192 9 22MB
German Pages 272 [276] Year 1998
Managementwissen fur Studium und Praxis Herausgegeben von
Professor Dr. Dietmar Dorn und Professor Dr. Rainer Fischbach Bisher erschienene Werke: Bontrup, Volkswirtschaftslehre Bradtke, Mathematische Grundlagen fur Ökonomen Busse, Betriebliche Finanzwirtschaft, 4. Auflage Clausius, Betriebswirtschaftslehre I Dorn • Fischbach, Volkswirtschaftslehre II, 2. Auflage Fank, Einführung in das Informationsmanagement Fank • Schildhauer • Klotz, Informationsmanagement: Umfeld - Fallbeispiele Fiedler, Einführung in das Controlling Fischbach, Volkswirtschaftslehre 1,10. Auflage Frodi, Dienstleistungslogistik Hardt, Kostenmanagement Koch, Marktforschung, 2. Auflage Koch, Gesundheitsökonomie: Kosten- und Leistungsrechnung Krech, Grundriß der strategischen Unternehmensplanung Kreis, Betriebswirtschaftslehre, Band 1,5. Auflage Kreis, Betriebswirtschaftslehre, Band II, 5. Auflage Kreis, Betriebswirtschaftslehre, Band III, 5. Auflage Lebefromm, Controlling - Einführung mit Beispielen aus SAP®/R3® Lebefromm, Produktionsmanagement, 3. Auflage Mensch, Kosten-Controlling Piontek, Controlling Piontek, Global Sourcing Reiter • Matthäus, Marketing-Management mit EXCEL Scharnbacher • Kiefer, Kundenzufriedenheit Stahl, Internationaler Einsatz von Führungskräften Steger, Kosten- und Leistungsrechnung
Informationsmanagement : Umfeld-Fallbeispiele Herausgegeben von
Prof. Dr. Matthias Fank Prof. Dr. Thomas Schildhauer Dr. Michael Klotz
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme I n f o r m a t i o n s m a n a g e m e n t : Umfeld-Fallbeispiele /hrsg. von Matthias Fank ... - München ; Wien : Oldenbourg, 1998 (Managementwissen für Studium und Praxis) ISBN 3-486-24192-3
© 1998 R. Oldenbourg Verlag Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 3-486-24192-3
Vorwort Der vorliegende Band II „Einfuhrung in das Informationsmanagement" ist als Ergänzung des ersten Bandes, der die theoretischen Grundlagen des Informationsmanagements legt, konzipiert. Er stellt damit gleichsam die praktische Umsetzung der im ersten Band beschriebenen Konzepte und Modelle dar. Natürlich kann nicht erwartet werden, daß sich die „Theorie" in einer l:l-Umsetzung in der Praxis wiederfindet. Vielmehr ist entscheidend, daß innovative konzeptionelle Ansätze der Wissenschaft in der Praxis aufgegriffen, auf den Anwendungsfall ausgerichtet und eingesetzt werden. Derartige Umsetzungen sollen in diesem Band dargestellt werden. Für die Anwender ergibt sich so die Möglichkeit, Vergleiche mit den eigenen Ansätzen anzustellen, das für die eigenen Aufgabe Nutzbare herauszudestillieren und im individuellen Lösungsprozeß zu integrieren. Unser Dank gilt selbstverständlich allen Autoren, die die Doppelbelastung der beruflichen Arbeit und des Verfassens eines Anwenderberichtes auf sich genommen haben. Weiterhin bedanken wir uns bei Frau Inka Winkelmann für die engagierte Unterstützung bei der Manuskripterstellung.
Berlin Matthias Fank Thomas Schildhauer Michael Klotz
P.S.: Auch diesmal gilt wie bereits für den ersten Band: Wer die Abbildungen als Dateiform erhalten will, möge dies per E-Mail ([email protected]) kundtun. Auch über Rückmeldungen, Kommentare etc. würden wir uns sehr freuen. 3
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
3
Abbildungsverzeichnis
7
Tabellenverzeichnis
10
1 Einführung
11
2 Umfeld
15
2.1 Informationsmanagement als Antwort auf ein verändertes Unternehmensumfeld .... Prof. Dr. Matthias Fank
17
2.2 Der Wechsel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft Alexander Bojanowsky
35
2.3 Die Rolle des Beraters in Informationsmanagement-Projekten Prof. Dr. Thomas Pietsch
53
3 Fallbeispiele 3.1 Strategische Aufgaben des Informationsmanagements 3.1.1
Ausrichtung der IV-Infrastruktur auf eine Host-Server-Client-Architektur . Joachim Fischer
3 .1.2
Leitbild für die Neuorientierung der IV-Funktion in den Unternehmen Hartmut Skubsch
3.2 Neuausrichtung der IM-Funktion im Unternehmen 3.2.1
3.2.2
75 77 79
107
125
Neustrukturierung der Zusammenarbeit zwischen IV-Funktion und Fachbereichen am Beispiel der Berliner Flughäfen Knut Deimer
127
Outsourcing der DV-Funktion - Erfahrungsbericht über eine Ausgliederung bei der DeTeWe AG & Co Gottfried Schwarz
151
5
Inhaltsverzeichnis 3 .2.3
3.2.4
Informationsmanagement als ausgleichendes Gegengewicht bei der Gründung eines konzerngebundenen Systemhauses Prof. Dr. Thomas Schildhauer Umsetzung einer prozeßorientierten Organisationsphilisophie in einer Bank - Verteilung der Prozeßverantwortung zwischen Prozeßeigentümer, Organisation und DV Dr. Rudolf Hoyer
3.3 Integration der IKT am Arbeitsplatz
183
201
3 .3 .1 Unternehmensinformation in einem Deutschen Konzern Dr. Bernd-Ulrich Kaiser
203
3.3.2
Geschäftsprozeßverbesserung durch den Einsatz von DV-Technik Martin Burghardt, Martin Feldt, Prof. Dr. Thomas Pietsch
227
3 .3 .3
Ganzheitliche Planung und Gestaltung eines Groupware- und Workflow-Managementsystems Dr. Petra Strauch
Autoren- und Herausgeberverzeichnis
6
171
249
267
Abbildungsverzeichnis
Seite
1 Wettbewerbskräfte
21
2 Denkweise des traditionellen Datenverarbeitungsmanagements
57
3 Die 180-Grad-Wende zum Informationsmanagement
59
4 Strukturvarianten von Client/Server-Konfigurationen und-Anwendungen
81
5 Die 'klassische' l:l-Konfiguration: Der Client ist genau einem Server zugeordnet
82
6 Der 'Netz-zentrische' Ansatz: Clients und Server sind gemeinsam an einem Netz und finden sich nach Bedarf zusammen
82
7 Das Modell einer verteilten Client/Server-Architektur mit lokalen und zentralen Servern
84
8 Zweistufige Client/Server-Anwendungsarchitektur
90
9 Dreistufige Client/Server-Anwendungsarchitektur
90
10 Das UMA-Referenzmodell definiert vier Ebenen mit zwei Schnittstellen
96
11 Kerberos in OSF-DCE: 'Dreigestirn' - Zwei kommunizieren miteinander über die Erlaubnis eines Dritten
98
12 Einordnung der verschiedenen Client/Server-Ausprägungen nach Anwendungsbereichen und Technologie
100
13 Das Grundgerüst der Entscheidungsunterstützung enthält alle wichtigen Einflußbereiche
101
14 Eine Sicht der den Geschäftsprozeß bestimmenden Faktoren
102
15 IT-strategische Elemente unterschiedlichster Motivation sind bei der Server-Auswahl wirksam
103
16 Funktionale Merkmale gruppieren sich zu Server-Typen
103
17 Grundregeln des System-Design aus technischer, organisatorischer und betrieblicher Sicht gelten auch beim Server-Design
104
18 Für den Techniker sind Details bei seiner Festlegung heranzuziehen
105
19 Herstellerübersichten beschreiben, wer was im Angebot hat
105
20 Die Systemmanagement-Sicht fokussiert Server auf ihre Anforderungen
106
21 Zunehmende Komplexität von Anwendungssystemen
108
22 Nutzeffekte von IV-Innovationen für einen Finanzdienstleister
110
23 Typische Aufbauorganisation eines DV/Org-Bereiches
111
24 Technologiegetriebene Organisationsentwicklung der IV-Organisation
112
25 Einbindungsformen des IV-Bereiches in die Unternehmensstruktur
113 7
A bbildungsverzeichnis 26 Marktmodell fur die Zusammenarbeit zwischen IV und Unternehmensbereichen
115
27 Hufeisenmodell der IV-Aufgabenbereiche
116
28 Zusammenhang zwischen Leistungsarten und Steuerungsmechanismen
119
29 Aufgabenbereiche des Information Management
120
30 Lokales und globales Information Management im Unternehmen
121
31 Aufgabenverteilung zwischen IV-Dienstleister und Fachabteilung
122
32 Konzernstruktur und Beteiligungsverhältnisse der Berliner Flughäfen
131
33 Aufbau und Entwicklung des Konzerns
133
34 Organisation der Abteilung fur Informationsverarbeitung
138
35 Entwicklung der System- und Anwendungslandschaft
139
36 Konflikte im Rollenverständnis einer DV/Org-Abteilung
140
37 PC-Verantwortliche in den Fachabteilungen
143
38 Ausmaß einer Fremdfertigung in Abhängigkeit von der strategischen Relevanz
176
39 Organisatorische Einbindungsformen des Information Management
178
40 Struktur eines kundenorientierten Konzern-'Information Management'
180
41 Wirkungsrichtungen Process Owner
189
42 Aufgabenprofil Process Owner
190
43 Bildung einer Supporteinheit PRQ (Prozeß-, Ressorucen- und Qualitätsmanagement)
192
44 Beispiel einer Prozeßdarstellung
197
45 Komponenten des Business Information Shops
206
46 Konzernstruktur
207
47 Informationstreppe
208
48 Medienbrüche bei der Berichterstattung
210
49 Inhalte von ISOM
215
50 Korrelation zwischen Zeitaufwand und Beherrschbarkeit eines PC-Programms
215
51 ISOM-Logo
216
52 Zugriff von inSight auf SAP-EIS
218
53 Startblatt ISOM mit Tickermeldungen
220
54 Umsatz- und Ergebnisdarstellung in ISOM
221
55 Internet-Technik in Zuammenhang mit inSight
223
56 Intranet-Zugriff über ActiveX-Technologie
223
57 Ausschnitt aus dem Ereignis-Reaktions-Schema
229
!
Abbildungsverzeichnis 58 Prozeßmodell - Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen
231
59 Prozeßmodell - Prämieneingang auf Bausparkonto gutschreiben
232
60 Soll-Prozeßmodell - Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen
23 8
61 Soll-Prozeßmodell - WoP-Zahlungseingang auf Hauptbuchkonto buchen
240
62 Soll-Prozeßmodell - Auszahlliste zum'Buchen Prämie'freigeben
241
63 Ganzheitlicher Ansatz der Systemeinfiihrung
253
64 Phasen der Einführung
255
9
Tabellenverzeichnis
1 Leitfragen für ein erfolgreiches Informationsmanagement
64
2 Checkliste für die Zusammenarbeit mit Unternehmensberatern
72
3 Die Einordnung von Client/Server-Verarbeitung
80
4 Merkmale der 2- und 3-Stufen-Architektur von Client/Server-Konfigurationen
91
5 Unterschiede in Entwicklung und Erwartung
10
Seite
212
6 Ausschnitt aus den ermittelten Symptomen
233
7 Ausschnitt aus dem Schwachstellenkatalog - Unzureichende EDV-Nutzung bei der Verarbeitung der WoP-Zahlungseingänge
234
8 Entscheidungstabelle zum Schwachstellenkatalog
235
9 Prognose der Zeiteinsparungen bei Realisierung der Verbesserungsvorschläge
246
1 Einfuhrung
11
1 Einführung Das Management von Informationen birgt für viele Unternehmen bislang unausgeschöpfte Potentiale, die es in Wettbewerbsvorteile umzusetzen gilt, denn die Informationsintensität hat in vielen Branchen erheblich zugenommen. Wettbewerbsvorteile durch Kostenminimierung können durch den effizienten Einsatz moderner Informationstechnologien erzielt werden. Aber auch eine Differenzierung der Leistungen gegenüber anderen Wettbewerbern kann durch den Einsatz von Informationstechnologien erreicht werden. Diese Entwicklungen haben zur Folge, daß Unternehmen die Aufgaben eines Informationsmanagements (IM) nicht mehr alleine den EDV-Abteilungen übertragen werden können und dürfen, sondern eigens dafür geschaffene und optimierte Organisationsformen gefordert sind. Eine Integration in das strategische und strukturelle Gesamtkonzept eines Unternehmens wird unabdingbar und der Managementaspekt des Begriffs Informationsmanagement rückt immer stärker in den Vordergrund. Anders ausgedrückt sollte das Informationsmanagement und seine Aufgaben nicht auf Informationsmanager begrenzt werden, sondern auch als eine Art Philosophie durch eine Gesamtkonzeption gesteuert werden. Wenn auch das Schwergewicht der Aufgaben und deren Betrachtungsweise bei den Informationsmanagern liegt, ist eine aktive Beteiligung aller Mitarbeiter unerläßlich, wenn es darum geht, Wettbewerbsvorteile zu erringen. Diese Betrachtungsweise findet u.a. ihren Ausdruck in der Forderung nach einem ganzheitlichem Informationsmanagement. Der Gegenstand ist die Information, welche geplant, organisiert, koordiniert und kontrolliert wird, d.h. eines Managements im funktionalen Sinne bedarf. Information als Gegenstand bedeutet, daß Informationen eine Ressource bzw. einen Produktionsfaktor darstellen. Zur Erfüllung der Aufgaben kommen Methoden, Werkzeuge und Informations- und Kommunikationstechnik zum Einsatz.
Die wesentlichen Ausfuhrungen dieses Buches sind nach dieser Einleitung in zwei Bereiche unterteilt. • Aufgrund der Tatsache, daß wir uns zu einer Informationsgesellschaft entwickeln und nahezu alle Branchen von der Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien betroffen sind, werden in Kapitel 2 primär Themen zum Unternehmensumfeld behandelt, die diese Tendenzen verdeutlichen. Hierbei wird nach einer konzeptionellen Darstellung sowohl die 'äußere' Umwelt in Form der gesellschaftlichen Entwicklung als auch die 'innere' Umwelt in Person von IM-Beratern behandelt. 13
Einführung • Das dritte Kapitel beinhaltet Fallbeispiele aus Unternehmen verschiedener Branchen. Die Beispiele des ersten Abschnitts behandeln die Aspekte des strategischen Informationsmanagements. Strategisch bedeutet in diesem Zusammenhang weniger die Extrapolation der Unternehmensdaten auf lange Sicht, als vielmehr Entscheidungen die unternehmensweit Gültigkeit haben und mit der Unternehmensstrategie abgestimmt sind, damit langfristig die Voraussetzungen für ein effektives Informationsmanagement geschaffen werden. Die Funktionen des Informationsmanagements werden im zweiten Abschnitt beschrieben. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Neuausrichtung der IM-Funktion und enthält z.B. Fallbeispiele zur Prozeßorientierung, Outsourcing und dem Zusammenspiel zwischen einem Systemhaus und dem Informationsmanagament enthält. Der dritte Teil beinhaltet Aspekte der Integration, die aus theoretischer Sicht seit einigen Jahren propagiert werden und mittlerweile auch in der Praxis zum Teil erfolgreich realisiert sind. So wird inzwischen bei der Entwicklung von Informationssystemen die Prozeßorientierung des Informationsflusses zugrunde gelegt. Eine Folge hiervon ist, daß Informationen quer durch verschiedene Funktionsbereiche eines Unternehmens fließen und bereitgestellt werden müssen, was in der Praxis auf zahlreiche Schwierigkeiten stößt.
Zusammen ergeben diese Fallbeispiele einen umfassenden Eindruck davon, wie heute in Unternehmen Informationsmanagement praktiziert wird.
14
2 Umfeld
15
2.1 Informationsmanagement als Antwort auf ein verändertes Unternehmensumfeld von
Prof. Dr. Matthias Fank
1
Einführung
2
Unternehmensumfeld 2.1
Wettbewerber
2.2 Zukünftige Wettbewerber 2.3 Lieferanten 2.4 Kunden 2.5 3
Substitutionsprodukte
Ausblick 17
Matthias Fank 1 Einführung Zeiten in denen sich Unternehmen keine bzw. geringe Gedanken um Umfeldeinflüsse machen müssen sind längst vorbei. Das Unternehmensumfeld beinhaltet alle Gegebenheiten, die ein Unternehmen umgeben und die für das Unternehmen von Bedeutung sind. Außerhalb der Grenzen eines Unternehmens wirken Kräfte, von denen folgend genannte im Rahmen der weiteren Abhandlung näher betrachtet werden. •
Wettbewerber,
• zukünftige Wettbewerber, • Lieferanten, • Kunden und •
Substitutionsprodukte
Diese fünf Kräfte sind durch den Ansatz von Porter bekannt geworden und bilden die theoretische Strukturierung des Beitrags anhand dessen Praxisbeispiele des Informationsmanagements erläutert werden. Das Wort Informationsmanagement in die beiden Begriffe Information und Management zerlegt besagt, daß es sich um das Management von Informationen handelt. Gegenstand ist die Information, welche geplant, organisiert, koordiniert und kontrolliert wird, d.h. eines Managements bedarf. Information als Gegenstand bedeutet, daß Informationen eine Ressource bzw. einen Produktionsfaktor darstellt. Aufgrund der Tatsache, daß Information zu einer kritischen Ressource, im Sinne einer herausragenden Bedeutung, geworden ist bzw. einen zunehmend wichtiger werdenden Produktionsfaktor in fast allen Branchen darstellt, konzentriert sich die Darstellung der Kräfte im Unternehmensumfeld auf die Ressource Information und die damit in enger Verbindung stehende Informations- und Kommunikationstechnik, die in den letzten Jahren Quantensprünge vollzogen hat. Aspekte für eine Betrachtung des Unternehmensumfelds unter dem Aspekt des Informationsmanagements gibt es genügend, von denen zumindest drei derzeit in Theorie und Praxis zum Teil sehr kontrovers diskutiert werden: • Potentiale der Informations- und Kommunikationstechnik • Virtuelle Unternehmen • Globalisierung der Märkte.
18
Informationsmanagement Die Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik sind derart rasant vorangeschritten, daß bereits die derzeitigen Möglichkeiten die Vorstellungskraft zahlreicher Unternehmen überschreiten, von potentiellen Entwicklungsmöglichkeiten ganz zu schweigen. Diese drastische Entwicklung findet ihren Niederschlag in einer Leistungssteigerung und Verkleinerung der Hardware sowie der Integration unterschiedlicher Informationsund Kommunikationstechnologien. Diese Entwicklungen ziehen zwei Betrachtungen nach sich. Zum einen muß jedes Unternehmen prüfen, inwieweit durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien die Informationsfunktion in ihrem Unternehmen verbessert werden kann. Die in diesem Zusammenhang wichtigsten Eigenschaften, die verbessert werden können, sind Kapazitätssteigerung, neue Kooperationsformen in und zwischen Unternehmen, Globalisierung der Märkte und neue Formen der Arbeit wie Telearbeit. Andererseits ergeben sich aus der rasanten Entwicklung neue Märkte und Branchen, die es für viele Unternehmen attraktiv erscheinen läßt sich zu diversifizieren, da in den angestammten Geschäftsbereichen nur noch begrenzte Wachstumsraten zu erreichen sind, wovon die Informations- und Kommunikationsbranche noch nicht betroffen ist. Betrachtet man die derzeit an Kontur gewinnende Telekommunikationsbranche, als ein Beispiel aus der Informations- und Kommunikationstechnik, so streben derzeit einige bislang nicht in dieser Branche vertretene Unternehmen danach hier einzusteigen. Sei es Mannesmann vor einigen Jahren im Mobilfünk oder die großen Energiekonzerne wie RWE, VEBA oder Thyssen, die derzeit versuchen in das angestammte Geschäft der Telekom einzudringen. Im Rahmen der Organisationslehre gibt es bislang weitgehend klar beschriebene Unternehmensstrukturen, die in den letzten Jahren durch eine neue Sturkturform, die sogenannte virtuellen Organisation, bereichert wurde. Virtuelle Unternehmen entstehen durch Vernetzung standortverteilter Organisationseinheiten, die an einem abgestimmten Wertschöpfungsprozeß beteiligt sind, und haben keine langfristig definierten Grenzen nach innen und außen. D.h. die für einen Wertschöpfungsprozeß, wie z.B. einen Kundenauftrag, benötigten Organisationseinheiten können sich aus rechtlich unterschiedlichen Unternehmen zusammensetzen. Gegenüber dem Kunden erscheint das Unternehmen als eine in sich geschlossene Einheit, die sich nach Beendigung des Prozesses bzw. Auftrages wieder in ihre unabhängigen Einheiten aufteilt. Diese prozeßbezogenen, sich aus unterschiedlichen Einheiten zusammensetzenden virtuellen Organisationen, die sich durch eine überdurchschnittliche Kompetenz in ihrem Bereich auszeichnen und nur für eine bestimmte Zeit bestehen, verändern grundlegend die Vorstellungen über Unternehmen bezogen auf 19
Matthias Fank • physische Existenz, •
Standort,
•
Geschlossenheit,
• Grenzen des Unternehmens und • Zusammenarbeit mit Lieferanten und Konkurrenten.
Von dieser Tendenz hin zu virtuellen Unternehmen sind auch die Arbeitsformen betroffen, innerhalb dessen die Telearbeit zunehmend an Bedeutung gewinnt. Der Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnologie, der die Entstehung eines virtuellen Unternehmens erst ermöglicht hat, verlangt von den Unternehmen eine immer stärkere Außenorientierung, wobei ein Unternehmen sich zunächst über seine Kernkompetenzen klar werden muß, die es als Lieferant für virtuelle Unternehmen anbieten kann oder um selbst Gründer eines virtuellen Unternehmens zu werden. Ein dritter wichtiger Grund für Unternehmen, sich verstärkt mit den Entwicklungen der Unternehmensumfeld aus der Perspektive des Informationsmanagements auseinanderzusetzen, liegt in der Globalisierung der Märkte, in dessen Zusammenhang der Fortschritt in der Informationsund Kommunikationstechnologie, wie bei der Entstehung von virtuellen Unternehmen, eine herausragende Rolle spielt. Für eine Vielzahl von Unternehmen läßt sich eine tiefgreifende Veränderung der Märkte erkennen. Diese Veränderung rührt u.a. aus der Globalisierung von Produkt-, Arbeits- und Informationsmärkten. Die Nutzung neuer Kommunikationsnetze, wie z.B. das Internet oder Netze anderer properitärer Anbieter, verschaffen einen weltweiten Zugang zu Märkten, die vormals schwer erreichbar waren. Andererseits resultiert daraus eine Intensivierung des Wettbewerbs, da in ehemals angestammten Märkten neue Wettbewerber eintreten. Diese kurz geschilderten Trends (neben einer Reihe weiterer Entwicklungen, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann), bilden für nahezu alle Unternehmen eine Herausforderung, der sie sich stellen müssen, um langfristig am Markt überleben zu können. Diese Herausforderung verlangt vordringlich die Durchfuhrung einer Umfeldanalyse, um mögliche Potentiale transparent zu machen, aus denen heraus Wettbewerbsvorteile erzielt werden können. Im weiteren Verlauf des Beitrages wird dies anhand einer retrospektiven Betrachtung von Beispielen durchgeführt, die einen Eindruck über Chancen und Risiken in der Praxis geben.
20
Informationsmanagement 2 Unternehmensumfeld Ein Unternehmensumfeld wird als die Gegebenheiten, die ein Unternehmen umgibt und die für das Unternehmen von Bedeutung ist, definiert und beinhaltet ein breites Spektrum von Merkmalen, die von rein rechtlichen Aspekten, technologischen Entwicklungen, politischen Gegebenheiten bis zu gesellschaftlichen Veränderungen reichen. Diese Fülle von Umfeldeinflüssen erfordert für das weitere Vorgehen eine Eingrenzung bzw. läßt eine Systematisierung wünschenswert erscheinen. Dies wird dadurch erreicht, daß den Schilderungen der Praxisbeispiele der Fünf-Kräfte-Ansatz von Porter zugrunde gelegt wird.
Potentielle neue Konkurrenten Bedrohung durch neue Konkurrenten
7 Wettbewerber in der Branche
Abnehmer
Lieferanten Verhandlungsstärke der Lieferanten
Verhandlungsstärke der Abnehmer
Rivalität unter den bestehenden Unternehmen A
k
Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste
Ersatzprodukt
Abb. 1:
2.1
Wettbewerbskräfte (Porter 1984, S. 26)
Wettbewerber
Konkurrenz unter bestehenden Wettbewerbern gibt es immer. Sie kommt in Form von Preiskämpfen, Produkteinfuhrungen sowie Qualitäts- und Serviceverbesserungen zum Ausdruck. 21
Matthias Fank Konkurrenzkämpfe in einer Branche können durch eine Reihe von Faktoren zusätzlich verstärkt werden: • geringe Marktwachstumsraten Nimmt der Sättigungsgrad einer Industrie zu, so ändert sich ihre Wachstumsrate, was zu sinkenden Profiten bzw. sinkender Rentabilität fuhrt und Kämpfe um Marktanteile zwischen expansionsorientierten Unternehmen verstärkt. • Austauschbarkeit der Produkte Sind die Unterscheidungsmerkmale von Produkten unterschiedlicher Wettbewerber oder die Umsteigekosten gering, hat dies eine geringe Bindung der Kunden an ein spezifisches Unternehmen zur Folge und der Kunde wechselt leicht zwischen verschiedenen Anbietern. • kurze Produktlebensdauer und hoher Fixkostenanteil Leichte Verderblichkeit von Produkten bzw. schnelle Veralterung von Produkten fuhrt in vielen Fällen zu harten Preiskämpfen zwischen bestehenden Wettbewerbern, die bei einer schwindenden Nachfrage oftmals verstärkend wirken. • Kapazitätserhöhungen nicht linear realisierbar In einigen Branchen läßt sich die Produktion nur in großen Schüben vollziehen, was leicht zu Überkapazitäten und Preissenkungen fuhren kann.
Die Betrachtung des Konkurrenzkampfes wird im folgenden am Beispiel des Flugverkehrs näher beleuchtet. Betrachtet man die Situation des Flugverkehrs, so zeigt sich seit Jahren ein harter Verdrängungskampf zwischen den bestehenden Wettbewerbern. Die zuvor aufgelisteten Faktoren, die den Konkurrenzkampf in einer Branche verstärken, treffen auf den Flugverkehr in hohem Maße zu. Die Marktwachstumsraten sind seit Jahren gering und der Verdrängungswettbewerb hoch. Selbst namhafte Unternehmen wie PAN AM mußten aufgeben. Die Austauschbarkeit des Produktes ist insofern gegeben, als es den wenigsten Personen darauf ankommt mit einer bestimmten Fluggesellschaft, wie Lufthansa oder British Airways, zu fliegen. D.h. die Bereitschaft die Fluggesellschaft zu wechseln ist sehr hoch. Aufgrund der Flugpläne stehen die Abflugzeiten fest, unabhängig davon ob das Flugzeug ausgebucht ist oder nicht, was zu einem hohen Fixkostenanteil fuhrt. Dementsprechend ist jede Fluggesellschaft bemüht ihre Flugzeuge möglichst gut auszulasten, was sich nur über den Preis beeinflussen läßt. Eine solche Preisregulierung hat nicht selten für einen Flug sieben verschiedene Preisabstufüngen zur Folge. Preisregulierungen und die möglichst optimale Steuerung von Angebot und Nachfrage er-
22
Informationsmanagement folgen über ein Yield Management, das den Einsatz entsprechender Informations- und Kommunikationstechnologie voraussetzt. Im Flugverkehr gibt es hinsichtlich von Kapazitätserhöhungen keine direkte Linearität. Jedes Flugzeug verfugt über eine begrenzte Anzahl von Sitzplätzen. Der Wechsel zwischen Flugzeugen hat in der Regel deutliche Kapazitätsunterschiede bzw. setzt voraus, daß die entsprechenden Flughäfen dort eine Start- bzw. Landegenehmigung haben. Lufthansa, die größte deutsche Fluggesellschaft, muß seit vielen Jahren kämpfen um am Markt bestehen zu bleiben. Lufthansa zählt zu den 10 größten Fluggesellschaften der Erde. Über 58.000 Mitarbeiter sind weltweit im gesamten Konzern tätig, zu dem mehr als 100 Konzernund Beteiligungsgesellschaften zählen. 1992 beschloß Lufthansa ein Sanierungsprogramm, um seine mittlerweile schweren wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu meistern. Jedoch wurden trotz Kosteneinsparungen in Höhe von 1,15 Milliarden DM immer noch Verluste erzielt. Das beste Ergebnis seiner Geschichte konnte Lufthansa 1994 verbuchen. Im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen waren verstärkt die Potentiale der Informations- und Kommunikationstechnik genutzt worden. Dies beinhaltete u.a., daß innerhalb des Lufthansakonzerns die Abteilung „Information Management" völlig restrukturiert wurde (näheres über deren Funktionen in Beitrag 3.1.1 und 3.2.3). Da aufgrund der leichten Austauschbarkeit des Produktes die Kundenbindung bei Fluggesellschaften erschwert ist, führte Lufthansa 1993 das Vielfliegerprogramm „Lufthansa Miles & More" ein. Mittels dieses Vielfliegerprogramms sollen mit Bonusprogrammen Kunden verstärkt an die Fluggesellschaft gebunden werden. Ein weiterer Schritt, um sich im hart umkämpften Markt zu behaupten, wurde 1996 unternommen, indem Lufthansa mit dem InfoFlyway und der ChipCard ins multimediale Zeitalter eingestiegen ist. Mit Hilfe der ChipCard können Flüge ohne Ticket realisiert werden: Vorausbuchung, Flugschein und Bordkarte werden überflüssig. Durch den Einsatz der ChipCard lassen sich Abfertigungszeiten verkürzen und Kosteneinsparungen erreichen, insbesondere durch den deutlich verringerten Einsatz von Bodenpersonal. Internet, das Schlagwort von 1996, kommt auch im Flugverkehr zum Tragen. Mit dem InfoFlyway startet Lufthansa seine ersten Aktivitäten, um Flüge via Internet zu vertreiben. Dies ist ebenfalls als Versuch zu werten, Kunden verstärkt an das Unternehmen zu binden. Vorteile für den Kunden sind zum einen die Verfügbarkeit und der Preis Verfügbarkeit in dem Sinne, daß Flüge 24 Stunden am Tag gebucht werden können, und besonders günstige Angebote im Internet zusätzlich einen Anreiz schaffen bei Lufthansa zu buchen. Der direkte Vertrieb von Flugtickets über Internet ermöglicht es Lufthansa zudem die Reisebüros zu umgehen und damit 23
Matthias Fank die Vermittlungsprovision von rund 9% einzusparen. Einsparungen, die als Preisvorteil an den Kunden weitergegeben werden können, wodurch in der Branche ein Wettbewerbsvorteil erreicht werden kann.
2.2
Zukünftige Wettbewerber
Unternehmen, die neu in eine Branche eintreten wollen, bringen neue Kapazitäten mit und versuchen Marktanteile zu erringen. Hiervon sind verstärkt Branchen betroffen, die bislang durch wenige Anbieter besetzt waren und/oder in der Zukunft ein Wachstumspotential aufweisen. In der Praxis ist dabei zu beobachten, daß die meisten Unternehmen über Kooperationen oder Akquisitionen in die Branche eintreten. Aktuell kann dies in der Telekommunikationsbranche, die in der Bundesrepublik Deutschland bislang als ein staatliches Monopol existierte, nachvollzogen werden. Die Telekommunikationsbranche gilt derzeit als eine der zukunftsträchtigen Branchen mit hohem Wachstumspotential. Schätzungen gehen davon aus, daß im Jahr 2000 die Telekommunikationsindustrie die KfZ-Industrie überflügeln wird. Die zunehmende Bedeutung der Telekommunikation fuhrt in zahlreichen Ländern zu Liberalisierungsmaßnahmen, da die Telekommunikation bislang als Staatsaufgabe angesehen wurde, ihre Leistungen aber zunehmend kritisiert werden. Dies führte in der Bundesrepublik Deutschland 1989 zur ersten Postreform, in deren Rahmen die Telekom als eigenständiger Bereich ausgegliedert wurde. 1995 erfolgte ihre Privatisierung und 1996 kam es zum Börsengang der Telekom. Der nächste Liberalisierungsschritt wird 1998 durch die Aufhebung des Monopols realisiert werden. Dann werden erstmals neue Wettbewerber in den Markt der Telekommunikation einsteigen können. Die sich derzeit formenden neuen Wettbewerber zeichnen sich alle dadurch aus, daß sie Kooperationen und Beteiligungen mit Telekommunikationsgesellschaften anderer Länder eingehen. So gingen die beiden deutschen Konzerne VEBA und RWE ein Bündnis mit Cable & Wireless, einem britischen Telekommunikationsunternehmen ein, während die Deutsche Telekom ein Bündnis mit France Telekom und Sprint, einem amerikanischen Telekommunikationsanbieter eingegangen ist. Die Gefahren beim Neueintritt in eine Branche sind durch eine Reihe von Barrieren gekennzeichnet, die den bereits in der Branche existierenden Unternehmen als eine Art Schutzfunktion dienen. Porter unterscheidet sechs Hauptbarrieren. •
Größenvorteile Wenn es einer Branche gelingt Größenvorteile zu realisieren, sind Neueinsteiger gezwungen
24
Informationsmanagement entweder im großen Stil einzusteigen, was schnell zu Überkapazitäten und Preiskämpfen fuhrt, oder es wird ein Kostennachteil in Kauf genommen. Ein gutes Beispiel für Größenvorteile ist die Firma Intel (Integrated Electronics), die 1968 gegründet wurde und der größte Halbleiterhersteller der Welt ist. 80% der weltweit verkauften Personal Computer sind mit einem Intel-Prozessor ausgestattet. 1995 verkaufte Intel 35 Mio. Pentium-Chips mit einer Bruttogewinmarge von 50-80%. Allein diese Zahlen lassen die Attraktivität dieser Branche erkennen, zumal die weiteren Anbieter wie IBM, NEC, Motorola, AMD und Cyrix bei weitem keine Konkurrenz für Intel darstellen. Dies hat verschiedene Unternehmen dazu bewogen in diesen Markt einzusteigen, von denen aber auch Firmen wie Siemens schmerzlich erfahren mußten, wie schwierig dies ist. Bei einer 5- bis 10-fachen Produktionskapazität gegenüber den Mitbewerbern und einer permanenten Investition von rund 25% des Umsatzes in neue Fertigungstechnologien ist es für neue Konkurrenten fast unmöglich in den Markt einzudringen. Chipzyklen zwischen zwei und vier Jahren erschweren zusätzlich den Zugang in diese Branche. • Markenidentifikation Wenn Neueinsteiger gezwungen sind eine bestehende Kundentreue zu brechen, können daraus hohe Investitionen resultieren. Banken werden derzeit mit Entwicklungen der Informations- und Kommunikationsbranche wie z.B. Telebanking, elektronisches Geld oder Internet-Banking konfrontiert, die die Branche in der nahen Zukunft drastisch ändern werden. Diese grundlegenden Veränderungen im Bankgeschäft läßt es für Unternehmen der Informations- und Kommunikationsbranche attraktiv erscheinen sich in diesem Markt zu engagieren. Noch bauen die Banken auf ihr Vertrauensverhältnis zum Kunden, welches in Anbetracht der lukrativen Angebote neuer Anbieter zu wanken scheint. • Kapitalbedarf Eintrittshindernisse können auch durch die Notwendigkeit hoher Kapitalinvestitionen gegeben sein. Werden hohe Kapitalinvestitionen nicht unmittelbar für die Produktion benötigt, sondern für F&E, reduziert sich zusätzlich die Wahrscheinlichkeit, daß selbst Großunternehmen, die über entsprechendes Kapital verfugen, in die Branche eindringen können. Als Beispiel kann auch hier die Firma Intel angeführt werden. Das Unternehmen baut auch hier entsprechende Eintrittsbarrieren auf, indem ein Anteil von rund 10% des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert wird, um im Abstand von zwei bis vier Jahren neue Prozessoren auf den Markt bringen zu können. Bei einem Umsatz von rund 15 Mrd. Dollar im Jahr 1995 gab Intel rund 1,5 Mrd. Dollar für Forschung und Entwicklung aus. 25
Matthias Fank •
Distribution Zugang zu den Vertriebskanälen war in der Vergangenheit und ist zum Teil auch heute noch eine wichtige Hürde, die potentielle Konkurrenten davon abgehalten hat in eine Branche einzudringen. Durch das Aufkommen des Internets oder anderer properitärer Online-Dienste hat sich jetzt für einige Branchen, die auf den schwierigen Zugang zu Vertriebskanälen gesetzt haben, einiges geändert. Unternehmen, die auf der Suche nach Herstellern oder Lieferanten bestimmter Maschinen oder Dienstleistungen sind, haben heute die Möglichkeit innerhalb kürzester Zeit Informationen zu erhalten, in welchem Teil dieser Erde sich entsprechende Anbieter befinden. Die Möglichkeit Produkte weltweit zu geringen Kosten anzubieten, hat bzw. wird in naher Zukunft zusätzliche Vertriebskanäle eröffnen. Vor allem die Distribution von Software ist ein Bereich, der inzwischen verstärkt via Internet oder über andere properitäre Online-Dienste durchgeführt wird. Wer heute den aktuellen Drukkertreiber fiir seinen Drucker sucht, findet ihn am einfachsten und schnellsten über OnlineDienste.
• Staatliche Eingriffe Durch Vorschriften, Auflagen, Genehmigungspflichten oder staatlich regulierte Industrien, wie z.B. den Spirituosenhandel oder Speditionsbetriebe, kann der Eintritt von Wettbewerbern verhindert bzw. eingeschränkt werden. Diese Barrieren können sich jedoch ändern, ohne daß die betroffenen Unternehmen Einfluß darauf nehmen können. Betrachtet man noch einmal die Banken, so ist festzustellen, daß sie Anforderungen und Auflagen gerecht werden müssen, die es bislang potentiellen Konkurrenten aus der Informations- und Kommunikationsbranche erschwert haben dort einzutreten. Die Telekommunikationsbranche, auf die schon einmal Bezug genommen wurde, kann auch an dieser Stelle als Beispiel herangezogen werden. Hier wurden und werden sowohl seitens der Telekom, als auch von den potentiellen Konkurrenten Anforderungen an den Staat herangetragen, was zu den Regelungen im Telekommunikationsgesetz, das im Juli 1996 in Kraft getreten ist, gefuhrt hat. Oberstes Ziel ist es, das bisherige Telefon- und Netzmonopol der Telekom bis 1998 aufzuheben und einen Wettbewerb zu ermöglichen, der eine moderne, preiswerte und leistungsfähige Telekommunikationsstruktur sicherstellt.
Die dargelegten Beispiele lassen recht gut erkennen, daß verstärkt jene Branchen von potentiellen Wettbewerbern betroffen sind, wo das prognostizierte Marktwachstum besonders hoch ist. Dies trifft überwiegend die Branchen der Informations- und Kommunikationstechnik oder 26
Informationsmanagement Branchen, die aufgrund der Entwicklungen aus der Informations- und Kommunikationstechnik einem grundlegenden Wandel unterliegen, der denjenigen eine Chance bietet, die diese Technik effizient einsetzen können und werden.
2.3
Lieferanten
Zulieferer können Verhandlungsdruck auf Unternehmen in einer Branche ausüben. Druck kann über den Preis oder die Qualität der erbrachten Leistung erfolgen. Die Stärke der Lieferanten wird durch eine Reihe von Merkmalen bestimmt, die dahingehend analysiert und geprüft werden müssen, ob durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik diese Stärke geschwächt werden kann. Internet und seine zunehmende Verbreitung hat in vielen Branchen dazu beigetragen, das Verhältnis zwischen Lieferanten und Abnehmer zu verändern. Während es für die Lieferanten dadurch möglich wird weltweit nach neuen Abnehmern zu suchen, besteht natürlich auch umgekehrt für den Abnehmer die Möglichkeit sich neue Lieferanten zu suchen. So gelang es einem deutschen Uhrenhersteller, der jahrelang beim gleichen Hersteller seine Maschinen kaufte, dank einer internationalen Recherche weltweit mehrere Anbieter zu finden, die günstigere Preise hatten als sein alter Lieferant. Durch die Entstehung weltumspannender Online-Dienste können innerhalb kürzester Zeit zu vergleichsweise niedrigen Kosten Informationen gesammelt und ausgewertet werden, die letztendlich zu besseren Grundlagen Managemententscheidungen fuhren. Bislang galt die Präsenz in Online-Diensten als zu kostspielig und aufwendig für mittelständische Unternehmen. Daß dem nicht so sein muß, zeigen amerikanische Industrie- und Handelskammern, die Angebote ihrer Mitglieder mit entsprechenden Adressen im Internet anbieten. Nischenanbieter, sei es als Lieferant oder als Abnehmer profitieren ebenfalls durch die zunehmende Verbreitung von Online-Diensten. Betrachtet man die Entwicklung des WWW, einem Dienst innerhalb des Internet, so war noch 1994 kein namhaftes Unternehmen mit einem Angebot in diesem Dienst vertreten. Die Verhandlungsstärke der Lieferanten gegenüber ihren Abnehmern wird durch eine Reihe von Faktoren stark beeinflußt: • Anzahl der Lieferanten Wird eine Branche durch wenige Lieferanten beliefert, d.h. die Zahl der in einer Branche tätigen Unternehmen ist im Verhältnis zur Zahl der potentiellen Lieferanten groß, besteht die Gefahr, daß die Lieferanten verstärkt Macht ausüben können, was sich auf den Preis 27
Matthias Fank oder die Qualität auswirken kann. Der weltweit größte Halbleiterhersteller Intel ist für die PC-Branche ein wichtiger Lieferant, da rund 80% der weltweit verkauften PC einen Intel Prozessor besitzen. Damit verfugt Intel über eine starke Position gegenüber den PC Herstellern, und dies fuhrt derzeit dazu, daß Intel den stärksten Einfluß auf die Leistungsfähigkeit von PC hat. Produkt des Lieferanten Die Wichtigkeit des Produkts für den Abnehmer hat Auswirkungen auf die Verhandlungsstärke des Lieferanten. Zunehmende Digitalisierung von Informationen in Unternehmen fuhrt zum verstärkten Einsatz von Hard- und Software. Dies hat zur Folge, daß entsprechende Lieferanten zunehmend an Bedeutung und Wichtigkeit für nahezu alle Unternehmen unterschiedlicher Branchen gewinnen. Während im Hardwarebereich im Vergleich zur Standardsoftware verschiedene Anbieter existent sind, reduziert sich dies im Standardsoftwarebereich deutlich. Microsoft und SAP, zwei auf dem Markt der Standardsoftware derzeit marktbestimmende Unternehmen, bekommen in den letzten Jahren zunehmend die Angst der Abnehmer vor einer zu starken Abhängigkeit zu spüren. Forderungen bezogen auf die Offenlegung bzw. die Standardisierung von Schnittstellen sind Versuche, die Abhängigkeit von einem Anbieter zu reduzieren. Microsoft, mit einem Marktanteil von 80% für Office-Pakete (Kombination aus Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationsprogramm und anderen für das Büro notwendige Programme), wird zunehmend von Abnehmern und Softwareherstellern als bedrohend im Sinne der einseitigen Abhängigkeit angesehen. Hieraus können sich möglicherweise negative Auswirkungen hinsichtlich Preisgestaltung, Qualität oder Weiterentwicklung ergeben. Vorwärtsintegration Besteht für den Lieferanten die Möglichkeit ohne große Aufwendungen in den Markt der Abnehmer einzutreten, steigt die Verhandlungsstärke des Lieferanten. Agenturen, die Flüge und Reisen anbieten, bekommen seit einigen Jahren zunehmend durch die Fluggesellschaften Konkurrenz. Neben eigenen Agenturen wird es für Fluggesellschaften durch die zunehmende Verbreitung von Internet und den geringen Kosten für eine weltweite Präsenz immer attraktiver, direkt als Endanbieter aufzutreten. Lufthansa versucht mit ihrem Internet-Angebot „InfoFlyway" einen ersten Schritt in diese Richtung. Da bislang rund 95% des Umsatzes mit Agenturen erzielt werden, verfugen die Agenturen derzeit noch über ein Machtinstrument, um den Vormarsch zu bremsen.
28
Informationsmanagement 2.4
Kunden
Das Verhältnis zum Kunden gestaltet sich ähnlich wie zu den Lieferanten. Auch hier sind Preis und Qualität Merkmale, die die jeweilige Verhandlungsstärke zum Ausdruck bringen. Die Verhandlungsstärke wird dabei analog zu den Lieferanten durch Faktoren wie Preisempfindlichkeit der Kunden, Zahl der Kunden und Informationsstand der Kunden beeinflußt. Konzentriert sich die Kundengruppe auf wenige Unternehmen oder Personen steigt die Verhandlungsstärke der Kunden, d.h. je mehr Unternehmen um wenige Kunden ringen, desto günstiger ist die Lage für die Kunden. Dem entgegenzuwirken kann, je nach Situation, über ProduktdifFerenzierung, Preisgestaltung, Qualität oder Service erreicht werden. • ProduktdifFerenzierung Die Austauschbarkeit von Produkten zwingt Unternehmen immer stärker ihre Produkte durch Zusatzfunktionen von Konkurrenzprodukten zu differenzieren um eine Kundenbindung zu erreichen. ProduktdifFerenzierungen werden zunehmend durch die Steigerung des Informationsgehalts der Produkte erreicht. Dies hat u.a. dazu gefuhrt, daß der Einbau von Chips in vielen Produkten inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Betrachtet man die Automobilbranche, so waren noch vor wenigen Jahren Automobile mit Multifiinktionsanzeigen, wie Angabe der Außentemperatur und der durchschnittlichen gefahrenen Geschwindigkeit, eine Besonderheit. Mittlerweile sind diese Ausstattungen fast eine Selbstverständlichkeit. Navigationssystem, Geschwindigkeitskontrolle oder Informationen über den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug befinden sich derzeit auf dem Vormarsch. Hierdurch wird ebenfalls der Informationsgehalt der Automobile erhöht und zumindest kurzfristig eine ProduktdifFerenzierung erreicht. •
Preisgestaltung Sie wird sehr stark davon beeinflußt, inwieweit Kunden sensitiv auf Veränderungen reagieren. Ganz allgemein wird bei der Preisgestaltung von Produkten durch Entwicklungen wie Internet verstärkt internationale Transparenz erzeugt, wodurch z.T. Standortvorteile und deren hierdurch mögliche Preisvariationen reduziert werden, was zu größerer Kundenstärke fuhrt. Branchen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, wie z.B. die Telekommunikationsbranche, erfahren derzeit in der Bundesrepublik Deutschland, welche Bedeutung der Preisgestaltung zukommt.
• Qualität Führt mangelnde Qualität zu FehlfUnktionen oder Verlusten, ist der Kunde weniger preissensitiv und eine starke Kundenbindung kann über die Qualität des Produktes erreicht wer29
Matthias Fank den. Banken, die derzeit von einer Reihe potentieller Konkurrenten bedroht werden, bauen auf ihre gute Kundenbindung, die sie u.a mit der Qualität ihrer Leistung begründen. Die Gefahr, Verluste bei der Geldanlage aufgrund mangelnder Qualität der Bankleistung zu machen, ist eher gering. Erfahrung, Seriosität und Sicherheit sind Qualitätsaspekte, die jetzt von Banken verstärkt zur Kundenbindung eingesetzt werden. •
Service Verstärkte Kundenbindung kann auch über Serviceleistungen mittels des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien erreicht werden. UPS (United Parcel Service), ein Unternehmen das 1907 in Nordamerika gegründet wurde und bereits damals mit dem Werbespruch „Bester Service" versucht hat Kundenbindung zu betreiben, wurde über sieben Jahre in Folge durch das Fortune Magazin zur Nummer eins der Transportbranche gewählt. 1991 führte UPS ein Informationssystem mit der Bezeichnung DIAD (Delivery Information Acquisition Device) ein. DIAD ist ein kleines elektronisches Gerät, in dem Angaben über Zustell-, Pickup- und Stechkarteninformationen vorhanden sind und das jeder Zustellbote mit sich fuhrt. Das DIAD ermöglicht mittels einer im Fahrzeug montierten Konsole (dem DVA: Delivery Vehicle Adaptor) die Übermittlung der Zustellinformationen an den UPS Total Track Computer. Dieses mittlerweile weltumspannende Informationssystem ermöglicht UPS und seinen Kunden eine genaue Aufenthaltsbestimmung der versendeten Pakete. Neben einer effizienteren Transportabwicklung konnte die Serviceleistung durch bessere Informationsversorgung der Kunden und genauere Bestimmung der Transportdauer entscheidend verbessert werden. Fünf Jahre nach der Einfuhrung des DIAD bei UPS verfugt auch die deutsche Post über ein entsprechendes Informationssystem, das sich mittlerweile zum Standard in der Branche entwickelt.
2.5
Substitutionsprodukte
Von Substitutionsprodukten wird dann gesprochen, wenn ein Käufer den gleichen Bedarf mit einem anderen Produkt decken kann. Dadurch wird das Potential einer Branche drastisch eingeschränkt und ein Preisverfall eingeläutet. Dem versucht die Branche entgegenzuwirken, indem sie die Qualität oder Leistungsmerkmale ihrer Produkte erhöht, so daß Substitutionsprodukte kein positives Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Je attraktiver das von einem Substitutionsprodukt gebotene Preis-Leistungs-Verhältnis ist, desto kleiner sind die Gewinnspannen einer Branche.
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Informationsmanagement Die Branche der Unterhaltungselektronik mit namhaften Unternehmen wie Sony, Philips, Matushita, Sharp oder Toshiba ist derzeit der Gefahr ausgesetzt, mit Substitutionsprodukten aus der Digitalindustrie konkurrieren zu müssen. Dem von Akio Morita gegründeten japanischen Sony-Konzern ist es bislang nicht gelungen, in der Digitalindustrie eine bedeutende Rolle einzunehmen. Sony ist es seit der Einführung von Walkman und Camcorder vor rund zehn Jahren nicht mehr gelungen ein Massenprodukt zu kreieren. Während der Sony-Konzern 1993 noch einen Umsatz von 38,8 Milliarden Dollar erwirtschaftete, war 1994 ein Rückgang von gut 2 Milliarden Dollar (36,5 Mrd. Dollar) zu verzeichnen. Neben den sicherlich fehlenden innovativen bzw. zukunftsträchtigen Produkten sieht sich die Branche der Unterhaltungselektronik immer häufiger im direkten Konkurrenzkampf mit Produkten der Digitalindustrie. Eine wichtige Rolle im Sinne eines Substitutionsproduktes für die Unterhaltungselektronikbranche ist der Multimedia-PC. Bereits in den 70er und 80er Jahren versuchte Sony in die Computerbranche einzusteigen und ist zweimal gescheitert. Im Spätsommer 1996 startete Sony einen erneuten Versuch mit einem neuen Multimedia Computer. Das Modell „Vaio" wurde zuerst im US-Markt eingeführt und kann als eine Mischung aus PC und TV bezeichnet werden, der bislang unterschiedliche Geräte wie Lautsprecher, Videorecorder, CD-Player, Radio und Anrufbeantworter in einem Gerät vereint. Der Versuch aus der Elektronikbranche heraus in die Computerbranche einzusteigen, kann derzeit bei fast allen japanischen Elektronikkonzernen verfolgt werden. Dies deutet stark darauf hin, daß der Personalcomputer als Substitutionsprodukt mit Wachstumspotential angesehen wird. Allerdings handelt es sich hierbei um sogenannte Me-Too-Produkte, die sich von den bereits auf dem Markt vorhandenen Produkten nicht wesentlich unterscheiden. Abzuwarten bleibt, inwieweit es den angestammten Computerherstellern gelingen wird, den Markt der Unterhaltungselektronik mit Substitutionsprodukten zu konfrontieren und umgekehrt. Eine Branche, die ebenfalls durch die Entwicklungen aus der Digitalindustrie mit Substitutionsprodukten verstärkt konfrontiert wird, ist die Fotoindustrie. Diese Branche kann seit Jahren keine nennenswerten Wachstumszahlen verzeichnen. Jetzt ist sie durch die Einführung des neuen Foto-Standards „APS" (Advanced Photo System) bereichert, der Ende 1996 in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt wurde. APS ist eine Gemeinschaftsentwicklung der fuhrenden Fotounternehmen, dessen fünfjährige Entwicklung rund eine Milliarde DM verschlang. Nach ersten Aussagen des Vorsitzenden des deutschen Fotoindustrie-Verbandes soll APS im Jahr 2000 einen Marktanteil von 50% halten. Demzufolge könnte APS ein ernstzunehmendes Substitutionsprodukt in der Fotobranche 31
Matthias Fank werden. Kunden, die diesen neuen Standard nutzen möchten, benötigen mindestens eine neue Kamera und neue Filme. Zusätzlich können ein Player, Scanner, PC und entsprechende Software als Zusatzausstattung angeschafft werden, wodurch die Bildbearbeitung am heimischen PC unterstützt wird. Dem Konzept von Porter folgend hat ein Substitutionsprodukt sinkende Preise bei bestehenden Produkten zur Konsequenz, die bei Fotokameras im vollen Gange ist. Bei bislang hochwertigen Kameras ist bereits ein Preisverfall von gut 20% zu verzeichnen Beispiele für neue Produkte, die auf Entwicklungen der Digitalindustrie basieren, gibt es zahlreich, von denen zwei an dieser Stelle herausgegriffen wurden. Diese Neuentwicklungen und Substitutionsprodukte erfordern von den Unternehmen einer Branche die hiervon betroffen sind, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen, die bislang nicht zum angestammten Geschäft gehörten. Gelingt es den Unternehmen nicht, sich den Technologien der Substitutionsprodukte anzupassen, besteht die Gefahr, daß sie durch Unternehmen der Digitalbranche immer stärker aus dem angestammten Geschäft verdrängt werden.
3 Ausblick Eine Vielzahl von Managern richtet die Aufmerksamkeit auf ihr Produkt und läßt sich dabei auf Auseinandersetzungen mit ihren direkten Konkurrenten ein. Sie kämpfen um Marktanteile, ohne dabei Funktionen zu berücksichtigen, die sich auf potentielle Konkurrenten oder Substitutionsprodukte richten. Fazit der vorangegangenen Schilderungen ist, daß Unternehmen bei ihren strategischen wie operativen Entscheidungen verstärkt Aspekte des Unternehmensumfelds mit in ihre Entscheidungen einbeziehen müssen. Die Art und Anzahl der zu berücksichtigenden Umfeldaspekte variiert von Branche zu Branche, so daß eine allgemeingültige Liste an relevanten Umfeldaspekten nicht existiert. Zur Strukturierung und Gliederung dieses Beitrags wurde die Einteilung von Porter verwendet, die ein recht breites Spektrum an Umfeldaspekten beinhaltet. Die zunehmende Bedeutung und Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie in nahezu allen Branchen erfordert verstärkt eine Umfeldanalyse aus der Perspektive des Informationsmanagements, die selbstverständlich in Einklang mit der Unternehmensstrategie bzw. der strategischen Grundhaltung des Unternehmens stehen muß. Eine retrospektive Betrachtung von Praxisbeispielen und die Einordnung in das Konzept von Porter mag in dem einen oder anderen Fall möglicherweise bewußt durchgeführt worden sein, wobei davon auszu-
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Informationsmanagement gehen ist, daß in einer Vielzahl von Unternehmen Intuition und Zufall nicht unerheblichen Einfluß auf die Umsetzung des Informationsmanagement in Wettbewerbsvorteile gehabt haben. Der Weg zum Wachstum oder zum Überleben kann nur durch innovative Strategien, die verstärkt neue Informations- und Kommunikationstechnologien einsetzen, gefunden werden. Hierdurch wird ein Unternehmen weniger verwundbar gegenüber Umfeldeinflüssen und es erreicht eine gewisse Einzigartigkeit.
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Matthias Fank Literatur Fank, M. (1996). Einführung in das Informationsmanagement. Grundlagen - Methoden - Konzepte. München Picot, A., Reichwald, R. & Wigand, R.T. (1996). Die grenzenlose Unternehmung. Information. Organisation und Management. 2. Aufl. Wiesbaden Porter, M. E. (1984). Wettbewerbsstrategie: Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten (Competetive strategy). 2. Aufl. Frankfurt am Main
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2.2
Der Wechsel von der Industrie zur Informationsgesellschaft von
Alexander Bojanowsky
1
Der fünfte Kondratieff
2
Die zwei Determinanten für wirtschaftliches Wachstum
3
Von der Industrie- in die Informationsgesellschaft
4
Informations- versus Dienstleistungsgesellschaft
5
Die Vormachtstellung der Hardwarehersteller
6
Die PC-Revolution
7
I und K - zwei Welten wachsen zusammen
8
Die Softwarepioniere
9
Die Softwarebranche emanzipiert sich
10 Die Stunde der Systemintegratoren 11 Vom Facilities Management zum Outsourcing 12 Outsourcing versus Insourcing 13 Vom Produkt zur Dienstleistung 35
Alexander Bojanowsky Die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie (IuKT) durchdringt unser Leben mehr als jede andere Technologie. Es gibt kaum noch Bereiche, die nicht von der IuKT erfaßt, gesteuert, kontrolliert und beeinflußt werden. Keine Stunde, keine Minute, keine Sekunde vergeht ohne das Zusammenspiel von Hardware und Software, von Information und Kommunikation. Wir nehmen es wie selbstverständlich hin, daß Flugzeuge fliegen, der Straßenverkehr geregelt, die Intensivstationen in Krankenhäusern überwacht werden und unsere Telefonnetze rund um die Uhr für uns bereitstehen. Wir erwarten den täglichen Wetterbericht genauso wie die Börsenkurse sowie das Neueste aus aller Welt, ohne noch groß darüber nachzudenken, wie diese Informationen erfaßt und zu uns kommuniziert werden. Die IuKT hat ganz neue Wirtschaftszweige geschaffen. In der Industrie hat die IuKT Prozesse angestoßen, die vorher undenkbar waren. Konzepte wie Just-in-Time, die zeit- und bedarfsgerechte Zulieferung, sind erst durch die IuKT ermöglicht worden. Aber auch die Dienstleistungsbranche profitiert verstärkt von der IuKT. Schnelle Informationen über verfugbare Immobilien, Preisinformationen sowie Lagerbestände sind auch über weite Strecken erst durch die IuKT machbar geworden.
1 Der fünfte KondratiefT Basierend auf der Theorie der "Langen Wellen der Konjunktur und ihrer Basisinnovationen" beschreibt Leo Nefiodov den Wandel einzelner Wirtschaftszyklen. In seinem Buch "Der fünfte KondratiefT" geht er auf den Wandel zur Informationsgesellschaft ein: Der fünfte Kondratieff (=> Informationsgesellschaft) setzte in den 1970er Jahren ein und prägt seither in allen ökonomisch entwickelten Ländern den technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandel. Er ist der erste Langwellenzyklus, der nicht mehr primär von der Verwertung von Bodenschätzen, Stoffumwandlungsprozessen und Energie getragen wird, sondern von der Verwertung einer geistigen Größe: der Information Kulturgeschichtlich betrachtet beruht die Expansionsdynamik - vor allem der westlichen Länder - auf der Fähigkeit, immer neuere und immer größere Energiemengen zu erschließen und verwerten zu können. Während der Frühform der Kultur wurden die Energien des Windes, Feuers, Wassers und der Nutztiere erschlossen. In der Industriegesellschaft kam die Kraft der Kohle, der Elektrizität, des Erdöls und -gases sowie der Kernspaltung hinzu. Bis in die 1960er Jahre war der Begriff Energie mit wirtschaftlichem Fortschritt verbunden. Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch verhielten sich daher direkt proportional zueinander.
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Informationsgesellschaft Die massenhafte Produktion der unterschiedlichsten Güter und der damit verbundene, kaum noch zu stillende Rohstoff- und Energiekonsum führten zu einem Zustand, den der "Club of Rome" 1972 in seinem Bericht "On the Limits of Growth" kritisierte. Der "Club of Rome" forderte die Industrienationen auf, den Energiekonsum zu drosseln. Dies führte dazu, daß erstmalig die zentrale Stellung der Industrie in der Wirtschaft in Frage gestellt wurde. Da Marktwirtschaft zwingend auf Wachstum angewiesen ist, dieses Wachstum bis dato aber vom Energiekonsum abhängig war, galt es nun nach neuen Wachstumsressourcen zur Sicherung der Marktwirtschaft zu suchen. Das Wachstum aller Systeme, ob technisch, sozial oder biologisch, hängt von ihrer Fähigkeit ab, durch Strukturveränderungen oder -erweiterungen die Voraussetzungen zu schaffen, mehr Energie und/oder Informationen aufzunehmen, als für den Erhalt der Systeme notwendig ist.
2 Die zwei Determinanten fiir wirtschaftliches Wachstum Entsprechend der Systemtheorie gibt es nur zwei Determinanten, die das Systemwachstum ermöglichen: • Energie und • Information.
Für die wirtschaftlichen Systeme der 1970er Jahre galt es, den Energiekonsum einzuschränken. Trotz dieser Energieeinsparungen sollten diese Systeme stetig weiter wachsen. Was lag also näher, als sich auf den Wachstumsfaktor Information als Quelle neuen wirtschaftlichen Wachstums zu verlagern? Daher markiert der Übergang von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft nicht nur einen Wechsel zwischen zwei Langwellenzyklen (nämlich vom 4. zum 5. Kondratiefl), er ist zugleich ein historischer Wendepunkt in der Entwicklung der Zivilisation.
3 Von der Industrie- in die Informationsgesellschaft War die Industriegesellschaft maßgeblich durch die "Harte Ware" geprägt (Rohstoffe und deren Verarbeitung zu Produkten), kommt es in der Informationsgesellschaft nicht mehr primär auf diese "harten Waren" an, sondern auf die Gewinnung, Erfassung, Verarbeitung, Speicherung und Nutzung von Informationen (z.B. Daten, Sprache, Texte, Bilder). Hing die Industriegesellschaft maßgeblich vom optimalen Material- und Energiefluß ab, so ist die Informationsgesellschaft maßgeblich geprägt durch die Erschließung, Verarbeitung und 37
Alexander Bojanowsky Nutzung immaterieller Ressourcen. Bestimmend für die Informationsgesellschaft sind die Informations- und Kommunikationsbeziehungen zwischen Anbieter und Anwender sowie die immaterielle WertschöpfUng. Der Mensch als wichtigster Erzeuger, Träger, Vermittler, Benutzer und Konsument von Informationen rückt erstmalig in der Geschichte in den Mittelpunkt eines Strukturwandels. Der technische, organisatorische und soziale Fortschritt gilt als Schlüssel für Wirtschaftswachstum und Wohlstandsmehrung. Nicht Menschenmassen und Rohstoffvorkommen entscheiden über die Prosperität einer Nation, sondern Fachkompetenz, Kapital, Kreativität, Kooperationsvermögen, Motivation und Organisationsgrad. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich den Wohlstandsunterschied zwischen den führenden Industrieländern wie USA, Japan und Deutschland einerseits und China, Brasilien sowie Indien andererseits vergegenwärtigt.
4 Informations- versus Dienstleistungsgesellschaft Die letzten Jahre vor dem Jahrtausendwechsel sind geprägt durch zwei Leitthemen, die ständig miteinander in Verbindung gebracht bzw. synonym verwendet werden: Informationsgesellschaft und Dienstleistungsgesellschaft. In der Tat weisen beide Begriffe eine hohe Kongruenz auf. Sowohl die Informationsgesellschaft als auch die Dienstleistungsgesellschaft basieren im wesentlichen auf der immateriellen Wertschöpfüng. Während jedoch die Informationsgesellschaft zwingend auf die IuKT angewiesen ist, ist die Dienstleistungsgesellschaft nicht notwendigerweise abhängig von dieser Technologie. Des wieteren ist eine Informationsgesellschaft immer auch eine Dienstleistungsgesellschaft. Die Dienstleistungsgesellschaft muß aber nicht zwingendermaßen eine Informationsgesellschaft sein. Der wesentliche Unterschied liegt in der "Intelligenz" der erbrachten Leistung. Eine Dienstleistung muß nicht notwendigerweise eine "intelligente" Leistung sein. Der Begriff "intelligent" bzw. Intelligenz" im Zusammenhang mit Dienstleistung bildet die Grundlage für den sogenannten "tertiären" Bereich. Darunter lassen sich Dienstleistungen wie z.B. Beratung, Aus- und Weiterbildung, Wartung sowie Informationsverarbeitung, -Vermittlung und -Übermittlung zusammenfassen. Zwar hebt sich eine Dienstleistungsgesellschaft in einigen Punkten von der Informationsgesellschaft ab; da aber beide Gesellschaftsformen dem gleichen Trend folgen, nämlich der Verlagerung der Wertschöpfüng von materiellen zu immateriellen Leistungen, werden im weiteren beide Begriffe synonym verwendet.
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Informationsgesellschaft 5 Die Vormachtstellung der Hardwarehersteller Die Entwicklung der Informations-/Dienstleistungsgesellschaft ist eng verbunden mit der Entwicklung der Computer, insbesondere des Personal Computers. Fast zeitgleich mit dem Wechsel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft - vielleicht sogar als unbewußte Folge - übte die amerikanische Regierung Druck auf die großen Computerhersteller wie IBM aus, ihre sogenannte Bundlingpolitik aufzugeben, d.h. Hardware und Software als ein Paket - ohne Preisdifferenzierung - anzubieten. Bis dahin war es üblich, daß die hardwareherstellenden Firmen, insbesondere jedoch IBM, nur Komplettsysteme anboten. Es war so gut wie nicht möglich, Hardware und Software getrennt zu kaufen. Alles kam als Bündel. Dies führte stellenweise dazu, daß Anwender Software besaßen, die nicht eingesetzt wurde. Durch die Aufhebung der Bundlingpolitik hatten unabhängige Softwareanbieter und Beratungsunternehmen erstmalig eine Chance, sich ein Stück vom großen Softwarekuchen zu sichern. Speziell im IBM-Umfeld entstanden daher in kürzester Zeit Firmenneugründungen. Bedingt durch den dadurch entstehenden Wettbewerb wurden die Preise für unterschiedliche Softwarepakete deutlich günstiger. An der Preisstrategie der Hardwarehersteller änderte sich jedoch vorerst nicht viel. Zudem hatten bis Mitte der 1980er Jahre sowohl die Hardware- als auch die Softwareanbieter fast ideale Absatzvoraussetzungen. Die Kunden kauften, was ihnen angeboten wurde. Die Anwenderseite war zu diesem Zeitpunkt kaum organisiert, hatte nur geringes Technologieverständnis und mußte auch aufgrund der Marktverhältnisse das nehmen was angeboten wurde. Gemäß dem Motto "Darfs ruhig ein bißchen mehr Hardware sein" verkauften die Vertriebsleute alles, was nicht niet- und nagelfest war.
6 Die PC-Revolution Mit der PC-Revolution sollte sich das schlagartig ändern. Hatten COMMODORE, ATARI und APPLE bereits seit Mitte der 1970er Jahre versucht, Computer für eine breite Anwenderschicht auf den Markt zu bringen, kam der Durchbruch des Personal Computers auf breiter Basis erst 1981 mit dem IBM PC AT. Dieser Desktop-Computer basierte auf einem Mikroprozessor der Baureihe 8086 der Firma INTEL und arbeitete mit einem Betriebssystem der Firma MICROSOFT, die bereits seit Mitte der 1970er Jahre Erfahrungen auf dem Gebiet der Betriebssystemsoftware für Minicomputer gesammelt hatte. Der AT war anderen am Markt verfugbaren Rechnern, bedingt durch seine Prozessorstruktur, unterlegen. Er konnte nur einen eng begrenzten Speicherraum von 640 KB adressieren. Daher 39
Alexander Bojanowsky mußten die Programme für diesen Rechnertyp so programmiert werden, daß dieser Adreßraum nicht überschritten wurde. Dieses technische Manko machte IBM aber mit einem bis dahin nicht dagewesenen genialen Schachzug wett: IBM legte die Systemarchitektur des AT offen. In kürzester Zeit wurde der Markt mit IBM-Klonen nur so überschwemmt. Dabei handelte es sich um Computer, die zwar nach der IBM-Architektur, aber nicht direkt von IBM gebaut waren. Ferner basierten alle Klone auf dem Betriebssystem MS-DOS. Dies führte zu einer Schwemme von Computern und den dazugehörigen Anwendungsprogrammen. Innerhalb kürzester Zeit hatte MICROSOFT Lizenzen für sein Betriebssystem MS-DOS an über 50 PCHersteller vergeben. Zwei Jahre später waren es bereits über 200 PC-Hersteller. Die PC-Revolution wurde durch die Tatsache unterstützt, daß der PC in allen nur denkbaren Anwendungsbereichen eingesetzt werden konnte. Der Einsatz des PC begrenzte sich nicht nur auf den Bürobereich. Er wurde auch in der Automatisierung, im Handel und Vertrieb, in der Warenwirtschaft und Logistik, für technisch-wissenschaftliche Anwendungen und sogar als Prozeßrechner in der Produktion eingesetzt. IBM-Kompatibilität wurde zu einem Markenzeichen. Als IBM-kompatibel galt alles, was auf der IBM-Architektur und dem Microsoft-Betriebssystem aufbaute und arbeiten konnte. Zwar mußte man 1985 noch zwischen DM 5.000 bis DM 6.000 für einen geklonten AT bezahlen, doch war dieser Preis wesentlich erschwinglicher als die Preise für Rechneranlagen der mittleren Datentechnik oder gar für Großrechenanlagen. Als APPLE und andere die Genialität der IBM-Strategie erkannten, war es bereits zu spät. Der AT und das darauf aufbauende Modell XT hatten ihren Siegeszug bereits angetreten. So sehr sich APPLE, COMMODORE und ATARI auch bemühten, der IBM-kompatible PC war zum "Volks-PC" geworden. Die Weiterentwicklung der Halbleitertechnologie sowohl in Amerika und Japan, aber auch in Europa taten ihr übriges dazu. Die Computer, insbesondere die Central Processing Unit (CPU), d.h. das Rechenwerk und die Speichereinheiten (Festspeicher und flüchtige Speicher), wurden immer schneller und leistungsfähiger. Die Massenproduktion ermöglichte enorme Kosteneinsparungen, wodurch sich die Preise innerhalb kürzester Zeit drastisch reduzierten. Allerdings bedeutete die PC-Revolution auch den Vormarsch der amerikanischen Hardwareund Softwarehersteller. In nur zehn Jahren konnte die Leistungsfähigkeit des PC so gesteigert werden, daß viele Anwender sich von ihren Großrechenanlagen trennten. Zudem schien die Zahl der zur Verfügung stehenden Anwenderprogramme ins Unendliche zu wachsen.
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Informationsgesellschaft Speziell in den Vereinigten Staaten wurde eine Vielzahl von Anwenderprogrammen geschrieben, die als sogenannte Shareware bzw. sogar als Freeware dem Anwender zur Verfugung standen. Viele der so zur Verfugung gestellten Programme setzten in ihren Kategorien Standards. In Deutschland tat man sich schwer mit der Entwicklung von Anwenderprogrammen für den PC. Zum einen war der Markt für deutschsprachige Softwareprogramme begrenzt, zum anderen waren die Entwickler zu technikverliebt, um es den amerikanischen Programmierern gleich zu tun. Legte der deutsche Entwickler Wert auf die 100%ige Perfektion seines Programmes, warf sein amerikanischer Kollege eher eine sogenannte "Quick-and-Dirty"-Lösung auf den Markt. Gefördert wird dieser Trend auch durch die viel intensivere Verzahnung von Forschung und Entwicklung in den USA. Die amerikanische Industrie ist viel eher bereit Entwicklungen aus der Forschung aufzugreifen und umzusetzen, als dies in Europa je der Fall sein wird. Zudem beschäftigt sich die europäische und insbesondere die deutsche Forschung viel mehr mit akademischen Themen als mit Industrieproblemen. In Deutschland gilt es lange Zeit als unfein, sich mit industrienahen Problemstellungen zu befassen. Anders in den Vereinigten Staaten: Dort stürzten sich Studenten und Professoren auf gerade diese Probleme. Für die besten Entwickler winkten lukrative Jobs in der Industrie. Besonders forderlich für die amerikanische Computerindustrie war die sogenannte SDI Space Defence Initiative, auch als Krieg-der-Sterne-Programm bekannt. Mit Milliardenbeträgen unterstützte das Department of Defence (DoD), das amerikanische Verteidigungsministerium, die Weiterentwicklung der Minicomputertechnologie und ihrer Anwendungen. Ein Abfallprodukt der SDI ist der konsequente Ausbau des Internets. Mit dem Ausbau und der Vernetzung vieler einzelner Netze zum Internet sicherte sich die amerikanische Regierung die landesweite Kommunikation im Störfall. Zielsetzung was es, sollte das Kommunikationsnetz von feindlichen Bomben zerstört werden, die Kommunikation zwischen Ost- und Westküste aufrechtzuerhalten. Mit diesem Vorhaben zwang das DoD die Kommunikations- und Informationstechnologen an einen Tisch. Unterstützt durch die Regierung, darüber hinaus noch mit dem größten globalen Binnenmarkt versehen, gedieh die amerikanische informationstechnologische Branche schneller als in anderen Ländern. Die meisten Produkte, die mit der sogenannten PC-Revolution einhergingen, kamen aus den Vereinigten Staaten. Europa hatte dem wenig entgegenzusetzen Seit 1984 versuchte zwar die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die europäische IT-Industrie zu fördern, doch mit nur mittelmäßigem Erfolg. Die meisten Prototypen und vorwettbewerblichen Produkte, die mit Hilfe des 41
Alexander Bojanowsky ESPRIT-Programms entwickelt wurden, kamen nie auf den Markt. Europa versuchte es strategisch, kam aber über bloßes Jammern nicht hinaus. Neben ESPRIT, als Gegeninitiative zur SDI, versuchte Europa es mit dem JESSI, einem gigantisch angelegten Forschungs- und Entwicklungsprogramm zur Entwicklung neuer Speicherbausteine in Europa. Der Erfolg war mäßig. Der erwartete Technologie-Push für Europa blieb aus. Statt dessen stellte sich der sogenannte Applicationpull (Anwendungszwang) ein. Die Anwender, die bis zu diesem Zeitpunkt alles geschluckt und gekauft hatten, was ihnen die Vertriebsleute vorsetzen, wollten auf einmal selbst bestimmen. Auch sie hatten dazugelernt: teilweise saßen sie noch auf teuren Mietverträgen für Rechenanlagen der mittleren Datentechnik, die noch nicht einmal die Funktionalität und Leistungsfähigkeit eines XT besaßen. Sie wußten was sie wollten: eine billigere, flexiblere Hardwarelösung mit einer praktikablen Software. Mit dem PC hatte die Welt, was sie brauchte. Eine Ressource, die es ermöglichte, das Wirtschaftsgut Information zu erfassen, zu verarbeiten, zu speichern und zu verteilen. Vergleicht man die Einfuhrung des PC mit der des Telefons, so muß festgestellt werden, daß die Durchdringung des Personal Computers wesentlich schneller von statten geht als die Einfuhrung des Telefons. Das erste brauchbare Telefon wurde Mitte des 1900 Jahrhunderts von Philipp Reis entwickelt. Erst knappe 60 Jahre später zog das Telefon in die Mehrzahl der Haushalte ein. Der erste brauchbare PC wurde 1975 vorgestellt. Bereits 20 Jahre später verfügten 25% aller Haushalte in Deutschland über einen Personal Computer. Bis zur Jahrtausendwende sollen es über 50% aller Haushalte in der westlichen Welt sein. Dieser Siegeszug des PC läßt sich mit nichts vergleichen.
7 I und K - zwei Welten wachsen zusammen Als NIXDORF als erstes deutsches Unternehmen 1982 eine digitale Vermittlungsstelle herausbringt, ist der Weg für die CIT - Computer Intergrated Telephony - geebnet. Lange Zeit bekämpften sich die Informations- und Kommunikationstechniker in einer Art Glaubenskrieg. Mit der Entwicklung der Mikroprozessoren mußten die Kommunikationstechniker allerdings eingestehen, daß der Einsatz des Computers auch in ihrem Bereich enorme Fortschritte versprach. Bis aus der Informationstechnik einerseits und der Kommunikationstechnik andererseits die IuKT-Branche wurde, dauerte allerdings noch ein paar Jahre. Besonders schwierig war für beide Seiten die Anpassung der unterschiedlichen Standards. Die Kommunikationsleute verfügten mit CCITT und CEPT über entsprechende Gremien, in denen die Normenarbeit vorgenommen wurde. Die Informationstechniker hatten dem aber nichts 42
Informationsgesellschaft gleichwertiges entgegenzusetzen. Sie wollten aber auch nicht ihre selbst gesetzten Industriestandards zugunsten der Kommunikationstechnik aufgeben. Mehr notgedrungen als freiwillig mußten die einstigen Protagonisten der Kommunikationstechnik einen rapiden Wandel vollziehen. Als die Kommunikationstechnikfirmen die Möglichkeiten des Computereinsatzes in ihrem Bereich erkannten, war es für viele Unternehmen schon zu spät. AT&T, SIEMENS und ALCATEL hatten bereits neunstellige Beträge in die Entwicklung digitaler Vermittlungsstellen investiert. Der technologische Vorsprung, den die Firmen sich damit erworben hatten, konnte von vielen Wettbewerbern nicht mehr aufgeholt werden. Teilweise wurden die Wettbewerber von den Marktführern geschluckt, teilweise wurden aus den einstigen Kommunikationsanbietern Anbieter informationstechnischer Lösungen. Einhergehend mit der zunehmenden Dezentralisierung der IT-Strukturen machten sich diese Firmen immer mehr die informationstechnologischen Probleme ihrer Kunden zu eigen. Hilfreich war dabei die Entwicklung auf dem Gebiet der Übertragungsprotokolle. Das TCP/IP, ein weiteres Abfallprodukt der amerikanischen Militärforschung, sollte ursprünglich dafür Sorge tragen, daß die unterschiedlichen Netze, die in Amerika im Einsatz waren, miteinander kommunizieren konnten. Damit dies möglich war, brauchte man zwei Grundvoraussetzungen: a) eine physikalische Verbindung (z.B. eine Leitung) und b) ein Übertragungsprotokoll, mit welchem die Übertragung der Daten geregelt werden sollte. Da aber viele Unternehmen von der Vernetzung der unterschiedlichen Netze profitieren wollten, übernahmen sie kurzerhand das Protokoll als eigenen Kommunikationsstandard. 1990 hatten sich bereits mehr als 300 Herstellerfirmen für das TCP/IP als Grundlage für die Kommunikation ihrer Geräte entschieden. Das Internet hat die beiden Bereiche Informations- und Kommunikationstechnologie endgültig zusammengeschweißt.
8 Die Softwarepioniere Bereits Mitte der 1950er Jahre wurden die ersten Programmier- und Beratungshäuser gegründet. Als erstes deutsches Softwarehaus gilt die Dortmunder mbp - Mathematischer Beratungsund Programmierdienst GmbH. Aufgabe des 1957 gegründeten Unternehmens war es, die 14 Gesellschafter (vornehmlich Unternehmen aus dem Dortmunder Raum) bei allen Fragestellungen der Datenverarbeitung zu beraten und zu unterstützen. Im Handelsregister war als Unternehmensgegenstand eingetragen:
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Alexander Bojanowsky • "Wissenschaftliche und organisatorische Lösung von Rechenproblemen durch Datenverarbeitungsanlagen, insbesondere durch elektronische Rechenanlagen".
Zu den Aufgaben des Unternehmens gehörten: • "...vorbereitende Untersuchungen für die Inbetriebnahme von Rechenanlagen, ein Programmierdienst für Handel und Industrie, die Lösung von Problemen der Datenverarbeitung, die allgemeine Beratung von Firmen sowie die Ausbildung von Bedienungspersonal für Rechenanlagen..."
Damit war der Unternehmenszweck klar auf das Erbringen von Dienstleistungen ausgelegt. Das zweite deutsche Softwarehaus, die 1958 gegründete MindhofF Unternehmensberatung, verfolgte einen ähnlichen Unternehmensgegenstand. Die Mindhoff Unternehmensberatung GmbH unterstützte ihre Kunden bei der Datenverarbeitung speziell im Buchhaltungs- und Finanzbereich. Zu diesem Zweck wurden die Kunden eingehend beraten, bei der Auswahl der Rechenanlagen unterstützt sowie die notwendigen Programmier- und Anpassungsarbeiten vorgenommen. Bereits 1953 hatte die ORGA-RATIO Organisation- und Rationalisierungsgesellschaft ihre Tätigkeit aufgenommen, sich aber erst gegen Ende der 1950er Jahre mit der Datenverarbeitung auseinandergesetzt. Das erste Dienstleistungsrechenzentrum entstand 1953: Das Rhein-Main-Rechenzentrum GmbH & Co. KG. Aufgabe des Rhein-Main-Rechenzentrums war es, mit einer Rechenanlage Dienstleistungen (Rechenkapazität) mehreren Kunden "gleichzeitig" zur Verfugung zu stellen. Zu diesen Dienstleistungen gehörten u.a. auch die Datenerfassung und -Verteilung. Während der 1960er Jahre dominierten die Hardwarehersteller die Szene; vornehmlich aber IBM und SIEMENS. Drei Firmen begannen ihren Erfolgszug Mitte der 1960er Jahre: NIXDORF, DIGITAL EQUIPMENT CORPORATION und HEWLETT-PACKARD. Diese drei hatten sich auf ein Gebiet spezialisiert, was später als mittlere Datentechnik bekannt werden sollte. In den 1970er Jahre schlug die Sternstunde der deutschen Software- und Beratungshäuser. Anfang der 1970er Jahre wurden die meisten deutschen Software- und IT-Dienstleistungsunternehmen gegründet. Bemerkenswert war dabei die Tatsache, daß die meisten der Unternehmensgründer vorher bei der IBM sozusagen in die Lehre gegangen waren, es dann aber
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Informationsgesellschaft vorzogen, sich selbständig zu machen. Das Szenario war fast immer das Gleiche: mehrere Jahre IBM-Erfahrung als Entwickler bzw. Projektleiter, Karrierestau, Selbständigkeit. Dabei trennte man sich fast nie im Streit vom Weltmarktfiihrer. Im Gegenteil, ein Großteil der Gründerunternehmer machte in den Folgejahren satte Gewinne im IBM-Umfeld. Interessanterweise stand bei vielen der Gründer die Beratung, d.h. die Dienstleistung im Vordergrund. Gemäß der Volksweisheit, daß "Guter Rat teuer ist!" beriet man seine Kunden beim Einsatz der noch teureren Computersysteme. Ein wesentlicher Teil der Dienstleistung bestand in der maßgeschneiderten Anpassung der von IBM angeboten "Standardprodukte". Nicht immer paßten die vom Vertrieb angebotenen Lösungen 1:1 zu den Problemstellungen, die die Kunden hatten. Da IBM nicht in allen Sparten Anwendungsspezialisten vorhalten konnte, begrüßte man die Spezialisierung der "freien" Software- und Beratungsunternehmen im Markt.
9 Die Softwarebranche emanzipiert sich Dabei kristallisierten sich bis Anfang der 1980er Jahre zwei Hauptströmungen heraus; •
die systemnahen Software- und Beratungshäuser
•
die unabhängigen Beratungs- und Softwareanbieter.
Die systemnahen Software- und Beratungshäuser hatten sich auf spezielle Systeme, wie z.B. /360 oder /370, ausgerichtet und bedienten hauptsächlich ausgewählte Branchen und boten maßgeschneiderte Lösungen (z.B. für den Handel) an. Die unabhängigen Beratungs- und Softwareanbieter verfolgten eine andere Strategie. Sie konzentrierten sich in erster Linie auf das zu lösende Problem und näherten sich diesem zuerst einmal von der organisatorischen Seite und dann suchte man die beste technologische Plattform zur Umsetzung. Je mehr sich die Anwender von der Technologiedominanz der Anbieter zu lösen versuchten und eigene Vorstellungen über den Hard- und Softwareeinsatz entwickelten, um so mehr prosperierten die unabhängigen Berater. Teilweise konzentrierten sie sich sogar nur noch auf die Beratung und überließen die Softwareentwicklung anderen. Es gab aber auch unabhängige Beratungs- und Softwarehäuser, die aufgrund ihres Erfahrungsschatzes versuchten, die individuellen Lösungsansätze so zu konfektionieren, daß sie auf möglichst viele unterschiedliche Problemfälle anzuwenden waren. Aus den maßgeschneiderten, individuellen Lösungen wurden Standardsoftwarepakete. Teilweise war der Erfolg der Anbieter so groß, daß sie sich ausschließlich auf die Entwicklung von Standardlösungen konzentrierten.
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Alexander Bojanowsky Mit der PC-Revolution änderte sich für viele Unternehmen der Wettbewerb. Die leichte Handhabung des PC, verbunden mit der günstigen Preisstruktur, führte dazu, daß der Anwender begann, seine DV-Probleme selbst in den Griff zu bekommen und Softwarelösungen zu entwickeln. Schnell lernte er die Vorteile des Minicomputers zu nutzen. Einziger Nachteil war, daß man seit Jahren über Großrechenanlagen verfugte und nun nicht wußte, wie man die kleineren "Insellösungen" in die existierende Datenverarbeitungsanlage integrieren konnte.
10 Die Stunde der Systemintegratoren Hier waren nun die Unternehmen gefragt, die einerseits über das entsprechende System-Knowhow verfugten (die systemnahen Softwareanbieter und Berater), und andererseits die, die sich auch mit anderen Technologien auskannten (die unabhängigen Berater und Softwareanbieter). Es entwickelte sich ein neues Leistungsangebot: die Systemintegration. Bei der Systemintegration ging man davon aus, daß mit einer neuen Problemlösung nicht automatisch die gesamte DV-Infrastruktur ausgetauscht werden müsse. Es bestand eine rege Nachfrage, die neuen Lösungen in existierende DV-Systeme zu integrieren. Innerhalb kürzester Zeit sollte die Systemintegration mehr als die Hälfte des gesamten Branchenumsatzes ausmachen. Das größte Problem der Systemintegratoren war es, den proprietären Ansatz der Hardwarehersteller aufzubrechen und die unterschiedlichen Hausstandards zu einer einheitlichen, funktionierenden Lösung zusammenzubringen. Seit Anfang der 1980er Jahre wurde konsequent der Ansatz der offenen Systeme verfolgt. Wer sich im Markt behaupten wollte, mußte einen Teil seiner Systemarchitektur offenlegen. Der PC hatte vorgemacht, wie man sich im Markt durchsetzt.
11 Vom Facilities Management zum Outsourcing Viele Unternehmen wurden aber nicht mehr mit ihrer DV-Infrastruktur fertig. Man suchte neue kostengünstigere Ansätze. Bereits Anfang der 1960er Jahre hatte der Amerikaner Ross Perot die Idee, das Management der DV-Anlagen dem Anwender abzunehmen. Zuerst bot Perot seinen Kunden die Übernahme von Routinedatenverarbeitungsaufgaben an. Allerdings tat er das nicht auf seinen eigenen Computern, sondern bedient sich dabei der Rechenkapazität, die ihm von Dritten zur Verfügung gestellt wurde. Erst drei Jahre nach der Firmengründung von EDS im Jahr 1965 kaufte Perot den ersten Computer, eine IBM 1401. Perot's Idee, sich einerseits zur Erledigung von DV-Aufgaben der Rechenanlagen Dritter zu bedienen bzw. selbst solche Leistungen Dritten anzubieten, gilt als Geburtsstunde des Facilities 46
Informationsgesellschaft Management (FM). Das klassische FM war lange Zeit ein Grundpfeiler des informationstechnologischen Dienstleistungsangebotes. Es gilt als Vorläufer des sogenannten Outsourcings. Unter FM verstand man lange Zeit nur die bloße Bereitstellung von Rechenkapazität. Im Laufe der Jahre verlangten aber die Kunden immer mehr die Bereitstellung qualifizierten Personals zur Erledigung immer komplexer Problemlösungsaufgaben. Zwar wollten die Kunden nicht das Anwendungs-Know-how in die Hände des FM-Anbieters verlagern, die zunehmende Komplexität der DV-Anlagen machte es aber zwingend erforderlich, die Kompetenz des FM-Anbieters in Anspruch zu nehmen. Der FM-Anbieter wurde so immer mehr mit den Anwendungsproblemen der Kunden betraut. Konsequenterweise wurden immer mehr Problemlösungen direkt bei FM-Anbieter vor Ort durch das Personal des Anwenders umgesetzt. Was unweigerlich dazu führte, daß qualifiziertes Anwenderpersonal beim FM-Anbieter "hängenblieb". Die so gewonnenen neuen Kompetenzen nutzten viele FM-Anbieter, um bestimmte Problemlösungen auch anderen Kunden anzubieten. Daraus entwickelte sich sehr schnell das sogenannte „Partielle Outsourcing". Der Trend zum Outsourcing wurde auch durch die neuen Trends im Management unterstützt. Über Jahre hinweg hatten die EDV-Abteilungen in den Unternehmen an "Macht" und Einfluß gewonnen. Es konnten kaum noch strategische Entscheidungen getroffen werden, ohne daß die IT-Verantwortlichen mit in die Entscheidungsfindung einbezogen wurden. Eine häufig gestellte Frage lautete daher: "Kann das unsere EDV?" Anfang der 1970er Jahre saßen viele Unternehmen auf langfristigen Lizenz- und Wartungsverträgen für große Computeranlagen. Die Lizenz- und Wartungspolitik verpflichtete viele Anwender, immer neuere Releasestände abzunehmen. Der Kunde mußte mitziehen. Die Bindung an bestimmte DV-Systeme war kostspielig. Sie bedingte einen gewissen Wasserkopf und hohe Ausgaben für die Pflege und Weiterentwicklung der Systeme. Die Unternehmen gaben stellenweise mehr Geld für die Datenverarbeitung, als für die Weiterentwicklung ihres eigentlichen Kerngeschäfts aus. Das Management sah während der 1980er Jahre seine wichtigste Aufgabe in der Verbesserung der Qualität bei gleichzeitiger Reduzierung der Kosten. Dies verlangte auch nach neuen Unternehmensstrukturen. Die Managementgurus diesseits und jenseits des Atlantiks predigten "schlanke Organisationseinheiten", die Unternehmen sollten sich auf ihre angestammten Kernkompetenzen besinnen und jeglichen administrativen und operativen Ballast über Bord werfen. Weder für die Textil- noch für die Nahrungs- und Genußmittelindustrie, weder für die Automobil- noch für die stahlverarbeitende Branche gehört die Beherrschung der Datenverarbeitung 47
Alexander Bojanawsky zur Kernkompetenz. Was lag also näher, als sich mit neuen Konzepten auseinanderzusetzen, die die Auslagerung bestimmter DV-Aufgaben nach draußen zum Ziel hatten. Dieser Prozeß dauert bis heute an. Was einst unter dem Schlagwort "Leaner Management" propagiert wurde, wird heute unter dem Begriff "Geschäftsprozeßerneuerung" bzw. "Geschäftsprozeßoptimierung" fortgeschrieben. Mit dem Beginn der Informationsgesellschaft rückte der Mensch als wichtigster Erzeuger, Träger, Vermittler, Benutzer und Konsument von Informationen in den Mittelpunkt des Geschehens. Jedoch ist der Mensch auch der größte Hemmschuh bei der Umsetzung neuer Konzepte und Ideen. Seit Einführung des PC und der damit verbundenen revolutionären Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und Informationstechnologie verteidigen die ITVerantwortlichen ihre Pfründe mit Vehemenz. Viele innovative DV-Ansätze sind an den verkrusteten Strukturen innerhalb der Unternehmen und der Einflußnahme der IT-Verantwortlichen gescheitert. Erst seit Mitte der 1990er Jahre scheinen Konzepte zur Auslagerung bzw. Verlagerung der informationsverarbeitenden Aufgaben in größerem Umfang zu greifen.
12 Outsourcing versus Insourcing Doch zu jedem Trend gibt es einen Gegentrend. Mit der Optimierung der Geschäftsprozesse sind viele Unternehmen vor die Frage gestellt, ob sie die Informationstechnik im Hause behalten oder nach "draußen" geben sollen. Die Verlagerung nach draußen bedeutet aber auch eine Verlagerung bestimmten Know-hows und eine zusätzliche Abhängigkeit. Für viele Branchen sind in den letzten Jahren Standardlösungen entwickelt worden. Dienstleister, die nun im Zuge des Outsourcings eine bestimmte Branchenlösung, basierend auf einer solchen Standardlösung anboten, konnten nur bedingt alle Facetten und Feinheiten des Unternehmens berücksichtigen. Dies führte dazu, daß die Unternehmen sich stark an die Vorgaben und Strukturen der Software anpassen mußten. Umgekehrt war dies kaum möglich. Daraus ergab sich, daß unternehmensspezifische Prozesse den Prozeßvorgaben der Standardlösung angepaßt wurden; was wiederum zur Folge hatte, daß einige Unternehmen ihre Unternehmenscharakteristika einbüßten. Zur Erhaltung der Alleinstellungsmerkmale sehen sich einige Unternehmen gezwungen, die Standardsoftwarelösungen ihren Prozessen anzupassen. Was letztendlich dazu führt, daß man hausinterne Abteilungen aufbaut, die den Anpassungsprozeß vornehmen können. Da beim Anpassungsprozeß jedoch wieder zusätzliche Kompetenz aufgebaut wird, stellen die Unterneh48
Informationsgesellschaft men ihre zuvor getroffene Entscheidung für das Outsourcing wieder in Frage und beginnen, einmal outgesourcte Leistungen wieder ins Unternehmen hineinzunehmen, also Insourcing zu betreiben.
13 Vom Produkt zur Dienstleistung Viele Unternehmen haben im Laufe ihrer Firmengeschichte das Profil verändert. Heute können die Unternehmen der IuKT-Branche im wesentlichen in drei Klassen unterteilt werden: 1. Reine Produktanbieter (nur HW, nur SW, HW und SW) 2. Reine Dienstleistungsunternehmen (z.B. Beratung, Systemintegration, Datenverarbeitung, Training, Outsourcing) 3. Mischformen aus 1. und 2. (z.B. Systemhäuser)
Die Zahl der reinen Produktanbieter ist rückläufig. Nur noch spezialisierte Unternehmen können es sich leisten, als reine Produktanbieter aufzutreten. Speziell in Deutschland verändern sich die reinen Produktanbieter immer mehr in Richtung Dienstleistungsunternehmen. Mit der Verlagerung der Wertschöpfung in Richtung Dienstleistung stellt sich daher für viele Unternehmen die Frage ob sie dieser Verlagerung folgen oder am Produktgeschäft festhalten wollen Es ist die persönliche Meinung des Autors, daß es immer Produktanbieter geben wird. Sowohl im Hardware- als auch im Softwarebereich werden Nischenanbieter überleben. Beim Gros der Firmen in der IuKT-Branche werden aber enorme Veränderungen stattfinden, die nicht zuletzt für viele Unternehmen existenzbedrohend werden. Der Verdrängungswettbewerb im Produktgeschäft ist enorm Nur wer die Economy of Scale beherrscht, hat Aussicht auf Erfolg. Speziell im Hardwarebereich scheint für deutsche Unternehmen, von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen, der Zug abgefahren zu sein. Teilweise fehlen die Strukturen für einen globalen bzw. internationalen Absatz, teilweise sind die Preisstrukturen international nicht wettbewerbsfähig. Zwar zeichnen sich die deutschen Unternehmen durch eine wesentlich höhere Produktivität und Qualität aus als andere Anbieter, jedoch verhindern mehrere Faktoren die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte. Das sind zum einen die hohen Personalkosten und zum anderen die Stellung der Deutschen Mark im internationalen Devisenmarkt. Der Hardwaremarkt wird eindeutig von amerikanischen Unternehmen dominiert. Unternehmen wie COMPAQ, SUN, DEC und IBM beherrschen den Markt. Immer mehr Konkurrenz aus den asiatischen Staaten strömt auf den deutschen Markt. 49
Alexander Bojanowsky Im Softwarebereich sieht es nicht ganz so schlecht aus. Allerdings ist zu konstatieren, daß die meisten Standardsoftwareprodukte nicht aus Deutschland, sondern ebenfalls aus dem Ausland, insbesondere aus den Vereinigten Staaten, kommen. Dies gilt insbesondere für den Low-EndBereich, also für Softwareprodukte, die hauptsächlich im sogenannten SOHO - Small Office/Home-Bereich zum Einsatz kommen. Im High-End-Bereich, also bei höherpreisigen Softwarepaketen mischen deutsche Unternehmen im globalen Wettbewerb ganz vorne mit. Jahrelang führte die Darmstädter Software AG die Liste der TOP 10 der deutschen Softwareunternehmen an. 80% ihres Umsatzes macht die Software AG im Auslandsgeschäft. Seit knapp fünf Jahren hat die Walldorfer SAP AG diese Führungsrolle übernommen. Charakteristisch für die in Deutschland ansässigen Unternehmen ist, daß sie sich durch hohes Anwendungs-Know-how (= Geschäftsprozeßwissen) verbunden mit einem sehr hohen Qualitätsbewußtsein auszeichnen. Allerdings können sich die deutschen Softwareanbieter nicht gegen den Vorwurf wehren, daß ihre Lösungen "over-engineered", d.h. zu perfekt, mit zuviel Funktionalität ausgestattet und daher leider auch zu teuer sind. Die meisten deutschen Softwarehäuser sind für ihre individuellen Lösungen bekannt. Zwar nimmt der Umsatzanteil für Standardsoftwareprodukte in Deutschland ständig zu; 2/3 des Umsatzes werden aber immer noch mit individuellen Lösungen erwirtschaftet. Die einzigen Wettbewerbsvorteile, nämlich das detaillierte Branchen-Know-how und das Qualitätsbewußtsein der deutschen Softwareanbieter, sind in Gefahr. Betrachtet man Schwellenländer, wie z.B. Indien, so haben die dort ansässigen Unternehmen ein wesentlich besseres Dienstleistungsverständnis als ihre in Deutschland tätigen Wettbewerber. 1996 gab es in Indien mehr als 80 Softwareanbieter und IT-Dienstleister, die bereits nach DIN ISO 9001 zertifiziert waren Indien bildet jährlich fast 100.000 Informatiker aus und hat sich schwerpunktmäßig auf das Erbringen von Dienstleistungen ausgerichtet. Der durchschnittliche Stundensatz für einen indischen Programmierer mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung (sogenanntes Seniorlevel) lag 1996 zwischen US$ 15-20 pro Stunde. Das sind nur ein Drittel der Kosten, die deutsche Unternehmen haben. Darüber hinaus sind in fast allen fuhrenden Software- und ITDienstleistungsunternehmen weltweit indische Informatiker zu finden. Diese bilden ein gigantisches Informationsnetzwerk für die indischen Softwareanbieter und IT-Dienstleistungsunternehmen. Was können deutsche Unternehmen dem auf dem globalen Markt entgegensetzen? Darüber hinaus stehen viele deutsche Firmen mit dem Begriff Dienstleistung auf "Kriegsfuß". An erster Stelle steht dem Dienstleistungsangebot die deutsche Mentalität im Wege. Unser 50
Informationsgesellschaft gesamtes Ausbildungssystem sowie die kulturellen Rahmenbedingungen sind dienstleistungsfeindlich. An zweiter Stelle sind es die gesetzlichen Vorschriften, wie z.B. Arbeitszeitregelungen und Arbeitsschutzbestimmungen, verbunden mit den hohen Personalzusatzkosten, die die Dienstleistungsfähigkeit vieler Unternehmen einschränken. Des weiteren sind die in Deutschland ansässigen Software- und IT-Dienstleistungsunternehmen typischerweise mittelständisch. Sie verfugen in der Regel nicht über die Ressourcen, einen 24Std.-7Tage/Woche-Service für ihre Kunden einrichten zu können. Die damit verbundenen Kosten würden in keinem Verhältnis zu den Erträgen stehen. Für Großunternehmen wie z.B. SAP, die ihre Produkte weltweit im Einsatz haben, rentiert es sich eher, solche Dienstleistungen anzubieten. SAP nutzt hierbei u.a. die unterschiedlichen Zeitzonen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten. Ruft ein Kunde außerhalb der üblichen Geschäftszeiten die SAP-Hotline an, wird sein Anruf an eine Stelle weitergeleitet, wo ein SAP-Mitarbeiter gerade Dienst tut. Abgesehen von den Kosten würde sich ein mittelständisches Unternehmen schwer tun, vergleichbare Strukturen aufzubauen. Die Rahmenbedingungen speziell im Produktbereich fuhren immer mehr dazu, daß sich die Unternehmen auf das reine Erbringen von Dienstleistungen verlegen müssen. Der Autor vertritt die Meinung, daß sich immer mehr Produktanbieter zu Projekthäusern wandeln werden. Die eigene Produktlinie wird aus Kostengründen allmählich aufgegeben. Entweder kompensiert man die dann fehlende Produktlinie mit einer "fremden" Standardsoftwarelösung oder man zieht sich ganz aus dem Produktbereich zurück.
Die Zukunft Der sich in der deutschen IuKT-Branche abzeichnende Trend ist eindeutig: die Wert Schöpfung in der Branche wird sich - abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen - in Richtung Erbringung von Dienstleistungen verlagern. Das Szenario für das Jahr 2000 sieht nach Meinung des Autor daher folgendermaßen aus: Wenige hochspezialisierte Standardproduktanbieter dominieren den globalen Markt. Vergleichbar mit der Automobilindustrie wird es etwa 20 Herstellerfirmen geben, die sich den globalen Markt untereinander aufteilen. Das Gros der Finnen wird sich mit Dienstleistungen beschäftigen. Wiederum vergleichbar mit der Automobilindustrie wird es Tuningfirmen geben, die die Produkte an die Wünsche der Kunden anpassen. Es wird Reparaturwerkstätten geben, die bei auftretenden Fehlern diese beheben und die IT-Systeme wieder lauffähig machen. Es 51
Alexander Bojanowsky wird ein Heer von Zulieferfirmen entstehen, die Softwarebausteine erstellen, die dann von den großen Herstellerfirmen in ihre Produktpalette eingebaut werden. Viele Unternehmen werden zu Kundendienstunternehmen. Sowohl das Pre-Sales, wie z.B. die Beratung bei der Auswahl von Lösungen sowie die Optimierung der Geschäftsprozesse, als auch das After-Sales, das Nachverkaufsgeschäft, wie z.B. Installation, Wartung, Hilfestellung, werden zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Informationsfülle, die mit der zunehmenden Vernetzung entsteht, wird ohne Dienstleistung nicht mehr zu verarbeiten sein. Neue Dienstleistungen werden entstehen. Denkbar sind z.B. Dienstleister, die als Informationsagenten die Recherche nach bestimmten Informationen übernehmen, diese verarbeiten und wunschgemäß präsentieren. Aus der Verzahnung von Informations- und Kommunikationstechnologie werden sich weitere neue Berufsbilder und Tätigkeitsbereiche ergeben. Voraussetzung ist die konsequente Förderung der Dienstleistungs- und Medienkompetenz der am Wertschöpfungsprozeß beteiligten Menschen. Neue Formen der Arbeitsbeschaffung und -Verteilung werden zu einem enormen Boom speziell im Dienstleistungsbereich fuhren. Konzepte wie Telearbeit und Telekooperation bieten die Möglichkeit, die Last der Arbeit neu zu verteilen. Damit stellen sie einerseits eine Bedrohung für bestimmte Standorte dar, andererseits bieten sie aber auch die Chance, sich von den regionalen Beschränkungen zu befreien.
Fazit In den letzten 40 Jahren haben die IuKT-Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft geleistet. Ohne diese Unternehmen und ihre Kreativität, ihr stetes Bemühen die Wünsche der Kunden umzusetzen und zu realisieren, wäre die Informations-/Dienstleistungsgesellschaft nicht dort, wo sie heute steht. Allerdings stehen wir erst am Anfang. Mit neuen Konzepten, Methoden und Verfahren, angefangen von der Geschäftsprozeßoptimierung, über Client/Serverarchitekturen, Workflow bis hin zur Telekooperation, werden sich in vielen Bereichen in den nächsten zehn Jahren Veränderungen abzeichnen, die heute nur erahnt werden können. Es ist die feste Überzeugung des Autors, daß es, gestützt auf die Möglichkeiten der IuKT, zu einer Neuverteilung der Arbeit und damit des Wohlstands kommen wird. Alle - ob Industrie- oder Schwellenland - werden sich dieser Herausforderung stellen müssen. Es bleibt daher nur eines zu tun: Wir müssen immer einen Tick schneller, innovativer und besser sein als die Konkurrenz. 52
2.3
Die Rolle des Beraters in Informationsmanagement-Projekten von
Prof. Dr. Thomas Pietsch
1
Wesen der Unternehmensberatung
2
Beratung in Informationsmanagement-Projekten
3
Ablauf der Beratung
4
Konflikte im Beratungsprozeß
5
Empfehlungen für die Zusammenarbeit mit Beratern 53
Berater in IM-Projekten Die Unternehmensberatung ist innerhalb der Dienstleistungsbranche zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden. Allerdings stoßen 70 bis 80 Prozent der von den Beratern initiierten Veränderungsprozesse in den Unternehmen auf Widerstand, werden vorzeitig abgebrochen oder bringen nicht den erhofften Erfolg (vgl. Straub und Forchhammer 1995, S. 9). Mit dem Focus auf die Beratung für das Informationsmanagement soll die Situation dargestellt und analysiert werden. Abschließend werden Empfehlungen formuliert, wie Unternehmen dafür sorgen können, daß die Zusammenarbeit mit Unternehmensberatern erfolgreich verläuft.
1 Wesen der Unternehmensberatung Um das Wesen der Unternehmensberatung zu charakterisieren, bedarf es einer tiefergehenden Beschäftigung mit der Arbeitsweise, den Arbeitsinhalten und den Leistungen von Unternehmensberatern. Die folgende Anekdote soll in einer ungezwungenen Form in die Thematik einfuhren und eine Annäherung an die sich anschließende Behandlung dieser Fragestellung ermöglichen (Anekdote in Anlehnung an: Covey 1989, S. 236).
Angenommen Sie haben Probleme mit Ihren Augen. Sie sehen alles verschwommen und sogar das Fernsehbild kommt Ihnen unscharf vor. In der Erwartung, daß Sie wohl eine Brille brauchen, suchen Sie einen Augenarzt auf. In der Praxis werden Sie von einem freundlichen Herrn begrüßt, der einen weißen Kittel und eine Brille trägt. Diplome und Urkunden, die die Ausbildung und die erbrachten Leistungen Ihres Gesprächspartners attestieren, zieren die Wände. Ihr Gegenüber scheint hoch intelligent zu sein. „Was für ein Problem haben Sie?", fragt er. „Ich sehe nicht mehr richtig", antworten Sie. „Alles ist verschwommen und auch das Fernsehbild ist unscharf." „Aha!", konstatiert er, nachdem er Sie für einige Zeit prüfend angesehen hat. „Ich denke, Sie brauchen eine Brille." Bevor Sie noch etwas erwidern können, nimmt er eine Brille aus der Schublade seines Schreibtisches und gibt sie Ihnen. „Ich habe diese Brille jahrelang getragen", erklärt er Ihnen. „Früher hatte ich das gleiche Problem wie Sie. Jetzt sehe ich alles klar. Sie können sie nehmen. Es ist meine Ersatzbrille." Zögernd setzen Sie die Brille des Augenarztes auf, und
Sie sehen noch schlechter als zu-
vor. „Die Gläser helfen nicht", erklären Sie ihm. „Ich sehe schlechter als vorher."
54
Thomas Pietsch „Das ist ungewöhnlich", sagt er, während er sich das Kinn reibt. „Bei mir funktionieren sie ganz hervorragend. Es kann sein, daß Sie sich nicht genug anstrengen. Geben Sie sich jetzt mal Mühe und versuchen Sie klarer zu sehen." „Ich strenge mich an, so gut ich kann", insistieren Sie „aber ich sehe gar nichts." „Vielleicht denken Sie nicht positiv. Versuchen Sie das einmal." „Ich kann noch immer nichts sehen." „Ah, jetzt sehe ich das Problem. Wir können nicht davon ausgehen, daß sich sofort eine Besserung einstellt. Sie müssen Ihr Sehvermögen kontinuierlich steigern. Nehmen Sie die Brille mit nach Hause und arbeiten Sie an der Verbesserung Ihrer Sehweise. Es braucht nur noch ein wenig Zeit." „Das ist ja kompletter Unsinn", antworten Sie. „Ich sehe mit dieser Brille schlechter als ohne und ich werde meine Augen nicht dazu bringen, mit ihr besser zu sehen als ohne." Ungehalten knurrt der Arzt zurück: „Mensch sind Sie undankbar. Ich gebe hier für Sie mein Bestes und was tun Sie? Sie setzen meinen Rat nicht mal um. Sie wollen ja gar nicht besser sehen!"
Diese Parallele zur Arbeitsweise von Unternehmensberatern ist zugegebenermaßen etwas böswillig, jedoch nicht völlig ohne inhaltliche Substanz. Da die Berufsbezeichnung Unternehmensberater nicht geschützt ist, darf sich jeder so nennen, der Unternehmen berät, egal in welchem Bereich und mit welcher fachlichen Qualifikation er arbeitet. Für den potentiellen Auftraggeber wird dadurch die Transparenz erschwert. Berufsverbände, wie z. B. der Bundesverband deutscher Unternehmensberater BDU e. V., versuchen diese Lücke zu schließen, indem sie restriktive Aufnahmebedingungen festlegen und somit einen Ersatz für fehlende Qualitätsstandards in der Unternehmensberatung schaffen. Wer zum Berufsstand der Unternehmensberatung gehört, ist ebenso schwer zu definieren, wie der Versuch festzulegen, wer zu einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht gehört. Jeder Kandidat zieht den Schlußstrich gerade hinter sich. Wirtschaftsprüfer wollen nicht mit Kommunikationsberatern in einem Atemzug genannt werden, Strategieberater wollen nicht mit Personalberatern in einen Topf geworfen werden und viele Berater halten die Softwareentwicklung und -einführung nicht für würdig, dazuzugehören. So unterschiedlich die Motive für die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen sein können, so verschieden sind die Varianten der Beratung. Die Beratung kann sowohl im Unternehmen 55
Berater in IM-Projekten selbst vorgenommen als auch von externen Dienstleistern bezogen werden. Sie kann als bezogene Dienstleistung das Hauptprodukt oder eine im Rahmen anderer Aktivitäten entstehende zusätzliche Serviceleistung sein. Von feineren Nuancen abgesehen, kann eine Einteilung in vier Grund Varianten erfolgen: • Kommerzielle Beratung durch Consulting-Unternehmen, bei der die Beratungsleistung das Hauptprodukt darstellt. • Beratung von Geschäftspartnern im Rahmen verkaufter Produkte oder erbrachter Leistungen, wobei die Beratung als zusätzliche Serviceleistung vielfach unentgeltlich oder gegen eine geringe Gebühr erbracht wird. • Beratung durch Institutionen, wie Berufsverbände und Kammern, die für Mitglieder dieser Organisationen unentgeltlich durchgeführt wird sowie durch Einrichtungen der öffentlichen Hand • Beratung, die durch Stäbe, Gremien oder besondere Gruppen innerhalb des eigenen Unternehmens erbracht wird.
Wenn die letzte Variante hier unberücksichtigt bleibt, ist allen Unternehmensberatern gemeinsam, daß sie für das Management von Unternehmen oder öffentlichen Verwaltungen Dienstleistungen erbringen, die von diesen selbst nicht erbracht werden können oder sollen. Der Versuch einer präziseren allgemeingültigen Definition des Begriffes Unternehmensberatung scheitert an seiner inhaltlichen Breite und seinem Facettenreichtum oder bleibt bei sehr allgemeinen und oberflächlichen Äußerungen stecken. Eine Arbeitsgruppe von Unternehmensberatern der Arizona Society of Certified Public Accountants ist kürzlich zu dem Ergebnis gekommen, daß der allgemeine Begriff „Management Consultant" überhaupt nicht vollständig und abschließend definiert werden kann (vgl. Wilkinson 1995a, S. 1-4). In diesem Beitrag geht es jedoch explizit um die Beratung für das Informationsmanagement. Auf der Basis dieser Eingrenzung sollte eine etwas bessere Begriffsfestlegung erfolgen können.
• Beratung für Informationsmanagement ist das unabhängige und neutrale Erstellen einer Expertise sowie das Umsetzen der daraus resultierenden Maßnahmen, mit dem Ziel, alle Strukturen und Regelungen zu schaffen, die der Bedeutung der Information als Ressource gerecht werden und seine bestmögliche Verwendung in den Prozessen des Unternehmens ermöglichen. 56
Thomas Pietsch
Der Unternehmensberater hilft dem Auftraggeber also beim Identifizieren, Analysieren und Beheben von Problemen der Organisation und Informationsversorgung.
2 Beratung in Informationsmanagement-Projekten In der Vergangenheit entstanden betriebliche Informationsverarbeitungs- und Kommunikationssystemstrukturen meistens in den folgenden Schritten: • Beschaffen und Einfuhren der Informationsverarbeitungs- und Kommunikationssystemhardware (Infrastruktursysteme) • Beschaffen oder Entwickeln und Einführen der Informationsverarbeitungs- und Kommunikationssystemsoftware (Anwendersysteme) • Herstellen oder Anpassen der erforderlichen technischen und organisatorischen Einsatzvoraussetzungen • Anbinden der technischen Hilfsmittel an die Verfahren und Instrumentarien der Unternehmensfuhrung.
Die Informationsverarbeitungs- und Kommunikationssysteminfrastruktur wurde also ausgehend von der klassischen DV-Denkweise aufgebaut (vgl. Abbildung 2).
Informations- und Kommunikationssystem-Hardware 1. Anwendungssoftware
2.
_ _ l Organisatorisches R a h m e n konzept
3.
[ Abb. 2:
Unternehmensführung
4
D e n k - und Handlungsweise der traditionellen Datenverarbeitung • — — — — — — —
Denkweise des traditionellen Datenverarbeitungsmanagements (nach Lindemann 1990) 57
Berater in IM-Projekten Ihre Entstehung kann auch folgendermaßen beschrieben werden: • Zuerst wird entschieden, welche Hardware beschafft wird. • Anschließend wird festgelegt, welche Software beschafft oder entwickelt wird. • Beiläufig wird nur soweit wie notwendig an die zu unterstützenden oder zu gestaltenden Arbeitsabläufe gedacht. • Halbherzig oder gar nicht werden die Unternehmensziele, Führungsgrundsätze und -inhalte einbezogen.
Dieses Vorgehen war zu einer Zeit angebracht, als Datenverarbeitung lediglich als automatisierte Bewältigung gleichförmiger Massendaten betrieben wurde. Die Zielsetzung des Computereinsatzes hat sich jedoch in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Er dient heute zum Beherrschen der Ressource Information und wird damit zum Instrument der Unternehmensfuhrung. Das Haupteinsatzgebiet liegt also nicht mehr auf dem Verarbeiten anonymer und gleichförmiger Massendaten, sondern auf dem situationsgerechten Verwenden entscheidungsrelevanter Informationen. Das Vorgehen bei der Planung, der Organisation und dem Einsatz von Informationsverarbeitungs- und Kommunikationssystemen muß dieser gewandelten Zielsetzung Rechnung tragen. Um dies zu erreichen, muß der Berater die Vorgehensweise spiegeln und damit die Schrittfolge beim Konzipieren und Realisieren von Informationsverarbeitungs- und Kommunikationssystemen umkehren (vgl. Abbildung 3). Diese 180-Grad-Wende ist die Voraussetzung, um die Informationsverarbeitung und Kommunikation ihrer Bedeutung entsprechend in die Führung und Organisation der Unternehmen einzubinden: • Informationsverarbeitungs- und Kommunikationssysteme sind Instrumente der Unternehmensfuhrung • Prozeßstrukturen sind die originären Gestaltungsobjekte der Informationsverarbeitung und Kommunikation • Software ist das Mittel zur Unterstützung der Unternehmensprozesse durch die Informationsverarbeitung • Hardware ist das Hilfsmittel zur Bearbeitung der Aufgaben innerhalb der Prozesse.
58
Thomas Pietsch
Abb. 3:
Die 180-Grad-Wende zum Informationsmanagement (nach Lindemann 1990)
Dies wirkt auf den ersten Blick trivial und rein formalistisch, stellt in der Praxis aber einen wesentlichen Unterschied im Vergleich zum Vorgehen des überkommenen DV-Managements dar. Mit dieser Maßnahme erreicht der Berater, daß sich die Strukturen der Informationsverarbeitung und Kommunikation nicht mehr aus technischen Überlegungen heraus entwickeln, sondern auf der Basis der Unternehmensziele aktiv und prozeßgetrieben gestaltet werden. Um also ein Informationsmanagement im Unternehmen zu realisieren sind Maßnahmen der Unternehmensentwicklung, des Organization Engineering, der Personalentwicklung sowie der Entwicklung der informationstechnischen Infrastruktur notwendig. Dabei können die verschiedensten Aufgabenstellungen zum Inhalt für IM-Projekte werden. Konkret kann es dabei um die folgenden Themen gehen: •
Information als Ressource verstehen
•
durch das Beherrschen des Faktors Information Wettbewerbsvorteile erschliessen
• Zusammenhänge der Unternehmensstrategie und der Informationsstrategie herausarbeiten •
Leitbild und strategische IV-Ziele erarbeiten, festlegen und herunterbrechen
•
Informationsmanagement implementieren
• Prozeßorganisation für die Informationsverarbeitung und Kommunikation gestalten
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Berater in IM-Projekten • zeitgemäße organisatorische Regelungen und Führungsprinzipien für die betriebliche Kommunikation entwickeln und einfuhren • die Verantwortung aller Mitarbeiter für einen effektiven und effizienten Umgang mit der Ressource Information installieren und leben • Rollenverständnis der Geschäftsführung, der Fachabteilungen und der Abteilung Org/DV bzw. Informationsverarbeitung prägen • Teamfähigkeit - Bereitschaft zur Kooperation und Kommunikation schaffen und pflegen • Zusammenarbeit der Abteilung Org/DV mit den Fachabteilungen reibungslos gestalten • Informationsverarbeitungscontrolling konzipieren und einführen • Informationsarchitekturen planen und entwickeln • Zukunftspotentiale des Einsatzes von Informationsverarbeitungs- und Kommunikationstechnik erkennen und nutzen • geeignete technische Infrastruktur konzipieren und beschaffen . . .
Dabei sehen sich Verantwortungsträger in der Wirtschaft heute in immer kürzeren Zyklen einem Paradigmenwechsel der Managementkonzepte gegenüber. Modelle und Konzepte, wie Computer Integrated Business, Workflow Processing, Workgroup Computing, Business Process Reengineering oder Total Quality Management, werden in der Wissenschaft und in der Praxis diskutiert. Diese Situation erweckt den Anschein, als wäre es nahezu unmöglich, ein Unternehmen ständig zeitgemäß zu strukturieren und zu führen. Aus der Erkenntnis, daß erfolgreiches Unternehmertum heute vor allem davon abhängt, wie es gelingt, sich Informationsvorsprünge zu verschaffen und diese auszunutzen, folgt die Konsequenz, daß nicht mehr die Existenz des betrieblichen Informationsverarbeitungs- und Kommunikationssystems zur Diskussion steht, sondern dessen Ausgestaltung und Integration in die Strukturen des Unternehmens. Hierdurch entsteht ein weit höherer Anspruch an die Leistung des Beraters. Im Hinblick auf die Ziele des Informationsmanagements - Steigerung der Effektivität und der Effizienz betrieblicher Prozesse - unterscheiden sich die erfolgreichen von den weniger erfolgreichen Unternehmen durch die Unterschiede in ihrem Integrationsgrad. Hier tauchen jedoch immer wieder Probleme auf. Haben die Unternehmen gerade verstanden, was sich hinter Lean Management verbirgt und welche Aspekte dazugehören, müssen sie sich im nächsten Augenblick mit gegensätzlichen Konzepten „Wider die Magersucht im Unternehmen" auseinandersetzen (vgl. Gertz und Baptista 1996). Sind viele Unternehmen noch mitten 60
Thomas Pietsch im Business Process Reengineering so werden - z.B.
mit „Beyond Reengineering" (vgl
Hammer 1996) - jetzt die ersten Fragen laut, was danach kommt. Zwar nimmt die Halbwertzeit von Managementparadigmen rapide ab, doch wollen alle Ansätze im Prinzip das Gleiche: Die Kostenwelle abschwächen, die die Gewinne wegzuspülen droht.
3 Ablauf der Beratung Wenn die in der eingangs geschilderten Anekdote dargestellte Vorgehensweise nicht funktioniert, stellt sich zunächst die Frage, welches Wissen und welche Fähigkeiten der Berater braucht und - was für den Beratungserfolg entscheidend ist - wie er es einsetzen muß. Hierzu haben einige amerikanische Beratungsunternehmen Rahmenvorgaben ausgearbeitet, in denen sie das Know-how beschreiben, das ein Berater auf sich vereinigen muß (vgl. hierzu Wilkinson 1995b, S. 3-2 ff). In einer komprimierten Form umfaßt ein solcher Rahmen die folgenden Punkte: 1. Wesentliches Verständnis des Arbeitsbereiches eines Beraters, seines Arbeitsumfeldes (juristisch, ökonomisch, politisch, sozial, physikalisch/technisch); Unternehmensformen (Charakteristik, Bedeutung, Einflüsse der Technologie) sowie der Prinzipien und Praktiken der Unternehmensberatung (Techniken der Datensammlung, Problemdefinition und Lösungsentwicklung, Beratungsprozeß) 2. Grundsätzliches Verständnis des General Management (Management des Gesamtuntemehmens) sowie der Inhalte und Aktivitäten seiner Spezialisierungsbereiche (insbesondere organisatorische und personelle Prinzipien, Zielformulierung sowie Auswahl, Anwendung und Überprüfung von Maßnahmen der Prozeß- und Projektbeherrschung zur Lösung von Managementproblemen) 3. Umfassendes Wissen über die Funktionsbereiche innerhalb der Unternehmen (Annahmen, Definitionen, Restriktionen, Beziehungen, Probleme, Bedingungen, Relevanz, Methoden zur Aufgabendurchführung), insbesondere in •
Operations
•
Marketing
•
Logistics
• Research and Development • Finance und Accounting • Human Resources 61
Berater in IM-Projekten 4. Information Management (Betriebliche Informationswirtschaft, Organisation und Prozeßmanagement, Wissensvermittlung, Systems Engineering sowie Auswahl und Integration von Information Systems in die Unternehmenslandschaft) 5. Übergreifende Qualifikationen (soft skills), um komplexe Situationen zu beherrschen (Teamfahigkeit, Konsensfähigkeit, Präsentationen, Kommunikations- und Verhandlungstechnik, Moderation, Zeit- und Projektmanagement).
Beratungsprojekte werden grundsätzlich in aufeinander folgenden Phasen durchgeführt. Dabei gibt es Phasenkonzepte in verschiedenen Disziplinen und für unterschiedliche Aufgabenstellungen. Wichtig ist jedoch die Überlegung, ob die Phaseneinteilung für die jeweilige Aufgabenstellung angemessen und sinnvoll ist. Der Ablauf eines Beratungsprojektes kann in die folgenden Phasen eingeteilt werden: •
Vorbereitungsphase Hier werden alle Maßnahmen getroffen, die das spätere reibungslose Durchfuhren aller Projektaufgaben sicherstellen. Das umfaßt z. B. vertragliche Leistungsvereinbarungen, das Honorar, den Personaleinsatz, die Abgrenzung des Untersuchungsbereiches, die Aufgabenverteilung, organisatorische Regelungen sowie Terminabsprachen.
•
Sondierungsphase In dieser Phase wird vorhandenes Material zusammengetragen und gesichtet und es werden Querverbindungen zu anderen, abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten gezogen, Fragebögen oder andere Erhebungsinstrumente erstellt oder angepaßt, Ansichten und Vorstellungen beteiligter Personen(gruppen) aufgedeckt und vorbereitende Maßnahmen getroffen, um die Verwaltung der Projektmaterialien und der (Zwischen-)Ergebnisse sicherzustellen.
•
Erhebungsphase Alle erforderlichen Informationen werden eingeholt und zur weiteren Verwendung bereitgestellt. Dies geschieht überwiegend durch das Ablegen der erhobenen Daten in einer Datenbank. Die Erhebungsphase ist nicht immer eine in sich geschlossene Projektphase. Vielfach wird erst durch die Arbeit in der Analysephase deutlich, welches Material noch fehlt. Dies muß dann durch einen Rücksprung in die Erhebungsphase beschafft und die fehlenden Daten in den vorhandenen Bestand eingepflegt werden.
62
Thomas Pietsch •
Analysephase In der Analysephase findet die intensive Auseinandersetzung mit den bereitgestellten Projektinformationen statt. Vor dem Hintergrund des angestrebten Projektergebnisses werden die Daten ggf. aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und bewertet. Wenn das Projekt von einer bestehenden Ausgangssituation ausgeht erstellt der Berater aus den durchgeführten Analysen in der Regel einen - kommentierten und bewerteten - Schwachstellenkatalog Dieser dient als Entscheidungsgrundlage für das Beschliessen durchzuführender Maßnahmen durch den Auftraggeber.
•
Konzeptentwicklungsphase Hier wird ein Konzept entwickelt, dessen Ziel es ist, die skizzierten und von der Geschäftsführung beschlossenen Schwerpunkte, Ideen, Ansätze zu einer Einheit zu verbinden. Teilweise werden auch alternative Lösungskonzepte erarbeitet und der Geschäftsführung zur Realisierungsentscheidung präsentiert. Die Geschäftsführung entscheidet über die Durchführung der nun folgenden Maßnahmen. Ob die Durchführungsplanung der Abschluß der Konzeptentwicklungsphase oder der Beginn der Realisierungsphase ist, kann dahingestellt bleiben.
• Realisierungsphase Falls nicht bereits erfolgt, wird hier die Maßnahmenplanung vorgenommen. Das zukünftige Vorgehen wird inhaltlich und zeitlich präzisiert. Hierbei ist es wichtig, daß die durchzuführenden Maßnahmen so definiert werden, daß sie als geschlossene Einheit einer verantwortlichen Gruppen oder einem Mitarbeiter übertragen werden können. Anschliessend erfolgt das - möglichst zügige - Umsetzen aller Maßnahmen in den praktischen Betrieb. Hierbei ist insbesondere auf die Situation und die Befindlichkeiten der betroffenen Mitarbeiter zu achten und zu gewährleisten, daß die Umsetzungsschritte durch Maßnahmen der Akzeptanzsicherung begleitet werden. •
Evaluierungsphase Die Bedeutung dieser Phase wird leicht unterschätzt, da zu diesem Zeitpunkt alle vorgesehenen Maßnahmen abgeschlossen sind und die Notwendigkeit, noch zusätzlich Zeit und Geld in dieses Projekt zu investieren nicht gesehen wird. Unter dem Blickwinkel einer Investition in die Zukunft kann hier jedoch viel für den Know-how-Transfer und den Erfolg nachfolgender Projekte getan werden. Im wesentlichen geht es darum, aus dem durchgeführten Projekt zu lernen. Aufgetretene Schwierigkeiten und Fehler sollen in der Zukunft 63
Berater in IM-Projekten vermieden und erreichte Erfolge reproduzierbar gemacht werden. Außerdem ist es wichtig, den Nutzen des Projektergebnisses für alle Beteiligten herauszustellen und damit die Motivation für das Engagement in den Folgeprojekten zu bewirken. Das Projekt ist übrigens erst dann beendet, wenn das Projektteam vom Auftraggeber entlastet wurde.
Innerhalb dieser Phasenreihenfolge kann es aus vielen Gründen und zu verschiedenen Zeitpunkten zu Rücksprüngen kommen. Von entscheidender Bedeutung ist es dabei, daß es dem Berater während des Projektverlaufes gelingt, die richtigen Antworten auf die wesentlichen Fragen für ein erfolgreiches Informationsmanagement herauszuarbeiten (vgl. Tabelle 1).
Frage
Ziel/Absicht
• Wie stellen sich Informationsverarbeitung und Kommunikation Status-Quo-Bestimmung innerhalb des Unternehmens heute dar? • Welchen inneren und äußeren Anforderungen und Einflüssen ist die Informationsverarbeitung zukünftig ausgesetzt?
Diagnose des Wettbewerbsumfeldes
• Welche Leistungen werden von der Informationsverarbeitung zukünftig zu erbringen sein, damit sie die an sie gestellten Anforderungen erfüllen kann?
Zieldefinition
• Welche Schritte müssen dazu unternommen werden?
Maßnahmendefinition
• Welcher Aufwand ist dafür erforderlich?
Ermittlung des Mittelbedarfs
Tab. 1:
Leitfragen für ein erfolgreiches Informationsmanagement
4 Konflikte im BeratungsprozeD Trotz einer wie eben beschriebenen, professionellen Vorgehensweise und trotz der Regie durch namhafte und erfahrene Unternehmensberatungsgesellschaften, sind die Auftraggeber von Beratungsprojekten in vielen Fällen nicht mit ihren Vertragspartnern und den von diesen erstellten Ergebnissen zufrieden. In einer Untersuchung des deutschen Marktes für Unternehmensberatung der Deutschen Gesellschaft für Mittelstandsberatung (DGM) wurden immer wieder die gleichen Kritikpunkte an Beratern und Beratungsunternehmen genannt (Krallmann, Herzog und Müller 1993, S. 40): 1. „Junge und unerfahrene Berater 2. Zu wenig abgestimmte Vorgehensweise, Einstellung und Verhalten der Berater passen nicht zum Unternehmen 64
Thomas Pietsch 3. Wenig Präzision und mangelnde quantitative Untermauerung der Ergebnisse 4. Hohe Preise 5. Wenig Pragmatismus und Umsetzungsorientierung."
Um die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Unternehmensberatern zu einer produktiven Partnerschaft werden zu lassen, von der beide Seiten einen Nutzen haben, lohnt es sich, über diese Kritikpunkte nachzudenken. Für beide Partner ergeben sich hieraus Erkenntnisse, die in die zukünftigen Projekte einfließen sollten. • Unternehmen, die Beratungsleistungen einkaufen, erfahren mehr über die Situation der Beratungsunternehmen und können vor diesem Hintergrund besser die für sie geeigneten, von den ungeeigneten Angeboten unterscheiden. • Unternehmen, die Beratungsleistungen anbieten, erfahren mehr über die Erwartungshaltung der Kunden und können damit ihr Angebot besser auf die Anforderungen der Kunden abstimmen, um sich signifikant von den Mitbewerbern abzuheben.
Junge und unerfahrene Berater Dieser Kritikpunkt ist auf zwei Aspekte zurückzufuhren, die sich konträr zueinander verhalten, so daß von einem Dilemma gesprochen werden kann. Consulting-Unternehmen brauchen erfahrene Berater, die nahezu jede Situation - auch aus der Sicht des beratenen Unternehmens - selbst schon durchlebt haben. Daneben müssen sie Referenzen über nachweisbare Erfolge aus vorangegangenen Projekten bei namhaften Unternehmen vorweisen können. Diese Berater sind jedoch selten. Sie sind terminlich ständig ausgebucht und sie sind teuer. Wird dem potentiellen Auftraggeber die Besetzung des Projektes ausschließlich mit Beratern ab der Erfahrungsstufe „Senior Consultant" angeboten, dann müßten so hohe Personalkosten veranschlagt werden, daß die meisten Kunden mit dem Blick auf den Kostenaspekt zu einer anderen Variante tendieren würden. Für Beratungsdienstleister hieße das, daß der Kunde den Auftrag an einen Mitbewerber vergibt. Deshalb werden Projekte stattdessen sehr häufig mit einem „Senior" und mehren „Junior Consultants" oder/und „Assistants" besetzt. Dies sind Nachwuchsberater, die sich nach dem noch ganz frischen akademischen Abschluß in der renommierten Beratungsbranche die ersten Sporen verdienen wollen. In der Beratungsbranche wird zwar argumentiert, daß das Kreativ- und Innovationspotential von motivierten und engagierten, jüngeren Beratern der Grund für diese (unausgewogene) per-
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Berater in IM-Projekten sonelle Mischung ist. Tatsächlich muß jedoch davon ausgegangen werden, daß geringere Personalkosten und die regionale Mobilität die Hauptgründe dafür sind. Es kann gefolgert werden, daß sich auch in der Unternehmensberatung - die sich notwendigerweise mit sensiblen und unternehmenspolitisch brisanten Themen beschäftigt - ein Preiswettbewerb eingeschlichen hat, der zu manch unschönen Begleiterscheinungen fuhrt. Der Grund für die Kritik an zu jungen und unerfahrenden Beratern ist insofern von den Unternehmen, die solche Aufträge vergeben, selbst verursacht.
Zu wenig abgestimmte Vorgehensweise bzw. Einstellung und Verhalten der Berater passen nicht zum Unternehmen In diesem Kritikpunkt sind ebenfalls zwei Aspekte enthalten. Der erste Aspekt ist die Notwendigkeit, bewährte standardisierte Konzepte und Verfahren zum Einsatz zu bringen. Anders kann der angestrebte Erfolg vielfach nicht sichergestellt werden, der Arbeitsumfang ist in der erfahrungsgemäß immer zu knapp bemessenen Zeit - nicht zu bewältigen und die Kosten können auch nicht in einem erträglichen Rahmen gehalten werden. Aus diesem Grund werden seit langem Checklisten und Standardvorgehenskonzepte eingesetzt und sie haben sich prinzipiell auch bewährt. Das Problem, auf das die hier formulierte Kritik abzielt, liegt allerdings in der auf den jeweiligen Anwendungsfall abgestimmten Verwendung dieser Verfahren. Das unreflektierte Abarbeiten vorgegebener Listenpunkte auch in völlig unpassenden Situationen kann den Vorteil eines an sich guten Ansatzes zur Arbeitserleichterung sofort wieder zerstören. Dieses Phänomen ist nicht nur aus der Unternehmensberatung bekannt. Als Beispiele seien hier der nicht auf die individuellen Anwendungserfordernisse oder den speziellen Sprachgebrauch angepaßte Einsatz von Standardsoftware oder die nicht auf die unternehmenspezifische Einsatzsituation abgestimmte und interpretierte Anwendung von Normen der ISO 9000erReihe zu nennen. In einem Projekt zur Zertifizierung eines Finanzdienstleistungsunternehmens muß die Frage, wo denn die eingesetzten Prüfmittel geeicht und kalibriert werden, als unangemessen und nicht auf den Anwendungsfall abgestimmt betrachtet werden. Der zweite Aspekt zielt auf Qualifikationen ab, die in Beratungsprojekten zwar notwendig sind, in akademischen Ausbildungsgängen jedoch nicht vermittelt werden. Gemeint sind hier die sogenannten „soft skills", worunter Fähigkeiten verstanden werden, wie soziale Kompetenz, Kommunikationsverhalten, Team- und Konsensfahigkeit sowie eine Eigenschaft, die als „situatives Fingerspitzengefühl" bezeichnet werden kann.
66
Thomas Pietsch Insofern ist dieser Kritikpunkt eine logische Konsequenz des vorangegangenen Punktes. Junge Nachwuchsberater haben diese Qualifikationen in ihrer universitären Ausbildung nicht erhalten und haben aufgrund ihres Lebensalters weder die berufliche Erfahrung noch die persönliche Reife, um dieses Defizit auszugleichen. Erfahrene Berater sind aus den oben genannten Gründen entweder nur in geringerer Anzahl in Projekten vertreten oder sie sind hauptsächlich damit beschäftigt, mehrere Projekte zu koordinieren und können deshalb die bei ihnen verfügbaren „soft skills" bei der Arbeit vor Ort nicht zur Entfaltung bringen.
Wenig Präzision und mangelnde quantitative Untermauerung der Ergebnisse Die fehlende Präzision und mangelnde quantitative Untermauerung der Ergebnisse geht ursächlich ebenfalls auf Gründe zurück, die bei den vorigen Punkten bereits eine Rolle gespielt haben. Allerdings liegen viele Inhalte der •
Unternehmenspositionierung,
•
Strategieentwicklung,
• Erhebung, Erfassung, Dokumentation und Analyse der Istsituation • Entwicklung und Bewertung eines Sollkonzeptes in einem Bereich, der sich einerseits durch eine hohe Komplexität auszeichnet und andererseits oftmals nur schwer mit konkreten quantitativen Daten untermauert werden kann. Nichtsdestotrotz stehen dem IM-Berater Methoden und Techniken zur Verfügung, deren Einsatz Aussagen ermöglicht, die die geforderte Operationalität aufweisen. Diese operationalen Aussagen sind erforderlich, um die, aufgrund eines Ergebnisses aus dem Beratungsprozeß zu treffenden Entscheidungen abzusichern. Im wesentlichen handelt es sich hierbei um zwei Gruppen von Entscheidungen. • Die erste Gruppe beschäftigt sich mit der Frage, ob und welche Veränderungsmaßnahmen in den Zielen, Strukturen, Regelungen und Verantwortlichkeiten des Unternehmens vorgenommen werden sollen, um den prognostizierte Erfolg des Beratungsprojektes zu erreichen. • Die zweite Gruppe betrifft die Fragen zum Erwerb und zum Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik oder zur Auslagerung der mit den Techniken durchzuführenden Aufgaben auf externe Dienstleister (Make-or-buy-Fragestellung bzw. Outsourcing).
Methoden und Techniken zur ersten Gruppe können unter dem Stichwort Tools zum „Organization Engineering" zusammengefaßt werden. Diese erlauben es, die komplexen Unter67
Berater in IM-Projekten nehmensstrukturen in einer Datenbank abzubilden, mit den Daten analytisch und konzeptionell zu arbeiten und auf dieser Basis präzise und quantitativ untermauerte Aussagen zu treffen. Zur visuellen Darstellung bieten diese Tools Funktionen an, um Aufbau- und Ablaufstrukturen teilweise aus unterschiedlichen Sichten - zu präsentieren sowie Alternativkonzepte hinsichtlich ihrer Auswirkungen anschaulich zu vergleichen. Die zweite Gruppe kann nur durch Ergebnisse von Wirtschaftlichkeitsberechnungen oder anderen Formen der Aufwands- und Ertragsbewertung abgesichert werden. Wirtschaftlichkeitsberechnungen im IV-Bereich werden seit langem diskutiert (vgl. dazu z. B. Ballwieser und Berger 1985, Hoyer und Kölzer 1987, Pietsch 1992 und Kositzky 1996). Das Hauptproblem hieran ist, daß die entstehenden Kosten verhältnismäßig leicht und präzise erfaßt und berechnet werden können, die Leistungsseite sich einer Quantifizierung jedoch weitestgehend entzieht. So stellt es auch jedesmal ein Problem dar, die zu erwartenden Erträge exakt zu beziffern - eine Anforderung der der Berater jedoch regelmäßig gegenübersteht. Um die Kritik in diesem Bereich zu entkräften ist es wichtig, ein von den Entscheidungsträgern akzeptiertes Bewertungskonzept zu entwickeln und es seriös anzuwenden. Je nach der individuellen Situation können dies eher klassische Instrumente, wie Investitionsrechenverfahren oder die Nutzwertanalyse aber auch moderne Verfahren, wie die Prozeßkostenrechnung oder das Target Costing sein (vgl. hierzu Horväth und Renner 1990 und Horväth 1993). Wichtig ist es dabei, • auf die Situation abgestimmte, sinnvolle Kriterien zu verwenden, • die vorzunehmende Bewertung auf einer breiten Basis abzusichern, • überschaubare Zeiträume anzusetzen, • eine weitestgehende Operationalität herzustellen, • die Akzeptanz des Bewertungsergebnisses zu erreichen.
Hohe Preise Die Kritik an zu hohen Preisen fuhrt automatisch in die Diskussion, ob Berater ihr Geld überhaupt wert sind. Es gibt zahlreiche Unternehmen, die durchaus geeignete Mitarbeiter haben, um die erforderlichen Beratungsleistungen im eigenen Unternehmen zu erbringen. Fraglich ist, warum diese Unternehmen dennoch externe Berater verpflichten. Von den vielen denkbaren Gründen sollen hier einige besonders hervorgehoben werden.
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Thomas Pietsch Die Mitarbeiter des eigenen Unternehmens sind fast immer im Tagesgeschäft so stark eingespannt, daß sie für zusätzliche Projekte keine freien Kapazitäten haben. Darüber hinaus werden diese Mitarbeiter mit den hier angesprochenen Projektaufgaben deshalb nicht betraut, weil der „Prophet im eigenen Land" vielfach nichts gilt. Auch die Überlegung, daß die politische Umsetzbarkeit einer unbeliebten Maßnahme leichter ist, wenn die Konzepte von einem außenstehenden, neutralen Beratungsunternehmen erarbeitet und argumentativ vertreten werden, spielt eine Rolle. Es gibt also neben der fachlichen Notwendigkeit noch eine Reihe von anderen Gründen, externe Berater mit den anstehenden Projektaufgaben zu betrauen, auch unter dem Aspekt, daß diese in der Regel recht teuer sind. Die Größe statistischer Kostenzahlen ist stark vom Blickwinkel und von der willkürlich gezogenen Betrachtungsgrenze abhängig. 1995 hatte der IT-Sektor in Deutschland ein Marktvolumen von DM 77 Milliarden, wovon über 10 Milliarden Mark auf Serviceleistungen entfielen. Hier wurden bei der Beratung und Konzeption durchschnittlich DM 240 pro Stunde berechnet (vgl. Computerwoche 1997, S. 9). Nach einer anderen Untersuchung teilen sich in Deutschland 9.000 Beratungsunternehmen ein Auftragsvolumen von über 13 Milliarden DM. Angesichts der Tatsache, daß dabei fast 40 % aller Kunden das Beratungsergebnis als einen Mißerfolg ansehen, scheint die Kritik durchaus berechtigt (vgl. Werner Hofimann: Faktoren erfolgreicher Unternehmensberatung, zitiert nach Larew und Deprosse 1997, S. 107). Diese Relation verliert allerdings ihre scheinbar deutliche Aussage, wenn der Aspekt hinzugezogen wird, daß 75 % der Maßnahmen aus Beratungsprojekten nur teilweise oder garnicht realisiert werden. Auffällig ist weiterhin, daß die Kundenunzufriedenheit gleichermaßen große wie kleine Beratungsunternehmen trifft. Die Unzufriedenheit ist vorhanden, egal ob ein Beratungshonorar von DM 1.000,- oder DM 10.000,- pro Tag in Rechnung gestellt wurde. So kann die Kritik an zu hohen Kosten also nicht auf den absoluten Betrag der Projektkosten bezogen werden. Es scheint vielmehr so, als gäbe es keine Übereinstimmung zwischen den Kundenerwartungen und den von den Beratern erbrachten Projektergebnissen. Es liegt der Verdacht nahe, daß die Auftraggeber das Projektziel und die erwarteten Projektergebnisse nicht oder nicht präzise genug festlegen. Bei diesem Vorgehen kann dann auch nicht das Gefühl der Zufriedenheit entstehen, für sein Geld ein gewünschtes Ergebnis bekommen zu haben.
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Berater in IM-Projekten Wenig Pragmatismus und Umsetzungsorientierung Dieser Kritikpunkt muß aus unterschiedlichen Richtungen betrachtet werden. Es handelt sich hierbei um ein Kommunikationsproblem zwischen Auftraggeber und Berater. Die Kritik am zu geringen Pragmatismus muß einerseits auf das fehlende Geschick des Beraters zurückgeführt werden, sich auf die spezielle Anwendungssituation des Auftraggebers einzustellen. Stattdessen werden den Kunden vielfach zwar fachlich und methodisch und teilweise sogar wissenschaftlich fundierte aber an der praktischen Relevanz vorbeizielende Konzepte verkauft. Andererseits formuliert der Auftraggeber nicht klar, was er braucht und vom Einsatz des Beraters erwartet. Dies hat seine Ursache darin, daß • der Auftraggeber selbst Schwierigkeiten hat, die Situation präzise zu charakterisieren, • der Auftraggeber sich aus falscher Eitelkeit nicht traut, das Problem aufgrund seiner - so wie er glaubt - Trivialität offen darzulegen, • der Auftraggeber meint, der Berater würde das Problem schon erkennen und ihm würde aufgrund seiner Erfahrung etwas besseres einfallen, • der Auftraggeber will die zu erbringende Leistung des Beraters nicht durch seine vorgegebene Ergebniserwartung zu stark einengen, da er hofft, daß der Berater für das - aus der Sicht des Auftraggebers - hohe Honorar ein „größeres/umfassenderes" Ergebnis erbringen wird.
Aus der Sicht des Beraters muß das Kommunikationsproblem anders interpretiert werden. Der Grund für die Kritik entsteht hier dadurch, daß der Berater • eine einfache Lösung - auch wenn sie geeignet ist, genau das Problem zu beseitigen - nicht einfach darstellt. Er erzeugt eine komplexere Lösung - die der Auftraggeber dann aber vielfach nicht mehr als pragmatisch empfindet - da er annimmt zur einfachen Lösung wäre die Beauftragung eines Beraters nicht nötig gewesen. • die Komplexität einer komplexeren Lösung nicht reduziert, da eine einfache Sprache und klare, verständliche Strukturen als nicht gehaltvoll genug gelten.
Das Kommunikationsproblem wird noch dadurch verstärkt, daß der Aufmerksamkeitsgrad des Auftraggebers hinsichtlich eines Projektes nur am Anfang (Projektinitiierung) und am Ende (Projektabschluß) hoch ist. Dazwischen wird es oftmals kaum beachtet. So entsteht der
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Thomas Pietsch Konflikt zwischen der Erwartungshaltung und der tatsächlich erbrachten Lösung erst dann, wenn es für korrigierende Maßnahmen bereits zu spät ist.
S Empfehlungen für die Zusammenarbeit mit Beratern Die Grundvoraussetzung für eine zielgerichtete Projektarbeit ist die klare und unmißverständliche Definition des anzustrebenden Ziels durch den Auftraggeber. Damit wird sichergestellt, daß der Berater ein passendes Angebot vorlegen und die Kosten so genau wie nur möglich angeben kann. Herrscht auf dieser Basis Konsens zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, so ist der Weg für ein erfolgreiches Projekt bereitet. Bei der Auswahl des Beraters hat es sich bewährt, darauf zu achten, daß die Größenverhältnisse zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer stimmen. Damit ist gemeint, daß ein kleiner Auftraggeber für ein großes Beratungsunternehmen nur „ein kleiner Fisch" ist und - auch wenn es niemand zugeben wird - zumindest bei Konflikten oder in Zeiten starken Termindruckes auch so behandelt wird. Andererseits wird ein zu kleines (ressourcenschwaches) Beratungsunternehmen komplexe und umfangreiche Projektaufgaben vielfach nicht oder zumindest nicht termingerecht bewältigen können. Ein ausgewogenes Verhältnis im Sinne einer produktiven Partnerschaft muß hier angestrebt werden. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die detaillierte Planung des Projektes hinsichtlich fachlicher und zeitlicher Aspekte. Hiermit wird die Voraussetzung geschaffen, zu bestimmten, vorher festgelegten Terminen Teilergebnispräsentationen vorzunehmen. Fehlentwicklungen können frühzeitig erkannt und gegensteuernde Maßnahmen eingeleitet werden. In der Praxis hat es sich bewährt, aus betrieblichen Praktikern und Beratern ein Team zu bilden, das die individuellen Stärken und das Know-how aller Beteiligten vereint. Das Fachwissen aus dem Tagesgeschäft steht somit ebenso zur Verfügung, wie Methodenwissen für den Untersuchungs- und Konzeptionsprozeß sowie Erfahrung im Management von Projekten. Sinnvoll ist es dabei, die Projektleitung mit einem Mitarbeiter des eigenen Unternehmens zu besetzen und diesen durch den Berater begleiten zu lassen. Auf diese Weise wird die Beratung zu einer Dienstleistung, aus der ein für den speziellen Fall maßgeschneidertes Ergebnis hervorgeht. Glauben Sie nicht, daß es vorgefertigte Lösungen gibt, die sich einfach übertragen lassen. Beratung ist in den meisten Fällen ein „an die Hand nehmen" des auftraggebenden Unternehmens, um das angestrebte Ergebnis aus eigener Kraft (von innen heraus) zu erreichen. Nur damit schliessen Sie das Risiko aus, daß die Lösung als „übergestülpt" empfunden wird und von den Beteiligten nicht gelebt wird. 71
Berater in IM-Projekten Abschließend sind in Tabelle 2 die wichtigsten Empfehlungen in einer Checkliste zusammengefaßt
0 0
Legen Sie das Ziel unmißverständlich fest Lassen Sie sich verschiedene Angebote unterbreiten, suchen Sie den persönlichen Kontakt zum potentiellen Partner, wählen Sie den Berater nicht primär nach Kostengesichtspunkten aus und achten Sie auf ein ausgewogenes Größenverhältnis.
0
Achten Sie auf eindeutige vertragliche Vereinbarungen.
0
Formulieren Sie explizit, was für ein Ergebnis Sie erwarten und in welcher Form dieses Ergebnis übergeben werden soll.
0
Bilden Sie eine heterogene Projektgruppe und legen Sie fest, welche Leistungen von Mitarbeitern des eigenen Unternehmens und welche von externen Beratern erbracht werden.
0
Zerlegen Sie die gesamte Projektaufgabe in überschaubare Einheiten, planen Sie die zeitliche Abfolge zur Bearbeitung dieser Teilaufgaben und bauen Sie „Meilensteine" für Zwischenpräsentationen ein (hier muß das Projektteam den aktuellen Projektstand und die erarbeiteten Zwischenergebnisse vorstellen und der Auftraggeber hat die Pflicht, eine Entscheidung über den weiteren Projektverlauf zu treffen).
0
Schaffen Sie Gelegenheiten, erreichte (Teil-) Erfolge mit direkt und indirekt beteiligten Mitarbeitern zu feiern.
0
Stellen Sie sicher, daß das gesamte Projekt transparent und nachvollziehbar dokumentiert wird.
0
Lassen Sie das Projekt nicht unbemerkt ausklingen, sondern veranstalten Sie eine Abschlußpräsentation im größeren Rahmen, lassen Sie dort den Nutzen des erarbeiteten Ergebnisses für das Unternehmen deutlich werden und entlasten Sie dann das Projektteam.
Tab. 2:
Checkliste fiir die Zusammenarbeit mit Beratern
Die Erfahrung aus diversen Beratungsprojekten mit unterschiedlichen Inhalten und in verschiedenen Unternehmen läßt immer wieder eines deutlich werden: „Der Erfolg hat viele Väter, der Mißerfolg ist ein Waisenkind." Die oben aufgeführten Empfehlungen sollen helfen, Waisenkinder zu vermeiden. 72
Thomas Pietsch Literatur Ballwieser und Berger (1985): Wolfgang Ballwieser, Karl-Heinz Berger (Hrsg.): Information und Wirtschaftlichkeit. Gabler Verlag, Wiesbaden 1985 Computerwoche (1997): o. Verf.: Im Consulting-Geschäft gibt es nicht nur Gewinner, in: Computerwoche Nr. 3 vom 17. Januar 1997 Covey (1989): Stephen R. Covey: The 7 Habits of Highly Effective People. Simon & Schuster, New York 1989 Gertz und Baptista (1996): Dwight L. Gertz, Joäo P. A. Baptista: Grow to be great - Wider die Magersucht in Unternehmen. Verlag Moderne Industrie, Landsberg 1996 Hammer (1996): Michael Hammer: Beyond Reengineering - how the process-centered organization is changing our work and our lives. HarperCollins Publishers, New York 1996 Horväth (1993): Peter Horväth (Hrsg.): Target Costing - Marktorientierte Zielkosten in der deutschen Praxis. Verlag Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1993 Horväth und Renner (1990): Peter Horväth, A. Renner: Prozeßkostenrechnung - Konzept. Realisierungsschritte und erste Erfahrungen, in: Fortschrittliche Betriebsfuhrung und Industrial Engineering, Nr. 3, 1990 Hoyer und Kölzer (1987): Rudolf Hoyer, Georg Kölzer (Hrsg.): Wirtschaftlichkeitsrechnungen im Bürobereich. Erich Schmidt Verlag, Berlin 1987 Kositzky (1996): Petra Kositzky: DV-Leistungsverrechnung. in: DV-Management, Heft 4/1996 Krallmann, Herzog und Müller (1993): Hermann Krallmann, Matthias Herzog, Frank Müller: Wird der papierlose Berater auch zum kopflosen Berater? - Ein Fallbeispiel, in: Information Management 1/1993 Larew und Deprosse (1997): John Larew, Harald Deprosse: Erfolgshonorare für Berater?, in: Harvard Business Manager, Heft 1/1997 Lindemann (1990): Jürgen Lindemann: Informationsmanagement bei MBB - Philosophie. Vision. Situation, in: H. Heilmann, H. Gasser, P. Horväth (Hrsg.): Informationsmanagement - Aufgabe der Unternehmensleitung. Poeschel Verlag, Stuttgart 1990 Pietsch (1992): Thomas Pietsch: Absicherung von Entscheidungsprozessen durch Verfahren der Wirtschaftlichkeitsermittlung. in: H. Krallmann, Th. Pietsch (Hrsg.): Systeme der Informationsverarbeitung - Instrumente und Konzepte für Manager, Gabler Verlag, Wiesbaden 1992 73
Berater in IM-Projekten Straub und Forchhammer (1995): Walter G. Straub, Lorenz S. Forchhammer: Berater können erfolgreicher werden, in: Harvard Business Manager, Heft 3/1995 Wilkinson (1995a): Joseph W. Wilkinson: What ist Management Consulting?, in: Sam W. Barcus III, Joseph W. Wilkinson (Hrsg.): Handbook of Management Consulting Services, 2. Auflage, McGraw-Hill, New York 1995 Wilkinson (1995b): Joseph W. Wilkinson: Body of Knowledge for Consultants, in: Sam W. Barcus III, Joseph W. Wilkinson (Hrsg.): Handbook of Management Consulting Services, 2. Auflage, McGraw-Hill, New York 1995
74
3 Fallbeispiele
75
3.1 Strategische Aufgaben des Informationsmanagements
3.1.1 Ausrichtung der IV-Infrastruktur auf eine Host-Client-Server-Architektur von
Joachim Fischer
1
Grundlagen für die Lufthansa-C/S-Architektur
2
Anwendungen aus der Lufthansa-Anforderungssicht
3
Infrastrukturen 3.1 Strukturen 3.2 Schnittstellenlösungen von Relevanz fiir den Lufthansa-Verbund 3.3 Management Funktionen 3.4 Die Umsetzung der Infrastruktur auf Anwendungen
4
Trends zur Beachtung
5
Strategie: Empfehlungen für den Einsatz bei Lufthansa
6
Prämissen fiir den Einsatz: der Weg zur geeigneten C/S-Lösung 79
Joachim Fischer 1 Grundlagen für die Lufthansa-C/S-Architektur 1.1 Was ist das - C/S? Der Client-Server-Ansatz gehört zum Konzept der verteilten Datenverarbeitung (Tabelle 3) und wurde Mitte der 70er Jahre im PARC-Labor von Xerox entwickelt. Wie das damals gerade in Mode gekommene Time-Sharing soll im Client/Server-Betrieb Computerleistung unter verschiedenen Benutzern aufgeteilt werden. Während diese beim Time-Sharing am gleichen Zentralrechner angedockt sind, geht das Client/Server-Modell einen Schritt weiter: Ausgehend von einem Schreibtischrechner können die Anwender auf spezialisierte, über ein Netzwerk verteilte Dienste zugreifen.
Zentrale Daten
Zentrale Anwendungen
Dezentrale Anwendungen
Batch Verarbeitung
Verteilte Verarbeitung (Distributed Processing)
Dezentrale Daten
Départemental Processing
Cooperative Processing Client/Server
Tab. 3:
Die Einordnung von Client/Server-Verarbeitung [nach: Arthur Andersen, SHARE 84,1995]
Das Konzept ist flexibel, erlaubt ein modulares Wachstum und eine effektive Nutzung der Leistungsreserven. Server sind für spezifische Aufgaben reservierte Systeme. Es kann sich um Allzweckcomputer oder speziell optimierte Hardwarekomponenten handeln; sie definieren sich nur durch ihre Funktion im Netzwerk. Ein Client-System übermittelt Anforderungen an einen Server. Es kann sich um einen Personalcomputer oder eine Arbeitsstation, ein Kassenterminal oder ein Laborgerät handeln - auch um ein Softwareprogramm. Allein fünf Varianten der Client/Server-Architektur diskutiert die Gärtner Group (s. Abb. 4). 1. Distributed Presentation: Dies ist die bewährte Aufteilung des Präsentationsservices, die schon aus der intelligenten Terminal-Host Verbindung bekannt ist. 2, Remote Presentation: Hier erfolgt die Visualisierung der Daten auf einem intelligenten Terminal. Die Applikations- und Datenzugriffslogik werden auf dem Server abgearbeitet. Dieses Konzept unterstützen zum Beispiel PC-basierte Werkzeuge für Abfrage oder Reports, die die Daten in der Regel grafisch ansprechender aufbereiten. Gärtner gibt dieser C/S-Variante keinen hohen Stellenwert. 80
IV-Infrastruktur 3 Distributed Function: Die Funktionen der Anwendung sind hier zwischen Client und Server verteilt. Diese verteilten Applikationen gibt es in den verschiedensten Ausprägungen (siehe auch Kapitel 3.1.3). Sie dominieren die C/S-Architekturen und wachsen stetig mit der zunehmenden Entwicklung von Tools, Methoden und Erfahrungen. 4. Remote Data Management: Bei dieser C/S-Konfiguration liegen die Daten (Datenbank) auf einem allgemein zugänglichen Server im Netz. Die Ausprägung des Servers hängt von der Anzahl der gleichzeitig zulässigen Clients ab. Hier kann auch der Host (Mainframe) als Server dienen. Diese Form ist ebenfalls weit verbreitet. 5 Distributed Database: Ein wiederholt diskutiertes Konzept, dessen Probleme in der Konsistenz und Integrität der verteilten Datenbanken liegen. Gärtner weist hier eher die Distributed Functions als Lösungsweg aus.
Distributed Remote Distributed Remote Distributed Présentât. Présentât. Function Data Mgt. Database 1 D.Mgt.
D.Mgt.
D.Mgt.
1 Appi.
Appi.
AppL
{Present.
4f
D.Mgt.
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[ Present
I D.Mgt.
Present
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Appi.
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Present
Quelle: Gartner Group
Abb. 4:
Strukturvarianten von Client/Server-Konfigurationen und -Anwendungen
1.2 C/S Plattformen 1.2.1 Die Workstation-Variante im BackofTice-Bereich Der Nutzen eines Fileservers (s. Abb. 5) liegt in der Teilung einer gemeinsamen Platte, in einer zentralen Datensicherung und in einem im Vergleich zu Disketten leichteren Dateiaustausch
81
Joachim
Fischer
zwischen den Benutzern. Dies gilt auch dann noch, wenn der Server zu einem "individuellen" Datenbankserver erweitert wird, mit dem der Einzelplatz-PC im Transaktionsmodus verkehrt
Abb. 5:
Die "klassische" 1-1 Konfiguration: Der Client ist genau einem Server zugeordnet
Transaktions- oder Applikations-Server Durch das Konzept des Transaktions-Servers wird ein substantieller Teil der Anwendungslogik auf den Server verlagert. So verbleibt auf dem Client im wesentlichen der Dialog mit dem Benutzer, während die eigentliche Verarbeitung auf dem Server-Rechner stattfindet. Dadurch besteht eine Anwendung aus zwei Komponenten, nämlich einem Teil auf dem Client und einem Teil auf dem Server Nur beide zusammen bilden eine vollständige Anwendung Dies ist ein Fall von Cooperative Processing.
Abb. 6:
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Der "Netz-zentrische" Ansatz: Clients und Server sind gemeinsam an einem Netz und finden sich nach Bedarf zusammen
IV-Infrastruktur Der Übergang zum Netz-zentrischen Ansatz (s. Abb. 6) ist bereits dann vollzogen, wenn der Transaktionsserver von mehreren Clients gleichzeitig angefragt wird (siehe OLTP Anwendung unter 2.2). Die Vervielfachung des Servers für einen bestimmten Dienst am Netz aus Servicegründen ist ein weiterer Schritt. Der Einsatz von "Parallel Transaction Servers" ist dabei eine moderne Form unter Ausnutzung der Parallelrechner-Technologie. Schließlich können mehrere Dienste mit ihren Servern am Netz sein und den jeweiligen Client-Set nach Bedarf versorgen. Intranet- und Internet-Anwendungen sind typisch für solche Bedarfszusammenführungen. Auch die Integration von Front-End- und Back-End-Aufgaben im Netz fällt in die Netz-zentrische Ausbildung der Client/Server-Architektur. Diese Client-Server-Architektur ist Standard bei den Lufthansa Backoffice-Anwendungen. Server in den diversen LAN versorgen die Clients mit den Standard Office-Produkten. In der Majorität ist dabei der Netz-zentrische Ansatz gewählt.
1.2.2 Die prinzipielle Netzeinbindung in die LAN-WAN-Host-Verbindungen Nach dem Client-Server-Prinzip versorgen zentrale Server die dezentralen Clients (über die 3270-Emulation) mit unternehmensweit relevanten Daten. Dazu dient in der Regel ein firmeneigenes Netzwerk, aber auch über Weitverkehrsnetze kann die Verbindung erfolgen. In einer Anzahl von Standorten werden lokale Client/Server Systeme betrieben, die über einen "Kommunikationsserver" untereinander, aber auch mit zentralen Hosts kommunizieren können. Unternehmen können ihren eigenen, firmeninternen Online-Dienst aufbauen, den "Intranet" getauften Service. Mit Hilfe von Internet und WWW (World Wide Web) werden Applikations- und Kommunikationsdienste unternehmensweit angeboten. Dabei kann der Host zum einen seine traditionelle Großrechnerrolle wahrnehmen und der Client füngiert als Terminal. Dem Host ist aber auch eine Server-Rolle zuordenbar, die die Stärke der Massendatenverarbeitung nutzt. Hier wäre er Daten- oder Transaktionsserver. Eine andere Form der häufig gebrauchten Dienstleistung steckt in der traditionellen Fähigkeit der Host-Umgebung, Backup- und Recovery sowie sonstige administrative Dienste rund um die Uhr zu liefern. Der Zugang zu externen Netzen, wie z.B. Internet und andere Online-Dienste, erweitert das Client/Server-Modell in den Verbund von Daten-Netzwerken in der ganzen Welt mit Millionen von Teilnehmern. Der unternehmensinterne Teilnehmer (Abb. 7, grauer Bereich) kann sich dabei in der reinen Client-Rolle befinden, der vom externen Server Dienste bezieht. Er kann aber auch in der Server-Rolle eigene Dienste externen Clients anbieten.
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Abb. 7:
Das Modell einer verteilten Client/Server-Architektur mit lokalen und zentralen Servern
1.3 Die Lufthansa Netzstrategie der Internet/Intranet-Client/Server Architektur Internet ist ein hervorragendes Medium fur weltweite Informationsrecherchen und weltweiten Nachrichtenverkehr. „Internet-Adressen" sind fast schon Standardbestandteil der persönlichen Visitenkarte Internet ist damit auch ein hervorragender Platz, die Lufthansa-Angebote einem weltweiten Teilnehmerkreis bekannt zu machen. Der Internet-Service erfordert jedoch auch in besonderem Maße Sicherheitsmaßnahmen, die den Datenschutz und deren Integrität einwandfrei gewährleisten. Deshalb erfolgt der Internetzugang für einen Client auschließlich über Internet-Server der Lufthansa Systems als Provider. Ein Direktanschluß an Internet über Modem ist daher als Risikoquelle ausgeschloßen. Die Internet-Server werden isoliert ohne permanente Direktverbindung zu den Lufthansa internen Informationsverarbeitungssystem, Host und Client/Server, gehalten und betrieben Sie haben eine Firewall-Ausstattung, die mindestens der „Arbeitsrichtlinie Datenschutz" genügt. Lufthansa Leistungsangebote im Internet erfolgen nur über eine konzerneinheitliche Autorisation bezüglich der Darstellung und der Rechtsgrundlage. Der Einsatz eines Internet-Servers (intern und extern) nutzt Standardprodukte zur Präsentation des Leistungsangebotes und zur 84
IV-Infrastruktur Navigationsunterstützung, soweit verfugbar aus dem freizugänglichen Internetangebot. Er rechtfertigt keine Erweiterung der Fertigungstiefe im LH-Konzern. Das technische Konzept des Internets, speziell in der multimedialen WWW-Ausprägung, wird auf die internen Informationsdienste per Server - auf Intranet-Server - übetragen. Intranet-Server der Lufthansa sind strikt an die Kommunikationswege des internen Netzwerkes gebunden, sie haben also keine Anschlüsse nach außen. Sofern Intranet-Clients einen gerechtfertigten Bedarf an externer Information haben, wird dieser ausschließlich über die gesicherten Server von Lufthansa Systems gedeckt. Dies betrifft den Zugang ins Internet über Internet-Server genauso wie den Zugang in andere Firmen-Intranets.
2 Anwendungen aus der Lufthansa Anforderungssicht 2.1 Chancen und Risiken der Architektur Client/Server-Lösungen sind mit dreierlei Erwartungen verknüpft: 1. Reduzierung der DV-Kosten 2. Herstellerunabhängigkeit - also die Möglichkeit zur Nutzung offener Systeme 3. bessere oder neue Formen von Anwendungslösungen.
Auf diese Karten setzt die "Downsizing, Rightsizing"-Argumentation: "Downsizing, Mainframe-Alternative und Rightsizing werden synonym verwendet, sie bedeuten dasselbe: ... aus einer kostenintensiven zentralen ... in eine kosteneffiziente, verteilte Computer-Umgebung ..." und zielt dabei ab auf: • Reduktion der Fertigungstiefe • Konzentration auf die Kernprozesse • Vergabe von Aufträgen an Zulieferdienste.
Dem Kostenargument ist der Begriff "Outsourcing" als eine organisatorische Extremform des Client/Server-Prinzips zugesellt. Bei der Kostensenkungsbetrachtung sind Client/Server-typische Faktoren zu beachten: • Produktkosten: Die Hardware- und Software-Gestehungskosten. • Total Cost of Ownership: Produktkosten plus alle Kosten, die zum Betrieb des Systems erforderlich sind.
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Joachim Fischer Wie können Kosten verringert werden? • Freie Systemauswahl: Hardware + Software Die strategischen Partnerschaften im Hardware- und Softwaremarkt ermöglichen die Auswahl. Allein UNIX kommt in Dutzenden von verschiedenen "Geschmacksrichtungen" vor und zu jeder gibt es mehrere Hardwareplattformen mit umfangreichen Applikations- und Partnerkatalogen. • Vereinheitlichtes System Management Vertraute und übliche Umgebungen reduzieren den Umschulungsaufwand, die Fehleranfälligkeit und die Fehlnutzung. Ziel ist in der Regel der "Single Point of Control" •
Integration Integration bedeutet Gemeinsamkeiten von Diensten und Quellen. Zum Unterschied dazu das Interface, das lediglich "gleiche Stecker" bedeutet, aber nichts mit dem Verständnis untereinander zu tun hat.
• Offen und interoperabel Zumindest sollten System Management-Funktionen mit den Netzwerk ManagementFunktionen reden und sich verstehen können. Je weiter "Standards" eingehalten werden, desto mehr Applikationen können Plattform-übergreifend verarbeitet werden und so vorhandene Ressourcen optimiert nutzen. • Robuste und erprobte Funktionen Robust heißt, die Funktionen müssen vor "versehentlicher Veränderung" geschützt sein. Erprobte Funktionen zu verlangen heißt (weitgehend) auf Experimentierfelder zu verzichten. • Anpassung an Geschäftsanforderung Die "83/17-Regel" besagt: 83% aller Applikationen adressieren im wesentlichen dieselbe Funktion(alität). Aber der Rest hat die geschäftsspezifischen Zusätze, die die "Einmaligkeit", die "Konkurrenzlosigkeit" und damit den "Marktvorsprung" des Geschäftsfeldes ausmachen.
Die Client/Server-Architektur eröffnet Chancen neuer Anwendungsformen, die im gleichen Maße bei Unausgewogenheit ihre Risiken definieren. • Verteilte Verarbeitung Die Verteilung von Verarbeitungsleistung vor Ort erlaubt Serviceoptimierungen, wie z.B. die Antwortzeiten zu verbessern und zugleich die Netzwerkkosten zu reduzieren. Ge86
lV-lnfrastruktur schäftsprozessbedingte Kunden- und Vorgangsdaten werden lokal gespeichert, so daß viele Verarbeitungsprozesse nur im lokalen Netz (LAN) ablaufen. Dadurch reduziert sich die Anzahl der Zugriffe auf den zentralen Datenbestand. • Ergonomische Benutzeroberflächen. Grafische Benutzeroberflächen (GUI - Graphical User Interfaces) bieten bei multifünktionalen Prozessen durch grafische Informationsdarstellung und durch intuitive Benutzerfuhrung gesteigerten Nutzen. • Integration von Front-End und Back-End Offices. Für viele Arbeitsplätze und -prozesse werden zur Textverarbeitung und für weitere Bürofiinktionen PCs eingesetzt. Durch die Verlagerung auch operativer und transaktionsorientierter Anwendung auf den PC kann damit eine integrierte Vorgangsbearbeitung unterstützt werden. • Neue Anwendungslösungen durch Multimedia Multimedia umfaßt die Darstellung und Bearbeitung aller Formen von Informationsdarstellungen in Text, Bild, Video und Ton. Sie baut auf die verständliche Präsentationsform der Information. • Kapazitätsanpassung der Hardware. Mit der Verlagerung geeigneter Teile der Anwendungen von einem Host auf die ClientRechner und Server im LAN läßt sich die Last von einem Zentralrechner herunterziehen. Das verlängert bzw. optimiert die Einsatzdauer sowohl auf der Host- als auch auf der Client/Server-Seite.
2.2 Nutzen und Nutzer der C/S-Technologie Moderne Organisationen erfordern kooperatives Informations- und Datenmanagement über Systemgrenzen, Abteilungen und ganze Unternehmen hinweg. Nach betriebswirtschaftlichen Überlegungen muß die implementierte Systemplattform alle Anforderungen hinsichtlich Funktionalität, Stabilität, Flexibilität und Zukunftssicherheit erfüllen. Oft ist das Ergebnis eine Mischform zwischen klassischen Großrechnerarchitekturen mit ausgereifter Anwendungssoftware und Client-Server-Systemen auf der Basis von Intel- oder RISC-Architekturen. Der Kundenbedarf fordert dazu, daß das technische "C/S-Angebot" auch handhabbar, verständlich und fiinktionsgerecht ist. Die Gestaltung speziell des Clients unterliegt also physiologischen und
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Joachim Fischer psychologischen Kriterien. Der Client soll seinen Kunden automatisch und intelligent unterstützen, wenn er etwa in die "Bedienungsirre" läuft. Visualisierungselemente bauen etwaige sprachliche Verständigungsschwierigkeiten ab. Stellt sich Text als Hindernis dar, kann die Umsetzung in Sprache herangezogen werden. Virtuelle Modelle mögen als Leitsysteme einprägsam zum Ziel fuhren. Auskunftssysteme brauchen, wie Konferenzsysteme, die multimediale Dialogfähigkeit. Die strenge Rollentrennung in Client und Server gilt hier nicht mehr unbedingt. Vielmehr kann ein Rollentausch erfolgen: der Client serviert "seinem Server" eine Aufgabenstellung - ein Informationsbegehren - "umgangssprachlich" formuliert, also nicht per vorgefertigtem Menü. Der Rollentausch kann auch "verborgen" sei: lernende Systeme merken sich Bedienungsfehler oder häufige Anfrageformen und "passen sich über Zeit daran an". Workflow-Lösungen wechseln diese C/S-Rollen permanent. Und Gleichberechtigung herrscht z.B. bei Systemen der gemeinsamen Bearbeitung eines Dokuments in Echtzeit. Die konkurrierende transaktionsorientierte Bearbeitung eines gemeinsamen Datenbestandes durch viele Benutzer, das OLTP, hat seinen Ursprung im Host und Host-nahen Server-Architekturen. Typische Datenbankprodukte sind z.B. Adabas, Informix, Oracle, Sybase, DB2/2 oder SQLBase. Eine Weiterentwicklung besteht im Einsatz eines TP-Monitors auf dem Server. In diesem Fall können die Server-Programme in einer üblichen Programmiersprache geschrieben werden. Der TP-Monitor übernimmt es, Prozesse erst dann zu starten, wenn Aufrufe von den Clients eintreffen. Die meisten Daten, für die derzeit eine analytische Online-Verarbeitung (OLAP) angezeigt ist, sind in Großrechnersystemen gespeichert und werden mit Hilfe von Personal Computern abgerufen. Daher müssen OLAP-Produkte unbedingt innerhalb einer Client/Server-Umgebung einsetzbar sein. Hierfür ist es unumgänglich, daß die Server-Komponente von OLAP-Werkzeugen ausreichend intelligent ist, daß verschiedene Frontend-Systeme(Clients) mit geringem Aufwand und minimaler Integrationsprogrammierung angeschlossen werden können. Der intelligente Server muß in der Lage sein, alle Adressierungen und Konsolidierungen zwischen ungleichartigen logischen und physikalischen Datenbankschemata von Unternehmen vorzunehmen, die nötig sind, um Transparenz zu erzielen und ein allgemeines konzeptionelles, logisches und physikalisches Schema aufzubauen.
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IV-Infrastruktur 2.3 Der Intranet-Service des Lufthansa Konzern-Informationsmanagement Der Intranet Server des Konzern-Informations verwendet die ganze Bandbreite der Client/Server-Architektur. Als ein Bibliothekssystem ist er für die Belange von Konzern und Lokalen IM konzipiert. Er reflektiert daher die IS-Ausprägung im Markt, zuerst konzentriert auf die Trendsetter und Marktfuhrer der IS-Branche. Ihre Stärke gründet sich auf ihre Forschungs- und Entwicklungseinheiten, die die Zeichen der Branchenbedürfnisse aufnehmen und umsetzen. Die Kooperation mit wissenschaftlichen Instituten und Labors ist dabei eine Form ihrer Arbeitsteiligkeit. Diese Trends neuer IT-Entwicklungen zu kennen und zu dokumentieren ist von strategischer Bedeutung, weil sie langfristig auf die Informationstechnologie und ihre Unterstützung der Geschäftsprozesse wirken. Zum einen sucht der Prozeß nach Stärkung durch Einsatz moderner IT Mittel, zum anderen drückt die externe IT Entwicklung auf die Ausprägung der Prozeßaktivitäten. Mit den Einflußfaktoren der IS-Branche erfährt der Intranet-Server die Verdichtung auf die IM Führungsinformation. Der CA Intranet-Server verwendet das Data Warehouse-Prinzip. Die Quelldaten entstammen verteilten Plattformen auf den Mainframe Systemen und diversen LAN Servern mit Windows Clients. Von ihnen erhält der Intranet-Server einen aggregierten Datenauszug, den er nach seinen Regeln organisiert und aktuell hält. Der Analyst greift mit Auswertungsmitteln auf diese Warehouse-Daten zu. Der CA Intranet Server steht über das Lufthansa-interne Netzwerk mittels IP-Adressen im Verbund mit den diversen Workstations der zugriffsberechtigten Mitarbeiter des Informations Management, dem "Intranet Clients". Zu den Quellen des Warehouses gehören insbesondere die Arbeitsplätze des Scanners und der externen Datenrecherche in Wirtschaftsdatenbanken.
3 Infrastrukturen: Technische Ausprägungen, die zu beachten sind 3.1 Strukturen 3.1.1 Reine C/S-Architekturen Das zweistufige Modell (s. Abb. 8), auf dem heutige Client/Server-Architekturen basieren, folgt einem simplen Rollenschema: Auf der Benutzerseite residiert ein Client, der Dienste von einem Server anfordert. Zwar ist es manchmal möglich, daß ein Server wiederum die Rolle eines Clients gegenüber einem weiteren Server übernimmt. Doch auch diesem Modell einer kaskadierenden Client/Server-Umgebung liegt eine - wenn auch verkettete - zweistufige Architektur zugrunde. 89
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Abb. 8:
Zweistufige Client/Server-Anwendungsarchitektur
Drei-Ebenen-Architekturen (s. Abb. 9) überwinden die Beschränkungen der herkömmlichen Zwei-Ebenen-Konfigurationen. In einem Drei-Ebenen-Modell sind dem Client Präsentation und Dialog vorbehalten sowie die Teile der Anwendung, die für ihn allein relevant sind. In der mittleren Ebene befinden sich ein oder mehrere Anwendungsserver, die die Geschäftslogik verarbeiten und Datenservices aufrufen Für die Bearbeitung dieser Datenservices sind wiederum ein oder mehrere Datenbankserver zuständig. Tabelle 2 stellt die Merkmale der 2- bzw. 3stufigen Client/Server-Architektur gegenüber.
Abb. 9:
Dreistufige Client/Server-Anwendungsarchitektur
Der Anwendungsserver kann Transaktionen verwalten und - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Dienste eines TP-Monitors - die Integrität verteilter Daten sicherstellen. Zudem verwaltet er asynchrone Warteschlangen (Queues), um sicherzustellen, daß Transaktionen zuverlässig beendet werden Schließlich zentralisiert der Anwendungsserver die Anwendungslogik und vereinfacht damit die Administration und das Änderungsmanagement. Über einen NameService bietet er lokationsunabhängigen Zugriff auf unterschiedliche Ressourcen. C/S-Anwendungen leben von der Verfügbarkeit; dazu sind Speicherkonzepte erforderlich. Die Applikationen leben von Datenintegrität, d.h. verschärfter Backup/Recovery. Sie brauchen die
IV-Infrastruktur Unterstützung eines Speichermanagement Systems. Ideal wäre die Erweiterung des "System Managed Storage" (SMS) Konzepts. Derzeit bietet der Markt an Disziplinen und Lösungen: • Das Mainframe HSM-Konzept ist in offene Systeme erweiterbar, z.B. UNITREE. • Verfügbarkeitsplatten der RAID Technologie sind "zuerst" im Workstation-Umfeld erschienen. 2-stufig
3-stufig
Anwendungscharakteristik Anwendungsbereich Anzahl Benutzer Transaktionen Verfügbarkeit Systemmanagement Anwendungsdesign Entwicklungsprozeduren
Abteilung < 100 leicht unkritisch einfach eine Anwendung informell
Unternehmen Tausende schwer kritisch komplex System von Anwendungen formell
Architektur Design Client Server Datenbank Netzwerk
mächtig 1 1 1
einfach mehrere mehrere mehrere
Tab. 4:
Merkmale der 2- und 3-Stufen-Architektur von Client/Server-Konfigurationen [Two-Tier Versus Three-Tier Apps, IW, Nov.13,1995, p.74-80]
C/S-Applikationen fordern (neue) Speicher und Speicherkonzepte: • Kaum eine moderne Workstation ohne CD-ROM Laufwerk(e): Software, Utilities und Literatur wird auf CD-ROM geliefert. • Imaging als Disziplin der Dokumentenbehandlung fordert GB Speicherkapazität vor Ort und eigene Datenbankstrukturen. • Dokumentenarchivierung, -recherche, -bearbeitung etc. erweitert den Speicherbedarf. • Ein Warehouse kann nur mit multiplen angeschlossenen Quellen auf heterogenen und verteilten Speichern funktionieren.
3.1.2 C/S im Verbund mit Mainframes Als technische Strategie für betriebswirtschaftliche Prozesse im Back Office ist zur Rolle des Mainframes für die Deutsche Lufthansa AG festgelegt1: „Realisierungen von neuen Applikatio-
1
) Aus: FRA CA/IM "Vision, Ziele. Strategien", August 1995
91
Joachim Fischer nen erfolgen auf der Client/Server Architektur mit standardisierten Schnittstellen (nicht eigenentwickelt) zu den existenten Rechnerwelten (MVS, OS 1100, UNIX V). Die Schnittstelle als Element eines Informationsverbundes hat Vorrang vor der individuellen Funktionalität/ Qualität des zu realisierenden Systems. Client/Server-Strukturen ergänzen die traditionelle und bewährte Anwendungsplattform der Mainframes, und kooperieren mit ihr. Die bevorzugte Client/Server Architektur ist dreistufig: Client - Applikationsserver - Datenserver. Der Mainframe kann dabei eine Serverrolle übernehmen". Der Sizing-Diskussion im traditionellen Client/Server-Umfeld entgeht IBM mit einer eigenen Variante. IBM entwickelt die PC-Karten P/370 und P/390, um Mainframe-Power auf den PC zu bringen. Der PC Server 500 System/390 wird explizit als „integriertes System" angeboten, um die meisten der bestehenden MVS/ESA-Applikationen ohne Modifikation in einer "MVS"Client/Server-Architektur zu betreiben.
3.2 Schnittstellenlösungen von Relevanz für den Lufthansa-Verbund 3.2.1 Maßgebende Gremien Das vom Gemeinschaftsunternehmen Open Software Foundation (OSF) entwickelte DCE (Distributed Computing Environment) beinhaltet eine Sammlung von Konzepten und Produkten, die für die Realisierung leistungsfähiger heterogener Client/Server-Umgebungen ausgewählt wurden. Alle interessierten Hersteller konnten der OSF auf eine öffentliche Ausschreibung hin ihre Lösungsvorschläge zu bestimmten Problemfeldern unterbreiten, die sodann in Zusammenarbeit mit externen Spezialisten für verteilte Verarbeitung einem Tauglichkeitstest unterzogen wurden. Die Kriterien des Auswahlverfahrens sind öffentlich zugänglich. Die DCE-Architektur besteht im wesentlichen aus acht ineinandergreifenden Schichten, die jeweils eine bestimmte Technik der verteilten Datenverarbeitung definieren. Die acht Techniken decken die fünf Grunddienste Remote Procedure Call, Verzeichnisdienst, Sicherheit, Zeitdienst und Threading sowie die Dienste für die gemeinsame Nutzung von Daten ab. Letztere bestehen aus einem verteilten Dateisystem, der Unterstützung von festplattenlosen Arbeitsstationen sowie der Integration von Personalcomputern. DCE wurde in Standard C geschrieben und mit Posix- und X/Open-Schnittstellen versehen. Es unterstützt somit die Betriebssysteme OSF/1, Sun-OS, AIX von IBM, Ultrix von Digital Equipment, HP-UX von Hewlett-Packard und UNIX System V von Novell/USL. Es kann auch auf andere Betriebssysteme, wie VMS oder OS/2, die grundsätzlich ähnliche Schnittstellen unterstützen, portiert werden. Für die Implementierung in DOS ist ein zusätzlicher Client-Support vonnöten. DCE wird von der OSF 92
IV-Infrastruktur als Basis für Weiterentwicklungen begriffen und soll dereinst zur konkreten Ausarbeitung von OSF DME (Distributed Management Environment) seinen Teil beitragen.
X/Open Distributed Computing Service Framework (XDCS) Ausschlaggebend war die breite Anerkennung der X/Open als integrierende Kraft im DVMarkt. Weil XDCS sich aber sehr stark an der UNIX-Umgebung orientiert und noch nicht alle wichtigen Schnittstellen abdeckt, wurden - wo erforderlich und sinnvoll - weitere Schnittstellen zusätzlich beschrieben, zum Beispiel bei fehlenden Schnittstellen zur Dokumentenverwaltung oder zu Workflow-Diensten. Entsprechend ihrer Bedeutung werden auf Basis des X/OpenFrameworks auch Architekturspezifikationen anderer Konsortien, insbesondere der Open Software Foundation (OSF) und der Object Management Group (OMG), ebenso dargestellt wie die "Industriestandards" verschiedener Hersteller - vorausgesetzt, sie beschreiben eine betriebssystemunabhängige Architektur oder weitergehende Funktionalität.
Open Blueprint Das generelle Strukturierungsprinzip im Open Blueprint bildet das Konzept der ResourceManager. Einzelne Resource-Manager übernehmen Teilaufgaben im Zusammenspiel aller Komponenten einer verteilten Lösung. Man unterscheidet lokale und verteilte ResourceManager. Über 20 solcher Resource-Manager sind im Augenblick im Open Blueprint definiert. Beispiele sind der Database Resource-Manager und der Workflow Resource-Manager. Der netzzentrische Ansatz und die Koordination der verteilten Ressourcen sind die Säulen dieser Architektur. Open Blueprint wird von IBM als Bauplan für offene und verteilte Client-Server-Lösungen positioniert. Das erste Release vom April 1994 beschreibt die Integration heterogener Systeme in ein Netz auf einer herstellerneutralen Basis. Dieses Architekturmodell basiert auf akzeptierten Standards übergreifender Konsortien, im wesentlichen X/Open, Object Management Group (OMG), Open Software Foundation (OSF), sowie die formalen Gremien wie ANSI, IEEE und ISO. Um die Interoperabilität mit bestehenden Umgebungen zu gewährleisten, wurden nicht alle Standards vollständig übernommen. De-facto-Industriestandards werden integriert, wo neutrale Standards fehlen. Die Aufbausystematik ist nahezu identisch mit dem Rahmenwerk XDCS der X/Open, die Dienste auf den einzelnen Ebenen sind jedoch teilweise anders zugeordnet. Außerdem umfaßt Open Blueprint mehr Dienste als XDCS: Mit dem Workflow-Manager und dem Transaction-Ma93
Joachim Fischer nager stehen beispielsweise zusätzliche, mächtige Werkzeuge zur Verfugung. Relativ weit geht die Offenheit bei der Interoperabilität mit konkurrierenden Softwaresystemen. Die Neufassung des Open Blueprint umfaßt jetzt auch API-Schnittstellen zu Microsoft Windows. Die wichtigsten Erweiterungen im jetzt veröffentlichten Release 2 sind die Integration von Workgroup-, Multimedia- und ATM-Technologien.
3.2.2
Client, Server und Netze
Client-Server-Computing treibt die Entwicklung im Bereich der LAN-Betriebssysteme voran. Der seit Beginn der 90er Jahre erkennbare Trend zum LAN-Networking ist die Folge dieses Client/S erver-Trends. Bei den LAN-Betriebssystemen ist Novell Netware Marktführer, gefolgt von Windows NT. Eine starke Zunahme hat auch der Markt für Network Interface Cards (NICs) zu verzeichnen. Der Hauptanteil entfällt auf Ethernet. Als zukunftsträchtig gelten High-speed-NICs: FDDI, Fast Ethernet und ATM. Die Stabilität von Ethernet- und Token-Ring-Architekturen gilt als der Hauptgrund für die "relative Zurückhaltung" der Unternehmen bei Investitionen in Highspeed-LANs. Ahnliches gilt für die Entwicklung des gesamten deutschen ATM-LAN-Marktes, der im Vergleich zum Token-Ring- und Ethernet-Geschäft aber noch verschwindend klein ist. Bremsend wirken hier die zu hohen Kosten - nicht nur für die NICs, sondern vor allem auch für die Verkabelung. Um entsprechende Übertragungsraten von 100 Mbit/s und mehr zu erreichen, müssen anstelle von Koaxial-, STP- oder UTP-Kabeln neue Glasfaserstrecken verlegt werden.
3.2.3 Mainframes in der C/S-Welt Die Kernprozesse der Lufthansa AG werden traditionell von Applikationen unterstützt, die auf Mainframes (von IBM und Unisys) betrieben werden. Hier werden Datenbanken in TerabyteGrößen gefuhrt, die mit weltweit vernetzen Arbeitsplätzen unterschiedlichster Ausprägung in 10.000er Stückzahlen verbunden sind. Die Einbindung dieser Clients in eine Client/Serverorientierte Architektur ist daher zwingend und baut auf den Standards der Mainframe-Partner auf. Die Open Software Foundation hat die IBM-Implementierung AIX Distributed Computing Environment/6000 zertifiziert. Sie ist Basis für eine verteilte Client-Server-Datenverarbeitung auf den Plattformen MVS Open Edition, OS/400, OS/2 und Windows 3.1.
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IV-Infrastruktur Mit den Open Edition Services will IBM Großrechner im Rahmen des DCE-Modells in offene Client-Server-Umgebungen einbinden. Die wohl wichtigsten und grundlegenden Features bestehen in der Implementierung einer Posix-Schnittstelle und eines hierarchischen Dateisystems. Mit CICS erfolgt der Zugriff auf Daten in heterogenen Netzen. Und mit Visual Lift können Host-Anwendungen statt von 3270-Terminals vom PC aus unter OS/2 oder Windows bedient werden. Von ähnlicher Bedeutung ist die Übernahme des verteilten Dateisystems NFS, das in UNIXUmgebungen einen De-facto-Standard darstellt und den Anwendern ermöglicht, auf Massenspeicher anderer Rechner im Netz ebenso zuzugreifen wie auf eigene. Dem Datenaustausch zwischen verschiedenen Applikationen kommt auch die Unterstützung der Integrated Sockets für TCP/IP und Open Edition zugute. Die DCE-Mechanismen können nur über IBMs Sicherheitssoftware RACF auf die Daten zugreifen.
3.3 Management Funktionen 3.3.1 System Management Metropolitan Aera Netze (MAN) werden ausgebaut und modernisiert, private Firmennetze (Corporate Networks) gewinnen immer mehr an Bedeutung, und die Liberalisierung des Telekom-Markts hat begonnen. Durch diese Trends bekommt auch das Netzmanagement für LANund WAN-Umgebungen einen neuen Stellenwert und muß sich neuen Anforderungen stellen. Der Weg zur Realisierung dieser Anforderungen fuhrt über ein integriertes Netzmanagement. Mit der zunehmenden elektronischen Abwicklung von Geschäftsabläufen in Industrie und Verwaltung haben sich die Unternehmen in den letzten Jahren verstärkt darauf konzentriert, ihre Metropolitan Aera Netze auszubauen und zu modernisieren. Die Sprachkommunikation wurde bzw. wird nach und nach auf Digitaltechnik umgestellt, und in der Datenkommunikation entstanden neben den traditionellen Großrechnersystemen Lokale Netze, um die aufkommenden Personal Computer und Workstations miteinander zu verbinden. Bereits heute ist absehbar, daß im Zuge der Verbreitung von Multimedia-Anwendungen neue Technologien auf Basis des Asynchronen Transfermodus (ATM) in das Campusnetz - und mit etwas Verzögerung auch in das Weitverkehrsnetz (WAN) - Einzug halten werden. Ein weiterer Trend geht in Richtung Privater Firmennetze (Corporate Networks). Immer mehr Unternehmen binden ihre Außenstellen an das Netz in der Firmenzentrale an. Während auf der Seite der Systemtechnik wesentliche Fortschritte erzielt wurden, ist das Netzmanagement dagegen zurückgeblieben. 95
Joachim Fischer "Universal Measurement Architecture (Abb. 10)" (UMA) ist eine Standardisierungsinitiative fur UNIX Performance Management durch die Computer Measurement Group (CMG), in der Amdahl, AT&T, DEC, HP, IBM und andere vertreten sind. Adressiert werden Anforderungen an die Datensammlung, das Datenmanagement und die Verteilung2.
Measurement Application Layer Measurement Lay er Interface (MLI) Data Services Layer
Measurement Control Layer Data C a p t u r e Interface (DCI) Data Capture Layer
Abb. 10: Das UMA-Referenzmodell definiert vier Ebenen mit zwei Schnittstellen
Die Zielsetzung von UMA liegt in der Verfügbarkeit einheitlicher Basisdaten aus der Performance-Messung und einem Verteilmechanismus der Daten zwischen verschiedenen Clients und Servern. Um die Messwerte transparent zu machen, sind die zugrundeliegenden Meßprozeduren vereinheitlicht. Sie sind damit auch transportierbar zu einer einheitlichen Auswertung. Die Erweiterung einer C/S-Architektur um neue Komponenten findet dann auch bei dem Performance-Management statt. Die effiziente Datenhaltung in zentralen Speichermedien baut auf der Vereinheitlichung der Meßwertformate auf.
3.3.2 Sicherheitsmanagement Risikoanalyse befaßt sich mit Fragen wie • Was passiert eigentlich bei einer Sicherheitsverletzung? • Lohnen sich aufwendige Abwehrmaßnahmen? • Welches Risiko gehen wir ein, wenn . . .?
') Die Ergebnisse liegen X/Open zur Stellungnahme vor,
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IV-Infrastruktur Entsprechend differenziert sind die Einzeldisziplinen unter dem Oberbegriff der Risikobewertung3. Zu nennen sind insbesondere: • Die Wertanalyse: Hierbei sind die einzeln zu schützenden Objekte zu identifizieren und ihre Werte festzulegen. Zu beachten ist dabei, daß neben materiellen Vermögenswerten u.U. auch immaterielle Werte (Vertrauen, Ansehen) zulässig und wichtig sein können. • Bedrohungsanalyse: Sie ist operationalisierbar, wenn Statistiken über das Eintreten von Gefahren existieren. • Schwachstellenanalyse: Die Schwachstellenanalyse betrachtet die dem System inhärenten Schwachstellen, z.B. die Art der geschäftlichen Tätigkeit, das ökonomische, physikalische oder organisatorische Umfeld, Informationsflüsse, Bezug externer Dienstleistungen. • Datenschutz: Der Datenschutz ist bei Lufthansa mit der "Arbeitsrichtlinie Datenschutz" geregelt, die insbesondere in den Anlagen auf Arbeitsmittel eingeht. Im technischen Bereich gelten die Richtlinien des BSI-Handbuchs, hier speziell die Anhänge M4 und M5 ..
Die Ausweitung von Client/Server-Anwendungen in externe Netze, zu Online-Diensten und im speziellen zu Internet hat die Sicherung über eigene Zugangskontrollen forciert. Um das LAN nach außen mit einem Schutzwall zu versehen, ohne jedoch gleichzeitig die Nutzung von Internet-Diensten für LAN-Benutzer unnötig einzuschränken, kommen primär drei Basistechniken zum Einsatz: Paketfilter, Application-Level Gateways und Circuit-Level Gateways. Allein oder besser in Kombination bilden sie eine Firewall zwischen Internet und LAN, die zunächst legal oder illegal überwunden werden muß, um von außen die internen Netzressourcen erreichen zu können.
Aber auch hinter der Firewall ist das Netz nicht zwangsläufig ungeschützt: In der zweiten Abwehrreihe (siehe Abb. 11) stellt der Benutzer-Paßwortschutz und die Host-Identifizierung eine weitere Verteidigungslinie. An dieser Stelle kommt die Qualität der internen Sicherheitspolitik zum Tragen. Ein "Firewall-Rechner" ist kein Sicherheitsgarant, sondern nur ein konzeptioneller Oberbegriff. Die Art seines Schutzes muß in jedem Einzelfall auf die Applikation bezogen festgelegt und
3
) Quelle Klett, G. "Praxisgerechte Methodik zur Risikoanalyse in vernetzten heterogenen Informatik-Infrastrukturen". BIFOA Sicherheitskonferenz 1992, S. 63-84
97
Joachim Fischer eingerichtet werden. Die Bandbreite reicht von der einfachen Autorisierung, der Authentifizierung, über Kryptierung, Chipkarten bis zu Hardware-internen Sperren.
Ticket Granting Service
2
Kerberos Server
3
Service 6 Client
Server
Die Kerberos LOGIN Sicherheit 1. Der Client identifiziert sich an seiner Workstation mit USERID und PASSWORT. Die USERID wird an den Kerberos-Server weitergegeben. 2. Kerberos meldet den Client (verschlüsselt) mit seinem Serviceanliegen bei dem Ticket Granting Service an und stellt 3. dem Client ein verschlüsseltes Ticket zu, mit dem 4. der Client Zugang zum Ticket Granting Service erhält. 5. Der Client erhält nun sein Serviceticket, mit dem er 6. Zugang zu seinem Server erhält.
Abb. 11: Kerberos in OSF-DCE: "Dreigestirn" - Zwei kommunizieren miteinander über die Erlaubnis eines Dritten Lufthansa Internet-Server4 werden isoliert ohne permanente Direktverbindung zu den Lufthansa-intemen Informationsverarbeitungssystem gehalten und betrieben. Als technische Leitlinie wird der Einsatz eines Internet-Servers der Sicherheitsklasse des SunScreen5 empfohlen.
3.4 Die Umsetzung der Infrastruktur auf Anwendungen Das Konzern-Informationsmanagement überwacht die Leistungsfähigkeit von Anwendungen und Infrastrukturen, d.h. Qualität und Funktionalität müssen stimmen. Ihm obliegt generell die Koordination und Bündelung von Informatik-Projekten, um Redundanzen zu vermeiden und Synergien zu nutzen. Lufthansa setzt derzeit das SAP R/2-Anwendungssoftwaresystem auf seinen Host-Systemen ein. Die Migration auf die R/3-Standardsoftware ist aus fachlicher und technischer Sicht notwendig und daher eingeleitet. SAP R/3 ist eine ausgeprägte integrierte betriebswirtschaftliche Standard-Anwendungslösung, die der Client/Server-Architektur folgt. Sie ist damit die Grundlage für den notwendigen Wandel der betriebswirtschaftlichen Informationsverarbeitung in eine
' ) Siehe dazu: FRA CA/IM "Chancen und Risiken des „Internet": CA Positionspapier."
98
IV-Infrastruktur auch kostenseitig optimierte Architektur. Die oben genannten Charakteristiken fünktionsgerechter Management Funktionen sind in R/3 realisiert, d.h. sichergestellt. Das R/3-System macht die Anwendungen unabhängig von den genutzten Systemschnittstellen des Betriebssystems, Datenbanksystems und Kommunikationssystems und sorgt für eine optimale Abwicklung der betriebswirtschaftlichen Transaktionen. Das SAP R/3-System orientiert sich an international anerkannten Standards und offenen Schnittstellen und die Allianzen mit namhaften Softwareherstellern, Hardwareherstellern und Datenbankanbietern erfüllen die Erwartungen der Lufthansa AG an Planungssicherheit und Portierbarkeit. Dem Informationsmanagement obliegt hier die Weiterentwicklung der SAPStrategie in der Ausbauplanung. Damit werden technische und ablauforganisatorische Leitlinien erstellt, die eine einheitliche Systembasis im Konzern für SAP sicherstellen. Im Umfeld der betriebswirtschaftlichen Anwendung existiert die Data Warehouse-Entwicklung des Reporting-Systems für IT-Leistungsbezüge von Lufthansa Systems. Grundsätzliches Ziel dieser Anwendung ist aus technischer Sicht, dem Client eine flexible und zugleich leicht handhabbare Benutzeroberfläche zu schaffen, mit deren Hilfe auf große Datenbanken (hier: DB2 Tabellen) der IBM-Hosts zugegriffen werden kann. Die Ergebnisse sind als Bericht vom Server abrufbar oder über den Warehouse-Server in tabellarischer und graphischer Form individuell zu gestalten Kennzeichnend für die hier gewählte Client/Server-Architektur ist, das die Anwendungssoftware auf dem Client, auf Abteilungs-Servern (z.B. auf UNIX-Servern) und auf dem IBM-Host laufen muß. Die Daten können dabei der Anwendung auf die jeweilige Plattform per Download oder Auszug folgen. Bestimmend ist jeweils die Infrastruktur am Arbeitsplatz: der moderne multimediale PC ist ebenso vorhanden wie das "dumme Terminal" der 3270 Klasse. Diese Anwendung ist typisch für die Hardware und Software übergreifende Bündelungsfimktion des Informationsmanagements. Hier wird aus der Marktübersicht und der Analyse der strategischen Informationsplanung die konzernweite IS-Strategie entwickelt. Daraus ergeben sich technische und organisatorische Leitlinien, die die Projekte steuern und kontrollieren helfen. Beide Anwendungen sind von einem hohen Serviceanspruch der Endbenutzer gekennzeichnet, die zu dem weltweit verteilt an das interne Lufthansa-Netzwerk angeschloßen sind. Die mehrstufige Client/Server-Architektur erst ermöglicht diesen Service mit modernen multimedialen Arbeitsbedingungen.
5
) SunScreen: ein im Internet "unauffindbares" System, da es keine Internet Protokoll (IP) Adresse hat.
99
Joachim
Fischer
4 Trends zur Beachtung Client/Server-Anwendungen und damit auch die Client/Server-Architekturen entwickeln sich mit zunehmender Kommunikationsverdichtung in die mobile Verarbeitung weiter. Der Fernzugriff auf zentrale Server erfolgt über transportable Clients (Laptop, Palmtop), die an vorgehaltene "Docking Stationen" temporär angeschlossen werden. Oder es werden Telefon- und Satellitenverbindungen genutzt wie in der Telematik des Verkehrswesens Der Trend zur Telearbeit verknüpft die Client/Server-Architektur mit Konzepten der virtuellen Büros und virtuellen Unternehmen. Die Managementaufgaben für diese Anwendungsarchitektur sind um ein vielfaches komplexer als bestehende Angebote
5 Strategie: Empfehlungen für den Einsatz bei Lufthansa Eine Orientierung in der Client/Server-Ausprägung ist durch die Einsatzfelder und die Komplexität der Systeme in Abb. 12 gegeben.
MMS MPP Internet
Coop.Pr.
Firewall
,3-Stufen
Sophi-
^Kerebros
stica-
OLAP
tion
2-Stufen I Daten. S. File S. Back Office
Host S.
OLTP
Front Office
Abb. 12: Einordnung der verschiedenen Client/Server-Ausprägungen nach Anwendungsbereichen und Technologie
100
IV-lnfrastruktur Die Annäherung kann aus der Anwendungswelt (Back/Front-Office-Anwendung) oder aus der technischen Sicht erfolgen. Typisch im textorientierten Büroumfeld ist der Zugriff auf gemeinsame einfache Flat-File-Ablagestrukturen. Ganz andere Anforderungen sind bei den WebServern realisiert, deren Charakteristikum die multimediale Präsentation des Informationsangebotes an eine (mehr oder weniger) anonyme Kundenstruktur. Die Komplexität reflektiert die technische Auslegung der Client/Server-Struktur. Bereits die Trennung von Daten- und Anwendungsserver, z.B. im SAP R/3-Umfeld, weisen deutliche Ansprüche an Systemarchitektur, -management und -infrastruktur auf. Massiv oder auch bereits "moderat" parallele Prozessoren (MPP) tragen diese Kennzeichen spezialisierter Hardwareausstattung mit den erforderlichen Unterstützungen im betriebssystemnahen Softwareumfeld noch ausgeprägter. Die vorgegebenen Positionen sind Empfehlungen, die sich auf markttypische Erfahrungen stützen. Einen Multimedia-Server (MMS) mit dem Anspruch einfachster Systemtechnik realisieren zu wollen ist unrealistisch.
6 Prämissen für den Einsatz: der Weg zur geeigneten C/S-Lösung Der Weg zu dem jeweils angemessenen Server fuhrt über eine Hierarchie der Prüfkriterien (Abb. 13). Der Geschäftsprozeß beschreibt seine Anforderungen aus der Sicht seiner Abläufe und Kunden. Damit ist die Funktion klar, die der Server zu erfüllen hat.
Abb. 13: Das Grundgerüst der Entscheidungsunterstützung enthält alle wichtigen Einflußbereiche 101
Joachim Fischer Dazu kommen strategische Vorgaben, die prinzipiell bei Servern zu beachten sind. In der nächsten Stufe wird die technische Auslegung präzisiert, der allgemeingültige Designkriterien beigegeben sind. Damit ist der Server festlegbar, d.h. aus dem Angebot des Marktes an Hardware, Software und Infrastrukturelementen ist der gesuchte Server nun zu spezifizieren. Jeder Baustein dieses Gerüsts trägt seine eigenen verzweigten Einflüsse. Ein "Drill-Down" in den Geschäftsprozeß (s. Abb. 14) zeigt hier drei Cluster: das Material, den Service und das Ziel. Sie beschreiben, was erforderlich für den spezifischen Geschäftsprozeß ist.
Abb. 14: Eine Sicht der den GeschäftsprozeB bestimmenden Faktoren
Materielle Anforderungen bestehen bei der Nutzung einer Geschäftsfelddatenbank, z.B. der Reservierungsvorgänge. Gemeinsame Ressourcen teilen sich SAP R/3-Anwendungen in Form gemeinsamer Applikationen. Intranet- und Internet-Prozesse nutzen Netze und Netzwerkkomponenten gemeinsam. Die Dienstleistung kann gesteuert und ungesteuert abgerufen werden, zu festen Zeiten oder jederzeit bei Bedarf. Dazu gehören Reaktionszeiten auf Kundenanforderungen, im technischen Sinne Antwortzeiten. Der Geschäftsprozeß baut seinerseits auf einer unternehmerischen Strategie auf, die in der Wahl des geeigneten Servers ihren Niederschlag findet Multimediale Präsenz im "Internet" ist z.B. eine aktuelle Marktbedingung, auf die zu reagieren ist. Die Kosten/Nutzen-Betrachtung ist dabei hier auf den Geschäftsprozeß bezogen, d.h. wenn sein Wert für den Prozeß hoch ermittelt wurde, dann muß das Mittel "Server" dieses sichern. Strategische Server-Vorgaben (s. Abb. 15) leiten sich entweder aus direkten Festlegungen bezüglich der Server ab oder aus allgemeinen IT-Strategien. So ist die Vorgabe eines Downsizing an den Ersatz einer bestehenden Plattform durch eine i.d.R leistungskleinere Einheit gekoppelt. Damit ist die Serverauswahl in eine Richtung limitiert. 102
IV-Infrastruktur
V
Strategische Server Vorgaben
y
Abb. 15: IT-strategische Elemente unterschiedlichster Motivation sind bei der ServerAuswahl wirksam
Die Bindung an Betriebssysteme, an Datenbanken oder andere Elemente der Softwarepakte berücksichtigt die Integrationsfähigkeit der Client/Server-Applikation in das vorhandene ITUmfeld. Einer Heterogenität der Komponenten wird hier entgegengewirkt Sicherheitsauflagen, gesetzlicher Natur oder unternehmensintern als Regel gültig, bestehen immer dann, wenn der Umgang mit vertraulichen Daten gegeben ist und wenn das Gefährdungspotential als hoch bewertet wurde. Dies beginnt bei den Systemmanagement-Aufgaben des Servers, die die Verfügbarkeit und die Integrität des Gesamtsystems sichern. Geschäftsfeld und Strategie haben bestimmende Merkmale gesetzt, die auf die funktionelle Auslegung des Servers (s. Abb. 16) wirken.
Aus der Praxis haben sich eine Reihe von Merkmalen ergeben, die eine Typisierung solcher Server aus Anwendungssicht zuläßt. Was soll der Server für Dienste leisten? Ist er als reines 103
Joachim Fischer Ablagesystem für "Fiat Files" oder als Ressource für die Office Welt vorgesehen? Im SAP Umfeld, aber nicht nur dort, ist die Kombination von Datenbank- und Anwendungsserver ein fester Designbegriff Mit dem Anschluß an die weltweite Datenautobahn haben Internet- und WWW-Server eine feste Begrifflichkeit erhalten, wobei die WWW-Variante auch als Multimedia-Server seine Funktionalität ausweist. Fest verbunden ist mit dem Internet die Sicherheitsanforderung, realisiert durch ein Firewall-System, einen Kerberos-Server oder allgemein einem Sicherheitsserver. Je nach gesuchter Funktionalität ist für das System Design ein Grundgerüst an Anforderungen technischer, organisatorischer und betrieblicher Natur (Abb. 17) gegeben.
betrieblicher Sicht gelten auch beim Server-Design
Frontoffice-Anwendungen mit Publikumsverkehr fordern eine stete Verfügbarkeit des Servers, so daß technisch eine Duplizierung von kritischen Komponenten angesagt ist. Dazu muß die Reaktion des Servers auf eine Anfrage so unmittelbar sein, daß der Kunde die gewünschte Auskunft unverzüglich erhält. Ein Online-Dialog muß möglich sein, so daß die Leistungsfähigkeit des Systems technisch berücksichtigt wird. Die technischen Anpassungen an die Funktionalitätsbedingungen brauchen kennzeichnende operationelle Daten: • Welcher Service wurde geliefert? • Welche Komponenten hinken hinter der Leistung her? • Wo sind Engpässe oder Ausfälle im Client/Server-Netz?
104
IV-Infrastruktur Dies kann nur ein angepaßtes Systemmanagement gewährleisten, für das das Design zuständig ist. Mit dem System-Design-Katalog sind die Details der technischen Auslegung von Hardware, Software und Netzeinbindung (Abb. 18) zu bestimmen. Die passenden Komponenten werden zusammengestellt und mit Herstetlerangeboten (Abb. 19) unterlegt. Dabei bestimmt der ermittelte Designkatalog den technischen Bedarf, dessen Grad an Abdeckung mit Herstellern überprüft wird.
Abb 18: Für den Techniker sind Details für seine Festlegung heranzuziehen Diese Auswahl erfolgt iterativ zur optimalen Erfüllung des Designzieles. Alles aus einer Hand ist die seltene Lösung, die Regel braucht den Kompromiß zwischen verschiedenen Lösungswegen. Hier sind die strategischen Vorgaben in ihrer Wirkung nochmals heranzuziehen, gegebenenfalls ist der Rücksprung auf die Funktionalität im Dialog erforderlich.
Abb. 19: Herstellerübersichten beschreiben, wer was im Angebot hat 105
Joachim Fischer
Die Praxis hat für einzelne Spezialgebiete (s Abb. 20) des technischen System-Designs Erfahrungsregeln.
Abb. 20: Die Systemmanagement-Sicht fokussiert Server auf ihre Anforderungen
Ein Drucker-Server hat i.d.R. viele voluminöse Aufträge in begrenzter Zeit auszufuhren, so daß hier auf Parallelität bedienbarer Drucker und auf die Leistung der Übertragungswege zu achten ist. Für den Multimedia-Server ist der Transfer der Information durch das Netz zum Client der kritische Designfaktor, während Mail- und Datenbankserver i.d.R. Transktionsvolumina schnell zu befriedigen haben und daher vornehmlich in ihrer CPU-Leistung gefordert sind.
106
3.1.2 Leitbild für die Neuorientierung der IV-Funktionen in den Unternehmen von
Hartmut Skubch Ausgangssituation 1.1 Trends in der IV-Technologie 1.2 IV-Kompetenz als Erfolgsfaktor 1.3 DV/ORG-Bereich - ein Strukturproblem Leitlinien einer Neuorientierung 2.1 Technologiegetriebene Organisationsentwicklung 2.2 Geschäftskonforme Organisationsstruktur Ausgestaltung der Lösung - Das Marktmodell Der Dienstleister 4.1 Das Hufeisen-Modell der IV-Aufgabenbereiche 4.2 Dynamische Anpassung der Fertigungstiefe 4.3 Entwicklungspfad und Leistungsspektrum des Dienstleisters Der Auftraggeber 5.1 Aufgaben des Information Management 5.2 Zusammenspiel auf Auftraggeberseite 5.3 Zusammenspiel mit dem Dienstleister
Hartmut Shibsch 1
Ausgangssituation
1.1 Trends in der IV-Technologie Wir müssen uns darauf einstellen, daß die Innovationszyklen im IV-Bereich noch kürzer werden als bisher. Die Entwicklung von IT-Innovationen ist durch ein immer stärkeres Zusammenwachsen von unterschiedlichen Basistechnologien geprägt. Durch diese Vernetzung der zugrundeliegenden Technologien steigt die Komplexität der Anwendungssysteme, gleich ob es sich um zentrale Ho st-Anwendungen (Sparten- bzw. Kernanwendungen) oder Anwendungen auf Arbeitsplatzebene handelt, s. Abb. 21. Deshalb muß der SystembegrifF neu gefaßt werden. Das Anwendungssystem mit seinen unterschiedlichen Komponenten (Software, Hardware, Daten, Betriebsplänen etc.) ist das Objekt, welches wir zu beherrschen lernen müssen.
Heute Anwender
Morgen
Server-Ebene
« J S f f l Ä »
^
Sparten-Anwendung
[Entwicklergruppe
Kern-Anwendungen
[ Entwicklergruppe
Abb. 21: Zunehmende Komplexität von Anwendungssystemen
Grundlage für die Erschließung der IT ist ein dramatischer Wandel der gesamten IV-technischen Infrastruktur. Der Einstieg in die Architektur verteilter Systeme war ein Quantensprung in der IV-Technologie Kaum konnte sich eine Entwicklungsmannschaft auf Client/Server und Objektorientierung als neue Herausforderung einstellen, da steht mit Internet, Java und NC's der nächste Innovationsschub vor der Tür. Gleichzeitig ist auf der Anbieterseite die Vorherrschaft der IBM gebrochen. In nur wenigen Jahren mußte der 'DV-Markt' nicht nur den Nie-
Leitbild dergang der IBM als Industriestandard, sondern auch den Aufstieg von Microsoft und neue Standards durch Internet-Computing verkraften. Künftig wird es in der Hand des Anwenders liegen, seine IV-technische Architektur festzulegen und bei jedem Entwicklungsschritt konstruktiv zu hinterfragen Nur flexible Organisationsformen werden jetzt und zukünftig auf diese Herausforderungen reagieren können.
1.2 IV-Kompetenz als Erfolgsfaktor In vielen Branchen ist die Beherrschung und der zielgerichtete Einsatz der IV-Technologie inzwischen eine Kernkompetenz, deren Leistungsfähigkeit sowohl auf die operative als auch auf die strategische Entwicklung des Unternehmens voll durchschlägt. Die Informationsverarbeitung mit ihrem Innovationspotential ist ein entscheidender Faktor zur Optimierung des Geschäftes geworden. Dabei tritt die Informationsverarbeitung immer häufiger als Impulsgeber für neue Geschäftsoptionen auf. Dies läßt sich am Beispiel eines Finanzdienstleisters verdeutlichen, vgl. Abb. 22. Mit IV-Unterstützung lassen sich nachhaltige Leistungssteigerungen im Verbund mit einer prozeßorientierten Optimierung der Organisation verwirklichen. Die ganzheitliche Neugestaltung von Kernprozessen beinhaltet Potentiale für • verbesserte Durchlaufzeiten, • höhere Qualität, • geringerer Ressourceneinsatz • bessere Kostensituation. Beispielsweise kann heute die Kreditbearbeitung workflow-gestützt von der Antragstellung über die Bonitätsprüfüng bis hin zu den notwendigen Genehmigungen durch Zeichnungsberechtigte im Verlauf eines Beratungsgespräches vom Sachbearbeiter initiiert und abgeschlossen werden. Eine weitere Kostensenkung wird durch die Reduktion der Produktvielfalt möglich, wenn es in unserem Beispiel gelingt, das Produkt „Kredit" zu standardisieren. Die IV-Innovationen werden insbesondere zur Unterstützung der Kundenschnittstelle genutzt. Selbstbedienung am Geldautomat und Home Banking wurden erst durch diese Innovationen möglich. Gleichzeitig kann der Beraterarbeitsplatz mit Hilfe von IV-Technologie aufgewertet werden, um dem Mitarbeiter eine qualitativ höherwertige Kundenbetreuung 201 ermöglichen. Durch die Ausstattung mit mobilen Computern schließlich wird der Kundenbetreuer räumlich unabhängig und kann selbst komplexe Produkte wie eine Immobilienfinanzierung beim Kunden
109
Hartmut
Sktibsch
zu Hause vermitteln. Wenn auf diese Weise die Kundenbindung gefestigt werden kann, ergeben sich handfeste Wettbewerbsvorteile. Diese können bis hin zu Wettbewerbsbarrieren ausgebaut werden, wenn Produkte nur mit existierender IV-Unterstützung auf den Markt gebracht werden können. Im Investment Banking müssen zum Beispiel neue derivative Produkte in das Risikomanagement der Bank eingebunden werden. Es entstehen auf diese Weise neue Mitarbeitertypen wie der „Financial Engineer", der die Anforderungen des Händlers übersetzt, um seine Geschäfte IV-technisch abzubilden.
Konsequenz: Die Schlagkraft lud die iv-techiriqgisehe Konpetere derlV-Ojarisationwui gcschöftspoliti seh vm erfcdßdendej" Rdeiiingseia f "Die Qualität der Fhnesseund^ der hodukte wild zunetmend eine Flvt*?' der technologischen Krmpeteie" ^ iTr Wfcgig. m.:tarip
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Abb. 22: Nutzeffekte von IV-Innovationen für einen Finanzdienstleister Bei einer zunehmenden Synthese von Technologie und Geschäft wird der Ausbau der technologischen Kompetenz immer mehr zum Erfolgsfaktor in der Erschließung von Wettbewerbsfaktoren. Wem es nicht gelingt, die erforderliche technologische Kompetenz nachhaltig aufzubauen und zu entwickeln, muß auf Geschäftsfelder mit hoher Abhängigkeit von technischer Infrastruktur verzichten.
1.3 DV/ORG-Bereich - ein Strukturproblem Während die Bedeutung der IV-Kompetenz in den Unternehmen ständig wächst, sind gleichzeitig die gewachsenen Organisationsstrukturen im DV/ORG-Bereich Spiegelbild eines Selbstverständnisses und einer Arbeitsweise, die den gestellten Aufgaben nicht mehr gerecht werden. Angesichts einer massiven Belastung im Bereich der 'Alt-Systeme' (Euro, Jahr 2000, aktuelle Geschäftsanpassungen) und der Herausforderung durch neue Technologien müssen die IV-Be-
Leitbild reiche einem erheblichen Druck standhalten. Wollen sie den vielseitigen Anforderungen gerecht werden und die bestehenden Problemfelder in den Griff bekommen, muß ihre innere Organisation radikal angepaßt und flexibilisiert werden Im krassen Gegensatz hierzu stellt sich die Situation der traditionellen DV/ORG-Bereiche in den deutschen Großunternehmen dar. Eine typische Aufbauorganisation ist in Abb. 23 dargestellt.
Der Durchgriff der Spartenverantwortlichen (i. S. einer Ressourcenhoheit) und das Selbstverständnis der Gruppen- bzw. Abteilungsleiter der Anwendungsentwicklung verhindern jede Form der Schwerpunktbildung. Sie sorgen für einen 'Anwendungsstau', da die klassische spartenorientierte Anwendungsentwicklung regelmäßig ausgelastet bzw überlastet ist. In einer solchen Lage wirkt der Anwender, der mit zusätzlichen Anforderung an den IV-Bereich herantritt, dann nur noch als Störfaktor. Akzeptanz oder gar Zufriedenheit bei den Kunden, die als solche gar nicht wahrgenommen werden, sind so nur schwer zu erzielen. Kommen dann noch Probleme bei der Einfuhrung und Beherrschung neuer IV-Technologien hinzu, sinkt das Ansehen insbesondere bei den selbsternannten Experten in den Fachbereichen schnell in den Keller. Der Komplexitätszuwachs in der IV fuhrt zu einem erheblichen Spezialistenbedarf. Tatsächlich können aber nur sehr große IV-Bereiche Fachleute, wie beispielsweise einen Windows NT-Experten, gleichmäßig auslasten. Die Folge ist eine Personalfragmentierung, d. h. ein IV-Mitar-
Hartmut Skubsch beiter muß mehrere, zum Teil sehr unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Dieser Mitarbeiter kann dann aber niemals so effizient arbeiten wie ein Spezialist. Die Lösung für IV-Bereiche, die die kritische Größe unterschreiten, d. h. nicht in allen Aufgabenbereichen eine im Marktvergleich optimale Effizienz gewährleisten können, heißt (Rück-) Besinnung auf Kernkompetenzen und dynamische Anpassung der Fertigungstiefe durch partiellen Fremdbezug von IV-Leistungen. An dieser Stelle soll folgende Hypothese aufgestellt werden: Die angerissenen Probleme sind zu großen Teilen struktur- und nicht leistungsbedingt. Kleinere interne Optimierungsansätze reichen nicht aus, den Anforderungen der nahen Zukunft auch nur annähernd gerecht zu werden. Es bedarf einer radikalen Veränderung in der Einstellung und ein konsequentes Umsetzen. Nur mit einer grundsätzlichen Neuorientierung können die Herausforderungen bewältigt werden.
2 Leitlinien einer Neuorientierung 2.1 Technologiegetriebene Organisationsentwicklung Da der Markt Unternehmen an vielen Stellen zur systematischen Erschließung von IV-lnnovationen zwingt, muß die Leistungsfähigkeit der IV-Organisation im Einklang mit der steigenden Komplexität der IV-Technologie entwickelt werden, vgl. Abb. 24
technologiegetriebene Organisationsentwicklung erzeugt Spannungsfeld
Komplexität der IV-Technologie integrierte Client/Server Systeme
•Verteilte Systeme •Workflowmanagement •Multimediale Arbeitsplätze •Objektorientierung
Problemfeld Gefahr des Leistungs : und KompetenzVerlustes
;
Prohlemfelil Gefahr der tJberorgani sation
spartenspezifische Host-Systeme ' Steuerung durch Marktmechanismen klassischer DV/BO-Bereich
Abb. 24:
112
' Kundenorientierung * ° P t i m a l e Fertigungstiefe • Kompetenz im Fachbereicl
Systemhaus und Information Management
Leistungsfähigkeit der rV-Organisation
Technologiegetriebene Organisationsentwicklung der IV-Organisation
Leitbild Anderenfalls kommt es zur Überlastung und zu Krisensituationen. Eine rein präventive Investition in die Leistungsfähigkeit der IV-Organisation ohne inhaltliche Erfordernisse wird man sich kaum leisten können. Sie ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern wirkt eher kontraproduktiv, wenn die inhaltlichen Herausforderungen fehlen. Andererseits kann der Einstieg in komplexe IV-Technologien, die man organisatorisch noch nicht beherrscht, zu unternehmensgefährdenden Streßsituationen fuhren, die oft nur unter kostspieliger Inanspruchnahme externer Ressourcen gemeistert werden. Entscheidend für eine systematische, an den Inhalten ausgerichtete, d.h. technologiegetriebene, Organisationsentwicklung ist die Aufstellung eines Technologieportfolios. Es gibt den Zeitrahmen, in dem die neue Leistungsfähigkeit der IV-Organisation hergestellt werden muß, vor, indem es aufzeigt, wann die neuen Systeme mit neuer Komplexität beherrscht werden müssen.
2.2 Geschäftskonforme Organisationsstruktur Die Wahl der Organisationsform für den IV-Dienstleister sollte sowohl seine eigene Marktfähigkeit als auch die Differenz zwischen dem IV-Geschäftsprofil und dem Profil des Kerngeschäftes des Unternehmens berücksichtigen. Je stärker das Geschäftsprofil im Kerngeschäft des Unternehmens vom IV-Geschäftsprofil abweicht, desto größer muß der (unternehmerische) Handlungsspielraum des IV-Bereiches sein, vgl. Abb. 25.
Geschäftsprofil
hochgradig verschieden
Outsourcing
Dimensionen: • Äußere Einflußfaktoren . Produkt. Dienstleistung • Kunde, Markt • Führung, Steuerung • Prozeß • Personal-Typ • Kritische Erfolgsfaktoren
Tochtergesellschaft •
CostCenter
hochgradig ähnlich
Abteilung (Umlage]
gering
sern gering
mittel
/ hoch
Ergänzende Kriterien - Know-how-Defizit - Rechtliche Freiheitsgrade - Standortunabhängigkeit
Abb. 38: Ausmaß einer Fremdfertigung in Abhängigkeit von der strategischen Relevanz
176
Konzerngebundenes
Systemhaus
4 Aufgabenumfang eines organisierten 'Information Management' Die organisatorische Gestaltung des Information Management hat für die Optimierung der IVLeistungstiefe eines Unternehmens eine zentrale Bedeutung. Hinsichtlich der Struktur des Information Management lassen sich grundsätzlich zwei Gestaltungsformen unterscheiden: • die Organisation des IM als zentrale Institution oder • die geschäftsbereichsspezifische Organisation des Information Management.
Die Festlegung der organisatorischen IM-Struktur richtet sich nach der Fachspezifität und der technischen Spezifität der informationsbezogenen Aufgaben. Eine hohe Fachspezifität liegt dann vor, wenn bei der Problemlösung auf die Situation der Fachabteilungen eingegangen werden muß. Daraus ergibt sich, daß diese Aufgaben vorrangig von den Fachabteilungen wahrgenommen werden, d.h., daß ein geschäftsbereichsspezifisches Information Management hier von Vorteil ist. Eine hohe technische Spezifität ist dann gegeben, wenn fur die Problemlösung informationstechnische Aspekte berücksichtigt werden müssen (z.B. Erstellung und Betreuung von Informations- und Kommunikationssystemen oder Besonderheiten der eingesetzten Technologien). Für diese Fälle ist ein zentrales Information Management vorzuziehen (vgl. Picot/Reichwald, 1991, S. 269). Die Graphik in Abbildung 39 verdeutlicht die organisatorische Eingliederung des IM. Die zentrale Frage nach der idealen organisatorischen Einbindung des Information Management zur Optimierung der Leistungstiefe, wurde in einer Studie der Airline-Industrie aus dem Jahre 1993 untersucht. Die Untersuchung ergab, daß als vorbereitende Maßnahme einer Flexibilisierung der IV-Leistungstiefe die Informatik aus den Geschäftsbereichen weitgehend ausgegliedert und das Information Management zentral organisiert werden sollte. Die Ausgliederung fällt grundsätzlich um so leichter, je stärker die Datenverarbeitung bereits als abgerundetes, in sich geschlossenes Gebilde in Erscheinung getreten ist. Betrachtet man die organisatorische Ausgangssituationen der Luftverkehrsgesellschaften British Airways und Swissair, so war diese bei der British Airways ursprünglich dadurch gekennzeichnet, daß die Informatik dezentralisiert und sehr stark heterogen strukturiert war. Funktionen des Information Management wurden sowohl dezentral von den Geschäftsbereichen als auch von einem zentralen Information Management wahrgenommen. Die Überlegung, daß sich die Fachbereiche in stärkerem Maße auf ihre Kernprozesse konzentrieren müssen, führte zu
177
Thomas Schildhauer einer Integration der Business-Area-orientierten IM-Einheiten und somit zu einer zentralen Positionierung des Information Management.
methodische uná 'íechniscHe Rahmen beding ungen
hohe Fachspezifität
IM
IM
IM
Geschäftsbereich A
Geschäftsbereich B
Geschäftsbereich C
/
/
f
-
.
/
hohe technische Spezifität Geschäftsbereich A
Geschäftsbereich B
Geschäftsbereich C
Abb. 39: Organisatorische Einbindungsformen des Information Management
Bei der Swissair ist die ursprüngliche Ausgangssituation der Informatik- und IM-Organisation (starke Dezentralisierung) sowie die derzeitige IV- und IM-Struktur (zentralisiert) vergleichbar mit der von British Airways. Die Bestrebungen bei Swissair gingen jedoch soweit, daß ein Systemhaus geplant war (und 1996 gegründet wurde (Anm. d. Verf.)), welches einen Großteil der IV- und EM-Funktionen übernimmt. Im Zuge einer Flexibilisierung der Leistungstiefe und insbesondere der Gründung eines Systemhauses, kommt dem Information Management verstärkt die Rolle der Vertretung der Interessen des Auftraggebers zu, was wiederum zu einer Vergrößerung des Aufgabenumfanges fuhrt. Zu den hieraus resultierenden neuen Aufgaben des Information Management gehören im wesentlichen (Picot/Maier, 1992, S. 24):
178
Konzerngebundenes
Systemhaus
• die aktive Vermittlung von externen IV-Dienstleistungen, • die Koordination von Projekten, deren Realisierung extern erfolgt, • die Definition und Kontrolle der Schnittstellen zwischen auszugliedernden und intern verbleibenden Aufgaben, • Verhandlung und Abschluß von Rahmenverträgen zwischen Konzern und Systemhaus • die Steuerung und Kontrolle der Leistungen des externen Dienstleisters • Leitung unternehmensübergreifender Projekte (z.B. Infrastruktursysteme) sowie • die Ermittlung von Bezugsgrößen fur die Entgeltbestimmung fremdbezogener Leistungen.
Eine Flexibilisierung der Leistungstiefe hat somit beträchtliche Auswirkungen auf die Anforderungen an das Information Management. Chancen und Risiken von Outsourcing-Entscheidungen zu bewerten und einem permanenten Controlling zu unterziehen, sind Funktionen des Information Management, die in die organisatorische Gesamtoptimierung der IV-Ressourcen einzubinden sind. Bei der Neugestaltung des Information Management ist es daher empfehlenswert, keine völlig isolierte Outsourcing-Analyse durchzufuhren, „(...) sondern eine umfassende Betrachtung und eine systematische Verknüpfung mit anderen Fragen zur Gestaltung der Informationsverarbeitung (...)" durchzufuhren (Picot/Maier, 1992, S. 27). Nach einer Auslagerung von IV-Teilprozessen empfiehlt es sich, ein zentrales Information Management mit dem Anspruch einer hohen Orientierung an die Verringerung der Kosten und Verbesserung der Leistung und Qualität in der Informationsverarbeitung zu implementieren. Ein Information Management' mit hoher Orientierung an diesen Vorgaben zeichnet sich dadurch aus, daß im Bereich der Anwendungsentwicklung und -betreuung über methodische und technische Rahmenbedingungen Einfluß genommen wird. Darüber hinaus erfolgt eine enge Betreuung der Anwendungsentwicklung. Diese Aufgaben übernehmen im Regelfall Teams innerhalb des Information Management', die üblicherweise eng mit den unternehmensinternen Fachabteilungen zusammenarbeiten. Dadurch bleiben die Geschäftsbereiche des Unternehmens im Rahmen des neugestalteten Information Management' vertreten. Hierbei ist es von hoher Bedeutung, daß 'lokale', bereichsorientierte Information Manager klar definierte Kompetenzen bzgl. der verbleibenden IV-Prozesse erhalten, z.B. das Management des Informationseinsatzes und der -Verwendung sowie das bereichsbezogene Controlling (Scheer, 1994, S. 15). In der nachfolgenden Abbildung ist exemplarisch die Struktur eines kundenorientierten Konzern-'Information Management' dargestellt: 179
Thomas Schildhauir
Abb. 40: Struktur eines kundenorientierten Konzern-'Information Management (in Anlehnung an Picot/Reichwald, 1991, S. 270) Eine besonders wichtige Funktion kommt dem IM-Board zu. Es hat die Aufgabe, Entscheidungen vorzubereiten und Konflikte zu lösen. Es hat weiterhin dafür zu sorgen, daß die geschäftsbereichsorientierten Informatikvorhaben auf die Informatik-Strategie des Unternehmens abgestimmt wird. Außerdem wird im IM-Board die Höhe des IV-Budget mitentschieden. Aus diesem Grunde sind im IM-Board lokale Information Manager und Vertreter des zentralen 'Information Management' sowie fachspezifische Experten vertreten. Nach einer Outsourcing-Entscheidung übernimmt das Information Management als zentrale Institution die Steuerungs- und Auftraggeberfunktion. Darum ist es entscheidend, daß Abstimmungsprobleme zwischen dem Information Management, dem Top-Management und den Fachbereichen möglichst minimiert werden. Die Verantwortung für die Entwicklung der In180
Konzerngebundenes
Systemhaus
formatik-Strategie, aus der auch die Entscheidungen über eine weitere Flexibilisierung der IVLeistungstiefe abgeleitet werden, ist daher dreizuteilen: auf der inhaltlichen Seite sollte die Verantwortung bei den Fachbereichen, auf der technologischen und cost-control-Seite beim zentralen Information Management und auf der übergreifenden, monetären Seite beim TopManagement liegen. Hinsichtlich der internen Struktur des Information Management sollte berücksichtigt werden, daß sowohl Vertreter der Fachbereiche als auch Vertreter des TopManagements insbesondere im IM-Board, vertreten sind.
5 Visionen und Erfahrungen Auch wenn sich alle Beteiligten an einem Information Management-Projekt der geschilderten Form darüber einig sind, daß insbesondere Zeiten des erhöhten Kosten- und Wettbewerbsdrucks genau der richtige Zeitpunkt für organisatorische, effizienzsteuernde Veränderungen darstellen, so ist dennoch zu bedenken, daß Projekte, bei denen geliebte und behütete 'Erbhöfe' aufgelöst und verändert werden sollen, nicht gerade beliebt sind. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dieser Projekte liegt darin, alle von Veränderungen, insbesondere in Bezug auf Personalund Budget-Verantwortung Betroffenen, möglichst in den Gesamtprojektprozeß miteinzubeziehen. Ferner ist es von absoluter Notwendigkeit, auch in der höchsten Führungsebene des Unternehmens für die Dringlichkeit und Notwendigkeit der Einführung eines Information Managements' Unterstützung zu erhalten. Daneben ist eine leidvolle Erfahrung des Autors, daß man ausgehend von theoretischen Modellen ein gutes Gespür für das realistisch Machbare und Umsetzbare bekommen muß. Denn jedes Unternehmen hat ihre eigenen Strömungen und Veränderungstoleranzwerte, auch in Zeiten, wo anerkannt ist, daß Veränderungen stattfinden müssen. Der wesentliche Erfolgsfaktor bei der Einrichtung eines Information Management' ist, daß die unterschiedlichen Beteiligten erkennen, daß der bewußte konzernweite Einsatz von Informationssystemen eine Notwendigkeit für die erfolgreiche Durchsetzung des eigenen Unternehmens am Markt ist. Haben die verschiedenen Teile eines Konzerns ein starkes Information Management' als Mittel des eigenen Erfolgs akzeptiert, so gibt es die Chance, mittels der Informatik ein gutes Stück in der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zur Konkurrenz voranzukommen. Interne Differenzen für dieses Ziel zurückzustellen, ist als Teil einer modifizierten Unternehmens- und Führungskultur der kritische Erfolgsfaktor, nicht nur bei der Einrichtung eines 'Information Managements'. 181
Thomas Schildhauer Literatur Picot, A.; Reichwald, R. (1991): Informationswirtschaft. In: Heinen, E.: Industriebetriebslehre Picot, A.; Maier, M. (1992): Analyse- und Gestaltungskonzepte für das Outsourcing. In: Information Management, 4/92 Scheer, A.-W.: Informationsmanaeement wird Bestandteil jeder Organisation. In:CW 3/1994
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3.2.4 Umsetzung einer prozeßorientierten Organisationsphilosophie in einer Bank Verteilung der Prozeßverantwortung zwischen Prozeßeigentümer, Organisation und DV von
Dr. Rudolf Hoyer
1
Einführung
2
Das Process Owner-Konzept 2.1
Die Konzeption
2.2 Die Umsetzung in der Vereinsbank-Gruppe 3
Zuammenfassung 183
Rudolf Hoyer 1 Einführung Seit Beginn der zivilisatorischen Bemühungen der Menschheit finden Diskussionen über die Optimierung von politischen, wirtschaftlichen und gemeinschaftlichen Strukturen statt. Für den abendländischen Kulturkreis bildete sich vor 2500 Jahren in Griechenland ein Grundraster an politischen Grundstrukturen heraus, die Einzelherrschaft in den Ausprägungen Diktatur, Aristrokatie und Monarchie und die Gruppenherrschaft mit den Basisalternativen Demagogie, Oligarchie und Demokratie. Bis in unser Jahrhundert hinein werden immer wieder alle Konzept durchprobiert, mit unterschiedlichem Erfolg. Daß der Weg zunehmend in Richtung von demokratischen Gesellschaftsformen geht, ist unsere Hoffnung und Überzeugung, sichere Wahrheit erkennt jedoch kein Mensch - um noch einmal auf die alten Griechen zurückzukommen. Und auch Erich Kästner lehrt: „Es geht immer auch anders!" An diesem Lehrsatz orientieren sich zunehmend auch die Organisationstheoretiker. Kein Konzept ist so überholt wie das gestern veröffentlichte. Zu jeder These gibt es eine Antithese und die Organisationspraktiker warten noch geduldig auf die überzeugende Synthese (als ein Beispiel vgl. die Kritik von Kieser an dem Business-Reengineering-Konzept in Kieser 1995). In der Entwicklung von Unternehmensstrukturen können wir also noch nicht von einer einheitlichen Lehre ausgehen, was nicht verwundert, wenn man bedenkt, daß hierfür deutlich weniger als 2500 Jahre zur Verfugung standen. Und es ist mehr als fraglich, ob es hier überhaupt „das" richtige Konzept gibt. Was für ein Unternehmen in seinem Markt und mit seiner internen Kultur gut und erfolgreich ist, kann für das nächste fatale Konsequenzen haben (zur Organisationsstruktur in Banken vgl. z.B. Bühler 1991 oder Jacob 1991). Gleichwohl gibt es Konstanten, die in welcher Ausprägung auch immer, doch für jedes Unternehmen gelten. Und die treffendste Analyse der Vergangenheit nützt wenig, wenn sie nicht darauf abzielt, für zukunftsgestaltende Veränderungsprozesse zu lernen. Und die Zukunft, häufig auch schon die Gegenwart, zeigt uns, daß • wir uns zunehmend mit variablen Strukturen auseinandersetzen müssen. Für fest administrativ-bürokratisch organisierte Unternehmen wird es immer schwieriger, sich auf einem Markt zu behaupten, der durch einen offenen, globalen Informations- und Ressourcenaustausch gekennzeichnet ist. Allein das rasante Wachstum, welches das Internet in den letzten zwei Jahren genommen hat - trotz aller Unzulänglichkeiten was z. B. die Antwortzeiten angeht -, zeigt, daß sich die Verbraucher zunehmend mehr informieren, daß die Transparenz wächst und daß das Prinzip des „survival of the fittest" auch in scheinbar
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Prozeßverantwortung sicheren Branchen, wie es beispielsweise Banken bis in die neunziger Jahre hinein waren, um sich greift (zur generellen Entwicklung vgl. z.B. Fuchs 1996). • die Ablauforganisation zunehmend die Aufbauorganisation dominiert. Waren bis vor kurzem noch Stellenbeschreibungen das grundlegende Dokument zur Beschreibung einer Organisationsstruktur, so werden es zunehmend Ablauf- und Prozeßbeschreibungen werden. Leider lassen sich durch einen Wechsel der Dokumentationsform nicht sofort auch die entsprechenden unternehmenskulturellen Werte austauschen. Das Denken in Zuständigkeiten, Machtgebieten, Positionen, das berühmte an Organigrammen ausgerichtete „Kästchendenken" lebt. Diese Ausrichtung fördert jedoch das beharrende, auf sich selbst fixierte Element im Denken in den Unternehmen. Sicherheitsdenken dominiert. Auf der Strecke bleibt die Ausrichtung auf den Markt, auf die Bedürfnisse der Kunden. Und diese sind nicht statisch. Eben durch den zunehmend ungehinderten Informationsfluß zwischen den Märkten auf der Welt, durch das hierdurch entstehende Zusammenwachsen zu einem globalen Markt, verändern sich die Forderungen der Kunden an die Unternehmen. Wir erleben in allen Branchen einen strukturellen Wechsel zu einem Käufermarkt. Häufig verschärft sich lediglich ein bereits existierender Trend, in anderen Fällen, z. B. auch bei Banken, ist jedoch eine grundlegende Umorientierung notwendig (vgl. hierzu auch Hoyer und Boggenstall 1994). • wir auf eine projektorientierte Organisationsform zusteuern. Die Grundthese von der abnehmenden, ja eigentlich kontraproduktiven Bedeutung von aufbauorganisatorischen Strukturen und der zunehmenden Wichtigkeit von optimal organisierten Prozessen, ist jedoch erst dann „wirklich rund", wenn sich daraus auch ein Organisationskonzept ableiten läßt, das sich an den Wertschöpfüngsketten im Unternehmen orientiert und nicht die häufig durch interne Machtpolitik beeinflußten aufbauorganisatorischen Strukturen in den Mittelpunkt stellt. Allen Beteiligten fordert dieses Umdenken ein gehöriges Maß an Flexibilität ab, bedeutet es doch, sich von dem „Nest" der eigenen Position zu verabschieden. Nicht mehr nach innen gerichtete Positionssicherung steht dann im Mittelpunkt, sondern eine nach außen, auf den Markt und den Kunden gerichtete Optimierung der Wertschöpfiing des Unternehmens. Dies bedeutet jedoch auch, daß der Fehler einer zu starren Orientierung auf die Aufbauorganisation nicht wiederholt werden darf, in dem die Arbeitsabläufe unveränderlich fixiert werden. Sicherlich lebt die Qualität insbesondere von Produktionsprozessen von einer eindeutigen Fixierung. Es muß aber immer möglich sein, auf ungewollte (oder durch Kundenwünsche mittelbar sogar gewollte) Störungen schnell 185
Rudolf Hoyer und adäquat reagieren zu können. Wenn ein Prozeß nur dann gut funktioniert, wenn alle Rahmenbedingungen stimmen und sich alle Beteiligten an die dokumentierten Regeln halten, dann funktioniert er im betrieblichen Alltag häufig genug eben nicht. Dieses notwendige Maß an Reagibilität zu finden und umzusetzen ist die hohe Schule der Prozeßorganisation. Diese Forderung ist auch bei der derzeit sehr intensiv geführten Diskussion über die ISO 9000-Normierung nicht zu vernachlässigen!
Ziel dieses Beitrags ist es jedoch nicht, diese Organisationsphilosophie in der Theorie zu durchleuchten und als 536. Konzept auf den Markt zu werfen. Es soll vielmehr ein Baustein eines solchen „Gebäudes" vorgestellt und auf seine Praxistauglichkeit hin untersucht werden: Das „Process Owner"-Konzept (zu generellen Überlegungen einer Prozeßsteuerung durch eine Systematisierung der Ablauforganisation vgl. z. B. Schüller 1992 oder von Trotha 1991).
2 Das Process Owner-Konzept 2.1 Die Konzeption Forderungen des Marktes Ein Versuch, den Auftrag eines Unternehmens über seine Aufbauorganisation zu begreifen, ist bei Vernachlässigung zusätzlicher Kriterien häufig nicht erfolgreich. Ein Unternehmen definiert sich nicht über seine Struktur, sondern über seine Produkte. Eine Bank ist am Markt nur dann dauerhaft erfolgreich, wenn sie mit ihrer Produktpolitik die Bedürfhisse der Kunden trifft und mit ihrem Serviceangebot und ihrer Preispolitik in der Lage ist, diese Produkte am Markt, d. h. insbesondere im Vergleich zur Konkurrenz, auch abzusetzen. Gerade für Standardprodukte, wie etwa Kontoführung oder Zahlungsverkehr unterscheiden sich die einzelnen Banken nur marginal im Leistungsspektrum, entscheidendes Kriterium sind hier Convenience, d. h. z. B. Erreichbarkeit, Serviceorientierung, und der Preis. Bei der Definition ihrer Produktpalette muß eine Bank also vor dem Hintergrund von zwei zentralen Anforderungen arbeiten: Profil am Markt zu zeigen und profitabel, d.h. kostengünstig zu arbeiten. Im Grunde ist dies der klassische Konflikt in jedem Unternehmen: Zwischen den Marketing- und Verkaufsbereichen auf der einen Seite, die die Forderungen des Marktes in das Unternehmen hineintragen und der Entwicklung und der Produktion auf der anderen, die aufgefordert sind, aus den Wünschen das Machbare zu destillieren.
186
Prozeßverantwortung Wie geschickt ein Unternehmen sich auf diesen Konflikt einstellt, trägt wesentlich zu seinem Erfolg bei. „Time to market" ist kein Schlagwort. In der präzisen Erkennung von Bedürfnissen und Marktlücken und ihrer schnellen Besetzung durch Produkte und Verkaufsaktionen liegt der Erfolg. Hier entsteht der Eindruck beim Kunden: Das ist die Bank, das Unternehmen, das weiß, was ich will, das mich versteht. Sofern Kundenbindung in einem Käufermarkt mit einer zunehmend informierten und kritischen Kundschaft noch gehalten werden kann, dann nicht allein über „weiche" Faktoren wie Freundlichkeit. Diese sind zwar unabdingbar, ohne ein sicheres Fundament, die richtige Leistung zur richtigen Zeit, bewirken sie jedoch wenig. Was heißt das nun für das Unternehmen? Um die Forderung nach einer hohen Reagibilität zu erfüllen, darf die klassische spartenorientierte Organisationsform nicht mehr dominieren. Die oben beschriebene Kluft zwischen kundennahen und kundenfernen Bereichen wird nicht überleben. Es sind Verantwortlichkeiten zu schaffen, die im Zusammenhang denken, die nicht auf der einen Seite Luftschlösser bauen, die dann in mühevollen Diskussionen auf das Machbare reduziert werden, während auf der anderen Seite die Fertigung sich selbst optimiert, ohne direkten Kontakt zum Kunden, der letztlich mit ihrer Leistung leben muß.
Eine Alternative: Projektorientierte Organisation Prozeßorientiertes Denken hat nicht nur in der Literatur schon länger Einzug gehalten, sondern wird in unterschiedlichen Ausprägungsformen und unterschiedlicher Konsequenz in der Umsetzung schon von nahezu allen Unternehmen gelebt. In Teilen verabschiedet man sich bereits wieder davon und fängt an, über teamorientierte, auf die Abarbeitung einzelner Projekte angelegte und damit temporär ausgerichtete Organisationsformen nachzudenken. Sofern es entsprechende Aufgaben gibt, ist dies sicherlich der richtige und erfolgsversprechende Ansatz. Zwei Beispiele mögen dies belegen: 1. In den letzten fünf Jahren wurde mit einem Aufwand von knapp 700 Mannjahren (reiner Organisation- und Systementwicklungsaufwand) die EDV-Welt der Vereins- und Westbank AG in Hamburg mit der der Bayerischen Vereinsbank AG in München vereinheitlicht. Diese Systemintegration umfaßte sowohl die Zusammenfassung der Rechenzentren wie auch die hard- und softwaretechnische Angleichung der Anwendungswelt. Ca. 30% des genannten Aufwands gingen dabei in die Realisierung neuer Funktionen - frei nach dem Motto: Wenn wir gerade mal dabei sind ... Inwieweit dies ein Richtwert für die in allen Unternehmen anstehenden Infrastrukturprojekte „EURO" und „Jahrtausendwechsel" sein kann, bleibt dahingestellt. 187
Rudolf Hoyer Zur Steuerung dieses Großprojektes, das sich in eine Vielzahl von einzelnen Projekten zergliederte, wurde frühzeitig ein Projekt-Office gebildet, in dem sechs freigestellte Mitarbeiter die gesamten Koordinationsaufgaben übernahmen. Ohne diese projektorientierte Freistellung wäre das Management der Systemintegration beider Banken mit Sicherheit gescheitert. 2. Ende 1995 übernahm die Vereins- und Westbank AG die Abwicklung des mittlerweile in Konkurs gegangenen Bankhauses Fischer im Auftrag des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken. Von heute auf morgen mußten die verunsicherten Kunden des Bankhauses Fischer nicht allein mit Bargeld versorgt und beraten werden. Die gesamten Prozesse einer solchen Abwicklung waren zu definieren und in geeigneter Form zu unterstützen. Im Prinzip entstand „über Nacht" ein kleines, „autarkes" Buchhaltungs- und Abwicklungssystem. Viele Fischer-Kunden wollten ja nicht Kunden der Vereins- und Westbank werden, sondern waren bereits von der auch nicht schlafenden Konkurrenz am Hamburger Platz akquiriert. Die in diesem Projekt eingebundenen Mitarbeiter/innen waren hier über Wochen bis an den Rand der Erschöpfung gefordert. Überraschenderweise ging plötzlich vieles, was im „normalen Alltag" undenkbar war. Das Codewort „w/Fischer" öffnete viele Türen. Insgesamt war dies eine Erfahrung, die die Schlagkraft konzentrierter Projektarbeit eindrucksvoll unter Beweis stellte.
Das letzte Beispiel zeigt jedoch auch, daß diese Organisationsform nicht geeignet ist, das strukturbildende Element zumindest einer Bank zu sein. Eine Bank lebt vom Vertrauen ihrer Kunden, anders als ein Industrieunternehmen kann sich eine Bank einen Jahresabschluß mit roten Zahlen nicht leisten. Sicherheit und Beständigkeit sind damit auch durchaus zurecht prägende Elemente der Organisationsstruktur einer Bank, auch wenn natürlich die Chancen neuer Techniken innovativ zu nutzen sind. Eine Bank wird als Ganzes nie ein „virtuelles Unternehmen" werden, temporäre Projektstrukturen dezentral zu organisieren und über moderne Kommunikationstechnik kooperationsfähig zu machen, ist gleichwohl ein sinnvoller Weg (zu Realisierungsmöglichkeiten vgl. z. B. Goecke und Hesch 1997 bzw. Picot und Kreis 1997). Die Aufgabe heißt nun, diesen konservativbeharrenden Anspruch mit der oben beschriebenen Notwendigkeit, sich marktreagibel bzw. sogar proaktiv zu zeigen, zu verbinden.
188
Prozeßverantwortung Process Owner-Konzept: Die Grundidee Die Grundidee, die hier vorgestellt wird ist sehr simpel: Benenne eine Person im Unternehmen, die - möglichst in einer marktnahen Position - verantwortlich im laufenden Geschäft steht, und mache sie verantwortlich für alle Wertschöpfüngsketten (=Prozesse) in dem Produktsegment, für das sie auch operative Verantwortung trägt. Diese Person ist damit der „Process Owner" der zugehörigen Produkte und trägt die alleinige und volle Verantwortung für den gesamten Prozeß und nicht nur für den von ihm direkt in der Linie verantworteten Teilprozeß.
Ein P r o c e s s O w n e r ü b e r n i m m t die funktionsfibergreifende V e r a n t w o r t u n g für die Q u a l i t ä t , die Effizienz u n d die Sicherheit der ihm z u g e o r d n e t e n P r o z e s s e .
Abb. 41: Wirkungsrichtungen Process Owner
Was heißt dies im einzelnen? Grob gesagt: Der in der Aufbauorganisation verankerte Linienmanager verliert an Macht, er gibt sie ab an den Process Owner. Dieser ist zwar auch Linienmanager, trägt aber zusätzliche Verantwortung für Teilprozesse, auf die er mit seiner Weisungskompetenz als Linienvorgesetzter nicht direkt einwirken kann. 1st beispielsweise der Chefhändler für Aktien als Process Owner fur das Produktbündel „Aktien" (z.B. inländische Aktien, ausländische Aktien und Aktienderivate) definiert, trägt er Verantwortung nicht allein für die Handelsseite sondern auch für die Abwicklung, d.h. die Erstellung der Kundenabrechnungen (Kauf, Verkauf, Dividenden etc.), die Verwahrung effektiver Stücke, die Organisation im Zusammenhang mit den Haupt189
Rudolf Hoyer Versammlungen (z. B. Stimmrechtsverwaltung) u.a.m. Der Leiter der Handelsabwicklung kann hier nicht mehr autark über organisatorische Änderungen oder den Einsatz von DV-Systemen entscheiden, sondern er muß sich in all seinen Aktivitäten mit dem Process Owner abstimmen. Vor dem Hintergrund knapper Ressourcen ist jede Entscheidung „pro" auch immer eine Entscheidung „contra" einer Reihe anderer Alternativen. Diese Priorisierung in Planung und Management muß immer gemeinsam mit dem Process Owner erfolgen. Klar ist, daß dieser dann auch letztlich verantwortlich für den Auftritt des Unternehmens am Markt in seinem Produktsegment ist. Leistungsspektrum, Kostenstrukturen und daraus resultierendes Pricing werden maßgeblich durch seine Entscheidungen bestimmt. Nimmt er seine Aufgabe ernst, richtet er sein Handeln an den Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Marktes aus. Der vielbeschworene „Kundenmanagementprozeß" wird hier Realität.
Planung
Umsetzung
1. Erkennen von Veränderungsbedarf
1. Gestaltung der Arbeitsabläufe
2. Ableitung von Maßnahmen
2. Sicherstellung der Umsetzung der geplanten Maßnahmen
3. Koordination Produktentwicklung 4. Koordination Ressozrcenbedarf mit allen Prozeßbeteiligten
3. Sicherstellung der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter (Standards)
5. Jahresplanung (Aktivitäten, Budgets)
Kontrolle
Dokumentation
1. Kontrolle der vorgenommenen Änderungen auf Realisierung und Wirkung
1. Pflege und Aktualisierung des Organisationshandbuches
2. Kontrolle Performance, ggf. Ableitung von Maßnahmen
2. Pflege und Aktualisierung der Prozeßdokumentation
3. Definition und Anwendung Controlling-Instrumente 4. Definition und Umsetzung der notwendigen Kontrollen
Abb. 42: Aufgabenprofil Process Qwner
Entscheidet sich ein Unternehmen, diesen Weg zu gehen, sollten folgende Grundregeln beachtet werden: 1. Der Process Owner sollte aus einer marktnahen Position kommen. Jeder Prozeß sollte unmittelbar oder zumindest mittelbar seine Daseinsberechtigung darin finden, den Kunden des Unternehmens zu dienen. Selbst administrativ orientierte Prozesse wie etwa die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen z.B. im Meldewesen lassen sich dahin-
Prozeßverantwortung gehend interpretieren. Ein Verstoß tangiert - je nach Schweregrad - das Vertrauen der Kunden oder gar die Existenz des Unternehmens. Im oben beschriebenen Konflikt zwischen Vertrieb und Produktion gebührt daher immer der vertriebsorientierten Seite der Vorzug. 2. Der Process Owner muß über ein breites Know-how-Profil verfügen. Er muß mit mit den Produkten und Prozessen in dem von ihm betreuten Bereich vertraut sein - bis in die Buchungssystematik hinein. Er muß Marktmechanismen und -Usancen kennen und sich innerhalb der internen Regelungen des Hauses (z.B. Budgetierung, Projektinitiierung und -durchfuhrung, Organisation und Verwaltung) sicher bewegen. 3. Der Process Owner ist in ein übergreifendes Kommunikationskonzept einzubinden. Auch wenn der Process Owner übergreifend Verantwortung für den Gesamtprozeß trägt, kann er doch nicht jede Maßnahme operativ entscheiden und ihre Umsetzung entsprechend sicherstellen. Er ist angewiesen auf die Linienverantwortlichen der nicht ihm direkt unterstellten Teilprozesse und auf die Querschnittsfiinktionen wie ORG/DV oder Controlling. Um seine Aufgabe effektiv erledigen zu können, muß er zu diesen Funktionen eine laufende, funktionierende Kommunikationslinie aufbauen, die sich beispielsweise in einem regelmäßig tagendem Management-Gremium manifestieren kann. Auch wenn dies ein wenig nach der Devise „Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man 'nen Arbeitskreis" klingt, ist die regelmäßige Kommunikation der unterschiedlichen Prozeßbeteiligten in jedem Fall von unschätzbarem Wert. Nicht umsonst legen Handelspartner viel Wert auf regelmäßig stattfindende Qualitätsgespräche zum Austausch von existierenden Problemen und Lösungen. 4. Der Process Owner benötigt einen operativen Unterbau. Den Erich Kästner-Satz „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" kennt jeder. Dies gilt natürlich auch für den Process Owner. Es wäre vermessen zu glauben, man könnte hier durch schlichte Ernennung die Organisationsphilosophie eines Unternehmens ändern. Ein Process Owner muß nicht nur in der Lage sein, Dinge anzuweisen oder vorzuschlagen. Will er kein zahnloser Tiger sein, muß er auch Dinge tun können und Maßnahmen anderer kontrollieren können. Hierfür benötigt er Mitarbeiter, die ihm dies abnehmen. Es darf nicht vergessen werden, daß der Process Owner selbst ja nicht nur diese Funktion innehat, sondern daß er gleichermaßen wie alle anderen auch Linienverantwortung trägt. Dies ist wie bereits erläutert auch zwingend erforderlich, um den Kontakt zum Geschäft nicht zu verlieren. Einen der Reize des Konzeptes macht es ja aus, den Gesatntprozeß aus einer marktnahen Position heraus steuern zu können.
191
Rudolf Hoyer Diese Forderung nach Mitarbeitern sollte nicht so verstanden werden, daß hier Personal aufgebaut werden muß. In allen Fachbereichen sind bestimmte Mitarbeiter mit sogenannten Innenbetriebs-Funktionen betraut. Sofern dies nicht bereits geschehen ist, sind diese Funktionen zu bündeln und disziplinarisch direkt dem Process Owner zu unterstellten. Werden mehrere Process Owner aus einem Bereich definiert (z. B. für Aktienhandel und für Geldund Devisenhandel), bietet sich diese Bündelung um so mehr an. Hauptaufgabe dieser Mitarbeiter ist es zum einen, kleinere organisatorische Maßnahmen selbst durchzuführen und zum anderen im Rahmen von größeren Projekten idealerweise als Projektleiter mitzuarbeiten, um den fachspezifischen Hintergrund einzubringen. Da der Begriff „Innenbetrieb" nicht das ausdrückt, was hier gemeint ist, wird von dieser Funktion im folgenden als PRQ (Prozeßorientierte Ressourcen- und Qualitätssteuerung) gesprochen.
Die Bildung einer PRQ-Einheit sichert den operativen Unterbau der Process Owner.
Bereich
Abb. 43: Bildung einer Support-Einheit PRQ (Prozeß-Ressourcen- und Qualitätsmanagement)
Es ist davon auszugehen, daß etwa 20-30% der Kapazität des Process Owners in die Funktion der Process Ownership fließen - unter der eben genannten Bedingung einer funktionierenden PRQ-Einheit. Gleichwohl ist dies natürlich ein erheblicher (und dauerhafter!) Einschnitt in die gewohnte Linienfunktion. Der Mehrwert entsteht auf der anderen Seite durch eine verbesserte, kundenorientiertere Steuerung des Gesamtgeschäftes
Prozeßverantwortung Die Verteilung von Organisationskompetenz Dieser Gedanke fuhrt zu einer zentralen Frage des gesamten Process Owner-Konzepts: Wie verteilt sich in einem Unternehmen die Organisationskompetenz? Zum einen hat der Process Owner die Aufgabe, seine Interessen gegenüber dem eigenen und den anderen betroffenen Fachbereichen zu vertreten, zum anderen muß er für die notwendige Priorisierung bei der DV-Systementwicklung sorgen. Auch wenn er in gewissem Umfang über eigene Organisationsressource verfugen kann, hat er nicht die Möglichkeit ohne den DV- bzw Informatik-Bereich durchgreifende Prozeßveränderungen zu initiieren und umzusetzen. Eine direkte Zuordnung von DV-Realisierungskompetenz zum Process Owner verbietet sich. Spezifisches DV-System- und -Technik-Wissen dominiert eindeutig das Wissen um die fachlichen Hintergründe. Um Anwendungen zu schaffen, die technisch state-of-the-art sind und von der technologischen Basis her eine sichere Grundlage für die Zukunft sind, ist ein Skill notwendig, der aus einer rein fachbereichsspezifischen Betrachtungsweise nicht geleistet werden kann. Offen ist jedoch die Frage, wo die Schnittstelle zwischen Process Owner und InformatikBereich sein sollte. Dabei sind drei unterschiedliche Funktionen zu betrachten: 1. Die fachliche Kompetenz, d. h, z. B. das Wissen, welche Produkte in welcher Ausprägung erzeugt werden sollten 2. Die organisatorische Kompetenz, d. h. z. B. das Wissen um effiziente ablauforganisatorische Lösungen 3. Die Informatik-Kompetenz, d. h. z. B. das Wissen um effiziente und sichere dv-technische Lösungen
Unstrittig ist, daß die fachliche Kompetenz beim Process Owner liegen muß und die Informatik-Kompetenz in einem eigenen DV-Bereich. Offen ist jedoch die Ansiedlung der Organisationskompetenz. Ausgehend von einem Zentralbereich Informatik, der in seinem internen Zuschnitt im Prinzip analog der Produkt- und Prozeßstruktur des Unternehmens geschnitten ist, sind drei grundlegende Modelle denkbar. Die organisatorische Kompetenz kann angesiedelt werden 1 in den einzelnen Abteilungen eines in seiner internen Organisationsstruktur auf die einzelnen Sparten ausgerichteten Informatik-und DV-Bereiches 2. in einer eigenen Fachorganisation innerhalb des Zentralbereichs Informatik 3. in den den Process Ownern zugeordneten oben definierten PRQ-Funktionen
193
Rudolf Hoyer Alle Alternativen sind möglich und haben ihre Vorteile. Mit einer entsprechend ausgestatteten PRQ-Funktion ist der Process Owner mächtiger und durchsetzungsstärker als ohne. Im Sinne einer konsequenten Umsetzung ist also Alternative 3 empfehlenswert. Eine Reduktion auf die reine Systementwicklungsfiinktion birgt die Gefahr der „Entfremdung" des Informatik-Bereiches von seinen Kunden und den eigentlichen Inhalten seiner Arbeit. Alternative 1 ist ein möglicher Ansatz dies zu verhindern. Der entscheidende Vorteil von Alternative 2 liegt in der Bündelung dieses Know-Hows in einer Einheit. Insbesondere bei Systemeinfuhrungen, die übergreifend wirken, z. B. auf dezentrale Vertriebs- und zentrale Abwicklungseinheiten, ist ein zentrales Einfuhrungsmanagement von Vorteil. Eine Zuordnung zu einem anderen Bereich birgt die latente Gefahr, daß die eigentliche Organisationskompetenz verloren geht. Auf eine detaillierte Bewertung dieser Alternativen wird an dieser Stelle verzichtet. Was für ein bestimmtes Unternehmen richtig ist, hängt sehr stark von unternehmensinternen Bedingungen ab, Unternehmenskultur und die Qualifikation des vorhandenen Personals spielen hier wesentliche Rollen. Die endgültige Entscheidung hängt hier stark von dem jeweiligen Selbstverständnis der einzelnen Bereiche ab. Für den Fachbereich des Process Owners ist es prima vista natürlich erstrebenswert, möglichst viel Umsetzungskompetenz in den eigenen Reihen zu haben. Abstimmungsaufwand fällt weg und es ist leichter, die eigene Sicht der Dinge auch durchzusetzen. Der Informatik-Bereich kann sich eigentlich neutral aufstellen. Er hat primär eine Dienstleistungsfunktion und diese Dienstleistung konzentriert sich auf das Bereitstellen von Systemen
Die Organisation des
Umfeldes ist für ihn kein „must-have". Die Position der anderen Fachbereiche, die zwar Prozeßbeteiligte sind, nicht aber den Process Owner stellen, ist dagegen kritischer. Hier mag die Ansicht überwiegen, daß es besser ist, eine neutrale Stelle, sprich der Zentralbereich Informatik, ist Träger der Organisationskompetenz, denn eine unmittelbar Beteiligte. In Konfliktsituationen, die auftreten werden, ist ein Vermittler gefragt. In der Praxis ist dies oft der ORG/DVBereich. Nimmt man diesem die ORG-Kompetenz und reduziert ihn auf das „DV", ist seine Rolle als qualifizierter Vermittler deutlich eingeschränkt. Ihm fehlt dann Know-How und auch Ressource, diese Aufgabe wahrzunehmen.
2.2 Die Umsetzung in der Vereinsbank-Gruppe Die Vereinsbank-Gruppe wird gefuhrt durch die Muttergesellschaft Bayerische Vereinsbank AG. Weitere wesentliche Konzerngesellschaften sind drei Hypothekenbanken, diverse Auslandstöchter, z.B. die Bank von Ernst in der Schweiz, die Advance-Bank als Direkt-Bank, die 194
Prozeßverantwortung Bethmann-Bank und eine Reihe von Gesellschaften mehr. In enger Kooperation mit der Konzernmutter arbeitet die Vereins- und Westbank mit Sitz in Hamburg. Ihre Bilanzsumme beträgt etwa 31 Mrd. DM. Bayerische Vereinsbank und Vereins- und Westbank teilen sich den Kernmarkt Deutschland regional. Die Vereins- und Westbank betreut Norddeutschland (Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und den nördlichen Teil von Sachsen-Anhalt sowie über eigene Tochtergesellschaften auch Bremen), den übrigen Teil Deutschlands deckt die Bayerische Vereinsbank ab. Durch die bereits oben erwähnte Nutzung einer einheitlichen Systemwelt arbeiten beide Häuser naturgemäß auf dem Gebiet der Organisation und Informatik sehr eng zusammen, der entsprechende Zentralbereich der Bayerischen Vereinsbank hat einen umfassenden Konzernauftrag. Für die Umsetzung eines Process Owner-Konzeptes wirft diese Organisationsform zusätzliche Probleme auf. Als eigenständiges Institut betreibt die Vereins- und Westbank z. B. auch einen eigenen Wertpapier- und Geld- und Devisenhandel. Alle System- und Organisationsentscheidungen in der Bayerischen Vereinsbank haben jedoch direkten Einfluß auf die Arbeit des Vereins- und Westbank-Handels. Der Process Owner, der für Segmente aus dem Treasurygeschäft zuständig ist, hat also sowohl die Konsequenzen für die Konzernmutter als auch für alle über die einheitliche Systemwelt direkt betroffenen Konzerntöchter zu betrachten. Im folgenden wird dargestellt, wie die Vereinsbank-Gruppe Process Owner definiert und in dem geschilderten Umfeld auch implementiert hat. Begonnen wurde hiermit im Treasury-Bereich, der auch weiterhin als Beispiel dienen soll.
Process Owner in der Bayerischen Vereinsbank Das Produktspektrum wurde nach einer detaillierten Analyse der existierenden Prozeß- und Produktbündel und ihrer Varianten in acht grundlegende Bereiche aufgegliedert. Im einzelnen sind dies: • Geld • Devisen • Aktien / Optionsscheine • Rente / WP-Leihe • Börsengehandelte Derivate •
OTC-Derivate
• Kommissionshandel - Aktien, Renten, Derivate 195
Rudolf Hoyer • Kommissionshandel - Sorten / Edelmetalle
Die Basis-Prozesskette läuft hier -wie auch in Abbildung 39 schematisch dargestellt - über die Vertriebsfunktion, die den Kundenkontakt darstellt, Handelsfiinktionen, die die Wünsche der Kunden (wobei im Bereich des Eigenhandels auch die Bank selbst in Kundeniünktion auftritt, hier fällt dann die Vertriebsfiinktion de facto weg) in tatsächliche Transaktionen umsetzen und die Abwicklung, die die ordnungsgemäße Umsetzung der vom Handel getätigten Geschäfte bis hin zur Buchung sicherstellt. Da die Vertriebsfunktion in diesem Bereich in weiten Teilen zentral organisiert ist - neben dem Eigenhandel auch für die Geschäfte mit institutionellen Anlegern, Banken und Großkunden
war es sinnvoll, die Process Owner aus den Handelsberei-
chen zu rekrutieren. Gewählt wurden durchweg Führungskräfte der dritten Ebene, d. h. in der Regel Abteilungsleiter. Diese sind zum einen von ihrer Managementkompetenz her ausreichend durchsetzungsstark und zum anderen noch hinreichend stark in das operative Tagesgeschäft involviert, um die Qualität von Prozessen beurteilen zu können. Die erste Aufgabe der Process Owner bestand darin, eine einheitliche und verbindliche Dokumentation der Geschäftsprozesse zu erstellen. Mit Hilfe externer Unterstützung gelang dies in ca. 6 Monaten. Greifbares Ergebnis waren drei DINA4-Ordner Prozeßbeschreibung, die mit allen Beteiligten abgestimmt war und somit verbindliche Grundlage des weiteren Handelns sein konnte. Dokumentiert wurde zum einen in Tabellenform (s. Abbildung 44), parallel hierzu wurde mit der Übertragung in ein Tool zur Dokumentation und Modellierung von Geschäftsprozessen begonnen. In der konkreten Arbeit mit diesem Tool bei geplanten bzw. realisierten Prozeßveränderungen liegen momentan noch keine umfassenden Erfahrungen vor, die hier in allgemeingültiger Form referiert werden könnten. Die Erst-Erarbeitung dieser Dokumentation erfolgte in Projektform. Wichtig für den Erfolg war, daß dieses Projekt nicht als Selbstzweck durchgeführt wurde, sondern damit auch konkrete Veränderungen in der Organisations- und Systemwelt verbunden waren. Die vom Gesetzgeber ab 01.01.1997 in verschärfter Form formulierten Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften machten eine Reihe von Einzelmaßnahmen notwendig. Durch eine geeignete Projektorganisation konnten diese gebündelt werden und über die Notwendigkeit, die Erfüllung dieser Anforderungen auch dem Gesetzgeber gegenüber hinreichend präzise zu dokumentieren, war auch der Zwang vorhanden, die häufig bei Systemeinführungen vernachlässigte Dokumentation dieses Mal nicht beiseite zu schieben. 196
Prozeßverantwortung Sollprozeß: Devisen-Kassageschäft - Interbank (Ausschnitt) Process Owner: Hr. Mustermann, GB TSY Datum: 23.09.1996 Nr.
Aktivität (Funktion)
Weiter Nr.
Hilfsmittel/ DV-Systeme
Information / Datenflufi
Leistungsort
Servicestandards Nähere Informationen / Referenz
1.
Stammdaten vorhanden?
ja, 5.
DEVOS/ WELIS/ KONDOR+
Matchcode, Konten, Standings usw.
DSM
Bei fehlenden Stammdaten sofortige Einleitung von Nr. 3-4
2.
Keine Stanundaten vorhanden: (Matchcode)
DEVOS/ WELIS/ KONDOR+
Matchcode, Konten, Standings usw.
DSM
THB 11.1.17
3.
Neuanlage Matchcode; Vergabe des Eingabekürzels
Telefon, Anmeldeformular
alle kundenrelevanten Daten (Adresse usw.)
ZBA/ BG01
Information von MA 125, 126 BG01 nach Auf- THB 11.1.17 forderung vom Handel
3.1
Neuanlage Matchcode; Eingabe
DEVOS/ WELIS/ KONDOR+.)
alle kundenrelevanten Daten (Adresse usw
BKB35 unverzügliche /BG01 Eingabe
MA 125, 126 THB 11.1.17
4.
Rahmenvereinbarung
DEVOS/ alle kundenreleWELIS/KOND vanten Daten OR+/ Verträge (Adresse usw
ZBR
ergeben sich aus den Mindestanforderungen
MA 101, 104, 105 THB 9.0.
5.
Handel über Makler?
DEVOS, Aufstellung Uber existierende Maklervereinbarungen
DSM
Standards der Mindestanforderungen
MA 41-45, 150, 219-221 THB 4 .1.14.1.6.
nein: 7.
Maklerkürzel, Maklervereinbarung
Rahmenvereinbarungen WELIS-Linie bei Neukunden, THB 11.1.17 MA 125, 144
A b b . 44: Beispiel e i n e r Prozeßdarstellung ( T a b e l l e n f o r m )
Über die Projektarbeit k o n n t e n die P r o c e s s O w n e r erfolgreich im U n t e r n e h m e n institutionalisiert w e r d e n . Die Möglichkeit, f ü r j e d e n auftretenden Konflikt eine Entscheidungsinstanz anzurufen, w a r zielführend. Möglich w a r dies natürlich n u r durch die k o n s e q u e n t e U n t e r s t ü t z u n g d e s Fach- und d e s Gesamtvorstands. Für den laufenden Betrieb w u r d e f ü r alle acht P r o c e s s O w n e r aus d e m Treasury-Bereich eine Unterstützungseinheit geschaffen, wie sie oben beschrieben w u r d e : T R Q = Treasury R e s s o u r cen- und Qualitätsmanagement. 197
Rudolf Hoyer Process Owner im Konzern Wie bereits gesagt, hat jede Entscheidung, die in der Bayerischen Vereinsbank zum Thema Organisation und DV-Systeme fallt, unmittelbare Konsequenzen für die Vereins-und Westbank. Die Implementierung des Process Owner-Konzeptes konnte an dieser somit nicht spurlos vorübergehen. Als Pendants zu den Process Ownern wurden daher bei der Vereins- und Westbank Process Manager ernannt, die den Auftrag haben, • an den Entscheidungen der Process Owner mitzuwirken und die spezifischen Marktinteressen der Vereins- und Westbank dort einzubringen, • die Umsetzung dieser Entscheidungen in der Vereins- und Westbank sicherzustellen, • die aufsichtsrechtlichen Belange der Vereins- und Westbank als eigenständiges Unternehmen zu gewährleisten.
Dabei werden sie unterstützt durch eine TRQ-adäquate Funktion, die aus dem bisherigen Treasury-Innenbetrieb der Vereins- und Westbank hervorgegangen ist. Das fachliche Weisungsrecht der Process Owner wird durch diese Lösung nicht angetastet, dennoch verfugt damit auch das Tochterunternehmen über eine entsprechende Verantwortungsstruktur. Es hat die Möglichkeit, sich focussiert im Konzern zu artikulieren und ist auch für die Umsetzung von konzernweit getroffenen Entscheidungen gut gerüstet.
3 Zusammenfassung Die Vereinsbank hat im Treasurybereich begonnen, ein Process Owner Konzept umzusetzen, das auf einer Zusammenfuhrung von Organisations- und Linienkompetenz beruht. Durch die Übertragung der Prozeßverantwortung für den gesamten Geschäftsprozeß auf Linienmanager aus dem Handel gelingt es zunehmend, die Prozesse markt- und kundenorientiert auszurichten. Es existiert eine unterstützende Support-Einheit („Ressourcen- und Qualitätsmanagement"), die die bereichsübergreifende Umsetzung der notwendigen Veränderungen organisiert und i.T. auch selbst realisiert. Auf diese Weise lassen sich die hoch priorisierten Projekte und Maßnahmen schnell und effizient umsetzen. Die Umsetzung der Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften ist hierfür ein gutes Beispiel. Damit wird in der Praxis ein Schritt in Richtung einer projektorientierten Organisationsstruktur gegangen. Das Process Owner Konzept wird aufeinander abgestimmt sowohl in der Muttergesellschaft Bayerische Vereinsbank als auch in deren Tochter Vereins- und Westbank gelebt. 198
Prozeßverantwortung Literatur Bühler, Wilhelm (1991). Modelltvpen der Aufbauorganisation von Banken. In: von Stein/ Terrahe: Handbuch Bankorganisation., Wiesbaden 1991, S. 103-142 Fuchs, Jürgen (1996). Unser kleines blaues Dorf. In: Office Management 10/1996, S. 12-16 Goecke, Robert / Hesch, Gerhard (1997). Keimzellen virtueller Unternehmen. In: Office Management 03/1997, S. 46-48 Hoyer, Rudolf / Boggenstall, Annette (1994). Prozeßorientierte Steuerung von Ergebnisbereichen einer Bank. In: Gaitanides/Scholz/Vrohlings/Raster: Prozeßmanagement - Konzepte, Umsetzungen und Erfahrungen des Reengineering. München, Wien, 1994, S. 143-163 Jacob, Adolf-Friedrich (1991). Instrumente der Aufbauorganisation. In: von Stein/Terrahe: Handbuch Bankorganisation, Wiesbaden 1991, S. 171-199 Kieser, Alfred (1995). Business Reengineering - neue Kleider für den Kaiser? In: Süddeutsche Zeitungv. 4./5.02.1995; S. Vl/11 Picot, A. / Kreis, Barbara (19971. Telearbeit bei Finanzdienstleistern: Chance fur Organisatoren der Kundenorientierung. In: Office Management 3/97, S. 40-45 Schüller, Stephan (1992). Ergebnisorientierte Produktivitätssteuerung
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199
3.3 Integration der IKT am Arbeitsplatz
201
3.3.1 Unternehmensinformation in einem Deutschen Konzern von
Bernd-Ulrich Kaiser
1
Einleitung 1.1 Warum Unternehmensinformation? 1.2 Business Information Shop
2
Probleme beim Aufbau eines Data Warehouse 2.1 Informationsquantität und -qualität 2.2 Rahmenbedingungen
3
ISOM, das Informationssystem für das obere Management 3.1 Zielsetzung 3.2 Technisches Konzept 3.3 Erfahrungen beim Betrieb
4
Migration zum Internet/Intranet 4.1 Zugang zum Internet/Intranet 4.2 Browser-Zugriff mit ActiveX 4.3 Einbindung von HTML-Objekten 203
Bernd-Ulrich Kaiser 1
Einleitung
1.1 Warum Unternehmensinformation? Man kann nicht behaupten, daß es an Begriffen mangelt, das Themengebiet der Informationssysteme eines Unternehmens zu beschreiben. Nach Mißerfolgen beim Aufbau von Management-Informationssystemen in den 80er Jahren verlor das Kürzel MIS an Glanz. Die Ersatzund Hilfsausdrücke EIS (Executive Information System), DSS (Decision Support System) oder FIS (Führungs-Informationssystem) halfen kaum, Vertrauen wiederzugewinnen. Tatsächlich belebte das Schlagwort „Data Warehouse" die Szene, wahrscheinlich deshalb, weil jeder in diesen weitgefaßten Begriff seine persönlichen Hoffnungen und Wünsche einbringen kann. Bisher muß man jedoch feststellen, daß die meisten Data Warehouse-Ziele nicht erreicht wurden. Da der Data Warehouse-Gedanke primär den Verkauf relationaler Datenbanken förderte, erfanden die Hersteller mehrdimensionaler Datenbanken mit „OLAP" (Online Analytical Processing) ein Kürzel, das ganz auf den Einsatz mehrdimensionaler Datenbanken abhob. Wie E. F. CODD, der Vater des relationalen Datenmodells, 1993 ausfuhrt, „(...) fehlt den relationalen Systemen die Fähigkeit zur Konsolidierung, Ansicht und Analyse der Daten entsprechend der realen multiplen Dimensionen" (Codd, 1993, S. 5). Die Marketingwirkung seiner berühmten zwölf OLAP-Regeln von Codd veranlaßte die „Gegner" im relationalen Lager, mit „ROLAP" (relationales OLAP) ihren Anspruch für dieses interessante Marktsegment ebenfalls anzumelden. Auch die anderen Fachausdrücke rund um die elektronische Informationsversorgung in Unternehmen zeigen den übermächtigen Einfluß der DV-Technik. Wie die geringe Anzahl erfolgreicher Umsetzungen zeigt, geht diese hard- und softwaregeprägte Ausrichtung klar am Ziel vorbei. Bei diesem Ansatz wird vorausgesetzt, daß die Informationen bereits vorliegen und nur noch in die richtigen elektronischen Bahnen gelenkt werden müssen. Genau das ist aber nicht der Fall. Ohne die Bedeutung der Technik herabsetzen zu wollen, spielen die Informationen in den nach ihnen benannten Systemen die entscheidende Rolle. Das ist leider nicht immer allen Beteiligten klar. Bunte Computerbildchen bei einer Präsentation sind noch meilenweit von einem guten Informationssystem entfernt. Selbst die Hersteller der engagiert angepriesenen und zugegebenermaßen professionell präsentierten Produkte verfugen höchst selten über ein eigenes, vorzeigbares Informationssystem. Der Begriff „Unternehmensinformation" soll besonders bei den Entscheidungsträgern auf der Anwenderseite den Blick für die Welt „hinter der Technik" schärfen. Sie allein reicht nicht aus. 204
Unternehmensinformation „Unternehmensinformation" kann helfen, die Wichtigkeit einer redaktionellen Komponente im Rahmen eines Informationssystems zu unterstreichen. In diesem Sinne sind die folgenden Ausführungen zu verstehen. Sie zeigen mit dem Business Information Shop einen organisatorischen Ansatz und mit den beschriebenen Praxiserfahrungen die möglichen Probleme, aber auch die Chancen, die sich mit diesem Denkansatz realisieren lassen.
1.2 Business Information Shop Zum Data Warehouse schreibt ECKERSON sinngemäß: Data Warehousing ist der Prozeß der Extraktion und Konsolidierung von Daten aus zahlreichen Datenquellen in eine Entscheidungsunterstützungs-Datenbank, welche den Endbenutzern leicht zugänglich ist und eine komfortable Suche ermöglicht (Eckerson, 1993, S. 35). Kann dieses Data Warehouse die Aufgabenstellung einer Informationsversorgung umfassend beschreiben? Das muß nach den bisherigen Erfahrungen bezweifelt werden. Die Nutzer eines Informationssystems sollen und können nicht aus dem Warehouse die Informationen einfach „abholen". Bleibt man bei dem Vergleich, so gibt es keine „Selbstbedienung", sondern der Teilnehmer gibt über die Anwendung eine „Bestellung" auf. Der Zugriff erfolgt dabei in klaren, vordefinierten Bahnen. Der Anwender hat also niemals direkten Kontakt zu den Tabellen des Data Warehouses, ja er weiß im Normalfall noch nicht einmal von dessen Existenz. Für den Endbenutzer ist das Data Warehouse nach dieser Sichtweise „geschlossen". Gerechter wird der Situation der Begriff „Business Information Shop" (vgl. Kaiser, 1996, S. 418). Der Einkaufszettel ist die Anwendung, die dann die entsprechenden Daten „aus dem Lager" holt. Nach dieser Begriffsbestimmung ist das Data Warehouse ein Teil des Business Information Shops (BIS). Zum BIS zählen alle Komponenten von der Rohdatenerfassung bis zur Bereitstellung der Anwendungsmodule. Die Rohdaten sind dabei häufig definierte Abzüge aus operativen oder betriebswirtschaftlichen Systemen. In dem später beschriebenen Praxisbeispiel werden die Anwendungsmodule mit inSight® der Düsseldorfer Firma arcplan erstellt. Der BIS wird nach folgenden Grundregeln „gefuhrt": • Der BIS ist nicht zwingend auch eine organisatorische Einheit. Die einzelnen Funktionalitäten können durchaus in verschiedenen Bereichen angesiedelt sein. Vorzugsweise sollten diese Bereiche auch die entsprechende Angebotsübersicht im BIS betreuen. • Daten und kürzere Texte werden in relationalen Datenbanken, längere, strukturierte Texte im HTML-Format (der populären Sprache des Internet/Intranet) abgelegt.
205
Bernd-Ulrich Kaiser Die MIS-Anwendungen rufen die Informationen ausschließlich aus separaten Berichtstabellen ab. In keinem Fall wird auf operative Systeme zugegriffen.
Produktion (Data Warehouse) Rohdaten-Beschaffung und Kontrolle (Data Capture)
Informations-Bereitstellung/ Rohdaten-Aufbereitung
Verteilung
(Information Factory)
(Information Storage and Distribution)
Marketing und Vertrieb Angebots-Katalog
Technische Hilfestellung
Individuelle Einstellungen. Abrechnung
Entwicklung Akquirieren neuer Informationen
Optimieren ISOM-"lnformation Shop"
Erstellen von Anwendungsmodulen
Abb. 45: Komponenten des Business Information Shops
• Der Informationsabruf erfolgt ausschließlich über die MIS-Anwendungen, d. h. niemals durch direkten SQL-Zugriff auf die Datentabellen. Es sind keine Query-Tools zugelassen. • Der Betreiber des BIS ist der Eigentümer („Owner") der Datentabellen. So lassen sich Zugriffsrechte einfacher verwalten. • Die MIS-Anwendungen des BIS werden hinsichtlich der Performance optimiert. Das bedeutet, daß ggf. zusätzliche Tabellen aufgebaut werden (= gezielte Redundanz). • Bisher wurde die Bezahlung der Informationen ausgeklammert. Von seiten der Technik sind Vorbereitungen zu treffen, zu einem späteren Zeitpunkt eine Informationsabrechnung nachrüsten zu können.
2 Probleme beim Aufbau eines Data Warehouse 2.1 Informationsquantität und -qualität Es gehört zu den anspruchsvolleren Aufgaben, Daten für ein Data Warehouse zu beschaffen. Das allgemeine Vorurteil, die Daten der Logistik- und Auswertungssysteme eines Unternehmens ließen sich ohne Änderung in ein Data Warehouse übernehmen, fuhrt zur Unterschätzung 206
Unternehmensinformation entsprechender Projekte und damit meist zu Mißerfolgen. Für Controller ist es kein Geheimnis, daß die Daten oftmals nicht „zusammenpassen", besonders im Falle eines Konzerns, der aus einer Reihe verschiedener Firmen mit unterschiedlicher Historie der Logistik-Systeme besteht. Konzernweit einheitliche Produkt- und Kundenregister sind da eher eine Ausnahme
XYZ Vorstand
Gt ;schäftsb ereic Ii Pharnìa Geschäftsbereich Kunststoffe Gesch äftsbereich.. XYZ AG
XYZ USA
XYZ Italia
Abb. 46: Konzernstruktur
Der Gesetzgeber verlangt für jede „rechtliche Einheit" eine eigene, separate Ergebnisrechnung. Diese entstanden zu Zeiten, als die einzelnen Gesellschaften noch weitgehend selbständig und ergebnisverantwortlich agierten. Im Zuge der Globalisierung des Marktes übertrugen nun viele Unternehmen die weltweite Ergebnisverantwortung auf die einzelnen Geschäftsbereiche. Das geschah weitgehend ohne entsprechende Anpassung der Ergebnisrechnungen, so daß es heute nicht verwundert, wenn z. B. unternehmensweit konsolidierte Zahlen auf Produktebene fehlen Die Nutzer des Informationssystems zeigten anfangs deutlich ihre Enttäuschung über das geringe Informationsangebot. Die ergiebigste Datenquelle und somit Stütze des frühen Informationssystems war in dem weiter unten beschriebenen Anwendungsbeispiel das Planungs- und Reportingsystem auf Konzernebene. Hier lagen pro Geschäftsfeld Monatszahlen der einzelnen Beteiligungsgesellschaften bezüglich Umsatz, Ergebnis und weiterer wichtiger Kennzahlen vor. Neben den Zahlen für das laufende Geschäft konnten Planzahlen, Erwartungswerte sowie die Daten des Vorjahres angeboten werden. Allerdings fokussierte dieses ausgezeichnete Controllingsystem auf eine Schnellinformation über den Zustand des Konzerns. Die im Rahmen eines Informationssystems erwarteten weitergehenden Angaben zur Steuerung der Geschäfte gehör-
Bernd-Ulrich Kaiser ten nicht zum Definitionsumfang. Deshalb fehlten z. B. Konsolidierungen über die gesamte Kostenstruktur oder aussagekräftige Verbleibsergebnisse auf Detailebene. Ebenso gab es keine aus Sicht eines Informationssystems unverzichtbare Bestandteile wie Kundenumsätze und -ergebnisse. Weitere kleine Unstimmigkeiten, besonders bei der Vergleichbarkeit der Vorjahresdaten, führten in der Anfangsphase zu erheblichen manuellen Eingriffen in die Datenbestände, so daß das Informationssystem andere Informationen anbot als das Planungs- und Reportingsystem. Das war jedoch nicht tragisch, im Gegenteil, das Controlling korrigierte die Daten in der papiergestützten Berichterstattung in gleicher Weise. Inzwischen sind die manuellen Eingriffe sehr selten geworden. An dem Informationsumfang hat sich jedoch nichts geändert. Der Ablauf der Datenbeschaffung für ein Planungssystem läßt sich am besten anhand einer sog. Informationstreppe beschreiben. Quelle aller (Ist)-Daten sind die Logistik-Systeme der einzelnen Konzerngesellschaften (Legal Entities). Die dortigen Ergebnisrechnungen werten die Daten monatlich aus und übersenden einen Datenextrakt in die Zentrale, in der die Daten zusammengefaßt und konsolidiert werden.
zusätzliche Daten+
Berichte
Korrekturen
(auf Papier)
Datenveredelung
Rohdatenspeichening (unter DB2) Konsolidierung und Fehlerkorrektur Ergebnisrechnung der Legal Entities Logistik-Systeme der Legal Entities
Legal Entities
Zentral rechner
Zentrale DV
derzeit: Excel
Controlling- Abteilung
Abb. 47: Informationstreppe
Das Ergebnis steht dann auf dem Zentralrechner allen Zugriffsberechtigten in Form relationaler Tabellen zur Verfügung („Rohdatenspeicherung"). Anschließend findet oftmals eine Nachbear-
Unternehmensinformation beitung („Veredlung") einzelner Daten statt, meist dezentral im Unternehmenscontrolling oder in den Unternehmensbereichsstäben. Die geänderten Daten lassen sich naturgemäß nicht in das zentrale System zurückschreiben. Eine einheitliche Datei unter Berücksichtigung aller geänderten Werte liegt demnach nicht vor. Die Folge sind divergierende Datenbestände, teils zentral und teils dezentral, aus denen heraus Ergebnisberichte für die Konzernleitung erstellt werden. Die Einfuhrung eines konzernweiten Informationssystems mit den Vorstandsmitgliedern als erste Nutzer ruft leider auch Neider und Warner auf den Plan. Die Neider lassen sich bevorzugt in den Bereichen ausmachen, die bisher für die Informationsverteilung zuständig waren. Die Warner gehören der IT-Abteilung des Unternehmens an, die Probleme in der notwendigen neuen Technik sehen (übrigens nicht ganz zu Unrecht). Mit einem auch organisatorisch modular aufgebauten Konzept gelingt es, die meisten internen Kritiker zu beruhigen. Eine „Verantwortungsstrategie", bei der die Lieferanten der Informationen auch weiterhin Entscheidungsvollmachten besitzen, dämpft die Konkurrenzgefühle. Die Betreiber sollten das aufzubauende Informationssystem mit einer Plattform, auf der sich die einzelnen Fachbereiche produzieren können, vergleichen. Letztere bestimmten die inhaltlichen Richtlinien. Das Informationssystem hingegen legt die Form fest und stellt den einheitlichen Rahmen. In zunehmendem Maße wuchs in dem Praxisbeispiel ISOM (s. u.) die Bereitschaft bei den informationsliefernden Fachbereichen, im Informationssystem vertreten zu sein. In den meisten Fällen zeigte sich jedoch, daß die Informationen überarbeitet werden mußten, sollten sie elektronisch dargestellt werden können. Es galt, die hohen Qualitätsanforderungen an Datenqualität und Bereitstellungstermin zu erfüllen. Im Laufe der Zeit verbesserte sich die Informationsqualität, neue Themen kamen hinzu. Das Warehouse wuchs und mit ihm die Notwendigkeit nach guten Verwaltungs- und Kontrollwerkzeugen. Mag es für den Datenerfassungsteil (Data Capture) einige gute Produkte geben, so fehlen diese, wenn es gilt, die inhaltliche Qualität zu überwachen und einfach gezielte Änderungen an den Datenbeständen vorzunehmen. Nun widerspricht es der reinen Lehre, im Data Warehouse inhaltliche Veränderungen vorzunehmen. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß es sich oftmals nicht verhindern läßt. Neben direkten Fehlern und unvollständigen Daten, die zugunsten einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Aussagen zu beheben bzw. zu ergänzen sind, müssen Daten „vergleichsrichtig" eingestellt werden. In einem Konzern ändern sich ständig Strukturen, so daß auch scheinbar feststehende Begriffe wie z. B. ein Geschäftsfeld umdefiniert 209
Bernd-Ulrich Kaiser werden. Plan und Vorjahr sind entsprechend anzupassen, um eine vergleichende Betrachtung zu ermöglichen. Verständlicherweise benutzen die Controlling-Fachabteilungen zur Datenkorrektur („Datenveredlung") diejenigen DV-Werkzeuge, die sie beherrschen, und das sind in der Regel keine Großrechner-Datenbanken. Die Folgen eines solchen Medienbruches sind fatal: Die Berichterstattung, meist auf Spreadsheets basierend, hat nicht selten andere Inhalte als die zugrundeliegenden zentralen Tabellen. Auf der anderen Seite kennen sich die Mitarbeiter der DV-Abteilungen meist nicht mit PCRechenblättern aus. Das fehlende gemeinsame Fachwissen hat zur Folge, daß die Verständigung nur noch formalisiert abläuft, nämlich über Lasten- und Pflichtenhefte. Das dauert für die meisten Probleme im Controllingbereich natürlich zu lange.
Die Situation scheint festgefahren. Ein möglicher Ausweg könnte darin bestehen, auch für Controller handhabbare DV-Werkzeuge einzusetzen, die sowohl dem Datenbank- als auch dem Rechenblatt-Charakter nahekommen. Dabei fällt der Blick zwangsläufig auf die mehrdimensionalen Datenbanken, die sehr komplexe und mächtige mathematische Verarbeitungen erlauben. Leider fehlt den traditionellen DV-Bereichen noch der direkte Bezug zu dieser multidimensionalen Technik. Das neuerdings große Interesse der Anbieter relationaler Datenbanken an mehrdimensionalen Lösungen läßt für zukünftige Lösungen hoffen (beste Beispiele: Der Aufkauf 210
Unternehmensinformation der mehrdimensionalen Tools IRI-Express durch den Anbieter der relationalen Datenbank ORACLE bzw. vergleichbar der Aufkauf von MetaCube durch Informix). Nur ein Teil der oben beschriebenen „Veredelungen" kann in regelbasierten Prozeduren festgehalten werden, die vorzugsweise beim Datenladen in das Warehouse Anwendung finden. Als kritische Komponente erweist sich hierbei die Zeit, die es in den meisten Fällen nicht erlaubt, bereits an den Basissystemen die notwendigen Korrekturen vorzunehmen. Deshalb muß neben dieser regelbasierten Variante, um schnell reagieren zu können, auch eine individuelle Eingriffsmöglichkeit geboten werden. Die meisten Controller, denen dieses Problem nicht unbekannt ist, setzen übrigens dazu nach dem Herunterladen der Daten das PC-Programm Excel ein, wobei zwangsläufig Strukturbrüche entstehen, die ein Rückschreiben der überarbeiteten Informationen in das Data Warehouse unmöglich machen. Also benötigt der Data Warehousemanager entsprechende Tools, will man nicht in Konkurrenz zu den Inhalten papierbasierender Berichterstattung treten. Einige hoffnungsvollen Ansätze sind bereits an dieser Hürde gescheitert.
2.2 Rahmenbedingungen Entwickelt man zuerst ein Data Warehouse und dann ein Informationssystem oder umgekehrt? Dies ist ebensowenig trivial wie die Frage, ob Data Warehouse und Informationssystem unter gleicher Leitung sein und wenn, aus welchem Fachgebiet diese stammen sollte. Bei einem Informatiker kann man solide Datenbankkenntnisse voraussetzen. Er weiß um den Umgang mit großen Datenmengen, kann Prozeduren schreiben und Sicherheitskriterien beurteilen. Meist gewandt in Cobol versteht er Zusammenhänge der Basissysteme des Unternehmens, oft die wichtigste Datenquelle für das Data Warehouse. Auf der anderen Seite kennt ein Controller die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge. Er versteht die Sprache der Manager, kennt deren Informationsbedürfnisse bestens. Oft erweist er sich als wahrer Experte eines Rechenblattes wie Excel, mit dem er eine optisch gut aufbereitete, mit ansprechenden Grafiken angereicherte Berichterstattung zaubert. Aber auch ein Controller erweist sich oftmals leider als „Spezialist" für den Unternehmensbereich, in dem er tätig ist. Abteilungsdenken und Korpsgeist hindern ihn daran, für andere Bereiche des Konzerns mitzudenken. Selbst die zentralen Unternehmenscontroller verfügen nur selten über den Einblick in die vielen, unterschiedlichen und oft recht komplexen Strukturen des Unternehmens. Ein neuer Berufstyp muß her? Möglicherweise können die Absolventen der neuen Studienrichtung Wirtschaftsinformatik in einigen Jahren diese Lücke schließen, denn Engagement und jugendliche Dynamik reichen hier leider nicht aus. Langjährige Erfahrung ist unverzichtbar. Es 211
Bernd-Ulrich Kaiser stellt sich die schwere Aufgabe, eine „Altlast" besonderer Art zu beseitigen: Informatik und Controlling haben sich „auseinandergelebt". Jede Gruppe versteht es, mit Tabus und Fachausdrücken den Zugang für Bereichsfremde zu erschweren. Kommunikationsformen sind Lastenund Pflichtenheft, leider für flexible Informationssysteme keine ausreichende Grundlage. Eine mögliche alternative Vorgehensweise besteht in der Dimensions-/Hierarchie-Definition, der Datenbrauchbarkeitsanalyse und der Datenverfügbarkeitsanalyse, gefolgt von einem Prototyping und einer Modulerstellung (vgl. Kaiser, 1997, S. 153).
Ablaufsvsteme
Informationssvsteme
Klasse
Relations-bezogen
Dimensions-bezogen
Vorbereitung
Lastenheft Pflichtenheft Datenmodell
Dimension-Hierarchie-Definition Analyse Datenbrauchbarkeit Analyse Datenverfiigbarkeit
Realisierung
a) Standardsoftware b) Rapid Application Development
Prototyping Modulbildung (Geschäftsobjekte)
Schlagwörter
Register, Schnittstellen
Benutzerftihrung, Visualisierung
Erfolgskriterien (aus technischer Sicht)
Robustheit Zuverlässigkeit Verfügbarkeit
Flexibilität Benutzerfreundlichkeit (Spaß) Performance
Akzeptanz bei IT
hoch (klassische Vorgangsweise)
gering (kaum Erfahrung)
Tab. 5:
Unterschiede in Entwicklung und Erwartung
Im Falle der Bayer AG war das Informationssystem der Auslöser, für dessen Betrieb ein Data Warehouse benötigt wurde. Damit folgte man nicht den Anregungen einiger Anbieter im DVMarkt, ein „offenes" Data Warehouse zu errichten, auf das dann jeder Anwender so zugreifen kann, wie er möchte. Zu dem hier erstellten Warehouse hat der Anwender keine ZugrifFsmöglichkeit. Er kann die Informationen nur über eine vorgefertigte Anwendung erhalten. Diese Vorgehensweise gewährleistet auch künftig die volle Kontrolle der Systembetreiber über die Warehouse-Strukturen. Dateiformate können geändert werden, ohne befürchten zu müssen, daß irgendwo abgespeicherte SQL-Queries dann nicht mehr korrekte Ergebnisse liefern.
212
Unternehmensinformation Bei der Leitung einer entsprechenden Projektgruppe umging man die personelle Entscheidung zwischen Controller und Informatiker mit einem „neutralen" Vorsitz eines Mitarbeiters der Unternehmensorganisation. Dem Arbeitskreis gehörten dann Mitarbeiter aus Controlling, Informatik und den Unternehmensbereichen an. Ein hochkarätig besetzter Lenkungskreis sorgte für die Akzeptanz im Unternehmen und die Unterstützung durch den Vorstand. Der „Findungsprozeß" der Projektgruppe war nicht leicht. Bereichsspezifische Deutung an sich selbstverständlicher Begriffe führten zu langen Diskussionen. Auch unterschiedlicher Wissensstand und Selbstverständnis erschwerten anfangs die Kooperation. Entscheidend für den schleppenden Beginn war jedoch die Tatsache, daß keinerlei übertragbare Erfahrungen vorlagen, weder intern noch extern. Man betrat völliges Neuland, in dem auch die vermeintlich professionellen externen Berater recht hilflos wirkten. Doch die konsequente Unterstützung des Vorstandes garantierte letztendlich den Erfolg, nicht zuletzt, weil die notwendige Zeit gelassen wurde, Erfahrungen auf diesem neuen und schwierigen Feld zu sammeln. Der Übergang von der Projektform in eine kleine, aber schlagkräftige Abteilung unterstrich die zunehmende Bedeutung für das Unternehmen. Die Leitung übernahm ein Controlling-vorbelasteter Mitarbeiter. Die Einordnung der Gruppe in die Informatik erwies sich als geschickter Schachzug, weil es die technische Unterstützung sicherstellte. Allerdings wird jetzt damit begonnen, die gewonnenen Erkenntnisse auf vergleichbare Aufgabenstellungen im Unternehmen zu übertragen. Die traditionell reservierte Haltung des Managements zu der DV-Technik erschwert das Vorhaben. Viele Probleme liegen im organisatorischen Umfeld, an deren Bearbeitung die Manager im Rahmen von DV-Projekten aber meist nicht heran wollen. So hilft oft nur die Politik der kleinen Schritte, die sich jedoch mit den optimistischen Erwartungshaltungen einzelner Manager nicht immer vereinbaren läßt. Dennoch erweisen sich rückblickend die vorgefundenen Rahmenbedingungen für einen vernünftigen Einstieg in unternehmensweite Informationssysteme als durchaus brauchbar.
3 ISOM, das Informationssystem für das obere Management 3.1 Zielsetzung In der Literatur findet man häufig die Anregung, ein Informationssystem schrittweise einzuführen. 90 % nach einem halben Jahr sei besser als 100 % nach 5 Jahren. Doch in dieser Aussage lauern eine Menge Gefahren. Ein zu schnell angebotenes Informationssystem kann die Geduld der Anwender leicht überstrapazieren. Nur eine wohl dosierte Einführungsstrategie, verbunden mit einem internen Marketing, kann vor dem Absturz auf dieser Gratwanderung schützen. 213
Bernd-Ulrich Kaiser Die inhaltliche Zielsetzung im Falle des ISOM formulierte der Vorstand: Das System soll nur enthalten, was bereits verfügbar ist. Er meinte damit die zahlreichen relationalen Datenbanken auf dem Host, die in regelmäßigen Abständen mit Daten aus den operativen Systemen gefuttert wurden. Dazu zählten u. a. Umsatz- und Ergebnisdaten, Vorräte, Forderungen, Kosten, Investitionen und Personal. Zu einem späteren Zeitpunkt seien auch strategische Daten, Protokolle, Beschlüsse und Informationen über Obere Führungskräfte wie Kandidatenlisten und Jobrotation einzubinden. Die Projektgruppe rundete diesen Vorschlag um weitere Funktionen zur Unterstützung eines Manager-Arbeitsplatzes ab, wie z. B. E-Mail, Fax, persönliche Notizen, Termine, Telefonlisten und Zugang zu externen Diensten.
Kommunikation • Terminverwaltung, Aktionsverfolgung, Wiedervorlage • Veranstaltungen, Besucher, aktuelle Nachrichten • Fax, Electronic Mail, externe Datenbanken Information • Bayer (Strategie, Geschäft) • Markt, wirtschaftliche Rahmenbedingungen • Personalangelegenheiten, Sitzungsprotokolle Abb. 49: Inhalte von ISOM
Besonderes Augenmerk galt der Bedienerfreundlichkeit, die Kriterien wie Wiedererkennung, leichte Navigierbarkeit und Selbsterklärung der Anwendungen zum Ziel hatte. Ein Anwender sollte sich nichts, was mit dem technischen Umfeld zu tun hatte, merken müssen. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Beobachtung bei der Bayer AG: Dort stellte man fest, daß die Beherrschung von PC-Programmen in Korrelation zur Zeit steht, die man am PC verbringt.
214
Unternehmensinformation Nach dieser Erkenntnis kann man ein heutiges PC-Textverarbeitungsprogramm gut nutzen, wenn man sich ca. 20 % seiner Arbeitszeit mit dem PC beschäftigt. Für ein Grafikprogramm benötigt man schon etwa 30 %. Als besonders schwierig erweisen sich Datenbankabfragen in Verbindung mit dem Zentralrechner (Host), auf dem viele Geschäftsdaten abgelegt sind. Die Abfragen setzen eine genaue Kenntnis der Tabellenstrukturen voraus. Eine ständige Beschäftigung mit der Problematik ist unabdingbar. Eine Reihe von Assistenten, besonders in Stabsabteilungen, kommt heute auf eine PC-Nutzung bis zu 80 % ihrer Arbeitszeit. Sie beherrschen oftmals die gesamte Palette heutiger Softwarepakete, auch die schwierigen Datenbankabfragen.
Komplexität der Bedienung
Intensität der PC-Nutzung
Assistent Mehrdimensionale Datenbank PC-Datenbank Rechenblatt Grafik
Sekretärin
Textverarbeitung Manager Informationssystem
Abb. 50: Korrelation zwischen Zeitaufwand und Beherrschbarkeit eines PC-Programms
Die Manager verbringen i. A. nur einen geringen Teil ihrer Arbeitszeit am PC. Für sie scheidet die Nutzung bestimmter Programmtypen und erst recht die Datenbankabfrage aus. Falsch wäre es, daraus die Forderung abzuleiten, daß sich Manager mehr mit dem PC beschäftigen sollten. Das ist sicherlich nur bei entsprechender Neigung durch private Nutzung der Techniken erreichbar. Statt dessen müssen die Anwendungsprogramme so vereinfacht werden, daß sie auch mit geringem Zeitaufwand bedienbar sind. ISOM ist ein Vorstoß in diese Richtung. In deutschen Konzernen werden die meisten Informationen in schriftlicher Form an den Manager-Arbeitsplatz gebracht. Zentrales „Sammelbecken" ist der Eingangskorb. Das Sekreta-
215
Bernd-Ulrich Kaiser riat trifft oft eine Vorauswahl und präsentiert die Informationen in einer bestimmten Reihenfolge. Ein Informationssystem, in dem man die Informationen z. B. über Drill-Down suchen muß, verliert da sehr schnell seinen Charme. Wesentlich interessanter erscheint eine Variante, die unaufgefordert die wichtigen Informationen in bereits aufbereiteter und bewerteter Form anzeigt. Aus Kostengründen sollte dies weitgehend automatisch erfolgen Die Bedienung mußte extrem einfach sein und, sehr wichtig, Spaß machen. Gerade dieser Faktor wird zu häufig unterschätzt. Bunte Folien z. B. haben kaum höheren Informationswert als schwarz/weiße, sie sind aber schöner und bereiten daher mehr Freude. Zwangsläufig fiel der zentralen Werbung im Konzern die Aufgabe zu, hier für eine entsprechende Oberfläche zu sorgen, in die auch die Corporate Identity einzubinden war. Als positiver Nebeneffekt endeten die zumeist nutzlosen Layout-Diskussionen mit den vielen, am Informationssystem beteiligten Bereichen mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit der Werbung bereits im frühen Stadium. Ein Prototyp, noch ohne Anbindung an ein Data Warehouse, fand beim Vorstand Zustimmung. Nach den Vorstandsmitgliedern und ihren Sekretariaten sollten von oben herunter die nächsten Führungsebenen angeschlossen werden. Gleichzeitig, möglicherweise für das Unternehmen noch bedeutsamer, erhielt die verwendete Technik (s. u.) den Zuschlag für die künftige Entwicklung anderer Informationssysteme (Anm.: Es gibt heute bereits ein PersonalmanagementSystem, ein Kostensteilen-Einzelheitensystem und ein System für einen Geschäftsbereich mit dieser Technik. Weitere Systeme befinden sich kurz vor der Fertigstellung). Die Bedeutung des internen Marketings unterstreichend erhielt das System einen eigenen Namen, der wie ein Gütesiegel gehandhabt wird: ISOM, das Informationssystem für das Obere Management. Auch das aufwendige Benutzerhandbuch verfolgt eher interne Marketingziele, da ISOM selbsterklärend ist, bei dessen Nutzung auf eine schriftliche Anleitung verzichtet werden kann. Als sehr werbewirksam erweist sich ein Logo für die Anwendung.
A b b . 51: I S O M - L o g o
216
Unternehmensinformation Es sind viele Abbildungsmöglichkeiten fiir ein Logo denkbar, beispielsweise auf einem Mauspad oder einer Telefonkarte, beides auch als Präsent für die zahlreichen „ehrenamtlichen" Helfer aus den technischen und datenanliefernden Bereichen gedacht.
3.2 Technisches Konzept Es ist natürlich leicht, einen Forderungskatalog aufzustellen. Die ISOM-Wünsche, das war allen Beteiligten recht schnell klar, ließen sich mit den damaligen Mitteln der DV-Technik nicht oder nur mit extremem Aufwand erfüllen. Über die Client/Server-Technik bestand die Chance, die Last auf verschiedene „DV-Spezialisten" zu verteilen. Der Host hatte im Rahmen seiner bewährten Datenbanktechnik für die Konsistenz und die sichere Datenhaltung zu sorgen, der PC mußte seine viel gepriesene Benutzerfreundlichkeit einbringen. Die sog. Middleware-Produkte stellten dann die Verbindung zwischen Benutzer und Datenbank her. Leider verfügen die großen DV-Anbieter noch nicht über eine befriedigende Gesamtlösung, so daß auch Ansätze kleinerer Firmen in Betracht gezogen werden mußten. Ein modulares Konzept, das technische Standards einhielt, sollte die Gefahr der Abhängigkeit von kleinen Anbietern mildern und gleichzeitig den unproblematischen Austausch einzelner Komponenten, dem Fortschritt der Technik entsprechend, ermöglichen. Der fehlende Standard bei mehrdimensionalen Datenbanken machte die Entscheidung für eine relationale Datenbank als Data Warehouse-Grundlage leicht. Die Kommunikation sollte über die ODBC-Schnittstelle von Microsoft erfolgen, das Kommunikationsprotokoll war TCP/IP. Bei den Datenbanktreibern fehlte die Auswahlmöglichkeit. IBM propagiert für seine Datenbank DB2 ihren Client Application Enabler (CAE), im vorliegenden Fall über einen GatewayRechner mit DB2/2. Als PC-Plattform sollten die Windows-Derivate ab 3.1 aufwärts sowie der Macintosh in den Varianten 680XX und PowerPC unterstützt werden. Die Auswahl der Client-Software bereitete die größten Probleme. Eine gemeinsam mit einer kleinen Softwarefirma entwickelte, durchaus brauchbare Lösung für den Macintosh scheiterte an der Umsetzung einer Windows-Variante. Inzwischen bietet der Markt eine auf der ISOMPhilosophie aufbauende Software mit dem Namen inSight® der Düsseldorfer Firma arcplan an. Sie läuft anwendungskompatibel auf Windows und Macintosh. Keine andere Markt-Software kann derzeit auch nur annähernd den umfangreichen Anforderungskatalog von ISOM abdekken. In C++ von Microsoft geschrieben, können alle Neuerungen aus dem Microsoft-Lager (z. B. ActiveX und der Einbau von Browser-Modulen, s. u.) in recht kurzer Zeit von den inSight®Herstellern eingebunden werden. inSight® verfügt inzwischen auch über eine ausgezeichnete 217
Bernd-Ulrich Kaiser Schnittstelle zu dem Executive Information System (EIS) der SAP, so daß auch die bei den Basissystemen des Konzerns geplante Migration zu SAP-Standardsoftware von Seiten der Informationssysteme problemlos begleitet werden kann (vgl. Kaiser, 1997, S. 55) Die Entwicklung der Anwendungsoberflächen erfolgt im Hause, wobei es mehr einer Konfigurierung als einer Programmierung entspricht Das Tool erweist sich als sehr leistungsstark Anpassungen, tägliches Brot im ISOM-Geschäft, lassen sich schnell realisieren. Programm und Anwendung können auf einem Fileserver laufen, Verteilung und Update über den Host sind ebenso möglich. +Vfeitere Daten
SAP operative Daten
SM> Information Vtàrehouse li. ?.. (.KAIE-DB
SAP - EIS
virtueller DatenVttfet
SAP-ai BirichK lieft + Qjaytuol
NB-Excel, NE-Vtord
InSIghc (tir R/3 Apekte
Berichte (Nthrepradiigkeit, VÄhrung, Verdichtung)
Abb. 52: Zugriff von inSight® auf SAP*-EIS
Bei der Verwaltung des Data Warehouses finden keine speziellen Tools Verwendung. Hier kommen die klassischen Werkzeuge der relationalen Datenbanken zum Einsatz.
3.3 Erfahrungen beim Betrieb ISOM findet breite Akzeptanz, wenngleich auch technische Unzulänglichkeiten gelegentlich die Freude etwas stören. Hier sind es vor allem kurzzeitige Systemausfälle, gesamt oder einzelner Komponenten, die obendrein völlig unverständliche Fehlermeldungen erzeugen können. Doch die Störungen nehmen ab, gleichzeitig das Informationsangebot zu. Nach zwei Jahren Betrieb scheint das Eis endgültig gebrochen. Dabei halfen entscheidend die Sekretärinnen der Manager, die das System eher als ihre Chefs erhielten und somit nach entsprechender Einweisung die „Vorortbetreuung" übernehmen konnten. Dabei gaben sie nützliche Hinweise über das Verhalten der ISOM-Nutzer. Als „Dank" erhalten die Vorzimmer noch heute eine Unterstützung durch die ISOM-Gruppe bei der Bewältigung der „üblichen" PC-Probleme.
Untemehmensinformation Auch bewährte sich das Prinzip, die Anwender nicht nach ihren Informationswünschen zu befragen. Eine derartige Vorgehensweise fuhrt zwangsläufig zu Enttäuschungen, weil die gewünschten Informationen meist nicht beschafft werden können. Die ISOM-Betreiber verstehen sich als Informationsanbieter, wobei sie den möglichen Informationsbedarf aus dem Umfeld des Managers, bei Sekretärinnen und Assistenten, abfragen. Außerdem war der Leiter der ISOMGruppe einige Jahre mit der Informationsversorgung von Managern betraut, so daß entsprechende Erfahrungen vorlagen und so die Bedürfhisse im Rahmen der zur Verfugung stehenden Möglichkeiten, technisch und inhaltlich, recht gut getroffen wurden. Trotz des modularen Ansatzes bei der Informationsbereitstellung, der jeden Datenanbieter in der inhaltlichen Verantwortung beläßt, kam es nicht ganz unerwartet, daß letztlich die Betreiber des Systems für die inhaltliche Richtigkeit gerade stehen müssen. Hier drängt sich zwangsläufig der Vergleich mit einem Auto auf, bei dem sich ein Hersteller bei dem Defekt einer Bremse auch nicht mit dem Hinweis auf den Bremsenlieferanten aus der Verantwortung stehlen kann. Sehr viel Aufwand erfordert es, zügige Antwortzeiten anzubieten, ohne auf den hohen Anwendungskomfort und damit auf das Gütesiegel zu verzichten. Dem hohen Qualitätsniveau bei der Benutzerfuhrung gemäß werden nur verständliche Begriffe und nicht die in den Tabellen gespeicherten Schlüssel angezeigt. Datengetrieben sieht man nur diejenigen Kombinationen, die auch tatsächlich vorhanden sind. So besteht absolut keine Möglichkeit, eine sinnlose Kombination auszuwählen. Außerdem erscheinen immer zuerst die aktuellen Daten. Das setzt voraus, das im Durchschnitt zehn teilweise aufwendige Datenbankabfragen, bei denen eine Menge Textinformation vom Host in die Auswahlmenüs der PC-Anwendung transportiert werden muß, erfolgen müssen, bevor der eigentliche Datenabruf stattfinden kann. Dieses geht meist sehr schnell und ist für den Anwender nicht zu erkennen. Bei einem Verzicht auf diesen Komfort könnten die durchschnittlichen Blattaufbauzeiten von derzeit vier Sekunden auf eine Sekunde reduziert werden. Das fände natürlich keinerlei Zustimmung, trotz etwas schnellerer Antwortzeiten. Ein entsprechender Lernprozeß bei den ISOM-Betreibern führte zu optimierten Datenstrukturen im Data Warehouse und zu Techniken, größere Datenblöcke auf einmal in die Anwendung zu laden und im Hauptspeicher (RAM) des PC in die einzelnen Teile zu „schneiden". Eine virtuelle relational anzusprechende, interne Datenbank im RAM des PC gestattet außerdem, größere Datenmengen im schnellen Zugriff zu halten. So kann man sich in der Anwendung
219
Bernd-Ulrich Kaiser auch andere Inhalte anzeigen lassen, ohne jedesmal die Daten erneut vom Data Warehouse abrufen zu müssen. Das schont Ressourcen und führt zu deutlich besseren Antwortzeiten. Umsatz und Produktergebnis werden monatlich für den gesamten Konzern im Vergleich zum Plan, Vorjahr und bei der kumulierten Darstellung zur Erwartung in Linien- und Tabellenform gezeigt. Die Daten lassen sich nach Regionen, Geschäftsbereichen oder Konzerngesellschaften herunterbrechen, wobei auch sämtliche Kombinationen möglich sind. Weitere Bildschirmseiten und eine Beschreibung, was beim Aufbau derartiger Anwendungen aus organisatorischer und technischer Sicht zu beachten ist, befinden sich in dem Buch „Unternehmensinformation mit SAP-EIS®", erschienen 1997 im Vieweg-Verlag, Wiesbaden.
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ISOM
I n f o r m a t i o n s s y s t e m für das Obere Management
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13.12.95
am i Abb. 53: Startblatt ISOM mit Tickermeldungen
Erfreuliche Resonanz finden die Kurznachrichten aus Presseagenturen (Tickermeldungen), die die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens in das ISOM einstellt. Sog. Timerfunktionen in der Anwendung fragen das Data Warehouse in kurzen Zeitabständen nach neuen Nachrichten ab
Unternehmensinformation und stellen diese automatisch auf dem PC-Bildschirm dar. Im Laufe eines Tages sammeln sich dann bis zu 15 Nachrichten an, die in der folgenden Nacht gelöscht werden Das macht Sinn, weil sie dann ohnehin in den Medien zu finden sind. Als weiterer Schritt auf dem langen Weg zu einer virtuellen Unternehmenszeitung kamen Daten über Börse, Währungen und Tagesumsatz auf die Startseite des Systems, die ständig aktualisiert wird, s Abbildung 53. Ein noch nicht so stark genutzter Service besteht darin, über die Farbe der Schaltknöpfe für die einzelnen Themengebiete anzuzeigen, daß neue Informationen vorliegen. Werden sie aufgerufen, erhalten die Schaltknöpfe ihre ursprüngliche Farbe zurück. Das Informationsangebot von ISOM umfaßt derzeit 6 Themenkreise mit 18 Themen. Weitere Themenkreise sind in Vorbereitung. Erfreulicherweise steigt die Anzahl an strategischen Informationen überproportional an. Allein bei den Geschäfts- und Zentralbereichssteckbriefen sind ca. 1.500 Portfolio-Darstellungen des Jahres 1997 abrufbar. Eine typische der etwa 50 verschiedenen Bildschirmseiten von ISOM zeigt die folgende Abbildung 54: i Umsatz/Ergebnis ; AJIe G e s c h ä f t s b e r e i c h e , A l l e G e s e l l s c h a f t e r » U m s a t z B M ö s In Mio D M
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Line aller Gesellschaften anzeigen
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Abb. 54: Umsatz- und Ergebnisdarstellung in ISOM 221
Bernd-Ulrich Kaiser
Viele Mitarbeiter erhalten, teils weil sie den Managern zuarbeiten, teils weil die Informationen ihren Fachbereich betreffen, begrenzten Zugriff zu ISOM. Diese Anwender werden drei verschiedenen Gruppen mit jeweils unterschiedlichen Zugriffsrechten zugeordnet. Es besteht aber auch die Möglichkeit, ein Thema komplett herauszulösen und dann separat oder in einem anderen Informationssystem zu verwenden. Ein derzeit in der Erprobungsphase befindliches Konzept stellt die Verträglichkeit unterschiedlicher Anwendungen mit „ISOM-Technik" auf einem PC sicher. Die Verwaltung des Data Warehouses für ISOM ist nach den bisherigen Erfahrungen aufwendiger als erwartet. Hier besteht Handlungsbedarf, einfachere und fehlersichere Lösungen zu finden.
4 Migration zum Internet/Intranet 4.1 Zugang zum Internet/Intranet Es besteht für ein Unternehmen nicht nur die Chance, sondern geradezu die Verpflichtung, Internet-Techniken für die Information und Kommunikation im Unternehmen zu nutzen. Neben den deutlichen Kostenersparungen gegenüber dem Transport von Informationen auf Papier stehen zusätzlich realisierbare Vorteile wie die Integrität der Informationen und die Interaktion mit dem Informationsanbieter. Mit der Internet-Technik, die innerhalb eines Unternehmens erfolgreich in Form eines Intranets genutzt werden kann, öffnet sich ein einfacher Weg über den PC zu beliebig vielen Informationen. Allen voran haben sich die WWW-Server mit der HTML-Technik einen festen Platz in der Anwendergunst gesichert. Die hehren Ziele vieler Hard- und Softwareanbieter, einfach installier- und bedienbar, scheinen nun im Internet erreicht zu sein. Einen ersten Eindruck vermittelt eine vom ISOM-Team erstellte Home-Page, die aus ISOM heraus über einen Schaltknopf aufgerufen werden kann. Dabei startet im Hintergrund ein handelsüblicher Browser. Die im ISOM-Layout aufgemachte ISOM-Homepage enthält, nach Gebieten geordnet, eine Auswahl von Internet/Intranet-Themen. Sie ist als Einstieg für die Manager gedacht, um einen Eindruck davon zu bekommen, worüber im Augenblick die ganze Welt spricht. inSight® unterstützt im Zusammenhang mit dem Internet zwei interessante Techniken, die in Abbildung 55 näher beschrieben werden.
222
Untemehmensinformation Technik 1
ActiveX von Microsoft
inSight-Anwendungen über HTML-Browser
inSight-Anwendungen können im Internet/Intranet (als Browser: Explorer 3.x oder Netscape 3.x mit dem ActiveX-Plugin von Ncompass gestartet werden, ohne inSight bzw. den CAE von IBM für
Funktion:
DB2-Zugriff auf dem Client installieren zu müssen Vorteile:
Kein spezieller Installationsaufwand, gutes Update-Konzept, guter Datenschutz (RACF bei DB2 von IBM), Portierbarkeit (bisherige Anwendung läuft ohne Änderung, damit gleitender Wechsel
Nachteile:
Herstellerabhängig (Microsoft), Sicherheit bei Internet-Einsatz, nicht alle Betriebssystemvarianten
möglich) werden unterstützt
Technik 2
HTML-Objekte
inSight-Anwendungen mit Browser-Objekt
HTML-Dokumente lassen sich in einem speziellen inSight-Objekt anzeigen. Die URL (Internet-
Funktion:
Adresse des Dokuments) kann dabei aus einer Datenbank stammen Vorteile:
Problemloses Einbinden unstrukturierter Dokumente, Navigation über Datenbank
Nachteile:
nicht alle Betriebssystemvarianten werden unterstützt
Technik 1 und Technik 2 sind kombinierbar
Abb. SS: Internet-Technik im Zusammenhang mit inSight® 4.2 Browser-Zugriff mit ActiveX Microsoft bietet mit der ActiveX-Technologie die Möglichkeit, komplette Anwendungen im Internet/Intranet zu plazieren. Es bedarf dann nur eines Browsers (Explorer oder Netscape), um sie zu nutzen, s. Abb. 56. H TTP
Client
intern
H
Strvtr
Zugriff-
Tüll-Seite
schütz:
TCP/IP HTTP
{oder
HTML-Browser
tali
Client
è» ek-B
A
P
OLE 2) NT 14.x 1
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Firewall
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unter H TM L-B (
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(Microsoft}
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"inSight
für
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Abb. 56: Intranet-Zugriff über ActiveX-Technologie 223
Bernd-Ulrich Kaiser Es überraschte alle ISOM-Betreiber, wie leicht dies, zumindest in einem Prototyp, realisiert werden konnte. Noch sind nicht alle Komponenten verfugbar, um diese Vorgehensweise auch auf den unterschiedlichen PC-Plattformen, die ISOM unterstützt, anzubieten. Aber an dieser bzw. einer vergleichbaren Technik fuhrt in der Zukunft, nicht nur für ISOM-Anwendungen, kein Weg mehr vorbei. Die Installationskosten lassen sich auf ein Minimum reduzieren, die Verfügbarkeit, eine sichere Anbindung des Unternehmens-Intranet an das Internet vorausgesetzt, ist praktisch weltweit. Eine integrierte „Mobil"-Option ermöglicht, einen Teil der Daten auch off line vorzuhalten, wenn z. B. ein Flugzeug noch nicht über einen Internet-Anschluß verfugt.
4.3 Einbindung von HTML-Objekten Die anfängliche Internet-Euphorie weicht inzwischen einer gewissen Ernüchterung, weil zwar unendlich viele Informationen verfügbar sind, man aber einige Mühe aufwenden muß, sie zu finden und sich über aktuelle Änderungen zu informieren. Dazu mangelt es oft an der Informationsqualität. Werbebotschaften nehmen einen großen Raum ein, manche Server sind nicht immer oder schlimmstenfalls überhaupt nicht mehr verfügbar. Der teilweise recht langsame Informationsaufbau und die damit verbundenen Wartezeiten tragen zusätzlich zu einer gewissen Internet-„Müdigkeit" bei. Andererseits bietet die neue Technik Möglichkeiten, besonders elegant Text- und Bildinformationen in ein ISOM einzubinden, was sich über die Datenbanktechnik nicht so einfach erreichen läßt. Eine Kombination von Data Warehouse und Internet bietet sich an, wobei beide ihre Stärken ausspielen können: Die Datenbank bringt Struktur, das Internet die abwechslungsreichen Informationen. Was liegt näher als die Internetadressen in einer Datenbank abzulegen und sie damit zu einem Bestandteil des Data Warehouses zu machen? Physikalisch bleiben dabei die Internet-Seiten dort, wo sie derzeit sind. Möglicherweise liegt hierin ein Vorteil gegenüber dem Ansatz, alle Internet/Intranet-Informationen zentral, z. B. in einer Datenbank, abzulegen. Das bedeutet, daß HTML-Objekte in die ISOM-Anwendung eingebunden werden müssen, um die hervorragende Navigation (OLAP bzw. ROLAP), die mit einer relationalen Datenbank möglich ist, auch für Internet/Intranet-Informationen zu nutzen. In einer Pilotanwendung wurde dies bereits realisiert. Mit dieser „OLINDA"-Technik (vgl. Kaiser, 1997, S. 165), in der OLap-, INternet- und DAta Warehouse-Know-how zusammenfließen, läßt sich der Angebotsumfang von ISOM erheblich erweitem, wobei die ISOM-Anwender sicher sein können, schnell zu interessanten, gesicherten Informationen zu gelangen. Das ermöglicht einen weiteren 224
Unternehmensinformation Sprung in Richtung einer virtuellen Unternehmenszeitung, die datenbankgetrieben verschiedene Zielgruppen erreichen und diesen relevante Informationen auf dem Titelblatt, d. h. dem Startblatt der ISOM-Anwendung, präsentieren kann. Man sollte trotz allem jedoch nicht vergessen, daß Management-Informationssysteme wie ISOM einen hohen redaktionellen Aufwand erfordern. Trotz Quantensprünge in der Technik kann hier auch in Zukunft nicht auf die menschliche Komponente verzichtet werden.
225
Bernd-Ulrich Kaiser Literatur: Codd, E. F.; Codd, S. B.; Sally, C. T. (19931 Providing OPAP (On-Line Analytical Processing-) to User-Analysts: An IT Mandat. E.F. Codd & Associates, White Paper 1993 Eckerson, Wayne (1993). Red Brick Systems enhances ist data warehouse product. In: Network World, Vol. 10 Iss. 25 (June 1993) Kaiser, Bernd-Ulrich (1996). Das Data Warehouse-Konzept. In: Muksch, Harry; Behme, Wolfgang (Hrsg.), Wiesbaden Kaiser, Bernd-Ulrich (1997). Unternehmensinformation mit SAP-EIS®. Wiesbaden
226
3.3.2 Geschäftsprozeßverbesserung durch den Einsatz von DV-Technik von
Martin Burghardt, Martin Feldt, Prof. Dr. Thomas Pietsch
1
Rahmenbedingungen und Vorgehensweise
2
Ermittlung und Bewertung der Istsituation (Istanalyse) 2.1 Istaufnahme - Prozeß der Bearbeitung der Wohnungsbauprämienförderung 2.2
3
Schwachstellenanalyse
Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen (Sollkonzept) 3.1 Das neue Konzept zur verstärkten EDV-Nutzung 3.2 Umsetzung durch ein Informationsverarbeitungssystem 3.3 Prozeßänderungen
4
Vorbereitung der Maßnahmen (Realisierungsplanung) 4.1 Durchzuführende Maßnahmen 4.2
Terminplanung
4.3 Personelle Zuordnung 5
Bewertung des Verbesserungskonzeptes 227
Burghardt
/Feld/Pietsch
In der Wohnungsbauprämienstelle (WoP-Stelle) der Ostdeutschen Landesbausparkasse (LBS) AG wurden die an den Arbeitsplätzen befindlichen Personal Computer ausschließlich für die Kommunikation mit dem Großrechnersystem verwendet. Anlaß des hier vorgestellten Projektes war das Ziel, durch eine stärkere Nutzung der DV-Ressourcen die bestehenden Abläufe in der WoP-Stelle zu optimieren.
1 Rahmenbedingungen und Vorgehensweise Die Ostdeutsche Landesbausparkasse mit Sitz in Potsdam gehört zur Gruppe der 13 Landesbausparkassen, die rund ein Drittel des Bausparmarktes in der Bundesrepublik Deutschland halten. Insgesamt werden 10,9 Mio. Bausparverträge mit einem Vertragsvolumen von mehr als 380 Mrd. DM betreut. Hiervon entfallen über 600.000 Verträge auf die 1990 gegründete Ostdeutsche Landesbausparkasse AG. Ein wichtiger Funktionsbereich in Bausparkassen ist die Wohnungsbauprämienstelle, die innerhalb einer Bausparkasse für die Bearbeitung der Anträge auf die Gewährung der staatlichen Wohnungsbauprämienförderung zuständig ist. Im Jahr 1995 wurden in Potsdam ca. 120.000 Wohnungsbauprämienanträge bearbeitet. Hierbei zeigte es sich zunehmend als erforderlich, die Prozeßorganisation zu untersuchen und durch vermehrten Technikeinsatz zu verbessern. Ein wichtiger Ausschnitt des dazu durchgeführten Projektes wird in diesem Beitrag vorgestellt. Im ersten Schritt, der Istanalyse, werden die Anforderungen der Umwelt an die Bearbeitung der Wohnungsbauprämienanträge beschrieben. Aus diesen Anforderungen wird der Prozeß der Wohnungsbauprämienbearbeitung durch die Bausparkassen abgeleitet. Wie diese Aufgaben ablauforganisatorisch umgesetzt und technisch unterstützt sind, wird in einem Systemmodell der WoP-Stelle dargestellt. Das Systemmodell ist das Ergebnis der durchgeführten Istaufnahme. Die Informationen dieses Modells bilden die Voraussetzung, um ablauforganisatorische und technologische Schwachstellen aufzudecken. Die Istanalyse wird mit der Gewichtung der Schwachstellen unter Berücksichtigung der Unternehmensziele abgeschlossen. Im zweiten Schritt, dem Sollkonzept, werden Lösungsvorschläge zur Beseitigung der Schwachstellen erarbeitet. Die Lösungsvorschläge münden in einem neuen Modell, welches eine modifizierte Ausführung der Aufgaben zeigt und in dem die Schwachstellen beseitigt sind. Im dritten Schritt, der Realisierungsplanung, wird ein Maßnahmenkatalog zur Umsetzung der Verbesserungsvorschläge erarbeitet, ein Zeitplan zur Durchführung der Maßnahmen vorgegeben und die Übertragung der Maßnahmen auf einzelne Aufgabenträger geregelt.
228
Geschäftsprozeßverbesserung Eine Bewertung der durchzuführenden Maßnahmen schließt die Darstellung ab.
2 Ermittlung und Bewertung der Istsituation (Istanalyse) Die Istanalyse wurde in zwei Schritten durchgeführt, der Istaufnahme und deren anschließender Auswertung, der Schwachstellenanalyse.
2.1 Istaufnahme - Prozeß der Bearbeitung der Wohnungsbauprämienförderung Die Aufgaben der Wohnungsbauprämienstelle werden durch die gesetzlichen Vorschriften für die Wohnungsbauprämienförderung bestimmt. Welche auslösenden Ereignisse bei der Aufgabenbearbeitung den Austausch von Informationen veranlassen, welche Abläufe unter Einsatz welcher technischen Hilfsmittel die Informationsverarbeitung innerhalb des Systems ermöglichen und welche Reaktionen das System an die Umwelt abgibt, war Gegenstand der in Abbildung 57 dargestellten Systembetrachtung der WoP-Stelle.
EREIGNISSE
WOP-STELLE
REAKTIONEN Unvollständige Beantragung wird an Bausparer zurückgeschickt Anträge werden gescannt Festsetzung wird beim zuständigen Finanzamt beantragt Auszahlung wird beim zuständigen Finanzamt beantragt
Prämieneingang wird dem Bausparkonto gutgeschrieben Wohnungsbauprämie wird an Bausparer ausgezahlt Auszahlung wird Bausparer mitgeteilt Wohnungsbauprämie wird an Finanzamt zurückerstattet Rückzahlung wird Finanzamt mitgeteilt Abb. 57: Ausschnitt aus dem Ereignis-Reaktions-Schema
229
Burghardt
/Feld/Pietsch
Zunächst wurden die Außenbeziehungen der Wohnungsbauprämienstelle untersucht, um Ansatzpunkte für die Analyse der Abläufe im Systeminneren zu erhalten. Zwei Aspekte waren dabei von Interesse: 1. Welche Ereignisse aus der Systemumgebung lösen systeminteme Abläufe aus und welche Reaktionen gibt das System an die Umwelt zurück? 2. Welche Eingangsinformationen gelangen von der Systemumgebung in das System hinein und welche Ausgangsinformationen verlassen es?
Anschließend wurde aus der Liste von Ereignissen, die von der Umwelt auf die WoP-Stelle einwirken, ein Ereignis-Reaktions-Schema entwickelt (vgl. den Ausschnitt in der Abbildung 57). Hierbei wurde die WoP-Stelle zunächst als Black Box dargestellt. Im folgenden soll der Inhalt der Black Box detailliert betrachtet werden. Um diesen Inhalt - die Prozesse - zu beschreiben, werden Prozeßmodelle verwendet.
BeispielprozeB 1 - Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen Der Zahlungsverkehr der Ostdeutschen Landesbausparkasse AG wird über eine Landesbank abgewickelt. Die Finanzämter leisten die Zahlungen für angeforderte Wohnungsbauprämien auf ein dort geführtes Konto. Der Funktionsbereich Zahlungsverkehr der LBS erhält täglich von der Landesbank beleglos die Kontobuchungen. Der Eingang von Zahlungen löst die Prozeßkette 'Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen' aus, die vom Funktionsbereich Zahlungsverkehr bearbeitet wird. • Zahlungsbeleg drucken^. 1] erstellt aus den Datensätzen des beleglosen Zahlungsverkehrs Zahlungsbelege, die aus Listen im A3-Format auf eine passende Größe zurechtgeschnitten werden. • Zahlungseingang
WoP-Stelle zuordnen[.2] filtert aus allen Zahlungseingängen diejenigen
heraus, die Wohnungsbauprämienauszahlungen betreffen und ordnet die ausgedruckten Zahlungsbelege der WoP-Stelle zu. •
WoP-Zahlungseingang auf Konto 22907 buchen[3] bringt die Beträge der WoP-Zahlungseingänge in einer Sammelbuchung auf das SAP-Konto 22907, welches die Schnittstelle zwischen Zahlungsverkehr und WoP-Stelle darstellt. Abschließend werden die ausgedruckten Zahlungsbelege der WoP-Stelle zur weiteren Bearbeitung übergeben.
230
Geschäftsprozeßverbesserung
Abb. 58: Prozeßmodell - Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen
Beispielprozeß 2 - Prämieneingang auf Bausparkonto gutschreiben Von der WoP-Stelle werden die von den Finanzämtern überwiesenen Beträge zur weiteren Verarbeitung zuerst auf die entsprechenden Hauptbuchkonten gebucht. Von LBS-ONLINE werden sie von den Hauptbuchkonten auf die Bausparkonten weitergeleitet. Die Übernahme der Zahlungsbelege vom Funktionsbereich Zahlungsverkehr löst den Prozeß 'Prämieneingang dem Bausparkonto' gutschreiben aus •
WoP-Zahlungseingang
Finanzamt zuordnen^. 1] identifiziert das auszahlende Finanzamt
über den Buchungstext. •
WoP-Zahlungseingang HBK zuordnen[2] notiert auf dem Zahlungsbeleg die dem Finanzamt zugeordnete Hauptbuchkontonummer.
231
Burghardt / Feld / Pietsch • Buchungsanweisung
SAP 22907-
HBK erstellen^3]
trägt die Umbuchungstexte in eine
Sachkonto-Buchungsliste ein, die im Anschluß zur Ausfuhrung der Buchungsanweisungen an die Finanzbuchhaltung übergeben wird. •
WoP-Zahlungseingang
Auszahlliste
sucht in den Unterschriftenmappen nach
zuordnen[A\
der Auszahlliste, auf die sich der Zahlungseingang bezieht, und fugt den Zahlungsbeleg hinzu. • Auszahlliste
zum 'Buchen Prämie' freigeben^.5]
ermittelt die Summe der festgesetzen und
auszuzahlenden Beträge der Liste und übergibt diese zusammen mit der Listennummer an LBS-ONLINE. In der folgenden Nacht werden die Datensätze der Sammelliste in einer Stapelverarbeitung auf die Bausparerkonten gebucht.
Zahlunqsverkeh
"Finanzamt zahl ahresprämie aus
WoP-Zahlungseingang Ausdruc belegloser Zahlungsverkehr.
Unterschriftenmappe Auszahllisten Bundesland-Alphabet-Prämienja
Verzeichnis Zuordnung FA->HBK Ablage WoP-Zahlungseingäng
WoP-ZahlungseinganHBK erstellen.3
WoP-Zahlungseinganp Auszahlliste zuordnen.4
Auszahlliste zum • 'Buchen Prämie' freigeben. 5 Festsetzung. Daten
WoP-Zahlungseingang Sachkonto-Buchungslist
Auszahlung Daten
Finanzbuchhaltung
Abb. 59: Prozeßmodell - Prämieneingang auf Bausparkonto gutschreiben
2.2 Schwachstellenanalyse Da bei Systemuntersuchungen zunächst nicht die Schwachstellen, sondern die Symptome wahrgenommen werden, die auf die Existenz von Schwachstellen hinweisen, erfolgte zunächst eine eingehende Beschäftigung mit den Symptomen (vgl. Tabelle 6). Die Analyse der Symptome deckte zahlreiche Schwachstellen auf, die in einem umfangreichen Schwachstellenkatalog zusammengefaßt wurden. Dieser wurde nach drei Kriterien gegliedert, die aus den Unternehmenszielen der LBS abzuleiten waren. Hier sind zu nennen: •
Verbesserungswürdige Kundenwirkung des Unternehmens
232
Geschäftsprozeßverbesserung • Mängel in der Leistungsfähigkeit der Organisation • Einschränkungen in der Qualität des Arbeitslebens
QUELLE
SYMPTOM
Bausparer,
Briefe an Kunden sind von unzureichender Qualität und umständlich zu erstel-
Mitarbeiter
len.
Bausparer
Bei der nachträglichen Auszahlung von Wohnungsbauprämien ist die Durchlaufzeit von der Anforderung beim Finanzamt bis zum Eingang der Zahlung beim Bausparer lang.
Mitarbeiter
Effizienzverluste bei manuellen Tätigkeiten wie Buchungen, Vorbereitung von Überweisungen etc. im Prozeß der Verarbeitung der WoP-Zahlungseingänge.
Mitarbeiter
Die SAP-Hauptbuchkontenabstimmung ist zu aufwendig.
Mitarbeiter
In der WoP-Stelle herrscht starke Arbeitsüberlastung.
Mitarbeiter
Die Ausbildung im Umgang mit PC und Kenntnisse über die Möglichkeiten der vorhandenen Software sind unzureichend.
Tab. 6:
Ausschnitt aus den ermittelten Symptomen
Tabelle 7 zeigt einen Ausschnitt aus dem Schwachstellenkatalog und verdeutlicht die Dokumentation der Ergebnisse dieses Teils des Projektes. Als Entscheidungshilfe zur Bildung einer Rangfolge für die Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen dienten Bewertungen der einzelnen Schwachstellen, die in Tabelle 8 als Entscheidungstabelle dargestellt sind. Hierin sind alle Schwachstellen aufgelistet, die grundsätzlich weiter bearbeitet werden sollen. In den Bewertungsspalten (Kunde, Leistung, Mitarbeiter) werden die qualitativen Einzelbewertungen ausgegeben, die durch die Führungskräfte der WoP-Stelle für jede Schwachstelle vorgenommen wurden. Um die nominale Bewertung in eine ordinale zu überfuhren, mit der gerechnet werden kann, erhalten negative Wertungen eine -1, die Wertung niedrig eine 1, mittel eine 2 und hoch eine 3. Es sind nur Werte für das hauptsächlich betroffene Ziel eingetragen, weil sich die quantitative Bewertung ausschließlich darauf bezieht. Die qualitativen Bewertungen zu den anderen Zielen sind ausgeblendet und wurden bei der Entscheidung nicht berücksichtigt.
233
Burghardt 1. Symptom 2. Ursachen
a)
b) c)
d) e) f) g) h) i)
j)
k) a)
3. Anderungsbedarf
b) c)
d)
e) 4. Verbesserungspotential Tab. 7:
234
/Feld/Pietsch
Effizienzverluste bei manuellen Tätigkeiten, wie Buchungen, Vorbereitung von Überweisungen, im Verarbeitungsprozeß der WoP-Zahlungseingänge. Der gesamte Vorgang der Verarbeitung der WoP-Zahlungseingänge enthält • nicht automatisierte manuelle Tätigkeiten, • Medienbrüche und • Mehrfacherfassungen von Daten. Medienbruch beim Ausdruck der Zahlungsbelege aus den Datensätzen des beleglosen Zahlungsverkehrs (Daten - Ausdruck belegloser Zahlungsverkehr). Die Zuordnung der WoP-Zahlungseingänge zur WoP-Stelle ist nicht automatisiert. Die Buchung der WoP-Zahlungseingänge auf das Konto 22907 enthält einen weiteren Medienbruch (Ausdruck belegloser Zahlungsverkehr Daten) und ist nicht automatisiert. Die Zuordnung der WoP-Zahlungseingänge • zum auszahlenden Finanzamt • zum entsprechenden Hauptbuchkonto • auf die Hauptbuchkonten • zu den entsprechenden Auszahllisten ist nicht automatisiert. Die Errechnung der Summe aus Auszahlung und Festsetzung zur Freigabe einer Auszahlliste ist nicht automatisiert. Die Gebührenberechnungen, die Erstellung der Buchungsanweisungen und die Durchfuhrung der Buchungsanweisungen durch die Fibu sind nicht automatisiert. Das Eintragen der meisten Werte in die Überweisungsformulare ist nicht automatisiert und es existiert ein Medienbruch zum beleglosen Zahlungsverkehr. ... Der gesamte Prozeß Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen ist zu automatisieren. WoP-Zahlungseingänge sind der WoP-Stelle als Daten zur Verfugung zu stellen. Der gesamte Prozeß Prämieneingang dem Bausparkonto gutschreiben bis zur Freigabe der Auszahlliste in der LBS-ONLINE-Dialogmaske ist zu automatisieren. Die Datensätze des Verarbeitungsprotokolls 'Einbehaltene Beträge' sind auf einem maschinell lesbarem Medium verfugbar zu machen, um die Daten für eine elektronische Verarbeitung nutzen zu können. Die genannten Aufgaben aus den Punkten 2. Ursachen, i)-l) sind durch die Nutzung elektronischer Datenverarbeitung zu rationalisieren. Erhebliche Einsparung von Mitarbeiterressourcen in der WoP-Stelle, möglicherweise auch in der Finanzbuchhaltung und im Zahlungsverkehr.
Ausschnitt aus dem Schwachstellenkatalog - Unzureichende EDV-Nutzung bei der Verarbeitung der WoP-Zahlungseingänge
Geschäftsprozeßverbesserung Nr. Titel im Schwachstellenkatalog 1
2 3 4 5
6
7
8 9 10 11 12 13
Kunde
Qualitätsmängel durch LBS3 ONLINE-Texid und umständliche Bearbeitung Fehlende Angabe des Prämienjah- 3 res im Jahreskontoauszug Fehlende Managementinformation 1 zur Prozeßsteuerung Kreisgebietsreform - ohne Bewertung Keine Zusammenhangsinformationen bei der SAP-Hauptbuchkontenabstimmung Unzureichende EDV-Nutzung b. der Verarbeitung der WoP-Zahlungseingänge Fehlende Anwendungsoberfläche bei der Erstellung der Adreßaufkleber Inefiiziente Sortierung der Adreßaufkleber und der Auszahllisten Mangelnde Informationsqualität in der Dialogakte LBS-ONLINE - ohne Bewertung Streß bei mangelnder Information Fehlende Regelungen der Zuständigkeit fur Kundenanrufe Fehlende Kenntnisse zur Nutzung von PC-Anwendungsprogrammen
Tab. 8:
Leistung
Mitar- Quan- Kunbeiter tität de 2 6
2
6
2
2
Leistung
3
3
9
3
4
12
3
1
3
2
2
4
3
1
3
Mitarbeiter
3 3
2 2
6 6
3
1
3
Entscheidungstabelle zum Schwachstellenkatalog
In der folgenden Spalte befinden sich die Angaben zur Quantität, transformiert in ordinale Werte nach der Vorschrift: niedrig = 1, mittel = 2, hoch = 3 und sehr hoch = 4. Um Quantität und Qualität in der Entscheidung zu berücksichtigen, wird der quantitive Wert mit dem qualitativen multipliziert. Das Ergebnis ist, nach den Zielen getrennt, in den folgenden drei Spalten abzulesen.
3 Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen (Sollkonzept) Auf der Basis der Entscheidungstabelle aus der Tabelle 8 wurde die Schwachstelle 6 'Unzureichende EDV-Nutzung bei der Verarbeitung der WoP-Zahlungseingänge' zuerst bearbeitet. In 235
Burghardt / Feld / Pietsch den folgenden Ausführungen wird das Lösungskonzept zur Behebung dieser Schwachstelle exemplarisch vorgestellt.
3.1 Das neue Konzept zur verstärkten EDV-Nutzung Für die Erarbeitung der Verbesserungsvorschläge wurde das Ziel gesetzt, Arbeitskapazitäten durch Rationalisierungsmaßnahmen einzusparen. Beim Verarbeiten der WoP-Zahlungseingänge wurde für alle erfaßten Prozesse eine Reduktion des Arbeitsaufwands um 30 % angestrebt. Hierzu waren verschiedene Schwachstellen zu beseitigen, die sich überwiegend dadurch auszeichneten, daß die Tätigkeiten technisch unzureichend unterstützt waren und weiterhin doppelte Arbeitsschritte, Medienbrüche und Mehrfacherfassungen von Daten enthielten (vgl. die Ausfuhrungen zum Punkt 2. in Tabelle 7).
Automatisierung manueller Verrichtungen Zwei wesentliche Bestimmungsgrößen von Prozessen - Zeit und Kosten - sollten durch die Automatisierung der Verrichtungen verbessert werden. Ausgangspunkt war, daß jede Verarbeitungsfünktion eines Prozesses einem bestimmten Prozessor zugewiesen ist. • Um die Ablaufgeschwindigkeit von Prozessen zu erhöhen, kann ein langsamer Prozessor gegen einen Prozessor getauscht werden, der die gleiche Funktionalität besitzt, aber in der Lage ist, die Verrichtungen in kürzerer Zeit auszuführen. • Zur Senkung der Prozeßkosten besteht die Möglichkeit, einen Prozessor gegen einen kostengünstigeren Prozessor auszuwechseln.
Automatisierung bedeutet in der Praxis, daß manuelle Funktionen des relativ langsamen und teuren Prozessors Mensch auf den schnelleren und billigeren Prozessor Maschine übertragen werden. Durch das in der LBS eingesetzte Computersystem LBS-ONLINE war bereits eine Vielzahl an Funktionen im Zusammenhang mit der Wohnungsbauprämienbearbeitung automatisiert. Darüber hinaus war jedoch eine Automatisierung weiterer manueller Funktionen unter Verwendung von Personal Computern vorzunehmen, um bisher ungenutzte Optimierungspotentiale für die Ablaufgeschwindigkeit und für die Prozeßkosten zu nutzen.
Beseitigung von Medienbrüchen Unterschiedliche Prozessortypen können verschiedene Medien zur Speicherung von Daten benötigen. Ein Problem, welches sich daraus ergibt, ist die Notwendigkeit zur Übertragung der 236
Geschäftsprozeßverbesserung Daten von einem Medium auf ein anderes. Um die Anzahl bestehender Medienbrüche zu reduzieren, waren die für die Verarbeitung benötigten Daten auf möglichst wenigen verschiedenartigen Informationsträgern vorzuhalten, auf die die Verarbeitungsfunktionen ohne vorherige manuelle Übertragungstätigkeiten zugreifen sollen.
Vermeidung der Mehrfacherfassung von Daten Ein Teil der Prozesse erforderte manuelle Dateneingaben durch die Sachbearbeiter. Wurden gleiche Daten mehrfach benötigt, waren Einsparungen dadurch zu erreichen, daß die Daten nur einmal manuell erfaßt und später aus einem Zwischenspeicher wieder abgerufen wurden. Die Prozesse waren dafür um technische Möglichkeiten zu erweitern, die der Speicherung und mehrfachen Nutzung der Daten in nachgelagerten Funktionen dienen.
3.2 Umsetzung durch ein Informationsverarbeitungssystem Aus den Forderungen der genannten Punkte ergab sich die Notwendigkeit, ein Informationsverarbeitungsystem auf der Basis einer Datenbank zu entwickeln. 1. Zur Automatisierung der manuellen Verrichtungen waren die Programmiermöglichkeiten von Datenbanken geeignet, um Algorithmen mit Hilfe einer Programmiersprache als Verarbeitungsfunktionen zu implementieren. 2. Zur Vermeidung von Medienbrüchen war die Speicherung der von den einzelnen Verarbeitungsfunktionen benötigten Daten in einer gemeinsamen Datenbank ratsam, auf die die Funktionen unmittelbar zugreifen können. Unter Verwendung der Programmiersprache ließen sich auch automatische Schnittstellen erstellen, die den Datentransfer von und zu anderen Medien regeln. 3. Um manuelle Mehrfacherfassungen von Daten zu vermeiden, ließen sich einmal erfaßte Werte in einer Datenbank speichern und zur Wiederverwendung als Vorbelegung in die Eingabefelder von Dialogmasken kopieren beziehungsweise ohne Dialog direkt für die Verarbeitungsfunktionen verwenden.
Um die Einsatzmöglichkeiten dieses Informationsverarbeitungssystems bei der Wohnungsbauprämienbearbeitung aufzuzeigen, wurden Änderungen an den Prozeßmodellen notwendig.
237
Burghardt / Feld / Pietsch 3.3 Prozeßänderungen Die Prozeßänderungen waren entsprechend den Schwachstellen im Schwachstellenkatalog vorzunehmen. Es handelt sich in der folgenden Darstellung ausschließlich um die Prozesse im Zusammenhang mit der Verarbeitung der WoP-Zahlungseingänge
Soll-Prozeßmodell - Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen Die ersten Änderungen sind im Soll-Prozeßmodell bei „Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen" notwendig (vgl. Abbildung 60). Zum Vergleich sei auf das gleichlautende Prozeßmodell der Istanalyse verwiesen (vgl. Abbildung 58: Prozeßmodell - Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen).
Abb. 60: Soll-Prozeßmodell - Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen
238
Geschäftsprozeßverbesserung Der erste Medienwechsel, der überbrückt werden muß, liegt zwischen den Daten des beleglosen Zahlungsverkehrs und den Daten in der PC-Datenbank, die die Zahlungseingänge zur weiteren Bearbeitung vorhalten soll. Die Funktion Zahlungseingänge
verftigbar machen[.l]
überträgt die Zahlungseingänge in einer automatischen Übertragung in die PC-Datenbank. • Zahlungseingang
WoP-Stelle zuordnen^.!] identifiziert die Zahlungseingänge der Finanz-
ämter, die WoP-Zahlungen beinhalten und markiert diese Auswahl, im Prozeßmodell dargestellt durch die PC-Datenbank WoP-Zahlungseingang
als Teilmenge der PC-Datenbank
Zahlungseingang. Die Datenbank WoP-Zahlungseingang steht später der WoP-Stelle zur Verfügung. • Buchungsanweisung
Zahlungseingänge-
SAP 22907 erstellen^3]
ist eine automatisierte
Aufgabe, die die Daten der Datenbank WoP-Zahlungseingang zur Umbuchung nutzt. Für das Durchführen der Aufgabe gibt es zwei Alternativen. Entweder kann, wie bisher (allerdings automatisch), eine Sachkonto-Buchungsliste mit den Buchungsanweisungen gedruckt werden, die die Finanzbuchhaltung zur Ausführung erhält, um manuell die Buchungsanweisungen auszufuhren und damit die Daten vom Medium Sachkonto-Buchungsliste nach SAP zu übertragen. Vorteilhafter ist jedoch das zweite Verfahren, welches die Buchungsanweisungen in Form von Daten in eine Batch-Input-Mappe überträgt, die später von SAP in einer automatischen Stapelverarbeitung gebucht wird.
Im günstigsten Fall ist also der gesamte Prozeß Zahlungseingang
WoP-Stelle
zuordnen
automatisierbar und damit die Medienbrüche zu beseitigen. Als manuelle Tätigkeiten verbleiben die Kontrolle der Vorgänge und die Bearbeitung von Ausnahmefällen.
Soll-Prozeßmodell - Prämieneingang dem Bausparkonto gutschreiben Das ursprüngliche Prozeßmodell - Prämieneingang auf Bausparkonto gutschreiben (vgl. Abbildung 59) muß aus Gründen der Übersichtlichkeit auf zwei Abbildungen aufgeteilt werden (vgl. Abbildung 61: Soll-Prozeßmodell - WoP-Zahlungseingang auf Hauptbuchkonto buchen und Abbildung 62: Soll-Prozeßmodell - Auszahlliste zum 'Buchen Prämie' freigeben). Außerdem wird eine Ablaufänderung gegenüber dem bisherigen Vorgehen notwendig, um die Umsetzung eines weiteren Verbesserungsvorschlages zu unterstützen. Diese Ablaufverbesserung führt dazu, daß die Funktionen WoP-Zahlungseingang einer Auszahlliste zuordnen[.3] und in Auszahlliste WoP-Zahlungseingang vermerken[A] noch vor der Funktion Buchungsanweisung SAP-22907- >HBK erstellen[.5] durchzuführen sind. 239
Burghardt
/Feld/Pietsch
Abb. 61: Soll-Prozeßmodell - WoP-Zahlungseingang auf Hauptbuchkonto buchen
•
WoP-Zahlungseingang
Finanzamt
zuordnen[A]
analysiert den Buchungstext auf den
Namen des auszahlenden Finanzamtes und nimmt eine entsprechende Zuordnung vor. Dieser bisher manuelle Prozeßschritt kann mittels eines geeigneten Algorithmus' durch ein PCSystem durchgeführt werden Die Verarbeitung von Spezialfällen ist in einem Nutzerdialog denkbar •
WoP-Zahlungseingang
HBK zuordnen[.2] bereitet jeden Datensatz zur Umbuchung auf das
entsprechende Hauptbuchkonto vor. Jedem Finanzamt ist ein Hauptbuchkonto zugewiesen und entsprechend dieser Zuordnungsvorschrift, die in der Datenbank FA->HBK vorgehalten wird, wird jedem WoP-Zahlungseingang automatisch ein Hauptbuchkonto zugewiesen •
WoP-Zahlungseingang
Auszahlliste
zuordnen[.3]
stellt die Verknüpfung des
WoP-
Zahlungseingangs mit der Auszahlliste her, die beim Finanzamt die Zahlung ausgelöst hat
240
Geschäftsprozeßverbesserung • In Auszahlliste
WoP-Zahlungseingang
vermerken[.4]
stellt technisch die Verknüpfung her
und kennzeichnet damit die zugeordnete Auszahlliste als ausgezahlt •
Die Buchungsattweisung
SAP 22907-
HBK erstellend 5] setzt sowohl die Zuordnung des
WoP-Zahlungseingangs zum entsprechenden Hauptbuchkonto und neuerdings auch die Zuordnung zur entsprechenden Auszahlliste voraus (vgl. Einleitung zu Soll-Prozeßmodell Prämieneingang auf Bausparkonto verwahren). Die benötigten Daten werden der PCDatenbank WoP-Zahlungseingang
und der PC-Datenbank Auszahlliste
entnommen. Erneut
bieten sich für die Erstellung der Buchungsanweisungen zwei Alternativen an. Entweder druckt die Funktion eine Sachkonto-Buchungsliste, die der Finanzbuchhaltung zur Ausfuhrung übergeben wird, oder die aufbereiteten Daten aus den beiden PC-Datenbanken WoPZahlungseingang
und Auszahlliste
werden in eine Batch-Input-Mappe übertragen, um von
SAP in einer Stapelverarbeitung gebucht zu werden. Anschließend ist die Auszahlliste, auf die der WoP-Zahlungseingang erfolgt ist, zum Buchen der enthaltenen Prämieneingänge auf die Bausparkonten in LBS-ONLINE freizugeben.
Abbildung 62 zeigt den Ablauf im zweiten Prozeßmodell des Prozesses Soll-Prozeßmodell Prämieneingang auf Bausparkonto verwahren.
PC-Datenbank Auszahlliste
I
Auszahlung . Festsc tzung .
Summe Auszahlung + Festsetzung zum 'Buchen Prämie' freigeben.1
I
Auszahlung .
r
LBS-Online Bausparerkonto gewäh
Abb. 62: Soll-Prozeßmodell - Auszahlliste zum 'Buchen Prämie' freigeben
•
Summe Auszahlung
+ Festsetzung zum 'Buchen Prämie' freigeben^. 1 ] stellt noch nicht frei-
gegebene Auszahllisten zur Verfugung. Entweder in einer Bildschirmliste oder als Listen-
Burghardt / Feld / Pietsch ausdruck werden die LBS-ONLINE-Listenidentifikation und die benötigte Summe aus Auszahlung und Festsetzung zur Freigabe in der LBS-ONLINE-Dialogmaske 'Buchen Prämie' bereitgestellt.
4 Vorbereitung der Maßnahmen (Realisierungsplanung) Mit dem Sollkonzept wurde ein Entwurf vorgestellt, der den Zustand nach der Neugestaltung der Prozesse beschreibt. Überlegungen zur technischen Umsetzung wurden im Sollkonzept dann vorweggenommen, wenn es sich um Risikoelemente handelte, von denen das Gelingen der Verbesserungen abhing. In der Realisierungsplanung werden nun die konkreten Entwicklungsschritte unter einem inhaltlichen, zeitlichen und finanziellen Aspekt betrachtet. Die im Sollkonzept beschriebenen optimierten Prozeßketten werden durch die Nutzung eines EDV-Informationsverarbeitungssystems erreicht. Das Informationsverarbeitungssystem ist auf der Basis einer PC-Datenbankanwendung zu erstellen. Nach einer Befragung der Organisationsabteilungen weiterer Landesbausparkassen ließ sich feststellen, daß keine fertige Standard-Anwendung zur Einfuhrung des benötigten PC-Informationsverarbeitungssystems existiert. Es ist eine Individuallösung zu entwickeln. Für die Entwicklung von Individualsoftware bestehen in der Ostdeutschen Landesbausparkasse folgende Vorgaben. • Individuelle EDV-Anwendungen sind auf PC-Basis zu implementieren. • Als Datenbank ist ausschließlich das Produkt Paradox für Windows zu verwenden. • Die Programmierung von Individualsoftware ist in Outsourcing-Projekten an Fremdanbieter zu vergeben.
Durch diese Bedingungen wird der Entscheidungsspielraum für die Entwicklung der benötigten EDV-Anwendung eingeschränkt.
4.1 Durchzuführende Maßnahmen 1. Von der Seite der LBS ist eine detaillierte Spezifikation in der Form eines Pflichtenheftes zu erstellen, welches die Anforderungen an die zu erstellende EDV-Anwendung festlegt. Für die Erstellung des gesamten Pflichtenheftes ist auf die Arbeitsergebnisse der Untersuchung zurückzugreifen. Das Pflichtenheft muß mindestens die nachfolgend aufgeführten Bestandteile enthalten.
242
Geschäftsprozeßverbesserung • Eine Funktionsbeschreibung, die auf der Grundlage der Prozeßmodelle des Sollkonzeptes erstellt wird. • Eine Maskenbeschreibung, die teils aus der fertigen Funktionsbeschreibung, teils aus den Masken eines Prototypen abzuleiten sind, der für die Sollkonzept entwickelt wurde. Masken für die Verwaltung der Stammdaten müssen neu entwickelt werden. • Eine Listenbeschreibung, für die auf die in der Untersuchung erfaßten Ausgabelisten zurückgegriffen werden kann. • Eine Schnittstellenspezifikation, die für alle Prozeßmodelle des Sollkonzeptes die geplanten Schnittstellen zwischen PC-Datenbank und den anderen beteiligten EDV-Systemen enthält. Zur Beschreibung sind die Schnittstellenspezifikationen beispielsweise für den beleglosen Zahlungsverkehr oderSAP-Batch-Input-Mappen heranzuziehen. •
Dokumentationsvorgaben, die Form und Art der Dokumentation für den Entwickler festlegen (z.B. OnlineHilfe oder gedrucktes Handbuch).
Erweiternd kann durch die EDV-Abteilung der LBS ein Datenmodell für die Datenbank entwickelt und in das Pflichtenheft aufgenommen werden. Als Vorlage könnte das Datenmodell Wiederverwendung finden, welches für die Erstellung des Prototypen entworfen wurde. Auch der Eingang von Vorgaben zu einer Mitarbeiterschulung in das Pflichtenheft sind denkbar. 2. Das fertige Pflichtenheft bildet die Grundlage für das sich anschließende Ausschreibungsverfahren. Im Ausschreibungsverfahren werden mehrere Softwareentwickler aufgefordert, Angebote zur Softwareerstellung für das geplante PC-Informationsverarbeitungssystem abzugeben. 3 Ist die Angebotsfrist verstrichen und liegen mehrerer Angebote vor, ist eine Auswahl anhand des angebotenen Leistungsumfanges und der Preise zu treffen. 4. Ein Vertrag mit dem zu beauftragenden Softwareentwickler ist abzuschließen.
243
Burghardt
/Feld/Pietsch
5. Die Software ist durch den Softwareentwickler zu erstellen und der LBS abschnittsweise zur Überprüfung auf Tauglichkeit zu präsentieren. 6. Nach der Fertigstellung und Übergabe ist die Software auf dem Server der LBS zu installieren und auf Fehler zu prüfen, bevor die juristische Übernahme erfolgt. 7 Die Einweisung der Mitarbeiter in den Umgang mit der EDV-Anwendung ist der letzte Schritt vor der endgültigen Nutzung zur Verarbeitung der WoP-Zahlungseingänge.
4.2 Terminplanung 1. Das Pflichtenheft ist sofort zu beginnnen und in zwei Arbeitswochen fertigzustellen. 2. Die Ausschreibung kann sofort vorbereitet werden. Die Vorbereitung benötigt einen Arbeitstag. Das Verschicken der Angebotsaufforderungen wird erst mit der Fertigstellung des Pflichtenheftes möglich. 3. Die Ausschreibungsfrist sollte vier Wochen betragen. Die anschließende Auswahl ist an einem Arbeitstag möglich. 4. Die Ausarbeitung des Softwareentwicklungsvertrages benötigt ungefähr zwei Arbeitstage. Liegen bereits entsprechende Verträge vor, ist die Anpassung eines existierenden Vertrags an die aktuellen Bedingungen mit dem Aufwand eines Arbeitstages zu veranschlagen. 5. Die Erstellung der Software wird etwa sechs Wochen in Anspruch nehmen. Termine zur Präsentation der Zwischenergebnisse sind im Vertrag festzulegen. 6. Die Installation und Fehlerprüfung wird zwei Arbeitstage benötigen. 7. Für die Vorbereitung der Einweisung ist ein Arbeitstag zu veranschlagen und
für die
Durchfuhrung zwei Stunden.
Bis zur Nutzung des Informationsverarbeitungssystems ist somit eine Realisierungszeit von 14 Wochen zu veranschlagen.
4.3 Personelle Zuordnung Die Einführung des Informationsverarbeitungssystems ist als Projekt zu organisieren. Personelle Voraussetzung ist die Bildung eines Projektteams. Das Projektteam sollte aus mindestens einem Mitarbeiter der EDV-Abteilung, der für die Vertretung edv-technischer Fragen zuständig ist, und einem Mitarbeiter der WoP-Stelle, der mit den Anforderungen an die Verarbeitung der Wohnungsbauprämien vertraut ist, gebildet werden. Eventuell ist ein drittes Teammitglied aus der Rechtsabteilung einzubeziehen, um die juristische Seite der Realisation abzudecken. 244
Geschäftsprozeßverbesserung 1. Das Pflichtenheft ist durch den Projektmitarbeiter der EDV-Abteilung zu erstellen. Fachliche Rückfragen sind mit dem Projektmitglied der WoP-Stelle zu klären. 2.-4.
Das Ausschreibungsverfahren und die Auswahl sind dem Teammitglied aus der EDV-
Abteilung zu übertragen. Für die Ausarbeitung des Softwareentwicklungsvertrages ist die Rechtsabteilung der LBS hinzuzuziehen, eventuell das zur Bearbeitung juristischer Sachfragen ausgewählte Projektmitglied. 5. Bei der Präsentation der Zwischenergebnisse sind alle Projektmitglieder anwesend, um die Tauglichkeit der Zwischenergebnisse zu evaluieren. 6. Die Installation der EDV-Anwendung ist durch das Unternehmen durchzufuhren, das für die Wartung der PC-Server zuständig ist. Die Fehlerprüfiing ist von der Projekt verantwortlichen der WoP-Stelle unter Verwendung von Testdaten vorzunehmen. 7. Anhand der Kenntnisse aus den Präsentationen und der Fehlerprüfiing ist von dem Projektmitglied der WoP-Stelle eine etwa zweistündige Schulung vorzubereiten, um die Mitarbeiter einzuweisen, die in der Zukunft mit dem Informationsverarbeitungssystem die WoPZahlungseingänge verarbeiten werden.
S Bewertung des Verbesserungskonzeptes Zum Abschluß des Soll- und Realisierungskonzeptes wird eine Bewertung vorgenommen, wie die vorgeschlagenen Maßnahmen die für das Sollkonzept gesetzten Ziele erfüllen (vgl. Punkt 3.1). Hierbei wird die vorgestellte Lösung und zusätzlich die bereits angedeutete Ablaufänderung begutachtet. Der Wert der Verbesserungsvorschläge wird am Umfang der Einsparung an Arbeitsaufwand in und außerhalb der WoP-Stelle gemessen. Abbildung 62 stellt für die beiden vorgestellten Prozesse Zahlungseingang WoP-Stelle zuordnen und WoP-Zahlungseingang auf Hauptbuchkonto buchen den Werten der Istaufnahme die möglichen Einsparungen gegenüber, die durch die Realisierung der Verbesserungsvorschläge zu erreichen sind. Zusätzlich ist in der Tabelle eine dritte Position angefügt, um diese Gegenüberstellung für die weiteren Prozesse und die dafür erarbeiteten Verbesserungsvorschläge vorzunehmen. Aus der letzten Zeile der Abbildung 62 ergibt sich eine prognostizierte Reduzierung des Arbeitsaufwandes um 190 Stunden. Das entspricht einer Einsparung von 45 % und ist ein Wert, der das gesteckte Ziel, 30 % des manuellen Arbeitsaufwands einzusparen, bei weitem übertrifft. Dies ist darauf zurückzuführen, daß ein größerer Teil des Arbeitsaufwandes (enthalten in der Position 'weitere Prozesse') auf ein ablauftechnisches Problem zurückzuführen
245
Burghardt /Feld / Pietsch war, das sich durch die weiter oben beschriebene Prozeßänderung beseitigen läßt und das zu der zusätzlichen erheblichen Einsparung fuhrt. Prozeß Beteiligte Funktionsbereiche
Zahlungseingang WoPStelle zuordnen Zahlungsverkehr WoP-Zahlungseingang auf Hauptbuchkonto buchen WoP-Stelle Summen Weitere Prozesse WoP-Stelle Finanzbuchhaltung Projektsummen Tab. 9:
Mögliche Einspa- Arbeitsaufwand rungen durch die nach der Einführung der VerbesseVerbesserungen rungen
Bisheriger Arbeitsaufwand
30 Std.
-30 Std.
0 Std.
40 Std. 70 Std.
-40 Std. -70 Std.
OStd. OStd.
340 Std. 10 Std.
-110 Std. -10 Std.
230 Std. OStd.
-190 Std.
230 Std.
420 Std.
1
Prognose der Zeiteinsparungen bei Realisierung der Verbesserungsvorschläge
Um die Entscheidung treffen zu können, welche Verbesserungsvorschläge unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten realisiert werden sollen, ist die jeweils erwartete Einsparung an Arbeitszeiten den Kosten für die Maßnahmen zur Realisierung gegenüberzustellen. Auch weitere Determinanten, wie beispielsweise die positive Kundenwirkung bei einer Verkürzung der Durchlaufzeiten oder die Auswirkungen eines optimierten Umgangs mit Belastungsspitzen auf die Mitarbeiter, können einen wesentlichen Einfluß auf die Entscheidung nehmen. Insgesamt kann festgehalten werden, daß der Aufwand für die Untersuchung erst dann vollständig gerechtfertigt ist, wenn auch die wichtigsten anderen, hier nicht dargestellten Schwachstellen beseitigt werden. Nach der Umsetzung weiterer notwendiger Maßnahmen zur Beseitigung dieser Schwachstellen werden sich die Prozesse der Wohnungsbauprämienstelle der Ostdeutschen Landesbausparkasse AG dem Ablaufoptimum ein erhebliches Stück genähert haben. Ein weiterführendes Projekt zur Optimierung der betrieblichen Abläufe gilt es aufzulegen, wenn sich die Zielsetzung an der folgenden Vision ausrichten soll.
246
Geschäftsprozeßverbesserung — Die Wohnungsbauprämienstelle
besteht aus einem Mitarbeiter, der für den gesamten
Prozeß verantwortlich ist und den schriftlichen und fernmündlichen Kontakt mit den Kunden pflegt. Die Verarbeitung der Zahlungseingänge
wird vollautomatisch
von
erledigt. Der größte Teil der WoP-Anträge geht via Internet bei der Ostdeutschen sparkasse ein. Der Austausch der Daten zwischen LBS-ONLINE erfolgt auf elektronischem Wege. Die Durchlaufzeit einer jährlichen
und den
LBS-ONLINE LandesbauFinanzämtern
Wohnungsbauprämien-
beantragung beträgt etwa drei Tage. —
Ein Szenario, das in der WoP-Stelle der Ostdeutschen Landesbausparkasse AG sicher in nicht allzu ferner Zukunft Realität sein wird.
247
3.3.3
Ganzheitliche Planung und Gestaltung eines Groupware- und Workflow-Managementsystems von
Dr. Petra Strauch
1
Einleitung
2
Ausgangssituation 2.1 Das Unternehmen Samsung Elektronische Bauelemente GmbH 2.2 Aufgaben der Abteilung Informationssysteme 2.3 Problemstellung
3
Handlungsalternativen
4
Einführung des Groupware- und Workflow-Management-Systems 4.1 Erfolgsfaktoren für ein Groupware- und WorkflowmanagementProjekt 4.2 Projektphasen
5
Zusammenfassung und Ausblick 249
Petra Strauch 1 Einleitung Mit dem Ziel der Optimierung strategischer Geschäftsprozesse ist bei der Samsung elektronische Bauelemente GmbH ab September 1994 eine Groupware- und Workflow-Lösung eingeführt worden. Dieser Praxisbericht beschreibt den Prozeß der Einführung von der Definition der strategischen Anwendungsfelder über die Systemauswahl, die Bereitstellung technischer, organisatorischer und kultureller Rahmenbedingungen bis zur Inbetriebname. Erfahrungen und erzielter Nutzen nach mehr als zweijährigem Betrieb werden ebenso vermittelt wie der Ausblick auf künftige Projekte.
2 Ausgangssituation 2.1 Das Unternehmen Samsung Elektronische Bauelemente GmbH Zu Beginn des Jahres 1993 wurde das Werk für Fernsehelektronik in Berlin Oberschöneweide vom koreanischen Mischkonzern Samsung übernommen und die Samsung Elektronische Bauelemente GmbH gegründet. Nach Abschluß eingreifender Rekonstruktionsmaßnahmen zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit standen im Jahr 1994 neben dem Ziel der kosten- und leistungsorientierten Planung, Steuerung und Überwachung der Fertigungsprozesse auch die Optimierung der administrativen Bereiche und vor allem die Einfuhrung des Qualitätsmanagementsystems nach ISO 9001 im Mittelpunkt der strategischen Überlegungen. Im Berliner Werk der Samsung-Gruppe werden mit ca. 1100 Mitarbeitern Farbbildröhren gefertigt, die an europäische Gerätewerke ausgeliefert werden. Weltweit ist Samsung der größte Produzent von Bildröhren. Durch ständige Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse und Geschäftsprozesse sowie durch die Anwendung neuester Fertigungsmethoden und Anlagentechnik plant das Unternehmen eine Spitzenposition in Europa. Der Marktanteil soll auf 14 Prozent steigen. Samsung strebt an, in Deutschland zu den Marktfuhrern auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik zu gehören, muß jedoch gegen einen scharfen Wettbewerb konkurrieren. Signale der Wiederbelebung der Elektroindustrie aus den großen Abnehmerbereichen Autoindustrie, Maschinenbau und Gebrauchsgüterindistrie werden bei Samsung sehr positiv bewertet.
2.2 Aufgaben der Abteilung Informationssysteme Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien führten auch bei Samsung zu einer zunehmenden Bedeutung des Informationsmanagements. Immer mehr Probleme im Unternehmen sowie das Ziel, den Unternehmenserfolg nachhaltig zu steigern, verlangen verstärkt nach einem Informationsmanagement. Die Abteilung Informationssysteme ist für die 250
Groupware und Workflow systematische Planung, Gestaltung und Koordination der Informationsaktivitäten des Unternehmens zuständig. Zu den Aufgaben dieses Bereiches zählt die Ermittlung des Leistungs- und Erfolgspotentials von Informationssystemen genauso wie deren Gestaltung. Verantwortlich sind die Mitarbeiter der Abteilung fur Systeme zur DV-gestützten Planung, Steuerung und Überwachung von Fertigungsprozessen und des Personalwesens. Schwerpunkt der Aufgaben ist ferner die Bereitstellung von verdichteten Informationen zur Entscheidungsfindung für alle Leitungsebenen in Form eines Management-Informationssystems sowie der gesamte Bereich der Bürokommunikation. Organisatorisch ist der Bereich in die Abteilung Controlling eingeordnet.
2.3 Problemstellung Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des Unternehmenserfolges wurden im Jahr 1994 nach der erfolgten Restrukturierung der Fertigung Kernbereiche im Unternehmen identifiziert, die durch geeignete organisatorische, technische und personelle Maßnahmen verbessert werden sollten. Im Vordergrund der geplanten Aktivitäten stand die • Optimierung der Entscheidungsprozesse im Management, • Optimierung strategischer Geschäftsprozesse durch Reduzierung der Durchlaufzeiten und • Erhöhung Einführungder desQualität, Qualitätsmanagementsystems nach ISO 9001, • Verbesserung der innerbetrieblichen und unternehmensübergreifenden Kommunikation und Teamarbeit.
Dem Bereich Informationssysteme wurde die Planung und Gestaltung von Informations- und Kommunikationssystemen zur Lösung der genannten Aufgabenstellungen übertragen.
3 Handlungsalternativen Neben organisatorischen Reorganisations-Maßnahmen der betrachteten Abläufe wurde auch der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationssysteme zur Unterstützung der Vorgangsbearbeitung und Gruppenarbeit in die Planung einbezogen. Am Markt verfugbare Systeme für diese Aufgabenstellung decken dabei unterschiedliche Komponenten der Interaktion von Rechnerbenutzern ab, die auf drei grundlegenden Konzepten basieren: Kommunikation, Kooperation und Koordination. 251
Petra Strauch • Kommunikation dient der Übertragung von Informationen zwischen Benutzern. Hier befindet sich der Bereich klassischer E-Mail-Systeme. • Die Grundlage aller Gruppenaktivitäten ist Kooperation. Dazu gehört die Rationalisierung der Interaktionen von Arbeitsgruppen, der gemeinsame Zugriff auf Informationen und die Notifikation über erfüllte bzw. zu erfüllende Aufgaben. In diesem Umfeld legen Groupwarelösungen ihren Schwerpunkt • Koordination
sorgt für die Abstimmung von Tätigkeiten beteiligter Benutzer und die
Lösung von Konflikten zwischen diesen. Workflow-Management-Systeme stellen Funktionalitäten bereit, die räumlich verteilt an einer Lösung arbeitende Benutzer koordinieren, indem der Ablauf der Bearbeitung durch die Angabe von Laufwegen und den zuständigen Bearbeitern bestimmt wird.
Aufgrund der Komplexität der Anforderungen bestand der Bedarf nach einer leistungsstarken technischen Lösung, die alle drei Komponenten der Interaktion abdeckte. Der Aufbau eines unternehmensinternen und -übergreifenden Kommunikationssystems war ebenso verlangt, wie der Zugriff auf gemeinsame Ablagen im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems und die elektronische Unterstützung der Vorgangsbearbeitung. Als Antwort auf diese Problemstellung wurde das Groupware- und Workflow-Managementsystem LinkWorks ausgewählt. Diese Integrationsplattform ist seit 1994 bei der Samsung Elektronische Bauelemente GmbH zur Unterstützung der Kooperation im Einsatz. Der folgende Abschnitt beleuchtet den gesamten Prozeß der Einfuhrung und Inbetriebnahme des Systems.
4 Einführung des Groupware- und Workflow-Management-Systems 4.1 Erfolgsfaktoren für ein Groupware- und Workflow-Management-Projekt Dem verantwortlichen Informationsmanagement war bewußt, daß ein Workflow-Managementund Groupware-System ausschließlich im Spannungsfeld von Aufbau- und Ablauforganisaton, technischer Unterstützung und Berücksichtigung kultureller und personeller Aspekte sein wahres Potential entfalten kann. Nur ein ganzheitlicher Ansatz zur Einfuhrung des Systems in eine komplexe Organisation mit gewachsenen Strukturen, vorhandener Technologie und Unternehmenskultur konnte erfolgversprechend sein (s. Abbildung 63). Aus der Erfahrung zahlreicher Bürokommunikationsprojekte sind verschiedene Regeln aufgestellt worden, die den Erfolg der Systemeinfuhrung und flankierender Aktivitäten wesentlich beeinflussen (vgl. Coleman 1995). Die für die Planung, Gestaltung und Inbetriebnahme des 252
Groupware und Workflow Groupware- und Workflow-Managementsystems verantwortliche Leitungsebene berücksichtigte diese Erfolgsfaktoren in allen wesentlichen Phasen des Einfuhrungsprozesses:
Ganzheitlicher Ansatz
Abb. 63: Ganzheitlicher Ansatz der Systemeinführung
1. Lösung nicht allein in Technologie sondern auch in der Organisation Die bloße Elektrifizierung vorhandener Abläufe schöpft die möglichen Nutzenpotentiale nicht aus. Im Vordergrund der Gestaltungsmaßnahmen stand daher zunächst das Reengineering ausgewählter Prozesse. Im Vergleich zu vielen Bereichen der Öffentlichen Verwaltung bestand im Management die Bereitschaft zur Gestaltung neuer effizienterer Abläufe. Schwerpunkt der Prozeßoptimierung war dabei vor allem die Reduzierung der Prüfungsinstanzen.
2. Offene Informationspolitik Mitarbeiter und Management wurden in allen Phasen der Systemeinführung über die Ziele und den Realisierungsstand des Projektes informiert, um die Ablehnung der Mitarbeiter gegen Informationstechnik am Arbeitsplatz zu reduzieren (vergleiche hierzu Fank 1996) Die Akzeptanz beim Anwender ist eine Grundvoraussetzung fur die erfolgreiche Einführung eines Systems zur Kooperationsunterstützung. Widerstände gegen neue Technologien und
Petra Strauch eine veränderte Organisation lassen sich jedoch nicht vollständig ausschließen. Eine wachsende IT-Unterstützung der Vorgangsbearbeitung ist immer mit einer Zunahme der Eingriffe in gewohnte Tätigkeiten verbunden. Hinzu kommt, daß aufgrund der umfangreichen Auswertungs- und Kontrollmöglichkeiten Anwender häufig Angst vor totaler Überwachung und Leistungskontrolle haben. Dem verantwortlichen Management war daher bewußt, daß sich die gewünschten Erfolge durch die Einführung eines Groupware- und Workflow-Management-Systems nur durch eine offene Informationspolitik realisieren ließen. Von zentraler Bedeutung für die anforderungsgerechte Entwicklung des Systems war die enge Zusammenarbeit mit den Anwenderorganisationen. Dazu gehörte auch die frühzeitige und permanente Diskussion und Abstimmung mit der zuständigen Personalvertretung. 3. Veränderungen in der Unternehmenskultur berücksichtigen Die Neugestaltung von Geschäftsprozessen mit elektronischer Unterstützung der Gruppenarbeit kann nur erfolgreich sein, wenn gleichzeitig die Wahrnehmung und die Veränderung der Unternehmenskultur einbezogen werden. Die IT-gestützte Teamarbeit hat starke Konsequenzen für die persönliche Arbeitsgestaltung der Mitarbeiter. Groupware setzt funktionierende Teams voraus. Die Fähigkeit zu Teamarbeit, sozialer Kompetenz und Differenzierungsfähigkeit muß daher systematisch gefördert werden. Hieraus ergibt sich auch eine völlig neue Rolle der mittleren Führungsstufen, die ihre Mitarbeiter entwickeln, zwischen ihnen vermitteln, sowie Teamarbeit und Selbststeuerung ermöglichen müssen. Die Informations-Privilegierten sollten die Möglichkeiten von Groupware zu einer offenen Vertrauenskultur nutzen und nicht Informationen filtern oder zurückhalten (Fröhlich 1994). In umfassenden Schulungsmaßnahmen für Mitarbeiter und Führungsebenen wurde die von der Systemeinführung betroffene Belegschaft der Samsung GmbH auf diese veränderten Arbeitsbedingungen vorbereitet. 4. Internes Personal für Projekt einplanen - kein Hersteller kann alle gewünschten Services bieten Aufgrund der sehr unternehmensspezifischen Aufgabenstellung, plante das Informationsmanagement vor allem internes Personal sowohl für die Einrichtung, Pflege und Administration der Lösung, als auch für die Anwenderbetreuung, Weiterentwicklung und Anpassung des Systems ein.
254
Groupware und Workflow 5. Sponsor finden, Management
verpflichten
Das verantwortliche IT-Management sah in allen Projektphasen die Einfuhrung eines teamund prozeßunterstützenden Systems als eine Führungsaufgabe an. Der gewünschte Erfolg der Systemeinfuhrung konnte nur durch geeignete Maßnahmen zur Motivation der Bereitschaft der Mitarbeiter für eine aktive, offene Mitarbeit und die politische Absicherung des Projektes im Unternehmen erzielt werden 6. Rechtliche Rahmenbedingungen für elektronische Vorgangsbearbeitung
definieren
Insbesondere der Einsatz von Vorgangsteuerungssystemen erfordert häufig die Definition neuer rechtlicher Rahmenbedingungen, was in vielen Projekten die Einfuhrung verlangsamt oder völlig unmöglich macht. Als wesentliche Voraussetzung einer effizienten Vorgangsbearbeitung wurden die Voraussetzungen für die elektronische Signatur der in einem Workflow gesteuerten Dokumente geschaffen.
4.2 Projektphasen Das Informationsmanagement der Samsung GmbH wählte zur Lösung der Aufgabenstellung einen Strategie- und prozeßorientierten Ansatz. Ressourcen wurden nur in die Unternehmensbereiche und Geschäftsprozesse gelenkt, die einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit darstellten. Die Einfuhrung des Groupware- und Workflow-Management-Systems in Verbindung mit organisatorischen und personellen Maßnahmen erfolgte dabei in folgenden Projektphasen (vgl. Abb. 64):
Strategie
Design
Auswahl strategischer
- Technologie
Anwendung felder und Geschiftsprozessc
Realisierung
Konzepte: • Anwendungen
- Projektnianagement
- Organisation - Vorgangsbearbeitung - Schulung - Betreuung - Einführung Pilotprojekt
Spezifikation - Anwendungsentwicklung - Integration • Schulung - Einführungsunterstützung
J
Betrieb • HW-/SWService • Benutzeruntersttitzung . Helpdesk - Schulung • System management • Netzwerk management
weitere Anwendungsfelder und Geschäftsprozcsse
Abb. 64: Phasen der Einführung 255
Petra Strauch 1. Auswahl strategischer Anwendungsfelder und Geschäftsprozesse 2. Anforderungsanalyse, Systemauswahl, Design und Pilotphase 3. Realisierung 4. Betrieb
4.2.1 Auswahl strategischer Anwendungsfelder und Geschäftsprozesse Informationsmanagement und Geschäftsführung waren gemeinsam an der Planung strategischer Anwendungsfelder für den Groupware- und Workflow-Einsatz beteiligt. Es galt, diejenigen Abläufe zu identifizieren, bei denen Defizite bei der Erreichung der Unternehmensziele bestanden und deshalb verbessert werden mußten. Für diese Prozesse wurden Optimierungsszenarien erarbeitet und neben technischen vor allem organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen. Als diejenigen Prozesse, bei denen der größte Nutzen des investierten Kapitals zu erwarten war, wurden identifiziert: • das Qualitätsmanagement nach ISO 9001 • das interne Bestellwesen • die firmeninterne Kommunikation und Gruppenarbeit.
Qualitätsmanagement Ausgehend von erheblichem Marktdruck, war auch der Samsung GmbH bewußt, daß ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Verbesserung der Wettbewerbposition in der Zertifizierung nach ISO 9001 lag. Dem Aufbau und der Darlegung des Qualitätssicherungssystems wurde daher hohe strategische Relevanz beigemessen. Im Mittelpunkt stand die Optimierung und elektronische Unterstützung des gesamten Qualitätsmanagementprozesses. Dies umfaßte sowohl die Erstellung sämtlicher normenkonformer Dokumente, wie Qualitätsmanagementhandbuch, Arbeits- und Verfahrensanweisungen, Prüf-, Wartungs- und Bedienvorschriften und Einkaufsund Prozeßspezifikationen, wie auch die Freigabe durch autorisierte Mitarbeiter bis zur Verteilung an die relevanten Stellen im Unternehmen und ihre spätere Einsicht und Überarbeitung. Internes Bestellwesen Der Prozeß der unternehmensinternen Bestellung von Material wies deutliche Defizite auf. Komplizierte Unterschriftsregelungen über etliche Hiearchiestufen hinweg, die persönliche oder firmeninterne Übermittlung der Antragsunterlagen durch die Hauspost sowie Medien256
Groupware und Workflow brüche bei der Bearbeitung in Controlling und Einkauf sorgten für hohe Duchlaufzeiten jeder Bestellung. Dazu kamen fehlende Kontrollmöglichkeiten bezüglich Status und Standort des Antrages durch Antragsteller und Entscheidungsträger.
Firmeninterne Kommunikation und Gruppenarbeit: Die Übermittlung von Dokumenten jeder Art und Nachrichten verlief über die Hauspost oder persönliche Überbringung viel zu schleppend. Die Expertise von Mitarbeitern bei Abwesenheit oder nachdem sie das Unternehmen verlassen hatten stand häufig nicht zur Verfügung. Zentrale Informationen für einen großen Mitarbeiterkreis wurden redundant verteilt und unterlagen einem aufwändigen Änderungsmanagement. Auf der Basis der drei ausgewählten Themenschwerpunkte wurde die Einführung eines Workflow-Management- und Groupwaresystems initiiert. In einer konzeptionellen Phase mit begleitendem Piloteinsatz wurde das System ausgewählt und designed, unter Nutzung der Lösungsentwicklungsmechanismen der Plattform gemäß Spezifikation implementiert und konfiguriert und darauf in den produktiven Betrieb übernommen.
4.2.2 Anforderungsanalyse, Systemauswahl, Design und Pilotphase In einer detaillierten Kommunikations- und Informationsbedarfsanalyse der genannten Bereiche konnten genaue Anforderungen an Technik, Organisation und Personal ermittelt werden. Mit Hilfe von Interviews, Dokumentenanalyse und Vertiefungsgesprächen wurde der Ist-Zustand der Arbeitsorganisation erhoben und der Bedarf an Maßnahmen zur Reorganisation und effizienter Nutzung technischer Potentiale dargestellt.
Systemauswahl Zur Unterstützung der Problemkreise fiel die technische Lösungsauswahl auf das Produkt LinkWorks, das sowohl Anforderungen im Bereich „Kommunikation", „Kooperation"
als
auch „Koordination" abdeckt. LinkWorks ist eine offene, objektorientierte Client/Server-Integrationsplattform der Firma Digital Equipment für die Automatisierung von Geschäftsprozessen und Gruppenarbeit. Die in einer Organisation vorhandenen Anwendungen werden durch LinkWorks integriert und zu einer Lösung zusammengefügt. Durch die Anwendung von Grundfünktionen wie gemeinsame Dokumentennutzung, Versionsverwaltung, ZugrifFskontrolle auf Dokumentenebene, elektronische Post und Automatisierung von Arbeitsabläufen werden vorhandene Anwendungen „grup257
Petra Strauch penfähig". LinkWorks basiert auf einer relationalen Datenbank und unterstützt eine große Anzahl von Serverplattformen und Arbeitsplatzsystemen. Die Entscheidung der Samsung GmbH, LinkWorks als Integrationsplattform für die Umsetzung der genannten Ziele zu nutzen, ist auf folgende Funktionen des Systems zurückzufuhren: • Eine grafische Benutzeroberfläche, die sehr stark an die Standardbüroarbeit angelehnt ist, ermöglicht auch EDV-ungeübten Mitarbeitern den leichten Einstieg in PC-gestützte Arbeitsprozesse. Die Office-Werkzeuge für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation etc. können auch unter LinkWorks weitergenutzt werden. • Die Groupware-Komponente und das organisationsspezifische Zugriffskontrollsystem unterstützen die unternehmensweite und normenkonforme Bereitstellung sämtlicher Qualitätsmanagement-Dokumente, weiterer zentral bereitgestellter Informationen sowie abteilungsrelevanter Ablagen. Mitarbeiter werden über Änderungen sofort informiert und greifen immer auf aktuelle Informationen zu. • Das integrierte Workflow-Managementsystem eignet sich zur Steuerung und Kontrolle des Freigabeprozesses von ISO-9001-Dokumenten. In Abhängigkeit von spezifischen Attributen, wie z.B. Bestellwert, kann der Prozeß „Internes Bestellwesen" über die erforderlichen Instanzen gesteuert werden. Elektronische Unterschriften verhindern das manuelle und papierorientierte Verteilen der Anträge und reduzieren Transportzeiten. Der Antragsteller hat jederzeit Überblick über den jeweiligen Bearbeitungsstand und kann damit seine Arbeit besser planen. • Da sämtliche Geschäftsinformationen in einer relationalen Datenbank auf dem Server gespeichert werden, wird ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Integrität geliefert. • Mitarbeitern werden über ihren elektronischen Schreibtisch, gleichgültig auf welchem Arbeitsplatz, diejenigen Werkzeuge und Informationen bereitgestellt, die sie zur Bewältigung ihrer Tätigkeit benötigen. Zentrale Vordrucke ermöglichen ein unternehmensweit einheitliches Dokumentenlayout. • Über offene Lösungsentwicklungsmöglichkeiten können Schnittstellen zu Controlling und Produktions-Planungssystemen bereitgestellt und damit Medienbrüche verhindert und Bearbeitungszeiten an den betroffenen Stellen gesenkt werden.
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Groupware und Workflow • Elektronische Post ermöglicht den Versand von Dokumenten, Ordnern und Nachrichten etc. an jeden unternehmensinternen Nutzer des Groupware-Systems, sowie externe Kommunikationspartner. • Gemeinsame Ablagen mit Zugriffs- und Versionshandlingmechanismen stehen den Mitarbeitern zur Verfugung, die im Rahmen von Projekten und Arbeitsgruppen auf gemeinsame Informationen zugreifen müssen. Organisationsweite Dokumentenpools sorgen für eine aktuelle Informationsversorgung aller Mitarbeiter. • Die vorhandene technische Infrastruktur konnte für die erste Realisierungsphase genutzt werden.
Design und Pilotphase Nach erfolgter Systemauswahl diente die ca. sechswöchige Design- und Pilotphase vor allem der Erstellung konzeptioneller Festlegungen. Ein 10 Personen umfassendes Pilotteam, querschnittsübergreifend aus den relevanten Organisationseinheiten und dem Produkthersteller zusammengesetzt, erarbeitete Entwürfe für die Reorganisation der Arbeiten in den Anwendungsfeldern und die Konfiguration der Informationstechnik. Ergebnisse der Design- und Pilotphase waren: • die Spezifikation des Gesamtsystems • das Schulungs- und Betreuungskonzept • das Integrationskonzept und •
Organisationsrichtlinien.
Spezifikation des Gesamtsystems: Die Spezifikation des Groupware- und Workflow-Management-Systems enthielt die im System abzubildende Organisationsstruktur mit allen hiearchischen Beziehungen der Organisationseinheiten. Aus der vorangestellten Bedarfsanalyse und dem ständigen Dialog mit den betroffenen Mitarbeitern konnten variierende Anforderungen der Arbeitsbereiche ermittelt werden. Um die unterschiedlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen, wurden verschiedene Schreibtischtypen mit angepaßten Werkzeugen und Funktionen konfiguriert. Die künftigen Anwender mit ihren Privilegien und Arbeitsfeldern wurden in die Organisationsstruktur eingeordnet. Eine wesentliche Aufgabe der Pilotgruppe bestand in der Festlegung des ZugrifFskontrollsystems. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Aufgabenbereiche wurden Profile für jeden 259
Petra Strauch Geschäftsprozeß definiert. Festgeschrieben wurde der Kreis und die möglichen Rechte für jeden Dokument- oder Ablagetyp. Das Profil „QS-Freigabe" ermöglicht z.B. nur noch das Lesen und Kopieren eines freigegebenen Dokumentes des Qualitätsmanagement-Systems, hingegen das Profil „Zur Stellungnahme" dem Eigentümer und Empfänger das Recht zur Bearbeitung einräumt. Im Rahmen der Designphase wurden alle erforderlichen Vordrucke und Standardvorlagen entworfen und festgelegt. Im Vordergrund standen dabei die Anforderungen, den gesamten Dokumenterstellungs- und -bearbeitungsprozeß einem homogenen Samsung-Layout anzupassen. Die Menüs, Schaltflächen, Fehlermeldungen und andere Zeichenketten wurden gemäß der unternehmensspezifischen Anforderungen entworfen. Zur Unterstützung des Prozesses „Internes Bestellwesen" wurden Musterobjektläufe festgeschrieben, die ein Anwender bei der Initiierung eines Bestell Vorganges dem Bestellformular beifügen muß. In den Mustervorgängen war der Laufweg und die involvierten Stationen des Vorganges beschrieben. In Abhängigkeit von Bedingungen, wie z.B. die Höhe des Bestellwertes, wurden Verzweigungen des Objektlaufes modelliert. Der beschriebene Laufweg war das Ergebnis umfassender organisatorischer Restrukturierungsmaßnahmen, die den gesamten herkömmlichen Bestellprozeß betrafen. Die Geschäftsführung war bereit, den Genehmigungsprozeß durch Reduzierung der Prüfüngsinstanzen deutlich effizienter zu gestalten. Eine wesentliche Aufgabe des Pilotteams bestand in dem Design des gesamten Ablagesystems. Zentrale Ablagen, wie ein ISC>-9001-Schrank mit allen relevanten Dokumenten des Qualitätsmanagement-Systems oder ein Schwarzes Brett, wie auch abteilungsspezifische Informationspools wurden spezifiziert. Dabei erfolgte sowohl die Definition der Verantwortlichkeiten, wie auch der Zugriffsmöglichkeiten und die Anzeige von Änderungen an gemeinsam genutzten Ablagen in Form von Ereignismeldungen für den Anwender.
Schulungs- und Betreuungskonzept Neben der Spezifikation des Groupware- und Workflow-Managementsystems wurde in der Designphase ein Schulungs- und Betreuungskonzept ausgearbeitet. Nach einer Analyse des Ausbildungsbedarfes definierte das Pilotteam mitarbeiterspezifische Schulungsaktivitäten und legte Inhalt und Form der Mitarbeiter- und Systemverwalterschulungen fest. In einem dreistufigen Betreuungskonzept erfolgte die Beschreibung der Aufgabenbereiche unterschiedlicher Unterstützungsfunktionen. Festgelegt wurden zwei Systemverwalter als Verantwortliche für den Betrieb von Server, Datenbank, Netzwerk, Arbeitsplatzsystemen und Server260
Groupware und Workflow und Clientanwendungen. Für das Einrichten und die Pflege der Benutzer, Schreibtische und Workflow-Vorlagen wählte das Informationsmanagement einen LinkWorks-Organisator sowie Anwendungsbetreuer in den Fachabteilungen als Ansprechpartner für Bedienungsfragen und -probleme aus.
Einführungskonzept Aufgrund begrenzter Ressourcen des IT-Bereiches, konnte die flächendeckende Einfuhrung des Systems nur stufenweise erfolgen. Das Einfuhrungskonzept stellte die Phasen und die Art der Inbetriebnahme dar. Festgelegt wurde ferner, in welcher Form mit bereits vorhandenen Dokumenten eines Anwenders verfahren werden sollte, um ein möglichst hohes Maß von Akzeptanz bei den späteren Benutzern zu gewährleisten.
Integrationskonzept In einem Integrationskonzept erfolgte die Spezifikation für die Einbindung vorhandener Applikationen in die Bürokommunikationsplattform. Werkzeuge für Textverarbeitung, Präsentationserstellung und Tabellenkalkulation mit ihren jeweiligen Musterdokumenten und die Form der Einbindung in das System wurden definiert. Wesentlicher Bestandteil der Integrationsaufgaben war jedoch die Bereistellung von Schnittstellen aus dem Büroumfeld zu den Serverbasierenden Applikationen der Budgetplanung und der Produktionsplanung und Steuerung. Dabei stand vor allem die Übernahme wesentlicher Bestellinformationen, wie Antragsteller, Bestellsumme, Kostenstelle etc., aus dem Antragsformular in das Budgetplanungssystem und das PPS-System auf einem Hostsystem des Unternehmens im Vordergrund.
Organisationsrichtlinien Da die Systemeinführung als ganzheitlicher Prozeß im Spannungsfeld aus Organisation, Technik und Personal erfolgte, wurden Organisationsrichtlinien erarbeitet, die Regeln für die kooperative Nutzung der Systemfunktionen im Zusammenspiel mit allen Unternehmensfünktionen enthielten. Beschrieben wurden Richtlinien für die Arbeit mit zentralen Ablagen, die Verwendung der möglichen Zugriffsprofile, die Auswahl der Musterobjektläufe und der elektronischen Post.
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Petra Strauch 4.2.3 Implementierung Auf der Basis der Spezifikation und des Integrationskonzeptes erfolgte die Implementierung des Systems. Wesentliche Komponenten konnten mit Hilfe der LinkWorks Konfigurations- und Administrationswerkzeuge umgesetzt werden. Verschiedene Schreibtischtypen mit angepaßten Werkzeugen, Menüs und Schaltflächen wurden eingerichtet und den Anwendern zugeordnet. Mit grafischen Modellierungswerkzeugen erfolgte die Abbildung des Bestell Vorganges mit bedingten Verzweigungen und Bearbeitungsstationen. ZugrifFsprofile wurden für unterschiedliche Prozesse definiert und Organisationseinheiten zugewiesen. Standardapplikationen, wie die MS-Office-Software, Terminalemulation und andere wurden integriert und Objektklassen zugeordnet. Komplexere Aufgaben, wie die Übergabe von Bestellinformationen an die Workflow-Steuerung und das Budgetplanungs- und PPS-System wurden unter Nutzung der objektorientierten Lösungsmechanismen realisiert.
4.2.4 Betrieb Unter Berücksichtigung des Einführungskonzeptes erfolgte nach Abschluß der Implementierung die Installation und Konfiguration der PC-Arbeitsplätze. Die daran anschließende Schulung der Mitarbeiter wurde zweistufig durchgeführt. Der Einfuhrung in die Grundfunktionen des Groupwaresystems folgte eine gruppenspezifische Einweisung in die Lösungen für das Qualitätsmanagement-System und das Bestellwesen. Als letzte Vorbereitung der Inbetriebnahme wurde der Import vorhandener QMS-Dokumente, ihre elektronisch gestützte Freigabe und die Ablage in dem zentral verfügbaren QS-Schrank durchgeführt. Jeder Mitarbeiter hatte damit bei erstmaligem Starten des Systems Zugriff auf existierende ISO-9001-Dokumente.
4.3 Erzielter Nutzen Nach mehr als zweijährigem praktischen Einsatz können sowohl quantitative als auch qualitative Nutzen beschrieben werden, die durch die Einführung des Systems und flankierende organisatorische Maßnahmen erzielt wurden: • Die unmittelbare Senkung der Sachmittelkosten wurde durch Verringerung der Kopien und Mehrfachablage der Dokumente erzielt. • Informationen und die in der gemeinsamen Ablage gespeicherten Dokumente (z.B. Qualitätsmanagement-Dokumente) stehen orts- und zeitunabhängig zur Verfugung. Es kann 262
Groupware und Workflow eine parallele Bearbeitung erfolgen. Die Auswahl beliebiger Suchkriterien ermöglicht einen effizienteren Zugriff auf Informationen nach inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten. • Die Effizienz der Bearbeitung wurde erhöht, da in einem Prozeß alle zur Aufgabenbewältigung erforderlichen Informationen bereitstehen. Die Einhaltung von Terminen wird durch eine automatische Terminverfolgung erleichtert und verbessert. • Die elektronische Post beschleunigt die interne und zum Teil auch externe Kommunikation. Die Durchlaufzeit der Bestell Vorgänge wurde von 7 - 1 3 Tagen deutlich auf 2 - 4 Tage reduziert: • Kürzere Transportzeiten werden durch elektronische Übertagung ermöglicht. • Bearbeitungszeiten werden reduziert, da alle Informationen zu einem Vorgang verfugbar bzw. durch flexible Suchmöglichkeiten in verkürzter Recherchezeit zusammengestellt werden können. • Die automatisierte Verarbeitung in Controlling und Einkauf verhindert Arbeitsunterbrechungen und somit geistige Rüstzeiten. • Die Qualität der Arbeitsergebnisse wurde durch die schnellere Bereitstellung umfassender Informationen und Verbesserung des Informationsstandes der Entscheidungsträger und der Entscheidungskompetenz erhöht. • Die durch das Vorgangsbearbeitungssystem mögliche ganzheitliche Bearbeitung trägt zur Erhöhung der Motivation und Arbeitszufriedenheit bei. Es wurden attraktive, zukunftsorientierte Arbeitsbedingungen geschaffen. Die Qualifikation der Mitarbeiter wurde gesichert und erweitert.
5 Zusammenfassung und Ausblick Die Erstellung, Genehmigung und Verwaltung aller QMS-Dokumente erfolgt heute ausschließlich über das Groupwaresystem. Mittlerweile kann Samsung das Prüfsigel DIN ISO 9001 präsentieren. Durch die Automatisierung des Bestellwesens werden im Unternehmen Bestellformulare elektronisch ausgefüllt und in einen vordefinierten Laufweg gefuhrt. Die Daten des Antrages werden automatisch mit dem Budgetplan abgeglichen und in das PPS-System überfuhrt. Durch die Auswahl dieser unternehmensrelevanten Prozesse ist der Verbreitungsgrad der ITTechnik heute sehr hoch. Sämtliche Unternehmensebenen bis hin zum höchsten Management sind in die Nutzung des Systems einbezogen. 263
Petra Strauch Auf der Basis der installierten Groupware-Infrastruktur ist die zukünftige Unterstützung weiterer strategischer Anwendungsbereiche geplant. Weiterfuhrende Nutzeneffekte verspricht sich das Informationsmanagement durch die Optimierung des Investitionsantragsprozesses, der Einbindung einer netzwerk-basierenden Fax-Lösung in das Groupwaresystem und einen elektronischen unternehmensweiten Samsung-Informationspool.
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Groupware und Workflow Literatur Coleman, D., Khanna, R. (1995): Groupware: Technology and application. Prentice Hall Fank, M. (1996): Einführung in das Informationsmanagement. München, Wien Fröhlich, S. (1994): Groupware und Unternehmenskultur. Tagungsband 2. Internationale ZfU-Tagung „Groupware/Workflow Management", November 1994, Zürich Korte, W.B. u.a. (1994): CSCW in der Anwendung: Groupware und Workflow-Management. Berlin, Heidelberg, NewYork
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Autoren- und Herausgeberverzeichnis Alexander Bojanowski Jahrgang 1956, Dipl.-Ing. Nachrichtentechnik (Kybernetik), Experte und Berater der Bundesregierung und Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel, bis 1993 Hauptgeschäftsführer des Europäischen Dachverbandes der Software und IT-Dienstleistungsbranche, Brüssel, (ECSA), seit 1993 Geschäftsführer des Bundesverbandes Informationstechnologien BVIT e. V. in Bonn Kontakt: Bundesverband Informationstechnologien BVIT e. V. Adenauer Alle 18 - 22 53113 Bonn Telefon: (0228)20 13 60 Fax: (0228)20 13 699 Martin Burghardt Jahrgang 1964, begann noch während seines Studiums der Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin seine selbständige Laufbahn im Dienstleistungsgewerbe. 1989 kam der Bereich Handel hinzu. Parallel zu dem 1993 aufgenommenen Studium der Wirtschaftsinformatik an der FHTW-Berlin richtete er seine beruflichen Tätigkeiten auf den neuen Schwerpunkt EDV-Beratung aus. Seit 1996 ist er für die Ostdeutsche Landesbausparkasse AG in Potsdam tätig. Momentan beschäftigt er sich mit der Konzeption und Einfuhrung einer Kostenträgerrechnung für Dienstleistungsunternehmen und den Möglichkeiten und Grenzen eines Betriebsvergleichs von Kreditinstituten. Kontakt: EDV-Beratung M. Burghardt Seestraße 108 13353 Berlin Tel./Fax: (030)452 87 22 Knut Deimer Jahrgang 1956, Studium der Mathematik und der Informatik an der Universität Dortmund mit Abschluß als Diplom-Mathematiker, Systementwicklung und Systemanalyse im Bereich Prozeß* und Laborautomatisierung bei der Enka AG in Wuppertal, Aufbau von Management-Informations-Systemen bei der EXXON Chemical GmbH in Köln, Fachberater für Informationssysteme und Projektleiter Großprojekte bei der Krupp Atlas Datensysteme GmbH in Troisdorf, 267
Autorenverzeichnis Projektmanager und Fachgebietsleiter für Leit- und Steuerungssysteme bei der VW-GEDAS in Wolfsburg/Berlin. Seit 1994 Leiter Datenverarbeitung und Organisation bei den Berliner Flughäfen. Kontakt: Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH Flughafen Berlin-Schönefeld 12521 Berlin Telefon:
(030)60911700
Prof. Dr. Matthias Fank Jahrgang 1962, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig Maximilians Universität München mit Abschluß als Diplom-Kaufmann. Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Köln. Seit 1994 Professor an der Fachhochschule Stralsund mit den Schwerpunkten Informationsmanagement und Organisation. Nebenberuflich als selbständiger Unternehmensberater tätig. Kontakt: Fachhochschule Stralsund Fachbereich Wirtschaft Zur Schwedenschanze 15 18435 Stralsund Telefon: (03831)456-697 Fax: (03831)456-604 e-mail: [email protected] Martin Feldt Jahrgang 1959, Bankkaufmann, Studium der Betriebswirtschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Wirtschaftsuniversität Wien mit Abschluß als DiplomKaufmann 19986, tätig bei Kreditinstituten im Bereich Controlling, seit 1991 bei der LBS Ostdeutsche Landesbausparkasse AG in Potsdam als Leiter Controlling. Kontakt: LBS Ostdeutsche Landesbausparkasse AG Am Luftschiffhafen 1 14471 Potsdam Telefon: (0331)969 2606 Fax: (0331)969 2605 Joachim Fischer Jahrgang 1940, Diplom-Mathematiker, war in unterschiedlichen Führungspositionen für alle Belange der Informatik verantwortlich, zuletzt als stellvertretender Leiter Organisation/Datenverarbeitung einer großen Bank. Im Jahre 1989 übernahm er die Leitung der zentralen Datenverarbeitung der Deutschen Lufthansa. In 1993 leitete er zusätzlich das Projekt zur Neustrukturierung der Informatik im Lufthansa-Konzern. Das Ergebnis war die Einführung eines konse268
A utorenverzeichnis quenten Informations-Managements im LH-Konzern und die Ausgründung einer Konzerngesellschaft LH-Systems mit Beteiligung eines Partners. Seit 1994 ist er für das Konzernmanagement der Deutschen Lufthansa AG verantwortlich. Kontakt: Deutsche Lufthansa AG Konzern-Informations-Management FRACA LH-Basis 60546 Frankfurt/Main Telefon: (0 69) 6 96-23 24 Fax: (0 69) 6 96-23 00 Dr. Rudolf Hoyer Jahrgang 1958, Studium der Informatik an der Technischen Universität Berlin mit Abschluß als Diplom-Informatiker, Promotion zum Dr.-Ing., seit 1988 bei der Vereins- und Westbank AG in Hamburg, zuletzt als Direktor verantwortlich für den Bereich Fachorganisation. Kontakt: Vereins- und Westbank AG 986/2 - Fachorganisation 20454 Hamburg Telefon: (0 40) 36 92-35 87 Fax: (0 40)36 92-21 09 Dr. Bernd-Ulrich Kaiser Jahrgang 1945, Studium der Chemie an der Wilhelms-Universitaet in Münster mit Abschluß Promotion als Dr. rer. nat., seit 1971 bei der Bayer AG in Leverkusen, zuletzt als Leiter Konzemdaten und Managementinformationen. Kontakt: Bayer AG D-51368 Leverkusen Telefon (0214)30 819 14 Fax: (0214) 30 526 42 Dr. Michael Klotz Jahrgang 1960, Studium der Betriebswirtschaftslehre der Technischen Universität Berlin mit Abschluß als Diplom-Kaufmann; Promotion zum Dr. rer. oec. an der TU Berlin; zwei Jahre selbständige EDV-Beratung; fünf Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Lehrauftrag an der TU Berlin, danach Berater für Informationsmanagement bei einem deutschen IT-Beratungsunternehmen; seit 1991 Geschäftsführer der UBIS Unternehmensberatug für integrierte Systeme GmbH, Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Unternehmensorganisation und Informationsmanagement. 269
A utorenverzeichnis Kontakt: UBIS Unternehmensberatug für integrierte Systeme GmbH Alt-Moabit 98 10559 Berlin Telefon (030) 3992965 Fax: (030) 39929900 E-Mail: [email protected]
Dr. Thomas Pietsch Jahrgang 1960, Studium am Fachbereich Betriebswirtschaftslehre der TU Berlin mit dem Abschluß Diplom-Kaufmann, Promotion zum Dr. rer. oec. am Fachbereich Informatik der TU Berlin. Organisation und Durchfuhrung von Top-Management-Trainings sowie Beratungserfahrung aus einer Berliner und einer international operierenden Unternehmensberatung. Bis 1992 Bereichsleiter Managementberatung in einem mittelständischen EDV-Dienstleistungsunternehmen. Anschließend selbständiger Berater mit den Schwerpunkten Informationsmanagement, Geschäftsprozeßorganisation und Kommunikation. Gastdozent an der FHTW Berlin für Informationsmanagement und Organisationsmodellierung. Autor und Herausgeber zahlreicher Veröffentlichungen. Kontakt: Unternehmensberatung und Training Dr. Thomas Pietsch Postfach 200 129 13512 Berlin (Spandau) Telefon: (030) 35 40 21 48, Fax: (030) 35 40 21 58 email: [email protected] Prof. Dr. Thomas Schildhauer Jahrgang 1959, Studium der Informatik an der TU-Berlin mit Abschluß Diplom-Informatiker. Anschließend Promotion im Bereich Wirtschaftsinformatik mit Abschluß Dr. oec. im Themenbereich Softwaremarketing, Seit 1996 als Professor für Unternehmensfuhrung und Marketing berufen an die Fachhochschule Eberswalde, im Norden von Berlin. Außerdem Dozent an diversen Universitäten (z. B. TU Berlin, EAP - Europäische Wirtschaftshochschule). Kontakt: Fachhochschule Eberswalde Postfach 100326 16203 Eberswalde Telefon: (0 3334) 657-344 Fax: (0 3334) 657-450
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A utorenverzeichnis Gottfried Schwarz Jahrgang 1945, ist seit 1996 Geschäftsführer der DeTeWe-Informationsverarbeitung GmbH (IVG). Nach dem Studium der Volkswirtschaft (Dipl.-Volkswirt) und der Betriebswirtschaft (Dipl.-Kaufmann) an der FU Berlin begann er seine berufliche Laufbahn im Softwarehaus und Rechenzentrum der Steglich Systemtechnik. Danach Wechsel zur Firma Herlitz AG als Programmierer, später DV-Leiter und Prokurist. Nach der Zwischenstation bei VW-GEDS Wechsel zur Firma DeTeWe AG & Co. als Bereichsleiter „Zentrales Informationswesen", seit der Ausgründung als eigene Tochter Geschäftsführer der DeTeWe-IVG. Kontakt: DeTeWe-Informationsverarbeitung GmbH Wrangelstraße 100 10997 Berlin Telefon: (0 30)61 04-21 20 Fax: (0 30) 61 04-43 30 Hartmut Skubsch Jahrgang 1951, Diplom-Informatiker und seit 1979 als Berater im Bereich Informationsmanagement tätig. 1986 gründete er gemeinsam mit Herrn Michael Bauer die PLENUM-Gruppe. Als einer der beiden Geschäftsführer der Holding - PLENUM Management GmbH - zeichnet er verantwortlich für den Geschäftsbereich Consulting und für die strategische Ausrichtung der Gesamtgruppe. Seinen fachlichen Schwerpunkt sieht er heute in der strategischen Ausrichtung der Informatik an den Geschäftszielen und der Geschäftsentwicklung sowie in der organisatorischen Optimierung der Informatikbereiche, insbesondere durch die Bildung von Profit-Centern oder ausgelagerten Gesellschaften. Dem intensiven Zusammenwirken mit seinen Klienten sowie dem ganzheitlichen Ansatz der Integration von Technologie, Organisation und sozialer Komponente mißt er in der Lösung selbst und im Prozeß der Lösungsfindung besondere Bedeutung zu. Seinen Branchenschwerpunkt setzt er vor allem auf Banken und Versicherungen. Kontakt: PLENUM Management Consulting GmbH Biebricher Allee 36 65187 Wiesbaden Telefon: (0611)9882-0 Fax: (0611)9882-150
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A utorenverzeichnìs Dr. Petra Strauch Jahrgang 1957, Studium der Informatik an der Technischen Universität Berlin mit Abschluß als Diplom-Informatiker, Promotion zur Dr.-Ing., anschließend selbständige Beraterin für OfficeSysteme. Seit 1989 als Consultant für Bürokommunikationssysteme und Prozeßorganisation im Bereich System Integration der Digital Equipment GmbH tätig. Kontakt: Digital Equipment GmbH System Integration Alt-Moabit 91 10559 Berlin Telefon: (0 30) 3 90 83-2 27 Fax: (0 30) 3 90 83-3 06
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