1281 = WM 2017, 1315 (1317, Rn. 18); BGH v. 1.6.2017 – IX ZR 114/16, WM 2017, 1348 (1349, Rn. 10). 9 BGH v. 1.6.2017 – IX ZR 48/15, ZIP 2017, 1281 = WM 2017, 1315 (1318) (Rn. 18); BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 = WM 2014, 272 (273, Rn. 9 f.). 10 BGH v. 14.9.2017 – IX ZR 108/16, ZIP 2017, 1962 = WM 2017, 1988 (1989, Rn. 17); BGH v. 21.11.2013 – IX ZR 128/13, ZIP 2014, 35 = WM 2014, 44 (46) (Rn. 13 ff.).

1012 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.532 Fünfter Teil

zu verstehen1. Auch liegt noch keine anfechtbare Unterlassung einer Rechtshandlung vor, wenn ein Schuldner, dessen Konten durch seinen Gläubiger gepfändet sind, es unterlässt, ein weiteres Konto zu eröffnen und Zahlungen seiner Schuldner auf dieses freie Konto zu leiten2. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz wird bei einer mitwirkenden Schuldnerhandlung bei der Zwangsvollstreckung in aller Regel angenommen werden können, da der Schuldner nur dann mitwirken wird, wenn er im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit keine andere Möglichkeit sieht, den vollstreckenden Gläubiger zu befriedigen. Dafür streitet auch der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO (s. dazu Rn. 5.520 ff.).

5.530

dd) Ratenzahlungen Leistet der Schuldner im Kreditvertrag vereinbarte Ratenzahlungen, etwa aufgrund eines üblichen Ratenkredits oder eines Annuitätendarlehen, pünktlich zu den vereinbarten Terminen, liegt grundsätzlich jeweils eine kongruente Deckung vor. Solche Ratenzahlungen lassen für sich allein genommen nicht den Schluss auf einen Vorsatz des Schuldners zur Gläubigerbenachteiligung und erst recht nicht auf eine Kenntnis der Bank von einem solchen Vorsatz zu, denn sie werden wie vereinbart erbracht und haben damit von vorneherein auch kein „Benachteiligungselement“ in sich. Dies wird von der Überlegung getragen, dass der Gesetzgeber bei der Änderung des § 133 InsO durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz3 letztlich anerkannt hat, dass „die in Teilen der Wirtschaft verbreitete und gewährte Praxis, mit Schuldnern bei vorübergehenden Liquiditätsschwierigkeiten einen Zahlungsaufschub oder Ratenzahlungen zu vereinbaren und diesen damit eine Art Überbrückungsfinanzierung zu gewähren, ... auf rechtssicheren Boden gestellt“4 werden muss und der Abschluss einer Ratenvereinbarung im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs grundsätzlich nicht der Vorsatzanfechtung unterliegen soll5. Wenn aber schon eine Ratenvereinbarung bei vorübergehenden Liquiditätsschwierigkeiten nicht per se nach § 133 InsO anfechtbar sein soll, kann für eine im Ursprungsvertrag getroffene Ratenvereinbarung, die regelmäßig bei finanziell geordneteren Verhältnissen geschlossen wird, nichts anderes gelten. Grundsätzlich kann bei dieser Konstellation nur eine Deckungsanfechtung nach § 130 InsO in Betracht kommen (vgl. dazu Rn. 5.557), eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO dagegen nur, wenn (ausnahmsweise) besondere Umstände hinzukommen.

5.531

Anders kann es sich – worauf schon die Ausführungen soeben hindeuten – darstellen, wenn die Ratenzahlung nicht im ursprünglichen Kreditvertrag vereinbart wurde, sondern in einer

5.532

1 BGH v. 21.11.2013 – IX ZR 128/13, ZIP 2014, 35 = WM 2014, 44 (45, Rn. 10). 2 BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 = WM 2014, 272 (273, Rn. 11). Davon zu trennen ist die Frage, ob dieses Unterlassen nicht anderweitig, z.B. nach § 15b InsO sanktioniert werden kann, vgl. dazu aus der Sicht eines Sicherungsgläubigers Huber NZI 2020, 89 (95 f.). 3 Gesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654, in Kraft seit dem 5.4.2017. 4 So RegE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.9.2015, BT-Drucks. 18/7054, S. 17. Im RefE war klarer formuliert, dass „ein nach den einschlägigen Verkehrsübungen typischer Vorgang, nämlich die Gewährung einer den Gepflogenheiten entsprechenden Zahlungserleichterung, nicht den Schluss auf einen untypischen Fall, nämlich den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger unangemessen zu benachteiligen, erlaubt“ (S. 21). 5 Siehe insoweit auch BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 6/14, ZIP 2015, 937 = WM 2015, 933 (Rn. 3); ähnlich BGH v. 14.7.2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 = WM 2016, 1701 (1702, Rn. 16 ff.).

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Fünfter Teil Rz. 5.532 | Kreditgeschäft

nachträglichen Vereinbarung. Auch in der Bankpraxis wird die Bitte nach einer Ratenzahlungsvereinbarung regelmäßig vom Wunsch des Schuldners, gleichgültig, ob er Verbraucher ist oder nicht, nach der Überwindung eines bestehenden Liquiditätsengpasses getragen sein. Gerade auch für diese Konstellation sowie für „vergleichbare Probleme“1 wollte der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz2 Rechtssicherheit schaffen und „die in Teilen der Wirtschaft verbreitete und bewährte Praxis, mit Schuldnern bei vorübergehenden Liquiditätsschwierigkeiten einen Zahlungsaufschub oder Ratenzahlungen zu vereinbaren und diesen damit eine Art Überbrückungsfinanzierung zu gewähren“3 – sowie die erwähnten „vergleichbaren Probleme“ – von einer Vorsatzanfechtung grundsätzlich ausnehmen. Nach dem Gesetzgeber steht hinter der Regelung der Gedanke, dass die mit einer Stundungs- oder Ratenzahlungsbitte dem Gläubiger offenbar werdende Liquiditätslücke mit Gewährung der Stundung respektive Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung regelmäßig beseitigt sein werde; denn bei der Feststellung der Zahlungseinstellung und Zahlungsunfähigkeit seien rechtlich oder tatsächliche gestundete Forderungen nicht zu berücksichtigen, so dass ein Gläubiger, der einer Stundungs- oder Ratenzahlungsbitte seines Schuldners entspreche, daher grundsätzlich keinen Anlass habe, von der Insuffizienz des schuldnerischen Vermögens auszugehen4.

5.533

Wenn demzufolge der Schuldner von sich aus mit dieser Bitte auf die Bank zukommt, handelt es sich um einen gewöhnlichen Vorgang, der ohne weitere Begleitumstände insbesondere nicht eine bevorstehende Insolvenz ankündigt5. Zwar liegt mit der anschließend getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung eine Rechtshandlung des Schuldners und möglicherweise auch eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vor, die einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz indiziert, so dass diese beiden Tatbestandsmerkmale der Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO ohne Weiteres bejaht werden könnten. Allerdings hat der Gesetzgeber in der soeben erwähnten Änderung durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz6 für den Fall, dass der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt hat, die Vermutung postuliert, dass der andere Teil „zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit nicht kannte“ (§ 133 Abs. 3 Satz 2 InsO). Aufgekommene Fragen, was der Gesetzgeber damit genau erreichen will7, dürften dahingehend zu beantworten sein, dass der andere Teil es sich nicht zurechnen lassen muss, wenn als objektive Tatsache für das Vorliegen der subjektiven Seite alleine eine vom Schuldner

1 RegE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.9.2015, BT-Drucks. 18/7054, S. 11: „wenn Gläubiger im Rahmen der Durchsetzung ihrer Forderung auf eine gütliche Erledigung bedacht sind und auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen (vgl. etwa § 802b ZPO, §§ 222, 258 AO, § 76 SGB IV, § 42 StGB, § 459a StPO) mit dem Schuldner Zahlungsvereinbarungen abschließen oder diesem Zahlungserleichterungen gewähren“. 2 Gesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654, in Kraft seit dem 5.4.2017. 3 RegE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.9.2015, BT-Drucks. 18/7054, S. 18. 4 So RegE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.9.2015, BT-Drucks. 18/7054, S. 18. 5 Köper/Pfoser ZInsO 2014, 2341 (2342). 6 Gesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654, in Kraft seit dem 5.4.2017. 7 Thole ZIP 2017, 401 (405 f.); s. auch M. Huber ZInsO 2017, 517 (521); vgl. ferner BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, ZIP 2020, 1191 = WM 2020, 1074 (1075, Rn. 16).

1014 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.533 Fünfter Teil

erbetene Zahlungserleichterung vorliegt1, nicht aber eine oder mehrere weitere objektive Tatsache(n), die nach der Rechtsprechung als Beweisanzeichen für die Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit dienen können2. Jedoch hat die Rechtsprechung diesen Weg bereits vorgezeichnet, indem sie stärker akzentuiert hat, dass der Abschluss einer Zahlungserleichterung alleine grundsätzlich keinen Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit zulässt; es müssen sich regelmäßig weitere Beweisanzeichen verwirklicht haben3. Dies hat der BGH in seiner ersten Entscheidung zu der neuen Vermutungsregel dahingehend spezifiziert, dass Tatbestand der widerleglichen Vermutung der Abschluss einer Zahlungsvereinbarung bzw. die Gewährung einer sonstigen Zahlungserleichterung ist, Vermutungsfolge die Nichtkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit der angefochtenen Handlung4. Um die Vermutungsfolge zu widerlegen, kann sich der Anfechtende auf sämtliche Umstände berufen mit Ausnahme der den Vermutungstatbestand bildenden Umstände5. Als Zahlungsvereinbarung bzw. Zahlungserleichterung dürften nur solche Vereinbarungen in Betracht kommen, die „typischerweise“ und den wirtschaftlichen „Gepflogenheiten“ entsprechend in der Praxis vorkommen wie z.B. verkehrsübliche Ratenzahlungsvereinbarungen oder eine verkehrsübliche Modifikation bereits geltender Zahlungsmodalitäten, die vereinbarungsgemäß abgewickelt werden6. Kennt ein Gläubiger auch aus der Zeit vor Abschluss der Zahlungsvereinbarung andere Umstände, die zwingend auf eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen, spricht eine tatsächliche Vermutung für die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit; der Abschluss der Zahlungsvereinbarung beseitigt diese Kenntnis in der Regel nicht, es sei denn, die Zahlungsunfähigkeit beruhte auf der, dem Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung zugrunde liegenden Verbindlichkeit7. Erklärt der Schuldner bei seiner Bitte auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung zusätzlich, dass er andernfalls seine fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann, ist dieser weitere Umstand ein Indiz für eine Zahlungseinstellung8. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers bei der Postulierung der Vermutung in § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO: zu ihrer Widerlegung kann zwar weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die zugrundeliegende Bitte abgestellt werden, aber auf darüber hinausgehende Umstände, wie „die eigene Erklärung des Schuldners, alle oder einen erheblichen Teil seiner fälligen Zahlungspflichten nicht mehr erfüllen zu können“9.

1 Vgl. RegE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.9.2015, BT-Drucks. 18/7054, S. 17: Der Insolvenzverwalter kann seine Beweisführung „weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die dieser Gewährung typischerweise zugrunde liegende Bitte des Schuldners stützen ... . Umstände, die darüber hinausgehen, kann der Verwalter hingegen uneingeschränkt gelten machen“. 2 Thole ZIP 2017, 401 (405). 3 BGH v. 14.7.2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 = WM 2016, 1701 (1702, Rn. 16 ff.); BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 6/14, ZIP 2015, 937 = WM 2015, 933 (Rn. 3 f.). 4 BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, ZIP 2020, 1191 = WM 2020, 1074 (1076, Rn. 17). 5 BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, ZIP 2020, 1191 = WM 2020, 1074 (1076, Rn. 17). 6 Vgl. Thole ZIP 2017, 401 (406). 7 BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, ZIP 2020, 1191 = WM 2020, 1074 (1076, Rn. 18). 8 BGH v. 14.7.2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 = WM 2016, 1701 (1702, Rn. 17); BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 149/14, ZIP 2015, 1549 = WM 2015, 1339 (1340, Rn. 9); BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 6/14, ZIP 2015, 937 = WM 2015, 933 (Rn. 4). 9 Vgl. RegE eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 29.9.2015, BT-Drucks. 18/7054, S. 18. S. dazu jetzt auch BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, ZIP 2020, 1191 = WM 2020, 1074 (1076, Rn. 17).

Huber | 1015

Fünfter Teil Rz. 5.534 | Kreditgeschäft

5.534

Kommt es erst zu einer Ratenzahlungsvereinbarung, nachdem die Bank den Kredit vorher bereits gekündigt hatte oder sogar die Zwangsvollstreckung angedroht oder eingeleitet hatte, ist in der Regel die Zahlungsunfähigkeit des Bankkunden schon eingetreten1. Hat er außer der Bank noch andere Gläubiger, so kann er auch diese nicht mehr befriedigen. Wenn er dann mit der Bank eine Ratenzahlungsvereinbarung schließt, muss die Bank, um einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zu widerlegen, grundsätzlich darlegen und beweisen, dass der Schuldner die Zahlungen durch die Zulassung von Raten im Allgemeinen wieder aufgenommen hat2. Allein die Tatsache, dass über die Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Anfechtungsgegner eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wurde und der Schuldner die vereinbarten Raten zahlte, genügt hierfür in der Regel selbst dann nicht, wenn die Zahlungseinstellung maßgeblich aus der Nichtbedienung dieser Verbindlichkeit abgeleitet worden ist3. Wenn die Ratenzahlungsvereinbarung dem Schuldner keinen Raum für die Befriedigung dieser anderen Gläubiger lässt, liegt keine Wiederaufnahme der Zahlungen im Allgemeinen vor4 und die Annahme eines Vorsatzes des Schuldners zur Gläubigerbenachteiligung nahe5. Ebenso wird eine Bank, die ihren Kredit wegen Zahlungsstörungen oder wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse gekündigt und trotz Androhung oder Einleitung der Zwangsvollstreckung keine Zahlungen erhalten hat, sich der Erkenntnis nicht entziehen können, dass ihr Kunde zahlungsunfähig ist und durch Raten an sie seine Gläubiger benachteiligt. Ihre Kenntnis von dem Vorsatz des Schuldners wird dann vermutet (§ 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO). Nimmt es ein Kreditinstitut nach einer Fälligstellung seiner Forderungen längere Zeit hin, dass kein Ausgleich erfolgt und schließt es anschließend ein Stillhalteabkommen mit Ratenzahlungsvereinbarung mit der Kenntnis, dass es noch weitere Gläubiger mit offenen Forderungen gibt und werden obendrein die Raten auch nur unregelmäßig gezahlt, ist dem Kreditinstitut in aller Regel auch bewusst, dass der Schuldner seine weiteren fälligen Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann, so dass Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung gegeben ist6. Daran ändert sich – wie erwähnt – auch nichts, wenn der Schuldner die Raten im Wesentlichen vereinbarungsgemäß erbringt, aber die Zahlungen auf die Forderungen anderer Gläubiger nicht wieder aufnimmt7. Von einer Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit kann nicht ausgegangen werden, wenn der Schuldner für die Befriedigung seiner gegenwärtigen

1 Beispielhaft BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 109/15, ZIP 2016, 627 = WM 2016, 560 (561 f., Rn. 13 ff.); BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, WM 2015, 591 (595, Rn. 25); OLG Düsseldorf v. 12.11.2015 – I-12 U 18/15, ZInsO 2016, 44 (46 f.). 2 BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, ZIP 2016, 2423 = WM 2017, 51 (54, Rn. 25); BGH v. 20.10.2016 – IX ZR 305/14, ZInsO 2016, 2393 (2395, Rn. 14); BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 242/13, ZIP 2016, 874 = WM 2016, 797 (798, Rn. 11); BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 109/15, ZIP 2016, 627 = WM 2016, 560 (562, Rn. 24). 3 S. auch BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, ZIP 2020, 1191 = WM 2020, 1074 (1076, Rn. 18). 4 BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 242/13, ZIP 2016, 874 = WM 2016, 797 (798, Rn. 11 m.w.N.). 5 BGH v. 7.5.2020 – IX ZR 18/19, ZIP 2020, 1191 = WM 2020, 1074 (1076, Rn. 18). S. auch Köper/ Pfoser ZInsO 2014, 2341 (2345 ff.). 6 BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, WM 2008, 452 (454 f., Rn. 34 ff.); vgl. auch BGH v. 25.4.2007 – BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, NZI 2007, 512 (514, Rn. 24) und BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/ 12, WM 2013, 174 (178, Rn. 42). Bei einem „Konsolidierungsdarlehen für Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ reicht der Verzug mit zwei Rückzahlungsraten alleine nicht für die Annahme einer Kenntnis aus, so KG v. 21.1.2013 – 8 U 155/11, ZIP 2013, 1486 (1487). 7 Kurzberg (ZInsO 2011, 793, 795 f.) schlägt deshalb „globale“ Rückzahlungsvereinbarungen, d.h. unter Einbezug sämtlicher Gläubiger zwecks Beseitigung oder Abwehr einer Zahlungsunfähigkeit vor, was aber nur bei einer geringen Anzahl von Gläubigern praktikabel ist.

1016 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.536 Fünfter Teil

Gläubiger die Mittel verbraucht, die er zur Begleichung seiner künftigen, alsbald fällig werdenden Verbindlichkeiten benötigt1. Nur wenn die Bank wohl nur im Einzelfall keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit der weiteren Sachaufklärung hat, während der Insolvenzverwalter alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast, zum Zahlungsverhalten des Schuldners im Übrigen, insbesondere zu weiteren nicht bedienten Verbindlichkeiten des Schuldners Stellung zu nehmen2. Dabei reicht es nicht, dass sich die Bank auf eine allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen beruft; erforderlich für das Auslösen der sekundären Darlegungslast ist vielmehr, dass die Bank einen Umstand beweist oder ein solcher unstreitig ist, der eine Wiederaufnahme der Zahlungen als möglich erscheinen lässt3. Verwirklicht sich die Gläubigerbenachteiligung erst lange Zeit nach der Rechtshandlung, kann dies den zum Zeitpunkt aus den Indizien gezogenen Schluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bzw. auch die Kenntnis des anderen Teils in Frage stellen4. So kann z.B. der Fortbestand eines schuldnerischen Unternehmens über einen längeren Zeitraum durchgreifende Zweifel begründen, ob die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung tatsächlich gerechtfertigt war5. Ist ein Schuldner als unzuverlässig bekannt und begleicht seine fälligen Forderungen regelmäßig verspätet6, soll dies alleine kein ausreichendes Indiz für eine Kenntnis des Zahlungsempfängers sein.

5.535

Auch bei laufenden Verhandlungen über eine Umschuldung, z.B. durch eine Ratenzahlungsvereinbarung oder auch eine Ablösung (vgl. dazu Rn. 5.539), muss eine potentielle Vorsatzanfechtung im Blick behalten werden. Insoweit gilt wiederum, dass eine Rechtshandlung, die von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet worden ist, das Bewusstsein der Gläubigerbenachteiligung in den Hintergrund treten lässt. In der Regel fehlt es daher bei Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit nur dann an einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn der Schuld aufgrund konkreter Umstände mit einer baldigen Überwindung bzw. Abwendung der Krise rechnen durfte7. Solche konkreten Umstände liegen vor,

5.536

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BGH v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355 = WM 2012, 2251 (2252, Rn. 19). BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477 (479, Rn. 19). BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477 (479, Rn. 19). BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1923, Rn. 36); BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, ZIP 2004, 319 = WM 2004, 299 (303). 5 BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 = WM 2020, 1919 (1923, Rn. 36): Der in den weiteren Ausführungen erwähnte 8-Jahres-Zeitraum war schon vor der Änderung des § 133 InsO ungewöhnlich lang; nach der Verkürzung auf 4 Jahre bei Deckungsgeschäften (§ 133 Abs. 2 InsO) ist er insoweit obsolet; s. auch OLG Koblenz v. 8.2.2013 – 3 U 740/12, ZInsO 2013, 937, das bei – auf einer Ratenzahlungsvereinbarung beruhenden – Zahlungen, die bis zu 6 Jahren (vor Insolvenzeröffnung) zurückreichten, einen konkreten Vortrag des Insolvenzverwalters zur finanziellen Situation des Schuldners zum Zeitpunkt der jeweiligen Zahlungen und zur Kenntnis des anderen Teils vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners verlangt. 6 Vgl. BGH v. 10.2.2022 – IX ZR 148/19, ZIP 2022, 537 = WM 2022, 477 (480, Rn. 27); OLG Hamm v. 19.8.2014 – I-27 U 25/14, NZI 2014, 1015 (1016 f., Rn. 16 ff.); s. auch OLG Düsseldorf v. 5.2.2015 – I-12 U 22/14, ZInsO 2015, 638 (639 f.); OLG Köln v. 24.7.2013 – I-2 U 10/13, ZInsO 2015, 641 (643 f.). Auch die Verurteilung wegen einer einzelnen Forderung lässt als solches keinen Schluss auf Zahlungsunfähigkeit zu, OLG Karlsruhe v. 14.8.2014 – 6 U 58/14, ZInsO 2014, 2438 (2439). 7 BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 = WM 2016, 366 (368, Rn. 16); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 97 m.w.N. aus der Rspr.

Huber | 1017

Fünfter Teil Rz. 5.536 | Kreditgeschäft

wenn der Schuldner die sichere Aussicht hat, bald Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können1. Auch wenn also eine Kreditfälligkeit erst in naher Zukunft eintritt und Umschuldungsverhandlungen noch laufen, kann die Vermutungswirkung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners führen (vgl. dazu Rn. 5.510), falls nicht sicher ist, dass die Ablöse-/Umschuldungsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden. Die Kenntnis des anderen Teils wird von der Vermutungswirkung des § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO abhängen, ggf. von anderen Indiztatsachen. § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO dürfte nicht einschlägig sein, solange es nicht um die Zeit nach Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung geht.

5.537

Im Übrigen kann auf die Ausführungen in Rn.5.582 ff. zur inkongruenten Deckung durch Rückzahlungen verwiesen werden, da diese auch für die Anfechtbarkeit wegen Gläubigerbenachteiligung nach § 133 InsO ein wesentliches Indiz darstellt. ee) Rückzahlung aus Mitteln des Schuldners

5.538

Eine Kreditrückzahlung aus Mitteln des Schuldners liegt eindeutig vor, wenn dieser über Bargeld, Kundenschecks, Wechsel, Bankguthaben oder eine nicht ausgenutzte Kreditlinie bei einer anderen Bank verfügt. Für eine solche Rückzahlung gelten die oben dargestellten Regeln uneingeschränkt. Ob diese Regeln auch gelten für eine Rückzahlung aus Mitteln, die der Schuldner durch eine lediglich geduldete Überziehung seines Kontos bei einer anderen Bank erlangt hat und diese Bank nicht besser gesichert ist als die abgelöste, wurde von der Rechtsprechung zumindest eine Zeitlang verneint2. Nach der Korrektur der Rechtsprechung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Herkunft der Mittel, mit denen der Schuldner seine Verbindlichkeiten zurückführt, anfechtungsrechtlich unerheblich ist. Es kommt also nicht darauf an, ob die Zahlung aus einem vereinbarten Kredit, einer ungenehmigten oder geduldeten Kontoüberziehung oder durch einen Dritten auf Weisung des Schuldners bewirkt wird. ff) Gläubigerwechsel bei Ablösung durch eine andere Bank

5.539

Von der Rückzahlung eines Kredits aus Mitteln des Kunden zu unterscheiden ist die Ablösung durch eine andere Bank. Findet sich in der Krise des Schuldners noch eine Bank, die bereit ist3, neuen Kredit zu gewähren, könnte argumentiert werden, dass die dadurch bewirkte Rückführung des bisherigen Kredits nicht als Gläubigerbenachteiligung anzusehen ist, selbst wenn es sich bei dem zurückgezahlten Kredit um einen ungesicherten oder jedenfalls nicht aus dem Vermögen des Schuldners gesicherten handelte; ebensowenig sollte es auf die Fälligkeit des ursprünglichen Kredits ankommen. Denn letztlich wird nur ein Gläubiger durch einen anderen Gläubiger ersetzt, so dass sich die Soll-Masse nicht ändert bzw. – anders ausgedrückt – sich mit oder ohne die Rechtshandlung, die anzufechten wäre, die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger gleich darstellen.

5.540

Dieser Betrachtung der Ablösung als „Einheit“ kann natürlich entgegen gehalten werden, dass es für die Gläubigergesamtheit besser sei, wenn der Schuldner zwar den zur Ablösung be1 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 = NJW 2013, 611 (613, Rn. 17); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 98 m.w.N. aus der Rspr. 2 S. im Einzelnen dazu die Voraufl., Rn. 5.474 f. 3 Eine Pflicht der bisherigen Bank, die ablösende ungefragt über die wirtschaftliche Situation des Kunden zu unterrichten, besteht nicht, vgl. OLG Dresden v. 18.10.2006 – 18 U 767/06, WM 2007, 251 (253).

1018 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.541 Fünfter Teil

stimmten Kredit aufgenommen, aber anderweitig im Unternehmen und nicht zur Begleichung der bestehenden Kreditforderung verwendet hätte. Während das Reichsgericht1 die Zusammenschau der Wirkungen neuer Kreditaufnahmen für richtig erachtet hat, ist dem der BGH2 nicht gefolgt und hat auch für die Gläubigerbefriedigung mit Mitteln eines zuvor eingeräumten und vom Schuldner abgerufenen Dispositionskredits in einzelner Betrachtung von Kreditschöpfung und Mittelverwendung die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Deckungshandlung bejaht. Dabei wird nicht ausreichend berücksichtigt, dass unter der Ablösung eines Kredits nur ein reiner Gläubigertausch zu verstehen ist, d.h. der neue Kredit ist mit der Zweckbindung versehen, dass die Kreditmittel nur zur Tilgung des bisherigen Kredits verwendet werden dürfen. Eine anderweitige Verwendung ist von keiner Vertragspartei gewollt und wäre vertragswidrig; für die ablösende Bank ist es bei ihrer Kreditentscheidung von erheblicher Bedeutung, dass die Kreditmittel zweckentsprechend eingesetzt werden und die Gesamtverschuldung des Kreditnehmers nicht steigt. Bei einer solchen Zweckbindung – nebst der entsprechenden banküblichen Abwicklung einer Ablösung – hat der Schuldner weder eine faktische noch eine legale und für die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung notwendige Möglichkeit, die Mittel anstatt zur Darlehensrückführung zum Nutzen des Geschäftsbetriebs einzusetzen3. Die Einzelbetrachtung des Insolvenzrechtssenats des BGH steht im Einklang mit seinem in seiner neueren Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, dass abtrennbare Wirkungen anfechtbarer Rechtshandlungen bei Prüfung der Gläubigerbenachteiligung einzeln zu betrachten sind, es sei denn, bei vollständiger und richtiger Erfassung des wirtschaftlichen Vorgangs würde er sinnentstellend in verschiedene Einzelteile zerlegt werden4. Bei der banküblich erfolgenden Kreditablösung wollen und vereinbaren die Parteien einen einheitlichen Vorgang, der von der Rechtsprechung letztlich in verschiedene unselbständige Teile zerlegt wird, die einzeln keinen Sinn mehr ergeben. Bei dieser „Konstruktion“ fehlt es also gerade an der Abtrennbarkeit. Eine Anfechtung darf auch nicht dazu dienen, den Insolvenzgläubigern Vorteile zu verschaffen, die sie ohne Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung nicht erzielt hätten5. Ohne die Rückzahlung an die abzulösende Bank wäre auch kein neues Geld in die Masse geflossen. Könnte die Rückzahlung isoliert angefochten werden, so stünden sich die Gläubiger besser als wenn die Ablösung nicht stattgefunden hätte. Anders als der IX. Senat hat der II. Senat des BGH6, soweit es um die Haftung des Geschäftsführers wegen Verletzung der Zahlungssperre des § 15a InsO InsO (= § 64 Satz 1 GmbHG a.F.) geht, schon seit längerem eine Gläubigerbenachteiligung verneint, wenn die Zahlung aus einem debitorischen Konto erfolgt und dies als wertneutralen Gläubigertausch angesehen. Solche Zahlungen würden nämlich, wenn die Bank des Zahlungsauftraggebers über keine Sicherheiten verfüge, weder die verteilungsfähige Insolvenzmasse schmälern noch zu Lasten der Gläubigergesamtheit gehen. Denn an die Stelle der mit Kreditmitteln erfüllten Forderungen

1 2 3 4

RG v. 30.4.1901 – VII.75/01, RGZ 48, 148 (150 f.). BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 195/00, ZIP 2001, 1248 = ZInsO 2001, 661. S. Borries/Hirte in auch Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 196. BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 56/12, ZIP 2013, 272 = WM 2013, 229 (Rn. 7); BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = WM 2009, 1750 (1751 f., Rn. 25 ff.); vgl. zur gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung auch BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2351= NZI 2015, 32 (33, Rn. 8 f.) m. zust. Anm. Huber NZI 2015, 35. 5 BGH v. 15.11.2018 – IX ZR 229/17, ZIP 2019, 233 = WM 2019, 213 (215, Rn. 16). 6 BGH v. 25.1.2010 – II ZR 258/08, ZIP 2010, 470 = WM 2010, 465 (466, Rn. 10); BGH v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 = WM 2007, 973 (974, Rn. 8); s. auch Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 191.

Huber | 1019

5.541

Fünfter Teil Rz. 5.541 | Kreditgeschäft

der Gesellschaftsgläubiger trete eine entsprechend höhere Gesellschaftsverbindlichkeit gegenüber der Bank, was allein zu deren Nachteil gehe.

5.542

Dem ist der IX. Senat, ohne allerdings den Großen Senat anzurufen, nicht gefolgt1, da er in seiner Rechtsprechung, nach der eine Zahlung aus Kreditmitteln als Gläubigerbenachteiligung einzuordnen ist, keine Divergenz zum II. Senat sieht2. Denn nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift des § 64 GmbHG (a.F.) (= jetzt § 15b InsO) erfasse diese nur Leistungen des Geschäftsführers, die sich unmittelbar masseschmälernd ausgewirkt haben; demgegenüber sei das Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbenachteiligung im Hinblick auf den das gesamte Anfechtungsrecht beherrschenden Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz in einem umfassenderen Sinne zu verstehen und daher auch bei Rechtshandlungen gegeben, die lediglich mittelbar eine Gläubigerbenachteiligung bewirken3. Daher soll allein die Zweckbindung des neu aufgenommenen Kredits, die in der Rückführung des bestehenden Kredits liegt, nicht generell ausreichen, um eine Anfechtung auszuschließen4; Zweckbindungen seien ebenso wie Abtretungsverbote im Insolvenzverfahren nur dann insolvenzfest, wenn sie gerade dem Schutz des Insolvenzschuldners dienten5 oder wenn sie aus Gründen treuhänderischer Bindung zu einer Unpfändbarkeit des Darlehensauszahlungsanspruchs führten6. Im Übrigen würden die Gläubiger objektiv benachteiligt, wenn Kreditmittel nicht in das Vermögen des Schuldners gelangen oder dort nicht für den Zugriff der Gläubiger verbleiben.

5.543

Die bankübliche Kreditablösung ist also in der Krise des Kunden mit erheblichen Anfechtungsrisiken verbunden. Soll der „alte“ Kredit dennoch durch einen „neuen“ Kredit bei einem anderen Kreditinstitut zurückgeführt werden, kann als anfechtungssichere Lösung ein Forderungsverkauf vom bisherigen Gläubiger an den neuen Finanzierer in Betracht kommen7. Dies ist allerdings eine ungewöhnliche und nicht übliche Form der Ablösung. Technisch wird die übliche Form meist in der Weise durchgeführt, dass sich die ablösende Bank von der abgelösten deren Saldo mitteilen lässt und den Betrag überweist. Wenn die abzulösende Bank nun mit dem Forderungsverkauf einen anderen Weg wünscht, wird sie nach einer Begründung gefragt werden, wenn der (Neu-)Kreditnehmer nicht „mit offenen Karten gespielt“ hat. Will sie den Forderungsverkauf wegen ihrer kritischen Einschätzung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners, darf sie dies ohne Einwilligung des Kreditnehmers wegen des Bankgeheimnisses nicht verlautbaren; eine Aufklärungspflicht, wie sie die Rechtsprechung bei Interessenkonflikten durch Verlagerung des eigenen notleidenden Kreditengagements angenommen hat8, besteht nicht, wenn die Bank an der Ablösung nicht aktiv beteiligt ist. Erfährt die ablösende Bank daher erst auf diesem „Umweg“ von der wirtschaftlichen Lage des Kunden oder wird sie 1 Gehrlein ZInsO 2015, 477 (481). 2 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 210/07, ZIP 2008, 747 = WM 2008, 842 (Rn. 4); s. auch BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 (1757, Rn. 13). 3 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 210/07, ZIP 2008, 747 = WM 2008, 842 f. (Rn. 4). 4 BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 = WM 2012, 1448 (1449, Rn. 11; BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, ZIP 2011, 824 = WM 2011, 803 (804, Rn. 16); BGH v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, ZIP 2002, 489 = WM 2002, 561 (562 f.); allerdings begründet Gehrlein ZInsO 2015, 477 (481) die Auffassung des IX. Senats gerade damit, dass es der Gesellschaft freistünde, wie sie die Darlehensmittel einsetze. 5 BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 195/00, ZIP 2001, 1248 = WM 2001, 1476 (1477). 6 BGH v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, ZIP 2002, 489 = WM 2002, 561 (563); anders aber, wenn die Zweckbindung nur zur vorübergehenden Unpfändbarkeit des Auszahlungsanspruchs führt, vgl. BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 = WM 2012, 1448 (1449, Rn. 11 m.w.N.). 7 Lütcke NZI 2011, 702 (706 f.); Spliedt NZI 2001, 524 (527). 8 BGH v. 5.4.2011 – XI ZR 365/09, ZIP 2011, 901 = WM 2011, 876 (877 ff., Rn. 10 ff. m.w.N.).

1020 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.544 Fünfter Teil

dies auch nur wegen der nicht banküblichen Abwicklung vermuten, wird sich ein Forderungsverkauf im Zweifel nicht realisieren lassen.

2. Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, die nicht länger als vier Jahre vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden ist (§ 134 Abs. 1 InsO). Eine subjektive Komponente hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen1. „Leistung“ ist umfassend zu verstehen und meint jede Rechtshandlung, die dazu dient, einen zugriffsfähigen Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners zu entfernen2. Dem Kreditinstitut als Leistungsempfänger kann die Leistung im Zweipersonenverhältnis unmittelbar oder – wenn eine dritte Person beteiligt ist – mittelbar über den Dritten, zB bei einer Erfüllung bzw. Sicherung fremder Schuld3 zugewendet worden sein. In die Leistung(shandlung) kann es ferner eingeschaltet sein, wenn es z.B. im Wege der Anweisung, an einen Dritten, eine Leistung für den Anbweisenden erbringt. Die Leistung des Schuldners muss unentgeltlich sein. Unentgeltlichkeit ist gegeben, wenn für die Leistung vereinbarungsgemäß keine Gegenleistung, sei es an den Schuldner, sei es an einen Dritten erbracht wird, der Leistungsempfänger also keine eigene Rechtsposition aufgibt, die der Leistung des Schuldners entspricht; hierüber entscheidet grundsätzlich das objektive Verhältnis der ausgetauschten Werte4. Entgeltlich ist dagegen eine Verfügung, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung war oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein sollte5. Der Empfänger der Leistung muss zumindest eine eigene Rechtsposition aufgeben6. Die Anfechtung nach § 134 InsO wird auch als „Schenkungsanfechtung“ bezeichnet.

1 Allerdings hat die Rspr. subjektive Elemente „eingebaut“, einerseits bei der subjektiven Vorstellung über den Ausgleich bein Austauschgeschäft und andererseits beim guten Glauben von der Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung, vgl. auch Gehrlein ZInsO 2021, 71 (72 ff.); Neuberger ZInsO 2020, 629 (630); Bork NZI 2018, 1 ff.; Klinck ZIP 2017, 1589 (1592 ff.). Soweit erforderlich, wird nachstehend auf die entsprechende Rspr. eingegangen. 2 BGH v. 22.10.2020 – IX ZR 208/18, ZIP 2020, 2348 = WM 2020, 2231 (2232, Rn. 8); BGH v. 15.9.2016 – IX ZR 250/15, ZIP 2016, 2329 = WM 2016, 2312 (2313, Rn. 11); Gehrlein in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 134 InsO Rn. 2. S. dazu und zum Folgenden auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 128 ff. 3 Vgl. dazu ausführlich Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 134 Rn. 57 ff. 4 BGH v. 22.10.2020 – IX ZR 208/18, ZIP 2020, 2348 = WM 2020, 2231 (2232, Rn. 9 f.); BGH v. 1.10.2020 – IX ZR 247/19, ZIP 2020, 2242 = WM 2020, 2073, 2074, Rn. 10); BGH v. 19.7.2018 – IX ZR 307/16, ZIP 2018, 1601 = WM 2018, 1560 (1563, Rn. 26); BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628 f., Rn. 49); BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 236/13, ZIP 2014, 977 = WM 2014, 955 (956, Rn. 4); Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 134 InsO Rn. 5. 5 BGH v. 22.10.2020 – IX ZR 208/18, ZIP 2020, 2348 = WM 2020, 2231 (2232, Rn. 10); BGH v. 1.10.2020 – IX ZR 247/19, ZIP 2020, 2242 = WM 2020, 2073, 2074, Rn. 10); BGH v. 19.7.2018 – IX ZR 296/17, ZIP 2018, 1606 = WM 2018, 1565 (1566, Rn. 8); BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = WM 2015, 623 (628 f., Rn. 49); BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 236/13, ZIP 2014, 977 = WM 2014, 955 (956, Rn. 4); Gehrlein ZInsO 2018, 2280 (2281). 6 BGH v. 1.3.2018 – IX ZR 207/15, ZIP 2018, 792 = WM 2018, 815 (Rn. 11); BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 236/13, ZIP 2014, 977 = WM 2014, 955 (956, Rn. 4); Kayser/Freudenberg in Münchener Kommentar zum InsO, 4. Aufl. 2019, § 134 Rn. 17a; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 134 Rn. 10.

Huber | 1021

5.544

Fünfter Teil Rz. 5.545 | Kreditgeschäft

a) Abschluss eines Kreditvertrags und Auszahlung der Kreditsumme

5.545

Während im Kreditgeschäft für Abschluss eines (entgeltlichen1) Kreditvertrags und Auszahlung der Kreditsumme an den Kreditnehmer mangels Gläubigerbenachteiligung wiederum (vgl. Rn. 5.504) keine Anfechtung in Betracht kommen kann, stellt sich die Frage, ob dies anders zu beurteilen ist, wenn der Kreditnehmer mit dem Kreditinstitut eine „Direktauszahlung“2 an einen Dritten vereinbart hat. Bei seiner Kreditentscheidung stellt das Kreditinstitut auf den Kreditnehmer ab, d.h. ihm wird das Darlehen gewährt, wenn auch mit der Anweisung des Kreditnehmers, den Kredit ganz oder teilweise an einen Dritten auszuzahlen. Da der Kreditnehmer also den Kreditbetrag – versehen mit seiner Anweisung – erhält, liegt eine mittelbare Zuwendung im Wege der Anweisung auf Schuld vor, die weiter unten noch ausführlicher behandelt wird. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass dies grundsätzlich keinen Anfechtungstatbestand gegenüber dem Kreditinstitut begründet, unbeschadet der Frage, ob überhaupt Unentgeltlichkeit gemäß § 134 InsO anzunehmen ist. Der Begriff „Direktauszahlung“ kann nur so verstanden werden, dass der Kreditbetrag auch mit einer Anweisung, den gesamten Betrag an einen Dritten „direkt“ zu zahlen, immer dem Vermögen des Kreditnehmers zuzuordnen ist, in dem er sich zumindest eine logische Sekunde befindet. Es wäre absolut bankunüblich (und rechtlich aus verschiedenen Gründen angreifbar), wenn das Kreditinstitut den gewährten Kredit „direkt“ aus seinem Vermögen auszahlen würde. b) Rückzahlung

5.546

Dagegen kann sich bei einer Rückzahlung ein nach § 134 InsO bestehendes Anfechtungsrisiko realisieren. Für die Anfechtbarkeit nach dieser Norm ist zwischen Leistungen des Kreditnehmers und Leistungen eines Dritten zu unterscheiden. aa) Anfechtbarkeit von (Rückzahlungs-)Leistungen des Kreditnehmers

5.547

Da der Kreditnehmer seine Leistungen auf den Rückzahlungsanspruch des Kreditinstituts aus dem (entgeltlich) gewährten Darlehen erbringt, ist seine Rückführung (ebenfalls) entgeltlich3. Kommt es demnach entscheidend auf die Entgeltlichkeit von Darlehensvertrag und Rückzahlung an, ist es insoweit gleichgültig, ob die Rückzahlung entsprechend der vertraglichen Vereinbarung fristgerecht oder vorzeitig erfolgt. Eine Rückzahlung durch den Kreditnehmer kann nicht nach § 134 InsO angefochten werden. bb) Anfechtbarkeit von (Rückzahlungs-)Leistungen eines Dritten

5.548

Erbringt ein Dritter eine Leistung auf den Darlehensrückzahlungsanspruch des Kreditinstitut gegen den Darlehensnehmer, kann sich dies anders darstellen. Im Verbraucherkreditgeschäft ist dies in Einzelfällen dann der Fall, wenn sich ein Dritter, der nicht Kreditnehmer geworden ist, zur Zahlung der vom Kreditnehmer geschuldeten Raten verpflichtet oder er auf eine Rückzahlungsforderung des Kreditinstituts zur Vermeidung von Schritten zur Durchsetzung der Forderung leistet4. Gebräuchlicher ist die Drittzahlung insbesondere unter Konzernunternehmen, wenn Kredite, die die Muttergesellschaft erhalten hat, durch Zahlungen der Tochterge1 Vgl. dazu BGH v. 13.10.2016 – IX ZR 184/14, ZIP 2016, 2483 = WM 2017, 47 (48 f., Rn. 14). 2 Fritzsche/Rüppell DB 2020, 1832. 3 BGH v. 6.12.2018 – IX ZR 143/17, ZIP 2019, 679 = WM 2019, 592 (594, Rn. 13); BGH v. 13.10.2016 – IX ZR 184/14, ZIP 2016, 2483 = WM 2017, 47 (48 f., Rn. 14). 4 Fritzsche/Rüppell DB 2020, 1832.

1022 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.549 Fünfter Teil

sellschaften zurückgeführt werden. In der Insolvenz der Tochtergesellschaft könnte deren Insolvenzverwalter (oder der Sachwalter nach § 280 InsO) diese Zahlungen anfechten, wenn sie als unentgeltliche Leistungen einzuordnen wären (§ 134 InsO). Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar fehlte es an einer unmittelbaren Gegenleistung der Bank an die Tochtergesellschaft. Allerdings ist – siehe die einleitenden Ausführungen – eine Leistung schon dann entgeltlich, wenn die Bank als Leistungsempfängerin vereinbarungsgemäß eine ausgleichende Leistung an einen Dritten erbracht hat oder daraufhin erbringen muss1. In der Regel liegt dies im Interesse des Leistenden, weil der Dritte, also der Kreditnehmer sich seinerseits verpflichtet hat, die Kreditvaluta an den Leistenden weiterzuleiten2. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dieser Leistung hält die Rechtsprechung nicht mehr für erforderlich3. Im Fall der Kreditrückzahlung liegt die ausgleichende Leistung der Bank im Verlust der (werthaltigen) Kreditforderung gegen die Muttergesellschaft. Eine Anfechtbarkeit ist dann nicht gegeben. Auch wenn beispielsweise ein persönlich haftender Gesellschafter die Forderung eines Gläubigers gegen die Gesellschaft befriedigt und dadurch die Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters erlischt, ist seine Leistung im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar4. Diese – und die nachstehenden – Grundsätze gelten sinngemäß auch für das Verbraucherkreditgeschäft, wenn es zur Rückzahlung eines Dritten auf einen Anspruch des Kreditinstituts aus einem Darlehensvertrag mit dem Darlehensnehmer kommt. Eine Anfechtung nach § 134 InsO ist allerdings dann möglich, wenn das Kreditinstitut als Empfänger der Drittleistung keine ausgleichende Leistung erbracht hat oder erbringen muss. Liegt bei der Leistung des Dritten auf die gegen den Kreditnehmer gerichtete Forderung des Kreditinstituts die Gegenleistung des Kreditinstituts darin, dass es mit der Leistung, die es gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur bei Widerspruch des Kreditnehmers ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen diesen verliert, dreht sich dieses Ergebnis von entgeltlicher Gegenleistung in eine unentgeltliche Gegenleistung, wenn die Forderung des leistungsempfangenden Kreditinstitut wertlos ist. Denn das Kreditinstitut verliert dann wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Leistung angesehen werden kann. In solchen Fällen ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar5; insbesondere ist das Kreditinstitut gegenüber den Insolvenzgläubigern des leistenden Dritten nicht schutzwürdig, da es ohne die Leistung – auf die es keinen Anspruch hatte – seine Forderung nicht hätte durchsetzen können6. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob das Kreditinstitut Kenntnis von der Wertlosigkeit seiner Forderungen hatte7. Nicht von Bedeutung ist ferner, dass der Kreditneh1 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, ZIP 2008, 1385 = WM 2008, 1459 (1560, Rn. 15). 2 OLG Köln v. 24.1.2000 – 16 W 29/99, ZInsO 2000, 156 (157). 3 BGH v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 = WM 2006, 1156 (1157, Rn. 14); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 134 Rn. 76 m.w.N. 4 BGH v. 29.10.2015 – IX ZR 123/13, ZIP 2015, 2484 = WM 2016, 44 (45, Rn. 9 ff.). 5 BGH v. 29.10.2015 – IX ZR 123/13, ZIP 2015, 2484 = WM 2016, 44 (45, Rn. 6); BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 236/13, ZIP 2014, 977 = WM 2014, 955 (956, Rn. 5); BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, ZIP 2008, 1385 = WM 2008. 1459 (Rn. 11); OLG Düsseldorf v. 20.1.2020 – I-12 U 23/19, ZInsO 2020, 2157 (2158 f.). 6 BGH v. 29.10.2015 – IX ZR 123/13, ZIP 2015, 2484 = WM 2016, 44 (45, Rn. 6); BGH v. 17.6.2010 – IX ZR 186/08, ZIP 2010, 1402 = WM 2010, 1421 (1422, Rn. 8 f.); BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, ZIP 2008, 232 = WM 2008, 229 (230, Rn. 14 m.w.N.); s. auch Gehrlein ZInsO 2018, 2280 (2286); Ganter NZI 2011, 209 (223). Hatte für die wertlose Forderung eine dritte Person eine werthaltige Sicherheit gestellt, die der durch die Zahlung befriedigte Gläubiger verliert, ist § 134 InsO nicht einschlägig, so BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 236/13, ZIP 2014, 977 = WM 2014, 955 (956, Rn. 6). 7 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, ZIP 2005, 767 = WM 2005, 853 (854).

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5.549

Fünfter Teil Rz. 5.549 | Kreditgeschäft

mer dem Dritten die Mittel für die Zahlung zur Verfügung gestellt hatte, selbst wenn dies mit einem Treuhandverhältnis verbunden sein sollte1, oder der Dritte im Rahmen eines CashPools eine verpflichtende Abrede zwischen den am Konzern beteiligten Unternehmen getroffen hat, Verbindlichkeiten anderer Konzernunternehmen im Fall von Liquiditätsengpässen zu beseitigen2. Die Tilgung einer fremden Schuld, für die mehrere Personen als Gesamtschuldner haften, ist allerdings nur dann nach § 134 InsO anfechtbar, wenn die Forderung gegen sämtliche Gesamtschuldner wertlos ist3. Ebenfalls keine ausgleichende Gegenleistung ist das Stehenlassen einer Darlehensforderung, wenn also z.B. Zahlungen seitens einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft nicht dazu führen, dass eine eingeräumte Kreditlinie (getilgt und) geschlossen wird, sondern sie erhalten bleibt4. Durch das Stehenlassen der Darlehensforderung wird dem Schuldner kein neuer Vermögenswert zugeführt; der Schuldner hat ihn vielmehr bereits durch die Darlehensgewährung erhalten. In diesem Fall ist die Leistung der Tochtergesellschaft bereits unabhängig davon unentgeltlich, ob die Rückführung des stehen gelassenen Kredits gegen die Muttergesellschaft hätte durchgesetzt werden können oder nicht.

5.550

Bei der Konstellation mit einer dritten Person kann nicht nur diese – im o.g. Beispiel (Rn. 5.548) also die Tochtergesellschaft – insolvent werden, sondern auch der Darlehensnehmer, d.h. – um im Beispiel zu bleiben – die Muttergesellschaft. Dann kann nach einer unentgeltlichen Leistung des Dritten auf die Verbindlichkeiten des Kreditnehmers bei dem Kreditinstitut einerseits im Insolvenzverfahren des Dritten dessen Insolvenzverwalter (oder der Sachwalter nach § 280 InsO) von der Bank Rückgewähr auf dem Weg über die Schenkungsanfechtung erlangen. Andererseits ist auch im Verhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter (oder Sachwalter) des Kreditnehmers und dem Kreditinstitut5 eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 133 InsO (vgl. dazu Rn. 5.503 ff.), oder – falls die Leistung in die Dreimonatsfrist fällt – eine Anfechtung als kongruente (§ 130 InsO) oder inkongruente (§ 131 InsO) Deckung6 möglich7. Dies hat aber nicht zur Folge, dass die Bank sich einer doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt sieht, vielmehr gebührt dem Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft der Vorrang gegenüber dem Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft8.

3. Anfechtung entgeltlicher Verträge mit nahestehenden Personen 5.551

Anfechtbar sind entgeltliche Verträge des Schuldners mit nahestehenden Personen, die nicht länger als zwei Jahre vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden sind und durch die die Gläubiger unmittelbar benachteiligt worden sind (§ 133 Abs. 4 InsO).

1 2 3 4 5 6 7 8

BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZIP 2008, 125 = WM 2008, 174 (175 f., Rn. 19 ff.). BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZIP 2008, 125 = WM 2008, 174 (175, Rn. 13). OLG Düsseldorf v. 19.9.2019 – I-12 U 38/19, ZIP 2020, 35= ZInsO 2019, 2631. BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 = WM 2009, 1099 (1101, Rn. 12); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 134 Rn. 68. Hinzu kommt eine Anfechtungsmöglichkeit im Verhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter des Kreditnehmers und dem Dritten, vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190 = WM 2008, 223. Vgl. zur Deckungsanfechtung Rn. 5.557 ff. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZIP 2008, 125 = WM 2008, 174 (176 ff., Rn. 23 ff.); vgl. zur Doppelinsolvenz z.B. auch Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 322 ff. BGH v. 8.9.2016 – IX ZR 151/14, ZIP 2016, 2376 = WM 2016, 2310 (2312, Rn. 22); BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZIP 2008, 125 = WM 2008, 174 (177 f., Rn. 29 ff.); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 146.

1024 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.555 Fünfter Teil

Eine Bank gehört in der Regel nicht zu den nahestehenden Personen im Sinne des § 138 InsO1. Als nahestehend können nach § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO zwar grundsätzlich auch Personen eingestuft werden, die wegen einer dienstvertraglicher Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten, wie gewisse leitende Mitarbeiter, nicht aber der Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer oder die Bank2. Nur wenn der Person nach der vertraglich eingeräumten Rechtsstellung wie einem in gleicher Zuständigkeit tätigen (leitenden) Angestellten alle über die wirtschaftliche Lage des Auftraggebers erheblichen Daten üblicherweise im normalen Geschäftsverkehr zufließen, kann dies eine Sonderstellung nach § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO begründen3. Das ist aber bei einer Bank normalerweise nicht der Fall, denn sie nimmt zwar die Bonitätsprüfung insbesondere aufgrund derjenigen Informationen vor, die ihr der Kreditnehmer zukommen lässt, erhält aber andererseits damit keine eine einer Tätigkeit innerhalb des Unternehmens tätigen Person vergleichbare besondere Informationsmöglichkeit über dessen wirtschaftliche Verhältnisse4.

5.552

Ausnahmsweise kann auch eine Bank als nahestehend eingeordnet werden, wenn sie nach § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO über eine Kapitalbeteiligung an dem Schuldnerunternehmen von mehr als 25 % verfügt. Die Kapitalbeteiligung kann auch unterhalb der 25 %-Schwelle des § 138 Abs. 2 Satz 1 InsO liegen, wenn weitere Gesichtspunkte zu einer Einordnung als nahestehend führen5. Dies bedeutet für das Kreditgeschäft:

5.553

a) Abschluss eines Kreditvertrages und Auszahlung der Kreditsumme Der Abschluss eines Kreditvertrages und die Auszahlung eines vereinbarten Kredits können mangels Benachteiligung der Gläubiger gemäß § 133 Abs. 4 InsO nicht anfechtbar sein. Insoweit kann auf die Ausführungen in Rn. 5.504 verwiesen werden.

5.554

b) Rückzahlung Die vollständige oder teilweise Rückzahlung eines Kredits innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verkürzt die Masse und benachteiligt damit unmittelbar die Insolvenzgläubiger. Sie kann nach § 133 Abs. 4 InsO anfechtbar sein, wenn die Bank eine nahestehende Person des Kreditnehmers ist (s. dazu auch Rn. 5.552) und 1 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, ZIP 2012, 2449 = WM 2012, 2343 (2345, Rn. 10); BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 278/96, ZIP 1998, 247 = WM 1998, 304 (305); OLG Düsseldorf v. 17.1.2019 – I-12 U 24/18, ZInsO 2019, 502 (504); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 99; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020, § 138 InsO Rn. 13. 2 Vgl. BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 278/96, ZIP 1998, 247 = WM 1998, 304 (305); Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 138 Rn. 21; BegrRegE InsO, abgedr. in Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 244. 3 Vgl. BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 = WM 2022, 527 (534, Rn. 68); BGH v. 15.11.2012, WM 2011, 2343 (2345, Rn. 11). S. auch OLG Düsseldorf v. 17.1.2019 – I-12 U 24/18, ZInsO 2019, 502 (504); S. ferner BegrRegE InsO, abgedr. in Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 244. 4 Vgl. BegrRegE InsO, abgedr. in Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 244 sowie BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 278/96, ZIP 1998, 247 = WM 1998, 304 (305); ebenso BGH v. 15.11.2012, WM 2011, 2343 (2344, Rn. 10). 5 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, ZIP 2012, 2449 = WM 2012, 2343 (2345, Rn. 10) unter Verweis auf BGH v. 5.7.2007 – IX ZR 256/06, ZIP 2007, 1816 = WM 2007, 1846 (Rn. 4 u. 1850, Rn. 36).

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5.555

Fünfter Teil Rz. 5.555 | Kreditgeschäft

nicht beweisen kann, dass der Kunde seine übrigen Gläubiger nicht benachteiligen wollte oder dass ihr jedenfalls ein derartiger Wille des Kunden nicht bekannt war. Auch hier kann wieder die Abgrenzung zwischen der Rückzahlung fälliger und nicht fälliger Kredite als Indiz eine Rolle spielen. Im Wesentlichen ändert § 133 Abs. 4 InsO also die Beweislast für eine Vorsatzanfechtung bei einem entgeltlichen Vertrag mit einer nahestehenden Person1.

4. Anfechtung der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen 5.556

Werden Gesellschafterdarlehen im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag zurückgezahlt, so ist die Anfechtung möglich, auch wenn der Schuldner zu diesem Zeitpunkt weder seine Zahlungen im Übrigen eingestellt hatte noch überschuldet war oder die Überschuldung drohte (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Auch kommt es nicht auf die Kenntnis des Gläubigers von einer zu erwartenden schlechten wirtschaftlichen Entwicklung des Schuldnerunternehmens an. Die Einzelheiten werden im Zusammenhang mit der „Behandlung von Gesellschafterdarlehen“ besprochen (vgl. Rn. 5.876 ff.).

5. Anfechtung wegen einer kongruenten Deckung 5.557

Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag, die einem Insolvenzgläubiger eine kongruente Deckung, also eine Sicherung oder eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, anfechtbar. Die Rechtshandlung kann nicht nur vom Insolvenzschuldner, sondern insbesondere auch vom Anfechtungsgegner vorgenommen worden sein2. Kongruenz bedeutet, dass die Deckung dem Gläubiger „gebühren“ muss,3 er also genau das erhalten hat, was ihm zusteht4. Ist das nicht der Fall, kann eine Anfechtung wegen einer inkongruenten Deckung in Betracht kommen (vgl. dazu Rn. 5.579 ff.), wenn der Insolvenzgläubiger die durch die Rechtshandlung erlangte oder ermöglichte Sicherung oder Befriedigung (= Deckung) „nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte“ (§ 131 Abs. 1 InsO). Eine einheitliche Rechtshandlung ist insgesamt kongruent oder inkongruent, soweit sie nicht im Ausnahmefall teilbar ist5. Neben der Rechtshandlung in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag verlangt § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO, dass der Insolvenzschuldner zur Zeit der Rechtshandlung zahlungsunfähig war und der Insolvenzgläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte. a) Abschluss eines Kreditvertrags und Auszahlung der Kreditsumme

5.558

Werden im Drei-Monatszeitraum vor dem Insolvenzantrag und damit in der auch nach Ansicht des Gesetzgebers kritischen Phase (vgl. dazu Rn. 5.496) Kredite mit oder ohne Sicherheiten gewährt – was wohl nur denkbar ist, wenn die Bank die Krise nicht erkannt hat –, ist § 130 InsO schon dem Wortlaut nach nicht einschlägig; dass die Bank von dem gegen sie gerichteten Auszahlungsanspruch des Kunden aus ihrer Kreditzusage frei wird, ist keine Be-

1 Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 183. 2 Bei der Deckungsanfechtung kommen grundsätzlich noch weitere, hier nicht interessierende Handelnde in Betracht, vgl. dazu Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 106. 3 So BegrRegE InsO, abgedr. in Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 230. 4 Vgl. auch Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 130 Rn. 41; Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 130 Rn. 5. 5 OLG Düsseldorf v. 11.5.2017 – I-12 U 55/16, ZIP 2017, 1486 (1487 m.w.N.).

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E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.562 Fünfter Teil

friedigung im Sinne von § 130 InsO. Im Übrigen wäre auch keine Gläubigerbenachteiligung anzunehmen (vgl. dazu Rn. 5.504). b) Rückzahlung Wie schon bei der Vorsatzanfechtung ausgeführt, gilt auch für die Deckungsanfechtung, dass eine Rückzahlung grundsätzlich einen Vorteil für den befriedigten und spiegelbildlich einen Nachteil für die übrigen Gläubiger darstellt, so dass die Gläubigerbenachteiligung indiziert ist (vgl. Rn. 5.505). Ebenso sind – da nur tatsächliche Rückzahlungen anfechtbar sein können – keine Rückzahlung im insolvenzrechtlichen Sinn reine Umbuchungen oder Umschuldungen, bei denen der Kredit auf einem Konto durch Überträge von einem anderen Konto oder durch Vereinbarung eines neuen Kredits zur Ablösung des bestehenden „getilgt“ wird, solange sich an dem Gesamtobligo des Kunden und dem Gesamtrisiko der Bank nichts ändert (vgl. auch insoweit Rn. 5.506).

5.559

Ist der Kredit von einer werthaltigen Sicherheit insolvenzfest gedeckt, fehlt es dagegen an einer Gläubigerbenachteiligung1. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt ebenfalls nicht vor, wenn ein Dritter die Schuld zurückzahlt, ohne dadurch gegenüber dem Schuldner verpflichtet gewesen zu sein („Anweisung auf Kredit“)2. Denn dann kommt es lediglich zu einem Gläubigerwechsel, wobei die Belastung der Masse mit Rückgriffsansprüchen durch ihre Befreiung von der Verbindlichkeit ausgeglichen wird. Ebenso sind Zinszahlungen grundsätzlich nicht anfechtbar. Denn sie stellen die unmittelbare Gegenleistung für die Kapitalüberlassung dar und sind deshalb als Bargeschäft (§ 142 InsO) einzuordnen3. Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 InsO ist unter gewissen Voraussetzungen die Bestellung einer Finanzsicherheit, also einer Sicherheit für Verbindlichkeiten aus Verträgen über Finanzinstrumenten, nicht anfechtbar; dieser Bestimmung kommt im üblichen Darlehensgeschäft so gut wie keine Bedeutung zu4.

5.560

Kongruent im Sinne des § 130 InsO ist die Rückführung eines Kredits, wenn das Kreditinstitut einen Betrag in der eingegangenen Höhe, in der empfangenen Art und zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Hinsichtlich der Art der zu beanspruchenden Leistung liegt Kongruenz bei einer verkehrsüblichen Zahlungsweise vor; dies sind neben der Barzahlung Zahlungen durch Überweisungen, Zahlungen durch eigene Schecks oder im Lastschriftverfahren5. Ob das Kreditinstitut die Zahlung zu dem Zeitpunkt verlangen konnte, zu dem sie eintraf, und es damit eine kongruente Befriedigung gemäß § 130 InsO erhalten hat, richtet sich danach, ob das Kreditinstitut zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs einen fälligen Anspruch auf den Tilgungsbetrag hatte.

5.561

Bei einem Kredit mit einer festen Laufzeit bedeutet das, dass die vereinbarte Zeit abgelaufen sein muss und dem Kreditinstitut ein fälliger Rückzahlungsanspruch zusteht6; zu dieser Kre-

5.562

1 BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZIP 2017, 533 = WM 2017, 446 (447, Rn. 11). 2 BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 16/18, ZIP 2019, 1972 = WM 2019, 1886 (1887, Rn. 17 m.w.N.); BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, ZIP 2008, 2182 = WM 2008, 2224 (2225, Rn. 9); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 88. 3 OLG Celle v. 8.10.2012 – 13 U 95/12, ZIP 2012, 2114 (2115). 4 Vgl. zu dieser Ausnahme z.B. Kayser/Freudenberg in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 130 Rn. 5a ff. 5 BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, ZIP 2013, 324 = WM 2013, 213 (215, Rn. 12); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 131 Rn. 93. 6 Zur Kündigung von Krediten s. Rn. 5.311 ff.

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Fünfter Teil Rz. 5.562 | Kreditgeschäft

ditform zählen insbesondere Schuldscheindarlehen, Annuitätendarlehen und sonstige Ratenkredite. Ein geringer zeitlicher Abstand zwischen Zahlungseingang und Laufzeitende führt noch nicht zur Inkongruenz, wenn die Zeitspanne die voraussichtliche Dauer des Zahlungsvorgangs nicht nennenswert überschreitet, wenn sich also die Abweichung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als unverdächtig darstellt1. Die Rechtsprechung akzeptiert bisher wegen der zu erwartenden Dauer einer Überweisung eine Abweichung von maximal 5 Bankarbeitstagen zwischen Zahlungseingang beim Gläubiger und Fälligkeit2; fraglich könnte sein, ob die seit der Entscheidung verkürzte Ausführungsfrist für Zahlungsvorgänge (§ 675s BGB) auch zur Verkürzung der 5-Tages-Frist führen wird.

5.563

Hatte das Kreditinstitut den für eine bestimmte Laufzeit zur Verfügung gestellten Kredit auf einen Zeitpunkt vor dem ursprünglich vorgesehenen Rückzahlungstermin wegen eines bestehenden (außerordentlichen) Kündigungsrechtes wirksam gekündigt, ist die Fälligkeit hergestellt und damit die Kongruenz gegeben3. Die noch zur KO getroffene Entscheidung des BGH, dass eine vorzeitige anfechtbare Rückführung eines Darlehens nicht zu einer Rückforderung der Hauptforderung, sondern nur zur Anfechtbarkeit eines Zwischenzinses führt, d.h. wenn der Kunde einen Kredit zurückzahlt, der zwar nicht (rechtzeitig) gekündigt ist, zu dessen Kündigung die Bank aber berechtigt gewesen wäre und den der Kunde dann unanfechtbar hätte zurückzahlen können4, dürfte heute anders entschieden werden5. Grundsätzlich kann auch eine Kündigung angefochten werden6. Für die Anfechtung einer Kreditkündigung, die innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem Antrag ausgesprochen wurde, kommen §§ 130, 131 InsO in Betracht. Nach dieser Regelung sind auch Rechtshandlungen Dritter, und zwar auch solche anfechtbar, die eine Befriedigung „ermöglichen“. Führt das Kreditinstitut durch seine Kündigung erst die Fälligkeit des Kredits herbei, die seine Deckung kongruent werden lässt, so wird diese „ermöglicht“7. Würde sie erfolgreich angefochten, so hätte das zur Folge, dass der Kredit als ungekündigt und die Verrechnung demgemäß als unzulässig gelten würde8. Eine Kündigung des Kreditinstituts kann eine Fälligkeit nur herbeiführen, wenn sie nach materiellem Recht wirksam ist, insbesondere ein Kündi1 BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243 = WM 2005, 1474 (1475). 2 BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243 = WM 2005, 1474 (1475). 3 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 130/16, WM 2017, 439 (440, Rn. 14); BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, NJW 2009, 2600 (2601, Rn. 14); BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, WM 2005, 319 (320); OLG Dresden v. 1.9.2005 – 13 U 1139/05, WM 2007, 31 (32); OLG Köln v. 29.9.2004 – 2 U 1/04, ZIP 2005, 222 (223). 4 BGH v. 13.3.1997 – IX ZR 93/96, ZIP 1997, 853 (854 f.); s. auch BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, WM 2005, 1474 (1476). 5 Vgl. Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 131 Rn. 10, auch mit dem Hinweis, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 9.6.2005 – IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243 = WM 2005, 1474 (1476) ausdrücklich offengelassen hat, ob die zum alten (KO-)Recht ergangene Entscheidung auf das neue Recht der InsO zu übertragen ist. 6 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 130/16, ZIP 2017, 489 = WM 2017, 439 f. (Rn. 8 f.); BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = NJW 2009, 2600 (2601, Rn. 14); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 131 Rn. 9; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 106. 7 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 130/16, ZIP 2017, 489 = WM 2017, 439 (440, Rn. 13 f.); BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = NJW 2009, 2600 (2601, Rn. 14); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 130 Rn. 10 u. § 131 Rn. 96a; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 106. 8 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 130/16, ZIP 2017, 489 = WM 2017, 439 (440, Rn. 15); BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = NJW 2009, 2600 (2601, Rn. 14).

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E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.566 Fünfter Teil

gungsgrund vorliegt. Besteht ein solcher, hat das Kreditinstitut regelmäßig einen Anspruch im Sinne der § 130 InsO darauf, das Rechtsverhältnis zu beenden. Dass dieser Ausspruch der Kündigung im Ermessen der Bank steht, schließt nicht ihr „verhaltenes“ Recht aus; übt sie es aus, ist die Fälligkeitsfolge grundsätzlich auf kongruente Weise herbeigeführt1. Dies gilt sowohl für die ordentliche als auch für die außerordentliche Kündigung. Allerdings wird im Ergebnis die Aufrechnung nach einer Kündigung, die innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag ausgesprochen und auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden gestützt wird, praktisch fast immer ausgeschlossen sein. Denn einer Bank wird es kaum gelingen, einerseits für die Begründung einer außerordentlichen Kündigung des Kredits die schlechte Vermögenslage des Kunden darzulegen, andererseits die Kenntnis von Umständen zu bestreiten, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Kunden schließen lassen und damit die Voraussetzungen für die Anfechtung nach § 130 InsO schaffen. Ob eine sog. Kontosperre oder – wie im Sprachgebrauch üblich – ein „Einfrieren“ der Kreditlinie stets als Kündigung zu verstehen ist (vgl. dazu Rn. 5.104), mag in Einzelfällen fraglich sein2; das Kreditinstitut sollte sich stets klar entscheiden und sich entsprechend konkret äußern, dass und wenn es kündigen und Rückzahlungen beanspruchen will. Wird z.B. die mögliche (außerordentliche) Kündigung nicht ausgesprochen, sondern nur für den Fall angedroht, dass bis zu einer vom Kreditinstitut gesetzten Frist der Kredit nicht zurückgezahlt wird, sind Zahlungen innerhalb dieser Frist selbst bei einem Kontokorrentkredit inkongruent, weil es an der Fälligkeitstellung durch die Kündigung fehlt; eine Erklärung des Kreditinstituts zum Zeitpunkt der Fristsetzung, es werde ab sofort keine Belastungen mehr zulassen, ist unbeachtlich3. Den Weg der Kreditrückführung über eine Aufhebungsvereinbarung anstelle über eine mögliche (wirksame) Kündigung sollte das Kreditinstitut nicht einschlagen, da die dadurch erreichte Deckung inkongruent ist; dasselbe gilt bei einer Kreditkündigung durch den Schuldner (vgl. dazu Rn. 5.584).

5.564

Ein Zahlungskonto (auch „Girokonto“, „laufendes Konto“ oder „Kontokorrentkonto“) kann durch Belastungsbuchungen ins Soll geraten bzw. eine vereinbarte Kreditlinie überschreiten. Für die dadurch entstehende „Überziehung“ gibt es im Verbraucherdarlehensrecht eigene Bestimmungen.

5.565

Wird das Zahlungskonto eines Unternehmers (§ 14 BGB) von diesem überzogen, besteht grundsätzlich ein fälliger Rückzahlungsanspruch des Kreditinstituts hinsichtlich des Überziehungsbetrags, so dass eine Rückführung kongruent ist. Wenn das Kreditinstitut allerdings seinen Rückzahlungsanspruch nicht oder nicht in angemessener Zeit geltend macht oder entsprechende Überziehungen, ggf. sogar bis zu einer gewissen (nicht kommunizierten) Höhe, immer wieder zulässt, kann dies aus Vertrauensgesichtspunkten dazu führen, dass es den fälligen Anspruch auf Rückführung verliert und in der Duldung der Überziehung etwa eine stillschweigende Vereinbarung einer bzw. Erweiterung der Kreditlinie liegt, dies vorallem, wenn

5.566

1 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 130/16, ZIP 2017, 489 = WM 2017, 439 (Rn. 8). 2 Vgl. BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182 (2183: Der BGH verneint eine Kündigung, obwohl „jede weitere Kreditgewährung gesperrt, aber nicht der gesamte Kredit zur sofortigen Rückzahlung fällig gestellt“ wurde; warum es sich dabei nicht um eine Teilkündigung gehandelt hat, thematisiert der BGH leider nicht weiter); s. zu der Entscheidung auch Bork, FS Gero Fischer, 2008, 37 (41 ff.), bei dem es allerdings vorrangig um die Frage der (In-)Kongruenz bei einer Kontokorrentverrechnung geht. 3 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182 = WM 2002, 2369 (2370 f.).

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Fünfter Teil Rz. 5.566 | Kreditgeschäft

die Überziehungen mehrfach und ggf. bis zu einer bestimmten Höhe zugelassen werden1. Das Kreditinstitut müsste und sollte dann vor der Rückführung des Sollsaldos (wirksam) kündigen, um eine kongruente, weil wieder fällige, Befriedigung sicher zu erlangen. Auch wenn die stillschweigende Honorierung von Überziehungen unter Umständen als konkludentes Verhalten zu einem Kreditvertrag führen oder zumindest das Recht auf einen sofortigen Kontoausgleich ausschließen und die Bank verpflichten kann, eine angemessene Frist einzuräumen2, kann nicht in jeder widerspruchslosen Hinnahme einer Kontoüberziehung oder Limitüberschreitung durch das Kreditinstitut zugleich eine konkludente Kreditvereinbarung gesehen werden3; dann wäre die Differenzierung zwischen stillschweigend vereinbarter und bloß geduldeter Überziehung gegenstandslos4. Wenn eine Bank nicht sofort auf Rückführung der Überziehung besteht, bedeutet dies für sich genommen noch keine rechtsgeschäftliche Bindung5. Eine stillschweigende Kreditgewährung kann insbesondere nicht angenommen werden, wenn die Bank den Kunden mit erhöhten Zinsen für ungenehmigte Überziehungen belegt6. Keinesfalls hat der Kunde einen Anspruch auf Duldung der Überziehung7. Manche Kreditinstitute haben ausdrücklich „Bedingungen für geduldete Überziehungen“ geschaffen, in denen geregelt ist, dass der Kunde die Überziehung innerhalb einer bestimmten Frist zurückführen muss. Damit ist klargestellt, dass eine Rückzahlung innerhalb der genannten Frist eine kongruente Deckung darstellt, während im Umkehrschluss eine längere Duldung bewirkt, dass die Rückzahlung nach Ablauf der Frist nur eine inkongruente Deckung bietet.

5.567

Bei den Überziehungsmöglichkeiten für Verbraucher (§ 13 BGB) auf einem laufenden Konto ist zu unterscheiden zwischen der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit (§ 504 BGB) und der geduldeten Überziehung (§ 505 BGB). Bei der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit handelt es sich um eine besondere Form des Verbraucherdarlehensvertrages, nach der dem Verbraucher das Recht eingeräumt wird, sein laufendes Konto bis zu einer bestimmten Höhe zu überziehen (§ 504 Abs. 1 Satz 1 BGB), und der Verbraucher die Verpflichtung übernimmt, die Überziehung innerhalb bestimmter Zeit (§ 504 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 247 § 16 Nr. 5 EGBGB) oder nach einer Kündigung der Bank zurückzuführen. Nur wenn eine Rückzahlung nach Ablauf der vereinbarten Frist bzw. nach einer (wirksamen) Kündigung erfolgt, ist die Rückzahlung kongruent. Die geduldete Überziehung ist ebenfalls eine besondere Form des Verbraucherdarlehensvertrages, in dem die Bank mit dem Kunden ein Entgelt für den Fall vereinbart, dass sie eine Überziehung des auf Guthabenbasis geführten laufenden Kontos oder einer eingeräumten Überziehungsmöglichkeit duldet (§ 505 BGB)8. Hier hat die Bank dem

1 OLG Köln v. 1.3.2004 – 2 U 189/03, ZIP 2004, 2152 = WM 2005, 568 (569). 2 LG Cottbus v. 22.1.2003 – 3 O 408/01, NZI 2003, 207. 3 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, ZIP 2009, 2009 = WM 2009, 2046 (Rn. 9); OLG Köln v. 1.3.2004 – 2 U 189/03, ZIP 2004, 2152 = WM 2005, 568 (569). 4 OLG Köln v. 23.4.2003 – 13 U 107/02, ZInsO 2004, 43 (44). 5 OLG Köln v. 1.3.2004 – 2 U 189/03, ZIP 2004, 2152 = WM 2005, 568 (569). 6 Soweit das OLG Köln v. 23.4.2003 – 13 U 107/02, ZInsO 2004, 43 (44) dies für eine Provision ebenso entschieden hat, dürfte es sich dabei um ein Entgelt gehandelt haben, das nach der neueren (abzulehnenden) Rspr. des BGH zu laufzeitunabhängigen Entgelten bei Darlehensverträgen, erstmalig in BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, ZIP 2014, 1266 = WM 2014, 1224, nicht mehr in Rechnung gestellt werden sollte. 7 OLG Köln v. 1.3.2004 – 2 U 189/03, ZIP 2004, 2152 = WM 2005, 568 (569). 8 Kirstein ZInsO 2014, 1921 (1924 m.w.N.). Ob das in dieser Norm genannte Entgelt neben erhöhten Zinsen („Überziehungszinsen“) auch ein laufzeitunabhängiges Entgelt zugestehen will, erscheint nach der soeben in Fn. 6 erwähnten Rspr. des BGH zu laufzeitunabhängigen Entgelten bei Darlehensverträgen zumindest sehr fraglich zu sein.

1030 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.568 Fünfter Teil

Kunden den Kredit nicht vorher zugesagt, sondern räumt ihn erst durch die Zulassung der Überziehung ein. Dieser Kredit ist unverzüglich zurückzuzahlen, so dass Zahlungen eine kongruente Deckung darstellen. Bei einem auf dem Zahlungskonto eingeräumten Kredit, dem sog. Kontokorrentkredit oder einem Wechseldiskont- bzw. einem Akzept1- oder einem Lombardkredit2 erteilt die Bank dem Kunden regelmäßig keine Kreditzusage für eine feste Zeit, sondern unbefristet „bis auf weiteres“ („b.a.w.-Zusage“). Soweit in dem Zusammenhang in der Praxis die Kreditbefristung noch mit „täglich fällig“ vereinbart wird, ist nichts anderes gemeint3. Das Kreditinstitut muss also zur Fälligstellung der vereinbarten Kreditlinie kündigen, entweder ordentlich oder bei Vorliegen von Kündigungsgründen außerordentlich4. Solange also das Kreditverhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunden ungekündigt ist, hat das Kreditinstitut keinen Anspruch auf Rückführung eines Kreditsaldos; eine dennoch erfolgte Rückführung wäre inkongruent, weil die Bank ohne Kündigung nicht die sofortige Reduzierung des Saldos auf einen Betrag unterhalb der Linie fordern kann5. Ein besonderes Augenmerk ist noch auf die Kontokorrentverrechnungen zu richten: im ungekündigten Kontokorrentverhältnis ist die Herstellung der Aufrechnungslage grundsätzlich als kongruente Erfüllung der Kontokorrentabrede zu werten, was den Bargeschäftseinwand des § 142 InsO eingreifen lässt, solange das Kreditinstitut dem Schuldner aufgrund der Kontokorrentabrede allgemein gestattet, den durch die Gutschriften eröffneten Liquiditätsspielraum wieder in Anspruch zu nehmen und der Schuldner den ihm eingeräumten Kredit abruft6. Daraus folgt, dass Verrechnungen in der kritischen Zeit, denen keine Belastungsbuchungen mehr gegenüber stehen, nicht als kongruent angesehen werden können, und zwar auch bei ungekündigter Kreditlinie7. Demzufolge kann es zu inkongruenten Deckungen kommen, soweit und solange die dem Kunden eingeräumte Kreditlinie weder überschritten noch gekündigt ist, die Geschäftsbeziehung mit der Bank also normal verläuft, während Überziehungen oder Kündigungen vor allem bei gestörten Geschäftsbeziehungen auftreten. Dann führt das dargestellte Ergebnis zu einer anfechtungsrechtlich verkehrten Welt, in der es den inkongruenten Gutschriften durchaus an der besonderen Verdächtigkeit8 fehlen kann, die vom Gesetzgeber als Rechtfertigung für die erleichterte Anfechtbarkeit von inkongruenten Deckungen betrachtet wird9.

1 Vgl. dazu Schönfelder in Bankrecht und Bankpraxis, Rn.3/321 ff.; s. auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 71. 2 Vgl. dazu Schönfelder in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 3/231 ff.; s. auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 28. 3 BGH v. 6.10.2005 – IX ZR 258/03, ZIP 2005, 2171; OLG Düsseldorf v. 13.11.2003 – I-12 U 43/03, ZIP 2004, 1008 (1010). 4 Vgl. zu den Kündigungsoptionen Rn. 5.311 ff. 5 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 = WM 2011, 1523 (Rn. 6); BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZIP 2009, 1124 = WM 2009, 1101 f. (Rn. 8 ff.). 6 BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 = WM 2013, 361 f. (RN. 15); BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 = WM 2011, 1523 (Rn. 6); BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 = WM 2008, 169 (171, Rn. 15). 7 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 = WM 2011, 1523 (Rn. 6); BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 = WM 2008, 169 (171, Rn. 15). 8 Eine inkongruente Deckung stellt nach der Rspr. ein starkes Beweisanzeichen für die Absicht zur Gläubigerbenachteiligung dar. Bei einer ungestörten Geschäftsbeziehung müssen dann wohl noch weitere Beweisanzeichen vorliegen. 9 BegrRegE Inso, Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 233.

Huber | 1031

5.568

Fünfter Teil Rz. 5.569 | Kreditgeschäft

5.569

Wird ein ausnahmsweise mit einer festen Laufzeit vereinbarter Kontokorrentkredit am Ende der zugesagten (und nicht verlängerten) Laufzeit getilgt, stellt dies nach den oben dargestellten Grundsätzen ebenso eine kongruente Deckung dar wie die Tilgung eines Festkredits. Es wäre dann aber widersprüchlich, wenn man zwischenzeitliche Reduzierungen des Kredits unter die zugesagte Linie als inkongruent behandeln würde. Dies könnte zu dem kuriosen Ergebnis führen, dass beispielsweise eine im letzten Monat vor Verfahrenseröffnung vorgenommene Gesamttilgung wegen fehlender Kenntnis der Bank von der Zahlungsunfähigkeit des Kunden unanfechtbar wäre (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO), Rückführungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzantrag wegen objektiv vorliegender Zahlungsunfähigkeit des Kunden aber angefochten werden könnten (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Die Abgrenzung wird man danach vornehmen müssen, dass sämtliche Zahlungen, die letztlich zu einer ordentlichen Tilgung eines Kredits am Ende der Laufzeit geführt haben, kongruent sind, während Reduzierungen eines Kredits, dessen vertragsgemäßer Ablauf nicht eingetreten war, als inkongruent behandelt werden müssen.

5.570

Revolvierende Kredite, insbesondere der sog. Roll-over-Kredit (vgl. dazu auch Rn. 5.107), werden oft vereinbarungsgemäß nach Ablauf der jeweiligen Zinsperiode zurückgeführt und für die anschließende Zinsperiode unter Vereinbarung eines marktaktuellen Zinssatzes neu ausgereicht. In vielen Fällen, insbesondere wenn der Darlehensbetrag gleich bleibt, kommt es nicht mehr zum Hin- und Herzahlen der Darlehenssumme, sondern nur noch zum Zinsausgleich1. Bei dieser Prolongation handelt es sich wirtschaftlich nicht um eine Rückzahlung und Neuausreichung des üblicherweise längerfristig vereinbarten Kredits. Denn auch wenn der Kredit fällig war und die Bank ihn jetzt verlängert, wird allein damit dem Kreditnehmer kein neuer Vermögenswert zugeführt2 und die Bank geht mit der Auszahlung kein neues Risiko ein. Vielmehr bleibt auch bei der Prolongation eines Roll-over-Kredits der Kreditvertrag mit der von vornherein vereinbarten Laufzeit und mit dem anfänglich festgelegten Rückzahlungstermin für das Darlehen unverändert, während lediglich eine periodische Neuberechnung der Zinsen vorgenommen wird. Daher kann die (buchungstechnische) Rückzahlung am Ende der Zinsperiode keine anfechtbare Gläubigerbenachteiligung darstellen. Für eine Anfechtung nach § 130 InsO kommt allein – praktisch wie bei einem „normalen“ Darlehen – die kongruente Rückzahlung nach Ablauf der vereinbarten Kreditlaufzeit oder eines nach Ablauf einer Zinsperiode nicht wieder in Anspruch genommener Spitzenbetrages in Betracht3, soweit die Bank einen fälligen Anspruch auch auf den Spitzenbetrag hatte.

5.571

Sofern für ein Zahlungskonto keine Kreditlinie, sondern nur ein Tages-Limit eingeräumt ist, z.B. im Rahmen einer Cashpool-Vereinbarung, bedeutet dies, dass der dort am Tagesanfang stehende Saldo von regelmäßig „Null“ durch untertägige Belastungsbuchungen unterschritten werden kann. Spätestens am Ende des Tages wird der Sollsaldo ausgeglichen bzw. umgebucht, da mit der Bank der tägliche Ausgleich vereinbart worden ist. Rechtlich ist der (jeweilige) Tages-Sollsaldo nicht als Kredit zu werten, sondern als eine Aufwendung der Bank, mit der sie untertägig in Vorleistung getreten ist und für die sie auf der Grundlage der Kontoführungsvereinbarung einen täglichen – kongruenten – Ausgleich als Aufwendungsersatz verlangen kann4. Ein Anfechtung kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen einer vorsätzlichen Gläubiger1 Castor in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 16 Rn. 25; s. auch K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 489 Rn. 9. 2 S. auch BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 149/11, ZIP 2012, 1254 = WM 2012, 1205 (1207, Rn. 21); BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 = WM 2009, 1099 (1101, Rn. 12). 3 Waldburg ZInsO 2014, 1405 (1416 f.). 4 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 = WM 2013, 1793 (1794, Rn. 20).

1032 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.574 Fünfter Teil

benachteiligung in Betracht kommen1. Erst wenn ein solcher Tageskredit in einen Übernachtkredit übergehen sollte, ist er wie ein Kontokorrentkredit oder Überziehungskredit zu behandeln2. Werden Kredite innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag infolge Fristablaufs oder durch Ausübung eines vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsrechts (vgl. § 490 BGB) fällig und zurückgezahlt, so handelt es sich demnach um eine kongruente Deckung. Diese kann der Insolvenzverwalter nur anfechten, wenn der Kunde zahlungsunfähig war und die Bank dies wusste (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO). Zu einer Rückzahlung durch einen zahlungsunfähigen Kunden kann es in der Praxis im Wesentlichen durch Zahlungseingänge von dritter Seite auf sein debitorisches Konto, vereinzelt aber auch auf Veranlassung von Gesellschaftern oder Geschäftsführern des Unternehmens kommen, die sich für dessen Verbindlichkeiten gegenüber der Bank verbürgt haben und die letzten verfügbaren Mittel zusammenziehen, um diesen Kredit und damit auch ihre Bürgenverpflichtung zu erledigen. Wenn die Bank nicht wusste, dass der Kunde zahlungsunfähig war, so bewahrt sie allein diese Unkenntnis noch nicht vor einer Anfechtung. Für die Anfechtung genügt es nämlich schon, dass der Bank Umstände bekannt waren, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO)3. Da die Bank als Anfechtungsgegnerin grundsätzlich keinen Einblick in die Buchhaltung des Insolvenzschuldners hat, dementsprechend nicht beurteilen kann, ob dieser zahlungsunfähig ist oder nicht, ist für ihre Kenntnis darauf abzustellen, ob sie aufgrund eigens wahrnehmbarer Indizien, insbesondere durch schleppende oder ganz ausbleibende Tilgung eigener Forderungen konkrete Anhaltspunkte dafür gehabt haben muss, dass eine Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners vorlag4. Nur die Kenntnis dieser Umstände muss der Insolvenzverwalter beweisen; dass die Bank daraus nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hat, ist unerheblich5. Handelt es sich bei der Bank um eine „nahestehende Person“ (s. dazu Rn. 5.552), so wird die Kenntnis dieser Umstände vermutet (§ 130 Abs. 3 InsO).

5.572

Wenn es auch systematisch zur Deckungsanfechtung nach § 131 InsO gehört, soll an dieser Stelle zumindest darauf hingewiesen werden, dass Zahlungen, die der Kreditnehmer auf eine fällige Forderung leistet, inkongruente Deckungen darstellen können, wenn der Kreditnehmer zwar noch zahlungsfähig, aber aufgrund finanzieller Engpässe zahlungsunwillig war und durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder Druckmittel zur Zahlung veranlasst wurde. Gängige Druckmittel sind Drohungen mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder Insolvenzanträgen, aber auch schon die Drohung mit einer Kreditkündigung oder der Sicherheitenverwertung kann einen Schuldner zur Zahlung bewegen. Die beiden zuletzt genannten Tatbestände sind nicht als „inkongruente Druckmittel“ einzuordnen und daher gleich zu behandeln6.

5.573

Die Drohung, wegen des Zahlungsverzugs z.B. mit Zinsen und Tilgungen diesen Kredit oder auch andere, bislang nicht fällige Kredite zu kündigen, kann nicht zur Inkongruenz führen. Die Kündigung ist – wenn die vertragliche Grundlage dafür gegeben ist – eine legitime Reaktion. Bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen hat zuvor eine Abmahnung zu erfolgen

5.574

1 2 3 4 5 6

S. dazu BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 = WM 2013, 1793 (1795 f., Rn. 23 ff.). S. auch Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 96 Rn. 79. Vgl. dazu Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 108. LG Düsseldorf v. 4.4.2014 – 6 O 422/12, ZInsO 2015, 154 (157). BGH v. 16.6.2016 – IX ZR 23/15, ZIP 2016, 1388 = WM 2016, 1307 (1308, Rn. 11). Zu anderen Druckmitteln, die zur Inkongruenz führen können, wird unter Rn. 5.593 ff. Stellung genommen.

Huber | 1033

Fünfter Teil Rz. 5.574 | Kreditgeschäft

(§ 490 Abs. 3, § 314 Abs. 2 BGB). Insofern stellt die Androhung einer Kündigung für den Fall, dass der vertragsgerechte Zustand nicht wiederhergestellt wird, ein von der Rechtsordnung gebilligtes Verhalten dar. Es wäre ein Wertungswiderspruch, würde man den Darlehensgeber, der dieses Procedere beachtet, mit einer Anfechtung wegen einer Druckzahlung nach § 133 InsO überziehen können. Im Gegensatz zu der Drohung mit einem Insolvenzantrag (dazu Rn. 5.596) handelt es sich nicht um den Missbrauch eines anderen Zwecken dienenden Rechts. Auch bleibt eine Kündigung in ihren Wirkungen weit hinter einer Zwangsvollstreckung zurück, denn dem Kreditnehmer bleibt immer noch die Entscheidung offen, ob er liquide Mittel opfert oder (vertragswidrig) die Zahlung verweigert. Die Drucksituation ist also weit geringer als bei einer Zwangsvollstreckung oder einem drohenden Insolvenzantrag, die beide zur Inkongruenz einer daraus resultierenden Zahlung führen.

5.575

Auch die Drohung, für eine fällige Forderung Sicherheiten zu verwerten, oder die Kündigung einer Grundschuld, machen aus einer Zahlung, die der Kreditnehmer zur Abwendung der Sicherheitenverwertung leistet, noch keine inkongruente Deckung. Dies gilt nicht nur für Sicherheiten aus dem Vermögen des Kreditnehmers, sondern auch im Fall von Drittsicherheiten. Wenn die Bank die Sicherheiten insolvenzfest erworben hat, sind sowohl die Verwertung der Sicherheiten als auch eine durch Drohung mit der Verwertung erlangte Zahlung des Kreditnehmers stets kongruent. Hier wird man auch nicht differenzieren können zwischen vollwertigen und nicht ausreichenden Sicherheiten. Denn für den durch die Verwertungsdrohung ausgelösten Druck auf den Schuldner ist es ohne Bedeutung, welchen materiellen Wert die Sicherheit für die Bank besitzt1.

5.576

Wird im Darlehensvertrag vereinbart, dass die Rückzahlungen der Darlehenssumme ratierlich erfolgen soll, ist die Frage der Anfechtbarkeit nach § 130 InsO nach den soeben erörterten Grundsätzen zu beurteilen. Erbringt der Schuldner seine Raten pünktlich erbringt, liegt grundsätzlich kongruente Deckung vor und eine Anfechtung kommt nur in Betracht, wenn Raten in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag (oder nach dem Eröffnungsantrag) geleistet wurden, der Schuldner zahlungsunfähig war und das Kreditinstitut die Zahlungsunfähigkeit (bzw. den Eröffnungsantrag) kannte. Gegen eine Kenntnis der Bank spricht z.B. der Umstand, dass nach Abschluss der Ratenvereinbarung die Raten mehrere Monate pünktlich gezahlt worden sind und es erst dann zum Ausfall gekommen ist2. Soweit es erst während der Laufzeit des Darlehensvertrags zu einer – ggf. weiteren – Ratenzahlungsvereinbarung kommt, liegt dem regelmäßig eine Bitte des Kunden zugrunde (s. dazu Rn. 5.533). Soweit Banken Ratenzahlungen auch bei gesicherten Krediten vereinbaren, um eine Sicherheitenverwertung im eigenen und vor allem im Interesse des Kreditnehmers zu vermeiden, scheidet eine Anfechtung schon wegen fehlender Gläubigerbenachteiligung aus. Da im Übrigen anfechtungsrechtlich gesehen der Tatbestand der Kongruenz schnell verlassen wird, sollen die Fragen, wie eine Rückzahlung nach einer erst nach Vertragsschluss getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung einzuordnen ist, zum einen bei der Deckungsanfechtung nach § 131 InsO (vgl. Rn. 5.599 ff.) – auch soweit ausnahmsweise § 130 InsO in Betracht kommt – und zum anderen bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO (vgl. Rn. 5.531 ff.) beantwortet werden.

5.577

Die planmäßige Rückzahlung von Krediten, die ein Kreditinstitut zum Zweck einer Sanierung oder Restrukturierung unter Berücksichtigung der Vorgaben der Rechtsprechung eingeräumt oder verlängert hat, unterliegt in gleicher Weise wie andere Rückzahlungen den Regeln über

1 S. auch KG v. 7.4.2006 – 7 U 149/05, ZInsO 2006, 833 (834 f.); dazu Blum ZInsO 2006, 807 ff. 2 LG Koblenz v. 17.9.2015 – 10 O 257/14, ZInsO 2015, 2322 (2323 f.).

1034 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.580 Fünfter Teil

eine Anfechtung als kongruente Deckung nach § 130 InsO1. Faktisch kommt dies aber auch dann nicht zum Zuge, wenn die Sanierung zwar letztlich misslingt, das Sanierungskonzept allerdings die Rückzahlung während seiner Umsetzung vorsieht und die Rückzahlung noch zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, in dem die eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen erfolgversprechend verlaufen2. Denn Basis eines jeden fachgerechten Sanierungskonzepts, das der Schuldner gemeinsam mit seinen Gläubigern verfolgt, ist die Beseitigung einer etwa schon vorhandenen (drohenden) Zahlungsunfähigkeit (s. auch Rn. 5.203). Solange das Kreditinstitut auf den ordnungsgemäßen Verlauf der Sanierung oder Restrukturierung vertrauen kann, hat es auch keine Kenntnis von einer etwa erneut eingetretenen (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Kunden; insoweit sind die Tatbestandsmerkmale des § 130 InsO nicht erfüllt. Fällige und vom Kunden fristgerechte erbrachte Zinszahlungen unterliegen in gleicher Weise der Anfechtung nach § 130 InsO wie die Rückzahlung der Hauptforderung; es gelten demnach die erörterten Grundsätze entsprechend.

5.578

6. Anfechtung wegen einer inkongruenten Deckung Nach § 131 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine inkongruente Deckung, also eine Befriedigung oder Sicherung gewährt oder ermöglicht, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit beanspruchen kann. Die Rechtshandlung kann nicht nur vom Insolvenzschuldner, sondern insbesondere auch vom Anfechtungsgegner vorgenommen worden sein3. Im Unterschied zu § 130 InsO erhält der Anfechtungsgegner aufgrund der Rechtshandlung also eine Deckung (bzw. ihm wird dies ermöglicht), die ihm nicht „gebührt“, er also etwas erhält, was ihm so nicht zusteht4. Dieser Gläubiger ist deshalb auch weniger schutzwürdig, so dass die Anfechtung ihm gegenüber „wegen der besonderen Verdächtigkeit inkongruenten Erwerbs“ unter erleichterten Voraussetzungen möglich ist5. Eine einheitliche Rechtshandlung ist insgesamt kongruent oder inkongruent; ist sie teilweise inkongruent, so ist sie es in vollem Umfang, soweit sie nicht im Ausnahmefall teilbar ist6.

5.579

Nach § 131 Abs. 1 InsO ist die Rechtshandlung anfechtbar, wenn sie im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag (oder nach diesem Antrag) vorgenommen worden ist (Nr. 1), wenn sie innerhalb des zweiten und dritten Monats vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war (Nr. 2) oder wenn die Handlung innerhalb des zweiten und dritten Monats vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte (Nr. 3). Für die Verwirklichung des § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO reicht also alleine das Vorliegen objektiver Tatbestandsmerkmale aus; dabei verlangt § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO alleine eine Rechtshandlung im letzten Monat verlangt, während § 131 Abs. 1 Nr. 2

5.580

1 Werden die Vorgaben der Sanierungskredit-Rspr. dagegen nicht eingehalten, kommt auch die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO in Betracht, vgl. dazu Rn. 5.86. 2 Gehrlein WM 2011, 577 ff. 3 Bei der Deckungsanfechtung kommen grundsätzlich noch weitere, hier nicht interessierende Handelnde in Betracht, vgl. dazu Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 106. 4 Vgl. dazu und zum Nachstehenden auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 111 ff. 5 BegrRegE InsO, Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 233. 6 OLG Düsseldorf v. 11.5.2017 – I-12 U 55/16, ZIP 2017, 1486 (1487) m.w.N.

Huber | 1035

Fünfter Teil Rz. 5.580 | Kreditgeschäft

InsO für den weiter zurückliegenden Zeitraum zusätzlich das objektive Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit verlangt. Das Vorliegen der subjektiven Seite für diese beiden Anfechtungstatbestände wird wegen der besonderen Verdächtigkeit einer inkongruenten Deckung unwiderleglich vermutet1. Eine subjektive Komponente enthält alleine § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der greift, wenn zwar für die letzten beiden Monate vor Antragstellung keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt bzw. sie sich nicht belegen lässt, der Anfechtungsgegner aber zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung positive Kenntnis von der daraus resultierenden Gläubigerbenachteiligung hatte. a) Auszahlung

5.581

Werden im Drei-Monatszeitraum vor dem Insolvenzantrag und damit in der auch nach Ansicht des Gesetzgebers kritischen Phase (vgl. dazu Rn. 5.496) Kredite mit oder ohne Sicherheiten ausgeliehen – was wohl nur denkbar ist, wenn die Bank die Krise nicht erkannt hat –, ist § 131 InsO schon dem Wortlaut nach nicht einschlägig; dass die Bank von dem gegen sie gerichteten Auszahlungsanspruch des Kunden aus ihrer Kreditzusage frei wird, ist keine Befriedigung im Sinne von § 131 InsO. Im Übrigen wäre auch keine Gläubigerbenachteiligung anzunehmen (vgl. dazu Rn. 5.498). b) Rückzahlung

5.582

Eine Rückzahlung stellt auch hier grundsätzlich einen Vorteil für den befriedigten und spiegelbildlich einen Nachteil für die übrigen Gläubiger dar, so dass die Gläubigerbenachteiligung indiziert ist2. Nur tatsächliche Rückzahlungen können anfechtbar sein. Keine Rückzahlung im insolvenzrechtlichen Sinn stellen reine Umbuchungen oder Umschuldungen dar, bei denen der Kredit auf einem Konto durch Überträge von einem anderen Konto oder durch Vereinbarung eines neuen Kredits zur Ablösung des bestehenden „getilgt“ wird, solange sich an dem Gesamtobligo des Kunden und dem Gesamtrisiko der Bank nichts ändert (vgl. auch insoweit Rn. 5.506).

5.583

Ist der Kredit von einer werthaltigen Sicherheit insolvenzfest gedeckt, fehlt es dagegen an einer Gläubigerbenachteiligung3. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt ebenfalls nicht vor, wenn ein Dritter die Schuld zurückzahlt, ohne dadurch gegenüber dem Schuldner verpflichtet gewesen zu sein („Anweisung auf Kredit“)4. Denn dann kommt es lediglich zu einem Gläubigerwechsel, wobei die Belastung der Masse mit Rückgriffsansprüchen durch ihre Befreiung von der Verbindlichkeit ausgeglichen wird.

5.584

Inkongruent im Sinne des § 131 InsO ist die Rückführung eines Kredits, wenn das Kreditinstitut einen erhaltenen Betrag nicht, nicht in der Art oder nicht zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Nicht zu beanspruchen hat ein Gläubiger eine Deckung insbesondere dann, wenn er

1 BegrRegE InsO, Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 233; Nerlich in Nerlich/ Römermann, InsO, § 131 Rn. 60. 2 S. dazu Rn. 5.505. Zu verbreiteten Verteidigungsargumenten von Gläubigern s. Meier ZInsO 2015, 339 ff.; Meier ZInsO 2015, 1534 ff. 3 BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZIP 2017, 533 = WM 2017, 446 (447, Rn. 11). 4 BGH v. 12.9.2019 – IX ZR 16/18, ZIP 2019, 1972 = WM 2019, 1886 (1887, Rn. 17 m.w.N.); BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, ZIP 2008, 2182 = WM 2008, 2224 (2225, Rn. 9); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 88.

1036 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.585 Fünfter Teil

sie nicht verlangen bzw. nicht durchsetzen kann1. Dies ist z.B. der Fall, wenn das Kreditinstitut im Anfechtungszeitraum eine Rückführung eines Kontokorrentkredites dadurch erlangt, dass die Summe der in das Kontokorrent eingestellten Einzahlungen die der fremdnützigen Auszahlungen übersteigt2. Ermöglicht der Schuldner durch seine Kündigung die Fälligkeit eines Darlehens, stellt dies eine inkongruente Deckung dar, während die Kündigung des Gläubigers kongruent ist, wenn der Kündigung ein wirksamer Kündigungsgrund zugrunde lag3. Ebenso als inkongruent ist eine Rechtshandlung anzusehen, die auf hoheitlichem Zwang beruht wie eine Leistung des Schuldners zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung bzw. zur Abwendung eines auch nur angedrohten Insolvenzantrages (dazu Rn. 5.593 ff.). Nicht in der Art zu beanspruchen hat der Gläubiger eine Deckung, die nicht der geschuldeten Leistung entspricht4, soweit es sich nicht um nur unwesentliche Abweichungen handelt. Als inkongruent ist demzufolge anzusehen z.B.5, wenn ein Dritter auf Anweisung des Schuldners dessen Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger erfüllt6 oder wenn eine Leistung erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt erfolgt wie zB die Abtretung einer Forderung anstelle der geschuldeten Zahlung, es sei denn, die „Leistungsart“ ist verkehrsüblich. Nicht zu der Zeit zu beanspruchen hat der Gläubiger eine Deckung, die noch nicht fällig, betagt oder aufschiebend bedingt ist; soweit eine Forderung vorzeitig erfüllbar ist (§ 271 Abs. 2 BGB), ändert dies an der Inkongruenz nichts7. Bei einem mit einer festen Laufzeit zur Verfügung gestellten Kredit bedeutet das, wenn diese Zeit noch nicht abgelaufen ist, dass das Kreditinstitut durch vollständige oder teilweise Rückführung dieses Kredits eine Deckung erhält, die es zu dieser Zeit nicht zu beanspruchen hatte, mithin eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO. Zu dieser Kreditform zählen insbesondere Schuldscheindarlehen, Annuitätendarlehen und sonstige Ratenkredite. Allerdings führt nicht jede, auch noch so „zeitnahe“ vorfristige Zahlung zur Inkongruenz. Eine verfrühte und damit inkongruente Leistung ist bei einer Zahlung aber anzunehmen, wenn der Betrag beim Gläubiger soweit vor Fälligkeit eingeht, dass die voraussichtliche Dauer des Zahlungsvorgangs nennenswert überschritten ist; das wurde für eine früher als fünf Bankgeschäftstage vor Fälligkeit eingehende Deckung bejaht8. Fraglich könnte sein, ob die seit der Entscheidung verkürzte Ausführungsfrist für Zahlungsvorgänge (§ 675s BGB) auch zur Verkürzung der 5-Tages-Frist führen wird. 1 Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 131 Rn. 16. 2 Vgl. z.B. BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235= NZI 2008, 184 (185, Rn. 15); die Herstellung der Aufrechnungslage im ungekündigten Kontokorrentverhältnis ist allerdings grundsätzlich als kongruent anzusehen, s. Rn. 5.568. 3 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = WM 2009, 1202 (1203, Rn. 13 f.); für die Gläubigerkündigung BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 130/16, ZIP 2017, 489 = WM 2017, 439 (Rn. 8); Gehrlein ZInsO 2010, 1857 (1860); Ganter NZI 2010, 835. 4 Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 131 Rn. 17. 5 Weitere Beispiele bei Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 131 Rn. 24 ff. und Rn. 45 ff.; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 131 Rn. 18 ff. 6 BGH v. 9.11.2017 – IX ZR 319/16, ZIP 2018, 335 = WM 2018, 343 (344, Rn. 8); BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, ZIP 2007, 1162 = NZI 2007, 456 (Rn. 8). Liegt der Direktzahlung dagegen eine die ursprünglichen Verträge abändernde Vereinbarung zugrunde, die selbst nicht anfechtbar ist, ist die Direktzahlung kongruent, vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, ZIP 2016, 279 = WM 2016, 282 (283, Rn. 17); BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 = WM 2014, 1588 (1590 f., Rn. 16 ff.). 7 Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 131 Rn. 8; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 131 Rn. 31 ff. 8 BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243 = WM 2005, 1474 (1475).

Huber | 1037

5.585

Fünfter Teil Rz. 5.586 | Kreditgeschäft

5.586

Kündigt das Kreditinstitut einen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellten Kredit für einen Zeitpunkt vor dem ursprünglich vorgesehenen Rückzahlungstermin, ist bereits darauf hingewiesen worden, dass damit die Kongruenz gegeben ist, wenn die Kündigung nach materiellem Recht wirksam ist, insbesondere ein Kündigungsgrund vorliegt (vgl. Rn. 5.563). Besteht allerdings kein Kündigungsgrund, kündigt das Kreditinstitut aber dennoch, ist dies inkongruent und die Kündigungserklärung nach § 131 InsO anfechtbar, soweit sie nicht per se unwirksam ist. Dies gilt sowohl für die ordentliche als auch für die außerordentliche Kündigung.

5.587

Ob eine sog. Kontosperre oder – wie im Sprachgebrauch üblich – ein „Einfrieren“ der Kreditlinie stets als Kündigung zu verstehen ist (vgl. dazu Rn. 5.104), mag in Einzelfällen fraglich sein1; das Kreditinstitut sollte sich stets klar entscheiden und sich entsprechend konkret äußern, dass und wenn es kündigen und Rückzahlungen beanspruchen will. Wird z.B. die mögliche (außerordentliche) Kündigung nicht ausgesprochen, sondern nur für den Fall angedroht, dass bis zu einer vom Kreditinstitut gesetzten Frist der Kredit nicht zurückgezahlt wird, sind Zahlungen innerhalb dieser Frist selbst bei einem Kontokorrentkredit inkongruent, weil es an der Fälligkeitstellung durch die Kündigung fehlt; eine Erklärung des Kreditinstituts zum Zeitpunkt der Fristsetzung, es werde ab sofort keine Belastungen mehr zulassen, ist unbeachtlich2. Eine Kreditrückführung über eine Aufhebungsvereinbarung anstelle über eine mögliche (wirksame) Kündigung sollte vermieden werden, da die dadurch erreichte Deckung inkongruent ist3. Auch wenn nicht das Kreditinstitut, sondern der Kreditnehmer kündigt, erlangt das Kreditinstitut die Kreditvaluta früher als geschuldet zurück, so dass eine Kreditkündigung durch den Schuldner zu einer inkongruenten Deckung führt4.

5.588

Die Überziehung eines Zahlungskontos (s. dazu Rn. 5.566), dessen Kontoinhaber kein Verbraucher ist, führt grundsätzlich zu einem fälligen Rückzahlungsanspruch des Kreditinstituts hinsichtlich des Überziehungsbetrags, so dass insoweit eine Rückführung kongruent ist. Nur wenn das Kreditinstitut seinen Rückzahlungsanspruch nicht oder nicht in angemessener Zeit geltend macht oder entsprechende Überziehungen, ggf. sogar bis zu einer gewissen (nicht kommunizierten) Höhe, immer wieder zulässt, kann dies ausnahmsweise aus Vertrauensgesichtspunkten zu einer (konkludenten) Vereinbarung und dazu führen, dass es den fälligen Anspruch auf Rückführung verliert und Rückzahlungen anschließend inkongruent sind5. Jedoch kann nicht in jeder widerspruchslosen Hinnahme einer Kontoüberziehung oder Limitüberschreitung durch die Bank zugleich eine konkludente Kreditvereinbarung gesehen werden6, denn dann wäre die Differenzierung zwischen stillschweigend vereinbarter und bloß gedulde1 Vgl. BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182 (2183: Der BGH verneint eine Kündigung, obwohl „jede weitere Kreditgewährung gesperrt, aber nicht der gesamte Kredit zur sofortigen Rückzahlung fällig gestellt“ wurde; warum es sich dabei nicht um eine Teilkündigung gehandelt hat, thematisiert der BGH leider nicht weiter); s. zu der Entscheidung auch Bork, FS Gero Fischer, 2008, 37(41 ff.), bei dem es allerdings vorrangig um die Frage der (In-)Kongruenz bei einer Kontokorrentverrechnung geht. 2 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182 = WM 2002, 2369 (2370 f.). 3 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, ZIP 2013, 2323 = WM 2013, 1361 (1362, Rn. 13); BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = WM 2009, 1202 (1203, Rn. 14). 4 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = WM 2009, 1202 (1203, Rn. 12 u. Rn. 14); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 112. 5 BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, ZIP 2011, 1111 = WM 2011, 1085 (1086, Rn. 13); BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585 = WM 2005, 319 (320). 6 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, ZIP 2009, 2009 = WM 2009, 2046 (Rn. 9); OLG Köln v. 1.3.2004 – 2 U 189/03, ZIP 2004, 2152 = WM 2005, 568 (569).

1038 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.590 Fünfter Teil

ter Überziehung gegenstandslos1. Wenn eine Bank nicht sofort auf Rückführung der Überziehung besteht, bedeutet dies für sich genommen noch keine rechtsgeschäftliche Bindung2 (s. dazu auch Rn. 5.566). Keinesfalls hat der Kunde einen Anspruch auf Duldung der Überziehung3. Manche Kreditinstitute haben ausdrücklich „Bedingungen für geduldete Überziehungen“ geschaffen, in denen geregelt ist, dass der Kunde die Überziehung innerhalb einer bestimmten Frist zurückführen muss. Damit ist klargestellt, dass eine Rückzahlung innerhalb der genannten Frist eine kongruente Deckung darstellt, während im Umkehrschluss eine längere Duldung bewirkt, dass die Rückzahlung nach Ablauf der Frist nur eine inkongruente Deckung bietet. Bei den Überziehungsmöglichkeiten für Verbraucher (§ 13 BGB)4 ist bei der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit (§ 504 BGB), die eine besondere Form des Verbraucherdarlehensvertrages ist, nach der dem Verbraucher das Recht eingeräumt wird, sein laufendes Konto bis zu einer bestimmten Höhe zu überziehen (§ 504 Abs. 1 Satz 1 BGB), und der Verbraucher die Verpflichtung übernimmt, die Überziehung innerhalb bestimmter Zeit (§ 504 Abs. 2 Satz 1 BGB, Art. 247 § 16 Nr. 5 EGBGB) oder nach einer Kündigung der Bank zurückzuführen, eine Rückzahlung vor Ablauf der vereinbarten Frist oder vor einer Kündigung eine inkongruente Deckung. Bei der geduldeten Überziehung (§ 505 BGB) wird dagegen dem Kunden den Kredit nicht vorher zugesagt, sondern ihm erst durch die Zulassung der Überziehung eingeräumt. Dieser Kredit ist unverzüglich zurückzuzahlen, so dass Zahlungen nur dann ausnahmsweise eine inkongruente Deckung darstellen, wenn der Kunde wegen besonderer Umstände des Einzelfalls darauf vertrauen konnte, dass die Bank keinen fälligen Anspruch mehr hat.

5.589

Bei einem auf dem Zahlungskonto („Girokonto“, „laufendes Konto“ oder „Kontokorrentkonto“) eingeräumten Kredit, dem sog. Kontokorrentkredit oder einem Wechseldiskont- bzw. einem Akzept5- oder einem Lombardkredit6 erteilt die Bank dem Kunden regelmäßig keine Kreditzusage für eine feste Zeit, sondern unbefristet „bis auf weiteres“ („b.a.w.-Zusage“). Soweit in dem Zusammenhang in der Praxis die Kreditbefristung noch mit „täglich fällig“ vereinbart wird, ist nichts anderes gemeint7. Das Kreditinstitut muss also zur Fälligstellung der vereinbarten Kreditlinie kündigen, entweder ordentlich oder bei Vorliegen von Kündigungsgründen außerordentlich8. Solange also das Kreditverhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunden ungekündigt ist, hat das Kreditinstitut keinen Anspruch auf Rückführung eines Kreditsaldos; eine dennoch erfolgte Rückführung wäre inkongruent, weil die Bank ohne Kündigung nicht die sofortige Reduzierung des Saldos auf einen Betrag unterhalb der Linie fordern kann9. Ein besonderes Augenmerk ist noch auf die Kontokorrentverrechnungen zu richten: im ungekündigten Kontokorrentverhältnis ist die Herstellung der Aufrechnungslage grundsätzlich als

5.590

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Köln v. 23.4.2003 – 13 U 107/02, ZInsO 2004, 43 (44). OLG Köln v. 1.3.2004 – 2 U 189/03, ZIP 2004, 2152 = WM 2005, 568 (569). OLG Köln v. 1.3.2004 – 2 U 189/03, ZIP 2004, 2152 = WM 2005, 568 (569). Vgl. dazu bzw. auch zur kongruenten Deckung bei den Überziehungsmöglichkeiten für Verbraucher Rn. 5.567. Vgl. dazu Schönfelder in Bankrecht und Bankpraxis, Rn.3/321 ff.; s. auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 71. Vgl. dazu Schönfelder in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 3/231 ff.; s. auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 28. BGH v. 6.10.2005 – IX ZR 258/03, ZIP 2005, 2171; OLG Düsseldorf v. 13.11.2003 – I-12 U 43/03, ZIP 2004, 1008 (1010). Vgl. zu den Kündigungsoptionen Rn. 5.311 ff. BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 = WM 2011, 1523 (Rn. 6); BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZIP 2009, 1124 = WM 2009, 1101 f. (Rn. 8 ff.).

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Fünfter Teil Rz. 5.590 | Kreditgeschäft

kongruente Erfüllung der Kontokorrentabrede zu werten, was den Bargeschäftseinwand des § 142 InsO eingreifen lässt, solange das Kreditinstitut dem Schuldner aufgrund der Kontokorrentabrede allgemein gestattet, den durch die Gutschriften eröffneten Liquiditätsspielraum wieder in Anspruch zu nehmen und der Schuldner den ihm eingeräumten Kredit abruft1. Daraus folgt auch, dass Verrechnungen in der kritischen Zeit, denen keine Belastungsbuchungen mehr gegenüber stehen, nicht als kongruent angesehen werden können, und zwar auch bei ungekündigter Kreditlinie2. Demzufolge kann es zu inkongruenten Deckungen kommen, soweit und solange die dem Kunden eingeräumte Kreditlinie weder überschritten noch gekündigt ist, die Geschäftsbeziehung mit der Bank also normal verläuft, während Überziehungen oder Kündigungen vor allem bei gestörten Geschäftsbeziehungen auftreten. Dann führt das dargestellte Ergebnis zu einer anfechtungsrechtlich verkehrten Welt, in der es den inkongruenten Gutschriften durchaus an der besonderen Verdächtigkeit3 fehlen kann, die vom Gesetzgeber als Rechtfertigung für die erleichterte Anfechtbarkeit von inkongruenten Deckungen betrachtet wird4.

5.591

Die Tilgung eines ausnahmsweise mit einer festen Laufzeit vereinbarten Kontokorrentkredits und die Frage, ob zwischenzeitliche Reduzierungen des Kredits unter die zugesagte Linie als inkongruent zu behandeln sind, wurde bereits in Rn. 5.569 erörtert.

5.592

Bei revolvierenden Krediten (vgl. dazu auch Rn. 5.107) kommt eine inkongruente Befriedigung des Kreditinstituts nur in Betracht, wenn die Rückzahlung nach Ablauf der vereinbarten Kreditlaufzeit oder eines nach Ablauf einer Zinsperiode nicht wieder in Anspruch genommener Spitzenbetrages nicht vertragsgemäß durchgeführt wird, z.B. weil der Kreditbetrag vorfristig – d.h. mit mehr als 5 Bankarbeitstagen vor der Fälligkeit5 – auf das Kreditkonto gebucht wird.

5.593

Auch wenn Zahlungen, die der Kreditnehmer auf eine fällige Forderung leistet, zwar grundsätzlich als kongruente Deckung einzuordnen sind und sie demzufolge nach § 130 InsO anfechtbar sein können (dazu ausführlich Rn. 5.559 ff.), kann sich dies anders darstellen, wenn der Kreditnehmer zwar noch zahlungsfähig, aber aufgrund finanzieller Engpässe zahlungsunwillig war und durch Druckmittel zur Zahlung veranlasst wurde. Dann kann eine Zahlung als inkongruente Deckung gemäß § 131 InsO zu werten sein. Gängige Druckmittel sind Drohungen mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder Insolvenzanträgen, aber auch schon die Drohung mit einer Kreditkündigung oder der Sicherheitenverwertung kann einen Schuldner zur Zahlung bewegen.

5.594

Eine Befriedigung seiner Forderungen, die der Gläubiger innerhalb des Dreimonatszeitraums des § 131 InsO durch Zwangsvollstreckung erreicht, sieht die Rechtsprechung auch dann als

1 BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 = WM 2013, 361 f. (RN. 15); BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 = WM 2011, 1523 (Rn. 6); BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 = WM 2008, 169 (171, Rn. 15). 2 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 = WM 2011, 1523 (Rn. 6); BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 = WM 2008, 169 (171, Rn. 15). 3 Eine inkongruente Deckung stellt nach der Rspr. ein starkes Beweiszeichen für die Absicht zur Gläubigerbenachteiligung dar. Bei einer ungestörten Geschäftsbeziehung müssen dann wohl noch weitere Beweisanzeichen vorliegen. 4 BegrRegE Inso, Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 233. 5 Vgl. zu diesem „Inkongruenzmerkmal“ Rn. 5.585.

1040 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.595 Fünfter Teil

inkongruente Deckung an, wenn die beglichene Forderung fällig war1. Dies gilt unabhängig von der Art des Titels, aus dem die Bank die Zwangsvollstreckung betreibt. Ebenso sieht die Rechtsprechung Zahlungen, die der Schuldner zur Abwendung einer schon beginnenden Zwangsvollstreckung leistet, als inkongruente Deckung an, wenn die beglichene Forderung fällig war und die Befriedigung innerhalb des Dreimonatszeitraums des § 131 InsO bewirkt wurde2. Inkongruenz ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Befriedigung im Rahmen einer bereits eingeleiteten Zwangsvollstreckung in ein Bankkonto in der Weise erzielt wird, dass die Bank dem Kontoinhaber gestattet, von dem gepfändeten Konto eine Überweisung an den Pfändungsgläubiger vorzunehmen3. Als inkongruente Deckung ist die Zahlung anfechtbar, wenn der Schuldner zu dieser Zeit bereits zahlungsunfähig war, ohne dass es auf den Kenntnisstand der Bank ankommt (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Sie ist auch dann anfechtbar, wenn der Schuldner zu diesem Zeitpunkt noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet war, dem Gläubiger aber zur Zeit der Handlung bekannt war, dass die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Der Insolvenzverwalter hat also lediglich zu beweisen, dass dem Anfechtungsgegner entweder die Benachteiligung der anderen Gläubiger positiv bekannt war oder dass er Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs. 2 InsO). Die Rechtsprechung geht aber noch weiter und sieht nicht nur Zahlungen innerhalb des Dreimonatszeitraums des § 131 InsO, die der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung beitreibt oder die der Schuldner zur Abwendung der eingeleiteten Zwangsvollstreckung leistet, als inkongruente Deckung an. Vielmehr soll es für eine inkongruente Deckung innerhalb des Dreimonatszeitraums schon reichen, dass der Schuldner unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung leistet, d.h. wenn der Gläubiger zum Ausdruck gebracht hat, dass er alsbald die Mittel der Vollstreckung einsetzen werde, sofern der Schuldner die Forderung nicht erfülle4. Dieser unmittelbare Vollstreckungsdruck, dessen Vorliegen aus der objektivierten Sicht des Schuldners zu beurteilen ist, ist anzunehmen, wenn der Gläubiger ihn unter Ankündigung der Zwangsvollstreckung5 zur „umgehenden“ Leistung auffordert, ohne eine letzte konkrete Frist zu setzen6. Von dieser Konstellation zu unterscheiden ist ein erstes Mahnschreiben, das keine Inkongruenz bewirken kann; die Rechtsprechung sieht es für eine erste Mahnung als typisch an, dass noch gar kein Zahlungstitel besteht, jedenfalls aber eine Zwangsvollstreckung noch nicht absehbar ist7. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände und nicht auf die Bezeichnung des Mahnschreibens an: auch die „Mahnung mit Ankündigung 1 BGH v. 9.1.2014 – IX ZR 209/11, ZIP 2014, 330 = WM 2014, 324 (328, Rn. 37); BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, ZIP 2006, 916 = WM 2006, 921 (922, Rn.); BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513 = WM 2004, 517 f.; BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, ZIP 2004, 319 = WM 2004, 299 (300). 2 BGH v. 9.1.2014 – IX ZR 209/11, ZIP 2014, 330 = WM 2014, 324 (328, Rn. 37); BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, ZIP 2011, 385 = WM 2011, 369 (370, Rn. 6); BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 213/06, ZIP 2008, 701 = WM 2008, 704 (705 f., Rn. 21); BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, ZIP 2004, 319 = WM 2004, 299 (300); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 131 Rn. 66. 3 BGH v. 26.9.2002 – IX ZR 66/99, ZIP 2003, 128 = WM 2003, 59 (60). 4 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, ZIP 2011, 385 = WM 2011, 369 (370, Rn. 7). 5 Zur versteckten Drohung „zwischen den Zeilen“ s. AG Bielefeld v. 20.9.2016 – 413 C 135/16, ZInsO 2016, 2301 (2302); zu Zwangsvollstreckungsandrohungen in automatisierten Verfahren s. OLG Saarbrücken v. 21.12.2016 – 2 U 8/16, ZInsO 2017, 164 (166). 6 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, WM 2011, 369 (370, Rn. 7 ff.); weitere Varianten s. OLG Köln v. 20.7.2011 – 2 U 159/10, ZInsO 2011, 1701 ff.; zum Vollstreckungsdruck durch eine englische Worldwide Freezing Order vgl. OLG Hamburg v. 16.2.2022 – 12 U 12/18, ZIP 2022, 853 (854 ff.). 7 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, ZIP 2011, 385 = WM 2011, 369 (370, Rn. 12).

Huber | 1041

5.595

Fünfter Teil Rz. 5.595 | Kreditgeschäft

der Zwangsvollstreckung“ führt zur Inkongruenz der anschließenden Leistung, wenn trotz einer Mahnung die Drohung mit der Zwangsvollstreckung für den Schuldner aus seiner objektivierten Sicht das Entscheidende ist, weil „der unbefangene Empfänger des Schreibens nach seinem Inhalt nicht darauf schließen (konnte), dass es sich nur um eine verschärfte Zahlungsaufforderung ohne ernsthafte Vollstreckungsabsichten des Versenders gehandelt haben könnte“1. Außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums auf eine fällige Forderung geleistete Zahlungen zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung werden von der Rechtsprechung als kongruent angesehen; sie können nach § 133 InsO anfechtbar sein (vgl. dazu Rn. 5.528 ff.).

5.596

Ähnlich verhält es sich mit der Drohung mit einem Insolvenzantrag: wenn der Schuldner zur Zeit der Leistung aus seiner – objektivierten – Sicht ernsthaft damit rechnen muss, der Gläubiger werde nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist Insolvenzantrag stellen, ist Inkongruenz anzunehmen2. Nach der Rechtsprechung genügt hierfür eine Formulierung, die dies zwar nicht ausdrücklich androht, ein derart geplantes Vorgehen aber „zwischen den Zeilen“ deutlich werden lässt3. Wenn für den Schuldner klar erkennbar die Möglichkeit eines Insolvenzantrags in den Raum gestellt wird und er sich gerade des damit verbundenen Risikos bewusst werden soll, ist dies nach der Rechtsprechung ausreichend, um die Wirkung einer Drohung mit einem Insolvenzantrag zu entfalten4. Zwar entspricht ein frühzeitig gestellter Insolvenzantrag den gesetzlichen Zielen der Gläubigergleichbehandlung und einer eventuellen Sanierung des Schuldners5. Daher ist die Ankündigung als solche rechtlich nicht zu beanstanden. Daraus folgt jedoch nicht, dass auf einen gestellten oder auch nur angedrohten Insolvenzantrag hin geleistete Zahlungen als kongruente Deckungen zu werten sind. Den mit einem frühzeitigen Insolvenzantrag verfolgten Zielen läuft es zuwider, den Antrag zur Durchsetzung von Ansprüchen eines einzelnen Gläubigers zu benutzen. Wer den Insolvenzantrag bzw. auch nur die Drohung mit ihm dazu missbraucht, erhält eine Leistung, die ihm nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung auf diesem Wege nicht zukommen soll. Droht der Gläubiger also einen Insolvenzantrag nicht nur an, sondern stellt er ihn, um seine Ansprüche durchzusetzen, und leistet der Schuldner daraufhin, ist die Leistung ebenfalls inkongruent6. Ein Gläubiger, der selbst den Insolvenzantrag gestellt hat und anschließend von dem betroffenen Schuldner Zahlungen erhält, darf aufgrund dieser Zahlungen nicht etwa davon ausgehen, dass auch die anderen Gläubiger in vergleichbarer Weise Zahlungen erhalten hätten7. Vielmehr muss er zunächst annehmen, dass sein Schuldner unter dem Druck des Insolvenzantrags stehend alles unternommen hat, den Antrag zu beseitigen, und deshalb zu Lasten anderer Gläubiger den Antragsteller befriedigt hat8.

5.597

Aus diesen Ausführungen folgt auch, dass es bei der Durchsetzung von (fälligen) Forderungen auf die richtigen, weil inkongruente Druckzahlungen vermeidende Formulierungen ankommt.

1 So BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, ZIP 2011, 385 = WM 2011, 369 (370, Rn. 12). 2 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 216/12, ZIP 2013, 838 = WM 2013, 806 (807, Rn. 12 f.); BGH v. 18.6.2009 – IX ZR 7/07, ZIP 2009, 1434, ZInsO 2009, 1394; BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, ZIP 2004, 319 = WM 2004, 299 (300 f.). 3 So BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 216/12, ZIP 2013, 838 = WM 2013, 806 (807, Rn. 13). 4 Vgl. BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 216/12, ZIP 2013, 838 = WM 2013, 806 (807, Rn. 14). 5 S. nur BegrRegE Inso, Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 16. 6 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 216/12, ZIP 2013, 838 = WM 2013, 806 (Rn. 11); BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, ZIP 2004, 319 = WM 2004, 299 (300): Das gilt auch dann, wenn die Leistung außerhalb des Dreimonatszeitraums erfolgt. 7 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, ZIP 2002, 87 = WM 2002, 137 (140). 8 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, ZIP 2002, 87 = WM 2002, 137 (140).

1042 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.601 Fünfter Teil

Die Praxis bietet immer wieder Beispiele, wie es besser nicht geschehen sollte. So hatte laut einer Entscheidung des LG Dresden1 der Sozialversicherungsträger geschrieben: „Sollte vom Vollziehungsbeamten ... das Protokoll über einen fruchtlosen Pfändungsversuch erstellt werden, zwingt uns dies, weitere Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten bzw. wegen offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen ... Besonders möchten wir darauf hinweisen, dass die Rücknahme eines solchen Antrags mit der Einführung des Insolvenzrechts in der Regel nicht mehr möglich ist.“ Nach Ansicht des LG Dresden hat die Insolvenzschuldnerin angesichts dieser Formulierung nicht davon ausgehen müssen, dass unweigerlich missbräuchlich ein Insolvenzantrag gestellt werden würde, sondern habe lediglich mit weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und erst in letzter Konsequenz mit dem Insolvenzantrag rechnen müssen. Dies genügte nicht, um von einer Zahlung zwecks Abwendung eines angedrohten Insolvenzantrags auszugehen. Diese Entscheidung dürfte sich mit der Rechtsprechung des BGH nur schwer vereinbaren lassen. Dagegen führt weder eine Drohung, wegen des Zahlungsverzugs z.B. mit Zinsen und Tilgungen diesen Kredit oder auch andere, bislang nicht fällige Kredite zu kündigen, noch die Drohung, für eine fällige Forderung Sicherheiten zu verwerten, oder eine Grundschuld zu kündigen, bei einer Zahlung, die der Kreditnehmer zur Abwendung der Kreditkündigung oder Sicherheitenverwertung leistet, zu einer inkongruenten, sondern regelmäßig zu einer kongruenten Deckung (dazu Rn. 5.574 f.).

5.598

Im Kreditvertrag bereits vereinbarte Ratenzahlungen führen grundsätzlich zu einer kongruenten Deckung (dazu Rn. 5.576). Vereinbaren Banken (im Nachhinein) Ratenzahlungen bei gesicherten Krediten, um eine Sicherheitenverwertung im eigenen und vor allem im Interesse des Kreditnehmers zu vermeiden, und würde dies zu einer inkongruenten Deckung führen, scheidet eine Anfechtung aus; es fehlt an der Gläubigerbenachteiligung.

5.599

Ausnahmsweise können Ratenzahlungen auf ungesicherte Kredite inkongruent sein, wenn die Ratenvereinbarung nicht in dem ursprünglichen Kreditvertrag getroffen wurde, sondern zur Abwendung der Zwangsvollstreckung, nachdem der Kredit vorher bereits gekündigt war2; das gilt selbst für die in § 802b ZPO vorgesehenen Ratenzahlungen an den Gerichtsvollzieher. Wenn nämlich die Rechtsprechung Zahlungen, die der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung leistet, auch dann als inkongruente Deckung ansieht, wenn die beglichene Forderung fällig war (s. dazu Rn. 5.573), ist anzunehmen, dass die Rechtsprechung dieselben Regeln anwendet, wenn die Drohung mit der Zwangsvollstreckung nicht zur unmittelbaren Zahlung des gesamten geschuldeten Betrages, sondern zu einer Ratenzahlungsvereinbarung führt.

5.600

Anders verhält es sich dagegen mit Ratenzahlungsvereinbarungen, die getroffen werden, wenn der Kunde seine (fälligen) Schulden nicht in voller Höhe begleichen kann und mit der Bank, ohne dass diese bereits gerichtliche Schritte eingeleitet hat, ein Stillhalteabkommen trifft, in dem sich der Kunde verpflichtet, im Rahmen seiner Möglichkeiten Ratenzahlungen zu leisten. Die Stillhaltevereinbarung kann je nach Inhalt zu einer Stundung führen3, aber auch ein pactum de non petendo beinhalten mit der Folge, dass trotz fortbestehender Fälligkeit der ge-

5.601

1 LG Dresden v. 6.7.2006 – 10 O 1330, ZInsO 2006, 1000. 2 KG v. 7.4.2006 – 7 U 149/05, ZInsO 2006, 833 (834 f.); OLG Karlsruhe v. 27.3.2002 – 6 U 150/01, ZInsO 2002, 585 (586); zusammenfassende Darstellung s. Kayser ZInsO 2016, 2134 ff.; Schäfer ZInsO 2016, 2467 ff. 3 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 = WM 2013, 174 (177, Rn. 29).

Huber | 1043

Fünfter Teil Rz. 5.601 | Kreditgeschäft

samten Darlehensforderung mit deren Geltendmachung bei Einhaltung der Ratenzahlungsabrede nicht zu rechnen und daher für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit des späteren Insolvenzschuldners nicht die gesamte Darlehensforderung, sondern nur die jeweils fälligen Raten zugrunde zu legen sind. Zahlungen auf eine solche Stillhaltevereinbarung stellen kongruente Deckungshandlungen dar, wobei allein aus dem Umstand, dass das Bestreben um Abwendung von Zwangsmaßnahmen die Leistungen des Insolvenzschuldners mitmotiviert haben dürfte, noch keine Inkongruenz der Leistungen folgt1.

5.602

Wenn der Kunde eine gewisse Zeit seine Raten gezahlt hat und später ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, stellt sich für eine Anfechtung (nicht nur wegen inkongruenter Deckung nach § 131 Abs. 1 Nr. InsO, sondern ggf. auch wegen kongruenter Deckung nach § 130 InsO oder wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 133 InsO) die Frage, ob die Zahlungseinstellung erstmals nach einer Periode von Ratenzahlungen eingetreten ist oder ob sie bereits vor Abschluss des Stillhalteabkommens oder der Ratenvereinbarung eingetreten war und durch diese Vereinbarungen wieder beseitigt werden sollte.

5.603

Wenn die Bank ohne vorherige Kündigung oder vor Eintritt der Fälligkeit eines befristeten Kredits eine Ratenvereinbarung geschlossen hat und auch nicht Forderungen anderer Gläubiger eine Zahlungsunfähigkeit ausgelöst haben, kann die Zahlungseinstellung frühestens dann eingetreten sein, wenn erstmals die Raten nicht gezahlt werden; diese Zahlungseinstellung ist dann für etwaige Anfechtungen von Bedeutung.

5.604

Hat die Bank dagegen zunächst gekündigt und danach eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen, so kann die Kündigung bereits zur Zahlungseinstellung geführt haben. Bei befristeten Krediten reicht für den Eintritt der Fälligkeit, die eine Zahlungseinstellung bewirken kann, der Ablauf der vereinbarten Frist ohne zusätzliche Aufforderung2. Die zwischenzeitlich verlorene Zahlungsfähigkeit erlangt der Schuldner nur dann zurück, wenn er die Raten im Wesentlichen vereinbarungsgemäß erbringt und die Zahlungen auf die Forderungen anderer Gläubiger wieder aufnimmt3. Von einer Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn der Schuldner für die Befriedigung seiner gegenwärtigen Gläubiger die Mittel verbraucht, die er zur Begleichung seiner künftigen, alsbald fällig werdenden Verbindlichkeiten benötigt4. Wenn der Schuldner die Raten nur unregelmäßig zahlt und der Bank weitere ernsthaft eingeforderte Forderungen anderer Gläubiger bekannt sind, so ist anzunehmen, dass die Zahlungsunfähigkeit nie überwunden wurde, so dass neben einer Deckungsanfechtung ebenso eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO in Betracht kommen kann (vgl. dazu Rn. 5.532 ff.). Aber auch bei vereinbarungsgemäßer Bedienung der Raten wird dem Gläubiger weiterhin Kenntnis von einer fortbestehenden Zahlungsunfähigkeit unterstellt, wenn es sich um einen gewerblich tätigen Schuldner handelt und deshalb mit weiteren Gläu-

1 KG v. 7.4.2006 – 7 U 149/05, ZInsO 2006, 833 (834 f.) m. Anm. Blum ZInsO 2006, 807 ff.; s. auch BAG v. 19.6.2014 – 6 AZR 465/12, ZInsO 2014, 1384 (1385, Rn. 21). 2 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZIP 2013, 79 = WM 2013, 88 (90, Rn.12). 3 BGH v. 31.10.2019 – IX ZR 170/18, ZIP 2020, 83 = WM 2020, 95 (98, Rn. 23); BGH v. 19.12.2017 – II ZR 88/16, ZIP 2018, 283 = WM 2018, 277 (283, Rn. 55); BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 242/13, ZIP 2016, 874 = WM 2016, 797 (798, Rn. 11); BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 = WM 2013, 174 (177, Rn. 33); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 104. Kurzberg ZInsO 2011, 793 (795 f.) schlägt deshalb „globale“ Rückzahlungsvereinbarungen, d.h. unter Einbezug sämtlicher Gläubiger zwecks Beseitigung oder Abwehr einer Zahlungsunfähigkeit vor, was aber nur bei einer geringen Anzahl von Gläubigern praktikabel ist. 4 BGH v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355 = WM 2012, 2251 (2252, Rn. 18 f.).

1044 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.608 Fünfter Teil

bigern zu rechnen ist, die keinen vergleichbaren Druck zur Eintreibung ihrer Forderungen ausüben1. Für etwaige Anfechtungen ist dann bereits auf den Zeitpunkt der Kündigung abzustellen. Die Bank hat es unter diesen Umständen schwer, diese Vermutung zu widerlegen, wenn sie sich in der späteren Insolvenz eines solchermaßen zahlenden Schuldners Anfechtungen ausgesetzt sieht und es auf ihre Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder von Umständen, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, ankommt. Letzteres ist z.B. bei Anfechtungen kongruenter oder inkongruenter Deckungen nach §§ 130, 131 InsO oder vorsätzlicher Benachteiligungen nach § 133 InsO der Fall2.

5.605

Kreditinstitute sollten deshalb in derartigen Situationen folgende Schritte unterlassen3:

5.606

– eine vorschnelle Kündigung, denn diese kann ggfls. die Zahlungseinstellung herbeiführen und zur Umkehrung der Beweislast führen, – die Erzeugung von Drucksitutionen mit dem Ziel, den Kunden zu einer Ratenzahlungsvereinbarung zu bewegen, durch Abschluss einer Ratenvereinbarung – nach angedrohtem Insolvenzantrag, – zur Abwendung unmittelbar drohender Zwangsvollstreckung, – nach fruchtloser Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher. Wenn die Bank eine Ratenzahlungsvereinbarung abschließt, sollte sie die Zahlungsfähigkeit ihres Kunden bzw. deren Wiederherstellung schon im Eigeninteresse und trotz der vom Gesetzgeber nun in § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO aufgestellten Vermutung, dass der Gläubiger bei Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung im Zweifel keine Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit hatte, stets prüfen und das Ergebnis dokumentieren. Zusätzlich wird vorgeschlagen4, in die Ratenzahlungsvereinbarung folgende Bestätigung aufzunehmen:

5.607

M 23 Bestätigung der Zahlungsfähigkeit (Zusatz zu einer Ratenzahlungsvereinbarung) „Der Schuldner erklärt, dass er bei gleichbleibenden wirtschaftlichen Verhältnissen zur Zahlung der vereinbarten Beträge in der Lage ist und seinen hier übernommenen und gegenüber anderen Gläubigern bestehenden Verpflichtungen jeweils zur Fälligkeit nachkommen wird und nachkommen kann. Diese Erklärung des Schuldners gilt auch für die absehbaren, zukünftig fällig werdenden Verbindlichkeiten des Schuldners.“

Diese Klausel entbindet die Bank jedoch nicht von einer sorgfältigen Überprüfung. Im Verbraucherdarlehensgeschäft sollte die Bank, wenn der Verwalter Ratenzahlungen anficht, stets prüfen, woher die Gelder stammen, die der Kreditnehmer zur Tilgung seiner Schulden aufgebracht hat. Denn hier besteht zwar nicht die Wahrscheinlichkeit, wohl aber die Mög1 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 = WM 2013, 174 (177 f., Rn. 35 u. Rn. 42). 2 Weiterführend Kurzberg ZInsO 2011, 793 ff.; einschränkend LG Stuttgart v. 30.5.2012 – 13 S 200/ 11, ZInsO 2012, 1173 (1174 f.). 3 Wuschek ZInsO 2015, 2505 (2509). 4 Iliou ZInsO 2014, 640 (641); ähnlich Wuschek ZInsO 2015, 2505 (2509).

Huber | 1045

5.608

Fünfter Teil Rz. 5.608 | Kreditgeschäft

lichkeit, dass der Schuldner die Mittel aus dem unpfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens geopfert hat. Dann fehlt es an der Gläubigerbenachteiligung, da dieser Teil des Arbeitseinkommens nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 36 InsO).

5.609

Die Rechtslage führt zu dem kuriosen Ergebnis, dass es im Einzelfall für eine Bank günstiger sein kann, eine Ratenzahlungsvereinbarung abzulehnen und die Zwangsvollstreckung zu betreiben1. Zwar können Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die vor Verfahrenseröffnung zulässig waren, mit der Rückschlagsperre (§ 88 Inso) und mit der Insolvenzanfechtung beseitigt werden. Aber das Anfechtungsrisiko der Bank beschränkt sich dann auf einen Zeitraum bis zu drei Monaten vor dem Insolvenzantrag nach (§ 130,) § 131 InsO, während für Ratenvereinbarungen eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung möglich ist, die deutlich länger zurück wirkt.

5.610

Ratenzahlungsvereinbarungen oder Stillhaltevereinbarungen können einen Verzicht des Schuldners auf die Einrede der Verjährung enthalten. Unabhängig davon, dass ein Verjährungsverzicht im Verbraucherdarlehensrecht nicht (mehr) hereingenommen werden sollte (vgl. dazu Rn. 5.143), kann dieser Verzicht unter Umständen in einem späteren Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter angefochten werden. Der Verzicht stellt eine Rechtshandlung i.S.d. §§ 129 ff. InsO dar2. Denn auch Prozesshandlungen sind, sofern sie einen materiell-rechtlichen Gehalt haben, Rechtshandlungen wie z.B. Verzicht, Rücknahme von Klage oder Rechtsmittel, Geständnis (§ 288 ZPO), Anerkenntnis (§ 307 ZPO), Vergleich sowie prozessuale Handlungen wie die Aushändigung einer vollstreckbaren Urkunde3. Anfechtbar sind solche Rechtshandlungen aber nur, wenn sie die Gläubiger benachteiligen. Das ist sicher der Fall, wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist und der Schuldner es dann unterlässt, die Verjährungseinrede zu erheben oder sogar ausdrücklich darauf verzichtet.

5.611

Demgegenüber muss man bei Verjährungsverzichtsvereinbarungen, die noch vor Ablauf der Verjährungsfrist getroffen werden, differenzieren: – wenn die Forderung unstreitig und unbestreitbar besteht und der Gläubiger in der Lage ist, rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist verjährungsunterbrechende Maßnahmen einzuleiten, also z.B. eine Klage zu erheben, fehlt es an der Gläubigerbenachteiligung; hier steht dem Verjährungsverzicht des Schuldners der Verzicht des Gläubigers auf die Erhebung einer Klage, die mit Kosten für den Schuldner als erwartungsgemäß unterliegender Partei verbunden wäre, gegenüber. Man könnte hier sogar von einem Bargeschäft sprechen, die Gleichwertigkeit ist gegeben. – wenn die Forderung dagegen streitig ist, kann es an der Gleichwertigkeit fehlen. Der Schuldner gibt nämlich das Recht, die Forderungen des Gläubigers auf einfachem Weg aus der Welt zu schaffen, aus der Hand, ohne dadurch einen Vorteil zu erlangen, denn die gerichtliche Auseinandersetzung kann er jetzt nicht mehr aus eigener Kraft verhindern.

5.612

Die inkongruente Rückzahlung ist nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, wenn der Kunde schon zahlungsunfähig war. Die Rückzahlung kann die übrigen Gläubiger aber auch benachteiligen, wenn der Kunde noch zahlungsfähig ist, beispielsweise dann, wenn er bereits über1 Haunschild ZInsO 2013, 593 (594 f.); s. dazu auch Priebe ZInsO 2013, 2479 (2487 ff.). 2 OLG Dresden v. 3.12.2009 – 8 U 305/09, ZIP 2010, 747 = NZI 2010, 102 (103); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 111. 3 Kayser/Freudenberg in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 129 Rn. 20; Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 115.

1046 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.617 Fünfter Teil

schuldet ist. Hier ist die Anfechtung möglich, wenn die Bank von der Gläubigerbenachteiligung wusste (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Auch wenn sie davon nichts weiß, bewahrt sie allein diese Unkenntnis noch nicht vor einer Anfechtung. Für die Anfechtung genügt es nämlich schon, dass der Bank Umstände bekannt waren, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs. 2 InsO). Nur die Kenntnis dieser Umstände muss der Insolvenzverwalter beweisen; dass die Bank daraus nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hat, ist unerheblich. Handelt es sich bei der Bank um eine „nahestehende Person“ (s. auch Rn. 5.552), so wird die Kenntnis dieser Umstände vermutet. Dass die Kündigung durch die Bank zur Kongruenz führt, wenn der Kündigung ein wirksamer Kündigungsgrund zugrunde lag, ist bereits erörtert worden (vgl. Rn. 5.563). Kündigt allerdings nicht die Bank, sondern der Kreditnehmer oder wirkt er im Anfechtungszeitraum an einer Vertragsaufhebung mit und wird der Kredit anschließend zurückgeführt, ist diese Rückführung eine inkongruente Deckung1. Die Bank hatte keinen Anspruch auf die Rechtshandlung des Kreditnehmers, die die Befriedigung erst ermöglicht hat. Zu solchen Konstellationen kommt es in der Krise eines Unternehmens gelegentlich auf Betreiben von geschäftsführenden Gesellschaftern, die sich für die Kredite verbürgt haben und von der Bürgschaft entlastet werden oder auch nur die Zahlungsunfähigkeit bei Eintritt der Fälligkeit vermeiden wollen.

5.613

Inkongruente Zinszahlungen unterliegen in gleicher Weise der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO wie die Rückzahlung der Hauptforderung; es gelten demnach die soeben erörterten Grundsätze.

5.614

c) Anfechtung einen Monat vor Insolvenzantrag (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO) Die auf den Zeitraum einen Monat vor Insolvenzantragstellung beschränkte Anfechtungsmöglichkeit wegen einer inkongruenten Deckung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO bringt keine Abweichungen für die Vereinbarung oder Auszahlung eines Darlehens im Verhältnis zu dem unter Rn. 5.581 Gesagten, sondern sie erleichtert nur die Insolvenzanfechtung wegen einer inkongruenten Rückzahlung in diesem Zeitraum. Denn die Rückzahlung nicht fälliger Kredite im Monat vor dem Insolvenzantrag ist selbst dann anfechtbar, wenn der Kreditnehmer weder zahlungsunfähig noch überschuldet war, wobei auch der Kenntnisstand des Gläubigers von der wirtschaftlichen Lage des Schuldners ohne Bedeutung ist2.

5.615

7. Anfechtung nach Insolvenzantrag Die sich aus den einzelnen Anfechtungstatbeständen ergebenden zusätzlichen Anfechtungsmöglichkeiten für den Zeitraum nach einem Insolvenzantrag bieten grundsätzlich keine Abweichungen gegenüber dem bisher gefundenen Stand.

5.616

a) Vereinbarung und Auszahlung von Krediten Auch wenn bereits ein Insolvenzantrag vorliegt, kann die Bank mit ihrem Kunden noch einen Kreditvertrag schließen und sich dafür Sicherheiten bestellen lassen; denn die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen verliert der Schuldner erst durch ein Verfügungsverbot, die An1 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, ZIP 2013, 2323 = WM 2013, 1361 (1362, Rn. 13); BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 = NJW 2009, 2600 (2601, Rn. 14). 2 S. auch Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 131 Rn. 16 ff.

Huber | 1047

5.617

Fünfter Teil Rz. 5.617 | Kreditgeschäft

ordnung eines Zustimmungsvorbehalts oder die Insolvenzeröffnung. Neben den wirtschaftlichen Risiken eines solchen Kredits sind jedoch zusätzlich die Gefahren zu beachten, die sich aus einer Schadenersatzpflicht wegen sittenwidrigen Verhaltens (Einzelheiten s. Rn. 5.88 ff.) und aus dem Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters (§§ 129 ff. InsO) bzw. Sachwalters (§ 280 InsO) ergeben. Die Sicherheitenbestellung wird zwar bei Unkenntnis über den Insolvenzantrag ein unanfechtbares Bargeschäft (s. Rn. 6.110 ff.) bilden. Eine Anfechtung kommt aber zum Beispiel in Betracht, wenn die Bank für den Kredit Sicherheiten hereinnimmt, deren Wert in keinem vernünftigen Verhältnis zu der Höhe des Kredits steht oder die auch Altverbindlichkeiten abdecken sollen (s. Rn. 6.130 f.) oder die Bank Kenntnis vom Insolvenzantrag hat (dazu Rn. 6.236 ff., auch zur möglichen Strafbarkeit von Mitarbeitern der Bank). b) Rückzahlung von Krediten

5.618

Bei der Rückzahlung von Krediten macht es für das Eingreifen der Insolvenzanfechtungstatbestände nur insoweit einen Unterschied, ob sie vor oder nach dem Insolvenzantrag erfolgt ist, als für eine erforderliche Kenntnis des Anfechtungsgegners auch auf die Kenntnis vom Insolvenzantrag abgestellt werden kann.

8. Zahlungssperre nach § 15b InsO 5.619

Einer Rückzahlung von Krediten in der Krise bzw. nach Insolvenzantragstellung bis zur Verfahrenseröffnung können nicht nur faktische, sondern auch rechtliche Hindernisse entgegenstehen. So kann bestimmten Schuldnern die Rückzahlung von Krediten gesetzlich verboten sein. Dann sollte es zur Rückzahlung von Krediten nur noch durch Leistungen Dritter auf das Konto des Schuldners kommen. a) Zahlungssperre

5.620

Nachdem die Zahlungsunfähigkeit einer juristischen Person wie einer GmbH1, einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder einer Genossenschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung herausgestellt hat, greift die Zahlungssperre nach § 15b InsO ein. Die Zahlungssperre war bis zum 31.12.2020 jeweils in § 64 Satz 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, § 99 GenG sowie § 130a Abs. 1, § 177a Satz 1 HGB geregelt; da sie aber rechtsformübergreifend als insolvenzrechtliche Norm zu verstehen ist, die an die Insolvenzreife anknüpft und dem Schutz der Gläubigerschaft dient2, wurde sie mit Wirkung ab dem 1.1.2021 in die Insolvenzordnung als neuer § 15b InsO eingefügt und die bis dahin geltenden Bestimmungen in den Einzelgesetzen aufgehoben3. Der Gesetzgeber hat dabei zwar beim Zahlungsverbot als solchem in § 15b Abs. 1 InsO (und auch in § 15b Abs. 5 InsO) keine Änderung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand vorgenommen4; allerdings ist er insbesondere bei der Privilegierung von Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang in § 15b Abs. 2 InsO 1 Der – bisher – eine Limited mit Sitz in Deutschland gleichgestellt ist, vgl. BGH v. 15.3.2016 – II ZR 119/14, ZIP 2016, 821 = WM 2016, 786 f. (Rn. 14 ff.) sowie die „zugrunde liegende“ Entscheidung des EuGH v. 10.12.2015 – C-594/14, ZIP 2015, 2468 = WM 2016, 272 (273 ff., Rn. 16 ff.). Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung weiterhin von Bedeutung ist. 2 Vgl. BegrRegE SanInsFoG, S. 228. 3 Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020; BGBl. I 2020, 3256. 4 So BegrRegE SanInsFoG, S. 229 (und S. 231).

1048 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.621 Fünfter Teil

erheblich von der bisher strengen Rechtsprechung des BGH, der nur eine Notgeschäftsführung erlaubt hat, abgewichen1. Ferner normiert er nun auch zur Ersatzpflicht in § 15b Abs. 4 InsO und zu steuerrechtlichen Zahlungspflichten in § 15b Abs. 8 InsO gewisse Erleichterungen bzw. Klarstellungen2. Für die Beachtung der Zahlungssperre sind die Geschäftsführer und Vorstände3 persönlich verantwortlich. Der Sinn und Zweck des Zahlungsverbots besteht darin, Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern und damit die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und andernfalls, wenn der Geschäftsleiter seiner Massesicherungspflicht nicht nachkommt, sicherzustellen, dass das Gesellschaftsvermögen wieder aufgefüllt wird, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger verhindert wird4. Insoweit verfolgt das Zahlungsverbot dasselbe Ziel wie die Insolvenzanfechtung, die im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig machen will5. aa) Begriff der Zahlung(en) Der Begriff der Zahlung ist weit auszulegen; sie umfasst jede masseschmälernde Leistung, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung von einem Geschäftsleiter mit Wissen und Wollen veranlasst worden ist6. Als Zahlungen sind insoweit nicht nur Geldleistungen wie Barzahlungen oder Zahlungen im banktechnischen Zahlungsverkehr, sondern auch andere Leistungen zu verstehen, die durch Lieferung von Waren, Leistung von Diensten oder in sonstiger Weise aus dem Gesellschaftsvermögen erbracht werden7. Die Begründung neuer, das Gesellschaftsvermögen belastender Verbindlichkeiten fällt dagegen nicht darunter, da das Zahlungsverbot allein die Schmälerung des Aktivvermögens durch Zahlungen oder sonstige Leistungen verhindern will8. Eine masseschmälernde Zahlung liegt auch dann vor, wenn der Geschäftsleiter von dritter Seite Mittel zu dem ausdrücklichen Zweck erhält, eine

1 Klöhn/Zell NZI 2022, 673 (674); Bitter GmbHR 2022, 57 f.; Bitter ZIP 2021, 321 (324 ff.); Kranzfelder/Ressmann ZInsO 2021, 191 (196); Brünkmans ZInsO 2021, 1 (16). 2 Soweit relevant, wird auf die Änderungen nachstehend im Text eingegangen. 3 Einzelheiten zum Personenkreis s. Priebe ZInsO 2014, 2013 (2015 ff.); zur Anwendung auf Auslandsgesellschaften s. Servatius DB 2015, 1087 (1088 ff.). 4 BGH v. 15.3.2016 – II ZR 119/14, ZIP 2016, 821 = WM 2016, 786 (787, Rn. 15); BGH v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 = WM 2011, 979 (981, Rn. 20); Sander ZInsO 2022, 1544 (1548). 5 Gehrlein ZInsO 2015, 477 (478). Vgl. auch Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 2, der von einer „Ergänzung zur Insolvenzanfechtung“ spricht. 6 BGH v. 27.10.2020 – II ZR 355/18, ZIP 2020, 2453 = ZInsO 2021, 90 (93, Rn. 31); BGH v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480 = WM 2015, 1467 (1468, Rn. 13); BGH v. 28.2.2012 – II ZR 244/10, ZIP 2012, 867 = WM 2012, 840 (842, Rn. 21); BGH v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 = WM 2009, 955 (956, Rn. 12 f.); Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 16; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 25; Bitter. GmbHR 2022, 57 (59); Kranzfelder/Ressmann ZInsO 2021, 191 (196); Brünkmans ZInsO 2021, 1 (16). 7 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 16; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 20; Brünkmans ZInsO 2021, 1 (16). 8 BGH v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, ZIP 2015, 71 = WM 2015, 77 (79, 17); Kleindiek in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 30; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 40.

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5.621

Fünfter Teil Rz. 5.621 | Kreditgeschäft

bestimmte Schuld zu tilgen1. Demgemäß, weil masseschmälernd, darf der Geschäftsleiter z.B. ein debitorisches Geschäftskonto nicht mehr zum Einzug der Aussenstände der Gesellschaft oder von Kundenschecks verwenden2, sondern muss notfalls bei einem anderen Kreditinstitut ein (kreditorisches) Konto für diese Zwecke eröffnen3. Das Konto, das debitorisch geführt wird, darf er deshalb auch nicht mehr auf den Rechnungen angeben4. Wird entsprechend der Vorgaben der Rechtsprechung ein neues Zahlungskonto bei einer anderen Bank eröffnet, um den Forderungseinzug vom bisherigen Zahlungskonto hierauf umzuleiten, ist insbesondere bei einem bestehenden (Global-)Zessionsvertrag darauf zu achten, dass nicht Verpflichtungen aus diesem Vertrag verletzt werden und auch Zahlungen, die von der Sicherungsabtretung erfasst werden, umgeleitet werden5. Eine verbotene Masseschmälerung liegt nämlich nicht vor, wenn der Schuldner auf dem debitorischen Bankkonto Zahlungen auf abgetretene, werthaltige Forderungen entgegennimmt6, oder wenn die Zahlung die Gegenleistung für eine vom Schuldner gelieferte Ware darstellt, die der kontoführenden Bank zur Sicherung übereignet war7. Ist allerdings die vor Insolvenzreife zur Sicherheit abgetretene Forderung erst nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden oder ist sie schon vor Eintritt der Insolvenzreife entstanden aber erst danach werthaltig geworden, und konnte der Geschäftsleiter die Entstehung der Forderung oder deren Werthaltigmachung verhindern, liegt in der Zahlung an die Bank ebenfalls eine masseschmälernde Zahlung8. Neue Sicherheiten darf der Geschäftsleiter nicht mehr bestellen9.

5.622

Die Geschäftsleiter sind aber nicht nur für solche Zahlungen verantwortlich, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geleistet werden, sondern auch für Zahlungen, die erst zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten10, sofern diese Zahlungen an Gesellschafter erbracht wurden (§ 15b

1 BGH v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229 = WM 2008, 1227 f. (Rn. 10); BGH v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005 = WM 2003, 1017 (1018). 2 BGH v. 27.10.2020 – II ZR 355/18, ZIP 2020, 2453 = ZInsO 2021, 90 (93, Rn. 31); BGH v. 11.2.2020 – II ZR 427/18, ZIP 2020, 666 = WM 2020, 644 (645, Rn. 15); BGH v. 11.9.2000 – II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896 = WM 2000, 2158. 3 BGH v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480 = WM 2015, 1467 (1468, Rn. 15); BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, ZIP 2000, 184 = WM 2000, 242 (243 f.); Huber NZI 2020, 89 (95). 4 OLG Oldenburg v. 10.3.2004 – 1 W 2/04, ZIP 2004, 1315 (1316 f.). 5 Vgl. Huber NZI 2020, 89 (95 f.). 6 BGH v. 27.10.2020 – II ZR 355/18, ZIP 2020, 2453 = ZInsO 2021, 90 (93, Rn. 33); BGH v. 14.6.2016 – II ZR 77/15, ZInsO 2016, 1934 (1935 f., Rn. 10 ff.); BGH v. 26.1.2016 – II ZR 394/13, ZIP 2016, 1119 = WM 2016, 974 (977 f., Rn. 40 f.); BGH v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480 = WM 2015, 1467 (1468, Rn. 12 f.); OLG Hamburg v. 6.3.2015 – 11 U 222/13, ZInsO 2015, 1012 (1013). 7 BGH v. 8.12.2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 m. Anm. Altmeppen = WM 2016, 275 (277, Rn. 24 f.). 8 BGH v. 26.1.2016 – II ZR 394/13, ZIP 2016, 1119 = WM 2016, 974 (978, Rn. 42) BGH v. 8.12.2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 m. Anm. Altmeppen = WM 2016, 275 (276, Rn. 18 f.). 9 OLG München v. 13.2.2013 – 7 U 2831/12, ZIP 2013, 778 = WM 2013, 933 (934 f.); Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 24; insoweit, d.h. für eine Sicherheitenbestellung bei bestehender Insolvenzreife, auch Primozic/Brugugnone NJW 2013, 1709; zur Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB (= § 648a BGB a.F.) s. Primozic/Brugugnone ZInsO 2014, 71 ff.; von Stein-Lausnitz/Ludwig ZInsO 2014, 816 ff.. 10 Zur Berücksichtigung von fälligen Gesellschafterforderungen bei der Ermittlung der Liquiditätslücke s. BGH v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391 = WM 2012, 2286 (2287 f., Rn. 7 ff.); s. dazu auch Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 56 ff.

1050 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.623 Fünfter Teil

Abs. 5 Satz 1 InsO = § 64 Satz 3 GmbHG a.F.)1. Eine Ausnahme wird nur für solche Zahlungen eingeräumt, bei denen die Auslösung der Zahlungsunfähigkeit auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht erkennbar war. Lieferungen und Leistungen und deren Bezahlung innerhalb eines Konzerns fallen nicht unter § 15b Abs. 5 Satz 1 InsO (§ 64 Satz 3 GmbHG a.F.), wenn und soweit sie im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs erfolgen, insbesondere also die Gegenleistung des Zahlungsempfängers liquiditätswirksam ist und somit in der Gesamtbetrachtung keine liquiden Vermögensteile entzogen werden2. Nicht der Austausch gleichwertiger Leistungen soll durch die Norm verhindert werden, sondern die Ausplünderung einer Gesellschaft durch die Gesellschafter bzw. die Verlagerung von Vermögenswerten an die Gesellschafter im Vorfeld der Insolvenz3. bb) Zugelassene Zahlungen Die Zahlungssperre des § 15b Abs. 1 Satz 1 gilt nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (§ 15b Abs. 1 Satz 2 InsO = § 64 Satz 1 GmbHG a.F., § 92 Abs. 2 Satz 2 a.F. AktG). Diese Privilegierung gewisser Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung hat der Gesetzgeber zum 1.1.20214 im Hinblick auf den Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in den Abs. 2 und 3 des § 15b InsO konkretisiert5. Die neuen Bestimmungen sollen zum einen (§ 15b Abs. 2 InsO) für Geschäftsleiter, die die Insolvenzantragspflicht nicht verletzen, einen großzügigeren Maßstab einräumen als ihn die Rechtsprechung des BGH bisher gewährt hat und es ihnen insbesondere ermöglichen, den Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß fortzuführen6. Demzufolge gelten künftig nach § 15b Abs. 2 InsO Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, solange keine Insolvenzverschleppung vorliegt (Vorbehalt des § 15b Abs. 3 InsO in § 15b Abs. 2 Satz 1 InsO) bzw. der Geschäftsleiter im Zeitraum vom Eintritt der Insolvenzreife bis zu dem für eine rechtzeitige Antragstellung maßgeblichen Zeitpunkt7 nach § 15b Abs. 2 Satz 2 InsO Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt8. Zum anderen hat der Gesetzgeber in

1 Weiterführend Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 47 ff.; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 82 ff.; zu Zahlungen einer GmbH & Co KG an den Gesellschafter der Komplementär-GmbH s. BGH v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 = WM 2015, 333 f. (Rn. 8 ff.). Auf Genossenschaften ist diese Vorschrift nicht anwendbar (§ 15b Abs. 5 Satz 2 InsO). 2 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 51; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 91. 3 Vgl. Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 83. 4 Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 5 So BegrRegE SanInsFoG, S. 229. 6 Vgl. BegrRegE SanInsFoG, S. 229. 7 Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO ist der Insolvenzantrag spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen; zur temporären Ausdehnung der sechs Wochenfrist bei der Überschuldung auf 8 Wochen bis zum 31.12.2023 s. Rn. 5.665a. 8 BegrRegE SanInsFoG, S. 229 f.; Klöhn/Zell NZI 2022, 673 (676); Bitter ZIP 2021, 321 (326); Kranzfelder/Ressmann ZInsO 2021, 191 (196 f.); Brünkmans ZInsO 2021, 1 (16).

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5.623

Fünfter Teil Rz. 5.623 | Kreditgeschäft

§ 15b Abs. 3 InsO die gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass eine haftungsrechtliche Privilegierung von Zahlungen, die im Zuge einer Insolvenzverschleppung, d.h. nach Ablauf des für eine rechtzeitige Antragstellung maßgeblichen Zeitpunkts erfolgen, in der Regel nicht in Betracht kommt1. Ist der für eine Antragstellung maßgebliche Zeitraum abgelaufen, lassen sich Zahlungen nur unter Ausnahmebedingungen noch mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbaren; denn die primäre Pflicht, der sich eine ordnungsgemäße und gewissenhafte Geschäftsleitung nach Ablauf in einem solchen Stadium zu verschreiben hat, ist auf die Stellung des überfälligen Antrags gerichtet2. Durch diese Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs, der dem Geschäftsleiter die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erleichtert, weicht der Gesetzgeber explizit von der bisher strengen Rechtsprechung des BGH, der nur eine Notgeschäftsführung erlaubt hat, ab3. Für den ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter hat der Gesetzgeber damit mehr Rechtssicherheit geschaffen, wenn der Geschäftsbetrieb nach Eintritt der Insolvenzreife im Sinne des § 15b Abs. 2 und 3 InsO ordnungsgemäß aufrechterhalten werden soll4. Ergänzt wurde dies durch § 15b Abs. 2 Satz 3 InsO, der Zahlungen nach Antragstellung bis zur Verfahrenseröffnung als ebenfalls mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar erklärt, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter zugestimmt hat, sowie durch § 15b Abs. 8 InsO, der unter gewissen Voraussetzungen die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten nach Eintritt der Insolvenzreife verneint.

5.624

Demnach dürften nunmehr5 als zugelassene Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs insbesondere laufende Lohn- und Mietzahlungen, Zahlungen für Energielieferungen, Zahlungen an Lieferanten bzw. Dienstleister oder laufende Finanzierungskosten grundsätzlich in Betracht kommen6. Zulässig werden auch weiterhin Zahlungen an absonderungsberechtigte Gläubiger bis zur Höhe des Wertes des Sicherungsguts sein, soweit infolge der Zahlung die Sicherheiten frei werden und der Verwertung zugunsten aller Gläubiger zur Verfügung stehen7. Auch gegen die Herausgabe von Sicherungsgut an den Absonderungsberechtigten8 oder die Duldung von deren vertragsgemäßer Verwertung dürfte nichts sprechen. Auch können vor Insolvenzreife entstandene, werthaltige sicherungsabgetretene Forderungen auf ein debitorisches Zahlungskonto eingezogen und anschließend mit dem Sollsaldo verrechnet werden. Rückzahlungen auf Kredite, die im eröffneten Verfahren Masseschuldcharakter hätten, wird der Geschäftsleiter auch schon vor Verfahrenseröffnung mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 15b Abs. 2 Satz 3 1 So BegrRegE SanInsFoG, S. 229. 2 Vgl. BegrRegE SanInsFoG, S. 230, auch dazu, dass mit der (verpäteten) Antragstellung der selbstverschuldeten Pflichtenkollision entgangen werden kann, die sich im Spannungsfeld des Zahlungsverbots des § 15b Abs. 1 Satz 1 InsO und der nach § 266a StGB strafbewehrten Abführungspflicht von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung oder der bußgeld- und haftungsbewehrten Pflicht zur Steuerabführung ergeben kann. 3 BegrRegE SanInsFoG, S. 229; s. auch Bitter GmbHR 2022, 57 (58); Bitter ZIP 2021, 321 (325 f.); Kranzfelder/Ressmann ZInsO 2021, 191 (196 f.); Brünkmans ZInsO 2021, 1 (16). 4 Bitter ZIP 2021, 321 (326); Kranzfelder/Ressmann ZInsO 2021, 191 (197); Brünkmans ZInsO 2021, 1 (16). 5 Zum Ausschluss nach der bisherigen Rspr. z.B. BGH v. 4.7.2017 – II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 = WM 2017, 1661 (1663, Rn. 18 ff.). 6 Bitter GmbHR 2022, 57 (60 f.); Brünkmans ZInsO 2021, 1 (16). 7 BGH v. 27.10.2020 – II ZR 355/18, ZIP 2020, 2453 = ZInsO 2021, 90 (93, Rn. 33); BGH v. 26.1.2016 – II ZR 394/13, ZIP 2016, 1119 = WM 2016, 974 (978, Rn. 47). 8 Dementsprechend sieht OLG Brandenburg v. 22.4.2009 – 7 U 130/08, ZInsO 2009, 1591 (1593) darin keine Gläubigerbenachteiligung.

1052 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.625 Fünfter Teil

InsO zulassen oder veranlassen können, denn die Zahlungssperre des § 15b Abs. 1 InsO (§ 64 Satz 1 GmbHG a.F., § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F., § 99 GenG a.F., § 130a Abs. 1, § 177a Satz 1 HGB) soll Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens verhindern und damit die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger erhalten (dazu Rn. 5.620); durch Zahlungen auf vorrangige (Masse-)Forderungen wird die verteilungsfähige Masse jedoch nicht belastet1. Zahlungen, ohne die aussichtsreiche Vergleichs- oder Sanierungsmaßnahmen innerhalb der Antragsfristen des § 15a Abs. 1 und 2 InsO gefährdet wären, sind nunmehr2 nach § 15b Abs. 2 Satz 2 InsO zu beurteilen; ob solche Zahlungen sogar nach Ablauf der Frist vertretbar sein können, wenn sie einem ernsthaften Sanierungsversuch dienen3, dürfte nach der Positionierung des Gesetzgebers in § 15b Abs. 2 und 3 InsO zumindest sehr zweifelhaft sein und wohl nur ausnahmsweise in Betracht kommen können. Zahlungen aus einem debitorischen Bankkonto fallen nicht unter den Schutz des § 15b Abs. 1 InsO, sondern gehen als reiner Gläubigertausch allein zu Lasten der Bank4. Die Beweislast für die Vereinbarkeit der Zahlung mit dem Gesetz trifft den Geschäftsleiter5. cc) Beginn der Zahlungssperre Das Zahlungsverbot für den Geschäftsleiter gilt ab Eintritt der Insolvenzreife und nicht erst ab dem Ende der Insolvenzantragsfrist6. Es greift nicht schon dann ein, wenn der Geschäftsleiter erkennt, dass die Gesellschaft zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen. Wenn er aufgrund einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Meinung sein kann, die Gesellschaft werde vor Erreichen des Zeitpunkts, zu dem eine Zahlungsstockung in eine Zahlungsunfähigkeit umschlägt – also binnen drei Wochen – sämtliche Gläubiger voll befriedigen können, darf er innerhalb dieses Zeitraums, solange sich seine Prognose nicht vorzeitig als unhaltbar erweist, Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind, an die Gläubiger leisten7.

1 BGH v. 7.2.2013 – IX ZR 146/12, ZIP 2013, 637 = WM 2013, 615 (Rn. 2 f.). 2 Zur Situation vor der Gesetzesänderung durch das SanInsFoG vgl. z.B. OLG Düsseldorf v. 31.5.2012 – I-16 U 176/10, ZIP 2012, 2299 ff. 3 BGH v. 24.9.2019 – II ZR 248/17, ZIP 2020, 1239 (1240, Rn. 19); OLG Hamburg v. 25.6.2010 – 11 U 133/06, ZIP 2010, 2448 (2449 f.). 4 BGH v. 4.7.2017 – II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 = WM 2017, 1661 (1662, Rn. 13); BGH v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480 = WM 2015, 1467 (1470, Rn.32); Kleindiek in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 21; a.A. Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 31. 5 BGH v. 26.1.2016 – II ZR 394/13, ZIP 2016, 1119 = WM 2016, 974 (978, Rn. 45); BGH v. 8.6.2009 – II ZR 147/08, ZIP 2008, 1468 = WM 2009, 1514 (1515, Rn. 13); BGH v. 5.2.2007 – II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 = WM 2007, 1465 (1466, Rn. 4); Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 31; allgemein zur Darlegungs- und Beweislast Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 79 f. 6 BGH v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 = WM 2012, 1124 (1125, Rn. 8); BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 = WM 2009, 851 (852, Rn. 12); Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 2; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 2; Sander ZInsO 2022, 1544 (1548). 7 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 = WM 2005, 1468 (1470).

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5.625

Fünfter Teil Rz. 5.626 | Kreditgeschäft

dd) Ersatzpflicht der Geschäftsleiter

5.626

Geschäftsleiter, die entgegen dem Gesetz Zahlungen leisten, sind dem Unternehmen nach § 15b Abs. 4 InsO (= § 64 Satz 1 GmbHG a.F.) zur Erstattung der Zahlungen verpflichtet; an der von der Rechtsprechung vorgenommenen Einordnung dieser Erstattungspflicht als „Ersatzanspruch eigener Art“1 wollte der Gesetzgeber nichts ändern2. Die Durchsetzung solcher Erstattungsansprüche stellt eine insolvenzspezifische Pflicht des Insolvenzverwalters und eine manchmal lohnende Möglichkeit dar, Masse zu generieren3. Die Befugnis des Insolvenzverwalters, daneben den Zahlungsempfänger mittels Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr in Anspruch zu nehmen, bleibt unberührt4; der Insolvenzverwalter kann wählen, welchen Anspruch er geltend macht5. Um eine Bereicherung der Masse zu vermeiden, ist der Geschäftsführer dann nur Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche der Masse gegen den Empfänger zu verurteilen6. Ist die Zahlung gegenüber dem Empfänger erfolgreich angefochten worden, wird durch die erfolgte Rückgewähr gemäß § 143 Abs. 1 InsO die masseschmälernde Leistung ausgeglichen, so dass damit die Erstattungspflicht des Geschäftsleiters entfällt7. Wenn allerdings die Zahlung von einem debitorischen Zahlungskonto erfolgt ist, ist eine erfolgreiche Anfechtung der geleisteten Zahlung gegenüber dem Zahlungsempfänger bei der Haftung des Geschäftsleiters nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen8: wird aus einem debitorisch geführten Bankkonto eine Gesellschaftsschuld beglichen, wird lediglich der befriedigte Gläubiger durch die Bank als Gläubigerin ersetzt, ohne dass die Insolvenzmasse geschmälert würde und die gleichmäßige Verteilung der Masse unter den übrigen Gläubigern beeinträchtigt wäre – und bei fehlender Masseschmälerung wird durch die erfolgreiche Anfechtung einer solchen Zahlung gegenüber dem Gläubiger auch keine, die Haftung des organschaftlichen Vertreters begründende Masseschmälerung rückgängig gemacht. Die erfolgreiche Anfechtung der Zahlungen aus dem debitorischen Konto durch den Insolvenzverwalter hat aus diesem Grund keinen unmittelbaren Zusammenhang mit den Zahlungen, für die der Geschäftsführer haftet.

1 BGH v. 11.2.2020 – II ZR 427/18, ZIP 2020, 666 = WM 2020, 644 (646, Rn. 21); BGH v. 6.8.2019 – X ARZ 317/19, ZIP 2019, 1659 = ZIP 2019, 1659 = WM 2019, 1649 f. (Rn. 18): explizit führt der BGH aus, dass es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch im herkömmlichen Sinne handelt. Demnach ist der Anspruch auch nicht einer Teilnahme Dritter zugänglich. 2 BegrRegE SanInsFoG, S. 231. 3 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 42; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 61; Utsch/Utsch ZInsO 2009, 2271. 4 BGH v. 8.12.2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 m. Anm. Altmeppen = WM 2016, 275 (276, Rn. 23); BGH v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005 = WM 2003, 1017 (1018); Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 43; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 68. 5 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 43; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 68; Flöther/Korb ZIP 2012, 2333 (2334 f.). 6 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 43; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 69; OLG Oldenburg v. 10.5.2004 – 15 U 13/04, ZIP 2005, 317. 7 BGH v. 3.6.2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 = WM 2014, 1546 (1548, Rn. 14); Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 64 Rn. 43; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 68. 8 BGH v. 3.6.2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 = WM 2014, 1546 (1548, Rn. 15).

1054 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.631 Fünfter Teil

Nach erfolgreicher Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger kann der Insolvenzverwalter diesem etwaige Ansprüche gegen den Geschäftsführer abtreten1.

5.627

Die Ersatzpflicht des Geschäftsleiters für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird2. Der als Ausgleich erhaltene Gegenstand muss nicht noch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden sein3. Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird.

5.628

Unklar ist geblieben, wie der zeitliche Anwendungsbereich des § 15b InsO zu § 64 GmbHG a.F. und den bisherigen Parallelvorschriften zu bestimmen ist4. Die bisher geltenden Bestimmungen wurden zum 31.12.2020 aufgehoben, ohne dass es eine Überleitungsvorschrift gibt. Lediglich in Art. 103m EGInsO ist geregelt, dass „auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.1.2021 beantragt worden sind, die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden (sind)“. Allerdings ist diese Überleitung nicht auf § 15b InsO anzuwenden, da es sich dabei nicht um eine das Insolvenzverfahren betreffende Vorschrift handelt und ihre Anwendung nicht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraussetzt5. Da die bisher geltenden Bestimmungen für die Vergangenheit trotz einer fehlenden Überleitungsvorschrift sicherlich nicht „ersatzlos“ wegfallen sollten, vielmehr nach den Ausführungen des Gesetzgebers zur grundsätzlichen Weitergeltung der (bisherigen) Zahlungssperre in § 15b InsO6 eher ein Versehen des Gesetzgebers anzunehmen ist, erscheint die richtige Lösung, dass auf alle bis zum Jahresende 2020 getätigten „Zahlungen“ weiterhin das bis dahin geltende Recht und für „Zahlungen“ ab 1.1.2021 § 15b InsO Anwendung findet7.

5.629

ee) Folgen für die Kreditgeber Die Insolvenzantragspflicht und ihre haftungs- und strafrechtlichen Folgen treffen grundsätzlich nur die in § 15a InsO aufgeführten Verpflichteten, also z.B. bei einer GmbH den satzungsmäßigen und den sog. tatsächlichen oder faktischen Geschäftsführer und im Fall der Führungslosigkeit den Gesellschafter oder bei einer Aktiengesellschaft den Vorstand8. Die Bank kann daher grundsätzlich Zahlungen auf ihre Kreditforderungen entgegennehmen, auch wenn sie weiß, dass das Unternehmen im Übrigen seine Zahlungen eingestellt hat.

5.630

Die Bank muss jedoch darauf achten, dass sie nicht in eine Position gerät, die die Frage einer bestehenden Antragspflicht bzw. auch nach einer Erstattungspflicht aufwerfen könnte. Eine

5.631

1 Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 69; LG Berlin v. 24.10.2001 – 26 O 285/01, ZInsO 2002, 242 (243). 2 BGH v. 27.10.2020 – II ZR 355/18, ZIP 2020, 2453 = ZInsO 2021, 90 (93, Rn. 33); BGH v. 4.7.2017 – II ZR 319/15, WM 2017, 1661 (1662, Rn. 10); BGH v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, WM 2015, 77 (78, Rn. 9); s. auch Bitter ZIP 2021, 321 (330 f.). 3 BGH v. 27.10.2020 – II ZR 355/18, ZIP 2020, 2453 = ZInsO 2021, 90 (93, Rn. 34); BGH v. 4.7.2017 – II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 = WM 2017, 1661 (1662, Rn. 18); BGH v. 18.11.2014 – II ZR 231/ 13, ZIP 2015, 71 = WM 2015, 77 (78, Rn. 11). 4 Hentschel/Ruster ZInsO 2021, 637; Hackenberg/Beck ZInsO 2021, 413; Bitter ZIP 2021, 321 (332). 5 Vgl. Bitter ZIP 2021, 321 (332); ebenso Hentschel/Ruster ZInsO 2021, 637 ff. (639). 6 S. dazu Rn. 5.620. 7 Bitter ZIP 2021, 321 (332); i.E. ebenso Hentschel/Ruster ZInsO 2021, 637 (642 f.); Hackenberg/ Beck ZInsO 2021, 413 (417). 8 Vgl. Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 15a Rn. 6 ff.

Huber | 1055

Fünfter Teil Rz. 5.631 | Kreditgeschäft

derartige Gefahr besteht bei allzu tiefen Eingriffen in die Entscheidungsfreiheit der statutarischen Geschäftsleiter. Dies kann beispielsweise durch die Entsendung sog. Vertrauensleute in das Unternehmen in Krisenzeiten geschehen, die nicht nur Überwachungsfunktionen haben, sondern auch Maßnahmen der Geschäftsführung verhindern oder sogar selbst vornehmen können (Einzelheiten Rn. 5.112 f.). Ebenso risikoträchtig ist die Verpfändung von Gesellschaftsanteilen zu Kreditsicherungszwecken, wenn sie durch den Verpfändungsvertrag oder durch sog. Financial Covenants im Kreditvertrag mit Rechten verbunden wird, durch welche die Bank im wirtschaftlichen Ergebnis der Stellung eines Gesellschafters gleich- oder doch jedenfalls nahekommt wie z.B. schuldrechtliche Befugnisse zur Einflussnahme auf Unternehmenspolitik und Geschäftsführung und Zustimmungserfordernisse bezüglich wichtiger gesellschaftsrechtlicher Vorgänge (Einzelheiten Rn. 5.907 ff.).

5.632

Wenn die Bank weiß, dass das Unternehmen seine Zahlungen eingestellt hat, darf sie dessen Geschäftsleiter nicht drängen, trotzdem noch Gelder zusammenzuziehen, um Zahlungen an sie zu leisten. Denn Zahlungen entgegen der Zahlungssperre des § 15b Abs. 1 InsO (§ 64 Satz 1 a.F. GmbHG) verpflichten die Geschäftsleiter nicht nur zur Erstattung, sondern können darüber hinaus zur Strafbarkeit insbesondere wegen Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) führen. Täter kann zwar nur der Geschäftsleiter sein, für die Mitarbeiter der Bank kommt aber eine Strafbarkeit wegen Anstiftung in Betracht.

5.633

Wenn die Bank durch die Verletzung der Zahlungssperre durch den Geschäftsleiter nicht wie oben beschrieben bevorzugt, sondern ihre Quote durch Zahlungen an Dritte geschmälert wurde, erwirbt auch sie einen Schadenersatzanspruch gegen den Geschäftsleiter. Dabei ist wie folgt zu unterscheiden: – Wenn die Bank vor dem Zeitpunkt, in dem spätestens die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte beantragt werden müssen, dem Schuldner einen Kredit eingeräumt und ausgezahlt hatte (Altgläubigerin), beschränkt sich ihre Forderung auf den Quotenschaden1, der in dem Unterschiedsbetrag zwischen der Insolvenzquote, die im Falle einer rechtzeitigen Insolvenzeröffnung erzielt worden wäre, und derjenigen Insolvenzquote liegt, die tatsächlich gezahlt wurde. Dies bedeutet, dass anhand des hypothetischen und des tatsächlichen Insolvenzverfahrens ermittelt werden muss, welcher Schaden durch die Verzögerung des Insolvenzantrags eingetreten ist2. – Hat die Bank ihren Schaden erst dadurch erlitten, dass sie während des durch die Verzögerung des Insolvenzantrags gewonnenen Zeitraums der Kreditnehmerin im Vertrauen auf deren Kreditwürdigkeit Leistungen auf Kredit erbracht hat (Neugläubigerin), so besteht ihr Schaden in dem gesamten Ausfall3. Einen solchen Kreditgewährungsschaden erleidet eine Bank auch im Rahmen eines Kontokorrentkredits, soweit sich dessen Saldo in der Insolvenzverschleppungsphase erhöht4. b) Rückführung ohne Verletzung der Zahlungssperre

5.634

Tilgt ein Schuldner, der nicht der Zahlungssperre unterliegt, oder ein Geschäftsleiter mit oder ohne Verletzung der Zahlungssperre nach dem Insolvenzantrag einen fälligen Kredit, so kann 1 2 3 4

Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 15a Rn. 39 u. Rn. 41. Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 15a Rn. 42 m.w.N. Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 15a Rn. 40. BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZIP 2007, 676 = WM 2007, 690 (691, Rn. 13); Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 15a Rn. 40.

1056 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.639 Fünfter Teil

der Insolvenzverwalter anfechten und die Rückgewähr dieser Gelder zur Masse verlangen, wenn die Bank von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag Kenntnis hatte1.

9. Konzernkredite Nicht immer steht einem Kreditinstitut im Kreditgeschäft nur ein Unternehmen gegenüber. Gerade in Konzernkonstellationen können es auf Kundenseite mehrere Unternehmen sein, auch in unterschiedlichen Vereinbarungen, z.B. wenn eine Konzernkreditlinie eingeräumt werden soll, eine Besicherung durch andere Konzernunternehmen relevant wird oder der sog. Cash-Pool eingeführt werden soll. Aus einer – hier nur relevanten – Kreditgewährung können sich in der Insolvenz eines oder mehrerer Konzernunternehmen Konsequenzen ergeben, die wohl nicht immer gesehen werden.

5.635

Kreditverträge mit Konzernunternehmen können in der Weise zustandekommen, dass ein eigener Vertrag mit jedem juristisch selbständigen Unternehmen der Gruppe geschlossen und jedem seine eigene Kreditzusage in der auf dieses Unternehmen zugeschnittenen Höhe erteilt wird; dann ergeben sich gegenüber den obigen Ausführungen keine Abweichungen. In der Praxis ist das ungewöhnlich.

5.636

Eine Bank hat bei der Kreditrisikobetrachtung jedoch stets den ganzen Konzern im Auge. Da insbesondere bei eng zusammenarbeitenden Konzernunternehmen die Liquidität mal in dem einen, mal in dem anderen Unternehmen gebraucht wird, ist es üblich, eine Kreditlinie allen Konzernunternehmen zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig zu vereinbaren, dass die Addition der Kreditinanspruchnahmen der diversen Konzernunternehmen die Kreditlinie nicht überschreiten darf, innerhalb dieses Rahmens jedoch jedes Konzernunternehmen die Kredite beliebig ausnutzen kann. Es obliegt dann konzernintern der Konzernmutter oder einer speziellen Konzerngesellschaft, für eine adäquate Steuerung der Finanzflüsse zu sorgen. In der Regel, aber nicht immer übernehmen alle Konzernunternehmen die gesamtschuldnerische Haftung für die ausgereichten Kredite. Insolvenzrechtlich hat dies Konsequenzen:

5.637

a) Kreditvereinbarung ohne gesamtschuldnerische Haftung Bei einer derartigen Konzernkreditlinie sind Konstellationen normal und unvermeidlich, in denen ein Konzernunternehmen seine Kredite reduziert und die damit frei gewordene Linie von einem anderen Konzernunternehmen wieder ausgenutzt wird. Spielt sich dies im Zeitraum von drei Monaten vor dem Insolvenzantrag oder später ab, besteht für die Bank die Gefahr einer erheblichen Risikoerhöhung.

5.638

Man stelle sich den Fall vor, dass eine Tochtergesellschaft die Kreditlinie vor Beginn des Dreimonatszeitraums voll in Anspruch genommen hatte und innerhalb dieses Zeitraums voll zurückführt, so dass die Muttergesellschaft die frei gewordene Linie in voller Höhe in Anspruch nehmen kann und dies auch tut. Die Rückführung der ungekündigten Kreditlinie durch die Tochtergesellschaft stellt eine inkongruente Deckung dar, weil die Bank ohne Kündigung nicht die sofortige Reduzierung des Saldos auf einen Betrag unterhalb der Linie fordern kann (vgl. Rn. 5.590). Damit kann diese Rückzahlung nach § 131 InsO anfechtbar sein, wobei Rückzahlungen innerhalb des letzten Monats vor dem Insolvenzantrag oder später besonders leicht anfechtbar sind. Gelingt dem Insolvenzverwalter die Anfechtung, so hat sich das Risiko der Bank, das diese durch die Konzernkreditzusage begrenzen wollte, verdoppelt: Sie muss den

5.639

1 Vgl. dazu Rn. 5.618 sowie die einzelnen Erörterungen zu den Anfechtungstatbeständen.

Huber | 1057

Fünfter Teil Rz. 5.639 | Kreditgeschäft

von der Tochtergesellschaft gezahlten Betrag nach § 143 InsO dem Insolvenzverwalter zurückgewähren und erhält darauf sowie auf den an die Muttergesellschaft ausgereichten Betrag die Quote.

5.640

Spinnt man diesen Fall weiter und geht davon aus, dass eine solche Konzernkreditzusage nicht nur für die Muttergesellschaft und nur eine Tochtergesellschaft, sondern für eine Vielzahl von Tochtergesellschaften gegeben wird, erhebt sich die Frage, ob sich damit auch das Risiko der Bank nicht nur verdoppelt, sondern vervielfacht. Ganz so schlimm kann es aber nicht kommen. Denn Rückführungen einer offenen Kreditlinie sind nur unter bestimmten Voraussetzungen anfechtbar, die hier nur in beschränkter Zahl eintreten können. Soweit die Bank die Kreditlinien offengehalten und dem Kunden in Höhe der eingegangenen Beträge Verfügungen gestattet hat1, wozu sie bei ungekündigten Kontokorrentkrediten verpflichtet war (vgl. dazu Rn. 5.568), beschränkt sich die Anfechtbarkeit auf einen „anfechtungsrechtlichen Mindestbetrag“ (vgl. Rn. 3.176), der sich aus der Differenz aus den Salden am Anfang und am Ende des Anfechtungszeitraums errechnet. Maßgeblich ist dabei der gesamte Zeitraum, auf den sich die Anfechtung erstrecken kann, also maximal der Zeitraum von drei Monaten nach §§ 130, 131 InsO, sofern während des gesamten Zeitraums zwischen den einzelnen Kontobewegungen keine größeren Abstände als die oben erwähnten ca. ein bis zwei Wochen lagen. Wenn also eine Tochtergesellschaft mit einer ausgeschöpften Kreditlinie in den fraglichen Zeitraum eingetreten ist, dieser Kredit getilgt und von einer anderen Tochtergesellschaft neu in Anspruch genommen wird, so hat letztere mit einem Nullsaldo begonnen und der anfechtungsrechtliche Mindestbetrag ist null. Zu einer Anfechtung kann es dann nur noch kommen, wenn der erlaubte Abstand von ca. ein bis zwei Wochen zwischen den einzelnen Kontobewegungen überschritten wird.

5.641

Der Umstand, dass die Kreditnehmer demselben Konzern angehören, ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts. Es gibt keine Konzerninsolvenz in dem Sinn, dass automatisch über den gesamten Konzern ein Insolvenzverfahren eröffnet wird; für jedes insolvente Konzernunternehmen ist ein eigenes Insolvenzverfahren durchzuführen2. Ebenso ist eine Zusammenfassung von Verfahren mit Bildung einer Gesamtmasse nicht möglich3. Damit verbietet sich auch eine Betrachtung der Konzernunternehmen als Einheit, soweit es um die Anfechtung geht4; man kann also nicht argumentieren, die Rückzahlung des Kredits durch eines der Konzernunternehmen werde durch die Wiederauszahlung an ein anderes Konzernunternehmen kompensiert. b) Kreditvereinbarung mit gesamtschuldnerischer Haftung

5.642

Überwiegend wird eine Konzernkreditlinie jedoch nur eingeräumt, wenn sich alle beteiligten Konzernunternehmen zu einer gesamtschuldnerischen Haftung bereitfinden; für die Bank ist dann nicht die Bonität des einzelnen Konzernunternehmens, sondern die des Gesamtkonzerns maßgeblich. 1 Zur Anfechtung der Verrechnung von Zahlungseingängen bei offener Kreditlinie s. Rn. 5.568. 2 Der Gesetzgeber hat im Jahre 2017 für Insolvenzen konzernverbundener Unternehmen zumindest eine einheitliche örtliche Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts (§§ 3a ff. InsO), die Bestellung eines einheitlichen Insolvenzverwalters (§ 56b InsO) sowie ein Koordinationsverfahren für die einzelnen Insolvenzverfahren (§§ 269a ff. InsO) ermöglicht, s. Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 11 Rn. 394. 3 Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 11 Rn. 394. 4 S. auch BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 = WM 2016, 553 (554, Rn. 8).

1058 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.647 Fünfter Teil

Die gesamtschuldnerische Bindung führt dann trotz getrennter Inanspruchnahme dazu, dass die Kreditrückzahlung durch einen Kreditnehmer dem oder den anderen zugute kommt und bei der Berechnung der Gesamtlinie stets berücksichtigt wird; Zahlungen eines der Gesamtschuldner stellen eine Erfüllung der Gesamtschuld dar, die auch für die übrigen Gesamtschuldner wirkt (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB)1. Umgekehrt verpflichten Kreditinanspruchnahmen bei einem Unternehmen jedes andere Unternehmen wegen seiner gesamtschuldnerischen Haftung in gleicher Weise wie Kreditauszahlungen zu Lasten seines eigenen Kontos. Die Bank kann dann argumentieren, die Rückführung des Kredits eines Konzernunternehmens stelle wegen der unter dessen gesamtschuldnerischer Haftung vorgenommener Auszahlung an ein anderes Konzernunternehmen keine Sicherung oder Befriedigung i.S.d. §§ 130, 131 InsO dar. Vielmehr handelt es sich um einen reinen Passivtausch, bei dem ein Barkredit gegen einen Avalkredit oder ein Avalkredit gegen einen Barkredit getauscht wird. An dem Risiko der jeweiligen Gesellschaft ändert sich also nichts. Ob dies die Rechtsprechung überzeugt, muss abgewartet werden2. Die Bank sollte deshalb nach anderen Lösungen suchen.

5.643

c) Lösungsmöglichkeiten Die oben dargestellten Risiken lassen sich beseitigen, wenn anstelle der Gesamtkreditlinie für den Konzern – wie bereits dargestellt (vgl. Rn. 5.636) – jedem Einzelunternehmen eine eigene Kreditlinie in einer solchen Höhe eingeräumt wird, dass die Addition der Einzelkredite die vorgesehene Gesamtlinie nicht überschreitet. Damit ist aber den Interessen der Beteiligten, die eine flexible Handhabung innerhalb des Konzerns benötigen, nicht gedient. Außerdem kann die Verteilung der Sicherheiten Schwierigkeiten bereiten.

5.644

Als Alternative käme die Zusage der Kreditlinie nur an die Muttergesellschaft mit dem Verwendungszweck einer Weiterreichung der Valuta an Konzernunternehmen und unter Übernahme von Bürgschaften oder gesamtschuldnerischer Haftung durch Konzernunternehmen in Betracht. Das Recht zur Inanspruchnahme der Kredite stünde dann nur der Muttergesellschaft zu. Aber auch die Stellung von Sicherheiten durch Tochtergesellschaften für Verbindlichkeiten der Muttergesellschaft stößt an rechtliche Grenzen (s. im Einzelnen Rn. 6.88 ff.).

5.645

Die oben aufgezeigten Probleme lassen sich auch vermeiden, wenn die Finanzierung über ein Gemeinschaftskonto der beteiligten Konzernunternehmen abgewickelt wird. Aus diesem Konto haften alle Inhaber als Gesamtschuldner. Auf die Bewegungen auf diesem Konto finden die Grundsätze Anwendung, die die Rechtsprechung für die Anfechtung von Verrechnungen von Zahlungseingängen bei offener Kontokorrentkreditlinie entwickelt hat. Diese Lösung ist allerdings in der Kreditpraxis nicht verbreitet, da die einzelnen Unternehmen ihr „eigenes“ Zahlungskonto führen wollen.

5.646

10. Sicherheitenfreigabe Die obige Darstellung hat gezeigt, dass die Bank in einigen Fällen zur Herausgabe des Rückzahlungsbetrages verpflichtet werden kann, obwohl sie bei Eingang der Gelder keine positive Kenntnis von der Anfechtungslage hatte. Dies betrifft vor allem den Zeitraum innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag. Mit der Rückführung sämtlicher Forderungen war die Bank verpflichtet, etwaige Sicherheiten freizugeben. Hat sie diese Verpflichtung im 1 S. dazu auch Huber NZI 2019, 97 (101 f.). 2 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 = WM 2016, 553 (554, Rn. 8) gibt insoweit nichts her.

Huber | 1059

5.647

Fünfter Teil Rz. 5.647 | Kreditgeschäft

Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Empfangs des Rückzahlungsbetrages erfüllt, so erhebt sich die Frage, ob eine Anfechtung gleichwohl gerechtfertigt ist. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Sicherheiten aus dem Vermögen des Kreditnehmers stammen oder von einem Dritten bestellt worden sind. a) Sicherheiten aus dem Vermögen des Kreditnehmers

5.648

Stammen die Sicherheiten aus dem Vermögen des Kreditnehmers, kommt eine Anfechtung der Rückzahlung insoweit nicht in Betracht, als die Sicherheiten den Kredit abgedeckt haben1. An einer Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wie der Kredit von einer werthaltigen Sicherheit gedeckt ist2. Hätte nämlich der Schuldner den Kredit nicht getilgt, hätte die Bank im Wege der abgesonderten Befriedigung aus den Sicherheiten selbst für die Erledigung gesorgt. Wirtschaftlich wäre die Lage für die Insolvenzmasse die gleiche gewesen. Dies gilt jedoch nur, soweit die Sicherheiten werthaltig waren. Daher ist der realisierbare Wert der Sicherheiten, also der Sicherheitenerlös abzüglich der Kostenbeiträge nach §§ 165 ff. InsO zu vergleichen mit dem zurückgezahlten Geldbetrag. Soweit sich diese Beträge decken, ist eine Anfechtung ausgeschlossen. b) Sicherheiten aus dem Vermögen Dritter

5.649

Bei Sicherheiten aus dem Vermögen Dritter sind die obigen Überlegungen nicht anwendbar. Denn durch die Inanspruchnahme der Sicherheiten anstelle der Entgegennahme der Rückzahlung wäre das Vermögen des Gemeinschuldners geschont worden; es wäre wegen eines etwaigen Rückgriffsanspruchs des Sicherungsgebers lediglich zu einem Wechsel in der Person eines Insolvenzgläubigers gekommen, der aber wertneutral ist. Die Rückzahlung führt also objektiv zu einer Gläubigerbenachteiligung.

5.650

Gelingt dem Insolvenzverwalter die Anfechtung der Rückzahlung des Kredits, so lebt die Forderung der Bank wieder auf (§ 144 Abs. 1 InsO). Mit der Forderung leben zwar rückwirkend und kraft Gesetzes auch deren Sicherungen wieder auf, sofern sie unanfechtbar begründet worden sind3. Hier gibt es aber Unterschiede je nachdem, ob es sich um abstrakte oder akzessorische Sicherheiten gehandelt hat. aa) Akzessorische Sicherheiten

5.651

Akzessorische Sicherheiten, die ein Dritter bestellt hat und die mit der angefochtenen Befriedigung kraft Gesetzes erloschen sind, leben kraft Gesetzes mit dem ursprünglichen Sicherungszweck wieder auf4. Die Kosten der Rechtsverfolgung kann ein Gläubiger, der sich gegen die Anfechtung zur Wehr gesetzt hat, jedoch nicht unter die Deckung der Sicherheiten nehmen5. Zu diesen Sicherheiten gehören vor allem Bürgschaften und Pfandrechte: 1 Ganter WM 2011, 245 (246 f.). 2 BGH v. 30.4.2020 – IX ZR 162/16, ZIP 2020, 1253 = WM 2020, 1169 (1172, Rn. 36 u. Rn. 41); BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZIP 2017, 533 = WM 2017, 446 (447, Rn. 12); Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 211. 3 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 140. 4 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 95/16, ZIP 2017, 337 = WM 2017, 326 (327, Rn. 11); Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 144 Rn. 7; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 140. 5 BGH v. 3.3.2009 – XI ZR 41/08, ZIP 2009, 799 = NJW 2009, 1879 (1880, Rn. 14).

1060 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.655 Fünfter Teil

Eine Bürgschaft lebt selbst dann wieder auf, wenn der Gläubiger im Vertrauen auf die Erledigung der gesicherten Forderung dem Bürgen die Bürgschaftsurkunde mit dem banküblichen Rückgabeschreiben (das keine revocatoria-Klausel1 enthält) zurückgeschickt hat2. Der Lauf der Verjährung, der mit dem Schluss des Jahres begonnen hat, in dem der Bürgschaftsanspruch – auch aus der Sicht des Gläubigers – geltend gemacht werden konnte, ist von der Erfüllung der Hauptforderung an bis zur Rückgewähr der anfechtbar empfangenen Zahlung, die auch die Bürgschaftsforderung wieder belebt, gehemmt3.

5.652

Bei sog. Zeitbürgschaften ist besondere Vorsicht geboten: Wenn die Bank den Endtermin für die haftungsauslösende Gläubigeranzeige versäumt, ist auch das (rückwirkende) Wiederaufleben der anfechtbar getilgten Verbindlichkeiten des Hauptschuldners nach erfolgreicher Insolvenzanfechtung (§ 144 Abs. 1 InsO) nicht geeignet, die (infolge der Fristablaufs erloschene) Bürgenverpflichtung erneut entstehen zu lassen. Daher gehen die Rechte des Gläubigers selbst dann verloren, wenn er verpflichtet ist, vor der Inanspruchnahme der Bürgschaft seine besicherten Ansprüche mit den vom Hauptschuldner gestellten „Barkautionen zu verrechnen.“4. Wenn die Bank eine Anfechtung befürchtet, sollte sie vorsorglich eine „konditionierte“ Inanspruchnahme der Bürgschaft innerhalb der hierfür bestimmten Ausschlussfrist aussprechen.

5.653

Ein Pfandrecht lebt dann wieder auf, wenn der Pfandgläubiger den Besitz an dem Pfandgegenstand noch nicht verloren hatte5 bzw. der Pfandgläubiger den Pfandgegenstand wieder in Besitz nimmt.

5.654

bb) Abstrakte Sicherheiten Abstrakte Sicherheiten, die ein Dritter gewährt und nach vermeintlicher Erledigung der Forderung zurückübertragen bekommen hat, entstehen nicht von selbst wieder neu6. Denn der Dritte ist nicht Partei des Anfechtungsstreits. Allerdings kann eine abstrakte Sicherheit wie z.B. eine Grundschuld, die zur Zeit der Rückgewähr der angefochtenen Leistung noch nicht zurückübertragen war, wieder zur Sicherung der wieder aufgelebten Forderung herangezogen werden7. Eine bereits gelöschte Grundschuld muss der Sicherungsgeber – ebenso wie jede an-

1 Durch sie wird auf die Rechtsfolge des § 144 InsO hingewiesen, d.h. der Bürge müsste schon aus anderen Formulierungen des Rückgabeschreibens eindeutig entnommen haben können, dass das Kreditinstitut auch für den Fall der Anfechtung der Rückzahlung auf seine Rechte aus der Bürgschaft verzichten will. Das dürfte ein seltener Ausnahmefall sein. 2 OLG München v. 19.6.2008 – 24 U 737/07, WM 2008, 2112 (2113); OLG Brandenburg v. 9.3.2004 – 11 U 95/03, ZInsO 2004, 504 (505 f.) unter Aufhebung von LG Frankfurt/O. v. 15.8.2003 – 17 O 370/02, ZInsO 2003, 906 ff.; LG Lübeck v. 7.2.2017 – 3 O 21/16, NZI 2017, 310 (311 f.); LG Berlin v. 5.11.2002 – 10 O 271/02, ZInsO 2002, 1142 (1143 f.); Ganter WM 2011, 245 (247). 3 Ganter WM 2011, 245 (248); die Voraussetzungen für einen Verzug mit der Begleichung der Bürgschaftsforderung können allerdings nicht rückwirkend auf den Zeitpunkt der Anfechtung eintreten, vgl. OLG Schleswig v. 5.7.2007 – 5 U 48/07, ZIP 2008, 68 = WM 2007, 1972 (1973). 4 OLG Bamberg v. 23.3.2015 – 4 U 60/14, ZInsO 2015, 1223 (1225). 5 A.A. Ganter WM 2011, 245 (249), der die erneute Besitzerlangung nicht als konstitutiv, sondern nur als zum Zweck der Publizität dienlich ansieht. Das allerdings steht im Widerspruch zu § 1253 Abs. 1 BGB. 6 A.A. Heidbrink NZI 2005, 363 (365 f.). 7 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 95/16, ZIP 2017, 337 = WM 2017, 326 (327, Rn. 13); OLG Brandenburg v. 24.8.2000 – 5 U 5/00, WM 2001, 626 (628); Ganter WM 2011, 245 (249).

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5.655

Fünfter Teil Rz. 5.655 | Kreditgeschäft

dere bereits zurückübertragene oder erloschene abstrakte Sicherheit – dagegen neu bestellen1. Denn durch die nur vorübergehende, nicht dauerhafte Tilgung der Kreditforderung ist der Sicherungsgeber von seiner Pflicht zur Bestellung der Sicherheit nicht entbunden worden; seine Sicherheit ist ohne Rechtsgrund untergegangen2. Soweit die Inanspruchnahme aus einem Sicherungsrecht durch den Sicherungsnehmer möglich ist, ohne dass der Sicherungsgeber mitwirken muss, wie z.B. aus einer Garantie, einer Sicherungsabtretung oder einer Sicherungsübereignung, kann der Sicherungsgeber sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf das Nichtbestehen des Sicherungsrechts berufen und ist so zu behandeln, als wäre er seiner Pflicht zur Neubestellung nachgekommen3. Dies scheitert nur dann, wenn der Sicherungsgeber über den Sicherungsgegenstand zwischenzeitlich anderweitig wirksam verfügt hat. So kann der Sicherungsgeber eine freigegebene Grundschuld nicht wieder mit derselben Rangstelle neu eintragen lassen, wenn bis dahin nachrangige Grundschulden im Rang aufgerückt oder weitere Grundschulden neu eingetragen sind4. Einen Ersatzanspruch gegen den Sicherungsgeber erwirbt die Bank nicht. Ob wegen der Unmöglichkeit, die Sicherheit wieder zu bestellen, insoweit die Anfechtung ausgeschlossen werden müsste oder der Bank ein Massebereicherungsanspruch zuzugestehen ist, erscheint fraglich5.

5.656

Dem Risiko, nach einer erfolgten Anfechtung der zurückgeführten Kreditforderung die bereits wirksam zurückgegebene Sicherheit nicht mehr erneut bestellt zu bekommen, könnte die Bank begegnen, wenn der Freigabeanspruch des Sicherungsgebers erst nach Ablauf der Fristen für eine mögliche Anfechtung eingreift, und zwar unabhängig davon, wie groß das Anfechtungsrisiko ist. Letzteres kann die Bank nämlich in der Regel gar nicht beurteilen. Allerdings steht einem Sicherungsgeber ein Rückgewähranspruch hinsichtlich seiner Sicherheit zu, wenn die gesicherte Kreditforderung zurückgeführt worden ist6. Und allein die abstrakte Gefahr einer späteren Anfechtung gibt der Bank noch kein Zurückbehaltungsrecht7. Eine praktische Lösung kann in einem individuell vereinbarten, zeitlich befristeten Aufschub der Freigabeverpflichtung liegen, der drei Monate nicht überschreiten sollte. Selbst dann aber wären die Sicherheiten für die Dauer der Wartefrist nicht für neue Kredite mobilisierbar. Ob auch eine dem AGB-Recht unterfallende Vereinbarung wirksam wäre, erscheint zumindest fraglich.

1 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 95/16, ZIP 2017, 337 = WM 2017, 326 (327, Rn. 14); OLG Naumburg v. 19.3.2009 – 2 U 142/08, WM 2009, 982 (983); OLG Frankfurt v. 25.11.2003 – 9 U 127/02, ZInsO 2004, 211 (212); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 140; Ganter WM 2011, 245 (249 f.). 2 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 95/16, ZIP 2017, 337 = WM 2017, 326 (327, Rn. 14); OLG Naumburg v. 19.3.2009 – 2 U 142/08, WM 2009, 982 (983); s. auch Ganter WM 2011, 245 (250). 3 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 95/16, ZIP 2017, 337 = WM 2017, 326 (327, Rn. 14); OLG Naumburg v. 19.3.2009 – 2 U 142/08, WM 2009, 982 (983); OLG Frankfurt v. 25.11.2003 – 9 U 127/02, ZInsO 2004, 211 (212). 4 Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 144 Rn. 7b; s. auch Ganter WM 2011, 245 (250). 5 Vgl. Ganter WM 2011, 245 (250 f.). 6 Allgemein Wenzel/Gratias in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/95; zur Sicherungsabtretung Huber in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/599 ff. 7 OLG Frankfurt v. 25.11.2003 – 9 U 127/02, ZInsO 2004, 211 (212); LG Berlin v. 5.11.2002 – 10 O 271/02, ZInsO 2002, 1142 (1144); Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 140; a.A. offensichtlich LG Lübeck v. 7.2.2017 – 3 O 21/16, NZI 2017, 310 (312).

1062 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.660 Fünfter Teil

Vertragstechnisch ließe sich dies am ehesten durch eine Freigabe unter einer aufschiebenden Bedingung erreichen:

5.657

M 24 Sicherheitenfreigabe unter einer aufschiebenden Bedingung Briefkopf der Bank Firma ... Sicherungsübereignung des Kraftfahrzeugs amtl. Kennz. ... Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit übertragen wir Ihnen die Rechte an dem uns sicherungshalber übereigneten Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... mit Wirkung vom ...1 unter der aufschiebenden Bedingung zurück, dass bis dahin gegen die Kreditnehmerin kein Insolvenzantrag gestellt worden ist. Den Kraftfahrzeugbrief fügen wir bei. ... (Unterschriften der Bank)

c) Rückstellungen Neben der Problematik der Sicherheitenfreigabe stellt sich wegen der Möglichkeit zur Anfechtung, die in den oben erörterten Fällen unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers von der Anfechtungslage zulässig ist, die Frage, ob die Bank in Höhe des zurückgezahlten Betrages für die Dauer der Anfechtungsfrist eine Rückstellung bilden darf oder muss. Dabei wäre an die Dreimonatsfrist vor dem Eröffnungsantrag anzuknüpfen, die die §§ 130, 131, 132 InsO für kongruente und inkongruente Deckungen bzw. unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen vorsehen, da nur diese Vorschriften eine Anfechtung unabhängig von der tatsächlichen Kenntnis der Bank über die Situation des Kunden ermöglichen.

5.658

Hier wird zu unterscheiden sein zwischen der vorzeitigen und der planmäßigen Kreditrückführung. Da bei einer vorzeitigen Tilgung eines Kredites die Anfechtung sogar dann möglich ist, wenn der Bank die drohende oder schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit nicht bekannt war (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO), liegt es in diesen Fällen jedenfalls dann nahe, eine Rückstellung zu bilden, wenn die Bank Kenntnis von ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Kunden hatte. Auch bei kongruenter Deckung kann bei Rückzahlungen, die trotz solcher Umstände vorgenommen werden, eine Rückstellung zweckmäßig sein; hier gehört zwar die Zahlungsunfähigkeit zur Anfechtungsvoraussetzung, jedoch genügt bei Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf Seiten der Bank, dass sie zwingende Anhaltspunkte (§ 130 Abs. 2 InsO) für die Zahlungsunfähigkeit oder den Insolvenzantrag übersehen hat, um die Anfechtung durchgreifen zu lassen. Auch gegen dieses Risiko gilt es Rückstellungen zu bilden.

5.659

frei

5.660

1 Beginn des 4. Monats nach Eingang des Rückzahlungsbetrages bei der Bank.

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Fünfter Teil Rz. 5.661 | Kreditgeschäft

11. COVID-19-Pandemie-Gesetzgebung und die noch relevanten Bestimmungen, vorallem das Anfechtungsprivileg a) Einleitung

5.661

Die COVID-19-Pandemie hat im Jahre 2020 (auch) in der BRD schnell zu massiven Einschränkungen des Privat- und Wirtschaftslebens geführt1. Von den diversen Maßnahmen insbesondere des Gesetzgebers, mit denen die mit diesen Einschränkungen verbundenen teilweise ganz erheblichen Auswirkungen abgefedert werden soll(t)en, geht es nachstehend um das (Artikel-)Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenzund Strafverfahrensrecht2 und seine noch bestehende Relevanz, insbesondere was den Anfechtungsschutz betrifft. Von Bedeutung sind insbesondere Bestimmungen des in Art. 1 dieses Gesetzes geregelten COVInsAG3. Die in Art. 5 „Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch“ aufgenommenen Regelungen im Darlehensrecht sind zwischenzeitlich ausgelaufen4. Der Gesetzgeber konnte bei der Formulierung des COVInsAG, soweit es um die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und deren Folgen ging, zum Teil auf frühere Gesetzesbestimmungen zurückgreifen, denn in diesem Jahrhundert ist es anläßlich von Hochwasserkatastrophen bereits mehrfach zu einer vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gekommen5. Diesmal wurde der Werkzeugkasten allerdings erheblich erweitert und über die Aussetzung der Insolvenzantragspflichten hinaus nicht nur Regelungen zu Folgen der Aussetzung aufgenommen, sondern auch zeitlich begrenzte Maßnahmen in Bezug auf andere Gesetze getroffen, um die Folgen der COVID-19-Pandemie abzumildern und auch einen Zusammenbruch des Wirtschaftslebens zu verhindern6. Während die „Abfederungs“Maßnahmen (vorrangig) nur für einen kurzen, mittlerweile abgelaufenen Zeitraum greifen und den betroffenen Personen bzw. Unternehmen schnell helfen sollten, gingen (und gehen) manche Bestimmungen bzw. auch nur Auswirkungen offensichtlich darüber hinaus. 1 Vgl. Wolfer in Fridgen/Geiwitz/Göpfert, Insolvenzrecht, 2022, COVInsAG, § 1 Rn. 1; Römermann, COVID-19-Abmilderungsgesetze, 2020, COVInsAG, § 1 Rn. 4; Hölzle/Schulenberg ZIP 2020, 633. 2 V. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569. 3 Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG), zuletzt geändert durch Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 v. 15.2.2021, BGBl. I 2021, 237. Zur weiteren Änderung in ein „Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmildungsgesetz“ vgl. Rn. 5.665a. 4 Vgl. dazu z.B. Klöhn WM 2020, 1141 ff.; Rösler/Wimmer WM 2020, 1149 ff.; Meier/Kirschhöfer BB 2020, 967 ff.; Lühmann NJW 2020, 1321 ff.; s. auch Dehio/Rinne/Schmitt 2020, 819 (824 ff.); zur Auswirkung auf Kreditsicherheiten Samhat WM 2020, 865 ff. 5 Als Art. 6 „Unterbrechung von Insolvenzantragsfristen“ des Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften und zur Errichtung eines Fonds „Aufbauhilfe“ (Flutopfersolidaritätsgesetz) v. 19.9.2002, BGBl. I 2002, 3652; als Art. 3 „Gesetz über die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasserbedingter Insolvenz“ des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe“ und zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz) v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2401; als Art. 3 a „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasser- und starkregenfallbedingter Insolvenz (InsoAntrG)“ des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016, BGBl. I 2016, 1824. 6 Knauth/Krafczyk WM 2020, 677; s. auch Römermann, COVID-19-Abmilderungsgesetze, 2020, COVInsAG, § 1 Rn. 8; Hölzle/Schulenberg ZIP 2020, 633.

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E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.663 Fünfter Teil

b) COVInsAG „kurz gefasst“ aa) Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Bei der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber mit dem COVInsAG auf ein aus den Hochwasserkatastrophen der letzten knapp 20 Jahre bekanntes Instrument zurückgegriffen1: die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, soweit die Antragspflicht pandemiebedingt indiziert ist. Wurde bei den Hochwasserkatastrophen als Grund für eine vorübergehende Aussetzung der Antragspflicht das Beruhen des Eintritts einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den „Auswirkungen der Starkregenfälle und Hochwasser“ genannt2, waren es nun die „Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie)“ (§ 1 COVInsAG) und damit im Wesentlichen die durch das Herunterfahren der Wirtschaft („Lockdown“) hervorgerufenen wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Unternehmer bzw. Unternehmen. Hauptargument war insoweit, dass die stringente 3-Wochen-Frist des § 15a InsO3 nicht ausreichen wird, um betroffenen Unternehmen, z.B. weil ihnen beim Lockdown die Einnahmen wegbrechen, rechtzeitig auch mit vorgesehenen staatlichen (finanziellen) Unterstützungsmaßnahmen helfen zu können und die Unternehmen dann einen Insolvenzantrag stellen müssten, obwohl sie ein tragfähiges Geschäftsmodell haben. Im Gegensatz zu den bisherigen gesetzlichen Maßnahmen4 ist der Gesetzgeber aber nicht bei der Aussetzung stehen geblieben, sondern hat auch deren Folgen in den Blick genommen und insoweit für den Rechtsverkehr aufgezeigt, was für ihn „im Rahmen des Erlaubten“ ist:

5.662

bb) Weitere Bedingungen für die Aussetzung Nur wenn die Insolvenzreife auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus beruht und wenn Aussicht besteht, dass eine bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden kann, wurde die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO bzw. § 42 Abs. 2 BGB (ab dem 1.3.2020) bis zum 30.9.2020 ausgesetzt (§ 1 Satz 1 und Satz 2 COVInsAG); die Aussetzung wurde letztlich bis zum 30.4.2021 verlängert5. Um Schwierigkeiten bei der Feststellung des „Beruhens“ und der Aussicht der Beseitigung einer Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Vermutung aufgestellt, dass von einem „Beruhen“ und der Aussicht

1 Wolfer in Fridgen/Geiwitz/Göpfert, Insolvenzrecht, 2022, COVInsAG, § 1 Rn. 1; Hölzle/Schulenberg ZIP 2020, 633 (634). 2 § 1 InsoAntrG, ähnlich Art. 6 Abs. 1 Flutopfersolidaritätsgesetz und Art. 3 § 1 Aufbauhilfegesetz: „Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe“. 3 Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des COVInsAG gab es sowohl für die Zahlungsunfähigkeit als auch für die Überschuldung ein einheitliche Antragsfrist von 3 Wochen; erst ab 1.1.2021 wurde die Frist durch das SanInsFoG (nur) für die Überschuldung auf 6 Wochen erweitert. Zur temporären Ausdehnung der sechs Wochenfrist bei der Überschuldung auf 8 Wochen bis zum 31.12.2023 s. Rn. 5.665a. 4 Vgl. Art. 6 „Unterbrechung von Insolvenzantragsfristen“ des Flutopfersolidaritätsgesetzes v. 19.9.2002, BGBl. I 2002, 3652; Art. 3 „Gesetz über die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasserbedingter Insolvenz“ des Aufbauhilfegesetzes v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2401; Art. 3a „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasser- und starkregenfallbedingter Insolvenz (InsoAntrG)“ des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016, BGBl. I 2016, 1824. 5 Es hat unterschiedlich lange Verlängerungen gegeben und teilweise wurde auch nur auf die Überschuldung abgestellt, vgl. dazu i.E. Wolfer in Fridgen/Geiwitz/Göpfert, Insolvenzrecht, 2022, COVInsAG, § 1 Rn. 2 u. Rn. 8 ff.

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5.663

Fünfter Teil Rz. 5.663 | Kreditgeschäft

auf Beseitigung einer Zahlungsunfähigkeit immer dann ausgegangen werden kann, wenn der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war (§ 1 Satz 3 COVInsAG)1. cc) Folgen der Aussetzung

5.664

Mit der Vorgabe, dass die Antragspflicht nach § 1 COVInsAG ausgesetzt ist, hat der Gesetzgeber in § 2 COVInsAG die Folgen der Aussetzung näher eingegrenzt bzw. gewisse Folgen als gegeben vorausgesetzt und damit geltende Bestimmungen vorübergehend teilweise völlig ausgesetzt: – Zahlungen im ordentlichen Geschäftsgang, „insbesondere solche, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen“, gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 64 Satz 2 GmbHG, des § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, des § 130a Abs. 1 Satz 2 HGB, auch in Verbindung mit § 177a Satz 1 HGB und des § 99 Satz 2 GenG vereinbar2. – Eine bis zum 30.9.2023 erfolgende Rückzahlung eines im Aussetzungszeitraum3 gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite gilt nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG als nicht gläubigerbenachteiligend. Für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und für Zahlungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, gilt dies ebenso, nicht aber für deren Besicherung; § 39 Abs. 1 Nr. 5 und § 44a InsO finden insoweit in bis zum 30.9.2023 beantragten Insolvenzverfahren keine Anwendung. – Kreditgewährungen und Besicherungen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 COVInsAG im Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen. – Deckungshandlungen im Sinne des § 130 InsO sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG4 in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar, es sei denn, „dem anderen Teil war bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind“. Entsprechendes gilt für bestimmte inkongruente Deckungshandlungen: für Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber, für Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners, für die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn

1 Es hat ferner – abgelaufene – Regelungen zur Versagung der Restschuldbefreiung (§ 1 Satz 4 u. Satz 5 COVInsAG) und zu Gläubigerinsolvenzanträgen (§ 3 COVInsAG) gegeben. Die Beweislast für das Nichtvorliegen der Aussetzungsvoraussetzungen nach § 1 COVInsAG obliegt dem Insolvenzverwalter, vgl. OLG Düsseldorf v. 23.5.2022 – 12 U 42/21, ZIP 2022, 1507 = NZI 2022, 820 (821, Rn. 9). 2 Die Zusammenfassung der genannten Normen in § 15b InsO ist ebenfalls erst durch das SanInsFoG zum 1.1.2021 erfolgt, vgl. Rn. 5.620; zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des COVInsAG bestanden sie also noch. 3 Das Darlehen musste im Aussetzungszeitraum ausgezahlt worden sein; geschah dies (kurz) vorher, war das Darlehen nicht privilegiert, s. OLG Düsseldorf v. 23.5.2022 – 12 U 42/21, ZIP 2022, 1507 = NZI 2022, 820 (821, Rn. 8). 4 Stellte der Schuldner dennoch einen Eigenantrag, konnte er sich bei Rechtshandlungen nach der Antragstellung nicht auf diese Privilegierung berufen, OLG Hamburg v. 30.3.2022 – 11 U 169/21, NZI 2022, 616 (617, Rn. 4 ff.); LG Hamburg v. 8.3.2022 – 303 O 53/21, ZInsO 2022, 780 f.; a.A. LG Hamburg v. 8.9.2021 – 336 O 65/21, ZIP 2022, 388 (389 f.).

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E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.665 Fünfter Teil

diese nicht werthaltiger ist, für die Verkürzung von Zahlungszielen sowie für die Gewährung von Zahlungserleichterungen. – Nach § 2 Abs. 1 Nr. 51 COVInsAG gelten die bis zum 31.2.2022 erfolgten Zahlungen auf Forderungen aufgrund von bis zum 28.2.2021 gewährten Stundungen als nicht gläubigerbenachteiligend, sofern über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren bis zum Ablauf des 18.2.2021 noch nicht eröffnet ist. – § 2 Abs. 2 COVInsAG erweitert die Geltung dieser Bestimmungen – abgesehen von der im ersten Spiegelstrich aufgeführten – auf Unternehmen, die keiner Antragspflicht unterliegen, sowie auf Schuldner, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind. – Nach § 2 Abs. 3 COVInsAG gelten die Bestimmungen zu Kreditgewähr und Besicherung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 COVInsAG für Kredite, die von der KfW und ihren Finanzierungspartnern oder von anderen Instituten im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme anläßlich der COVID-19-Pandemie gewährt werden, auch dann, wenn der Kredit nach dem Ende des Aussetzungszeitraums gewährt oder besichert wird, und unbefristet für deren Rückgewähr. c) Relevanz des COVInsAG Zwar haben sich die meisten Regelungen der COVID-19-Gesetzgebung zwischenzeitlich erledigt, dennoch sollte ein Kreditinstitut im Blick haben, dass dies nicht vollständig für das COVInsAG gilt. Immer unter der Prämisse, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung vorlagen, kann es zum einen bei Zahlungen im relevanten Zeitraum auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter ankommen. Zum anderen sind bis zum 30.9.2023 erfolgende Rückzahlungen eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite nicht gläubigerbenachteiligend und damit anfechtungsfest2. Für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und für Zahlungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, gilt dies ebenso, nicht aber für deren Besicherung. Weiterhin sind Kreditgewährungen und Besicherungen im Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen; davon werden auch Prolongationen und Novationen erfasst3. Ferner sind Deckungshandlungen im Sinne des § 130 InsO in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar, es sei denn, die Maßnahmen zur Sanierung bzw. die Finanzierungsbemühungen des Schuldners konnten eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit nicht beseitigen, was der Anfechtungsgegner erkannt hat. Auch bestimmte inkongruente Deckungshandlungen wurden anfechtungsfest gestellt, insbesondere Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners, die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist und die Gewährung von Zahlungserleichterungen. Damit sind bei Erfüllung der ergänzend genannten Voraussetzungen diese Deckungshandlungen anfechtungsfest, insbesondere auch soweit eine 1 Eingefügt durch Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 v. 15.2.2021, BGBl. I 2021, 237. Diese Privilegierung sollte nicht „jegliche Zahlungserleichterung“, sondern nur Stundungen erfassen, so LG Lüneburg v. 12.1.2022 – 3 O 137/21, ZIP 2022, 1456 = NZI 2022, 480 (481, Rn. 31). 2 Vgl. i.E. Raupach in Fridgen/Geiwitz/Göpfert, Insolvenzrecht, 2022, COVInsAG, § 2 Rn. 2 ff. 3 Raupach in Fridgen/Geiwitz/Göpfert, Insolvenzrecht, 2022, COVInsAG, § 2 Rn. 7.

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5.665

Fünfter Teil Rz. 5.665 | Kreditgeschäft

Anfechtung nach § 133 InsO in Betracht kommen sollte1. Sinngemäß gilt dies auch für Zahlungen auf Forderungen aufgrund von bis zum 28.2.2021 gewährten Stundungen, sofern über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren bis zum Ablauf des 18.2.2021 noch nicht eröffnet ist2. Und Kredite, die von der KfW und ihren Finanzierungspartnern oder von anderen Instituten im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme anläßlich der COVID-19-Pandemie gewährt wurden, gilt das alles auch dann, wenn der Kredit nach dem Ende des Aussetzungszeitraums gewährt oder besichert wurde, und unbefristet für deren Rückgewähr3. d) Die nächste Krise bringt die Fortsetzung: das COVInsAG mutiert zum SanInsKG

5.665a

Die krisenhaften Verhältnisse und Entwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten gerade im Jahre 2022 haben den Gesetzgeber im Herbst 2022 – als Teil des sog. dritten Entlastungspakets – erneut zu zeitlich beschränkten Anpassungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht veranlasst, ohne dass es wieder zu einer allgemeinen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gekommen ist4. Das COVInsAG hat erst einmal eine neue Bezeichnung erhalten, da nach dem Willen des Gesetzgebers das „alte“ Gesetz künftig nicht mehr ausschließlich Bestimmungen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie enthält: es wird zum „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmildung von Krisenfolgen (Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz – SanInsKG)“5. Bei ansonsten gleichbleibendem Wortlaut wird in § 4 ergänzt, dass der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO – ebenso wie die maßgeblichen Planungszeiträume für die Erstellung von Eigenverwaltungsund Restrukturierungsplanungen (§ 270a Abs. 1 InsO bzw. § 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG) – befristet bis zum 31.12.2023 auf vier Monate herabgesetzt wird. Ferner wird ein neuer § 4a eingefügt, der befristet vom 9.11.2022 bis zum 31.12.2023 die Höchstfrist des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO für die Antragstellung bei einer Überschuldung von sechs auf acht Wochen erhöht. Der Gesetzgeber will durch diese befristeten Maßnahmen gerade den „Unternehmen, deren Bestandfähigkeit unter normalen Umständen, d.h. bei Hinwegdenken der derzeitigen Preisvolatilitäten und Unsicherheiten außer Zweifel stünde“ und die ihren Zahlungspflichten für mindestens 4 Monate nachkommen können, im Hinblick auf die „derzeitigen Preisvolatilitäten und der auf absehbare Zeit weiterhin bestehenden Unsicherheiten über Art, Ausmaß und Dauer des eingetretenen Krisenzustandes“6 und der daraus resultierenden, sehr schwierigen vorausschauenden Planungen helfen, eine Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung zu vermeiden. Beim Insolvenzantragsgrund der Zahlungsunfähigkeit ändert sich dagegen nichts. Ebensowenig ändert sich bei der Überschuldung für den Fall etwas, dass ein Unternehmen 1 Kruse/Hageböke ZInsO 2021, 881 (884); wohl auch Raupach in Fridgen/Geiwitz/Göpfert, Insolvenzrecht, 2022, COVInsAG, § 2 Rn. 9.1; a.A. Hölzle/Schulenberg ZIP 2020, 633 (647). 2 Kritisch dazu Klinck ZIP 2021, 541 ff. 3 Raupach in Fridgen/Geiwitz/Göpfert, Insolvenzrecht, 2022, COVInsAG, § 2 Rn. 8 ff. 4 Vgl. – auch zum Nachstehenden – die auf der Homepage des BMJ veröffentlichte Formulierungshilfe der Bundesregierung zur Änderung des COVInsAG als Ergänzung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung des Güterrechtsregister (BR-Drucks. 20/2730), S. 3 ff.; s. dazu auch Beissenhirtz ZInsO 2022, 2225 ff.; Hölzle ZIP 2022, 1945 ff.; Schmitz/Bünemann NZI 2022, 969 ff. 5 Als Art. 9 des Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes v. 31.10.2022, BGBl. I 2022, 1966. 6 Formulierungshilfe der Bundesregierung zur Änderung des COVInsAG als Ergänzung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung des Güterrechtsregister (BR-Drucks. 20/2730), S. 3.

1068 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.667 Fünfter Teil

schon vor Ablauf der 8-Wochen-Frist feststellt, dass es die Überschuldung nicht wird beseitigen können; es hat dann unverzüglich einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung zu stellen. Ob die die Überschuldung betreffenden Regelungen eine größere Bedeutung erlangen werden, dürfte sehr fraglich sein, denn die Anzahl der alleine auf einer Überschuldung beruhenden Insolvenzanträge ist verschwindend gering1. Kreditinstitute werden weiterhin Wert auf eine konsistente, aktuelle Umstände berücksichtigende Planung legen, deren Horizont nicht bereits nach 4 Monaten endet. Unabhängig davon werden sie die vom Gesetzgeber als Grund für die temporäre Verlängerung genannte Option, länger eine aussichtsreiche Sanierung vorbereiten zu können2, bei Vorliegen der Voraussetzungen sicherlich nutzen, um ein überlebensfähiges Unternehmen zu erhalten; dabei werden sie wie bereits vor der temporären Änderung des § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO auf die Überlebensfähigkeit des Unternehmens achten müssen, um sich nicht dem Vorwurf einer Insolvenzverschleppung auszusetzen.

5.665b

II. Kreditgeschäft nach Insolvenzantragstellung Die Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 13 InsO) ermöglicht es dem Insolvenzgericht, nach § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubgern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldner zu verhindern. Als einschlägige Maßnahmen können nach § 21 Abs. 2 InsO „insbesondere“ angeordnet werden u.a. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses, Verfügungsbeschränkungen oder ein Einziehungs- und Verwertungsstopp. Die vom Insolvenzgericht angeordneten Maßnahmen sollen die Zeit überbrücken helfen, bis das Insolvenzgericht regelmäßig unter Mithilfe eines vorläufigen Insolvenzverwalters ermittelt hat, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann oder der Antrag mangels Masse abzuweisen ist; deshalb soll in diesem Zeitraum die vorhandene Masse gesichert werden, um für die Gläubiger nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. In den meisten (erfolgversprechenden) Fällen wird nach einem zulässigen Insolvenzantrag vom Insolvenzgericht ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO) und regelmäßig auch angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Das Insolvenzgericht kann auch ein allgemeines Verfügungsverbot an den Schuldner erlassen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO); in der Praxis wird allerdings der 2. Alt. des § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO überwiegend der Vorzug gegeben, so dass die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbot die Ausnahme darstellt.

5.666

Stellt der Schuldner einen Antrag auf Eigenverwaltung nach § 270a InsO, der zur Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270b InsO mit Bestellung eines vorläufigen Sachwalters führt, soll das Gericht im Eröffnungsverfahren grundsätzlich davon absehen, dem Schuldner eine Verfügungsbeschränkung aufzuerlegen. Allerdings sieht das Gesetz eine Ausnahme vor: ordnet das Insolvenzgericht die vorläufige Eigenverwaltung nach § 270b Abs. 1 Satz 2 InsO an, weil die Eigenverwaltungsplanung behebbbare Mängel hat, kann es zudem nach § 270c Abs. 3 InsO anordnen, dass Verfügungen des Schuldners der Zustimmung durch

5.667

1 Beissenhirtz ZInsO 2022, 2225 (2226 f.). 2 Formulierungshilfe der Bundesregierung zur Änderung des COVInsAG als Ergänzung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung des Güterrechtsregister (BR-Drucks. 20/2730), S. 6.

Huber | 1069

Fünfter Teil Rz. 5.667 | Kreditgeschäft

den vorläufigen Insolvenzverwalter bedürfen. Ein allgemeines Verfügungsverbot kommt nicht in Betracht, denn damit würde für eine Eigenverwaltung kein Raum mehr bleiben.

5.668

Da der Umfang der Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters sehr unterschiedlich sein kann bzw. sogar bei der vorläufigen Eigenverwaltung ein Zustimmungsvorbehalt möglich ist, muss sich die Bank stets anhand des veröffentlichten oder ihr unter Umständen sogar zugestellten Beschlusses (§ 23 InsO) des Gerichts über seine konkrete Verfügungsmacht vergewissern, bevor sie Geschäfte mit ihm tätigt. Von der Art der getroffenen Anordnungen hängen auch das Schicksal bestehender und der Abschluss neuer Kreditverträge (und deren Besicherung) ab.

1. Antragstellung 5.669

Da erst eine gerichtliche Anordnung zu einer Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners führen kann, hat der Insolvenzantrag als solcher keine Auswirkungen auf bestehende Verträge1. Bei einer Kreditlinie („Kontokorrentkredit“), die noch nicht ausgeschöpft ist, kann der Kreditnehmer also weitere Beträge abrufen bzw. bei einem noch nicht (vollständig) ausgezahlten Darlehen besteht grundsätzlich weiterhin die Pflicht der Bank zur Auszahlung; auch Zins- und Tilgungsleistungen sind von ihr vertragsgemäß entgegen zu nehmen.

5.670

Allerdings gibt die Antragstellung des Schuldners2 der Bank die Möglichkeit, zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Kreditverträge außerordentlich aus wichtigem Grund nach § 490 BGB bzw. nach Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften (= Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen) bzw. nach üblicherweise gleichlautenden vertraglichen Sonderbestimmungen, u. z. wegen wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse fristlos zu kündigen3. Die Vermögensverschlechterung, die (spätestens) durch die Stellung eines Insolvenzantrags durch den Schuldner zum Ausdruck kommt, ist ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung der Kreditverträge (§ 490 Abs. 1 BGB, Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen). Die Kündigung ist unabhängig davon zulässig, ob der Kredit schon voll, teilweise oder überhaupt nicht ausgezahlt war.Es gelten insoweit die weiter oben erörterten Grundsätze (vgl. dazu Rn. 5.341 ff.), soweit sich aus dem Nachstehenden nichts Abweichendes ergibt. Hervorgehoben sei an dieser Stelle nochmals, dass Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften oder gleichlautende Sonderbestimmungen – insolvenzunabhängig – lediglich den Wortlaut des § 490 Abs. 1 BGB wiedergeben und somit keine nach § 119 InsO unwirksame Lösungsklausel4 und daher auch keine unwirksame Kündigungserklärung vorliegt5. Dagegen wird z.B. in Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen auf die Zahlungseinstellung und damit auf einen insolvenzabhängigen Lösungstatbestand 1 Vgl. auch zum Nachstehenden Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 7 f. 2 Stellt ein Gläubiger einen Insolvenzantrag, wird die Bank genau prüfen müssen, ob ihr Kreditnehmer tatsächlich insolvent ist und damit ein Kündigungsgrund wie bei einer Antragstellung durch den Schuldner vorliegt oder ob der Gläubiger andere Interessen verfolgt, die (noch) keine Kündigung rechtfertigen können. 3 Dies gilt auch für Verbraucherdarlehensverträge. § 498 BGB sperrt diese Kündigungsmöglichkeit also nicht. 4 Vgl. dazu BGH v. 27.10.2022 – IX ZR 213/21, ZIP 2023, 45; BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, ZIP 2013, 274 = WM 2013, 274 f. (Rn. 10 ff.); s. auch BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 = WM 2016, 944 (945, Rn. 14 u. 947, Rn. 25). 5 Obermüller ZInsO 2013, 476 (478 f.); M. Huber ZIP 2013, 493 (497); Knof DB 2013, 1769 (1772); vgl. auch Becker ZInsO 2018, 1881 (1884 f.) sowie Rn. 5.345.

1070 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.671 Fünfter Teil

abgestellt1; da nach dem BGH eine insolvenzabhängige Lösungsklausel allerdings dann wirksam sein soll, „wenn die Vereinbarung einer gesetzlich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit entspricht“2, dürfte dieser Lösungstatbestand zumindest dann zu einer wirksamen Kündigung führen, wenn einschlägige Kreditverträge entweder nach §§ 115, 116 InsO mit Verfahrenseröffnung erlöschen oder zu diesem Zeitpunkt Fälligkeit gemäß § 41 InsO eintritt und somit der die Entscheidung des BGH tragende Grund – das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO darf durch eine insolvenzabhängige Lösungsklausel nicht ausgeschlossen werden3 – nicht relevant ist4. Während das Kündigungsrecht der Bank bei noch nicht ausgezahlten Krediten oder Kreditteilen jederzeit ausgeübt werden kann, steht es ihr für bereits ausgezahlte Kredite oder Kreditteile nach dem Wortlaut des Gesetzes zwar nur „in der Regel“ zu; damit ist es weicher gestaltet und erfordert eine Gesamtwürdigung der jeweiligen Kündigungssituation (s. auch Rn. 5.369). Danach soll ein wichtiger Kündigungsgrund nach der Valutierung nur dann anzunehmen sein, „wenn durch weiteres Belassen der Mittel beim Kreditnehmer die Rückgewähr so stark gefährdet wird, dass unter Preisgabe des Interesses des Schuldners am Behalten bis zum vereinbarten Fälligkeitstermin so schnell wie möglich gerettet werden muss, was zu retten ist“5. Diese Einschränkung ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass ein Kreditnehmer nicht ohne Not allein unter Berücksichtigung der Interessen des Gläubigers in eine Insolvenz getrieben werden darf. Wenn die Insolvenz aber schon eingetreten ist und sich durch die Stellung eines Insolvenzantrags durch den Schuldner manifestiert hat, greift dieser Schutzgedanke nicht mehr ein. Ebenso kommt es jetzt grundsätzlich nicht mehr darauf an, ob der Kredit blanko oder gegen Sicherheiten gewährt wurde. Sicherheiten können den Ausschluss des Kündigungsrechts nur solange rechtfertigen, wie die Aussicht besteht, dass der Kreditnehmer seine Krise ohne ein Insolvenzverfahren überwinden wird. Das ist aber nach einem Insolvenzantrag durch den Schuldner grundsätzlich nicht mehr zu erwarten6. Dies gilt auch für den Fall einer im Zeitpunkt der Antragstellung vollwertigen Besicherung: unabhängig davon, dass es sich dabei eher um einen Ausnahmefall handeln dürfte und sich im Übrigen in der Insolvenz die Rahmenbedingungen der Kreditgewährung entscheidend ändern, müsste diese Besicherung insolvenzfest sein und ferner ein manchmal lange Jahre dauerndes Insolvenzverfahren „vollwertig durchstehen“ können. Dies erscheint unrealistisch und ist insgesamt einer Bank nicht zumutbar.

1 Dazu Becker ZInsO 2018, 1881 (1885) (Rn. 29). 2 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, ZIP 2013, 274 = WM 2013, 274 (275, Rn. 13); s. auch BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 = WM 2016, 944 (947, Rn. 25). 3 BGH v. 27.10.2022 – IX ZR 213/21, ZIP 2023, 45 (49, Rn. 42 f.); BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/ 11, ZIP 2013, 274 = WM 2013, 274 (275, Rn. 13); ebenso BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 = WM 2016, 944 (945, Rn. 14). 4 Ebenso Obermüller ZInsO 2013, 476 (479); ähnlich M. Huber ZIP 2013, 493 (498); Knof DB 2013, 1769 (1772). 5 BegrRegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts BT-Drucks. 14/6040 v. 14.5.2001, S. 254. 6 Sonnenhol WM 2002, 1259 (1264 f.); s. auch BegrRegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts BT-Drucks. 14/6040 v. 14.5.2001, S. 254: Die außerordentliche Kündigung im Falle von Vermögensverschlechterungen soll den Darlehengeber gerade vor einem durch die Insolvenz des Darlehensnehmers eintretenden Vermögensverlust bewahren, d.h. spätestens mit der Antragstellung ist die Kündigung ohne Weiteres zulässig.

Huber | 1071

5.671

Fünfter Teil Rz. 5.672 | Kreditgeschäft

5.672

In der Praxis wird üblicherweise spätestens – soweit dies der Bank bekannt wird – zum Zeitpunkt der Antragstellung die Kündigung ausgesprochen1, um auch spätere Auszahlungsverlangen, z.B. eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder des Schuldners im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren zu verhindern2. Der gekündigte Vertrag endet mit Zugang der Kündigung und der Anspruch der Bank auf Kreditrückzahlung wird fällig, ferner kann die Bank bei Nichtrückführung künftig Verzugszinsen verlangen und gestellte Sicherheiten verwerten.

5.673

Mangels Auswirkung der Antragstellung auf die Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis wäre auch ein neuer Vertragsschluss mit dem Schuldner denkbar; dies kommt aber in diesem Stadium wegen erheblicher rechtlicher und wirtschaftlicher Probleme regelmäßig nicht mehr vor.

2. (Nur) Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters 5.674

Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne weitere Anordnungen kommt in der Praxis selten vor, z.B. wenn er (erst einmal) nur als Gutachter eingesetzt wird, um zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt bzw. eine für die Verfahrenseröffnung ausreichende Masse vorhanden ist (s. auch § 22 Abs. 1 Nr. 3 InsO). a) Bestehende Kredite

5.675

Die Bestellung eines solchen vorläufigen Insolvenzverwalters hat keine Auswirkungen auf bestehende Kreditverträge3. Ihre Rückzahlung richtet sich nach den oben (s. Rn. 5.669) für die Rückzahlung von Krediten nach einem Insolvenzantrag dargestellten Regeln. Eine Kündigung ist aus wichtigem Grund zulässig und sollte spätestens jetzt erklärt werden. Sollen die Voraussetzungen für die Verwertung von Sicherheiten herbeigeführt werden, ist dies auch notwendig. Die Kündigung ist gegenüber dem Kreditnehmer zu erklären. Eine Unterrichtung des vorläufigen Insolvenzverwalters bzw. des vorläufigen Sachwalters ist zweckmäßig, aber kein Wirksamkeitserfordernis. Deshalb ist eine Kündigung allein gegenüber dem vorläufigen Verwalter nicht ausreichend.

5.676

Die Einleitung der Sicherheitenverwertung beeinträchtigt naturgemäß die Möglichkeiten zur Fortführung des Unternehmens. Dies gilt vorallem beim Widerruf der Veräußerungsermächtigung bezüglich sicherungsübereigneter Gegenstände des Umlaufvermögens und der Einzugsermächtigung bei Zessionen. Wenn die Bank ein Abschmelzen ihrer Sicherheiten verhindern will, ist sie als Sicherungsnehmerin jedoch zum Widerruf gezwungen. Die Veräußerungen von sicherungsübereigneten Gegenständen und der Einzug von Forderungen können

1 Huber NZI 2014, 439 (441 f.); Huber ZInsO 2012, 1343 (1352); Wittig DB 1999, 197 (198). Bei dieser Kündigungskonstellation wäre aus Sicht des Insolvenzschuldners „sichergestellt“, dass ihm das sog. Schutzschirmverfahren nach § 270d InsO offen bleibt, das voraussetzt, dass der Insolvenzschuldner zum Zeitpunkt der Antragstellung „nur“ drohend zahlungsunfähig (oder überschuldet) ist; ggf. sollte, z.B. wenn die Antragstellung angekündigt ist, zur Vermeidung einer mit der Kündigung einhergehenden Zahlungsunfähigkeit darauf geachtet werden, dass die Kündigungserklärung erst nach Antragstellung zugeht. 2 Besteht ein fälliger Auszahlungsanspruch, der durch die Kündigung erlischt, kann ein Kreditinstitut nach Verfahrenseröffnung nicht durch eine Anfechtung zur Zahlung an die Insolvenzmasse gezwungen werden, vgl. BGH v. 15.3.2012 – IX ZA 107/11, ZIP 2012, 833 = WM 2012, 716 (717, Rn. 12). 3 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 9.

1072 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.681 Fünfter Teil

nämlich jetzt nicht mehr durch Zugänge zum Sicherungsgut ausgeglichen werden, wie dies im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebes üblich ist; der Erwerb neuen Sicherungseigentums und neuer Sicherungszessionen ist mit dem Anfechtungsrisiko belastet. b) Neue Kredite Ist der vorläufige Insolvenzverwalter lediglich mit Prüfungsaufgaben betraut, kommen neue Kredite an das Unternehmen grundsätzlich nicht in Betracht – wenn es auch rechtlich möglich wäre, da der Schuldner seine Verpflichtungsbefugnis unverändert hat. Denn ein solcher vorläufiger Verwalter kann in die Geschäftsführung des Schuldnerunternehmens nicht eingreifen, der Bank keine Zusicherungen über eine vollständige Rückzahlung erteilen, insbesondere ihr nicht die Stellung eines Massegläubigers im eröffneten Verfahren beschaffen.

5.677

3. Vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinem Verfügungsverbot Wenn einerseits zum Schutz des Schuldnervermögens der Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots notwendig ist, andererseits aber auch noch Verwaltungsmaßnahmen und Verfügungsgeschäfte zulässig sein sollen oder getroffen werden müssen, um die Insolvenzmasse für die Eröffnung aufzubereiten, das Verfahren mithin überhaupt erst eröffnungsfähig zu machen, kommt die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters mit Verfügungsverbot in Betracht. Wird ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, so gehört zu den Aufgaben des vorläufigen Verwalters auch die Fortführung des Geschäfts (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO)1. Auf das Kreditgeschäft hat dies folgende Auswirkungen:

5.678

a) Bestehende Kredite Bestehende Kreditverträge werden durch die Anordnung eines Verfügungsverbots – auch unabhängig von der Einsetzung eines vorläufigen Verwalters – nicht beendet2. Denn das Verfügungsverbot wirkt sich auf den Bestand von Verträgen nicht unmittelbar aus, sondern unterbindet nur die Erfüllungshandlungen. Eine bis dahin noch nicht voll ausgenutzte Kreditlinie kann der Schuldner jetzt nicht mehr in Anspruch nehmen. Denn die Einziehung von Forderungen ist ihm durch das Verfügungsverbot verwehrt3. Auch Rückzahlungen, die der Kunde etwa entgegen diesem Verbot leistet, sind unwirksam (§ 81 InsO) (s. dazu Rn. 5.682).

5.679

Die Bank wird deshalb spätestens jetzt überlegen müssen, ob sie Kredite fällig stellen und ob sie Aufrechnungsmöglichkeiten schaffen kann4. Für die Kündigung gilt das Gleiche wie bei der Antragstellung (s. Rn. 5.670 f.). Die Kündigung ist gegenüber dem vorläufigen Verwalter zu erklären, eine Unterrichtung des Kreditnehmers bzw. seiner Organe ist entbehrlich. Rückzahlungen von Krediten kommen nach Einsetzung eines vorläufigen Verwalters naturgemäß nicht in Betracht.

5.680

Wenn eine Bank ihre Kreditforderung zur Aufrechnung verwenden will – etwa weil sie ausnahmsweise kein AGB-Pfandrecht (Nr. 14 AGB Banken bzw. Kreditgenossenschaften, Nr. 21 AGB Sparkassen) vereinbart hat –, muss sie zunächst die Fälligkeit ihrer eigenen Forderung herbeiführen; die Fiktion der Fälligkeit in § 41 InsO kann nämlich nicht zum Zweck der Auf-

5.681

1 2 3 4

Ausführlich dazu z.B. Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 28 ff. Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 10; Wittig DB 1999, 197 (198). Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 20 und § 24 Rn. 3. Zur Insolvenzanfechtung einer Kündigung durch die Bank vgl. Rn. 5.563.

Huber | 1073

Fünfter Teil Rz. 5.681 | Kreditgeschäft

rechnung geltend gemacht werden (§ 95 Abs. 1 Satz 2 InsO), so dass die Bank gegen eine schon fällige Forderung ihres Kunden mit einer Forderung aus einem Kredit, den sie erst nach Verfahrenseröffnung kündigt, nicht aufrechnen kann (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO). Schließlich kann der Kreditgeber selbst dann an der Aufrechnung gehindert sein, wenn er seinen Kredit durch Kündigung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gestellt hat. Denn § 96 InsO erklärt die Aufrechnung in § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO insbesondere für unzulässig, wenn der Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Insoweit wird es einer Bank kaum gelingen, einerseits für die Begründung einer außerordentlichen Kündigung die schlechte Vermögenslage des Kunden darzulegen, andererseits die Kenntnis von Umständen zu bestreiten, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Kunden bzw. dessen Insolvenzantrag schließen lassen und damit die Voraussetzung für die Anfechtung nach § 130 InsO schaffen.

5.682

Das Verfügungsverbot unterbindet aber Erfüllungshandlungen seitens des Schuldners. Denn Zahlungen, die der Kreditnehmer entgegen dem Verfügungsverbot leistet, sind gemäß § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 InsO unwirksam1. Wurden entgegen dem allgemeinen Verfügungsverbot Tilgungsleistungen durch den insolventen Kunden erbracht, kann im Fall der Verfahrenseröffnung der Insolvenzverwalter von der Bank die Herausgabe der Gelder verlangen, muss ihr jedoch gemäß § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 3 InsO eine von ihr etwa erbrachte Gegenleistung erstatten, soweit die Masse durch sie bereichert ist. Dies kann für das Kreditgeschäft insbesondere relevant werden, falls der Kreditgeber Zug um Zug gegen den Zahlungseingang Sicherheiten, die aus dem Vermögen des Kreditnehmers bestellt waren, freigegeben hat. Diese wären zugunsten des Kreditgebers wiederherzustellen. Zweckmäßiger ist es jedoch bei Sicherheiten, deren Bestellung mit Aufwand und Kosten verbunden ist, wenn der Verwalter sich mit dem Kreditgeber dahingehend einigt, dass er den Sicherungsgegenstand verwertet und nur eine etwaige Differenz (nach Abzug der Kostenbeiträge gemäß §§ 170, 171 InsO) auszugleichen ist. b) Neue Kredite

5.683

Zwar wird der Kunde durch das Verfügungsverbot nicht gehindert, neue Verpflichtungen einzugehen, also neue Verträge zu schließen2; Sicherheiten könnte er allerdings wegen der fehlenden Verfügungsbefugnis nicht mehr bestellen. Das Verfügungsverbot hat nämlich die Unwirksamkeit aller nach seinem Erlass vorgenommenen rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Schuldners über Vermögensgegenstände zur Folge, die zur Masse gehören würden (§ 24 Abs. 1, §§ 81, 82 InsO). Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben3. Verstößt der Schuldner gegen eine Verfügungsbeschränkung, so ist diese Verfügung absolut unwirksam (§ 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO)4. Daraus folgt, dass nach Anordnung eines Verfügungsverbots die Vergabe neuer Kredite an den Schuldner aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen grundsätzlich nicht in Betracht kommen kann.

1 AG Hamburg v. 5.11.2004 – 67c IN 360/04, ZInsO 2005, 158 (159); Huber in LBS, BankrechtsKommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 10. 2 Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 24 Rn. 9. 3 BGH v. 4.7.2018 – IV ZR 297/16, ZIP 2018, 1506 = WM 2018, 1417 (1418, Rn. 19); BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 1/09, ZIP 2010, 138 = WM 2010, 222 (224, Rn. 26), jeweils m.w.N.; Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 24 Rn. 3. 4 Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 24 Rn. 1; Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 10.

1074 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.688 Fünfter Teil

Demgegenüber gibt es nun einen verfügungsberechtigten vorläufigen („starken“) Insolvenzverwalter, der für die ihm obliegende einstweilige Aufrechterhaltung des Betriebs auf neue Gelder angewiesen sein kann. Diese wird er nur erhalten, wenn er der Bank gewährleisten kann, dass sie wenigstens diese Kredite in vollem Umfang zurückgezahlt erhält. Wenn die Bank zur Einräumung neuer Kredite noch bereit ist, muss sie überlegen, ob ihr ein Vorrang im nachfolgenden Insolvenzverfahren genügt oder ob sie zusätzlich Sicherheiten benötigt. In Bezug auf einen Vorrang regelt § 55 Abs. 2 InsO ausdrücklich, dass Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen starken Insolvenzverwalter begründet worden sind, nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten, deren Begründung, Besicherung oder Tilgung nicht mit einer Anfechtung rückgängig gemacht werden kann1.

5.684

Zusätzlich kann (und sollte) eine Bank starkes Interesse an einer Besicherung des Neukredits haben. Denn im Fall der Einstellung des eröffneten Insolvenzverfahrens mangels Masse erhalten die Forderungen aus ihrem Neukredit unter den Masseverbindlichkeiten nur den 3. Rang (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Der Insolvenzverwalter darf in diesem Fall den Rückzahlungsanspruch der Bank nicht in vollem Umfang befriedigen, sondern muss – auch unter Inkaufnahme einer eigenen persönlichen Haftung aus §§ 60, 61 InsO – diese Befriedigungsreihenfolge einhalten2. Wird die Eröffnung mangels Masse abgelehnt, so kommt es gar nicht zu einer Verteilung nach der Rangordnung, wie sie für das eröffnete Verfahren vorgesehen ist. Zur Stellung von Sicherheiten ist der vorläufige starke Insolvenzverwalter anders als der Schuldner nach Anordnung eines Verfügungsverbots befugt3. Die Besicherung stellt unter den Voraussetzungen des § 142 InsO grundsätzlich ein unanfechtbares Bargeschäft dar4.

5.685

Erfahrungsgemäß sind zum Zeitpunkt einer Kreditanfrage des vorläufigen starken Insolvenzverwalters nur noch in Ausnahmefällen freie Sicherheiten vorhanden. Eine – besicherte – Kreditgewährung kann dann nur noch nach den in Rn. 5.695 ff. erörterten Grundsätzen in Betracht kommen.

5.686

4. Vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt In der Praxis wird üblicherweise nicht ein vorläufiger starker Insolvenzverwalter nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO eingesetzt, der Kreditverbindlichkeiten begründen kann, die nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten, sondern nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO ein sog. „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter oder auch „Zustimmungsverwalter“, d.h. Verfügungen des Schuldners sind nur mit seiner Zustimmung wirksam. Die Verfügungsbefugnis geht also gerade nicht vom Insolvenzschuldner auf den vorläufigen Insolvenzverwalter (dessen Befugnisse deshalb „schwach“ sind) über. Ordnet das Insolvenzgericht an, dass Verfügungen des Insolvenzschuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO), wirkt sich dies auf das Kreditgeschäft wie folgt aus:

5.687

a) Bestehende Kredite Auf bestehende Kredite hat die Einsetzung eines solchen vorläufigen Verwalters keinen Einfluss. Ihre Rückzahlung ist an die Zustimmung des vorläufigen Verwalters gebunden, die die1 2 3 4

BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, ZIP 2014, 584 = WM 2014, 572 (573, Rn. 11). Reis in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 209 Rn. 27; Strotmann/Tetzlaff ZInsO 2011, 559. Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 160. BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = NJW 2002, 3326 (3330).

Huber | 1075

5.688

Fünfter Teil Rz. 5.688 | Kreditgeschäft

ser nicht erteilen wird. Führt ein Insolvenzschuldner einen Kredit dennoch zurück, ist die Rückzahlung absolut unwirksam; § 24 Abs. 1 InsO nimmt beide Verfügungsbeschränkungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO in Bezug und bestimmt damit über § 81 InsO die Unwirksamkeit einer Verfügung des Insolvenzschuldners ohne Beachtung der ihm auferlegten Verfügungsbeschränkung1. b) Neue Kredite

5.689

Ein neuer Kredit kann nach Einsetzung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters weiterhin nur mit dem Insolvenzschuldner (wegen der ihm gebliebenen Verpflichtungsbefugnis theoretisch sogar durch ihn allein) vereinbart werden, ohne dass eine immer einzuholende Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters etwas an der Einordnung der Kreditforderungen des Kreditinstituts nach Valutierung des Kredits ändern würde: es bleiben in einem eröffneten Insolvenzverfahren „normale“ Insolvenzforderungen nach § 38 InsO2. Allerdings kann das Insolvenzgericht einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter durch eine spezifizierte Anordnung nach § 22 Abs. 2 InsO ermächtigen, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse – und damit auch Kreditverbindlichkeiten – zu begründen; diese Verbindlichkeiten gelten im eröffneten Verfahren als Masseverbindlichkeiten (s. dazu im Einzelnen Rn. 5.698 ff.). Wie bereits ausgeführt hat ein insolventer Schuldner regelmäßig kaum noch freies Vermögen zur Besicherung neu aufzunehmender Kredite; deshalb sind in der Praxis andere Finanzierungsmaßnahmen für einen im vorläufigen Verfahren entstehenden Finanzierungsbedarf entwickelt worden, die gewährleisten sollen, dass ein in dieser Situation eingeräumter Kredit auch wieder voll zurückgezahlt wird. In Betracht kommen folgende Finanzierungsoptionen3: aa) Rückzahlungszusage des vorläufigen Verwalters

5.690

Denkbar ist die Einräumung eines Kredits an den Schuldner zur Finanzierung des Eröffnungsverfahrens gegen die verpflichtende Zusage des vorläufigen Verwalters, für die rechtzeitige Rückzahlung, d.h. eine Rückzahlung noch vor der Eröffnung des Verfahrens Sorge zu tragen. Dies werden ein Kreditinstitut und auch der vorläufige Insolvenzverwalter allerdings nur in Ausnahmefällen vereinbaren, da zum einen das Kreditinstitut sicher sein muss, dass die vom vorläufigen Insolvenzverwalter eingegangene Verpflichtung eingehalten werden kann und zum anderen der vorläufige Insolvenzverwalter, gerade wenn er explizit eine eigene Verpflichtung übernimmt, sich der Gefahr einer persönlichen Haftung aussetzt4. Der vorläufige Insolvenzverwalter haftet zwar nur dann persönlich, wenn er eigene Pflichten ausdrücklich übernommen oder einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, an dem er sich festhalten lassen muss5. In Ausnahmefällen sind vorläufige Insolvenzverwalter, die aufgrund des Zustimmungsvorbehalts genügend Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des Schuldnerunternehmens haben, dazu aber bereit und übernehmen die persönliche Bürgschaft für die Rück1 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 11. 2 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 159. 3 Vgl. dazu auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 161 ff.; Huber NZI 2014, 439 (442 f.). 4 Dazu BGH v. 26.4.2018 – IX ZR 238/17, WM 2018, 962 (967, Rn. 38); BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 114/01, WM 2005, 1421 (1422); OLG Rostock v. 4.10.2004 – 3 U 158/03, ZIP 2005, 220 (222); OLG Celle v. 21.10.2003 – 16 U 95/03, NZI 2004, 89 (90); Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 237; Rein in Nerlich/Römermann, InsO, § 60 Rn. 111. 5 LG Trier v. 23.3.2009 – 6 O 204/08, ZInsO 2009, 1208 (1210 f.).

1076 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.692 Fünfter Teil

zahlung1; damit laufen sie allerdings Gefahr, dass ihnen die für die Ausübung ihres Amtes notwendige Unabhängigkeit abgesprochen wird, weil sich ihr Interesse naturgemäß darauf richten wird, jedenfalls diese Forderung aus der Masse zu erfüllen2. Im Übrigen führt auch die Verpflichtung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zur „Umqualifizierung“ der Kreditverbindlichkeit in eine Masseverbindlichkeit3. bb) Treuhandkontenmodell Eine weitere Finanzierungsoption ist das sog. Treuhandkontenmodell4. Dadurch soll dem vorläufigen Insolvenzverwalter durch die Eröffnung eines Treuhandkontos, auf das (An-)Zahlungen von Kunden des insolventen Schuldners fließen sollen, die Möglichkeit eröffnet werden, Lieferantenansprüche, die zwecks Betriebsfortführung begründet werden müssen, insbesondere bei Masseunzulänglichkeit im eröffneten Verfahren begleichen zu können5. Das Finanzierungsmodell einer doppel- oder mehrseitigen Treuhand6 wird auch unter der Geltung der InsO als zulässig angesehen, wenn auch noch der endgültige Segen des BGH aussteht7. Aus einer konkreten Deckungszusage haftet der vorläufige Verwalter grundsätzlich auch persönlich8. Das Treuhandkontenmodell ist ebenso wie das Anderkontenmodell9 zur Sicherung von Lieferanten entwickelt worden10. Die „Einbindung“ eines Kreditinstitutes in ein Treuhandkontenmodell dürfte (ausnahmsweise) nur in Betracht kommen, wenn das Kreditinstitut rechtlich unproblematisch abgesichert werden kann11.

5.691

cc) Bestellung neuer, ggf. anfechtbarer Sicherheiten Die bereits erwähnte Konstellation, dass ein Kreditinstitut bei ausreichend vorhandenen freien Sicherheiten und Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters auf eine Aufstufung des neuen Kredits zu Masseforderungen verzichten könnte, scheitert in der Praxis in aller Regel an geeigneten Sicherheiten. In der Literatur ist zwar insoweit ergänzend vorgeschlagen worden12, dass einem Kreditinstitut Sicherungsgut von Dritten, das diesen anfecht1 Zur Auslegung eines Hinweises des vorläufigen Insolvenzverwalters auf seine Haftpflichtversicherung als Garantie s. BAG v. 25.6.2009 – 6 AZR 210/08, ZIP 2009, 1772 = ZInsO 2009, 1648 (1649 f., Rn. 14 ff.). 2 Hill ZInsO 2005, 1289 (1291 ff.). 3 AG Hamburg v. 16.12.2002 – 67g IN 419/02, ZIP 2003, 43 (45). 4 S. auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 163. 5 Vgl. zu diesem Modell z.B. Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 242 ff.; Stapper/Schädlich ZInsO 2011, 249 (254 ff.); Windel ZIP 2009, 101; Mönning/Hage ZInsO 2005, 1185; Werres ZInsO 2005, 1233; Frind ZInsO 2005, 1296, jeweils m.w.N; s. auch AG Hamburg v. 20.2.2006 – 67g IN 513/05, ZInsO 2006, 218 f. 6 BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, ZIP 1997, 1551 = NJW 1997, 3028 (3029). 7 Uneingeschränkt bejahend z.B. Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 244; Stapper/Schädlich ZInsO 2011, 249 (254 ff.); Mönning/Hage ZInsO 2005, 1185 (1188 ff.); Werres ZInsO 2005, 1233 (1241 ff.); eine insolvenzgerichtliche Zustimmung verlangen Haarmeyer/Schildt in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 22 Rn. 71. 8 OLG Brandenburg v. 16.9.1999 – 8 U 16/99, ZIP 1999, 1979 (1980). 9 Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 243; ausführlich Ganter NZI 2012, 433 ff. oder Stapper/Schädlich ZInsO 2011, 249 ff. 10 Huber NZI 2014, 439 (443); weiteres zu Fortführungsvereinbarungen s. Paulus ZInsO 2015, 2160 ff. 11 S. dazu Werres ZInsO 2005, 1233 (1242). 12 Schönfelder WM 2007, 1489 (1491).

Huber | 1077

5.692

Fünfter Teil Rz. 5.692 | Kreditgeschäft

bar übertragen worden ist, als Sicherheit für eine Finanzierung angeboten werden könnte. Dieser Vorschlag ist schon deshalb nicht zu empfehlen, weil weder klar ist, ob es später zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, noch vorausgesagt werden kann, ob die Anfechtung des Sicherungsguts auch durchgesetzt werden kann1. Auch die Möglichkeit, dass der Verwalter seine Ansprüche auf die Kostenbeiträge nach §§ 170, 171 InsO als Sicherheit anbieten könnte, ist für einen Finanzierer mit zu vielen Unsicherheiten behaftet.

5.693

Käme es ausnahmsweise einmal zur Bestellung neuer Sicherheiten, dürfte die spätere Anfechtung dieser Sicherheitenbestellung ausgeschlossen sein. Zwar ist der Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht gehindert, Rechtshandlungen nach den Vorschriften der §§ 130, 131 InsO anzufechten, an denen er selbst als vorläufiger Insolvenzverwalter ohne allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beteiligt war2. Stimmt jedoch der vorläufige Insolvenzverwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO ausgestattet ist, Verträgen des Schuldners vorbehaltlos zu, die dieser mit dem Vertragspartner nach Anordnung von Sicherungsmaßnahmen schließt und in denen im Zusammenhang mit noch zu erbringenden Leistungen des Vertragspartners Erfüllungszusagen für Altverbindlichkeiten gegeben werden, begründet dies grundsätzlich einen Vertrauenstatbestand, den er später bei der Vornahme der Erfüllungshandlung durch den Schuldner nicht mehr zerstören kann3. Dies gilt bei einem Verwalterwechsel auch für den neuen Insolvenzverwalter.

5.694

Eine ähnliche Situation tritt auch bei der Zuführung neuer Sicherungsgegenstände und Zessionen in Höhe der Abgänge ein: Für die neuen Sicherheiten erhält die Masse eine Gegenleistung in Form der freigegebenen Altsicherheiten; es handelt sich um eine Form des Sicherheitentauschs. Dem Gläubiger, der im Vertrauen auf die Zusage des vorläufigen Verwalters Sicherheiten aufgibt und durch die Bestellung neuer Sicherheiten seine Position nicht verbessert, darf der Schutz nicht verweigert werden. Angesichts der teilweise heftigen Kritik, die in der Literatur4 an diesen Entscheidungen geübt wurde, und des Umstands, dass die Rechtsprechung diese Fallgestaltung noch nicht entschieden hat, sollte die Bank jedoch, wenn möglich, einen anderen Weg wählen: dd) Vereinbarung zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs

5.695

Unter der Prämisse, dass ein Kreditinstitut einem insolventen Unternehmen mit – durch Umlaufvermögen besicherten5 – Krediten zur Verfügung gestanden hat und die Kredite gekündigt sowie bezüglich der Sicherheiten bestehende Veräußerungsermächtigungen6 bzw. Einzie1 Huber NZI 2014, 439 (442). 2 BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, ZIP 2014, 584 = WM 2014, 572 (573, Rn. 11); BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 177/07, WM 2010, 2167 (2168, Rn. 10); OLG München v. 2.7.2013 – 5 U 5067/12, ZInsO 2013, 1527 (1529). 3 BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, WM 2014, 572 (575, Rn. 12); BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 161/ 11, WM 2016, 510 (512, Rn. 16 ff.); BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, WM 2006, 537 (538); LG Köln v. 25.1.2022 – 16 O 54/21, ZIP 2022, 1011 (1013 f.). 4 S. z.B. Spliedt ZInsO 2007, 405 ff.; zur Insolvenzzweckwidrigkeit eines Anfechtungsverzichts des vorläufigen Verwalters s. Bork ZIP 2006, 589 (590 ff.). 5 Also insbesondere Sicherungsübereignung (vgl. dazu z.B. Ganter in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 74; Cartano in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/300 ff.) und Sicherungsabtretung (vgl. dazu z.B. Ganter in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 75; Huber in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/550 ff.). 6 Dazu z.B. Ganter in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 74 Rn. 85 ff.; Cartano in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/333 ff.

1078 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.697 Fünfter Teil

hungsbefugnisse1 widerrufen hat, können das Kreditinstitut und der vorläufige Insolvenzverwalter sowie das insolvente Unternehmen zwecks Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes vereinbaren, dass das Kreditinstitut dem Unternehmen die Veräußerungsermächtigungen bzw. Einziehungsbefugnisse wieder einräumt und das Unternehmen mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die anschließend veräußerten Gegenstände bzw. eingezogenen Forderungen neue Sicherungsgegenstände bzw. Zessionen an das Kreditinstitut überträgt oder die Erlöse zur Rückführung der Kredite verwendet2. Trotz dieser Vereinbarung erhalten die Kreditforderungen nicht den Charakter von Masseforderungen; vielmehr bleiben sie auch im eröffneten Insolvenzverfahren „normale“ Insolvenzforderungen, so dass nicht durch Sicherheitenerlöse abgedeckte Forderungen zur Tabelle anzumelden sind. Im Übrigen muss sich die Bank bewusst sein, dass diese Finanzierungsoption einen Verkauf ihrer Forderungen erschwert, wenn die Bank den Kreditnehmer über die ihr als Sicherheit dienenden Umlaufmittel verfügen lässt und dafür im Gegenzug „neue“ Forderungen abgetreten und „neue“ Waren als Sicherheit übereignet bekommt. Ein Verkauf der Forderungen unter Einbeziehung der Sicherheiten ist nämlich nur bei einem Eintritt des Investors in den Massedarlehensvertrag möglich, was wiederum der Zustimmung des vorläufigen Verwalters bedarf. Zudem ist hier die Haftung der Bank für jegliche Verschlechterungen der Sicherheitenposition für das Darlehen durch den Abschluss des Massedarlehensvertrages im Rahmen des Forderungskaufvertrages auszuschließen. Als weitere Alternative kommt eine Unterbeteiligung des Investors in Betracht. Allerdings ist auch hier Zurückhaltung geboten, da im Unterbeteiligungsverhältnis üblicherweise Abstimmungserfordernisse zwischen Haupt- und Unterbeteiligten bestehen, die mit Blick auf die bei der Abwicklung eines Massedarlehens oft praktisch orientierten Entscheidungen allenfalls bei ausreichender Marktnähe des Investors gelingen werden. Eine denkbare Gestaltung ist die Freigabe der Sicherheiten und ein Verkauf der unbesicherten Forderungen, was aber in vielen Fällen für den Investor nicht attraktiv sein dürfte.

5.696

Für eine Vereinbarung zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs mit dem Unternehmen und seinem vorläufigen Insolvenzverwalter kommt folgender Text in Betracht:

5.697

M 25 Vereinbarung zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs Vereinbarung zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zwischen der Firma ... – nachstehend „Kreditnehmer“ genannt – und ... – nachstehend „vorläufiger Insolvenzverwalter“ genannt – einerseits und

1 Dazu z.B. Ganter in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 75 Rn. 73 ff.; Huber in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/595 ff., insbes. Rn. 4/595o ff. 2 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 161; Huber NZI 2014, 439 (442).

Huber | 1079

Fünfter Teil Rz. 5.697 | Kreditgeschäft 1. ... (A-Bank) – nachstehend auch „Poolführerin“ genannt – 2. ... (B-Bank) 3. ... (C-Bank) – nachstehend insgesamt „Banken“, jede von ihnen „Bank“ genannt – In dem Insolvenzantragsverfahren über das Vermögens des Kreditnehmers hat das Amtsgericht ... Herrn Rechtsanwalt ... als vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt und angeordnet, dass Verfügungen des Kreditnehmers nur mit seiner Zustimmung zulässig sein sollen. Der Kreditnehmer will im Einvernehmen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb fortführen. Zwischen dem Kreditnehmer, dem vorläufigen Insolvenzverwalter und den Banken wird Folgendes vereinbart: § 1 Kredite und Sicherheiten (1) Die Banken haben dem Kreditnehmer bei Abschluss dieses Vertrages jeweils die in Anlage 1 aufgeführten Bar-, Diskont- und Avalkreditlinien eingeräumt. (2) Der Kreditnehmer hat den Banken die in Anlage 2 aufgeführten Sicherheiten gestellt. (3) Die Banken haben die Kredite nach Nr. 19 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen gekündigt sowie die in den Sicherungsübereignungsverträgen enthaltenen Verkaufsermächtigungen und die in den Sicherungsabtretungsverträgen enthaltenen Einziehungsbefugnisse widerrufen. § 2 Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes (1) Die Banken nehmen zur Kenntnis, dass der Geschäftsbetrieb fortgeführt wird. (2) Der Kreditnehmer und der vorläufige Insolvenzverwalter verpflichten sich, die Banken unverzüglich zu unterrichten, wenn das Unternehmen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stillgelegt werden soll. § 3 Veräußerungsermächtigungen und Einziehungsbefugnisse (1) Die Ermächtigung, zur Sicherung übereignete Gegenstände zu veräußern, und die Befugnis, zur Sicherung abgetretene Forderungen einzuziehen, werden dem Kreditnehmer wieder eingeräumt. (2) Der Kreditnehmer verpflichtet sich, den Erlös aus dem Verkauf von Sicherungsgütern und dem Einzug von Forderungen entweder zur Rückführung der gesicherten Kredite zu verwenden oder gleichwertige Gegenstände bzw. Forderungen dem Sicherungsgut zuzuführen; die vorhandenen Sicherungsverträge bleiben bestehen. § 4 Inventar Der Kreditnehmer und der vorläufige Insolvenzverwalter verpflichten sich, den Bestand des Sicherungsguts (Sicherungsübereignungen und Sicherungsabtretungen) zum Tag der Anordnung der vorläufigen Maßnahmen zu ermitteln und den Banken jeweils eine Aufstellung der Inventare und Zessionslisten zur Verfügung zu stellen.

1080 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.698 Fünfter Teil

§ 5 Zustimmung und Überwachung (1) Der vorläufige Insolvenzverwalter bestätigt, dass er zur Bestellung dieser Sicherheiten aus dem Schuldnervermögen besonders ermächtigt ist. Er erteilt hiermit schon jetzt seine Zustimmung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu dem nach § 3 Abs. 2 dieses Vertrages vorgesehenen Übergang des Eigentums und der Forderungen auf die Banken. (2) Der vorläufige Insolvenzverwalter verpflichtet sich gegenüber den Banken, die ordnungsgemäße Verwendung der Erlöse aus dem Verkauf des Sicherungsguts und dem Einzug der Forderungen durch den Kreditnehmer gemäß § 3 dieses Vertrages zu überwachen. (3) Für seine Tätigkeit erhält er für die Masse einen Anteil aus dem Sicherheitenerlös von ... %. § 6 Befristung und Kündigung (1) Dieser Vertrag gilt zunächst bis zum Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine etwaige Verlängerung bis zum Tag des Berichtstermins bedarf einer Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und den Banken. (2) Das Recht der Banken zur Kündigung aus wichtigem Grund (Nr. 19 AGB) bleibt unberührt. ...

...

Ort, Datum

(Unterschriften)

ee) Kreditierung von Sicherheitenerlösen als relevante Praxislösung: der sog. „unechte“ Massekredit und der sog. halbstarke vorläufige Insolvenzverwalter Die vorgestellten Finanzierungsoptionen haben sich in der Praxis nicht durchgesetzt, denn sie sind jeweils mit zu großen Unsicherheiten bzw. Risiken versehen und führen ferner nicht zur Begründung einer Masseverbindlichkeit. Ein Kreditinstitut wird immer bemüht sein, sich in „klassischen“ Bahnen zu bewegen und demzufolge dem vorläufigen Insolvenzverwalter lediglich Kredit (gegen Sicherheiten) zur Verfügung zu stellen, ohne z.B. zusätzliche (treuhand)vertragliche Bindungen einzugehen1. Regelmäßig hat ein Insolvenzschuldner (auch) im Insolvenzeröffnungsverfahren keine freien Sicherheiten mehr, so dass der klassische Weg der Kreditvergabe gegen Sicherheiten im Wege des „echten“ Massekredits versperrt ist2. Da es regelmäßig um ein Unternehmen geht, das sein Umlaufvermögen als Kreditsicherheit sicherungsübereignet bzw. sicherungshalber abgetreten hat, hat sich als in der Praxis unter Einbindung von Kreditinstituten gebräuchliche Maßnahme zur Finanzierung des Eröffnungsverfahrens die Kreditierung von Sicherheitenerlösen im Wege des sog unechten Massekredites herausgebildet3. Anders als beim soeben dargestellten Austausch revolvierender Sicherheiten im Wege einer Aufrechterhaltungsvereinbarung stützt sich die Bank nicht allein auf die Sicherhei1 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 164; s. auch Laroche NZI 2010, 965 (968). 2 Der „echte“ Massekredit wird auch „Massebarkredit“ genannt, vgl. Huber NZI 2014, 439 (443). 3 Vgl. dazu Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 164 ff.; Huber NZI 2014, 439 (443 ff.); Trowski WM 2014, 1257. Der Begriff hat sich in der Praxis für diese Konstellation durchgesetzt, so dass er insoweit nicht missverständlich ist, a.A. AG Köln v. 12.10.2018 – 74 IN 196/18, ZIP 2018, 2234 = ZInsO 2019, 160 (LS 3).

Huber | 1081

5.698

Fünfter Teil Rz. 5.698 | Kreditgeschäft

ten und ihr Vertrauen in die ordnungsgemäße Arbeitsweise des vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern sie gewährt neuen Kredit im Wege eines Vereinbarungsdarlehens1, indem sie dem vorläufigen Insolvenzverwalter zur vorläufigen Betriebsfortführung Umlaufsicherheiten dergestalt zur Verfügung stellt, dass er die Umlaufsicherheiten umschlagen kann, er also die aus den Sicherheiten erzielten Veräußerungs- bzw. Einziehungserlöse zur (Mit-)Finanzierung der vorübergehenden Betriebsfortführung einsetzen kann, wenn er sicherstellt, dass das neu entstehende Umlaufvermögen in gleichem Umfang den Umlaufsicherheiten wieder zugeführt wird2. Reichen die neu zu schaffenden Vermögenswerte allerdings ersichtlich nicht aus, die eingesetzten Umlaufsicherheiten zu „ersetzen“, wird ein Kreditinstitut kaum zur Kreditierung „seiner“ Umlaufsicherheiten bereit sein. Die Bank kann die Umlaufsicherheiten für einen unechten Massekredit „zur Verfügung stellen“, denn banküblich ist der bisher bestehende Kreditvertrag spätestens mit (Kenntniserlangung) der Insolvenzantragstellung bzw. der gerichtlichen Anordnungen gekündigt und es sind die Einziehungs-, Verarbeitungs- und Veräußerungsbefugnis bereits widerrufen worden, so dass die Umlaufsicherheiten – untechnisch formuliert – nunmehr bei der Bank „liegen“. Damit ist die „Basis“ für die Kreditgewährung gegeben. Hatte das Insolvenzgericht zur Überbrückung des Widerrufs bereits einen Einziehungs- und Verwertungsstopp nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO angeordnet, kann diese Anordnung den Abschluss eines unechten Massekreditvertrags nicht ersetzen3. Der Einziehungs- und Verwertungsstopp führt letztlich nur zu einem Verbot gegenüber dem Gläubiger, nicht aber dazu, dass der Insolvenzschuldner nun – wie es der unechte Massekreditvertrag mit sich bringen soll – mit den Umlaufsicherheiten seinen Betrieb fortführen kann.

5.699

Wesentliches „Element“ des unechten Massekredits ist ein Beschluss des Insolvenzgerichts, das den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zur Aufnahme des Kredites und zur Bestellung von Sicherheiten aus dem Schuldnervermögen besonders ermächtigt und den Verbindlichkeiten aus diesem Kredit damit den Charakter von Masseverbindlichkeiten verschafft4. Durch diesen insolvenzgerichtlichen Beschluss wird der schwache vorläufige Insolvenzverwalter zum sog. „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter, da er durch die Anordnung des Insolvenzgerichts für den unechten Massekredit wie ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter behandelt und damit insoweit „erstarkt“ wird.

5.700

Das Insolvenzgericht kann einen (schwachen) vorläufigen Insolvenzverwalterer nur durch eine spezifizierte Anordnung nach § 22 Abs. 2 InsO ermächtigen, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse – und damit auch Kreditverbindlichkeiten – zu begründen. Die Verbindlichkeiten gelten im eröffneten Verfahren als Masseverbindlichkeiten5; ihre Begründung, Besicherung oder Tilgung kann nicht mit einer Anfechtung rückgängig gemacht werden6. Außerdem trifft den Verwalter die persönliche Haf-

1 2 3 4

Dazu Huber NZI 2014, 439 (443). Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 164. Trowski WM 2014, 1257 (1258). Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 160; Huber NZI 2014, 439 (440 f.). 5 BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 167/16, ZIP 2018, 2488 = WM 2018, 2373 (2375, Rn. 15); BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 258/12, ZIP 2015, 434 = WM 2015, 385 (387, Rn. 18); BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = NJW 2002, 3326 (3329). Vgl. auch Haarmeyer/Schildt in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 22 Rn. 70; Strotmann/Tetzlaff ZInsO 2011, 559; eher kritisch Stapper/Schädlich ZInsO 2011, 249 (253 f.). 6 BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, ZIP 2014, 584 = WM 2014, 572 (573, Rn. 11).

1082 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.702 Fünfter Teil

tung bei Verletzung seiner Pflichten aus diesem Vertrag1. Das Insolvenzgericht kann ihm ferner erlauben, neue Sicherheiten zum Austausch gegen alte zu bestellen, und die Zuführung neuer Sicherungsgegenstände und Zessionen damit der Anfechtung wegen kongruenter Deckungen entziehen. Eine pauschale Ermächtigung, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln, reicht dazu nicht2. Notwendig ist die ausdrückliche Ermächtigung durch das Gericht zur Aufnahme eines bestimmten Kredits, wenn sie mit einer Übertragung der entsprechenden Verfügungsmacht auf den vorläufigen Verwalter verbunden wird3. Der gerichtliche Beschluss muss, um dem vom BGH aufgestellten Spezifikationserfordernis Genüge zu tun, zwar nicht die Konditionen (Zinsen, Provisionen) des Kredits festlegen, wohl aber die Höhe, die Kreditart (Bar-, Aval-, Diskontkredit usw.), die Besicherung und den Verwendungszweck. In der Praxis ist es nicht unüblich, dem Insolvenzgericht einen Entwurf des vorgesehenen Massekreditvertrags vor dessen Anordnung vorzulegen; die darin üblicherweise aufgeführten Konditionen werden dann implizit Bestandteil des Anordnungsbeschlusses. Die Konditionen müssen aus wirtschaftlichen Gründen mit dem Ziel der Finanzierung übereinstimmen. So muss der vorläufige Verwalter insbesondere bei Vereinbarungen über die Laufzeit darauf achten, dass diese nach den fundierten Planungen auch eingehalten werden können. Eine Befristung auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, die von Banken gern vorgeschlagen wird, ist deshalb nur dann vertretbar, wenn eine Rückzahlung bis dahin auch erwartet werden kann. Kommt es zu einer entsprechenden Vereinbarung, sollte das Kreditinstitut neben der Kreditgewährung als solcher und der korrespondierenden Sicherheitenneubestellung4 insbesondere auf eine Zweckvereinbarung des Kredites, einer ausschließlichen (Mit-)Finanzierung der vorläufigen Betriebsfortführung und auf eine Befristung bis zur Verfahrenseröffnung Wert legen – soweit diese vertretbar ist – und darauf achten, dass es vorher kündigen kann, wenn eine Abweisung mangels Masse droht. Weiterhin sollte vor dem Hintergrund des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO5 eine Regelung zu Massekostenbeiträgen getroffen werden, wobei eine über die gesetzlich angeordneten Beiträge hinausgehende Kostenbeteiligung einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf. Ein möglicher Wechsel des vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. damit zu verbindende Handlungsoptionen werden gesondert in Rn. 5.725 ff. angesprochen.

5.701

Die Einzelermächtigung kann das Insolvenzgericht nur im Voraus erteilen, nicht jedoch im Nachhinein, denn ist eine Forderung einmal als Insolvenzforderung entstanden, kann sie nicht durch das Gericht nachträglich als Masseverbindlichkeit umgestaltet werden6. Somit muss die Bank auf die rechtzeitige Vorlage, d.h. vor Kreditvertragsabschluss, einer ausreichend konkretisierten Kreditaufnahme- und Besicherungsermächtigung des Insolvenzgerichtes ach-

5.702

1 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, ZIP 2009, 91 = WM 2009, 116 (120, Rn. 26): Der Verwalter darf das Sicherungsgut nicht insgesamt an eine Auffanggesellschaft verkaufen, ohne dieser seine Pflichten zur Ersatzbeschaffung für veräußertes Sicherungseigentum aufzuerlegen. 2 BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 167/16, ZIP 2018, 2488 = WM 2018, 2373 (2375, Rn. 15); BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = NJW 2002, 3326 (3329 f.). 3 Vgl. BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = WM 2002, 3326 (3329 f.). 4 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 165; Huber NZI 2014, 439 (444 f.); s. auch AG Köln v. 12.10.2018 – 74 IN 196/18, ZIP 2018, 2234 = ZInsO 2019, 160. Die Erlöse aus den Umlaufsicherheiten sollte der vorläufige Insolvenzverwalter über ein eigenes Konto abwickeln; dieses Konto kann als weitere (Austausch-)Sicherheit verpfändet werden. 5 Auf Basis dieser Norm kann ein unechter Massekredit rechtlich nicht abgesichert werden; ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bedarf dazu einer gerichtlichen Anordnung, so richtig AG Hannover v. 14.9.2018 – 904 IN 472/18, ZIP 2018, 2382 = ZInsO 2018, 2420 (2421). S. auch Trowski WM 2014, 1257 (1258). 6 AG Hannover v. 2.8.2016 – 908 IN 460/16, ZIP 2016, 1884.

Huber | 1083

Fünfter Teil Rz. 5.702 | Kreditgeschäft

ten, um die Begründung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 InsO sicherzustellen. Zur Begründung derartiger Masseschulden reicht die Übertragung des Rechts zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse auf den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt nicht, auch wenn es um Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Insolvenzgeldfinanzierung geht1.

5.703

Der Nachteil des Modells liegt darin, dass etwaige Drittsicherheiten wie z.B. Bürgschaften, die für den früheren und zurückgeführten Kredit bestellt worden waren, nicht mehr haften; soll dies vermieden werden, müsste die Bank mit den Sicherungsgebern neue Vereinbarungen treffen. Der unechte Massekredit kann aber steuerliche Vorteile haben. Da der Altkredit aus der Verwertung der Sicherheiten zurückgezahlt wird, kommen insoweit die steuerlichen Vorschriften zum Zuge, die an die Sicherheitenverwertung anknüpfen (s. Rn. 6.1100 ff.). In Höhe des Sicherheitenerlöses räumt die Bank dem Unternehmen unter Mitwirkung des vorläufigen Insolvenzverwalters einen neuen Kredit mit neuer Sicherheitenvereinbarung ein, der grundsätzlich aus dem laufenden Betrieb zurückzuführen ist und nicht durch Sicherheitenverwertung2. Die steuerlichen Pflichten treffen allein das Unternehmen bzw. den vorläufigen Insolvenzverwalter, es kommt weder zu einem Doppel- oder Dreifachumsatz beim Sicherungseigentum noch zu einer Haftung aus § 13c UStG wegen Vereinnahmung von Zessionserlösen3. Zu einer (erneuten) Sicherheitenverwertung kommt es nur, wenn der vorläufige Verwalter seine Rückzahlungspflichten nicht oder nicht fristgerecht erfüllt; die Bank kann dann auf ihre Verwertungsrechte aus dem Zessions- oder Sicherungsübereignungsvertrag zurückgreifen, der den Widerruf der Einziehungs- und Veräußerungsermächtigung vorsieht. Ein vereinbartes Strukturierungsentgelt wird für die Strukturierung und Einrichtung dieses besonderen (Masse-)Darlehens geschuldet und stellt damit umsatzsteuerlich ein Entgelt für die Kreditgewährung dar. Damit ist dieses umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 8a UStG).

5.704

Für einen solchen Vertrag kommt folgender Text4 in Betracht:

M 26 Vereinbarung über die Überlassung von Sicherheitenerlösen im Insolvenzeröffnungsverfahren (Regelverfahren) als Massedarlehen Vereinbarung über die Überlassung von Sicherheitenerlösen im Insolvenzeröffnungsverfahren (Regelverfahren) als Massedarlehen zwischen ... (Firma der Bank) – nachstehend „Bank“ genannt – und ... (Name des vorläufigen Insolvenzverwalters)

1 OLG Saarbrücken v. 22.5.2014 – 4 U 99/13, ZIP 2014, 1791 (1793); zur Insolvenzgeldvorfinanzierung vgl. noch Rn. 5.762 ff. 2 Vgl. OFD Frankfurt, Rdvfg. v. 3.5.2007 – S 7279 A – 5 – St 113. 3 A.A. Trowski WM 2014, 1257 (1263). 4 S. dazu auch Huber NZI 2014, 439 (443 ff.); Trowski WM 2014, 1257 (1260 ff.).

1084 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.704 Fünfter Teil

als vom Insolvenzgericht – zur Begründung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 InsO durch Aufnahme des Massedarlehens nach § 1 dieser Vereinbarung – zur Bestellung von Sicherheiten nach § 6 dieser Vereinbarung zur Besicherung des Massedarlehens besonders ermächtigter vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... (Firma der Insolvenzschuldnerin) – nachstehend „Insolvenzschuldnerin“ genannt – – nachstehend „vorläufiger Insolvenzverwalter“ genannt – [ggf., wenn weitere Gläubigerbanken involviert sind: „und mit Zustimmung der ... – nachstehend „weitere Gläubigerbank(en)“ genannt –] Präambel Die Insolvenzschuldnerin1 hat beim Amtsgericht ... („Insolvenzgericht“) am ... Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt. Mit Beschluss vom ... hat das Insolvenzgericht unter dem Geschäftszeichen ... die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Insolvenzschuldnerin angeordnet und ... zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt2 bestellt. Der vorläufige Insolvenzverwalter möchte über das der Bank als Sicherheit übertragene Umlaufvermögen in der Weise verfügen, dass er die der Bank als Sicherheit abgetretenen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen einzieht und die ihr als Sicherheit übereigneten Warenbestände, ggf. nach Verarbeitung zu Fertigprodukten, veräußert. Der Bank sind von der Insolvenzschuldnerin als Sicherheit übertragen: – die Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gemäß Globalzessionsvertrag vom ... – die Warenbestände gemäß Raumsicherungsübereignungsvertrag vom ... Die genannten Sicherungsverträge sind dieser Vereinbarung in Kopie als wesentliche Bestandteile als Anlagen 1 und 2 beigefügt. Die dem vorläufigen Insolvenzverwalter aus dieser Vereinbarung zufließenden Sicherheitenerlöse benötigt er zur Mitfinanzierung der weiteren Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin. Auf dieser Grundlage schließen Bank und vorläufiger Insolvenzverwalter die nachstehende Vereinbarung. 1. Massedarlehen a) Die Bank stellt dem vorläufigen Insolvenzverwalter hiermit die – Erlöse aus den der Bank zur Sicherheit übereigneten Warenbeständen (Bestand: per .... [Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung]), und/oder

1 Stellt ein Dritter einen Insolvenzantrag, ist entsprechend umzuformulieren. 2 Die Anordnung (nur) eines Zustimmungsvorbehalts ist die Regel („schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter). Wird ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet und der vorläufige Insolvenzverwalter damit zum „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter, ist ein gesonderter Beschluss des Insolvenzgerichts zur Begründung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht notwendig; der Text ist entsprechend anzupassen.

Huber | 1085

Fünfter Teil Rz. 5.704 | Kreditgeschäft – Erlöse aus den der Bank zur Sicherheit abgetretenen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen (Bestand: per .... [Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung]) als Massedarlehen im Sinne des § 55 Abs. 2 InsO zur Verfügung, insgesamt jedoch nur bis zu der Höhe, in der die Bank die Sicherheitenerlöse zur Rückführung ihrer fälligen Forderungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin beanspruchen kann1. Die der Bank gemäß Bestandsmeldung vom ... vom vorläufigen Insolvenzverwalter übermittelte Bestandsliste der per ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung) übereigneten Warenbestände ist dieser Vereinbarung als Anlage 3 beigefügt. Die der Bank gemäß Bestandsmeldung vom ... vom vorläufigen Insolvenzverwalter übermittelte Bestandsliste der per ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung) abgetretenen Forderungen ist dieser Vereinbarung als Anlage 4 beigefügt. [Können die Bestandslisten nicht rechtzeitig vorgelegt werden, kann anstelle der beiden vorherigen Absätze wie folgt formuliert werden: „Der vorläufige Insolvenzverwalter verpflichtet sich, den Bestand der vorgenannten Sicherheiten zum Stichtag des Widerrufs der Veräußerungs- und Einziehungsermächtigung unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von 10 Werktagen nach Abschluss dieser Vereinbarung, zu ermitteln, zu dokumentieren und der Bank schriftlich mitzuteilen“. Ferner ist bei den Inanspruchnahmevoraussetzungen zu ergänzen, dass dieser Dokumentationsnachweis der Bank in einer für sie geeigneten Form vorliegen muss.] b) Vom vorläufigen Insolvenzverwalter nicht gemäß Nr. 2 dieser Vereinbarung benötigte Sicherheitenerlöse hat er unverzüglich an die Bank als Sicherungsgläubigerin auszukehren. 2. Verwendung der Sicherheitenerlöse2 a) Der vorläufige Insolvenzverwalter darf die aus dem Massedarlehen erzielten Erlöse ausschießlich zur Mitfinanzierung des zur weiteren Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlichen Betriebsmittelbedarfs der Insolvenzschuldnerin verwenden. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Mitfinanzierung der Aufwendungen für Löhne und Gehälter, Energielieferungen, Miet- und Pachtzahlungen, den Erwerb notwendiger Waren, Roh-, Hilfs- und Betribesstoffe, die Wartung, Produktion und Bewachung. b) Rückführungen bestehender Finanzierungen bei Dritten und die Finanzierung von Verlusten, die zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse führen würden, sind ausdrücklich ausgeschlossen, 3. Laufzeit/Rückführung des Massedarlehens a) Das Massedarlehen hat vorbeachtlich nachstehender Regelung in c) eine Laufzeit bis zum .... Wird das Insolvenzverfahren schon vor diesem Zeitpunkt eröffnet oder dessen Eröffnung abgelehnt, so verkürzt sich die Laufzeit auf diesen Tag. Mit Verfahrenseröffnung kommt sämtlichen Ansprüchen der Bank aus dieser Vereinbarung gemäß § 55 Abs. 2 InsO der Charakter von Masseverbindlichkeiten zu.f b) Das Massedarlehen ist spätestens am Ende der Laufzeit zurückzuführen. Eine vorzeitige, auch teilweise, Rückführung ist jedoch jederzeit möglich. c) Der vorläufige Insolvenzverwalter hat das Massedarlehen auch schon vor Ablauf der Laufzeit in dem Umfang zurückzuführen, in dem es nicht (mehr) zur Mitfinanzierung der weiteren Aufrechterhaltung des Geschätsbetriebs der Insolvenzschuldnerin benötigt wird.

1 Für den Fall, dass nicht sämtliche Sicherheitenerlöse kreditiert werden, ist zusätzlich ein Darlehenshöchstbetrag einzufügen. 2 Ggf. ist die Regelung in dieser Nr. den jeweiligen Umständen des Einzelfalls anzupassen.

1086 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.704 Fünfter Teil

d) Der vorläufige Insolvenzverwalter kann eventuelle Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte nur dann geltend machen, wenn seine Forderungen bzw. Zurückbehaltungsrechte unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind. 4. Strukturierungsentgelt a) Für die Strukturierung und Einrichtung dieses Massedarlehens zahlt der vorläufige Insolvenzverwalter der Bank ein einmaliges Strukturierungsentgelt in Höhe von € ... auf das bei der Bank geführte Konto ... mit dem Vermerk „Strukturierungsentgelt Massedarlehen ... (Bezeichnung der Insolvenzschuldnerin)“ b) Das Strukturierungsentgelt ist mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung zur Zahlung fällig. 5. Inanspruchnahmevoraussetzungen Der vorläufige Insolvenzverwalter kann das Massedarlehen in Anspruch nehmen, wenn und solange die folgenden Inanspruchnahmevoraussetzungen erfüllt sind: a) Vorlage des Beschlusses des Insolvenzgerichts, wonach der vorläufige Insolvenzverwalter ermächtigt ist, – Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 InsO durch Aufnahme des Massedarlehens gemäß Nr. 1 dieser Vereinbarung zu begründen, – zur Besicherung des Massedarlehens die Sicherheiten gemäß Nr. 6 dieser Vereinbarung aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin zu bestellen1. b) schriftliche Bestätigung durch Sie als vorläufiger Insolvenzverwalter, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Vereinbarung die Insolvenzmasse nach Ihren mit der Sorgfalt eines ordentlichen Insolvenzverwalters durchgeführten Prüfungen zur Bedienung des Kredits mit Hauptforderung, Zinsen und Kosten ausreichen wird und keine Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens mangels Masse (§ 26 InsO) droht, c) [Falls vorhanden:] Nachweis der Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Aufnahme dieses Massedarlehens und zur Bestellung der genannten Sicherheiten. d) Die in Nr. 6 dieser Vereinbarung erwähnten Sicherheiten sind rechtswirksam bestellt. e) Ein wichtiger Grund, welcher die Bank zur außerordentlichen Kündigung dieses Massedarlehens berechtigen würde, liegt zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht vor. f) Die zweckentsprechende Verwendung des Massedarlehens gemäß Nr. 2 ist zweifelsfrei sichergestellt. g) Die Durchfinanzierung der Insolvenzschuldnerin während der Laufzeit dieses Massedarlehens wird mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter auf Basis der als Anlage 5 beigefügten Geschäfts- und Finanzplanung ausdrücklich bestätigt. 6. Sicherheiten Der vorläufige Insolvenzverwalter ist verpflichtet, der Bank unverzüglich nachfolgend genannte Sicherheiten zur Absicherung des Massedarlehens und der sonstigen Ansprüche der Bank aus dieser Vereinbarung zu bestellen: a) Sicherungsabtretung sämtlicher ab dem Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung neu entstandener bzw. noch entstehender Forderungen der Insolvenzschuldnerin aus Warenlieferungen und Leistungen; 1 Diese Inanspruchnahmevoraussetzung entfällt bei Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters.

Huber | 1087

Fünfter Teil Rz. 5.704 | Kreditgeschäft b) Raumsicherungsübereignung sämtlicher im Zuge der weiteren Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin neu erworbener Gegenstände des Umlaufvermögens, insbesondere auch der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie der im Zuge der Weiterproduktion neu entstandenen bzw. noch entstehenden unfertigen und fertigen Erzeugnisse sowie der Handelswaren, jeweils ab dem Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung. 7. Auflagen a) Der vorläufige Insolvenzverwalter ist verpflichtet, das Massedarlehen ausschließlich zur Mitfinanzierung der weiteren Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs gemäß dem in Nr. 2 dieser Vereinbarung vereinbarten Verwendungszweck in Bereichen zu verwenden, die nach pflichtgemäßer Prüfung des vorläufigen Insolvenzverwalters profitabel sind, d.h. bei denen durch Einsatz der Finanzmittel per Saldo ein Gewinn für die freie Masse entsteht oder zumindest eine Schmälerung der freien Masse auszuschließen ist. Es muss demgemäß auch sichergestellt sein, dass der realisierbare Wert der gemäß Nr. 6 zu stellenden Sicherheiten stets zumindest den Umfang des Massedarlehens vollständig abdeckt. b) Wenn im Zuge der weiteren Aufrechterhaltung des Geschftsbetriebs kein positiver Deckungsbeitrag mehr erwirtschaftet wird und/oder Zweifel an der Durchführbarkeit der vom vorläufigen Insolvenzverwalter angestrebten Sanierung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin auftreten, hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Bank hierüber unverzüglich zu unterrichten. In diesem Fall hat die Bank das Recht, das Massedarlehen ganz oder teilweise aus wichtigem Grund zu kündigen. c) Der vorläufige Insolvenzverwalter ist – unbeschadet der sonstigen Rechte der Bank aus Nr. 13 AGB – zur Sicherungsübertragung freier Massebestandteile – gleich welcher Art – als Sicherheiten für das Massedarlehen in dem Umfang verpflichtet, in dem der realisierbare Wert der gemäß Nr. 6 zu stellenden Sicherheiten unter den Wert der Umlaufsicherheiten zum Stichtag des Widerrufs der Einziehungs- und Veräußerungsermächtigung absinkt oder abzusinken droht. In diesem Fall verpflichtet sich der vorläufige Insolvenzverwalter gegenüber der Bank, diese unverzüglich von sämtlichen vorhandenen freien Massebestandteilen zu unterrichten und die Massebestandteile auf jederzeit zulässiges erstes Anfordern der Bank je nach deren Wahl im vorgenannten Umfang unverzüglich als Sicherheit zu übertragen. d) Der vorläufige Insolvenzverwalter wird die Bank während der Laufzeit des Massedarlehens stets unverzüglich über die Verwendung des Massedarlehens und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Insolvenzschulderin informieren und dazu zumindest die nachfolgend aufgeführten Unterlagen vorlegen: – monatlich per Ultimo (spätestens am ... des Folgemonats) eine Übersicht über die Entwicklung des Warenbestandes, unterschieden nach der Entwicklung des „Altbestandes“ bis zum ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung) und des „Neubestandes“ ab dem ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung); – monatlich per Ultimo (spätestens am ... des Folgemonats) eine Übersicht über die Entwicklung des Forderungsbestandes, unterschieden nach der Entwicklung des „Altbestandes“ bis zum ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung) und des „Neubestandes“ ab dem ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung), (ggf.: eingeteilt nach Schuldner und Schuldgrund einer jeden Forderung; – monatlich per Ultimo (spätestens am ... des Folgemonats) eine Übersicht über die Entwicklung der Lieferantenverbindlichkeiten und der erhaltenen Anzahlungen (ebenfalls unterschieden nach der Entwicklung des „Altbestandes“ und des „Neubestandes“), sowie eine Übersicht über die Entwicklung des Auftragsbestandes, und

1088 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.704 Fünfter Teil

– monatlich per Ultimo (spätestens am ... des Folgemonats) einen Soll-Ist-Vergleich der jeweils gültigen Finanz- und Geschäftsplanung für die Insolvenzschuldnerin mit Erläuterungen zu nicht unwesentlichen Planabweichungen. e) Der vorläufige Insolvenzverwalter ist verpflichtet, der Bank unaufgefordert unverzüglich nach Kenntniserlangung alle Informationen über Sachverhalte und Ereignisse, ggf. mit Erläuterung der jeweiligen Auswirkungen auf die Insolvenzschuldnerin, zuzuleiten, die wesentliche Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis haben können oder die für eine sachgerechte Beurteilung der Kreditwürdigkeit erforderlich sein können. Insbesondere hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Bank unverzüglich davon zu unterrichten, wenn er beabsichtigt, dem Insolvenzgericht Umstände anzuzeigen, die die Abweisung des Insolvenzantrags rechtfertigen können. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird die Bank außerdem auf deren jederzeit zulässige erste Anforderung unverzüglich alle sonstigen Informationen und Auskünfte erteilen, welche die Bank für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Insolvenzschuldnerin erbittet. f) Der vorläufige Insolvenzverwalter hat der Bank spätestens am Ende der Laufzeit dieses Massedarlehens vollständig Rechnung über die verwerteten und über die noch vorhandenen Sicherheiten sowie die damit im Zusammenhang stehenden Steuerzahlungen und/oder steuerlichen Risiken zu legen. 8. Kündigung a) Unbeschadet der Kündigungsmöglichkeiten, die sich aus den AGB der Bank ergeben, hat die Bank das Recht, das Massedarlehen ganz oder teilweise aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn – eine oder mehrere der in Nr. 7 aufgeführten Auflagen durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht erfüllt werden, oder – eine Inanspruchnahmevoraussetzung nach Nr. 5 wegfällt, oder – die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse (§ 26 InsO) droht oder erfolgt, oder – der vorläufige Insolvenzverwalter durch einen anderen (vorläufigen) Insolvenzverwalter ersetzt worden ist, oder – ein Vertrag geschlossen werden soll oder geschlossen worden ist, mit dem das Vermögen der Insolvenzschulderin im Ganzen oder in Teilen auf einen Dritten übertragen werden soll oder übertragen worden ist, es sei denn, dass zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und der Bank vor Vertragsschluss etwas anderes vereinbart wurde. b) Der vorläufige Insolvenzverwalter ist verpflichtet, der Bank unverzüglich über die Entstehung einer Kündigungsmöglichkeit und/oder über einen Umstand, der zu einer Kündigungsmöglichkeit führen könnte, schriftlich zu informieren. 9. Sonstiges a) Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland. b) Sollte einer der vorstehenden Regelungen ganz oder teilweise unwirksam oder nicht durchführbar sein oder eine ergänzungsbedürftige Lücke bestehen, so wird diese Regelung durch das wirtschaftlich Gewollte ersetzt bzw. die Lücke durch das wirtschaftlich Gewollte geschlossen. Die vorstehende Vereinbarung bleibt im Übrigen davon unberührt.

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Fünfter Teil Rz. 5.704 | Kreditgeschäft c) Ergänzend gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank. d) [Gibt es „weitere Gläubigerbanken“: Der vorläufige Insolvenzverwalter ermächtigt die Bank, sämtliche Informationen und Unterlagen, die ihm oder ihr im Rahmen dieser Vereinbarung zur Verfügung gestellt werden, an die weiteren Gläubigerbanken weiterzugeben.] [Zu ergänzen sind noch die Unterschriftszeilen mit Ort und Datum sowie der Angabe der Vertragsparteien; gibt es „weitere Gläubigerbanken“, sind entsprechende Unterschriftszeilen zu ergänzen und deren „Zustimmung zu dieser Vereinbarung ausdrücklich“ einzuholen.]

ff) Schutz gegen Pfändungen

5.705

Die Bank und der Kunde bzw. sein vorläufiger Insolvenzverwalter müssen verhindern, dass die Ansprüche des Kunden auf Auszahlung des Kredits von Gläubigern gepfändet und damit – unabhängig davon, ob die Pfändung später der Rückschlagsperre (§ 88 InsO) zum Opfer fällt – zunächst zweckentfremdet werden können und nicht mehr zur Finanzierung des Unternehmens zur Verfügung stehen. Die Rechtsprechung hält nämlich den Anspruch eines Kunden auf Auszahlung eines Dispositionskredits für pfändbar, sobald und soweit der Kreditnehmer durch eine entsprechende Verfügung (Verlangen nach Barauszahlung, Ausstellung eines Überweisungsauftrags) in Höhe eines bestimmten Geldbetrags die Kreditzusage in Anspruch nimmt1. Deshalb ist es wichtig, dass das Gericht als vorläufige Maßnahme nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO Zwangsvollstreckungen untersagt oder deren einstweilige Einstellung anordnet. Denn selbst die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots hindert die Gläubiger nicht an Pfändungen.

5. Vorläufiger Insolvenzverwalter mit Einzelermächtigung 5.706

Die Figur des „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalters war bereits im Zusammenhang mit dem unechten Massekredit erörtert worden (s. Rn. 5.698 ff.). An dieser Stelle soll nur der Vollständigkeit halber angeführt werden, dass ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter nicht nur im Rahmen der vorgesehenen Gewährung eines (unechten) Massekredits „erstarkt“ werden kann, sondern dies auch in anderen Fällen in Betracht kommen kann, wenn eine entsprechende Anordnung des Insolvenzgerichts sinnvoll erscheint wie z.B. bei der Sicherstellung der Versorgung des laufenden Betriebs oder bei der Insolvenzgeldvorfinanzierung (vgl. dazu Rn. 5.762 ff.).

6. Der vorläufige Sachwalter 5.707

Wenn der Schuldner Eigenverwaltung beantragt und das Insolvenzgericht zunächst einen vorläufigen Sachwalter einsetzt, kann der Schuldner gewissen Beschränkungen im Hinblick auf das Eingehen von Verpflichtungen und die Kassenführung unterworfen sein, eine Verfügungsbeschränkung soll ihm jedoch grundsätzlich nicht auferlegt werden (§ 270c Abs. 3 Satz 1

1 BGH v. 19.9.2019 – IX ZR 22/17, ZIP 2020, 368 = WM 2020, 93 (Rn.); BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZIP 2016, 124 = WM 2016, 135; BGH v. 9.2.2012 – VII ZB 49/10, ZIP 2012, 890 = WM 2012, 542 (543, Rn. 10); BGH v. 17.2.2004 – IX ZR 318/01, ZIP 2004, 669 = WM 2004, 669 (670); BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513 = WM 2004, 517 (518 f.); BGH v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, ZIP 2001, 825 = WM 2001, 898 f.

1090 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.710 Fünfter Teil

InsO)1; nur wenn eine einstweilige Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270b Abs. 1 Satz 2 InsO in Betracht kommt, kann das Insolvenzgericht zudem anordnen, dass Verfügungen des Schuldners der Zustimmung durch den vorläufigen Sachwalter bedürfen (§ 270c Abs. 3 Satz 2 InsO)2. Auf das Kreditgeschäft wirkt sich die Einsetzung eines vorläufigen Sachwalters ohne weitere Anordnung3 wie folgt aus:

5.708

a) Bestehende Kredite Weder der Antrag auf Eigenverwaltung noch die Einsetzung eines vorläufigen Sachwalters und die im Antragsverfahren üblichen Beschränkungen führen zur vorzeitigen Fälligkeit bestehender Kredite; ihre Rückzahlung richtet sich nach den oben (s. Rn. 5.669 ff.) für die Rückzahlung von Krediten nach einem Insolvenzantrag dargestellten Regeln. Diese Ereignisse geben aber in der Regel einen Kündigungsgrund und hindern die Bank nicht an der Ausübung ihres Kündigungsrechts.

5.709

Die Bank muss deshalb überlegen, ob sie ihre Kredite kündigen oder – wenn sie über revolvierende Sicherheiten verfügt – zumindest die Einziehungs- und Veräußerungsermächtigung widerrufen soll, um nicht in eine „Anfechtungsfalle“ zu laufen. Ein Verzicht auf das Kündigungsrecht und die Aufrechterhaltung bestehender Kredite sind insbesondere problematisch, wenn die Bank über revolvierende Sicherheiten verfügt. Revolvierende Sicherheiten, zu denen vor allem Vorausabtretungen von Forderungen und Sicherungsübereignungen von Waren eines Lagers mit wechselndem Bestand zählen, sind dadurch gekennzeichnet, dass das im Zeitpunkt der Kreditgewährung vorhandene Sicherungsgut regelmäßig im Verlauf der Kreditbeziehung ausgetauscht wird, da die Bank in der Erwartung, alsbald anderweitiges Sicherungsgut zu erhalten, Verfügungen des Kreditnehmers über das Sicherungsgut zulässt4. Solange die Einziehungs- und Veräußerungsermächtigung des Kreditnehmers in Kraft ist, kann er den Bestand an Forderungen einziehen und die Waren verkaufen, wobei er entsprechend neu entstehende Forderungen und neu produzierte oder eingekaufte Waren dem Sicherungsgut zuführt. Der Übergang der später hinzutretenden Forderungen und Waren unterliegt jedoch den Regeln für die Anfechtung kongruenter Deckungen5. Diese greifen spätestens dann ein, wenn die Bank von dem Antrag auf Eigenverwaltung Kenntnis erlangt. Da die Bank keine Austauschsicherheiten mehr anfechtungsfrei erwerben kann, muss sie wenigstens den erworbenen Bestand sichern, indem sie unverzüglich die Einziehungs- und Veräußerungsermächtigung widerruft. Im Zweifel wird sie kündigen, nicht zuletzt um auch bei einem künftigen Finanzierungsbedarf mit entscheiden zu können.

5.710

1 S. auch BegrRegE SanInsFoG, S. 244. 2 Damit dürfte auch die Frage, ob ein Zustimmungsvorbehalt generell unzulässig ist (so AG Hannover v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15, ZInsO 2015, 1111 (1112), a.A. AG Düsseldorf v. 10.7.2014 – 504 IN 124/14, ZInsO 2014, 2389) im letzterem Sinne entschieden worden sein. 3 Zum Sachwalter mit Zustimmungsvorbehalt vgl. Rn. 5.717 ff. 4 Gerhardt in FS für Gero Fischer, 2008, 149 (155 f.). 5 Grundlegend BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZIP 2008, 183 = WM 2008, 204 (205 ff., Rn. 14 ff.; Korr. auf S. 376); s. z.B. auch BGH v. 11.6.2015 – IX ZR 110/13, ZIP 2015, 1398 = WM 2015, 1384 (1385, Rn. 14).

Huber | 1091

Fünfter Teil Rz. 5.711 | Kreditgeschäft

b) Neue Kredite

5.711

Der Widerruf kann – bei der Kündigung ist dies regelmäßig zwingend – zur Folge haben, dass der Schuldner die Fortführung seines Betriebs nicht mehr finanzieren kann. Neue Kredite darf er zwar aufnehmen; dazu soll er die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters enholen (§ 275 Abs. 1 Satz 1 InsO). Aber eine Bank wird kaum bereit sein, dem Insolvenzschuldner selbst noch neue Kredite einzuräumen. Auch bei einer vorläufigen Eigenverwaltung wird die Bank Wert darauf legen, einen Kredit nur dann neu herauszulegen, wenn dadurch im Hinblick auf ein später eröffnetes Eigenverwaltungs- oder auch Insolvenzverfahren Masseverbindlichkeiten begründet werden. Allerdings führen neue Kredite an den Insolvenzschuldner auch dann nicht zu Masseforderungen, wenn der Sachwalter zustimmt; dafür wäre die Anordnung eines Verfügungsverbots notwendig, die bei der Eigenverwaltung jedoch gerade unterbleiben soll.

5.712

Natürlich kann der Schuldner einen Kredit aufnehmen, indem er der Bank (noch vorhandene freie) Sicherheiten stellt. Die Besicherung ist als Bargeschäft im eröffneten Verfahren nicht anfechtbar. Dazu soll der Schuldner die Zustimmung des Sachwalters einholen; die Bank wird, wenn sie in dieser Lage überhaupt noch zu einer Finanzierung bereit ist, die keine Masseforderungen begründet, auf seiner Mitwirkung bestehen. Revolvierende Sicherheiten kommen in dieser Konstellation nicht in Betracht, denn die Anfechtung als kongruente Deckung wird durch die Zustimmung eines Sachwalters, der keine Masseforderungen begründen kann, nicht ausgeschlossen. Damit fehlt es für die Kreditierung von Sicherheitenerlösen (dazu Rn. 5.713 ff.) durch eine Vereinbarung, in der die Bank die Veräußerungsermächtigung und die Einzugsermächtigung aufrechterhält bzw. wiederherstellt, der vorläufige Verwalter der Zuführung neuer Sicherungsgegenstände und Zessionen in Höhe der Abgänge zustimmt und damit eine spätere Anfechtung ausschließt, an einer Position des Sachwalters, die es ihm ermöglicht, Masseschulden zu begründen. Denn die Bank wird auch im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren lediglich im Rahmen bewährter Modelle neue Kredite gewähren wollen; es gelten wiederum die entsprechenden Ausführungen wie bei der vorläufigen Insolvenzverwaltung (vgl. bereits Rn. 5.698).

aa) Neuer Kredit gegen Sicherheiten

bb) Besondere Ermächtigung zur Kreditaufnahme

5.713

Demzufolge kommt es für die Bank wiederum entscheidend darauf an, ob eine Neukreditgewährung im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren zur Begründung einer Masseverbindlichkeit führen kann. Bis zur Neuregelung der Bestimmungen über die (vorläufige) Eigenverwaltung durch Art. 5 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG)1 war die Frage einer möglichen Ermächtigungsanordnung durch das Insolvenzgericht nur für das Schutzschirmverfahren in § 270b Abs. 3 InsO a.F geregelt worden, während es für das „normale“ Eröffnungsverfahren einer Eigenverwaltung keine gesetzliche Regelung gab. Nachdem sich die h.M. in der

1 V. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256.

1092 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.715 Fünfter Teil

(untergerichtlichen) Rechtsprechung1 und Literatur2 ebenfalls für eine Massebegründungskompetenz des Schuldners auf Anordnung des Insolvenzgerichtes im „normalen“ Eigenverwaltungseröffnungsverfahren ausgesprochen hatten, hat der BGH im Jahre 20183 für diese Verfahrensform entschieden, dass der Insolvenzschuldner Masseverbindlichkeiten begründen kann, wenn er vom Insolvenzgericht dazu ermächtigt worden ist4. Mit der Neuregelung (auch) des Eigenverwaltungseröffnungsverfahrens zum 1.1.20215 ist nunmehr in § 270c Abs. 4 InsO für das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren bestimmt, dass „auf Antrag des Schuldners ... das Gericht anzuordnen (hat), dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet“. Die Regelung gilt also grundsätzlich für jedes Eigenverwaltungseröffnungsverfahren, denn der Gesetzgeber hat das Schutzschirmverfahren stringenter in das „normale“ Eigenverwaltungseröffnungsverfahren „eingepasst“; so sind beide Verfahrensformen seit dem 1.1.2021 auch an die gleichen Grundvoraussetzungen nach §§ 270a, 270b InsO gebunden6. cc) Voraussetzungen für positive Kreditentscheidung Nach der gesetzlichen „Neubestimmung“ zum 1.1.2021 kann bei einer Kreditgewährung im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren grundsätzlich von den gleichen „Vorgaben“ wie im regulären Insolvenzeröffnungsverfahren ausgegangen werden, wenn auch gewisse verfahrensrechtliche Besonderheiten einfließen müssen.

5.714

Der Regelfall in der Praxis ist neben der Gewährung eines Massebarkredits in einzelnen Fällen wiederum die Einräumung eines „unechten“ Massekredits. „Handelnde Person“ bleibt der Schuldner; demzufolge sollte die Bank darauf achten, dass die folgenden Voraussetzungen möglichst alle erfüllt sind:

5.715

– vertrauenswürdige Geschäftsführung des Unternehmens, – die persönliche Haftung der Geschäftsleitung für das Massedarlehen sollte vereinbart werden. Zwar hat die Rechtsprechung zwischenzeitlich ihre analoge Haftung nach §§ 60, 61 InsO zumindest für das eröffnete Eigenverwaltungsverfahren judiziert7; bis die Haftung auch für das vorläufige Eigenverwaltungseröffnungsverfahren entsprechend geklärt ist – wofür allerdings sehr viel spricht –, sollte im Darlehensvertrag die Haftung explizit geregelt werden, – vertrauenswürdiger vorläufiger Sachwalter, 1 LG Duisburg v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, NZI 2013, 91; AG Essen v. 3.2.2015 – 163 IN 14/15, ZIP 2015, 841 (844); AG Köln v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, NZI 2012, 375; AG München v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1470; AG Montabaur v. 27.12.2012 – 14 IN 282/12, NZI 2013, 350; a.A. AG Fulda v. 28.3.2012 – 91 IN 9/12, ZIP 2012, 1471. Nach AG Hamburg v. 4.4.2012 – 67g IN 74/12, NZI 2012, 566 soll der vorläufige Sachwalter zu ermächtigen sein und nach AG Hannover v. 30.4.2015 – 909 IN 294/15, ZInsO 2015, 1112 (1113) steht die Massebegründungskompetenz dem Schuldner originär zu. 2 Vgl. beispielhaft Huber NZI 2014, 439 (441); Huber ZInsO 2013, 1, (9 f.); Trowski WM 2014, 1257 (1259); Klinck ZInsO 2014, 365 (369 ff.); Undritz BB 2012, 1551 (1552 ff.); Oppermann/ Smid ZInsO 2012, 862 ff. 3 BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 167/16, ZIP 2018, 2488 = WM 2018, 2373. 4 BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 167/16, ZIP 2018, 2488 = WM 2018, 2373 (2374 f., Rn. 8 ff.). 5 Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 6 Morgen/Arends ZIP 2021, 447 (452). 7 BGH v. 26.4.2018 – IX ZR 238/17, ZIP 2018, 977 m. Anm. Bitter = WM 2018, 962 ff.

Huber | 1093

Fünfter Teil Rz. 5.715 | Kreditgeschäft

– Zustimmung des vorläufigen Sachwalters zum Massedarlehensvertrag nach § 275 InsO, – Kassenführung durch vorläufigen Sachwalter: die Bank sollte stets beachten, dass der (vorläufige) Sachwalter das Recht zur Führung der Kasse hat und von dem Schuldner nach § 275 Abs. 2 InsO verlangen kann, dass alle eingehenden Gelder nur von ihm entgegengenommen und Zahlungen auch nur von ihm geleistet werden. Da es ein Recht ist, das im pflichtgemäßen Ermessen (nur) des (vorläufigen) Sachwalters liegt1, sollte die Bank rechtzeitig mit dem vorläufigen Sachwalter abklären, ob er die Kassenführung übernehmen will. Nach den Erfahrungen in der Praxis ist die Bereitschaft nicht regelmäßig gegeben, zumal die Übernahme der Kassenführung ggf. einen falschen Fingerzeig im Hinblick auf den Schuldner gibt, denn Anlass für die Übernahme der Kassenführung soll die Gefährdung der Gläubigerinteressen sein2. Eine Kreditgewährung alleine dürfte insoweit eher nicht ausreichend sein. – Zustimmung – soweit eingesetzt – des vorläufigen Gläubigerausschusses zum Massedarlehensvertrag, – gerichtliche Ermächtigung an den Schuldner zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch das Darlehen nebst Sicherheitenbestellung. dd) Muster: Vertrag über einen „unechten“ Massekredit im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren

5.716

Für einen entsprechenden Vertrag über einen unechten Massekredit kommt folgender Text in Betracht:

M 27 Vereinbarung über die Überlassung von Sicherheitenerlösen im Insolvenzeröffnungsverfahren (vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren nach § 270c InsO) als Massedarlehen Vereinbarung über die Überlassung von Sicherheitenerlösen im Insolvenzeröffnungsverfahren (vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren nach § 270c InsO) als Massedarlehen zwischen ... (Firma der Bank) – nachstehend „Bank“ genannt – und ... (Firma der Insolvenzschuldnerin) – nachstehend „Insolvenzschuldnerin“ genannt – und ... (Name des vorläufigen Sachverwalters) als vom Insolvenzgericht gemäß § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO bestellter vorläufiger Sachwalter – nachstehend „vorläufiger Sachwalter“ genannt –

1 Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 275 Rn. 7. 2 Vgl. Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 275 Rn. 7.

1094 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.716 Fünfter Teil

[ggf., wenn weitere Gläubigerbanken involviert sind: „und mit Zustimmung der ... – nachstehend „weitere Gläubigerbank(en)“ genannt –] Präambel Die Insolvenzschuldnerin hat beim Amtsgericht ... („Insolvenzgericht“) am ... Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen sowie einen Antrag auf Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO gestellt. [Bei zusätzlicher Beantragung eines Insolvenzplans nach § 270d InsO: „Die Insolvenzschuldnerin hat beim Amtsgericht ... („Insolvenzgericht“) am ... Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, einen Antrag auf Eigenverwaltung sowie einen Antrag auf Bestimmung einer Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans (Schutzschirmverfahren) gemäß §§ 270a, 270d InsO gestellt“.] Mit Beschluss vom ... hat das Insolvenzgericht unter dem Geschäftszeichen ... auf Grundlage der nach § 270a InsO eingereichten Eigenverwaltungsplanung die vorläufige Eigenverwaltung des Vermögens der Insolvenzschuldnerin angeordnet bestimmt und ... zum vorläufigen Sachwalter ernannt. [Bei zusätzlicher Beantragung eines Insolvenzplans nach § 270d InsO: „Mit Beschluss vom ... hat das Insolvenzgericht unter dem Geschäftszeichen ... auf Grundlage der nach § 270a InsO eingereichten Eigenverwaltungsplanung die vorläufige Eigenverwaltung des Vermögens der Insolvenzschuldnerin angeordnet, eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans bestimmt und ... zum vorläufigen Sachwalter ernannt“.] Die Insolvenzschuldnerin möchte – und der vorläufige Sachwalter stimmt insofern zu – über ihr der Bank als Sicherheit übertragenes Umlaufvermögen vorübergehend in der Weise verfügen, dass sie die der Bank als Sicherheit abgetretenen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen einzieht und die der Bank als Sicherheit übereigneten Warenbestände, ggf. nach Verarbeitung zu Fertigprodukten, veräußert. Der Bank sind von der Insolvenzschuldnerin als Sicherheit übertragen: – die Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gemäß Globalzessionsvertrag vom ... – die Warenbestände gemäß Raumsicherungsübereignungsvertrag vom ... Die genannten Sicherungsverträge sind dieser Vereinbarung in Kopie als wesentliche Bestandteile als Anlagen 1 und 2 beigefügt. Die daraus fließenden Sicherheitenerlöse benötigt die Insolvenzschuldnerin zur Mitfinanzierung der weiteren Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin. Auf dieser Grundlage schließen Bank, die Insolvenzschuldnerin und der vorläufige Sachverwalter die nachstehende Vereinbarung. 1. Massedarlehen a) Die Bank stellt der Insolvenzschuldnerin hiermit auf Grundlage der gemäß § 270a InsO vorgelegten Eigenverwaltungsplanung die – Erlöse aus den der Bank zur Sicherheit übereigneten Warenbeständen (Bestand: per ... [Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung]), und/oder – Erlöse aus den der Bank zur Sicherheit abgetretenen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen (Bestand: per ... [Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung])

Huber | 1095

Fünfter Teil Rz. 5.716 | Kreditgeschäft als Massedarlehen im Sinne des §§ 270c Abs. 4, 55 Abs. 2 InsO zur Verfügung, insgesamt jedoch nur bis zu der Höhe, in der die Bank die Sicherheitenerlöse zur Rückführung ihrer fälligen Forderungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin beanspruchen kann1. Die der Bank gemäß Bestandsmeldung vom ... von der Insolvenzschuldnerin übermittelte Bestandsliste der per ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung) übereigneten Warenbestände ist dieser Vereinbarung als Anlage 3 beigefügt. Die der Bank gemäß Bestandsmeldung vom ... von der Insolvenzschuldnerin übermittelte Bestandsliste der per ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung) abgetretenen Forderungen ist dieser Vereinbarung als Anlage 4 beigefügt. [Können die Bestandslisten nicht rechtzeitig vorgelegt werden, kann anstelle der beiden vorherigen Absätze wie folgt formuliert werden: „Die Insolvenzschuldnerin verpflichtet sich, den Bestand der vorgenannten Sicherheiten zum Stichtag des Widerrufs der Veräußerungs- und Einziehungsermächtigung unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von 10 Werktagen nach Abschluss dieser Vereinbarung, zu ermitteln, zu dokumentieren und der Bank schriftlich mitzuteilen“. Ferner ist bei den Inanspruchnahmevoraussetzungen zu ergänzen, dass dieser Dokumentationsnachweis der Bank in einer für sie geeigneten Form vorliegen muss.] b) Von der Insolvenzschuldnerin nicht gemäß Nr. 2 dieser Vereinbarung benötigte Sicherheitenerlöse hat sie unverzüglich an die Bank als Sicherungsgläubigerin auszukehren. 2. Verwendung der Sicherheitenerlöse2 a) Die Insolvenzschuldnerin darf die aus dem Massedarlehen erzielten Erlöse ausschießlich zur Mitfinanzierung des zur weiteren Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlichen Betriebsmittelbedarfs verwenden. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Mitfinanzierung der Aufwendungen für Löhne und Gehälter, Energielieferungen, Miet- und Pachtzahlungen, den Erwerb notwendiger Waren, Roh-, Hilfs- und Betribesstoffe, die Wartung, Produktion und Bewachung. b) Rückführungen bestehender Finanzierungen bei Dritten und die Finanzierung von Verlusten, die zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse führen würden, sind ausdrücklich ausgeschlossen, 3. Laufzeit/Rückführung des Massedarlehens a) Das Massedarlehen hat vorbehaltlich nachstehender Regelung in c) eine Laufzeit bis zum .... Wird das Insolvenzverfahren schon vor diesem Zeitpunkt eröffnet, dessen Eröffnung abgelehnt oder die vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270e InsO aufgehoben, so verkürzt sich die Laufzeit auf diesen Tag. Mit Verfahrenseröffnung kommt sämtlichen Ansprüchen der Bank aus dieser Vereinbarung gemäß §§ 270c Abs. 4 Satz 3, 55 Abs. 2 InsO der Charakter von Masseverbindlichkeiten zu. b) Das Massedarlehen ist spätestens am Ende der Laufzeit zurückzuführen. Eine vorzeitige, auch teilweise, Rückführung ist jedoch jederzeit möglich. c) Die Insolvenzschuldnerin hat das Massedarlehen auch schon vor Ablauf der Laufzeit in dem Umfang zurückzuführen, in dem es nicht (mehr) zur Mitfinanzierung der weiteren Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin benötigt wird.

1 Für den Fall, dass nicht sämtliche Sicherheitenerlöse kreditiert werden, ist zusätzlich ein Darlehenshöchstbetrag einzufügen. 2 Ggf. ist die Regelung in dieser Nr. den jeweiligen Umständen des Einzelfalls anzupassen.

1096 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.716 Fünfter Teil

d) Die Insolvenzschuldnerin kann eventuelle Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte nur dann geltend machen, wenn ihre Forderungen bzw. Zurückbehaltungsrechte unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind. 4. Strukturierungsentgelt a) Für die Strukturierung und Einrichtung dieses Massedarlehens zahlt die Insolvenzschuldnerin mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters der Bank ein einmaliges Strukturierungsentgelt in Höhe von € ... auf das bei der Bank geführte Konto ... mit dem Vermerk „Strukturierungsentgelt Massedarlehen ... (Bezeichnung der Insolvenzschuldnerin)“ b) Das Strukturierungsentgelt ist mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung zur Zahlung fällig. 5. Inanspruchnahmevoraussetzungen Die Insolvenzschuldnerin kann das Massedarlehen in Anspruch nehmen, wenn und solange die folgenden Inanspruchnahmevoraussetzungen erfüllt sind: a) Vorlage des Beschlusses des Insolvenzgerichts gemäß § 270c Abs. 4 S. 1 InsO in Form einer Einzelermächtigung, wonach die Insolvenzschuldnerin ermächtigt ist, – Masseverbindlichkeiten gemäß §§ 270c Abs. 4 Satz 3, 55 Abs. 2 InsO durch Aufnahme des Massedarlehens gemäß Nr. 1 dieser Vereinbarung zu begründen, – zur Besicherung des Massedarlehens die Sicherheiten gemäß Nr. 6 dieser Vereinbarung aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin zu bestellen. b) Schriftliche Bestätigung der Insolvenzschuldnerin sowie des vorläufigen Sachwalters, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Vereinbarung weder eine Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 26 InsO) noch eine Aufhebung der Eigenverwaltung gemäß § 270e InsO droht. c) Schriftliche Bestätigung des vorläufigen Sachwalters, dass er keine Umstände festgestellt hat, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung der vorläufigen Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird und keine Anzeige gemäß §§ 270b Abs. 1 Satz 1, 274 Abs. 3 InsO droht, liegt vor. d) [Falls vorhanden:] Nachweis der Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Aufnahme dieses Massedarlehens und zur Bestellung der genannten Sicherheiten. e) Die in Nr. 6 dieser Vereinbarung erwähnten Sicherheiten sind rechtswirksam bestellt. f) Die Kassenführung im Verfahren erfolgt durch den vorläufigen Sachwalter. g) Ein wichtiger Grund, welcher die Bank zur außerordentlichen Kündigung dieses Massedarlehens berechtigen würde, liegt zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht vor. h) Die zweckentsprechende Verwendung des Massedarlehens gemäß Nr. 2 ist zweifelsfrei sichergestellt. i) Die Durchfinanzierung der Insolvenzschuldnerin während der Laufzeit dieses Massedarlehens wird mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung durch die Insolvenzschuldnerin und durch den vorläufigen Sachwalter auf Basis der als Anlage 5 beigefügten Geschäfts- und Finanzplanung ausdrücklich bestätigt. 6. Sicherheiten Die Insolvenzschuldnerin ist verpflichtet, der Bank unverzüglich nachfolgend genannte Sicherheiten zur Absicherung des Massedarlehens und der sonstigen Ansprüche der Bank aus dieser Vereinbarung zu bestellen:

Huber | 1097

Fünfter Teil Rz. 5.716 | Kreditgeschäft a) Sicherungsabtretung sämtlicher ab dem Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung neu entstandener bzw. noch entstehender Forderungen der Insolvenzschuldnerin aus Warenlieferungen und Leistungen; b) Raumsicherungsübereignung sämtlicher im Zuge der weiteren Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin neu erworbener Gegenstände des Umlaufvermögens, insbesondere auch der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie der im Zuge der Weiterproduktion neu entstandenen bzw. noch entstehenden unfertigen und fertigen Erzeugnisse sowie der Handelswaren, jeweils ab dem Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung. 7. Auflagen a) Die Insolvenzschuldnerin ist verpflichtet, das Massedarlehen ausschließlich zur Mitfinanzierung der weiteren Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs gemäß dem in Nr. 2 dieser Vereinbarung vereinbarten Verwendungszweck in Bereichen zu verwenden, die nach pflichtgemäßer Prüfung der Insolvenzschuldnerin sowie des vorläufigen Sachwalters profitabel sind, d.h. bei denen durch Einsatz der Finanzmittel per Saldo ein Gewinn für die freie Masse entsteht oder zumindest eine Schmälerung der freien Masse auszuschließen ist. Es muss demgemäß auch sichergestellt sein, dass der realisierbare Wert der gemäß Nr. 6 zu stellenden Sicherheiten stets zumindest den Umfang des Massedarlehens vollständig abdeckt. b) Wenn im Zuge der weiteren Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs kein positiver Deckungsbeitrag mehr erwirtschaftet wird und/oder Zweifel an der Durchführbarkeit der von der Insolvenzschuldnerin angestrebten Sanierung ihres Geschäftsbetriebs auftreten, haben sowohl die Insolvenzschuldnerin als auch der vorläufige Sachwalter die Bank hierüber unverzüglich zu unterrichten. In diesem Fall hat die Bank das Recht, das Massedarlehen ganz oder teilweise aus wichtigem Grund zu kündigen. c) Die Insolvenzschuldnerin ist – unbeschadet der sonstigen Rechte der Bank aus Nr. 13 AGB – zur Sicherungsübertragung freier Massebestandteile – gleich welcher Art – als Sicherheiten für das Massedarlehen in dem Umfang verpflichtet, in dem der realisierbare Wert der gemäß Nr. 6 zu stellenden Sicherheiten unter den Wert der Umlaufsicherheiten zum Stichtag des Widerrufs der Einziehungs- und Veräußerungsermächtigung absinkt oder abzusinken droht. In diesem Fall verpflichtet sich die Insolvenzschuldnerin – und der vorläufige Sachwalter stimmt insoweit zu – gegenüber der Bank, diese unverzüglich von sämtlichen vorhandenen freien Massebestandteilen zu unterrichten und die Massebestandteile auf jederzeit zulässiges erstes Anfordern der Bank je nach deren Wahl im vorgenannten Umfang unverzüglich als Sicherheit zu übertragen. d) Die Insolvenzschuldnerin und der vorläufige Sachverwalter werden die Bank während der Laufzeit des Massedarlehens stets unverzüglich über die Verwendung des Massedarlehens und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Insolvenzschulderin informieren und dazu zumindest die nachfolgend aufgeführten Unterlagen vorlegen: – monatlich per Ultimo (spätestens am ... des Folgemonats) eine Übersicht über die Entwicklung des Warenbestandes, unterschieden nach der Entwicklung des „Altbestandes“ bis zum ..... (Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung) und des „Neubestandes“ ab dem ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung); – monatlich per Ultimo (spätestens am ... des Folgemonats) eine Übersicht über die Entwicklung des Forderungsbestandes, unterschieden nach der Entwicklung des „Altbestandes“ bis zum ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung) und des „Neubestandes“ ab dem ... (Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung), (ggf.: eingeteilt nach Schuldner und Schuldgrund einer jeden Forderung);

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E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.716 Fünfter Teil

– monatlich per Ultimo (spätestens am ... des Folgemonats) eine Übersicht über die Entwicklung der Lieferantenverbindlichkeiten und der erhaltenen Anzahlungen (ebenfalls unterschieden nach der Entwicklung des „Altbestandes“ und des „Neubestandes“), sowie eine Übersicht über die Entwicklung des Auftragsbestandes, und – monatlich per Ultimo (spätestens am ... des Folgemonats) einen Soll-Ist-Vergleich der jeweils gültigen Finanz- und Geschäftsplanung für die Insolvenzschuldnerin mit Erläuterungen zu nicht unwesentlichen Planabweichungen. e) Sowohl die Insolvenzschuldnerin als auch der vorläufige Sachverwalter sind verpflichtet, der Bank unaufgefordert unverzüglich nach Kenntniserlangung alle Informationen über Sachverhalte und Ereignisse, ggf. mit Erläuterung der jeweiligen Auswirkungen auf die Insolvenzschuldnerin, zuzuleiten, die wesentliche Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis haben können oder die für eine sachgerechte Beurteilung der Kreditwürdigkeit erforderlich sein können. Insbesondere haben die Insolvenzschuldnerin und der vorläufige Sachverwalter die Bank unverzüglich davon zu unterrichten, wenn sie/er beabsichtigt, dem Insolvenzgericht Umstände anzuzeigen, die die Abweisung des Insolvenzantrags rechtfertigen können, wenn einer oder mehrere der in § 270e Abs. 1 InsO genannten Umstände eintreten, wenn das Insolvenzgericht die vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270e InsO aufgehoben hat, oder wenn eine Änderung in der Person des vorläufigen Sachwalters eintritt oder einzutreten droht. Die Insolvenzschuldnerin und der vorläufige Sachverwalter werden die Bank außerdem auf deren jederzeit zulässige erste Anforderung unverzüglich alle sonstigen Informationen und Auskünfte erteilen, welche die Bank für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Insolvenzschuldnerin erbittet. f) Die Insolvenzschuldnerin und der vorläufige Sachverwalter haben der Bank spätestens am Ende der Laufzeit dieses Massedarlehens vollständig Rechnung über die verwerteten und über die noch vorhandenen Sicherheiten sowie die damit im Zusammenhang stehenden Steuerzahlungen und/oder steuerlichen Risiken zu legen. 8. Kündigung a) Unbeschadet der Kündigungsmöglichkeiten, die sich aus den AGB der Bank ergeben, hat die Bank das Recht, das Massedarlehen ganz oder teilweise aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn – eine oder mehrere der in Nr. 7 aufgeführten Auflagen durch die Insolvenzschuldnerin oder – falls anwendbar – durch den vorläufigen Sachverwalter nicht erfüllt werden, oder – eine Inanspruchnahmevoraussetzung nach Nr. 5 wegfällt, oder – die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse (§ 26 InsO) oder die gerichtliche Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270e InsO droht oder erfolgt, oder – der vorläufige Sachverwalter durch einen anderen (vorläufigen) Sachverwalter ersetzt worden ist, oder – ein Vertrag geschlossen werden soll oder geschlossen worden ist, mit dem das Vermögen der Insolvenzschulderin im Ganzen oder in Teilen auf einen Dritten übertragen werden soll oder übertragen worden ist, es sei denn, dass zwischen der Insolvenzschuldnerin sowie dem vorläufigen Sachwalter und der Bank vor Vertragsschluss etwas anderes vereinbart wurde, oder – die Überleitung des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens in ein Regelinsolvenzverfahren droht oder erfolgt, Huber | 1099

Fünfter Teil Rz. 5.716 | Kreditgeschäft b) Sowohl die Insolvenzschulderin als auch der vorläufige Sachverwalter sind verpflichtet, die Bank unverzüglich über die Entstehung einer Kündigungsmöglichkeit und/oder über einen Umstand, der zu einer Kündigungsmöglichkeit führen könnte, schriftlich zu informieren. 9. Sonstiges a) Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland. b) Sollte einer der vorstehenden Regelungen ganz oder teilweise unwirksam oder nicht durchführbar sein oder eine ergänzungsbedürftige Lücke bestehen, so wird diese Regelung durch das wirtschaftlich Gewollte ersetzt bzw. die Lücke durch das wirtschaftlich Gewollte geschlossen. Die vorstehende Vereinbarung bleibt im Übrigen davon unberührt. c) Ergänzend gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank. d) [Gibt es „weitere Gläubigerbanken“: Die Insolvenzschuldner und der vorläufige sachverwalter ermächtigen die Bank, sämtliche Informationen und Unterlagen, die ihnen oder der Bank im Rahmen dieser Vereinbarung zur Verfügung gestellt werden, an die weiteren Gläubigerbanken weiterzugeben.] [Zu ergänzen sind noch die Unterschriftszeilen mit Ort und Datum sowie der Angabe der Vertragsparteien sowie eine weitere Unterschriftzeile für den vorläufigen Sachwalter, dass er „vom Inhalt dieser Vereinbarung Kenntnis genommen hat und dem Inhalt vollumfänglich zustimmt“; gibt es „weitere Gläubigerbanken“, sind entsprechende Unterschriftszeilen zu ergänzen und deren „Zustimmung zu dieser Vereinbarung ausdrücklich“ einzuholen.]

7. Der vorläufige Sachwalter mit Zustimmungsvorbehalt gemäß § 270c Abs. 3 Satz 2 InsO 5.717

Weist die mit dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung beigefügte Eigenverwaltungsplanung (s. auch § 270a InsO) behebbare Mängel auf, kann das Insolvenzgericht nach § 270b Abs. 1 Satz 2 InsO die vorläufige Eigenverwaltung einstweilen anordnen und dem Schuldner eine Frist zur Nachbesserung setzen, die 20 Tage nicht übersteigt. Zudem kann das Insolvenzgericht nach § 270c Abs. 3 Satz 2 InsO anordnen, dass „Verfügungen des Schuldners der Zustimmung durch den vorläufigen Sachwalter bedürfen.“ Nach dem Willen des Gesetzgebers ist diese temporäre Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners gerechtfertigt, weil noch nicht feststeht, ob die Mängel der Eigenverwaltungsplanung innerhalb der gesetzten Frist behoben werden und die vorläufige Eigenverwaltung daher bestehen bleibt oder sie nach § 270e Abs. 1 Nr. 2 InsO aufzuheben ist1. Sobald feststeht, dass die Mängel fristgerecht beseitigt wurden, ist die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts aufzuheben2. Demnach ist – soweit es angeordnet wird – das Verfahrensstadium einer vorläufigen Eigenverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Sachwalters zwar nur für einen kurzen Zeitraum vorgesehen. Dennoch erscheint es nicht ausgeschlossen, dass es in diesem Stadium nicht nur um bestehende Kredite, sondern auch um eine Neukreditgewährung gehen kann. a) Bestehende Kredite

5.718

Bestehende Kredite sind wie beim schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu „händeln“. Regelmäßig dürfte es zur Kreditkündigung kommen. Wird der Zustimmungsvorbehalt aufgehoben und besteht ein Kreditvertrag weiterhin, richtet sich das weitere Vorgehen nach dem 1 So BegrRegE SanInsFoG, S. 244. 2 BegrRegE SanInsFoG, S. 244.

1100 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.722 Fünfter Teil

Handling wie bei einem vorläufigen Sachwalter ohne weitere „Verfügungsanordnung“. Allerdings muss eine Bank dann aufpassen, dass sie sich eines Kündigungsrechts wegen zu später Ausübung nicht begibt. b) Neue Kredite Auch insoweit kann auf die Ausführungen beim schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. – nach Aufhebung des Zustimmungsvorbehalts – beim „normalen“ vorläufigen Sachwalter verwiesen werden.

5.719

8. Exkurs: Schutzschirmverfahren Seit dem 1.1.2021 ist das Schutzschirmverfahren stringenter in die vorläufige Eigenverwaltung eingepasst (s. auch Rn. 5.713) und bestimmte gesetzliche Unterschiede wie z.B. zur Massebegründungskompetenz sind beseitigt worden. Demzufolge gelten für Schutzschirmverfahren im Hinblick auf bestehende bzw. neue Kredite die Ausführungen zum vorläufigen Sachwalter entsprechend. Allerdings setzt das Schutzschirmverfahren voraus, dass eine Bescheinigung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist (§ 270d Abs. 1 InsO). Demzufolge ist zu fragen, ob Besonderheiten aus der Tatsache, dass bei Antragstellung keine Zahlungsunfähigkeit vorliegen darf, zu beachten sind.

5.720

a) Bestehende Kredite Auf bestehende Kredite hat die Einleitung des Schutzschirmverfahrens keinen Einfluss. Ihre Rückzahlung richtet sich nach den oben (s. Rn. 5.669 ff.) für die Rückzahlung von Krediten nach einem Insolvenzantrag dargestellten Regeln. Zwar haben die Geschäftsleiter die Zahlungssperre des § 15b InsO zu beachten, die eingreift, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens eingetreten ist oder sich seine Überschuldung herausgestellt hat (s. Rn. 5.619 ff.). Solange der Insolvenzantrag aber nur auf drohende Zahlungsunfähigkeit gestützt wird, ist eine Rückzahlung nicht verboten. Sie mag im Einzelfall zweckmäßig sein, um zu verhindern, dass die Bank wegen ausbleibender Zahlungen auf fällige Forderungen alle Kredite kündigt und damit den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

5.721

Der Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens ist allerdings für die Bank ebensowenig ein Hinderungsgrund, ihre Kredite zu kündigen wie die Anordnung dieser Verfahrensform durch das Insolvenzgericht. Eine Kündigung würde aber bei entsprechend hohen Krediten die sofortige Zahlungsunfähigkeit auslösen und damit die angestrebte Sanierung meist offensichtlich aussichtslos machen. Schon dies zeigt, dass – wie es auch den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht – das Schutzschirmverfahren nur dann Sinn macht, wenn der Schuldner seine Gläubiger nicht überrumpelt, sondern seine Vorgehensweise vorher mit ihnen abgestimmt und sich vergewissert hat, dass diese mit ihren Forderungen stillhalten und auch nicht zur Verwertung der Sicherheiten schreiten. Die Erkenntnis der Aussichtslosigkeit der Sanierung als Grund für das Insolvenzgericht, die Eigenverwaltung vorzeitig wieder aufzuheben (§ 270e Abs. 1 Nr. 3 InsO), ist damit das notwendige Korrektiv für den – hoffentlich seltenen – Fall, dass der Schuldner das Schutzschirmverfahren missbraucht, indem er zu Lasten seiner Gläubiger weitere drei Monate wirtschaftet.

5.722

Huber | 1101

Fünfter Teil Rz. 5.723 | Kreditgeschäft

5.723

Will die Bank zwar die vorgesehene Sanierung im Schutzschirmverfahren unterstützen, sie aber dennoch die Kredite kündigen, um anschließend bei einer vorgesehenen Finanzierung des Schutzschirmverfahrens neu entscheiden zu können, sollte sie mit einer Kündigung zumindest bis zur bzw. kurz nach Antragstellung warten, denn eine erste nach dem Antrag eintretende (und nach § 270d Abs. 4 InsO dem Insolvenzgericht anzuzeigende) Zahlungsunfähigkeit ist für die Durchführung des Schutzschirmverfahrens unschädlich, wenn nur die weiteren Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sind und vorallem die Sanierung weiterhin nicht offensichtlich aussichtslos ist. Eine Kündigung dürfte dabei insbesondere für solche Kreditinstitute in Betracht kommen, deren Kredite nur durch revolvierende Sicherheiten gedeckt sind. Denn auch der Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens ist ein Insolvenzantrag, an den die Anfechtung wegen kongruenter Deckung anknüpft. Die Bank wird deshalb, um ein Abschmelzen ihrer Sicherheiten zu verhindern, die Kredite kündigen und die Einziehungsund Veräußerungsermächtigung widerrufen und damit allerdings auch die Finanzierung der Betriebsfortführung unterbrechen. Würde sie – was auch möglich wäre – nur die Einziehungs- und Veräußerungsermächtigung widerrufen, würde sie zum einen nichts an der Unterbrechung der Finanzierung der Betriebsfortführung ändern und zum anderen könnte sie nicht über eine neue Finanzierung entscheiden. Um die Finanzierung weiterhin sicherzustellen, wird in der Praxis zwischen Insolvenzschuldner und Kreditinstitut regelmäßig die Kreditierung der Sicherheitenerlöse im Wege des unechten Massekredits vereinbart (zum Verfahren s. Rn. 5.713 ff.), wobei wiederum auf eine rechtzeitige gerichtliche Anordnung zu achten ist, damit den Kreditforderungen im eröffneten Verfahren Masseschuldcharakter zukommt. b) Neue Kredite

5.724

Zur Finanzierung des Unternehmens während des Zeitraums, den es durch das Schutzschirmverfahren gewonnen hat, kann z.B. auch eine Insolvenzgeldvorfinanzierung eingesetzt werden1. Ob eine Bank zu einer solchen Finanzierung bereit ist, hängt davon ab, welches Vertrauen sie in die Geschäftsführung des Unternehmens setzt; eine Mitwirkung bzw. Mitverpflichtung kann sie von dem vorläufigen Sachwalter jedenfalls nicht in dem Umfang erwarten wie von einem vorläufigen Verwalter, weil die Befugnisse des vorläufigen Sachwalters wesentlich geringer sind. Ansonsten richtet sich die Gewährung eines neuen Kredits nach den gleichen Bestimmungen wie im „normalen“ Eigenverwaltungseröffnungsverfahren2. Insbesondere ist wiederum auf eine Anordnung des Insolvenzgerichts zu achten.

9. Verwalterwechsel 5.725

In der Regel bestellen Insolvenzgerichte im Beschluss über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zum Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter dieselbe Person, die schon als vorläufiger Verwalter bzw. vorläufiger Sachwalter im Antragsverfahren eingesetzt war. Dies ist jedoch nicht zwingend. Das Insolvenzgericht kann beispielsweise im Eröffnungsbeschluss auch einen anderen Verwalter bzw. Sachwalter einsetzen. Es kann aber auch im Eröffnungsverfahren z.B. veranlasst sein, die Bestellung eines von ihm eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalters wieder aufzuheben, wenn beispielsweise Gläubiger wegen der Vorbefassung des Verwalters einhellig erhebliche Zweifel an seiner Unabhängigkeit äußern, auf die Gefahr einer Interessenkol-

1 Geißler ZInsO 2013, 531; Hölzle ZIP 2012, 158. 2 Das Muster eines Massedarlehensvertrag findet sich in Rn. 5.716.

1102 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.728 Fünfter Teil

lision hinweisen und auf seine Ablösung drängen1. Wenn nach § 22a InsO ein Gläubigerausschuss zu bestellen war, das Insolvenzgericht diesen aber erst nach der Bestellung des vorläufigen Verwalters einsetzt, kann der Gläubigerausschuss in seiner ersten Sitzung eine andere Person zum Verwalter wählen2 (Einzelheiten Rn. 1.598 ff.). Kredite, die der vorläufige Verwalter vor dem Verwalterwechsel aufgenommen hat und denen im eröffneten Verfahren Masseschuldcharakter zukommt, behalten diesen Rang unberührt vom Wechsel des Verwalters. Nichts anderes gilt im Eigenverwaltungsverfahren, wenn dem – einzelermächtigten – Insolvenzschuldner mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters ein Kredit gewährt worden ist.

5.726

Dennoch kann sich ein solcher Wechsel auf Massekredite auswirken, die eine Bank im Antragsverfahren mit einem vorläufigen Verwalter, der mit einem Verfügungsverbot oder einer Einzelermächtigung ausgestattet ist, oder dem einzelermächtigten Insolvenzschuldner vereinbart hat. Die üblichen Kreditverträge für solche Kredite sehen mit dem Ziel einer Risikoreduzierung eine Befristung bis zur Verfahrenseröffnung vor, manche räumen der Bank ein Kündigungsrecht für den Fall ein, dass zum endgültigen Insolvenzverwalter bzw. endgültigen Sachwalter eine andere Person als derjenige vorläufige Verwalter, mit dem sie den Kredit vereinbart bzw. der ihm zugestimmt hat, bestellt wird. Bei ihrer Entscheidung, ob anstelle des bisherigen Verwalters ein anderer eingesetzt bzw. seine Bestellung gefordert werden soll, sollten das Insolvenzgericht, der vorläufige Gläubigerausschuss und die Gläubigerversammlung berücksichtigen, dass der Verwalterwechsel die Bank veranlassen kann, eine Verlängerung des Kredits nach Ablauf der Frist zu verweigern oder ihr Kündigungsrecht auszuüben. Dies kann die geordnete Verfahrensabwicklung beeinträchtigen und eine erhoffte Sanierung vereiteln. Damit erheben sich die Fragen,

5.727

– ob derartige Klauseln generell unwirksam sind, – ob das Kündigungsrecht im konkreten Einzelfall ausgeschlossen bzw. die Bank zur Prolongation verpflichtet ist oder – ob die Bank in ihren jeweiligen Kreditentscheidungen völlig frei ist. Zunächst ist zwischen Befristungen und Kündigungsklauseln zu unterscheiden. a) Befristungen Ist vereinbart, dass die Laufzeit des Massekredits am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet, reicht für den Eintritt der Fälligkeit dieses Ereignis, ohne dass es zuvor einer zusätzlichen Aufforderung oder sogar Kündigung seitens der Bank bedürfte3. Der Zeitpunkt für die Rückzahlung für den Kreditnehmer ist bereits bei Aufnahme des Kredits vereinbart und damit ohne Weiteres voraussehbar und er kann sich bei seinen Dispositionen auf diesen Zeitpunkt einrichten. Deshalb ist kein Raum für die Argumente, dass eine Rückzahlung des Kredits nicht zur Unzeit verlangt werden dürfe, dass das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) oder die Schaffung eines Vertrauenstatbestands durch langfristige Kreditgewährung eine Bindung begründen. Der Schuldner bzw. der vorläufige Verwal1 AG Flensburg v. 8.4.2003 – 56 IN 60/03, ZIP 2003, 920 (921); Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 21 Rn. 24 u. § 22 Rn. 5 sowie Vallender/Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 59 Rn. 3 u. Rn. 10 f. 2 Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22a Rn. 62. 3 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZIP 2013, 79 = WM 2013, 88 (90, Rn. 12).

Huber | 1103

5.728

Fünfter Teil Rz. 5.728 | Kreditgeschäft

ter darf eine solche Vereinbarung nicht abschließen, wenn er damit rechnet, dass er sie nicht einhalten kann.

5.729

Einen Anspruch auf Prolongation haben weder der bisherige noch ein etwa neu bestellter Insolvenzverwalter bzw. der Insolvenzschuldner im Eigenverwaltungs(eröffnungs)verfahren. Vereinzelt (vgl. dazu Rn. 5.150) wurde zwar die Auffassung vertreten, dass die Hausbank gegenüber einem sanierungsbedürftigen Unternehmen grundsätzlich verpflichtet sei, im Rahmen vorhandener oder zusätzlich angebotener Sicherheiten den unerlässlichen, kurzfristigen Liquiditätsbedarf zur Verfügung zu stellen oder zu belassen. Begründet wurde dies mit dem Verbot übermäßiger Schädigung und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Diese Ansicht findet jedoch weder im Gesetz noch in der Entwicklung der Gesetzgebung eine Stütze.

5.730

Die Bank muss ihre Weigerung, den Kredit zu verlängern, nicht begründen und sollte das auch nicht tun. Insbesondere wäre es unklug, den Verwalterwechsel als Grund anzuführen, weil dies nur zu fruchtlosen Auseinandersetzungen führen kann. b) Kündigungsklauseln

5.731

Eine vertragliche Vereinbarung, derzufolge die Bank zur Kündigung ihres Kredits berechtigt ist, wenn ein Verwalterwechsel stattfindet, stellt eine Sonderform der sog. Change of Controloder Inhaberwechselklausel dar. Darunter werden im Allgemeinen solche Vertragsbestimmungen verstanden, die einem Vertragspartner für den Fall, dass sich die Kontroll- oder Mehrheitsverhältnisse beim anderen Vertragspartner, insbesondere durch einen Gesellschafter- oder Geschäftsführerwechsel, ändern, bestimmte Gestaltungsrechte, vornehmlich ein Recht auf Kündigung des Vertragsverhältnisses, einräumen1. Bei solchen Kündigungsklauseln muss nach den Motiven für ihre Vereinbarung gefragt und zwischen der Wirksamkeit ihrer Vereinbarung und der Zulässigkeit der Ausübung des Kündigungsrechts im konkreten Fall unterschieden werden. aa) Motive für die Vereinbarung von Kündigungsklauseln

5.732

Ziel der Bank ist bei Change of Control-Klauseln die Beibehaltung der im Zeitpunkt der Kreditgewährung bestehenden Gesellschafterstruktur während der Laufzeit des Kreditvertrags, etwa weil die Gesellschafter Garanten des technischen und/oder fachlichen Know-hows des Kreditnehmers sind oder dessen Geschäftsführung stellen2. Dies wird im allgemeinen Kreditgeschäft als legitim angesehen3.

5.733

An diese Praxis schließen sich Befristungen von Verwalterkrediten und Kündigungsrechte für den Fall des Verwalterwechsels an. Auf die Bank wirkt ein Wechsel in der Person des Verwalters ähnlich wie ein Schuldnerwechsel. Bei Verwalterkrediten setzt die Bank ihr Vertrauen in die Eignung der Person des Verwalters. Die fachliche und persönliche Eignung des Verwalters ist in Insolvenzsituationen von entscheidender Bedeutung, da sich das Unternehmen in einer existenzbedrohenden Krise befindet4. Dagegen spielen bei Krediten an „lebende“ Unterneh1 Cramer WM 2011, 825; Mielke/Nguyen-Viet DB 2004, 2515 f. 2 K.P. Berger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 490 Rn. 57; Schönfelder/Früh/Müller-Arends in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 3/84h; s. auch Cramer WM 2011, 825 (826). 3 Schönfelder/Früh/Müller-Arends in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 3/84h; s. auch Jetter in Eilers/ Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl. 2014, C Rn. 30. 4 Huber NZI 2014, 439 (445).

1104 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.735 Fünfter Teil

men das Geschäftsmodell und die Unternehmenssubstanz eine große Rolle und Änderungen in der Geschäftsführung oder im Vorstand müssen grundsätzlich keinen Kündigungsgrund darstellen. Aber auch hier ist anerkannt, dass beispielsweise das Ausscheiden eines Gesellschafters, der einen Kredit an seine Gesellschaft besichert hat, aus dieser Gesellschaft eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann1. Dies muss erst recht bei insolventen Unternehmen gelten. Wegen der besonderen Risikolage müssen Banken mit Massekrediten sehr zurückhaltend sein. Wenn sie bisher bei dem insolventen Unternehmen nicht engagiert waren, beruht ihr (seltener) Einstieg meist in ganz erheblichem Ausmaß auf dem Vertrauen in die Fähigkeiten des vorläufigen Verwalters, ist also schon aus diesem Grund an seine Person geknüpft. Auch dann, wenn die Bank bereits zu den Kreditgebern des notleidenden Unternehmens gehört, sind die Risiken der Finanzierung abzuwägen gegen die Aussicht, durch einen Massekredit gemeinsam mit allen Gläubigern eine Verbesserung der Quote aus den Altforderungen erreichen zu können. Die Hoffnung auf eine Aufwertung der Sicherheiten dürfte angesichts der Rechtsprechung zur Anfechtung (vgl. dazu Rn. 6.209 ff. und Rn. 6.378 f., Rn. 6.555) keine Rolle mehr spielen. Zwar bleibt beim Verwalterwechsel die Insolvenzmasse dieselbe. Kredite, die der vorläufige Verwalter vor dem Verwalterwechsel aufgenommen hat und denen im eröffneten Verfahren Masseschuldcharakter zukommt, behalten zwar diesen Rang unberührt von dem Wechsel des Verwalters. Kredit wird jedoch immer auch „eingeräumt aufgrund des Vertrauens, welches man hinsichtlich der Erfüllung der dadurch entstandenen Verbindlichkeiten genießt ... Daher schenkt der Kreditgeber dem Kreditnehmer Kredit (lat. credere)“2; dieses Wort wiederum setzt sich zusammen aus „cor“ und „dare“, übersetzt: „das Herz geben“. Zentraler Punkt für ein Kreditverhältnis ist nämlich das Vertrauen der Bank sowohl in die persönliche Integrität des Kreditnehmers3 als auch in seine persönliche und sachliche Kreditwürdigkeit. Persönliche Kreditwürdigkeit besteht im Wesentlichen aus folgenden Eigenschaften: Solidität, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, einwandfreier Ruf, Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Sie ist unbedingte Voraussetzung für einen Kredit. Zur sachlichen Kreditwürdigkeit werden gezählt Branchenkenntnisse, Marktkenntnisse, Kostenbewusstsein, finanzwirtschaftliches Verhalten und Organisationstalent4. Sind diese Elemente nicht gegeben, kommt es auf den Zustand des Unternehmens nicht mehr an, ein Kredit muss abgelehnt werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Forderungen aus dem Kredit im eröffneten Verfahren Masseforderungen darstellen und damit einen Vorrang vor allen Altforderungen genießen, also bei ausreichender Masse theoretisch kein Risiko beinhalten sollten.

5.734

Letztlich hängt es von der Kompetenz des vorläufigen Verwalters ab, ob die Masse mit größter Wahrscheinlichkeit tatsächlich ausreichen dürfte, um wenigstens die vorrangigen Forderungen zu bedienen. Die hohe Zahl massearmer und masseloser Verfahren zeigt eindrucksvoll, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Dies gilt auch für das Eigenverwaltungsverfahren, unabhängig davon, dass der (vorläufige) Sachwalter grundsätzlich nur Aufsichtsbefugnisse hat. Die bisher für die Insolvenzschuldnerin handelnden Personen haben oft versucht zu retten, was nicht (mehr) zu retten war und sich nicht immer so verhalten, dass ein Kreditinstitut zu ihnen das für eine Kreditgewährung erforderliche Vertrauen hat oder auch nur kurzfristig

5.735

1 OLG Nürnberg v. 28.12.2012 – 6 U 2035/10, WM 2013, 979 (981 m.w.N.). 2 So schon Meyers Konversations-Lexikon, 1888, Stichwort Kredit (über das Projekt „retro-Bibliothek“ mittlerweile online verfügbar). 3 Schönfelder/Früh in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 3/1; Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 147. 4 Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, 428.

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Fünfter Teil Rz. 5.735 | Kreditgeschäft

aufbauen könnte1. Die Person des gerichtlich eingesetzten vorläufigen Sachwalters (sowie ggf. eines kurzfristig in das Unternehmen berufenen Sanierungsfachmanns) ist dann also auch in dieser Konstellation entscheidend für eine positive Kreditentscheidung des Kreditinstituts. Seine Person kann – ebenso wie der vorläufige Insolvenzverwalter im regulären Insolvenzverfahren – auch für Kreditinstitute eine „Schicksalfrage für die erfolgreiche Insolvenz“2 bzw. deren Durchführung sein3. Deshalb beruht eine Kreditzusage auf dem Vertrauen in den vorläufigen Verwalter bzw. Sachwalter, dass er für die vertragsgemäße Rückzahlung sorgt und der Bank durch den neuen Kredit kein neuer Schaden entsteht. Denn die Bank „beleiht“ beim Massedarlehen kein Unternehmen, sondern gibt Kredit an einen Kreditnehmer. Darin liegt der Unterschied zwischen Massekredit und Pfandleihe.

5.736

Ob der vorläufige Verwalter die benötigten Eigenschaften besitzt, muss die Bank auch schon aus aufsichtsrechtlichen Gründen eigenverantwortlich prüfen. Es wäre absurd zu erwarten, dass die Bank Geld zur Verfügung stellt und ein Insolvenzrichter bestimmt, wer Kreditnehmer wird4. Die Verwendung externer Bonitätseinschätzungen enthebt das Institut nicht von seiner Verpflichtung, sich ein Urteil über das Adressenausfallrisiko zu bilden und dabei eigene Erkenntnisse und Informationen in die Kreditentscheidung einfließen zu lassen5. Deshalb kann es nicht einem Insolvenzrichter, der nach völlig anderen Kriterien als eine Bank urteilt, die Entscheidung überlassen, ob ein Kredit noch vertretbar ist. bb) Grundsätzliche Wirksamkeit von Kündigungsklauseln

5.737

Kündigungsklauseln für den Fall des Verwalterwechsels können weder als sittenwidrig noch als – falls sie den Charakter Allgemeiner Geschäftsbedingungen besitzen – unangemessene Benachteiligung (§ 307 BGB) oder als Überraschungsklausel (§ 305c BGB) eingeordnet werden. Sie sind, wie oben dargestellt, gebräuchlich und nicht überraschend. Sie stützen sich auf anerkennenswerte Gründe und Pflichten der Kreditinstitute. Wie schon § 414 BGB zeigt, verstößt es nicht gegen Treu und Glauben, wenn Banken Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, dass ihnen vom Insolvenzgericht ein Vertragspartner (bzw. in der Eigenverwaltung eine den Vertragspartner beaufsichtigende Person) zugewiesen wird, dessen Eignung sie nicht beurteilen können.

5.738

Die Wirksamkeit solcher Kündigungsklauseln ist insbesondere im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren am AG Stendal in Frage gestellt worden, weil dort „der Bestand des Massedarlehens ... an die Bestellung des vorläufigen Sachwalters zum endgültigen Sachwalter geknüpft (wurde)“6. Diese Bindung sei rechtswidrig und eine entsprechende Koppelung der Darlehenszusage an die Bestellung einer bestimmten Person müsse zur Ungeeignetheit dieser Person führen, weil von einer Verflechtung mit dem Darlehensgeber auszugehen ist, die Zweifel an der objektiven Verfahrensabwicklung rechtfertige7; die Kündigung eines so gebundenen

1 2 3 4 5

Huber NZI 2014, 439 (445). So die prägnante Fragestellung von Lissner BB 2014, 265. Huber NZI 2014, 439 (445). Horstkotte ZInsO 2013, 160 (161); a.A. Ganter ZIP 2013, 597 (598, 600). BaFin-Rundschreiben 10/2021 v. 16.8.2021 „Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk“, BTO 1.2. f., abrufbar unter www.bafin.de. 6 So AG Stendal v. 1.10.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 2030 (2031). 7 Vgl. Pape ZInsO 2013, 2129 (2132); ähnlich Pape ZIP 2013, 2285 (2287 u. 2290); Frind DB 2014, 165 (170); s. auch Ganter ZIP 2013, 597 ff.

1106 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.740 Fünfter Teil

Massedarlehens sei offensichtlich rechtswidrig1. Die Wirksamkeit ist auch angezweifelt worden, weil sie die Entscheidungsfreiheit des Insolvenzgerichts beeinträchtigten und damit einen unzulässigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit darstellten; Gläubiger dürften auf das Insolvenzgericht keinen wirtschaftlichen Druck ausüben2. Sein Recht und seine Pflicht zur Bestellung des geeigneten Insolvenzverwalters würden untergraben, wenn ein marktstarker Großgläubiger die Gewährung eines dringend benötigten Massekredits, den der Schuldner von dritter Seite nicht bekommen würde, von der Bedingung abhängig machen könnte, dass ausschließlich eine bestimmte, dem Gläubiger genehme Person eingesetzt werde3.

5.739

Diese Begründung ist schon in sich widersprüchlich. Wenn der Schuldner von dritter Seite nicht einmal mehr einen Massekredit erhalten würde, zeigt dies die Größe des Risikos, das eine Bank mit einer Massekreditgewährung eingeht. Dann aber sollte das Interesse, mit einem vorläufigen Verwalter zusammenzuarbeiten, dessen fachliche und persönliche Eignung ihr bekannt ist, nachvollziehbar sein4. Kein Gläubiger kann verpflichtet sein, in einer solchen Situation überhaupt noch Kredit zu geben oder zu belassen. Also kann ihm auch die Ausübung des vereinbarten Kündigungsrechts nicht abgesprochen werden. Die Schranken des Kündigungsrechts dienen dem Schutz des Kreditnehmers und nicht dem Schutz des Insolvenzgerichts. Dem Insolvenzgericht können die Abwägung und die Entscheidung nicht erspart bleiben, ob für die Gläubigergesamtheit die Tätigkeit eines dem Gericht genehmen Insolvenzverwalters oder die Betriebsfortführung durch einen fachlich geeigneten Verwalter, der eine Finanzierung erlangt, einen größeren Wert darstellt. Richtig ist natürlich, dass der vorläufige Insolvenzverwalter nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 56 InsO bzw. der vorläufige Sachwalter nach §§ 56, 274, 270b Abs. 1 Satz 1 InsO eine von den Gläubigern und dem Schuldner „unabhängige“ natürliche Person sein muss. Der Verwalter muss also seine Tätigkeit alleine im Interesse der Gläubigergemeinschaft ausüben, insbesondere darf er nicht in einer Abhängigkeit zu einem bestimmten Gläubiger – mit der Gefahr von Sondervorteilen oder gar der Erlangung von Sondervorteilen für den Verwalter oder den Gläubiger – stehen5. Dabei reicht es schon, wenn der Anschein einer Interessenkollision oder die Möglichkeit einer Pflichtwidrigkeit besteht, d.h. es reichen Umstände, die eine Besorgnis der Befangenheit bzw. Abhängigkeit begründen6. Der Besorgnisbegriff wird sehr umfassend verstanden, d.h. „jede gegenwärtige oder vergangene, wirtschaftliche oder tatsächliche Verflechtung des Insolvenzverwalters mit dem Insolvenzschuldner oder den Insolvenzgläubigern oder einem Insolvenzgläubiger“ reicht hierbei aus7. Daher dürfte eine für ein Verwalteramt vorgesehene Person, die – ggf. nur durch einen Sozius – eine ständige Geschäftsbeziehung zu einem Gläubiger unterhält, sicherlich Anlass zur Besorgnis der Befangenheit geben, insbesondere dann, wenn es sich um einen „Hauptgläubiger“ oder um institutionelle Gläubiger wie z.B. ein Kreditinstitut handelt8. „Ständige Geschäftsbeziehung“ meint sicherlich nicht das Konto dieser Person bei einem Kreditinstitut oder die für ihn geführten Insolvenzverwalterkonten, sondern die (tatsächlich oder) rechtlich gebundene vorallem dauerhafte In1 2 3 4 5

Das folgt aus AG Stendal v. 1.10.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 2030 (2031). BAKInsO Pressemitteilung v. 1.10.2012, abgedr. ZInsO 2012, Heft 45 S. IV. AG Stendal v. 1.10.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 2030 (2031). Fölsing ZInsO 2012, 2272 (2275). Graeber in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 56 Rn. 25; Zipperer lm Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 56 Rn. 41 f.; Delhaes/Römermann in Nerlich/Römermann, InsO, § 56 Rn. 17. 6 Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 56 Rn. 42; Huber NZI 2014, 439 (445 f. m.w.N.). 7 So Graeber in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 56 Rn. 25 u. 37. 8 Frind ZInsO 2014, 119 (123).

Huber | 1107

5.740

Fünfter Teil Rz. 5.740 | Kreditgeschäft

teressenvertretung des Gläubigers durch die für das Verwalteramt vorgesehene Person, beispielhaft als Poolführer, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt oder Inkassobeauftragter; ähnliches gilt, wenn ein Kreditinstitut sich mit dieser Person zusammengetan hat, um insolvente Unternehmen zu sanieren1. Warum aber außerhalb einer solchen „ständigen Geschäftsbeziehung“ die Bindung eines Kredits an einen bestimmten vorläufigen Verwalter per se rechtswidrig sein bzw. zur Ungeignetheit der Person führen soll, weil eine Verflechtung anzunehmen sei, leuchtet nicht ein, denn – wie erwähnt – ist für das Kreditinstitut in der oft unübersichtlichen Insolvenzsituation der vorläufige Insolvenzverwalter bzw. der vorläufige Sachwalter die entscheidende Vertrauensperson für die Kreditentscheidung2. Nicht nachvollziehbar erscheint auch die Ansicht, dass ein so gebundener Massekredit nicht gekündigt werden darf; es wäre höchstens zu fragen, ob eine einschlägige Kündigung unberechtigt war und ggf. zu Schadensersatzansprüchen führt3. Im Übrigen hat auch der Gesetzgeber durch § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 InsO deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein bestimmter Verwaltervorschlag eines Gläubigers nicht (mehr) zur Ablehnung der vorgeschlagenen Person allein deshalb führen kann, weil er von einem Gläubiger vorgeschlagen worden ist4. Es wäre dann widersinnig, wenn ein Gläubiger zwar einen geeigneten vorläufigen Verwalter vorschlagen kann, er seine Kreditentscheidung aber nicht darauf stützen kann, weil damit eine Verflechtung eintreten soll5. Diese Ansicht entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, der (nicht nur) bei der Sanierung eines insolventen Unternehmens in Eigenverwaltung das frühzeitige Gespräch des Insolvenzschuldners mit seinen Hauptgläubigern als wesentlich für die vorgesehene Sanierung angesehen hat6 – und bevor ein Kreditinstitut die Sanierung begleitet, wird es sich genau anschauen, wie das Konzept für die Sanierung aussieht und wer dies vorallem umsetzen bzw. die Umsetzung beaufsichtigen soll7. Es sollte in dem Zusammenhang einleuchtend sein, dass ein Kreditinstitut Wert auf eine durchgehende Begleitung der Sanierung durch die für die Umsetzung vorgesehene bzw. sie beaufsichtigende Person legt, oder anders: cum grano salis könnte gesagt werden, dass der Gesetzgeber offensichtlich nichts gegen eine einschlägige Bindung enzuwenden hat8.

5.741

Im Umkehrschluss folgt aus diesen Erwägungen, dass ein so gebundener Massekredit mit den banküblichen Bedingungen zu gewähren ist9, denn unübliche Sonderbedingungen können durch ihre Gestaltung ggf. zumindest Zweifel der Besorgnis der Befangenheit der vorgeschlagenen Person entstehen lassen. Die Bindung eines Massekredits an eine bestimmte Person alleine kann also nicht zu einer Besorgnis oder gar zur Ungeeignetheit dieser Person führen bzw. sogar die Kündigung des Kredits ausschließen10.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Huber NZI 2014, 439 (446). Huber NZI 2014, 439 (446). Insoweit zutreffend Ganter ZIP 2013, 597 (602 ff.). Der Gesetzgeber hat auch die besondere „Vertrauensstellung“ des vorläufigen Verwalters für Gläubiger anerkannt, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ESUG, BTDrucks. 17/5711, S. 37. Huber NZI 2014, 439 (446). BegrRegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, 40; s. auch Vallender GmbHR 2012, 450 (453). Huber NZI 2014, 439 (446). Huber NZI 2014, 439 (446). Fölsing ZInsO 2012, 2272 (2275); s. auch Haarmeyer ZInsO 2012, 2210. Huber NZI 2014, 439 (446).

1108 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.745 Fünfter Teil

cc) Ausschluss des Kündigungsrechts im Einzelfall Auch wenn die Kündigungsklausel für den Fall des Verwalterwechsels als solche also nicht zu beanstanden ist, kann der Bank im Einzelfall die Ausübung ihres Kündigungsrechts verwehrt sein. Sie darf ihr Kündigungsrecht nicht willkürlich und ohne Rücksicht darauf ausüben, ob dem Kunden ein vermeidbarer Nachteil zugefügt wird, der durch eigene Interessen der Bank nicht zu rechtfertigen ist (vgl. dazu Rn. 5.348). Sie muss auf die Interessen ihrer Schuldner hinlänglich Rücksicht nehmen und beachten, dass ein wirtschaftlich gefährdeter Betrieb für eine Kreditentziehung besonders empfindlich ist (s. auch Rn. 5.332). Für die Berechtigung der Bank zur Ausübung ihres Kündigungsrechts lassen sich in etwa folgende Fallgruppen bilden:

5.742

Eine Bank, die nicht als Gläubigerin in dem Insolvenzverfahren beteiligt ist, kann wegen des Austauschs ihres Vertragspartners ihr Kündigungsrecht ohne Einschränkungen wahrnehmen. Sie setzt sich nicht dem Verdacht aus, eigensüchtige Ziele in dem Insolvenzverfahren zu verfolgen. Ihrem Anliegen und ihrer Verpflichtung, nur mit Personen ihres Vertrauens zusammenzuarbeiten, gebührt der Vorrang vor dem Interesse der Masse, den Kredit zu behalten.

5.743

Eine Bank, die als Gläubigerin in dem Insolvenzverfahren beteiligt ist, kann ebenfalls wegen des Austauschs ihres Vertragspartners ihr Kündigungsrecht wahrnehmen, muss sich aber die Überprüfung gefallen lassen, ob sie ihr Kündigungsrecht willkürlich und ohne Rücksicht auf die Belange des Kunden ausgeübt hat oder ob sie dem Kunden einen vermeidbaren Nachteil zufügt. Eine Kündigung kann schon dann nicht als willkürlich bezeichnet werden, wenn die Bank den vom Insolvenzgericht eingewechselten Insolvenzverwalter nicht kennt oder ihn zwar kennt, aber mit ihm noch keine oder schlechte Erfahrungen in der Behandlung von Massedarlehen gesammelt hat. Denn dann fehlt es an dem notwendigen Vertrauen in den Kreditnehmer. Auch kann man einer Bank nicht verdenken, wenn sie negative Auswirkungen auf das Unternehmen und seine Abwicklung durch den Verwalterwechsel befürchtet und sich deshalb rechtzeitig zurückziehen möchte.

5.744

Eine Bank, die als Gläubigerin in dem Insolvenzverfahren beteiligt ist und Massekredite nur dann einzuräumen bereit ist, wenn ein bestimmter vorläufiger Verwalter eingesetzt ist, und seine Auswechselung ohne Rücksicht auf die Qualifikation anderer Verwalter als Kündigungsgrund nimmt, setzt sich dem Verdacht aus, illegitime Motive zu verfolgen, beispielsweise von Anfechtungen ihrer Sicherheiten verschont zu bleiben. Ein Verdacht reicht jedoch nicht aus, um ihr das Kündigungsrecht abzusprechen. Denn das Urteil, ob ein Kredit noch vertretbar ist, steht nicht dem Insolvenzgericht, sondern nur der Bank zu, die sich dabei im aufsichtsrechtlich vorgegebenen Rahmen bewegen muss. Klüger ist es dann, wenn das Insolvenzgericht zwar den von dieser Bank bevorzugten Insolvenzverwalter im Amt belässt, aber durch Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters, dem als Aufgabe die Wahrnehmung sämtlicher Anfechtungsrechte übertragen werden kann, möglichen Interessenkollisionen vorbeugt. Dies setzt allerdings voraus, dass das Insolvenzgericht konkrete Anhaltspunkte hat, wo sich die Befangenheit des „Bankenverwalters“ auswirken kann. Darüber muss es sich Gedanken machen und darf nicht pauschal auf populäre Vorurteile1 zurückgreifen.

5.745

1 Beispiele s. Ganter ZIP 2013, 597 (598 ff.).

Huber | 1109

Fünfter Teil Rz. 5.746 | Kreditgeschäft

10. Massekostenvorschuss 5.746

Der Massekostenvorschuss ist eine Finanzierungsmaßnahme insbesondere eines Gläubigers1 im Insolvenzantragsverfahren, der die Verfahrenseröffnung sicherstellen soll und der z.B. geprüft werden kann, wenn es keine Kreditgewährung durch eine Bank gibt und um die Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrages mangels Masse auszuschließen und die Durchführung eines geregelten Insolvenzverfahrens zu ermöglichen, das die praktische Durchsetzung der Absonderungsrechte gewährleistet und Vermögensverschiebungen verhindert2. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO unterbleibt eine Verfahrensabweisung mangels Masse, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a InsO gestundet werden. Die Kostenstundung gemäß § 4a InsO erfordert, dass es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person handelt, die einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat3; dann kann ein Massekostenvorschuss nicht relevant werden. Der Vorschuss muss die Kosten des Verfahrens gemäß § 54 InsO decken4, bei teilweiser Nichtdeckung braucht nur der fehlende Teilbetrag vorgeschossen zu werden. Weitere Kosten können in den Vorschuss nicht einbezogen werden; die Reichweite des Vorschusses kann auch nicht durch eine Vereinbarung zwischen dem Verwalter und dem Leistenden ausgedehnt werden5. Sonstige Masseverbindlichkeiten sind nicht in Ansatz zu bringen6. Es besteht weder eine Pflicht zur Zahlung eines Massekostenvorschusses noch eine Verpflichtung, einen Nachschuss zu leisten, wenn sich später zeigen sollte, dass der eingezahlte Vorschuss nicht ausreicht7.

5.747

Mit dem Massekostenvorschuss dürfen keine Bedingungen oder eine Zweckbestimmung verbunden werden; eine Bank darf also beispielsweise ihre Erklärung, einen Massekostenvorschuss bereitzustellen, nicht davon abhängig machen, dass das Gericht Eigenverwaltung anordnet8. Die „Anforderung“ des Vorschusses erfolgt durch das Insolvenzgericht, nachdem es zweckmäßigerweise vorher auf die drohende Abweisung mangels Masse hingewiesen hat9. Für die Anerkennung als Massekostenvorschuss ist es allerdings nicht erforderlich, dass der Vorschuss vom Gericht förmlich angefordert wurde10. Die Bezeichnung als Massekostenvorschuss ist ebenfalls nicht maßgeblich. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung das Verfahren ohne den vorgeschossenen Betrag mangels Masse nicht hätte eröffnet werden können. Der Vorschuss ist nicht an den Schuldner zu zahlen, sondern muss direkt an die Gerichtskasse oder ggf. an den Insolvenz1 Es steht nicht nur dem (Fremd-)Antragsteller, sondern jedem Gläubiger oder auch einem Dritten – nicht aber dem vorläufigen Insolvenzverwalter – frei, einen Massekostenvorschuss einzuzahlen, vgl. Haarmeyer/Schildt in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 26 Rn. 27; Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 26 Rn. 24 f. Vgl. auch K. Schmidt NJW 2011, 1255 f. S. zum Massekostenvorschuss auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 169 ff. 2 OLG Brandenburg v. 11.10.2001 – 8 W 279/01, ZIP 2002, 139 = NZI 2002, 108; zur fehlenden Attraktivität dieses Konzepts s. K. Schmidt NJW 2011, 1255 (1256). 3 Mönning/Zimmermann in Nerlich/Römermann, InsO, § 26 Rn. 117. 4 S. zu den Kostenpositionen z.B. Mönning/Zimmermann in Nerlich/Römermann, InsO, § 26 Rn. 43 ff.; s. auch BegrRegE InsO, Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 103 f. 5 BGH v. 14.11.2002 – IX ZR 40/02, ZInsO 2003, 28. 6 Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 26 Rn.21. 7 Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 26 Rn. 22. 8 BGH v. 7.7.2005 – IX ZB 85/05, NZI 2006, 34 (35); BGH v. 5.8.2002 – IX ZB 51/02, ZIP 2002, 1695 = WM 2002, 1894, 1895 f. 9 S. i.E. Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 26 Rn. 27 ff.; Mönning/Zimmermann in Nerlich/Römermann, InsO, § 26 Rn. 69 ff. 10 OLG Brandenburg v. 17.1.2002 – 8 U 53/01, ZIP 2003, 451 (454).

1110 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.750 Fünfter Teil

verwalter überwiesen werden1. Der vorschiessende Gläubiger ist hinsichtlich der Festsetzung der Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters beschwerdebefugt2. Das Gericht dürfte, wenn die Zusage nicht von einem ihm bekannten und vertrauenswürdigen Unternehmen kommt, vorsorglich den Eingang der Zahlung abwarten, bevor es darauf eine Entscheidung stützt. Ein gezahlter Massekostenvorschuss ist nach h.M. ein zweckgebundenes Sondervermögen, das vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter als Treuhänder nur für die Kosten des § 54 InsO verbraucht werden darf und dessen „Überschüsse“, dh wenn der Vorschuss nicht vollständig benötigt wird, an den Einzahler zurückzuzahlen sind3. Die Ansicht, die Zusage sei als formbedürftiges Schenkungsversprechen einzuordnen4, ist vereinzelt geblieben; sie verträgt sich nicht mit dem Umstand, dass der Gläubiger, wenn die spätere Masse dafür ausreicht, Erstattung verlangen kann.

5.748

Folgendes Begleitschreiben kommt in Betracht:

5.749

M 28 Zahlung eines Massekostenvorschusses Briefkopf der Bank An das Amtsgericht – Insolvenzgericht – In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma ... werden wir der Gerichtskasse auf das Konto IBAN ... bei der Landeszentralbank den Betrag von ... Euro überweisen. Diese Zahlung dient als Vorschuss für die Kosten des Insolvenzverfahrens. Wir bitten um die Berücksichtigung dieses Betrages als Masseverbindlichkeit im Sinne von §§ 54 Nr. 1, 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO und zu gegebener Zeit um Rückerstattung. ... (A-Bank)

Nach Verfahrenseröffnung kann der einzahlende Gläubiger Befriedigung nach dem Rang des § 54 Nr. 1 InsO bzw. im Falle der Masseunzulänglichkeit gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO verlangen5. Daneben erwirbt er nach § 26 Abs. 3 Satz 1 InsO einen Erstattungsanspruch gegen jede Person, die „entgegen den Vorschriften des Insolvenz- und Gesellschaftsrechts den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens pflichtwidrig und schuldhaft nicht gestellt hat“. Dieser Erstattungsanspruch gegen antragspflichtige Organe6 hat in der Praxis wenig Bedeutung, da ein Vorgehen gegen Anspruchsverpflichtete trotz der Beweislastumkehr wirtschaft-

1 Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzodnung, 15. Aufl. 2019, § 54 Rn. 18 f. 2 BGH v. 20.12.2012 – IX ZB 19/10, ZIP 2013, 226 = WM 2013, 227 f. (Rn. 9 ff.). 3 Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 26 Rn. 26 u. Rn. 32; Haarmeyer/Schildt in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 26 Rn. 29 f.; Mönning/Zimmermann in Nerlich/Römermann, InsO, § 26 Rn. 72 ff. 4 LG Hamburg v. 13.9.2002 – 317 S 34/02, ZVI 2002, 362. 5 Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 171. 6 Vgl. BegrRegE InsO, Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 104.

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5.750

Fünfter Teil Rz. 5.750 | Kreditgeschäft

lich oft nicht erfolgversprechend ist bzw. erscheint.1 Zwar hat der Gesetzgeber durch § 26 Abs. 4 InsO eine Verpflichtung der Personen, die entgegen den Vorschriften des Insolvenzoder Gesellschaftsrechts pflichtwidrig und schuldhaft keinen Insolvenzantrag gestellt haben, zur Leistung eines Vorschusses postuliert; allerdings ist nicht ersichtlich, dass diese Norm in der Insolvenzpraxis die gewünschten Ergebnisse zeitigt2. Auch wenn es einem Gläubiger freisteht, einen „verlorenen“ Massekostenvorschuss einzuzahlen, wird er sich Im Zweifel nur dann zur Zahlung eines Massekostenvorschusses bereit erklären, wenn er durch die Verfahrenseröffnung einen nicht notwendig konkret messbaren „Mehrwert“ erzielt, zB wenn er ungesetzliche Verschiebungen des Schuldnervermögens verhindern will3.

5.751

Statt einen Massekostenvorschuss zu verlangen, begnügen sich die Gerichte manchmal auch mit einer Massekostengarantie4. Danach verpflichtet sich der Gläubiger zur Zahlung der Verfahrenskosten, für deren Deckung die Masse nicht ausreicht. Zu einer Inanspruchnahme dieser Garantie kommt es nur, wenn das Verfahren mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse eingestellt werden muss. Eine Anmeldung der bedingten Forderung des Garanten zur Tabelle ist entbehrlich, da die Bedingung erst in einem Zeitpunkt eintritt, in dem feststeht, dass keine Tabelle mehr erstellt wird.

11. Prozesskostenvorschuss 5.752

Dem Insolvenzverwalter kann auch schon geholfen sein, wenn ihm ein Gläubiger einen Prozesskostenvorschuss leistet, damit der Verwalter beispielsweise Anfechtungsmöglichkeiten ausnutzen, gerichtlich durchsetzen und auf diese Weise die Masse anreichern kann. Dies könnte im Einzelfall in Betracht kommen, wenn die an sich gebotene Prozesskostenhilfe dem Verwalter verweigert wird5, weil die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 116 ZPO nicht vorliegen sollen. In diesem Fall ist zwischen dem vorschiessenden Gläubiger und dem Insolvenzverwalter zu regeln, wie der Vorschuss zu erbringen bzw. einzusetzen ist und wie eine spätere Erstattung eines nicht verbrauchten Vorschusses oder ggf. auch eine Rückzahlung aus einem „Prozesserlös“ erfolgen soll.

12. Besonderheiten bei Negativ- und Positiverklärung 5.753

Nach den obigen Ausführungen kann im Insolvenzantragsverfahren die Vergabe neuer Kredite notwendig und zulässig, aber auch davon abhängig sein, dass die Bank für diese Kredite Sicherheiten erhält. Hat der Schuldner eine Negativerklärung abgegeben, d.h. sich gegenüber 1 Vgl. dazu Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 26 Rn. 31; Mönning/Zimmermann in Nerlich/Römermann, InsO, § 26 Rn. 86; Marotzke ZInsO 2013, 1940 (1941); Hollinderbäumer BB 2013, 1223 (1226); K. Schmidt NJW 2011, 1255 (1256 f.); Frind ZInsO 2010, 1161; s. auch BegrRegE ESUG BT-Drs. 17/5712, 36 f. 2 S. auch Marotzke ZInsO 2013, 1940 (1943); Hollinderbäumer BB 2013, 1223 (1226). Ein Indiz mag sein, dass es kaum (veröffentlichte) Entscheidungen gibt, aus jüngerer Zeit soweit ersichtlich nur AG Nürnberg NZI 2017, 638 und AG Hamburg v. 30.5.2016 – 67g IN 508/15, EWiR 2018, 121. 3 OLG Brandenburg v. 11.10.2001 – 8 W 279/01, ZIP 2002, 139 = NZI 2002, 108 (109); Haarmeyer/ Schildt in MünchKomm/InsO, 4. Aufl. 2019, § 26 Rn. 27; Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 26 Rn. 31; ähnlich Hollinderbäumer BB 2013, 1223 (1226). 4 BGH v. 5.8.2002 – IX ZB 51/02, ZIP 2002, 1695 = WM 2002, 1894 (1895); Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 26 Rn. 27. 5 Vgl. zur Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter z.B. Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 189 ff.

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E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.756 Fünfter Teil

einem Kreditgeber verpflichtet, andere Gläubiger nicht besserzustellen oder über bestimmte Sicherungsgüter nicht zu verfügen1, so hindert ihn dies nicht an der Bestellung von Sicherheiten für ein Darlehen, das im Insolvenzverfahren oder im Antragsverfahren mit Zustimmung des vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalters aufgenommen wird. Auch verpflichtet ihn eine Positiverklärung2 nicht mehr zur Bestellung von gleichwertigen Sicherheiten an den Begünstigten. Dies ergibt sich sowohl aus dem Sinn der Negativ- bzw. Positiverklärung als auch aus den Wirkungen der Insolvenzeröffnung oder des Verfügungsverbots im Antragsverfahren. a) Negativerklärung Die Negativerklärung verfolgt das Ziel, das Schuldnervermögen teilweise oder vollständig lastenfrei zu erhalten und eine Bevorzugung anderer Gläubiger bei der Bestellung von Sicherheiten am Schuldnervermögen zu verhindern3. Damit soll sichergestellt werden, dass die durch die Erklärung Begünstigten gerade auch im Fall der Insolvenz des Kreditnehmers wenigstens im Verhältnis zu dessen anderen Gläubigern keine schlechtere Rechtsstellung haben4.

5.754

Aus dem Sinn und Zweck der Negativklausel ergibt sich zugleich ihre Begrenzung: Wenn ein Insolvenzverfahren beantragt oder eröffnet und ein gerichtlich bestellter Verwalter eingesetzt ist, so übernimmt dieser kraft seines Amtes die Aufgabe, die gleichmäßige Behandlung der Gläubiger im Rahmen der gesetzlich geschaffenen Klassen sicherzustellen; bei einem Eigenverwaltungsverfahren gilt das sinngemäß. Für schuldrechtliche Vereinbarungen ist daneben kein Raum. Soweit sie mit dem Insolvenzzweck übereinstimmen, sind sie ohnehin bedeutungslos. Die gleichmäßige Behandlung der Gläubiger wird im Insolvenzverfahren nämlich durch das Verbot der Sonderbegünstigung (§§ 226, 294 InsO) und ggf. durch ein allgemeines oder besonderes Verfügungsverbot (§§ 21, 24 InsO) gesichert. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz wird auch bei der Aufnahme von Krediten aufrechterhalten: Die Kredite müssen der Förderung des Insolvenzverfahrens dienen, ihre zweckentsprechende Verwendung wird von dem Insolvenzverwalter überwacht. Insoweit decken sich also die Zielsetzungen der Negativerklärung mit denen des Insolvenzverfahrens. Unter diesen Umständen wäre es nicht folgerichtig, die Negativerklärung dahingehend auszulegen, dass sie Privilegierungen, die das Gesetz für das Insolvenzverfahren gestattet, verhindern will.

5.755

Die Einordnung der Forderungen aus einem Neukredit als Masseforderungen in einem etwa anschließenden Insolvenzverfahren kann die Negativerklärung ohnehin nicht unterbinden. Daher würde es dem durch die Negativerklärung Begünstigten nichts nützen, wenn er eine Besicherung des Neugläubigers untersagen könnte. Denn in einem anschließenden Insolvenzverfahren wäre der Neugläubiger auch ohne die Sicherheit aufgrund der Privilegierung durch § 55 Abs. 2 InsO in einer besseren Position als der durch die Negativerklärung Begünstigte.

5.756

1 Zu Form und Inhalt der Negativerklärung vgl. z.B. Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3039 ff.; Merkel/Richrath in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 77 Rn. 80 ff.; Obermüller, Ersatzsicherheiten im Kreditgeschäft, 1987, Rn. 410 ff. 2 Vgl. z.B. Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3078 ff.; Merkel/Richrath in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 77 Rn. 94 ff.; Obermüller, Ersatzsicherheiten im Kreditgeschäft, 1987, Rn. 460 ff. 3 Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3039 f.; Merkel/Richrath in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 77 Rn. 80; Mucke WM 2006, 1804 (1805). 4 Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3072; s. auch Ganter in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 69 Rn. 238.

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Fünfter Teil Rz. 5.756 | Kreditgeschäft

Die Forderungen des Inhabers der Negativerklärung werden in einem anschließenden Insolvenzverfahren nämlich nur dann mit einer Quote bedacht, wenn nach Befriedigung des Verwalterdarlehens noch Mittel für die einfachen Insolvenzgläubiger vorhanden sind. Würde aufgrund der Negativerklärung die Besicherung des Verwalterdarlehens unterbleiben, so hätte dies jedoch in einem massearmen Insolvenzverfahren nur Auswirkungen auf das Verhältnis der Bank zu anderen Massegläubigern: Die Bank müsste sich die vorhandene Masse mit diesen Gläubigern nach Maßgabe von § 209 InsO teilen und könnte nicht vorab auf Sicherheiten zurückgreifen. Dies würde allein den übrigen Massegläubigern zugute kommen. Es kann ausgeschlossen werden, dass die Negativerklärung dieses Ergebnis herbeiführen wollte. Bestätigt wird die Umwandlung des Inhalts einer Negativerklärung bei Einleitung eines Insolvenzverfahrens durch die Auslegung, die die Rechtsprechung1 bei einem vertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbot vorgenommen hat: Der BGH hat nämlich entschieden, dass der Zweck, den ein Aufrechnungsverbot verfolgt, entfällt, wenn der durch die Verbotsklausel Begünstigte insolvent geworden ist und nur noch eine gesetzlich geregelte Abwicklung aller Ansprüche und Gegenansprüche Platz greift2. Diese Entscheidung zeigt, dass Vereinbarungen im Fall der Insolvenz eines Vertragspartners in einem anderen Sinn als vor der Insolvenz ausgelegt werden können.

5.757

Sofern sich eine Negativerklärung ausnahmsweise einmal ausdrücklich auf die Bestellung von Sicherheiten innerhalb eines Insolvenzverfahrens erstrecken sollte, führt auch dies nicht zu dem Ergebnis, dass der Insolvenzschuldner gehindert wäre, über das von der Negativerklärung erfasste Sicherungsgut zu verfügen und es für ein sog. Verwalterdarlehen zur Verfügung zu stellen. Denn mit Antrag auf Insolvenzeröffnung ist der Schuldner verpflichtet, alles zu unternehmen, was das Erreichen des Insolvenzzwecks fördert; das Leitziel des Verfahrens ist der Abschluss eines Insolvenzverfahrens, das dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger entspricht (s. nur § 1 Satz 1 InsO). Verträge, die diesem Ziel dienen, kann der Verwalter abschließen, die weitere Erfüllung bestehender Verträge kann er ablehnen (§ 103 InsO). In diesem Bemühen hat der Schuldner den Insolvenzverwalter zu unterstützen (§ 97 Abs. 2 InsO). Insolvenzschuldner und Insolvenzverwalter müssen allen Bestrebungen einzelner Gläubiger entgegentreten, die diesen Erfolg in Gefahr bringen können. Sie müssen daher auch die Ansprüche aus einer Negativerklärung abwehren, wenn dadurch die Aufnahme eines Verwalterkredits erschwert oder vereitelt wird, weil die Banken diesen Neukredit nur gegen Sicherheiten einzuräumen bereit sind. Dazu gibt ihnen die Insolvenzordnung mit der zwangsweisen Beteiligung der Gläubiger am Verfahren (§ 38 InsO), dem Vollstreckungsverbot (§ 21 Abs. 2 Nr. 3, §§ 88, 89 InsO) und den Verfügungsbeschränkungen (§§ 21 ff. InsO) die entsprechenden Mittel an die Hand. Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch, der nicht dinglich abgesichert und inhaltlich nicht auf eine Aussonderung gerichtet ist, kann den Insolvenzverwalter nicht binden, wenn der zugrunde liegende Vertrag nicht die Insolvenzmasse verpflichtet3.

5.758

Die schuldrechtliche Verpflichtungserklärung der Negativerklärung kann zwar, wenn der (spätere) Insolvenzschuldner ihr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuwiderhandelt, 1 BGH v. 14.7.1994 – IX ZR 110/93, ZIP 1994, 1347 = NJW 1994, 2885 (2886); BGH v. 19.9.1988 – II ZR 362/87, ZIP 1988, 1340 = WM 1988, 1592 (1593 f.); BGH v. 26.2.1987 – I ZR 110/85, WM 1987, 732 (733 f. m.w.N.); OLG Frankfurt v. 22.1.1985 – 5 U 77/84, ZIP 1985, 559 = WM 1985, 512 (513 f.); s. auch Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 387 Rn. 17. 2 Zu Ausnahmen s. OLG Hamm v. 10.11.1999 – 13 U 67/99, ZIP 2000, 925 f.; OLG Düsseldorf v. 31.8.1998 – 9 U 25/98, ZIP 1998, 1790 (1792 f.); Lackhoff/Bauer NZI 2013, 427 (428 ff.). 3 BGH v. 10.7.2003 – IX ZR 119/02, ZIP 2003, 1550 = WM 2003, 1737 (1738 f.); s. auch BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 259/13, ZIP 2016, 828 = WM 2016, 799 (802, Rn. 20 ff.).

1114 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.761 Fünfter Teil

einen Schadenersatzanspruch auslösen1, der als Insolvenzforderung einzuordnen ist, weil er vor Verfahrensbeginn begründet wurde. Liegt die Zuwiderhandlung zeitlich nach der Verfahrenseröffnung, so ist, da der verletzte Unterlassungsanspruch selbst keine Insolvenzforderung ist, der Gläubiger auch mit dem Ersatzanspruch nicht am Insolvenzverfahren beteiligt2. Soll aber das rechtsgeschäftliche Verbot eine Insolvenzforderung sichern, so wird der Schadenersatzanspruch von der zu sichernden Kreditforderung überlagert, eine Addition von Erfüllungsanspruch und Schadenersatzanspruch zur Verdoppelung der Quote ist nicht zulässig. Denn beide Ansprüche beruhen auf einem identischen Lebenssachverhalt und können nicht schon deshalb zu selbständigen Forderungsanmeldungen führen, weil sie aus verschiedenen eigenständigen materiell-rechtlichen Normen abgeleitet werden3. Dies bedeutet, dass der durch eine Negativerklärung geschützte Gläubiger weder die Einräumung eines Verwalterdarlehens noch dessen Besicherung verhindern kann4. Andererseits ist der Insolvenzschuldner selbstverständlich nicht gehindert, eine neue Negativerklärung für einen Verwalterkredit abzugeben, um auf diese Weise eine Aushöhlung des haftenden Schuldnervermögens zu unterbinden.

5.759

b) Positiverklärung Positiverklärungen (auch Verpflichtungen zu künftiger Sicherheitenbestellung genannt)5 und Gleichrangklauseln führen im Insolvenzverfahren ebenfalls nicht dazu, dass der Begünstigte einen Anspruch auf Sicherheiten durchsetzen kann, wenn der Schuldner Dritten Sicherheiten für ein sog. Verwalterdarlehen gewährt. Zwar ist der Gegenstand einer Positiverklärung die Pflicht des Schuldners, der Bank auf deren erstes Anfordern eine ihr genehme Sicherheit einzuräumen; bei einer Gleichrangklausel entsteht die Besicherungspflicht in dem Zeitpunkt, in dem der Schuldner auch anderen Gläubigern Sicherheiten bestellt. Die Ansprüche aus derartigen, vor Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Vereinbarungen sind am Insolvenzverfahren beteiligt. Grundsätzlich müssten sie geschätzt und der Schätzwert auf die Quote herabgesetzt werden (§ 45 InsO). Da die Ansprüche aus der Positiverklärung bzw. Gleichrangklausel jedoch nur der Sicherung einer ebenfalls vom Insolvenzverfahren betroffenen Kreditforderung dienen, kommt ihnen kein selbständiger Wert zu. Sie können nicht der Kreditforderung hinzugerechnet werden und etwa zu einer Erhöhung der Quote führen6.

5.760

Das Ergebnis wird durch folgende Überlegungen bestätigt: Wenn z.B. die Positiverklärung mit einer Negativerklärung verbunden ist, so würde deren Durchsetzbarkeit dazu führen, dass der Gläubiger nur deshalb eine Vorzugsstellung durch nachträgliche Besicherung erhält, weil

5.761

1 Merkel/Richrath in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 77 Rn. 92. 2 Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 38 Rn. 41; angedeutet, aber nicht endgültig entschieden von BGH v. 10.7.2003 – IX ZR 119/02, ZIP 2003, 1550 = WM 2003, 1737. 3 BGH v. 11.7.1996 – III ZR 133/95, NJW 1996, 3151 (3152); Obermüller, Ersatzsicherheiten im Kreditgeschäft, 1987, Rn. 477. 4 Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3072; Merkel/Richrath in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 77 Rn. 92. 5 Zu Begriff, Rechtsnatur und Rechtsfolgen vgl. z.B. Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3078 ff.; Merkel/Richrath in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 77 Rn. 94 ff.; Obermüller, Ersatzsicherheiten im Kreditgeschäft, 1987, Rn. 460 ff. 6 Wittig/Wulfers in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 4/3111; Merkel/Richrath in Ganter in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 77 Rn. 104; Obermüller, Ersatzsicherheiten im Kreditgeschäft, 1987, Rn. 477.

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Fünfter Teil Rz. 5.761 | Kreditgeschäft

eine andere Gruppe von Gläubigern mit dem Verwalterdarlehen das Risiko auf sich nimmt, dem Verfahren zum Erfolg zu verhelfen. Das wäre äußerst unbillig.

III. Vorzeitige Zahlung von Insolvenzgeld durch Insolvenzgeldvorfinanzierung 5.762

Das Insolvenzgeld als Lohnersatzleistung „richtet“ sich zwar nicht an das insolvente Unternehmen, sondern an dessen Belegschaft. In Verbindung mit der Insolvenzgeldvorfinanzierung durch ein Kreditinstitut handelt es sich auch nicht um eine direkte Kreditgewährung des insolventen Unternehmens durch ein Kreditinstitut, aber dennoch um eine wesentliche Finanzierungsmaßnahme, um letztlich die Belegeschaft „bei der Stange zu halten“ und damit (erst einmal) die Fortführung des Unternehmens1 zu gewährleisten2. Die Vorfinanzierung des Insolvenzgelds ist ein legitimes und unionsrechtlich zulässiges Mittel, um einen Betrieb in der kritischen Situation zwischen Insolvenzantragstellung und Insolvenzeröffnung fortzuführen, ohne die künftige Insolvenzmasse mit vollen Entgeltkosten zu belasten. Sie dient damit dem Erhalt von Beschäftigung, Arbeitsplätzen und der Chance, den Betrieb – auch im Interesse der Gläubiger – wirtschaftlich zu sanieren3, obwohl das Insolvenzgeld als Sozialleistung die Sanierung nicht als primäres Ziel verfolgt4. Die Vorfinanzierung geschieht wie folgt:

5.763

Die Bank zahlt jedem Arbeitnehmer (bis zu drei Monaten jeweils) einen Betrag in Höhe seines rückständigen oder fälligen Nettolohns, um zu erreichen, dass die Arbeitnehmer weiter tätig bleiben. Denn selbst wenn sich die Arbeitnehmer in Kenntnis der schlechten Unternehmenssituation von ihrem bisherigen Arbeitgeber über den fälligen Zahlungstermin hinaus mitunter Wochen haben vertrösten lassen, kann sie nach dem Insolvenzantrag auch der Hinweis auf die spätere staatlich garantierte Zahlung von Insolvenzgeld kaum noch motivieren, weiter tätig zu sein5. Der Anspruch auf Insolvenzgeld und damit auch der korrespondierende Antrag auf die Gewährung ist an das Eintreten eines Insolvenzereignisses nach § 165 Abs. 1 SGB III geknüpft, für den wichtigsten Fall, dass das Insolvenzverfahren eröffnet wird (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. SGB III)6. Ein Vorschuss kann zwar von der Agentur für Arbeit unter den Voraussetzungen des § 168 SGB III „nach pflichtgemäßem Ermessen“ gezahlt werden, setzt aber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus7. Wenn es allerdings um die weitere Tätigkeit in einem noch nicht beendeten Arbeitsverhältnis geht, kann während des Antragsverfahrens ein Vorschuss nicht verlangt werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Arbeitnehmer erklärtermaßen zur Weiterarbeit bereit wären und hierdurch möglicherweise Arbeitsplätze erhalten werden könnten. Deshalb bleibt nur noch die Hilfeleistung durch Vorfinanzierung

1 Vgl. Muschiol ZInsO 2016, 248: „elementarer Baustein zur Fortführung und Sanierung“. 2 Cranshaw ZInsO 2013, 1493; zur Insolvenzgeldvorfinanzierung als Sanierungsinstrument s. Muschiol ZInsO 2016, 248 ff.; Kremer/Fahlbusch ZInsO 2015, 837 ff.; Hunold NZI 2015, 785 ff. S. auch Huber in LBS, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020, Kap. 32 Rn. 167 f. 3 Wroblewski AuR 2015, 210 (211). 4 Cranshaw ZInsO 2013, 1493. Das Insolvenzgeld dient nach seiner Zielsetzung der Absicherung des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und stellt materiell eine eigenständige Sozialversicherung dar, vgl. BAG v. 25.6.2014 – 5 AZR 283/12, ZIP 2014, 2147 = NZI 2015, 81 (82, Rn. 21). 5 Kübler ZGR 1982, 498 (503). 6 Zu den weiteren anspruchsauslösenden Insolvenzereignissen nach § 165 Abs. 1 SGB III s. Rn. 5.765. Zur Ausschlussfrist s. EuGH v. 18.9.2003 – C-125/01, ZIP 2003, 2173 = NZI 2003, 617 (618 f.). 7 Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 168 SGB III Rn. 3.

1116 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.765 Fünfter Teil

von Seiten einer Bank, um auf diese Weise den Betrieb am Leben und damit die Möglichkeit zu erhalten, ihn als Ganzes oder wenigstens zum Teil zu veräußern und die Arbeitsplätze zu retten. Die Mittel für die Rückerstattung der Gelder, die die Bank verauslagt hat, werden aus den Insolvenzgeldzahlungen aufgebracht, die wiederum durch eine Umlage auf die Arbeitgeber finanziert werden (§ 358 SGB III)1.

5.764

1. Voraussetzungen für Ansprüche auf Insolvenzgeld Nach § 165 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld gegen die zuständige Agentur für Arbeit, wenn sie im Inland beschäftigt waren und ihnen bei einem „Insolvenzereignis“ noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses2 zustehen. Als anspruchsauslösendes „Insolvenzereignis“ postuliert der Gesetzgeber die (im Allgemeinen inländische) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III)3, die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III) oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III)4. Voraussetzung ist die Insolvenzfähigkeit des Unternehmens5. Es ist nicht notwendig, dass das Arbeitsverhältnis wenigstens bis zur Insolvenzeröffnung fortbestanden hat; vielmehr gewähren auch Forderungen aus Arbeitsverhältnissen, die vor der Insolvenzeröffnung beendet wurden, einen Anspruch auf 1 Zur Verfassungsmäßigkeit der Insolvenzgeldumlage s. BVerfG v. 2.2.2009 – 1 BvR 2553/08, ZIP 2009, 680 (681 f.). 2 Zur (fehlenden) Bedeutung der Fälligkeit vgl. Zobel in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 123; s. auch Wroblewski AuR 2015, 210 (211). Der Kreis der insolvenzgeldberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist dabei nach arbeitsrechtlichen Maßstäben zu bestimmen, vgl. BSG v. 3.11.2021 – B 11 AL 4/20 R, ZIP 2022, 1069 (1070 ff., Rn. 15 ff.). 3 BSG v. 29.6.2000 – B 11 AL 75/99 R, ZInsO 2001, 369 (370); Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 12; Zobel in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 105. Ein ausländisches Insolvenzereignis führt nach § 165 Abs. 1 Satz 3 SGB III zu einem Anspruch auf Insolvenzgeld (nur) für im Inland beschäftigte Arbeiznehmerinnen und Arbeitnehmer; ausgeschlossen sind also Ansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Tätigkeitsschwerpunkt im Ausland liegt, vgl. BSG v. 29.6.2000 – B 11 AL 35/99 R, ZInsO 2001, 372 (373 f.); Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 13; weiterführend Cranshaw ZInsO 2013, 1493 (1495 f.). 4 Der Tag des Insolvenzereignisses, z.B. bei § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III also der Tag, an dem das Verfahren eröffnet wird, ist nicht gedeckt, d.h. in den Drei-Monats-Zeitraum nicht einzubeziehen, vgl. BSG v. 22.3.1995 – 10 RAr 1/94, ZIP 1995, 935 (940); Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 38. Zu den jeweiligen Insolvenzereignissen s. z.B. Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 12 ff.; Zobel in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 102 ff.; vgl. im Übrigen die „Fachliche Weisungen Insolvenzgeld“ der Bundesagentur sowie das Merkblatt „Insolvenzgeld für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, beides zu finden auf www.arbeitsagentur.de. Zwischen den Insolvenzereignissen besteht kein Rangverhältnis; vielmehr kommt es auf das Ereignis an, durch das die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitsgebers erstmals zutage getreten ist, vgl. LSG Bayern v. 29.1.2015 – L 9 AL 12/12, ZInsO 2015, 1512 (1513). 5 EuGH v. 9.11.1995 – C-479/93, ZIP 1996, 1791 (1792 f.).

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5.765

Fünfter Teil Rz. 5.765 | Kreditgeschäft

Insolvenzgeld. Solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit fortdauert, tritt kein neues Insolvenzereignis ein, so dass in diesem Fall, auch wenn das erste Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben war, kein erneuter Anspruch entstehen kann, d.h. die betroffenen Arbeitnehmer für die Zeit vor dem erneuten Insolvenzverfahren nicht abermals Insolvenzgeld beanspruchen können1. Keinen Anspruch auf Insolvenzgeld haben nach § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die sie durch eine nach der Insolvenzordnung angefochtene Rechtshandlung oder eine Rechtshandlung, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar wäre, erworben haben2. Damit dürften aber nach Sinn und Zweck des Insolvenzgeldes nur solche Ansprüche gemeint sein, auf die konkret kein (vertrags)rechtlicher Anspruch bestand, z.B. weil sie inkongruent gezahlt wurden, nicht aber „regulär“ zu bezahlende Ansprüche, bei denen der Insolvenzverwalter die Zahlung erfolgreich angefochten und der Arbeitnehmer den Rückgewähranspruch tatsächlich erfüllt hat3.

2. Finanzierungsarten 5.766

Für die Finanzierung des Insolvenzgeldes durch eine Bank kommen mehrere Wege in Betracht4: – Die Bank kann dem Arbeitnehmer seine Lohnforderung gegen den Arbeitgeber zum Nennwert abkaufen. Ihr Schuldner ist dann vor Stellung des Antrags auf Insolvenzgeld der insolvenzreife Unternehmer; die Arbeitnehmer haften für die Einbringlichkeit der Forderung nicht. Mit Einreichen des Antrags auf Insolvenzgeld geht die Lohnforderung auf die Bundesagentur für Arbeit über; die Bank erhält als „Ersatz“ den Anspruch auf das Insolvenzgeld (Forderungskaufverfahren). – Stattdessen kann die Bank auch den Arbeitnehmern anstelle der fälligen Löhne Kredite einräumen und sich die Lohnforderungen gegen den Arbeitgeber zur Sicherheit abtreten lassen. In diesem Fall ist Schuldner der jeweilige Arbeitnehmer; aufgrund der Sicherungsabtretung erwirbt die Bank eine Forderung gegen den in der Krise befindlichen Arbeitgeber, die mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergeht (§ 169 SGB III)) und durch die Insolvenzgeldforderung ersetzt wird (Kreditierungsverfahren).

1 BSG v. 9.6.2017 – B 11 AL 14/16 R, NZI 2017, 862 (863 f., Rn. 15 ff.); BSG v. 23.5.2017 – B 12 AL 1/15 R, ZInsO 2017, 1890 (1892, Rn. 25); BSG v. 17.3.2015 – B 11 AL 9/14 R, ZIP 2015, 1402 (1403 f., Rn. 13 ff.); BSG v. 6.12.2012 – B 11 AL 11/11 R, NZI 2013, 454 (455 f., Rn. 16 ff.); s. auch LSG Sachsen-Anhalt v. 19.8.2020 – L 2 AL 38/18, ZInsO 2021, 1692 (1693 f.); LSG Sachsen v. 8.3.2018 – L 3 AL 140/16, ZInsO 2018, 1865 (1868); LSG Sachsen v. 13.2.2014 – L 3 AL 141/08, NZI 2014, 513 (514 ff.); LSG NRW v. 29.1.2015 – L 9 AL 278/13, ZInsO 2015, 803 (805 ff.); LSG NRW v. 10.4.2014 – L 16 AL 171/11, ZIP 2014, 1602 (1603 f.); Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 24; zum Insolvenzgeld vor einem sog. Zweitinsolvenzverfahren, d.h. über die freigegebene, selbständige wirtschaftliche Betätigung eines in der Verbraucherinsolvenz befindlichen Schuldners s. Schmerbach ZInsO 2009, 2078 (2097 f.). 2 Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 166 SGB III Rn. 5; Zobel in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 167. 3 LSG NRW v. 25.2.2016 – L 9 AL 70/14, ZInsO 2016, 1320 (1322 f.); ähnlich wohl auch Zobel in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 167. 4 S. auch Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 170 SGB III Rn. 13; Klüter WM 2010, 1483 (1485 ff.).

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E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.770 Fünfter Teil

– Möglich ist auch eine individuelle Vorfinanzierung durch jeden einzelnen Arbeitnehmer bei seiner Hausbank, bei der er sein Gehaltskonto um bis zu drei Monatsgehälter überzieht und diese Überziehung durch das Insolvenzgeld wieder zurückführt1. In der Praxis wird heute nur noch das Forderungskaufverfahren angewendet, insbesondere nachdem das BSG gegen das Kreditierungsverfahren, also die Darlehensgewährung an in Betracht kommende Arbeitnehmer, wegen der für den Arbeitnehmer verbleibenden Rückgriffsrisiken Bedenken gegen die Sicherungsabtretung der Lohnforderungen bzw. die weitere Nichtanwendung des Abtretungsverbots (§ 400 BGB) angemeldet hatte2. Das Forderungskaufverfahren wird im Allgemeinen auch den Arbeitnehmern eher entgegenkommen, weil damit das Risiko, dass das Insolvenzgeld tatsächlich zur Auszahlung kommt, auf die Bank verlagert wird. Auch entspricht diese Variante der Interessenlage und Zielrichtung der Bank, die bei der Kreditentscheidung nicht auf die Bonität der einzelnen Arbeitnehmer, sondern auf den Insolvenzgeldanspruch abstellt. Demzufolge wird im Folgenden nur noch das Forderungskaufverfahren behandelt.

5.767

Insolvenzgeldfinanzierungen sind nicht nur im Insolvenzantragsverfahren und im eröffneten Verfahren, sondern auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens zulässig (vgl. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und insbesondere Nr. 3 SGB III). Banken werden aber in der Praxis nur dann zu solchen Finanzierungen bereit sein, wenn schon ein Insolvenzantrag eingereicht und ein vorläufiger Verwalter bestellt ist, der nicht nur den Einsatz der Gelder organisiert, sondern auch dafür Sorge trägt, dass das Insolvenzverfahren rechtzeitig eröffnet wird. Wird Eigenverwaltung nach §§ 270a ff. InsO beantragt, kommt es darauf an, wie weit das Vertrauen der Bank in die unverändert im Amt bleibende Geschäftsleitung, ggf. eines eingesetzen Sanierungsfachmanns („Chief Restructurierung Officer“ – CRO) und den vorläufigen Sachwalter reicht. Kein Insolvenzgeld und damit auch keine Insolvenzgeldvorfinanzierung ist für die Restrukturierung nach dem StaRUG3 vorgesehen (s. dazu Rn. 5.95).

5.768

3. Risiken Die Finanzierung von Insolvenzgeld bleibt für die Bank nicht ohne Risiken. Die wesentlichen Gefahren bestehen darin, dass der Insolvenzantrag zurückgezogen oder das Insolvenzverfahren nicht oder nicht fristgerecht eröffnet bzw. mangels Masse abgewiesen oder dass die Frist für den Insolvenzgeldzeitraum nicht eingehalten wird4.

5.769

a) Risiken durch Antragsrücknahme Das mit Abstand größte Risiko der Insolvenzgeldvorfinanzierung liegt in der unbegründeten Rücknahme des Eigenantrags durch die Geschäftsleitung des Schuldnerunternehmens, denn ohne Insolvenzantrag kommt es weder zu der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch zu der Ablehnung mangels Masse und damit zu keinem Insolvenzereignis im Sinn von § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III, mithin auch nicht zu einem Schuldnerwechsel auf die Bundesagentur 1 Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 170 SGB III Rn. 16; Muschiol ZInsO 2016, 248 (250). 2 BSG v. 8.4.1992 – 10 RAr 12/91, ZIP 1992, 941 (943 f.); s. auch BSG v. 22.3.1995 – 10 RAr 1/94, ZIP 1995, 935 (936). 3 Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 4 Vgl. zum Nachstehenden auch Klüter WM 2010, 1483 (1488 ff.).

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5.770

Fünfter Teil Rz. 5.770 | Kreditgeschäft

für Arbeit1. Die Rücknahme des Insolvenzantrags kann auch ein vorläufiger Verwalter nicht verhindern. Ebenso verhält es sich mit Gläubigeranträgen; auch deren Rücknahme können weder der vorläufige Verwalter noch die finanzierende Bank ausschließen. In beiden Fällen behält die Bank dann als Schuldner das Unternehmen, dessen Arbeitnehmern sie die Lohnund Gehaltsforderungen abgekauft hat. b) Risiken durch Fristen

5.771

Entschließt sich die Bank zur vorzeitigen Zahlung der Löhne und Gehälter unter Erwerb der Ansprüche auf das Insolvenzgeld gegen die Agentur für Arbeit, hat sie zu beachten, dass sie wegen ihrer Ansprüche durch das Insolvenzgeld nur im Hinblick auf die Forderungen gesichert ist, die innerhalb der letzten drei Monate vor dem konkreten Insolvenzereignis, im Regelfall die Verfahrenseröffnung (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III)2 entstanden und noch „offen“ sind. Da sich der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bei der Kreditentscheidung der Bank nicht exakt voraussagen lässt, ist es möglich, dass die Arbeitsverhältnisse zwar bis zur Insolvenzeröffnung fortdauern, die Monate, aus denen die der Bank abgetretenen Lohnforderungen stammen, jedoch mehr als drei Monate vor dem Insolvenzereignis liegen. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass sich das Insolvenzeröffnungsverfahren ungewöhnlich lang hinzieht. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 165 Abs. 1 SGB III knüpft die Frist für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses stets an die Insolvenzeröffnung bzw. Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse, nicht jedoch an den Insolvenzantrag an.

5.772

Reichen die auf diese Weise für das Unternehmen gewonnenen drei Monate ausnahmsweise nicht aus, um die Eröffnungsfähigkeit für ein Insolvenzverfahren zuverlässig festzustellen, kann die Bank zwar auch weitere Monate finanzieren, indem sie die Lohnforderungen in revolvierender Weise erwirbt, d.h. sich die Forderungen für einen Monat nur dann abtreten lässt, wenn der Arbeitgeber die Lohnforderungen jedenfalls für den dritten vorausgehenden Monat befriedigt hat3. Dies kann der Bank jedoch den Vorwurf der Insolvenzverschleppung eintragen4. Die Durchführung der sog. rollierenden Insolvenzgeldfinanzierung durch einen „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter ist aber jedenfalls dann rechtlich zulässig, wenn sie im Wege von Bargeschäften abgewickelt wird5; hierbei ist die für Arbeitsleistungen erlaubte Zeitspanne von drei Monaten einzuhalten6. Dies muss der Verwalter dem Insolvenzgericht anzeigen. Weiterer gerichtlicher Mitwirkungshandlungen bedarf es nicht, insbesondere bedarf es keiner gerichtlichen Einzelermächtigung.

5.773

Zu achten ist ferner darauf, dass das Insolvenzgeld gemäß § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III innerhalb von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen ist7. Es handelt sich um

1 Muschiol ZInsO 2016, 248 (254). 2 Zur Wirksamkeit dieser Regelung s. BSG v. 20.6.2001 – B 11 AL 3/01 R, DZWIR 2002, 336 ff.; der Dreimonatszeitraum berechnet sich nach den in §§ 187 ff. BGB festgelegten Grundsätzen, BSG v. 20.6.2001 – B 11 AL 3/01 R, DZWIR 2002, 336 (337); BSG v. 12.12.1995 – 10 RAr 1/95, ZIP 1996, 758 (761); Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 38. 3 Klüter WM 2010, 1483 (1489). 4 Klüter WM 2010, 1483 (1489); s. auch BSG v. 22.3.1995 – 10 Rar 1/94, ZIP 1995, 935 (936 ff.). 5 Hinweisbeschl. des AG Hamburg v. 21.1.2014 – 67g IN 428/13, ZIP 2014, 1091. 6 BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, ZIP 2011, 2366 (2368). 7 Dazu Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 51 ff.

1120 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.776 Fünfter Teil

eine Ausschlussfrist; nur wenn die Frist ohne Verschulden des Arbeitnehmers versäumt worden ist, ist die Nachfrist von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gemäß § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III eröffnet1.

4. Umfang des Insolvenzgeldes a) Arbeitsentgelt Insolvenzgeld wird in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze beschränkte, im Insolvenzgeldzeitraum erarbeitete2 Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird (§ 167 Abs. 1 SGB III)3. Gemeint ist die Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (§ 341 Abs. 4 SGB III4).

5.774

Zum Arbeitsentgelt gehören alle Geld- oder Naturalleistungen, die ein Arbeitnehmer aus einem Arbeitsverhältnis als Gegenwert für die von ihm geleistete Arbeit zu beanspruchen hat5. Der Anspruch besteht selbst dann, wenn das Arbeitsverhältnis wegen unerlaubter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung unwirksam war6. Ebenso können Schadensersatzansprüche einen Insolvenzgeldanspruch auslösen, soweit es Ansprüche aus einem Abeitsverhältnis sind und auf einen Ersatz für Arbeitsentgeltansprüche gerichtet sind7.

5.775

b) Zinsen Zwischen der Zahlung des Arbeitsentgelts durch die Bank und der Erstattung des Insolvenzgeldes durch die Bundesagentur für Arbeit vergeht i.d.R. eine gewisse Zeit. Den Zinsverlust, den die Bank währenddessen erleidet, wird ihr der Arbeitgeber nur selten ersetzen. Rechtlich ist zwar eine Vereinbarung zulässig, wonach der Arbeitgeber auf die Arbeitsentgeltforderung, die der Bank abgetreten ist, wenigstens die Zinsen zahlt. Wirtschaftlich wird eine pünktliche Zinszahlung jedoch nicht immer erreichbar sein. Kommt der Arbeitgeber für das Arbeitsentgelt nicht auf, gerät er, da die Fälligkeit der Vergütung kalendermäßig bestimmt ist, gemäß § 286 Abs. 2 BGB ohne weitere Mahnung in Verzug und hat Verzugszinsen in Höhe von 5 %

1 Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 53. 2 BSG v. 11.3.2014 – B 11 AL 21/12 R, ZIP 2014, 1188 = ZInsO 2014, 1333 (1334, Rn. 16); Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 26; Zobel in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 123. 3 Vgl. Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 167 SGB III Rn. 1 ff.; Zobel in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 151 f. 4 Seit 1.1.2023 7.300 Euro in den alten und 7.100 Euro in den neuen Bundesländern. 5 S. dazu i.E. Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 26a ff.; Zobel in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 121 ff.; Vgl. auch „Fachliche Weisungen Insolvenzgeld“ zu § 165 SGB III, S. 15 sowie das Merkblatt „Insolvenzgeld für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, S. 14 beides zu finden auf www.arbeitsagentur.de. 6 BSG v. 25.3.1982 – 10 RAr 2/81, ZIP 1982, 976 f.; Zobel in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 115. 7 Zobel in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 22 Rn. 138; kritisch Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 31.

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5.776

Fünfter Teil Rz. 5.776 | Kreditgeschäft

p.a. über dem Basiszinssatz nach § 288 Abs. 1 BGB zu entrichten1. Die früher in der Literatur vertretene Auffassung, dass das Insolvenzgeld auch diese Ansprüche decke2, hat das BSG3 abgelehnt. Dies bedeutet, dass die Zinsforderungen, die der Arbeitgeber nicht mehr begleicht, nur noch einfache Insolvenzforderungen darstellen (§ 38 InsO)4. Die Bank muss daher gemeinsam mit dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter bzw. in der Eigenverwaltung mit dem Insolvenzschuldner einen Weg suchen, auf dem sie ihren Zinsanspruch insolvenzfest durchsetzen kann. Dies hängt weitgehend von den Befugnissen ab, die das Gericht dem vorläufigen Insolvenzverwalter5 bzw. in der Eigenverwaltung dem Insolvenzschuldner einräumt. aa) Vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verfügungsverbot

5.777

Wenn bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt ist, kommt es für den Wert dieser Zinsforderung darauf an, ob ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet und dem Verwalter die Verfügungsbefugnis übertragen wurde oder ob dies nicht der Fall ist. Wurde dem Verwalter die Verfügungsbefugnis übertragen, bilden unbeglichene Zinsforderungen im eröffneten Verfahren Masseschulden nach § 55 Abs. 2 InsO. bb) Vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt oder Prüfungsaufgaben

5.778

Hat das Insolvenzgericht ihm nur Prüfungsaufgaben übertragen oder – wie in den meisten Fällen – einen Zustimmungsvorbehalt angeordnet, erhalten rückständige Zinsforderungen aus der Zeit bis zur Verfahrenseröffnung lediglich den Rang einfacher Insolvenzforderungen, für die Zeit nach der Verfahrenseröffnung werden sie sogar in den Nachrang zurückgestuft (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Bank kann also hinsichtlich der unbeglichenen Zinsforderungen nur auf die Vertrauenswürdigkeit des vorläufigen („schwachen“) Insolvenzverwalters abstellen, da dieser keine Masseverbindlichkeiten begründen kann. Unabhängig von der Vertrauenswürdigkeit des Verwalters bleibt in diesen Fällen das Risiko, dass er nicht zum endgültigen Insolvenzverwalter bestellt wird. Die vorgenannten Risiken können vertraglich eingegrenzt bzw. ausgeschlossen werden. Zu diesem Zweck ist der Abschluss des unter Rn. 5.812 abgedruckten Rahmenvertrages mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter empfehlenswert.

5.779

Sofern der vorläufige Insolvenzverwalter stattdessen im Einzelfall bereit ist, mit seinem Privatvermögen für eine etwaige Differenz zwischen dem von der Bank bezahlten Kaufpreis und dem von der Agentur für Arbeit gezahlten Insolvenzgeld bzw. für die Zinsen und eine etwaige einmalige Bearbeitungsgebühr auch persönlich zu haften (vgl. Nr. 11 des unter Rn. 5.812 abgedruckten Rahmenvertrages), sollte der vorläufige Insolvenzverwalter den Rahmenvertrag 1 Ernst in Münchener Kommentar z. BGB, 9. Aufl. 2022, § 288 Rn. 14 ff. Der auf 9 % erhöhte Zinssatz für Verträge, an denen kein Verbraucher beteiligt ist (§ 288 Abs. 2 BGB), kommt nach der Rspr. des BAG nicht zur Anwendung, vgl. BAG v. 23.2.2005 – 10 AZR 602/03, ZIP 2005, 873 (876); s. auch BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305 (3308 f.) sowie Ernst in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 288 Rn. 23. 2 Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl. 1986, § 59 Rn. 15 f.; Uhlenbruck KTS 1980, 81 (91). 3 BSG v. 28.2.1985 – 10 RAr 19/83, ZIP 1985, 626 f.; Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 165 SGB III Rn. 32; Klüter WM 2010, 1483 (1490). 4 BSG v. 28.2.1985 – 10 RAr 19/83, ZIP 1985, 626 f.; ArbG Frankfurt/O. v. 1.11.2001 – 4 Ca 2589/00, ZInsO 2002, 93. 5 Zur Haftung des vorläufigen Verwalters s. Laws ZInsO 2009, 57 ff.

1122 | Huber

E. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf Kredite | Rz. 5.784 Fünfter Teil

nicht nur in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter, sondern auch als Privatperson unterzeichnen (zwei Unterschriften). Denkbar ist aber auch, dass der vorläufige Insolvenzverwalter als Privatperson eine Sicherheit aus seinem Privatvermögen stellt (vgl. Nr. 12 Variante 2 des unter Rn. 5.812 abgedruckten Rahmenvertrages) oder die Hausbank des insolventen Unternehmens eine Garantie übernimmt (vgl. Nr. 12 Variante 3 des unter Rn. 5.812 abgedruckten Rahmenvertrages). Da es sich bei diesen Sicherheiten um sog. Drittsicherheiten handelt, ist deren Bestellung nicht anfechtbar.

5.780

cc) Vorläufiger Insolvenzverwalter mit Einzelermächtigung bzw. – in der Eigenverwaltung – einzelermächtigter Insolvenzschuldner Die erwähnten Risiken entfallen auch dann, wenn das Insolvenzgericht den vorläufigen („schwachen“) Insolvenzverwalter durch Beschluss ausdrücklich zur Eingehung einzelner, bestimmter Masseverbindlichkeiten ermächtigt hat. Deshalb ist in Nr. 12 Variante 1 des unter Rn. 5.812 abgedruckten Rahmenvertrages vorgesehen, dass der vorläufige („schwache“) Insolvenzverwalter sich verpflichtet, sich vom zuständigen Insolvenzgericht ausdrücklich zur Eingehung einzelner, bestimmter Masseverbindlichkeiten ermächtigen zu lassen. In diesem Fall stellen die unbeglichenen Zinsforderungen Masseforderungen dar. Nichts anderes gilt für den Fall der vorläufigen Eigenverwaltung, wenn das Insolvenzgericht eine entsprechende Ermächtigung des Insolvenzschuldners anordnet.

5.781

dd) Zinsforderungen nach Antrag auf Insolvenzgeld Für die Zeit nach dem Antrag auf Insolvenzgeld besteht dagegen ein gesetzlicher Zinsanspruch in Höhe von 4 %, der jedoch frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger einsetzt (§ 44 SGB I). Diesen Anspruch kann auch ein Zessionar geltend machen1. Die oben erwähnte Entscheidung des BSG2, dass das Insolvenzgeld keine Verzugszinsen deckt, betraf Zinsansprüche aus der Zeit vor der Antragstellung und steht damit nicht im Gegensatz zu § 44 SGB I bzw. der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG bzw. des SG Hamburg.

5.782

5. Wirksamer Erwerb von Insolvenzgeldansprüchen durch die Bank Ein wirksamer Erwerb von Insolvenzgeldansprüchen durch die Bank setzt neben der erforderlichen Zustimmung der Agentur für Arbeit (§ 170 Abs. 4 Satz 1 SGB III) voraus, dass diese Ansprüche überhaupt abtretbar sind, dass eine Abtretung an einen anderen Gläubiger des Schuldners zulässig ist und die Abtretung keinen Missbrauch des Leistungssystems darstellt.

5.783

a) Abtretbarkeit Das Insolvenzgeld gehört zu den Leistungen der Arbeitsförderung (§ 19 Abs. 1 Nr. 4 SGB I). Deren Abtretbarkeit unterliegt zwar grundsätzlich Beschränkungen (s. § 53 SGB I). Diese Beschränkungen gelten jedoch nicht für das Insolvenzgeld, da hier eine abschließende Sonder1 BSG v. 1.7.2010 – B 11 AL 6/09 R, ZIP 2010, 2215 f. (Rn. 14 ff.); BSG v. 8.4.1992 – 10 Rar 12/91, ZIP 1992, 941 (942 ff.); SG Hamburg v. 5.10.1989 – 7 AR 1158/87, ZIP 1989, 1476 (1479 ff.). 2 BSG v. 28.2.1985 – 10 RAr 19/83, ZIP 1985, 626.

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5.784

Fünfter Teil Rz. 5.784 | Kreditgeschäft

regelung in § 170 SGB III getroffen wurde. Ansprüche auf Insolvenzgeld können zwar nicht selbständig abgetreten werden, bevor das Insolvenzgeld beantragt worden ist (§ 171 SGB III). Jedoch sind die Ansprüche auf Arbeitsentgelt vor Stellung des Antrags auf Insolvenzgeld auf einen Dritten übertragbar, so dass diesem der Anspruch auf Insolvenzgeld zusteht (§ 170 Abs. 1 SGB III).

5.785

Forderungen können zwar nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen sind (§ 400 BGB), wie dies z.B. bei Arbeitseinkommen der Fall ist (§§ 850 ff. ZPO). Dieses Abtretungsverbot greift aber nicht ein, wenn der Abtretende vom Abtretungsempfänger – wie hier – wirtschaftlich gleichwertige Leistungen erhält1. Dies ist im Forderungskaufverfahren unstreitig der Fall, denn der Abtretende erhält den vollen Gegenwert seiner Forderung und darf ihn auch behalten2. Ein abgezinster Ankauf ist deshalb nicht zulässig3.

5.786

Das Risiko zeitlich vorausgegangener Abtretungen des Arbeitsentgeltes, die der Arbeitnehmer vorgenommen hat, geht zu Lasten der Bank. Zahlt die Agentur für Arbeit in Unkenntnis von dieser Abtretung das Insolvenzgeld an die Bank, so kann die Bank auf Rückerstattung in Anspruch genommen werden4, behält aber ihrerseits einen Rückgriffsanspruch gegen den Arbeitnehmer5. b) Abtretung an Gläubiger des Arbeitgebers

5.787

Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einem Dritten vor dem Insolvenzereignis abgetreten wurden, kann der Zessionar nur dann geltend machen, wenn die Agentur für Arbeit der Übertragung zugestimmt hatte. Die Agentur für Arbeit darf der Übertragung nur zustimmen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze erhalten bleibt (§ 170 Abs. 4 SGB III)6. Als Tatsachen, mit denen der nennenswerte Arbeitsplatzabbau glaubhaft gemacht werden kann, kommen ein Sanierungskonzept, erste Schritte zu dessen Umsetzung und ein positives Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters in Betracht7. Ob sich diese Erwartungen