Immobilienökonomie. BAND Immobilienökonomie: Band IV: Volkswirtschaftliche Grundlagen 9783486843408, 9783486582819

Interdisziplinär und grundlegend Das Buch widmet sich auf übersichtliche Weise in fünf Hauptkapiteln den wesentlichen

482 10 10MB

German Pages 675 [676] Year 2008

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
First Page
Title Page
copyright Page
Table of Contents
Foreword
Chapter A
SampleStart
Leseprobe
SampleEnd
Recommend Papers

Immobilienökonomie. BAND Immobilienökonomie: Band IV: Volkswirtschaftliche Grundlagen
 9783486843408, 9783486582819

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Immobilienökonomie Band IV Volkswirtschaftliche Grundlagen

Herausgegeben von

Prof. Dr. Karl-Werner Schulte HonRICS CRE Unter Mitarbeit vonuflage Prof. Dr. Hansjörg Bach, Dr.Thomas Beyerle, Dr. Philip Boll, Prof. Dr. Stephan Bone-Winkel, Hartmut Bulwien, Dr. Marcus Cieleback, Prof. Dr. Monika Dobberstein, Maike Dziomba, Philipp Feldmann, Prof. Dr. Dr. h. c. H.-H. Francke, Martin Greiner,Tina Haller, Dr. Gisela Hank-Haase, Christoph Härle, Prof. Dr. Gerd Hennings, Dr. Christian Hilber, Rebecca Holter, Dr. Christoph Holzmann, Prof. Dr. Michael Hüther, PD Dr. habil. rer. pol. Manfred Jäger, Dr.Tobias Just, Rainer Koepke, Nicolas Kohl, Prof. Dr. Michael Krautzberger, Bernward Kulle, Prof. Gabriel S. Lee Ph.D., Prof. Dr.Wolfgang Maennig, Kilian Mahler, Prof. Dr. Markus Mändle, Prof. Dr. Annette Mayer, Dr. Harald Nitsch, Dr. Christoph Pitschke, Prof. Dr. Nico B. Rottke, Prof. Dr.Wolfgang Schäfers, Prof. Dr. Ramon Sotelo, F. Ferdinand Spies, Dr. Eberhard Stegner, Dr.Thomas Steinmüller, Dr.Verena Sturm, Dr. Michael Voigtländer, Matthias Wiffler

OldenbourgVerlag MünchenWien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2008 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D -81671 München Telefon: (089) 4 50 51- 0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Kösel, Krugzell ISBN 978-3-486-58281-9

Inhaltsübersicht Vorwort des Herausgebers Verzeichnis der Autoren 1

Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

VII IX 1

1.1

Einführung ......................................................................................................................2

1.2

Immobilienökonomie als interdisziplinäre wissenschaftliche Disziplin .........................2

1.3

Grundlagen der Volkswirtschaftslehre ...........................................................................4

1.4

Grundlagen der Immobilienökonomie..........................................................................12

1.5

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft....................................20

2

Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

27

2.1

Immobilien als Vermögensgüter und Besonderheiten von Immobilieninvestitionen ...30

2.2

Bauwirtschaft und Projektentwicklungsmarkt ..............................................................44

2.3

Märkte für Immobilienanlagen und Immobiliennutzungen ..........................................68

2.4

Märkte für Immobilienfinanzierung .............................................................................90

2.5

Internationalisierung der Immobilienmärkte ..............................................................112

3

Makroökonomik und Immobilienmärkte

131

3.1

Analyse und Prognose von Immobilienmärkten auf der Basis von Modellen ............133

3.2

Immobilienmarktprozesse nach Immobilientypen......................................................221

3.3

Demografische Entwicklungen und die Immobilienwirtschaft...................................305

4

Mikroökonomik und Immobilienmärkte

331

4.1

Theoriebasierte Erklärungsansätze .............................................................................333

4.2

Makroanalysen nach Immobilientypen.......................................................................395

5

Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

497

5.1

Immobilienmärkte, Geldpolitik und die Gesamtwirtschaft.........................................500

5.2

Steuerung der Flächennutzung und von Allokationsentscheidungen durch öffentliche Planung.....................................................................................................516

5.3

Wohnungspolitik ........................................................................................................532

VI

Inhaltsübersicht

5.4

Immobilienmärkte und Bankregularien...................................................................... 568

5.5

Öffentliche Immobilieninvestitionen.......................................................................... 590

6

Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

609

6.1

Immobilienwirtschaft und Verbände .......................................................................... 610

6.2

Organisationsfähigkeit von Verbänden ...................................................................... 613

6.3

Immobilienwirtschaftliche Verbände im Überblick ................................................... 618

6.4

Ausblick: Die Zukunft des immobilienwirtschaftlichen Verbandswesens ................. 647

Stichwortverzeichnis

652

Vorwort des Herausgebers Der interdisziplinäre Ansatz des Lehr- und Forschungsgebiets „Immobilienökonomie“ wird versinnbildlicht durch das „Haus der Immobilienökonomie“, dessen Fundament die Betriebswirtschaftslehre im Verbund mit den Disziplinen Volkswirtschaftslehre, Rechtswissenschaft, Stadtplanung, Architektur und Ingenieurwesen bildet. Nachdem der Band 1 über „Betriebswirtschaftliche Grundlagen“ in Kürze in die 4. Auflage geht, Band 2 „Rechtliche Grundlagen“ in 2. Auflage vorliegt und der Band 3 „Stadtplanerische Grundlagen“ in der 1. Auflage am Markt ist, war die Versuchung groß, den vorliegenden Bänden einen vierten Band, „Volkswirtschaftliche Grundlagen“, zur Seite zu stellen. Obwohl die Volkswirtschaftslehre hierzulande über eine lange akademische Tradition verfügt und auch die Immobilienökonomie, als Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre, inzwischen über 15 Jahre alt ist, verwundert es, dass sich das im anglo-amerikanischen Sprachraum hochangesehene Fachgebiet „Real Estate Economics“ in Deutschland erst langsam zu etablieren beginnt. Jedenfalls existiert bislang noch kein Lehrbuch, dass Theorieansätze und Instrumente der Makro- und Mikroökonomik auf Immobilienmärkte anwendet. Das vorliegende Werk stellt den Versuch dar, diese Lücke zu schließen. Die Grundstruktur des Buches entstand in vielen Gesprächsrunden mit zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern, Frau Dipl.-Kauffr. Dr. Verena Sturm und Herrn Dipl.-Kfm. Matthias Wiffler, denen ich für die konzeptionelle Mitgestaltung und die Projektorganisation sehr dankbar bin. Auch mein Sohn Kai-Magnus, Master of Science in Real Estate der University of Reading, hat durch die Formatierung der Beiträge und die Endredaktion einen maßgeblichen Beitrag zum Gelingen dieses Buches geliefert. Die größte Anerkennung gilt jedoch den namhaften Autoren aus Wissenschaft und Praxis, für ihre fachkundige und engagierte Mitarbeit. Ich danke den Autoren auch für ihr Verständnis, dass ich die Fertigstellung des Buches aufgrund des Wechsels des Herausgebers von der ebs European Business School an die IREBS International Real Estate Business School der Universität Regensburg verzögert hat. Das Buch widmet sich auf übersichtliche Art und Weise in fünf Hauptkapiteln den wesentlichen immobilienökonomischen Fragestellungen aus einem volkswirtschaftlichen Blickwinkel. Nach einer grundlegenden Einführung in das Themengebiet erfolgt in Kapitel 2 eine ausführliche Betrachtung der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Immobilienmärkte. In den beiden sich daran anschließenden Kapiteln werden Immobilienmärkte auf zweierlei Untersuchungsebenen der Volkswirtschaftslehre analysiert: aus makroökonomischer (Kapitel 3) und aus mikroökonomischer Sichtweise (Kapitel 4). Im Zentrum des 5. Kapitels stehen die Betrachtung der Einflussmöglichkeiten der öffentlichen Hand als rechtlicher Rahmengeber und

VIII

Vorwort des Herausgebers

die damit verbundenen Auswirkungen auf die Immobilienmärkte. Das Buch schließt mit Kapitel 6, welches sich dem immobilienwirtschaftlichen Verbandswesen in Deutschland annimmt. Dem aufmerksamen Leser wird auffallen, dass es Überschneidungen zu den vorangegangenen Bänden gibt, die aber durchaus beabsichtigt sind, um die Zusammenhänge zwischen den Disziplinen deutlich zu machen. Aber es gibt sicherlich auch ein paar Schwächen in diesem Buch, die leider vor der Veröffentlichung nicht abzuwenden waren. So erwies es sich in der Praxis als schwierig, die Makro- und die Mikroebene einheitlich abzugrenzen und unter den Autoren ein gemeinsames Verständnis über deren jeweilige Inhalte in den Kapiteln 3.2 und 4.2 zu entwickeln. Hier bin ich zuversichtlich, dass es - auch durch Anregungen der Leserschaft - gelingt, in der zweiten Auflage des Werkes eine Verbesserung zu erreichen. Wie auch schon in den Bänden 1 bis 3, mögen die Leserinnen dem Herausgeber und den Autorinnen und Autoren nachsehen, dass im Interesse einer besseren Lesbarkeit nur die männliche Form verwandt wird. Obwohl sich das Werk als Lehrbuch primär an Studierende und Immobilien-Professionals richtet, bin ich sicher, dass auch Wissenschaftler der Disziplinen Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre Nutzen daraus ziehen und vielleicht ermuntert werden, sich näher mit den anspruchsvollen Fragestellungen an der Schnittstelle von VWL und Immobilienökonomie wissenschaftlich zu befassen. Neben Kai-Magnus geht mein besonders lieber Dank an meine Frau Gisela und unsere Söhne Frank-Michael, inzwischen Dipl.-Kaufmann (ebs), und Sven-Marten, Student der „International Relations“ an der London Metropolitan University, dass ich ihnen bei der Durchsicht der Beiträge des Werkes in unserem traditionellen Weihnachtsurlaub in Finnland zeitlich nur eingeschränkt zur Verfügung stand.

Johannisberg, im November 2007

Karl-Werner Schulte

Verzeichnis der Autoren Professor Dr. rer. pol. Hansjörg Bach FRICS, studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Technischen Hochschule Stuttgart und der Universität Erlangen-Nürnberg. Nach dem Abschluss zum Diplom Kaufmann und Diplom Handelslehrer erfolgte die Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Regensburg. Nach einem Studien- und Forschungsjahr an der University of Michigan als Stipendiat der Max Kade und Fulbright Stiftungen übernahm er ab 1972 leitende Tätigkeiten in verschiedenen Unternehmen der Immobilienwirtschaft. Darauf folgte die Berufung zum Hochschullehrer für Immobilienwirtschaft an die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen - Geislingen (früher Fachhochschule Nürtingen) zum Wintersemester 1996/97. Anschließend wurde er Dekan der Fakultät IV am Standort Geislingen/Steige der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen - Geislingen HfWU und Vorsitzender des Fachausschusses "Betriebswirtschaft und Hausbewirtschaftung" des GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen e.V. Berlin. Ebenfalls ist er Mitglied des Kuratoriums des vhw - Bundesverband für Wohneigentum und Stadtentwicklung e.V. und übernahm die Leitung des Arbeitskreises Betriebskosten Benchmarking „Geislinger Konvention“. Dr. Thomas Beyerle, studierte Wirtschaftsgeographie an der Universität Mannheim und war anschließend von 1994 bis 1998 bei der Dresdner Bank-Tochter Dr. Lübke GmbH in Stuttgart als Referatsleiter Research beschäftigt. 1997 wurde er zum Prokuristen bestellt. Seine Promotion zum Dr. rer. nat. erfolgte 1998 an der Universität Stuttgart. Daneben ist er als Lehrbeauftragter (u.a. ADI Stuttgart, ebs, IRE|BS Immobilienakademie, FH Biberach) und Referent bei nationalen und internationalen immobilienwirtschaftlichen Veranstaltungen tätig, sowie als Mitglied mehrerer fachspezifischer Arbeitskreise (gif e. V., INREV). Zahlreiche Publikationen ergänzen sein Leistungsspektrum. Seit 1999 ist er Direktor und Leiter der Abteilung Research & Strategie der DEGI Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds mbH, Frankfurt am Main, der Immobilien-Kapitalanlagegesellschaft der Allianz Group. Dr. Philip Boll, Immobilienökonom (ebs), studierte Bauingenieurwesen an der Technischen Universität in Braunschweig, der University of Auckland in Neuseeland und an der University of Rhode Island in den USA, wo er neben dem Dipl.-Ing. einen Master of Science erwarb. Nach beruflicher Tätigkeit in Spanien promoviert er am IRE|BS Institut für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg zum Thema Public Private Partnership. Seit 2007 ist er für die Deutsche PPP Holding GmbH, einer Tochter der HSH N Real Estate AG, in der Akquisition von PPP-Projekten tätig. Prof. Dr. Stephan Bone-Winkel, studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Köln. Von 1990 bis 1993 war er als wissenschaftlicher Assistent an der ebs tätig. 1994 erfolgte seine Promotion. Von 1993 bis 1996 arbeitete er als Geschäftsführer der ebs Immobilienakademie und war am Aufbau der Niederlassung Berlin beteiligt. Von 1996 bis 1997 war er für den Deutsche Bank Konzern im Bereich Projektentwicklung in Berlin tätig. Seit 1997 ist er geschäftsführender Gesellschafter der BEOS GmbH, mit Sitz in Berlin. Von 2003 bis 2006

X

Verzeichnis der Autoren

war er zugleich Inhaber des Stiftungslehrstuhls Immobilien-Projektentwicklung an der European Business School. Seit September 2006 hat Dr. Bone-Winkel eine Honorarprofessur für Projektentwicklung an der Universität Regensburg, International Real Estate Business School, inne. Dr. Bone-Winkel ist Herausgeber und Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Immobilieninvestition und Projektentwicklung. Hartmut Bulwien, gründete 1983 das Münchener Institut für Markt-, Regional- und Wirtschaftsforschung. 2004 wurde die zwischenzeitlich umgewandelte Bulwien AG mit der gesa GmbH in Hamburg, zur BulwienGesa AG verschmolzen zu dessen Sprecher des Vorstandes Herr Bulwien gewählt wurde. Er ist u.a. Dozent an der IRE|BS Immobilienakademie, der Deutschen Immobilienakademie (DIA), an der Universität Freiburg; der Bauakademie Biberach und ist Lehrbeauftragter am Department für Geographie an der LMU München. Darüberhinaus ist Herr Bulwien Präsident der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif), Mitglied im Rat der Immobilienweisen und 2004 wurde er zum Fellow der Royal Institution of Chartered Surveyors (FRICS) berufen. 2003 hat die BulwienGesa AG zusammen mit der URA AG und CB GmbH die DIRA Immobilien Rating Agentur AG gegründet, zu deren Vorstand Herr Bulwien ernannt wurde. Mitte 2006 wechselte Herr Bulwien in den Aufsichtsrat der BulwienGesa AG, zu dessen Vorsitzender er gewählt wurde. Dr. Marcus Cieleback, studierte Volkswirtschaft an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg und promovierte 2001 an der Universität Bayreuth mit einer Arbeit aus dem Bereich Immobilienfinanzierung. Ein Jahr später wechselte er nach München zur MEAG, dem Vermögensverwalter der Münchener Rück Gruppe. Dort war er im Bereich der strategischen Immobilienmarktanalyse und des Asset-Klassen-Vergleichs tätig. Er leitet seit Sommer 2005 die Abteilung Research im Bereich Real Estate Appraisal & Consulting der Eurohypo AG. Dr. Cielebacks Schwerpunktaufgaben bei der Eurohypo sind die Analyse der weltweiten Immobilienmärkte unter Risikogesichtspunkten sowie die Entwicklung ökonometrischer Modelle für ihre Prognose. Er referiert regelmäßig im Rahmen internationaler Fachkonferenzen. Seine Analysen werden in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Prof. Dr. Monika Dobberstein studierte und promovierte an der Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund. Sie konzentrierte sich dabei auf Fragestellungen, die die Prognosefähigkeit von Büromärkten zum Inhalt hatten. Für ihre Dissertation erhielt sie 1997 den Immobilienforschungspreis. 1998 wechselte sie zu einer Tochtergesellschaft der IKB Deutschen Industriebank AG. Dort erstellte sie zum einem Markt- und Standortanalysen im Vorfeld von Neufinanzierungen und Nutzungskonzepte für notleidende Engagements. Zum anderen entwickelte sie Immobilienmarkt- und Objektdatenbanken sowie ein Immobilien-RatingModell. Danach war sie bei der B&L Immobilien AG zum einen als Assistentin des Vorstandes eingebunden in die Strategieentwicklung der börsennotierten Aktiengesellschaft und zum anderen unterstützte sie die Akquisition von Projektentwicklungen und Investments. Von 2002 bis Mitte 2007 leitet sie den Lehrstuhl „Gewerbeplanung und Wirtschaftsförderung“ an der TU Hamburg-Harburg (heute HCU HafenCity Universität Hamburg). Seit Mitte 2007 ist sie Prokuristin im Hamburger Capital-Market-Team von Jones Lang LaSalle. In der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) ist sie seit 1999 Mitglied des Vorstandes. Bis 2007 war sie auch die Schriftleiterin der ZIÖ Zeitschrift für Immobilienökonomie.

Verzeichnis der Autoren

XI

Dipl.-Geogr. Maike Dziomba, geb. Schwarte, beendete Anfang 1999 ihr Studium der Angewandten Geographie, Regionalökonomie und Planungssoziologie an der Universität Trier. Nach ihrem Studium war sie für das internationale Immobilienberatungsunternehmen Jones Lang LaSalle tätig, wo sie in der Hamburger Advisory-Abteilung immobilienwirtschaftliche Gutachten für den deutschen Büro- und Einzelhandelsflächenmarkt erstellte. 2002 wechselte sie zur Immobilienberatung M.M. Warburg-Schlüter Hamburg GmbH, eine Beteiligungsgesellschaft des Privatbankhauses M.M. Warburg & CO. Anfang 2003 erfolgte der konzerninterne Wechsel zur HIH Hamburgische Immobilien Handlung GmbH, wo sie innerhalb des Asset Management den Bereich Research verantwortete. Parallel dazu nahm sie ihr Promotionsvorhaben an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (jetzt HCU HafenCity Universität Hamburg) auf. Mitte 2005 verließ sie die HIH, um sich ganz ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit zu widmen. Maike Dziomba ist Vorstandsmitglied des Deutschen Verbands für Angewandte Geographie e.V. (DVAG), Mitglied des Arbeitskreises "Marktanalysen" der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) und Lehrbeauftragte an der Universität Kiel. Philipp Feldmann studierte Betriebswirtschaftslehre an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL Schloss Reichartshausen (ebs) in Oestrich-Winkel, an der University of Hong Kong (HKU) in China sowie der San Francisco State University in den USA mit den Schwerpunkten Immobilienökonomie und Organisation und Personal. Nach seinem Abschluss als Diplom-Kaufmann war er von Januar 2005 bis September 2006 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stiftungslehrstuhl für Immobilien-Projektentwicklung an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL tätig. Seit September 2006 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Projektentwicklung am IRE|BS Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg. Im Rahmen seiner Promotion beschäftigt er sich mit der strategischen Entwicklung von mischgenutzten Stadtquartieren. Prof. Dr. Dr. h. c. H.-H. Francke, studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. 1974 folgte die Promotion und 1980 die Habilitation an der Universität Freiburg. 1985 erhielt er die Berufung auf eine Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, an der Universität der Bundeswehr Hamburg und 1988 auf eine Professur für Volkswirtschaftslehre in den Bereichen Finanzwissenschaft und Monetäre Ökonomie, an der Universität Freiburg i. Br.. 2000 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Basel. Neben seiner Lehrtätigkeiten arbeitete er an Forschungsprojekten zur Theorie und Empirie von Problemen der öffentlichen Verschuldung, Geldpolitik, Finanz- und der Immobilienwirtschaft. Des Weiteren ist Herr Prof. Dr. Dr. Francke geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift „Kredit und Kapital“ und Studienleiter der VWA Freiburg und der Deutschen Immobilien-Akademie an der Universität Freiburg. Martin Greiner MSRE (GSU) studierte Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Real Estate und Finance an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel sowie an der Georgia State University (GSU) in Atlanta. Von September 2004 bis Juni 2006 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ebs IMMOBILIENAKADEMIE in OestrichWinkel tätig, wo er auch das Intensivstudium „Internationale Immobilienbewertung und – rechnungslegung“ absolvierte. Herr Greiner ist mit dem Thema „Bewertung von Wohnimmobilien-Portfolios“ Doktorand am Real Estate Management Institute (REMI) und seit Au-

XII

Verzeichnis der Autoren

gust 2007 als Consultant im Bereich Valuation bei CB Richard Ellis in Berlin tätig. Er hält Vorlesungen am REMI sowie am CUREM Center for Urban & Real Estate Management in Zürich. Tina Haller, studierte an der Fachhochschule Heilbronn mit Fachrichtung Tourismus und Schwerpunkt Hotelbetriebswirtschaft. Ihren beruflichen Werdegang begann sie mit einer Ausbildung zur Hotelkauffrau bei InterContinental Hotels und sammelte anschließend Erfahrungen in der internationalen Hotellerie für InterContinental Hotels in der Volksrepublik China. Seit Januar 2005 ist sie Mitglied des Advisory & Valuation Teams von Jones Lang LaSalle Hotels in München. Zuvor hatte sie das Team bereits in 2004 im Rahmen eines studienbegleitenden Praktikums über sechs Monate unterstützt. Frau Haller konzentriert sich bisher auf die Bewertung von Hotels und Hotelportfolios in Deutschland und dem europäischen Ausland, Projektstudien mit Konzeptberatung und Cash-Flow Berechnungen für Hotels und Hotelprojekte, sowie diverse Hotelmarktanalysen. Dr. Gisela Hank-Haase, studierte Wirtschaftswissenschaften, Geographie und Romanistik an der Universität Trier. Im Anschluss folgte ihre Promotion zum Thema: Ökonomische Effekte im internationalen Tagungs- und Kongressmarkt. Von 1976 bis 1983 war sie in der Geschäftsführung des Deutschen Fremdenverkehrsverbandes (DFV) und dort verantwortlich für die Bereiche Tourismusforschung, Erstellung von Fremdenverkehrskonzeptionen, Feasibility-Studies und Deutschland-Marketing. Von 1982 bis 1987 war sie Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Dr. Hank-Haase. Seit 1987 ist sie Geschäftsführerin/Gesellschafterin der Unternehmensberatung ghh consult Dr. Gugg & Dr. Hank-Haase, die 2001 umfirmierte in ghh consult GmbH, Dr. Hank-Haase & Co., Wiesbaden. Darüber hinaus ist sie seit 1995 Dozentin für Internationales Messe- und Kongresswesen an der Fachhochschule Worms und der International Business School (IBS) in Bad Homburg. Desweiteren hat Frau Dr. HankHaase umfangreiche Erfahrung in allen Bereichen der Internationalen Tourismusplanung und -entwicklung, der Hotellerie, des Tagungs-, Kongress- und Freizeitmarktes sowie damit verwandten Aspekten. Hinzu kommen zahlreiche Veröffentlichungen zum internationalen Tourismus, Hotel- und Kongressmarkt. Christoph Härle, BSc (Hons), durchlief eine Ausbildung zum Hotelkaufmann bei InterContinental Hotels und ein Hotel- und Tourismusbezogenen Studium an der University of Surrey, U.K. und ist seit 1994 bei Jones Lang LaSalle Hotels in Büros in London, Frankfurt, New York und aktuell München tätig. Seit 2001 leitet er als Executive Vice President Central & Eastern Europe das Team in den Bereichen Beratung, Bewertung und Investment im deutschsprachigen und zentral- und ost-europäischen Raum. Im Laufe der Jahre hat er besonders fundierte Kenntnisse bei der Verhandlung von Pacht- und Managementverträgen gesammelt, wie z.B. beim Le Méridien Wien, dem InterContinental Düsseldorf, sowie dem Four Seasons und dem Rocco Forte Hotel in Berlin. Prof. Dr. Gerd Hennings hat an der Universität Münster Volkswirtschaftslehre und Soziologie studiert. Von 1969 bis 1974 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen der Universität Münster, von 1975 bis 1980 Akademischer Oberrat am Fachgebiet Volkswirtschaftslehre, insbesondere Raumwirtschaftspolitik, an der Fakultät Raumplanung der Universität Dortmund. Seit 1981 ist er Professor für Gewerbeplanung an der Fakultät Raumplanung. Von 1990 bis 2000 unterrichtete er an der ebs IMMO-

Verzeichnis der Autoren

XIII

BILIENAKADEMIE die Bereiche Gewerbeplanung und Markt- und Standortanalysen. Seit Mitte der 90er Jahre hat er sich in der Lehre vor allem für die Integration des Themas Immobilien-Projektentwicklung in die Studiengänge Raumplanung und Bauwesen engagiert. Forschungsbereiche der letzten Jahre waren Büromarktentwicklungen, Wiedernutzung von Industriebrachen, Instrumente des öffentlichen und privaten Flächenmanagements. Dr. Christian Hilber ist seit 2003 Career-Track Lecturer und Direktor des MSc Real Estate Economics and Finance Programms an der London School of Economics. Seinen Doktortitel erwarb er 1998 an der Universität Basel mit summa cum laude. Dr. Hilber gewann mehrere Auszeichnungen, unter anderem den Preis der Universität Basel für die beste Doktorarbeit im Bereich Wirtschaftswissenschaften. Im Jahr 1999 erwarb Dr. Hilber ein Forschungsstipendium des Schweizerischen Nationalfonds. Dieses Stipendium ermöglichte ihm einen Aufenthalt als Visiting Scholar an der Wharton School, University of Pennsylvania (1999-2000). Anschließend an das Stipendienjahr wurde Dr. Hilber zum Postdoctoral Research Fellow am prestigeträchtigen Wharton Real Estate Centre ernannt (2000-2002). Bevor Dr. Hilber an die London School of Economics berufen wurde, arbeitete er noch für ein Jahr in der Privatwirtschaft. Bei Fannie Mae in Washington, DC war er verantwortlich für die Vorhersage von regionalen Immobilienpreisen. Dr. Hilber’s Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Real Estate, Regional and Urban Economics sowie Finanzwissenschaften und politische Ökonomie. Dr. Hilber hat zahlreiche Artikel zu Themen wie der Boden- und Immobilienpreiskapitalisierung und der Kauf-/ Mietentscheidung veröffentlicht, unter anderem im Journal of Urban Economics. Rebecca Holter, BWL-Studium an der Berufsakademie Berlin (Schwerpunkt Immobilienwirtschaft). VWL-Studium an der Fernuniversität Hagen. Von 1996 bis 1999 in der Deutschen Bank, Bereich Immobilienfinanzierung, tätig. Von 1999 bis 2007 Referentin Immobilienwirtschaft und Bewertung beim Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp). Schwerpunkte der Tätigkeit: Grundsatzfragen der Immobilienbewertung, Entwicklung eines LGD Gradings für Pfandbriefbanken. Seit März 2007 als Associate Director in der Covered Bond Analyse bei Fitch Ratings tätig. Referententätigkeit bei diversen Organisationen zu den Themen Immobilienbewertung, Basel II und LGD-Grading. Autorin verschiedener Fachaufsätze. Dr. Christoph Holzmann, studierte an der ebs und an der Georgia State University, Atlanta (USA), und schloss sein Studium mit einem Diplom-Kaufmann sowie mit einem Master of Science in Real Estate ab. Er arbeitet seit 2005 als Associate im Bereich Real Estate Investment Banking bei der Deutsche Bank AG in Frankfurt. Vor seiner Zeit bei der Deutsche Bank AG war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stiftungslehrstuhl Immobilienökonomie der European Business School (ebs) Schloß Reichartshausen beschäftigt und forschte dort in den Bereichen immobilienwirtschaftliche Konjunkturprognose, Immobilieninvestition und Opportunity Funds. Christoph Holzmann promovierte bei Herrn Prof. Dr. Karl-Werner Schulte zu dem Thema „Entwicklung eines Real Estate Confidence Indicator zur kurzfristigen Konjunkturprognose auf Immobilienmärkten“. Prof. Dr. Michael Hüther, studierte von 1982 bis 1987 Wirtschaftswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Nach Abschluss des Promotionsverfahrens wurde er 1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und 1995 Generalsekretär des Sachverständigenrates zur

XIV

Verzeichnis der Autoren

Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Im Jahr 1999 wechselte er als Chefvolkswirt zur DekaBank und wurde dort 2001 zum Bereichsleiter Volkswirtschaft und Kommunikation ernannt. Seit August 2001 ist er Honorarprofessor an der European Business School in Oestrich-Winkel. Seit Juli 2004 hat er die Stelle des Direktors und Mitglied des Präsidiums beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln inne. Er ist u.a. Mitglied im Vorstand der Atlantik-Brücke, im Verwaltungsrat der European Business School und im Kuratorium der Friedrich und Isabel Vogel-Stiftung. PD. Dr. habil. rer. pol. Manfred Jäger, studierte von 1987 bis 1993 Mathematik an der Universität Paderborn und war anschließend von 1993 bis 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter beziehungsweise Assistent am Lehrstuhl für Wachstums und Konjunktur (Professor Gunter Steinmann) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit Juni 2005 ist er im Institut der deutschen Wirtschaft Köln für den Arbeitsbereich Finanzmärkte zuständig und seit 2005 außerdem Privatdozent an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit regelmäßigen Lehrveranstaltungen in Makroökonomik und der Theorie und Empirie der Konjunktur. Dr. Tobias Just, studierte Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Hamburg und Uppsala. Seine anschließende Promotion an der Universität der Bundeswehr Hamburg zum Thema Globalisierung und Ideologie wurde 2001 mit dem Wissenschaftspreis der Universität ausgezeichnet. Parallel dazu unterrichtete er am Europa-Kolleg Hamburg und dem Haus RissenInstitut internationale Ökonomie. Seit 2001 ist Tobias Just als Senior Economist bei Deutsche Bank Research für bau- und immobilienrelevante Themen sowie für die Entwicklung von Branchenanalysetools verantwortlich. Tobias Just ist seit 2003 Mitglied der IFDArbeitsgruppe zur Einführung von REITs in Deutschland und nimmt regelmäßige Lehraufgaben an der TU Berlin sowie an der IRE|BS Immobilienakademie wahr. Darüber hinaus ist er Mitglied in den gif-Arbeitskreisen Marktanalysen und Bedarfsanalysen sowie Real Estate Economics and Politics. Rainer Koepke arbeitete von 1983-89 im Firmenkundenkreditgeschäft der IKB in Frankfurt und ist seitdem bei Jones Lang LaSalle tätig. Seit 1995 ist er Partner/Geschäftsführer, seit Oktober 2000 Leiter der Abteilung Industrie Immobilien deutschlandweit, die er mit ca. 25 Mitarbeitern bundesweit betreut, seit 2002 European Director und seit 2005 Mitglied der Niederlassungsleitung Frankfurt. Schwerpunkte der Tätigkeit sind Vermietungen für Logistikobjekte, Grundstücksvermittlungen für Entwickler und Eigennutzer in Gewerbegebieten und die Führung des bundesweiten Agency- und Investmentgeschäftes im Bereich Industrie Immobilien. Nicolas Kohl, studierte Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Finanzen und Immobilienökonomie an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL Schloß Reichartshausen (ebs) in Oestrich-Winkel, an der University of Florida und dem Ecole Supérieure de Commerce de La Rochelle. Seit Mai 2005 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand bei Prof. Dr. Wolfgang Schäfers am IRE|BS Insitut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen insbesondere in den Themenbereichen Real Estate Capital Markets und Corporate Governance.

Verzeichnis der Autoren

XV

Prof. Dr. Michael Krautzberger, studierte Rechtswissenschaften, politische Wissenschaften und Kunstgeschichte in München. 1967 erfolgte das 1. Staatsexamen und 1970 seine Promotion zum Dr. jur. an der Universität München. 1971 erreichte er das 2. juristische Staatsexamen. Von 1971 bis 1973 war er im Stadtentwicklungsreferat der Landeshauptstadt München tätig und seit 1973 arbeitet Prof. Dr. Krautzberger im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau; dort u.a. als persönlicher Referent des Staatssekretärs; Leiter des Personalreferates (bis 1978), des Referates Wohnungsmodernisierung (bis 1979) sowie des städtebaurechtlichen Grundsatzreferates. 1986 wurde er Leiter der Unterabteilungen Städtebau, Forschung (bis 1990) und Recht des Städtebaus (bis 1991). Von Oktober 1990 bis Februar 1991 war er zugleich Leiter der Außenstelle Berlin. Im Februar 1991 wurde er Leiter der Abteilung Raumordnung und Städtebau und im November 1998 Leiter der Abteilung Bauwesen und Städtebau und bis Ende 2003 im Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen und Stadtentwicklung. Prof. Dr. Krautzberger hat eine Honorarprofessur an der Humboldt Universität zu Berlin und an der Universität Dortmund. Zusätzlich ist er Vorstandsmitglied der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und Vizepräsident der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung. Bernward Kulle, studierte parallel Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Hannover, Madrid und Münster. Bei Hochtief baute Herr Kulle als Geschäftsführer verschiedener Bereiche seit 2000 das Geschäftsfeld für Public Private Partnership sowie Infrastruktur- bzw. BOT-Projekte in Europa und Nord- und Südamerika wesentlich aus. Seit 2005 ist er Geschäftsführer von Hochtief PPP Solutions GmbH und wurde 2006 zum Sprecher der Geschäftsführung von Hochtief PPP Solutions GmbH benannt. Er ist außerdem Mitglied im Arbeitskreis Private Finanzierung des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie und im Arbeitskreis Infrastruktur des deutschen Verkehrsforums sowie deutscher Vertreter im Arbeitskreis Private Finance in der European International Contractors Association. Prof. Gabriel S. Lee, Ph.D. studierte Mathematik und Volkswirtschaftslehre an der University of Alberta (B.Sc.) und der University of Western Ontario (M.A. Economics). Er erwarb seinen Ph.D. (Economics) an der University of Chicago mit einer Arbeit über “Housing Investment under Time to Build and Adjustment Costs”. Nach verschiedenen Forschungsaufenthalten, die ihn unter anderem an die University of Pittsburgh, die University of California, Davis, die Universität Wien und die Universität Innsbruck führten, lehrte er als Dozent am Institut für Höhere Studien in Wien. Seit April 2004 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienökonomie am neugegründeten Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg. Professor Lee befasst sich hauptsächlich mit makroökonomischen und finanzwirtschaftlichen Themen und untersucht in diesem Zusammenhang vor allem die Rolle von Immobilien für das Investitionsportfolio einer Volkswirtschaft. Prof. Dr. Wolfgang Maennig, ist Professor für Volkswirtschaftslehre am Department Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg. Zuvor war er Professor für Volkswirtschaftslehre an der E.A.P Paris-Oxford-Berlin-Madrid. Er war Gastprofessor an der American University in Dubai, an den Universitäten Stellenbosch (Südafrika) und Istanbul sowie an der Wirtschaftsuniversität Bratislava. Ferner hielt er sich zu Arbeits- und Studienaufenthalten beim Internationalen Währungsfonds in Washington, D.C., bei der Deutschen Bundesbank in Frankfurt a.M. und beim Institute for Advanced Studies in Kiel auf. Zu seinen

XVI

Verzeichnis der Autoren

Forschungsgebieten gehören Immobilienökonomik, Sportökonomik und Verkehrswissenschaft. Er ist in diesen Bereichen umfangreich mit Veröffentlichungen und Vorträgen tätig. Er ist Mitglied des Herausgeberbeirates der Zeitschrift für Immobilienökonomie und Vorsitzender des Arbeitskreises „Real Estate Economics and Politics“ der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung. Kilian Mahler, studierte Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Immobilienökonomie und Betriebliche Steuerlehre an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (ebs) International University Schloß Reichartshausen sowie an der Pennsylvania State University (USA) und UNITEC University (NZ). Nach seinem Abschluss als Dipl.-Kfm. war er von September 2003 bis August 2006 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am ebs Department of Real Estate tätig. Aktuell ist er Doktorand der International Real Estate Business School (IRE|BS) der Universität Regensburg. Prof. Dr. Markus Mändle, ist seit 2002 Inhaber der Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Kooperationswesen im Studiengang Immobilienwirtschaft – Department of Real Estate an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Er ist Leiter des Instituts für Kooperationswesen an der HfWU und Studiendekan des Studiengangs Immobilienwirtschaft – Department of Real Estate. Prof. Mändle ist langjähriger Dozent bei verschiedenen Ausbildungseinrichtungen der Immobilienwirtschaft und unter anderem Mitglied des Instituts für Genossenschaftswesen an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif), der European Real Estate Society (ERES) sowie der American Real Estate and Urban Economics Association (AREUEA). Prof. Dr. Annette Mayer, studierte Volkswirtschaftslehre an der TU Berlin. Ihre Promotion und Habilitation erfolgte an der TU-Cottbus. Heute ist sie Professorin für Volkswirtschaftslehre und Prorektorin für Forschung an der Fachhochschule für Oekonomie & Management FOM. Ihre besonderen Forschungsinteressen: Wohnungstheorie und –politik und Europäische Integration. Dr. Harald Nitsch, studierte Mathematik und Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg von 1983-1990 zum Diplom-Volkswirt und Baccalaureus der Mathematik; 1991/92 Forschungsaufenthalt an der Universität Nagoya, Japan; Promotion 1994; Habilitation 2003 und Ernennung zum Privatdozenten; 1992-2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Finanzwissenschaft und Monetäre Ökonomie der Universität Freiburg; Dozent an der Deutschen Immobilienakademie und der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Freiburg; Seit 2003 Hochschuldozent an der Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg. Forschungsschwerpunkte im Bereich Real Estate Economics und der Monetären Ökonomie. Dr. Christoph Pitschke MRICS, studierte an der European Business School (ebs), OestrichWinkel und an der Georgia State University, Atlanta Betriebswirtschaftslehre. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der European Business School hat er zu dem Themengebiet "Basel II und Immobilienfinanzierung" promoviert. Im Anschluss hat er bei der Deutsche Bank Real Estate Investment GmbH im strategischen Portfoliomanagement bei der Desinvestition von Unternehmensimmobilien mitgewirkt. Derzeit ist er als Fondsmanager bei der Oppen-

Verzeichnis der Autoren XVII heim Immobilien-Kapitalanlagegesellschaft mbH und Dozent an der IRE|BS Immobilienakademie. Prof. Dr. Nico B. Rottke ist Juniorprofessor für Real Estate Banking und Executive Director am Real Estate Management Institute der European Business School. Vor seiner Lehr- und Forschertätigkeit war er für die DIC Deutsche Immobilien Chancen, Frankfurt, im Bereich Investment tätig. Herr Rottke ist Herausgeber der Handbücher „Immobilienzyklen“ und „Real Estate Private Equity” sowie des 2007 erscheinenden Handbuches „Real Estate Capital Markets“. Prof. Rottkes Studie zum Thema „Investitionen mit Real Estate Private Equity” wurde 2004 mit dem Forschungspreis der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) ausgezeichnet. Herr Rottke ist ferner Mitglied der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) sowie Vice Chair Young Leaders des ULI Deutschland und Beirat des Instituts der deutschen Immobilienwirtschaft (iddiw). Professor Dr. Wolfgang Schäfers, arbeitete nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und der Promotion zum Dr. rer. pol. an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL Schloß Reichartshausen (ebs) bei Arthur Andersen (heute Ernst & Young), wo er zuletzt als Partner für den Bereich Real Estate Corporate Finance in Frankfurt verantwortlich war. In 2002 wurde er mit der Führung des Bereichs Real Estate Investment Banking beim Bankhaus Sal. Oppenheim betraut. Im Oktober 2004 erhielt er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Immobilienmanagement an der Universität Regensburg. Professor Dr. Schäfers ist Geschäftsführer des IRE|BS Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg. Er ist Autor und (Mit-)Herausgeber diverser Veröffentlichungen zu immobilienwirtschaftlichen Themen, wie des „Handbuch Corporate Real Estate Management“ oder des „Handbuch Immobilien-Banking“. Ferner ist Professor Dr. Schäfers Gründungsmitglied der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. (gif), Mitglied der European Real Estate Society (ERES) und Mitglied im Editorial Board der „Zeitschrift für Immobilienökonomie". Professor Dr. Karl-Werner Schulte wurde 1986 auf eine Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Investition und Finanzierung, an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL Schloß Reichartshausen (ebs) in Oestrich-Winkel berufen. 1994 wechselte er auf den Stiftungslehrstuhl Immobilienökonomie der ebs. Mehrere Jahre war er Head of ebs Department of Real Estate. Von 1990 bis 2006 war er Wissenschaftlicher Leiter der ebs Immobilienakademie. Im Jahre 2006 wechselten das ebs Department of Real Estate und die ebs Immobilienakademie an die IRE|BS International Real Estate Business School. International ist er derzeit als IRES International Real Estate Society Director für den Aufbau von Real Estate Education and Research in Afrika zuständig. Besondere Auszeichnungen sind seine Wahl zum Präsidenten der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif), zum Präsidenten der European Real Estate Society (ERES), zum Präsidenten der International Real Estate Society (IRES), seine Ernennung zum Honorary Member of the Royal Institution of Chartered Surveyors (HonRICS) sowie zum Counselor of Real Estate (CRE). Als Mitglied in zahlreichen Beiräten und Editorial Boards namhafter Immobilienunternehmen und immobilienökonomischer Zeitschriften verbindet Professor Dr. Karl-Werner Schulte die praktische und theoretische Seite der Immobilienökonomie.

XVIII Verzeichnis der Autoren Prof. Dr. Ramon Sotelo, Immobilienökonom (ebs) und Certified Shopping Center Manager (ebs/GCSC), studierte Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin und promovierte im Jahre 2001 zum Thema „Ökonomische Grundlagen der Wohnungspolitik“ bei Prof. Dr. Karl-Werner Schulte, Stiftungslehrstuhl Immobilienökonomie der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (ebs) International University Schloß Reichartshausen. Seit September 2003 ist er Juniorprofessor für Immobilienökonomie an der Bauhaus-Universität Weimar, wo er sich im Jahre 2006 als Hochschullehrer bewährt hat. Professor Sotelo leitet den Arbeitskreis Immobilienanlageprodukte der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif), ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Immobilienökonomie (ZIÖ) und ist Mitglied im Vorstand der European Real Estate Society (ERES), für dessen Jahreskonferenz 2006 in Weimar er verantwortlich war. F. Ferdinand Spies, studierte Betriebswirtschaftslehre an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (ebs) in Oestrich-Winkel, der San Diego State University (SDSU) und der University of Hong Kong (HKU). Seit September 2003 ist Herr Spies im Rahmen eines Promotionsvorhabens als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department of Real Estate an der ebs und der Universität Regensburg, International Real Estate Business School tätig. Er absolvierte den 2. Jahrgang Internationale Immobilienbewertung an der ebs IMMOBILIENAKADEMIE und ist Mitglied der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) und der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS). Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Immobilienbewertung und Immobilienrechnungslegung sowie ökonometrische Prognoseverfahren für Büromärkte. Dr. Eberhard Stegner, studierte an der Universität Erlangen-Nürnberg Volkswirtschaftslehre und promovierte 1992 zum Dr. rer. pol. Von 1993 bis 1998 war er Assistent am Lehrstuhl für Statistik und empirische Wirtschaftsforschung an der FAU Erlangen-Nürnberg und war in Nebentätigkeit freiberuflich als Unternehmensberater für Organisations- und Strategieentwicklung aktiv. 1993 wurde er Mitarbeiter der GfK-Gruppe; zunächst bei der GfK Marktforschung GmbH im Bereich Regional- und Handelsmarktforschung. 1996 übernahm er die Leitung der Division Standort- und Wirtschaftsforschung. Seit das PRISMA INSTITUT, Hamburg im Juli 2000 einen Unternehmensverbund mit der GfK Gruppe einging, ist Dr. Stegner Geschäftsführer des auf Standort- und Immobilienforschung spezialisierten Unternehmens, das seit Ende Dezember 2000 als GfK PRISMA INSTITUT GmbH & Co. KG firmiert. Seit 2004 ist er zusätzlich Geschäftsführer des GeoMarketing-Unternehmens GfK MACON GmbH, einem Anbieter von geografischen Informationssystemen, weltweiten digitalen Landkarten und Regionaldaten. Herr Dr. Stegner ist Verwaltungsrat des GCSC e.V. sowie Mitglied bei ICSC, gif. und urbanicom. Er ist zudem langjähriger Dozent der ebs Immobilienakademie GmbH im Rahmen des Intensivstudiums Handelsimmobilien. Dr. Thomas Steinmüller ist freier Unternehmensberater und Managing Director der CapTen AG. Ausbildung zum Bankkaufmann, Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit dem Schwerpunkt Logistik und Promotion bei Prof. Dr. Helmut Baumgarten an der TU Berlin. Tätigkeiten als Berater bei der Zentrum für Logistik und Unternehmensplanung (ZLU) GmbH und Ingenieurbüro für logistikorientierte Industrieberatung (ifl). Anschließend Abteilungsleiter für Technische Versicherungen bei der Colonia Versicherung AG. Danach selbständiger Unternehmensberater mit Schwerpunkt Logistik und Finanzierung, anschließend

Verzeichnis der Autoren

XIX

Head of International Logistics Financing and Advisory der Aareal Bank AG. Mitglied der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Lehrbeauftragter der Technischen Fachhochschule Wildau für den Bereich Logistik. Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema Logistikimmobilien und Logistikfinanzierung. Dr. Verena Sturm, studierte Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Immobilienökonomie und Marketing an der European Business School (ebs) International University Schloß Reichartshausen sowie an der CERAM Sophia Antipolis und an der San Diego State University. Von 2002 bis 2005 war sie als wissenschaftliche Assistentin am Stiftungslehrstuhl Immobilienökonomie tätig, wo sie mit einer Dissertation zum Thema Shopping Center Revitalisierung promovierte. Zudem schloss sie in dieser Zeit das Intensivstudium Handelsimmobilien mit dem Titel des Certified Shopping Center Manager (ebs/GCSC) ab. Seit 2005 ist Dr. Sturm als Manager im Bereich Corporate Real Estate Services/International Real Estate Advisory bei der Sireo Real Estate GmbH praktisch tätig. Dr. Michael Voigtländer, studierte von 1995 bis 2000 an den Universitäten Münster und Köln Volkswirtschaftslehre. Danach war er von 2000 bis 2005 wissenschaftlicher Assistent am Wirtschaftspolitischen Seminar der Universität zu Köln, Lehrstuhl Prof. Dr. J. Eekhoff. Nach Abschluss des Promotionsverfahrens im Jahr 2005 wechselte er zum Institut der deutschen Wirtschaft Köln, wo er die Forschungsstelle Immobilienökonomik leitet. Matthias Wiffler studierte Betriebswirtschaftslehre an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL International University Schloß Reichartshausen (ebs) in Oestrich-Winkel, an der University of Florida in Gainesville (USA) und der UNITEC in Auckland (Neuseeland). Nach seinem Abschluss als Diplom-Kaufmann im Jahr 2004 arbeitete Matthias Wiffler als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Karl-Werner Schulte an der ebs Immobilienakademie in Oestrich-Winkel und wechselte im Jahr 2006 an die International Real Estate Business School (IRE|BS) der Universität Regensburg, wo er zum Thema „Käuferverhalten von deutschen institutionellen Immobilieninvestoren“ promoviert. Seit Sommer 2007 arbeitet Matthias Wiffler bei KPMG im Bereich Corporate Finance - Real Estate in Frankfurt am Main.

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie Karl-Werner Schulte, Verena Sturm, Matthias Wiffler 1.1

Einführung....................................................................................................................2

1.2

Immobilienökonomie als interdisziplinäre wissenschaftliche Disziplin.......................2

1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3

Grundlagen der Volkswirtschaftslehre .........................................................................4 Gegenstand der Volkswirtschaftslehre .........................................................................4 Mikroökonomie und Makroökonomie..........................................................................5 Grundelemente des Marktmechanismus.......................................................................6

1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3

Grundlagen der Immobilienökonomie........................................................................12 Immobilienbegriff.......................................................................................................12 Besonderheiten von Immobilien und Immobilienmärkten .........................................14 Grundstruktur von Immobilienmärkten und ihre volkswirtschaftliche Einbettung ....18

1.5 Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft .................................20 1.5.1 Definitorische / inhaltliche Abgrenzung der Immobilienwirtschaft ...........................20 1.5.2 Volumina und volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft in Deutschland ................................................................................................................21 1.5.3 Zukunftsperspektiven für die Immobilienwirtschaft ..................................................24 Literaturverzeichnis zu Kapitel 1 ...........................................................................................25

2

1.1

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

Einführung

Die Volkswirtschaftslehre liefert wichtige Erkenntnisse für Unternehmen sowie für private und öffentliche Haushalte. In diesem Zusammenhang werden auch Entscheidungen über Immobilien bzw. mit Immobilienbezug in erheblichem Maße von gesamtwirtschaftlichen Größen wie Inflationsrate, Zinsniveau, Steuersätze oder Wechselkurse sowie durch einzelwirtschaftliche Größen beeinflusst. Gleichzeitig hat die Immobilienwirtschaft, insbesondere in Bezug auf den Wohnungsmarkt, auch eine bedeutende wirtschaftspolitische Bedeutung. Wohnimmobilien sind aus diesem Blickwinkel nicht nur ein Wirtschafts-, sondern auch ein soziales Gut. Gleichzeitig erfüllt die Immobilienwirtschaft, u.a. durch den Neubau oder die Modernisierung von Immobilien, auch eine wichtige gesamtwirtschaftlich Rolle im Rahmen der Konjunkturentwicklung (Brauer, S. 39). Dennoch sind viele Schnittstellen zwischen Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie bisher nur unzureichend beleuchtet und erforscht worden. Dazu gehören z. B. der Zusammenhang zwischen gesamtwirtschaftlichen Konjunktur- und Immobilienzyklen oder die Auswirkungen bestimmter wirtschaftspolitischer Steuerungsinstrumente auf die Immobilienwirtschaft (Schulte/Schäfers, S. 59). Im anglo-amerikanischen Raum ist dieses Forschungsgebiet bereits längerfristig etabliert und wird als “Real Estate Economics” bezeichnet. Real Estate Economics beschäftigt sich mit Fragestellungen zur Quantität, Qualität, Art und Zeitschiene der ‘Produktion’ von Immobilien. Die Disziplin behandelt bspw. Forschungsproblematiken wie Ungleichgewichte von Angebot und Nachfrage auf Immobilienmärkten (Immobilienzyklen) oder den Einfluss von regionalen produktiven Ansiedlungsmustern auf die Konjunktur und das wirtschaftliche Wachstum. Anknüpfend an die anglo-amerikanische Forschungstradition soll dieser Beitrag - mit Fokus auf die Spezifika der deutschen Immobilienwirtschaft - erste Ansatzpunkte zur Verknüpfung der Immobilienökonomie mit der Volkswirtschaftslehre erarbeiten, die in den einzelnen Kapiteln des Buches weitere theoretische und praktische Spezifizierung erfahren.

1.2

Immobilienökonomie als interdisziplinäre wissenschaftliche Disziplin

Die Immobilienökonomie ist im Vergleich zur Volkswirtschaftslehre in Deutschland eine noch junge wissenschaftliche Disziplin. Der Begriff „Immobilienökonomie“ wurde von Schulte im Jahre 1990 geprägt, als eine Bezeichnung für eine wissenschaftliche Disziplin gesucht wurde, in deren Zentrum die Erklärung und Gestaltung realer Entscheidungen von mit Immobilien befassten Wirtschaftssubjekten steht und auf einem interdisziplinären Grundverständnis beruht. Ziel der Immobilienökonomie ist es, die Entscheidungsprozesse der Teilnehmer auf den Immobilienmärkten zu unterstützen und durch Lösungshilfen zu deren Verbesserung beizutragen. Dabei untersucht die Immobilienökonomie in problemorientierter Sichtweise die tatsächlichen Prämissen und Bedingungen, unter denen Institutionen,

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

3

Objekte, Funktionen und Prozesse im immobilienbezogenen Kontext zusammenwirken (vgl. Schulte/Schäfers, S. 57). Grafisch wird dieses Wissenschaftskonzept durch das „Haus der Immobilienökonomie“ veranschaulicht (vgl. Abbildung 1).

Im m obilienökonom ie M a na g em en t-Asp e k te Po rtfoliom anagem ent

C RE M

P RE M

Im m obilien- Im m obilienanalyse bew ertung

Im m obilien finanzierung

Bau -P rojektF acilities Im m obilien- Im m obilienProjektinvestition m arketing entwicklu ng m anag em ent M an agem ent

F u nktionsspezifisch e A spekte

P h ase no rien tierte A spe kte

Im m obilienprojektentwickler

G ewerbeim m obilien

Im m obilieninv estoren

W ohnim m obilien

Bauunternehm en Im m obilienfinanzinstitutionen

Industrieim m obilien

Im m obiliendienstleister

Sonderim m obilien

Im m obiliennutzer

Typologische Aspekte

Institutionelle Aspekte

Strategie b ezogene Aspekte

Inte rd iszip linä re As p ek te V o lksw irtsch aftsleh re

R e ch tsw issen schaft

S tad tp la nung

A rchite ktu r

In ge n ieu rw e se n

B e triebs w irtsc haftslehre

Q uelle: Schu lte/Schäfers, S. 58.

Abbildung 1: Haus der Immobilienökonomie

Neben der Betriebswirtschaftslehre als Fundament bilden die interdisziplinären Aspekte mit den Disziplinen Volkswirtschaftslehre, Rechtswissenschaft, Stadtplanung, Architektur und Ingenieurwesen die Basis des „Haus der Immobilienökonomie“. Die Pfeiler bilden die typologischen Aspekte und die institutionellen Aspekte. Die immobilientypologischen Aspekte teilen Immobilien anhand einer vereinfachenden Systematisierung in Gewerbe-, Wohn-, Industrie- und Sonderimmobilien ein und konzentrieren sich insbesondere auf die besonderen Charakteristika des jeweiligen Immobilientyps. Die institutionellen Aspekte der Immobilienökonomie befassen sich mit den unterschiedlichen Akteuren aus der Bau-, Immobilienund Finanzwirtschaft und deren Zusammenwirken auf den Immobilienmärkten. Diese werden in Immobilienprojektentwickler, Immobilieninvestoren, Bauunternehmen, Immobilienfinanzinstitutionen, Immobiliendienstleister und Immobiliennutzer grob eingeteilt. Im Dach des Hauses befinden sich die Management-Aspekte, die in phasenorientierte, funktionsspezifische sowie strategiebezogene Aspekte untergliedert sind. Dabei befassen sich die strategiebezogenen Aspekte mit der langfristigen Entwicklung und dem Erfolg eines Unternehmens bzw. eines Geschäftsfeldes und umfassen das Immobilien-Portfoliomanagement, das Corporate Real Estate Management (CREM) sowie das Public und das Private Real Estate Management (PREM). Die Betrachtung von immobilienbezogenen Besonderheiten einzelner betriebswirtschaftlicher Funktionen erfolgt innerhalb der funktionsspezifischen Aspekte Immobilienanalyse, -bewertung, -finanzierung, -investition und -marketing. Die phasenorientierten Aspekte bringen die zeitliche Komponente im Lebenszyklus von Immobilien zum Ausdruck

4

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

und schließen die Projektentwicklung, das Bau-Projektmanagement und das Facilities Management ein.

1.3

Grundlagen der Volkswirtschaftslehre

Eine umfassende Einführung in die Volkswirtschaftslehre kann und soll nicht im Zentrum dieses Einführungsbeitrags stehen. Dennoch ist es den Autoren wichtig, einige grundlegende Aspekte und Inhalte der Volkswirtschaftslehre zur erläutern, um auf diesem Wege dem Leser den Einstieg in das vorliegende Buch und in die Materie zu erleichtern. Im Zentrum der Betrachtung steht an dieser Stelle zunächst ein Überblick über die Volkswirtschaftslehre, bevor danach auf die wesentlichen Merkmale der mikro- und makroökonomischen Analyse der Volkswirtschaft eingegangen wird. Im Anschluss daran erfolgt eine kurze Einführung in die Funktionsweise des Marktmechanismus, der die Basis der Funktionsweise der Immobilienmärkte bildet. In diesem Zusammenhang werden auch einige wichtige, in diesem Buch immer wiederkehrende Begriffe definiert und erläutert.

1.3.1

Gegenstand der Volkswirtschaftslehre

Die Volkswirtschaftslehre kann allgemein als “die Wissenschaft vom Einsatz knapper Ressourcen zur Produktion wertvoller Wirtschaftsgüter durch die Gesellschaft und von der Verteilung dieser Güter in der Gesellschaft“ (Samuelson/Nordhaus, S. 20) umschrieben werden. Die Volkswirtschaftslehre wird üblicherweise in drei Teilbereiche untergliedert. Dies sind die Wirtschaftstheorie, die Theorie der Wirtschaftspolitik und die Finanzwissenschaft. Im Zentrum der Wirtschaftstheorie stehen Fragen nach und die Erklärung von allgemein gültigen Zusammenhängen und generellen Ursache-Wirkungsbeziehungen des Wirtschaftslebens. Typische Fragestellungen sind z. B.: Wovon hängt die Nachfrage eines Unternehmens ab? Welche Faktoren entscheiden über die Bildung eines Preises? Die Theorie der Wirtschaftspolitik hingegen versucht, bestehende Zustände oder erwartete zukünftige Entwicklungen im Sinne bestimmter Ziele zu verändern. Die Ziele, die mit den ergriffenen Maßnahmen erreicht werden sollen, sind dabei für den Wissenschaftler vorgegeben. Der Wirtschaftspolitiker untersucht demnach, mit welchen Maßnahmen oder Mitteln bestimmte vorgegebene Ziele erreicht werden können. Sie lässt sich unterteilen die „Allgemeine Wirtschaftspolitik“ und in „Spezielle Wirtschaftspolitiken“ (z. B. Geldpolitik, Außenhandelspolitik, Arbeitsmarktpolitik, Immobilienmarkt-/Wohnungsmarktpolitik etc.). Die zentrale Aufgabe der Finanzwissenschaft besteht zum einen in der Erfassung und Analyse der Wirtschaftstätigkeit des Staates unter Einbeziehung sonstiger öffentlicher Verbände und den staatlichen Sozialversicherungen (Finanztheorie). Zum anderen stehen auch die Aktivitäten des Staates, welche die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben (Finanzpolitik) betreffen, im Fokus (vgl. Engelkamp/Sell, S. 33ff.; Frank, S. 9). Einen Überblick gibt die Abbildung 2:

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

5

Quelle: Frank, S. 10; Engelkamp/Sell, S. 33ff.

Abbildung 2: Volkswirtschaftliche Disziplinen im Überblick

1.3.2

Mikroökonomie und Makroökonomie

Im Rahmen der Volkswirtschaftslehre wird das Wirtschaftsgeschehen auf zwei unterschiedlichen Ebenen untersucht, die auch die beiden wesentlichen Gliederungspunkte des vorliegenden Buches bilden und deshalb an dieser Stelle näher beleuchtet werden. Die erste bedeutende Ebene der Volkswirtschaftlehre bildet die Makroökonomie. Sie befasst sich mit der wirtschaftlichen Gesamtleistung und geht in ihrer modernen Form auf das erst 1936 veröffentlichte revolutionäre Werk „General Theory of Employment, Interest and Money“ von John Maynard Keynes zurück (vgl. Samuelson/Nordhaus, S. 22). Die makroökonomische Theorie befasst sich im Gegensatz zur Mikroökonomie mit wirtschaftlichen Zusammenhängen auf Basis eines höheren Aggregationsniveaus. Im Zentrum stehen u. a. die Zusammenhänge wirtschaftlicher Aggregate wie Sozialprodukt, gesamtwirtschaftliche Investitionen, Arbeitslosigkeit, Geldmenge und Preisniveau. Die makroökonomische Analyse dient damit vor allem der theoretischen Fundierung der Wirtschaftspolitik. Dabei folgt sie meist dem folgenden Schema: Zunächst wird versucht, die komplexen Funktionsmechanismen für die einzelnen makroökonomischen Teilmärkte Arbeitsmarkt, Geld- und Gütermarkt getrennt von einander in möglichst einfachen Modellen abzubilden. In einem zweiten Schritt erfolgt eine Untersuchung der Beziehungen zwischen den einzelnen Teilmärkten. Anschließend wird analysiert, unter welchen Bedingungen es zu Gleichgewichten auf allen Märkten kommt und wann mit makroökonomischen Problemen wie Arbeitslosigkeit oder Inflation gerechnet werden muss. Abschließend erfolgen Vorschläge zu wirtschafts-politischen Gegenmaßnahmen (vgl. Moritz, S. 3). Die Anwendung der im Rahmen von makroökonomischen Untersuchungen vorgenommenen Aggregationen auf das immobilienwirtschaftliche Geschehen ist dabei mit Schwierigkeiten verbunden. So lassen sich die Unternehmen der Immobilienwirtschaft beispielsweise nicht in einem Sektor zusammenfassen, da sie sowohl im sekundären als auch im tertiären Sektor aktiv sind. Auch die Aggregation der produzierten Güter und Dienstleistungen zu Güterbündeln gestaltet sich, u.a. aufgrund der Fragmentierung des Immobilienmarktes in Teilmärkte, als schwierig. So lassen sich leichter Aggregationen auf Teilmarktebene (Mikroökonomik) realisieren, wodurch gesamtwirtschaftliche Aussagen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt getroffen werden können (vgl. Brauer, S. 38).

6

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

Die zweite Ebene bildet die Mikroökonomie. Ihr primäres Forschungsziel ist die Erklärung der Preisbildungsprozess in Marktwirtschaften aus dem dezentralen Handeln der „Wirtschaftssubjekte“. Sie beschäftigt sich also primär mit dem Verhalten einzelner Wirtschaftseinheiten wie der Märkte, der Unternehmen oder der Haushalte (vgl. Samuelson/Nordhaus, S. 21). Zentrale Fragen der mikroökonomischen Theorie sind, welche Güter in welchen Mengen produziert werden, welche Kosten dabei entstehen und wie sich die Preise für die Güter auf unterschiedlich strukturierten Märkten (z. B. vollständige Konkurrenz oder Angebotsmonopol) bilden (vgl. Feess, S. 23). Überträgt man die mikroökonomischen Methoden auf die Immobilienmärkte, so könnte z. B. das Angebotsverhalten von Projektentwicklern in Abhängigkeit der Zinsentwicklung analysiert werden. Verallgemeinernd können dann wiederum gesamtwirtschaftliche Schlussfolgerungen zum Angebot von Immobilien gezogen werden, die schließlich den Ausgangspunkt für weitere, nun makroökonomische Analysen bilden (vgl. Brauer, S. 38). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Unterscheidung zwischen Mikro- und Makroökonomie also primär am Aggregationsniveau ansetzt: In der Mikroökonomie wird der Preisbildungsprozess aus dem Verhalten einzelner Wirtschaftssubjekte zu erklären versucht; in der Makroökonomie hingegen die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Aggregaten. Die beiden Sichtweisen sind jedoch dadurch miteinander verbunden, dass makroökonomische Überlegungen letztlich auch mikroökonomisch fundiert werden müssen, d. h. dass diese mit dem Verhalten der einzelnen Wirtschaftssubjekte im Einklang stehen (vgl. Feess/Tibitanzl, S. 2).

1.3.3

Grundelemente des Marktmechanismus

Die zentrale Frage der Volkswirtschaftlehre bildet das Spannungsfeld der Knappheit der Ressourcen und Güter auf der einen Seite und den dieser Knappheit gegenüberstehenden unendlichen menschlichen Bedürfnisse auf der anderen Seite. Die naturgegebene Knappheit der Güter zwingt den Menschen zu wirtschaften, d. h. die vorhandenen Ressourcen so einzusetzen, dass ein möglichst hohes Maß an Bedürfnisbefriedigung erreicht wird. Wirtschaftliche Entscheidungen unterliegen dem sogenannten ökonomischen Prinzip, wonach mit einem gegebenen Aufwand an Produktionsfaktoren ein größtmöglicher Güterertrag erreicht werden soll (Maximalprinzip) bzw. ein gegebener Güterertrag mit einem geringstmöglichen Ressourcenaufwand erzielt werden soll (Minimalprinzip) (vgl. Frank, S. 19). Dies soll durch einen optimalen bzw. effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren erreicht werden, was als optimale Allokation (effiziente Faktorallokation) bezeichnet wird. Allgemein bedeutet Effizienz im Rahmen der Volkswirtschaftslehre „die Abwesenheit von Verschwendung oder die Nutzung wirtschaftlicher Ressourcen auf eine Weise, dass mit den vorhandenen Faktoren und der bestehenden Technologie das größtmögliche Maß an Zufriedenheit erreicht wird“ (Samuelson/Nordhaus, S. 1027).

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

7

Die wichtigsten Fragen, die durch die wirtschaftliche Organisation demnach aufgrund der Knappheit der Güter beantwortet werden müssen, lauten (vgl. Engelkamp/Sell, S. 18f.): • Was soll produziert werden, d. h. welche Güterarten und –mengen sollen hergestellt werden? • Wie soll produziert werden, d. h. welche Produktionsverfahren, -faktoren und – mengen sollen hergestellt werden? • Für wen soll produziert werden, d. h. wer erhält was in welcher Menge? Der neoklassischen Theorie folgend, der heute vorherrschenden Wirtschaftstheorie, wird der Wert eines Gutes (sein Preis) nicht mehr durch die Produktionskosten (objektive Wertlehre), sondern allein durch Angebot und Nachfrage auf Märkten festgelegt. Der Preis eines Gutes bestimmt sich somit hauptsächlich durch die subjektive Wertschätzung seitens des Konsumenten (subjektive Wertlehre). Wirtschaftsbeziehungen werden demnach in der Neoklassik als Tauschakte auf Märkten interpretiert (vgl. Rogall, S. 57f.). In der Wirtschaftsform „Marktwirtschaft“ werden die zuvor genannten zentralen Fragen der Volkswirtschaftslehre also über den Marktmechanismus gelöst, der durch seine ausgleichende Funktion von Angebot und Nachfrage für eine optimale Allokation der Ressourcen sorgt. Zur Erläuterung der Funktionsweise des Marktmechanismus wird auf das neoklassische Marktmodell zurückgegriffen. Zwar unterliegt dieses Modell sehr restriktiven Annahmen, die sich auf den Immobilienmärkten nicht wiederfinden. Dennoch eignet sich das Modell, um die prinzipielle Funktionsweise von Märkten, also auch von Immobilienmärkten, zu erläutern. Der Markt kann als ein Koordinationsmechanismus definiert werden, mit dessen Hilfe Käufer und Verkäufer miteinander in Beziehung treten, um Preis und Menge von Waren oder Dienstleistungen zu ermitteln (vgl. Samuelson/Nordhaus, S. 51). Die zentralen Elemente eines Marktes sind Angebot, Nachfrage und Preis. Anhand des klassischen Marktmodells, dessen Grundlage das Gesetz von Angebot und Nachfrage (auch Gesetz vom Wettbewerb genannt) ist, soll die typische Funktionsweise eines Marktes dargestellt werden (vgl. Abbildung 3). Die Nachfragekurve (N) zeigt die Abhängigkeit der nachgefragten Menge vom Preis (P). Die typische Nachfragekurve hat einen fallenden Verlauf von links oben nach rechts unten, da die nachgefragte Menge mit sinkendem Preis zunimmt. Bei hohen Preisen ist die Nachfrage im dargestellten Modell geringer, weil Nachfrager mit geringen finanziellen Möglichkeiten den höheren Preis nicht zahlen können und als Abnehmer ausfallen. Zudem kann es sein, dass Nachfrager durch den hohen Preis dazu veranlasst werden, auf andere, den gleichen Zweck erfüllende Güter, auszuweichen (Substitution). Für die Angebotskurve (A) gilt die umgekehrte Beziehung. Die typische Angebotskurve steigt von links unten nach rechts oben an, da die angebotene Menge mit steigendem Preis zunimmt. Je niedriger jedoch der Preis ist, desto geringer fällt das Angebot aus, da bei niedrigeren Preisen einige Anbieter u. a. nicht mehr kostendeckend ihre Güter anbieten können, Verluste machen und damit aus dem Markt ausscheiden. Die Angebotskurve zeigt also die Abhängigkeit der angebotenen Menge

8

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

vom Preis. Zwar zeigen die dargestellten Angebots- und Nachfragekurven die Abhängigkeit der Mengen vom Preis, wie aber zuvor schon erwähnt, bestimmen im eigentlichen Preisbildungsprozess Angebot und Nachfrage den Preis, und nicht umgekehrt.

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 3: Marktmodell bei vollkommener Konkurrenz

Bei Preisen unter P ist die Nachfrage größer als das Angebot (Nachfrageüberhang). In diesem Fall sorgt der Wettbewerbsmechanismus des Marktes dafür, dass es durch die Konkurrenz zwischen den Nachfragern zu Preissteigerungen kommt. Umgekehrt ist bei Preisen über P das Angebot größer als die Nachfrage (Angebotsüberhang), wodurch einige Anbieter ihre Waren nicht absetzen können. Zum Preis P, bei dem sich die Nachfragekurve (N) und die Angebotskurve (A) schneiden, sind die angebotene und die nachgefragte Menge identisch. Der Markt befindet sich in diesem Fall im Gleichgewicht. Ein Marktgleichgewicht stellt sich also bei dem Preis ein, bei dem die nachgefragte Menge der angebotenen Menge entspricht. Diesen Preis nennt man auch Gleichgewichtspreis (hier: P). Befindet sich der Markt im Gleichgewicht, gibt es keine Preistendenzen nach oben oder unten. Aufgrund dessen, dass im Gleichgewichtspreis alle Angebots- und Nachfragevorstellungen befriedigt werden, also soviel nachgefragt wie angeboten wird und es deshalb weder Angebots- noch Nachfrageüberhänge gibt, nennt man diesen auch Markträumungspreis (vgl. Samuelson/Nordhaus, S. 91; Frank, S. 44.) Im dargestellten Marktmechanismus nimmt der Preis also wichtige Funktionen ein. Zum einen hat der Preis eine Gleichgewichtsfunktion. Der Zusammenhang von Angebot und Nachfrage führt der neoklassischen Theorie nach immer zum Gleichgewichtspreis, bei dem alle produzierten Güter verkauft werden. Zudem hat der Preis eine Informations- und Allokationsfunktion, wonach die Wirtschaftssubjekte durch den Preis Informationen über den Knappheitsgrad der Güter und Produktionsfaktoren erhalten.

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

9

Immer wenn ein Faktor stark im Preis ansteigt, werden die Wirtschaftssubjekte versuchen, den Faktor effizienter einzusetzen oder aber ihn zu substituieren. Der Preis lenkt die Produktionsfaktoren somit in die beste Verwendung (effiziente Allokation). Darüber hinaus sorgt der Preis für eine marktgerechte Verteilung von Gütern und Einkommen (Distributionsfunktion) (vgl. Frank, S. 24). Da sich Preisänderungen unmittelbar auf die Gewinnsituation der Anbieter auswirken und kurzfristig kaum über veränderte Kostenstrukturen ausgeglichen werden können, sind Unternehmen im Sinne der Motivations- bzw. Sanktionsfunktion des Preises dazu angehalten, schnell und vorausschauend zu handeln. Falsche oder zu langsame Entscheidungen werden sofort durch den Markt sanktioniert (vgl. Baßeler 2002, S. 186f.). In diesem Zusammenhang soll ein wichtiger Begriff näher beleuchtet werden, der auch für das Verständnis der Funktionsweise von Immobilienmärkten von Bedeutung ist: die Elastizität. Dieser in den Wirtschaftswissenschaften weit verbreitete Begriff „bezeichnet die Reaktionsfähigkeit einer Variablen auf Änderungen einer anderen. Die Elastizität von X in Bezug auf Y bezeichnet die prozentuale Änderung von X bei einer einprozentigen Änderung von Y“ (Samuelson/Nordhaus, S. 1028). Im dargestellten Zusammenhang von Angebot und Nachfrage spielt insbesondere die Preiselastizität des Angebots und die Preiselastizität der Nachfrage eine wesentliche Rolle für die Funktionsweise von Märkten. Die Preiselastizität der Nachfrage definiert sich dabei wie folgt:

Die prozentuale Änderung der Nachfragemenge wird durch die prozentuale Änderung des Preises geteilt. Steigt beispielsweise der Preis für ein Gut von 100 auf 110, also um 10%, und sinkt dadurch die Nachfragemenge von 100 auf 80 Einheiten, also um 20%, so ist die Nachfrageelastizität 2. Analog ist die Vorgehensweise bei der Berechnung der Angebotselastizität:

Von einer elastischen (unelastischen) Nachfrage spricht man, wenn der errechnete Elastizitätswert über 1 (unter 1) liegt. Ein Elastizitätswert von 0 ist ein Grenzfall und kennzeichnet eine völlig starre Nachfrage, die unabhängig vom Preis immer die gleiche Menge nachfragt (vgl. Heiring, S. 98f.). Für den Immobilienmarkt kann festgehalten werden, dass das Angebot relativ unelastisch ist, da es vergleichsweise lange dauert, bis auf Nachfrageänderungen bzw. Preissteigerungen mit neu erstellten Mietflächen reagiert werden kann. Auch die Nachfrageelastizität auf Immobilienmärkten ist relativ gering, da Mieter, insbesondere im gewerblichen Immobilienbereich an langfristige Verträge gebunden sind und damit nicht sofort, beispielsweise auf sinkende Mietpreise, reagieren können (vgl. hierzu auch 1.3.3 sowie den Beitrag von Cieleback 3.1.1).

10

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

Nach diesem Exkurs soll anhand des gewählten Marktmodells gezeigt werden, wie sich Veränderungen bestimmter Faktoren auf Angebot, Nachfrage und Preisniveau auswirken. So kann eine Einkommenssteigerung der Nachfrager eine Erhöhung der Nachfrage bewirken (vgl. Abbildung 4). Da eine gestiegene Nachfrage bei gleichbleibendem Angebot zu steigenden Preisen führt, verschiebt sich die Nachfragekurve also nach rechts (von N1 nach N2) und der Preis steigt (von P1 auf P2). Eine diesem Mechanismus zugrundeliegenden Annahme ist, dass sich das Gewinnniveau gleichläufig mit dem Preis entwickelt. Demnach führen also steigende Preise zu höheren Gewinnen. Dieser Umstand bietet den Anbietern einen Anreiz mehr zu produzieren. Das Angebot steigt, die Angebotskurve verschiebt sich nach rechts (von A1 nach A2). Es bildet sich ein neues Marktgleichgewicht (G2) bei einem neuen Gleichgewichtspreis (P3) und einer größeren Umsatzmenge (M2). Zum gleichen Zustand kann ein anderer wichtiger Ausgleichsmechanismus führen, der sich nicht auf den einzelnen Markt bezieht, sondern der sich zwischen den Branchen der Volkswirtschaft abspielt.

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 4: Marktmechanismus bei einer Nachfrageerhöhung

Dieser Mechanismus wird über das Gewinnniveau, das auf verschiedenen Märkten herrscht, herbeigeführt. Liegt nämlich die beim Preisniveau (hier P2) realisierte Profitrate über dem volks-wirtschaftlichen Durchschnitt, veranlasst dies Anbieter aus anderen Branchen (mit niedrigeren Profitraten) in diesen Markt einzutreten. Dadurch kommt es zu einer Verschiebung der Angebotskurve nach rechts (von A1 nach A2), mit der Folge, dass auf diesem Markt bei steigender Umsatzmenge (M2) der Gleichgewichtspreis sinkt (P3) und sich ein neues Marktgleichgewicht einstellt (G2). Aufgrund der Annahme, dass sich das Gewinnniveau gleichläufig mit dem Preis entwickelt, führt der Mechanismus im skizzierten Fall zu einer sinkenden Profitrate (Verhältnis erzielter Gewinn: eingesetztes Kapital). Infolgedessen kommt es zu Wanderungsbewegungen zwi-

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

11

schen den Branchen, d. h. einem Zustrom bzw. einer Abwanderung von Anbietern. Voraussetzung für diesen Mechanismus ist allerdings ein freier Zutritt zu allen Märkten. Nur so kann eine über längere Zeit überhöhte Gewinnposition auf einem Markt vermieden werden (vgl. Engelkamp/Sell, S. 24f.). Im anderen Falle, also einer Erhöhung des Angebots (vgl. Abbildung 5), z. B. durch effizientere Fertigungsmethoden oder aufgrund des Markteintritts neuer Anbieter, führt die Angebotserhöhung bei zunächst unveränderter Nachfrage zu einer Verschiebung der Angebotskurve nach rechts (von A1 nach A2). Es kommt zu einem vorübergehenden Angebotsüberhang, der Preis sinkt (von P1 auf P2). Die Preissenkung kann jedoch die Nachfrager dazu anregen, sich vermehrt für das Angebot zu interessieren. Es kommt zu einer steigenden Nachfrage, wodurch sich die Nachfragekurve nach rechts verlagert (von N1 nach N2) und sich ein neues Gleichgewicht (G2) bei einem erhöhten Mengenumsatz und einem neuen Gleichgewichtspreis (P3) einstellt.

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 5: Marktmechanismus bei einer Angebotserhöhung

Wie bereits angedeutet wurde, liegen dem neoklassischen Marktmodell einige sehr restriktive Annahmen zugrunde, auf die an dieser Stelle kurz eingegangen werden soll. Eine zentrale Annahme ist das Vorliegen eines vollkommenen Marktes. Der Begriff des vollkommenen Marktes geht auf Jevons (1871) zurück und ist die Bezeichnung für Märkte, auf denen sachlich gleichartige Güter gehandelt werden, ohne dass auf Nachfragerseite bestimmte persönliche, zeitliche oder räumliche Präferenzen bestehen. Auch vollständige Markttransparenz wird manchmal als Voraussetzung für das Vorliegen vollkommener Märkte genannt (vgl. Feess, S. 763). Darüber hinaus gehen die Neoklassiker von weiteren Voraussetzungen aus. Dazu gehören unter anderem ein vollkommener Wettbewerb, das Postulat des rational und wirtschaftlich handelnden Menschen, dem homo economicus (vgl. hierzu ausführlich Kirchgässner 1991),

12

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

sowie die Tatsache, dass für alle Marktteilnehmer alle notwendigen Informationen verfügbar sind und sie frei und ohne Druck handeln (vgl. weiterführend Rogall, S. 61). Diese restriktiven und meist realitätsfernen Annahmen haben dazu geführt, dass die neoklassische Theorie im Laufe der Jahre umfangreicher Kritik unterzogen wurde. An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass die Funktionsweise der Immobilienmärkte in der Realität von der soeben dargestellten, friktionslosen Funktionsweise des neoklassischen Marktmodells abweicht, wobei jedoch die zentralen Marktelemente Angebot, Nachfrage und Preis grundsätzlich auch auf dem Immobilienmarkt in der zuvor beschriebenen Art und Weise miteinander agieren. So bestimmen nicht die historischen Herstellungskosten den Wert bzw. Marktpreis einer Immobilie. Vielmehr ist entscheidend, welche Honorierung die Nutzungsmöglichkeiten einer Immobilie durch den Markt erfahren (vgl. Schulte, S. 10). Zu beachten ist jedoch, dass sich die Funktionszusammenhänge auf den Immobilienmärkten als wesentlich komplexer darstellen als im eben beschriebenen Grundmodell (vgl. hierzu u. a. Kapitel 3.1.1).

1.4

Grundlagen der Immobilienökonomie

1.4.1

Immobilienbegriff

Immobilien spielen für private Anleger wie für institutionelle Investoren als Kapitalanlage, sowie für Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen und für die öffentliche Hand als Produktionsfaktor eine herausragende Rolle. Aufgrund der mit der Herstellung einer Immobilie verbundenen hohen Investitionsvolumina nehmen Immobilien sowohl bei den privaten Haushalten als auch den Unternehmen den größten Anteil am Gesamtvermögen ein (Schulte/Bone-Winkel/Focke, S. 31). Bevor in Kapitel 5 auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft als Ganzes eingegangen wird, soll in diesem Kapitel eine Einordnung des Immobilienbegriffs im Rahmen einer volkswirtschaftlichen Betrachtung erfolgen. Innerhalb der Wirtschaftswissenschaften existieren zwei unterschiedliche Konzepte des Immobilienbegriffs. Dem investitionstheoretischen Begriffsverständnis folgend sind Immobilien Kapitalanlagen oder Sachvermögen; hingegen werden Immobilien dem produktionswirtschaftlichen Verständnis nach als Produktionsfaktoren eingeordnet (vgl. Schäfers, S. 14ff.). Das produktionswirtschaftliche Begriffsverständnis findet seinen Ursprung in der Unterteilung der Produktion in ihre drei Grundelemente: Die Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital. Als Produktionsfaktoren, auch Inputs genannt, werden Faktoren bzw. Güter bezeichnet, die der Produktion anderer Güter (Output) dienen (vgl. Corsten, S. 8). Der Boden dient im Zusammenhang dieser über 200 Jahre alten Kategorisierung als land- und forstwirtschaftliche Nutzungsfläche (Anbauboden), als Fundort nicht ersetzbarer Stoffe (Abbauboden) sowie als Standort (Standortboden) für den Wohnungsbau, landwirtschaftliche und industrielle Betriebe, für Bürohäuser, Lagerhallen oder Verkaufsräume (vgl. Heiring, S. 40). Heute gliedert man die Produktionsfaktoren in die Kategorien Arbeit (menschliche Arbeits-

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

13

kraft), Kapital, worunter die Produktionsmittel Maschinen und Anlagen, auch Realkapital genannt, und Gebäude und Verkehrsmittel (Infrastruktur) zusammengefasst werden, sowie Natürliche Ressourcen (vgl. Rogall, S. 36). Dieser Einteilung folgend stellen Immobilien im produktionstheoretischen Verständnis Betriebsmittel dar, die für den leistungswirtschaftlichen Prozess der Faktorkombination in den Unternehmen benötigt werden. Als solche gehören sie zum Ressourcen- bzw. Produktionsfaktorbestand von Unternehmen, da Sachgüter oder Dienstleistungen nur dann produziert werden können, wenn menschliche Arbeitsleistungen mit Betriebsmitteln (u. a. Immobilien) im Rahmen der Faktorkombination miteinander verbunden werden (vgl. Bone-Winkel/Schulte/Focke, S. 11f.). In diesem Sinne bilden Immobilien die räumliche Dimension des Leistungserstellungsprozesses in Unternehmen (vgl. Schäfers, S. 15). In diesem Zusammenhang sei auf die in der Immobilienwirtschaft gebräuchliche Unterscheidung zwischen Immobilienunternehmen“ (Property Companies) und „NichtImmobilienunternehmen“ (Non-Property Companies) hingewiesen. Dieser Unterscheidung liegt als Differenzierungskriterium der Gegenstand der Unternehmenstätigkeit zugrunde. Bei Immobilienunternehmen handelt es sich um diejenigen Unternehmen, die immobilienspezifische Leistungen wie z. B. Projektentwicklung, Vermittlung oder Finanzierung als extern gerichtete Primär- bzw. Marktleistungen für ihre Kunden erbringen. Dagegen werden als Nicht-Immobilienunternehmen solche Unternehmen bezeichnet, bei denen die immobilienspezifischen Leistungen intern gerichtete Sekundärleistungen sind, die nicht zum Kerngeschäft gehören (vgl. Schulte, S. 12f.). Die immobilienökonomische Definition des Immobilienbegriffs, die auch diesem Band zugrunde liegt, weicht von einer rein produktionswirtschaftlichorientierten Sichtweise ab. So definiert sich eine Immobilie aus dem Blickwinkel der Immobilienökonomie wie folgt (Schulte/Schäfers/Focke, S. 16): „Immobilien sind Wirtschaftsgüter, die aus unbebauten Grundstücken oder bebauten Gründstücken mit dazugehörigen Außenanlagen bestehen. Sie werden von Menschen im Rahmen physisch-technischer, rechtlicher, wirtschaftlicher und zeitlicher Grenzen für Produktions-, Handels-, Dienstleistungs- und Konsumzwecke genutzt.“ Aus dieser Definition ergibt sich bereits, dass sich Immobilien durch eine Vielzahl von besonderen Eigenschaften von anderen Gütern unterscheiden. Dies hat auch Konsequenzen hinsichtlich der Funktionsweise von Immobilienmärkten. So weichen Immobilienmärkte beispielsweise mehr als andere Gütermärkte vom Idealbild des vollkommenen Marktes ab. Vergleicht man die Annahmen des neoklassischen Marktmodells mit den immobilienökonomischen Realitäten, so treten eine Reihe von Unterschieden hervor, die sich aufgrund der besonderen Charakteristika des Wirtschaftsgutes Immobilie ergeben. Deren Besonderheiten wirken sich direkt auf die Eigenschaften und die Funktionsweise des Immobiliemarktes aus, der demnach auch als Spezialmarkt zu bezeichnen ist (vgl. Abromeit-Kremser, S.113). BoneWinkel folgend, werden im nächsten Abschnitt wichtige Besonderheiten des Wirtschaftsgutes Immobilie beschriebenen und deren Auswirkungen auf die Eigenschaften des Immobilienmarktes darstellt (vgl. Abbildung 6 sowie Bone-Winkel, S. 27ff.).

14

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

Quelle: Schulte, S. 37.

Abbildung 6: Besonderheiten von Immobilien und abgeleitete Immobilienmarkteigenschaften

1.4.2

Besonderheiten von Immobilien und Immobilienmärkten

Die wesentlichen Charakteristika sind in Abbildung 6 dargestellt. Die Immobilität ist die zentrale Eigenschaft einer Immobilie. Eine Immobilie ist stets an ihren Standort gebunden. Da die Standortgebundenheit nicht überkommen werden kann, wird die Immobilie durch ihre spezifische Lage sowohl in Hinblick auf ihre Nutzungsmöglichkeiten, als auch hinsichtlich ihres ökonomischen Wertes wesentlich durch den Standort geprägt. Die Nachfrage und damit auch der Wert einer Immobilie werden demnach in erheblichem Maße durch das gesellschaftliche, ökonomische und technische Umfeld der Immobilie bestimmt, in das sie dauerhaft eingebettet ist. Darüber hinaus ist kein „Transport“ des Gutes möglich, also auch keine Arbitrage. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive bedeutet dies, dass der Flächenmarkt in einer Region von einem Nachfrageüberhang geprägt sein kann, während gleichzeitig der Flächenmarkt in einer anderen Region einen Angebotsüberhang aufweist und es keinen Mechanismus gibt, der diese Situation kurzfristig ausgleicht (vgl. Wernecke, S. 22f.). Die Ortsgebundenheit führt darüber hinaus dazu, dass Immobilienmärkte immer fragmentierte, lokale Märkte sind. Es gibt demnach keinen einheitlichen, zentralisierten Immobilienmarkt, wie es beispielsweise der Wertpapiermarkt ist, der Marktpreise und andere entscheidungsrelevante Informationen widerspiegelt. Die Immobilienmärkte sind deshalb auch durch ein vergleichsweise hohes Maß an Intransparenz geprägt. Dies führt dazu, dass Informationsasymmetrien zwischen den Marktteilnehmern herrschen und schlechter informierte Markteilnehmer dem opportunistischem Verhalten von besser informierten Akteuren ausgesetzt sein können. Darüber hinaus bedeutet Intransparenz, dass die Funktionsweise der Immobilienwirtschaft u. a. durch

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

15

• höhere Such- und Transaktionskosten, • eine größere allgemeine Fehlerrate bei Immobilienbewertungen und Investitionsrechnungen, • unangemessene Reaktionen der Marktteilnehmer, die das Marktgeschehen nicht als Ganzes erfassen und nicht in ihren Entscheidungen berücksichtigen können bzw. falsche oder ungenaue Annahmen treffen, sowie durch • ein geringes Vertrauen in den Markt, was Erhöhungen der Risikoprämien von Immobilieninvestitionen und damit zu einem Wertabschlag für eine ganze Anlagekategorie führt, gekennzeichnet ist (vgl. Wernecke, S. 113f. Schulte, o. S.). Auch die deutschen Immobilienmärkte sind weiterhin durch ein hohes Maß an Intransparenz geprägt, obwohl sich in Deutschland das Transparenzniveau auf den Immobilienmärkten durch eine Reihe von Faktoren, wie die Gründung der Deutschen Immobilien Datenbank (DID), eine sich ausweitende Berichterstattung in Marktberichten, die Gründung einer Reihe von Immobilienforschungsinstitutionen wie der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif e. V.), einer sich ausweitenden immobilienbezogenen Forschung an den Hochschulen oder einer sich stets verbessernden Aus- und Weiterbildung von Fach- und Führungskräfte, werden Immobilienmärkte wohl auch in Zukunft vergleichsweise intransparent bleiben (vgl. Schulte/Wiffler, S. 415ff.). Die Standortgebundenheit einer Immobilie bedingt automatisch die Heterogenität von Immobilien, da allein jeder Standort für sich genommen einzigartig und nicht duplizierbar ist. Darüber hinaus sorgen Architektur, Ausstattungsmerkmale oder die Nutzung dafür, dass sich auch Gebäude von einander unterscheiden. Jede Immobilie ist aufgrund dieser Faktoren ein einzigartiges und autonomes Wirtschaftsgut. Im Vergleich zum vollkommenen Marktmodell, auf dem homogene Güter gehandelt werden und sich alle verfügbaren Informationen im Preis widerspiegeln (Informationsfunktion des Preises), führt dies zu einem Mangel an unmittelbarer Vergleichbarkeit von Immobilien mit der Folge, dass es keine eindeutigen Marktpreise gibt. Immobilienpreise haben also eine reduzierte Informationsfunktion. Dies bedingt, dass die Wahrnehmung von Tendenzen in der Nachfrage erschwert wird, was zu Fehlentwicklungen im Angebot und damit zu langfristigen Marktungleichgewichten führen kann. Bei Immobilien handelt es sich um äußerst langlebige Wirtschaftsgüter. Bereits die Produktionsdauer von Immobilien übersteigt die der meisten Wirtschaftsgüter. Erfahrungsgemäß kann für die Entwicklung einer Immobilie von der Projektidee über die Grundstücksakquisition bis zur Baufertigstellung und Übergabe an den Nutzer ein Zeitraum von zwei bis zu fünf Jahren veranschlagt werden. Die Langwierigkeit des Produktionsprozesses bedingt, dass die Reaktionsfähigkeit und die Anpassungsflexibilität des Immobilienangebotes auf Nachfrageschwankungen sehr träge sind. So kann beispielsweise bei einer erhöhten Nachfrage nicht sofort ein entsprechendes Angebot bereitgestellt werden (geringe Angebotselastizität). Dies führt zu einem höheren ökonomischen Risiko der Projektentwicklung und ist gleichzeitig eine der Hauptursachen für die zyklischen Schwankungen von Miethöhe und Leerstand. Aber nicht allein die Dauer des Entwicklungsprozesses, sondern auch die Länge des Lebenszyklus von Immobilien ist ein wesentliches Charakteristikum dieses Wirtschaftsgutes. Die Langlebigkeit von Immobilien ist dabei sowohl in physisch-technischer als auch in ökonomischer Hinsicht bedeutend. Für die Ökonomie ist jedoch weniger die physisch-technische

16

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

Nutzungsdauer, die durch den Zustand und die Abnutzung der technischen Infrastruktur und der Einbauten eines Gebäudes bestimmt wird, sondern vielmehr die wirtschaftliche Nutzungsdauer von Bedeutung (vgl. Rottke/Wernecke, S. 213). Diese ist regelmäßig wesentlich kürzer als die physisch-technische. Insbesondere mit dem Voranschreiten des technischen Fortschritts haben sich die Anforderungen der Gebäudenutzer an die Immobilie immer schneller verändert, mit der Folge, dass sich die wirtschaftliche Nutzungsdauer von Gebäuden immer weiter verkürzt und Anpassungen der Gebäude an die sich wandelnde Nachfrage in immer kürzeren Zeitabständen erfolgen. Darüber hinaus qualifiziert die lange Lebensdauer den Immobilienmarkt als einen Bestandsmarkt, da Neubauten den Bestand in einer jährlichen Betrachtungsweise nur geringfügig erhöhen und Bestandsreduktionen in der Regel nur im Rahmen der physischen und wirtschaftlichen Abschreibung stattfinden. Anpassungen an eine sich ändernde Nachfrage können daher nur sehr langsam erfolgen, sodass eine Markträumung kurzfristig nur über den Preismechanismus stattfinden kann. Zudem erfordert die Langlebigkeit von Immobilien die Prognose für lange Zeiträume im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die durch ihre Langfristigkeit mit großer Unsicherheit behaftet sind. Die in Situationen unter Unsicherheit notwendige Risikoabschätzung der Marktteilnehmer ist dabei stark von psychologischen Faktoren beeinflusst, was insbesondere bei langlebigen Gütern, wie Immobilien es sind, auch zu erheblichen Schwankungen und Übertreibungen führen kann (vgl. Wernecke, S. 22). Eine entscheidende Zugangsbarriere für die Verbreitung von Realeigentum, insbesondere als Vermögensanlage, ist der hohe und dauerhafte Kapitaleinsatz. Abgesehen von der Existenz dieser Markteintrittsbarriere bedingen die hohen Investitionsvolumina bei Immobilientransaktionen eine große Bedeutung der Fremdfinanzierung. Dies führt zu einer unmittelbaren Abhängigkeit der Neubautätigkeit und der Liquidität des Immobilienmarktes vom Kreditvergabeverhalten von Banken und Investoren (vgl. Rottke/Wernecke, S. 10). Für Immobilienanleger kann die Hürde des hohen Kapitaleinsatzes im Bereich der Kapitalanlage mit Immobilien durch die Verbriefung des Immobilienvermögens, z. B. in Form von Anteilen an geschlossenen oder offenen Immobilienfonds oder in Form von Immobilienaktien oder Real Estate Investment Trusts (REIT) überwunden werden. Durch die Nutzung dieser indirekten Anlageformen kann das hohe Investitionsvolumen deutlich reduziert werden, womit auch breiten Teilen der Bevölkerung die Immobilie als Kapitalanlageform offen steht. Eine weitere Besonderheit eines jeden Immobilienkaufs sind die damit verbundenen hohen Transaktionskosten. So lösen Eigentumsübertragungen direkte Zahlungen wie z. B. die Grunderwerbsteuer, Gerichts-, Grundbuch- oder Notargebühren aus. Darüber hinaus entstehen durch die Heterogenität von Immobilien und durch die vergleichsweise geringe Markttransparenz des Immobilienmarktes weitere Transaktionskosten in Form von Such- und Informationskosten, die sich beispielsweise in Beratungskosten in Form von Maklerprovisionen oder Aufwendungen für die Immobilienbewertung oder die Immobilienanalyse niederschlagen. Hohe Transaktionskosten erschweren jedoch kurzfristige Anlagestrategien, wodurch sich der Anlagehorizont von Investoren verlängert. Dies führt dazu, dass das Ausnutzen von kurzfristigen Marktungleichgewichten, wie es auf den Kapitalmärkten durch Arbitragetransaktionen geschieht, auf dem Immobilienmarkt nicht möglich ist. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit eines auch über einen längeren Zeitraum anhaltenden übertriebenen Preisniveaus auf den Immobilienmärkten (vgl. Wernecke, S. 24). Auch der Kauf indirekter Anlagevehikel führt nicht zu einer vollkommenen Überwindung aller Transaktionskosten.

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

17

Auch hier entstehen Kosten in Form von Vermittlungsprovisionen für den Erwerb der Anteilsscheine, Asset-Managementgebühren, Kontrollkosten zur Überwachung des Managements der indirekten Anlagevehikel und weitere Kosten, die an den Anleger weitergegeben werden. Des Weiteren zeichnet Immobilien eine begrenzte Substituierbarkeit aus. Ebenso wie das Verfügungsrecht über Wohnraum zu den grundlegenden Bedürfnissen zählt, ist auch der für gewerbliche Nutzungen notwendige Raum eine Grundvoraussetzung für die Erhaltung der unternehmerischen Existenz. Das Raumbedürfnis kann jedoch nicht bzw. nur sehr begrenzt durch andere Güter substituiert werden (z.B. ggf. durch technische Innovationen). Zudem sind Immobilien- (investitionen) durch beschränkte Teilbarkeit gekennzeichnet. Abgesehen von den Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des Wohnungseigentumsgesetzes, die für die Gewerbeimmobilienmärkte kaum von Bedeutung sind, besteht die Möglichkeit anteiliger Investitionen in Immobilien allein durch den Erwerb von indirekten Immobilienanlageprodukten. Darüber hinaus verhindert die eingeschränkte Teilbarkeit graduelle Portfolioanpassungen zu Gunsten oder zu Lasten von Immobilien und behindert ein gleitendes Wachstum bzw. eine gleitende Schrumpfung von regionalen Immobilienmärkten, da, abgesehen von den großen Immobilienmärkten bzw. –hochburgen, sich nahezu jede Neuprojektentwicklung bzw. Immobilientransaktion (insbesondere auf den Gewerbeimmobilienmärkten) als marktbeeinflussend auswirkt (vgl. Wernecke, S. 24). Eine weitere Besonderheit des Immobilienmarktes ist, dass es den Immobilienmarkt an sich gar nicht gibt, sondern sich der Immobilienmarkt als ein stark fragmentierter Markt darstellt. So unterscheidet man hauptsächlich in räumliche und sachliche Teilmärkte. Räumliche Teilmärkte entwickeln sich aufgrund der Unterschiede in Angebot und Nachfrage in verschiedenen Regionen, Städten oder Stadtteilen. In Deutschland existiert aufgrund der föderalen Struktur keine dominierende (Immobilien-) Metropole, wie es London für Großbritannien oder Paris für Frankreich ist. Vielmehr gibt es in Deutschland mehrere wichtige Immobilienmärkte. Die bedeutendsten deutschen „Immobilienhochburgen“ sind Hamburg, Berlin, München, Frankfurt am Main und Düsseldorf. Daneben gibt es eine Reihe weiterer, jedoch weniger bedeutende Immobilienmärkte. Neben dieser regionalen Unterscheidung lassen sich auch innerhalb von Städten wieder räumliche Teilmärkte voneinander abgrenzen. So könnte beispielsweise in einer Stadt die Nachfrage nach Büroflächen in Flughafennähe durch Handelsunternehmen aufgrund eines sich verstärkenden Außenhandels und Flugverkehrs erhöhen, während gleichzeitig Banken weniger Flächen nachfragen. Stehen nun im Bankenviertel der Stadt Flächen zur Anmietung bereit, werden diese nicht notwendigerweise durch die Handelsunternehmen nachgefragt, da diese aus naheliegenden Gründen lieber in Flughafennähe als im vom Flughafen relativ weit entfernten Bankenviertel angesiedelt sind. Die (Teil)Märkte in den beiden Stadtteilen entwickeln sich also, u. a. aufgrund ihrer räumlichen Lage, unterschiedlich. Sachliche Teilmärkte ergeben sich aufgrund des breiten Spektrums an Immobilientypen (vgl. Walzel, Band I). Beispielhaft für sachliche Teilmärkte können die Märkte für Mietwohnungen, Einfamilienhäuser, Hotels, Büros oder Handelsimmobilien angeführt werden. Jeder dieser (Teil-)Märkte ist für sich genommen ein relativ autonomer Markt, der jeweils ihm eigene Angebots- und Nachfragestrukturen aufweist. So kann beispielsweise fehlender Wohnraum nicht durch einen Überschuss an Lagerflächen ausgeglichen werden. Aber auch

18

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

innerhalb de jeweiligen Nutzungsart gibt es wesentliche Unterscheidungen. So ergeben sich weitere Differenzierungen innerhalb der sachlichen Teilmärkte, weil sich die Nachfrage nach Flächen auch innerhalb einer speziellen Nutzungsart oftmals als sehr differenziert darstellt. Beispielsweise sind die Anforderungen an Standort, Ausstattung oder Raumaufteilungsmöglichkeiten sowie die Zahlungsbereitschaft potenzieller Mieter innerhalb des Marktsegments „Büroflächen“ sehr unterschiedlich, woraus sich auf dem Markt für Büroflächen eine tiefergehende, feinere Segmentierung von Angebot und Nachfrage ergibt. Gleiches gilt für die Angebots- und Nachfragestrukturen der anderen Immobilientypen.

1.4.3

Grundstruktur von Immobilienmärkten und ihre volkswirtschaftliche Einbettung

Wie bereits im vorigen Abschnitt angesprochen, gibt es nicht den einen Immobilienmarkt. Es wurde zwischen sachlichen und räumlichen Teilmärkten unterschieden. Darüber hinaus setzt sich sowohl jeder Immobilienteilmarkt als auch der gesamte Immobilienmarkt als solcher aus inhaltlich unterschiedlichen immobilienbezogenen Teilmärkten zusammen. Diese sind zwar interdependent, jedoch werden auf diesen Märkten unterschiedliche Güter bzw. Dienstleistungen gehandelt. Die angesprochenen vier Teilmärkte sind: • der Flächennutzungs- oder auch Leistungsmarkt, • der Immobilieninvestitionsmarkt, kurz Investitions- oder Investmentmarkt, • der Markt für Neuprojektentwicklungen, • der Grundstücksmarkt. Die vier Teilmärkte des Immobilienmarktes werden in Abbildung 7 schematisch dargestellt. Aus dem dargestellten Modell geht hervor, dass der Immobilienmarkt als solcher noch weiteren, exogenen Einflüssen unterliegt. Zum allgemeinen Verständnis von volkswirtschaftlichen Modellen soll an dieser Stelle eine kurze Begriffserläuterung erfolgen.

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

19

Quelle: Wernecke, S. 57, in Anlehnung an Archer/Ling, S. 9.

Abbildung 7: Immobilienteilmärkte und ihre volkswirtschaftliche Einbettung

Grundsätzlich existieren in Marktmodellen zwei Arten von Variablen. Solche Variablen, die von weiteren Variablen desselben Modells abhängen, werden als endogene (abhängige) Variablen bezeichnet. Andere Variablen, die sich nicht innerhalb des Modells erklären, werden als gegeben angenommen und exogene (unabhängige) Variablen genannt (vgl. Blanchard, S. 45; Fees/Tibitanzl, S. 6). So hat neben der konjunkturellen Lage der den jeweiligen Immobilien(teil)markt betreffenden lokalen, regionalen und nationalen Wirtschaft auch der Kapitalmarkt einen erheblichen Einfluss auf den Immobilienmarkt. Diese Einflussfaktoren sind im verwendeten Modell exogene Variablen. Ebenso übt die jeweilige Steuergesetzgebung einen Einfluss auf das Geschehen auf dem Immobilienmarkt aus. Die Entwicklungen auf den Immobilienmärkten stehen also mit den Entwicklungen auf und den Zukunftsperspektiven von anderen Märkten sowie über vielzählige weitere Einflüsse (z. B. Gesetzgebung, Rechtsprechung etc.) mit der jeweiligen Ökonomie in Verbindung. Den Ausgangspunkt innerhalb der Darstellung stellt der Flächenmarkt dar. Auf dem Flächenmarkt bilden sich aus dem Zusammenspiel von Flächenangebot und –nachfrage die Mietpreise heraus. Nachfrager sind Unternehmen sowie öffentliche und private Haushalte. Da das Flächenangebot in der kurzen bis mittleren Frist feststeht, wird der Mietpreis zunächst von der Höhe der Flächennachfrage bestimmt (vgl. DiPasquale/Wheaton, S. 6f.). Die hier bestimmten Mieten signalisieren im Zusammenhang mit den gegebenen Bestandspreisen zum einen potenzielle Renditen für Bestandsinvestitionen. In Verbindung mit den Grundstücks- und Neubaupreisen signalisieren sie zum anderen die Rentabilität von Neuprojektwicklungen (Bauleistungs- und Grundstücksmarkt). Die Bestandsinvestitionen sowie die Neuprojektentwicklungen stehen mit alternativen Anlagemöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt (exogen) wie Aktien oder Renten über die Rendite- und Risikoerwartungen in direkter

20

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

Konkurrenz. In dieser Betrachtung wird der Kapitalmarkt ebenso wie die Steuergesetzgebung als exogen gegeben betrachtet (vgl. Wernecke, S. 56). Auf das genaue Zusammenwirken soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Eine tiefgehende Analyse der Interaktion der Immobilienteilmärkte erfolgt in Kapitel 3.1. Darüber hinaus wird in den weiteren Beiträgen des vorliegenden Buches auch detailliert auf die übrigen Einflussfaktoren eingegangen, denen Immobilienmärkte unterliegen.

1.5

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft

1.5.1

Definitorische / inhaltliche Abgrenzung der Immobilienwirtschaft

In diesem Abschnitt soll die Immobilienwirtschaft als Teil einer regionalen oder nationalen Volkswirtschaft definitorisch und inhaltlich abgegrenzt werden. In diesem Zusammenhang ergibt sich die Fragestellung, wie die Immobilienwirtschaft, ausgehend von der Heterogenität der Immobilienmärkte, zu definieren ist und wie sie sich innerhalb einer Volkswirtschaft gegenüber anderen Sektoren, Branchen bzw. Märkten abgrenzen lässt. Die folgenden Ausführungen orientieren sich in ihrer Argumentation vorwiegend am Gutachten des ifo Instituts zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Immobilienwirtschaft, das im Auftrag der gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung erstellt wurde. Wie aus Abbildung 8 ersichtlich wird, definiert sich die Immobilienwirtschaft als den funktional oder institutionell abgegrenzten Teilbereich einer Volkswirtschaft, der sich mit •

den Immobilienbeständen (Bestandsgrößen) und deren Veränderung (Stromgrößen) sowie



der Bewirtschaftung und Nutzung von Immobilien

beschäftigt. Daraus ergibt sich eine breite Begriffseinordnung der Immobiienwirtschaft: Sie umfasst Immobilienbestände und deren Zusammensetzung nach Bauwerkskategorien, Alter und Eigentümern bzw. Nutzern sowie die institutionellen, funktionalen und physischen Veränderungen der Immobilienbestände und deren Bewirtschaftung (vgl. ifo 2005, S. 1).

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

21

Abbildung 8: Definitorische Einordnung der Immobilienwirtschaft; Quelle: ifo Institut 2005, S. 2.

Aus dieser Definition geht hervor, dass die Bauwirtschaft (physische Veränderung des Immobilienbestandes durch Bautätigkeit und Abgänge) ebenso wie die Grundstücks- und Wohnungswirtschaft als Teil der Immobilienwirtschaft betrachtet werden kann.

1.5.2

Volumina und volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft in Deutschland

„Über die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft ist nur wenig bekannt.“ (ifo 2005, S. 1). Dennoch soll in den folgenden Abschnitten eine Quantifizierung für die deutsche Immobilienwirtschaft anhand des ifo Gutachtens versucht werden. Ziel ist es, anhand empirischer Daten die hohe Bedeutung der immobilienwirtschaftlichen Volumina auf den Flächen- und Kapitalmärkten zu veranschaulichen. Die in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) enthaltenen Bauwerksbestände bestimmen maßgeblich die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft. „Niveau und Entwicklung sowie Strukturveränderung dieser Bestände werden von den amtlichen Statistiken nicht vollständig und noch weniger mit ausreichendem Differenzierungsgrad nachgewiesen.“ (ifo 2005, S. 3). Das in der VGR ausgewiesene Nettoanlagevermögen enthält also näherungsweise das wertmäßige Volumen der Immobilienwirtschaft als Bestandsgröße in Form der Immobilien- bzw Bauwerksbestände. Der Wert des gesamten deutschen Nettoanlagevermögens belief sich Anfang 2003 auf über 6,5 Billionen € (bewertet zu Wiederbeschaffungspreisen). Dieser Wert lässt sich folgendermaßen aufgliedern:

22

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie •

Ausrüstungen, Nutztiere und Nutzpflanzungen

936 Mrd. €



Immaterielle Anlagegüter

57 Mrd. €



(Wohn- und Nichtwohn-)Bauten

5.533 Mrd. €

Somit entfallen auf Bauten (als wichtigstem Bestandteil der Immobilienbestände) 85% des gesamten Nettoanlagevermögens. Vom gesamten in Immobilien investierten Nettobauvermögen entfallen ca. 57% auf Wohnbauten (Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser; vgl. Abbildung 9). Während das Nettoanlagevermögen von 1991 bis 2005 um ca. 51% gestiegen ist, wuchs der Anteil der Wohnbauten in diesem Zeitraum um ca. 5%, und der Anteil der Nichtwohnbauten ging um 3,1% zurück.

Abbildung 9: Struktur der Bodennutzung nach Nutzungsarten; Quelle: ifo 2005, nach Statistisches Bundesamt 2004, Euroconstruct 1999

In der amtlichen VGR sind Grundstücke mit der Begründung ihrer Einordnung als nichtproduzierende Vermögensgüter nicht enthalten. Nach Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts kann die Siedlungs- und Verkehrsfläche (die 12,5% der Gesamtfläche Deutschlands ausmacht) in Deutschland mit 1.684 Mrd. € bewertet werden, so dass das gesamte Immobilienvermögen, das sowohl den (Wiederbeschaffungs-)Wert sämtlicher Bauten als auch den geschätzten Grundstückswert umfasst, für 2003 mit 7.217 Mrd. € beziffert werden. Einschließlich der Ausrüstungsgüter und sonstigen Anlagen beläuft sich das derart erweiterte Nettoanlagevermögen auf 8.210 Mrd. €. Der Anteil der Immobilien beträgt daran ca. 88%. Obwohl die hohe gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft in Form des Bauwerksvermögen als Bestandsgröße als Teil des Nettoanlagevermögens am ehesten deutlich wird, kann sie auch durch andere Messgrößen in Form von Stromgrößen quantifiziert werden (vgl. Abbildung 10).

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

23

Abbildung 10: Entwicklung von Stromgrößen zur volkswirtschaftlichen Debeutung der Immobilienwirtschaft; Quelle: Kreis-Hoyer o.J., S.61, nach ifo 2005.

Dazu zählen als gebräuchlichstes Messkonzept die Bauinvestitionen und Fertigstellungen als Teil des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das BIP ist der Markt- bzw. Geldwert aller für den Endverbrauch bestimmten Waren und Dienstleistungen, die in einem Land in einem bestimmten Zeitabschnitt hergestellt werden. Es errechnet sich aus dem privaten Konsum, den Staatsausgaben, den Bruttoinvestitionen und den Nettoexporten (vgl. Felderer/Homburg 1999, S. 42; Paraskewopoulos 1995, S. 57), wobei es wie erwähnt die Ausgaben der Haushalte für den Erwerb von Grundstücken und Gebäuden sowie den Neubau von Häusern und Wohnungen (Bauinvestitionen) beinhaltet (vgl. Kreis-Hoyer, S. 57). Der Bauanteil am BIP verzeichnete von 1991 bis 1994 zunächst einen Anstieg von 12,8% auf 14,9%; seitdem ist er jedoch rückläufig und lag 2004 bei 10,2% (vgl. ifo 2005, S. 5). Eine weitere Stromgröße als Maß der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Immobilienwirtschaft ist die Bruttowertschöpfung (errechnet aus BIP abzgl. Indirekten Steuern zzgl. Subventionen). Sie erreichte für das Grundstücks- und Wohnungswesen (alle Unternehmen, die Immobilienleistungen erbringen) 2002 ca. 249 Mrd. €, was einem Anteil an der gesamten Bruttowertschöpfung von 12,7% entspricht. Dieser Anteil ist seit 1991 kontinuierlich gestiegen. Im Baugewerbe sank der Anteil auf 89 Mrd. € bzw. 4,5%. Beide Bereiche zusammen erreichen rund ein Sechstel der deutschen Bruttowertschöpfung. Bei der Betrachtung der Zahl der Erwerbstätigen waren 2003 389.729 Erwerbstätige im Grundstücks- und Wohnungswesen (Anstieg seit 1997 um fast 15%) sowie mehr als 2,3 Mio. Erwerbstätige im Baugewerbe tätig (Rückgang seit 1997 um 23%).

24

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

Insgesamt ist festzustellen, dass sowohl durch die Analyse der Bestands- als auch der Stromgrößen der VGR das hohe Gewicht der Immobilienwirtschaft in der deutschen Volkswirtschaft zu erkennen ist.

1.5.3

Zukunftsperspektiven für die Immobilienwirtschaft

Wie aufgezeigt wurde, erfüllt die Immobilienwirtschaft eine wichtige volkswirtschaftliche Rolle im Rahmen der Konjunkturentwicklung und der Wirtschaftspolitik. „Es sind die Immobilienbestände, die maßgeblich die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft bestimmen. Ein hohes mikro- und makroökonomisches Gewicht haben aber auch die bau- und immobilienwirtschaftlichen Stromgrößen, durch die diese Bauwerksbestände verändert, erhalten und bewirtschaftet werden […]“ (ifo 2005, S. 9). Obwohl der Begriff der Immobilienwirtschaft in den offiziellen Systematiken nicht vorkommt, was zur Unterschätzung ihres gesamtwirtschaftlichen Gewichts beiträgt, ist die relative Bedeutung der Immobilienwirtschaft in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Ihre Bruttowertschöpfung und ihr Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt werden weiter zunehmen (vgl. ifo 2005, S. 8f.). Bereits heute sind Immobilien in Deutschland die größte Komponente des nationalen Vermögens. Die positive Entwicklung in Deutschland hin zu effizienteren Immobilienmärkten zeigt sich aktuell durch die zunehmende Kapitalmarktorientierung der Immobilienmarktakteure, die u.a. durch die zunehmende Präsenz internationaler Immobilieninvestoren initiiert wurde, sowie die Entste-hung von innovativen Anlagevehikeln, die die Vorteile der Immobilie als Anlagegut zunehmend mit Kapitalmarktelementen kombinieren (Bsp. REITS, Derivate, Indexzertifikate etc.). Zudem finden volkswirtschaftliche Wirkungsmechanismen, Messgrößen und Indikatoren in der Immobilienbranche immer mehr Beachtung. In Reflexion auf die langfristige Perspektive und zukünftige Entwicklung der Immobilienwirtschaft und der Immobilienmärkte wird – vor dem Hintergrund einer räumlich differenzierten Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung – von sehr unterschiedlichen Entwicklungspfaden in den einzelnen Immobilienmarktregionen ausgegangen (vgl. ifo 2005, S. 8f.). Eine genaue Erfassung und Prognose von konjunkturellen Entwicklungstendenzen und Immobilienzyklen wird nur durch eine bessere statistische, auch historische Datenlage und umfassende Transparenz möglich sein, insbesondere in der Verflechtung der Immobilienwirtschaft mit anderen Branchen. Die Fortführung und Verfeinerung von bestehenden sowie die Erarbeitung von neuen Benchmarks und Indizes sind in diesem Zusammenhang von hoher Bedeutung.

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

25

Literaturverzeichnis zu Kapitel 1 Abromeit-Kremser, B.: Offene Immobilienfonds – betriebswirtschaftliche Aspekte ihres Managements, Wien 1986. Archer, W. R./Ling, D. C.: The Three Dimensions of Real Estate Markets: Linking Space, Capital, and Property Markets, in: Real Estate Finance, Vol. 14, 1997, Nr. 3, S. 7-14. Baßeler, U./Heinrich, J./Utecht, B.: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 18. Aufl., Stuttgart 2006 Bone-Winkel, S./Schulte, K.-W./Focke, C.: Begriff und Besonderheiten der Immobilie als Wirt-schaftsgut, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie Band I – Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 3. Aufl., München 2005, S. 3-25. Corsten, H.: Einführung in das industrielle Produktionsmanagement, 10., vollst. überarb. u. wesentlich erw. Aufl., München/Wien 2003. DiPasquale, D,/Wheaton, W.C.: Urban Economics and Real Estate Markets, Upper Saddle River, 1996. Engelkamp, P./Sell, F. L.: Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 4., verb. Aufl., Berlin 2007. Feess, E.: Mikroökonomie: Eine spieltheoretisch- und anwendungsorientierte Einführung, 2. Aufl., Marburg 2004. Feess, E./Tibitanzl, F.: Makroökonomie, 2., überarb. Aufl., München 1997. Felderer, B./Homburg, S.: Makroökonomik und neue Makroökonomik, 9., verbess. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York 2005. Frank, W.: Volkswirtschaftslehre: Grundlagen, 4., überarb. Aufl., Sternenfels 2006. Geltner, D./Miller, N.G.: Commercial Real Estate Analysis and Investments, Upper Saddle River 2006. Heiring, W.: Im Kreislauf der Wirtschaft, 15. Ausgabe, Köln 2005. Ifo Institut für Wirtschaftsforschung: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft, Kurzfassung des Gutachtens, Rußig, V., zusammengestellt von Bulwien, H., München 2005. Paraskewopoulos, S.: Makroökonomik – Eine Einführung, Stuttgart/Berlin/Köln 1995. Rogall, H.: Volkswirtschaftslehre für Sozialwissenschaftler, Wiesbaden 2006. Rottke, N. B./Wernecke, M.: Immobilienfinanzierung: Alle reden davon, doch keiner tut’s: Anti-zyklisch investieren, in: Immobilien Zeitung, Nr. 23, 8.11.2001, S. 10.

26

1 Volkswirtschaftslehre und Immobilienökonomie

Samuelson, P. A./Nordhaus, W. D.: Volkswirtschaftslehre, Landsberg am Lech/New York, 2005. Schäfers, W.: Strategisches Management von Unternehmensimmobilien – Bausteine einer theoretischen Konzeption und Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, in: Schulte, K.W. (Hrsg.): Schrifen zur Immobilienökonomie, Band 3, Köln 1997. Schulte, K.-W.: Immobilienökonomie – ein innovatives Lehr- und Forschungskonzept!, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): 10 Jahre ebs Immobilienakademie, Festschrift, Frankfurt 2000, S. 36-47. Schulte, K.-W.: Markttransparenz in Deutschland – Rückblick auf 10 Jahre gif e. V., unveröff. Vortrag, Mitgliederversammlung gif e. V., 2003. Schulte, K.-W./Schäfers, W.: Immobilienökonomie als wissenschaftliche Disziplin, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie Band I – Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 3. Aufl., München 2005, S. 47-69. Schulte, K.-W./Wiffler, M.: Markttransparenz, in: Wernecke, M. (Hrsg.)/Rottke, N. B. (Hrsg.): Praxishandbuch Immobilienzyklen, Köln 2006, S. 415-435. Wernecke, M.: Büroimmobilienzyklen – Eine Analyse der Ursachen, der Ausprägungen in Deutschland und der Bedeutung für Investitionsentscheidungen, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Schriften zur Immobilienökonomie, Band 31, Köln 1997.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte Thomas Beyerle, Stephan Bone-Winkel, Philipp Feldmann, Hans-Hermann Francke, Wolfgang Schäfers, Ramon Sotelo, F. Ferdinand Spies 2.1 Immobilien als Vermögensgüter und Besonderheiten von Immobilieninvestitionen Hans-Hermann Francke ........................................ 29 2.2 Bauwirtschaft und Projektentwicklungsmarkt Stephan Bone-Winkel, Philipp Feldmann, F. Ferdinand Spies ................................................ 43 2.3 Märkte für Immobilienanlagen und Immobiliennutzungen Ramon Sotelo......................................................... 68 2.4 Märkte für Immobilienfinanzierung Wolfgang Schäfers................................................. 89 2.5 Internationalisierung der Immobilienmärkte Thomas Beyerle ................................................... 112

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.1

29

Immobilien als Vermögensgüter und Besonderheiten von Immobilieninvestitionen Hans-Hermann Francke

2.1.1 Einführung .......................................................................................................30 2.1.2 Ertrag und Risiko .............................................................................................30 2.1.2.1 Bestimmungsgründe von Investitionsentscheidungen .....................................30 2.1.2.2 Ertragsprognose ...............................................................................................31 2.1.2.3 Risikoprognose ................................................................................................32 2.1.2.4 Transaktionskostenprobleme ...........................................................................35 2.1.3 Probleme der Ertrags- und Risikomessung von Immobilieninvestitionen .......35 2.1.3.1 Ertragsmessung................................................................................................35 2.1.3.2 Risikomessung .................................................................................................37 2.1.3.3 Hohe Transaktionskosten.................................................................................39 2.1.4 Zusammenfassung ...........................................................................................40 Literaturverzeichnis zu Kapitel 2.1. .......................................................................................41

30

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.1

Immobilien als Vermögensgüter und Besonderheiten von Immobilieninvestitionen Hans-Hermann Francke

2.1.1

Einführung

Der größte Teil des Realvermögensbestandes in Deutschland besteht aus Immobilien, also bebauten und unbebauten Grundstücken. Deshalb ist auch das Immobilieneigentum von herausragender Bedeutung für die individuelle Vermögensbildung, sei es als Kapitalanlage oder Selbstnutzung. Auch für die staatliche Wachstums- und Verteilungs- und Sozialpolitik ist die Wirkung auf Immobilieninvestitionen ein wichtiger Aspekt. Entscheidungen über den Kauf oder Verkauf von Immobilien sind Investitionskalküle, die auf vermögenstheoretischen Grundlagen basieren. Weil bei Investitionen die Erträge bzw. Nutzen erst in der Zukunft anfallen, müssen diese im Unterschied zu Konsumentscheidungen, prognostiziert werden. Da die Zukunft unsicher ist, sollten Investitionsentscheidungen Risikoanalysen einbeziehen. Immobilien weisen im Vergleich zu anderen Vermögensgütern besondere Eigenschaften auf, vor allem ihre lange Lebensdauer, lokale Gebundenheit und geringe Transaktionshäufigkeit, wodurch bei der Ertrags- und Risikobeurteilung spezielle Schwierigkeiten auftreten, welche bei der Anwendung sonst üblicher Methoden der Investitions- und Finanzierungsrechnung zusätzlich zu berücksichtigen sind. Die im Zentrum der Investitionsentscheidungen stehende Wertermittlung wird bei Immobilien deshalb häufiger von Sachverständigen vorgenommen, welche, oft wegen fehlender beobachtbarer Marktdaten, das wertbestimmende Geschehen auf den Immobilienmärkten durch theoretische Analyse simulieren.

2.1.2

Ertrag und Risiko

2.1.2.1

Bestimmungsgründe von Investitionsentscheidungen

Investitionsentscheidungen haben das Ziel, festzulegen, welcher Teil des Einkommens heute und welcher in der Zukunft konsumiert werden soll. Dabei geht es darum, zukünftige Konsummöglichkeiten zu vergrößern. Gelingt eine optimale Investitionsentscheidung, dann werden die längerfristigen, eventuell lebenslangen, Konsummöglichkeiten maximiert. Insofern sind Investitions- und Konsumpläne unmittelbar miteinander verknüpft und ergeben sich aus den, allerdings unterschiedlichen, Zeitpräferenzen der Akteure. Damit Investitionsentscheidungen die späteren Konsummöglichkeiten verbessern, muss ein Investor zwei schwierige Probleme lösen. Zum einen muss er die erwarteten Erträge der Investitionen und deren Gegenwartswert bestimmen. Zum anderen gilt es, Risiken zukünftiger Ertragsentwicklungen zu berücksichtigen. Der Investor muss dann zusätzlich bestimmen,

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

31

in welchem Umfang er die für wahrscheinlich gehaltenen Risiken tragen will, also seine Risikoaversion festlegen. Für die Investitionsentscheidung sind also zwei Gruppen von Bestimmungsgründen relevant: -

erstens der Planungshorizont, die Zeitpräferenz und die Risikobereitschaft (Risikoaversion) des Investors,

-

zweitens die erwarteten Zukunftserträge, deren Diskontierungsrate (um deren Gegenwartswert zu bestimmen) und die für wahrscheinlich gehaltenen Risiken.

2.1.2.2

Ertragsprognose

Der Begriff „Ertrag“ wird inhaltlich unterschiedlich definiert. Insbesondere ist dabei zu unterscheiden zwischen den Begriffen „ökonomischer Ertrag“ und „rechnerischer- oder Bilanzertrag“. Der Begriff „ ökonomischer Ertrag“ zielt auf das Entscheidungsproblem des Investors, ist also zukunftsgerichtet. Der Begriff „rechnerischer- oder Bilanzertrag“ ist vergangenheitsorientiert, weil der den Wert einer bereits getätigten Investition im Sinne von Bilanzierungsvorschriften bestimmt (vgl. Copeland et al, 2005, S. 3ff.). Um den „ökonomischen Ertrag“ zu beurteilen, sind die Erträge bzw. Ertragsraten derjenigen geplanten Investitionen zu prognostizieren, welche über die Erträge alternativ möglicher Investitionen gleichen Risikos hinausgehen. In diesem Sinne sind ökonomische Investitionsentscheidungen durch das Denken in alternativen Möglichkeiten des Handelns geprägt. Man bezeichnet dieses Vorgehen als „Opportunitätskostenkonzept“. Der erste Schritt zur Ermittlung des ökonomischen Ertrags besteht in einer genauen Festlegung der zeitlichen Abfolge und Höhe der in der Zukunft erwarteten (Netto-)Zahlungsströme („time pattern of cash flows“). Dann ergibt sich der ökonomische Nettoertrag NE pro Periode (t) als:

(1)

NEt = Et – Kt – It

Die pro Periode anfallenden Kosten (K) bestehen aus Löhnen, Gehältern, Material, Finanzierungskosten, Steuern, Abgaben usw. „It“ bezeichnet die Investitionen, pro Periode für die Totalperiode der abgezinsten Nettoerträge gilt dann: T

(2)

NET

=∑ t =1

Et − K t − I t (1 + k s ) t

Dabei entspricht ks der Diskontierungsrate, die im Sinne des Opportunitätskostenkonzepts aus geeigneten Marktzinssätzen abgeleitet wird und die den Gegenwartswert der Investition

32

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

bestimmt. Bei Immobilieninvestitionen treten dabei besondere Probleme auf, wie im folgenden zu zeigen ist. Diese Definition des ökonomischen Ertrags erwarteter Cashflows von Investitionen, unterscheidet sich vor der ihres rechnerischen (Netto-) Ertrags (NE r, t):

(3)

NEr,t = Et – Kt – dep

durch die Berücksichtigung von Abschreibungen (dep) auf die früher getätigte Investition. Für die Totalperiode gilt dann

(4)

NE r,T =

T

∑ t =1

NE r ,t − (I t − dep t ) (1 + k s ) t

Der im Sinne des Opportunitätskostenkonzepts notwendige Vergleich der Investitionen mit alternativen Anlagemöglichkeiten wird bei der Ertragsperiode über die Diskontierungsrate erfasst, welche den Gegenwartswert bestimmen soll. Dieser Gegenwartswert wird auch als „Net Present Value (NPV)“bezeichnet. Je größer die Diskontierungsrate ist, desto kleiner ist der NPV! Sinnvoll ist eine Investition nur, wenn der NPV größer als Null ist. Soll aus einer Mehrzahl von möglichen Investitionen die beste bestimmt werden , so ist diejenige mit dem höchsten NPV auszuwählen. Zusätzlich zum NPV wird oft die Internal Rate of Return (IRR) („interner Zinsfuß“) einer geplanten Investition berechnet. Sie ist so definiert, dass ihre (Netto) Cashflows, bzw. der NPV, gerade O ist. Im Sinne des Opportunitätskonzepts ist der IRR aber das schlechtere Entscheidungskriterium gegenüber dem NPV, weil bei der IRR-Methode das Problem der Erträge von Reinvestitionen unbefriedigend (weil als konstant angenommen) behandelt wird.

2.1.2.3

Risikoprognose

Keiner der Parameter des erwarteten Ertrages einer Investition ist zum Entscheidungszeitpunkt mit Sicherheit bekannt. Vielmehr sind sie mit Unsicherheit, d. h. Risiko, behaftet. Unter Risiko im weiteren Sinne versteht man dabei die Möglichkeit, dass die tatsächlichen Ereignisse, z. B. die später festgestellten Zahlungsströme einer Investition von den erwarteten abweichen. Um diesen Unsicherheitsbegriff weiter zu präzisieren, wird er meist dahingehend differenziert, dass zwischen alternativen Typen von Unsicherheit unterschieden wird (schon bei Keynes 1937). So kann Unsicherheit einerseits auf einer völligen Unkenntnis zukünftiger Rahmenbedingungen beruhen, die folglich auch nicht quantifiziert werden können. In diesem Fall spricht man von Ungewissheit. Im Gegensatz dazu steht der Begriff des Risikos im engeren Sinne, der solche Unsicherheiten erfasst, für die objektive und/oder subjektive

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

33

Wahrscheinlichkeiten angegeben werden können. Risiko im engeren Sinne ist also wahrscheinlichkeitstheoretisch fundiert und damit quantifizierbar (vgl. Francke, 2005, S. 294 ff.). Dieser Risikobegriff im engeren Sinne wird in der Kapitalanlagetheorie in der Regel verwendet, wobei zusätzlich zwischen unsystematischen und systematischen Risiken getrennt wird. Unsystematische Risiken sind einzelwirtschaftlich bzw. objektspezifisch und stehen nicht im Zusammenhang mit übergeordneten gesamtwirtschaftlichen Ursachen. Sie sind schwer zu prognostizieren und können im Allgemeinen vom Investor nur durch portfoliotheoretische Diversifizierung von Anlageobjekten reduziert werden. Dagegen werden systematische Risiken durch gesamtwirtschaftliche Marktlagenveränderungen hervorgerufen, für die oft empirische Muster vorliegen, so dass sie leichter quantifiziert und prognostiziert werden können. Allerdings kann man sich gegen systematische Risiken nur beschränkt durch einfache Portfoliodiversifikation schützen, bzw. bedarf die Risikobeschränkung aufwendiger kollektiver Versicherungssysteme. Immerhin gilt manchmal, dass die systematischen Risiken mit zunehmender Anlagedauer abnehmen, während die unsystematischen Risiken im Zeitablauf eher zunehmen (vgl. Steiner/Bruns, 2000, S. 53 ff.). Für eine quantitative Risikobeurteilung benötigt man geeignete Methoden der Risikomessung. Üblich hierfür sind statistische Streuungsmaße, wie z. B. die Spannweite, der mittlere Quartalsabstand oder die Varianz als das bei weitem wichtigste. Streuungsmaße beziehen sich auf Häufigkeitsverteilungen und messen die Abweichungen einzelner Werte von den Mittelwerten der Grundgesamtheit bzw. Stichprobe. Als Maßgrößen zur Risikobeurteilung sind sie deshalb geeignet, weil sie die beobachteten oder für möglich gehaltenen Abweichungen einzelner Ereignisse oder Ergebnisse von den im Durchschnitt („Mittel“) beobachteten und (deshalb) erwarteten in einer Kennzahl messen (vgl. Abbildung 11).

Quelle: Eigene Darstellung Abbildung 11: Risikotypen und Risikovorsorge

34

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Die Varianz ( σ2 ) ist wie folgt definiert: M

(5)

σ = 2

∑(x −μ) ⋅ f 2

i

i=1

i

N

Dabei bezeichnet μ das arithmetische Mittel, für welches gilt: M

(6)

μ=

∑x ⋅ f i=1

i

i

N

N gibt die Anzahl der Ereignisse bzw. Merkmalswerte an, Xi die Einzelergebnisse selbst, fi deren jeweilige Häufigkeit und M die Anzahl der Klassen, wenn eine große Anzahl von Einzelergebnissen in Merkmalsintervalle eingeteilt wird. Zur Berechnung der Varianz ( σ 2 ) werden also die Einzelergebnisse (Xi) vom arithmetischen Mittel (μ) abgezogen und die Differenzen quadriert. Durch das Quadrieren wird zum einen erreicht, dass positive und negative Abweichungen vom Mittelwert gleichermaßen berücksichtigt werden. Zum anderen werden dadurch größere Abweichungen stärker berücksichtigt. Um die Streuung einer Häufigkeitsverteilung in einer Kennzahl anschaubar zu machen, wird oft zusätzlich die sogenannte Standardabweichung (σ, „mittlere quadratische Abweichung“) errechnet.

(7)

σ = σ2

Die Standardabweichung kann dann mit Hilfe des Variationskoeffizienten (CV) in Prozenten des arithmetischen Mittels ausgedrückt werden.

(8)

CV =

σ ⋅ 100 μ

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.1.2.4

35

Transaktionskostenprobleme

In der arbeitsteiligen Wirtschaft werden Investitionsentscheidungen auf Märkten getroffen, deren Entwicklungen durch das Verhalten von Anbietern und Nachfragern bestimmt werden. Deren Tauschhandeln verursacht Kosten, sogenannte Transaktionskosten. Diese entstehen z. B. durch Aufwendungen für den Marktzugang, die Beurkundung von Kaufverträgen, Steuern, Gebühren usw. Dadurch wird der Nettoertrag der Investition vermindert. Aber auch bei der Risikobeurteilung treten Transaktionskosten auf. Werden diese durch Aufwendungen für die Informationsbeschaffung verursacht, spricht man von Informationskosten. Hohe Transaktions- und Informationskosten verringern die Anzahl und den Wert von Markt-transaktionen. Man sagt dann, dass die Effizienz der Märkte eingeschränkt wird. Umgekehrt sorgen gut funktionierende („effiziente“) Märkte selbst dafür, dass die Transaktionsund Informationskosten der Marktteilnehmer sinken. Für Immobilienmärkte gilt, dass sie relativ ineffizient sind, weil, wie im Folgenden dargestellt, die Akteure relativ hohe Transaktions- und Informationskosten tragen müssen. Effiziente Märkte sind Instrumente ökonomischer und gesellschaftlicher Innovationen. Der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek hat sie deshalb als „Entdeckungsverfahren“ bezeichnet, die den Wohlstand und die Freiheit der Menschen vergrößern.

2.1.3

Probleme der Ertrags- und Risikomessung von Immobilieninvestitionen

2.1.3.1

Ertragsmessung

Im Unterschied zu anderen Vermögensgütern weisen Immobilien zwei wesentliche Eigenschaften auf, die zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung ihrer Renditen und Werte führen (zur Ertragsmessung vgl. auch Francke, 2005, S. 292 ff.). Zum einen ist dies ihre relativ lange Lebensdauer und – damit verbunden – ihre extrem geringe Kapitalumschlagshäufigkeit. Zum anderen ist es, trotz ihrer langen Lebensdauer, ihre relativ geringe Transaktionshäufigkeit. Um sich die diesbezüglichen besonderen Eigenschaften von Immobilien zu vergegenwärtigen, sei darauf hingewiesen, dass die durchschnittliche technische Abschreibungsdauer des Anlagenbestandes der deutschen Industrie ca. fünf Jahre beträgt, öffentliche festverzinsliche Wertpapiere meist Laufzeiten von vier bis fünf Jahren aufweisen und der Wert wichtiger börsennotierter Aktien und festverzinslicher Wertpapiere täglich weltweit an Börsen notiert und veröffentlicht wird. Dem gegenüber beträgt die technische und (mit Einschränkungen auch die) ökonomische Lebensdauer von Immobilien oft mehr als 50 Jahre und ihre jährliche gesamtwirtschaftliche Transaktionshäufigkeit – bezogen auf den Wertebestand – liegt vermutlich deutlich unter einem Prozent. Für die rationale Kapitalanlageentscheidung resultieren aus diesen Besonderheiten deshalb spezielle Probleme, weil eine bestimmte Art von Marktversagen erzeugt wird, nämlich Marktversagen wegen hoher Informations- und Transaktionskosten. Dadurch werden

36

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Preisverzerrungen erzeugt, die zu Fehlallokationen führen, weil die wenigen Markttransaktionen falsche Wertsignale geben. Die relativ lange Lebensdauer und geringe Kapitalumschlagshäufigkeit führen zu Problemen der Rendite- und Wertermittlung, weil sie die dafür notwendigen Ertragsprognosen meist schwierig, gelegentlich nahezu unmöglich machen. Das mag mancher immer wieder geäußerten Meinung widersprechen, die darauf hinweist, dass für Immobilien im allgemeinen mittelfristig terminierte Miet- oder Pachtverträge vorliegen, deren sogenannte „Nachhaltigkeit“ auch dadurch bekräftigt wird, dass insbesondere bei Wohnimmobilien eine vergleichsweise große gesetzliche Regulierungsdichte vorliegt, welche rechtliche Ausgestaltungen und ökonomische Anpassungsmöglichkeiten begrenzt. Indes, wenn aus den zunächst nachhaltig erscheinenden Anfangserträgen auf die längerfristig zu erwartenden Renditen und damit die Werte der Immobilie geschlossen werden soll, treten zwei Schwierigkeiten auf. Erstens ist die Informationsbasis, welche für die Ertragsprognose notwendig wäre, bezogen auf die Restlebensdauer des Objekts, unzureichend, und zweitens müssen die zukünftig erwarteten Erträge über einen entsprechend langen Zeitraum abgezinst werden, so dass ein hierfür geeigneter Zinssatz zu wählen ist. Die geringe Transaktionshäufigkeit von Immobilien schließt es nun weiter aus, dass angesichts der o. a. Informationsdefizite bei der Ertrags- und Zinsprognose der „Markt“ zum kompetenten Ratgeber werden könnte. Der aktuell zu beobachtende Markt für Vermögensgüter, auch wenn man diesem im Sinne von Fama (1970, 1991) nur eine „halb-strenge“ Informationseffizienz zutraut, ist ansonsten der „Prognoseanker“ für den Ökonomen, weil man ihm unterstellen kann, dass er die allgemein verfügbaren Informationen angemessen verwertet. Deshalb kann er z. B. bei Aktien und festverzinslichen Wertpapieren auch dann zumindest als wertorientierende „Benchmark“ verwendet werden, wenn im konkret zu bewertenden Fall keine börsenfundierten Daten vorliegen, weil er sinnvolle Vergleichmöglichkeiten liefert. Bei Immobilien kann der Mangel an Marktinformationen in diesem Sinne nur schwer kompensiert werden, und zwar nicht nur weil die relativ wenigen Transaktionen, die in den vorhandenen Datenbanken überhaupt zeitnah dokumentiert werden, meist nicht ausreichen, um verlässliche Vergleichswerte aufzufinden, sondern weil der Markt selbst, der die Vergleichswerte erzeugt, kaum schwache Informationseffizienz aufweist. Zugleich ist er in mehrfacher Hinsicht, insbesondere in Bezug auf regionale Besonderheiten und Präferenzdifferenzierungen der Immobiliennutzer, als hochgradig segmentiert einzustufen. Wegen dieser Schwierigkeiten der Bewertung werden in der Immobilienwirtschaft häufig Sachverständige tätig, wenn Renditen und Werte festgestellt werden sollen. Den Bewertungsvorschlag liefert also nicht der Markt direkt, sondern indirekt ein Gutachter, welcher Bewertungsverfahren anwendet, die die sonst durch das Marktgeschehen offenbarten Informationen ersetzen müssen. Sachverständige bzw. Gutachter sind in diesem Sinne Simulatoren und/oder Analytiker des fehlenden Marktgeschehens. Die von ihnen angewendeten Bewertungsmethoden sind vor allem das Ertragswert- und das Vergleichsverfahren, welche in zahlreichen Varianten auftreten, die vom konkreten Bewertungsproblem, aber auch von der Kompetenz und der Meinung des jeweiligen Gutachters bestimmt werden. Das Ertragswertverfahren, das als spezielle Variante des Discounted Cash FlowVerfahrens interpretiert werden kann führt zur Ermittlung des Verkehrswertes, indem die zukünftigen Renditen der Immobilie prognostiziert und auf den Gegenwartswert abgezinst

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

37

werden. Der Gutachter hat dabei – neben der Ermittlung der Jahreserträge – insbesondere die Aufgabe, die zu erwartende Restnutzungsdauer des Objektes sowie den für die Abdiskontierung angemessenen Zinssatz zu bestimmen. Schon geringfügige Veränderungen dieser Bewertungsparameter führen zu erheblichen Unterschieden der zu errechnenden Verkehrswerte. Obwohl die Entscheidungen über Restnutzungsdauer und Diskontierungsrate also von großer Bedeutung sind, existieren kaum befriedigende empirische Grundlagen für beide, weil die lange Lebensdauer von Immobilien sie ausschließen. Die formale Nachvollziehbarkeit der unterstellten Restnutzungsdauer durch Zuhilfenahme der in den Wertermittlungsrichtlinien (von 1991) aufgeführten Angaben zur technischen Lebensdauer täuscht über die ökonomische Problematik schnell hinweg. Ebenso ist die häufige Verwendung des sogenannten Liegenschaftszinses als Diskontierungsrate heftig umstritten, ohne dass grundsätzlich richtige alternative Lösungen des Problems zur Verfügung stehen. Im Konzept ökonomischer Ertragsermittlung ist der Liegenschaftszins dann als ein Indikator der Opportunitätskosten zu interpretieren. Wegen dieser Schwierigkeiten bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens erscheint das Vergleichswertverfahren zunächst als „Königsweg“ zur Bewältigung des Bewertungsproblems; denn durch das Vergleichswertverfahren wird der Verkehrswert aus den Kaufpreisen vergleichbarer Immobilien, also aus tatsächlichen Marktpreisen, abgeleitet. Allerdings gelingt es nur selten, tatsächlich vergleichbare Objekte zu finden, die zudem zeitnah zu Markttransaktionen geführt haben. Hinzu kommt häufig eine kaum voraussehbare Marktenge, welche die Veräußerung eines zusätzlichen – möglicherweise durchaus vergleichbaren – Objektes ausschließt. Insofern scheitert die sinnvolle Anwendung des Vergleichswertverfahrens oft am zweiten o. a. Spezifikum des Vermögensgutes Immobilie, ihrer geringen Transaktionshäufigkeit, bzw. im Sinne rationaler Kapitalanlageentscheidungen am Liquidierbarkeitspostulat.

2.1.3.2

Risikomessung

In der Öffentlichkeit ist häufig die Ansicht anzutreffen, dass Immobilieninvestitionen, z. B. im Vergleich zu Aktienanlagen, vergleichsweise risikoarm seien. Die Auffassung ist unbegründet und vermutlich deshalb so verbreitet, weil die für Risikomessungen notwendigen Daten fehlen oder meist nur schwer zu beschaffen sind. Vielmehr sind bei Immobilieninvestitionen andere Ausprägungen der sonst dominierenden Risikotypen vorherrschend (vgl. Francke, 2005, S. 295 ff.). So muss zunächst konstatiert werden, dass bei Immobilien das Problem der Unsicherheit ihrer zu-künftigen Erträge nicht auf die Semantik des Risikobegriffs im engeren Sinne zu beschränken ist. Vielmehr ist Ungewissheit, also der unangenehme wahrscheinlichkeitstheoretisch nicht quantifizierbare Teil von unerwarteten Ertragsentwicklungen, grundsätzlich wichtiger, weil die lange Lebensdauer von Immobilien, verbunden mit ihrer beschränkten Liquidierbarkeit, sie impliziert. Sodann sind Immobilienanlagen durch einen relativ hohen Anteil unsystematischer Risiken gekennzeichnet. Man denke etwa an Veränderungen der staatlichen Verkehrsplanungen, an umweltpolitische Auflagen, Baumängel usw. Schließlich sind die systematischen Risiken von Immobilien besonderer Art, weil sie zu einem erheblichen Teil politischer Natur sind,

38

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

wie z. B. Steuerrechtsänderungen, konjunktur- und verteilungspolitische Maßnahmen des Staates. Weil die auf Ungewissheit beruhenden Risiken überhaupt nicht und die unsystematischen Risiken nur schwer zu berechnen sind, entzieht sich ein großer Teil des Gesamtrisikos der Immobilieninvestition der Möglichkeit einer wahrscheinlichkeitstheoretischen Quantifizierung. Aber auch die systematischen Risiken sind nur sehr vage zu prognostizieren, denn sie beruhen oft auf politisch verfügten Veränderungen der rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen, sind also auf exogene Schocks zurückzuführen. Damit sind auch sonst bei der Vermögensdisposition übliche Maßnahmen zur Risikobegrenzung nur beschränkt anwendbar; denn erstens fehlt dazu die analytische Voraussetzung der Risikoquantifizierung, und zweitens sind die sonst bei unsystematischen Risiken angewendeten Techniken der Portfoliodiversifikation wegen der bei Immobilieninvestitionen vorhandenen Teilbarkeits- und Fungibilitätsprobleme nur schwer durchzuführen. In einer Hinsicht weist die Immobilieninvestition jedoch Merkmale auf, die aus portfoliotheoretischem Kalkül risikobegrenzend wirken können. Wegen der relativ großen Investitionssummen ist der Anleger meist gezwungen, sie zu erheblichem Teil fremd zu finanzieren. Die dafür notwendige Verschuldung bedeutet, dass er nicht nur den Risikoquellen ausgesetzt ist, die der Klasse der Realvermögensgüter, zu der Immobilien gehören, zuzuordnen sind, sondern zugleich zum Träger solcher Risikoquellen wird, welche für Geldvermögensgüter, die aus Schuldverhältnissen resultierende Forderungen und Verbindlichkeiten sind, typisch erscheinen (Tobin 1961, 1963). Über die Finanzierung der Immobilie kommt es also zu einer „automatischen“ Portfoliodiversifikation im Sinne der Tobin-Markowitz Analyse. Dieser auf automatischer Risikodiversifikation beruhende Risikobegrenzungseffekt wird in den meisten ökonomischen Systemen institutionell dadurch unterstützt, dass Finanzintermediäre, wie Banken, Versicherungen und Bausparkassen, Immobilien eine hervorgehobene Besicherungsqualität für Finanzierungskredite zuerkennen. Für den kreditnehmenden Investor äußert sich dies in reduzierten Schuldzinsen und erleichterten Kreditzugangsmöglichkeiten. Vermutlich ist die o. a. verbreitete Meinung, dass Immobilieninvestitionen vergleichsweise risikoarm seien, auf derartige Usancen der Finanzintermediäre zurückzuführen. Diese beruhen jedoch im Kern auf rechtlichen Regelungen der Bankengesetzgebung (und nicht auf ökonomischen Erkenntnissen) und werden gegenwärtig sowohl durch Novellierungen des Rechtsrahmens (z. B. Basel II), als auch durch zunehmend kritische Sichtweisen der Praxis verändert. Jedenfalls scheint die Vorzugsstellung des besicherten Immobilienkredits an Glanz zu verlieren (vgl. dazu Poddig et al, 2003). Als grundsätzliche Methode der Risikomessung wurde oben die Ermittlung der Volatilität durch die Varianz bzw. Standardabweichung dargestellt. Wie andere Risikomaße auch, erfolgt ihre Anwendung, indem historische Verteilungen von Mieten, Preisen oder Renditen erhoben werden. Welches Risikomaß dann das konzeptionell richtige ist, hängt entscheidend davon ab, welche Form die Verteilung der historischen Daten hat. Meist wird bei der Berechnung der Volatilität angenommen, dass die Daten normal verteilt sind, also in Sinne einer Normalverteilung durch die beiden Parameter Erwartungswert und Standardabweichung vollständig definiert sind. Dies ist jedoch gerade wegen der hohen Transaktions- und Informationskosten auf Immobilienmärkten oft nicht der Fall. Dann

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

39

müssen kompliziertere Methoden der Risikoberechnung angewendet werden. Wichtiger aber als die korrekte Auswahl des Streuungsmaßes ist für die Berechnung des Risikos eine gute Datenbasis. Hierfür werden zunehmend Immobiliendatenbanken verwendet. Die wachsende Bereitstellung und analytische Nutzung von Datenbankinformationen vermag die hohen Informationskosten bei Immobilientransaktionen ohne Zweifel herabzusetzen. Deshalb ist die zurzeit zu beobachtende Entstehung zahlreicher neuer Datenbanksysteme unmittelbar verständlich. Internationale Vorbilder beschleunigen diese Innovationen. Die konkreten Nutzungen erstrecken sich dabei vor allem auf drei Anwendungsgebiete: die Ermittlung von Vergleichswerten zur Beurteilung aktueller Preisbildung, die Entwicklung neuer datengestützter Bewertungsverfahren sowie die ökonometrisch orientierte Immobilienmarktforschung. Auf allen drei Anwendungsgebieten sind schnelle Fortschritte zu beobachten (vgl. Francke, 2005, S. 298 ff.). Allerdings sei auf einige Schwierigkeiten hingewiesen, welche den Optimismus bezüglich des Nutzens von Datenbankverwendungen begrenzen. Erstens ist die Erfassung von Basisdaten immer noch unbefriedigend, weil sie weder methodisch konsistent, noch zeitnah erfolgt. Die methodische Inkonsistenz ergibt sich daraus, dass keine einheitlichen Standards für die Datenerfassung und Qualitätsmerkmale der Transaktionsobjekte vorliegen. Vielmehr wird mit grob systematisierten Qualitäts- und Lagemerkmalen gearbeitet, die außerdem nicht einheitlich flächendeckend unterschieden werden. Die mangelnde Zeitnähe – üblich sind Informationslags von ca. einem Jahr – erweist sich dann als schwerwiegend, wenn schnelle Veränderungen der Preisentwicklungen und -erwartungen auftreten. Diese zu berücksichtigen ist statistisch-ökonometrisch nicht einfach und kollidiert eventuell mit gesetzlichen Vorschriften, z. B. der Wertermittlungsverordnung. Zweitens wird der Nutzen von Datenbankinformationen auch deshalb begrenzt bleiben müssen, weil die geringe Transaktionshäufigkeit auf Immobilienmärkten im Zusammenhang mit deren Segmentierung einfach zu wenig Einzeldaten generiert, um diese als repräsentative Stichproben interpretieren zu können. Diese Einsicht folgt aus der allgemeinen statistischen Verteilungstheorie, welche die Erkenntnis erzeugt hat, dass die Stichprobengüte von der absoluten und nicht der relativen Anzahl der Ziehungen bzw. Einzelinformationen aus der Grundgesamtheit bestimmt wird. Solange also die Anzahl der Einzelinformationen absolut zu gering ist, sind keine gesicherten Schlüsse auf die Grundgesamtheit bzw. den Markt möglich. Vor diesem Hintergrund eröffnen immer wieder unternommene Versuche, sogenannte für Immobilien zu ermitteln, bessere Perspektiven. Darunter ist zu verstehen, dass mit Hilfe von gesicherten Erklärungen für Preisentwicklungen, z. B. die Argumente in ökonometrischen Regressionsgleichungen, Preise simuliert werden. So würden dann Immobilienpreisinformationen errechnet und nicht erhoben. Offensichtlich schließt sich hier der Problemkreis in Richtung der notwendigen Entwicklung innovativer Bewertungsverfahren.

2.1.3.3

Hohe Transaktionskosten

Die geringe Transaktionshäufigkeit von Immobilien ist auch darauf zurückzuführen, dass sie erheblichen Liquidierbarkeitsproblemen ausgesetzt sind. Ein wesentlicher Grund hierfür sind die hohen administrierten Kosten, welche bei Immobilienkäufen auftreten. Dafür gibt es

40

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

sowohl Gründe institutioneller Art, als auch solche, die auf spezifische Marktstrukturen zurückzuführen sind. Institutionelle Gründe für die hohen Transaktionskosten erwachsen zunächst aus den engen Rechtsrahmen, die durch den Staat für den Eigentumswechsel und die Nutzung von Immobilien verfügt worden sind. Diese sind in fast allen Volkswirtschaften bzw. staatlichen Rechtsgemeinschaften anzutreffen, auch wenn sie sich in ihren Einzelheiten unterscheiden. Die Begründungen dafür kreisen um einen gemeinsamen Kern, nämlich die Auffassung, dass Käufer und Verkäufer von Immobilien einerseits des besonderen Schutzes (der Rechtsordnung) bedürfen, weil sie die Tragweite ihrer Entscheidungen (nach Art und Volumen) möglicherweise unzureichend beurteilen können. Andererseits und zugleich findet (oft nur implizit) die Sichtweise Eingang in die Rechtsordnung, dass der Staat „natürlicher“ Teilhaber des Immobilieneigentums insgesamt sei und deshalb - auch über eine spezielle Besteuerung - an Immobilientransaktionen ein eigenständiges Interesse habe und durch geeignete rechtliche Vorschriften sichern müsse. In der abstrakten Sichtweise der ökonomischen Rechtfertigungstheorie für Staatshandeln liegt hier also eine eigentümliche Mischung aus unterstellter asymmetrischer Information und organischer Staatsauffassung vor. Schließlich wird die Immobilienwirtschaft immer wieder zum Opfer konjunktur- und verteilungspolitischer Maßnahmen staatlicher Politik, obwohl sie sich wegen ihrer längerfristigen Bedeutung für die ökonomische Entwicklung nicht dafür eignet. Die mangelnde konjunkturpolitische Eignung entspringt den langen Wirkungsverzögerungen von Investitionsentscheidungen in der Immobilienwirtschaft. Treten die bei neuen staatlichen Maßnahmen üblichen Zeitbedarfe - gemessen am politisch intendierten Konjunktureffekt - hinzu, resultiert in der Regel ein zeitliches „mismatching“. Auch verteilungspolitisch motivierte Subventionsprogramme für die Immobilienwirtschaft sind oft kontraproduktiv, weil ihre Konzeptionen, abhängig von den sozialpolitischen Vorstellungen der jeweiligen Regierungen, schnell wechseln. Fehlender Vertrauensschutz (z. B. bei Steuerrechtsänderungen) und kurzfristige Opportunitäten (z. B. zeitlich begrenzte Förderprogramme) sind schlechte Rahmenbedingungen für die langfristigen Entscheidungen in der Immobilienwirtschaft.

2.1.4

Zusammenfassung

Immobilien weisen im Vergleich zu anderen Vermögensgütern besondere Eigenschaften auf, welche bei der Anwendung sonst üblicher Methoden der Investitions- und Finanzierungsrechnung zusätzlich zu berücksichtigen sind. Vor allem bereitet die Risikoprognose von Immobilieninvestitionen Schwierigkeiten, weil die Risikomessung oft wegen fehlender Daten scheitert und Immobilienmärkte häufig so unvollkommen sind, dass die auf ihnen gebildeten Preise nur eine schwache Informationseffizienz aufweisen. Die deutschen Wertermittlungsverfahren nach Wert V werden diesem Problem oft unzureichend gerecht bzw. ignorieren es weitgehend. Zur Verbesserung der Risikoanalyse bei Immobilienanlageentscheidungen ist daher die Entwicklung neuer ökonometrischer Verfahren notwendig, die sich auf verbesserte Immobiliendatenbanken stützen.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

41

Literaturverzeichnis zu Kapitel 2.1. Copeland, T. E./Weston, J. F./Ka ldeep, S.: Financial Theory and Corporate Policy, 4th ed., o. O. 2005. Fama, E. F.: Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, in: Journal of Finance, Vol. 25, 1970, S. 383 ff. Fama, E. F.: Efficient Capital Markets II, in: Journal of Finance, Vol 46 No. 5, 1991, S. 1575 ff. Francke, H.-H.: Konjunkturelle Perspektiven der Immobilienwirtschaft, in: Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht, 4. J., 2001, S. 449 ff. Francke, H.-H.: Immobilienmärkte und Immobilienbewertung, Tübingen 2005. Keynes, J. M.: The General Theory of Employment, in: Quarterly Journal of Economics, Nr. 51, wiederabgedruckt in: Harris, S. (Hrsg.): The New Economics, Boston 1973, S. 181 ff. Poddig, T./Dichtl, H./Petersmeier, K.: Statistik, Ökonometrie, Optimierung: Methoden und ihre praktischen Anwendungen in Finanzanalyse und Portfoliomanagement, 3. Aufl., Bad Soden/Ts 2003. Steiner, M./Bruns, C.: Wertpapiermanagement, Stuttgart 2000. Tobin, J.: Money, Capital and other Stores of Value, in: American Economic Review (Papers and Proceedings), No 42, Vol. 51, 1961, S. 26 ff. Tobin, J.: An Essay on the Principles of Debt Management, in: Report of the Commission on Money and Credit, Englewood Cliffs, N. J. 1963.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.2.

43

Bauwirtschaft und Projektentwicklungsmarkt Stephan Bone-Winkel, Philipp Feldmann, F. Ferdinand Spies

2.2.1 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.3

Gesamtvolkswirtschaftliche Bedeutung der Bauwirtschaft .............................44 Thematische Abgrenzung der Bauwirtschaft und der Projektentwicklung ......45 Definition und Einordnung Bauwirtschaft .......................................................45 Definition und Aufgaben des Projektentwicklers in der Bauwirtschaft...........47 Abgrenzung von Bauleistungen und Projektentwicklung unter Berücksichtigung der Wertschöpfungskette ....................................................49 2.2.4 Marktstruktur und Strategien der Bauwirtschaft und des Projektentwicklungsmarktes ............................................................................51 2.2.4.1 Konzeptionelle Grundlagen .............................................................................51 2.2.4.2 Bauwirtschaft ...................................................................................................52 2.2.4.3 Projektentwicklungsmarkt ...............................................................................58 2.2.5 Zusammenfassung und Ausblick .....................................................................63 Literaturverzeichnis zu Kapitel 2.2 ........................................................................................64

44

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.2

Bauwirtschaft und Projektentwicklungsmarkt Stephan Bone-Winkel, Philipp Feldmann, F. Ferdinand Spies

2.2.1

Gesamtvolkswirtschaftliche Bedeutung der Bauwirtschaft

Die Bauwirtschaft in Deutschland kann als eine der bedeutendsten Industriezweige betrachtet werden. Aufgrund ihres Beitrags zur Produktionsfähigkeit der Volkswirtschaft durch Bereitstellung von Sachgütern in Form von baulichen Anlagen wie bspw. Wohn-, Bürogebäuden oder Strassen, wird sie auch als Schlüsselindustrie beschrieben. Insbesondere in der Nachkriegszeit war vor allem die Bauwirtschaft verantwortlich für den Wiederaufbau und das oft zitierte Wirtschaftswunder (vgl. Schleiter 2000 S. 58-64). Auch heute spielt sie hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und der Beschäftigung eine zentrale Rolle. So leistete sie im Jahr 2006 immerhin 4,0% der Bruttowertschöpfung in Deutschland und beschäftigte mit knapp 2.156.000 Personen ca. 5,5% der Erwerbstätigen (vgl. Statistisches Bundesamt 2007). Darüber hinaus hat die Baubranche über den Multiplikatoreffekt direkte und indirekte Auswirkungen auf die gesamt-wirtschaftliche Entwicklung: jede in die Bauwirtschaft investierte Geldeinheit führt zu einem gesamtwirtschaftlichen Produktionswachstum von 2,3 (vgl. Leimböck/Iding 2005, S. 50). Allerdings hat ihre volkswirtschaftliche Bedeutung in den zurückliegenden Jahrzehnten relativ, und wie Tabelle 1 entnommen werden kann, nach dem Höhepunkt nach der Wiedervereinigung Mitte der neunziger Jahre auch absolut abgenommen (vgl. Ottnad/Hefele 2002, S. 13). 8,0% 7,1% 6,8%

7,0%

6,8%

6,7%

6,5%

6,4%

6,2% 5,9%

6,0%

5,8% 5,4% 5,1% 4,8%

5,0%

4,6%

4,4% 4,1%

4,0%

3,0%

2,0%

1,0%

0,0% 1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

Tabelle 1: Anteil Bruttowertschöpfung Baugewerbe an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung in Preisen von 1995; Quelle: Statistisches Bundesamt 2006, Berechnungen des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie

Eine schwache Trendwende scheint sich erst seit Mitte 2006 wieder einzustellen (vgl. Schrinner/Hess 2006, S. 1)

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

45

In den vergangenen Jahrzehnten haben insbesondere die Globalisierung der Märkte und der fortwährende Strukturwandel zu tief greifenden Veränderungen der Anforderungen und Leistungsbilder der Branche geführt, u.a. ein Wandel von der Erstellung der reinen traditionellen Bauleistung hin zum Angebot weiterführender Dienstleistungen, die zu einer erhöhten Wertschöpfung beitragen (vgl. Loibl 2004, S. V2/2.). Diese Dienstleistungen entsprechen dabei oft den Anforderungen der modernen Projektentwicklung (vgl. Zentralverband des Deutschen Baugewerbes 1996, S. 8-9). Die Immobilien-Projektentwicklung entwickelte sich als Konsequenz von einer Domäne in der Immobilienwirtschaft zunehmend zu einem Tätigkeitsgebiet der Bauwirtschaft. (Schleiter 2000, S. 125). In den nächsten Abschnitten werden die Bereiche Bauwirtschaft und ImmobilienProjektentwicklung genauer beleuchtet. Dabei werden die Begriffe definitorisch eingeordnet und voneinander abgegrenzt. Ferner werden aus volkswirtschaftlicher Perspektive die Marktsituation und daraus resultierende Strategien analysiert, sowie Trends und Entwicklungen theoretisch erklärt und durch Verweise auf die aktuelle Marktsituation empirisch beleuchtet.

2.2.2

Thematische Abgrenzung der Bauwirtschaft und der Projektentwicklung

2.2.2.1

Definition und Einordnung Bauwirtschaft

Für den Begriff Bauwirtschaft besteht keine einheitliche Definition. Rechtlich sind lediglich Bauleistungen in §1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) definiert, der einen Überblick über die damit verbundenen Tätigkeiten gibt und daher häufig als Definition verwendet wird: „Bauleistungen sind Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird.“ Dabei liegt der Fokus auf dem Lebenszyklus der Immobilie und insbesondere den baulichen Veränderungen, die dabei potenziell vollzogen werden. Hinsichtlich der sachlichen Aufteilung der Bauwirtschaft wird zwischen der Bauwirtschaft im weiteren Sinne und der Bauwirtschaft im engeren Sinne unterschieden (vgl. u.a. Schmidt 1980, S. 2 – 3). Unter der Bauwirtschaft im weiteren Sinne werden alle Institutionen verstanden, die sich mit der Planung, Durchführung und Nutzung von Bauobjekten und -projekten befassen. Beispiele hierfür sind neben Bauunternehmen, u.a. Architekten- und Ingenieurbetriebe oder Wohnungsbaugesellschaften, sowie ferner auch Hersteller und Händler von Baustoffen, Baumaterialien und Baumaschinen. Explizit nicht dazu gerechnet werden aber die Auftraggeber von Bauleistungen. Da hierbei jedoch des Öfteren Überschneidungen auftreten, ist der Begriff Bauwirtschaft im weiteren Sinne nur bedingt abgrenzbar. Nützlicher, auch als Grundlage für dieses Kapitel, ist daher die Definition der Bauwirtschaft im engeren Sinne. Wie in Tabelle 2 dargestellt, werden darunter lediglich die unmittelbar am Bau beteiligten Unternehmen des Bauhauptgewerbes und des Ausbaugewerbes verstanden.

46

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte Bauhauptgewerbe Hoch- und Tiefbau („Bauunternehmen“ im engeren Sinne) Fertigteilherstellung und -montage (Beton- und Holz-Fertigteilbau) Brunnenbau und Tiefbohrung Schornstein-, Feuerungs- und Industrieofenbau Abdichtung und Dämmung (gegen Kälte, Wärme, Schall, Erschütterung) Abbruch- und Sprengarbeiten Verputzer (Gipser, Stuckateure) Zimmerei und Ingenieurholzbau Dachdecker Gerüstbau Gebäudetrocknung

ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Ausbaugewerbe Bauinstallation (Wasser-, Gas-, Heizung-, Elektro-, Klimaanlagen-, Lüftungsanlagen-Installation, Klempner) Glaser Maler und Tapezierer Tischler (Schreiner) Parkettleger Estrichleger Fliesenleger und Fußbodenbelagsarbeiten Ofensetzer

Tabelle 2: Gewerbezweige d. Bauwirtschaft im engeren Sinne, eigene Abbildung in Anl. an Schmidt 1980, S. 2

Hochbau subsumiert dabei Bauwerke, durch welche Räumlichkeiten erzeugt werden, die auf der Erdoberfläche aufgebaut werden. Im Tiefbau hingegen wird entweder die Beschaffenheit der Erdoberfläche bspw. durch Strassen verändert, oder unterhalb der Erdoberfläche gearbeitet (z.B. Tunnel, Tiefgaragen, Kanalisation). 300,0

250,0

200,0

150,0

100,0

50,0

1999

2000 Bauhauptgewerbe

2001 Ausbaugewerbe

2002

2003

Verarbeitendes Gewerbe

2004 Dienstleistungen

2005 Sonstiges

2006 Gesamt

Tabelle 3: Nominales Bauvolumen in Deutschland nach Produzentengruppen 1999 -2006, Quelle: DIW 2006, S. 24, S. 52

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

47

Innerhalb dieser Betrachtung ist es geläufig, die Bauwirtschaft in eine Angebots- oder Nachfrageperspektive zu untergliedern. Das Angebot gliedert sich wie dargestellt, in die Bereiche Bauhauptgewerbe und Ausbaugewerbe. Weiterhin werden das mit dem Baugewerbe i.e.S. zusammenhängende verarbeitende Gewerbe, sowie Dienstleistungen wie Bauplanung hinzugezählt. Möchte man die Bauwirtschaft nachfrageseitig erklären, so liegt eine funktionale Unterteilung zu Grunde und gliedert die Bauwirtschaft in die Bereiche Wohnungsbau, Wirtschaftsbau (Hoch- und Tiefbau) und öffentlicher Bau (öffentlicher Hochbau, Straßenbau und sonstiger öffentlicher Tiefbau (vgl. Leimböck/Iding 2005, S. 57)). Tabelle 3 und Tabelle 4 zeigen die angebots- und nachfrageseitige Entwicklung des Bauvolumens von 1999 – 2006 (vgl. DIW 2005, S. 46-52). 300,0

250,0

200,0

150,0

100,0

50,0

1999

2000

2001 Wohnungsbau

2002 Wirtschaftsbau

2003 Öffentlicher Bau

2004

2005

2006

Gesamt

Tabelle 4: Nominales Bauvolumen in Deutschland nach Baubereichen 1999 - 2006, Quelle: DIW 2006, S. 24, S. 46.

2.2.2.2

Definition und Aufgaben des Projektentwicklers in der Bauwirtschaft

Obwohl das Berufsbild des Projektentwicklers schon seit längerer Zeit besteht, existiert weder hinsichtlich der Berufbezeichnung noch der zu erbringenden Leistungen eine gesetzliche Definition. Durch den Gesetzgeber reguliert wurden lediglich einzelne Elemente, wie beispielsweise die Vertragsbeziehungen zwischen den Projektbeteiligten: Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), Zivilrecht (BGB, HGB)), die Genehmigung des Bauvorhabens z.B. Bauordnungsund planungsrecht (BauGB, BauNVO)) oder die Zulassung bestimmter Bau- und Vertriebstätigkeiten z.B. nach Makler- und Bauträgerverordnung. Über den Begriff und die Funktionen der Projektentwicklung existieren deshalb in der Immobilienwirtschaft sehr unterschiedliche Auffassungen.

48

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Die Rolle des Projektentwicklers ergibt sich u.a. aus den Besonderheiten des Bauproduktionsprozesses im Vergleich zu anderen Wirtschaftzweigen. So besteht ein sehr starker Koordinierungsaufwand. Dieser ist bedingt durch das Zusammenwirken einer Vielzahl am gesamten Entwicklungsprozess beteiligten Institutionen und Akteure, die in Tabelle 2 beispielhaft dargestellt sind. Die Aufgabe des Projektentwicklers ist neben der Koordination ferner die Auswahl, Motivation, Information und Kontrolle der und ggf. auch Mediation zwischen den einzelnen Parteien und deren potenziellen Zielkonflikten. Es sind ferner mobile Fertigungsstätten nötig, da bedingt durch eine der Hauptcharakteristika von Bauwerken, der Immobilität, sie grundsätzlich an dem Ort erstellt werden, an dem sie später auch genutzt werden. Jede Produktion stellt daher eine hoch komplexe Einzelfertigung dar und Massenproduktion oder rein automatisierte Fertigungsprozesse, wie sie etwa in der Konsumgüterindustrie vorkommen, sind nur sehr eingeschränkt möglich. Dies schlägt sich u.a. in hohen Lohnkosten nieder, die ca. 40 % der Gesamtkosten in einer Projektentwicklung betragen. Diesen Herausforderungen sich stellend, definiert Diederichs als Ziel der Projektentwicklung „die Faktoren Standort, Projektidee und Kapital so miteinander zu kombinieren, dass einzelwirtschaftlich wettbewerbsfähige, arbeitsplatzschaffende [!] und -sichernde sowie gesamtwirtschaftlich sozial- und umweltverträgliche Immobilienobjekte geschaffen und dauerhaft rentabel genutzt werden können“ (Diederichs 1994, S. 44).

Finanzierer Finanzierer NNutzer utzer

GGrundstücksrundstückseigentüm eigentümer er

Im Imm mobilienobiliendienstleister dienstleister

Investoren Investoren

Projektentw Projektentwickler ickler

ÖÖffentliche ffentliche HHand and && ÖÖffentlichkeit ffentlichkeit

BBauauunternehm unternehmen en

AArchitekten rchitekten && Ingenieure Ingenieure

Abbildung 12: Hauptakteure einer Projektentwicklung, Quelle: Schulte et al. 2002, S. 58

Diese ganzheitliche systematisierende Definition hat einige Verbreitung gefunden. Kritisch muss jedoch der statische Ansatz dieser Definition gesehen werden, da Projektentwicklung als eine Faktorkombination gesehen wird. Hinzu kommt, dass vorher genannte interdisziplinäre Aspekte vernachlässigt werden. Bone-Winkel definiert Projektentwicklung daher als

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

49

„das interdisziplinäre Management von planungs- und baubezogenen Wertschöpfungsprozessen im Lebenszyklus der Immobilie. Dazu gehören die Bausteine Akquisition, Nutzungskonzeption und Machbarkeitsanalyse, Baurechtschaffung, Eigen- und Fremdkapitalbeschaffung, Marketing und Vermietung, Projektmanagement sowie Verwertung der Immobilie“ (Bone-Winkel/Gerstner 2006, S. 29). Dabei wird sowohl das interdisziplinäre Verständnis hervorgehoben und ferner die Projektentwicklung dynamisch als übergreifender Wertschöpfungsprozess mit verschiedenen Wertschöpfungsstufen verstanden.

2.2.3

Abgrenzung von Bauleistungen und Projektentwicklung unter Berücksichtigung der Wertschöpfungskette

Um die Begriffe Bauwirtschaft und Projektentwicklung gegeneinander abzugrenzen und Interdependenzen aufzuzeigen, ist die Analyse der jeweiligen Wertschöpfungsketten sinnvoll. In der traditionellen Bauwirtschaft umfasst diese fünf Stufen: Marketing, Angebotserstellung, Zuschlag, Bauausführung und Übergabe. Das Marketing zielt auf den Aufbau und die Erhaltung eines persönlichen Netzwerkes, welches einen besseren Zugang zu Ausschreibungen und Bauprojekten ermöglicht. Angebotserstellung und Zuschlag beschäftigen sich mit der vertraglichen und inhaltlichen Definition der zu erbringenden Leistungen und können somit als Bauvorbereitung angesehen werden, die mit der Vertragsunterzeichnung oder der Angebotsablehnung endet. Die Bauausführung selbst stellt danach mit Sicherheit den bedeutendsten, zeitaufwändigsten und kapitalintensivsten Bestandteil des Prozesses dar, in welchem aber auch selbstverständlich der höchste materielle Wert geschaffen wird. Die Übergabe im Anschluss ist ebenfalls von enormer Bedeutung, da zu diesem Zeitpunkt der Gewährleistungszeitraum der bauausführenden Unternehmen für evtl. Baumängel beginnt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Wertschöpfung eines traditionellen Bauunternehmens ausschließlich auf die Abwicklung sowie Vor- und Nachbereitung der Baumaßnahmen beschränkt. Die Aufgaben sind dabei hauptsächlich technisch und nur teilweise betriebswirtschaftlich orientiert, der Ablauf meist sequenziell, standardisiert aber aufgrund der Fertigung vor Ort und den damit einhergehenden Produktionsumständen durchaus komplex (vgl. Schleiter 2000, S. 127 – 128). Der Wertschöpfungsprozess von Bone-Winkel lässt sich gemäß der Definition in acht Schritte unterteilen: Die Akquisition beschäftigt sich dabei mit der Beschaffung eines Grundstückes für die jeweilige Projektentwicklung. Das bedeutet nicht notwendigerweise den Kauf, jedoch zumindest die rechtliche Sicherung durch bspw. Vorkaufsrechte oder Optionen. Die Ableitung einer Nutzungskonzeption und die damit einhergehende Machbarkeitsanalyse können als maßgebliche Grundlage des Projektes angesehen werden, da letztendlich nur ein erfolgreiches und durchdachtes Nutzungskonzept zur Vermietung und damit zu einer entsprechenden Wertschöpfung führt. Die Baurechtschaffung ist die bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Sicherung der geplanten Maßnahmen. Insbesondere im gewerblichen Bereich liegt hier ein kritischer Punkt innerhalb des Entwicklungsprozesses, da die Ziele und Interessen öffentlicher Behörden nicht selten den Plänen des privaten Entwicklers entgegenstehen und ein Kompromiss gefunden werden muss, der im Zweifel zu Lasten der Wirt-

50

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

schaftlichkeit des Projektes geht. Ferner muss für die Realisierung des Projektes die Eigenund Fremdkapitalbeschaffung zur Sicherung der Finanzierung gewährleistet sein. Zwar besteht für erfolgreiche Projekte enormes Finanzierungspotenzial, jedoch sind Finanzinstitutionen aufgrund rechtlicher (z.B. Basel II, steuerrechtliche Aspekte) und wirtschaftlicher Entwicklungen zunehmend gezwungen, konservativer zu handeln. Aufgrund des Wandels von Verkäufer- zu Käufermärkten ist eine Absorption des Projektes durch den Markt ohne Anstrengungen in Marketing und Vermietung nicht mehr möglich. Daher müssen innovative und umfassende Konzepte der Produkt-, Kommunikations-, Kontrahierungs-, Preis- und Servicepolitik entwickelt und nachhaltig umgesetzt werden. Das professionelle Projektmanagement während der Realisierung gewährleistet, dass Kosten, Zeiten und Qualitäten während der Umsetzung eingehalten werden und somit nicht den Projekterfolg bedrohen. Letztendlich gehört auch die Verwertung der Immobilie zum Lebenszyklus. Die Entwicklung von ExitStrategien beschäftigt sich mit der Frage, wie lange die Immobilie im Eigentum gehalten wird und welche Maßnahmen in welcher Zeit ergriffen werden können. Dieser Punkt gewinnt insbesondere dadurch zunehmend an Bedeutung, da die wirtschaftliche Nutzungsdauer von Immobilien immer kürzer wird und so die Notwendigkeit baulicher Maßnahmen bereits nach einer kurzen Nutzungsphase entsteht. Vergleicht man nun die beiden vorgestellten Wertschöpfungsprozesse, lässt sich feststellen, dass die Projektentwicklung einen ganzheitlicheren Ansatz birgt. Hierbei geht es neben dem vertieften Verständnis technischer und wirtschaftlicher Fragestellungen auch um Fragen der Finanzierung, Investition, Vermarktung und insbesondere um die Herleitung eines nachhaltigen Nutzungskonzeptes, welches innerhalb des jeweiligen Immobilienmarktes auf Nachfrage trifft. Da diese Nachfrage vorrangig auf den heutigen und zukünftigen Bedürfnissen potenzieller Nutzer basiert, muss der Projektentwickler gesellschaftliche Entwicklungen erkennen und verstehen, die Potenziale des Standortes identifizieren und umsetzen und dabei kontinuierlich die verschiedenen Exit-Optionen bewerten können. Somit trägt er nicht nur ein Leistungsrisiko, i.S.e. potenziellen Gewährleistungsanspruches seitens des Auftraggebers, sondern das Erfolgsrisiko des gesamten Immobilienprojektes. Ferner ist er, abgesehen von der Gewährleistungsfrist, tendenziell auch über einen längeren Zeitraum in ein Projekt eingebunden als ein Bauunternehmen. Andererseits sind die Wertschöpfung und damit auch der mögliche Gewinn des Projektentwicklers jedoch weitaus höher. Abbildung 10 verdeutlicht die einzelnen Wertschöpfungsbausteine grafisch. Hierbei wird ersichtlich, dass die reguläre Wertschöpfungskette der Bauwirtschaft Bestandteil der Wertschöpfungsstufe „Projektmanagement“ des Projektentwicklungsprozesses ist. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass einerseits das Berufbild des Projektentwicklers den traditionellen Bauprozess, besonders konzeptionell vor Baubeginn der konstruktiven Maßnahmen und über den gesamten Lebenszyklus der Immobilie hinweg, erweitert. Andererseits lässt sich feststellen, dass auch das Berufsbild des Projektentwicklers selbst immer vielfältiger wird. Der Nachfrager ist dabei oft nur bedingt sachkundig und fragt nach ganzheitlichen Lösungen, die über die Planungs- und Bauleistungen hinausgehen. Der Projektentwickler wird als Generalist angesehen, der Markpotenziale und Mieteranforderungen einschätzen und entsprechend umsetzen kann. (vgl. Leimböck/Iding 2005, S. 60).

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Akquisition Akquisition

NutzungsNutzungskonzeption konzeption

MachbarkeitsMachbarkeitsanalyse analyse

Marketing Marketing

BaurechtBaurechtschaffung schaffung

KapitalKapitalbeschaffung beschaffung

AngebotsAngebotserstellung erstellung

Zuschlag Zuschlag

Marketing/ Marketing/ Vermietung Vermietung

ProjektProjektManagement Management

Bauausführung Bauausführung

51

Verwertung Verwertung

Übergabe Übergabe

Abbildung 13: Wertschöpfungsbausteine im Projektentwicklungsprozess, Quelle: Eigene Abbildung

2.2.4

Marktstruktur und Strategien der Bauwirtschaft und des Projektentwicklungsmarktes

2.2.4.1

Konzeptionelle Grundlagen

Nachdem nun eine definitorische Abgrenzung der beiden Begriffe stattgefunden hat, wird im Folgenden das Marktumfeld der jeweiligen Akteure betrachtet. Als konzeptionelle Grundlage dieser Marktanalyse dient dabei das Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigma der Industrieökonomik (maßgebliche Vertreter sind Bain 1956, Shepherd 1979 und Scherer/Ross 1990) sowie dessen Fortführung innerhalb der Wettbewerbsstrategien durch Porter (vgl. Porter 1995, S. 25 – 77). Ziel ist es dabei jedoch nicht, eine singuläre Beurteilung der Wettbewerbssituation vorzunehmen, sondern generelle Gründe für das gegenwärtige Marktgeschehen aus volkswirtschaftlicher Perspektive zu analysieren und zukünftige Trends aufzuzeigen. Dabei sind jedoch Rückkopplungseffekte sowohl von Marktverhalten, als auch Marktergebnis auf die Marktstruktur zu berücksichtigen, was eine klare Trennung der Ebenen in manchen Fällen nicht zulässt (vgl. Bester 2004, S. 4-5). „Markstrukturkriterien beziehen sich auf diejenigen Eigenschaften eines Marktes, die seine Form, seinen Zustand und seine Zusammensetzung ausmachen.“ (Aberle 1992, S. 31). Mögliche Parameter sind die Anzahl, Größe und Marktanteile der jeweiligen Unternehmen, Markteintrittsbarrieren, Markttransparenz sowie die jeweiligen Kostenfunktionen der Marktteilnehmer. Ferner spielt der Grad der Produktdifferenzierung eine entscheidende Rolle. Das Marktverhalten soll durch die Beobachtung von angewandten Strategien eingeschätzt wer-

52

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

den. Dabei wird insbesondere auf Kostenführerschafts- und Differenzierungsstrategien eingegangen. Als Marktergebniskriterien werden Resultate hinsichtlich Markt und Wettbewerb untersucht, insbesondere die Erklärung von möglichen Entwicklungen, Konsequenzen, Fortschritten oder Trends. Abbildung 14 fasst die jeweiligen Kriterien nochmals grafisch zusammen. Da es sich insbesondere bei dem Markt für Projektentwicklungen um einen sehr intransparenten Markt handelt, sind oftmals nur grundsätzliche, qualitative Einschätzungen möglich. Ferner stammen aufgrund der zeitversetzten statistischen Aufbereitung die jüngsten Daten aus dem Jahr 2005. Marktstruktur Marktstruktur •• Anzahl, Anzahl,Größe, Größe, Marktanteile Marktanteileder der Einheiten Einheiten •• Produktdifferenzierung Produktdifferenzierung •• Marktkonzentration Marktkonzentration •• Markteintrittsbarrieren Markteintrittsbarrieren •• Markttransparenz Markttransparenz

Marktverhalten Marktverhalten •• Normstrategien Normstrategien •• Preiswettbewerb Preiswettbewerb •• Differenzierung Differenzierung •• Kooperationen Kooperationen •• Risikoneigung Risikoneigung

Marktergebnis Marktergebnis •• Güterpreise Güterpreise •• Qualitäten Qualitäten •• Trends Trends •• Technischer Technischer Fortschritt Fortschritt •• Gewinn Gewinn

•• Kostenfunktionen Kostenfunktionen

Abbildung 14: SVE-Paradigma, Quelle: in Anlehnung an Scherer / Ross 1990, S.5

2.2.4.2

Bauwirtschaft

Hinsichtlich der Marktstruktur der Bauwirtschaft lassen sich in den letzten Jahren verschiedene Trends feststellen. Diese betreffen insbesondere die Anzahl, Größe und Marktanteile der Unternehmen, den Grad der Produktdifferenzierung, die Struktur der unternehmerischen Kostenfunktionen, mögliche Markteintrittsbarrieren und als Konsequenz die Marktkonzentration. Zur genaueren Analyse ist es stellenweise notwendig, zwischen verschiedenen Unternehmensgrößen oder Branchensegmenten zu differenzieren. Wie aus der Tabelle 5 hervorgeht, waren im Jahr 2005 insgesamt 733.800 Arbeitnehmer in 76.080 Unternehmen beschäftigt. Hinsichtlich der Struktur sind davon knapp 48% in Betrieben mit einer Größe von weniger als 20 Mitarbeitern beschäftigt. Dabei macht diese Kategorie 90% aller Betriebe aus, erwirtschaftet jedoch nur 33,2% des Umsatzes des gesamten Bauhauptgewerbes (im Jahr 2004). Ferner kann man über den Zeitverlauf feststellen, dass die Anzahl der Betriebe dieser Gruppe zwar steigt, was jedoch hauptsächlich daran liegt, dass größere Unternehmen aufgrund der Marktentwicklung durch Freistellungen in niedrigere Kategorien fallen oder neue Unternehmen aus Zersplitterungen insolvent gewordener Groß-

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

53

betriebe entstehen (vgl. Wischhof 2006, S. 18). Weniger als 1% der Betriebe beschäftigt dabei mehr als 100 Mitarbeiter (insgesamt 137.230 Mitarbeiter). Diese Gruppe jedoch trägt zu 29,5% des Umsatzes im gesamten Bauhauptgewerbe bei (Quelle: DIW 2006, S. 33). Diese vergleichsweise hohe Konzentration lässt sich durch eine differenzierte Betrachtung nach Größenklassen erklären: Kleine Unternehmen (< 20 Mitarbeiter) können noch mit vergleichsweise geringem Aufwand geführt werden. Der Koordinationsaufwand sowie saisonal bedingten Auftragsschwankungen können durch eine entsprechend effiziente Organisation überwunden werden. 2000

in %

2001

in %

2002

in %

2003

in %

2004

in %

1-19 Beschäftigte Betriebe (Ende Juni) Beschäftigte (Ende Juni) Gesamtumsatz in Mio. € (im Vorjahr)

69.103 409.020 29.244

85,2% 38,2% 27,9%

68.529 389.616 29.053

86,7% 40,2% 29,6%

69.194 381.140 28.268

88,1% 42,5% 31,0%

67.993 366.990 26.925

88,7% 44,1% 31,6%

68.812 361.517 27.288

89,7% 46,0% 33,2%

20-49 Beschäftigte Betriebe (Ende Juni) Beschäftigte (Ende Juni) Gesamtumsatz in Mio. € (im Vorjahr)

8.386 248.500 22.494

10,3% 23,2% 21,4%

7.275 215.363 20.959

9,2% 22,2% 21,3%

6.482 192.645 19.173

8,3% 21,5% 21,0%

6.069 179.971 17.689

7,9% 21,6% 20,8%

5.578 165.334 17.254

7,3% 21,0% 21,0%

50-99 Beschäftigte Betriebe (Ende Juni) Beschäftigte (Ende Juni) Gesamtumsatz in Mio. € (im Vorjahr)

2.336 159.885 7.822

2,9% 14,9% 17,0%

2.057 140.875 16.679

2,6% 14,5% 17,0%

1.832 124.826 14.887

2,3% 13,9% 16,3%

1.655 112.504 13.998

2,2% 13,5% 16,4%

1.539 104.707 13.429

2,0% 13,3% 16,3%

100+ Beschäftigte Betriebe (Ende Juni) Beschäftigte (Ende Juni) Gesamtumsatz in Mio. € (im Vorjahr)

1.287 252.113 5.440

1,6% 23,6% 33,8%

1.141 222.752 31.566

1,4% 23,0% 32,1%

1.018 197.166 28.756

1,3% 22,0% 31,6%

895 173.507 26.563

1,2% 20,8% 31,2%

791 154.400 24.238

1,0% 19,6% 29,5%

Gesamt Betriebe (Ende Juni) Beschäftigte (Ende Juni) Gesamtumsatz in Mio. € (im Vorjahr)

81.112 100,0% 79.002 100,0% 78.526 100,0% 76.612 100,0% 76.720 100,0 1.069.518 100,0% 968.606 100,0% 895.777 100,0% 832.972 100,0% 785.958 100,0 05.000 100,0% 98.257 100,0% 91.084 100,0% 85.175 100,0% 82.209 100,0

Tabelle 5: Beschäftigung im Bauhauptgewerbe nach Unternehmensgröße 2000 – 2005, Quelle:DIW 2006, S. 33

Die Kehrseite dieser Struktur ist jedoch ein stark fragmentierter Markt, welcher theoretisch einem Polypol ähnelt: Es existieren zahlreiche Unternehmen, welche weitestgehend homogene Leistungen mit standardisierten und arbeitsintensiven Prozessen ausführen. Die Konsequenz sind niedrige Markteintrittsbarrieren, nur geringe Möglichkeiten der Realisierung von Skalenerträgen oder Spezialisierungseffekten und eine geringe Verhandlungsmacht, welche die Möglichkeiten einzelner Unternehmen verhindert, den Markt und insbesondere den Marktpreis zu beeinflussen. Somit hat das Unternehmen die Chance, aber gleichzeitig auch das Risiko, sich über den Preis zu differenzieren und behaupten zu müssen (vgl. Trost 2005, S. 19-23). Große Unternehmen (> 100 Mitarbeiter) hingegen können aufgrund ihrer Kostenstruktur Größenvorteile durch sinkende Skalenerträge (Economies of Scale) nutzen. Aufgrund des Angebots verschiedener Leistungen „aus einer Hand“ sinkt einerseits der Koordinationsaufwand zwischen den einzelnen Wertschöpfungsstufen und Verbundeffekte können realisiert werden (Economies of Scope). Andererseits besteht die Möglichkeit, vorübergehend defizitäre Unternehmensbereiche durch unternehmensinterne Quersubventionierung zu unterstützen. Diese Aspekte stellen für andere Unternehmen jedoch Markteintrittsbarrieren aufgrund von Größen- und Produktdifferenzierungsvorteilen dar (vgl. Aberle 1992, S. 20-22). Theoretisch handelt es sich hierbei um ein Oligopol: Es existieren wenige Anbieter mit einem Angebot von sowohl homogenen als auch heterogenen Produkten. Die Möglichkeit des

54

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Angebots von Komplettlösungen bildet einen unternehmensindividuellen Zusatznutzen und reduziert den Homogenitätsgrad der Leistungen. (vgl. Trost 2005, S. 21 – 40). Wettbewerbstheoretisch ist diese Konstellation nicht eindeutig zu bewerten: Zwar werden durch eine relativ große Zahl von Anbietern, eine mäßige Produktdifferenzierung, sowie eine mäßige Markttransparenz die wettbewerbs-theoretisch besten Ergebnisse erzielt. Verringert sich jedoch die Anbieterzahl, erhöht sich das Risiko wettbewerbsfeindlichen Verhaltens, unternehmerischer Absprachen, zunehmender Konzentration und damit gesamtwirtschaftlich suboptimaler Ergebnissen (vgl. Kantzenbach, S. 194-211; Aberle 1992, S. 34-37). ferenzierungsvorteile zu realisieren. Diesen Umstand könnte man als natürliche Markteintrittsbarriere für das Größensegment über 100 Mitarbeiter beschreiben, was einmal mehr hinaus die hohe Konzentration in diesem Segment erklärt. Die bedeutendsten Unternehmen für Deutschland und Europa sind in Tabelle 6 dargestellt, wobei zu beachten ist, dass die Walter Bau AG im Jahr 2005 Insolvenz angemeldet hat. Die Anteile der Walter Bau AG sowie der Ed. Züblin AG sind durch die Übernahme an die österreichische Bauholding Strabag gefallen, was die Konzentration in diesem Angebotssegment zunehmend verschärft. Diese steigende Konzentration kann man auch internationaler Ebene erkennen: So kaufte die spanische Sacyr-Gruppe im Jahr 2004 zuerst den portugiesischen Konzern Somague und stieg 2006 als Mehrheitsaktionär bei dem französischen Branchenriesen Eiffage ein (vgl. Kuchenbecker 2006, S. 12). Im europäischen Vergleich bewegen sich Hochtief auf Platz vier und Bilfinger & Berger auf Platz 14 (Quelle: Le Moniteur, Ausgabe Dezember 2005).

Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Bauleistung Veränderungs2004 rate (in Mio. EUR) 2004/2003 Hochtief AG 13.107 13,9% Bilfinger Berger AG 6.111 9,4% Strabag Bau Holding 3.420 0,4% Ed Züblin 1.435 14,0% Max Bögl 850 13,3% Rheinhold & Mahla (Bilfinger Berger) 846 3,6% Bauer 664 4,7% Wolff & Müller 662 1,5% Kaefer Isoliertechnik 580 6,0% Lindner 527 2,1% Bauunternehmen

Rang Bauunternehmen Herkunft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vinci Bouygues Skanska Hochtief ACS Colas (Bouygues) Vinci Construction Eiffage Royal BAM Group Ferrovital-Agroman

FR FR SE DE ES FR FR FR NL ES

Umsatz 2004 (in Mio. EUR) 19.520 16.911 13.281 13.107 10.962 8.013 7.816 7.765 7.468 7.268

Tabelle 6: Die größten Bauunternehmen in Deutschland und Europa 2004: Le Moniteur 2005

Die Situation im Ausbaugewerbe ist aufgrund des empirischen Aufwandes weitaus schwieriger zu berechnen. Einerseits gibt es wenige große Unternehmen, die eine eigene Kategorisierung zulassen würden. Andererseits ist die Erhebung von Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern statistisch nur sehr bedingt möglich und kann daher nur anhand der Anzahl der umsatzsteuerpflichtigen Betriebe geschätzt werden. Tabelle 7 zeigt die Entwicklung zwischen 2000 und 2005. Kleine Betriebe wurden aufgrund der genannten Abstraktion nicht in die Gesamtberechnung einbezogen. Generell lässt sich feststellen, dass die Konzentration im Ausbaugewerbe weitaus geringer ausfällt. So bilden kleine Unternehmen die mit Abstand bedeutendste Gruppe und agieren

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

55

meist auf lokalen, wenig transparenten Märkten. Aufgrund der Vielfalt der möglichen Ausbauleistungen handelt es sich um ein eher heterogenes und im Gegensatz zum Bauhauptgewerbe stärker wachsendes bzw. geringer schrumpfendes Marktsegment (vgl. DIW 2006, S. 1-3). 2000

2001

2002

2003

2004

1-10 Beschäftigte Betriebe in 1000 Beschäftigte in 1000 Gesamtumsatz (im Vorjahr) in Mrd. €

197,90 756,5 51,47

200,40 740,5 51,73

201,20 692,4 48,78

201,30 672,4 48,23

10-19 Beschäftigte Betriebe in 1000 Beschäftigte in 1000 Gesamtumsatz (im Vorjahr) in Mrd. €

14,92 200,3 14,71

13,93 186,4 14,37

13,08 174,5 13,26

12,69 168,5 13,23

12,43 163,9 13,25

20+ Beschäftigte Betriebe in 1000 Beschäftigte in 1000 Gesamtumsatz (im Vorjahr) in Mrd. €

8,86 356,4 31,28

8,14 328,4 29,85

7,44 299,7 27,51

6,92 276,6 25,41

6,53 258,4 24,31

Gesamt (ab 10 Beschäftigten) Betriebe in 1000 Beschäftigte in 1000 Gesamtumsatz (im Vorjahr) in Mrd. €

23,78 556,7 45,99

22,07 514,8 44,22

20,52 474,2 40,77

19,61 445,1 38,64

18,96 422,3 37,56

-

2005

-

12,01 157,2 -

6,04 236,7 -

18,05 393,9 -

Tabelle 7: Beschäftigung im Ausbaugewerbe nach Unternehmensgröße 2000 – 2005, Quelle: DIW 2006, S. 39

Es ist jedoch auffällig, dass die Rückgänge in den Umsatzzahlen weitaus geringer ausfallen als im Bauhauptgewerbe, was eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass vermehrt Baumaßnahmen im Bestand durchgeführt werden (vgl. BBR 2005, S. 1). Hinsichtlich der Beschäftigung spiegelt sich dies in auch in einer Prognose des Instituts für Siedlungs- und Wohnungswesen wieder: Bis zu Jahr 2020 werden demnach im Bauhauptgewerbe mit 780.000 Stellen so viele Arbeitplätze abgebaut wie in keiner anderen Branche. Das Ausbaugewerbe rangiert jedoch mit einem prognostizierten Zuwachs von knapp 150.000 Arbeitplätzen unter den 10 besten Wirtschaftbereichen (vgl. Sireo Research 2006). Dies ist auch erkennbar an der Art der beantragten Baumaßnahmen, die die heute schon 30 % Maßnahmen an Bestandsobjekten betreffen. (vgl. Leimböck/Iding 2005, S. 57 – 59). Bei der Beobachtung der gewählten Strategien lassen sich insbesondere die von Porter definierten Normstrategien Kostenführerschaft oder Differenzierung untersuchen. Dabei soll im Folgenden nicht explizit zwischen Bauhaupt- und Ausbaugewerbe unterschieden werden. Die Strategie der Kostenführerschaft ist in der Bauwirtschaft seit längerem sehr weit verbreitet. Ihre Popularität liegt dabei nicht zuletzt an der öffentlich-rechtlichen Vergabepraxis, die in den meisten Fällen den Preiswettbewerb vorschreibt (in Anlehnung an §2 Nr. 2 VOB/A). Wie sich jedoch insbesondere in den vergangenen Jahren feststellen ließ, erwies sich diese Strategie als nur sehr bedingt erfolgreich. Dabei wurde der Preis innerhalb eines Marktes mit scheinbar einfach substituierbaren Leistungen lange Zeit als einziger Wettbewerbsparameter gesehen. Die Konsequenz daraus war eine zunehmende Weitergabe der Leistungen, jedoch auch der Preissenkungen an verhandlungsschwächere Subunternehmer, welche die beauftragten Leistungen vermehrt entweder nur in schlechter Qualität oder durch

56

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Anwendung illegaler Hilfsmittel, wie bspw. Schwarzarbeit erbringen konnten. Das Resultat ist eine unüberschaubare Menge von Gewährleistungsklagen und arbeitsrechtlichen Prozessen, deren Verursacher rechtlich oft nicht mehr existieren. Der Leidtragende ist dabei in den meisten Fällen der Auftraggeber (vgl. Trost 2005, S. 1-2). Marktverhalten, das durch Preisverfall, unternehmerische Verluste und Insolvenzen innerhalb eines fragmentierten Marktes geprägt ist, wird auch als „ruinöser Wettbewerb“ bezeichnet (vgl. Aberle 1992, S. 70-71): Als Resultat verzögerter Marktanpassungsprozesse an eine geringere Nachfrage und marktstrategische Überlegungen großer und finanzstarker Anbieter werden über einen längeren Zeitraum Preise unterhalb der Gesamtkostendeckung angeboten. Das Erlösziel bezieht sich dabei ausschließlich auf die kurzfristige Deckung der variablen Kosten. Das Problem ist jedoch, dass Unternehmen der Baubranche aufgrund der vergleichsweise hohen Kapitalintensität nur sehr bedingt die Möglichkeit besitzen, ihre Fixkosten durch sukzessive Schrumpfung zu senken. Außerdem würde eine Schrumpfung auch den Verlust ggf. erzielter Skalenerträge implizieren. Letztendlich bieten die Unternehmen daher so lange unterhalb ihrer Gesamtkosten an, bis sie zur radikalen Umstrukturierung durch Verkauf ganzer Unternehmenssparten, Insolvenz, oder Fusion des Unternehmens gezwungen sind. Verschärfendes Problem dieses Marktverhaltens ist zudem, dass in der Realität nicht unbedingt innovative oder effiziente, sondern eher finanzstarke und ggf. weniger innovative Unternehmen den Wettbewerb überleben (vgl. Bosch/ Rehfeld 2003, S. 2-3). Jedoch lässt sich in den vergangenen Jahren über alle Unternehmensgrößen ein Trend zur Differenzierungsstrategie feststellen (Vgl. Granzow 2006, S. 18). Dabei unterscheidet man zwischen horizontalen und vertikalen Differenzierungsstrategien. Bei der horizontalen Differenzierung wendet man vorhandene Kompetenzen des Unternehmens auf neuartige Problemstellungen an. Möglich wäre hier die neue Fokussierung eines Bauunternehmens auf die Errichtung von spezieller, baulicher Anlagen. In der Bauwirtschaft weiter verbreitet ist jedoch die vertikale Differenzierung. Hier wird die Wertschöpfungskette um vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen erweitert und somit ein größerer Mehrwert generiert. Im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen lassen sich nach Wischhof im Grunde vier verschiedene Herangehensweisen erkennen (Wischhof 2006, S. 18): •

"Regionalmatador": Diese Unternehmen fokussieren sich hauptsächlich auf den lokalen Markt. Dort spielen aber insbesondere zwischenmenschliche Beziehungen eine erhebliche Rolle. Somit setzen diese Unternehmen auf eine umfassende Kundenbetreuung und ein breites Angebot an unternehmerischen Dienstleistungen rund um die Immobilie.



"Segmentprofi": Der Fokus dieses Anbieters liegt auf spezifischen Immobilientypologien. Das Ziel ist es, über Lerneffekte überregionale Effizienzvorteile bei der Erstellung bestimmter Nutzungsarten zu erzielen. Beispiele sind Einkaufszentren oder Altenheime.



"Spezialist": Die Strategie des Spezialisten ähnelt der des Segmentprofis, unterscheidet sich jedoch darin, dass der Spezialist seinen Vorteil nicht vornehmlich über Effizienz, sondern über die Lösung technisch komplexer Bauvorhaben, wie zum Beispiel im Spezialtiefbau oder besondere Arten des Fertigbaus, erzielt.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte •

57

"Systemanbieter": Dieser Anbieter konzentriert sich auf die Bereitstellung der funktionalen Baulösung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Projektentwicklung bis hin zum Betreiben zum Teil komplexer Bauvorhaben.

Durch ihre strategische Neuausrichtung konnten sich diese Unternehmen zumindest stellenweise der ruinösen Konkurrenz entziehen und ihre Profitabilität durch ein segmentspezifisches Angebot sichern. Der vorübergehende Aufbau von Wettbewerbsvorteilen gegenüber anderen Unternehmen führt dabei zu außerordentlichen unternehmerischen Gewinnen. Deren Höhe ist maßgeblich abhängig vom Substitutionsgrad des Angebots, d.h. existierenden Produkten, die das gleiche Kundenproblem auf ähnliche Weise lösen, welche somit implizit eine Konkurrenz darstellen. Die Dauer dieses Wettbewerbsvorteils bemisst sich an der Replizierbarkeit der Leistung. Je einfacher die Leistung nachgeahmt werden kann, umso höher ist die Gefahr von „Trittbrettfahrern“. Weitaus verbreiteter ist die Differenzierungsstrategie in dem Segment der großen Unternehmen. Eine Differenzierung findet dabei einerseits über eine Internationalisierung und andererseits über das Angebot weiterführender Dienstleistungen, wie beispielsweise Projektentwicklung, Facility Management oder Public Private Partnerships (PPP) statt (Schnitzler 2006a, S. 100). Aufgrund der Vielseitigkeit der Strategien, sind auch die Konsequenzen am Markt unterschiedlich. Weniger innovative oder effiziente Unternehmen verharren oftmals auf der Strategie der Kostenführerschaft. Das Resultat war, dass seit Mitte der 90er Jahre die Wahrscheinlichkeit, im deutschen Bauhauptgewerbe Bankrott zu machen fast viermal so hoch ist, wie in der Gesamtwirtschaft. In Hinblick auf die langfristigen Prognosen scheinen aber auch diese Unternehmen eine bessere Perspektive: „Die mit dem Aufschwung verbundenen höheren Preise eine Chance, nach Jahren des Substanzverzehrs wieder Kapital aufzubauen.“ (Schnitzler 2006a, S.100). Innovative Unternehmen richten sich strategisch zunehmend differenzierter aus und können somit ihre Wirtschaftlichkeit mit dem Angebot von Dienstleistungen, die eine vertikale Erweiterung der Wertschöpfungskette darstellen, längerfristig sichern. So liegt bei den deutschen Branchenriesen Bilfinger Berger AG bereits heute der Anteil der Dienstleistungen am Konzernumsatz bei 33%, bei Hochtief AG sogar 40% (Schnitzler 2006a, S.100). Letztere erschließt bspw. durch die Übernahme der Siemens Gebäudemanagement GmbH & Co. OHG und der Lufthansa Gebäudemanagement Holding GmbH zunehmend das Geschäft des Facility Managements. Ferner spielen Public Private Partnerships (PPP) eine immer bedeutendere Rolle in der Konzernstrategie, da sie hinsichtlich der kommunalen Finanzsituation eine der wenigen Alternativen zur Überwindung des öffentlichen Instandhaltungsstaus darstellen (Vgl. Reichenbach 2005, S. 16-17). Ebenso rasant entwickelt sich die Internationalisierung in der deutschen Bauindustrie. So lässt besonders bei den größeren Unternehmen eine rasante regionale Expansion erkennen, die sich im Laufe der Zeit auf weitere Subunternehmen niederschlagen wird. Bilfinger Berger erwirtschaftet knapp ein Drittel seines Umsatzes im Ausland, das Familienunternehmen Bauer knapp die Hälfte und die Essener Hochtief AG erwirtschaftet nur noch 16% des Gesamtumsatzes in Deutschland (Schnitzler 2006a, S. 100). Diese Entwicklungen bilden auch die Grundlage der folgenden Analyse des Marktes für Projektentwicklungen.

58

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.2.4.3

Projektentwicklungsmarkt

Betrachtet man die Marktstruktur, Marktverhalten i.S.v. Strategien und die Marktergebnisse auf dem Projektentwicklungsmarkt, stellt sich das Bild weitaus anders dar. Dies liegt insbesondere an der Länge der Wertschöpfungskette, der daraus resultierenden Vielfalt der Aufgaben und Marktpotenziale und damit letztendlich der Heterogenität der Produkte und Leistungen. Außerdem spielen zudem ebenfalls Anzahl, Größe und Marktanteile der Unternehmen, die Kostenfunktionen und die Marktkonzentration eine bedeutende Rolle. Aufgrund des vergleichsweise neuartigen Berufsbildes des Projektentwicklers gibt es nur sehr begrenzt statistische Erhebungen zur Marktsituation der Projektentwickler. Die BulwienGesa AG hat im Jahr 2005 eine deutschlandweite Umfrage unternommen, deren Ergebnisse jedoch aufgrund der vergleichsweise geringen Rücklaufquote stellenweise eher als Trends zu verstehen sind (vgl. hierzu im Folgenden Schulten/Rometsch/Brunner 2005). Die Struktur des deutschen Projektentwicklungsmarktes ist stark geprägt durch klein- und mittel-ständische Unternehmen. So haben ca. 43 % der Unternehmen bis zu 10 Mitarbeiter und 49 % der Unternehmen beschäftigen 10 bis 50 Mitarbeiter. Lediglich 5 % der befragten Unternehmen zählen über 100 Mitarbeiter. Auch hinsichtlich der Umsätze lässt sich ein weitaus geringere Konzentration der Unternehmen feststellen. So erwirtschaften im Jahr 2004 knapp 35% der Unternehmen einen Umsatz von weniger als 10 Mio. Euro, über 50% zwischen 10 und 50 Mio. Euro und nur 15% von mehr als 50 Mio. Euro. Bemerkenswert ist bei diesen Kennzahlen auch die zeitliche Entwicklung. Sowohl hinsichtlich der Umsätze, als auch der Mitarbeiterzahlen lässt sich eine Zunahme der mittleren Segmente beobachten. So stieg im Zeitraum von 2001 – 2004 die Anzahl der Unternehmen mit mehr 11 bis 50 Mitarbeitern um 17% auf 49%. Die Anzahl der Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern halbierte sich hingegen, was u. a. an der zunehmenden Auslösung und Zerschlagung von konzerninternen Projektentwicklungsabteilungen in kleinere, privatisierte Einheiten liegt. Hinsichtlich des Umsatzes stieg die Anzahl der Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 10 und 50 Mio. Euro um über 10%, während die Anzahl umsatzstarker Unternehmen (über 50 Mio. Euro) nahezu unverändert blieb. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass nur 1/3 aller Unternehmen bei der Umfrage Angaben zu ihrem Umsatz machten. Dies verdeutlicht die allgemeine Transparenzproblematik und die fehlende Bereitschaft der Teilnehmer dieser entgegenzuwirken. Während sich Projektentwicklungsunternehmen in der Vergangenheit eher auf Wohn- und Büroimmobilien konzentrierten, liegt der Schwerpunkt laut der Umfrage aktuell mit insgesamt 43% auf Spezialimmobilien wie Hotels, Freizeitanlagen und Seniorenwohnen (vgl. Schulten/Rometsch/Brunner 2005, S. 14). Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse lässt sich ein polypolitischer Markt postulieren. Dies wird jedoch durch die Tatsache relativiert, dass es sich weitestgehend um heterogene Produkte handelt. Es existieren geringe Markteintrittsbarrieren, da kaum Skalenerträge durch die Größe des Unternehmens erzielbar sind. Vorteile liegen höchstens in Lernkurveneffekten, die jedoch nur einzelne regionale oder sachliche Teilmärkte betreffen. Ferner sind nur in geringem Maße Kapitalinvestitionen notwendig, welche als ‚sunk cost’ Markteintrittsoder -austrittsbarrieren darstellen würden.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

59

Die Bestimmung der bedeutendsten Unternehmen im deutschen Projektentwicklungsmarkt ist nicht rein quantitativ möglich, da kein einheitlich bestimmtes Größenkriterium existiert. Die genannte Umfrage ergab jedoch, dass Hochtief Projektentwicklung (HTP), ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG sowie die Helaba-Tochter OFB Projektentwicklung GmbH zu den bekanntesten Unternehmen zählen. Tabelle 8 zeigt die Ergebnisse dieser Befragung. Rang

Projektentwickler HTP Hochtief Development ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG OFB Tishman Speyer Hines 6 Tercon mfi IVG Difa Vivico, Viterra, Strabag, Corpus, 10 Gross & Partner, Fundus, Calliston 1 2 3 4

Nennungen (%) 17% 15% 6% 5% 5% 3% 3% 3% 3% 2%

Tabelle 8: Die zehn bekanntesten Projektentwickler in Deutschland, Quelle: Schulten/Rometsch/Brunner 2005, S. 10.

Hinsichtlich der Strategien der einzelnen Unternehmen lässt sich feststellen, dass Kostenführerschaft bei Weitem nicht die gleiche Verbreitung findet, wie das in der Bauwirtschaft der Fall ist. Kostenführerschaft ist als Unternehmensstrategie bei Projektentwicklern auch nur in eingeschränktem Maße möglich. Dies liegt maßgeblich darin begründet, dass die kostenintensiven Wertschöpfungsstufen wie bspw. der Grunderwerb und die Konstruktionskosten nur sehr bedingt im Einflussbereich des Projektentwicklers liegen. Kosteneinsparpotentiale sind insofern höchstens in der Projektplanung vorhanden (vgl. Isenhöfer 1999, S. 264-267). Als Produktstrategie wird Kostenführerschaft höchstens gewählt, um Mieter mit geringem Mietbudget, wie bspw. die öffentliche Hand, gewinnen zu können. Das impliziert aber nicht automatisch, dass auch der Projektentwickler dabei eine geringe Gewinnmarge erzielt und somit eine unternehmensweite Kostenführerschaftsstrategie verfolgt (vgl. Rottke/Wernecke 2001, S. 12). Differenzierungsstrategien sind nicht zuletzt aufgrund der Vielfalt möglicher Wertschöpfungsstufen weitaus weiter verbreitet. Zur besseren Kategorisierung möglicher Strategien (vgl. Abbildung 15: Anbieter von Immobilien-Projektentwicklungen, Quelle: Isenhöfer 1999, S. 45.) segmentiert Isenhöfer nach den Dimensionen Developer-Typ, Aktionsradius und Immobilienart (vgl. Isenhöfer 1999, S. 44-46). Hinsichtlich des Developer-Typs unterscheidet man zwischen drei Arten: Der InvestorDeveloper zeichnet sich dabei dadurch aus, dass die jeweiligen Projektentwicklungen für den eigenen Bestand erstellt und entwickelt werden. Hier vollzieht der Entwickler in der Regel alle Stufen im Wertschöpfungsprozess, in manchen Fällen auch mehrfach, sofern nach einer gewissen Nutzungszeit ein Redevelopment des Objektes ansteht.

60

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

rereg gi ion on a al l

AAkk nnaat tioion ttioio n a nnssr al l raad diiu uss

Wohnimmobilien Wohnimmobilien Gewerbeimmobilien GewerbeimmobilienSonderimmobilien Sonderimmobilien

ininte te rn rn a at tio io na na l l

Developer-Typ Developer-Typ

Service-Developer Trader-Developer Trader-Developer Investor-Deve Investor-Developer Service-Developer loper

Der Trader-Developer beteiligt sich an einer Projektentwicklung mit dem Ziel, das Projekt vor oder während der Bauphase an einen oder mehrere Investoren zu veräußern. Dabei werden nicht notwendigerweise alle Stufen des Wertschöpfungsprozesses durchlaufen, da der Entwickler das Projekt bspw. vor oder nach Fertigstellung mit einer gewissen Vorvermietung an einen Investor veräußert.

Immobilienart Immobilienart Abbildung 15: Anbieter von Immobilien-Projektentwicklungen, Quelle: Isenhöfer 1999, S. 45.

Diese Form konnte lange Zeit als traditionelle Projektentwicklung verstanden werden. Insbesondere in diesem Segment bieten auch viele Bauunternehmen ihre Leistung an: Durch Rückwärtsintegration verschiedener Wertschöpfungsstufen vor der Bauausführung erweitern sie ihren Anteil am Wertschöpfungsprozess und erhöhen damit ihren Anteil am Gewinn der gesamten Entwicklungsmaßnahme. Der Service-Developer bietet seine Entwicklungsleistung in Form einer Dienstleistung an. In diesem Fall ist er zwar durchaus an vielen der Wertschöpfungsstufen beteiligt, trägt dabei jedoch kein Entwicklungsrisiko und ist nur bedingt, je nach Vertragsgestaltung, am Erfolg beteiligt. Diese Form der Projektentwicklung war zwar lange Zeit nicht allzu weit verbreitet, wird jedoch mittlerweile zunehmend in Anspruch genommen. Einerseits durch große Bestandshalter, welche vor der Herausforderung der Verwertung großer Bestände nicht betriebsnotwendiger Grundstücke stehen. Andererseits durch große, meist institutionelle Investoren, welche zunehmend feststellen, dass ihr Gebäudebestand mittelfristig nicht mehr marktgängig sein wird und daher aufkommendem Leerstand durch entsprechende Entwicklungsmaßnahmen entgegengewirkt werden soll. In allen Fällen kommt es dabei zum Einkauf externer Leistungen in Form von Projektentwicklungen. Was den Aktionsradius der Unternehmen betrifft unterscheidet man zwischen regionalen, nationalen und internationalen Projektentwicklern. Regionale Entwickler bilden in Deutsch-

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

61

land mit Sicherheit das Gros der Unternehmen, sind aber aufgrund des lokalen Bezuges weitestgehend unbekannt. Die Potenziale regionaler Standorte sind jedoch nicht zu unterschätzen. Gerade aufgrund der geringen Transparenz und dem starken Personenbezug erzielen etablierte Unternehmen hier teilweise sehr hohe Renditen (vgl. Leykam 2003, S. 1). Die nationale Ebene war lange Zeit der hauptsächliche Aktionsradius deutscher Projektentwicklungsunternehmen. Dies liegt hauptsächlich an der notwendigen Marktkenntnis, welche sich auf nationaler Ebene auf die Gegebenheiten des Teilmarktes beschränken, sowie der notwendigen lokalen Präsenz. Die Globalisierung der Projektentwicklung hat insbesondere in den vergangenen Jahren dazu geführt, das viele Unternehmen sich zunehmend auf internationalen Märkten engagieren. Dabei kann einerseits das erfolgreiche Engagement amerikanischer Unternehmen im deutschen Markt genannt werden (vgl. Allen 1990, S. 49f.). Umgekehrt hat die erhöhte Nachfrage nach Gewerbe- und Büroimmobilien in Osteuropa zunehmend zur Expansion vieler deutscher Unternehmen geführt (vgl. bspw. für Polen Focke 2005). Dieses Segment wird besonders von Projektentwicklungssparten deutscher Bauunternehmen besetzt (Vgl. Schnitzler 2006a, S. 100). Hinsichtlich des Immobilientyps unterscheidet man zwischen Wohnimmobilien, Gewerbeimmobilien, Industrieimmobilien und Sonderimmobilien. Die Entwicklung von Wohnimmobilien durch Bauträger ist wahrscheinlich die älteste Form des Projektentwicklers in Deutschland, wobei das Bauträgergeschäft seit einigen Jahren rückläufig ist. Stärker im Fokus standen besonders in den vergangenen Jahren sehr hohe Investitionen in große, teilweise staatliche Wohnungsgesellschaften. In diesem Zusammenhang haben in Deutschland besonders der Kauf von 152.000 Wohnungseinheiten der Viterra durch die britische Terra Firma für insgesamt ca. 7,0 Mrd. Euro oder der Kauf der 80.000 Wohneinheiten Essener Gagfah durch Fortress im Jahr 2004 für ca. 3,5 Mrd. Euro für Aufmerksamkeit gesorgt (vgl. Leykam 2006, S. 6). Diese Transaktionen sind außerdem richtungweisend für die zunehmende Internationalisierung der Immobilienbranche. Unter Gewerbeimmobilien werden die Flächen subsumiert, „in denen erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolg werden. Dazu gehören neben Büro- und Handelsimmobilien auch Gewerbeparks und ebenso die der Distribution von Waren dienenden Gebäude in Logistikimmobilien“ (vgl. Walzel 2005, S. 123). In diesem Segment sind mit über 50% die meisten Unternehmen in Deutschland tätig. Dabei fokussieren sich Entwickler von Gewerbeimmobilien meist auf institutionelle Investoren, da diese aufgrund der Renditeerwartung hierfür als späterer Eigentümer in Frage kommen. Industrieimmobilien sind auf die Nutzungsdauer zugeschnitten, nicht auf einen bestimmten Nutzer. Sie umfassen regelmäßig relativ große Räume oder Hallen mit wenigen Innenausbauten. Und gewinnen hieraus ihre Flexibilität- Typische Beispiele dieser Gattung sind Fertigungsgebäude, Werkstätten, Lagerhallen oder Distributionszentren. Industrieimmobilien werden nur dann den Gewerbeimmobilien zugerechnet, wenn sie eine hinreichende Drittverwendungsfähigkeit besitzen; diese zeigt sich darin, dass beim Ausfall des gegenwärtigen Nutzers mit vertretbarem Aufwand eine alternative Funktion für die Immobilie gefunden werden kann. Unter Sonder- oder Spezialimmobilien versteht man Immobilien, welche einer besonderen, nicht industriellen Nutzung unterliegen. Entscheidender Aspekt hierbei ist die meist sehr geringe Drittverwendungsfähigkeit der Objekte. Aufgrund dieser Besonderheiten handelt es

62

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

sich aber häufig um sehr komplexe Gebäude, zu deren Entwicklung besondere Expertise notwendig ist. Beispiele sind Senioren- und Pflegeheime, Schulen oder Flughäfen (vgl. Walzel 2005, S. 137-138). In den meisten Fällen ist jedoch nicht eine Spezialisierung in einer Dimension alleine zu beobachten. Differenzierungsstrategien der Entwickler sind oftmals eher eine Kombination mehrerer Aspekte. Hines und Tishman Speyer entwickeln beispielsweise vorrangig Büroimmobilien auf internationaler Ebene. Die Kernkompetenz der mfi liegt in der Entwicklung von Handelsimmobilien auf nationaler Ebene. Außerdem lässt sich feststellen, dass Entwickler ihren Aktionshorizont in verschiedenen Dimensionen erweitern. So ist die Expansion auf weiter typologische oder regionale Märkte eine häufig angewandte Strategie von Projektentwicklungsunternehmen (vgl. Isenhöfer 1999, S. 228-245). In der Projektentwicklung lassen sich jedoch auch zunehmend sog. Nischenstrategien erkennen. Nischenstrategien beschreiben die Konzentration eines Unternehmens auf ein kleines, weitestgehend unerschlossenes Marktsegment. Lange Zeit galt das ‚Bauen im Bestand’ als eine mögliche Nischenstrategie: Die Entwickler spezialisierten sich auf die Umnutzung und Renovierung bestehender Gebäude. Dadurch konnten zeitliche und kostenspezifische Gewinne bei reduziertem Risiko und geringerem Entwicklungszeitraum erzielt werden (vgl. Bone-Winkel 2005, S. 59-73). Ein weiteres Nischensegment stellen Kooperationen zwischen den an der Projektentwicklungen beteiligten Akteuren dar. Ein Beispiel ist die Kooperation des Projektentwicklers mit finanzstarken Investoren. die Kernkompetenz der ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG liegt beispielsweise in der Entwicklung und dem Management von Shopping Centern. Aufgrund der langjährigen Erfahrung und des Erfolges der Projektentwicklungen bilden sie zunehmend Joint Ventures mit internationalen institutionellen Investoren, welche sich als finanzstarker Partner an einzelnen Projekten beteiligen. Somit kann man ECE als ein Hybrid aus Investor- als auch Trader-Developer bezeichnen. Eine weitere Nische entsteht zunehmend zwischen lokalen und internationalen Akteuren: Aufgrund zahlreicher Investitionen internationaler Investoren besitzen diese mittlerweile erhebliches Grundvermögen in Deutschland. Oftmals fehlt ihnen jedoch die regionale Kompetenz, um ein entsprechend professionelles Asset Management zu gewährleisten, weshalb sie lokale Unternehmen mit dieser Aufgabe betreuen. Somit wird der lokale agierende Entwickler zum international tätigen Akteur. Als Konsequenz dieser Struktur und Strategien könnte man den beschriebenen Markt ähnlich wie bei der Differenzierung von Bauunternehmen nach Chamberlin auch als ‚monopolistische Konkurrenz’ beschreiben: Durch Differenzierung oder Fokussierung auf Nischensegmente belegen die Entwickler in bestimmten Wertschöpfungsstufen Märkte, auf welchen sie zumindest vorübergehend eine monopolartige Stellung genießen (vgl. Chamberlin 1933). Es besteht kurzfristig ein Gleichgewicht, bei welchem der Unternehmer über ein sog. „akquisitorisches Potenzial“ außerordentliche Gewinne erzielen kann. Dabei handelt es sich jedoch meist um vorübergehende Monopole, welche nicht aufgrund bestimmter Marktkonstellationen (Eintrittsbarrieren etc.) oder Absprachen existieren, sondern eher als Innovationen „schöpferischer Unternehmer“ anzusehen sind. Der Entwickler ist nur so lange Monopolist, bis ein Imitator die gleiche Idee aufgreift und durch einen Preiswettbewerb die außerordentlichen Gewinne verhindert. Der Imitationszeitraum und damit die Höhe der außerordentlichen Gewinne sind von der Transparenz des Marktes und der Komplexität und damit Repli-

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

63

zierbarkeit des Angebots abhängig. Auf diese Weise entsteht ein kreativer Wettbewerbsprozess von Erfindung und Imitation („Prozess der schöpferischen Zerstörung“), welcher zu Innovation und Entwicklung und damit einer Wohlfahrtsverbesserung der gesamten Wirtschaft führt (vgl. Schumpeter 2006). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Integration weiterer Wertschöpfungsstufen in den Entwicklungsprozess Differenzierungsmöglichkeiten und somit Erfolgspotenziale für den Entwickler eröffnet. Im Gegenzug übernimmt der Entwickler dabei stellenweise ein nicht unerhebliches Entwicklungsrisiko. Resultat dieser Entwicklung ist die Innovation neuer immobilien-spezifischer und nutzerorientierter Immobilienlösungen, welche letztendlich die Gesamtwohlfahrt steigern.

2.2.5

Zusammenfassung und Ausblick

Im vorliegenden Beitrag wurden die Begriffe Bauwirtschaft und Projektentwicklung definiert und thematisch voneinander abgegrenzt. Ferner konnten durch Anwendung des Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigmas die Situation und daraus resultierende Konsequenzen im aktuellen Marktgeschehen dargestellt und analysiert, sowie mögliche Entwicklungstendenzen für die Zukunft skizziert werden. Die jeweiligen Erkenntnisse wurden dabei durch entsprechende Marktdaten unterstützt. Inwiefern sich die Bauwirtschaft und der Markt für Projektentwicklungen tatsächlich annähern werden und es somit zu einer dargestellten Professionalisierung und Spezialisierung der traditionellen Bauwirtschaft kommen wird, ist abzuwarten. Dies ist nicht zuletzt von dem hohen Innovationspotenzial der Projektentwicklungsbranche abhängig. Fest steht jedoch, dass sowohl die Bauwirtschaft, als auch der Markt für Projektentwicklungen gegenwärtig ein bedeutendes Wachstum erleben. So rechnet der Hauptverband der Bauindustrie für das Jahr 2007 mit einem Zuwachs von 3,5%, wobei entgegen der früheren Entwicklungen der Wirtschaftsbau mit 8% die treibende Kraft darstellt (Vgl. IZ aktuell vom 11.01.2007). Laut Hans-Peter Keitel, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie stellt die aktuelle Erholung keinen vorübergehenden Trend dar, sondern den „Anfang eines längerfristigen Anstiegs.“ (Vgl. Schnitzler 2006b, S. 38)

64

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Literaturverzeichnis zu Kapitel 2.2 Aberle, Gerd: Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, 2. Aufl., Stuttgart 1992. Allen, R. Stanley: West Germany opening as 1992 approaches, in: NREI, 32. Jg., Nr. 2 1990, S. 49-50. Bain, Joe S.: Barriers to New Competition: Their Character and Consequences in Manufacturing Industries, Cambridge/ Mass. 1956. BBR: Bericht zur Lage und Perspektive der Bauwirtschaft vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn 2005. Bester, Helmut: Theorie der Industrieökonomik, 3. Aufl., Berlin 2004. Bone-Winkel, Stephan: Bauen im Bestand, unveröffentlichte Dokumentation des 13. Architektentages der Architektenkammer Hessen, Wiesbaden 2005, S. 58-75. Bone-Winkel, Stephan: Die Zukunft liegt im Bestand, in: IMMOBILIEN MANAGER, 13. Jg. Nr. 7+8/2003, S. 10-11. Bone-Winkel, Stephan/Sotelo, Ramon: Warum werden Büroflächen (nicht) vermietet? Einige grundlegende Anmerkungen über den Immobilienmarkt am Beispiel Berlins, in: Grundstücksmarkt und Grundstückswert, 6. Jg., Nr. 4/1995, S. 199 - 205. Bone-Winkel, Stephan/ Gerstner, Nicolai: Interdisziplinäre Grundlagen der Immobilien Projektentwicklung, in: Bone-Winkel et al. (Hrsg.): Stand und Entwicklungstendenzen in der Immobilienökonomie – Festschrift zum 60. Geburtstag von Karl-Werner Schulte, Köln 2006, S. 21-40. Bosch, Gerhard/ Rehfeld, Dieter: Zukunftsstudie Baugewerbe Nordrhein-Westfalen, Veröffentlichung der Zukunftsinitiative Bau NRW, Ministerium für Städtebau, und Wohnen, Kultur und Sport Nordrhein-Westfalen, Gelsenkirchen 2003. Chamberlin, Edward: The Theory of Monopolistic Competition, Cambridge 1933. Conzen, Georg: Funktion und Charakteristika der Projektentwicklung innerhalb der neuen kommunalen Strategien, in: Schulte, Karl-Werner (Hrsg.): Handbuch Immobilien - Projektentwicklung, Köln 1996, S. 391-426. Diederichs, Claus J.: Grundlagen der Projektentwicklung - Teil 1, in: Bauwirtschaft, 48. Jg., Nr. 11/1994, S. 43 - 49. DIW: Struktur des Bauvolumens in der Bundesrepublik Deutschland 1991 - 2004, Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Berlin 2006. Focke, Christian: Gewerbeimmobilieninvestments in Polen, in: Schulte, Karl-Werner (Hrsg.): Schriften zur Immobilienökonomie, Band 33, Köln 2005. Granzow, Axel: Bauindustrie: Viele Mittelständler finden auf dem kriselnden Markt trotzdem ihren Erfolgsweg - Wendig in der Nische, in: Handelsblatt Nr. 016, 23.01.06, S. 18.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

65

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.: Wichtige Baudaten 2004, Berlin 2004. Isenhöfer, Björn: Strategisches Management von Projektentwicklungsunternehmen, in: Schulte, Karl-Werner (Hrsg.): Schriften zur Immobilienökonomie, Band 8, Köln 1999. Kantzenbach, Erhard: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs: Weite Oligopole als Wettbewerbsbedingung, in: Herdzina, Klaus (Hrsg.): Wettbewerbstheorie, Köln, S. 196 214. Keogh, Geoffrey: Use and Investment Markets in British Real Estate. In: Journal of Property Valuation and Investment, 12. Jg., 1994, H. 4, S. 58 - 72. Kuchenbecker, Tanja: Unternehmen und Märkte: Spanier steigen in Frankreichs Baubranche ein, in Handelsblatt, Nr. 070, 07.04.06, S. 12. Leimböck, Egon/Iding, Andreas: Bauwirtschaft - Grundlagen und Methoden, Bd. 2., erw. und aktualisierte Auflage, Stuttgart et al. 2005. Le Moniteur: Die größten Bauunternehmen in Deutschland und Europa, Ausgabe November 2005. Leykam, Monika: Deutsche Wohnen AG – jetzt müssen die Erwartungen erfüllt werden, in: Immobilienzeitung, Nr. 12, 26.05.2006, S. 6. Leykam, Monika: Asset Management – Die Erntehelfer der Investoren, in: Immobilienzeitung, Nr. 10, 06.05.2005, S. 3. Leykam, Monika: Top-Hotelstandorte . Kauft mehr in der Provinz, in: Immobilienzeitung, Nr. 15, 17.07.2003, S. 1. Loibl, Roswitha: Managen statt Mauern, in: Süddeutsche Zeitung, 10.09.2004, S. V2/2. Ottnad, Adrian/Hefele, Peter: Die Zukunft der Bauwirtschaft in Deutschland: Umfeld, Probleme, Perspektiven, München 2002. Porter, Michael E.: Wettbewerbsstrategie: Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten, 8. Aufl., Frankfurt am Main 1995. Rottke, Nico/ Wernecke, Martin: Management im Immobilienzyklus Teil 14: Antizyklische Projektentwicklung: Schnellboote und Eigenkapitaldinosaurier, in Immobilienzeitung, Nr. 26, 20.12.2001, S. 12. Schleiter, Ludwig Wilhelm: Historische, gesellschaftliche und ökonomische Grundlagen der Immobilien-Projektentwicklung: ein Beitrag für fachübergreifendes Denken, Forschen und Handeln, Köln 2000. Schmidt, Heinrich T.: Grundlagen der Baubetriebslehre, 2., überarbeitete Auflage. Aufl., Köln 1980. Schulte, Karl-Werner/Bone-Winkel, Stephan/Rottke, Nico: Grundlagen der Projektentwicklung aus immobilienökonomischer Sicht, in: Schulte, Karl-Werner/Bone-Winkel, Stephan (Hrsg.): Handbuch Immobilien-Projektentwicklung, 2., aktualisierte und erweiterte Aufl., Köln 2002, S. 27-90.

66

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Schulten, Andreas/Rometsch, Gitta/Brunner, Thomas: Strukturmerkmale und Organisation der Projektentwickler in Deutschland, Berlin 2005. Schumpeter, Joseph A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Nachdruck der 1. Auflage von 1912, Berlin 2006. Shepherd, William: The Economics of Industrial Organisation, 4. Aufl., New Jersey 2003. Scherer, Frederic M./ Ross, David: Industrial Market Structure and Economic Performance, Boston 1990. Schrinner, Axel/ Hess, Dorit: Wachstumsschub saniert Haushalt, in: Handelsblatt, Nr. 156, 15.08.2006, S. 1. Sireo Research (Hrsg.): Deutschlandstudie 2006, unveröffentlichte Studie der Sireo Real Estate GmbH, Heusenstamm 2006. Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen , Abrufdatum: 10.08.2006.

2002-2005,

Trost, Markus: Leistungswettbewerb in der Bauwirtschaft – die Dimensionen einer Strategie des nicht preisbasierten Wettbewerbs, Diss., Weimar 2005. Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A). Walzel, Barbara: Unterscheidung nach Immobilienarten, in Schulte, Karl-Werner (Hrsg.) Grundlagen der Immobilienökonomie - Band I: Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 117 – 140. Wischhof, Karsten: Bauindustrie: Viele Mittelständler finden auf dem kriselnden Markt trotzdem ihren Erfolgsweg, in: Handelsblatt Nr. 016, 23.01.2006, S. 18 Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (Hrsg.): Baumarkt 2004; Ergebnisse, Entwicklungen, Tendenzen, Berlin 2005. Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (Hrsg.): Baubetriebswirtschaftslehre in Theorie und Praxis, Bonn 1996.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.3

67

Märkte für Immobilienanlagen und Immobiliennutzungen Ramon Sotelo

2.3.1 2.3.1.1 2.3.1.2 2.3.1.3 2.3.1.4 2.3.2 2.3.2.1

Der Markt für Immobilienanlageprodukte im Überblick .................................68 Offene Immobilienfonds..................................................................................70 Geschlossene Immobilienfonds .......................................................................71 Immobilienaktiengesellschaften.......................................................................71 REITs...............................................................................................................72 Immobilienanlageprodukte als Finanzierungsformen ......................................73 Notwendige Finanzierungstheorie: Williamson und seine Weiterentwicklung...........................................................................................73 2.3.2.2 Weiterentwicklung Williamsonscher Finanzierungstheorie ............................74 2.3.3 Zusammenhänge von Nutzung und Finanzierung............................................76 2.3.3.1 Immobilienrisiken............................................................................................76 2.3.3.2 Wertentwicklungspotential von Immobilien....................................................78 2.3.3.3 Zusammenhänge zwischen der Immobiliennutzung und der Finanzierung .....79 2.3.4 Zusammenfassung ...........................................................................................86 Literaturverzeichnis zu Kapitel 2.3 ........................................................................................88

68

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.3

Märkte für Immobilienanlagen und Immobiliennutzungen Ramon Sotelo

2.3.1

Der Markt für Immobilienanlageprodukte im Überblick

Bei der Kapitalallokation können Vermögensbesitzer Investitionen in Aktien, Renten und Immobilien vornehmen. Die Kombination eines Portfolios aus diesen drei Gattungen wird einerseits zur Bildung eines optimalen Portfolios zur Vernichtung unsystematischer Risiken (Ansatz nach Markowitz) abgeleitet, ergibt sich jedoch auch aufgrund jener originären Eigenschaften von Immobilien wie der Fähigkeit, Inflationsänderungsrisiken zu vernichten, Wachstumsprozesse abbilden zu können sowie ihrer fiskalischen Behandlung. Immobilienanlageprodukte lassen sich als Vehikel definieren, bei deren Verwendung Anleger eine immobilientypische Performance bezüglich Risiko und Ertrag, gegebenenfalls Wertentwicklung, steuerliche Behandlung und die Eigenschaft, Inflationsänderungsrisiken zu vernichten, erhalten. International lässt sich beobachten, dass der Markt für Immobilienanlagen überproportional zum Immobilienmarkt wächst und sich zugleich eine Standardisierung aber auch eine Ausdifferenzierung von Anlageprodukten ergibt (vgl. Abbildung 16).

Abbildung 16: Systematik der Immobilienanlageprodukte

Der Trend zu indirekten Immobilienanlagevehikeln zeigt sich in Deutschland an den Zahlen von Tabelle 9, doch ist dieser, wie Tabelle 10 zeigt auch international sichtbar.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 25

69

23,9 0,7 Immobilien AGs

23,5 21,2

20 9,5 Ausländische Investoren

15 Versicherungen und

2,3 Pensionskassen 1,6 Spezialfonds

9,5

10

1,7 Offene Immobilien-

Publikumsfonds

6,7

4,0 Geschlossene

1,3 1,5

5

Immobilienfonds

0,6 1,9

0

4,1 Immobilien-Leasing

1,4

87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04

Quelle: BulwienGesa AG

Quelle: BVI Bundesverband Deutscher Investment-Gesellschaften, BAFin, Bundesverband Deutscher Leasing-Gesellschaften, Bankhaus Ellwanger & Geiger, Deutsche Bundesbank, Auswertungen Loipfinger Kapitalmarktstatistik, eigene Erhebungen und Berechnungen

Tabelle 9: Immobilien-Neuanlagen institutioneller Investoren 1987 bis 2004 in Mrd. Euro in Deutschland

In M rd. $ 250.000

O F zu B IP D : 4,3 % *

In M rd. € 90.000

80.000

200.000

70.000 60.000

150.000

100.000

50.000

R EIT S zu B IP U S: 1,9 % *

40.000

US REITs Offene Fonds

30.000 20.000

50.000

10.000 0

19

71 19 73 19 75 19 77 19 79 19 81 19 83 19 85 19 87 19 89 19 91 19 93 19 95 19 97 19 99 20 01 20 03

0

*Q uelle: O E CD, Dt. B undesbank, B VI

Q uelle: K noflach, S EB Im m oinvest

Tabelle 10: Vergleich der historischen Volumina deutscher Fonds und US REITs

70

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.3.1.1

Offene Immobilienfonds

Offene Immobilienfonds können in offene Publikumsfonds und offene Spezialfonds untergliedert werden. Obgleich beide Formen über weite Strecken identischen Rechtsgrundlagen im Investmentgesetz (InvG) haben, unterscheiden sich die Anlageformen erheblich, weil offene Spezialfonds regelmäßig weniger Liquidität vorhalten müssen, insofern die Investoren de facto die tägliche Rücknahme ausschließen. Damit ist Spezialfonds eine Themenorientierung bei der Investitionspolitik möglich. Die Tabellen 11 bis 14 stellen eine vergleichende Übersicht dar. M ittelau fko m m en O ffen e Im m o b ilien P u b liku m sfo n d s (M rd . E U R )

F o n d sverm ö g en u n d An zah l O ffen e Im m o b ilien -P u b liku m sfo n d s 45

10 0.000

14,9 14 10

7,5

6 3

7,5

7,1 3,9

3,5

3,3

1

2

13,9

7,3 3,1

2,4

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

-2

8 0.000 7 0.000

30

6 0.000 5 0.000 4 0.000 15

3 0.000 2 0.000

A nz a hl Im m o P ublik u m s f

18

Fonds v e r m öge n in M

9 0.000

1 0.000

-2,8

04

20

2

03

1

0 20

20

00

00

20

2

8

99

19

97

9

19

96

19

4

19

19

9

93

0 19

19

Q u elle : B V I.

95

0

-6

Ve rmög en Pu blikum sfon ds (lin ke Sk ala) An zahl P ublik umsfo nds ( rechte Skala)

Q uelle: B on e-W inke l, 20 05

Q u e lle : D eu tsche B und esb ank, G ra fik ZE W , 200 4 S ta n d O ktob e r.

Tabelle 11: Volumen Offener Immobilien-Publikumsfonds

M ittelau fko m m en O ffen e Im m o b ilien S p ezialfo n d s (M rd . E U R )

2002

2003

2004

Q u elle : B V I.

20 04

2001

2003

2000

2002

1999

1993

0

20 01

A nz a hl Im m o S p e z ia lfo

15

0

2000

30

3 .0 0 0

1999

45

6 .0 0 0

19 98

0,5

60

9 .0 0 0

1 997

1

75

1 2 .0 0 0

1996

1,5

90

1 5 .0 0 0

19 95

2

1 8 .0 0 0

1 994

Fonds v e r m öge n in M

2,5

F o n d sverm ö g en u n d An zah l O ffen e Im m o b ilien -P u b liku m sfo n d s

0

V e rm öge n S pe z ia lfond s (lin k e S k a la ) Anza hl S pe zia lfo nds (r e c hte S k a l a )

Q uelle: B on e-W inke l, 20 05

Tabelle 12: Volumen Offener Immobilien-Spezialfonds

Q u e lle : D eu tsche B und esb ank, G ra fik ZE W , 200 4 S ta n d O ktob e r.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Vermögensstruktur von Immobilien-Publikumsfonds

Bankguthaben 9%

Vermögensstruktur von Immobilien-Spezialfonds Beteiligungen an Grundstücksgesell. 2%

Sonstiges Vermögen 5%

Wertpapiere 15%

Wertpapiere 12%

Beteiligungen an Grundstücks gesell. 2%

71

Bankguthaben 7% Sonstiges Verm ögen 4%

Grundstücke 67%

Grundstücke 83% Quelle: Deutsche Bundesbank, ZEW-Berechnungen, zitiert nach Bone-Winkel, 2005

Quelle: Deutsche Bundesbank, ZEW-Berechnungen, zitiert nach Bone-Winkel, 2005

Abbildung 17: Portfolio von Publikumsfonds

2.3.1.2

Abbildung 18: Portfolio von Spezialfonds

Geschlossene Immobilienfonds

Während die Definition eines offenen Immobilienfonds legalistisch erfolgen kann, gibt es zu geschlossenen Immobilienfonds zwar eine Fülle von steuerlichen Erlassen und Rechtsprechung insbesondere auch zu Fragen der Prospekthaftung, doch keine spezifische gesetzliche Grundlage. Statistiken zum Volumen geschlossener Fonds sind daher deutlich ungenauer. Das insgesamt immense Volumen geschlossener Immobilienfonds ist hingegen unstrittig. Weil geschlossene Immobilienfonds besonders gut geeignet sind, sichere Zahlungsströme zu refinanzieren, haben sie sich gerade in Zeiten steuerlicher Anreize für Immobilien- bzw. Bauinvestitionen, insoweit steuerliche Vorteile von Anlegern als sichere Zahlungen bei einer Nachsteuerbetrachtung interpretiert werden, überdurchschnittlich entwickelt. Seit Mitte der neunziger Jahre haben Bundesregierungen und Gesetzgeber systematisch die steuerlichen Vorteile von Immobilien- und Bauinvestitionen verringert und das Vehikel geschlossener Fonds gegenüber der Direktanlage schlechter gestellt. In Folge hat sich der Anteil am Neugeschäft verringert und der Anteil an Investitionen im Ausland unter Ausnutzung der besseren Marktlage am Immobilienmarkt aber auch von Doppelbesteuerungsabkommen erhöht.

2.3.1.3

Immobilienaktiengesellschaften

Aufgrund der boomenden Börsen gegen Ende der neunziger Jahre, öffentlicher Haushalte, die den Wunsch nach Privatisierung von Wohnungsbaugesellschaften hatten, NichtImmobilien-Unternehmen, die sich von Immobilienbeständen trennen wollten, sich sukzessive verschlechternden steuerlichen Rahmenbedingungen in der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, einem monetären Umfeld mit geringer Wahrnehmung inflationärer Risiken und anderer Gründe geriet das Thema Immobilienaktiengesellschaft gegen Ende der neunziger Jahr in Deutschland in Mode. Dieser Erscheinung folgte hingegen kein Markterfolg. Der zwischenzeitliche Niedergang der deutschen Immobilienaktiengesellschaft kann auch als Folge der Körperschaftssteuerreform von 1999 und der damit verbundenen Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (mit dem Anrechnungsverfahren waren alle deutschen Körperschaften bezogen auf die Körperschaftsteuer „transparent“) mit der Absage des IPO der Bayeri-

72

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

schen Immobilien AG im November 2001 datiert werden. Ökonomisch bestand eine Problematik in den hohen Abschlägen zwischen dem Net Asset Value und der Marktkapitalisierung. Noch im Jahr 2004 war das Volumen deutscher offener Immobilienfonds größer als die Marktkapitalisierung aller europäischen Immobilienaktiengesellschaften.

2.3.1.4

REITs

Wenngleich „Real Estate Investment Trusts“ in den Vereinigten Staaten und in einer Reihe von weiteren Ländern ein erfolgreiches Immobilienanlageprodukt sind, tun sich europäische Länder aus Gründen, die mit den steuerlichen Rahmenbedingungen bei geltendem EU-Recht und den vorhandenen Doppelbesteuerungsabkommen in Verbindung stehen, mit ihrer Einführung schwer. Frankreich hat das Risiko, auf Steuersubstrat zu verzichten, in Kauf genommen, eine Position, die von Großbritannien und der Bundesrepublik nicht eingenommen wird. Da REITs erstens in der Lage sind, die Liquidität von institutionellen Anlegern und Kleinanlegern zu bündeln, es zweitens bei Portfolioumschichtungen durch die Anleger nicht zu einer Änderung der Liquidität der REITs selbst kommt, somit REITs drittens auch in der Lage sind, themenorientiert Investitionen vorzunehmen und viertens auch eine Trennung von portfolio- und immobilienbezogenen Dienstleistungen gegeben ist, kann davon ausgegangen werden, dass REITs auch in Zukunft weltweit weiter erfolgreich sein werden; ob auch in Deutschland, dies bleibt abzuwarten. Die Abbildung 19 zeigt die Immobilienanlageprodukte im internationalen Vergleich.

Quelle: IFD, Deutsche Bank Abbildung 19: Internationaler Vergleich von Immobilienanlageprodukten

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.3.2

73

Immobilienanlageprodukte als Finanzierungsformen

Investition und Finanzierung sind zwei Seiten der gleichen Medaille und so kann jedes Anlagevehikel stets auch als Finanzierungsform verstanden werden. Folglich ist Finanzierungstheorie die theoretische Grundlage zur Betrachtungen von Anlagevehikeln.

2.3.2.1

Notwendige Finanzierungstheorie: Williamson und seine Weiterentwicklung

Williamson sieht als wesentliche Determinanten für die Transaktion die Faktorspezifität, die Unsicherheit und die Häufigkeit der Transaktion (vgl. Williamson, 1990, S. 59 ff.). Der Begriff der Spezifität eines Faktors wird mit dem der Drittverwendungsfähigkeit erklärt. Drittverwendungsfähige Aktiva sind unspezifisch, nicht-drittverwendungsfähige Aktiva spezifisch. Im Aufsatz “Corporate Finance and Corporate Governance” (vgl. Williamson, 1988) überträgt Williamson transaktionskostenökonomische Überlegungen auf die Frage der optimalen Finanzierungsstruktur. Dabei werden unterschiedliche Finanzierungsformen, insbesondere die Finanzierung mit Fremdkapital und Nicht-Fremdkapital als Transaktionsform bzw. als Herrschaftsform identifiziert. Weil ein Finanzier bei der Beleihung eines spezifischen Aktivas im Falle einer Leistungsstörung das beliehene Aktivum nicht sinnvoll verwerten kann (es ist ja nicht drittverwendungsfähig), sind spezifische Aktiva grundsätzlich nicht mit Fremd-, sondern mit Eigenkapital zu finanzieren.

Quelle: Schulte / Sotelo

Abbildung 20: Finanzierung nach Williamson

Der Vergleich der Kapitalstruktur in der Bau- und Pharmaindustrie ist einschlägig: Es gibt – wenn überhaupt – nur wenige Branchen, die derartig stark ausgeprägte Zyklen und damit

74

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

auch Risiken in Form von Streuung der Erträge aufweisen wie die Bauwirtschaft und trotzdem kann sie aufgrund der hohen Drittverwendungsfähigkeit ihrer Aktiva mit einer sehr niedrigen Eigenkapitalquote auskommen. Dagegen hat die Pharmaindustrie eine recht stabile Nachfrage, weist jedoch aufgrund der geringen Drittverwendungsfähigkeit der Aktiva eine relativ hohe Eigenkapitalquote auf. Überträgt man das Williamsonsche Finanzierungspostulat auf Immobilienanlageprodukte – was in Abbildung 20 erfolgt – so zeigt, sich, dass die Aufteilung in Eigen- und Fremdkapital zur Unterscheidung von einzelnen Anlageprodukten noch zu undifferenziert ist, als Anlageprodukte zwar nicht dem Fremdkapital zugeordnet werden können, somit zwar eher Eigenkapitalcharakter aufweisen, im Ergebnis aber als Mezzaninefinanzierungen begriffen werden können. Die Zuordnung von Finanzierungen erfolgt hier ausschließlich nach dem Kriterium der Drittverwendungsfähigkeit der Aktiva.

2.3.2.2

Weiterentwicklung Williamsonscher Finanzierungstheorie

Williamson postuliert den Zusammenhang zwischen der Drittverwendungsfähigkeit der zu finanzierenden Aktiva und der Frage, ob diese mit Fremdkapital finanziert werden können. Es kann ergänzt werden, dass Eigenkapital weiter differenzierbar ist und somit alle Arten von Mezzaninefinanzierungen aber auch die hier zu behandelnden Immobilienanlagevehikel eine Alternative zum Fremdkapital sind. Das Finanzierungspostulat von Williamson lautet präzise: Drittverwendungsfähige Aktiva können und sollen mit Fremdkapital finanziert werden, nicht drittverwendungsfähige Aktiva können nicht mit Fremdkapital finanziert werden (vgl. Abbildung 21). Aktiva

Passiva

Spezifische Aktiva

Nicht-Fremdkapital

Unspezifische Aktiva

Fremdkapital

Quelle: Schulte / Sotelo

Abbildung 21: Neuinterpretation des Finanzierungspostulats von Williamson

Unterschiedliche Finanzierungsinstitutionen werden von Williamson als Herrschaftsformen begriffen, die jeweils in unterschiedlicher, doch jeweils in sich konsistenter Form, Mitbestimmungs- und Informationsrechte sowie Zahlungsansprüche regeln. In Weiterentwicklung von Williamson wird der Handlungsspielraum als zusätzliche Kategorie, den jede Finanzierungsform den Agenten zur Gestaltung der Geschäfte eröffnet, eingeführt; dieser wird als Drittverwendungsmöglichkeit der Passiva bezeichnet. Die Kategorie der Drittverwendungsmöglichkeit von Passiva beschreibt den Spielraum, den die jeweiligen Agenten (Vertreter des Anlagevehikels) gegenüber dem Prinzipalen (Anleger)

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

75

bei der Geschäftsbesorgung haben. Eine hohe Drittverwendungsmöglichkeit der Passiva führt unter den Annahmen der beschränkten Rationalität (bounded rationali-ty) und des opportunistischen Verhaltens (moral hazard), welche die Neue Institutionenökonomik voraussetzt, zu erhöhten Transaktionskosten. Zugleich verlangt die mit bestimmten Aktiva verbundene Geschäftsbesorgung nach unter-schiedlichen Spielräumen. So wird die Geschäftsbesorgung eines Projektentwicklers einen wesentlich höheren Handlungsspielraum als die eines Bestandsverwalters benötigen. Das neue Finanzierungspostulat als Weiterentwicklung des Williamsonschen Ansatzes lautet daher wie folgt: 1.

Eine Finanzierungsinstitution ist optimal gestaltet, wenn der Handlungsspielraum der Agenten möglichst genau den geschäftlichen Erfordernissen entspricht. Ist der Handlungsspielraum höher als nötig, steigen die Finanzierungskosten unnötig, ist der Handlungsspielraum geringer als nötig, kann der Geschäftsbesorger nicht optimal agieren.

2.

Werden verschiedene Geschäfte getätigt, die jeweils eines unterschiedlichen Gestaltungsspielraumes bedürfen, dann sind die unterschiedlichen Aktivitäten getrennt zu finanzieren, weil nicht genutzte aber vorhandene Gestaltungsspielräume zu höheren Verzinsungsforderungen der Anleger führen.

Abbildung 22: Anlageprodukte und Finanzierungsformen im Spannungsfeld der Drittverwendungsfähigkeit von Aktiva und Passiva

Abbildung 22 zeigt die schematische Einordnung von Immobilienanlageprodukten unter Verwendung der neuen Kategorie des Handlungsspielraumes (Drittverwendungsmöglichkeit der Passiva). Mit diesem Analyseinstrumentarium liegt auch ein Erklärungsmuster für die Probleme der Immobilienaktiengesellschaften in Form nachhaltiger Discounts der Marktkapitalisierung

76

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

vom Net-Asset-Value vor: Das Investitionsvehikel Aktiengesellschaft bietet bezogen auf die notwendigen Spielräume für das Halten von Immobilienbeständen einen deutlich zu hohen Mittelverwendungsspielraum für die Anleger, die diesen – aufgrund der damit verbundenen Risiken – mit erhöhten Renditeanforderungen beantworten, welche wiederum nicht mit Immobilienbeständen erwirtschaftet werden können. Ähnlich kann ein Teil des Erfolges der offenen Immobilienfonds erklärt werden: Weil das InvG eine Fülle von risikovermeidenden, -vernichtenden und -verlagernden Regelungen enthält, ist die Drittverwendungsmöglichkeit der Passiva bei offenen Immobilienfonds sehr gering. Damit sind die Anleger – auch in Verbindung mit der täglichen Rückgabemöglichkeit – bereit, eine vergleichsweise geringe Rendite zu akzeptieren. Zugleich ergibt sich aus dem Ansatz eine Richtschnur für Fragen der Gestaltung eines möglichen Deutschen REITs: Geschäftliche Aktivitäten, wie vermehrte Projektentwicklung, etc. sollten nicht nur aus ordnungspolitisch-fiskalischen, sondern auch aus finanzierungstechnischen Gründen deutlich, glaubhaft und nach-vollziehbar beschränkt werden. Der 5. Bauherrenerlass, geschlossene Fonds betreffend, ist nunmehr auch als Maßnahme interpretierbar, die den vom einzelnen Anleger delegierten Handlungsspielraum und so auch die Finanzierungskosten erhöht, was volkswirtschaftlich eine Vermögensvernichtung darstellt. Jenseits immobilienwirtschaftlicher Fragestellungen kann mit dem Instrumentarium auch die Existenz von Private Equity und Venture Capital als eine Finanzierungsform mit besonders hohen Handlungsspielraum erklärt werden, der insbesondere bei einer Umstrukturierung von Geschäften nötig ist. Mit dem besonders hohen Handlungsspielraum verbunden sind auch die erhöhten Kapitalkosten, die mit Private Equity und Venture Capital auftreten.

2.3.3

Zusammenhänge von Nutzung und Finanzierung

2.3.3.1

Immobilienrisiken

Der Begriff des Risikos ist vielschichtig. Für die folgenden Betrachtungen verstehen wir unter Risiko die Streuung der Immobilienperformance (Ertrag und Wertentwicklung) um den Erwartungswert. Betrachten wir ausschließlich bebaute Grundstücke, so verbleiben als Risikodeterminanten a)

die Art der Nutzung (konsumtiv versus produktionsorientiert)

b)

bei Betreiberimmobilien die Marktstruktur der notwendigen Betreibermärkte

c)

die Kategorie Managementimmobilie

ad a) Konsumtive versus produktionsorientierte Nutzung Die Frage, ob die Nutzung einer Fläche konsumtiven oder produktiven Charakter hat, hängt weder von der steuerlichen noch mietrechtlichen Qualifizierung der Gewerblichkeit ab, son-

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

77

dern beantwortet sich ausschließlich aus der Sicht des Nutzers. Die von Nutzern nachgefragten Flächen von Immobilien können zu konsumtiven oder produktiven Zwecken nachgefragt werden (vgl. Tabelle 13) Nutzung

konsumtiv /

(Tätigkeit)

produktiv

Wohnen

konsumtiv

Arbeiten

produktiv

Freizeit

konsumtiv

Einkaufen

konsumtiv

Flächen

Wohnungen, Seniorenstifte, Residenzen, Hotels Büro, Fabriken, Lager, Business-Hotel Themenpark, Ferienwohnung, Ferienhotel, Sportanlagen, Kliniken Läden, Einkaufszentren, Fachmärkte, etc.

Tabelle 13: Konsumtive und produktive Nutzungen

Anhand von Hotels ist erkennbar, dass bestimmte Flächen sowohl konsumtiv als auch produktiv nachgefragt werden. Weil die Konsumnachfrage regelmäßig preiselastischer als die Nachfrage nach Vorleistungen ist, reagieren die Preise konsumtiver Flächen weniger stark auf Nachfrageänderungen. Somit sind konsumtive Immobilien entsprechend risikoärmer als produktionsorientierte. ad b) Marktstruktur von Betreiberimmobilien Abbildung 23 zeigt, dass Flächen je nach Art der Nutzung der Bewirtschaftung (z.B. Wohnungen, Büros), teilweise zusätzlich der Betreibung (z.B. Läden und Hotels) und teilweise nochmals zusätzlich des Managements (z.B. Einkaufszentren) bedürfen. Direkt nutzbare Flächen

Nur in bewirtschafteter Form nutzbare Flächen

Nur in betriebener Form nutzbare Flächen Nur in gemanageder Form nutzbare Flächen Abbildung 23: Nutzung von Flächen

Insbesondere beim Markt für Betreiberleistungen sind häufig oligopolistische Marktstrukturen zu beobachten, die im Ergebnis ein Risiko für den Grundstückseigentümer darstellen. Das Risiko resultiert aus höheren Preisschwankungen bei oligopolistischen Märkten und den Risiken opportunistischen Verhaltens bei monopolartigen Situationen, bzw. den erhöhten Preisen, die mit Monopolen verbunden sind (vgl. Abbildung 24) ad c) Besondere Risiken von Managementimmobilien

78

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Risiko

Schließlich weisen Managementimmobilien Risiken auf, da bei der Delegation von Aufgaben von einem Grundstückseigentümer an ein Management die in der Literatur als PrinzipalAgent-Problematik bezeichnete Situation auftritt, wonach der Prinzipal (hier der Grundstückseigentümer) nicht den Einsatz des Agenten (hier das Management), sondern nur Ergebnisse beobachten kann. Managementimmobilien sind folglich stets riskanter als solche, die ohne ein Management auskommen.

Ämter, Post, regionale Betreiber Großfl. braune Ware Textilien, Warengroßflächige

Kioske, Restaurants,

Textilien als - Filialisten

häuser, Baumärkte, Klinikbetreiber, Hotels im oberen

Pensionen

atomistisch

oligopolistisch

monopolistisch

Marktstruktur

Abbildung 24: Immobilienrisiken und Betreiberimmobilien

2.3.3.2

Wertentwicklungspotential von Immobilien

Immobilienwerte können sich aufgrund monetärer Ereignisse und bei bestimmten räumlichen Strukturen in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung verändern. Ersteres nennen wir die monetär, letzteres die real bedingte Wertsteigerung.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

79

Das monetär bedingte Wertsteigerungspotential führt im Ergebnis zur Fähigkeit von Immobilien, Inflationsänderungsrisiken zu eliminieren. Zum Verständnis der realen Wertsteigerung von Immobilien gehen wir davon aus, dass bestimmte Flächen nicht bzw. nur bedingt substituiert werden können, eine real (i. d. R. einkommensbedingt) steigende Nachfrage somit zu entsprechenden Preissteigerungen der Mieten und damit – konstante Anfangsrenditen unterstellt – auch zu steigenden Immobilienwerten führt. Unterstellt man beispielsweise, dass der Einzelhandel in einer Stadt in der Fußgängerzone zwischen zwei Warenhäusern als Anker stattfindet (in Berlin: Tauentzien zwischen C&A und KaDeWe), so kann angenommen werden, dass bestimmte Einkommenserhöhungen der auf diese Flächen bezogenen Nachfrager – eine konstante Konsumquote angenommen – bei den Einzelhändlern entsprechende Umsatzsteigerungen zur Folge haben, die – je nach mietvertraglicher Gestaltung – über kurz oder lang zu höheren Immobilienwerten führen werden. Weil sich außerhalb des Gebietes zwischen den beiden Ankernutzern kein Einzelhandel darstellen lässt, sind die Einzelhandelsflächen zwischen den Ankernutzern nicht duplizierbar (vgl. Abbildung 25). Nutzung

Beispiel

Einkaufen

Einzelhandel in Einkaufstraße zwischen zwei Magneten

C&A Wertheim Arbeiten

Tauentzien

Büros bei repräsentativer Lage

KaDeWe

Spree Unter den Linden

Pariser Platz

Wohnen

Checkpoint

Gendarmen- Alex markt

Grunewald, Wasserlagen, Gendarmenmarkt

Die reale Wertentwicklung hängt nicht von der Inflationsrate ab. Voraussetzung ist vielmehr die nicht-duplizierbare Lage. Mit steigenden Einkommen steigen die Werte. Abbildung 25: Reale Wertentwicklung von Immobilien in Abhängigkeit der Duplizierbarkeit der Lage am Beispiel Berlins

Flächen mit einer hohen Duplizierbarkeit verfügen also über kein reales Wertentwicklungspotential und nicht duplizierbare Flächen weisen ein hohes reales Wertentwicklungspotential auf.

80

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.3.3.3

Zusammenhänge zwischen der Immobiliennutzung und der Finanzierung

Unterschiedliche Anlagevehikel wie geschlossene und offene Immobilienfonds, unregulierte Immobilienaktien und regulierte, d.h. auf passive Bestandshaltung ausgerichtete REITs, weisen jeweils einen unterschiedlich hohen Handlungsspielraum für das Management auf und haben jeweils unterschiedliche relative Vorteile bei der Abbildung von Wertentwicklung und Risiken.

Offener

Fähigkeit Wertentwicklung abzubilden

Immobilienfonds REITs

geschlossener Immobilienfonds

Immobilienaktiengesellschaften

Fähigkeit Risiken zu finanzieren Abbildung 26: Anlageprodukte nach ihrer Fähigkeit der Abbildung von Wertentwicklung und der Risikofinanzierung

Aus den verschiedenen Anlegerpräferenzen folgen unterschiedliche Anlageformen (vgl. Abbildung 26). Aufgrund der unterschiedlichen Handlungsspielräume und der differenzierten Ausgestaltung von Kontrollrechten, Beobachtungs- und Sanktionsmöglichkeiten implizieren verschiedene Anlageformen unterschiedliche Investitionen (vgl. Tabelle 14). Es zeigt sich, dass bei allen Anlageformen der direkte Einfluss des Anlegers auf die Verwaltung/Geschäftsbesorgung gering ist. So kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass verschiedene Anlageformen einerseits unterschiedlich gut die Möglichkeit bieten, reale Wertentwicklung zu beobachten, und andererseits Unterschiede in der Möglichkeit der Rücknahme oder Veräußerung der Anteile bestehen.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte Kontroll-, Sanktionsund Beobachtungsrechte

Offene Immobilienfonds

Geschlossene Immobilienfonds

Immobilienaktien

REIT (USA)

Handlungsspielraum der Agenten

recht gering,

üblicherweise sehr gering,

hoch,

mittel,

Alle Möglichkeiten nach AktG

Beschränkt durch nationale REITRegulierung bzw. steuerliche Regulierungen

sehr gering

gering,

gering,

über Gesellschafterversammlung

für Kleinanleger über Hauptversammlung

für Kleinanleger über Hauptversammlung,

gering,

gering,

gering,

reguliert über InvG, geringe Projektentwicklungsrisiken

direkte Ein- keiner flussmöglichkeit auf die Verwaltung/Geschäf tsbesorgung

81

Behördliche Beaufsichtigung

sehr stark

über Bundesauf- Prospektgesichtsamt für nehmigung das Kreditwesen durch BaFin vor Vertrieb

sofern gelistet über Börsenaufsicht

i.d.R. Börsenaufsicht (sofern gelistet), Überprüfung bezüglich Einhaltung REIT-Status

Möglichkeit der Veräußerung des Anteils an Sekundärmärkten

keine,

keine,

ja,

ja,

aber Rücknahme ist mindestens gleichwertig

weil kein bei Börsenzufunktionielassung render Sekundärmarkt, Emittenten agieren oft als Market-Maker

bei Börsenzulassung

Einfluss auf Verwaltung durch Kapitalrücknahme

sehr hoch

keiner,

gering,

gering,

Einfluss nur bei Kapitalerhöhungsverlangen der AG

Einfluss nur bei Kapitalerhöhungsverlangen der AG

wg. börsentägli- i. d. R. kann cher RücknahGesellschaftsmeverpflichtung vertrag nicht vor Ablauf von 20 Jahren gekündigt werden

Tabelle 14: Kontroll-, Sanktions- und Beobachtungsrechte bei Immobilienanlageformen

82

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Zur Darstellung der Zusammenhänge zwischen Immobilien und Anlageformen werden im Folgenden Immobilien zunächst typologisiert. Dabei kann die Darstellung nur schematisch erfolgen. Immobilien sind heterogene Güter; wenn im Folgenden Aussagen zu unterschiedlichen Risiko- und Wertentwicklungspotentialen gemacht werden, so sollen diese auch nur als Tendenzaussagen verstanden werden. Tabelle 15 verbindet unterschiedliche Immobilieninvestitionstypen mit korrespondierenden Eigenschaften. Die Eigenschaften ergeben sich aus den beschriebenen Risiken sowie der Fähigkeit reale Wertentwicklung abzubilden. Auf die Darstellung von Wohnen in nichtduplizierbarer Lage wurde verzichtet, weil diese Nutzung i. d. R. in Form des selbstgenutzten Eigentums stattfindet. Tabelle 15 bringt zum Ausdruck, dass eine positive Wertentwicklung besonders dann erwartet werden kann, wenn die Lage für die Nutzung nicht duplizierbar ist. Das Risiko ist besonders hoch, wenn die Nachfrage nach der jeweiligen Nutzung nicht preiselastisch, der Markt für Betreiber oligopolistisch strukturiert ist oder unterschiedliche Betreiber koordiniert werden müssen (Managementimmobilie). Die Tabelle zeigt auch, dass gerade bei Nutzungen in duplizierbaren Lagen bei Immobilien, die keine Managementimmobilien sind, das Markt- und Verhaltensrisiko nur von der jeweiligen Vermietung abhängt. Eine für solche Situationen geeignete Vermietung ist ein lang laufender Mietvertrag (20 bis 30 Jahre) mit einem Mieter hoher Bonität. In einer nicht-duplizierbaren Lage mit Wertentwicklungspotential wäre solch eine Vermietungssituation eher kontraproduktiv, da das Wertentwicklungspotential nicht über die Mieten realisierbar wäre. Immobilientyp Einkaufen 1a-Lage

Einkaufen B-Lage

EKZ ndL

EKZ dL

optimale Vermie- optimal vermietet tung ja/nein mittelfristige Ver- ja träge nein d. h. langfristige Verträge langfristige Verträ- ja ge nein d. h. keine langfristigen Verträge kurz- bis mittelfris- ja tige Verträge nein d. h. zu langfristige Verträge mittelfristige Ver- ja träge, Anker mit langfristigen Verträgen nein d. h. keine guten Anker, zu kurzfristige Verträge

Eigenschaften Wertentwicklungspotential hoch

Risiko gering

mittel

gering

gering

gering

gering

hoch

hoch

mittel

mittel

mittel

gering

hoch

gering

sehr hoch

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte Büro ndL

kurz- bis mittelfris- ja tige Verträge nein d. h. zu langfristige Verträge Büro dL mittel- bis langfris- ja tige Verträge nein d. h. zu kurzfristige Verträge egal, da Mietrecht Wohnen dL nicht dispositiv Spezial mittel- bis langfris- ja ndL tige Verträge nein, d. h. kurzfristige Verträge Spezial dL langfristige Verträ- ja ge nein, d. h. keine langfristigen Verträge ndL = non-duplizierbare Lage, dL = duplizierbare Lage

hoch

mittel

mittel

gering

gering

gering

gering

hoch

gering

gering

mittel

mittel

mittel

hoch

gering

mittel

gering

sehr hoch

83

Tabelle 15: Eigenschaften von typologisierten Immobilieninvestitionen

Tabelle 16 stellt den Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Immobilien und den notwendigen Kontroll- und Beobachtungsrechten der korrespondierenden Anlageform her. Umgang mit Offene Immo- Geschlossene ImmobilienWertentwick- bilienfonds lung fonds

Immobilienaktien

REIT (USA)

sehr hoch keine direkte, Beobachtungsmöglichindirekt keit der Wert- über Beobach- nur tung von über Abrechentwicklung nungen Rücknahmepreisen

keine direkte,

keine direkte,

da Bewertung der Aktien aufgrund riskanter Tätigkeit (z.B. Projektentwicklung) auf Sekundärmärkten nach CAPM unabhängig vom NAV der Immobilienbestände

Börsenkurs sollte NAV eher widerspiegeln als bei Immobilienaktie, da Bestand und nicht Tätigkeit im Vordergrund steht.

Tabelle 16: Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Immobilie und den notwendigen Kontroll- und Beobachtungsrechten

84

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Tabelle 17 zeigt den Zusammenhang zwischen den jeweiligen Immobilientypen und den relativen Vorteilen der verschiedenen Anlage-/Finanzierungsformen auf. Dabei wird in Tabelle 18 jeweils die in Tabelle 15 aufgezeigte optimale Vermietung angenommen. Umgang mit Risiken

Offene Immobilienfonds

nach § 67 InvG Risiken aus Projektentwick- beschränkt. lung

Geschlossene Immobilienfonds

Immobilien-aktien

REIT (USA)

unüblich,

möglich und üblich.

Quantitativ und qualitativ beschränkt.

da sonst vom Markt als „blind pool“ identifiziert und nicht marktfähig.

Risiken aus preisunelastischer Nachfrage

ja,

ja,

ja,

ja, aber unüblich,

Risiken können im Portfolio vernichtet werden.

sofern Risiko über Mieter hoher Bonität über längeren Zeitraum vermieden ist.

Risikovermeidung und Risikovermeidung wie zuvor, Risikoübernahme auch möglich.

REITs sind in USA nicht übermäßig in Büros investiert. Bei lokaler Fokussierung ist Diversifikation nur bedingt möglich.

Risiken aus Betreibermärkten

ungern,

regelmäßig bei langfristigen Bindungen von Betreibern

ja,

ja,

Risiken können eingeschätzt und übernommen werden

Risiken können eingeschätzt und übernommen werden. In weiten Bereichen, z.B. Hotels, Kliniken und betreutem Wohnen (einschl. Gefängnissen) eigenes Know How in Tochtergesellschaften

Risiken aus Managementimmobilien

ungern,

untypisch

ja,

ja,

Spezialisierung möglich.

Risiken können eingeschätzt und übernommen werden. In weiten Bereichen, z.B. EKZs, eigenes Know How in Tochtergesellschaften

Betreiberrisiken werden nur übernommen, wenn bonitätsstarker Betreiber Risiken mit übernimmt.

nur, sofern bonitätsstarke Managementgesellschaft mit ins Risiko genommen wird.

Tabelle 17: Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Immobilie und dem Umgang mit Risiken

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte Geschlossene Immobilienfonds

85

Immobilientyp

Offene Immobilienfonds

Immobilienaktien REIT (USA)

Einkaufen 1a-Lage

geeignet, nicht geeignet, nicht geeignet, geeignet, da Risiken gering da keine Wertent- da Risiken zu sofern Kerngeund Wertentwick- wicklung gering schäft lung

Einkaufen B-Lage

nur bedingt geeig- geeignet, net, da keine Wertentda geringe Wert- wicklung und entwicklung geringe Risiken

EKZ ndL

geeignet, nicht geeignet, nicht geeignet, geeignet, da hohes Wertent- da Wertentwick- da Wertentwick- da managementwicklungspotential lung und mittlere lung und nur intensiv Risiken mittlere Risiken

EKZ dL

nur bedingt geeignet, da keine Wertentwicklung, und hohe Risiken

Büro ndL

geeignet, nicht geeignet, nicht geeignet, da geringe Risiken, da Wertentwick- da unzureichende und Wertentwick- lung Risiken lung

Büro dL

nur bedingt geeignet, da keine Wertentwicklung

geeignet, da geringe Risiken und keine Wertentwicklung

Wohnen dL

nur bedingt geeignet, da kein Wertentwicklungspotential

geeignet, nicht geeignet, insbesondere bei da unzureichende Förderung, da Risiken geringe Risiken und kein Wertentwicklungspotential

Spezial ndL

geeignet, sofern überschaubare Betreiberrisiken wegen Wertentwicklung

nur bedingt geeignet, da mittlere Wertentwicklung

Spezial dL

nicht geeignet, nur bedingt geeig- nur bedingt ge- geeignet, wenn eignet, da mittle- Kernkompetenz da kein Wertsteige- net, in Betreibermarkt rungspotential und da mittleres Risiko re Risiken mittleres Risiko

nur bedingt ge- geeignet, eignet, sofern Kerngeda zu geringe schäft Risiken

nur bedingt geeig- bedingt geeignet, Geeignet, net, wenn sehr hohe da managementda geringe Wert- Risiken intensiv entwicklung und hohe Risiken

Tabelle 18: Immobilientypen und ihre optimale Anlageform

bedingt geeignet, da viel Wertentwicklung und wenig Managementaufwand

nur bedingt ge- Geeignet eignet, da unzureichende Risiken geeignet auch ohne Steuervorteile, da managementintensiv

bedingt geeignet, geeignet, wenn wenn aufgrund Kernkompetenz Betreibermarktes in Betreibermarkt sehr hohes Risiko

86

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.3.4

Zusammenfassung

Die Darlegungen haben gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Eigenschaften von Immobilien und deren optimaler Finanzierung gibt, und dass umgekehrt somit die Fragestellung nach der Anlageimmobilie für eine bestimmte Anlageform nicht irrelevant ist. Die unterschiedlichen Eigenschaften von Immobilien wurden typologisch aufgeführt. Im Anschluss daran konnten Typen von Immobilien Anlage- bzw. Finanzierungsformen von Immobilien zugeordnet werden. Offene Immobilienfonds können nur beschränkt Risiken eingehen, weil Risiken immer auch eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen Anlegern und Geschäftsbesorgern implizieren, die dazu führen könnte, dass unsichere Anleger vom Rücknahmerecht der Anteile vermehrt Gebrauch machen, was letztlich zu einem Banken-Run führen kann. Aus diesem Grund schreibt auch das Investmentgesetz (InvG) den offenen Fonds eine risikoaverse Anlagepolitik vor. Da offene Immobilienfonds Wertentwicklung sehr gut abbilden können, investieren sie vornehmlich in 1a-Lagen. Typische Anlagegüter für offene Fonds sind Büroimmobilien und Einkaufszentren in sehr guten inner-städtischen Lagen. Geschlossene Immobilienfonds sind aufgrund der beschränkten Einflussnahme des Anlegers auf die Geschäftsbesorgung in Verbindung mit der fehlenden Fungibilität der Anteile durch Veräußerung auf Sekundärmärkten oder durch Rückgabe an den Emittenten auch nicht geeignet, riskante Immobilien zu finanzieren. Aufgrund der mangelnden Fähigkeit Wertentwicklungen abzubilden, kommen zudem auch nur Grundstücke ohne Wertentwicklungspotential als Anlagegut in Betracht. Daher werden meist nur Immobilien in duplizierbaren Lagen mit geschlossenen Immobilienfonds finanziert; langfristig vermietete Supermärkte waren die Objekte der geschlossenen Immobilienfonds der ersten Stunde. Geschlossene Immobilienfonds haben gegenüber den anderen Anlageformen den strategischen Vorteil im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, steuerliche Vorteile an die Anleger weitergeben zu können. Wenn, wie im Rahmen des Fördergebietsgesetzes geschehen, Immobilieninvestitionen mit hohen steuerlichen Vorteilen versehen werden, so können diese Vorteile teilweise die in Tabelle 6 dargelegten relativen Nachteile der geschlossenen Immobilienfonds kompensieren. Vom Ergebnis investieren geschlossene Immobilienfonds dann gelegentlich in Immobilientypen, die strukturell den anderen Anlageformen vorbehalten sein sollten; so finden sich Investitionen in 1a-Lagen ebenso wie solche in riskante Immobilientypen wie Einkaufszentren. Subventionen im 2. Förderweg des sozialen Wohnungsbaus stellen sichere Einnahmen dar, die eine Finanzierung über geschlossene Immobilienfonds attraktiv erscheinen lässt. Der geschlossene Immobilienfonds eignet sich als Finanzierungsinstrument immer dann, wenn eine hohe Einnahmensicherheit unter Berücksichtigung steuerlicher Effekte und Subventionen zu erwarten ist. Das Aktienrecht bietet Immobiliengesellschaften einen sehr weiten Handlungsspielraum, der regelmäßig nur im Falle der Projektentwicklung voll ausgeschöpft werden kann. Immobilienaktiengesellschaften spielen in Volkswirtschaften, die über offene Immobilienfonds oder REITs verfügen, auch nur eine sehr untergeordnete, wenn überhaupt wahrnehmbare Rolle.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

87

REITs haben in den USA gezeigt, dass sie sich ganz überwiegend regional und insbesondere nach Nutzungsarten differenzieren und fokussieren. REITs investieren insbesondere in managementintensive Immobilien, weil sie mit dem internen Management regelmäßig in der Lage sind, hierfür notwendiges Know How in der Firma (steuerlich bedingt häufig in Töchtern) halten zu können.

88

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Literaturverzeichnis zu Kapitel 2.3 Becker, M./Bone-Winkel, S./Sotelo, R/Väth, A./Westerheide, P.: REITs, in: Staatliche Rahmenbedingungen für neue Assetklassen im internationalen Vergleich - Private Equity und REITs. Endbericht Forschungsauftrag 06/04 des Bundesministeriums der Finanzen, Berlin 2005. Bone-Winkel, S.: Das strategische Management von offenen Immobilienfonds unter besonderer Berücksichtigung der Projektentwicklung von Gewerbeimmobilien, Köln, 1994. Bone-Winkel, S.: Immobilienanlageprodukte in Deutschland. In: Die Bank 11/1996, S. 675677. Rudolph, B.: Mezzanine Finanzierungen im Rahmen der Kapitalstrukturpolitik von Unternehmen, in: Wolfgang Gerke, Theo Siegert (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen des Finanzmanagements, Stuttgart 2004. Schapernack, F./Nack, U./Haub, C.: Immobilien-Aktiengesellschaften, in: Handbuch Immobilieninvestition, Karl-Werner Schulte, Stephan Bone-Winkel, Matthias Thomas (Hrsg.): Köln 1998, S. 655-687. Schmidt, R. H.: Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie / Reinhard H. Schmidt/Eva Terberger. - 4., akt. Aufl., Nachdr., Wiesbaden 1999. Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie Bd. 1. Betriebswirtschaftliche Grundlagen. 3. Aufl. München, Wien, 2005. Schulte, K.- W./ Bone-Winkel, S./Allendorf, G./ Ropeter-Ahlers, S.-E./Sotelo, R.: Immobilieninvestitionen, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie, 3. Aufl., München 2004, S. 627-710. Schulte, K.-W. / Sotelo, R.: Deutsche REITs – Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Realisierung, in: Zeitschrift für Immobilienökonomie (ZIÖ), 2/2004, S. 31-48. Sotelo, R.: Immobilienaktiengesellschaften – Mythos und Möglichkeiten, in: Grundstücksmarkt und Grundstückswert, 1/2000, S. 24-28. Sotelo, R.: Projektentwicklung und Investoren – welche Produkte für welche Kunden, in: Schulte, K.-W./Bone-Winkel, S. (Hrsg.): Handbuch Immobilien-Projektentwicklung, 2. Aufl., Köln 2002, S. 699-720. Williamson, O./Masten, S. E. (Hrsg.): The Economics of Transaction Costs, diverse Orte 1999. Williamson, O.: The Mechanisms of Governance, Oxford 1996.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.4

89

Märkte für Immobilienfinanzierungen Wolfgang Schäfers

2.4.1 Einführung .......................................................................................................90 2.4.2 Bankenfinanzierung in Deutschland im Wandel der Zeit ................................90 2.4.2.1 Entwicklung der Bankenfinanzierung in Deutschland.....................................90 2.4.2.2 Aktuelle Situation des Bankensystems in Deutschland ...................................91 2.4.2.3 Bedeutung der Immobilienfinanzierung ..........................................................95 2.4.2.4 Veränderte Rahmenbedingungen in der Bankenfinanzierung..........................95 2.4.2.4.1 Abschaffung von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast ................................95 2.4.2.4.2 Neues Pfandbriefgesetz....................................................................................96 2.4.2.4.3 Neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II)..........................................96 2.4.2.4.4 Rating als „Eintrittskarte“ für den Kapitalmarkt..............................................98 2.4.3 Hinwendung der Immobilienfinanzierung zum Kapitalmarkt .........................99 2.4.3.1 Kapitalmarktfinanzierung für Immobilien im internationalen Vergleich.........99 2.4.3.2 Zunahme der Kapitalmarktorientierung im Immobilienbereich.....................101 2.4.3.2.1 Immobilien-Verbriefungstransaktionen von Banken .....................................101 2.4.3.2.2 Verbriefungstransaktionen von Nicht-Banken...............................................102 2.4.3.3 Folgen der zunehmenden Kapitalmarktorientierung......................................103 2.4.4 Empirische Untersuchung zur Immobilienfinanzierung in Deutschlands......104 2.4.5 Zusammenfassung .........................................................................................106 Literaturverzeichnis zu Kapitel 2.4 ......................................................................................108

90

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.4

Märkte für Immobilienfinanzierung Wolfgang Schäfers

2.4.1

Einführung

Kreditinstituten kommt eine volkswirtschaftlich zentrale Stellung zu. Im Wirtschaftskreislauf sind sie zum einen Sammelstelle für Ersparnisse und zum anderen Kreditgeber der Wirtschaftssubjekte. Des Weiteren sind sie Träger des inländischen und des internationalen Geldund Kapitalverkehrs. Durch diese intermediäre Funktion tragen Banken an der Schnittstelle zwischen Anlegern, Kreditnehmern und dem Kapitalmarkt wesentlich zur Funktionsfähigkeit des Geld- und Kapitalmarktes bei. Insbesondere in der Immobilienfinanzierung spielen Bankkredite eine wichtige Rolle, da die i.d.R. erheblichen Losgrößen von Immobilieninvestitionen oft mangels ausreichenden Eigenkapitals eine Teilfinanzierung durch Fremdkapital erfordern (vgl. IBLHER et al., 2005, S. 533). Aber auch für den Fall, dass genügend Eigenkapital zur Verfügung steht, kann der Einsatz von Fremdkapital aus steuerlichen Gründen und zur Nutzung des positiven Leverage-Effektes sinnvoll sein. In der Vergangenheit bildeten grundpfandrechtlich gesicherte Bankdarlehen im erstrangigen und nachrangigen Finanzierungsraum die traditionelle Finanzierungsquelle für Immobilien in Deutschland (vgl. IBLHER et al., 2005, S. 534; RIVLIN, 2002, S. 270). Seit geraumer Zeit ist allerdings eine sich ändernde Rolle der Banken in der Immobilienfinanzierung erkennbar, die mit einem Paradigmenwechsel von der klassischen Kreditfinanzierung zur Kapitalmarktfinanzierung einhergeht (vgl. SCHULTE/SCHÄFERS, 2002, S. 32). Kreditrisiken werden aufgrund der ökonomischen und bankenaufsichtlichen Veränderungen wesentlich differenzierter betrachtet. Gleichzeitig gehört das volumengetriebene Geschäft der Banken der Vergangenheit an und weicht einem risiko- und eigenkapitalorientierten Geschäft mit der Eigenkapitalverzinsung als zentraler Steuerungsgröße. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ändert sich die Rolle der Banken: Sie sind nicht mehr lediglich klassischer Intermediär zwischen Kapitalmarkt und Kreditnehmer, sondern zunehmend provisionsorientierte Arrangeure von Kapitalmarkttransaktionen.

2.4.2

Bankenfinanzierung in Deutschland im Wandel der Zeit

2.4.2.1

Entwicklung der Bankenfinanzierung in Deutschland

Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs der Nachkriegszeit haben die Banken eine Philosophie der Kreditvergabe verfolgt, die im Wesentlichen auf dem klassischen Margengeschäft und auf der Kontaktpflege ihrer lokalen Kunden basierte (Hausbankenprinzip) (vgl. GARTHE, 2004, S. 38). Im Rahmen solcher langfristigen Hausbankenbeziehungen konnten mittelständischen Unternehmen und börsennotierten Großunternehmen sämtliche Bankprodukte und -dienstleistungen angeboten werden (Universalbankenprinzip). Dabei wurde jedoch die

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

91

Einschätzung des tatsächlichen Risikos eines wirtschaftlichen Engagements oftmals vernachlässigt. Insbesondere bei langjährigen Kunden wurden zugunsten einer langfristigen Geschäftsbeziehung in Einzelfällen Kredite vergeben, die seitens der Banken unter ökonomischen Gesichtspunkten eigentlich nicht vertretbar waren. Zudem stand im Gegensatz zur relativen Höhe des Gewinns im Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital die absolute Höhe des Gewinns häufig im Vordergrund. Die engen Geschäftsbeziehungen zwischen Banken und Unternehmen und die Erwartungen bzw. das Vertrauen in die positive Geschäftsentwicklung der Unternehmen haben einen nicht unwesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit geleistet und wurden daher lange Zeit kaum in Frage gestellt. Erst in den 1990er Jahren zeigten sich verstärkt strukturelle Probleme des deutschen Bankensektors, die u.a. in Form von zahlreichen internen Hierarchieebenen, Intransparenz, veralteter und inhomogener IT-Strukturen, mangelnder Informationsflüsse und nicht-diversifizierter Kreditportfolios zum Ausdruck kamen. Neben den hohen Verlusten bedingt durch die Kurseinbrüche an den Aktienmärkten in den Jahren 2000 und 2001 und dem zunehmenden Wettbewerbs- und Ertragsdruck im internationalen Rahmen hatten u.a. auch steigende Bestände an notleidenden Krediten (sog. Non Performing Loans – NPL) als Folge einer Kreditvergabe ohne adäquate Risikoberücksichtigung zu einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung der Finanzinstitute beigetragen. Kritische Beobachter bezeichneten das deutsche Bankensystem zu dieser Zeit als die „Stahlindustrie“ der 1990er Jahre.

2.4.2.2

Aktuelle Situation des Bankensystems in Deutschland

Vor dem Hintergrund der positiven konjunkturellen Entwicklung und steigender Aktienmärkte blieben die unzureichende strategische Positionierung deutscher Banken und sich daraus ergebende strukturelle Defizite bis in die späten 1990er Jahre weitestgehend unbeachtet. Auch während der New Economy-Aktienhausse, in der erhebliche Provisionseinnahmen aus dem Investmentbanking generiert werden konnten, wurden die strukturellen Nachteile der deutschen Banken praktisch nicht zur Kenntnis genommen. Mit der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation nach dem „New Economy Crash“ sind die strukturellen Probleme des deutschen Bankwesens schließlich deutlich zu Tage getreten. Die Banken verlassen gerade eine maßgebliche Umbruchsphase, die im Wesentlichen durch unvorteilhafte Kostenstrukturen, einen besonders intensiven Wettbewerb und niedrige Margen gekennzeichnet war. Bis heute weist der deutsche Bankenmarkt europa- und weltweit eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von privaten und öffentlichen Kreditinstituten sowie Bankfilialen auf, was als wesentlicher Faktor für die intensive Wettbewerbssituation gewertet werden kann. Der deutsche Bankensektor gilt daher im europäischen Vergleich als „over-banked“ (vgl. GARTHE, 2004, S. 37), was insbesondere aus Tabelle 19 hervorgeht.

92

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.500

2.232

Anzahl

2.000 1.500 952

1.000

812

805 491

500

365 349

196 176 109

0 D

F

A

I

NL FIN E

P

L

83

61

B IRL GR

Tabelle 19: Anzahl von Banken in der Eurozone; Quelle: Europäische Zentralbank (2003) zitiert nach: Garthe (2004), S. 38.

Neben der bereits bestehenden hohen Bankendichte wird der Wettbewerbsdruck durch das zunehmende Angebot von Direktbanken (z.B. ING-DiBa), Brokern (z.B. AWD, MLP) und ausländischen Wettbewerbern (z.B. Royal Bank of Scottland, Citibank), die zur Gewinnung von Marktanteilen verstärkt auf den deutschen Finanzierungsmarkt drängen, weiter verschärft. Laut einer Studie der FH München werden die klassischen Filialbanken bis zum Jahr 2010 Marktanteile an unabhängige Vermittler und den Direktvertrieb verlieren. Die Ursache hierfür wird in dem erfolgreichen Geschäftsmodell dieser Anbieter gesehen, das sich insbesondere durch die Unabhängigkeit der Unternehmen, die hohe Effizienz durch stark standardisierte Geschäftsprozesse und einen überlegenen Service auszeichnet. Zudem sind es die besseren Kostenstrukturen, die es solchen Anbietern ermöglichen, Finanzierungen zu günstigeren Konditionen anzubieten als etablierte Kreditinstitute. Während in den USA schon knapp 70 % des Baufinanzierungsvolumens über Broker abgeschlossen wird, steht dieser Trend in Deutschland erst am Anfang (vgl. o. V., 2005a, S. 4). Vor diesem Hintergrund und angesichts der hohen Kosten, die aus verfehlten strukturellen Entscheidungen und dem Aufbau von administrativen Überkapazitäten resultieren, fällt es den traditionellen Finanzinstituten schwer, sich im Wettbewerb zu behaupten. Eine zusätzliche Belastung stellen die zahlreichen notleidenden Kredite dar, die das Resultat einer mangelnden Risikoorientierung bei der Kreditvergabe sind. Nach Schätzungen von Kroll/Mercer Oliver Wyman beläuft sich das Volumen notleidender Kredite in den Bilanzen deutscher Banken derzeit auf 160 Mrd. € (vgl. Kroll/Mercer Oliver Wyman, 2005, S. 7).

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

93

Vor allem in der Phase nach der Wiedervereinigung, die aufgrund der Infrastrukturinvestitionen durch die öffentliche Hand und die steuerliche Subventionierung privater Immobilieninvestitionen eine regelrechte Euphorie am Immobilienmarkt in den neuen Bundesländern auslöste, haben die Banken bereitwillig Kredite für zahlreiche Neubauprojekte vergeben, ohne im Einzelfall die entsprechende Angebots- und Nachfragesituation näher zu untersuchen. Letztlich führte der steuerinduzierte Immobilieninvestitionsboom zu einem erheblichen Überangebot an Gewerbe- und Wohnimmobilienbeständen, von denen sich der Immobilienmarkt in den neuen Bundesländern bis heute noch nicht voll-ständig erholt hat. Als die Preise dieser Immobilien als Folge des enormen Überangebots und der hohen Leerstandsquoten in einem erheblichen Umfang gesunken sind, konnten auch die Kredite seitens der Eigentümer in vielen Fällen nicht mehr bedient werden. Dies, zusammen mit der bis 2004 steigenden Zahl von Insolvenzen, hatte einen entsprechend starken Anstieg von notleidenden Krediten zur Folge. Aktuelle Levels

250 200 150

AAA

25 BP

AA

35 BP

A

55 BP

BBB

85 BP

100 50 0 Apr-03

Sep-03

Mär-04

Aug-04

Feb-05

Jul-05

Jan-06

Tabelle 20: Zins-Spreads verschiedener Kredittranchen (in Basispunkten p.a.) über 3-Monats-EURIBOR; Quelle: JPMorgan (2006).

Die zu hohen Kosten, d.h. Verwaltungs- und Risikokosten, bei gleichzeitig sinkenden Zinsmargen (vgl. Tabelle 20) als Resultat des zunehmenden Wettbewerbsdrucks (vgl. KNOBLOCH, 2002, S. 45) führten bei den deutschen Bankinstituten unausweichlich zu einer Ertragskrise. Betrachtet man sich die in Tabelle 21 dargestellte Entwicklung der Kosten- und Ertragsstruktur im Zeitablauf, so kann festgestellt werden, dass das Kosten-Ertrags-Verhältnis zwischen 1995 und 2003 von ca. 65 % auf über 70 % gestiegen ist, während die durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität deutscher Banken im gleichen Zeitraum von ca. 15 % auf nahezu 0 % gefallen ist. Das deutsche Kreditgewerbe reagierte mit einem Bündel von Maßnahmen, u.a. dem Abbau von Personal und dem partiellen Rückzug aus einzelnen Geschäftsfeldern.

94

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

90 Eigenkapitalrendite (in %)

Kosten-Ertrags-Verhältnis und

Ziel dabei war es, die operative Effizienz wieder zu stärken. Erst im Jahr 2004 zeigten diese Maßnahmen Wirkung. Die Aufwands-Ertragsrelation konnte auf 68,7% gesenkt und gleichzeitig eine durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität von 4,2% erzielt werden.

80 70 60 50 40 30 20 10 0 1995

1996 1997

1998 1999

2000 2001

Kosten-Ertrags-Verhältnis

2002 2003

2004

Eigenkapitalrendite

Tabelle 21: Kosten- und Ertragslage deutscher Kreditinstitute; Quelle: Deutsche Bundesbank (2005).

Die Ertragsschwäche wird im Vergleich mit europäischen Banken besonders deutlich. Die durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität europäischer Banken lag im Zeitraum von 2000 bis 2004 bei 13,6 %. Im Gegensatz dazu lag die Eigenkapitalrendite deutscher Kreditinstitute im gleichen Zeitfenster bei lediglich 5,0 % (vgl. Tabelle 22).

Eigenkapitalrendite (in %)

25 19,6

20

16,9 14,0

15

12,4 8,8

10 5

18,3

5,0

0 D

CH

F

I

SP

NL/B

UK

Tabelle 22: Durchschnittliche Eigenkapitalrendite europäischer Banken nach Ländern 2000 – 2004; Quelle: Polster (2006), S. 5.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

95

Vor dem Hintergrund der vergleichsweise nachteilhaften Kosten-Ertrags-Relationen, der geringen Eigenkapitalrenditen und der damit einhergehenden niedrigen Marktkapitalisierung stehen deutsche Kreditinstitute unter einem erheblichen Konsolidierungsdruck und werden immer häufiger das Ziel von Übernahmen. Beispielhafte Transaktionen aus der Vergangenheit sind in diesem Zusammenhang u.a. die Übernahme der Dresdner Bank durch den Allianz-Konzern oder die Übernahme der Hypo-Vereinsbank durch die italienische UnicreditoGruppe. Der Trend einer zunehmenden Konsolidierung ist auch bei den deutschen Hypothekenbanken zu beobachten. Seit 1999 sind aufgrund von Zusammenschlüssen nur noch zehn der damals 25 Hypothekenbanken am Markt vertreten (vgl. Lamby, 2005, S. 7).

2.4.2.3

Bedeutung der Immobilienfinanzierung

In Deutschland nehmen Banken eine herausragende Stellung bei der Finanzierung von Immobilien ein. Nach wie vor stellen dabei grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen die am häufigsten verwendete Finanzierungsmethode dar (vgl. Iblher et al., 2005, S. 534). Die Bedeutung der Banken bei der Immobilienfinanzierung wird insbesondere bei der Betrachtung der Bankenstatistik deutlich, die im März 2005 von der deutschen Bundesbank veröffentlicht wurde. Hierin wird ein Volumen an Wohnungsbaudarlehen von etwa 1,1 Bio. € und ein Kreditvolumen für gewerblich genutzte Immobilien in Höhe von 0,3 Bio. € ausgewiesen. Dies entspricht mehr als der Hälfte des gesamten inländischen Kreditvolumens (ohne Kredite der öffentlichen Hand) von 2,2 Bio. € (vgl. Deutsche Bundesbank, 2005). Die Immobilienfinanzierung ist somit eines der wichtigsten Geschäftsfelder der Banken. Gleichzeitig sind Banken für die Unternehmen die primäre Finanzierungsquelle, so dass sich über die letzten Jahrzehnte eine starke Bindung mittel-ständischer Unternehmen an das Bankensystem und eine Langfristkultur in der Immobilienfinanzierung entwickelt hat, wozu nicht zuletzt die fristenkongruente Refinanzierung über Pfandbriefe beigetragen hat.

2.4.2.4

Veränderte Rahmenbedingungen in der Bankenfinanzierung

2.4.2.4.1

Abschaffung von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast

Die Kosten der Kapitalbeschaffung bzw. die Refinanzierungskonditionen haben einen großen Einfluss auf die Wettbewerbssituation im deutschen Kreditgewerbe. Durch die Gewährträgerhaftung für die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken unterlagen die Refinanzierungsbedingungen deutscher Kreditinstitute allerdings wettbewerblichen Verzerrungen, denn die Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie Städte, Gemeinden und Landkreise, hafteten unbeschränkt für Verbindlichkeiten dieser Institute. Zudem sicherte die so genannte Anstaltslast den Kreditinstituten eine faktische Bestandsgarantie. Die Gewährträgerhaftung und Anstaltslast spiegelten sich in einem erstklassigen Rating dieser Institute und somit günstigen Refinanzierungskonditionen am Kapitalmarkt, insbesondere im Vergleich zu den Wettbewerbern, wider. Die dadurch induzierte Wettbewerbsverzer-

96

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

rung in der Refinanzierung führte dazu, dass die Sparkassen und Landesbanken eine Preisführerschaft in der Kreditvergabe aufbauen konnten. Die privaten deutschen Banken legten 1999 bei der EU-Kommission in Brüssel eine Wettbewerbsbeschwerde ein, weil sie in der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung eine unerlaubte Beihilfe bzw. Subventionierung sahen. Nach eingehender Prüfung wurde am 17. Juli 2001 in Brüssel ein Kompromiss zwischen der deutschen Bundesregierung und der EUKommission über die Haftungsgrundlagen öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute geschlossen. Seit dem 19. Juli 2005 sind die Gewährträgerhaftung sowie die Anstaltslast entsprechend des getroffenen Kompromisses entfallen. Sie wurden durch eine auf marktwirtschaftlichen Prinzipien basierende Eigentümerbeziehung ersetzt. Der Brüssler Kompromiss gewährleistet, dass nun für alle deutschen Banken gleiche Wettbewerbsbedingungen in der Refinanzierung bestehen. 2.4.2.4.2

Neues Pfandbriefgesetz

Die Vereinbarung zwischen der EU-Kommission und Bundesregierung über die Abschaffung von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast für im Wettbewerb stehende öffentlichrechtliche Kreditinstitute zwang zu Überlegungen, das Pfandbriefrecht in Deutschland grundlegend zu reformieren. Mit Inkrafttreten des Pfandbriefgesetzes am 19. Juli 2005 ist dementsprechend eine neue Ära eingeläutet worden. Die hohen Qualitätsanforderungen des Pfandbriefgesetzes werden die Auswirkungen auf den Pfandbriefmarkt jedoch in Grenzen halten. Allerdings wird sich die Struktur des Marktes ändern: Der Anteil des Hypothekenpfandbriefs wird im Vergleich zum Öffentlichen Pfandbrief weiter zunehmen. Da mit dem Wegfall der Staatsgarantien Forderungen gegen öffentlich–rechtliche Kreditinstitute für den Öffentlichen Pfandbrief nicht mehr deckungsfähig sein werden, wird die Refinanzierung des Immobiliengeschäfts von Landesbanken und Sparkassen nicht mehr über Öffentliche Pfandbriefe, sondern direkt über Hypothekenpfandbriefe erfolgen (vgl. Hagen, 2005, S. 14ff). Auch potenzielle neue Emittenten aus dem Lager der Geschäftsbanken werden die Möglichkeit der Pfandbriefemission nutzen. Es ist daher mit einer Vielzahl von neuen Pfandbriefemittenten zu rechnen. 2.4.2.4.3

Neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II)

Nach §10 und §10a des Kreditwesengesetzes (Grundsatz I) sind Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute verpflichtet, angemessene Eigenmittel im Interesse der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden vorzuhalten. Diese Regelungen gründen auf der geltenden Baseler Eigenkapitalvereinbarung von 1988 (Basel I). Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (heute: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BAFIN) hat im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank Grundsätze zur Solvabilität der Kreditinstitute aufgestellt, die quantitative Anforderungen an die Institute mit dem Ziel stellen, die Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte zu gewährleisten. Gemäß Grundsatz I dürfen die risikobehafteten Aktiva (abzüglich der Wertberichtigungen) eines Kreditinstituts generell das 12,5-fache des haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten. Wesentliches Ziel der Über-

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

97

arbeitung von Basel I ist es nun, die in Grundsatz I kodifizierten Eigenkapitalanforderungen an Banken stärker als bisher vom eingegangenen Risiko abhängig zu machen. Zu Beginn des Jahres 2007 soll Basel II (Solvabilitätsverordnung) über eine EU-Richtlinie in Kraft treten. Die bisher pauschale Unterlegung von Kreditrisiken mit haftendem Eigenkapital wird dann einer risikoangepassten Bewertung gemäß der Bonität der Kreditnehmer weichen. Aktuell gilt für die Risikobemessung von Kreditengagements mit Schuldnern der Risikogruppe „Unternehmen“ bzw. mit dem privaten Nichtbankensektor pauschal eine 100prozentige Risikogewichtung. Dies bedeutet, dass ein Kreditinstitut für Kredite an Unternehmen grundsätzlich 8 % eines Kreditengagements mit haftendem Eigenkapital unterlegen muss. Da es sich um einen pauschalen Eigenkapitalunterlegungssatz handelt, findet bislang keine Orientierung an den tatsächlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten eines Kreditengagements statt. Das regulatorische Eigenkapital entspricht somit nicht dem ökonomisch notwendigen Eigenkapital. Zur Bestimmung der Risikogewichtung müssen die Kreditinstitute daher künftig auf Ratings zurückgreifen, wobei ihnen zur Wahl gestellt wird, externe Ratings von RatingAgenturen zu verwenden oder bankinterne Ratings durchzuführen (siehe hierzu Kapitel 5.7). Die Höhe des Zinssatzes bzw. die Kreditkonditionen werden maßgeblich durch das Ergebnis eines Ratings beeinflusst: Zum einen die Höhe der Standardrisikokosten bzw. die Risikoprämie und zum anderen das risikoadäquat bereitzustellende haftende Eigenkapital der Bank. Je schlechter ein Ratingurteil ausfällt, desto höher wird künftig der von einem Kreditinstitut verlangte Kreditzins sein und vice versa (vgl. Abbildung 27).

Zinsmarge

Zukünftige Kreditkonditionen

Heutige Kreditkonditionen

Rating AAA (geringes Risiko)

CCC (hohes Risiko)

Abbildung 27: Spreizung der Kreditkonditionen durch Basel II; Quelle: Pitschke (2004), S. 132.

98

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Basel II führt somit zu einer Spreizung der Kreditkonditionen und zu einem effizienteren Umgang der Banken mit der knappen Ressource Eigenkapital. Dieser kommt im Rahmen der Einführung von Basel II und einer steigenden Share-holder-Value-Ausrichtung der Banken eine zentrale Bedeutung zu (vgl. Zoller/Kiesl, 2002, S. 206). Neben dem besonderen Stellenwert von Ratings im Zusammenhang mit der Kreditvergabe nach Basel II erfüllen Ratings eine wesentliche Funktion im Rahmen von Kapitalmarktfinanzierungen. 2.4.2.4.4

Rating als „Eintrittskarte“ für den Kapitalmarkt

Ratings gewinnen sowohl für die indirekte als auch für die direkte Immobilieninvestition und auch für die Immobilienfinanzierung zunehmend an Bedeutung. Der Begriff „Rating“ ist definiert als „die durch Symbole einer festgelegten, ordinalen Skala ausgedrückte Meinung über die zukünftige Fähigkeit eines Unternehmens zur vollständigen und termingerechten Zahlung der Tilgung und Verzinsung seiner Schulden.“ (vgl. Berblinger, 1996, S. 31). Informationsgefälle zwischen Marktteilnehmern können durch Ratings systematisch reduziert werden, weshalb Ratings zu einer weiteren Verbesserung der Markttransparenz beitragen. Im immobilienökonomischen Kontext wird der Begriff des Rating für: •

Unternehmensratings



Credit Ratings im Rahmen der Kreditvergabe



Immobilienmarkt- und Objektratings



das Rating von Kapitalanlageprodukten

verwendet. Externe Ratings, im Gegensatz zu Internen Ratings, werden i.d.R. von sog. RatingAgenturen durchgeführt. Dies sind von ihren Auftraggebern unabhängige Institutionen, die unternehmensinterne Informationen zur Verfügung gestellt bekommen, um daraus ein umfassendes Urteil über die Zukunftsfähigkeit und die finanzielle Lage eines Unternehmens abzuleiten. Externe Ratings haben eine hohe Fungibilität. Sie können veröffentlicht werden, wenn das beurteilte Unternehmen dies wünscht. Sehr gute und gute Ratings eignen sich daher als Finanzmarketing- bzw. Investor Relations-Instrument, mit dem der Rating Emittent gegenüber seinen Stakeholdern eine gute finanzielle Verfassung kommunizieren kann. Externe Ratings sind allerdings mit erheblichen Kosten für ein Unternehmen verbunden, und werden vor allem für die Aufnahme von Eigen- und Fremdkapital am Kapitalmarkt durchgeführt. Hierbei handelt es sich um sogenannte Emittentenratings. Emissionsratings liegen dann vor, wenn eine einzige Wertpapierplatzierung (z. B. Anleihe/Pfandbrief) geratet wird. Ratings sind damit eine notwendige Bedingung und Wegbereiter für den direkten Kapitalmarktzugang von Immobilienunternehmen.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.4.3

99

Hinwendung der Immobilienfinanzierung zum Kapitalmarkt

Ein wesentliches Kennzeichen des Kapitalmarktes ist dessen Eigenschaft, einen organisierten Handel von Finanztiteln (u. a. auch durch Aktiva gedeckte Forderungen) zwischen verschiedenen Kapitalmarktteilnehmern zu gewährleisten. Kapitalmärkte dienen somit als zentrale Plattform zur Kapitalbereitstellung und –beschaffung und ermöglichen einen effizienten Austausch von verbrieften Finanztiteln sowie eine transparente Preisbildung durch die direkte Gegenüberstellung von Angebot und Nachfrage. Die Effizienz der Marktorganisation und die Marktliquidität beeinflussen die Fungibilität der zugrunde liegenden Finanztitel, die es den Kapitalmarktakteuren jederzeit ermöglicht, ihre Ansprüche an den Märkten zu einem „fairen“ Preis zu erwerben und zu veräußern (vgl. Achleitner, 2001, S. 32f.).

2.4.3.1

Kapitalmarktfinanzierung für Immobilien im internationalen Vergleich

Im Vergleich zu Deutschland kommt der Kapitalmarktfinanzierung im angelsächsischen Raum, d.h. in Großbritannien und den USA, eine wesentlich höhere Bedeutung zu. Obwohl Bankkredite auch dort eine wichtige Rolle spielen, stehen sie bei der Unternehmensfinanzierung nicht an erster Stelle. Während die Finanzierung in Deutschland zu 71 % über Bankkredite erfolgt, sind es in Großbritannien und den USA jeweils nur 10 % und 18 % (vgl. Tabelle 23). Die stark ausgeprägte Kapitalmarktorientierung/-kultur in den angelsächsischen Ländern, sowie hohe Rediteanforderungen und mangelndes Interesse an einer langfristigen Aufstockung des Immobilienvermögens insbesondere seitens der US-Banken, haben dazu beigetragen, dass der Großteil der Immobilienfinanzierungen mittels Verbriefung über den Kapitalmarkt erfolgt (vgl. Rivlin, 2002, S. 271). Vor dem Hintergrund unterschiedlicher regionaler Bank- und Finanzierungsstrukturen haben Untersuchungen gezeigt, dass die Erträge der US-Banken deutlich über denen europäischer Banken (insbesondere der in Deutschland) liegen. Hierfür gibt es drei wesentliche Ursachen: erstens das bessere konjunkturelle Umfeld in den USA, zweitens die zunehmende Verlagerung von Risiken und des Niedrigmargengeschäfts auf die Kapitalmärkte und drittens ein deutlicher Anstieg von Nicht-Zinseinkünften, verbunden mit einem breiteren Angebot an innovativen Produkten und Dienstleistungen (vgl. Speyer, 2004, S. 3). Betrachtet man sich diese Kernaussagen in Kombination mit der zuvor geschilderten Krisensituation deutscher Banken, so wird schnell deutlich, dass die Struktur des deutschen Finanzierungsmarktes einen großen Nachholbedarf aufweist. Zu diesem Fazit kommt auch eine Studie, die Mercer Oliver Wyman im Auftrag der Europäischen Mortgage Insurance Trade Association erstellt hat. Unter allen Immobilienfinanzierungsmärkten wurde Deutschland das mit Abstand höchste Marktpotential für Darlehen an bislang unerschlossenen Kundengruppen zugesprochen (vgl. Leykam, 2005, S. 2).

100 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte Insbesondere im Hinblick auf die Kapitalmarktfinanzierung, die in Deutschland mit einem Anteil von 29 % am Gesamtfinanzierungsvolumen weitestgehend unterentwickelt ist (vgl. Tabelle 23), besteht ein beachtliches Wachstumspotential.

100

Anteil (in %)

80

29

60 40

90

82

71

20 10

0 D

GB Bankkredite

18 USA

Kapitalmarktfinanzierung

Tabelle 23: Unterschiedliche Finanzierungsstrukturen im internationalen Vergleich; Quelle: KfW

Trotz des erheblichen Nachholpotenzials ist die kapitalmarktorientierte Immobilienfinanzierung nicht zuletzt aufgrund des bislang erfolgreichen Pfandbriefkonzepts, das in Deutschland bereits seit 1770 besteht (vgl. Munsberg, 1998, S. 711) und eine kapitalmarktbasierte Form der Refinanzierung darstellt, nicht weiter verbreitet. Hierbei werden zuvor vergebene immobiliengesicherte Darlehen, sofern sie die Sicherungsvoraussetzungen für Pfandbriefe erfüllen, in einem so genannten Sicherheiten-Pool registriert (vgl. Munsberg, 1998, S. 714), bevor die Pfandbriefe von der jeweiligen Hypothekenbank auf dem Wertpapiermarkt emittiert werden. Mit einem Umlaufvolumen von rund 1 Bio. € nehmen Pfandbriefe bis heute einen Spitzenplatz am deutschen und europäischen Anleihenmarkt ein. Die international verbreitete Akzeptanz von Pfandbriefen gründet u.a. auf den gesetzlich strengen Anforderungen an die Qualität der Deckungsmasse (hier insbesondere der Beleihungswertermittlung) und ermöglicht den deutschen Pfandbriefbanken sich als bedeutende Immobilienfinanzierer äußerst günstig zu refinanzieren. Diese Form der Kapitalmarktrefinanzierung birgt jedoch einen erheblichen Nachteil für Banken, der darin besteht, dass die Darlehen und die damit verknüpften Risiken trotz der Kapitalmarktemmission weiterhin in den Bilanzen der Banken verbleiben. Die Emission von Pfandbriefen bindet damit gemäß Grundsatz I bzw. §10, 10a Kreditwesengesetz das regulatorische Eigenkapital der Banken.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 101

2.4.3.2

Zunahme der Kapitalmarktorientierung im Immobilienbereich

2.4.3.2.1

Immobilien-Verbriefungstransaktionen von Banken

Vor dem Hintergrund dieser Nachteilhaftigkeit des Pfandbriefkonzeptes findet auch im Bereich der Immobilienfinanzierung eine verstärkte Hinwendung zum Kapitalmarkt statt. Diese Entwicklung ist insbesondere durch Immobilienverbriefungstransaktionen gekennzeichnet. Die wertpapiermäßige Verbriefung und Platzierung von Forderungen wird unter dem Oberbegriff „Asset-Securitisation“ bzw. „Securitisation“ subsummiert. Im Gegensatz zu den anglo-amerikanischen Ländern spielen für deutsche Banken eigenkapitalentlastende Refinanzierungen über den Kapitalmarkt bislang eine untergeordnete Rolle. Während so genannte Mortgage-Backed Securities bereits in den 1970er Jahren im Bankensektor der Vereinigten Staaten eingeführt wurden (vgl. Munsberg, 1998, S. 699.), um immobiliengesicherte Darlehen am Kapitalmarkt zu verbriefen, entwickelt sich dieser Markt in Kontinentaleuropa erst seit jüngerer Zeit rasant. Wie auch bei deutschen Pfandbriefen wird hierbei eine Vielzahl homogener Immobiliendarlehen in Sicherheiten-Pools zusammengefasst, um daraufhin in verschiedenen RisikoRendite-Tranchen als Immobilienanleihen am Kapitalmarkt veräußert zu werden. Die kapitalmarktbasierte Refinanzierung über Pfandbriefe stellt zwar eine typische Verbriefung immobilienbasierter Aktiva dar. Anders jedoch als bei deutschen Hypothekenpfandbriefen werden die Hypothekarkredite bei Mortgage-Backed Securities, nachdem sie von den kreditvergebenden Banken gebündelt wurden, an spezielle Vehikel- oder Zweckgesellschaften verkauft, die sie dann letztendlich am Kapitalmarkt emittieren (True-Sale-Transaktionen). Auf diese Weise können die Bankinstitute durch die Weitergabe der Risiken an den Kapitalmarkt die Risikostruktur ihres Darlehenbestandes verbessern und eine Entlastung des regulatorischen Eigenkapitals erzielen (vgl. Leykam, 2003, S. 2). Durch die sofortige Rückführung von Liquidität aus dem Verkauf der Kreditforderungen wird darüber hinaus ein zusätzlicher Spielraum für die Vergabe weiterer Finanzierungen geschaffen. Zudem bilden die Zins- und Tilgungszahlungen der Kreditnehmer auch bei Mortgage-Backed Securities die Basis für die Ausschüttung an Investoren. Abhängig von der Nutzungsart der Immobilien, die für die Sicherung der Kredite herangezogen werden, sind zwei gundlegende Ausprägungen von Mortgage-Backed Securities zu unterscheiden: einerseits Residential Mortgage-Backed Securities (RMBS) und andererseits Commercial Mortgage-Backed Securities (CMBS) (vgl. Geltner/Miller, 2001, S. 15). Bei Residential Mortgage-Backed Securities (RMBS) handelt es sich um verbriefte Wohnimmobiliendarlehen, wohingegen Commercial Mortgage-Backed Securities verbriefte gewerbliche Immobiliendarlehen darstellen. Seitdem die Bundesregierung eine Erweiterung des deutschen Kreditwesengesetzes (KWG) erlassen hat, die die True-Sale-Verbriefung ermöglicht bzw. erleichtert (vgl. o. V., 2005b, S. 6), ist ein anhaltender Trend der Verbriefung in Deutschland zu beobachten. Allerdings ist

102 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte der deutsche Verbriefungsmarkt mit rund 3 % des europäischen Gesamtvolumens noch relativ klein, weist aber erhebliches Entwicklungspotenzial auf (vgl. Lee et al., 2005, S. 31, 39). Im Jahr 2005 erreichte das Marktvolumen europäischer Commercial Mortgage-Backed Securities mit einem Gesamtwert von ca. 55 Mrd. $ eine neue Rekordhöhe (vgl. Tabelle 24). Dabei wurde das steigende Emmissionsvolumen von europäischen Commercial-Backed Securities größtenteils durch das Bedürfnis von Kapitalnehmern nach effizienten Finanzierungsformen vorangetrieben. Es ist erkennbar, dass der europäische und insbesondere deutsche Banken- und Kapitalmarkt dem sich in den USA und Großbritannien seit Jahrzehnten abzeichnenden Trend der Kapitalmarktfinanzierung mittels Verbriefung folgt. Zudem haben die o.g. strukturellen und regulatorischen Veränderungen im Bankensektor das Interesse an der Verbriefung von immobilienbasierten Aktiva und einer entsprechenden Finanzierung über den Kapitalmarkt verstärkt. Dies gilt zum einen für Banken, die zunehmend daran interessiert sind, Kredite am Kapitalmarkt eigenkapitalentlastend zu platzieren. Aus Sicht der Banken liegt damit der entscheidende Vorteil in deren Bilanzunwirksamkeit dieser Transaktionen (Off-BalanceFinanzierung) und damit in der Entlastung bzw. Nicht-Belastung des regulatorischen Eigenkapitals, was vor dem Hintergrund der in Abschnitt 2.4.2.2 geschilderten Situation der Banken zu einem entsprechend großen Wachstumspotential für Verbriefungstransaktionen führt (vgl. Thompson et al., 2006, S. 3, 11; Wölwer, 2005, S. 2, 4; Garthe, 2004, S. 48; o. V., 2006a, S. 1; o. V., 2006b, S. 3 - 4).

Marktvolumen(inMrd. $)

60

54,8

50 40 30 20 10

15,6 5,8

6,9

1999

2000

21,7

17,5 12,6

0 2001

2002

2003

2004

2005

Tabelle 24: Jährliches Marktvolumen von Commercial Mortgage-Backed Securities in Europa; Quelle: JPMorgan (2006).

2.4.3.2.2

Verbriefungstransaktionen von Nicht-Banken

Neben dem Bankensektor steigt allerdings auch das Interesse der Nichtbanken bzw. der Immobilienmarkt-Teilnehmer an der Verbriefung von Aktiva. So können Immobilienunternehmen, die eine ausreichende kritische Größe aufweisen, zur Unternehmensfinanzierung Anleihen begeben und/oder bei Ankauf von Immobilienportfolien durch eine Verbriefung immobilienbasierter Aktiva Finanzierungsmittel über den Kapitalmarkt aufnehmen.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 103 Hierbei handelt es sich ausschließlich um die Verbriefung von Cash-Flows. So können z.B. Immobilien-Mietforderungen, zukünftige Mietzahlungen, zukünftige Verkaufserlöse und auch zukünftige Erlöse aus Immobilien-Projektentwicklungen verbrieft werden (vgl. Breidenbach, 2005, S. 615). In jüngster Zeit waren insbesondere bei Sale-and Leaseback Transaktionen die Zahlungsströme aus der Desinvestition von Konzernimmobilien Gegenstand von Verbriefungstransaktionen. Hierbei wurden die Mietforderungen aus den Immobilienportfolien durch die Erwerber am Kapitalmarkt verbrieft, um das notwendige Fremdkapital zur Finanzierung der Transaktion aufzubringen. Bei einem solchen direkten Zugang zum Kapitalmarkt erfolgt die Finanzierung nicht über die Bücher der Banken als Intermediäre. Es handelt sich daher um eine Ergänzung zur bisher traditionellen Kapitalbeschaffung über Banken und damit um eine neue zusätzliche Finanzierungsquelle für die Unternehmen als Originatoren (vgl. Breidenbach, 2005, S. 616). Aufgrund ihrer klassischen Nähe zum Kapitalmarkt kommt Banken bei diesen Geschäften häufig die Rolle provisionsorientierter Berater und Arrangeure zu, ohne dabei eigene Risikopositionen aufzubauen. Gegenüber der traditionellen Bankenfinanzierung kann der direkte Kapitalmarktzugang aus Sicht der Kreditnehmer als auch der Banken wesentliche Vorteile aufweisen. Ist die Verschuldungsgrenze eines Unternehmens weitgehend ausgeschöpft, so dass es nicht mehr in der Lage ist, neues Fremdkapital aufzunehmen, so kann die Finanzmittelbeschaffung über Verbriefungstransaktionen einen Ausweg bieten. Darüber hinaus ist das Rating einer Verbriefungstransaktion nicht an die Bonität des Originators gebunden, sondern an den der Transaktion unterliegenden Asset-Pool. Somit können ungeratete Unternehmen mit schlechter Bonität Finanzierungskonditionen mit bestem Rating erzielen. Zudem trägt die Kapitalmarktfinanzierung neben einer entsprechenden Kreditwürdigkeitsprüfung und einer relativ hohen Transparenz zu einem höheren Grad an finanzieller Unabhängigkeit bei. Die mit einer Verbriefung verbundenen Transaktionskosten sind allerdings erheblich. Grundsätzlich wird daher eine Verbriefung von Vermögensgegenständen nur dann stattfinden, wenn eine notwendige kritische Masse überschritten wird und wenn die Erträge die Kosten übersteigen (vgl. Breidenbach, 2005, S. 617).

2.4.3.3

Folgen der zunehmenden Kapitalmarktorientierung

Im internationalen Vergleich ist festzustellen, dass sich das deutsche Finanzsystem aufgrund der bereits zuvor geschilderten historischen Entwicklung durch einen außer-gewöhnlich hohen Grad der Bankenintermediation auszeichnet (vgl. Achleitner, 2001, S. 501 f.). Aufgrund der zuvor genannten Vorteile, der weltweit steigenden Bedeutung der Kapitalmärkte (vgl. Achleitner, 2001, S. 469) und den veränderten strukturellen und regulatorischen Rahmenbedingungen ist davon auszugehen, dass die Finanzierung von Immobilien über den Kapitalmarkt bzw. die Refinanzierung von Banken über den Kapitalmarkt zunehmen wird. Als Folge dieser Entwicklung wird auch die Bedeutung von Banken als Intermediäre (Konzept der Intermediation) nach-lassen und gleichzeitig der Trend der Desintermediation (Konzept der Desintermediation) verstärkt werden. Beide Konzepte sind in Abbildung 28 dargestellt.

104 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Konzept der Intermediation Investition (Spareinlage)

Kapitalnachfrage (Unternehmen, Privatpersonen)

Fremdkapital

Banken als Intermediär

Refinanzierung

Kapitalmarkt

Investition

Kapitalangebot

Investition

Kapitalangebot

(Kommerzialbanken)

(Institutionen, Privatpersonen)

Konzept der Desintermediation Kapitalnachfrage

Fremdkapital

(Unternehmen, Privatpersonen)

Be ra tu ng

Banken als Arrangeure

(Investmentbanken)

Kapitalmarkt

(Institutionen, Privatpersonen)

g un ier ur kt u Str

Abbildung 28: Konzepte der Intermediation und der Desintermediation ; Quelle: Eigene Darstellung (2006)

In dem zuvor genannten Kontext ist es wahrscheinlich, dass sich das Zinsgeschäft deutscher Banken weiter rückläufig entwickeln wird, während das Provisionsgeschäft weiter ausgebaut wird. Angesichts dieser Veränderungen werden Banken zukünftig verstärkt als Kapitalmarktarrangeure agieren, die überwiegend auf Basis von Provisionen aus der Beratung und der Strukturierung von Finanzierungen Erträge generieren. Dabei wird es vor allem unter wettbewerbsorientierten Gesichtspunkten seitens der Banken besonders wichtig sein, hochqualifiziertes Personal zu akquirieren bzw. zu halten, um ihren Kunden eine hervorragende Dienstleistung anbieten zu können und in der Entwicklung innovativer Finanzierungsprodukte eine führende Position einzunehmen.

2.4.4

Empirische Untersuchung zur Immobilienfinanzierung in Deutschlands

Vom ebs Department of Real Estate wurden in den Jahren 2001, 2003 und 2005 Studien durchgeführt, deren Ziel es war, den Wandel in der Immobilienfinanzierung vor dem Hintergrund ökonomischer und regulatorischer Veränderungen empirisch zu beobachten und zu belegen. Die Daten, auf denen die Untersuchung basiert, wurden im Rahmen einer schriftlichen Bankenbefragung mittels eines standardisierten Fragebogens erhoben wurden. Von 205 angeschriebenen Instituten reagierten 56 Banken, was einer Rücklaufquote von 27,3 % entspricht. Durch die neueste Erhebung wird deutlich, dass sich der Fokus der Bankdienstleistungen im Immobilienbanking verschiebt (vgl. Abbildung 29). Auf die Frage nach den in der Zukunft am meisten benötigten Bankdienstleistungen im Immobilienbanking entfielen 30 % der Nennungen auf die klassischen Bankdienstleistungen. Demgegenüber ist allerdings die relative

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 105

Zukunft des deutschen Immobilien-Bankings

Mehrheit der Banken (41 % der Nennungen) der Ansicht, dass innovative Leistungen in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden.

k.A.

5

Klassische Leistungen

30

Innovative Leistungen

41

Bankneutrale Leistungen

13

0

10

20

30

40

50

Nennungen (in %)

Effekt von Basel II auf Verbriefung: Transaktionen ...

Abbildung 29: Zukunft des deutschen Immobilien-Bankings; Quelle: Rottke (2006).

k.A.

30

steigen deutlich an

21

steigen leicht an

40

stagnieren

3

gehen leicht zurück gehen deutlich zurück

5 0

0

10

20

30

40

50

Nennungen (in %) Abbildung 30: Effekt von Basel II auf Verbriefung; Quelle: Rottke (2006).

Dies unterstreicht die Beobachtung, dass provisionsgetriebene Dienstleistungen, wie die Arrangierung bzw. Beratung von Transaktionen zunehmend in den Fokus der Banken rücken, während das rein margengetriebene und eigenkapitalintensive Zinsgeschäft an Bedeutung verliert.

106 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte Das Ziel der Überarbeitung der Baseler Eigenkapitalvereinbarung ist es, wie bereits zuvor geschildert, Marktrisiken, operationelle Risiken und vor allem Kreditrisiken adäquat mit regulatorischem Eigenkapital zu unterlegen. Vor dem Hintergrund der erwarteten Auswirkungen von Basel II wurde daher gefragt, wie sich die neuen Eigenkapitalrichtlinien auf die Motivation der Banken auswirken werden, Verbriefungstransaktionen durchzuführen.

7

k.A. nach Verbriefung

Entwicklung der Nachfrage

Abbildung 30 zeigt, dass von Basel II ein positiver Effekt bzw. ein Anstieg von Verbriefungstransaktionen erwartet wird, was entsprechend zu einer zunehmenden Kapitalmarktorientierung führt. Um diesem Trend nachzugehen, wurden die Banken gefragt, wie sie die Entwicklung der Nachfrage nach Verbriefungstransaktionen einschätzen. Aus Abbildung 31 geht hervor, dass gegenüber der Umfrage von 2003 eine weitere Steigerung von immobilienbasierten Verbriefungstransaktionen erwartet wird. 15

deutlich steigend

55

40 29 28

leicht steigend 2 2

konstant leicht sinkend

0 0

deutlich sinkend

0 0 7

nicht abschätzbar 0

15

10

20

30

40

50

60

Nennungen (in %) Umfrage 2003

Umfrage 2005

Abbildung 31: Entwicklung der Nachfrage nach Verbriefung; Quelle: Rottke (2006).

2.4.5

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund des hohen Ertrags- und Konsolidierungsdrucks sowie der regulatorischen und strukturellen Änderungen ist für die gesamte deutsche Banken- und Immobilienbranche hinsichtlich der Refinanzierung und der direkten Immobilienfinanzierung eine zunehmende Kapitalmarktorientierung festzustellen. Zudem sorgen nicht zuletzt regulatorische Neuerungen wie Basel II für einen differenzierten Umgang mit Risiken und dem Faktor Eigenkapital, der sich im Kreditgeschäft als zentrale Steuerungsgröße durchgesetzt hat. Erwartungsgemäß werden sich daher bessere Risikokontrollsysteme und Due-Diligence-Prozesse im Rahmen der Kreditvergabe entwickeln und eine effizientere Allokation von Eigenkapital und Risiken stattfinden. Dabei werden die Banken bei der Aufnahme von Risiken in die Bilanz selektiver vorgehen als dies in der Vergangen-

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 107 heit der Fall war. Das klassische Margengeschäft wird sicherlich weiterhin bestehen bleiben, jedoch findet eine bemerkenswerte Verschiebung statt: Waren Banken in der Vergangenheit ein notwendiges Bindeglied zwischen Sparern, Kreditnehmern und dem Kapitalmarkt, so verschiebt sich ihre Rolle in dieser intermediären Funktion. Mit der Möglichkeit des direkten Kapitalmarktzugangs für Unternehmen wird die traditionelle Kreditvergabe um eine zusätzliche Quelle der Kapitalbeschaffung ergänzt, wobei Banken zunehmend die bilanzneutrale Rolle von Arrangeuren bzw. Beratern einnehmen.

108 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Literaturverzeichnis zu Kapitel 2.4 Achleitner, A.-K.: Handbuch Investment Banking, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2001. Berblinger, J.: Marktakzeptanz des Rating durch Qualität, in: Büschgen, H. E./Everling, O. (Hrsg.): Handbuch Rating, Wiesbaden 1996, S. 21 - 110. Breidenbach, M.: Securitisation: Finanzierung durch Immobilien-Verbriefung, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie – Band I: Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, München/Wien 2005, S. 610 - 620. Deutsche Bundesbank: Bankenstatistik, Stand 24.05.2005. Garthe, E.: Real estate bank lending in Germany – A status quo in early 2004, in: Briefings in Real Estate Finance, Vol. 4, Nr. 1, 2004, S. 37 - 49. Geltner, D./Miller, N. G.: Commercial Real Estate Analysis and Investments, Mason/Ohio 2001. Hagen, L.: Neues Pfandbriefgesetz als einheitliche Grundlage zur Emission von Pfandbriefen stärkt den Pfandbrief und den Finanzplatz, in: Der Pfandbrief 2005, S. 14 - 21. Iblher, F./Pitschke, C./Rottke, N./Schreiber, N./Breidenbach, M./Lucius, D.: Immobilienfinanzierung, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie – Band I: Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, München/Wien 2005, S. 533 - 625. JPMorgan: European CMBS Market, JPMorgan Research, o. O. 2006. KfW, Kreditanstalt für Wiederaufbau: . Knobloch, B.: Rahmenbedingungen und Strukturwandel im Immobilien-Banking, in: Schulte, K.-W./Achleitner, A.-K./Schäfers, W./Knobloch, B. (Hrsg.): Handbuch ImmobilienBanking – Von der traditionellen Immobilien-Finanzierung zum ImmobilienInvestmentbanking, Köln 2002, S. 41 - 65. Kroll/Mercer Oliver Wyman: A Market for the Making – The German Bad Loan Market, 2005. Lamby, F.: Strukturwandel in der Immobilienfinanzierung, in: vdp, Verband Deutscher Pfandbriefbanken(Hrsg.): Immobilien-Banking – Professionelles Immobilien-Banking: Fakten und Daten 2005, Berlin 2005, S. 6 - 11. Lee, G./Güneşdoğdu, R./Qureshi, A./Rajguru, M.: German CMBS – Insights on Emerging New Opportunities, in: Commercial Mortgage Securities Association (Hrsg.): CMBS World – European CMBS Market Overview, New York 2005, S. 31 - 45. Leykam, M.: Verbriefungsplattform – Banken verkaufen Kredite, in: Immobilien Zeitung, Nr. 10, 08.05.2003, S. 2.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 109 Leykam, M.: Immobilienfinanzierung – „Deutschland unterentwickelt“, in: Immobilien Zeitung, Nr. 9, 21.04.2005, S. 2. Munsberg, F.: Immobilienbesicherte Schuldverschreibungen – Hypothekenpfandbriefe, Mortgage-backed Securities und First Mortgage Debentures, in: Schulte, K.-W./BoneWinkel, S./Thomas, M. (Hrsg.): Handbuch Immobilien-Investition, Köln 1998, S. 691 - 736. o. V.: Filialbanken verlieren Marktanteile – Studie: In der Immobilienfinanzierung sind unabhängige Vermittler die Gewinner, in: Börsen-Zeitung, 01.12.2005a, S. 4. o. V.: Refinancing register amendment to boost German true-sale mortgage securitisation, in: Property Finance Europe, Vol. 1, Nr. 8, 2005b, S. 6. o. V.: ESF Securitisation Market Outlook – European Securitisation Forum Forecasts Another Record Setting Issuance Year in 2006, London 2006a. o. V.: Barclays Capital sees even more dramatic growth in European CMBS, in: Property Finance Europe, Vol. 2, Nr. 20, 2006b, S. 3 - 4. Pitschke, C.: Die Finanzierung gewerblicher Immobilien-Projektentwicklungen unter besonderer Berücksichtigung von Basel II, in: Schulte, K.-W./Bone-Winkel, Stephan (Hrsg.): Schriften zur Immobilienökonomie, Band 30, Köln 2004. Polster, A.: Auslandserträge europäischer Banken – Einheit in Vielfalt, Deutsche Bank Research, Frankfurt 2006. Rivlin, P.: Internationalisierung der Immobilienfinanzierung, in: Schulte, K.-W./Achleitner, A.-K./Schäfers, W./Knobloch, B. (Hrsg.): Handbuch Immobilien-Banking – Von der traditionellen Immobilien-Finanzierung zum Immobilien-Investmentbanking, Köln 2002, S. 255 278. Rottke, N.: Die Bedeutung des Immobilien-Bankings im Rahmen der Immobilienökonomie, Arbeitspapier, European Business School, Oestrich-Winkel 2006. Schulte, K.-W./Schäfers, W.: Immobilien-Banking als Geschäftsfeld, in: Schulte, K.W./Achleitner, A.-K./Schäfers, W./Knobloch, B. (Hrsg.): Handbuch Immobilien-Banking – Von der traditionellen Immobilien-Finanzierung zum Immobilien-Investmentbanking, Köln 2002, S. 29 - 40. Speyer, B.: USA versus Europa – führt Bankenkonsolidierung zu erhöhter Rentabilität?, Deutsche Bank Research, Frankfurt 2004. Thompson, R. E./Greener, C./Cox, M.: ABSmart – Our 2006 Market Forecast and Outlook, Royal Bank of Scotland Research, London 2006. Wölwer, T.: Aktuelle Tendenzen im ABS-Markt, in: Ernst & Young (Hrsg.): ABS-News – Verbriefungsmarkt im Auf-wind, Frankfurt 2005, S. 2 - 4. Zoller, E./Kiesl, B.: Real Estate Structured Finance, in: Schulte, K.-W./Achleitner, A.K./Schäfers, W./Knobloch, B. (Hrsg.): Handbuch Immobilien-Banking – Von der traditionellen ImmobilienFinanzierung zum Immobilien-Investmentbanking, Köln 2002, S. 199 - 226.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 111

2.5

Internationalisierung der Immobilienmärkte Thomas Beyerle

2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.4.1 2.5.4.2 2.5.5

Einführung......................................................................................................112 Definitorische Grundlagen .............................................................................112 Motive und Effekte internationaler Investitionen ...........................................113 Aktuelle Marktvolumina und Analysetechniken ............................................117 Marktvolumina...............................................................................................117 Analysetechniken Korrelationen und Scoring-Verfahren ..............................119 Räumliche Manifestation der Internationalisierung: Immobilieninvestitionen in Global Cities.......................................................122 2.5.6 Herausforderungen internationaler Investments .............................................126 2.5.7 Fazit ................................................................................................................126 Literaturverzeichnis zu Kapitel 2.5 ......................................................................................129

112 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.5

Internationalisierung der Immobilienmärkte Thomas Beyerle

2.5.1

Einführung

Nach dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital über die jeweiligen Landesgrenzen hinweg sowie der zunehmenden elektronischen Vernetzung der internationalen Finanzmärkte werden zunehmend die Immobilienmärkte von dieser Entwicklung erfasst. Die Immobilienwirtschaft per se befindet sich dabei in einem großen Wandel, dessen Ursachen in der fortschreitenden Interdependenz der Märkte (z. B. durch das Zusammenwachsen eines Großteils der europäischen Länder zu einem Wirtschafts- und Währungsraum), der zunehmenden Markttransparenz, den Veränderungen der rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen sowohl für Investoren als auch für Anleger, der Internationalisierung bzw. Globalisierung der Nachfrager und Nutzer sowie im daraus resultierenden veränderten Verhalten der Akteure auf den Immobilienmärkten selbst zu finden sind. Darüber hinaus öffnen sich infolge der politischen und ökonomischen Reformprozesse einzelne nationale Märkte, die vor Jahren aus Investorensicht zwar grundsätzlich attraktiv erschienen aber völlig unzugänglich waren. Jedoch gewinnen nicht nur die europäischen Immobilienmärkte für deutsche Anleger an Bedeutung, auch der einheimische Markt wird von den internationalen Investoren bei ihrer Anlagestrategie in Betracht gezogen, wie die jüngste Investitionsoffensive der Opportunity Funds auf dem deutschen (Wohn-) Immobilienmarkt zeigt. Weitere Gründe für die Internationalisierung der Immobilieninvestitionen resultieren aber auch aus einer zu geringen Produktverfügbarkeit adäquater Objekte, entweder aufgrund einer zu kleinen lokalen Marktgröße und/oder überschäumender Immobilienmärkte, die ein Engagement in nationale Märkte zu teuer werden lassen.

2.5.2

Definitorische Grundlagen

Um sich der Thematik der Internationalisierung der Immobilienmärkte zu nähern, bedarf es in einem ersten Schritt wenn nicht einer exakten Definition, so doch einer begrifflichen Abgrenzung der umgangssprachlich synonym verwendeten Termini „Globalisierung“, „Internationalisierung“ und unter Einbeziehung der Real Estate-Komponente der „Lokalisierung“. Denn: Für den Begriff Globalisierung gibt es keine einheitliche Definition. Mit der Bezeichnung Globalisierung definiert sich der Prozess einer zunehmenden weltweiten Vernetzung der Menschen und Gesellschaften und der Erleichterung ihres Marktzugangs aufgrund des technischen Fortschritts in den Bereichen Information, Kommunikation, Transport, Verkehr und Kapital sowie der zunehmenden Liberalisierung des Welthandels. Damit steht der Begriff Internationalisierung in unmittelbarer Konkurrenz zum Begriff Globalisierung, denn dieser umfasst die fortschreitende Vernetzung internationaler Wirtschaftsprozesse und ist damit unter pragmatischen Gesichtpunkten genauer, da ein Großteil des Globalisierungsprozesses nicht global (d. h. weltweit) sondern zunächst immer international (d. h. v. a. zwischen den Wirtschaftsnationen) abläuft. Mit der dritten Ebene dieses Prozesses, der Lokali-

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 113 sierung, wird schließlich die Markt- bzw. Standortsichtweise eingenommen, in der sich die Immobilität der Immobilienmärkte bzw. die Standortpersistenz der Objekte widerspiegelt. Mit Lokalisierung oder Lokalisation wird der Prozess bezeichnet, den konkreten Ort eines Geschehens oder Objektes festzustellen oder einzugrenzen. Der Ort als solcher wird als Lokalität bezeichnet. Die Lokalisierung ist aber keine ausschließlich standortbezogene Aktivität, sondern ein Prozess, mit dem einerseits bestehende Grenzen regionaler Unterschiede mit dem Ziel der Anpassung an regionale Anforderungen definiert werden oder andererseits durch das Schaffen von Grenzen die Entwicklung regionaler Unterschiede erst begünstigt wird.

2.5.3

Motive und Effekte internationaler Investitionen

Die Ursachen der Internationalisierung sind in erster Linie politischer und technischer Art. In den letzten Jahrzehnten sind die Märkte für den internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen sowie die Produktionsfaktoren Arbeit, Wissen und Kapital geöffnet worden. Auf internationaler Ebene erfolgt die Marktöffnung durch Verhandlungen zwischen den wichtigsten Industrieländern im Rahmen der GATT und der WTO. Für Deutschland besonders bedeutsam ist die politische Wende in den osteuropäischen Staaten sowie die europäische Integration, die durch die Schaffung des europäischen Binnenmarktes, die Europäische Währungsunion sowie die Osterweiterung weitreichende Fortschritte gemacht hat. Ein weiterer wichtiger Grund für die fortschreitende Internationalisierung ist darin zu sehen, dass in den letzten zwanzig Jahren der technische Fortschritt die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur (zum Beispiel Logistiksysteme, Erhöhung der Umschlagsgeschwindigkeiten) und Kommunikationssysteme (zum Beispiel Email, Internet) enorm erhöht und den Austausch von Waren, Dienstleistungen und Informationen über nationale Grenzen hinweg sehr viel schneller und kostengünstiger und in vielen Fällen überhaupt erst möglich gemacht hat. Die weltweite Liberalisierung und Öffnung der Güter-, Dienstleistungs- und Faktormärkte sowie der technische Fortschritt bei Kommunikations- und Transportsystemen haben die Kosten der Raumüberwindung für Güter und Dienstleistungen und die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Wissen stark sinken lassen. Die Internationalisierung ist einer der wichtigsten Prozesse unserer Zeit, dessen Auswirkungen in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen spürbar sind. Natürlich bleiben auch die Immobilienmärkte hiervon nicht unberührt und sehen sich einer zunehmenden Internationalisierung und globalen Vernetzung gegenüber. Sie folgen damit den nationalen Waren- und Finanzmärkten, die längst auf globaler Ebene miteinander verschmolzen sind. Mit anderen Worten: Direktinvestitionen in Immobilien sind, unabhängig von nationalen Gesetzgebungen, als asset deals oder share deals möglich geworden. Ein wesentlicher push-Faktor für diesen Prozess waren aus deutscher Sicht die Änderungen zum 4. Finanzmarktförderungsgesetz aus dem Jahr 2002.

114 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte Die sinkenden Kosten der Raumüberwindung haben für internationale Immobilieninvestoren ökonomische und gesellschaftliche Effekte: •

Ausweitung der Objekt-Absatz- und -Beschaffungsmärkte



Ausweitung der Arbeits- und Kapitalmärkte



Zunahme international und transnational agierender Immobilienunternehmen



Verschärfung des internationalen Standortwettbewerbs



Internationaler Anspruch von Immobiliendienstleistern



Zunahme der Auslandsinvestitionen (Direktinvestitionen)



Zunahme supranationaler Immobilien-Institutionen



Verlust nationaler Autonomie zugunsten transnationaler Institutionen



Zunahme der interkulturellen Beziehungen.

Die Ursachen für den “Run“ auf ausländische Immobilienanlagen sind vielfältig. Neben den bereits erwähnten sinkenden Transaktionskosten durch eine im Zuge der Internationalisierung engere Verflechtung der Märkte sind es insbesondere Anlegerinteressen, welche die weltweite Streuung von Immobilienanlagen vorantreiben. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei Motive unterscheiden: •

Einem Teil der Anleger ist vor allem daran gelegen, ihr Anlagerisiko durch eine internationale Portfoliodiversifizierung zu minimieren. Möglich wird dies durch die geringe Korrelation der meisten nationalen Immobilienmärkte untereinander, d. h., sie befinden sich in einem jeweils anderen Abschnitt des Immobilienzyklus. Vorübergehende Performanceschwächen heimischer Anlagen lassen sich somit durch ausländische Anlagen ausgleichen.



Die zweite Anlegergruppe hat es auf die Erzielung möglichst hoher Renditen abgesehen. Da innerhalb der etablierten Märkte aufgrund der hier bereits hohen und weiter steigenden Transparenz kaum noch überdurchschnittliche Renditen zu erzielen sind, weichen solche Investoren auf jene internationalen Standorte aus, an denen die Kaufpreise die zukünftig zu erzielenden Mieten noch nicht hinreichend widerspiegeln.

Solche Anlagemotive sind grundsätzlich nichts Neues, doch ist deren Verwirklichung heute erheblich leichter als bisher. Hierzu tragen auch die immer zahlreicher werdenden Anlagevehikel wie beispielsweise REITs bei. Auch diese senken die Transaktionskosten des einzelnen Anlegers für grenzüberschreitende Investitionen und erhöhen darüber hinaus die Marktliquidität. Daher und aus den bereits genannten Gründen ist es nicht überraschend, dass grenzüberschreitende Anlageaktivitäten zunehmend an Schwung gewinnen. Dieses Phänomen soll nun im Folgenden am Beispiel der Europäischen Union eingehender analysiert werden.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 115

Unterschiedliche Marktzyklen Abbau von Markteintrittsbarrieren

Diversifikation

Positiver Leverage-Effekt

Mögliche Steuervorteile

Liquide Märkte

Globalisierung der Immobilienmärkte

Steigende Transparenz

Höhere Renditen

Lokale Marktgröße

Größere Auswahl von Anlageprodukten

Quelle: DEGI Research 2006 Abbildung 32: Motive für internationale Investments

Aus Sicht der Immobilieninvestoren sprechen verschiedene Punkte für ein verstärktes Engagement außerhalb der Heimatmärkte (vgl. Abbildung 32). Die drei als wesentlich erachteten Motive werden kurz beschrieben: •

Diversifikation

Durch grenzüberschreitende Investitionen kann die Gegenläufigkeit internationaler Immobilienzyklen ausgenutzt werden. Da diese Zyklen innerhalb eines Landes oder einer Region in der Regel sehr ähnlich verlaufen, ist für diese Art der Risikostreuung der Aufbau eines internationalen Immobilienportfolios notwendig. •

Umsetzung differenzierter Investmentstrategien

Immobilienportfolien, die sich in erster Linie aus Objekten in den klassischen Bürostandorten „reifer Volkswirtschaften“ zusammensetzen, haben einerseits den Vorteil einer hohen Sicherheit, andererseits müssen sich die Investoren mit relativ moderaten Renditen begnügen. Mit internationalen Immobilienanlagen können komplexere Anlagestrategien verfolgt werden. Abbildung 33 zeigt exemplarisch ein internationales Musterportfolio zur Umsetzung einer sicherheitsorientierten Anlagestrategie. Berücksichtigt wurden Standorte in Europa und Nordamerika. Hauptzielsetzungen einer sicherheitsorientierten Anlagestrategie ist die Erzielung langfristig stabiler Mieteinnahmen. Zur Umsetzung eignen sich Standorte mit geringen strukturellen und zyklischen Risiken, der Anlagehorizont ist langfristig. Innerhalb der Anlageklasse Immobilien sind sicherheitsorientierte Investitionen diejenigen mit der geringsten Risikoprämie.

116 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte Für die Zusammenstellung eines sicherheitsorientierten Portfolios bieten sich nordamerikanische und europäische Standorte an, wobei aufgrund der Marktgröße der Anteil der USMetropolen dominiert. Neben den großen amerikanischen Wirtschaftszentren zeichnen sich Verwaltungszentren wie Brüssel und Wien durch hohe Immobilienbestände und niedrige Mietschwankungen aus.

Abbildung 33: Sicherheitsorientiertes Musterportfolio



Enge des Heimatmarktes

Durch Auslandsinvestitionen kann eine temporäre oder strukturell bedingte Enge des Heimatmarktes bzw. die daraus resultierende geringe Produktvielfalt und –verfügbarkeit umgangen werden. Insbesondere Investoren aus kleineren Volkswirtschaften (zum Beispiel Niederlande, Irland oder Österreich) können häufig nicht das gesamte für Immobilienanlagen zur Verfügung stehende Kapital innerhalb des Heimatmarktes anlegen. Das weltweite gewerbliche Immobilienvermögen wird aktuell auf 14 Billionen US-Dollar geschätzt (vgl. Tabelle 25). Dieser hohe Wert impliziert, dass durch internationale Anlagestrategien die genannten Engpässe umgangen werden können. Die Volumen von Nordamerika und Europa liegen dabei nahezu gleichauf.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 117 Immobilienvermögen (in Billionen USD)

Anteil (in %)

Nordamerika

5,3

37,8

Europa

5,2

37,1

Asien-Pazifik

3,1

22,2

Südamerika

0,4

2,9

Gesamt

14,0

100

Tabelle 25: Globales gewerbliches Immobilienvermögen 2005; Quelle: Prudential Real Estate Investors 2005

2.5.4

Aktuelle Marktvolumina und Analysetechniken

2.5.4.1

Marktvolumina

Die Volumen der europäischen bzw. globalen Immobilienmärkte lassen sich nur schwer in einer quantitativen Analyse erheben. So sehr zu begrüßen ist, dass in zunehmend kürzerer Zeitfolge neue Erhebungen vorliegen, so sehr drückt sich darin auch - noch immer - die sehr hohe Intransparenz der Märkte aus. Grundsätzlich erreichen die publizierten Werte nur eine Signifikanz, wenn folgende Faktoren, welche die europäischen Immobilienmärkte beeinflussen, Berücksichtigung finden: •

Ökonomische Rahmenbedingungen, z. B. erwartete Wachstumsraten (BIP), Wachstum des Dienstleistungssektors, Konsumverhalten, Arbeitslosigkeit und Bevölkerungsentwicklung



Situation auf dem Immobilienmarkt, z. B. Marktgröße, Liquidität, Angebots/Nachfragerelation, Mieterstrukturen, Mieten und Preise



Investmentmarkt, z. B. Größe des institutionellen Investmentmarktes, Grad der Transparenz (Vergleichsdaten, Benchmarking), Zugangsbeschränkungen für ausländische Investoren



Rechtliche Rahmenbedingungen, z. B. Miet- und Kaufvertragsrecht, Stadt- und Regionalplanung

Vor diesem Hintergrund sollte den publizierten Werten, ohne die Arbeit der Analysten zu schmälern, lediglich der Stempel einer groben Einschätzung aufgedrückt werden.

118 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte Die größten regionalen Immobilienmärkte der Welt verfügen derzeit über ein investives gewerbliches Realkapital im Wert von nahezu sechs Billionen US-Dollar (vgl. Abbildung 34). Dieses Volumen entspricht etwa dem Dreifachen des bundesdeutschen Bruttoinlandsprodukts eines Jahrs und wird in den nächsten Jahren noch deutlich zunehmen, da die Eigennutzerquoten in einigen Regionen – nicht zuletzt in vielen Ländern Europas – noch sehr hoch sind. Es wird erwartet, dass diese sich zukünftig dem niedrigen Niveau der USA angleichen werden. Die Unternehmen werden ihre Immobilienbestände verkleinern oder ganz abstoßen, um sich mit Hilfe des dadurch frei werdenden Kapitals verstärkt auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Bis vor einigen Jahren erfolgten Immobilieninvestitionen zumeist auf dem heimischen Markt, grenzüberschreitende Investitionen waren eher die Ausnahme. Die Gründe sind dieselben, die für andere Märkte auch gelten: Es bestehen Unsicherheiten über das Verhalten und die Kooperationsbereitschaft der ausländischen Behörden, durch die Unterschiede im Rechnungslegungs- und Steuersystem verschiedener Länder entstehen komplexe Probleme, zudem mangelt es oftmals an lokalen Informationen und Fachwissen. Kurz gesagt, waren die Transaktionskosten für ausländische Investitionen in der Regel zu hoch.

Abbildung 34: Kommerzielles investives Immobilienkapital weltweit 2004; Quelle: UBS Warburg 2004

Solche Markteintrittsbarrieren werden jedoch nach und nach abgebaut, so dass die grenzüberschreitenden Immobilieninvestitionen in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. So hat sich beispielsweise der Wert grenzüberschreitender Investitionen in Europa zwischen 1997 und 2004 vervierfacht und wird für das Jahr 2005 voraussichtlich ein Volumen von deutlich mehr als 40 Mrd. EUR erreichen (vgl. Abbildung 35). Solche Trends lassen sich weltweit identifizieren, obgleich die Datenverfügbarkeit zu deren Quantifizierung (noch)

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 119 vergleichsweise schlecht ist. Es gibt heute deutlich mehr Ziel- und Quellenländer von Immobilieninvestitionen als je zuvor, und die Kapitalströme zwischen diesen Ländern nehmen stetig zu.

Abbildung 35: Heimische und grenzüberschreitende Immobiliendirektanlagen in Europa; Quelle: Jones Lang LaSalle 2004

Die damit in Verbindung zu bringenden Zahlen verdeutlichen, dass sich diese Entwicklung offensichtlich auch zukünftig fortsetzen wird: •

Der Wert grenzüberschreitender Investitionen in Europa hat sich zwischen 1997 und 2004 vervierfacht und erreichte 2004 ein Volumen von 40 Mrd. EUR.



Grenzüberschreitende Aktivitäten machen heute 40% aller Immobilienanlagen in Europa aus; ähnliche Tendenzen in den USA.



Grenzüberschreitende Anlagen haben sich als wesentlicher push-Faktor an den Immobilienmärkten etabliert.

2.5.4.2

Analysetechniken, Korrelationen und Scoring-Verfahren

Anhand der Korrelation des Spitzenmietverlaufes lassen sich Aussagen zu längerfristigen Gemeinsamkeiten und Unterschieden europäischer Immobilienmarktzyklen treffen (vgl. Tabelle 26). Die gezielte Nutzung der zyklischen Mietverläufe bei Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen ist ein grundlegender Aspekt der Diversifizierung von Risiken und damit Renditen auf Portfolioebene. Auffallend ist dabei insbesondere die stark gegenläufige Entwicklung mittelost-europäischer Büromärkte im Vergleich zu westeuropäischen Standorten. Während z. B. in Madrid, Stockholm und London das Mietniveau zwischen 1998 und

120 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 2005 durchschnittlich um ein Drittel stieg, kam es in Warschau und Budapest zu einem Rückgang um ein Drittel. Ursache für die gegenläufige Entwicklung sind die wirtschaftlichen Umbrüche in den EU-Beitrittsländern. Längerfristig wird im Zuge der zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Integration eine stärkere Annäherung der Marktzyklen in Europa zu beobachten sein. Mit der Konsequenz, dass sich die Renditewerte im CBD (Central Business District)–Bereich auf einen Wert hinbewegen. Renditedifferenzierungsmerkmale werden sich zum einen immer stärker auf der Ebene der Objekttypen herausbilden. Zum anderen werden sich Investoren dann verstärkt Regionalstandorten (z. B. Glasgow, Turin, Birmingham etc.) in den einzelnen Ländern zuwenden. London- Paris Madrid Mailand Budapest Warschau Stockholm KopenCity hagen London-City

1,00

Paris

0,89

1,00

Madrid

0,91

0,96

1,00

Mailand

0,49

0,66

0,55

1,00

Budapest

-0,14

-0,18

0,01

-0,74

1,00

Warschau

-0,44

-0,50

-0,34

-0,86

0,92

1,00

Stockholm

0,84

0,85

0,88

0,20

0,25

-0,12

1,00

Kopenhagen

0,55

0,80

0,80

0,76

-0,16

-0,45

0,57

1,00

Tabelle 26: Korrelation der Spitzenmietverläufe europäischer Bürostandorte 1998 bis 2005; Quelle: DEGI RESEARCH 2005

Die Investmentattraktivität von Immobilienstandorten wird durch eine Vielzahl von Einflußgrößen bestimmt. Die Verwendung eines Scoring-Modells ermöglicht durch die Auswahl, Gewichtung und Bewertung relevanter Kriterien den Vergleich von Investmentstandorten (vgl. Abbildung 36). Bei der Gestaltung des Modells wurde berücksichtigt, dass die Attraktivität eines Investmentstandortes nicht allein durch kurzfristige Faktoren, wie die aktuelle Position im Mietzyklus, sondern darüber hinaus auch durch strukturelle Rahmenbedingungen bestimmt wird, die das Marktumfeld längerfristig beeinflussen.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 121

Abbildung 36: Europäisches Investmentstandort-Scoring – Kriterien und Gewichte; Quelle: DEGI Research 2005

Scoringmodelle können flexibel an die individuellen Bedürfnisse der Nutzer angepasst werden. Zentrale Stellschraube für die Anpassung ist die Gewichtung der Kriterien zueinander. Bei der Auswahl der Kriterien ist der Verfügbarkeit und Aktualität sowie der länderübergreifenden Vergleichbarkeit besonderes Augenmerk zu schenken. Die Ergebnisse eines Scorings sind immer abhängig von den eingehenden Variablen sowie deren Bewertung und Gewichtung. Das Ergebnis kann somit nur einen ersten Überblick liefern und keine alleinige Grundlage für Investmententscheidungen darstellen. Die Ergebnisse des Standort-Scorings lassen sich in einer Matrix anhand der Attraktivität der Dimensionen Makrostandort und Volkswirtschaft abbilden (vgl. Abbildung 37). Bürostandorte mit der höchsten Investmentattraktvität sind die Immobilienmärkte London und Paris. Ausschlaggebend ist die herausragende Qualität der Makrostandortbedingungen. Die Funktion der beiden Städte als global bedeutsame, wirtschaftliche und politische Zentren, einhergehend mit einer hohen Liquidität der Märkte, sind wesentliche Gründe für das Abschneiden. Die ebenfalls international etablierten und stark verflochtenen Märkte Brüssel, Frankfurt und Madrid zeichnen sich durch eine überdurchschnittliche Bewertung der Makrostandortqualität aus. Im Vordergrund stehen dabei die strukturellen, längerfristigen Parameter wie Marktreife, Liquidität und Wirtschaftskraft. In Frankfurt kompensieren diese Faktoren die momentane zyklische Abschwungphase. Die guten Scoringwerte der etablierten Märkte sind überwiegend auf strukturelle Marktgegebenheiten zurückzuführen. Im Gegensatz dazu trägt in Prag vor allem die zyklische Komponente zum guten Gesamtergebnis bei. Darüber hinaus zeichnet sich der Investmentmarkt der tschechischen Hauptstadt durch günstige Erwerbsbedingungen und überdurchschnittliche volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen aus.

122 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

Abbildung 37: Europäische Investmentstandort-Scoring-Attraktivitäts-Matrix; Quelle: DEGI Researuch 2005; Anmerkung: Betrachtung schwerpunktmäßig orientiert an strukturellen Parametern.

2.5.5

Räumliche Manifestation der Internationalisierung: Immobilieninvestitionen in Global Cities

In engem Zusammenhang zur Internationalisierungsdiskussion steht die Global CitiesTheorie. Diese geht davon aus, dass die Internationalisierung in Verbindung mit Agglomerationseffekten zu einer weiteren Zentralisierung von Management-Funktionen in bestimmten Städten führen wird. Insbesondere Unternehmen und Institutionen, die sich mit der Kontrolle und Steuerung der globalen Güter- und Kapitalströme beschäftigen, werden sich in zunehmendem Umfang in den Knotenpunkten der bestehenden Wirtschaftsströme etablieren und dabei die Hauptflächennachfrager sein. Häufig verwendete Kriterien zur Identifizierung von Global Cities sind:



Sitz von Hauptquartieren transnationaler Unternehmen

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 123 •

Bedeutendes Finanzzentrum



Zentrum eines schnell wachsenden Sektors unternehmensorientierter Dienstleistungen



Sitz internationaler Institutionen



Bedeutender Knotenpunkt von Handels- und Verkehrsachsen



Zentrum industrieller Produktionsstätten



Stadt mit hoher Einwohnerzahl

Unter Anwendung dieser Kriterien lassen sich Ranglisten ermitteln. Bronger (2004) klassifiziert beispielsweise folgende Städte als Global Cities, von denen zwei in Europa liegen: 1.

New York

2.

Tokyo

3.

Paris

4.

London

Zudem werden Städte mit „teilweise globalen Kommandofunktionen“ und „spezialisierten Kommandofunktionen“ identifiziert. Zu den Städten mit „teilweise globalen Kommandofunktionen“ zählen beispielsweise Chicago, Frankfurt, Seoul, Brüssel, Peking und Washington. Als Städte mit „spezialisierten Kommandofunktionen“ werden u. a. Shanghai, München, Mailand, Sydney und Denver genannt. Ihnen gemeinsam ist der Effekt, dass damit eine gewisse Nachhaltigkeit bei Immobilieninvestitionen in Verbindung gebracht wird. Ferner spielen Effekte wie z. B. Fungibilität im Sinne einer Objektverfügbarkeit eine entsprechende Rolle. Stark von der Internationalisierung profitieren auch Städte, die Funktionen als Knotenpunkt im Weltverkehrsnetz wahrnehmen (z. B. Hamburg oder Rotterdam) und Regionen mit einem ausgeprägten Exportsektor (z. B. Region München). Neben dieser sehr hierarchisch angelegten Definition sind vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit von internationalen Immobilieninvestitionen die Agglomerationsfaktoren zu berücksichtigen. Diese Determinanten, vorwiegend aus dem ökonomischen Bereich, begünstigen bzw. fördern die räumliche Konzentration von Bevölkerung und Ökonomie. Sie bilden die Erklärungsgrundlage der verschiedenen räumlichen und sozioökonomischen Effekte. Agglomerationsfaktoren sind z. B. die Vorteile eines großen und qualitativ differenzierten Arbeitsmarktes, Fühlungsvorteile zur Wirtschaft, interne und externe Ersparnisse arbeitsteilig und räumlich konzentriert arbeitender Unternehmen oder das positive Image eines Raumes (vgl. Tabelle 27). Aus immobilienökonomischer Sicht führt die Internationalisierung aber zu Interdependenzen zwischen den Immobilienmärkten der Global Cities (vgl. Tabelle 28). Vermutet wird beispielsweise, dass die Global Cities einen separaten, von den regionalen Märkten losgelösten Immobilienmarkt bilden. Sassen (1994) stellt beispielsweise fest: „The rapid development of an international property market has made this disparity even worse. It means that real estate

124 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte prices at the center of New York are more connected to prices in London or Frankfurt then to the overall real estate market in the city.” Allerdings ist anzumerken, dass hierfür noch kein empirischer Nachweis vorliegt. Für Immobilieninvestoren gelangen durch diese Entwicklung neue Standorte auf den Radarschirm, während andere Standorte an Attraktivität einbüßen. Zentripetale Kräfte − Beharrungsvermögen bestehender Strukturen

Zentrifugale Kräfte − Flächenknappheit in der City − Flächenreserven am Rand

− Bedeutung der City

− Suburbanisierungstrend

− Kundenorientierung der Unternehmen

− geringe Standortempfindlichkeit von

− Arbeitsmarkteinzugsbereich − cityorientiertes Verkehrsnetz − Prestigefaktoren

Neugründungen − wachsende Bedeutung von Kleinbetrieben

− Verlagerungskosten

− Ausweitung büroartiger Tätigkeiten

− Bedeutung von Face-to-face-Kontakten

− zunehmende Bedeutung attraktiver

− starre Arbeitsformen und -organisation − Verkehrszunahme bei Dezentralisierung − Substanzerhalt getätigter Investitionen − Begünstigung zentral orientierter Großbetriebe durch Informationstechnologie

Wohnstandorte − Möglichkeit der Reintegration von Wohnen und Arbeiten − Ubiquität von Informationen − Möglichkeit der Teleheimarbeit

− Abnahme von Verlagerungsdruck durch Freisetzung von Beschäftigung − Trend zur Mehrfachbeschäftigung − Erhöhung der Steuerungskapazität bei zentraler Organisation − Diffusionshemmnisse der Informationstechnologie Tabelle 27:Zentralisierungs- und dezentralisierungsfördernde Faktoren an europäischen Investitionsstandorten; Quelle: Beyerle 1998

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 125 Büroflächenbestand

Leerstandsrate

Spitzenmiete

Spitzenrendite*

Mio. m²

%

Trend

EUR/m²

Trend

%

Trend

Amsterdam

5,80

19,0

Ô

20,80

Ò

4,8

Ô

Athen

2,30

7,0

Ò

26,00

Î

5,5

Ô

Barcelona

3,50

5,3

Î

25,50

Ò

3,9

Ô

Berlin

17,70

9,0

Ô

21,10

Ò

5,5

Ô

Bratislava

0,45

9,0

Î

14,00

Î

6,0

Î

Brüssel

12,40

10,0

Î

19,20

Î

5,2

Ô

Budapest

1,50

12,0

Ô

15,50

Ò

5,3

Ô

Bukarest

1,00

6,0

Ô

20,00

Ò

7,5

Ô

Dublin

2,70

12,0

Ô

44,80

Ò

4,3

Ô

Frankfurt/M.

12,00

17,9

Ô

31,00

Ò

5,3

Ô

Helsinki

7,80

7,2

Ô

23,20

Ò

5,5

Ô

Istanbul

1,50

19,0

Ô

17,00

Ò

11,0

Ô

Kopenhagen

8,20

6,6

Î

18,05

Ò

4,5

Ô

Lissabon

2,50

12,1

Î

18,30

Ô

5,2

Ô

London***

13,70

7,7

Ô

105,70

Ò

3,5

Ò

Luxemburg

2,50

5,4

Ô

33,50

Ò

5,2

Ô

Madrid

7,20

6,1

Ò

30,60

Ò

3,4

Î

Mailand

6,80

10,8

Î

35,80

Î

4,5

Ô

Moskau

4,40

2,9

Î

79,70

Î

9,5

Ô

München

17,60

9,0

Ô

26,40

Ò

5,3

Ô

Oslo

8,75

8,2

Ô

25,30

Ò

5,0

Ô

Paris***

16,10

9,0

Ô

52,40

Ò

4,3

Ô

Prag

1,60

11,4

Ô

18,00

Ò

5,5

Ô

Riga

0,19

20,0

Ô

17,50

Î

8,0**

Î

Rom

7,30

6,8

Î

29,80

Ô

4,7

Ô

Sofia

0,25

17,5

Î

15,50

Î

9,5

Ô

Stockholm

10,60

12,9

Ô

30,80

Ò

4,5

Ô

Tallinn

0,23

1,5

Î

15,00

Î

7,0**

Î

Warschau

2,50

9,0

Ô

17,00

Î

5,0

Ô

Wien

9,60

6,0

Î

19,00

Ò

4,8

Ô

Wilna

0,21

3,0

Î

14,00

Î

8,0**

Ô

Zagreb

0,45

8,5

Ò

15,40

Ô

8,5

Ô

Zürich

5,23

6,0

Ô

34,60

Î

5,4

Ô

5,90 9,5 28,20 5,6 Durchschnitt Tabelle 28: Marktkennziffern 2006; Quelle: DEGI Research 2007; Der Trendzeitraum umfasst 12 Monate * Nettoanfangsrendite ** Es liegen keine Angaben vor, ob es sich um Brutto- oder Nettorenditen handelt. *** Central

126 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte

2.5.6

Herausforderungen internationaler Investments

Die Risiken, welche internationale Investitionen mit sich bringen, lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen: Zum einen die rechtliche Situation, zum anderen die tendenziell parallel verlaufende Marktreife der europäischen Immobilienmärkte, welche zunehmend unter dem Begriff der „yield compression“ diskutiert wird. Die Gründe, weshalb oftmals nur widerstrebend über die Landesgrenzen hinaus geschaut wird, sind dieselben, die üblicherweise im Zusammenhang mit einem Engagement an ausländischen Märkten angeführt werden. Dazu gehören eine subjektiv empfundene mangelhafte Aufsicht durch die entsprechenden Behörden, große Unterschiede der Rechnungslegungsstandards, relativ kleine und möglicherweise illiquide Märkte, höchst komplexe Steuerfragen und ein Mangel an lokalen Informationen und lokalem Fachwissen. Unabhängig vom einzelnen Standpunkt wird dieses Argument aber, im Sinne der Europäischen Harmonisierungsbestrebungen, immer mehr an Überzeugungskraft verlieren. D. h., diese sogenannten Eintrittsbarrieren werden nach und nach abgebaut werden. Letztlich bleibt nur noch eine grundsätzliche Herausforderung im Sinne eines make or by bzw. zentral vs. dezentral offen: Trotz langjähriger strategischer Notwendigkeit ist die Umsetzung vor Ort alles andere als einfach. Dies gilt vor allem in Bezug auf die logistischen Herausforderungen, die gerade in Ländern außerhalb der "alten" EU ein wesentlich größeres Gewicht auf der Top-EntscheiderAgenda einnehmen. Zum einen ist das Interesse an rentierlichen Immobilien europaweit sehr hoch. Insofern spiegelt sich in den zyklischen Marktverläufen neben einer zunehmenden Marktreife vor allem der Wunsch sehr vieler Investoren nach Sicherheit und Stabilität wider, die mit Immobilienengagements klassisch in Verbindung gebracht werden. Zum anderen ist das Phänomen sich angleichender Büromärkte auch ein Spiegelbild sehr ähnlicher Investitionsprofile der Investoren, gepaart mit zum Teil hohen Cash-Positionen. Und diese Profile sind traditionell - vor allem in Deutschland - auf den Bürosektor fokussiert. Als Ergebnis wird es in den nächsten Jahren noch stärkere Investitionen in andere Teilmärkte geben, z. B. Einzelhandel, Logistik und sicherlich auch wohnwirtschaftliche Anlagen. Abgerundet wird dies durch sogenannte Nischenmärkte. Im Umkehrschluss sollten sich sehr klare, voneinander abgegrenzte Fondsprofile herauskristallisieren, die über unterschiedliche Rendite-/Riskoprofile verfügen.

2.5.7

Fazit

Mit der Verabschiedung des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes 2002 haben sich die Rahmenparameter für Immobilieninvestoren grundlegend geändert. Seitdem sind zwei wesentliche Effekte messbar: Zum einen hat die Auflage neuer Immobilienprodukte mit einer europäischen Prägung stark zugenommen, zum anderen auch das Auftreten neuer Gesellschaften den Wettbewerb intensiviert. Die Objektzukäufe einiger Fondsgesellschaften in den letzten Monaten an bisher „exotischen Standorten“ innerhalb Europas untermauern diese Entwicklung. Durch den Wegfall der 20 %-Grenze für den Immobilienerwerb außerhalb des Europäi-

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 127 schen Wirtschaftsraumes (EWR) eröffnet sich die Chance, die europaweit bzw. weltweit unterschiedlichen Immobilienzyklen besser zu nutzen als bisher und Portfolios somit effizienter zu diversifizieren. Ein internationaler Ansatz bietet mehrere Vorteile: substanzielles Diversifikationspotenzial sowie der Zugang zu neuen Märkten mit Möglichkeiten zur Renditeverbesserung. Als Folge dieser Europäisierung des Anlageverhaltens lassen sich neben einer Optimierung des Portfoliobestandes auch die Transaktionskosten durch den indirekten Erwerb im Vergleich zum Direkterwerb erheblich effizienter gestalten. Doch lösen diese Maßnahmen nun einen internationalen Wettbewerb auf der Suche nach attraktiven Objekten rund um den Globus aus? Zunächst einmal stellt sich die Frage nach den damit verbundenen „Engpassfaktoren“ oder auch den Informationsdefiziten bezüglich der „neuen Märkte“. In erster Linie werden die Ansprüche an internationale Immobilienmarktexpertisen steigen. Die Fondsmanager werden für die Anleger stärker als bisher neue Märkte erschließen, z. B. in Mittel- und Osteuropa, auf dem Balkan. Die Entscheider werden sich überrascht zeigen, was sie zum Teil an immobilienökonomischen Informationen geboten bekommen – die Qualitätsunterschiede sind noch immer sehr heterogen. Eine länderübergreifende Vergleichbarkeit der Daten ist häufig nicht gegeben. Die Flexibilisierung der internationalen Anlagemöglichkeiten ermöglicht den Kapitalanlagegesellschaften eine größere Produktdifferenzierung. Infolge der breiteren Produktpalette ergibt sich gegenüber anderen Assetklassen (Aktien, Rentenpapiere) eine verbesserte Wettbewerbsposition um Anlagegelder in Europa. Die große Herausforderung aber auch Chance wird für den Vertriebsbereich dann im Erschließen neuer Kundengruppen unter der AssetKlasse „Immobilien“ sein. Hierin liegt der wahre Paradigmenwechsel für die Immobilienbranche. So lassen sich durch die Entwicklung zielgruppenspezifischer Fonds analog zu Aktienfonds beispielsweise Länder- bzw. Regionalfonds oder auch segmentspezifische Fonds kreieren und damit neue Anlegergruppen erschließen. Vor allem über die „story” wird sich der neue Anlegertypus ansprechen lassen. Strategisch fördern die erweiterten internationalen Anlagemöglichkeiten somit die Entwicklung der Immobilie als eigene Asset-Klasse für das risikoadjustierte Portfoliomanagement. Immobilieninvestments werden von institutionellen Investoren zunehmend als eine eigene Vermögenskategorie mit spezifischem Rendite- und Risikoprofil betrachtet werden müssen. Die Immobilie wird damit mehr sein als lediglich eine sicherheitsorientierte Beimischung zu anderen Investmentformen. Hinzu gesellen werden sich Kombinationsprodukte aus verschiedenen Anlagemöglichkeiten, die als zusätzliche Anlegerofferte angeboten werden. Wo sind allerdings die Grenzen der zunehmenden Internationalisierung der europäischen Immobilienmärkte? Bis es zu dem von vielen erwarteten Wettlauf rund um den Planeten kommen wird, werden die Investoren noch einige strategische Überlegungen anzustellen haben: •

Sollen strategische Kooperationen mit regionalen Partnern aufgebaut und intensiviert werden, oder lohnt die Vor-Ort-Präsenz der nötigen Einheiten?

128 2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte •

Wie exakt lassen sich rechtliche, wirtschaftliche und immobilienmarktbezogene Entwicklungen an bisher „exotischen“ Standorten prognostizieren?



Welche Identifikation hat ein Anleger mit Objekten in fernen Ländern?

Und, eines darf trotz aller Euphorie nicht vergessen werden: Die Möglichkeiten, welche der Gesetzgeber den Investoren einräumt, sind als Angebot zu verstehen und prinzipiell zu begrüßen – im welchem Umfang sie davon Gebrauch machen, ist offen. Wegen der vielfältigen Ausprägung dieses Zyklus präsentieren sich die direkten Immobilienmärkte zur Zeit je nach Region und Sektor in einem unterschiedlichen Zustand. Internationalisierung ist für die Unternehmen eine strategische Notwendigkeit.

2 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienmärkte 129

Literaturverzeichnis zu Kapitel 2.5 Beyerle, T.: Standorthandeln von Finanzdienstleistern, Stuttgart. 1998. Beyerle, T.: Immobilienerwerb in Europa, in: Immobilien Manager, Nr. 10, 1998, S. 98-99. Bronger, D.: Metropolen, Megastädte, Global Cities. Die Metropolisierung der Erde, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004. DEGI Research: Global Values – Immobilieninvestments 2005, Frankfurt am Main. 2005. DEGI Research: Urban Values – Immobilieninvestitionen in Europa 2004, Frankfurt am Main. 2004. Jones Lang LaSalle: Investment: The search for return, o. O. 2005. Prudential: Global REITs: A New Platform of Ownership, New York. 2005. Sassen, S.: Place and Production in the Global Economy, in: Bryson, J./Nick, H./Keeble, D./Martin, R. (Hrsg.): The Economic Geography Reader, Wiley, New York 1994, S. 252 – 256. Sassen, S.: Metropolen des Weltmarkts, Campus Verlag, Frankfurt 1997.

3

Makroökonomik und Immobilienmärkte Hartmut Bulwien, Marcus Cieleback, Tina Haller, Christoph Härle, Christoph Holzmann, Tobias Just, Gabriel S. Lee, Wolfgang Maennig, Kilian Mahler, Annette Mayer, Harald Nitsch, Nico B. Rottke, Thomas Steinmüller

3.1

Analyse und Prognose von Immobilienmärkten auf der Basis von Modellen Marcus Cieleback, Christoph Holzmann, Harald Nitsch, Nico B. Rottke .............................. 133

3.2

Immobilienmarktprozesse nach Immobilientypen Hartmut Bulwien, Thomas Steinmüller, Kilian Mahler, Tobias Just, Christoph Härle, Tina Haller, Gabriel S. Lee ................................. 221

3.3

Demografische Entwicklungen und die Immobilienwirtschaft Annette Mayer, Wolfgang Maennig ...................... 305

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

133

3.1

Analyse und Prognose von Immobilienmärkten auf der Basis von Modellen

3.1.1

Einführendes Immobilienmarktmodell Marcus Cieleback .............................................. 136 Ökonometrische Analyse von Immobilienmärkten Harald Nitsch .................................................... 150 Immobilienzyklen Nico B. Rottke............................................................ 172 Real Estate Confidence Indicator Christoph Holzmann .......................................... 199

3.1.2 3.1.3 3.1.4

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.1

135

Einführendes Immobilienmarktmodell Marcus Cieleback

3.1.1.1 Definitorische Grundlagen.............................................................................136 3.1.1.2 Teilmärkte des Modells..................................................................................136 3.1.1.2.1 Nutzermarkt ...................................................................................................136 3.1.1.2.2 Investmentmarkt ............................................................................................138 3.1.1.2.3 Neubaumarkt..................................................................................................139 3.1.1.2.4 Bestandsanpassung ........................................................................................140 3.1.1.3 Gesamtmodell ................................................................................................141 3.1.1.3.1 Zusammenführen der Teilmärkte...................................................................141 3.1.1.3.2 Auswirkungen einer Änderung des Kapitalisierungszinssatzes .....................142 3.1.1.3.3 Auswirkungen einer Veränderung der Mietzahlungsbereitschaft ..................143 3.1.1.4 Fazit ...............................................................................................................145 Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.1 ......................................................................................147

136 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.1

Einführendes Immobilienmarktmodell Marcus Cieleback

3.1.1.1

Definitorische Grundlagen

Unter einem Modell versteht man in der Ökonomie eine vereinfachte Abbildung der Realität. Wichtig ist, dass die Betonung auf dem Wort „vereinfacht“ liegt. Als Beispiel kann in diesem Zusammenhang eine Landkarte dienen. Welchen Nutzen hätte eine Landkarte, wenn sie im Maßstab 1:1 angefertigt worden wäre? Sie wäre nicht zu gebrauchen. Das gleiche gilt, wenn man mit einem ökonomischen Modell versuchen würde, alle Aspekte der Realität zu beschreiben. Der Nutzen eines Modells besteht im Weglassen der, für die untersuchte Fragestellung, irrelevanten Einzelheiten, wodurch eine Konzentration auf das Wesentliche erfolgen kann. Die Kunst beim Bau eines Modells besteht darin, die richtigen Vereinfachungen zu wählen. Etwas, das leichter klingt als es ist. Generell sollte bei jeder Untersuchung das einfachste Modell herangezogen werden, mit dessen Hilfe die untersuchte Situation beschrieben werden kann. Um die so gewonnenen Ergebnisse auf ihre Gültigkeit zu testen, können in weiteren Untersuchungsschritten Vereinfachungen aus dem Modell entfernt werden, wodurch das Modell realistischer wird. Auf diese Weise entsteht ein immer realitätsnäheres Modell, welches allerdings auch komplexer und damit schwieriger zu lösen wird. Bei allen modellgestützten Analysen ist zu beachten, dass man mit ihnen Ergebnisse in Form von Wenn-DannAussagen erhält, bei denen den Annahmen des Modells eine zentrale Bedeutung zukommt. Das im Folgenden präsentierte einfache Modell orientiert sich an DiPasquale/Wheaton (1992), sowie Fischer (1992) und Fischer/Hudson-Wilson/Wurtzbach (1993), die ein vergleichbares Modell verwenden. Zentrale Eigenschaft des Modells ist, dass keine Darstellung der Anpassungsprozesse erfolgt. Allerdings können im Modell, im Sinne der “komparativen Statik”, Auswirkungen exogener Parameteränderungen auf die endogenen Gleichgewichtsvariablen untersucht werden. Bei derartigen Analysen werden andere Veränderungen in der Volkswirtschaft ausgeblendet, das Umfeld wird konstant gehalten (ceteris-paribus-Klausel). Das Modell ist auf Grund seiner einfachen Struktur prinzipiell auf alle Immobiliennutzungsarten anwendbar. Die jeweiligen Unterschiede werden dabei vor allem in den Einflussfaktoren der Nachfragekurve abgebildet werden.

3.1.1.2

Teilmärkte des Modells

3.1.1.2.1

Nutzermarkt

Der Nutzermarkt wird auch als Mietmarkt bezeichnet, da in diesem Markt die Miete, als zentraler Preis des Marktes, für den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage sorgt. Die Nachfrage nach Mietflächen wird durch eine fallende Kurve in Abbildung 38 dargestellt. Dies entspricht der generellen Form einer Nachfragekurve, bei der ein niedrigerer Preis eine

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

137

höhere Nachfrage auslöst. Im Fall des Wohnungsmarktes kann man davon ausgehen, dass die Nachfrage nach Wohnfläche, von der Miete, der Anzahl der Haushalte und dem Einkommen der Haushalte abhängen wird. Eine höhere Miete wird dabei eine geringere Nachfrage zur Folge haben, während ein höheres Einkommen oder eine größere Anzahl an Haushalten die Nachfrage nach Wohnfläche erhöhen werden. Grafisch bedeutet ein höheres Einkommen oder eine größere Anzahl an Haushalten, dass sich die Nachfragekurve in Abbildung 38 nach rechts verschiebt.

Abbildung 38: Nutzermarkt; Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an DiPasquale/Wheaton 1992

Analysiert man den Büromarkt, so ist zu beachten, dass es sich bei der Nachfrage nach Büroflächen, anders als auf dem Wohnungsmarkt, um eine abgeleitete Nachfrage handelt. Die Nachfrage eines Unternehmens nach Büroflächen wird sich aus seinen Produktionsentscheidungen herleiten. Die Büroflächen haben für das Unternehmen nur in dem Sinne einen Nutzen, als dass sie zur Herstellung von Produkten oder Dienstleistungen benötigt werden. Dies gilt auch für die repräsentativen Bauten der Firmenzentralen oder Repräsentanzen, da diese den Unternehmen entweder ihr Geschäft erleichtern, in dem sie den Erfolg des Unternehmens signalisieren, oder einen zusätzlichen immateriellen Gehaltsbestandteil für die Angestellten darstellen. In einem einfachen Modell für die Nachfrage nach Büroflächen kann daher davon ausgegangen werden, dass diese von Mietniveau, vom Output der Firma und der pro Arbeitskraft benötigten Fläche abhängt. Wie im Fall des Wohnflächenmarktes wird auch in diesem Fall eine höhere Miete die Flächennachfrage reduzieren, während ein höherer Output oder ein höherer Flächenbedarf je Angestellten die Büroflächennachfrage erhöhen werden. Grafisch haben die letzten beiden Fälle den gleichen Effekt auf die Nachfragekurve in Abbildung 38, wie ein höheres Einkommen oder eine größere Anzahl an Haushalten im Fall des Wohnungsmarktes, d. h. sie verschieben die Nachfragekurve nach rechts.

138 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Das Angebot bzw. der Bestand an Wohn- oder Büroflächen ist fix gegeben und kann auf Grund der langen Produktionsdauer von Immobilien nicht kurzfristig verändert werden. Er ist unabhängig vom Preis, d. h. das Angebot ist vollkommen preisunelastisch. Es gibt eine bestimmte Menge an Wohn- bzw. Bürofläche und diese verändert sich nicht, auch wenn der Preis steigt oder sinkt. Durch Gleichsetzen von Nachfrage und Angebot ergibt sich das Marktgleichgewicht, das den Schnittpunkt von Nachfrage- und Angebotskurve darstellt. Hierbei wird vereinfachend angenommen, dass der Immobilienbestand gut unterhalten wird, wodurch kein Qualitätsunterschied zwischen Alt- und Neubau besteht, so dass die Nachfrager indifferent sind. Im Gleichgewicht entspricht die nachgefragte Fläche genau der angebotenen Fläche, es gibt keine leerstehenden Flächen. Der Ausgleich zwischen Nachfrage und Angebot erfolgt über den Preis. Das ursprüngliche Gleichgewicht in Abbildung 38 liegt bei B0 und m0. 3.1.1.2.2

Investmentmarkt

Die gleichgewichtige Miete des Nutzermarktes ist ein wesentlicher Bestimmungsfaktor für den Wert einer Immobilie. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass sich auf dem Nutzermarkt durch den Ausgleich von Angebot und Nachfrage ein langfristiges Gleichgewicht eingestellt hat. In diesem Fall gilt, dass ohne externe Schocks bzw. Veränderungen, dieser Mietertrag periodisch in gleicher Höhe anfällt und folglich für eine lange Zeit gilt. Auf dem Investmentmarkt werden diese Cash-Flows aus dem Nutzermarkt in Preise transformiert. Der Investmentmarkt ist folglich nichts anderes als ein Kapitalmarkt für Mieterträge, auf dem die Kapitalisierung zukünftiger Mieterträge erfolgt. Das zentrale Konzept im Rahmen dieser Kapitalisierung ist der Barwert oder Gegenwartswert. Der Preis einer Immobilie auf dem Kapitalmarkt entspricht dem Barwert der (zukünftigen) Mieterträge. Die zu klärende Frage ist nun, mit welchem Zinssatz die zukünftigen Mieterträge diskontiert werden. Die Ermittlung des für die Immobilie relevanten Kapitalisierungszinses kann dabei auf Basis einer ökonomischen Bewertung (Risikopricing) oder auf Basis rechtlicher Grundlagen (z. B. WertV) erfolgen. Die dem Modell zu Grunde liegende Annahme effizienter Märkte bedeutet, dass die Bewertung nach rechtlichen Grundlagen zu den gleichen Ergebnissen führt, wie die ökonomische Bewertung. D. h. auch mit Hilfe der sich an rechtlichen Grundlagen orientierenden Bewertung ergibt sich ein Immobilienwert, bei dem der Investor eine, für das eingegangene Risiko, angemessene Risikoprämie erhält. Auf der Grundlage einer Barwertberechnung mit Hilfe des Kapitalisierungszinssatzes ergibt sich der Wert der Immobilie, in dem die (jährlichen) Mieteinnahmen einer Immobilie durch den Kapitalisierungszinses geteilt bzw. mit dem Vervielfacher, dem Kehrwert des Kapitalisierungszinssatzes, multipliziert werden. Für den Zusammenhang zwischen dem Wert einer vollvermieteten Immobilie und dem Kapitalmarktzinssatz ergibt sich somit eine inverse Beziehung. Wenn bspw. der langfristige risikolose Zins steigt, steigt der Kapitalisierungszinssatz und damit fällt der Gegenwartswert der zukünftigen Mieteinnahmen und folglich der Immobilienwert. Sinkt der Zins, so steigt der Wert der Immobilie. Zinsänderungen auf dem Kapital-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

139

markt führen daher zu einer Drehung der Kurve um den Ursprung mit dem entsprechenden Auswirkungen auf dem Immobilienwert (vgl. Abbildung 39). Miete Kapitalisierungszinssatz steigt

m0

Abbildung 39: Investmentmarkt; Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ball/Lizieri/MacGregor 2001

3.1.1.2.3

Neubaumarkt

Bei ihrer Entscheidung, ein Projekt zu starten, orientieren sich die Projektentwickler vornehmlich an zwei Größen. Zum einen an dem Wert der Immobilien, wie er durch den Investmentmarkt bestimmt wird und zum anderen an den Herstellungskosten der Immobilie. Liegt nämlich der Wert der Immobilien über den Herstellungskosten, ist dies für Projektentwickler ein Zeichen, dass es sich lohnt Immobilien zu bauen, da sie beim herrschenden Mietniveau einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen Wert und Herstellungskosten erzielen können. Der Neubau wird daher zunehmen, bis die Herstellungskosten dem Wert der Immobilie entsprechen. Im Gleichgewicht auf dem Neubaumarkt muss folglich der Preis der Immobilien den Herstellungskosten entsprechen, da nur in dieser Situation für die Projektentwickler kein Anreiz besteht, ihre Neubautätigkeit auszuweiten bzw. einzuschränken. Dies bedeutet, Neubau geschieht auf einem Niveau, bei dem der Wert der Immobilie den Herstellungskosten entspricht. Damit für die Projektentwickler der Bau von Projekten rentabel ist, müssen die Immobilien allerdings einen Mindestwert haben. Liegt der Immobilienwert darunter, kommt es zu keinem Neubau. Grafisch bedeutet dies, dass der Zusammenhang zwischen Immobilienwert und Neubau nicht im Ursprung des Koordinatensystems beginnt. Da die Ressourcen für den Neubau nur in begrenztem Umfang vorhanden sind und Ressourcen aus anderen Sektoren nicht einfach in den Immobilienbereich umgeschichtet werden können, ohne Produktivitätsverluste hinnehmen zu müssen, kann davon ausgegangen werden, dass die Herstellungskosten der Immobilien mit zunehmendem Neubauniveau steigen werden. Engpässe in der Bauindustrie oder ein knappes Landangebot führen daher in der Realität dazu, dass die Kurve immer flacher wird, bis die Kapazitätsgrenze erreicht ist. Aus

140 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Vereinfachungsgründen wurde in Abbildung 40 nur die Kapazitätsgrenze der Bauwirtschaft und nicht die zunehmenden Kapazitätsengpässe dargestellt.

Abbildung 40: Neubaumarkt; Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ball/Lizieri/MacGregor 2001

3.1.1.2.4

Bestandsanpassung

Ein langfristiges Bestandsgleichgewicht erfordert, dass der Neubau auf dem Immobilienmarkt genau den Abgängen entspricht, da nur so der Bestand auf dem Markt konstant bleibt. Im Gleichgewicht muss daher der sich aus der Abschreibungsrate ergebende Abgang aus dem Bestand dem Neubau in der Periode entsprechen (vgl. Abbildung 41). Anders ausgedrückt, der Bestand bleibt konstant.

Abbildung 41: Bestandsanpassung; Quelle: Eigene Darstellung

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.1.3

Gesamtmodell

3.1.1.3.1

Zusammenführen der Teilmärkte

141

Eine genaue Analyse der vier Teilmärkte zeigt, dass diese so zusammengeführt werden können, dass sie sich in einem einzigen Diagramm mit vier Quadranten darstellen lassen. Der Nutzermarkt hat mit dem Investmentmarktmarkt die Achse Mietpreis gemeinsam. Gleichzeitig hat der Nutzermarkt mit dem Bereich Bestandsanpassung die Achse Bestand gemeinsam. Der Investmentmarkt hat mit dem Neubaumarkt die Achse Immobilienwert gemeinsam. Gleichzeitig hat der Neubaumarkt mit dem Bereich Bestandsanpassung die Achse Neubau gemeinsam. Durch drehen, bzw. spiegeln der einzelnen Märkte lassen sich diese daher in ein Vier-Quadranten-Modell zusammenführen, in dem grafisch das simultane Gleichgewicht in allen vier Teilmärkten hergeleitet werden kann (vgl. Abbildung 42). Nachdem das Gleichgewicht auf dem Immobilienmarkt grafisch hergeleitet worden ist, können mit diesem einfachen Modell Auswirkungen von politischen Eingriffen bzw. Veränderungen der exogenen Variablen mit ihren Auswirkungen auf den Bestand, die Miethöhe, den Preis und den Neubau analysiert werden. Im Folgenden sollen zwei derartige Fäller näher untersucht werden.

Abbildung 42: Vier-Quadranten Modell; Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an DiPasquale/Wheaton 1992

142 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte 3.1.1.3.2

Auswirkungen einer Änderung des Kapitalisierungszinssatzes

Ein möglicher Auslöser könnte z. B. eine Veränderung der langfristigen Kapitalmarktzinsen sein oder es kommt durch politische Maßnahmen zu einer Veränderung der steuerlichen Behandlung von Immobilien, wodurch sich die Risikoprämie, welche von Investoren bei der Investition in Immobilen verlangt wird, verändert. Angenommen es kommt zu einem Zinsanstieg in der Volkswirtschaft. Dies bedeutet, dass der langfristige risikolose Zins, in Deutschland bspw. gegeben durch die Rendite von 10jährigen Bundesanleihen, steigt. Für Investoren, die sowohl in Anleihen als auch in Immobilien investieren, bedeutet dies, dass Anleihen eine im Vergleich zu Immobilien höhere Rendite aufweisen. Als Konsequenz werden die Investoren versuchen, ihr Kapital aus dem Immobiliensektor abzuziehen um es im Rentenbereich anzulegen. Andererseits bedeutet das Ansteigen des langfristigen risikolosen Zinssatzes auch, dass es aus ökonomischer Sicht zu einem Anstieg des Kapitalisierungszinssatzes kommen sollte, sofern sich die Risikoeinschätzung für Immobilien nicht geändert hat. Auf dem Investmentmarkt bedeutet dies, dass es zu einer Drehung der Gerade im II. Quadranten nach rechts kommt. Bei gegebenem Mietniveau ergeben sich geringere Immobilienwerte als vorher.

Abbildung 43: Anstieg des Kapitalisierungszinssatzes; Quelle: Eigene Darstellung

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

143

Durch diese Veränderung ergibt sich eine Situation, in der sich die Positionen in den einzelnen Quadranten nicht mehr zu einem Gleichgewicht ergänzen (vgl. Abbildung 43). Es muss zu Anpassungsprozessen kommen, damit sich ein neues Gleichgewicht auf dem Immobilienmarkt einstellen kann. Da sich der Neubau an den Immobilienwerten orientiert, wird es hier zu einem Rückgang der Neubauten kommen, wodurch die Bestandsanpassung ein Gleichgewicht bei einem geringeren Neubauvolumen zur Folge hat. Im Endeffekt stellt sich so ein geringerer Immobilienbestand ein, der aufgrund einer unveränderten Flächennachfrage zu höheren Mieten als im Ausgangsgleichgewicht führt. Die Zinserhöhung in der Volkswirtschaft führt auf dem Immobilienmarkt zu einem neuen Gleichgewicht, bei dem im Vergleich zum ursprünglichen Gleichgewicht die Mieten gestiegen sind, der Bestand und der Neubau zurückgegangen und die Immobilienwerte, trotz der gestiegenen Mieten, gesunken sind (vgl. Abbildung 44). Gleichzeitig stellen Immobilien nun wieder eine im Vergleich zu Anleihen risikoadäquat verzinste Anlage dar.

Abbildung 44: Altes vs. neues Gleichgewicht bei gestiegenem Kapitalisierungszinssatz; Quelle: Eigene Darstellung

3.1.1.3.3

Auswirkungen einer Veränderung der Mietzahlungsbereitschaft

Die Veränderung der Mietzahlungsbereitschaft ist eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung verbunden. Kommt es zu Wirtschaftswachstum, so hat dies für die meisten Haushalte in der Regel zur Folge, dass sich ihr Einkommen erhöht. In Folge dieser Einkommenserhöhung wird im Normalfall die Nachfrage nach Wohnraum zunehmen, wie dies durch die Entwick-

144 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte lung der Wohnfläche je Einwohner in Deutschland in der Vergangenheit bestätigt worden ist. Für die Unternehmen bedeutet wirtschaftliches Wachstum in den meisten Fällen, dass ihr Output steigt, da sie von ihren Produkten mehr verkaufen können. Nimmt man an, dass die pro Arbeitnehmer benötigte Fläche konstant bleibt, hat ein steigender Output mehr Flächennachfrage zur Folge. In beiden Fällen kann die durch das wirtschaftliche Wachstum ausgelöste höhere Mietzahlungsbereitschaft der Haushalte bzw. Unternehmen als eine Verschiebung der Nachfragekurve im I. Quadranten nach rechts interpretiert werden. Dies bedeutet, bei einem gegebenen Mietpreis werden die Nutzer mehr Fläche nachfragen, als in der Ausgangssituation. Es wird deutlich, dass sich diese neue Situation nicht als Gleichgewicht darstellt, da sich die Linien nicht zu einem Viereck zusammenfügen, wie sie es vor der Erhöhung der Mietzahlungsbereitschaft getan haben. Es muss folglich zu Prozessen kommen, die dazu führen, dass sich das Angebot, der Neubau, der Immobilienwert und die Mieten an die veränderte Situation anpassen.

Abbildung 45: Auswirkung der gestiegenen Mietzahlungsbereitschaft; Quelle: Eigene Darstellung

Durch die gestiegenen Mieten steigt der Wert der Immobilien. Dies führt im Neubaumarkt des III. Quadranten zu steigenden Neubauten, die einen höheren Immobilienbestand zur Folge haben. Dadurch verschiebt sich die Angebotskurve im I. Quadranten nach rechts, wodurch die Mieten wieder etwas zurückgehen und sich ein neues Gleichgewicht einstellt.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

145

Abbildung 46: Altes vs. Neues Gleichgewicht bei gestiegener Mietzahlungsbereitschaft; Quelle: Eigene Darstellung

Im neuen Gleichgewicht hat die Erhöhung der Mietzahlungsbereitschaft dazu geführt, dass die Mieten im Vergleich zum ursprünglichen Gleichgewicht gestiegen sind. Dies führt zu gestiegenen Immobilienwerten, einem erhöhten Neubau und auch zu einem höheren Immobilienbestand als im Ausgangsgleichgewicht (vgl. Abbildung 45).

3.1.1.4

Fazit

Immobilien werden – ebenso wie Aktien und Renten - zunehmend als eigenständige AssetKlasse betrachtet. Die dort angewendeten Analysemethoden werden verstärkt auf Immobilien übertragen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Analyse und Prognose von Immobilienmärkten auf der Basis von Modellen. Bei der Verwendung von Modellen muss sich der Nutzer jedoch über ihre grundlegenden Eigenschaften im Klaren sein und diese im Zusammenhang mit den Besonderheiten des Immobilienmarktes berücksichtigen. Insbesondere die durch Modelle erfolgte vereinfachte Abbildung der Realität ist vor dem Hintergrund der zum Teil immer noch begrenzten Datenverfügbarkeit auf den Immobilienmärkten bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten. Die fortschreitende Professionalisierung der Immobilienbranche in Deutschland sowie die zunehmende Verfügbarkeit von Datenmaterial wird in Zukunft jedoch dazu führen, dass Marktmodellierungen, wie sie im angelsächsischen Bereich bereits seit Jahren erfolgen, auch in Deutschland verstärkt Anwendung finden. Das oben dargestellte einfache Immobilienmarktmodell kann, in mathematischer Darstellung, einen Einstieg für derartige Modellierun-

146 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte gen bilden. Die sich ergebenden funktionellen Beziehungen können als Ausgangspunkt für ökonometrische Analysen verwendet werden mit Hilfe derer in einem weiteren Schritt quantitative Prognosen erstellt werden können (vgl. hierzu Kapitel 3.1.2 Ökonometrie in diesem Buch). Die einfache Struktur des Modells sollte allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, dass die ökonometrische Schätzung des Modells keine hohen Anforderungen an die verwendeten Daten stellt. Im Rahmen der Modellierung von Märkten mit dem Ziel einer ökonometrischen Analyse werden hohe Anforderungen an Datenauswahl, Kontrolle und Bearbeitung gestellt. Jeder Analyst sollte sich daher sehr sorgfältig mit den verwendeten Daten auseinandersetzen, um eine möglichst große Sicherheit bezüglich der Ergebnisse seiner Analyse zu erhalten.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

147

Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.1 Achour-Fischer, D.: An integrated property market model: a pedagogical tool, in: Journal of Real Estate Practice and Education, Vol. 2, 1999, S. 33 – 43. Archer, W. R./Ling, D. C.: The three dimensions of real estate markets: linking space, capital, and property markets, in: Real Estate Finance, Vol. 14, 1997, S. 7 – 14. Ball, M./Lizieri, C./MacGregor, B. D.: The Economics of Commercial Property Markets, London und New York 1998. DiPasquale, D./Wheaton, W. C.: The Markets for Real Estate Assets and Space: A Conceptual Framework, in: Journal of the American Real Estate and Urban Economics Association, Vol. 20, 1992, S. 181 – 197. Dopfer, T.: Der westdeutsche Wohnungsmarkt: Ein dynamisches Teilmarktmodell, München 2000. Fischer, J. D.: Integrating Research on Markets for Space and Capital, in: Journal of the American Real Estate and Urban Economics Association, Vol. 20, 1992, S. 161 – 180. Fischer, J. D./Hudson-Wilson, S./Wurtzbach, C. H.: Equilibrium in Commercial Real Estate Markets: Linking Space and Capital Markets, in: The Journal of Portfolio Management, Vol. 19, 1993, S. 101 – 107. McDonald, J. F.: Rent, vacancy and equilibrium in real estate markets, in: Journal of Real Estate Practice and Education, Vol. 3, 2000, S. 55 – 69. Wernecke, M.: Büroimmobilienzyklen, in: Schulte, K.-W. und Bone-Winkel, S. (Hrsg.): Schriften zur Immobilienökonomie, Band 31, Köln 2004.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.2

149

Ökonometrische Analyse von Immobilienmärkten Harald Nitsch

3.1.2.1 Ökonometrie als praktisches Werkzeug.........................................................150 3.1.2.2 Von der Idee zum ökonometrischen Modell..................................................151 3.1.2.3 Ökonometrische Grundkonzepte....................................................................153 3.1.2.4 Problembehaftete Modelle erkennen..............................................................156 3.1.2.4.1 Verletzung der Annahmen des Klassischen Modells .....................................156 3.1.2.4.2 Ein Regressionsoutput ...................................................................................157 3.1.2.4.3 Fehlspezifizierte Modelle...............................................................................159 3.1.2.5 Fallstudie Immobilieninvestition ...................................................................160 3.1.2.6. Ökonometrie nutzbar machen ........................................................................168 Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.1.2 ...................................................................................169

150 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.2

Ökonometrische Analyse von Immobilienmärkten Harald Nitsch

3.1.2.1

Ökonometrie als praktisches Werkzeug

Immobilienwirtschaftlich Tätige haben seit jeher die „moderne Wissensgesellschaft“ vorweggenommen, denn sie sammeln und bündeln das Wissen, wo Angebot und Nachfrage zusammenfinden können (Maklertätigkeit) oder auch was eine Immobilie aus ökonomischer Sicht wert ist (Bewertung). Ökonometrie hilft, dieses Wissen, sofern es sich in messbaren Größen ausdrücken lässt, systematisch zusammenzufassen und mit statistischen Methoden auszuwerten. Statistische Verfahren sind von Außenstehenden nachvollziehbar und können dadurch eine wertvolle Argumentationshilfe gegenüber Dritten sein, etwa im Rahmen von Gerichtsverhandlungen oder beim Controlling innerhalb eines Konzerns. Nachdem ein Modell jedoch nicht alle Einflussfaktoren erfassen kann und auch nicht soll – Aufgabe von Modellen ist es zu vereinfachen –, ist die Einschätzung des markterfahrenen Praktikers gerade bei der Interpretation statistischer Daten besonders wertvoll. Insofern ergänzen sich die statistischen Methoden, um eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu finden, und das Wissen um die Grenzen der Modelle, welche der Praktiker beisteuert. Daher sind im Idealfall beide Fähigkeiten, die analytische Auswertung von Daten und die Marktkenntnis, in einer Person vereint. Nachdem sich ökonometrische Verfahren im Detail aber als relativ komplex erweisen, wird in den meisten Fällen die Arbeitsteilung zwischen Praktiker und Ökonometriker die wahrscheinlichere Konstellation sein. Damit sich die Fachkenntnisse gegenseitig ergänzen können, ist jedoch das wechselseitige Verständnis für Vorgehensweise und Probleme des Gegenübers notwendig. Hier setzt das vorliegende Kapitel an, indem es den Immobilienökonom in die Lage versetzt, ökonometrische Projekte aktiv zu begleiten und dabei die Chancen und Grenzen beim Einsatz als praktisches Tool in der eigenen Wertschöpfung abzuwägen. Das Wissen, dass ökonometrische Verfahren in bestimmten Situationen verzerrte oder unpräzise Ergebnisse liefern können, schafft auch mehr kritische Distanz gegenüber statistisch fundierten Aussagen: Zahlen, die ja „objektiv“ untermauert erscheinen, haben die Tendenz, sich als „Tatsachen“ zu verselbständigen, sofern man nicht kritisch ihre Entstehung hinterfragt. Insofern schützt die Kenntnis ökonometrischer Problembereiche auch vor Manipulation. Der Aufbau dieses Kapitels umfasst vier Schritte: Zunächst wird eine generelle Vorgehensweise vorgeschlagen, um die Suche nach einem ökonometrischen Modell systematisch und nachvollziehbar zu strukturieren. Im nächsten Abschnitt werden einige wichtige ökonometrische Grundkonzepte vorgestellt. Im dritten Teil werden Probleme der Modellspezifikation und ihre Konsequenzen behandelt. Der vierte Teil schließlich ist der konkreten Anwendung im Rahmen einer Fallstudie gewidmet.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.2.2

151

Von der Idee zum ökonometrischen Modell

Bei der Formulierung eines Modells bestehen oft Freiräume bei der Wahl der Variablen, der Umwandlung von Daten (Übergang zu Wachstumsraten, Logarithmierung etc.) und dem Einbezug zeitlicher Verzögerungen, so dass grundsätzlich eine Mehrzahl von ähnlichen Modellen geschätzt werden könnte. Teststatistiken helfen, gehaltvolle Modelle von unsinnigen zu trennen. Leider bieten diese Teststatistiken, von denen wir einige kennen lernen werden, keinen hundertprozentigen Schutz vor Fehlentscheidungen, da sie auf zufallsbedingten Daten beruhen. Je nach Anwendung der Tests fallen 1% - 5% fehlerhafte Modelle durch das Raster. Wenn man nun Dutzende sinnloser Modelle schätzte, so würden dennoch einige von ihnen ohne Beanstandung akzeptiert werden. Systematisches Vorgehen begrenzt von vorneherein die Zahl der getesteten Modelle und unterdrückt weitestgehend die willkürliche Auswahl seitens des Ökonometrikers, nicht zuletzt um das Endergebnis dem Außenstehenden plausibel zu machen. In Anlehnung an Studenmund bieten sich fünf Schritte an (vgl. Abbildung 47). Schritt 1: Wahl eines ökonomischen Modells Ausgangspunkt ist immer eine Theorie oder ein ökonomisches Modell. Wenn beispielsweise die Mietentwicklung in einer Stadt im Zeitablauf ökonometrisch erklärt werden sollte, böte sich ein ökonomisches Modell für Angebot und Nachfrage im Mietmarkt an. Das Angebot könnte durch Zahl der Bestandsimmobilien, Leerstandsquote und Neubautätigkeit beschrieben werden, die Nachfrage aus der Zahl der Haushalte (Migration, Demografie) und deren Einkommensentwicklung. Das theoretische Modell hilft, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und den Kreis der ökonomischen Variablen einzugrenzen, die in das Modell eingehen sollen. Anregungen hierzu sind aus veröffentlichten Studien oder der Befragung von Experten zu ziehen. In diesem ersten Schritt ist eine eingehende Literaturrecherche nach vorhandenen ähnlichen Arbeiten dringend anzuraten. Veröffentlichte Modelle sind das Ergebnis eines wissenschaftlichen Diskussionsprozesses, so dass man eine Vielzahl möglicher Fehler nicht unnötig wiederholen muss. Lernen kann man ebenfalls aus der Begründung der eingesetzten statistischen Verfahren und der Wahl der eingesetzten Variablen. Schritt 2: Konkretisierung in messbare Größen Die im theoretischen Modell vorgefundenen abstrakten Größen müssen in messbaren und auch verfügbaren Variablen umgesetzt werden. Wenn theoretische Modelle „die“ Miete enthalten, ist in der praktischen Umsetzung das Marktsegment zu spezifizieren, auf das sich „die“ Miete bezieht, und es ist zu entscheiden, ob Steuern und Nebenkosten enthalten sein sollen. Einige wichtige theoretische Variablen sind dazu in der Realität nicht beobachtbar, hier sind vor allem erwartete Größen wie die erwartete Mietentwicklung oder die Zinsänderungserwartung zu nennen. In einigen Fällen besteht die Möglichkeit, diese Informationen aus anderen Variablen zu ziehen, indem sich beispielsweise die Zinsänderungserwartung in Finanzmarktpreisen niederschlägt. In anderen Fällen muss auf Hilfskonstrukte zurückgegriffen werden. So könnte man die erwartete Mietentwicklung aus dem Trend der Vorperioden fortschreiben und unterstellt damit eine vergangenheitsbezogene Erwartungsbildung der Marktteilnehmer. Die Daten werden auf der Basis des in Schritt 1 bestimmten Modells unter-

152 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte teilt in diejenigen, die erklärt werden sollen und diejenigen, welche als Datengrundlage für das Modell die Rolle der erklärenden Variablen übernehmen sollen. Schritt 3: Daten verfügbar machen Die Daten für das Modell aus Schritt 2 müssen verfügbar gemacht werden: Eigene Daten aus Beratungsprojekten werden aufbereitet, andere Daten erfragt (z. B. Liegenschaftszinsen von Gutachterausschüssen), wiederum andere eingekauft (z. B. Leerstandsquoten oder gesamtwirtschaftliche Daten). Gerade dieser Schritt, der in anderen Forschungsbereichen mit wenig Aufwand absolviert werden kann, stellt die Anwender ökonometrischer Verfahren in der Immobilienökonomik vor Probleme. Die Datenlage zur Abbildung von Immobilienmärkten ist dürftig, so dass in vielen Fällen zur Auswertung eigener Transaktionen keine gangbare Alternative besteht. Dies bedeutet aber, dass die Aufbereitung der Daten bereits bei der Bewertungs- oder Maklertätigkeit vorbereitet werden muss, damit eine einheitliche Erfassung und einheitliche Definitionen eine vergleichbare Datenbasis garantieren. Zu denken ist hier an die Standardisierung von Wertgutachten und die systematische Erfassung in einer firmeneigenen Datenbank, so dass die Daten als Beiprodukt des Tagesgeschäfts generiert werden und für statistische Auswertungen im Bedarfsfall nicht eigens aus den Akten recherchiert werden müssen. Schritt 4: Schätzung des Modells Das Modell wird unter Einsatz eines ökonometrischen Computerprogramms geschätzt. Konkret bedeutet dies, dass in der Software die in (2.) vorgeschlagene Struktur des Modells mit den Daten aus (3.) zusammengebracht wird. Die Software bestimmt die Koeffizienten des Modells, so dass dieses möglichst gut zu den Daten „passt“. Zusätzliche Statistiken informieren darüber, ob man die Ergebnisse als zuverlässig ansehen kann oder das Modell weiter verfeinern sollte. Bei der Formulierung des Modells ist darüber zu entscheiden, ob die Daten vor der Schätzung transformiert werden sollen, etwa indem statt einer Miete M der Logarithmus Log(M) oder das Quadrat der Miete M² in das Modell eingehen soll. Auch in diesem Schritt ist es vorteilhaft, wenn vergleichbare Arbeiten als Orientierung herangezogen werden können, um nicht dem Vorwurf der Willkür ausgesetzt zu sein. Schritt 5: Dokumentation der Ergebnisse Die Ergebnisse der Schätzung werden für den außenstehenden Leser nachvollziehbar dokumentiert. Die Gratwanderung in diesem Schritt besteht darin, genug Informationen bereitzustellen, um den wichtigsten Kritikpunkten an ökonometrischen Modellen zu begegnen, auf der anderen Seite aber nicht den Leser mit einer Vielzahl statistischer Details zu überfordern. Es ist sinnvoll, die Adressaten der Dokumentation im Auge zu behalten: So wird eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift wesentlich mehr an technischen Details erfordern als ein Kunde oder ein Mitglied der Geschäftsleitung sehen wollen. Im Zweifelsfall sollten detaillierte Ergebnisse in einen Anhang ausgelagert werden. In der Praxis ist die Suche nach einem zuverlässigen Modell ein Lern- und Verfeinerungsprozess, der mehrere Durchläufe vor allem der Punkte (2.) - (4.) erfordert, manchmal sogar den Übergang zu einem anderen Modellansatz – zurück zu Schritt 1. Der Immobilienökonom, dessen Fachkenntnisse sich vor allem auf die Schritte (1.) – (3.) konzentrieren und der

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

153

Ökonometriker, dessen Stärken in (4.) und (5.) liegen, müssen aufgrund der Rückkoppelungen (iterativer Lernprozess) ihre Fähigkeiten bei der Erarbeitung des Modells gemeinsam einbringen, was für den immobilienwirtschaftlichen Praktiker ein Grundverständnis für ökonometrische Konzepte voraussetzt, denen wir uns im folgenden Abschnitt zuwenden.

Abbildung 47: Modellbildung als iterativer Lernprozess; Quelle: Eigene Darstellung

3.1.2.3

Ökonometrische Grundkonzepte

Wir beginnen mit einigen ökonometrischen Grundkonzepten, die notgedrungen sehr komprimiert dargestellt werden. Der Leser sei auf die Fallstudie in Teil 3.1.2.5 verwiesen, wo einige der Konzepte und Problembereiche in konkreter Form nochmals aufgegriffen werden, sowie auf die in der Literaturliste genannten einführenden Lehrbücher der Ökonometrie. Die Immobilienwirtschaft ist Teil eines volkswirtschaftlichen Ganzen, in dem grundsätzlich Alles mit Allem zusammenhängt. Ein Modell, das eine ökonomische Variable durch eine Hand voll anderer Variablen erklärt, muss daher unvollständig sein. Gerade hierin liegt aber seine Stärke, denn ein Modell konzentriert sich auf die wichtigen Zusammenhänge und lässt die unwichtigen weg. Hierin gleicht ein Modell einem Stadtplan, der nicht die Farbe jedes Hydranten aufführt, sondern sich auf die für den Reisenden wichtigen Informationen konzentriert. Wenn aber das Modell nur einen Ausschnitt der Realität beschreibt, dann werden im Allgemeinen die gemessenen Werte von den im Modell vorhergesagten Werten abweichen, was in der folgenden Gleichung zum Ausdruck kommt: (1)

yt = a0 + a1 x1t + a2 x2t + εt

154 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Die erklärte Variable y im Zeitpunkt t hängt in systematischer Weise von zwei erklärenden Variablen x1 und x2 ab, je nach Modell können auch mehr als zwei erklärende Variablen vorliegen, oder auch nur eine. Beispielsweise könnte in Gleichung (1) yt für die durchschnittliche Miete eines bestimmten Wohnungstyps stehen und als erklärende Variablen x1t und x2t die Zahl der Haushalte und die Leerstandsquote gewählt werden. Alle weiteren Variablen, die vernachlässigt wurden (wie z. B. das Einkommen der Haushalte oder die konjunkturelle Lage), werden in εt zusammengefasst. εt wird als Störterm bezeichnet und ist dafür verantwortlich, dass die Koeffizienten a0, a1 und a2 nicht direkt aus den Daten errechnet werden können, sondern durch eine Schätzung bestimmt werden müssen – denn der Störterm selbst ist nicht beobachtbar. Neben den fehlenden Variablen können auch Messfehler oder irrationales Verhalten der Marktteilnehmer dem Störterm zugrunde liegen, oder aber die in (1) unterstellte lineare Gleichung ist keine korrekte Beschreibung des Zusammenhangs der Variablen. Durch Schätzung werden die Parameter ai (hier i = 0, 1, 2) durch Werte a^i angenähert. Genau diese geschätzten Koeffizienten interessieren aber, denn sie sagen aus, wie eine Änderung einer Größe xt, beispielsweise der Zahl der Haushalte x1t, sich auf die Miete yt auswirkt: Wenn x1t um eine Einheit steigt, dann steigt yt um a^1 . Weil sich aber die tatsächlichen Werte der y im Allgemeinen nicht perfekt durch die x erklären lassen, entstehen als Differenz Residuen e, also: (2)

yt = a^0 + a^1 x1t + a^2 x2t + et

Im Idealfall stimmen die geschätzten a^i mit den tatsächlichen (aber unbekannten) ai überein. Dann entsprechen auch die Residuen et den (ebenfalls unbekannten) Störtermen εt. Nachdem aber weder die Koeffizienten ai noch der Störterm εt bekannt sind, liegt es quasi in der Natur des Schätzens, dass man in dieser Hinsicht nicht sicher sein kann. Gleichung (2) zeigt, dass durch die Schätzwerte a^i der Koeffizienten gleichzeitig die Residuen et festgelegt werden. Die meistverbreitete Schätzmethode, das Arbeitspferd der Ökonometrie, setzt genau hier an. Die „Methode der Kleinsten Quadrate“ (KQ-Schätzer, Ordinary Least Squares, OLS) sagt: Wähle die Schätzwerte a^i so, dass die Summe der quadrierten Residuen möglichst klein wird. Der unerklärte Teil soll also möglichst gering sein, das Quadrieren bewirkt, dass sich positive und negative Residuen nicht gegenseitig aufheben – Abweichung ist schließlich Abweichung. Wie gut es gelungen ist, die Residuen zu minimieren, zeigt die R² Statistik. Sie liegt zwischen 0 und 1 und beschreibt, wie groß der Erklärungsgehalt der Schätzung ist: R²=0 bedeutet, dass nichts erklärt wurde und die Residuen maximal sind. Umgekehrt steht R²=1 dafür, dass das y vollkommen erklärt wurde, und die Residuen null sind. In der Realität liegt R² zwischen diesen Extremen, je näher an der 1, desto besser. KQ kann man auch verstehen als die Maximierung des R².

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Abkürzung...

... steht für...

...ist beobachtbar...

ai

Koeffizient des tatsächlichen Einflusses von x1 auf y.

nein

a^i

Schätzwert für ai

ja

εt

Störterm

nein

155

...weil... systematischer Einfluss der xi wird durch Störterm überlagert. wird aus errechnet

Beobachtungen

nicht erfasste Einflussgrößen, Messfehler oder irrationales Verhalten

et

Residuum

ja

Differenz zwischen Beobachtung und Modellergebnis

Tabelle 29: Beobachtbare und nicht beobachtbare Größen; Quelle: Eigene Darstellung.

Die entsprechenden Berechnungen können der Software überlassen werden: Man gibt Werte für das zu erklärende y und für die erklärenden Variablen xi ein, während die Berechnung der Koeffizienten a^i nach vorherbestimmten Formeln durch den Computer erfolgt. Ergebnisse erhält man also immer – aber sind sie auch sinnvoll? Diese Frage ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Gleichung (2) zeigt, dass die beobachteten yt Störterme enthalten, also vom Zufall beeinflusst sind. Nachdem die Schätzer a^i aber aus genau diesen yt und den xit berechnet werden, sind auch die Schätzergebnisse zufallsbehaftet. Für die (zufallsbehafteten) Schätzer a^i sind zwei Eigenschaften wichtig und erwünscht: E1: Sie sollen sich den tatsächlichen ai annähern (Erwartungstreue) und E2: Sie sollen dies möglichst schnell tun (Effizienz). Nach den Mathematikern Gauß und Markov ist ein Lehrsatz benannt (Gauß-MarkovTheorem), der beschreibt, dass man unter gewissen Annahmen vom KQ-Schätzer die Eigenschaften E1 und E2 erwarten kann. Die Voraussetzungen, unter denen das Gauß-MarkovTheorem gilt, sollen hier nicht im Einzelnen untersucht werden; man bezeichnet sie auch als das Klassische Modell. Das Klassische Modell geht davon aus, dass in den Störtermen εt nur gleichmäßiges unsystematisches Rauschen enthalten ist, so dass bei genügend großer Zahl von Beobachtungen hinter diesem Rauschen der systematische Zusammenhang der Variablen erkennbar wird. Die wichtigsten Probleme, die auftreten können, wenn die Annahmen des Klassischen Modells nicht erfüllt sind, werden wir im nächsten Abschnitt behandeln.

156 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.2.4

Problembehaftete Modelle erkennen

3.1.2.4.1

Verletzung der Annahmen des Klassischen Modells

Mit den Schätzwerten erhält man als Output ökonometrischer Software auch eine Reihe von Statistiken, die mögliche Probleme aufzeigen. Zunächst beschreiben wir die wichtigsten Probleme in ihrer allgemeinen Form, um den Regressionsoutput interpretieren zu können. Wenn die Voraussetzungen des Klassischen Modells nicht erfüllt sind, dann gehen die Erwartungstreue und/oder die Effizienz verloren. Folgende Ursachen sind die häufigsten (vgl. Tabelle 30): a) die erklärenden Variablen sind sehr ähnlich: Multikollinearität Wenn dieser Fall eintritt, dann ist es für den KQ-Schätzer schwer, die Veränderungen in y einer der Variablen xi zuzuordnen. Wenn man beispielsweise die Mietentwicklung in einer Stadt erklärt durch die Zahl der Haushalte (x1) und die Zahl der Arbeitnehmer (x2), werden sich beide erklärenden Variablen im Zeitablauf sehr ähnlich entwickeln. Der Schätzer wird kleine Unterschiede in x1 und x2 überbetonen und empfindlich auf neue Daten reagieren. Hierunter leidet die Effizienz der Schätzungen, d.h. die Schätzwerte streuen sehr weit um die tatsächlichen Koeffizienten und die Aussagen des Modells sind sehr ungenau. b) Die einzelnen Daten sind unterschiedlich vertrauenswürdig: Heteroskedastizität Der KQ-Schätzer behandelt alle Beobachtungen gleich. Nachdem aber in allen beobachteten yt jeweils ein Störterm εt enthalten ist, könnten Phasen sehr starker Störungen durch die εt (so dass wir speziell diesen Beobachtungen wenig trauen sollten) mit Phasen geringer Störungen vermischt werden. Wichtig ist dabei die Varianz der Störterme, die das Maß an „Rauschen“ angibt, welches den Zusammenhang zwischen y und den xi überdeckt. Ist die Varianz (das Rauschen) also unterschiedlich stark, darf man nicht alle Beobachtungen als gleich vertrauenswürdig einstufen. Nachdem aber das Rauschen der Störterme sowohl positive als auch negative Abweichungen bedeuten kann, bleibt die Erwartungstreue (E1) erhalten. Probleme macht vielmehr die Effizienz der Schätzung, also Eigenschaft (E2). Man könnte sich schneller an die tatsächlichen Werte annähern, würde man nicht allen Daten in gleichem Maße trauen. Ursachen für Heteroskedastizität liegen oft in der Mischung unterschiedlich „großer“ Beobachtungsobjekte: So werden die Bauinvestitionen in einer Großstadt absolut gesehen stärker schwanken als in einem Dorf, da sich Schwankungen der Investitionsneigung in der Großstadt auf ein viel größeres Bauvolumen übertragen. c) Die Störterme beeinflussen sich gegenseitig: Serielle Korrelation Der KQ-Schätzer versucht, den systematischen Zusammenhang (3)

a0 + a1 x1t + a2 x2t

auf die Variable yt vom unsystematischen Einfluss der Störterme εt zu trennen. Dabei geht er davon aus, dass die Störterme ein unsystematisches Rauschen darstellen. Serielle Korrelation bedeutet aber, dass ein Störterm heute den Störterm morgen beeinflusst, so dass ein Störterm

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

157

über mehrere Perioden nachwirken kann. Wenn ein Schock εt, wie etwa ein Hochwasser, den Immobilienmarkt trifft, dann wird sich die Beseitigung der Flutschäden über mehrere Folgeperioden (t+1, t+2, etc.) hinziehen. Dabei ist aber nicht gesagt, dass die Störterme dadurch eine grundsätzliche Tendenz zu positiven oder negativen Werten erhalten, so dass wieder die Erwartungstreue erhalten bleibt und lediglich die Effizienz des Schätzers beeinträchtigt wird. Im immobilienwirtschaftlichen Bereich ist das „Nachwirken“ der Störterme über mehrere Perioden oftmals aus der Bindung der Marktteilnehmer in langfristigen Miet-, Pacht- und Finanzierungsverträgen begründet, so dass diese ihr Verhalten nur verzögert an Datenänderungen anpassen können.

Problem

... bedeutet

... bewirkt

Multikollinearität

ähnliche Variablen

Effizienzverlust, starke Reaktion auf Veränderung des Samples

Heteroskedastizität

... Veränderung des „Rauschens“

Effizienzverlust, t-Werte* zu hoch ausgewiesen

Serielle Korrelation

... Nachwirken der Störterme

Effizienzverlust, t-Werte hoch ausgewiesen

zu

Tabelle 30: Verletzte Annahmen des Klassischen Modells; Quelle: Eigene Darstellung

3.1.2.4.2

Ein Regressionsoutput

Bevor wir einige weitere Problembereiche ansprechen, werfen wir einen ersten Blick auf einen Regressionsoutput (vgl. Abbildung 48), der uns in der späteren Fallstudie wieder begegnen wird: Bei Pfeil I. wird zunächst die zu erklärende Variable y angegeben, hier eine mit „LOG(V_BAWU)“ bezeichnete Statistik zu den Bauinvestitionen in Baden-Württemberg. Die zweite Zeile erinnert an die Schätzmethode „Least Squares“, der Berechnung liegt also ein KQ-Schätzer zugrunde. Sample bezeichnet die zeitliche Ausdehnung des Datensatzes und „Included Observations“ die Zahl der verfügbaren Beobachtungen für die y und x. Dabei gilt tendenziell, dass mehr Beobachtungen zu präziseren Schätzergebnissen führen (die Schätzer haben mehr „Zeit“ gegen die wahren Koeffizienten zu konvergieren). Der mittlere Teil der Tabelle informiert über die geschätzten Koeffizienten a^i . Der Name „C“ steht für eine Konstante, also a^0 , während sich die durch Pfeil II. bezeichnete Zeile auf die erklärende Variable x1 („LQW_BAWU“) bezieht. Weitere erklärende Variablen x2, x3 etc. hat die vorliegende Schätzgleichung nicht, daher der Strich unter diesem Teil der Tabelle. Über x1 lernen wir folgendes: Der Name der erklärenden Variablen ist „LQW_BAWU“, ein Indikator für die veränderliche Marktlage im Baden-Württembergischen Immobilienmarkt. Der geschätzte Koeffizient a^1 hat einen Wert von 1,326112, also wenn LQW_BAWU um 1 steigt, dann steigt LOG(V_BAWU) um etwa 1,32. Kann man dieser Aussage trauen?

158 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Der geschätzte Koeffizient wird aus den yt berechnet, die ihrerseits den Störterm εt enthalten. Die Schätzungen übernehmen einen Teil des Rauschens, das in den Daten steckt. Wie stark das vermutliche Rauschen in den Schätzern ist, und wie vertrauenswürdig sie daher sind, zeigen die Standard Errors.

Abbildung 48: Ein Regressionsoutput; Quelle: Eigene Darstellung

Hilfreicher für das Lesen der Tabelle ist allerdings die nächste Spalte, der t-Wert. Er wird errechnet als Koeffizient geteilt durch Standard Error, hier also 1,32/0,22, was 6,12 ergibt. Dieser t-Wert ist für die Interpretation der Schätzung eine der wichtigsten Statistiken. Angenommen, die Variable LQW-BAWU hätte eigentlich keinen Einfluss auf die Immobilieninvestition. Dann wäre der (unbekannte) Koeffizient a1 gleich null. Nachdem aber der Schätzer a^1 zufallsbehaftet ist, wird man die Null nie genau treffen. Wenn man aber mit a^1 „nahe“ an der Null ist, dann wird man misstrauisch, ob das tatsächliche a1 vielleicht null sein könnte. Was aber „nahe“ ist, bleibt relativ zum Rauschen des Schätzers a^1 zu beurteilen, daher die Division durch den Standard Error. t-Werte dürfen also nicht zu klein sein, damit wir an einen tatsächlichen Einfluss von x1 glauben. Als Faustregel sollten t-Werte dem Betrag nach größer als 2 sein. Kann man vertrauen, dass der wahre Koeffizient von null verschieden ist, nennt man die Variable signifikant. In welchem Prozentsatz der Fälle dieses Vertrauen enttäuscht wird (man also einen Fehler begeht, an einen Koeffizienten ungleich null zu glauben), zeigt die letzte Spalte. Allgemein akzeptierte Werte sind kleiner als 5% (0.05) bzw. kleiner als 1% (0.01). Letztlich sicher kann man nie sein: Um in 0% der Fälle falsch zu liegen müsste man grundsätzlich alle Variablen ablehnen, denn da es sich um geschätzte Koeffizienten handelt, sind Fehlentscheidungen nicht auszuschließen. Dass in obiger Tabelle 0,0000 als Wahrscheinlichkeit eines Irrtums angegeben wird, liegt an der begrenzten Zahl von Nachkommastellen im Regressionsoutput der Software. Ab Pfeil III. beginnt der allgemeine Teil der Teststatistiken. R-squared steht für R² und wurde bereits besprochen: Je näher an der 1 desto besser. Adjusted R² berücksichtigt, mit wie vielen Variablen der Erklärungsgehalt der Schätzgleichung erzielt wurde, und ist daher ge-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

159

eignet, Gleichungen mit einer unterschiedlichen Zahl erklärender Variablen miteinander zu vergleichen. Die Durbin-Watson Statistik (Pfeil IV.) testet, ob in den Daten serielle Korrelation vorliegt, die im vorherigen Gliederungspunkt angesprochen wurde. Ist die Durbin-Watson-Statistik in der Region von 2, dann ist serielle Korrelation weitgehend auszuschließen. Nahe null oder nahe 4 dagegen sind schlechte Werte. Wie weit entfernt von 2 noch akzeptabel ist, kann man entsprechenden Tabellen entnehmen. Wichtig ist aber die im vorherigen Gliederungspunkt angesprochene Konsequenz, wenn die Durbin-Watson-Statistik Alarm schlägt: Der Schätzer ist weniger effizient als gedacht, die Varianz der Schätzer ist höher als gedacht, und die tWerte werden höher ausgewiesen als sie in Wahrheit sind. Man ist geneigt Variablen in der Schätzgleichung zu behalten, die möglicherweise nicht hinein gehören. Die F-Statistik ähnelt dem t-Test. Sie untersucht, ob Variablen in die Schätzgleichung gehören, aber nicht einzeln, wie der t-Test, sondern alle erklärenden Variablen gemeinsam. Interessant ist wiederum die Wahrscheinlichkeit „Prob(F-Statistik)“, die als Konvention unter 5% bzw. 1% liegen soll, was hier ohne Probleme erreicht wird. Dies ist nicht sehr verwunderlich, denn wenn die Variablen in ihrer Gesamtheit wenig erklären könnten, hätten wir dies bereits am R² bemerkt. Um Problemen der Heteroskedastizität und der Multikollinearität auf die Spur zu kommen, sind Tests verfügbar, welche die Software auf Kommando ausführt. Diese sind aber nicht Teil des Standard-Regressionsoutput und ihre Diskussion würde den Umfang des vorliegenden Textes sprengen. 3.1.2.4.3

Fehlspezifizierte Modelle

Probleme mit der Schätzgleichung können nicht nur daraus erwachsen, dass man über eine zutreffende Schätzgleichung ein Rauschen überlagert findet, das nicht den Voraussetzungen des klassischen Modells entspricht. Es gibt vielmehr den ernsteren Fall, dass die Schätzgleichung selbst nicht zu den Daten passt, was im Allgemeinen zu Fehlschätzungen der Parameter führt: Die Erwartungstreue der Schätzer geht verloren, sie nähern sich nicht den wahren Werten an. Hierfür sind zwei Ursachen denkbar (vgl. Tabelle 31): Zum einen könnten wichtige Variablen fehlen. Das yt wird durch diese Variablen zwar beeinflusst, sie werden in der Schätzgleichung aber nicht berücksichtigt. Dies hat Konsequenzen für diejenigen Variablen in der Schätzgleichung, die sich ähnlich verhalten, wie die fehlenden. Diesen Variablen wird dann ein Teil des Einflusses der fehlenden Variablen zugerechnet, ihr Einfluss also systematisch über- oder unterschätzt. Wiederum geht die Erwartungstreue verloren, man spricht von einem Omitted Variable Bias. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte man also eher mit zu vielen Variablen als zu wenigen zu schätzen anfangen, um dann Schritt für Schritt die unwichtigen (nicht-signifikanten) Variablen aus der Schätzgleichung zu entfernen. Doch auch bei der Aufnahme zusätzlicher Variablen sollte man nicht übertreiben: Wenn überflüssige Variablen in der Schätzgleichung vorhanden sind, dann wird ein Teil der Beobachtungen – quasi der Rohstoff unserer Schätzung – dafür ver-

160 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte wendet, Koeffizienten zu schätzen, die in Wahrheit null sind. Dies kostet offensichtlich Effizienz. Zum anderen können die gewählten Transformationen/Funktionen nicht mit den Daten vereinbar sein. Wenn etwa die Nachfrage nach Wohnraum aus dem Einkommen erklärt wird, dann bedeutet eine lineare Gleichung wie (2), dass von jedem zusätzlichen Euro ein fester Anteil für Wohnraum ausgegeben wird, obwohl theoretische und praktische Erwägungen dafür sprechen, dass dieser Anteil mit zunehmendem Einkommen sinkt. Angemessen wäre dann die Kombination von Wohnraum und logarithmiertem Einkommen. Die Konsequenz ist ein verminderter Erklärungsgehalt der Schätzgleichung und verzerrte Koeffizienten bzw. Koeffizienten, die sich auf eine falsche funktionale Form beziehen. Problem

... bewirkt

Wichtige erklärende Variable fehlt

Verzerrte Schätzwerte, „Omitted Variable Bias“

Überflüssige Variable

Effizienzverlust

Falsche funktionale Form

Verminderter Erklärungsgehalt, verzerrte Schätzwerte

Tabelle 31: Fehlspezifikation und ihre Konsequenzen; Quelle: Eigene Darstellung

3.1.2.5

Fallstudie Immobilieninvestition

Wir werden nun einige der vorgestellten Konzepte „bei der Arbeit“ sehen. Als konkretes Anwendungsbeispiel wählen wir die Abhängigkeit der Immobilieninvestition von der Marktlage. In Phasen, in denen Immobilien als attraktive Vermögensanlage gelten, werden neue Immobilien hergestellt und an den Markt gebracht. Der Ausdruck Investition steht hier also für den Neubau, der durch ein statistisch messbares Konzept von „Marktlage“ erklärt werden soll. Damit ist die grundsätzliche Problemstellung festgelegt und die Vorgehensweise bei der Erarbeitung des Modells folgt dem in 3.1.2.2 vorgestellten allgemeinen Schema: 1. Ökonomische Theorie Im vorliegenden Fall lohnt es sich, die Suche nach einem theoretischen Modell über die immobilienwirtschaftliche Fachliteratur hinaus auszudehnen, denn der Neubau ist ein Spezialfall der Investition in Realkapital, so dass sich die hierfür in der Literatur entwickelten Modelle auf den Bereich des Immobilienkapitals anwenden lassen. Wir wählen als theoretisches Modell Tobins q aus, ein Konzept, das von seinem Namensgeber, dem Nobelpreisträger James Tobin, entwickelt wurde. Die Grundidee ist einfach: Der Neubau steht in Konkurrenz zu einem großen Bestand an gebrauchten Immobilien und der Investor entscheidet sich bei gleichwertigen Objekten für die jeweils billigere Alternative. Tobins q ist ein Quotient, in dessen Zähler der Marktpreis bestehender Objekte steht, im Nenner dagegen die Kosten des Neubaus, in der Begrifflichkeit dieser Theorie als Reproduktionskosten bezeichnet. Der

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

161

Begriff der Reproduktion erinnert an die Gleichartigkeit der Objekte, die verglichen werden sollen. Konkret sollen beide Objekte (das bestehende und sein hypothetischer Nachbau) in der Lage sein, gleiche Mieteinnahmen zu generieren. Der Analyserahmen hat einen doppelten Strukturierungseffekt für die Untersuchung: Er bestimmt die Auswahl der Variablen und bietet die Möglichkeit, die eigenen statistischen Methoden mit Untersuchungen aus dem Bereich industrieller Investitionsobjekte (Maschinen etc.) abzugleichen. 2. Umsetzung in messbare Variablen Das Modell soll die Immobilieninvestition erklären, dabei ist aber der Investitionsprozess komplex und langwierig: Marktchancen werden gesehen, Finanzierungskonzepte abgeklärt, Standorte verglichen, eine Investitionsentscheidung getroffen, Bauanträge gestellt und genehmigt, Bauprojekte durchgeführt und fertige Objekte vermarktet. Wo in diesem Prozess soll die Variable „Investitionsvolumen“ ansetzen? Zwei Kriterien sind zu erfüllen: Einerseits soll die Variable gut statistisch erfassbar sein und andererseits möglichst nahe an der Investitionsentscheidung liegen. Die Wahl fällt daher auf die Erteilung von Baugenehmigungen. Für die erklärende Variable sind Marktpreise für bestehende Immobilien mit denjenigen vergleichbarer Neubauten ins Verhältnis zu setzen. Dabei besteht die Problematik der unterschiedlichen Entwicklung von Teilmärkten, etwa von Wohn- und Gewerbeimmobilien. Für eine erste Auswertung bieten sich Wohnimmobilien an, da hier mehr Objekte vorliegen (größere Markttiefe) und – im Gegensatz zu Gewerbeimmobilien – die Wohnimmobilie selbst gehandelt wird und nicht nur ihre Nutzungsrechte (Kauf- statt Mietverträge), wir also Datenreihen von Preisen vorfinden. Aber auch innerhalb des Segments der Wohnimmobilien ist eine Auswahl zu treffen: Eigenheim oder Eigentumswohnung? Die Wahl fällt auf die Eigentumswohnung, da im Eigenheim die Selbstnutzung dominiert. Daher sind die Chancen, rationales Marktverhalten bei Eigenheimen zu finden, vermutlich geringer als beim Investitionsobjekt Eigentumswohnung. Als dritte beteiligte Variable bleiben die Herstellungskosten für Neubauten, die „Reproduktionskosten“, zu bestimmen. Da wir, wie im folgenden Abschnitt dargestellt werden wird, bei den Preisen auf Indizes zurückgreifen werden, bietet sich ein entsprechendes Vorgehen auch für die Reproduktionskosten an. Fraglich ist, ob neben einem Index der Baukosten auch der Preis des Grundstücks mit einbezogen werden soll. Wir entscheiden uns aus pragmatischen Gründen für eine Beschränkung auf die reinen Baukosten und sehen den Fehler aus der Vernachlässigung der Grundstückspreisentwicklung im mehrgeschossigen Wohnbau als gering an. Dieses Beispiel zeigt, dass die konkrete Umsetzung eines theoretischen Konzeptes oftmals den Rückgriff auf Näherungsgrößen erfordert. 3. Daten verfügbar machen Daten zur regionalen Entwicklung der Baugenehmigungen im Zeitablauf werden von den statistischen Landesämtern erhoben. Einen Teil der verfügbaren Daten stellen die statistischen Landesämter zum kostenlosen Download bereit, andere dagegen sind auf Anfrage kostenpflichtig online erhältlich. Als dritte Möglichkeit stehen Publikationen von Datenbanken auf CD (z. B. „Statistik Regional“) oder von Daten in Buchform zur Verfügung. Der

162 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Vorteil des elektronischen Bezugs der Daten besteht darin, dass von einer einheitlichen Definition und Berechnungsweise in einer Zeitreihe ausgegangen werden kann, während das Zusammenstellen aus einzelnen Jahrgängen gedruckter Publikationen zu Inkonsistenzen führen kann, wenn sich die Abgrenzung der Statistiken ändert. Gewählt wurden die Baugenehmigungen für Wohnbauten, eine feinere Rasterung (Mietwohnungsbau, Aufteilung nach Grundflächen) stand nicht zur Verfügung. Festzulegen ist auch die Wahl der Maßeinheit: Zahl der Objekte, umbautes Volumen, Wohnfläche oder Nutzfläche? In kleinen Kommunen ist die Zahl der Baugenehmigungen eher gering, so dass die Ganzzahligkeit evtl. Unstetigkeiten suggeriert, die nicht ökonomisch begründet sind. Die Wahl fiel daher auf das umbaute Volumen. Als Indikator der Preisentwicklung wurde auf Daten des Rings Deutscher Makler (RDM, seit August 2004 Immobilienverband Deutschland IVD) zurückgegriffen, die in jährlicher Frequenz für einer große Zahl deutscher Mittel- und Großstädte Kaufpreis- und Mietentwicklungen dokumentieren. Durch die jährliche Frequenz der Daten ergibt sich eine grundsätzliche Beschränkung der verfügbaren Datenpunkte, denn es macht keinen Sinn, diese jährlichen Daten mit Quartals- oder Monatsdaten für die verbleibenden Variablen zu mischen. Da somit die gesamte Untersuchung auf Jahresfrequenz festgelegt wird, ist der Zeitraum entsprechend lang zu wählen, um eine hinreichende Zahl an Beobachtungen für die ökonometrische Auswertung zur Verfügung zu haben. Dieser Ausweitung des Untersuchungszeitraums (des „Samples“) steht jedoch die Veränderlichkeit volkswirtschaftlicher Strukturen entgegen. Indem alle Beobachtungen gleich behandelt werden, wird für den gesamten Zeitraum ein unveränderlicher Zusammenhang zwischen erklärenden und erklärter Variablen angenommen. In diesem Zwiespalt zwischen dem Bedarf an Datenpunkten und der Sorge um Strukturbrüche wird der Beginn des Untersuchungszeitraums an das Ende der zweiten Ölkrise Anfang der 80er Jahre gelegt. Ein letztes Problem ist die Berechnung eines q-Wertes für das gesamte Bundesland, da qWerte lediglich für einzelne Städte vorliegen. Die hier gewählte Lösung ist die Mischung eines möglichst repräsentativen Portfolios baden-württembergischer Städte. Die Wahl fiel auf Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart. Eine „gesunde“ Mischung liegt dabei sowohl hinsichtlich der unterschiedlichen Größe der Städte vor als auch in Bezug auf die vorherrschenden Erwerbsschwerpunkte (Industrie, Verwaltung, Tourismus, Universität). Abbildung 49 zeigt zum einen die unterschiedliche lokale Preisentwicklung, zum anderen aber auch das Vorliegen eines gemeinsamen Musters: Der Preisverfall Anfang der 80er Jahre wird von einem Boom im Zuge der Wiedervereinigung gefolgt, der ab der Mitte der 90er Jahre ausebbt. Dividiert durch den Baupreisindex erhält man die einzelnen lokalen qWerte, die im nächsten Schritt zu einem gewichteten Durchschnitt zusammengefasst werden, was die Auswahl eines geeigneten Gewichtungsschemas voraussetzt. Im vorliegenden Fall wurde die durchschnittliche Steuerkraftmesszahl des Untersuchungszeitraums zugrunde gelegt, die ein Indikator der (steuerlichen) Leistungsfähigkeit der erfassten Kommunen ist. Auch diese Statistik ist leicht vom statistischen Landesamt erhältlich.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

163

Abbildung 49: Preisentwicklung nach Städten; Quelle: Eigene Darstellung

4. Das Modell wird geschätzt Als erste Schätzung wird die Immobilieninvestition (umbautes Volumen) durch den Tobinschen q-Wert für Baden-Württemberg erklärt. Beide Variablen werden logarithmiert, denn durch diesen Zwischenschritt sind die geschätzten Koeffizienten als Elastizitäten zu verstehen. Eine Elastizität von 2 bedeutet beispielsweise, dass aus einer einprozentigen Steigerung des q-Wertes eine 2%ige Steigerung der Investition resultiert. Der Vorteil liegt in der direkten Vergleichbarkeit - auch international - unterschiedlicher Märkte, da die Maßeinheiten keine Rolle mehr spielen: 2% sind 2%, ob in Kubikmetern oder Kubikfuß gemessen. Die Schätzung (vgl. Abbildung 50) führt zu dem bereits in Abbildung 48 vorgestellten Regressionsoutput. Der Erklärungsgehalt (R²) der Schätzgleichung ist mit fast 67% recht hoch. Die t-Werte liegen nach der Daumenregel über 2 und zeigen damit Signifikanz an. Genaueres über die Signifikanz zeigt die Wahrscheinlichkeit „Prob.“, die unter 0.05 liegen sollte („5% Signifikanzniveau“), hier sogar so gering ist, dass sie als null ausgewiesen wird: Der Einfluss von Tobins q ist eine praktisch sichere Feststellung. Letztlich trauen darf man den t-Werten wiederum nur, wenn keine serielle Korrelation vorliegt, was die Durbin-Watson Statistik testet. Der Wert von 1,37 gibt weder Entwarnung, noch zeigt er sicher serielle Korrelation an. Insofern ist die Freude am signifikanten t-Wert zwar gedämpft, aber vermutlich ist sie nicht unberechtigt. Hilfreich ist hier ein Blick auf die Residuen, die – wenn das Modell alle syste-

164 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte matischen Zusammenhänge aus den Daten extrahiert hat – nur noch unsystematisches Rauschen zeigen sollten.

Abbildung 50: Schätzung einer Investitionsfunktion; Quelle: Eigene Darstellung

Im oberen Teil der Tabelle 32 sind die tatsächlichen Bauinvestitionen („Actual“, gepunktet) den vom Modell aus Tobins q errechneten Werten („Fitted“, gestrichelt) gegenübergestellt. Im unteren Teil werden die Residuen wiedergegeben. Leider zeigt sich über den Untersuchungszeitraum ein langfristiges bogenförmiges Muster: Am Anfang und Ende des Samples wird die Investition tendenziell unterschätzt, in der Mitte dagegen überschätzt. Dies kann als mögliches Symptom einer fehlenden erklärenden Variablen gedeutet werden. 5. Die Ergebnisse werden dokumentiert Wie dokumentiert man den Regressionsoutput? Die gesamte Tabelle würde den Lesefluss stören und mehr Informationen aufführen, als die meisten Leser interessiert. Investition =

adj. R² = 0,65

8,09

+ 1,33 q

(11,16)

(6,16) DW = 1,14

In der vorliegenden Form werden die Koeffizienten wiedergegeben und der Zusammenhang zwischen Investition und q deutlich gemacht. Die selbst gewählten Abkürzungen aus dem Datensatz wie „lqw_bawu“ helfen bei der Durchführung der Schätzung, sind aber für den Außenstehenden eher verwirrend. Für die Dokumentation sollten intuitiv klare Namen gewählt werden. In einer kurzen Erläuterung ist der Leser darüber in Kenntnis zu setzen, dass die beteiligten Variablen logarithmiert wurden, und dass es sich bei den Werten in Klammern um t-Werte handelt, damit diese nicht mit Standard Errors verwechselt und falsch interpretiert werden. Die t-Werte benötigt der Leser, um die Signifikanz – und damit die Ver-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

165

trauenswürdigkeit – des Einflusses von q auf die Investition zu beurteilen. Ohne Test auf serielle Korrelation durch die Durbin-Watson-Statistik wiederum ist die Aussagekraft der tWerte nicht klar. Der Erklärungsgehalt schließlich wird durch das adjustierte R² wiedergegeben, um unterschiedlich aufwendige Schätzgleichungen miteinander vergleichen zu können: Form follows function, auch in der Darstellung der Schätzergebnisse.

Tabelle 32: Regressionsresiduen; Quelle: Eigene Darstellung

Damit könnte die Fallstudie beendet sein, was aber eine Linearität und Zwangsläufigkeit des Arbeitens suggerieren würde, die in der praktischen ökonometrischen Arbeit so nicht vorhanden sind. Die Modellsuche ist ein Prozess der fortschreitenden Rückkopplung und Verfeinerung der Schritte 1-4, an deren Ende schließlich die Dokumentation der Gesamtergebnisse steht. Im Fall der Immobilieninvestition können aus theoretischen und empirischen Arbeiten aus dem Bereich industrieller Investitionen Erweiterungen des Erklärungsansatzes aufgegriffen werden, die weitere Durchläufe der Punkte 1-4 nahelegen. Konkret sei hier die Rolle des marginalen q-Wertes betrachtet, der in einem ähnlichen Kontext von Hayashi (1982) in die Diskussion um Tobins q eingebracht wurde. Hayashi kritisierte Arbeiten, welche die Realkapitalinvestitionen börsennotierter Industrieunternehmen untersuchten. Die Autoren dividierten den Börsenwert der Unternehmen (= Marktwert bestehenden Kapitals) durch den Buchwert (= Reproduktionskosten). Hayashi argumentiert, dass das gesamte Unternehmen die Summe seiner Investitionsprojekte der Vergangenheit darstellt und die so berechneten qWerte daher lediglich einen Durchschnitt über die vergangenen Investitionsprojekte abbilden könnten. Für die aktuelle Investition sei dagegen nur die Abwägung des Gegenwartswertes

166 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte zusätzlicher zukünftiger Gewinne aus der Investition mit den Investitionskosten notwendig. Dieses Verhältnis, eben auf die letzte „marginale“ Investitionseinheit bezogen, bezeichnet Hayashi als marginales q. Damit sind wir offensichtlich wieder in Schritt 1 angelangt, die Theorie wird um das Konzept des marginalen q verfeinert und es folgt Schritt 2: Wie kann das marginale q gemessen werden? 2. Messung des marginalen q Eine theoretische Ableitung des marginalen q für Immobilieninvestitionen würde die vorliegende Darstellung sprengen (verwiesen sei auf Francke/Nitsch (2004)). Das bisher berechnete Tobinsche q, im Folgenden als durchschnittliches q (qa) bezeichnet, ist hierzu mit dem Verhältnis von Neubaumieten und den Mieten von Bestandsobjekten zu multiplizieren. Die anschauliche Begründung liegt für die Neubaumiete in ihrer Rolle als Quelle der zusätzlichen zukünftigen Gewinne, während die Bestandsmiete als Berechnungsgrundlage für den Liegenschaftszins (Diskontierungsfaktor) in die Formel eingeht. 3. Daten verfügbar machen Beide Mieten sind ebenfalls dem RDM-Preisspiegel zu entnehmen, wobei auf eine Übereinstimmung von Objekttyp und -qualität mit dem Referenzobjekt aus der Berechnung des qWertes zu achten ist. Für jede Stadt werden auf diese Weise als Verhältnis von Neubaumieten zu Bestandsmieten sogenannte „Hayashi-Faktoren“ berechnet, so dass das marginale q jeder Stadt als das Produkt aus durchschnittlichem qa und Hayashi-Faktor dargestellt werden kann. 4. Schätzung Sowohl die erklärte Variable (Investition) als auch die erklärende Variable (marginales q) werden logarithmiert. Gerade im vorliegenden Beispiel tritt ein erfreulicher Nebeneffekt auf: Für den Logarithmus gilt die Rechenregel [log(ab) = log(a) + log(b)], im konkreten Fall ist „a“ das durchschnittliche q, „b“ der Hayashi-Faktor und „ab“ deren Produkt, das marginale q. Wir setzen daher den Logarithmus des Hayashi-Faktors („LOG(HAYA_BAWU)“) als zusätzliche erklärende Variable ein (vgl. Abbildung 51). Der Erklärungsgehalt steigt nochmals an auf über 75%. Alle beteiligten Variablen sind signifikant. Besonderes Augenmerk verdient die Durbin-Watson-Statistik, welche nahe genug an 2 ist, um Entwarnung hinsichtlich serieller Korrelation zu geben. Die Schätzgleichung ist daher nicht nur besser im Bezug auf den Erklärungsgehalt sondern auch hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die Methode kleinster Quadrate zuverlässig funktioniert. Der Koeffizient des durchschnittlichen q (LQW_BAWU) hat sich leicht erhöht. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Vernachlässigung des Hayashi-Faktors in der vorangegangenen Schätzung zu einem Omitted Variable Bias geführt hat, der in der vorliegenden Schätzung beseitigt wurde. Die Verbesserung zeigt sich auch in der Gegenüberstellung von Modellergebnis und tatsächlichen Daten: Die Annäherung beider Kurven im oberen Teil ist enger, Spiegelbild des erhöhten R². Auch etwaige verbleibende systematische Muster in den Residuen sind deutlich

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

167

geringer ausgeprägt, was sich – bei großzügiger Auslegung – als Gegenstück zur verbesserten Durbin-Watson-Statistik interpretieren lässt (vgl. Tabelle 33).

Abbildung 51: Investitionsfunktion mit Hayashi-Faktor; Quelle: Eigene Darstellung

Tabelle 33: Regressionsresiduen; Quelle: Eigene Darstellung

168 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte 5. Dokumentation der Ergebnisse Die Ähnlichkeit der letzten Schätzung mit ihrem Vorgänger legt es nahe, die unterschiedlichen Varianten der Schätzgleichung in einer Tabelle zusammenzufassen. Ansonsten gelten weiterhin die oben genannten Prinzipien der Dokumentation.

3.1.2.6.

Ökonometrie nutzbar machen

Das vorliegende Kapitel konnte nur eine erste Einführung in Grundkonzepte der Ökonometrie bieten. Um sich ökonometrische Verfahren für die eigene berufliche Tätigkeit nutzbar zu machen, bestehen zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Im Rahmen des immobilienökonomisch Studiums können entsprechende Lehrveranstaltungen belegt und/oder auf ein einführendes Lehrbuch zurückgegriffen werden. Als (subjektive) Auswahl sind im Literaturverzeichnis die ausgezeichneten Bücher von Studenmund und Maddala aufgeführt. Für Immobilienprofessionals ist das Selbststudium allerdings aufgrund der berufsbedingten zeitlichen Restriktionen und der erforderlichen Kenntnisse der Wahrscheinlichkeitstheorie ein sehr steiniger Weg. Hier bietet sich die Kooperation mit Hochschulen an, wo eine hohe ökonometrische Kompetenz vorhanden ist, die sich aber angesichts der mangelnden Verfügbarkeit immobilienwirtschaftlicher Daten oft anderen Problembereichen zuwendet. Insofern besteht ein gemeinsames Interesse an praxisrelevanter immobilienwirtschaftlicher Forschung, die es in konkrete Projekte umzusetzen gilt.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

169

Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.1.2 Francke, H.-H. und Nitsch, H.: Tobins q und Immobilieninvestitionen, in: Hofer, M. B. et al. (Hrsg.): Geld- und Wirtschaftspolitik in gesellschaftlicher Verantwortung, Berlin 2004, S. 269-285. Hayashi, F.: Tobin’s Marginal q and Average q: A Neoclassical Interpretation, in: Econometrica, Vol. 50, No. 1, 1982, S. 213-224. Maddala, G. S.: Introduction to Econometrics, Chichester 2001. Nitsch, H.: Die Bedeutung lokaler Marktlagen für die Immobilieninvestition, in: German Journal of Property Research, 2/2004, S. 66-82. Studenmund, A. H.: Using Econometrics, Boston 2001. Tobin, J.: Money, Capital and other Stores of Value, in: American Economic Review, Vol. 51 (2), 1961, S. 26-37. Tobin, J.: A general Equilibrium Approach To Monetary Theory, in: Journal of Money, Credit and Banking, Vol. 1 (1), 1969, S. 15-29.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.3

171

Immobilienzyklen Nico B. Rottke

3.1.3.1 Ausgangssituation ..........................................................................................172 3.1.3.2 Immobilienzyklen im Kontext der Immobilienökonomie..............................174 3.1.3.3 Referenzzyklus oder stilisierte Fakten ...........................................................175 3.1.3.4 Mechanismen eines Zyklus............................................................................177 3.1.3.4.1 Endogene Mechanismen ................................................................................177 3.1.3.4.2 Exogene Einflüsse..........................................................................................178 3.1.3.4.3 Zusammenspiel der Mechanismen: das Kummerow-Modell.........................179 3.1.3.5 Nationale und internationale Märkte..............................................................180 3.1.3.6 Zyklen und Managementfaktoren: eine empirische Erhebung.......................184 3.1.3.6.1 Relevanz von Managementfaktoren...............................................................184 3.1.3.6.2 Empirische Erhebung für Deutschland ..........................................................186 3.1.3.7 Handlungsoptionen für Immobilienzyklen ....................................................192 Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.1.3 ...................................................................................197

172 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.3

Immobilienzyklen Nico B. Rottke

3.1.3.1

Ausgangssituation

Der Berliner Immobilienmietmarkt verzeichnet für monatliche Spitzenmieten von Büroimmobilien in zentraler Lage folgenden Verlauf: von 1985 bis 1991 war ein Anstieg von etwa 290% zu verzeichnen, worauf die Mieten von 1991 bis 1997 wieder um ca. 45% nachgaben, um von 1997 bis 2001 wieder um über 15% zu steigen und von 2001 bis 2005 um etwa 25% zu sinken (Jones Lang LaSalle (1985-2005)). Zwar ist die Spitzenmiete nicht repräsentativ für einen Gesamtmarkt, doch hat sie die Eigenschaft, als die zuletzt gezahlte Miete (Grenzkosten) für eine Fläche hoher Attraktivität in zentraler Lage (Grenznutzen) eine sehr hohe Marktsensitivität zu besitzen. Treten in deutschen Immobilienteilmärkten Mietschwankungen in gegensätzliche Richtungen von -45% bis +290% über einen Zeitraum von 20 Jahren auf, so kann man zu Recht davon sprechen, dass Immobilienzyklen ein Phänomen sind, das es näher zu betrachten gilt. Diese Aussage unterstützen in mehreren empirischen Untersuchungen Marktteilnehmer und Akademiker Deutschlands und Europas: In einer Umfrage von Wernecke, Rottke und Holzmann (2004) bestätigen etwa 80% einer Stichprobe von 119 Unternehmen, dass „Immobilienzyklen“ ein wichtiges (45,4%) oder sogar sehr wichtiges (34,5%) Thema sind. Schulte et al. (2004) stellen in einer Auswertung empirischer Studien zu Forschungsschwerpunkten der Immobilienökonomie fest, dass das Themengebiet „Prognosemethoden für Märkte, Mieten und Renditen“ in Deutschland unter institutionellen Investoren Rang eins einnimmt, unter europäischen Immobilienwissenschaftlern Rang zwei. Ein weiterer Schwerpunkt „Existenz und Vorhersehbarkeit von Immobilienzyklen“ nimmt unter den deutschen Institutionellen Rang drei, unter den Wissenschaftlern Rang eins ein. Der Quervergleich zu den USA (Rang 4; 2000) und dem U.K. (Rang 3; 2003) zeigt, dass das Forschungsfeld Immobilienzyklen auch und vor allem international höchste Priorität genießt. Es steht für alle Beteiligten außer Frage und gehört zum Alltag, dass Konjunkturforschung betrieben und ernst genommen wird und in die strategische Entscheidungsfindung miteinbezogen wird. Doch dass das ähnlich komplexe, artverwandte Thema „Immobilienzyklen“ in Deutschland jahrelang akademisch und auch von der Praxis mehr oder weniger ignoriert wurde, vermag nicht einzuleuchten. Das oben genannte Beispiel des Berliner Büroimmobilienmarktes, das ex post natürlich einfach aufzustellen ist, zeigt die Konsequenzen, wenn Marktschwankungen ignoriert werden: Hätte ein Investor 1992 die damalige Bürospitzenmiete von EUR 42,50 auf 13 Jahre mit einer jährlichen Indexierung von 2% linear extrapoliert, dann hätte er ein Verkaufsszenario samt Verkaufsvervielfältiger in 2005 mit EUR 57 berechnet – und damit die aktuell herrschenden Spitzenmarktmieten von EUR 20 um etwa Zweidrittel überschätzt. Der absolute Unterschied wäre bei einem 20.000 qm großem Bürogebäude, einem konstanten Vervielfäl-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

173

tiger von 18 für Toplagen und der Annahme der aktuellen respektive der linear fortgeschriebenen Miete ein ungefährer Wertunterschied von EUR 160 Mio. (EUR 246 Mio. abzüglich EUR 86 Mio.). Das Beispiel ist insoweit außergewöhnlich, da sich ein gewöhnlicher reifer Immobilienmarkt einer deutschen Großstadt nicht ohne extreme externe Schocks dergestalt entwickelt hätte. Insofern waren oben skizzierte Extremschwankungen nicht in diesem Ausmaße vorauszusehen. Einer der singulären Schocks - und deren Auswirkungen über viele Perioden hinweg – war für Berlin in den Jahren 1989 bis 1992 der Wiedervereinigungsboom, der einen neuen Berliner Gesamtmarkt und seit dem Umzugsbeschluss des deutschen Bundestages im Juni 1991 eine neue Hauptstadt mit neuer europa- und weltweiter Bedeutung geschaffen hat (vgl. Tabelle 34).

B ü ro sp itz en m ieten /E U R /q m /p .m .

60,0

50,0

40,0

Bürospitzenmieten in Berlin

30,0

Bürospitzenmieten in Berlin, Trendextrapolation ab 1992

20,0

Externer Schock: Wiedervereinigungsboom: 1989-1992

10,0

Q 3 -2 00 5

2 0 03

2 0 01

1 9 99

1 9 97

1 9 95

1 9 93

1 9 91

1 9 89

1 9 87

1 9 85

0,0

Tabelle 34: Gefahren der Trendextrapolation am Beispiel Berlins; Daten: Jones Lang LaSalle

Das Beispiel Berlin zeigt, dass sektorale und regionale Immobilienteilzyklen verschiedenen Ursachen unterliegen: Exogenen Strukturbrüchen, exogenen konjunkturellen Einflüssen und endogenen Mechanismen, die diese exogenen Schocks über Jahre fortpflanzungstheoretisch in weitere Perioden transportieren. Doch wie kann das Thema strukturell aufgearbeitet werden?

174 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.3.2

Immobilienzyklen im Kontext der Immobilienökonomie

Immobilienforscher nähern sich dem Thema der Immobilienzyklen von verschiedenen Perspektiven und versuchen, die besten Wege aufzuzeigen, wie Immobilienzyklen beschrieben, vorhergesagt und in einen Gesamtkontext eingebettet werden können. Diese Perspektiven lassen sich beschreiben als: •

Makroökonomische Sicht



Mikroökonomische Sicht



Finanztheoretische Sicht



Managementbezogene Sicht

Aus makroökonomischer Perspektive werden Immobilienzyklen als Teil des Konjunkturzyklus betrachtet. Hauptpunkt des Interesses liegt bspw. in der gesamten Bauaktivität und der Höhe der Arbeitslosigkeit. Ziel ist es, Beziehungen zwischen zyklischem Verhalten des Immobilienmarktes und anderen aggregierten Märkten herauszufinden. Die mikroökonomische Sicht konzentriert sich eher auf individuelle als auf aggregierte Entscheidungen und differenziert den Immobilienmarkt in vier Teilmärkte: den Flächenmarkt (Miete, Leasing, Eigennutzen), den Investmentmarkt, den Neubaumarkt und den exogen gegebenen Kapitalmarkt. Der Grundstücksmarkt als weiterer vorgelagerter Teilmarkt beschäftigt sich ausschließlich mit unbebauten Grundstücken. Die meisten Studien konzentrieren sich häufig auf Elemente wie Mietniveau, Leerstands- und Absorptionsraten und die Rolle der verschiedenen Formen der Erwartungsbildung. Die finanztheoretische Sichtweise auf Immobilienzyklen basiert auf der modernen Portfoliotheorie (MPT). Rückschlüsse werden gezogen von Bewertungssystemen wie dem Capital Asset Pricing Model (CAPM), der Arbitrage Pricing Theory (APT) oder dem Realoptionen-Modell. Zentrale Variablen sind bspw. Zinsen, Volatilitäten, Korrelationen und Risikoprämien. Eine vierte Perspektive, die bisher kaum Eingang in die Forschung hatte, ist die managementbezogene Sichtweise. Diese Sichtweise untersucht, ob und wie Immobilienzyklen in die Managementaspekte der Immobilienökonomie integriert werden können [Rottke (2001) und Rottke/Wernecke (2001/2002)]. Die Managementaspekte sind Teil eines theoretischen Bezugsrahmens zur Immobilienökonomie, in dessen Mittelpunkt die Erklärung und Gestaltung realer Entscheidungen von mit Immobilien befassten Wirtschaftssubjekten steht. Ziel ist es, die Entscheidungsprozesse der Marktteilnehmer durch die explizite Berücksichtigung von bspw. konjunkturellen Einflüssen auf Immobilienmärkten zu unterstützen und durch Lösungshilfen zu deren Verbesserung beizutragen. Dabei werden in problemorientierter Weise die „tatsächlichen Prämissen und Bedingungen, unter denen Institutionen, Objekte, Funktionen und Prozesse in immobilienbezogenen Fragestellungen zusammenwirken“ [Schulte, K.-W. (2000), S. 37ff.], untersucht.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.3.3

175

Referenzzyklus oder stilisierte Fakten

Immobilienzyklen sind ein facettenreiches Thema. Pyhrr, Roulac und Born (1999) zählen nicht weniger als 44 Typen an Immobilien- und immobilienverwandten Zyklenarten. Um ein derart komplexes Phänomen zu definieren, können zwei Methoden gewählt werden: Der eine Weg ist, eine klare, normative Definition vorzugeben, wie es die Royal Institution of Chartered Surveyors tut, die Immobilienzyklen beschreibt, in dem sie einen einzelnen Indikator als Referenzpunkt wählt [RICS (1994), S. 9]: „The property cycle is taken as ‘recurrent but irregular fluctuations in the rate of all-property total return, which are also apparent in many other indicators of property activity, but with varying leads and lags against the all-property cycle.’” Wichtig erscheint, dass die RICS-Autoren mit ihrem Bezug auf „den” Immobilienzyklus nicht implizieren möchten, dass es nur eine einzelne zyklische Variable gibt. Dies machen sie dadurch deutlich, in dem sie sich auf „viele andere Indikatoren“ beziehen. Das Prinzip ist, einen Referenzzyklus ähnlich dem des National Bureau of Economic Research (NBER) für den gewöhnlichen Konjunkturzyklus zu finden, entweder für den Immobilienmarkt als Ganzes, oder für sektorale oder regionale Submärkte. Einer der Vorteile einer solchen Definition ist sicherlich, dass sie klar verständlich und nicht mehrdeutig ist und aus der Managementsicht direkt interpretiert werden kann. Unglücklicherweise existiert in Deutschland nur ein unvollständiges Zeitreihenmaterial, um eine Performancehistorie zu konstruieren. Mehr noch, der Referenzzyklus der RICS-Definiton als Immobilien-Gesamtrendite repräsentiert ein Konglomerat unabhängiger Bewegungen, die in lediglich einer Kennzahl ausgedrückt werden. Dies lässt potenzielle wichtige, aber gegenläufige Bewegungen z.B. des Einkommens und des Preises außer Acht. Ein weiterer Nachteil der Definition ist das Attribut „wiederholend, aber unregelmäßig“, da es regelmäßig schwierig ist, eine Zeitreihe zu finden, die nicht diese Struktur in der ein oder anderen Weise entspricht. Wichtig bleibt, festzuhalten, dass die Wahl der Referenzvariablen mit dem gewünschten Nutzen variieren kann. Anstatt der Gesamtrendite definieren Mueller und Laposa sowie viele andere die sinusförmige Bewegung der Leerstandsrate als Referenzpunkt für die Beschreibung von Immobilienzyklen. Sie argumentieren, dass dieser Indikator gut dazu benutzt werden kann, Abweichungen vom Marktgleichgewicht zu beschreiben [Mueller/Laposa (1995)]. Der zweite Weg, Immobilienzyklen zu beschreiben, ist die Identifizierung von stilisierten Fakten, also die schrittweise abstrahierende Reduktion des detaillierten, naturgetreuen Zyklus hin zu einem einfachen Muster mit hohem Wiedererkennungswert und einfacher Reproduzierbarkeit. Die stilisierten Fakten können aus einzelnen oder multivariaten Bewegungen bestehen, Momenten erster oder höherer Ordnung, Vor- und Nachläufen sowie anderen Mustern aller Variablen, die zur Charakterisierung angemessen erscheinen. Die Mehrheit der Zyklus-Beschreibungen folgt diesem Ansatz: Pyhrr, Roulac und Born (1999) empfehlen eine gemeinsame, in den Bereichen der Physik und des Ingenieurwesen bereits etablierte Terminologie und schlagen den Gebrauch der Ausdrücke Wellengipfel

176 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte (‚peak’), Wellental (‚trough’), Amplitude, Periode und Phase in Analogie zu dem idealisierten Zyklus einer Sinus- oder Cosinus-Kurve vor (vgl. Abbildung. 49). y

y

sin(α)

cos(α) Am plitude A (=1)

r=1

sin(α)

α cos(α)

α

x

Phase ϕ (=π/2)

Periode T = 1/Frequenz (=1)

Abbildung 52: Einheitskreis, Sinus- und Kosinusfunktion: Phasen des Immobilienzyklus, Quelle: Wernecke, 2004, S. 31.

Phasen des Immobilienzyklus = stark zunehmend = zunehmend = langsam zunehmend = konstant = langsam abnehmend = abnehmend = stark abnehmend

Phasen im Zeitablauf

++ + +/0 0 -/0 --

Flächennachfrage

Absorption

Neuflächenbestandszuwachs

Mieten

Leerstand

Fremdmittelverfügbarkeit

Konjunktur

Überbauung

-

-

++

-

+

0

-

Marktbereinigung

--

-/0

+

--

++

--

--

Marktstabilisierung

+/0

+

-

+/0

-

-/0

+/0

++

++

--

+

--

++

++

Projektentwicklung

Tabelle 35: Stilisierte Fakten: Phasen des Immobilienzyklus; Quelle: Rottke (2001), S. 51 mit Ergänzungen von Wernecke (2004), S. 45.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

177

Der Unterschied zu dem Ansatz des Referenzzyklus ist trotzdem nicht die Terminologie, sondern die Beschreibung der verschiedenen Variablen und ihrer übereinstimmenden Bewegungen anstatt einer einzelnen Referenzvariablen. Der Vorteil besteht darin, dass die Variablen gemäß der Datenverfügbarkeit ausgewählt werden können (z.B.: Flächennachfrage, Absorptionsraten, Baufertigstellungszahlen, Mieten, Leerstandsraten). Allerdings ist Vorsicht geboten, Immobilienzyklen nicht in einer Art der Selbstreferenz zu definieren, die in der Tautologie auftreten würde, das Marktbewegungen als zyklisch bekannt sind und daher vergangene Muster der Variablen Immobilienzyklen definieren könnten. Tabelle 35 zeigt in einem einfachen Tabellenformat, wie stilisierte Fakten benutzt werden können, die Phasen von Immobilienzyklen zu beschreiben. Dabei werden ausschließlich Momente erster Ordnung berücksichtigt.

3.1.3.4

Mechanismen eines Zyklus

Immobilienzyklen haben verschiedenste Ursachen. Grob kann zwischen endogenen Mechanismen und exogenen konjunkturellen und strukturellen Ursachen unterschieden werden. Dies sei im Folgenden kurz erläutert, um dann am Modell von Kummerow praktisch illustriert zu werden. 3.1.3.4.1

Endogene Mechanismen

Eine auslösende Ursache von Immobilienzyklen sind endogene Marktunvollkommenheiten. Die wahrscheinlich größte dieser Unvollkommenheiten ist die Existenz von Timelags, die neben Immobilien- auch für andere zyklische Märkte charakteristisch ist. Um diesen Prozess der Unter- und Übertreibungen zu verstehen, ist es notwendig, sich noch einmal das Phänomen der Time-Lags genau zu vergegenwärtigen: Es lassen sich v.a. drei Typen von Time Lags unterscheiden [Rottke (2001), S. 20]: •

der Preismechanismus-Lag,



der Entscheider-Lag und



der Konstruktions-Lag.

Ein unerwarteter Anstieg der Nachfrage trifft auf ein Angebotsvolumen, das kurzfristig fix ist. Die Marktreaktionen zu einem temporären Gleichgewicht erfolgen in einer Preis- oder Mengenanpassung, letztere ist nur möglich durch Reduzierung des vorhandenen Leerstandes. Daher steigen Mieten und Verkaufspreise, während der Leerstand sinkt. Sobald der Leerstand unter das natürliche Niveau absorbiert wurde, kann die kurzfristige Marktreaktion nur über Preisbewegungen stattfinden. Die Zeit, die vergeht, bis die Preise vollständig reagieren, wird Preismechanismus-Lag genannt. Aufgrund des langsamen internen Entscheidungsprozesses großer Unternehmen, die in der Lage sind, große Geldmittel zu investieren, reagieren Investoren ebenfalls mit zeitlicher Differenz auf steigende Preise (Entscheider-Lag). Wenn sie sich schließlich zur Investition

178 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte entscheiden, müssen Neubauprojekte geplant und Bauunternehmen unter Vertrag genommen werden. Die Zeit, die vergeht, bis ein Projekt schließlich gebaut ist, kann als KonstruktionsLag bezeichnet werden. Die Zeitperiode dieser drei Time-Lags zusammen wird hauptsächlich charakterisiert durch Preis-reaktionen. Sie steht im Mittelpunkt der mikroökonomischen Sicht der Zyklenforschung (vgl. Abs. 1.2). Wenn mindestens einige Investoren ihre Erwartungen aufgrund übertriebener Preise bilden, kann das Phänomen substanziellen Überbauens auftreten, das wiederum Preisreaktionen nach sich zieht, diesmal in die gegenteilige Richtung. Die Wiederholung dieses Prozesses kann, auch in der Abwesenheit weiterer unerwarteter Änderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen zu einem wahrscheinlich abgeschwächten endogenen Zyklus um eine längerfristigen Trend führen, der sich mit der Zeit, der Fläche und dem jeweiligen Sektor verändert. 3.1.3.4.2

Exogene Einflüsse

Die ursprünglichen Gründe für die oben beschriebenen endogenen Reaktionen sind Einflüsse, die exogen auf den Immobilienmarkt einwirken, wie am Beispiel Berlins zu Anfang dieses Kapitels verdeutlicht. Sie erfolgen in Form von Nachfrageschocks unterschiedlicher Größenordnung, die, in Abhängigkeit von der Situation, den Prozess entweder beschleunigen oder abfedern können. Exogene Faktoren können als mittelfristig-konjunkturell oder langfristig-strukturverändernd beschrieben werden. Mittelfristige, konjunkturelle Einflüsse von außerhalb basieren auf der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes und seiner lokalen Märkte. Sie bestehen aus Veränderungen wesentlicher ökonomischer Variablen wie Inflation, Zinsniveau, BIP oder Beschäftigung. Langfristige Einflüsse, so genannte Mega-Trends, haben eine Auswirkung in Form eines strukturellen Wandels. Beispiele struktureller Änderungen sind [Beyerle, T. (1999), S. 24]: •

Politische Umbrüche (z.B. Gründung der EU, Wiedervereinigung Deutschlands),



Ökonomische Strukturveränderungen (z.B. Globalisierung),



Wandel in der Fläche-Zeit-Beziehung (z.B. neue Informations- und Kommunikationstechnologien) oder



Wachsendes Umweltbewusstsein (neue Technologien oder neue Formen der Stadtplanung).

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte 3.1.3.4.3

179

Zusammenspiel der Mechanismen: das Kummerow-Modell

Endogene und exogene Mechanismen können anhand eines Beispiels, basierend auf dem Modell von Kummerow (1999), visualisiert werden. Die Ausgangswerte in folgendem Beispiel sind eine gleichgewichtige Leerstandsrate von 10%, eine Angebotsverzögerung (SL; supply lag) von 0, ein Angebotsfaktor (OS; oversupply) von 0,8 (80% des beobachteten Nachfrageüberhangs werden als Neuprojekte begonnen) und eine Anpassungszeit (A; adjustment time) von 1 (alle geplanten Bauten werden in der aktuellen Periode begonnen). Die Anpassungszeit wird in den beiden folgenden zwei Szenarien nicht verändert, da es aus mathematischer Sicht keinen Unterschied zu einer Änderung des Angebotsfaktors gibt. Im ersten Jahr gibt es einen positiven Nachfrageschock in Form einer Veränderung des Nachfrageniveaus um 10%.

28.000



Die erste Simulation unter Verwendung der Ausgangswerte zeigt die zu erwartende Angebotsreaktion: Die plötzlich auftretende Unterversorgung mit Büroflächen wird zu 80% in Neubauten umgesetzt, die bereits in der Folgeperiode zur Verfügung stehen. Weil die zusätzliche Nachfrage langfristig wirkt und keine zusätzlichen unerwarteten Ereignisse eintreten, nähert sich das System allmählich wieder dem Gleichgewicht, ohne dass es zu Überreaktionen kommt. Die Leerstandsrate nähert sich an etwa 8% an. Die Differenz von ungefähr 2% zur natürlichen Leerstandsrate ist durch die Tatsache bedingt, dass das regelmäßige Wachstum in diesem Modell nicht antizipiert wird (vgl. Abbildung 53).

30% Nachfrage Angebot Leerstand

26.000 24.000

SL=0 OS = 1 A=1

25%

22.000

Leerstand

20%

20.000

15%

18.000 16.000

10%

14.000

5%

12.000

Jahre nach Schock

10.000 0

5

10

15

0% 20

25

30

Abbildung 53: Kummerow-Modell I: Simulation ohne Timelag; Quelle: Wernecke, 2005, S. 128.

35

180 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Dies ändert sich durch die Annahme einer Angebotsverzögerung in der nachfolgenden Simulation. Vorübergehend signalisiert die Leerstandsrate auch ein Jahr nach dem Schock einen Flächenbedarf, der unter Berücksichtigung der bereits begonnen Neuprojekte deutlich geringer wäre. Da sich die Marktakteure aber ausschließlich am Bestand orientieren, entsteht in der dritten Periode ein Überangebot. Die postulierten Marktregelungsmechanismen führen zu einer gedämpften Oszillation um das dynamische Gleichgewicht (vgl. Abbildung 54).

28.000



Nach der Erläuterung von Zyklenkomponenten und Zyklen auslösenden Ursachen sowie inhärenten Mechanismen, werden Immobilienzyklen vor diesem Hintergrund im Folgenden nun anhand ausgewählter Beispiele des deutschen Immobilienmarktes praktisch erläutert sowie anschließend in den internationalen Kontext gestellt. Hier steht vor allem die Frage im Vordergrund, ob Investitionen in verschiedene deutsche (internationale) Immobilienmärkte dazu beitragen können, das Risiko von Immobilienzyklen zu vermindern.

30% Nachfrage Angebot Leerstand

26.000 24.000

25% 20% Leerstand

22.000

SL=1 OS = 1 A=1

20.000

15%

18.000 16.000

10%

14.000

5%

12.000

Jahre nach Schock

10.000 0

5

10

15

0% 20

25

30

35

Abbildung 54: Kummerow-Modell II: Simulation mit Timelag; Quelle: Wernecke, 2005, S. 128.

3.1.3.5

Nationale und internationale Märkte

Um die Existenz von Immobilienzyklen auf deutschen Teilmärkten zu demonstrieren, wird im Folgenden das Beispiel der Stadt Frankfurt a.M. verwendet, eine Stadt, mit einer überdurchschnittlich hohen Quote an Dienstleistungsbeschäftigen im Vergleich zur Bundesrepublik (86,7% vs. 66,1% in 2004). Frankfurt a.M. hat ein mit TEUR 72,7 (2003) fast dreimal so hohes BIP pro Kopf als der Bundesdurchschnitt und hängt v.a. durch den in Frankfurt angesiedelten Finanz- und Beratungssektor stark von Büroarbeitsplätzen ab. Dem allgemeinen Trend folgend, durch die Bankenkrise aber verschlimmert, erreicht Frankfurt im dritten

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

181

Quartal 2005 einen Leerstand inkl. Untermietflächen von 17,5%, was etwa 2.000.000 qm leer stehender Fläche entspricht, von denen 40% einer erstklassigen, 56% einer durchschnittlichen Qualität entsprechen [Jones Lang LaSalle (2005)]. Auf dieser Ausgangssituation basierend sollen nun für den Frankfurt Büromarkt beispielhaft die Parameter Spitzenmiete, Arbeitslosigkeit und Baufertigstellungen gegenübergestellt werden: In den vergangenen 20 Jahren erreichten die Spitzenmieten i.d.R. ein lokales Tief, wenn zwei Jahre zuvor Flächen von enormen Ausmaß (wie 1993 und 2003) auf den Markt kamen und Bürospitzenmieten auf jeweils etwa EUR 30/qm sanken. Ebenfalls wird deutlich, dass im Zuge von Spitzenmieten wie in den Jahren 1991 und 2001 die Bauaktivität zugenommen hat, so dass etwa zwei Jahre später das entsprechende Neubauvolumen auf den Markt kam. Es ist also ein klar prozyklisches Verhalten mit einem Entscheider- und Konstruktions-Lag erkennbar, das in beiden Fällen nach einer weiteren zeitlichen Verzögerung durch den Absorptions-Lag vom Markt durch hohe Leerstände und ein geringes Mietniveau bestraft wird (vgl. Abbildung 55). Bürobaufertigstellungen vs. Spitzenmieten in Frankfurt 60

400 350

50 40

250 200

30

150

in EUR

in 1.000 qm

300

20

100 10

50

Baufertigstellungen

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

1989

1988

1987

1986

0 1985

0

Spitzenmiete

Abbildung 55: Baufertigstellungen und Bürospitzenmieten in Frankfurt; Quelle: Jones Lang LaSalle, RIWIS

Betrachtet man zusätzlich den Verlauf der hier nicht abgebildeten Baugenehmigungen, wird deutlich, dass sich diese synchron mit leichtem, prozyklischem Nachlauf von etwa einem Jahr (Entscheider-Lag) zum Verlauf der Spitzenmieten verhalten. Einen weiteren interessanten Zusammenhang liefert Abbildung 56. Zu jedem Zeitpunkt in den letzten 20 Jahren verhalten sich die Bewegung der Arbeitslosenquote und der Verlauf der Bürospitzenmieten in Frankfurt diametral zueinander: Wenn in den Jahren 1991 und 2001 eine Spitzenmiete von bis zu EUR 50/qm gezahlt wurde, erreichte in genau diesen Jahren die lokale Arbeitslosigkeit mit Werten von unter 6% respektive leicht über 7% ihre

182 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Tiefststände. In Zeiten hoher lokaler Arbeitslosigkeit wie 1987, 1997 oder 2004, befinden sich die Spitzenmieten auf jeweils vergleichbar niedrigem Niveau. Durch die oben vorgenommene Betrachtung wird klar, dass sich lokale Märkte, hier am Beispiel Frankfurts a.M., in den letzten 20 Jahren sehr zyklisch verhalten haben und die handelnden Investoren jeweils versucht haben, das aktuell hohe Niveau an Spitzenmieten noch auszunutzen. Der Anreiz, den letzten Mietvertrag vor einem Umschwung des jeweiligen Mietmarktes zu schließen, ist um so höher, da dieser hypothetische letzte Vertrag den höchsten Ertrag bringt. Durch Time-Lags bedingt führt aber genau dies in eine prozyklische Krise, da Banken prozyklisch genau die Neubauten finanzieren, die aus Marktgleichgewichtsgesichtspunkten nicht hätten finanziert werden dürfen. Es bleibt die Frage zu klären, ob nun Investoren das Risiko zyklischer Bewegungen abmindern können, in dem sie nicht nur auf einem Markt – hier ein nationaler Büromarkt – tätig sind, sondern ihre Engagements streuen. Um dies beurteilen zu können, werden Korrelationskoeffizienten deutscher Büromärkte zur Hilfe gezogen: Der Korrelationskoeffizient ist das gängigste Maß des Grades des Zusammenhangs zu untersuchender Variablen. Er ist unabhängig vom Niveau der Werte der einzelnen Variablen und reine Messzahl für den linearen Zusammenhang zwischen den entsprechenden Werten zweier Variablen. Er liegt zwischen -1 und +1 und ist positiv, wenn den hohen (bzw. niedrigen) Werten einer der Variablen jeweils hohe (bzw.) niedrige Werte der anderen entsprechen; im umgekehrten Fall ist er negativ. Der Wert liegt umso näher bei +1, je straffer die Beziehung ist. Der Wert 0 lässt auf das Fehlen einer linearen Beziehung schließen.

Spitzenmiete

Arbeitslosigkeit

Abbildung 56: Arbeitslosigkeit und Bürospitzenmieten in Frankfurt [20]

2004

2003

2002

2001

2000

1999

in Prozent

0,0% 1998

0 1997

2,0%

1996

10

1995

4,0%

1994

20

1993

6,0%

1992

30

1991

8,0%

1990

40

1989

10,0%

1988

50

1987

12,0%

1986

60

1985

in EUR

Arbeitslosigkeit im Vergleich zur Bürospitzenmiete in Frankfurt

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

183

Für den deutschen Immobilienmarkt werden beispielhaft die deutschen BüroimmobilienHochburgen sowie weitere Städte aus Ostdeutschland sowie westdeutsche Mittelstädte exemplarisch betrachtet (vgl. Tabelle 36). Bremen Hannover

Erfurt

Rostock

Berlin

Düsseldorf Hamburg Frankfurt München

Bremen

1,00

Hannover

0,45

1,00

Erfurt

0,21

0,93

1,00

Rostock

0,33

0,92

0,94

1,00

Berlin

0,41

0,66

0,48

0,48

1,00

Düsseldorf

-0,07

0,69

0,78

0,65

0,61

Hamburg

0,17

-0,15

-0,24

-0,28

0,43

0,14

1,00

Frankfurt

-0,23

-0,57

-0,53

-0,65

0,01

-0,04

0,81

1,00

München

-0,48

-0,66

-0,52

-0,71

-0,24

-0,09

0,55

0,89

1,00

1,00

Tabelle 36: Korrelationskoeffizienten ausgewählter deutscher Städte [21]; Quelle: DEGI Research 2005; Spitzenmietverläufe 1995-2005, Jahresanfangswerte

Es lässt sich festhalten, dass zwischen den deutschen Hochburgen in einem Vergleich von 1995 bis 2005 Diversifikation in Büroimmobilien in Spitzenlagen nur bedingt zum Erfolg führt: Die Märkte sind entweder hoch positiv korreliert (bspw. Frankfurt zu München/Hamburg), oder weisen keine lineare Beziehung auf (bspw. Düsseldorf zu Frankfurt/München). Eine interessante Beziehung ergibt sich zu den ausgewählten ost- und westdeutschen Mittelstädten: Diese weisen häufig (hoch) negative Korrelationen zu den deutschen Hochburgen auf (bspw. München zu Rostock oder Frankfurt zu Hannover). D.h., dass sich diese Märkte teilweise stark gegensätzlich verhalten und so Diversifikationspotenzial bieten. Ein Grund könnte sein, dass viele nationale und internationale institutionelle Investoren in allen deutschen Hochburgen investieren und diese daher relativ synchron zueinander verlaufen, während Mittelstädte noch weitgehend abgekoppelt von diesem Investorenverhalten ihre eigenen Charakteristika aufweisen. Es sollte allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass das Diversifikationspotenzial zu Mittelstädten auf Kosten von Fungibilität und Liquidität erkauft wird, weshalb eine solche Strategie sicherlich nur für längerfristige Investoren sinnvoll ist. Abschließend lohnt sich ein Blick auf ausgewählte internationalen Büroimmobilienmärkte (vgl. Tabelle 37): Es fällt auf, dass Städte des gleichen Kulturkreises und Entwicklungsniveaus i.d.R. hoch positiv oder nicht korreliert sind (bspw. London, Paris, Frankfurt), es aber Diversifikationspotenzial zu Städten gänzlich unterschiedlicher Kulturkreise oder regionaler Lage gibt: Möchte ein Investor eines großen Büroportfolios in Frankfurt nun diversifizieren, käme aus Korrelationsgesichtspunkten der Jahre 1995-2005 eine Stadt wie Moskau (-0,62) in Frage, ein Investment in New York (+0,78) oder Tokyo (+0,72) würde hingegen nicht zum gewünschten Diversifikationseffekt führen, da die Immobilienzyklen hier in etwa im Einklang verlaufen. Außer Acht gelassen werden darf nicht, dass Korrelationsbeziehungen immer nur Momentaufnahmen sind, in den obigen Tabellen z.B. Zeitspannen von zehn Jahren umfassen. Dies

184 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte impliziert automatisch, dass Korrelationsbeziehungen niemals fix und unveränderlich sind: Ein ausdiversifiziertes Portfolio in 2006 muss nicht auch in 2010 noch die gleichen hohen negativen Korrelationen aufweisen, da sich bspw. das Investorenverhalten geändert haben kann. Frankfurt London Paris Moskau Mexiko City New York Hongkong Peking Tokyo Frankfurt 1,00 London 0,73 1,00 Paris 0,74 0,89 1,00 Moskau 1,00 -0,62 -0,24 -0,15 Mexiko City -0,80 0,49 0,01 -0,13 1,00 New York -0,59 0,78 0,81 0,85 0,21 1,00 Hongkong -0,23 0,31 0,28 0,10 0,61 0,18 1,00 Peking 0,73 0,00 0,14 0,20 -0,39 -0,30 0,16 1,00 -0,78 Tokyo 0,72 0,40 0,29 0,89 0,56 0,74 -0,28 1,00 Tabelle 37: Korrelationskoeffizienten ausgewählter internationaler Städte [22]; Quelle: DEGI Research 2005; Global Investments 2005, Frankfurt, Anhang, Tab. 9, Spitzenmietverläufe 1995-2005, Jahresdurchschnitts-werte

3.1.3.6

Zyklen und Managementfaktoren: eine empirische Erhebung

3.1.3.6.1

Relevanz von Managementfaktoren

Nach der Darstellung eines typischen Immobilienzyklus am Beispiel des Frankfurter Büromarktes und dem Aufzeigen von Diversifikationspotenzialen unter Zuhilfenahmen von Korrelationstabellen, soll nun untersucht werden, inwieweit das bestehende Phänomen der Immobilienzyklen handhabbar gemacht und in das Management von Unternehmen aktiv integriert werden kann. Eine Hypothese von Rottke und Wernecke (2002) besagt, dass den verschiedenen Managementaspekten der Immobilienökonomie verschiedene Möglichkeiten inne wohnen, Management aktiv unter der Berücksichtigung von Immobilienzyklen durchzuführen. Doch wird den verschiedenen Akteuren in Deutschland innerhalb der Managementaspekte ein unterschiedlicher Umsetzungsgrad zyklischen Managements unterstellt (vgl. Abbildung 57). Bspw. wird die Hypothese aufgestellt, dass Immobilienfinanzierer, i.d.R. Banken, einen sehr großen Spielraum haben, durch aktives Management den Verlauf von Immobilienzyklen zu beeinflussen. Doch gerade bei diesen Marktteilnehmern wird vermutet, dass dem Verlauf von Immobilienzyklen aus den verschiedensten Gründen nicht Rechnung getragen wird und stattdessen pro-zyklisch finanziert wird. Auf der anderen Seite sei bspw. das Bauprojektmanagement genannt: Dies wird als sehr unsensitiv gegenüber Immobilienzyklen vermutet: wird gebaut, so bewirken Miet- oder Investitionspreisschwankungen keine Veränderung. Immobilienzyklen sind für diesen Bereich nicht von bedeutender Relevanz.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

185

Immobilienfinanzierung Immobilien-Projektentwicklung Immobilien-Portfoliomanagement Immobilienbewe rtung Immobilienmarketing Corporate Real Estate Management Immobilienanalyse Immobilieninvestition Public Re al Estate Management Facilities Management Bauprojektmanagement Managementaspekte

gering

mittel

hoch

Möglichkeiten aktiven Managements unter Berücksichtigung von Immobilienzyklen Umsetzung zyklischen Managements in der P raxis

Abbildung 57: Hypothesen zum Management von Immobilienzyklen; Quelle: Rottke und Wernecke (2002), Folge 16.

Ziel der im folgenden aufgeführten empirischen Untersuchung zu Immobilienzyklen in Deutschland von Wernecke, Rottke und Holzmann (2004) anhand einer repräsentativen Befragung unter deutschen Unternehmen, war es daher, die oben genannten Thesen zu bestätigen oder zu verwerfen, um Klarheit über die Relevanz von Immobilienzyklen für das Immobilienmanagement zu erlangen. Das Ergebnis ist ein differenziertes Bild, in dem vor allem den Aspekten Finanzierung, Projektentwicklung und Portfoliomanagement hohes Anwendungspotenzial zugesprochen wird. Vorab wird im Rahmen der Untersuchung die Bedeutung von Immobilienzyklen für die teilnehmenden Unternehmen anhand folgender Fragen erörtert: •

Welche Begriffe verbinden Sie mit „Immobilienzyklus“ am ehesten?



Was gehört zu den wichtigsten Phänomenen im Zusammenhang mit Immobilienzyklen?



Wo vermuten Sie die wichtigsten Ursachen von Immobilienzyklen?



Sehen Sie in Immobilienzyklen in erster Linie Chancen oder Risiken?



Halten Sie Immobilienzyklen für prognostizierbar?

186 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte 3.1.3.6.2

Empirische Erhebung für Deutschland

Die Grundgesamtheit der zu befragenden Marktteilnehmer besteht prinzipiell aus allen Unternehmen, die ihren Sitz in Deutschland haben und mindestens einen der betrachteten Aspekte des Immobilienmanagements zu ihren Aufgabengebieten zählen. Als Adressenbasis wurde das „Who Is Who in der Immobilienwirtschaft“ gewählt [Schiller/Hütten (2002)]. Der Umfang der Gesamtstichprobe betrug 240 deutsche Unternehmen. Der Rücklauf war insgesamt außergewöhnlich hoch und betrug 119 Fragebögen, was einer Rücklaufquote von etwa 49,6% entspricht. Die Bedeutung des Themas „Immobilienzyklen“ wird schon zu Eingang der Befragung anhand der Antworten auf die Frage „Wie lässt sich Ihre Einstellung gegenüber Immobilienzyklen am treffendsten beschreiben“ klar: Fast 80 % der Befragten meinen, dass Immobilienzyklen ein wichtiges oder sogar sehr wichtiges Thema seien, nur etwa 19% halten das Thema für interessant, aber eher unwichtig, 1% für relativ unwichtig. Aufgrund der ‚babylonischen’ Sprachvielfalt in der deutschen Immobilienliteratur wurden die Teilnehmer befragt, welchen Begriff sie mit „Immobilienzyklus“ assoziieren (vgl. Abbildung 58). Es wurde eine Auswahl an Begriffen angeboten, die teilweise redundant sind (z.B. „Marktzyklus“, „Schweinezyklus“ und „Immobilienuhr“), aber auch für abweichende Inhalte stehen können (z.B. „Immobilien-Lebenszyklus“, „Baukonjunktur“ und „Wohnungsnot-/-überhang“). Welche Begriffe verbinden Sie mit "Immobilienzyklus" am ehesten (max. 3 Antworten)?

ImmobilienLebenszyklus

27% 86%

Marktzyklus

Baukonjunktur

17%

Schweinezyklus

55% 31%

Immobilienuhr Wohnungsnot Wohnungsüberhang eigene Angaben

16% 4%

Abbildung 58: Begriffsbedeutungen

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

187

Die Teilnehmer favorisierten zu 86% den Begriff „Marktzyklus“, gefolgt von dem (nicht ganz korrekten) Terminus „Schweinezyklus“ mit 55%. Eigene Nennungen der Befragten waren „wirtschaftliche Nutzungsdauer“, „Zyklus der Attraktivität alternativer Investments, z.B. Aktien“, „soziodemografische und Urbanitätskriterien“ und „konjunktureller Zyklus der Immobilienwirtschaft“. Direkter war die Frage gestellt, bei der es um die inhaltlichen Bezugsgrößen der Befragten geht (vgl. Abbildung 59). Zur Auswahl stand eine Reihe von Indikatoren, die sich im Laufe des Marktgeschehens ändern. Die meisten Nennungen fielen dabei auf „Immobilienpreisschwankungen“ und „Mietpreisschwankungen“, welche die beiden wichtigsten Komponenten der Gesamtrendite sind. Nur in 40 der 119 Fälle, also etwa bei einem Drittel, wurde die Gesamtrendite, deren Fluktuationen nach der RICS-Definition den Hauptindikator für Immobilienzyklen stellen, selbst genannt. Was gehört für Sie zu den wichtigsten Phänomenen im Zusammenhang mit Immobilienzyklen (max. 3 Antworten) Mietpreisschwankungen

64%

ImmobilienpreisSchwankungen

79%

Baupreisschwankungen

13%

schwankende Immobilienrenditen schwankende Multiplikatoren schwankende Grundstückspreise

34% 9% 6% 18%

Developerpleiten Konjunkturkrisen/-boom eigene Angaben

50% 8%

Abbildung 59: Phänomene der Immobilienzyklen

Einige Befragte nannten ebenfalls eigene Begriffe wie: „11. September“, „Nachfrageverhalten“, „Zinsniveauänderung“, „Leerstände“, „Lebenszyklus“, „nachahmendes Verhalten“, „Angebotsschwankungen“ und „Marktliquidität“.

188 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

Wo vermuten Sie die wichtigsten Ursachen von Immobilienzyklen? (max 3 Antworten) Nennungen

21%

Irrationalität Zufall

0%

innerer Prozess

18% 81%

Konjunktur schlechte Ausbildung

7% 8%

Globalisierung

33%

Intransparenz Investitionsvolumen

40% 22%

Langlebigkeit Naturgesetze eigene Angaben

1% 14%

Abbildung 60: Ursachen von Immobilienzyklen

Als führend unter den Ursachen für Immobilienzyklen (vgl. Abbildung 60) geben die Teilnehmer die Konjunktur an, gefolgt von hohen Investitionsvolumina, der Intransparenz von Immobilienmärkten, der Langlebigkeit von Immobilien und der Irrationalität der Marktteilnehmer. Keiner der Befragten vermutete Zufall als Ursache, nur einer sah sie als Ergebnis von Naturgesetzen. Insgesamt sieben Befragte nannten Time-Lags als weitere Ursache. Immobilienzyklen können als Risiko, aber auch als Chance aufgefasst werden, was ausländische opportunistische Investoren, seit etwa 2004 in Deutschland eindrucksvoll unter Beweis stellen. Eine sehr interessante Fragestellung ist daher ebenfalls, ob Immobilienzyklen von deutschen Unternehmen eher unter Chancen- oder unter Risikogesichtspunkten betrachtet werden. Von der begrifflichen Interpretation der RICS-Definition her nehmen Zyklen eine Zwischenstellung zwischen Zufall und Gesetzmäßigkeit ein: sie sind „recurrent“, also regelmäßiger als ein reines Zufallsmuster, aber auch „irregular“, also unregelmäßiger als ein sicherer Trend. Wenn ein Marktteilnehmer in der Lage ist, die wiederkehrende Komponente besser zu prog-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

189

nostizieren als der Durchschnitt, sollte er höhere Erträge erzielen können. Eine – möglicherweise triviale - These aus einer früheren Arbeit von Rottke und Wernecke lautete daher, dass es einen Zusammenhang zwischen subjektiv empfundener Prognosefähigkeit und der Chancen/Risiko-Abschätzung geben sollte [Rottke/Wernecke (2002), Folge 1]. Die Ergebnisse der dazugehörigen Fragen zeichnen ein deutliches Bild: Fast 70% der Befragten sehen – offensichtlich im Gegensatz zu den Opportunity Funds - Chancen und Risiken in einem ausgeglichenen Verhältnis. Ansonsten überwiegen die Optimisten: 15,1% sehen „mehr Chancen als Risiken“, 8,4% „fast nur Chancen“ (vgl. Abbildung 61). Eine Korrelationsanalyse ergibt, dass die Personen, die Projektentwicklung zur ihrem Hauptaufgabengebiet zählen, tendenziell optimistischer sind - das Signifikanzniveau verfehlt die 5%-Marke nur knapp (Spearman’s rho = -0,179 bei N=119: 5,1% Signifikanz im zweiseitigen Test). Chance und Risiko: Was sehen Sie in Immobilienzyklen in erster Linie?

Nennungen in %

68,1%

15,1% 8,4%

fast nur Chancen

5,9% mehr Chance sowohl Chance mehr Risiken als Risiko als auch Risiko als Chancen

1,7%

0,8%

fast nur Risiken

k.A.

Abbildung 61: Chancen und Risiken von Immobilienzyklen

Die abschließende Frage in diesem Zusammenhang ist die nach der Prognostizierbarkeit von Immobilienzyklen. Abbildung 62 zeigt, dass die Hälfte der Befragten den Markt für kurzund mittelfristig, und dass weitere 11% ihn für „allgemein gut“ prognostizierbar halten. Immerhin 20% halten Prognosen kaum für möglich.

190 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

Halten Sie Immobilienzyklen für prognostizierbar?

Nennungen in %

50,0%

17,8%

19,5%

11,0% 1,7% allgemein gut

kurz- und mittelfristig gut

nur kurzfristig

kaum

k.A.

Abbildung 62: Prognostizierbarkeit von Immobilienzyklen

Die hohe Bedeutung von Prognosen für die Immobilienwirtschaft lässt sich statistisch belegen. Tabelle 38 weist die Ergebnisse der Befragung von Marktteilnehmern zu ihrer Einschätzung in Bezug auf Prognostizierbarkeit und der Chancen/Risiko-Relation von Immobilienzyklen aus. Im Wesentlichen scheint in der Praxis gegenüber beiden Aspekten vorsichtiger Optimismus zu bestehen – darüber hinaus lässt sich ein Zusammenhang zwischen Bewertung der Prognostizierbarkeit und der Einstellung gegenüber Chancen und Risiken von Zyklen erkennen: Je positiver die Einstellung gegenüber der Prognosemöglichkeit ist, desto eher überwiegt auch die Meinung, dass die sich aus Immobilienzyklen ergebenden Chancen die Risiken überwiegen [29]. Das Hauptziel der Untersuchung war die empirische Überprüfung der Hypothesen der Abbildung 63. Dafür sollten die Befragten die Bedeutung von Immobilienzyklen für die verschiedenen Managementaspekte und der Umsetzung von Zyklenwissen in die Praxis bewerten. Die Aspekte „Bewertung“ und „Investitionsrechnung“ waren zu einem Punkt zusammengefasst, da sie das Grundproblem der Prognostizierung von zukünftigen Cashflows und Preisen teilen. Die beiden Fragen lauteten: -

Bitte ordnen Sie Ihre Einschätzung der Bedeutung von Immobilienzyklen für folgende Bereiche des Immobilienmanagements ein.

-

Inwieweit ist eine Umsetzung von Zyklenwissen in der Praxis bereits erfolgt?

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Sind Zyklen prognostizierbar? gut

191

Gesamt

kurz bis kurzkaum mittelfristig fristig

Chance/Risiko:

zunächst Chancen

1

7

„Ich sehe in Immobilien zyklen eher...“

eher Chancen

5

8

Chancen und Risiken

6

1

9

1

4

18

38

17

16

77

eher Risiken

5

1

1

7

zunächst Risiken

1

1

2

23

113

12

Gesamt

59

19

Tabelle 38: Kreuztabelle Prognostizierbarkeit und Risiko/Chancen-Verhältnis; (vgl. Wernecke/Rottke/Holzmann (2004), S. 182f.)

Die Bewertung fand jeweils nach dem deutschen Schulnotensystem von 1 („sehr gut“, bzw. „sehr bedeutend“) bis 6 („ungenügend“, bzw. „unbedeutend“) statt. Der Vorteil dieser Skala ist, dass jeder deutsche Befragte eine ausgeprägte Beziehung zu ihr hat. Um die Vergleichbarkeit zur Tabelle 38 herzustellen, wurden die Ergebnisse für die Abbildung 63 umskaliert: Bedeutung von Immobilenzyklen für den Managementaspekt Umsetzung von Zyklenwissen in der Praxis Projektentwicklung Portfoliomanagement Corp. RE Management Bewertung/Investitionsrechnung Marketing Finanzierung gering

mittel

hoch

Abbildung 63: Management von Immobilienzyklen: Ergebnisse der Befragung,

Die empirische Studie bestätigt weitestgehend die aufgestellten Hypothesen: Immobilienzyklen sind v.a. für die Managementbereiche Projektentwicklung, Finanzierung und Portfolio

192 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Management sowie für Investition/Bewertung und Marketing von höchster Relevanz. Allerdings wird der Umsetzungsgrad von Zyklenwissen in die Praxis von den Teilnehmern höher eingeschätzt als von den Autoren.

3.1.3.7

Handlungsoptionen für Immobilienzyklen

Ziel des vorliegenden Kapitels war es, einen theoretisch fundierten Überblick über Immobilienmarktzyklen in Deutschland zu geben. Das Problembewusstsein für Immobilienzyklen in Deutschland sollte geweckt oder verstärkt werden. Anhand der endogenen Mechanismen und der exogenen Ursachen sollte die Funktionalität von Immobilienzyklen kurz geschildert werden, um darauf aufzuzeigen, dass anhand von Diversifikation ggf. zyklisches Risiko minimiert werden kann. Darauf aufbauend erfolgte eine Auseinandersetzung mit dem Thema Management und Immobilienzyklen (vgl. Abbildung 57 und Abbildung 63): Demnach haben die folgenden Aspekte das höchste Realisierungspotenzial für die Berücksichtigung zyklenbezogener Methoden: •

Projektentwicklung,



Portfoliomanagement und



Immobilienfinanzierung.

Es gibt aber eine deutliche Disparität zwischen diesem Umsetzungspotenzial und der Realität zyklenbezogenen Managements. Dies zeigt, dass die Frage nach der Art und Weise, wie eine Unterstützung aussehen kann, bislang teilweise unbeantwortet ist. Es ist eine Herausforderung für die Forschung, einen Rahmen für Immobilienmanagement in zyklischem Umfeld zu entwickeln. Ergebnisse aus der angloamerikanischen Literatur sind nicht zwangsläufig auf deutsche Verhältnisse übertragbar. Die Charakterisierung von Immobilienzyklen als „wiederkehrend, aber unregelmäßig“ zeigt, dass eine mögliche Unterstützung nicht aus einfachen und dauerhaft gültigen Regeln bestehen kann. Viele verschiedene Verfahren von „Marktanalyse“ bis „Prognosesystem“ müssen zusammengeführt werden, ohne dass die Praktikabilität verloren geht. Vor allem aber müssen die Bemühungen um größere Transparenz des deutschen Immobilienmarktes unterstützt und verstärkt werden [Schulte/Rottke,Pitschke (2005), S. 90ff.]. Es wird deutlich, dass der Ansatzpunkt eines Managements unter der Berücksichtigung von Immobilienzyklen nicht in der möglichst genauen, langfristigen Prognose von Immobilienzyklen liegen kann, da dieses Phänomen, zumindest für eine langfristige Prognose, einfach zu komplex und die Ursachen exogener und endogener Natur einfach zu vielfältig und oft nicht messbar sind, z.B. ein Terror-Anschlag oder die Eigenschaft eines Investors, unbedingt in die Annalen einer Großstadt als derjenige eingehen zu wollen, der in einer Bieterauktion ein sehr begehrtes Immobilienportfolio erworben hat – ohne Berücksichtigung des angemessenen Kaufpreises.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

193

Das eigene Immobilienportfolio sollte besser, auch und gerade für den Investor als Immobilienhändler (‚Trader’), möglichst „zyklenresistent“ gestaltet werden. Dies kann v.a. durch vier Dinge erreicht werden: eine Zyklen berücksichtigende Bewertung, ein gutes Timing, ein hohes Maß am Diversifikation und eine hohe Integrität des Investments. •

Bewertung

Helmut Knepel vertritt die Ansicht: „Die methodische Schwachstelle der deutschen Immobilienbewertung liegt in der Verwendung des Liegenschaftszinses und der nachhaltig erzielbaren Miete.“ Knepel fordert ein dynamisches Verfahren, das Schwankungen im Markt besser abbilden könne. „Anleger bekämen ein realistischeres Bild vom jeweiligen Wert ihrer Anlage – sowohl in besseren als auch in schwächeren Marktphasen (Zitelmann (2005), S. 3). Diese Auffassung unterstützt die Forderung des Autors, das Wissen um Immobilienzyklen auch in die Verfahren der Immobilienbewertung zu integrieren. Dazu ein Beispiel: Für Gebäude, deren Marktwert sich primär nach dem Ertrag bestimmt, ist das in den §§15-20 WertV geregelte Ertragswertverfahren vorgesehen, das auf die „nachhaltig erzielbare Miete“ und den „Vervielfältiger“ ausgerichtet ist, der sich aus der Restlebensdauer und dem Liegenschaftszins errechnet, welcher wiederum mittels Vergleich durch die Gutachterausschüsse bestimmt wird. Was bedeutet „nachhaltig erzielbare Miete“, wenn auf dem Mietmarkt nichts so beständig scheint wie der Wandel? In der Kommentierung von Kleiber, Simon und Weyers (1998) heißt es dazu: „Grundsätzlich gelten die Erträge als nachhaltig, die über die verbleibende Restnutzungsdauer im Durchschnitt erzielbar sind. Da sich aber die Mietentwicklung nicht mit der gebotenen Sicherheit abschätzen lässt, werden als nachhaltige Erträge die am Wertermittlungsstichtag unter gewöhnlichen Verhältnissen erzielbaren Erträge angesetzt“. Der Begriff „nachhaltig“ wird also schrittweise durch „durchschnittlich“ und „aktuell erzielbar“ ersetzt. Die aktuellen erzielbaren Mieten aber unterliegen vollständig dem Marktzyklus. •

Timing

Timing ist vor dem Hintergrund zu verstehen, sich die Wirkungsweisen des Konstruktions-, Entscheider- und Absorptions-Lags immer vor Augen zu halten und vor diesem Hintergrund, in Verbund mit seriösen kurz- und mittelfristigen Prognosen sowie generellen ökonomischen Frühindikatoren, Entscheidungen zu treffen. Nicht die herrschende Meinung des Marktes, z.B. in Bezug auf Investitionsstandorte, sollte die ausschlaggebende Rolle spielen, sondern die Ergebnisse der eigenen Analyse. Aus dieser Perspektive sollte eine Marktabkopplung stattfinden. Dies funktioniert leider nicht, wenn ein Unternehmen zu 80% bankenfremdfinanziert ist, da Kreditinstitute Darlehen in der Regel prozyklisch vergeben und ein Investor oder Entwickler trotz des Wissens um Immobilienzyklen ohne hohe Eigenkapitaldecke gar nicht die Möglichkeit hat, anti-zyklisch zu handeln. Entweder ist eine bestimmte Unternehmensgröße – auch zur Diversifikation – notwendig, oder aber der Kreditsuchende löst sich zu einem bestimmten Maße von der Bankenabhängigkeit bspw. durch Erschließung alternativer Eigenoder Fremdkapitalquellen (bspw. Stille Beteiligungen, Joint Ventures, Real Estate Private Equity, Wandeldarlehen oder z.B. die direkte Verbriefung über den Kapitalmarkt).

194 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte •

Diversifikation

Unter Diversifikation ist die Reduzierung des unsystematischen Risikos zu verstehen, das sich als Teil des Gesamtrisikos durch eine Diversifikation der Anlageobjekte eliminieren lässt. Es handelt sich dabei um immanente oder projektspezifische Risiken. Für die Immobilienwirtschaft kommen hierbei Diversifikationen anhand regionaler (Frankfurt, Europa, Welt), typologischer (Büro, Einzelhandel, etc.) oder funktionaler (Unternehmen, Portfolien, NPLs, Projektentwicklungen, Grundstücke) Ausprägung in Frage. Beyerle (2005) vergleicht in Abbildung 64 beispielhaft, welche Kerngrößen von Rendite und Risiko für überregionale Investmentzentren und Regionalstandorte differieren und so zur Portfoliodiversifikation genutzt werden können.

Abbildung 64: Gegenüberstellung von Investmentzentren und Regionalstandorten aus Investorensicht; Quelle: Beyerle, T.: Neue Perspektiven, Marktreport Deutschland 2005, Büroimmobilienmarkt, DEGI Research, Frankfurt 2005, S. 19.

Dem schließt sich Bone-Winkel argumentativ mit folgendem Kommentar zur Sinnhaftigkeit von global investierenden offenen Immobilienfonds an: „Im Vergleich mit rein deutschen Fonds ist der Diversifikationseffekt in europäischen Portfolios größer. Vergleicht man anschließend einen europäischen mit einem ‚globalen’ Fonds, erzielt Letzterer ebenfalls einen höheren Risikodiversifikationseffekt als einer, der nur in Westeuropa anlegt. […] Doch die Global-Fonds müssen erst beweisen, dass sie in der Lage sind, von solchen Aufschwüngen auch zu profitieren und nicht erst auf der Spitze des Marktes einzukaufen. […] Doch sollten die offenen Fonds ihre Mainstream-Strategie (‚kontinuierlich regional expandieren und überall nur in Bestlagen kaufen’) revidieren und stattdessen einen Mix von A- und B-Standorten oder eine stärkere Nutzungsmischung, z.B. mit Wohnimmobilien, erwägen (Leykam (2004), S. 5).

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte •

195

Integrität des Investments

Abschließend sei der vielleicht wichtigste, eigentlich jedoch auch selbstverständlichste, Punkt erwähnt, der leider oft keine Beachtung findet: Investoren sollten ihre Investitionsentscheidung gemäß der Zielhierarchie der Immobilienanlageentscheidung ausrichten: Hauptziele sind die Sicherheit und Rentabilität der Immobilienanlage unter der Beachtung des wichtigsten Nebenziels, der Liquidität. Immobilien in einer nachteiligen Lage oder mit einem hohen Leerstand werden grundsätzlich nicht dadurch vorteilhaft, dass sie hohe Steuervorteile bieten oder dass das Prestige für einen Augenblick ein hohes, bundesweites Ausmaß annimmt. Werden die oben getroffenen Grundprämissen nicht verletzt, dann werden die Chancen erheblich erhöht, von Immobilienzyklen relativ unabhängig Entscheidungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten treffen zu können: Bewusstes Management im Immobilienzyklus wird so möglich.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

197

Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.1.3 Beyerle, T. (1999). Zukunftstrends – Wirkungsfaktoren des deutschen Immobilienmarktes, in: Immobilien Manager, Mai 1999, S. 24. DEGI Research 2005; Global Investments 2005, Anhang, Tab. 9, Spitzenmietverläufe 1995-2005; Jahresdurchschnittswerte. DEGI Research 2005; Spitzenmietverläufe 1995-2005; Jahresanfangswerte. DEGI Research 2005, Neue Perspektiven, Marktreport Deutschland 2005, Büroimmobilienmarkt, Frankfurt. Jones Lang LaSalle (1985-2005): Marktberichte. Jones Lang LaSalle (2005): City Profile Frankfurt a.M., Update Q3 05, Frankfurt 2005, S. 1-3. Kleiber, W. / Simon, J. / Weyers, G.: Verkehrswertermittlung von Grundstücken, Köln 1998. Kummerow, Max (1999): A System Dynamics Model of Cyclical Office Oversupply, in: Journal of Real Estate Research, Vol. 18, Nr. 1, 1999, S. 233-255. Leykam, Monika: Offene Immobilienfonds: Wie riskant sind "Global-Fonds" wirklich? in: Immobilien Zeitung Nr. 6/2004, 11.03.2004, S. 5. Mueller, G., and S. Laposa (1995): Evaluating Real Estate Market Cycles Using Cycles Analysis, Paper presented at the American Real Estate Society Annual Meeting, April 15th, Santa Barbara 1995. Pyhrr, S. / Roulac, S. / Born, W. (1999): Real Estate Cycles and their Strategic Implications for Investors and Portfolio Managers in the Global Economy, in: Journal of Real Estate Research, Vol. 18, No. 1, 1999, S. 39. Rottke, N. (2001): Immobilienzyklen in Deutschland – Ursachen und empirische Analyse, Hamburg 2001. Rottke, N./Wernecke, M.: Management im Immobilienzyklus, Folge 1-16, Fachbeiträge aus der Immobilien Zeitung 2001 und 2002, in: Immobilien Zeitung, Nachdruck RE 125, Wiesbaden 2002, S. 1-50. Royal Institution of Chartered Surveyors (1994): Understanding the Property Cycle, Main Report: Economic Cycles and Property Cycles, London 1994, S. 9. Schiller, A. / Hütten, O.: Who Is Who in der Immobilienwirtschaft 2002, in: Immobilien Informationsverlag Rudolf Müller, Köln, 2002.

198 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Schulte, K.-W. (2000): Immobilienökonomie - ein innovatives Lehr- und Forschungskonzept, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): 10 Jahre ebs Immobilienakademie. Festschrift, Frankfurt am Main 2000, S. 37f. Schulte, K.-W. / Rottke, N. / Pitschke, C.: Transparency in the German Real Estate Market, in: Journal of Property Investment and Finance, Vol. 23, No. 1, 2005, S. 90-108. Schulte, K.-W. et al. (2004): Forschungsschwerpunkte der Immobilienökonomie – Ergebnisse empirischer Studien, in: Zeitschrift für Immobilienökonomie, Nr. 1, 2004, S. 20 Wernecke, M. (2004); Büroimmobilienzyklen, in: Schulte, K.-W. / Bone-Winkel, S.: Schriften zur Immobilienökonomie, Diss., Bd. 31, Köln 2004, S. 128 Wernecke, M. / Rottke, N. / Holzmann, C. (2004): Incorporating the Real Estate Cycle into Management Decisions – Evidence from Germany, in: Journal of Real Estate Portfolio Management, Sept. - Dec. 2004, Vol. 10, No. 3, S. 171-186. Zitelmann, R.: Offene Fonds: Die Woche danach - die Reformdebatte hat begonnen, in: ZitelmannNews, 27.12.2005,51-05,S.3.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.4

199

Real Estate Confidence Indicator Christoph Holzmann

3.1.4.1 Einführung .....................................................................................................200 3.1.4.2 Geschäftsklimaindikatoren ............................................................................202 3.1.4.3 Konstruktion des Indikators ...........................................................................206 3.1.4.3.1 Internationaler Vergleich ...............................................................................206 3.1.4.3.2 Definitorische Grundlagen.............................................................................206 3.1.4.3.3 Zielzeitreihe ...................................................................................................207 3.1.4.3.4 Befragte..........................................................................................................209 3.1.4.3.5 Fragen ............................................................................................................210 3.1.4.4 Problemfelder bei der Implementierung ........................................................213 3.1.4.4.1 Annahmen......................................................................................................213 3.1.4.4.2 Akzeptanz ......................................................................................................214 3.1.4.4.3 Antwortverhalten ...........................................................................................215 3.1.4.4.4 Aussagekraft ..................................................................................................216 3.1.4.5 Abschließende Bemerkungen ........................................................................216 Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.1.4 ...................................................................................218

200 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.4

Real Estate Confidence Indicator Christoph Holzmann

3.1.4.1

Einführung

Gegen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre waren die Immobilienmärkte in den Vereinigten Staaten und in mehr als 20 weiteren Ländern starken zyklischen Schwankungen unterworfen, die sowohl auf Projektentwicklerseite als auch unter Fremdkapitalgebern und Investoren zu schweren Kapitalverlusten führten (vgl. Goetzmann/Wachter 1995, S. 3f). Diese Erfahrungen steigerten in erheblichem Maße das Interesse von Forschern und Praktikern an der Untersuchung der Eigenschaften und Ursachen von Immobilienzyklen und an der Prognose von deren Verläufen. Trotz weit reichender globaler Anstrengungen, den Umgang mit einem der komplexesten Aspekte der Immobilienökonomie zu systematisieren und zu vereinfachen, existieren jedoch bisher weder ein allgemeines theoretisches Fundament noch gemeinsame Begrifflichkeiten, Forschungsansätze oder Methodiken (vgl. Pyhrr et al. 2003, S. 2f). Während es heutzutage auf den relativ transparenteren angloamerikanischen Immobilienmärkten möglich ist, Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage in einem relativ frühen Stadium zu identifizieren (vgl. Mueller 2002, S. 120), fällt die Entscheidungsfindung auf Basis unterschiedlicher und teilweise gegenläufiger Theorien besonders in den Ländern schwerer, denen die notwendige Datenbasis fehlt, um Marktbewegungen angemessen abbilden zu können. Je begrenzter der Rahmen für objektive Prognosen ausfällt, umso mehr Raum bleibt für diejenigen subjektiven und potentiell unbegründeten Erwartungen, die sich für das Gleichgewicht auf Immobilienmärkten historisch als am gefährlichsten erwiesen haben. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts stellten Konjunkturforscher fest, dass Erwartungen eine wichtige Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf von Zyklen spielen. Basierend auf diesen Erkenntnissen entwickelten Institutionen in allen Industrienationen so genannte Konjunkturumfragen, um die Erwartungen der Marktteilnehmer abzubilden und aus ihnen qualitative Konjunkturindikatoren zur Vorhersage von zyklischen Wendepunkten abzuleiten. Auf europäischer Ebene wurden die betreffenden Umfragen im Zeitverlauf harmonisiert, so dass inzwischen ein Vergleich von ökonomischen Erwartungen, ökonomischem Handeln und ökonomischer Wirkung möglich ist. Da sich die daraus abgeleiteten Indikatoren jedoch hauptsächlich auf Volkswirtschaften im Ganzen beziehen und zumeist nur ein ungenauer Zusammenhang zwischen der gesamtwirtschaftlichen Konjunkturkurve und dem konjunkturellen Umfeld in unterschiedlichen Branchen oder auf Unternehmensebene besteht, ist ihr Nutzen für einzelne Wirtschaftszweige begrenzt (vgl. Oppenländer 1995, S. 196). Zunehmend werden daher Konjunkturumfragen konzipiert, die den Charakteristika einzelner Branchen Rechnung tragen (vgl. OECD 2003, S. 8). Dies gilt auch für die Immobilienbranche, da Forscher vor allem in den Vereinigten Staaten im Laufe der letzten Jahre begonnen haben, Ansätze zu entwickeln, um das Verfahren auch auf den Immobilienmarkt zu übertragen. Dass sie damit einen richtigen Weg eingeschlagen haben, belegen Aussagen international führender Immobilienkonjunkturforscher aus dem Jahr 2003: „Shifting analysis to an ex ante cycle framework requires the development of forecasting and

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

201

estimation techniques not commonly used in real estate markets. Since all exogenous factors cannot be quantitatively measured, qualitative variables also need to be integrated into realistic frameworks for evaluation of future economic and market scenarios“ (Pyhrr et al. 2003, S. 10). Es ist unbestreitbar, dass jede ökonomische Entscheidung vor dem Hintergrund von zukünftigen Entwicklungen und Ereignissen getroffen wird, die lediglich als wahrscheinlich eingestuft werden können. Aus diesem Grund sind Prognosen von höchster Bedeutung für Entscheidungsträger in allen Branchen und Märkten (vgl. Oppenländer 1995b, S. 193). Eine Umfrage, die im Jahr 2000 von der Universität Potsdam unter 482 führenden Akteuren auf den deutschen Immobilienmärkten durchgeführt wurde, zeigte jedoch, dass eine große Mehrheit der Marktteilnehmer zukünftig mit einer schwierigeren bzw. sehr viel schwierigeren Vorhersagbarkeit gewerblicher Immobilienmärkte in Deutschland rechnete (vgl. Hübner 2002, S. 58f). Gleichzeitig schien der strategische Gebrauch von Prognoseinstrumenten im Jahr 2001 für viele Marktteilnehmer eher die Ausnahme denn die Regel darzustellen, auch wenn sie mehrheitlich mit einer steigenden Bedeutung von Prognosemodellen rechneten (vgl. o. V. 2001, S. 3; DTZ Consulting GmbH 2001, S. 38). Während dies bei kleinen und mittleren Unternehmen auf der einen Seite auf eine fehlende methodische Vertrautheit zurückgeführt werden kann (vgl. Oppenländer 1995b, S. 197), spielt auf der anderen Seite gerade auf Immobilienmärkten das schlichte Fehlen adäquater Instrumente und Datenreihen eine große Rolle. Ein solches Fehlen von Instrumenten zur Konjunkturprognose auf Immobilienmärkten erweist sich jedoch nicht nur für die direkt betroffenen Marktteilnehmer als kritisch, sondern ist ebenfalls für andere Branchen und für die Wirtschaftspolitik im Allgemeinen unter vier Gesichtspunkten als problematisch einzustufen. Erstens haben Immobilienmärkte einen bedeutsamen Anteil an der jährlichen Wertschöpfung einer Volkswirtschaft inne. Zudem stehen Immobilien als Anlageobjekte stellvertretend für einen hohen Anteil investierten Vermögens. Zweitens stellen fehlende gewerbliche Immobilien als Produktionsfaktoren während eines konjunkturellen Hochs ein Wachstumshindernis dar, da dringend Mietfläche für die Expansion benötigt wird, entsprechender Raum jedoch nicht vorhanden ist. Umgekehrt drücken leer stehende Gebäude während einer konjunkturellen Abkühlung eine unproduktive Bindung von Ressourcen aus, die unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten einem besseren Zweck hätten zugeführt werden können. Drittens besichern Immobilien viele gewerbliche Darlehen und Kredite, so dass Fluktuationen von Immobilienpreisen sowohl einen Einfluss auf Konditionen und Volumen bei Kreditneuzusagen als auch auf die Qualität des Kreditbestands und somit auf die Gesundheit des Finanzsystems insgesamt haben. Schließlich hängt der Zugang zu Fremdkapital in dem Ausmaß von Immobilienzyklen ab, in dem Banken selbst über eigene Immobilienbestände verfügen, da Abschwünge in diesem Fall sowohl die Liquidität als auch die Eigenkapitalbasis schwächen und somit die mögliche Fremdmittelvergabe unabhängig von der Bonität des Schuldners oder des Projektes einschränken (Herring/Wachter 2003, S. 217-227; Borio/Lowe 2003, S. 264) Vor dem Hintergrund der beschriebenen Notwendigkeit einer besseren Vorhersagbarkeit von Immobilienzyklen verfolgt der vorliegende Beitrag das Ziel, den umfragebasierten Konjunkturindikatorenansatz im Rahmen eines so genannten Real Estate Confidence Indi-

202 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte cators (RECI) auf den deutschen Immobilienmarkt anzuwenden und dadurch eine bessere kurz- bis mittelfristige Prognose konjunktureller Wendepunkte zu ermöglichen. Aufgrund eines begrenzten Umfangs des vorliegenden Beitrages kann dabei nur auf die Eckpunkte eines äußerst komplexen Projektes eingegangen werden, das gegenwärtig am ebs Department of Real Estate durchgeführt wird.

3.1.4.2

Geschäftsklimaindikatoren

Konjunkturindikatoren werden nach drei Kriterien, den Vorlaufeigenschaften, der Art ihrer Entstehung und der Zahl der eingesetzten Indikatoren systematisiert. Bei den Vorlaufeigenschaften unterscheidet man zwischen vorlaufenden Indikatoren, gleichlaufenden Indikatoren, nachlaufenden Indikatoren (vgl. Abbildung 1) und Spannungsindikatoren. Während die ersten drei vor allem nach ihrem zeitlichen Auftreten eingeteilt werden können, weisen Spannungsindikatoren auf Marktungleichgewichte hin und drücken Überhitzungs- und Entspannungserscheinungen aus, welche durch Nachfrage- oder Angebotsüberhänge hervorgerufen werden (vgl. Oppenländer 1995a, S. 26-28). In Bezug auf die Art der Entstehung wird in quantitative und qualitative Indikatoren unterteilt. Die Einteilung richtet sich dabei nach der Natur der Daten, aus denen der Indikator gebildet wird. Daten werden als qualitativ bezeichnet, wenn sie nicht stetig gemessen werden, sondern bspw. kategorial als „Ja“- oder „Nein“-Antworten vorliegen (vgl. Nierhaus/Sturm 2004, S. 286; Geil/Zimmermann 1995, S. 108). Quantitative Indikatoren können Zeitreihen der amtlichen Statistik wie bspw. der Index der Auftragseingänge oder der Index der Nettoproduktion sein, welche aus quantitativen Einzelmeldungen ermittelt werden. Sie sind damit Ausdruck langwieriger Strategiefindungs- und Entscheidungsprozesse der einzelnen Marktteilnehmer, die in nicht unerheblichem Maße von subjektiven Lagebeurteilungen und -erwartungen beeinflusst werden. Die Abbildung dieser vorangegangenen Beurteilungen und Erwartungen ist Aufgabe der qualitativen Indikatoren, welche durch Umfragen unter Unternehmen oder Konsumenten direkt ermittelt werden. Zwar können sie die in der statistischen Messgenauigkeit überlegenen quantitativen Größen der amtlichen Statistik nicht ersetzen, sie sind aber aufgrund ihres erweiternden und ergänzenden Informationsgehalts und ihrer schnelleren Verfügbarkeit als wichtiger Bestandteil des Instrumentariums zur konjunkturellen Beurteilung aufzufassen. Schließlich unterscheidet man bei der Zahl der eingesetzten Indikatoren zwischen Einzelund Gesamtindikatoren. Einzelindikatoren bilden den Grundstein jedes Indikatoransatzes und können, sofern ein statistisch signifikanter Zusammenhang besteht und ihr Erklärungsgehalt hoch genug ist, für sich genommen in Prognosen eingesetzt werden. Da ein derartiger „bester“ Indikator nicht immer vorliegt und das Risiko von Fehlprognosen verringert werden muss, werden oft mehrere Einzelindikatoren zu Gesamtindikatoren zusammengefasst (vgl. Abbildung 65).

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

203

Abbildung 65: Einteilung von Konjunkturindikatoren; Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Oppenländer (1995b), S. 26-28.

Die richtige Gewichtung der Einzelindikatoren ist bei Gesamtindikatoren von großer Bedeutung, stellt aber gleichzeitig auch eines ihrer größten Probleme dar, da der Stellenwert eines einzelnen Indikators im Zeitablauf nicht notwendigerweise stabil bleibt. Da RECIs die Stimmungen mehrerer Gruppen durch Umfragen erfassen, aggregieren und zur Konjunkturprognose einsetzen, zählen sie zu den vorlaufenden, qualitativen Gesamtindikatoren. Im Folgenden wird daher nur auf diese Art von Indikator näher eingegangen. Bei durch Umfragen erhobenen Informationstypen wird anhand des Informationsgehalts zwischen den vier Kategorien Realisationen, Pläne, Erwartungen und Beurteilungen unterschieden (vgl. Seitz 1989a, S. 3; Nerlove 1983, S. 1257). Realisationen drücken die tatsächlich eingetretenen Veränderungen bestimmter Variablen – bspw. der Preise oder der Produktion – auf Unternehmensebene aus und sind damit einfacher zu interpretieren als Pläne und Erwartungen. In der Literatur wird von Plänen gesprochen, wenn der Befragte oder sein Unternehmen unmittelbaren Einfluss auf die betreffende Variable haben, es sich also wie bei Produktionsplänen oder Investitionsplänen um so genannte Instrumental- oder unternehmenseigene Variablen handelt.

204 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

Abbildung 66: Zusammenhang zwischen subjektiven und objektiven Indikatoren (Bahr (2000)); Quelle: In Anlehnung an Bahr (2000), S. 31.

Erwartungen hingegen liegen bei unternehmensfremden Variablen vor, die sich dem direkten Einfluss des Befragten weitgehend entziehen, was bspw. bei Geschäftslage- oder Nachfrageerwartungen der Fall ist. Beurteilungen, z. B. die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage, stellen die Ausprägung einer Variablen einer subjektiven Wunsch- oder Zielvorstellung gegenüber und bringen somit die individuelle Einschätzung der gegenwärtigen konjunkturellen Situation zum Ausdruck (vgl. Güntzel (1994), S. 20f; Seitz (1989b), S. 47-49; Anderson (1983), S. 32). Auch wenn die genannten Informationstypen begrifflich strikt zu trennen sind, so hängen sie inhaltlich doch stark voneinander ab, da die Realisationen Einfluss auf die Beurteilungen haben und die Beurteilungen zusammen mit den Erwartungen die Informationsbasis für die Pläne bilden. Pläne, die umgesetzt werden, führen wiederum zu Realisationen, die durch die amtliche Statistik abgebildet werden (vgl. Abbildung 66). Sofern ein Indikator sowohl Erwartungen als auch Beurteilungen erhebt, spricht man von einem Geschäftsklimaindikator. Beide Informationstypen müssen notwendigerweise erfasst werden, da nur auf diese Weise deutlich wird, aus welcher konjunkturellen Situation heraus der Befragte urteilt. Die Antwortkategorie „etwa gleich bleiben“ hat bspw. aus einem konjunkturellen Tiefpunkt heraus eine völlig andere Bedeutung als vor dem Hintergrund eines Aufschwungs.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

205

Abbildung 67: Chronologische Abfolge von Indikatoren; Quelle: Oppenländer (1995b), S. 24.

Für die Vorlaufeigenschaften eines Geschäftsklimaindikators ist notwendig, dass von einer so genannten Verhaltensrelevanz der Beurteilungen und Erwartungen ausgegangen werden kann (vgl. Wenke (1992), S. 137f). Sie liegt im Regelfall vor, da die Beurteilungs- und Erwartungsvariablen eines Unternehmers in engem Zusammenhang mit seinen unternehmerischen Handlungen am Markt stehen. Erhebt man unter diesen Umständen in repräsentativem Umfang das gegenwärtige Geschäftsklima der Gesamtgruppe, können Rückschlüsse auf ihr kollektives zukünftiges Verhalten gezogen werden (vgl. Nerb (1995), S. 319). Dabei wird unterstellt, dass Zeit vergeht, bevor sich das Geschäftsklima in den Plänen niederschlägt und bevor die Pläne in die Tat umgesetzt werden und somit Tatbestände schaffen, die von der amtlichen Statistik angezeigt werden (vgl. Abbildung 67). Voraussetzung einer Verhaltensrelevanz von Erwartungen ist erstens der Umstand, dass leitende Persönlichkeiten des Unternehmens befragt werden, da nur diese befähigt sind, ihre Erwartungen in die Tat umzusetzen. Zweitens ist notwendig, dass die Unternehmer Vertrauen in ihre Erwartungen legen, d. h. von deren Richtigkeit überzeugt sind. Drittens ist es von großer Bedeutung, zu unterscheiden zwischen der Absicht zu handeln und der Möglichkeit zu handeln, da Beurteilungen und Erwartungen über keine oder lediglich eine begrenzte prognostische Erklärungskraft verfügen, sofern unternehmensinterne oder unternehmensexterne Zwänge den Handlungsspielraum des Entscheiders einschränken.

206 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.4.3

Konstruktion des Indikators

3.1.4.3.1

Internationaler Vergleich

Die in der Disputation des Autors (Holzmann 2006) durchgeführte Untersuchung internationaler Bestrebungen auf dem Gebiet der qualitativen Konjunkturprognose, belegte den Innovationsgrad des Konstruktes Real Estate Confidence Indicator. Sie zeigte, dass nicht nur Immobilienmärkte an sich von großer Uneinheitlichkeit gekennzeichnet sind, sondern auch die auf ihnen unternommenen Versuche, fragebogenbasierte Marktbeobachtung durchzuführen. Viele der internationalen Umfragen mit Immobilienbezug stellten nicht die Initiative von forschungsnahen Institutionen dar, sondern gingen entweder auf Anregungen aus der Praxis zurück oder wurden von Unternehmen durchgeführt, deren Geschäftstätigkeit überwiegend praxisorientierter Natur ist. In mehreren Fällen entstand der Eindruck, dass der Verringerung des Erhebungsaufwandes der Vorrang gegenüber einer methodisch einwandfreien Form der Umfrage und des potentiell daraus abgeleiteten Indikators gewährt wurde. Angesichts eines in den meisten Fällen nicht im Bereich der immobilienökonomischen Konjunkturforschung angesiedelten Kerngeschäfts der erhebenden Institutionen erscheint ein derartiges Verhalten plausibel. Die Aussagekraft der Erkenntnisse aus einer Gegenüberstellung der einzelnen Fallstudien fällt damit gleichermaßen eingeschränkt wie reichhaltig aus. Zum einen limitiert die Tatsache, dass methodisch klar strukturierte qualitative Konjunkturindikatoren mit erwiesener prognostischer Aussagekraft auf Immobilienmärkten bisher allenfalls eine Randerscheinung darstellen, das Wissen, auf das bei der Erstellung eines Real Estate Confidence Indicators für Deutschland zurückgegriffen werden kann. Auf der anderen Seite betont es aber die Notwendigkeit, sich mit diesem in anderen Bereichen mit Erfolg eingesetzten Prognoseinstrument näher zu beschäftigen und damit der eingangs zitierten Aufforderung Folge zu leisten, qualitative Prognoseansätze auf Immobilienmärkte zu übertragen. Zu diesem Zweck erweist es sich als notwendig, dem Indikator zunächst eine Definition zu verleihen. 3.1.4.3.2

Definitorische Grundlagen

In Anlehnung an die Begrifflichkeiten der OECD wird für die Beschreibung des zu erstellenden Konjunkturindikators der Begriff eines Real Estate Confidence Indicator (RECI) gewählt (vgl. OECD (2003), S. 63). In der Literatur findet sich weder unter diesem Schlagwort noch unter den vielfältigen Namen, die zur Bezeichnung der jeweiligen internationalen qualitativen Immobilienkonjunkturindikatoren eingesetzt wurden, eine aussagekräftige Definition. Im Folgenden soll daher eine Definition für den Real Estate Confidence Indicator abgeleitet werden. Der englische Begriff „real estate“ bedeutet übersetzt „Immobilie“ oder „Grundbesitz“. „Confidence“ bedeutet „Vertrauen“ und bezeichnet damit die Erwartungshaltung in einer wirtschaftlichen Situation, in der es notwendig ist, sich auf Informationen und Verhaltensweisen zu verlassen, deren Zuverlässigkeit nicht zweifelsfrei überprüfbar ist. „Indicator“ wird in Analogie zu den oben angeführten Klassifikationen für Konjunkturindikatoren in diesem Fall als qualitativer, vorlaufender konjunktureller Gesamtindikator interpretiert.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

207

Angesichts dieser vorliegenden Begrifflichkeiten sind vier Ergänzungen vorzunehmen. Erstens fehlt den o. g. Begriffen die Bezugsgruppe, für die an dieser Stelle die Bezeichnung „Marktteilnehmer“ vorgeschlagen wird. Zweitens sind nicht einzelne „Immobilien“ Erkenntnisgegenstand der identifizierten RECIs, sondern die Immobilien-Teilmärkte. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Aktivitäten der Marktteilnehmer in Deutschland vor allem auf diejenigen Teilbereiche des Immobilienmarktes konzentrieren, die in besonderem Maße transparent sind, erscheint eine nähere Eingrenzung angebracht. Im Folgenden werden daher nur diejenigen Teilmärkte betrachtet, die im Allgemeinen unter dem Begriff des institutionellen Immobilienmarktes subsumiert werden, da sie das von den Marktteilnehmern als besonders maßgeblich angesehene und am meisten beachtete Segment des Immobilienmarktes darstellen. Dabei wird nach Miet- und Investmentmarkt differenziert. Drittens fehlt eine adäquate Angabe über den Typ der erhobenen Information, weswegen an dieser Stelle die Begriffe Erwartung und Beurteilung eingeführt werden. Schließlich kann es sich aufgrund der zeitlich begrenzten prognostischen Reichweite von Konjunkturindikatoren nur um Erwartungen für die kurz- bis mittelfristige konjunkturelle Entwicklung des Immobilienmarktes handeln. Im Rahmen einer eigenen Definition wird ein RECI zusammenfassend wie folgt beschrieben: „Ein Real Estate Confidence Indicator ist ein statistisches Instrument, das zu der Gruppe der vorlaufenden, qualitativen konjunkturellen Gesamtindikatoren gehört. Es drückt die Beurteilungen der Marktteilnehmer bezüglich der aktuellen Geschäftslage am institutionellen Immobilienmarkt sowie ihre kurz- bis mittelfristigen Geschäftserwartungen aus und ermöglicht dadurch Rückschlüsse auf Entwicklungstendenzen des Flächenmarkt- und des Investmentmarktzyklus. Idealerweise können die durch den Indikator bereitgestellten Informationen nach Regionen, Immobilientypen und Gruppen von Marktteilnehmern unterteilt werden.“ 3.1.4.3.3

Zielzeitreihe

Die Konzeption eines RECI hat der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der Indikator dem Zweck dient, die kurz- bis mittelfristige Entwicklung einer oder mehrerer Zeitreihen zu prognostizieren, die die gegenwärtige konjunkturelle Situation auf den betrachteten Teilmärkten des Immobilienmarktes in Deutschland abbilden (gl. Bahr 2000, S. 27; Lindlbauer 1995, S. 70-75; 1989, S. 142). Die Ableitung einer adäquaten Zielzeitreihe bildet dementsprechend den Ausgangspunkt der Betrachtungen. Eine in diesem Zusammenhang wichtige Abweichung von der Vorgehensweise des ifo Instituts ergibt sich aus der im vorangegangenen Kapitel erarbeiteten Fokussierung auf lediglich einen Teil des Immobilienmarktes, den institutionellen Gewerbeimmobilienmarkt. Das Wirtschaftsforschungsinstitut verfolgt demgegenüber mit seiner Branchenforschung im Regelfall das Ziel, den Beitrag einer gesamten Branche zur konjunkturellen Entwicklung der Volkswirtschaft in Form der Wertschöpfung zu messen und zu prognostizieren. Die Wertschöpfung der gesamten Immobilienbranche wird jedoch von der amtlichen Statistik nicht ausgewiesen und bleibt damit unbekannt. Zudem erweisen sich aggregierte Aussagen für den Immobilienmarkt insgesamt für die Marktteilnehmer als nur begrenzt nützlich. Aufgrund der starken Heterogenität der Branche kommt daher der maximalen Disaggregationsfähigkeit der betreffenden Zielzeitreihe eine besondere Rolle zu. Außerhalb des bereits als relativ intransparent zu charakterisierenden institutionel-

208 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte len Immobilienmarktes bestehen keine Zeitreihen, die diesem Anspruch gerecht werden können. Auch aus Gründen der Informationsverfügbarkeit muss daher eine Konzentration angestrebt werden. Unterstellt man, dass – in Übereinstimmung mit der entsprechenden Definition der RICS – die inflationsbereinigte Gesamtrendite eine adäquate Zielzeitreihe darstellt, so kann sich ein RECI allein auf den Deutscher Immobilien Index (Dix) als Total-Return-Index bzw. Performanceindex, beziehen. Dass der Dix die relevanten Märkte abbildet, kann als erfüllt gelten, da er in seine Berechnung eine Variable des Flächenmarktes – die durch die Nettocashflowrendite erfassten Mieten – sowie eine Variable des Investmentmarktes – die Verkehrswerte als Näherung für die am Markt erzielten Transaktionspreise – einbezieht und somit von beiden beeinflusst wird. Darüber hinaus erweist sich als vorteilhaft, dass der Dix explizit den institutionellen Immobilienmarkt abbildet und dabei Informationen auf Regionen- und/oder Objekttypbasis liefert. Ebenfalls kann davon ausgegangen werden, dass der Dix aufgrund seiner ausgefeilten Konstruktionsweise, seines Repräsentationsgrades von 53% des relevanten institutionellen Investmentmarkets im Jahre 2004 (vgl. Manginas 2005, S. 3) und der namhaften Gesellschafter der ihn erstellenden Institution von den Marktteilnehmern akzeptiert wird. Schließlich handelt es sich beim Dix um ein methodisch anspruchsvolles Konstrukt, da er in Übereinstimmung mit den in Großbritannien seit langem am Markt etablierten Indizes der International Property Databank (IPD), konstruiert wurde. Probleme ergeben sich seitens des Erscheinungsrhythmus, da der Dix nur im jährlichen Turnus veröffentlicht wird, was für die Abbildung von konjunkturellen Wendepunkten nicht ausreicht. Auch eine mittelfristig angestrebte vierteljährliche oder sogar monatliche Ermittlung (vgl. Hübner 2002, S. 26), dürfte diese Problematik nicht beheben, da die Grundstücksmarktberichte der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte, die für Immobilienbewerter eine wichtige Informationsquelle bei der Erstellung von Wertgutachten darstellen, ebenfalls nur einmal im Jahr aktualisiert werden (vgl. Reichel 2005, S. 37). Auch ohne diese Erschwernis muss die konjunkturelle Reagibilität des Dix bezweifelt werden, da die Nettocashflowrendite das Resultat von in der Vergangenheit abgeschlossenen Mietverträgen darstellt. In der Regel erfolgt hier keine periodische Anpassung der Vertragsmiete an die aktuelle Marktmiete, so dass der Index nicht die gegenwärtige Situation am Flächenmarkt wiedergibt. Zwar könnte angenommen werden, dass die gegenwärtige Marktmiete direkten Eingang in die periodische Bewertung des jeweiligen Objektes findet, so dass eine mangelnde Anpassung der Nettocashflowrendite durch die Anpassung der Wertänderungsrendite kompensiert wird. Diese theoretisch plausible Annahme erweist sich jedoch praktisch als unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass zur Bewertung der Immobilien des Indexportfolios vor allem das deutsche Ertragswertverfahren angewendet wird (vgl. Thomas 1997, S. 200), welches den Ansatz von nachhaltig erzielbaren Mieten und nicht von aktuellen Marktmieten verlangt. Die Folge sind eine tendenzielle Überbewertung des Objektes (vgl. Garthe 2004, S. 46; Leykam 2005, S. 1) sowie gewissermaßen eine rechnerische Immunisierung gegen konjunkturelle Schwankungen. Im Resultat muss daher angezweifelt werden, ob ein Performanceindex wie der Dix in angemessener Weise ein zeitnahes Abbild gegenwärtiger konjunktureller Entwicklungen sein kann.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

209

Am anderen Ende der Skala der Möglichkeiten rangiert der teilweise vertretene Ansatz, dass nicht eine einzige Zielreihe als Abbild der Aktivitäten aller Gruppen möglich ist, sondern dass jede einzelne befragte Gruppe die Auswahl einer individuellen Zielzeitreihe erfordert. Ein derartiger Ansatz unterwirft implizit die Zielsetzung der Methodik. An dieser Stelle soll jedoch die Methodik der Zielsetzung dienen; in diesem Fall der Messung des psychologischen Faktors sowohl auf Mietmärkten als auch auf Investmentmärkten. Da neben der Gesamtrendite keine weiteren Indikatoren bestehen, die in geeigneter Weise Einflüsse beider Zyklen integrieren, muss nach unterschiedlichen Zeitreihen gesucht werden, die jeweils für sich Repräsentativität auf einem der beiden Märkte beanspruchen können. Eine diesbezügliche Diskussion würde den Rahmen des vorliegenden Beitrages jedoch übersteigen und wird daher an anderer Stelle geführt (vgl. Holzmann 2006). 3.1.4.3.4

Befragte

Die Ergebnisse des internationalen Fallstudienvergleichs belegen, dass die Investoren, Fremdfinanzierer, Projektentwickler und Nutzer die bedeutsamsten Gruppen am Immobilienmarkt darstellen. Diese Erkenntnis deckt sich mit den in der Literatur identifizierten wichtigsten Akteuren auf dem Flächenmarkt und dem Investmentmarkt. Zwischen ihnen besteht eine Vielzahl direkter Beziehungen, die die Handlungen der Marktteilnehmer auf komplexe Weise voneinander abhängig machen (vgl. Abbildung 68). Bis auf die Fremdfinanzierer tritt jede der Gruppen dabei sowohl als Anbieter oder Nachfrager von Flächen als auch als Anbieter oder Nachfrager von Kapital auf und bestimmt daher gleichzeitig die Geschicke am Miet- sowie am Investmentmarkt. Der Umstand, dass sich viele der einzelnen Akteure nicht auf einzelne Geschäftsfelder beschränken und die institutionellen Aspekte der Immobilienökonomie in der Folge verwischen, verleiht der Betrachtung zusätzliche Komplexität. Während die konzeptionelle Festlegung der zu befragenden Gruppen keine Schwierigkeiten bereitet, sind mit der tatsächlichen Identifikation der am deutschen institutionellen Gewerbeimmobilienmarkt aktiven Marktteilnehmer aufgrund der Intransparenz des Marktes eine Reihe von Problemen verbunden. Zunächst erweist es sich als schwierig, nationale Marktteilnehmer auszumachen, da nur wenige offizielle Register bestehen, auf die dabei zurückgegriffen werden könnte. Auf diesem Grund entsteht ein methodischer Konflikt zwischen den Möglichkeiten auf dem deutschen Immobilienmarkt und dem international gebräuchlichen Verfahren. Zwar gesteht die OECD zu, dass Verzeichnisse der Handelskammern und von Verbänden bei ausreichend breiter Mitgliederbasis adäquate Quellen für Konjunkturumfragen darstellen können, jedoch wird dazu geraten, offizielle Register der nationalen statistischen Bundesämter zu nutzen (vgl. OECD 2003, S. 17). Da derartige Verzeichnisse für die Konstruktion eines RECI jedoch nicht zur Verfügung stehen, sind alternative Datenquellen erforderlich. Die beste verfügbare Datenbasis bietet in diesem Zusammenhang das so genannte „Who is Who der Immobilienwirtschaft“, das einmal im Jahr erscheint und ca. 5000 Akteure am Immobilienmarkt nach Branchen und Regionen auflistet (vgl. Wernecke/Rottke/Holzmann 2004, S. 175). Leider enthält es keine Informationen über die Größe der Unternehmen und nennt auch nur in beschränktem Umfang die Namen der für eine klassische Konjunkturum-

210 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte frage auf Immobilienmärkten notwendigen entscheidungsbefugten Ansprechpartner. Zusätzliche Informationen bieten die Mitgliederverzeichnisse führender Organisationen auf dem deutschen Immobilienmarkt wie der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) und des Vereins der Ehemaligen und Förderer der Post-Graduate-Studiengänge zur Immobilienökonomie an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL e.V. (immoebs).

Abbildung 68: Wesentliche Akteure in beiden Immobilienzyklen; Quelle: Eigene Darstellung

3.1.4.3.5

Fragen

Bei der Konzeption und Auswertung des Fragebogens einer Konjunkturumfrage sollten sechs allgemeine Kriterien beachtet werden, welche von großer Bedeutung sind, um die Befragten zu einer regelmäßigen Teilnahme an der Umfrage zu bewegen. Darüber hinaus müssen inhaltlich in Bezug auf sechs Dimensionen – Informationstyp, abgebildete Teilmärkte, Regionen, Objekttypen, Zeiträume der Befragung sowie Antwortskala – Entscheidungen getroffen werden.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

211

Entsprechend der Definition eines RECI werden als Informationstypen vorerst nur Beurteilungen und Erwartungen in Form der gegenwärtigen und erwarteten Geschäftslage erhoben. Unter der Annahme, dass die gegenwärtige Geschäftslage als gleichlaufender Indikator die momentane konjunkturelle Situation abbildet und dass die erwartete Geschäftslage als vorlaufender Indikator Rückschlüsse auf eine konjunkturelle Veränderung ermöglicht, wäre ein RECI somit formal beschrieben durch die Gleichung: RECIt = f (Kt, ΔKt+n) mit K für Konjunktur mit Kt für Konjunktur zum Zeitpunkt t und ΔKt+n mit der erwarteten konjunkturellen Veränderung zum Zeitpunkt t+n (in Anlehnung an Körber-Weik et al. 1988, S. 81). Eine Formulierung der diesbezüglichen Fragen an die Banken, Investoren und Makler sollte sich weitgehend an den Formulierungen des ifo Geschäftsklimas orientieren, um eine formale Vergleichbarkeit der Ergebnisse des Konjunkturtest Bauhauptgewerbe für den Neubaumarkt mit den hiermit erhobenen Ergebnissen für den Miet- und Investmentmarkt zu gewährleisten. Für den Begriff der Geschäftslage werden dabei ausdrücklich weder Bezugsgröße noch Bezugsniveau vorgegeben, da nicht jedes Unternehmen von konjunkturellen Impulsen einzelner Größen im gleichen Maße betroffen ist. Auch wird es jedem Befragten selbst überlassen, zu entscheiden, was für sein Unternehmen jeweils „gut“, „gleich“ oder „schlecht“ bedeutet, da für eine Verhaltensrelevanz von Erwartungen nur die Beurteilung selbst, nicht jedoch die im Zeitablauf unterschiedliche Zusammensetzung der individuellen Komponenten dieser Beurteilung von Bedeutung sind. Konjunkturschwankungen können nur dann genau identifiziert und verfolgt werden, wenn Fragen auf der Ebene von einzelnen Märkten gestellt werden und die Beurteilungen und Erwartungen daher nach dem Miet- und dem Investmentmarkt getrennt werden. Wie bereits erläutert, verläuft die Immobilienkonjunktur für verschiedene Regionen und Objekttypen unterschiedlich. Eine immobilienbezogene Konjunkturumfrage muss daher flexibel genug sein, diese unterschiedlichen Schwankungen abzubilden, was sich jedoch in der Umsetzung als äußerst schwierig erweist, da nicht alle Befragten alle Regionen und Immobilientypen werden beurteilen können. Eine mögliche Lösung des Problems bietet die Befragung aller Teilnehmer im Hinblick auf alle wichtigen Immobilienstädte und alle relevanten Objekttypen, was jedoch schnell zu einer unübersichtlichen Befragung führen würde und auch nur im Hinblick auf Investoren plausibel erscheint, da nur diese aller Wahrscheinlichkeit nach mindestens national ausgerichtet sein werden. Idealerweise sollte daher angestrebt werden, zumindest für Banken die jeweils für eine Region verantwortlichen leitenden Angestellten zu identifizieren und zu befragen sowie für Makler eine Differenzierung nach Objekttyp und Region zu verfolgen. Um die Umfrage anfänglich nicht zu schwierig zu gestalten, wird vorgeschlagen, sich auf die Städte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München sowie auf die Gebäudetypen Büro und Einzelhandel zu beschränken. Inhaltlich bleibt nun noch zu bestimmen, welche Erwartungszeiträume angesetzt werden sollen. Das Kernproblem besteht hierbei darin, dass Marktteilnehmer nur selten zu einem bestimmten Zeitpunkt genug über die zukünftige Marktentwicklung wissen werden, um eine Strategie zu entwerfen, die bis zum Ende des Prognosezeitraumes nicht mehr geändert wer-

212 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte den muss. Meistens werden im Zeitablauf neue Informationen und unvorhergesehene Ereignisse auftauchen, welche die Erwartungen und – über die Verhaltensrelevanz der Erwartungen – das Vorgehen am Markt verändern. Je kürzer demnach der Prognosezeitraum gefasst wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Änderung der Erwartungen, bzw. die Fähigkeit der Marktteilnehmer, ihr Verhalten spontan anzupassen. Erhebt man hingegen Erwartungen über 12 oder 24 Monate – Zeiträume, die für Immobilienmärkte relevanter sind –, dann würde die Verhaltensrelevanz der gegenwärtigen Erwartungen im Regelfall nachlassen. Zentrale Voraussetzung für die Gültigkeit dieses Vorbehalts für Immobilienmärkte ist, dass einmal bestehende Engagements im gleichen Maße wie auf anderen Märkten von der Intensität her erweitert oder eingeschränkt, im Extremfall sogar umgekehrt werden können. An dieser Stelle wird argumentiert, dass auf einem Immobilienmarkt die Fähigkeit der Marktteilnehmer, ihr Verhalten anzupassen, geringer ist als in anderen Branchen. Zusätzlich erweisen sich lediglich lange Erwartungshorizonte – auch dies das Ergebnis von Untersuchungen am ebs Department of Real Estate – als verhaltensrelevant. Demgegenüber besitzen Zeiträume von drei bis sechs Monaten fast keine Bedeutung. Dies gilt in besonderem Maße für Banken, Investoren und Projektentwickler. Banken können nicht ohne weiteres Darlehen kündigen, Investoren fällt es in einem intransparenten Markt mit hohen Informations- und Suchkosten schwer, kurzfristig zu angemessenen Preisen Objekte zu kaufen oder zu verkaufen und Projektentwickler benötigen zumeist mehrere Jahre bis zur Fertigstellung eines einzelnen Projektes. Ein einmal eingegangenes Engagement hat demnach eine längerfristige Bindung zur Folge, die nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden kann.Vor diesem Hintergrund werden für die vorliegende Befragung Erwartungszeiträume von sowohl zwölf Monaten als auch 24 Monaten angesetzt, wobei abschliessende Erkenntnis über deren Angemessenheit nur über eine empirische Auswertung längerer Datenreihen erlangt werden kann. Als Antwortskala wird eine kategoriale, dreigeteilte Skala angesetzt, da sich gezeigt hat, dass mehr Kategorien zu keinem Informationsgewinn führen und zudem nur schwierig zu quantifizieren sind. Fasst man die fünf erstgenannten Aspekte zusammen, so zeigt sich, dass die Befragten für jede Fragestellung, d. h. bei jedem betrachteten Zeitraum (Gegenwart, zwölf Monate und 24 Monate) auf einem Teilmarkt (Flächenmarkt bzw. Investmentmarkt) zehn Einzelaspekte (2 Typologien und 5 Städte) zu beurteilen haben. Multipliziert man diese zehn Einzelaspekte mit drei Zeiträumen und zwei Teilmärkten, so ergeben sich 60 zu beurteilende Einzelaspekte. Um konjunkturelle Wendepunkte erfassen zu können, sollte der Befragungszeitraum nicht zu grob gefasst und die Befragung im vierteljährlichen Turnus durchgeführt werden. Zwar wäre eine monatliche Befragung präziser, jedoch würde sie vor dem Hintergrund des Umfangs des Fragebogens wahrscheinlich nicht von allen Marktteilnehmern als zumutbar empfunden werden.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.1.4.4

Problemfelder bei der Implementierung

3.1.4.4.1

Annahmen

213

Wichtig ist, dass ein Konjunkturindikator nur unter fünf Annahmen Aussagekraft besitzt und dass bereits die Verletzung einer dieser Annahmen zu falschen Ergebnissen führen kann. Erstens unterstellt er, dass das Richtige gemessen wird. Diese Bedingung ist jedoch nur erfüllt, sofern relevante Gruppen befragt werden, was sowohl die befragten Gruppen als auch die Entscheidungsbefugnis der einzelnen Befragten betrifft. Zwar besteht an der Adäquatheit der einbezogenen Gruppen kein Zweifel. Der Erfolg der Umfrage wird jedoch maßgeblich davon bestimmt, ob es gelingt, einerseits die Adressensätze zu generieren, die für die Durchführung der Befragung notwendig sind, und andererseits die Ansprechpartner von der Bedeutung der Konjunkturumfrage zu überzeugen, so dass sie selbst daran teilnehmen. Zweitens unterstellt er, dass das Richtige in angemessenem Umfang gemessen wird. Diese Bedingung ist nur erfüllt, sofern alle relevanten Befragtenklassen innerhalb der Gruppen erfasst wurden und die Stichprobe eine adäquate Auswahl innerhalb dieser Befragtenklassen erzielt. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand wurde keine bedeutsame Klasse von Marktteilnehmern, die direkten Einfluss auf die Immobilienkonjunktur nimmt, ausgelassen. Unterstellt man eine überwiegende Teilnahme der ausgewählten Befragungsteilnehmer, so sollte auch die Erfüllung des zweiten Kriteriums darstellbar sein. Es stellt sich jedoch weiterhin die Frage nach der statistischen Aussagekraft der Ergebnisse gemessen am Verhältnis der absoluten Anzahl der befragten Teilnehmer und der abgedeckten Teilmärkte. Aufgrund der Komplexität der Wirkungszusammenhänge des Handelns einer Vielzahl von Akteuren auf Immobilienmärkten und ihrer zunehmenden Internationalisierung bei weiterhin vorherrschender Intransparenz dürfen die Schwierigkeiten, die mit dem Einbezug aller maßgeblichen Teilnehmer einhergehen, nicht unterschätzt werden. Drittens wird unterstellt, dass das, was gemessen wird, der richtigen Benchmark gegenübergestellt wird. Dies setzt voraus, dass die gewählte Benchmark die Konjunktur am relevanten Markt abbildet und geeignet ist, die Validität des Konjunkturindikators zu überprüfen. Obwohl im Verlauf des Projektes RECI angestrebt wird, jede der drei ersten Annahmen umfassend zu fundieren, so besteht aufgrund des Innovationsgrades eines derartig umfassenden Immobilienindikators jedoch keine Sicherheit hinsichtlich ihrer jeweiligen Gerechtfertigtheit. Eine vierte Annahme geht davon aus, dass keine methodischen Fehler auftreten, weswegen für den RECI nur empirisch überprüfte und international akzeptierte Methoden einbezogen werden. Schließlich unterstellt ein Konjunkturindikator, dass die strukturellen Beziehungen, welche zu einem Vorlauf des Indikators gegenüber einer geeigneten Benchmark führen, im Zeitablauf konstant sind, was regelmäßig überprüft werden muss. Im speziellen Fall eines RECIs wird noch eine weitere Annahme in Bezug auf die Aussagekraft getroffen, welcher man sich bewusst sein sollte. Wie bereits angedeutet, kann von einer Verhaltensrelevanz der Erwartungen nur ausgegangen werden, wenn die Marktteilnehmer in ihrem Handeln frei sind. Gerade bei institutionellen Anlegern, welche für gewöhnlich dadurch gekennzeichnet sind, dass sie das Geld einer Vielzahl von Anlegern investieren, kann jedoch nicht immer davon ausgegangen werden, dass die Mittelzuflüsse in expansiven Perio-

214 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte den des Immobilienmarktes zunehmen und in kontraktiven Phasen nachlassen. Eine Koordination der Anlagepolitik über Anlageausschüsse sowie unterschiedliche rechtliche und steuerliche Aspekte dürften darüber hinaus noch einen zusätzlichen Einfluss auf die Handlungsfreiheit ausüben. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass Investitionsentscheidungen nicht nur von einem aktuellen Marktumfeld abhängen, sondern von der Natur des Akteurs und von dessen Zielen. 3.1.4.4.2

Akzeptanz

Mit der Akzeptanz der Marktteilnehmer steht und fällt die Implementierbarkeit eines RECI. Das ifo Institut geht davon aus, dass die Bereitschaft der Wirtschaft, auf freiwilliger Basis ein privates Forschungsinstitut mit Informationen zu versorgen, vor allem auf drei Ursachen zurückzuführen ist: (1)

Die Umfragen des Instituts schließen sachliche und zeitliche Informationslücken.

(2)

Nur ein Teil der Ergebnisse der Umfrage wird veröffentlicht. Die teilnehmenden Unternehmen erhalten darüber hinaus detaillierte Auswertungen der Umfragen rasch und kostenlos.

(3)

Das Institut gilt als eine unabhängige und objektive Forschungseinrichtung und wird daher als befragende Institution akzeptiert.

Die Datenlage am deutschen Immobilienmarkt kann – nicht zuletzt aufgrund des schlichten Fehlens einer adäquaten amtlichen Statistik – als unzureichend bezeichnet werden. Ein großes Interesse der Markteilnehmer an neuen Informationsquellen ist daher naheliegend. Dennoch ist eine gute Ausgangslage für einen RECI nicht mit der Akzeptanz eines RECIs gleichbedeutend. Neben der operativen Akzeptanz der regelmäßigen Teilnahme und des Befragungsrhythmus ist nämlich vor allem auch die inhaltliche Akzeptanz des Konjunkturindikators und seiner Referenzreihe wichtig. Sollten bspw. die Marktteilnehmer eine Prognose der Entwicklung der Konjunktur am Immobilienmarkt in der gewählten Form für nicht nachvollziehbar oder irrelevant halten, so ließe sich schwerlich begründen, warum eine Teilnahme an der Befragung für den RECI notwendig sein sollte. Einer potenziellen Einführung eines RECIs in Deutschland sollte daher eine gründliche Marktforschung sowie ein angemessenes Marketing vorausgehen. In Bezug auf den RECI könnte der Punkt (2) beinhalten, dass allgemein nur nationale Ergebnisse für Objekttypen veröffentlicht werden, während die Teilnehmer an der Befragung detaillierte Informationen für alle Objekttypen und alle Regionen erhalten. Vor dem Hintergrund, dass nur die wenigsten Akteure den Immobilienmarkt deutschlandweit umfassend mit eigenen Recherchen abdecken können und dass der RECI potenziell fähig ist, lokale, objektbezogene Immobilienkonjunktur abzubilden, wären diese detaillierten Informationen an einem Immobilienmarkt von noch größerer Bedeutung als an einem anderen Markt. Die bereits in der Einleitung zitierte Umfrage der Universität Potsdam ergab, dass die Akteure am Immobilienmarkt grundsätzlich Forschungsinstitute, unabhängige Informationsdienste sowie staatliche Stellen als die am besten geeigneten Datenquellen für „Immobilienmarktin-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

215

dikatoren“ ansehen. Beurteilt man diese Antwort als repräsentativ, dann sollten auf der einen Seite als befragende Institutionen volkswirtschaftliche Forschungseinrichtungen mit Erfahrung im Bereich der Konjunkturumfragen wie das ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V., das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH oder die GfK AG einbezogen werden. Aufgrund der Komplexität und Vielschichtigkeit von Immobilienmärkten muss in die Durchführung eines derartigen Projektes jedoch ebenfalls die breite und langjährige Erfahrung einer führenden akademischen Einrichtung im Bereich der Immobilienökonomie, der Deutschen Immobilien Datenbank und eines bzw. aller Unternehmen, die dem Rat der Immobilienweisen angehören, einfließen. Ein derartiger kombinierter Ansatz mehrerer komplemetärer renommierter Institutionen deckt sich mit den Erkenntnissen aus dem internationalen Fallstudienvergleich. 3.1.4.4.3

Antwortverhalten

Für eine angemessene Interpretation der Werte eines RECI ist es notwendig, sich über das Antwortverhalten der Befragten genau im Klaren zu sein. Die sogenannten „Meldegepflogenheiten“ umfassen branchenspezifische Charakteristika bei der Beantwortung von Umfragen, welche zu einer systematischen Über- oder Unterschätzung künftiger Entwicklungen führen oder sich durch das überproportionale Wählen der Antwortmöglichkeit „gleich“ äußern können (vgl. Strigel (1989), S. 60). So wurde bspw. im produzierenden Gewerbe teilweise eine Tendenz zum Pessimismus festgestellt, welche dazu führte, dass ein beachtlicher Anteil der „gleich“-Antworten eigentlich der „besser“-Kategorie hätte zugerechnet werden müssen. Die Folge war, dass der Anteil der „schlechter“-Antworten für sich allein genommen den Konjunkturverlauf besser erklären konnte als die Differenz von „besser“- und „schlechter“-Antworten insgesamt (vgl. Entorf/Kavalakis (1992), S. 41). Umgekehrt verhält es sich in der Finanzbranche, in der Akteure teilweise von einer Art „Berufsoptimismus“ getrieben werden und dazu neigen, übergroße Zuversicht zu demonstrieren. Generell bestehen zwei Möglichkeiten, Meldegepflogenheiten zu operationalisieren, welche im Folgenden aufgrund der Relevanz für den Erfolg eines RECI kurz angeführt werden: (1)

Man befragt die Unternehmer bezüglich ihrer Überlegungen und der berücksichtigten Variablen beim Beantworten der Fragen,

(2)

Man analysiert die Datenreihen aus den abgegebenen Antworten mittels geeigneter ökonometrischer Verfahren und versucht, generelle oder gruppenspezifische Beantwortungsmuster zu isolieren.

Über die Meldegepflogenheiten hinaus ist es wichtig zu verstehen, dass das Antwortverhalten auch mit der konjunkturellen Lage differieren kann, so dass eine Verschlechterung der Wirtschaftslage sich manchmal schneller in den Urteilen niederschlägt als eine Verbesserung. Ebenso hat sich gezeigt, dass oft vor einem konjunkturellen Hochpunkt ein größerer Vorlauf besteht als vor einem konjunkturellen Tiefpunkt. All diese Einflüsse müssen Berücksichtigung finden, um Konjunkturprognosen treffen zu können, die ihrem Namen gerecht werden.

216 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte 3.1.4.4.4

Aussagekraft

Vorteilhaft an einem RECI ist, dass er potenziell im Voraus eine bessere Berücksichtigung der Konjunktur ermöglicht. Im Rückblick gestattet er, die Interaktionen von Erwartungen und Handlungen verschiedener Gruppen zu verfolgen und zu untersuchen, ob sie sich gegenseitig verstärkt oder kompensiert haben. Gleichzeitig steht den einzelnen Akteuren am Markt ein neues und wertvolles Instrument zum Vergleich der eigenen Einschätzungen mit den Einschätzungen der Wettbewerber und zur Berücksichtigung der Erwartungen anderer relevanter Gruppen von Akteuren zur Verfügung. Trotz dieser offensichtlichen Vorteile muss beachtet werden, dass auch ein funktionierender Geschäftsklimaindikator nicht unproblematisch ist. Da Stimmungen beeinflussbar sind, kann es sich bei der Vorlaufzeit nur um eine Durchschnittsgröße handeln, welche außerdem keine Rückschlüsse über die Ursachen oder das Ausmaß der Konjunkturbewegung zulässt. Es darf daher nicht der Versuch unternommen werden, aus den Werten des Indikators eine quantitative Prognose für die Referenzreihe abzuleiten. Ein Geschäftsklimaindikator sollte weiterhin nicht als einziges Prognoseinstrument eingesetzt werden, da er, ebenso wie andere Prognoseinstrumente auch, nur eine durch Annahmen bedingte Vorhersage trifft und sein Verlauf daher zeitweise irreführend sein kann. Aus ihm abgeleitete Handlungsempfehlungen sollten immer vor dem Hintergrund der allgemeinen konjunkturellen Situation und der Ergebnisse anderer Prognoseinstrumente auf Plausibilität geprüft werden. Abschließend sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Veröffentlichung eines Indikators selbst einen Effekt auf die Erwartungen am Markt haben kann. Erhoben wird vor allem der Vorwurf einer Erhöhung der Volatilität am Markt, da sich das durch den Indikator ausgedrückte mehrheitliche Stimmungsbild eines Gesamtmarktes potenziell auf die Stimmung von Akteuren mit anderen Erwartungen auswirken kann und dadurch mehrheitliche Tendenzen verstärkt werden.

3.1.4.5

Abschließende Bemerkungen

RECIs sind Geschäftsklimaindikatoren, die die Beurteilungen und Erwartungen der Teilnehmer am Immobilienmarkt messen. Da sie zu den sogenannten vorlaufenden Konjunkturindikatoren zählen, zielen sie darauf ab, kurzfristige konjunkturelle Tendenzen anzuzeigen und wurden mit diesem Ziel im internationalen Raum teilweise seit mehreren Jahren regelmäßig konstruiert und veröffentlicht. Vor dem Hintergrund der verfügbaren Informationen scheint es so, als ob diese Indikatoren nicht in Übereinstimmung mit international gültigen theoretischen Fundierungen und Konstruktionsmethoden für vorlaufende Konjunkturindikatoren erstellt wurden. Ihre Prognosefähigkeit ist damit überwiegend ungewiss und konnte bisher in Ermangelung eines ausreichenden Beobachtungszeitraumes nicht überprüft werden. Von einer direkten Übertragung der konkreten Konzepte und Methodiken auf den deutschen Raum wurde daher abgesehen. Unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Studien über Immobilienzyklen und unter Anwendung von empirisch überprüften und international anerkannten Methoden des ifo Instituts, München, wurde ein deutscher RECI konzipiert. Er bezieht in seine Konstrukti-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

217

on die gesondert erhobenen Stimmungen von Banken, Investoren, Projektentwicklern und Maklern (als Näherung an die Gruppe der Nutzer) mit ein. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand stellt der auf diese Weise konstruierte RECI für Deutschland hinsichtlich seines methodischen Anspruchs, seines Abdeckungsgrades des Marktes sowie der Marktteilnehmer und seines Facettenreichtums ein auf internationaler Ebene bisher einmaliges Unterfangen im Immobilienbereich dar. Seine Aussagekraft beruht daher einerseits auf einer Reihe von Annahmen und unterliegt andererseits potentiell verschiedenen Einschränkungen, die jedoch ex ante einer Beurteilung nur schwer zugänglich sind. Unter statistischen Gesichtspunkten ist ihre Überprüfung erst möglich, nachdem der Indikator über einen angemessenen Zeitraum hinweg konstruiert und seine Ergebnisse formal analysiert wurden. Die Länge der Zeitreihe sollte dabei mindestens zwei bis drei Jahre, besser jedoch acht bis zehn Jahre betragen. Zusätzlich muss beachtet werden, dass der Erfolg eines Geschäftsklimaindikators in großem Maße an die Akzeptanz der Marktteilnehmer geknüpft ist, welche wiederum von verschiedenen Faktoren abhängt. Einem unter praktischen und akademischen Gesichtspunkten potenziell beachtlichen Informationszugewinn stehen somit ein hoher Kostenaufwand und eine nicht zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit von Komplikationen gegenüber. Zwar werden unterschiedliche vorlaufende Konjunkturindikatoren weltweit erfolgreich zur Prognose eingesetzt, jedoch wurden diese im Zeitablauf über wiederholte Testverfahren aus einer größeren Anzahl von Indikatoren herausgefiltert. Insgesamt überwiegen jedoch die potentiellen Vorteile.

218 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.1.4 Anderson, O.: Quantitative und qualitative Indikatoren, in: Anderson, O. (Hrsg.): Qualitative und quantitative Konjunkturindikatoren, Göttingen 1983, S. 23-38. Bahr, H.: Konjunkturelle Gesamtindikatoren: Konstruktionsmethoden und ihre empirische Anwendung für die Bundesrepublik Deutschland, Europäische Hochschulschriften: Reihe 5, Volks- und Betriebswirtschaft, Band 2556, Diss., Frankfurt am Main et al. 2000. Borio, C./Lowe, P.: Imbalances or "Bubbles?" Implications for Monetary and Financial Stability, in: Hunter, W./Kaufman, G./Pomerleano, M. (Hrsg.): Asset Price Bubbles: The Implications for Monetary, Regulatory, and International Policies, Cambridge/London 2003, S. 247-270. DTZ Consulting GmbH: DTZ Immobilienbarometer Frühjahr 2001, in: DTZ Consulting GmbH (Hrsg.): Zadelmarkt, September 2001, 13. Jahrgang, Frankfurt am Main 2001, S. 3439. Entorf, H./Kavalakis, M.: Die Nutzung von Konjunkturtestdaten für die Analyse und Prognose von Wirtschaftsverläufen, in: Oppenländer, K. H./Poser, G./Nerb, G. (Hrsg.): Zur Analyse und Prognose von Wirtschaftsverläufen anhand von Konjunkturtestdaten: Beiträge zur Theorie und aus der Praxis, CIRET Studien, Band 44, München 1992, S. 11-60. Garthe, E.: Real estate bank lending in Germany - A status quo in early 2004, in: Briefings in Real Estate Finance, Vol. 4, Nr. 1/2004, S. 37-49. Geil, P./Zimmermann, K.: Quantifizierung qualitativer Daten, in: Oppenländer, K. H. unter Mitarbeit von Köhler, A. (Hrsg.): Konjunkturindikatoren, München/Wien 1995, S. 108-130. Goetzmann, W./Wachter, S.: The Global Real Estate Crash: Evidence From an International Database, in: Yale School of Management (Hrsg.): Working Papers, New Haven 1995. Güntzel, J.: Indikatoren des wirtschaftlichen "Klimas". Eine Untersuchung aus der Perspektive der Adäquationsproblematik, in: Ott, A./Wagner, A. (Hrsg.): Tübinger Volkswirtschaftliche Schriften, Band 9, Diss., Tübingen/Basel 1994. Herring, R./Wachter, S.: Bubbles in Real Estate Markets, in: Hunter, W./Kaufman, G./Pomerleano, M. (Hrsg.): Asset Price Bubbles: The Implications for Monetary, Regulatory, and International Policies, Cambridge/London 2003, S. 216-229. Holzmann, Chr.: Entwicklung eines Real Estate Confidence Indicator zur kurzfristigen Prognose auf Immobilienmärkten. In: Schulte, K.-W./Bone-Winkel, S. (Hrsg.): Schriften zur Immobilienökonomie, Diss., Band 40, Köln 2007. Hübner, R.: Terminbörsliche Immobilienderivate für Deutschland, in: Hummel, D. (Hrsg.): Schriftenreihe Finanzierung und Banken, Band 1, Sternenfels 2002.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

219

Körber-Weik, M./Lindlbauer, J.-D./Röhling, W./Spörndli, E./Wiegert, R.: Konjunkturfrühindikatoren. Grundlagen und Modellrechnungen mit Daten des Ifo-Konjunkturtests. Gutachten im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft, in: Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung Tübingen (Hrsg.): Forschungsberichte, Serie A, Nr. 49, Tübingen 1988. Leykam, Monika: Problemkind Ertragswert, in: Immobilien Zeitung, Nr. 4, 10.02.2005, S 1. Lindlbauer, J.-D.: Ausgewählte Einzelindikatoren, in: Oppenländer, K. H. unter Mitarbeit von Köhler, A. (Hrsg.): Konjunkturindikatoren, München/Wien 1995, S. 70-82. Lindlbauer, J.-D.: Konjunkturtest, in: Oppenländer, K. H./Poser, G. (Hrsg.): Handbuch der Ifo-Umfragen, Berlin 1989, S. 122-187. Manginas, N.: DIX Deutscher Immobilien Index. Ergebnisse des deutschen Marktes 2004. Präsentation am 25. Mai 2005, Frankfurt 2005. Mueller, G.: What Will The Next Real Estate Cycle Look Like?, in: Journal of Real Estate Portfolio Management, Vol. 8, Nr. 2/2002, S. 115-125. Nerb, G.: Aussagefähigkeit ausgewählter Indikatoren an konjunkturellen Wendepunkten, in: Oppenländer, K. H. unter Mitarbeit von Köhler, A. (Hrsg.): Konjunkturindikatoren, München/Wien 1995, S. 317-341. Nerlove, M.: Expectations, Plans and Realizations in Theory and Practice, in: Econometrica, Vol. 51, Nr. 5/1983, S. 1251-1279. Nierhaus, W. /Sturm, J.-E.: Methoden der Wirtschaftsprognose und Konjunkturindikatoren, in: Goldrian, Georg (Hrsg.): Handbuch der umfragebasierten Konjunkturforschung, ifo Beiträge zur Wirtschaftsforschung, Band 15, München 2004, S. 273-301. o. V.: DTZ-Immobilienbarometer. Glaskugel hat ausgedient - Indizes im Kommen, in: Immobilien Zeitung, Nr. 10, 10.05.2001, S. 3. OECD (2003): Business Tendency Surveys: A Handbook, Paris 2003. Oppenländer, K. H.: Eigenschaften und Einteilung von Konjunkturindikatoren, in: Oppenländer, Karl Heinrich unter Mitarbeit von Köhler, Annette (Hrsg.): Konjunkturindikatoren, München/Wien 1995 (a), S. 23-29. Oppenländer, K. H.: Wirtschaftsprognosen - Hilfen für die Unternehmensplanung, in: Krystek, Ulrich/Link, Jörg (Hrsg.): Führungskräfte und Führungserfolg. Festschrift zum 60. Geburtstag von Dietger Hahn, Wiesbaden 1995 (b), S. 191-202. Pyhrr, S./Born, W./Manning, C./Roulac, S.: Project and Portfolio Management Decisions: A Framework and Body of Knowledge Model for Cycle Research, in: Journal of Real Estate Portfolio Management, Vol. 9, Nr. 1/2003, S. 1-16. Reichel, R.: Nachgefragt: Wolfgang Kleiber. Gutachter sollten jährlich wechseln, in: Handelsblatt, Nr. 100, 27.5.2005, S. 37.

220 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Seitz, H.: Die Quantifizierung von Tendenzbefragungsdaten: Ein Überblick, in: ifo Studien, 35. Jahrgang, Nr. 1/1989 (a), S. 1-26. Seitz, H.: Urteile, Erwartungen und Pläne von Unternehmen in der ökonomischen Theorie, in: Oppenländer, K.H./Poser, G. (Hrsg.): Handbuch der Ifo-Umfragen, Berlin 1989 (b), S. 37-60. Strigel, W.: Zum Aussagewert unternehmerischer Antizipationen, in: Oppenländer, Karl Heinrich/Poser, Günter (Hrsg.): Handbuch der Ifo-Umfragen, Berlin 1989, S. 60-71. Thomas, M.: Die Entwicklung eines Performanceindexes für den deutschen Immobilienmarkt, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Schriften zur Immobilienökonomie, Band 2, Diss., Köln 1997. Wenke, M.: Das Konsumklima der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung (GfK) als Variable zur Antizipation gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen, in: Oppenländer, K. H./Poser, G./Nerb, G. (Hrsg.): Zur Analyse und Prognose von Wirtschaftsverläufen anhand von Konjunkturtestdaten: Beiträge zur Theorie und aus der Praxis, CIRET Studien, Band 44, München 1992, S. 133-158. Wernecke, M./Rottke, N./Holzmann, C.: Incorporating the Real Estate Cycle into Management Decisions - Evidence from Germany, in: Journal of Real Estate Portfolio Management, Vol. 10, Nr. 3/2004, S. 171-186.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

221

3.2

Immobilienmarktprozesse nach Immobilientypen

3.2.1

Büroimmobilienmärkte Hartmut Bulwien................................................ 224 Logistikimmobilienmärkte Thomas Steinmüller, Kilian Mahler ...................... 240 Einzelhandelsimmobilienmärkte Tobias Just ........................................................ 254 Hotelimmobilienmärkte Christoph Härle, Tina Haller............................... 274 Wohnimmobilienmärkte Gabriel S. Lee ................................................... 288

3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.2.1

223

Büroimmobilienmärkte Hartmut Bulwien

3.2.1 Büroimmobilienmärkte ..................................................................................224 3.2.1.1 Einführung .....................................................................................................224 3.2.1.2 Strukturmerkmale ..........................................................................................224 3.2.1.2.1 Definition und Struktur der Bürobeschäftigten..............................................224 3.2.1.2.2 Büroflächenbestand........................................................................................226 3.2.1.2.3 Flächeninanspruchnahme...............................................................................227 3.2.1.2.4 Time-Lags......................................................................................................228 3.2.1.2.5 Büroflächenumsatz ........................................................................................229 3.2.1.2.6 Leerstand........................................................................................................230 3.2.1.2.7 Mieten ............................................................................................................231 3.2.1.3 Prognosen ......................................................................................................232 3.2.1.4 Schätzung des Immobilienvermögens in Deutschland...................................233 3.2.1.5 Büroimmobilien als Investment .....................................................................234 Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.2.1 ...................................................................................236

224 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.2.1

Büroimmobilienmärkte Hartmut Bulwien

3.2.1.1

Einführung

Die Büroimmobilien sind wohl die am wenigsten erforschte Nutzungsart in der Immobilienwirtschaft. Speziell in Deutschland hat sich bis weit in die 1980er Jahre kaum jemand mit diesem Immobiliensegment beschäftigt. Erste Versuche hatte es zwar schon vorher, beispielsweise in Hamburg und Frankfurt, gegeben. Aber diese Studien beschränkten sich auf Teilfragen des vorübergehenden Leerstands. Dennoch wurden in vielen Städten ganze Büroagglomerationen gebaut, z. B. in FrankfurtNiederrad und die City Nord in Hamburg sowie etwas später der Arabellapark in München.

3.2.1.2

Strukturmerkmale

3.2.1.2.1

Definition und Struktur der Bürobeschäftigten

Schon die Definition von Büroflächen und Bürobeschäftigten bereitet Probleme. Dobberstein definiert diese beiden Begriffe wie folgt: „Als Bürofläche gelten Flächen ..., auf denen typische Schreibtischtätigkeiten durchgeführt werden (können) und auf dem Büromarkt handelbar sind“. Entsprechend wurden die Bürobeschäftigten als „diejenigen Erwerbstätigen definiert, die Büroflächen in Anspruch nehmen“. Es kann an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden, aber zur Unterscheidung von anderen Definitionen steht hier die Marktfähigkeit im Vordergrund. Also eine Bürofläche, die mit einer Verkaufsfläche unmittelbar verbunden ist oder in einem Krankenhaus einer bestimmten Abteilung zugeordnet wird, tritt nicht auf dem Markt auf. Dementsprechend ist auch ein Verkäufer oder Arzt, der diese Flächen nutzt, kein Bürobeschäftigter. Dies ist wegen der Unterschiedlichkeit der verwendeten Zahlen wichtig, da es keine amtlichen Zahlen dazu gibt. Die erste Zahl der Bürobeschäftigten in Deutschland wurde von von Einem und Tonndorf in einem Gutachten für das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (1990) für das Jahr 1986 mit 9,83 Mio. Erwerbstätigen (1980: 9,55 Mio. qm), „die Schreibtischtätigkeiten verrichten“, errechnet. Zugrunde liegt dabei die Berufsgruppenstatistik der Bundesagentur für Arbeit, bei der alle Berufe nach ihren Tätigkeitsmerkmalen aufgeschlüsselt werden. Das der BA angegliederte Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hatte sich schon zuvor um eine Abgrenzung der Büroberufe bemüht, allerdings mit der Einschränkung des so genannten Schwerpunktprinzips und der Einschränkung auf 60 % büroty-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

225

pische Tätigkeiten. Durch diese Eingrenzung ergeben sich auch „nur“ 7,4 Mio. Bürobeschäftigte, allerdings für das Jahr 1980 (Troll/Dostal, 1982). Von Einem und Tonndorf haben hingegen jeder Berufsgruppe eine pauschale Bürobeschäftigtenquote zugeordnet, beispielsweise –

100 % für Verwaltungs-, Beratungs- und Finanzierungsberufe



50 % für Kaufleute und Ärzte



25 % für Lehrer, Soziale Berufe, Spediteure und Hilfsdienste

Diese Quoten wurden lange Zeit und teilweise heute noch angewendet. Genauer hat Dobberstein alle rund 330 Berufsgruppen einzeln empirisch untersucht und detaillierte Quoten festgelegt. Dieses komplizierte Verfahren setzt sich nur langsam in der Praxis durch, vermutlich deshalb, weil sich daraus eine geringere Zahl an Bürobeschäftigten ergibt (9,35 Mio. für 2004 gegenüber 10,26 Mio. für 2000 nach von Einem, vgl. Abbildung 66).

SVP-Bürobeschäftigte nach Tätigkeiten (insgesamt 9.349.500) SVP-Beschäftigte 2004 in 1.000 596 Leitende Verwaltung (Manager und Wissenschaftler) 4.701 Verwaltungsberufe (Bürofach- und -hilfskräfte) 1.463 Technische Berufe (Ingenieure und Techniker) 870 Beratungsberufe (Rechts-, Unternehmens- und Steuerberatung, Werbung) 783 Finanzierungsberufe (Banken und Versicherungen) 241 Kaufleute (Groß- und Einzelhandel, Verlagswesen) 120 Publizisten (Bibliothekare und Künstler) 68 Ärzte und Apotheker 90 Speditionskaufleute 83 Lehrer 236 Soziale Berufe 18 Sicherheitsberufe 81 Hilfsdienste (Pförtner, Reinigung) Berufsordnung

SVP = Sozialversicherungspflichtig Quelle: Auswertungen der Bundesagentur für Arbeit (nach Definition Dobberstein, 1996)

Quote 99 94 69 93

% % % %

90 42 69 32 100 80 19 47 47

% % % % % % % % %

BulwienGesa AG © 2005 (B02)

Abbildung 69: SVP-Bürobeschäftigte nach Tätigkeiten

Diese Methode bezieht sich nur auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Schon Dobberstein hat auch Quoten für die Selbstständigen und Beamten geliefert, die von der BulwienGesa AG an Hand von Ergebnissen aus dem Mikrozensus verfeinert wurden. Daraus ergeben sich für 2005 insgesamt 12.468.000 Bürobeschäftigte in Deutschland (vgl. Abbildung 70).

226 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

Bürobeschäftigte in Deutschland 2003 in 1.000 Früheres Bundesgebiet

Neue Bundesländer

Deutschland

Erwerbstätige insgesamt

29.848

+

6.325 =

36.172

Sozialversicherungspflichtig (SVP) Beschäftigte

22.796

+

4.159 =

26.955

8.227

+

1.244 =

9.471

+ Selbständige (11,4 %)

935

+

108 =

1.043

+ Sozialversicherungsfreie (5,9 %)

484

+

55 =

538

+ Beamte (8,7 %)

713

+

82 =

795

10.358

+

1.488 =

11.846

SVP-Bürobeschäftigte

Bürobeschäftigte insgesamt Anteil an den Erwerbstätigen

= 34,7 %

Quelle: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; IAB-Auswertung nach Dobberstein; Berechnungen der BulwienGesa AG

= 23,5 %

= 32,8 %

BulwienGesa AG © 2005 (B07)

Abbildung 70: Bürobeschäftigte in Deutschland

Das bedeutet, „nur“ knapp ein Drittel aller Erwerbstätigen in Deutschland geht einer Bürobeschäftigung nach und fragt eine Bürofläche nach. Diese Quote ist regional sehr unterschiedlich und reicht von etwa 20 % in ländlich strukturierten Gebieten bis zu 54,8 % als Spitzenwert in Frankfurt (gefolgt von München 52,1 %, Düsseldorf 52,0 %, Stuttgart 51,3 %, Hamburg 47,4 %, Köln 46,5 % und an letzter Stelle dieser Metropolen Berlin mit 41,6 %). 3.2.1.2.2

Büroflächenbestand

Bestandsdaten über die insgesamt in der Bundesrepublik vorhandenen Büroflächen sind ebenfalls nicht verfügbar. Daher ist man auf Schätzungen angewiesen. Von Einem hat es sich einfach gemacht und die von ihm ermittelte Zahl der Bürobeschäftigten mit 22,3 qm multipliziert und kommt zu einem Bestand für 1986 von 219,2 Mio. qm BGF (1980: 200,6 Mio. qm), wobei er von einer Büroflächeninanspruchnahme von 1975 = 20 qm pro Arbeitsplatz ausgeht und pauschal 10 % hinzurechnet. Dies war die Ausgangsgröße für viele Berechnungen, die seit diesem Zeitpunkt über die amtliche Bautätigkeitsstatistik der Fertigstellungen und geschätzten Abgänge erfolgt. Zwar wird dabei eine Kategorie „Büro- und Verwaltungsgebäude“ geführt, aber hier wird nach dem Schwerpunktprinzip verfahren, so dass alle Büroflächen in Gebäuden mit weniger

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

227

als 50 % mit dieser Nutzungsart herausfallen. Sie ist also mit äußerster Vorsicht zu verwenden. Die BulwienGesa AG schreibt diese Zahlen fort und kommt für das Jahr 2006 zu einem Gesamtbestand von über 360 Mio. qm BGF bzw. 290 Mio. qm nach der Mietflächenrichtlinie der gif (Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V.). Mittlerweile wurden in einer Reihe von Städten Kompletterhebungen durchgeführt, die darauf hindeuten, dass der Bestand vermutlich wesentlich größer ist. In dem relevanten Zeitraum von 1986 bis 2004 wurden nach dem Statistischen Bundesamt rund 87 Mio. qm in Büro- und Verwaltungsgebäuden in Deutschland neu fertig gestellt. Rechnet man die (vielfach sanierten) Büroflächen in den Neuen Bundesländern hinzu, erscheint diese Zahl logisch. 3.2.1.2.3

Flächeninanspruchnahme

Die schon von Einem angesetzte Büroflächeninanspruchnahme hat sich in den letzten Jahren kaum verändert (vgl. Abbildung 71). Bemerkenswert lediglich der vermeintliche Rückgang um die Jahrhundertwende, der durch eine hohe Nachfrage und gleichzeitig geringes Angebot bedingt war, sowie die aktuelle Zunahme durch das Überangebot und die daraus resultierenden Leerstände.

Büroflächennutzung 1980 bis 2003 im früheren Bundesgebiet in qm pro Beschäftigten 25

23,9

24

23,4

23,6

23 22,6 22,2

22,0

22

20,8

21

20 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 BulwienGesa AG Quelle: Berechnungen der BulwienGesa AG; ab 2003: neue Definition (ohne Leerstand 21,6 qm)

Abbildung 71: Büroflächennutzung 1980 - 2003

© 2005 (B14)

228 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte 3.2.1.2.4

Time-Lags

Im Zeitablauf lassen sich einerseits die Immobilienzyklen ablesen und andererseits die verzögerte Reaktionszeit des Angebots auf die Nachfrage. Die Nachfrage in Form der Bürobeschäftigten reagiert mit einem Time Lag von 12 bis 18 Monaten (teilweise bis zu zwei Jahren) auf die sich ändernde wirtschaftliche Lage, in der folgenden Abbildung als Bruttoinlandsprodukt ausgedrückt. Der Zeitverzug des Angebots mit dem Indikator Bautätigkeit reagiert wesentlich schleppender und weniger ausgeprägt. Beispielsweise wurden die größten Fertigstellungen im Jahr 1995 verzeichnet, nachdem die Nachfrage ihren Höchstpunkt bereits 1992 hatte und sie zu diesem Zeitpunkt sogar negativ verlief. Ähnliches beobachten wir im aktuellen Zyklus (vgl. Abbildung 72): Größtes BIP-Wachstum 2000, im gleichen Jahr auch höchster Zuwachs der Bürobeschäftigten mit einem darauffolgenden radikalen Rückgang, während die Bautätigkeit bis 2004 zwar leicht sank, aber auf hohem Niveau verblieb. Zur Zeit dreht sich dieses wieder mit einer ansteigenden Nachfrage und einem nur geringen Angebot.

BIP-, Bürobeschäftigten- und Büroflächenveränderungen 1986 bis 2004 4% 3% 2% 1% 0% -1% -2%

Veränderung in % p.a. 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 BIP

Bürobeschäftigte

Büroflächenbestand

* Schätzwert, ** Prognosewert Quelle: Auswertung IAB/BA, Berechnungen und Prognose der BulwienGesa AG

Abbildung 72: BIP-, Bürobeschäftigten und Büroflächenveränderungen 1986-2004

BulwienGesa AG © 2005 (B17)

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

229

Dies zeigt, dass sich allgemeine volkswirtschaftliche Zyklentheorien nur bedingt auf den Immobilienmarkt übertragen lassen, zumal nicht unerhebliche regionale Unterschiede zu verzeichnen sind. Dies macht sich auch bei den Prognosen bemerkbar, auf die an späterer Stelle eingegangen wird. 3.2.1.2.5

Büroflächenumsatz

Eine wichtige Messgröße für die Beurteilung des Büromarktes ist der Flächenumsatz in einem begrenzten Zeitraum. Dieser vor allem von den Maklern verwendete Wert unterlag in den vergangenen Jahren nicht nur großen Schwankungen, sondern war und ist zum Teil heute noch sehr „individuell“ ausgeprägt. Wir bedienen uns der Definition der gif, auf die sich auch die nachfolgenden Zahlen beziehen; denn in einem recht aufwendigen Verfahren bemüht sich diese seit rund 10 Jahren um eine einheitliche Größe. Dabei ist es wichtig, •

auf welchen Teilraum man sich bezieht (Stadt oder angrenzende Gemeinden),



welcher Zeitpunkt maßgebend ist (Vertragsabschluss oder Einzug),



welche Fläche gemeint ist (BGF, gif oder andere Definitionen),



wie Eigennutzer einbezogen werden.

Daher gilt die Definition: „Der Flächenumsatz ist die Summe aller Flächen, die in einem abgegrenzten Markt innerhalb einer bestimmten Zeiteinheit vermietet, verleast oder an Eigennutzer verkauft werden“ (gif-Büromarkt-Definition). Auf die Besonderheiten von Untervermietungen kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Für Gesamtdeutschland gibt es keine Daten und auch keine annähernden Schätzungen. Die Übersicht der großen Metropolen zeigt die nahezu dramatischen Schwankungen (vgl. Abbildung 73): 1996: 1,91 Mio. qm; 2000: 3,19 Mio. qm; 2003: 2,05 Mio. qm und 2006 wieder 2,8 Mio qm. Noch stärker ausgeprägt ist dies in den einzelnen Städten, z. B.: •

München:1996: 330.000 qm; 2000: 725.000 qm (+320.000 qm im Umland); 2003: 320.000 qm; 2006: 550.000 qm



Ähnliche Schwankungen gibt es in Frankfurt



In Hamburg, München und Berlin wurden 2006 höhere Umsätze erzielt als im langjährigen Durchschnitt: Hamburg 480.000 qm ( ø 363.000 qm), München 555.000 (ø 460.000 qm), Berlin 620.000 qm (ø 530.000 qm)

Für die Marktbeurteilung ist aber weniger der Flächenumsatz von Bedeutung als vielmehr die Nettoabsorption, also die „Veränderung der in Anspruch genommenen Büroflächen“, die in Deutschland nur selten genannt wird. Zum einen, weil sie nicht so einfach bestimmt werden kann, und zum anderen, weil dadurch die gesamte Misere am Büromarkt deutlich wird. In den vergangenen elf Jahren seit 1997 wurden in den genannten Metropolen knapp 26 Mio. qm vermietet (oder von Eigennutzern neu genutzt); vom Markt absorbiert wurden davon aber

230 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte lediglich 8,35 Mio. qm oder 32 %. Und dies lange Zeit mit sinkender Tendenz: 2000: 1,65 Mio. qm = 52 %; 2001: 1,43 Mio. qm = 53 %; 2002: -312.000 qm und 2003: -382.000 qm, wobei 2004 erstmals wieder ein leichtes Plus von 154.000 qm = 7 % verzeichnet werden konnte, das sich 2006 auf schätzungsweise rund 1 Mio. qm erhöht haben dürfte.

Büroflächenumsatz 1996 bis 2004 in 1.000 qm 1996

1997

1998

Hamburg

200

275

300

Düsseldorf (+ Ratingen/Neuss)

190

185

255

95

105

110

Köln Frankfurt (+ Eschborn/Kaiserlei)

515

Stuttgart

130

München (+ Umland)

330

Berlin

430

2000

2001

450

265 315 320 305 210 (+35) (+20) (+80) (+30) (+45)

235 (+20) 190

360 555 530 700 585 425 475 (+65) (+125) (150) (+100) (+35) (+35) (+35)

310 (+35)

150

150 355 (+150)

395

210

405

240

515

180

160

360 450 570 725 640 385 320 (+90) (+100) (+130) (+320) (+245) (+120) (+180) 420

180

140

320

200

160

175

410

2004

300

145

520

2002 2003

370

395 2.085 (+205)

Vermietung und Eigennutzung im Stadtgebiet Quelle: Jahresenderhebung der gif e.V. und Auswertung der RIWIS-Datenbank der BulwienGesa AG

430

125

1.910 1.865 2.245 2.555 3.190 2.705 2.150 2.025 (+155) (+225) (+315) (+440) (+360) (+185) (+260)

450

7 Städte

1999

430

BulwienGesa AG © 2005 (B21)

Abbildung 73: Büroflächenumsatz 1996-2004

3.2.1.2.6

Leerstand

Der Leerstand auf dem Immobilienmarkt hat aktuell eine hohe Bedeutung erlangt. Allerdings ist dies nicht neu, denn schon in den 1970er Jahren soll es in Frankfurt 750.000 qm Leerstand gegeben haben und ebenso in München 450.000 qm Anfang der 1980er Jahre. Die nächste Welle großer Leerstände tauchte dann Mitte der 1990er Jahre mit über 1 Mio. qm in Frankfurt auf, in Hamburg und München waren es „nur“ 650.000 qm bzw. 400.000 qm, wozu sich Berlin mit ebenfalls 1,1 Mio. qm leerstehender Büroflächen gesellte. Leerstand wird hier als die „Summe aller Büroflächen (verstanden), die zu einem bestimmten Zeitpunkt ungenutzt sind, zur Vermietung oder zum Verkauf angeboten werden und nicht innerhalb von drei Monaten beziehbar sind“ (gif-Definition). Zwar geht die Zahl der Fertigstellungen seit 2002 von gut 5 Mio. qm in Deutschland auf unter 3,5 Mio. qm in 2006 zurück und vor allem die Baustarts (2002 waren es noch 3,5 Mio. qm in den sieben Metropolen, 2006 nur noch 1,05 Mio. qm), dennoch hat der Leerstand in

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

231

nahezu allen Metropolen einen historischen Spitzenwert erreicht. Allein in den sieben Metropolen waren es Ende 2006: 7,7 Mio. qm, darunter Frankfurt mit 2 Mio. qm, Berlin mit 1,65 Mio. qm, München mit knapp 1,1 Mio. qm und Hamburg mit 1 Mio. qm. für Deutschland schätzt die BulwienGesa AG (Frühjahrsgutachten des Rat der Immobilienweisen) den Leerstand auf gut 22 Mio. qm (davon 15,4 Mio. qm in West- und 6,7 Mio. qm in Ostdeutschland), das entspricht einer Leerstandsquote von 12,8 % bzw. 7,6 %. Vor gut einem Jahrzehnt (1995) waren es insgesamt nur 9 Mio. qm oder ca. 5 % des Büroflächenbestandes. Dadurch entstehen nicht nur einzelnen Bauträgern, Bestandshaltern oder Investoren große Schäden, sondern auch der ganzen Volkswirtschaft. Setzt man eine Durchschnittsmiete von aktuell 10 Euro/qm in Deutschland an, so entgehen den Eigentümern jährliche Mieteinnahmen von 2,66 Mrd. Euro. 3.2.1.2.7

Mieten

Zwangsläufig muss dies Auswirkungen auf die Mieten haben. Meist wird über die so genannten Spitzenmieten gesprochen, die zwar für den Markt interessant sind, aber nur einen geringen Marktanteil repräsentieren. Die gif unterscheidet zudem noch nach realisierter und erzielbarer Spitzenmiete, der Durchschnittsmiete, der Nominalmiete („im Vertrag ausgewiesene Anfangsmiete ohne Incentives, Nebenkosten und Steuern“) und der Effektivmiete, die die „mietfreien Zeiten, Anpassungsklauseln, geldwerte Nebenleistungen, Staffelmietvereinbarungen und sonstige Arrangements ... berücksichtigt“. Dabei wird der Barwert der eingeräumten Incentives bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit hochgerechnet.

Spitzen- und Durchschnittsmieten für 125 Städte 1992 bis 2005 (Euro/qm) 20 18 16 14 12 10 8 6 92

93

94

95

Spitzenmiete City Durchmiete City

96

97

98

99

00

Spitzenmiete Cityrand Durchmiete Cityrand

* Schätzung Quelle: RIWIS-Datenbank der BulwienGesa AG

Abbildung 74: Spitzen- und Durchschnittsmieten für 125 Städte 1992 bis 2005

01

02

03

04*

Spitzenmiete Peripherie Durchmiete Peripherie BulwienGesa AG © 2005 (B42)

232 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Die BulwienGesa AG hat für 125 Städte jeweils sechs Bürolagentypen gebildet. Bei allen ist seit 1990 ein sukzessiver Rückgang zu beobachten, der nur durch die Euphorie der New Economy im Zeitraum zwischen 1997 und 2001 aufgehalten wurde (vgl. Abbildung 74).

3.2.1.3

Prognosen

Zentrales Ziel einer Büromarktprognose ist es, die zukünftige Marktentwicklung über einen bestimmten Zeitraum zu beschreiben und auf regionale Standorte zu übertragen (vgl. Abbildung 75). Dazu ist es zwingend notwendig, aus einer Vielzahl von Wirkungseffekten die wesentlichen Einflussfaktoren dieser Märkte zu filtern, zu quantifizieren, die Zusammenhänge in ein Modell einzubinden und – basierend auf diesem Annahmengerüst – Aussagen über das zukünftige Verhalten der Marktakteure abzuleiten. Voraussetzung ist die Prognose derjenigen Rahmendaten, die als Einflussgrößen für die Marktentwicklung identifiziert werden. Somit werden Bürobeschäftigte, Angebot und Fertigstellungen über den gleichen Zeitraum prognostiziert. Zur konkreten Bearbeitung hat sich sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch in der praktischen Umsetzung die klassische Zeitreihen-Regressionsanalyse als angemessene Vorgehensweise durchgesetzt.

Erweitertes Prognose-Grundmodell Nachfrage

Angebot BIP

Beschäftigung Abriss Flächenabsorption

Leerstand Fertigstellungen Miete

BulwienGesa AG © 2003 (B51)

Abbildung 75: Erweitertes Prognose-Grundmodell

Nach Auswertung des vorhandenen Informationsmaterials werden die durch wirtschaftliche Wachstumsprozesse ausgelösten Beschäftigtenveränderungen auf den Bürosektor als wesent-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

233

liches Kriterium der Nachfrage zur Bestimmung der Absorption von Flächen identifiziert. Hinzu kommen das aktuelle Wirtschaftswachstum sowie das relative Mietniveau im Vergleich zum vorherigen Höchststand. Auf der Angebotsseite reicht die amtliche Statistik nicht aus, sondern es muss eine detailliertere Erfassung von Einzelobjekten erfolgen. Je genauer diese Informationen sind, desto höher ist die Prognosegüte, da nicht auf Annahmen oder externe Faktoren zurückgegriffen werden muss. Das Zusammenspiel von Angebot (Neubaufertigstellungen) und Nachfrage (Wirtschaftswachstum und daraus abgeleitete Bürobeschäftigtenveränderung) ergibt den Leerstand. Die Leerstandsquote wiederum ist eine der wichtigsten Variablen zur Bestimmung der Mietveränderung. Dabei sind strukturelle Unterschiede zwischen einzelnen Märkten unübersehbar und verlangen nach einer individuellen Betrachtungsweise. Auf jeden Fall sollten die Einschätzungen von lokalen Experten in die Prognose einfließen. Zudem sind die Ergebnisse der Standorte im Verhältnis zueinander zu prüfen. Dieser Quercheck trägt dem Umstand Rechnung, dass Modellrechnungen und Regressionen alleine dem Gesamtbild eines Standortes mit seinen individuellen Stärken und Schwächen nur in Teilen gerecht werden können.

3.2.1.4

Schätzung des Immobilienvermögens in Deutschland

Die BulwienGesa AG hat innerhalb des Frühjahresgutachtens 2002 des Rates der Immobilienweisen erstmals eine Schätzung des Immobilienbestandes in Deutschland gemacht. Als Ergebnis wurde ein Wert von gut 7,1 Bio. Euro ermittelt (2006 aktualisiert 7,4 Bio. Euro), davon entfällt der größte Teil mit 5,5 Bio. Euro = 77 % auf den Wohnungssektor. Für den Büromarkt wird ausgehend von dem Bestand von 360 Mio. qm ein Sachwert von 540 Mrd. Euro errechnet. Dieser ergibt sich aus der unterstellten Durchschnittsmiete von 10 Euro/qm und einer Rendite von 8 % entsprechend einem Vervielfacher des 12,5fachen der Jahresmiete, woraus sich ein Durchschnittspreis von 1.500 Euro/qm ergibt. Für viele mag dieser Wert zu niedrig und die Rendite zu hoch angesetzt sein. Dabei ist einerseits die regionale Streuung zu beachten und andererseits die Wertsteigerung im Zeitverlauf. In dem jüngst vorgelegten Gutachten des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung zur „Volkswirtschaftlichen Bedeutung der Immobilienwirtschaft“ wurde die oben genannte Zahl für den Immobilienbestand weitestgehend bestätigt: Nettoanlagevermögen für Wohn- und Nichtwohnbauten 5,53 Mrd. Euro zuzüglich des Wertes für die bebauten Grundstücke von 1,68 Mrd. Euro ergibt ein Immobilienvermögen von 7,2 Bio. Euro. Problematisch ist in dieser Rechnung die Aufgliederung nach Bauwerks- bzw. Gebäudekategorien. Demnach entfallen (ohne den Grundstücksanteil) auf die statistische Gruppe der „Büro- und Verwaltungsgebäude“ 3 % oder 167 Mrd. Euro. Dieser Wert kann allein schon deshalb nicht stimmen, weil sich daraus ein Durchschnittspreis von 477 Euro/qm ergibt. Dies verdeutlicht nochmals die Ungenauigkeit der amtlichen Statistik.

234 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.2.1.5

Büroimmobilien als Investment

Von den großen deutschen und internationalen Investitionen gehören die Büroimmobilien nach wie vor zu den bedeutendsten Anlagearten. Als Beispiel seien die offenen Immobilienfonds herangezogen, die sowohl im In- als auch im Ausland 70 % bzw. 75 % in Büroimmobilien investieren (vgl. Abbildung 76). Einschränkend ist dazu zu sagen, dass sich diese Investitionen überwiegend auf wenige TopStandorte in Deutschland und nicht viel mehr Metropolen in Europa (und teilweise USA und Asien) verteilen. Dies gilt vor allem beim Preisvergleich mit den oben genannten Durchschnittswerten, denn der Verkehrswert aller Immobilien der offenen Immobilienfonds wird für Mitte 2006 mit rund 3.000 Euro/qm (Gesamtvermögen 68,7 Mrd. Euro auf 22,9 Mio. qm) angegeben. Anders sieht es bei den Versicherungen aus, die mit knapp 59 % (Stand 2002) bisher deutlich weniger in gewerbliche Immobilien investiert haben; auf reine Büroimmobilien dürften weniger als die Hälfte des Immobilienbestands der Versicherungen (Buchwert 24,3 Mrd. Euro) entfallen.

Investitionen der Offenen Immobilienfonds 2003 Deutschland

International

Handel 18%

Büro 70%

Handel 8,8%

Büro 76,8% Hotel 7% Logistik 1% Wohnen 1% Sonstige 3%

Hotel 3,1% Logistik 0,2% Büro/ Handel 11,1%

BulwienGesa AG Quelle: BulwienGesa AG, Basis 65 Ankäufe mit rund 1,09 Mio. qm Nutzfläche

© 2005 (I15)

Abbildung 76: Investitionen der Offenen Immobilienfonds 2003

Eine ähnliche Bedeutung haben die Büroimmobilien auch bei den grenzüberschreitenden Investitionen (vgl. Abbildung 77). Nach Erhebungen von JLL und PMA wurden in den Jahren 2000 bis 2003 jeweils Büroimmobilien zwischen 15 und 20 Mrd. Euro gehandelt, 2005 stieg dieser Wert auf 33,4 Mrd. Euro bei einer allerdings beträchtlichen Ausdehnung des Gesamtmarktes auf über 72,5 Mrd. Euro.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

235

Für Deutschland lässt sich keine genaue Zahl der Transaktionen von Büroimmobilien ermitteln. Nach der Zusammenführung der Ergebnisse der Gutachterausschüsse durch die GEWOS GmbH ergeben sich 37,8 Mrd. Euro für „Sonstige“ = gewerbliche Bauobjekte (2006). Davon dürften mindestens die Hälfte auf Büroimmobilien entfallen, so dass eine Größenordnung von ca. 20 Mrd. Euro jährlich angenommen werden kann. Bei einer Gegenüberstellung zu dem Bestand von 540 Mrd. Euro ergibt sich daraus die geringe Transaktionsquote von weniger als 5 %, die im Übrigen in fast allen anderen Teilsegmenten noch niedriger ist. (Gesamttransaktionen 2006: 136 Mrd. Euro bei einem Bestand von 7,4 Bio. Euro = 1,8 %).

Grenzüberschreitende Immobilieninvestitionen in Europa in Mrd. Euro 40,5

11,0 1997

14,0 1998

17,5

20,0

1999

2000

24,5

21,7

2001

2002

Herkunftsländer 2002 Deutschland USA Großbritannien/Irland Niederlande Andere Länder Unbekannt

28,3

2003

2004

Zielländer 2004 34 25 8 10 13 10

% % % % % %

Großbritannien Frankreich Italien und Spanien Belgien und Niederlande Skandinavien Mittel- und Osteuropa Deutschland

37 21 13 11 10 5 3

% % % % % % %

BulwienGesa AG Quelle: Eigene Auswertungen nach JLL Jones Lang LaSalle und DTZ Zadelhoff

Abbildung 77: Grenzüberschreitende Immobilieninvestitionen

© 2005 (I40)

236 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.2.1 Beidatsch, Kaja: Erfolgsfaktoren der Standortqualität von Büroimmobilien auf Makro- und Mikroebene, Diplomarbeit TU Dresden/Geographie, 1999 BulwienGesa AG: Miet- und Preisentwicklung von Wohn- und Gewerbeimmobilien in 60 deutschen Städten 1975-2006 (jährlich aktualisiert) Bulwien, Hartmut: Der Immobilienmarkt in Deutschland, Struktur und Funktionsweise, in: Schriftenreihe des Verbandes deutscher Hypothekenbanken, 2004 Bulwien, Hartmut: Überblick über Immobilieninvestoren und –anlageprodukte in Deutschland, in: Handbuch Immobilien-Investitionen, hrsg. von K.-W. Schulte u. a. Köln, 2005 Bulwien, Hartmut: Bedarfsbestimmung einzelner Immobilienarten, in: Handbuch Immobilienwirtschaft, hrsg. von H. Gondring u. a., Wiesbaden, 2001 Dobberstein, Monika: Bürobeschäftigte - Entwicklung einer Methode zur Schätzung der Bürobeschäftigten im Rahmen von Büroflächennachfrageprognosen, Dortmund, 1997 Dobberstein, Monika: Das prozyklische Verhalten der Büromarktakteure, Arbeitspapiere der Universität Dortmund/Fakultät Raumplanung/Fachgebiet Gewerbeplanung, Band 2, Dortmund, 2000 Dostal, w.: Datenverarbeitung und Bürobeschäftigung, Mitteilungen der IAB, 4/1984 Einem von, E. und Tonndorf, T. unter Mitwirkung von Gornigg, M.: Büroflächenentwicklung im regionalen Vergleich, Schriftenreihe „Forschung“ des Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft 484 Ertle-Straub, Susanne: Standortanalyse für Büroimmobilien, BoD, Leipzig, 2002 Falk, Bernd (Hrsg.) unter Mitarbeit von Günter Haber, Horst Alexander Spitzkopf, Stefan Winden, Siegfried de Witt: Fachlexikon Immobilienwirtschaft, Köln, 1996 Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif), Wiesbaden: –

Definitionssammlung zum Büromarkt, 2004



Jahresenderhebung zu den Büromärkten, jährlich seit 1996



Richtlinie zur Berechnung der Mietflächen für Gewerberaum (MF-G), 2004

GEWOS - Immobilienmarktanalyse, Transaktionsanalyse (jährlich, unveröffentlicht) Heineberg, Heinz, u. a.: Beiträge zur empirischen Bürostandortforschung, in: Müchener Geographische Hefte Nr. 50, Kallmünz, 1983 Heinritz, G. (Hrsg.): Standorte und Einzugsbereiche tertiärer Einrichtungen, Wege der Forschung, Band 591, Darmstadt, 1985

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

237

Ifo Institut für Wirtschaftsforschung (Verfasser Volker Rußig): Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft, Zeitschrift für Immobilienökonomie, Sonderheft, BoD 2005 Immobilien-Zeitung (Hrsg.): Frühjahrsgutachten Rat der Immobilienweisen (BulwienGesa AG, GfK-Prisma, empirica), 2002-2007 Statistisches Bundesamt: Ausgewählte Zahlen für die Bauwirtschaft, Wiesbaden, monatlich Troll: Büroberufe im Wandel, Mitteilungen des IAB, 1/1984 und 5/1989

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.2.2

239

Logistikimmobilienmärkte Thomas Steinmüller, Kilian Mahler

3.2.2 Logistikimmobilienmärkte.............................................................................240 3.2.2.1 Merkmale von Logistikimmobilien ..............................................................240 3.2.2.1.1 Begriffsdefinition..........................................................................................240 3.2.2.1.2 Typische Charakteristika ...............................................................................240 3.2.2.2 Trends bei Logistikimmobilien......................................................................242 3.2.2.2.1 Globalisierung und EU-Osterweiterung.........................................................242 3.2.2.2.2 E-Commerce und RFID Technologie ............................................................243 3.2.2.2.3 Outsourcing und Kontraktlogistik..................................................................244 3.2.2.3 Standortentscheidung bei Logistikimmobilien...............................................244 3.2.2.3.1 Kriterien der Standortentscheidung................................................................244 3.2.2.3.2 Einfluss der EU-Osterweiterung ....................................................................246 3.2.2.4 Angebots- und Nachfragesituation auf dem Logistikimmobilienmarkt .........248 3.2.2.4.1 Nutzer von Logistikimmobilien .....................................................................248 3.2.2.4.2 Logistikimmobilien als Investment................................................................249 3.2.2.4.3 Einflussfaktoren auf Angebot und Nachfrage................................................249 3.2.2.4.4 Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage .........................................250 3.2.2.5 Schlussfolgerungen ........................................................................................250 Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.2.2 ...................................................................................251

240 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.2.2

Logistikimmobilienmärkte Thomas Steinmüller, Kilian Mahler

3.2.2.1

Merkmale von Logistikimmobilien

3.2.2.1.1

Begriffsdefinition

Für Logistikimmobilien gibt es keine einheitliche Begriffsdefinition (vgl. Steinmüller, 2003a, S. 173). Im weiteren Sinne werden alle Immobilien, welche zur Lagerung, Distribution und Kommissionierung von Gütern verwendet werden, als Logistikimmobilien bezeichnet (vgl. Börner-Kleindienst, 2006, S. 453). Eine Definition im engeren Sinne beinhaltet ausschließlich Immobilien zur kurzfristigen Lagerung, Distribution und Kommissionierung von Gütern. In diesem Kapitel wird die Definition im weiteren Sinne für Logistikimmobilien zugrunde gelegt. Insbesondere gibt es auf internationaler Ebene keine einheitliche Zuordnung von Logistikimmobilien zu den Industrie- oder Gewerbeimmobilien: So werden im deutschsprachigen Raum Lagerhallen den Industrieimmobilien und Logistikimmobilien im engeren Sinne den Gewerbeimmobilien zugewiesen (vgl. Walzel, 2005, S. 120). Im angelsächsischen Sprachgebrauch werden sowohl Lagerhallen als auch Logistikimmobilien im engeren Sinne als Industrieimmobilien bezeichnet (vgl. Benjamin/Zietz/Sirmans, 2003, 279-323). Logistikimmobilien können durch die Nutzung, Lage und Objektgröße gegenüber anderen Immobilienarten abgegrenzt werden. Logistikimmobilien werden von Unternehmen für erwerbs-wirtschaftliche Zwecke genutzt und befinden sich meistens an Verkehrsknotenpunkten. Die als Betreiberimmobilien verwalteten Objekte haben eine Mindestgröße von 5.000 10.000m2 und eine Raumhöhe von 10 – 12 m. Der Begriff Betreiberimmobilie bedeutet, dass das Management der Immobilie durch den Nutzer übernommen wird. In Europa werden Logistikimmobilien mit der Risikoklasse „Core Plus“ klassifiziert. 3.2.2.1.2

Typische Charakteristika

Logistikimmobilien lassen sich anhand der Makro- und Mikrolage sowie gebäudespezifischer Besonderheiten charakterisieren. Es gibt diverse Kriterien, um die vielen Ausprägungen von Logistikimmobilien zu klassifizieren. Eine Möglichkeit der Abgrenzung ist die Nutzung, wobei bspw. zwischen Produktion und Entsorgung auf der einen Seite sowie Beschaffung und Distribution auf der anderen Seite unterschieden werden kann (vgl. Ehrmann, 2003, S. 28). Für Produktions- und Entsorgungslogistik sind oft spezifische und prozessorientierte Immobilien notwendig, wohingegen Beschaffungs- und Distributionsimmobilien einem relativ einheitlichen Standard entsprechen. Dies erhöht ihre Drittverwendungsfähigkeit deutlich, allerdings gibt es auch für das Segment Beschaffung und Distribution spezialisierte Immobilien, wie bspw. Hochregal- oder Kühllager.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

241

Zur Bezeichnung der unterschiedlichen Ausprägungen von Logistikimmobilien gibt es zahlreiche Begriffe, welche in einigen Fällen auch synonym verwendet werden. Folgende Termini bezeichnen die unterschiedlichen Arten von Logistikimmobilien (vgl. Sommerer, 1998, S. 78-82): •

Güterverkehrszentren (GVZ),



Warenverteilzentren,



Logistikzentren,



Distributionszentren,



Umschlagzentren (Cross Docking),



Güterverteilzentren,



Versandlager und



KEP (Kurier, Express, Paket) Depots.

Durch Kriterien wie z. B. Nutzer, technischer Innenausbau, Art des Lagergutes, Lage des Objektes, Bedarf an Arbeitskräften, Andienung und Anzahl der Gebäudekomplexe können die individuellen Ausprägungen beschrieben werden. Güterverkehrszentren dienen Logistikdienstleistern und Transporteuren zur Optimierung von Warentransporten. Sie haben an Schnittstellen verschiedener Verkehrsträger sowie mit Anschluss an Nah- und Fernverkehr ihren Standort. Eine Umschlagungsanlage bildet die zentrale Einheit, um die Waren effizient von einem Verkehrsmittel auf ein anderes zu verladen. Ein Warenverteilzentrum wird von Industrie- und Handelsunternehmen betrieben, um die von Lieferanten ankommenden Warenbestände in Einzelkommissionen aufzulösen und abnehmerspezifisch für einzelne Filialen oder Produktionsstätten zu versenden (teilweise als bestandsloses Transit-Terminal). In einem Logistikzentrum werden eine Vielzahl logistischer Funktionen und Tätigkeiten abgewickelt. Das Aufgabenspektrum beinhaltet Tätigkeiten der Warenverteil- und Güterverkehrszentren, wobei auch der Betreiber eines Logistikzentrums zeitweilig Eigentümer der durchlaufenden Waren werden kann, was mit der Verantwortlichkeit für den Zahlungsverkehr einhergeht. Ein Distributionszentrum ist eine Logistikimmobilie, in welcher Waren gelagert und umgeschlagen werden, wobei die Waren auftrags- bzw. kundenspezifisch zusammengestellt werden (Kommissionierung). Oftmals wird die Produktion eines Herstellers direkt in ein Distributionslager geliefert. Umschlagzentren dienen dem reinen Umschlag vom Fernverkehr auf den Nahverkehr und umgekehrt; hierbei wird nur umgeladen und es findet nur eine Zwischenlagerung als Vorsortierung für eine Tour statt. Oft wird bei Umschlagzentren mit der Cross Docking Strategie

242 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte gearbeitet, d. h. der Lieferant kommissioniert am Versandort bereits empfängerbezogen, um den Arbeitsaufwand im Umschlagzentrum zu minimieren. Ein Güterverteilzentrum wird von einem oder mehreren Wirtschaftsunternehmen als großflächiges Lager für Güter verschiedener Versender verwendet, welche eine tourenoptimierte Auslieferung zu den Empfängern erreichen möchten. Durch ein Güterverteilzentrum werden Funktionen wie Just-in-Time-Belieferung, Verpackung und Warenauszeichnung übernommen. Die auszuführenden Funktionen sind dieselben wie bei einem Warenverteilzentrum. Das Versandlager dient als Sammelstelle und dem Zusammenstellen von Versandaufträgen. In KEP-Depots wird die Logistik des Kurier-, Express- und Paketbereiches abgewickelt. Hierbei kommen häufig Hallen ohne Rampen zum Einsatz und in der Halle ist eine Paketsortieranlage – meist Kippschalensorter – mit entsprechenden Zu- und vor allem vielfältigen Abgängen für die tourengenaue Sortierung installiert.

3.2.2.2

Trends bei Logistikimmobilien

3.2.2.2.1

Globalisierung und EU-Osterweiterung

Eine zunehmende Spezialisierung im Produktionsprozess und damit eine verbundene Verlagerung einzelner Produktionsschritte an jeweils optimale Standorte beeinflussen die Logistikprozesse. Neben der weltweiten Produktion werden die Waren auch weltweit vertrieben. Der Wettbewerb zwischen einzelnen Unternehmen hat sich von einem nationalen bzw. kontinentalen Wettbewerb zu einem internationalen bzw. globalen Wettbewerb entwickelt. Die weltweite Wettbewerbssituation hat für Logistiker zur Folge, dass in einem Zentralisierungsprozess Logistikimmobilien konsolidiert werden, wodurch kontinentale Zentrallager entstehen. Das starke Wirtschaftswachstum in Asien und die EU-Osterweiterung beeinflussen Standorte von Logistikimmobilien in Europa derzeit besonders. Insbesondere der zunehmende Export von China nach Europa hat zur Folge, dass See- und Flughäfen ausreichende Kapazitäten für die ankommenden Waren bieten müssen. Des Weiteren wird der neu entstehende Güterflughafen in Dubai in Zukunft ein Hub (Ansiedlung zahlreicher Logistikimmobilien als Umschlagplatz) darstellen, über welches der indische Markt erschlossen wird. Dieser Güterhub muss von europäischen Standorten gut erreichbar sein, was Standorte in der Nähe von Flughäfen aufwertet. Den stärksten Einfluss auf Standorte von Logistikimmobilien in Europa hat die EUOsterweiterung, wie die spätere Analyse in 3.2.2.3.2 zeigen wird. In der Vergangenheit waren die wichtigsten europäischen Standorte in den Midlands in UK, in den Benelux-Staaten sowie um Paris und Lyon in Frankreich. Nach der EU-Osterweiterung im Mai 2004 hat sich der Mittelpunkt der EU von Frankreich und den Benelux-Ländern nach Deutschland verlagert, was damit einen interessanten Standort für Europazentrallager bietet.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

243

Der Einfluss der Maut auf Standorte von Logistikimmobilien muss ebenfalls beachtet werden. Allerdings ist anzunehmen, dass sie keinen relevanten Einfluss haben wird, da heute bereits fast alle EU-Länder eine LKW-Maut eingeführt haben bzw. in naher Zukunft einführen werden. In Verbindung mit der Maut könnte lediglich eine 24-Stunden Betriebsgenehmigung an Relevanz gewinnen, weil je nach Verkehr bzw. Uhrzeit unterschiedlich hohe Mautpreise berechnet werden können (Road-Pricing). Ein vorhandener Gleisanschluss bei einer Logistikimmobilie hat gegenwärtig noch eine untergeordnete Bedeutung, weil die Globalisierung des Betriebes der Bahnnetze noch nicht ausreichend vorangeschritten ist. Aufgrund individueller Ländergesellschaften in Europa, müssen Zugführer an den Ländergrenzen wechseln und unterschiedliche Spurbreiten in Spanien und Russland behindern den effizienten und unterbrechungsfreien Warenfluss. Neben den bereits beschriebenen Einflussfaktoren der Globalisierung könnte in Zukunft auch der Faktor Besteuerung die Attraktivität eines Standortes von Logistikimmobilien beeinflussen. In diesem Falle könnten die Schweiz oder auch Randgebiete der EU als Standorte an Attraktivität gewinnen. 3.2.2.2.2

E-Commerce und RFID Technologie

Die Entstehung und Entwicklung von E-Commerce hat einen bedeutenden Einfluss auf logistische Prozesse. Zum einen werden Geschäfte zwischen Unternehmen (B2B) über das Internet abgewickelt und zum anderen Geschäfte zwischen Unternehmen und Endkunden (B2C). Diese Entwicklung hat neue Anforderungen an die Logistiker gestellt. Im Besonderen generiert die aufgezeigte Entwicklung den Paketdienstleistern ein zusätzliches Geschäft, welches auch den Bedarf an Logistikflächen erhöht. In den meisten Fällen mussten oder müssen noch neue Objekte errichtet werden, weil die Bestandsobjekte in vielen Fällen nicht den Anforderungen der KEP-Dienstleister entsprechen. Auch ist die effiziente Warenlagerung möglichst an zentraler Stelle – und damit mit hohem Flächenbedarf – zu gewährleisten, da beim ECommerce schnelle Reaktionszeiten erforderlich sind. Beispiele aus dem Versandhandel zeigen, dass die Retourenquoten mit jedem weiteren Tag, der zwischen Bestellung und Auslieferung an den Kunden anfällt, exponentiell ansteigen ((vgl. McMahan , 1999 , S. 1 - 11)). Die Radio Frequency Identification (RFID) Technologie wurde vor kurzem von einigen Logistikdienstleistern eingeführt. Vorteil dieser Technologie ist die Möglichkeit, zahlreiche Informationen auf einem Transponder zu speichern, welcher in Form eines Aufklebers oder durch direkte Implementierung der Ware zugefügt wird. Mit einem Lesegerät können kontaktlos Daten der Produkte auf Empfangsgeräte übertragen und Anweisungen zur Produktdistribution übermittelt werden. Die RFID Technologie ersetzt langfristig den Barcode und verfügt des Weiteren über Funktionen wie z. B. Steuerung von Gütern durch die Supply Chain, Aussortierung von abgelaufenen Waren, Speicherung der für ein Produkt notwendigen Temperatur und des Preises (vgl. Sheffi, 2004, S. 1-9). Auswirkungen dieser neuen Technologie können in direkte bzw. zeitnahe und indirekte bzw. längerfristige Auswirkungen unterteilt werden. Kurzfristig sind die Auswirkungen von RFID auf Logistikimmobilien eher unbedeutend, wobei vermehrt auf die Vermeidung von Verwinkelungen bei der Errichtung neuer Objekte geachtet wird, um eine Funkwellenablenkung zu vermeiden und einen

244 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte automatisierten Warenfluss zu ermöglichen. Längerfristig wird diese Technologie zu einem Anstieg der Automatisierung beitragen und es werden weniger Mitarbeiter zum Betrieb einer Logistikimmobilie benötigt. Aus diesem Grunde muss bei der Standortwahl für Logistikimmobilien dem Arbeitskräftepotenzial einer Region weniger Bedeutung beigemessen werden. Des Weiteren kann sich durch eine zunehmende Technisierung auch die Gebäudestruktur von Logistikimmobilien verändern. Hochregallager können bspw. effizienter sein als die derzeit marktgerechten einstöckigen Logistikimmobilien. Der geringere Flächenbedarf könnte auch teurere Grundstücke für Logistikimmobilien interessant machen, und Logistik in größerer Innenstadtnähe könnte so an Bedeutung gewinnen. 3.2.2.2.3

Outsourcing und Kontraktlogistik

Aufgrund der gesteigerten Komplexität von logistischen Prozessen entscheidet sich eine Großzahl der Industrie- und Handelsunternehmen für die Konzentration auf ihre Kernkompetenzen und das Outsourcen logistischer Leistungen an Logistikdienstleister (vgl. Jahns/Langenhan/Walter, 2005, S. 70; Bolumole, 2003, S. 93-107). Gründe für die gestiegene Komplexität der Prozesse sind Globalisierung, erhöhte Serviceorientierung, verkürzte Produktlebenszyklen, stärkerer Kostendruck und E-Commerce (vgl. Alicke/Eitelwein, 2004, S. 17-27). Logistikdienstleister können für das zusätzliche Geschäft bzw. Neugeschäft oft nicht die bereits bestehenden Logistikimmobilien der Industrie- und Handelsunternehmen verwenden, weil diese eine Effizienzsteigerung nicht ermöglichen. Erst durch Synergie- und Größendegressionseffekte bei der Ausführung der Logistik für mehrere Unternehmen können Effizienzgewinne erzielt werden. Als Folge dieser Entwicklung müssen Logistikdienstleister neue – größere - Objekte bauen, kaufen oder mieten. Viele LogistikDienstleistungsunternehmen sind aber nicht börsennotiert und haben aufgrund ihrer Rechtsform sowie Gesellschafterstruktur eine schlechte Bonität, welche, insbesondere unter Basel II, die Finanzierung von Logistikimmobilien und damit die Investition in moderne Objekte erschwert. Die Kurzfristigkeit vieler Dienstleistungsverträge über logistische Leistungen hat zur Folge, dass Logistiker auch Flexibilität bei der Nutzung von Logistikimmobilien wünschen und eine Fristenkongruenz zwischen Dienstleistungs- und Mietvertrag erreichen möchten. Um diese Probleme, insbesondere die Investitions- und Finanzierungsproblematik, zu lösen, besteht auf Seiten der Logistikdienstleister derzeit ein gesteigertes Interesse daran, externe Immobilieninvestoren durch diverse Investorenmodelle beim Bau bzw. Kauf von modernen Logistikflächen zu integrieren.

3.2.2.3

Standortentscheidung bei Logistikimmobilien

3.2.2.3.1

Kriterien der Standortentscheidung

Resultierend aus den allgemeinen Standortkriterien und den beschriebenen aktuellen Trends werden die folgenden Parameter der Standortentscheidung abgeleitet. Eine Standortentscheidung wird hauptsächlich durch die Transport-, Grundstücks- und Arbeitskosten sowie den notwendigen Servicegrad determiniert. Neben multimodaler Anbin-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

245

dung und dem Vorhandensein eines entsprechenden Arbeitskräftepotenzials ist folglich die Lage an einer der europäischen Verkehrsadern bzw. an einer Strecke, an welcher Warenströme entlang transportiert werden, vorteilhaft (vgl. Mueller/Laposa, 1994, S. 42-50; Mansour/Christensen, 2001, S. 77-88). Anhand eines Kreismodells kann die Ansiedlung der verschiedenen Logistikprozesse bzw. der dafür notwendigen Logistikimmobilien dargestellt werden. Im Umkreis von ca. 10 km um den Mittelpunkt einer Stadt wird Lebensmittel-Logistik betrieben, wobei der Servicegrad der zu maximierende Parameter ist. Handelsunternehmen betreiben diese Logistik, um kurzfristig Geschäfte in der Stadt beliefern zu können. Höhere Grundstücks- und Arbeitskosten werden akzeptiert. In einem Umkreis von 30 km um eine Stadt wird Kontraktlogistik angesiedelt und arbeitsintensive logistische Aufgaben werden in Gebieten mit günstigeren Arbeits- und Grundstückspreisen angesiedelt, wobei höhere Transport- und Reaktionskosten eingeplant werden (meist 30 bis 60 km vom Stadtzentrum entfernt). Dieser Sachverhalt wird in der Abbildung 78 verdeutlicht, die sich beispielhaft auf Berlin bezieht.

Abbildung 78: Kreismodell zur Ansiedlung von Logistikflächen; Quelle: Eigene Darstellung

246 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Abgesehen von Hochregallagern werden Logistikimmobilien in Deutschland einstöckig gebaut. An Standorten mit sehr hohen Grundstückspreisen, wie z. B. an Flughäfen, werden auch mehrstöckige Gebäude realisiert, was z. B. in Japan aufgrund der sehr hohen Grundstückspreise normal ist. Standorte für einzelne - alleinstehende - Logistikimmobilien werden an Bedeutung verlieren, weil nur in Logistikparks Synergieeffekte erzielt werden können und die gewünschte Flexibilität für Logistikdienstleister realisiert werden kann (vgl. Steinmüller, 2003b, S. 28f). Logistikparks sind insbesondere für Flug- und Seehäfen geeignet, können aber auch an Autobahnkreuzen oder Straßen-Schiene-Schnittpunkten realisiert werden. Grundvoraussetzung für das Funktionieren eines solchen Logistikparks ist ein ausreichendes Mieterpotenzial, welches sowohl lang- als auch kurzfristige Vermietungen ermöglichen sollte. Erst bei einer großen Nachfrage bzw. Warteliste von Interessenten für Flächen in einem Logistikpark können Immobilieninvestoren kurzfristige Mietverträge anbieten, welche dann auch eine erhöhte Miete generieren. Bei einem solchen Konzept orientiert man sich an der Nutzung von Hotels, in welchen eine kurzfristige Vermietung üblich ist und der erhöhte Managementaufwand durch höhere Mietpreise gerechtfertigt wird. Synergieeffekte können durch den Ausgleich des saisonalen Flächenbedarfs sowie eines gemeinsamen Mitarbeiter- und Gabelstaplerpools erzielt werden. Erweiterungspotenzial sollte eingeplant werden, um die Anlage je nach Nachfrage durch zusätzliche Gebäude ergänzen zu können. Wenn ein Unternehmen Flächen in Logistikparks an verschiedenen Standorten verwaltet, kann hierdurch ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Eigentümern von Logistikimmobilien realisiert werden. Eigentümer mehrerer Logistikparks könnte ein auf Logistikimmobilien spezialisierter REIT sein, welcher einerseits die Möglichkeit bietet internationale Investoren zu gewinnen und andererseits durch besonderes Know-how des Logistikmarktes marktgerechte Objekte zu bauen und zu vermieten (vgl. Hirdes et al., 2005, S. 171-174). 3.2.2.3.2

Einfluss der EU-Osterweiterung

Wie bereits aufgezeigt, hat sich durch die EU-Osterweiterung die Mitte der EU nach Deutschland verlagert. Die folgende Analyse zeichnet die Standortverlagerungen in Europa nach. Bei der Betrachtung des Mittelpunktes Europas wurde eine detaillierte Distributionsanalyse unter Berücksichtigung aller Orte mit mehr als 5.000 Einwohnern durchgeführt: Bei Betrachtung der EU in den Grenzen vor dem 01.05.2004 sowie unter Einbeziehung der Schweiz und Norwegens errechnet sich als der theoretische distributionstechnische Mittelpunkt ein Standort nördlich von Luxemburg in Belgien. Unter Einbeziehung der 10 EUErweiterungsländer zum 01.05.2004 verschiebt sich dieser Mittelpunkt ostwärts in die Region Mannheim/Worms in Deutschland. Unter weitergehender Einbeziehung der EU-Beitrittskandidaten Rumänien und Bulgarien sowie der angrenzenden Länder Türkei und Ukraine wandert der Mittelpunkt weiter ostwärts Richtung Augsburg. Abbildung 79 verdeutlicht graphisch die aufgezeigte Entwicklung der Verlagerung des theoretischen Distributionszentrums in Europa.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

EU 2003 plus N, CH

EU 2004 plus N, CH

EU 2004 plus N, CH, RO, BG, TR, UA Abbildung 79: Theoretisches Distributionszentrum wandert ostwärts Quelle: Eigene Darstellung

247

248 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Für Weißrussland und Russland lagen zum Zeitpunkt der Analyse nur unzureichende Daten vor, so dass eine Detailanalyse nicht vorgenommen werden konnte. Aufgrund der Bevölkerungsstruktur ist zu erwarten, dass unter Einbeziehung dieser Länder sich der Mittelpunkt etwas nordwärts in die Region Nürnberg entwickeln würde. Bemerkenswert ist, dass seit dem 01.05.2004 der Mittelpunkt auch für zukünftige Erweiterungen der EU immer auf deutschem Boden liegt und damit deutsche Standorte per se eine gute Perspektive in der europäischen Logistiklandschaft aufweisen. Die Rhein-Main-Region, Nürnberg und Mannheim profitieren besonders von dieser aufgezeigten Entwicklung. Ebenfalls bedeutende Standorte für Logistikimmobilien sind Hamburg, die Rhein-Ruhr-Region, Stuttgart, München und Leipzig. Standorte in der geographischen Mitte Deutschlands, wie bspw. Kassel oder Bad Hersfeld, sind lediglich für national tätige Dienstleister von Interesse.

3.2.2.4

Angebots- und Nachfragesituation auf dem Logistikimmobilienmarkt

3.2.2.4.1

Nutzer von Logistikimmobilien

Die Unternehmensstruktur und das angebotene Leistungsspektrum von Logistikdienstleistern ist sehr heterogen. Auf dem Markt für Logistikdienstleistungen agieren von inhabergeführten, mittelständischen Unternehmen bis hin zu börsennotierten, internationalen Konzernen die unterschiedlichsten Rechtsformen und Größen von Unternehmen. Auch das Leistungsspektrum variiert von ausschließlich speditionsnahen Leistungen bis hin zu Mehrwertdienstleistungen zu Logistikprozessen für Industrie- und Handelsunternehmen, wie z. B. Produktion und After-sales-Aufgaben. Wie oben aufgezeigt, ist ein Trend zu Kontraktlogistik bzw. zum Outsourcing logistischer Prozesse an Logistikdienstleister erkennbar. Aufgrund des Marktwachstums für Kontraktlogistik sowie der gewünschten Vertragskongruenz zwischen Service- und Mietvertrag haben Logistikdienstleister eine größere Nachfrage nach Logistikflächen als Industrie- und Handelsunternehmen. Unternehmen, welche ihre Logistik selbst ausführen, lassen ihre Objekte meistens individuell errichten und fungieren als Eigennutzer. Unternehmenseigene Objekte haben oft ein schlechtes Drittverwendungspotenzial, weil sie nach den Bedürfnissen des individuellen Unternehmens erbaut wurden und sind deshalb für Investoren weniger interessant. Oft können Logistikdienstleister nicht die vorhandenen Logistikimmobilien verwenden, weil mit den Bestandsobjekten keine Synergieeffekte erzielt werden können. Durch die Übernahme logistischer Prozesse durch Logistikdienstleister wird folglich die Nachfrage nach marktgerechten Logistikimmobilien gesteigert. Logistikdienstleister haben aufgrund des oftmals starken Unternehmenswachstums einen hohen Kapitalbedarf, aber als mittelständisches Unternehmen oft ein schlechtes Rating und Schwierigkeiten, Fremdkapital zu erhalten. Die finanzielle Situation der Logistikdienstleister

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

249

und die gewünschte Kongruenz zwischen Dienstleistungs- und Mietvertrag führt zur einer gesteigerten Nachfrage nach Mietflächen und Investorenmodellen. 3.2.2.4.2

Logistikimmobilien als Investment

Wie zuvor dargestellt besteht ein hoher Bedarf an Investorenmodellen seitens der Logistikdienstleister. Auch Immobilieninvestoren haben gegenwärtig ein starkes Interesse, sich in Logistikimmobilien zu engagieren. Gründe hierfür sind die guten Renditen der vergangenen Jahre, die Ausnutzung von Diversifikationspotenzialen, der geringe Verwaltungsaufwand, die gute Drittverwendungsfähigkeit bei marktgerechten Objekten, die hohen Leerstände bei anderen Immobilienarten und der Anlagedruck aufgrund hoher Mittelzuflüsse. Hauptsächlich spezialisierte Fonds investieren in Logistikimmobilien, weil für erfolgreiche Investitionen ein Know-how des Logistikmarktes sowie des Logistikimmobilienmarktes unabdingbar ist. Offene Publikumsfonds investieren nur vereinzelt und nutzen die Unterstützung von spezialisierten Beratern für diese Investitionen. Einige offene Immobilienfonds streben eine Erhöhung ihres gegenwärtigen Anteils von 3-4% in Logistikimmobilien für ihre Portfolios an. Dabei investieren Fonds meistens in erstklassige Objekte mit bonitätsstarken Mietern, wobei eine geringere Rendite akzeptiert wird. Allgemein ist für alle Investoren eine gute Drittverwendungsfähigkeit Grundvoraussetzung für eine Investition, insbesondere bei zunehmend kürzeren Mietverträgen. Keines der deutschen Investitionsvehikel (offener und geschlossener Immobilienfonds) ist allerdings für Investitionen in Logistikimmobilien optimal geeignet. Das Investmentgesetz gestattet offenen Fonds nicht den Kauf von Immobilien auf Mietgrundstücken, wodurch attraktive Investitionen in Häfen verhindert werden. Die mögliche Einführung von Real Estate Investment Trusts (REITs) in Deutschland könnte die Investitionsbedingungen verbessern. 3.2.2.4.3

Einflussfaktoren auf Angebot und Nachfrage

Wie in den beiden letzten Unterkapiteln beschrieben, haben die Logistikdienstleister die größte Nachfrage nach Logistikflächen gefolgt von Industrie- und Handelsunternehmen. Immobilieninvestoren haben neben den Eigennutzern ein Interesse, Logistikimmobilien zu erwerben. Die Nachfrage nach Logistikflächen wird hauptsächlich durch Veränderungen der Warenströme, des Import-Export-Volumens, Verlagerung von Standorten für die Produktion und strukturelle Veränderungen wie das Outsourcing einzelner Prozessschritte bestimmt. Die Entwicklung neuer Technologien, wie z. B. RFID, hat ebenfalls Auswirkungen auf Standorte und Gebäudestrukturen. Politische Entscheidungen wie Besteuerung, Subventionen und umweltpolitische Vorgaben können die Nachfrage nach Logistikflächen in bestimmten Gebieten ebenfalls beeinflussen. Die erhöhte Nachfrage zum Kauf oder zur Miete von Flächen ist einerseits von den Finanzierungsbedingungen, welche durch Basel II erschwert werden, und andererseits von der Laufzeit von Dienstleistungsverträgen abhängig.

250 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte 3.2.2.4.4

Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage

Obwohl die Nachfrage nach Logistikflächen durch Nutzer und die Bereitschaft in Logistikimmobilien zu investieren relativ hoch sind, besteht kein Marktgleichgewicht. Gründe hierfür sind, dass Immobilieninvestoren nicht selbständig Projektentwicklung betreiben, sondern in vermietete Objekte investieren möchten und auch Projektentwickler zur Zeit nicht spekulativ Logistikimmobilien entwickeln. Obwohl die bestehende Nachfrage nicht ausreichend befriedigt werden kann, gibt es Leerstände bei Objekten, die nicht den gegenwärtigen Marktanforderungen entsprechen. Ein weiterer Grund für das gegenwärtige Marktungleichgewicht sind die unterschiedlichen Anforderungen von Nutzern und Investoren an Logistikimmobilien. Die Nutzer suchen Objekte, welche ihren individuellen Anforderungen entsprechen und möchten nur kurzfristige Mietverträge abschließen. Immobilieninvestoren kaufen lediglich Objekte mit einer hohen Drittverwendungsfähigkeit, um bei Auszug des Mieters das Objekt problemlos an einen anderen Nutzer vermieten zu können. Aufgrund der gewünschten Flexibilität der Logistikdienstleister bieten Immobilieninvestoren auch kürzerfristige Mietverträge an, beharren allerdings auf der Drittverwendungsfähigkeit des Objektes. Insgesamt ist der Markt für Logistikimmobilien derzeit dadurch gekennzeichnet, dass es einen Mangel an modernen Anlagen gibt. Durch den Wegfall der europäischen Grenzen müssen größere und anders situierte Immobilien zur Verfügung gestellt werden. Es gibt erhebliches Kapital seitens des Investmentmarktes, das jedoch selten spekulativ zur Verfügung gestellt wird. Folglich müssen zuerst entsprechende Mietverträge existieren, bevor dann eine Immobilie finanziert und erstellt wird.

3.2.2.5

Schlussfolgerungen

Der Markt für Logistikimmobilien weist im Gegensatz zur allgemein wirtschaftlichen Entwicklung gegenwärtig eine positive Tendenz auf und wird durch die beschriebenen aktuellen Trends weitgehend positiv beeinflusst. Aufgrund von Marktintransparenz gibt es kaum aktuelle Zahlen für den Logistikimmobilienmarkt in Europa bzw. Deutschland. Einerseits ist eine Abgrenzung der einzelnen Arten von Logistikimmobilien nicht immer eindeutig möglich, und andererseits ist es schwierig, zwischen marktgerechten und nicht marktgerechten Objekten zu differenzieren. Des Weiteren erschwert die Eigentümerstruktur die Erfassung der Objekte, weil gegenwärtig nur ein geringer Anteil der Objekte von institutionellen Investoren gehalten wird. Unabhängig von der Marktintransparenz ist ein eindeutiger Trend zur Miete bei den Logistikdienstleistern erkennbar. Gründe hierfür sind insbesondere Finanzierungsprobleme durch Basel II und eine gewünschte Flexibilität, um die Objektnutzungsdauer an die Dauer des Dienstleistungsvertrages anzupassen.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

251

Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.2.2 Alicke, K./Eitelwein, O. (2004): Outsourcing im Supply Chain Management, in: Supply Chain Management, Nr. 3/2004, S. 17-27. Benjamin, J./Zietz, E./Sirmans, S. (2003): The Environment and Performance of Industrial Real Estate, in: Journal of Real Estate Literature, Vol. 11, 3, S. 279-323. Börner-Kleindienst, M. (2006): Logistikimmobilien: Kategorien, Determinanten und Marktteilnehmer, in: Falk, B./Falk, M.T. (Hrsg.): Handbuch Gewerbe- und Spezialimmobilien, Köln 2006, S. 447-472. Bolumole, Y. (2003): Evaluating the Supply Chain Role of Logistics Service Providers, in: The international Journal of Logistics Management, Vol. 14, 2, S. 93-107. Ehrmann, H. (2003): Logistik, 4. überarb. und akt. Aufl., Ludwigshafen 2003. Hirdes, F.-W. et al. (2005): Internationales Handbuch der Logistikimmobilie, München 2005. Jahns, C./Langenhan, F./Walter, S. (2005): Logistik-Tacho 2010: Driving Logistics to Excellence: Logistik-Fitness-Cockpits für 9 Branchen, Wiesbaden 2005. Mansour, A./Christensen, M. (2001): An alternative determinand of warehouse space demand: a case study, in: Journal of Real Estate Research, Vol. 21, 1-2, S. 77-88. McMahan, J. (1999): The impact of e-commerce on real estate, in: Real Estate Issues, Vol. 24, 4, 1-11. Mueller, G./Laposa, S. (1994): The path of goods movement, in: Real Estate Finance, Vol 11, 2, S. 42-50. Sheffi, Y. (2004): RFID and the innovation cycle, in: The international Journal of Logistics Management, Vol. 15, 1, S. 1-10. Sommerer, G. (1998): Unternehmenslogistik: Ausgewählte Instrumentarien zur Planung und Organisation logistischer Prozesse, München/Wien 1998. Steinmüller, T. (2003a): Finanzierung von Logistikimmobilien, in: Bundesvereinigung Logistik (Hrsg.): Finanzierung eine neue Dimension der Logistik, Berlin 2003, S. 171-185. Steinmüller, T. (2003b): Logistikparks: Planen für die lange Frist, in: Logistik Heute, Vol. 25, 12, S. 28-29. Walzel, B. (2005): Unterscheidung nach Immobilienarten, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie, Bd. I: Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 3. vollst. überarb. Aufl., München 2005, S. 117-140.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.2.3

253

Einzelhandelsimmobilienmärkte Tobias Just

3.2.3.1 Einführung......................................................................................................254 3.2.3.2 Der deutsche Einzelhandel : Umfang und Struktur ........................................255 3.2.3.3 Nachfrage nach Einzelhandelsgütern und Einzelhandelsimmobilien .............256 3.2.3.3.1 Einkommensentwicklung und Einkommenserwartungen...............................256 3.2.3.3.2 Konsumniveau................................................................................................258 3.2.3.3.3 Konsummöglichkeiten....................................................................................260 3.2.3.3.4 Demografische Einflussfaktoren ....................................................................261 3.2.3.4 Angebot von Einzelhandelsgütern und Einzelhandelsimmobilien .................262 3.2.3.4.1 Zinsniveau und staatliche Fördermittel...........................................................262 3.2.3.4.2 Wettbewerbsintensität im Einzelhandel..........................................................263 3.2.3.4.3 Zusätzliche Angebotsflächen..........................................................................264 3.2.3.4.4 Technologischer und organisatorischer Fortschritt.........................................265 3.2.3.5 Mietentwicklungen im deutschen Einzelhandel .............................................266 3.2.3.5.1 Miettrends.......................................................................................................266 3.2.3.5.2 Ökonometrische Schätzmodelle zum deutschen Einzelhandel .......................267 3.2.3.6 Europäischer Vergleich ..................................................................................269 Literaturverzeichnis zu Kapitel 3.2.3 ...................................................................................271

254 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

3.2.3

Einzelhandelsimmobilienmärkte Tobias Just

3.2.3.1

Einführung

Die gesamte deutsche Einzelhandelsfläche wird derzeit auf rd. 110 Mio. m² veranschlagt (EHI, 2004). Dazu zählen Flächen im Facheinzelhandel, in Warenhäusern, in Supermärkten, in Einkaufszentren und Fachmarktzentren. Das sind rd. 1,3 m² pro Einwohner in Deutschland. Die BulwienGesa AG hat für das Gutachten der Immobilienweisen 2003 den Wert dieser Einzelhandelsimmobilien auf gut 160 Mrd. Euro taxiert. Diesen Wert erhält man zum Beispiel, wenn die 110 Mio. m² Fläche mit einer Monatsmiete von rd. 7,5 Euro je Quadratmeter bewertet werden und ein Vervielfältiger von 16 (also eine Anfangsrendite von rd. 6%) angesetzt wird. Bei einer Durchschnittsmiete von 10 Euro ließe sich der Wert der Einzelhandelsflächen sogar auf über 200 Mrd. Euro bemessen. Einzelhandelsimmobilien sind also keineswegs eine Quantité négligeable. Die Marktentwicklung dieser Einzelhandelsimmobilien hängt letztlich von der Einzelhandelskonjunktur und den fertig gestellten, zusätzlichen Einzelhandelsflächen ab, also von Nachfrage und Angebot von Einzelhandelsflächen: Nur wenn die Einzelhändler höhere Einnahmen realisieren und das zusätzliche Angebot neu fertiggestellter Flächen nicht schneller wächst als der neue Bedarf, lassen sich höhere Mieten für Einzelhandelsimmobilien durchsetzen. Folgerichtig ist die Marktanalyse von Einzelhandelsimmobilien in erster Linie die Analyse des Einzelhandels, seiner Treiber und Restriktionen. So lässt sich beispielsweise ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Spitzenmiete in einer Region und dem gesamten Einzelhandelsumsatz herstellen: Je höher der Gesamtumsatz, desto höher ist auch die gezahlte Spitzenmiete für das enge und kaum vermehrbare Spitzensegment in der Innenstadt (vgl. Abbildung 80). Gleichwohl gibt es wichtige Unterschiede zwischen Einzelhandelssegmenten: Während die Höhe der Einzelhandelsumsätze fast drei Viertel der Unterschiede der Spitzenmieten in deutschen Städten erklären kann, können die Mieten in deutschen Stadtteillagen nur zu rd. 50% durch die Höhe der Umsätze erklärt werden. Drei Aspekte sind daher zu beachten: Erstens, zur Analyse der Miettrends für Einzelhandelsimmobilien (sowohl in der Zeitfolge als auch für den Vergleich von Standorten) spielt die Konjunktur des Einzelhandels eine entscheidende Rolle. Zweitens, die Konjunktur kann nicht die gesamten Unterschiede erklären, es müssen andere, strukturelle Faktoren berücksichtigt werden, und drittens wirken die Erklärungsfaktoren offensichtlich unterschiedlich stark für einzelne Teilmärkte.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

255

Anm.: Spitzenmieten für 91 deutsche Städte. Die Millionenstädte wurden aus dem Sample herausgenommen, um die Darstellung nicht zu verzerren. Abbildung 80: Einzelhandelsumsatz und Einzelhandelsmieten in deutschen Städten; Quelle: BulwienGesa, GfK, DB Research

3.2.3.2

Der deutsche Einzelhandel: Umfang und Struktur

Der deutsche institutionelle Einzelhandel setzt jährlich über 500 Mrd. Euro um. Davon entfallen auf die über 260.000 Unternehmen des Einzelhandels im engeren Sinne, also ohne Kraftfahrzeuge, Brennstoffe und Apotheken, fast 380 Mrd. Euro. Das sind knapp 30% des gesamten privaten Verbrauchs bzw. 17,5% des gesamten Bruttoinlandsprodukts Deutschlands. Den Löwenanteil der Einzelhandelsumsätze bildete 2005 der Absatz von Nahrungsund Genussmitteln: Fast 35%. Mit einem Umsatzanteil von 18% folgen Haushaltswaren und Artikel für den täglichen Bedarf. Textilien machen rd. 15% der Umsätze im klassischen Einzelhandel aus, und für Möbel, Technik und sonstige Waren werden jeweils rd. 10% verausgabt. Hinsichtlich der Struktur der Einzelhandelsläden spielen die traditionellen Fachgeschäfte noch immer die wichtigste Rolle. Ihr Marktanteil schrumpft jedoch seit Jahren und beträgt derzeit nur noch knapp 25%. Mit einem Marktanteil von 22% folgen Fachmärkte und mit jeweils gut 10% der filialisierte Non-food Einzelhandel sowie Lebensmitteldiscounter und SB-Warenhäuser (vgl. Abbildung 81).

256 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

Abbildung 81: Struktur des Einzelhandels; Quelle: BAG zitiert nach EHI

3.2.3.3

Nachfrage nach Einzelhandelsgütern und Einzelhandelsimmobilien

Es ist zwar richtig, dass Angebot und Nachfrage die Wertentwicklung von Immobilien bestimmen. Da das Angebot jedoch letztlich ein abgeleiteter Wert ist, spielt die Nachfrageanalyse die größere Rolle für die mittlere Frist. Die Einflussfaktoren für die Nachfrage nach typischen Einzelhandelsprodukten sind vor allem die folgenden vier Faktoren: •

Einkommen sowie die Einkommenserwartungen der Menschen einer Region



Bereits realisiertes Konsumniveau



Konsummöglichkeiten



Demografische Entwicklung (Bevölkerungszahl und –struktur)

3.2.3.3.1

Einkommensentwicklung und Einkommenserwartungen

Einzelhandelsgüter sind in den meisten Fällen normale (superiore) Güter, d. h. mit steigenden Einkommen werden sie verstärkt nachgefragt. Allerdings gilt für viele Güter des klassischen Einzelhandelssortiments, dass die Nachfragezuwächse bei steigenden Einkommen unterproportional ausfallen. Ein Einkommenszuwachs führt in der Regel nicht dazu, dass die Ausgaben für Lebensmittel oder Haushaltswaren in gleichem Maße erhöht werden. In einer wachsenden Wirtschaft steigen dann zwar die Einzelhandelsumsätze, die Steigerung fällt jedoch geringer aus als die Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts oder des privaten Konsums. Dies impliziert, dass die Nachfrage nach Gütern außerhalb des klassischen Einzelhandels überdurchschnittlich zulegen muss, wie in den letzten Jahren z. B. für Dienstleistun-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

257

gen aus der Tourismusbranche oder für Kommunikationsdienste zu beobachten war. So wuchsen die preisbereinigten Umsätze im deutschen Einzelhandel in den letzten zehn Jahren regelmäßig langsamer als der private Verbrauch insgesamt oder das Bruttoinlandsprodukt (vgl. Abbildung 82). Einzige Ausnahme bildete das Jahr 2004. Diese Sonderentwicklung ist freilich eher auf die geänderte Stichprobe des Statistischen Bundesamtes als auf eine Sonderkonjunktur im Einzelhandel zurückzuführen.

Abbildung 82: Einzelhandel im Vergleich zum BIP und Konsum; Quelle: Statistisches Bundesamt 2005

Das unterdurchschnittliche Wachstum der letzten Jahre bedeutet letztlich, dass der Anteil des Einzelhandels am privaten Verbrauch stetig sinkt. Zu Beginn der 90er Jahre wurden noch 40% der privaten Konsumausgaben im Einzelhandel getätigt, 2004 lag der Anteil bei unter einem Drittel. Der Trend wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen, da sich die Neigung der Konsumenten, zusätzliche Einkommen im Einzelhandel auszugeben, nicht ändern wird. Bei der Analyse sind neben der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklung die Erwartungen der Verbraucher sehr wichtig. Das gilt weniger für Produkte des täglichen Bedarfs, die sich schlecht substituieren lassen, sondern v. a. für langlebige Konsumgüter (Fernseher, Waschmaschinen, Möbel). Erwarten die Verbraucher eine Verschlechterung der Konjunktur - und damit ein höheres Arbeitsplatzrisiko - werden größere, und nicht dringend notwendige Anschaffungen aufgeschoben. Im Aufschwung lässt sich dieser Aufschub dann meistens nicht vollständig aufholen, sodass viele langlebige Wirtschaftsgüter über mehrere Konjunkturzyklen relativ an Bedeutung im Warenkorb verlieren.

258 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Wenn es also Einzelhandelsgüter gibt, die besonders stark auf konjunkturelle Schwankungen reagieren (langlebige Konsumgüter) und Güter, die weniger reagibel sind (Güter des täglichen Bedarfs), dann hat dies auch direkte Auswirkungen auf das Ausfallrisiko von Mietern in Einzelhandelsobjekten. Große, zusammenhängende Einzelhandelsflächen mit mehreren vermietbaren Läden (z. B. Einkaufszentren) bieten den Vorteil der Risikostreuung über mehrere Segmente mit unterschiedlich starker Konjunkturreagibilität. Die unterschiedlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten wirken dann ähnlich glättend auf die Mieteinnahmen des Vermieters wie ein gut diversifizierter Branchen- und Ländermix in einem Aktienportfolio. Da Einkommen und Vermögen sehr eng zusammenhängen – Vermögen ist letztlich nichts anderes als die Summe der diskontierten zukünftigen Einkommensmöglichkeiten – hängt die Nachfrage nach Einzelhandelsgütern auch mit der Entwicklung der Vermögen in einer Volkswirtschaft zusammen. Wohnimmobilien stellen für private Haushalte die größte Vermögensposition dar. Daher ist es plausibel, dass sich die Menschen bei stark steigenden Hauspreisen wohlhabender fühlen und ihren Konsum erhöhen. Es gibt also einen positiven Zusammenhang zwischen den beiden Immobilienklassen Wohnen und Einzelhandel. Die deutsche Binnenkonjunktur und folglich der Einzelhandel laufen dann u. a. auch deswegen schlechter als in anderen europäischen Ländern, weil die Hauspreise in Deutschland nicht wachsen, während es in Großbritannien, Spanien oder Frankreich in den letzten Jahren eine regelrechte Preisrallye gab (vgl. dazu z. B. IWF, 2004 sowie Just/Hunter, 2004) 3.2.3.3.2

Konsumniveau

Es wurde zuvor argumentiert, dass viele Einzelhandelsgüter unterproportional auf Einkommenszuwächse reagieren. Man nennt diese Güter superiore Güter mit einer Einkommenselastizität zwischen 0 und 1. Die Einkommenselastizität misst, wie stark die Nachfrage nach einem Gut auf eine 1%-ige Einkommensänderung reagiert. Beträgt die Einkommenselastizität für Schuhe beispielsweise 0,5, so nimmt die Nachfrage nach Schuhen um 0,5% zu, wenn die Einkommen um 1% wachsen (vgl. dazu z. B. Woll, 2003). Einige Güter im Einzelhandelssortiment sind sogar inferiore Güter, das heißt, bei steigenden Einkommen werden sie weniger nachgefragt – sie werden durch höherwertige Güter ersetzt. Der Grund für die niedrige Einkommenselastizität liegt darin, dass viele Einzelhandelsartikel zum täglichen Bedarf gehören oder sehr grundlegende Bedürfnisse befriedigen. Die Sortimentsstruktur ist relativ alt und unterliegt nur wenigen Änderungen. In einem Industrieland mit geringem Bevölkerungswachstum ist der Versorgungsgrad mit diesen Gütern bereits sehr hoch. So haben fast 100% der deutschen Haushalte einfache technische Geräte wie ein stationäres Telefon oder ein Bügeleisen (vgl. Statistisches Bundesamt, 2004). Das erste Bügeleisen in einem Haushalt ist noch sehr wichtig – der zusätzliche Nutzen (Grenznutzen) des ersten Eisens ist sehr hoch – für ein zweites Bügeleisen ist der Zusatznutzen hingegen sehr gering. Das heißt, der zusätzliche Nutzen eines höheren Ausstattungsgrads vieler Produkte nimmt rapide ab. Hier wirkt das so genannte erste Gossen’sche Gesetz, das besagt, dass die Grenznutzen mit zunehmenden Konsum eines Gutes abnehmen (Gossen, 1854). So lässt sich z. B. für Nahrungsmittel und Bekleidung ein deutlich negativer Zusammenhang zwischen der Höhe der gesamten Haushaltsausgaben und der Ausgabenanteile für Nah-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

259

rungsmittel und Bekleidung feststellen: Je höher die Gesamtausgaben in einem Land, desto geringer ist der Ausgabenanteil für die Grundbedürfnisse Nahrung und Bekleidung (vgl. Abbildung 83). Hierbei ist der Zusammenhang für Nahrungsmittel sichtlich enger. Da Ernst Engel den Zusammenhang zwischen Ausgabenniveau und Anteil der Nahrungsmittelausgaben 1857 als erster formulierte, spricht man vom Engel’schen Gesetz (vgl. z. B. Stobbe, 1991). Das bedeutet dann auch, dass die Zuwachspotenziale in den traditionellen Einzelhandelssortimenten sehr begrenzt sind. Allerdings gibt es offensichtlich interessante Länderspezifika: In Italien liegen die Ausgabenanteile für Bekleidung spürbar oberhalb der Trendlinie. Das heißt, im „modebewussten Italien“ spielt Kleidung eine größere Rolle als in Nordeuropa.

Abbildung 83: Ausgabenstruktur in der Europäischen Union; Quelle: Eurostat 2005

Die Zuwachspotenziale für Einzelhandelsimmobilien bleiben also in Ländern mit hohem Versorgungsniveau begrenzt. Umsatz- und folglich Mietsteigerungen sind dann nur bei spürbar steigenden Einkommen möglich oder bei neuen Angebots- und Produktkonzepten, die sich im Markt durchsetzen. Neue Angebotskonzepte könnten z. B. dem Erlebniseinkauf größeres Gewicht beimessen. Neue Produkte hingegen haben in den ersten Jahren eine hohe Einkommenselastizität und sorgen für Schwung (z. B. Mobiltelefone). Davon profitieren dann letztlich auch die Vermieter von Einzelhandelsimmobilien. Der direkte Zusammenhang zwischen Umsatzwachstum und Mietsteigerung resultiert nicht zuletzt dadurch, dass Mietverträge sehr häufig eine Basismiete und eine umsatzabhängige Mietkomponente enthalten. Ab dem Schwellenumsatz fällt dann nicht nur die Basismiete, sondern auch die umsatzabhängige Mietkomponente an. So partizipiert der Vermieter am Erfolg des Mieters. Im Lebensmitteleinzelhandel kann diese Komponente z.B. 2 bis 3 % des Umsatzes erreichen; im Textileinzelhandel sogar bis zu 10%.

260 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte 3.2.3.3.3

Konsummöglichkeiten

In der Diskussion um die schwache Binnenkonjunktur in Deutschland werden regelmäßig auch die restriktiven Ladenöffnungszeiten im deutschen Einzelhandel genannt (vgl. Abbildung 84). Offensichtlich kann es sich hierbei nur um eine Niveaudiskussion, nicht aber um eine Wachstumsdiskussion handeln: Selbst unter der Annahme, dass liberalere Ladenöffnungszeiten zu höheren Einzelhandelsumsätzen führen, würde der Impuls nur einmal bei Regeländerung entstehen. Einen höheren Wachstumspfad erreicht man dadurch nicht. Immerhin wurden die Ladenöffnungszeiten in den letzten Jahren bereits liberalisiert – einen kräftigen Wachstumsschub gab dies zumindest für die Gesamtbranchen nicht. Sinnvoll war der Schritt dennoch, da die Verbraucher mehr Freiheiten bekamen. Stellt sich die Frage, wie wahrscheinlich ist es, dass liberalere Öffnungszeiten auch zu höheren Umsätzen führen? Hierbei gilt es zwischen reinem Versorgungsumsätzen und Erlebniseinkäufen zu unterscheiden. Im reinen Versorgungshandel dürften die Zugewinne allenfalls gering ausfallen, da die lebenswichtigen Güter natürlich auch heute gekauft werden müssen.

Abbildung 84: Ladenöffnungszeiten in der EU 2003; Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, KPMG zitiert nach EHI (2004)

Bei Erlebniskäufen steht hingegen die Freude, das Erleben im Vordergrund. Zeit spielt hier eine wichtige Rolle. Gerade die geringeren Kaufmöglichkeiten am Wochenende setzen enge Grenzen. Das ist dann insbesondere für kaufkräftige Kunden in den Wirtschaftszentren ein entscheidender Engpass, da die umfangreichen Wochenarbeitszeiten häufig nur den schnellen Versorgungseinkauf zulassen. Für diese Kunden bietet dann der neue und 24-StundenOnline-Service des Internet eine attraktive Alternative. Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten würde dann nicht nur (in geringem Maße) zusätzliche Umsätze generieren, v. a. würde die relative Position gegenüber dem alternativen Verkaufsweg Internet verbessert.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

261

Für Einzelhandelsimmobilien ließen sich freilich nur dann höhere Mieten durchsetzen, wenn die höheren Umsätze die Mehrkosten der längeren Öffnungszeiten auch tatsächlich übersteigen. Ist dies der Fall, nimmt die Produktivität je Fläche zu und der Flächenwert steigt. Auch dies ist dann freilich eher ein Niveau- als ein Wachstumseffekt. 3.2.3.3.4

Demografische Einflussfaktoren

Einer der zentralen Bestimmungsfaktoren für den Einzelhandel ist die demografische Entwicklung einer Region, denn mehr Menschen benötigen mehr Güter und fragen folglich auch mehr im Einzelhandel nach. Da die Fertilitätsrate pro Frau, also die Zahl der Kinder je Frau im gebärfähigen Alter, seit nunmehr über 30 Jahren mit rd. 1,4 Kindern deutlich unter dem Selbsterhaltungsniveau von 2,1 Kindern liegt, gehen in den nächsten Jahren nur noch regional begrenzte Impulse durch Bevölkerungswachstum aus. Wenn das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in seiner INKAR-Prognose (2003) für viele ostdeutsche Kreise einen Bevölkerungsrückgang bis 2020 um über 20% erwartet (z. B. Jena, Stralsund, Chemnitz), entspricht das einem jährlichen Rückgang der Konsumentenzahl um rd. 1%. Wie oben erläutert ist die Einkommenselastizität der Nachfrage für viele Einzelhandelsgüter kleiner 1; folglich müssen die verfügbaren Einkommen je Einwohner in diesen Fortzugsregionen um mehr als 1% pro Jahr steigen, damit der Einzelhandelsumsatz nicht stetig sinkt. Gleichzeitig gibt es bis 2020 noch Regionen, deren Bevölkerung v. a. durch Zuwanderung spürbar wächst (z. B. die Berliner Umlandgemeinden oder die Wachstumscluster in Oberbayern). In den Zuzugsregionen mit positivem Bevölkerungswachstum werden dann zwar die Gesamteinzelhandelsumsätze deutlich steigen, die Einzelhandelsumsätze pro Kopf könnten jedoch sinken. Dieser vermeintliche Widerspruch liegt daran, dass junge Menschen, auch junge Familien mit Kindern, eher umziehen als ältere Menschen. Die Einzelhandelsumsätze pro Kopf eines Familienhaushalts sind aber bei gleichem Haushaltseinkommen niedriger als die Pro-KopfUmsätze eines kinderlosen Haushalts. Hierbei sind zwei weitere Aspekte sehr wichtig: Erstens machen es die demografischen Trends schwieriger, die Trendwachstumsrate auf dem heutigen Niveau zu halten, da ein schrumpfendes Erwerbspersonenpotenzial enge Grenzen für Wirtschaftswachstum setzt. Gleichzeitig wird die Bevölkerung spürbar altern. Die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme (insbesondere der Renten-, Pflege- und Krankenversicherung) stellt folglich eine der großen Herausforderungen der Zukunft dar. Letztlich können stabile Beitragssätze nur durch deutlich sinkende Leistungsniveaus und einen erhöhten Anteil privater Vorsorge gesichert werden. Das für Konsumzwecke verfügbare Einkommen wird also langsamer wachsen als die gesamte Wirtschaftsleistung. Der zweite wichtige Aspekt betrifft die Struktur der Binnenmigration. Junge und produktive Menschen ziehen quasi den Arbeitsplätzen hinterher. Strukturschwache Regionen werden folglich nicht gleichmäßig über alle Altersgruppen Menschen an die Wachstumszentren verlieren, sondern v. a. ihre jungen und aktiven. Der oben skizzierte starke Rückgang trifft den Einzelhandel in strukturschwachen Gebieten dann sogar noch stärker. Die bereits heute sehr großen Unterschiede zwischen regionalen Einzelhandelsmärkten werden also durch die demografischen Trends zusätzlich verstärkt.

262 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Die Einzelhandelsimmobilien werden von den demografischen Trends in den Fortzugsregionen deutlich belastet: Bei sinkendem Gesamtumsatz nimmt die Flächenproduktivität einer Immobilie ab. Dies erzwingt entweder sinkende Mieten oder die Anpassung des Angebots über Flächenstilllegung. Beides senkt den Wert von Bestandsimmobilien. In den Zuzugsregionen werden v. a. die Spitzenlagen von der Entwicklung profitieren. Wie oben gezeigt, hängen die Mieten in den nicht vermehrbaren Spitzenlagen sehr stark von der Einwohnerzahl bzw. dem Gesamtumsatz im gesamten Einzugsgebiet ab.

3.2.3.4

Angebot von Einzelhandelsgütern und Einzelhandelsimmobilien

Die Entwicklung an den Immobilienmärkten wird jedoch nicht allein durch Veränderungen auf der Nachfrageseite bestimmt, auch die Angebotsseite unterliegt permanentem Wandel. Letztlich können die Mieten bei konstanter Nachfrage auch dann zurückgehen, wenn das Angebot zu schnell zugenommen hat und wachsende Leerstände die Verhandlungsposition der Mieter stärken. Grundsätzlich leitet sich das Angebot jedoch aus den Erwartungen hinsichtlich der Nachfrage ab. Wenn die Anbieter mit stark steigender Nachfrage rechnen, werden sie das Flächenangebot ausdehnen. Erwarten sie hingegen Stagnation, kann es im Extremfall sogar zu Flächenabriss kommen. Überangebot entsteht folglich v. a. dann, wenn sich die Erwartungen in den Folgejahren als zu optimistisch erweisen. Weitere Determinanten für das Flächenangebot sind: •

Höhe des Zinsniveaus und Erwartungen hinsichtlich des künftigen Zinsniveaus



Staatliche Fördermittel



Wettbewerbsintensität im Einzelhandel



Neue Angebotsformen



Technologischer und organisatorischer Fortschritt

3.2.3.4.1

Zinsniveau und staatliche Fördermittel

Die Höhe der Zinsen entscheidet über die Finanzierungskosten und bestimmt damit indirekt das Mietniveau, das eine gewünschte Mindestrendite rechtfertigt. Je niedriger die Zinsen sind, desto niedriger können auch die zukünftigen Mietzahlungen sein, ohne die Renditeziele zu verfehlen. Das lockt Investoren an; das Angebot nimmt tendenziell zu. Subventionen wirken ähnlich. Sie stellen eine zusätzliche Einnahmequelle dar (oder senken die Kosten) und erlauben so ebenfalls einen geringeren Mietstrom in der Zukunft. Mitunter werden Subventionen auch als Signal gewertet: Der Staat begrüßt offensichtlich ein ganz bestimmtes Verhalten der Investoren und fördert dies. Das kann entweder als Ausdruck einer zusätzlichen, positiven Erwartungshaltung interpretiert werden oder als Versprechen eines dauerhaften Interesses seitens des Staates. Beide Effekte wirken stimulierend. Das Flächenangebot nimmt zu.

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

263

Sowohl bei den Zinsen als auch bei der staatlichen Förderung kommt es nicht allein auf die heutige Höhe an, sondern auch auf die Erwartungen hinsichtlich künftiger Trends. Wenn beispielsweise die Zinswende mit sinkenden Zinsen begonnen hat, führt dies nicht sofort zu steigendem Angebot, da Investoren dies ggf. erst als Beginn mehrerer Zinsschritte interpretieren. Projekte werden dann zeitlich verzögert umgesetzt (Zinsattentismus). Auch bei der staatlichen Förderung entscheidet nicht nur das aktuelle Förderniveau, sondern auch die Erwartung hinsichtlich potenzieller Veränderungen. Eine angekündigte Kürzung führt regelmäßig zu Vorzieheffekten, eine angekündigte Erhöhung hingegen führt zu späterer Investition. 3.2.3.4.2

Wettbewerbsintensität im Einzelhandel

Wenn der Wettbewerb im Einzelhandel sehr intensiv ist, bleiben den Unternehmen lediglich die Normalgewinne. Bei hohen Fixkosten, z. B. wenn die Einzelhandelsfläche Eigentum des Einzelhändlers ist, kann rückläufige Nachfrage sogar dazu führen, dass der Wettbewerb die Preise nur noch auf das Niveau der variablen Kosten drückt. So lange etwas mehr als die variablen Kosten gedeckt sind, ist der Verbleib im Markt vorteilhafter als der Marktaustritt. Dann entscheidet allein die Liquidität der Wettbewerber über das langfristige Überleben. Man nennt diese Entwicklung „ruinöse Konkurrenz“. Im Angelsächsischen, wo auch Lehrbücher nicht vor starken Worten zurückschrecken, wird sogar von „cutthroat competition“ gesprochen (Scherer/Ross, 1990). Je intensiver der Wettbewerb auf der Ebene der Einzelhändler ist, desto weniger lassen sich höhere Mieten durchsetzen. Tatsächlich liegt der Preisauftrieb in vielen Einzelhandelssegmenten seit Jahren deutlich unterhalb des geringen Anstiegs der Verbraucherpreise insgesamt. Bei Artikeln der Unterhaltungselektronik oder der Telekommunikation lässt sich noch argumentieren, dass diese Preissenkungen teilweise durch Produktivitätsgewinne erklärt werden können. Für den Möbel- oder Bekleidungseinzelhandel gilt das jedoch nur sehr begrenzt. Hier deutet der geringe Anstieg der Einzelhandelspreise klar auf unbefriedigende Margen hin (vgl. Abbildung 85).

Abbildung 85: Preisentwicklung im Einzelhandel; Quelle: Statistisches Bundesamt 2005

264 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte 3.2.3.4.3

Zusätzliche Angebotsflächen

Trotz des offensichtlichen Preisdrucks im deutschen Einzelhandel ist die Einzelhandelsfläche zuletzt deutlich gewachsen. Bei stagnierenden oder sogar leicht rückläufigen Umsätzen sinkt dann zwangsläufig die Flächenproduktivität, also der Umsatz je Quadratmeter Angebotsfläche. In den letzten Jahren wurde insbesondere die Fläche in Einkaufszentren stark ausgeweitet. Im Jahr 1990 gab es erst knapp 100 Einkaufszentren in Deutschland, 2004 schon über 350. Bis Ende 2005 sollen nach Angaben des EHI 372 Einkaufszentren bestehen, und bis 2007/2008 könnte die Zahl sogar auf über 400 steigen (o.V., 2005). Abbildung 86 zeigt, dass sich die Einzelhandelsfläche in Einkaufszentren in den letzten 15 Jahren auf über 11 Mio. m² fast vervierfacht hat (EHI, 2004). Unterdessen befindet sich also fast ein Zehntel des deutschen Einzelhandelsangebots in Einkaufszentren. Diese neuen Zentren entstanden in den letzten Jahren vornehmlich in der Innenstadt, sie stehen also auch in Konkurrenz zu den Toplagen. Fast genauso bedeutsam sind Stadtteilzentren, wohingegen der Anteil neuer Zentren auf der grünen Wiese zuletzt zurückgegangen ist. Insgesamt ist die Versorgung mit Einkaufszentrenfläche in Deutschland aber noch immer unterdurchschnittlich. Die Fläche je Einwohner ist geringer als in Portugal, sie beträgt sogar nur rd. ein Drittel der Flächenversorgung je Einwohner in Schweden. Daher wird erwartet, dass das starke Flächenwachstum in Shopping-Centern weiter anhält. Nach Angaben des EHI befinden sich derzeit noch knapp 2 Mio. m² Fläche in der konkreten Planungs- oder Bauphase. Bei weiterhin schlechten Aussichten für die deutschen Einzelhandelsumsätze wird dies die Flächenproduktivität weiter senken.

Abbildung 86: Shopping-Center in Deutschland; Quelle: EHI

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

265

Das heißt natürlich nicht, dass die neuen Flächen den Konkurrenzdruck als erstes zu spüren bekommen. Eine aktuelle ACNielsen Studie kommt zu dem Ergebnis, dass für Deutsche das wichtigste Einkaufsargument die Erreichbarkeit eines Ladens ist (vgl. ACNielsen, 2005). Gleichzeitig kann gezeigt werden, dass sich auch in einem schwierigem Umfeld Einzelhandelskonzepte durchsetzen können. So ist beispielsweise der Umsatz von Discountern seit 1991 um über 90% gestiegen, während sich der Einzelhandelsumsatz bei den anderen Lebensmitteleinzelhändlern in derselben Zeit um 13% verminderte. Auch für Fachmarktzentren (Retail Warehouse Produkte) ist in vielen europäischen Märkten und auch in Deutschland eine günstige Entwicklung möglich. Hier spielen freilich weniger die starken Umsatztrends eine Rolle, sondern vergleichsweise günstige Preise (vgl. Just/O’Roarty, 2005). Wenn also Einkaufszentren oder Fachmarktzentren erfolgreich sein können, müssen andere, etablierte Läden, die Anpassungslast tragen. Zusätzliche Fläche ohne Umsatzplus muss zu erhöhtem Druck auf die Margen führen, zwar nicht bei allen Händlern, aber im Durchschnitt. 3.2.3.4.4

Technologischer und organisatorischer Fortschritt

Viele typische Einzelhandelsprodukte sind nicht an den Ladenverkauf gebunden. So setzte der Versandhandel nach Angaben des Branchenverbands 2004 insgesamt gut 20 Mrd. Euro um. Das ist etwas weniger als 1992. In den nächsten Jahren dürfte freilich weniger der klassische Katalogverkauf als der Verkauf über das Internet im Vordergrund stehen. Die Versandhandelsunternehmen haben ihre Internetumsätze seit 2000 verfünffacht; mittlerweile setzen sie jeden vierten Euro via Internet um. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (vgl. BITKOM, 2005) schätzt, dass sich der gesamte Online-Umsatz an Endverbraucher (B2C-Umsatz) bis 2008 noch einmal vervierfachen könnte. Insgesamt würden dann Waren im Wert von fast 90 Mrd. Euro an private Konsumenten online verkauft werden. Auch wenn nicht alle hier erfassten Umsätze aus dem Einzelhandelssortiment kommen, so ist zu erwarten, dass der Wettbewerbsdruck durch das neue Medium weiter zunimmt, da die Internet-Produkte auf günstigeren Präsentationsflächen und ohne Restriktionen durch Ladenöffnungszeiten angeboten werden können. Das B2CUmsatzwachstum wird folglich auch zu Lasten des klassischen Einzelhandels gehen. Auch Factory-Outlet-Center sind eine vergleichsweise neue Wettbewerbsform, bei der sich der Hersteller direkt an den Endverbraucher wendet. Nicht nur die Lage der Center in kostengünstigen Randgebieten, sondern v. a. das Umgehen des Zwischenhandels macht die Waren preisgünstig. Bisher beträgt die Angebotsfläche nach Angaben des EHI (2004) jedoch erst 0,3% der Angebotsfläche des Einzelhandels. Es handelt sich also noch nicht um ein Massenphänomen. Sowohl der Online-Handel als auch Factory-Outlet-Center stellen eine neue strukturelle Änderung dar, die den Einzelhandel in eine so genannte Sandwich-Position bringen. Die neuen technischen und organisatorischen Änderungen ermöglichen es, den Einzelhandel zu umgehen. Nach dem Großhandel ist nun der Einzelhandel in der Sandwich-Position. Das engt den Preissetzungsspielraum sowohl für die Einzelhandelsgüter als auch für Einzelhandelsflächen systematisch ein. Natürlich nutzen auch Einzelhandelsunternehmen zunehmend das Internet. Das hilft, ihre Profitabilität zu erhöhen und damit das Ausfallrisiko zu senken. Auch wenn mitunter das Internet genutzt wird, um Käufer in die Läden zu ziehen,

266 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte dürfte der klassische Ladenvertrieb nur unterdurchschnittlich von der Internetpräsenz der Einzelhandelsunternehmen profitieren. Der Ladenumsatz, der letztlich über das Mietpotenzial entscheidet, wird durch die zusätzliche Konkurrenz belastet.

3.2.3.5

Mietentwicklungen im deutschen Einzelhandel

3.2.3.5.1

Miettrends

Da die Einflussfaktoren für die Einzelhandelsmärkte regional sehr unterschiedlich ausfallen, bewegen sich auch die Mieten der Einzelhandelsimmobilien der deutschen Städte keineswegs im Gleichklang. Letztlich ist es immer sinnvoll, jeden Markt einzeln zu analysieren, um die spezfischen Chancen und Probleme isolieren zu können. Dennoch lassen sich die Trends der Immobilienmärkte etwas strukturieren (vgl. Abbildung 87).

Anm.: Mittelwerte für 130 deutsche Städte Abbildung 87: Relation der Innenstadt und Stadteilspitzenmieten; Quelle: BulwienGesa, DB Research

So sind die Spitzenmieten der westdeutschen Standorte im Durchschnitt aller berücksichtigten rd. 100 Städte in den letzten drei Jahren um gut 5% zurückgegangen. Im Vergleich zu den frühen 90er Jahren fielen die Mieten in den Innenstädten 2004 sogar um fast 15% niedriger aus. Nur wenige Standorte konnten bis zuletzt Mietzuwächse verzeichnen. Dazu zählen die Top-Standorte der Republik wie München oder Düsseldorf. In den Stadtteillagen war die negative Entwicklung deutlich stärker ausgeprägt: Dort gingen die Spitzenmieten in den letzten drei Jahren im Mittel aller 100 Standorte um über 10% zurück und liegen damit heute rd. ein Drittel unterhalb ihres Niveaus von 1993. Die nicht vermehrbaren Flä-

3 Makroökonomik und Immobilienmärkte

267

chen der Innenstädte spüren also die zunehmende Konkurrenz der steigenden Einzelhandelsflächen bei stagnierenden Umsätzen weniger als die leichter vermehrbaren Flächen in den Stadtteilen. Das bedeutet für Westdeutschland, dass die Relation aus Innenstadtmieten und Stadtteilmieten stetig gestiegen ist. 2004 war das Mietniveau in der Innenstadt durchschnittlich fünfmal höher als in den Stadtteilen. 1990 betrug das Verhältnis noch 4:1. Allerdings gibt es interessante Sonderentwicklungen. So gingen die Innenstadtmieten in Oberhausen beispielsweise seit 1995 um über ein Drittel zurück, während die Mieten in den Stadtteillagen „nur“ um gut 10% nachgaben. Hier hat sicherlich das 1996 eröffnete Einkaufszentrum CentrO in Oberhausen Nachfrage aus der Innenstadt abgezogen. In Ostdeutschland liegen die Mieten im Schnitt auf der Hälfte des West-Niveaus. Das gilt sowohl für Innenstadt- als auch für Stadtteillagen. Die Entwicklung verlief in den letzten Jahren jedoch angesichts der spürbar verschlechterten Arbeitsmarktlage heftiger. In den Innenstädten liegen die ostdeutschen Spitzenmieten heute um fast 30% unter dem Höchstniveau von 1992, und in den Stadteillagen haben sich die Mieten seitdem sogar halbiert. Das bedeutet, auch hier nimmt die Relation aus Innenstadt- zu Stadtteillagen stetig zu. Tatsächlich verläuft die Entwicklung sogar ziemlich parallel zu der Entwicklung in den alten Bundesländern – nur auf etwas niedrigerem Niveau. Wie oben gezeigt, beeinflusst die Kaufkraft der Haushalte v. a. die Spitzenmieten der nicht vermehrbaren Flächen. Bei geringerer Kaufkraft in den neuen Ländern profitieren die Innenstädte also unterdurchschnittlich. 3.2.3.5.2

Ökonometrische Schätzmodelle zum deutschen Einzelhandel

Ökonometrische Schätzmodelle können die skizzierten Wirkungsmechanismen untermauern. Für einen Literaturüberblick sei auf Brooks und Tsolacos (2000) verwiesen (vgl. dazu weiterführend auch Kapitel 3.5). Die meisten Studien schätzen einfache Regressionsmodelle, bei denen u. a. Einzelhandelsumsätze, Einzelhandelsprofite, Konsumausgaben, das Bruttoinlandsprodukt, und Zinsen als signifikante erklärende Variablen isoliert werden konnten (vgl. RICS, 1994; Tsolacos, 1995). Im Folgenden veranschaulichen wir die Zusammenhänge mit einem einfachen Schätzansatz für deutsche Städte. Zunächst wird ein Schätzmodell für Einzelhandelsumsätze je Einwohner präsentiert. Es wurde ein gepoolter Datensatz für 97 Städte und die Jahre 2001 bis 2003 verwendet und mit einem einfachen Kleinste-Quadrate-Ansatz geschätzt. Die Konstante und die Trend-Variable gehen als Niveaus in die Schätzgleichung ein, für die Kaufkraft und die Einwohnerzahl sowie für die zu erklärende Variable, den Einzelhandelsumsatz je Einwohner, wurden die Differenzen der logarithmierten Werte verwendet – dieses Vorgehen entspricht näherungsweise dem Rechnen mit Veränderungsraten. Tabelle 39 fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen. Bis auf die Konstante sind alle Koeffizienten aussagekräftig; die Irrtumswahrscheinlichkeit liegt unterhalb der kritischen 10%-Hürde. Alle signifikanten Größen haben auch das „richtige“ Vorzeichen. Ein Anstieg der Kaufkraft führt demnach zu höheren Umsätzen pro Kopf. Außerdem sinken die Umsätze je Kopf bei wachsender Bevölkerung. Bei nur drei Jahreswerten sollte der Trendeinfluss freilich nicht überbewertet werden, da der Untersuchungszeitraum die Rezessionsjahre 2001 bis 2003 umfasst.

268 3 Makroökonomik und Immobilienmärkte Im nächsten Schritt wird ein kleines empirisches Schätzmodell für die Spitzenmieten deutscher Einzelhandelsimmobilien präsentiert. Es wird erneut ein Pool aus Querschnittsdaten und Zeitreihen für 94 deutsche Städte und dieses Mal für fünf Jahre (1998 bis 2002) gebildet. Bis auf die Konstante sind alle Variablen als Differenzen der Logarithmen im Modell verwendet worden, sodass die Variablen quasi als Veränderungsraten eingehen und die Koeffizienten als Elastizitäten interpretiert werden können. Zusätzlich wurden so genannte fixe Effekte für die Städte geschätzt, um mögliche Stadtspezifika zu kontrollieren. Zu erklärende Variable: Veränderung des Einzelhandelsumsatzes je Einwohner Variable

Koeffizient

t-Statistik

Irrtumswahrscheinlichkeit

Konstante

0,039

1,350

18%

Kaufkraft

0,796

4,220

€ 7,4 Mio. Umsatz

Hotels mit > € 7,4 Mio. Umsatz

2006

2005

2006

2005

116

102

69,4

66,9

95

99

73,6

67,6

Düsseldorf (11)

109

106

65,0

65,6

Frankfurt/M. (19)

101

113

61,1

64,5

Hamburg (21)

116

110

75,6

71,6

Hannover (2)

91

92

50,9

49,3

Köln (9)

116

113

66,2

66,1

Leipzig (3)

70

63

75,0

69,0

München (15)

125

110

70,7

68,9

Stuttgart (9)

104

91

68,9

65,6

Städte gesamt (122 Betriebe)

104

100

67,6

65,5

TOP 200 (200)

109

102

66,5

64,3

Berlin (26) Dresden (6)

Tabelle 46: Zimmerpreise und Kapazitätsauslastung in den Top-Hotels von zehn deutschen Großstädten 2006; Quelle: ghh consult 2007, Berechnung nach AHGZ - Der Hotelier 5/2007.

Der Hotelmarkt Berlin entwickelt sich trotz weiterer Angebotsexpansion ausgesprochen positiv. Einer Erweiterung des Beherbergungsangebotes auf rund 88.000 Betten (+4% gegenüber dem Vorjahr) stand eine Steigerung der Übernachtungsnachfrage um 9% auf 15,9 Mio. Übernachtungen gegenüber. Zum siebten Mal in Folge wurde das Hotel „Estrel“ in Berlin 2006 Deutschlands umsatzstärkster Hotelbetrieb, der Nettoumsatz erreichte € 51,5 Mio. Nach dem Eröffnungsmarathon in Berlin im Jahr 2005 als 7 neue Häuser mit 1.700 Zimmern auf den Markt kamen, verlief das Jahr 2006 etwas verhaltener. Dass das Vertrauen der Investoren in den Hotelmarkt der Stadt Berlin ungebrochen ist, zeigt die Zahl von weiteren 9 Betrieben mit ca. 1.500 Betten (750 Zimmern), die in diesem und im kommenden Jahr eröffnet werden. Der positive Trend des Jahres 2006 setzte sich im ersten Halbjahr 2007 weiter fort. Vor allem die großen und umsatzstarken Betriebe verzeichnen weiterhin Zuwachsraten. Nachdem in den Jahren 2002 und 2003 der revPAR (Erlös pro verfügbarem Zimmer) in Deutschland stark zurückging (-5,3% bzw. -4,7%), kam es 2004 zu einer Steigerung um 4,7% gegenüber dem Vorjahr. 2005 konnte erneut ein Wachstum verzeichnet werden, allerdings fiel dieses mit 1,6% moderater als im Jahr zuvor aus. Dies ergibt die HotelBenchmark™ Studie von Deloitte. Mit einem Wachstum von 1,6% liegt Deutschland weit unter dem europäischen Durchschnitt (+4,3%). 2006 lag der revPAR in Deutschland bei € 55,-

454 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte und bildet damit im europäischen Vergleich nach wie vor das Schlusslicht. Dortmund, Dresden und Berlin konnten 2006 das stärkste revPAR-Wachstum in Deutschland erreichen. Hier kam es zu Steigerungen gegenüber dem Vorjahr um 23% in Dortmund und rund 19% in Dresden und Berlin. Weniger erfolgreich, im Vergleich jedoch immer noch weit über dem deutschen Durchschnitt, gelang der Stadt Hamburg mit 16% eine beachtliche Steigerung (vgl. Abbildung 123). Für das Jahr 2007 wird auch ohne Weltmeisterschaft und trotz der am ersten Januar in Kraft getretenen Mehrwertsteuererhöhung eine insgesamt positive Entwicklung erwartet. Ghh consult prognostiziert für den Hotelmarkt Deutschland 2007 eine erneute Steigerung der durchschnittlichen Zimmerauslastung um 1,5% bei weitgehend gleich bleibenden Zimmererlösen. 122 120 118 116 114 112 110 108 106 104 102 100 98 96 94 92 90 1997

1998

1999

2000

∅-Umsatz je Zimmer in €

2001

2002

2003

2004

∅-Zimmererlös in €

2005

2006

∅-Auslastung

Abbildung 125: Jahres-Netto-Umsatz je Zimmer, Average Room Rate und Auslastung der umsatzstärksten Hotels (1996-2006); Quelle: ghh Consult GmbH

Die Spitze der Top 50-Liste deutscher Hotelgesellschaften besetzen dieselben Gesellschaften wie im Vorjahr. Die wichtigsten Kennzahlen ergeben sich aus der Abbildung 125. Die französische Hotelgruppe Accor war 2006 erneut Marktführer in Deutschland. Weltweit betreibt die Gruppe mehr als 4.000 Hotels. In Deutschland sind es insgesamt 349 Häuser unter den Accor-/Dorint-Marken Dorint Sofitel, Dorint Novotel, Mercure, Suitehotel, Ibis, Etap Hotel und Formule 1 (Beteiligung von Accor an Dorint und gemeinsame operative Führung der Hotels unter der Leitung von Accor). Die Accor-Gruppe konnte ihren Umsatz deutschlandweit im Jahr 2006 um 9% auf 993 Mio. Euro steigern.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

455

Platz 2 belegten die Intercontinental Hotels mit einem Umsatzplus von 4% und einem Netto-Umsatz von € 545 Mio.. Best Western konnte den Platz 3 mit einem gewaltigen Umsatzplus von 12% verteidigen. Mit 157 Häusern erwirtschaftete die Gruppe insgesamt einen Netto-Umsatz von € 436 Mio.. Auch in Zukunft soll es bei Best Western aufwärts gehen: bis 2010 soll es insgesamt 200 Best Western Stadt-, Tagungs- und Ferienhotels geben. Platz 4 wurde 2006 wie im Vorjahr von Steigenberger belegt.Mit drei zusätzlichen Häusern, konnte die Gruppe ihre Umsätze um 9% auf € 367 Mio. steigern. Die Strategie, sich auf das Kerngeschäft Hotellerie zu konzentrieren (entsprechend der 2004 umgesetzten Umstrukturierung), hat sich bewährt. In der Markenpolitik kam es zu einer Reduzierung des Portfolios von vier auf zwei Marken – Steigenberger Hotels and Resorts im Vier- und Fünf-SterneSegment und das Mittelklasse-Konzept InterCityHotels. Eine noch höhere Steigerungsrate wie Steigenberger erwirtschaftete Maritim mit +12% und landete mit € 356 Mio. auf Platz 5. Die höheren Umsätze sind vor allem auf das neue, erfolgreich laufende Maritim Hotel Berlin und das von Maritim geführte, neue Internationale Congress Center Dresden zurückzuführen. Außerdem bewährten sich auch die zwei Häuser in Hannover. Im Kerngeschäft „Tagungen und Kongresse“ konnten die Umsätze gegenüber dem Vorjahr sogar um 11% gesteigert werden. Starwood verteidigte Platz 6. Mit 7 zusätzlichen Häusern wurde bei einem riesigen Plus von 40% ein Gesamtumsatz von € 353 Mio. erreicht. Marriott besetzt wie im Vorjahr Platz 7. Marriott konnte seinen Umsatz ebenfalls deutlich steigern, und zwar um 11% auf € 273 Mio. Die Hospitality Alliance konnte sich mit 5 neuen Häusern auf Platz 8 behaupten. Die Gruppe verbuchte gegenüber 2005 ein Umsatzplus von 11%. Der Gesamtumsatz lag bei € 228 Mio.. Auf den weiteren Plätzen gab es gegenüber dem Vorjahr kaum Rangverschiebungen. Hilton hielt sich mit einer geringen Umsatzsteigerung von 7% auf Platz 9. Der Umsatz der Gruppe lag bei € 226 Mio. Platz 10 wurde von den NH Hotels belegt. Die Gruppe steigerte bei einem Zugewinn von 5 Häusern ihren Umsatz um 8% auf € 202 Mio.. Um 11% konnte Kempinski seinen Umsatz steigern. Dieser lag 2006 bei € 175 Mio. ArabellaSheraton konnte den Platz 12 besetzen. Bei gleich bleibendem Angebot konnte der Umsatz geringfügig um 5% auf € 162 Mio. gesteigert werden. Auf den weiteren Plätzen unter den ersten 20 Gesellschaften des Rankings kam es zu kleineren Verschiebungen. Rezidor SAS konnte gewaltige Umsatzzuwächse in 2005 erzielen: der Netto-Umsatz lag mit € 133,4 Mio. um 32,9% höher als noch in 2004. Im jahr 2006 fiel die Steigerung mit +10% etwas bescheidener aus

456 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte Die Lindner Hotels rückten von Platz 16 auf 14 vormit einem Umsatzplus von 11% auf € 90 Mio. Le Méridien auf Platz 16 steigerte den Umsatz um 10% auf € 85 Mio., gefolgt von Mövenpick, mit € 82 Mio.. Hyatt blieb wie im Vorjahr auf Platz 19. Auch hier kam es zu Umsatzsteigerungen, die sich auf 12% beliefen. 2006 lag der Netto-Umsatz bei € 76 Mio.. Die Arkona Hotels konnten eine Umsatzsteigerung von 23% verzeichnen. Der Umsatz der Gruppe stieg von € 64 Mio. im Jahr 2005 auf € 79 Mio. im Jahr 2006.

4.2.4.3

Trends und Tendenzen im Angebotsmarkt

Obwohl sich die Erweiterungs- und Neubauentwicklung im Hotelbereich deutlich verlangsamt hat, ist davon auszugehen, dass auch in den kommenden Jahren eine ausgeprägte Wettbewerbssituation erhalten bleibt. Vor allem in den Großstädten wird es zu einer weiteren Expansion des Hotelangebotes kommen. Ein Großteil entfällt hier nach einer Erhebung von Jones/Lang/LaSalle vor allem auf das 4- und 5-Sterne-Segment. In Berlin werden zur Zeit acht weitere Häuser mit über 2.300 Zimmern errichtet, deren Eröffnungen vor Ende 2007 geplant sind. In Hamburg sind bis Ende 2009 14 Neueröffnungen geplant. damit wird die Kapazität der Stadt vornehmlich im 4-Sterne-Bereich erheblich ansteigen. In München steht im Herbst 2007 die Neueröffnung des Luxushotels Rocco Forte an weitere geplante Hotelprojekte zielen in erster Linie auf das untere Segment der Low Budget Hotellerie ab. Bis 2008 soll in Düsseldorf die Hotelkapazität um weitere 1.800 Zimmer wachsen. Das Maritim Hotel am Flughafen, das InnSide Hotel und der neue Breitenbacher Hof eröffnen noch in 2007. Für 2008 sind die Eröffnung des Hotels Van der Valk, ein Kongresshotel mit 440 Zimmern, ein Hotel auf dem Schlössergelände mit 260 Zimmern, und ein 200 Zimmer Hotel im ehemaligen Stadthaus. Darüber hinaus wird für 2010 die eröffnung eines Hyatt Regency Hotels im Medienhafen avisiert. In der Stadt Köln wird es nach Jahren des Wachstums in den nächsten Jahren zu einer gebremsten Erweiterung des Hotelangebotes kommen. In Bau befinden sich zur Zeit zwei 4Sterne-Betriebe mit 650 Zimmern. In Frankfurt hat sich der Hotelbau auch im WM Jahr 2006 weiter fortgesetzt.Am Flughafen entstehen auf dem Dach des Fernbahnhofs zwei neue Hotels mit 500 Zimmern. Im Innenstadtbereich ist in den nächsten Jahren von einer Erweiterung um ca. 2.000 Hotelzimmer auszugehen. Kurz- und mittelfristig ist von folgenden Strukturveränderungen auszugehen: •

Die Angebotskapazität im Hotelbereich wird auch in den kommenden Jahren pro Jahr um ca. 5.000 Zimmer im Neubaubereich wachsen. Gleichzeitig verschwinden kleinere und ältere Betriebe in fast vergleichbarer Größenordnung vom Markt.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

457



Die Angebotsexpansion konzentriert sich auf Groß- und Mittelstädte, Betriebe mittlerer Größenordnung (ca. 100 Zimmer/Betrieb) und Betriebe der Mittelklasse und 4 SterneHotellerie. Der Marktanteil der Betriebe in Hotelketten- und Hotelkooperationen wird zunehmen.



Die insgesamt gebremste Angebotsexpansion führt bei gleichzeitig steigender Nachfrage vor allem aus dem Ausland zu leicht ansteigenden Belegungswerten, Tendenz zu steigenden Zimmerpreisen, Umsatzzu-wächsen und verbesserten Renditen.

Die Angebotsexpansion bewirkt weitere strukturelle Veränderungen: Ältere Klein- und Mittelbetriebe verschwinden zunehmend vom Markt. Der Anteil der Einzelbetriebe schrumpft. Der Zusammenschluss in Ketten oder Kooperationen gewinnt an Bedeutung. Die Konzentration auf einzelne Marktsegmente nimmt zu.

4.2.4.4

Trends und Tendenzen im Nachfragemarkt

Insgesamt kann in Deutschland in den kommenden Jahren weiter von Nachfragezuwächsen ausgegangen werden, wobei sich innerhalb der unterschiedlichen Nachfragemärkte deutliche Unterschiede ergeben: Die Nachfrage inländischer Gäste nimmt weiter zu. Die Aufenthaltsdauer verkürzt sich. Mit fortschreitender globaler Vernetzung steigt die Nachfrage ausländischer Gäste vor allem aus den osteuropäischen Ländern und aus Ostasien. Auch innerhalb der Nachfragesegmente sind unterschiedliche Entwicklungen zu erwarten. •

Der Geschäftsreiseverkehr stagniert. Die Nutzung neuer Kommunikationsmittel nimmt zu. Produktionsstätten werden ins Ausland verlagert.



Deutschland nimmt im Kongressmarkt weltweit hinter den USA und Großbritannien die dritte Position ein. Messen, Tagungen und Kongresse in Deutschland nehmen weiter zu. Die großen Messen erweitern ihre Flächen. Es besteht verstärkter Schulungs- und Fortbildungsbedarf vor allem im Bereich neuer Kommunikationstechniken.



Der innerdeutsche Urlaubsreiseverkehr wächst. Sicherheitsaspekte stehen dabei im Vordergrund. Vor allem für die Zielgruppe der Senioren ergeben sich bei entsprechender Produktgestaltung für die Hotelanbieter erhebliche Marktchancen. Im Rahmen von Kurzurlaubsreisen steht in den kommenden Jahren der Wellnessaufenthalt im Mittelpunkt.



Infolge einer breiteren Angebotspalette im Unterhaltungs-, Kultur- und Eventbereich expandiert vor allem in den Großstädten der Kurz- und Wochenendreiseverkehr. Hierbei nimmt insbesondere der Anteil älterer Gäste zu.

Der Tourismus und damit die Nachfrage im Hotelgewerbe reagiert wie kaum eine andere Branche sensibel und unmittelbar auf Veränderungen von wirtschaftlichen, politischen und umweltrelevanten Rahmenbedingungen. Die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit haben dies überdeutlich gezeigt. Die Anschläge des 11. September in New York und Washington haben weltweit zu gravierenden Einbußen für die Hotellerie geführt. Umsatzverluste in Millionenhöhe, die vor allem in Folge der Stornierungen im internationalen Geschäftsreiseverkehr entstanden, erinnerten die Branche an die Krisenzeit des Golfkrieges im Jahr 1991.

458 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte Bereits eine Woche nach den Terroranschlägen meldeten die in der International Hotel Association (IHA) zusammengeschlossenen Betriebe einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von DM 50 Mio. Das Besucheraufkommen der Internationalen Automobilausstellung (IAA) und der Buchmesse in Frankfurt lagen um 10% unter den Vergleichswerten der Vorjahre. Weitere Einbrüche im Messe- und Kongressgeschäft folgten und trafen die Hotellerie der Großstädte empfindlich. Vor allem die Zurückhaltung bei Flugreisen aus Angst vor Anschlägen in Verbindung mit dem Irak Krieg setzte die Hotellerie einem starken Rückgang der Nachfrage aus. Infolge dieser Nachfrageeinbrüche ging auch die Investitionsbereitschaft drastisch zurück. Im Jahr 2004 lag die Hotelzimmerkapazität in Deutschland erstmals unter der eines vorausgegangenen Jahres. Auf der anderen Seite führen auch angekündigte Einzelereignisse zu spontanen Zuwächsen auf der Angebots- und Nachfrageseite. In Erwartung auf riesige Übernachtungszuwächse durch die EXPO 2000 entstanden in der Stadt Hannover neue Hotelbetriebe mit 1.500 Zimmern. Die Nachfragezuwächse hielten diesen Erwartungen nur kurzfristig stand und sanken nach einer Verdoppelung im EXPO-Jahr bereits 2001 wieder auf das Niveau von 1999 ab. Im Vorgriff auf die Fußball WM 2006 entstehen derzeit in allen Austragungsstädten Hotelkapazitäten in erheblichem Ausmaß, deren Auslastung nach dem Großereignis noch nicht einzuschätzen ist. Nachfrageschwankungen in den deutschen Feriengebieten vor allem an Nord- und Ostsee sind extrem witterungsabhängig. Der Supersommer 2003 brachte den Ostseebädern mehr als 1 Mio. zusätzliche Übernachtungen.

4.2.4.5

Relevante Erfolgsfaktoren

4.2.4.5.1

Standortkriterien

Bei Investitionsentscheidungen für ein neues Hotel steht an erster Stelle die Einschätzung des Standortes. Ebenso wie in allen anderen Immobilienmärkten muss auch im Bereich der Hotellerie individuell bewertet werden, welche standortrelevanten Chancen und Risiken ein Engagement in eine Hotelimmobilie beinhaltet. Wichtigstes Kriterium bildet auch hier die Beurteilung der Standortpotenziale. Die Berücksichtigung der Standortkriterien übt ebenso wie bei anderen Immobilienarten grundlegenden Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg einer Hotelimmobilie aus. Der Standort entscheidet über die Zusammensetzung potenzieller Gästegruppen, über die ideale Größe eines Hotels, er gibt maßgebliche Vorgaben zum nachfrageadäquaten Qualitätsniveau des Betriebes, bestimmt über die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit oder Notwendigkeit von Zusatzeinrichtungen wie Restaurantangebot, Tagungsräumen oder Wellnessbereich und erlaubt Prognosen über Auslastungsquoten, die Durchsetzungsmöglichkeit vorgesehener Kostenstrukturen und damit schließlich Einschätzungen des wirtschaftlichen Erfolgs eines Hotels. Fehler die bei der Standorteinschätzung auftreten, ziehen gravierende Konsequenzen nach sich. Häufig wird die Größe eines Hotels nicht aus dem Potenzial des Standortes sondern aus den Möglichkeiten eines Bebauungsplans abgeleitet. Vielfach stehen nicht die Interessen der

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

459

Betreiber, sondern die der Grundstückseigentümer im Vordergrund. Es wird also nicht für ein Hotelkonzept der richtige Standort gesucht, sondern der Versuch unternommen, die vorhandene Fläche und die maximale Kubatur optimal auszunutzen. Standorte, die einem 100Zimmer Hotel gute Erfolgschancen versprechen, können aber einem Betrieb mit 150 Zimmern bereits Probleme bereiten und sich für ein Hotel mit 200 Zimmern als ruinös herausstellen. 4.2.4.5.2

Konkurrenzumfeld

Die Kenntnis über die Ergebnisse des bestehenden Mitbewerberumfeldes liefern zur Entscheidung über ein weiteres Engagement in eine Hotelimmobilie wertvolle Hinweise. Doch ebenso wie das Fehlen konkurrierender Betriebe nicht zwingend auf unzureichende Nachfrage hinweist, bietet auch eine bereits dichte Hotelbesetzung in einer Region keine Garantie für den Erfolg eines weiteren Betriebes. In einer standort- und konkurrenzspezifischen Marktanalyse ist in jedem Einzelfall individuell zu überprüfen, welche Chancen einer weiteren Hotelimmobilie im Hinblick auf bereits bestehende und sich eventuell in der Planung befindliche Hotels zuzuordnen sind. Ein Markteintritt über ein im Vergleich zur Qualität niedriges Preisniveau entpuppt sich in aller Regel für alle Beteiligten als Nachteil. Die Gewährung einmal gegebener Preisrabatte lässt sich nur schwer und nur über einen langen Zeitraum hinweg wieder anheben. 4.2.4.5.3

Konzeptfindung und Funktionalität

Ideale Hotelkonzepte, die jeweils optimal die Bedürfnisse und Erwartungen der Gästegruppen im geschäftlichen und privaten Bereich abdecken, gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen in Bezug auf Qualitätsstandard und Preisstruktur, auf Standort und Ambiente. In Zeiten zunehmender Angebotsdichte steht die Konzeptfindung vor immer größeren Herausforderungen. Die wachsende Reiseerfahrung der Gäste im internationalen Bereich hat dazu geführt, dass die Ansprüche steigen. Visionen von gestern sind der Luxus von heute und die Standardvorgabe von morgen. Die marktvorausschauende Entwicklung von Hotelkonzeptionen wird zur Herausforderung für Hotelentwickler und Planer. Fehler oder Falscheinschätzungen in der Konzeption werden vom Markt gnadenlos bestraft. Investoren sind daher gut beraten, sich im Vorfeld des Know-hows und der Marktkenntnis professioneller Hotel-Spezialisten zu bedienen, um damit wirtschaftlich rigorose Konsequenzen einer falschen Konzeption zu vermeiden. Konzeptionelle Schwerpunkte sind daher im Vorfeld im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Rentabilität genau zu betrachten. Das beginnt mit der richtigen Einschätzung der konzeptspezifischen Größe eines Hotels. Während ein Kongresshotel über 300 oder mehr Zimmer verfügen kann, wird eine Kapazität von mehr als 100 Zimmern in einem Romantik- oder Schlosshotel als anonym und die damit verbundene Gästezahl als störend empfunden. Auch die Findung der adäquaten Preisstruktur wirkt sich unmittelbar auf die Konzeptgestaltung aus. Hierbei ist die Markterfahrung der Betreiber frühzeitig zu berücksichtigen, damit der Preis ein ausgewogenes Verhältnis zur Qualität der Immobilie widerspiegelt.

460 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte Zur Optimierung der innerbetrieblichen Abläufe sind die Anforderungen an funktionelle Zusammenhänge der einzelnen Hotelbereiche zu beachten. Fehler bei der Gestaltung des Raum- und Funktionsprogramms wirken sich im späteren Betrieb als kosten- und personalintensive Faktoren aus, die nicht nur für den Gast Beeinträchtigungen mit sich bringen, sondern sich auch negativ auf die Betriebsergebnisse und damit auf die Wirtschaftlichkeit des Hotels auswirken. Einsparungen bei der Investition erfordern häufig Zusatzkosten im Personalbereich. Wenn man von durchschnittlichen Bruttolohnkosten eines Hotelmitarbeiters in Höhe von € 30.000,- pro Jahr ausgeht, entspricht dieser Aufwand einer 5 prozentigen Verzinsung einer Investition in Höhe von € 600.000,-. Das bedeutet, dass nicht Minimierung sondern Optimierung bei den Baukosten im Vordergrund stehen muss. Immer wenn durch Optimierungsmaßnahmen mit einer Investition von weniger als € 600.000,- ein Arbeitsplatz eingespart werden kann, ist diese Entscheidung vorzuziehen. Gerade in der jüngeren Vergangenheit haben viele Hotels in die Schaffung aufwendiger Wellnessbereiche investiert. Hierbei standen bei der Investitionsentscheidung vielfach in erster Linie die Erfolge der Mitbewerber im Vordergrund. Fehleinschätzungen der eigenen Chancen haben sich gerade in diesem Bereich als Kostenfalle herausgestellt. Dass Wellnessbereiche für sich allein betrachtet nur in den seltensten Fällen ihre Investition rentabel verzinsen, wird vielen Investoren erst im Nachhinein klar. Untersuchungen, in welchem Umfang sich durch die Zusatzeinrichtung Steigerungen hinsichtlich der Belegung und des Preisniveaus im Zimmerbereich durchsetzen lassen sind unerlässlich. Erst über diese Effekte kann eingeschätzt werden, welches Investitionsvolumen sinnvoll zu verantworten ist. 4.2.4.5.4

Investitionskosten und Unternehmenswert eines Hotels

Um die langfristige Rentabilität einer Hotelimmobilie zu sichern, dass heißt, zufrieden stellende Verzinsungen von Fremd- und Eigenkapital zu erreichen, ist die Höhe der Investition aus den Prognosen einer im Vorfeld erstellten Wirtschaftlichkeitsberechnung abzuleiten. Bei der Erstellung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen innerhalb von Feasibility Studies für die Hotellerie wird dabei die Berechnung nach der Discounted Cash Flow Methode angewendet, die über einen Geschäftsverlauf von 20 Jahren den abgezinsten Unternehmenswert der Immobilie ausweist. Als Investitionskosten sind neben den Kosten der Immobilie auch die Grundstückskosten zu berücksichtigen. Erfahrungswerte machen deutlich, dass die Grundstückskosten einen Anteil von 15% an den Gesamtinvestitionskosten nicht überschreiten sollten. Gerade bei Innenstadtlagen sind die hohen Grundstückskosten dafür verantwortlich, dass Hotelbetriebe der unteren und mittleren Qualitätskategorien kaum noch Realisierungschancen haben. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Grundstückskosten in enger Relation zur Standortqualität und damit zu den wirtschaftlichen Chancen eines Hotels stehen. Der Standort bestimmt damit in hohem Maße den Unternehmenswert eines Hotels. Die Höhe des Unternehmenswertes eines Hotels weist belegbar bei gleichwertigen Hotelprodukten an unterschiedlichen Standorten mit unterschiedlichen Betreibern eine große Spannbreite auf (vgl. Tabelle 47). Beeinflusst wird der Unternehmenswert durch die Zimmerauslastung und die realisierten Erlöse im Logis- und Gastronomiebereich. Auf der Basis der Betriebsergebnisse 2004 lassen sich die Unternehmenswerte je Hotelzimmer in der 4-5 Sterne Kategorie für ausgewählte Großstädte in Deutschland gegenüberstellen. Die Unterneh-

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

461

menswerte für vergleichbare Produkte an den Standorten London, Paris oder Rom sind aufgrund des deutlich höheren Preisniveaus etwa doppelt so hoch einzuschätzen. Unternehmenswert je Zimmer Hamburg

176.000 €

München

166.000 €

Dresden

157.000 €

Berlin

156.000 €

Köln

153.000 €

Stuttgart

149.000 €

Frankfurt

141.000 €

Düsseldorf

138.000 €

Hannover

112.000 €

Leipzig

104.000 €

Tabelle 47: Unternehmenswert von Hotelzimmern der 4-5 Sterne Kategorie in deutschen Großstädten; Quelle: Berechnungen ghh consult GmbH nach „Der Hotelier“ 5/2007

4.2.4.5.5

Wirtschaftlichkeit und Rentabilität aus Investoren- und Betreibersicht

Die Beurteilung von Wirtschaftlichkeit und Rentabilität einer Hotelimmobilie wird aus verschiedenen Blickrichtungen unterschiedlich bewertet. Hierzu ist zu berücksichtigen, dass bei neuen Hotels in der Regel Investor und Betreiber nicht identisch sind. Entsprechend werden auch unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe angesetzt. Während aus der Sicht des Betreibers das Verhältnis von Betriebsergebnis und Pacht in einem ausgewogenen Verhältnis stehen muss- der Pachtzins sollte 80% bis 85% des Bruttoberiebsergebnisses nicht überschreiten, muss aus der Sicht des Investors der Pachtbetrag ausreichen, um die Kapitalverzinsung für Eigen- und Fremdkapital abzudecken, alle anlagebezogenen Kosten zu decken und eine Rücklage für Reparaturen und Instandhaltungskosten am Gebäude zu ermöglichen. Aus der Sicht der Banken ist dagegen ausschlaggebend, dass die Zinsen und Tilgungsraten für die Bereitstellung des Fremdkapitals aus der Pacht langfristig erbracht werden können. Hierbei wird deutlich, dass alle unterschiedlichen Interessenslagen gleichermaßen zu befriedigen sind, damit ein Objekt realisiert werden kann. Ausschlaggebend ist somit in erster Linie die Bonität des Betreibers. Vor dem Hintergrund von Basel II werden die Bewertungskriterien deutlich strikter gefasst als dies in der Vergangenheit der Fall war. Ratingstufen entscheiden nicht nur über die Höhe des Kapitalzinssatzes, sondern grundsätzlich über das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit über eine Pachtlaufzeit von bis zu 20 Jahren und damit über eine Kreditgewährung. Derzeit genießen auf dem deutschen Markt die Betreibergesellschaften Accor, Marriott und ArabellaSheraton aus der Sicht der Kreditgeber das höchste Ansehen.

462 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte •

Die Bedeutung der Feasibility Studie

Grundlage für die Erstellung einer Feasibility- Studie für ein neues Hotel bildet eine umfassende Markt-Analyse und Bewertung. die alle Bereiche des hotelrelevanten Angebots- und Nachfragemarktes umfasst. Zur Einschätzung der zukünftigen Nachfrageentwicklung für ein neues Hotel werden Marktsegmente der jeweils standortrelevanten Zielgruppen berücksichtigt und hinsichtlich ihres zukünftigen Potentials bewertet. Die angenommenen Entwicklungen der einzelnen Marktsegmente gehen in die Prognose der Betriebsergebnisse ein. Bei der Prognose der monatlichen bzw. jährlichen Auslastung eines neuen Hotels durch die verschiedenen Gästezielgruppen werden sowohl die Merkmale hinsichtlich des jeweiligen Reiseverhaltens als auch die speziell für den jeweils zu untersuchenden Hotelmarkt geltenden Rahmenbedingungen herangezogen (vgl. Abbildung 126). In der nachfolgend modellhaft dargestellten Wirtschaftlichkeitsvorausschau für ein Hotel in Flughafennähe wird bei der Prognose der Room-nights der einzelnen Gästezielgruppen für das erste Betriebsjahr von einer Zimmerauslastung von 50 % ausgegangen. Dies entspricht bei Heranziehung entsprechender Benchmarks einem konservativen Ansatz. 180 160 140 Tagungen, Seminare 120

Geschäftsreisende

100

Messebesucher Airline-Crews

80

Gruppen

60

GESAMT 40 20 0 Jan

Feb

Mrz

Apr

Mai

Jun

Jul

Aug

Sep

Okt

Nov

Dez

Abbildung 126: Prognostizierte Room-nights der Gästezielgruppen, Saisonverlauf; Quelle: eigene Darstellung.



Prognose der Average Room Rate

Ausgehend von einer Angebotskapazität von 200 Zimmern und aufbauend auf der Prognose der jährlichen Übernachtungen der einzelnen Gästezielgruppen wird auf Basis der jeweils erzielbaren Zimmerpreise, der im Jahresdurchschnitt erreichbare Zimmerpreis (brutto) errechnet, aus dem sich dann nach Abzug der Umsatzsteuer die ARR (Netto-Zimmererlös) für das erste Betriebsjahr (Zimmerbelegung 50 %) innerhalb der Prognose ergibt.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

Nachfragesegment

Room Nights p.a. Anteil an Ge- Zimmerpreis brutto Belegung: 51 % (inkl. USt.) samtaus lastung

Corporate Rates

11.200

35%

€ 95,-

Tagungen

11.200

35 %

€ 90,-

Messebesucher

3.700

10 %

€ 160,-

Airline-Crews

7.400

10 %

€ 90,-

Gruppen

3.700

10 %

€ 90,-

Total

37.200

100 %

€ 99,-

463

Nach Abzug der Umsatzsteuer vom durchschnittlichen Zimmerpreis (brutto) ergibt sich folgende ARR: ª Average Room Rate (ARR) 1. Betriebsjahr •

€ 85,-

Prognose der Betriebsergebnisse: Methodik

Die Berechnungen der zu erwartenden Betriebsergebnisse für ein neues Hotel für die kommenden 10 Betriebsjahre werden anhand der Richtlinien des „Uniform System of Accounts for the Lodging Industry“ erstellt. Die Benutzung dieses Systems gewährt die Vergleichbarkeit der Daten mit branchenüblichen Kennzahlen. Alle Erlös- und Kostenpositionen sind in Nettobeträgen (ohne Umsatzsteuer) ausgewiesen. Bei der Prognose sind inflationsbedingte Preisanpassungen nicht berücksichtigt). Die Preissteigerungen basieren lediglich auf der zunehmend besseren Marktpositionierung des Betriebes und einer leichten Angleichung an das internationale Preisniveau vergleichbarer Hotels. •

Erlöse: Logiserlöse

Bei der Berechnung des Logiserlöses muss unterschieden werden zwischen dem Schrankpreis (Rack Rate), der im Zimmer ausgehängte und veröffentlichte Preis, dem Zimmerpreis, den der Gast tatsächlich bezahlt, und dem Zimmererlös (Average Room Rate, ARR), den das Hotel nach Abzug von Steuern, Rabatten und Kommissionen und Herausnahme des Frühstücksanteils netto verbuchen kann. •

Erlöse: Gastronomieerlöse

Speisen und Getränke werden bezogen auf die Anzahl der Gäste ermittelt und beinhalten Frühstück, Mittag-/Abendessen und Pausenverpflegung bei Tagungen.

464 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte •

Erlöse: Nebenerlöse

Die Nebenerlöse umfassen Einnahmen aus Telefon, Miete für Tagungsräume, Kommission auf Gästewäsche, Parkhaus etc. •

Betriebskosten: Warenkosten

Warenkosten sind alle in der Gastronomieabteilung anfallenden Kosten. Warenkosten für interne Zwecke wie Personalverpflegung, Einladungen im Rahmen von PR-Aktivitäten werden den jeweiligen Kostenstellen (Personal, Werbung) belastet. Die Warenkosten liegen im Branchendurchschnitt für Speisen bei etwa 28 % bis 33 % vom Speisenumsatz, bei Getränken bei 20 % bis 23 % vom Getränkeumsatz. •

Betriebskosten: Personalkosten

Die Personalkosten setzen sich aus den Löhnen, Gehältern und Aushilfslöhnen inklusive aller sozialer Aufwendungen zusammen. Durch Outsourcing, d.h. die Fremdvergabe einzelner Dienstleistungen (und entsprechender Abteilungen wie z. B. Buchhaltung, Fenster- und Zimmerreinigung etc.) an externe Firmen kann eine Reduzierung der fixen Personalkosten erreicht werden, wobei sich jedoch entsprechend andere Kostenpositionen verändern, denen die Kosten für Fremdbezug zugeordnet werden. Die Personalkosten liegen üblicherweise etwa bei 30 - 35 % des Gesamtumsatzes, im 4Sterne- Bereich und im Luxussegment auch höher. •

Sonstige Kosten: Energie

"Energie" beinhaltet neben den reinen Energiekosten auch die Kosten für Wasser, Abwasser und Entsorgung. Die Energiekosten belaufen sich üblicherweise auf 5 - 6 % vom Gesamtumsatz. •

Sonstige Kosten: Marketing, Sales & Promotion

Die Marketingkosten des Betriebes umfassen alle Kosten für z.B. Druck von Prospekten, Anzeigen, Lithos, Fotograf, Reisekosten im Zusammenhang mit Marketing/Verkauf, Einladungen von Geschäftspartnern, Kundengeschenke, Messekosten. Die Marketingkosten haben im Branchendurchschnitt einen Anteil von ca. 4 - 5 % am Gesamtumsatz. •

Sonstige Kosten: Administration & General

Hier werden alle im Zusammenhang mit der Verwaltung des Betriebes entstehenden Kosten zusammengefasst. Dazu zählen u.a. Telefongebühren, Druckkosten, Anwaltsgebühren, Mitgliedschaften in berufsständischen Vereinigungen, Kreditkartengebühren. Nicht inbegriffen sind etwaige Verwaltungskosten der Besitzgesellschaft. Die Personalkosten der Verwaltung

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

465

sind in den gesamten Personalkosten enthalten. Die Position Administration & General wird branchenüblich mit etwa 7 % - 9 % angesetzt. In der Position Administration & General sind auch die direkten Kosten enthalten. Diese umfassen Kosten, die den Abteilungen direkt zugeordnet werden können. Sie umfassen u. a.: In der Logisabteilung z.B. die Wäschereikosten, Reinigungsmittel, Gästeseife, Shampoo, Blumen und Dekoration, Kleiderbügel. In der Restaurant- und Barabteilung z.B. den Druck von Speisen- und Getränkekarten, Wäschereikosten, Papierservietten, Verschleiß von Glas, Porzellan, Wäsche und Bestecken, Blumen und Dekoration, Musik. In der Verkaufsabteilung z.B. die Provisionen an Reiseveranstalter. •

Sonstige Kosten: Reparaturen

Diese Position beinhaltet alle laufenden Reparaturen und Wartungsverträge. Renovierungen an Dach und Fach sowie der Ersatz von Großgeräten sind ebenso wie FF&E nicht enthalten. Die Kosten sind abhängig sowohl vom Alter als auch von der technischen Ausstattung des Betriebes. Die Kosten für Reparatur haben durchschnittlich einen Anteil von ca. 2,0 % bis 2,5 % am Gesamtumsatz. •

Reparaturen an Dach und Fach, Ersatzinvestitionen

Reparaturen an Dach und Fach sowie über den normalen Verschleiß hinausgehende Renovierungen übernimmt der Vermieter. Als Rückstellung für Instandhaltung des Betriebes (Modernisierung, FF&E) werden branchenüblich jährlich zwischen 1 % und 4 % des Umsatzes angesetzt. Es ist damit sichergestellt, dass die Immobilie in einwandfreiem, marktgerechtem Zustand erhalten werden kann. Der Unternehmenswert eines Hotel- Betriebes aus der Sicht des Investors ermittelt sich branchenüblich aus der Summe der abgezinsten zukünftigen Überschüsse der Erlöse über die Kosten, zuzüglich des ebenfalls abgezinsten Verkaufswertes am Ende der 20-jährigen Berechnungsperiode. Als Verkaufswert wird das 12-fache des letztmalig erzielten Überschusses definiert; der Diskontierungssatz wurde mit 8% angesetzt (vgl. Tabelle 48).

466 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

Prognose der Betriebsergebnisse 1 2006

2 2007

3 2008

4 2009

5 2010

Jahr STATISTIK Zimmer Doppelbelegung Zimmerbelegung Nettozimmerpreis (ARR) Belegte Zimmer Übernachtungsgäste Gesamtumsatz

200 200 200 200 200 1,10 Pers. 1,10 Pers. 1,10 Pers. 1,10 Pers. 1,10 Pers. 50,00 % 52,00 % 54,00 % 55,00 % 56,00 % 85,85 € 86,71 € 87,58 € 88,45 € 85,00 € 36.500 37.960 39.528 40.150 40.880 40.150 41.756 43.481 44.165 44.968 3.744.600 100 4.016.742 100 4.222.845 100 4.334.872 100 4.460.273 100

Logis Umsatz Personalkosten Direkte Kosten Ergebnis Logis

3.102.500 82,9 3.258.866 81,1 3.427.414 81,2 3.516.160 81,1 3.615.891 81,1 979.200 31,6 988.992 30,3 998.882 29,1 1.008.871 28,7 1.018.959 28,2 217.175 7,0 228.121 7,0 239.919 7,0 246.131 7,0 253.112 7,0 1.906.125 61,4 2.041.753 62,7 2.188.613 63,9 2.261.158 64,3 2.343.819 64,8

F&B Umsatz Speisen Umsatz Getränke Wareneinsatz Speisen Wareneinsatz Getränke Personalkosten Direkte Kosten Ergebnis F&B Nebenbetriebe Umsatz Nebenbetriebe Ergebnis Nebenbetriebe Bruttoüberschuss

361.350 200.750 108.405 40.150 489.600 28.105 -104.160

9,6 5,4 30,0 20,0 87,1 5,0 -18,5

80.000 2,1 80.000 100,0

464.120 212.956 139.236 42.591 494.496 33.854 -33.101

11,6 5,3 30,0 20,0 73,0 5,0 -4,9

80.800 2,0 80.800 100,0

488.745 225.078 146.623 45.016 499.441 35.691 -12.948

11,6 5,3 30,0 20,0 70,0 5,0 -1,8

81.608 1,9 81.608 100,0

504.238 232.049 151.272 46.410 504.435 36.814 -2.643

11,6 5,4 30,0 20,0 68,5 5,0 -0,4

82.424 1,9 82.424 100,0

521.322 239.813 156.396 47.963 509.480 38.057 9.239

11,7 5,4 30,0 20,0 66,9 5,0 1,2

83.248 1,9 83.248 100,0

1.881.965 50,3 2.089.452 52,0 2.257.273 53,5 2.340.939 54,0 2.436.306 54,6

Gemeinkosten (Overhead) Administration & General Personalkosten sonstige Kosten A&G A&G gesamt

122.400 93.615 216.015

3,3 2,5 5,8

123.624 100.419 224.043

3,1 2,5 5,6

124.860 105.571 230.431

3,0 2,5 5,5

126.109 108.372 234.481

2,9 2,5 5,4

127.370 111.507 238.877

2,9 2,5 5,4

Marketing & Sales Personalkosten sonstige Kosten Marketing & Sales Marketing & Sales gesamt

48.960 149.784 198.744

1,3 4,0 5,3

49.450 160.670 210.119

1,2 4,0 5,2

49.944 168.914 218.858

1,2 4,0 5,2

50.444 173.395 223.838

1,2 4,0 5,2

50.948 178.411 229.359

1,1 4,0 5,1

Reparatur Personalkosten sonstige Kosten Reparatur Reparatur gesamt Energie

48.960 56.169 105.129 187.230

1,3 1,5 2,8 5,0

49.450 60.251 109.701 200.837

1,2 1,5 2,7 5,0

49.944 63.343 113.287 211.142

1,2 1,5 2,7 5,0

50.444 86.697 137.141 216.744

1,2 2,0 3,2 5,0

50.948 89.205 140.153 223.014

1,1 2,0 3,1 5,0

18,3 812.204 18,7 831.403 35,1 1.528.735 35,3 1.604.903 2,0 86.697 2,0 89.205 33,1 1.442.038 33,3 1.515.698 3,0 173.395 4,0 178.411 30,1 1.268.643 29,3 1.337.287

18,6 36,0 2,0 34,0 4,0 30,0

Gemeinkosten gesamt G.O.P. I Kosten der Gesellschaft G.O.P. II Rücklage für Instandhaltung N.O.P.

707.118 1.174.847 74.892 1.099.955 37.446 1.062.509

Tabelle 48: Prognose der Betriebsergebnisse

18,9 744.700 18,5 773.718 31,4 1.344.753 33,5 1.483.554 2,0 80.335 2,0 84.457 29,4 1.264.418 31,5 1.399.098 1,0 80.335 2,0 126.685 28,4 1.184.083 29,5 1.272.412

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

467

Dem dargestellten Modell-Hotel liegt folgende Berechnung des Unternehmenswertes zugrunde (vgl. Abbildung 127): Betriebsjahr

BetriebsErgebnis 1 1.062.509 2 1.184.083 3 1.272.412 4 1.268.643 5 1.337.287 6 1.407.295 7 1.487.359 8 1.551.492 9 1.625.730 10 1.645.056 11 1.669.224 12 1.693.719 13 1.718.617 14 1.743.825 15 1.769.448 16 1.795.392 17 1.821.765 18 1.848.470 19 1.875.616 20 1.903.108 Barwert der Einnahmen Verkaufswert

Disk. Faktor 0,926 0,857 0,794 0,735 0,681 0,630 0,583 0,540 0,500 0,463 0,429 0,397 0,368 0,340 0,315 0,292 0,270 0,250 0,232 0,215

Barwert € 983.805 1.015.160 1.010.082 932.490 910.135 886.834 867.860 838.223 813.270 761.979 715.902 672.599 631.932 593.704 557.804 524.058 492.366 462.578 434.603 408.309 14.513.692

22.837.301 0,215

4.899.702

12 -facher Betriebsüberschuss des 20. Betriebsjahres

Barwert der Einnahmen und des Restwertes

Betrieb 19.400.000 (gerundet)

Abbildung 127: Berechnung des Unternehmenswertes

4.2.4.5.6

Umnutzung von bestehenden Immobilien in Hotelbetriebe

Vor dem Hintergrund der immer knapper werdenden Grundstückssituation in attraktiven Hotellagen stellt sich die Frage, inwieweit bestehende Wohn- oder Büroimmobilien in Hotels umgewandelt werden können. In erster Linie rücken hier Büroimmobilien ins Blickfeld der Investoren. Wirtschaftliche Rezession und Überangebot in erheblichem Ausmaß haben vor allem in den Großstädten die Mietpreise für Büroflächen drastisch absinken lassen und zu Leerständen in nie da gewesenem Ausmaß geführt. Eine Umnutzung in Hotels erscheint vielfach als geeigneter Ausweg. In der Realität erweist sich eine Überprüfung aus wirtschaftlicher Sicht jedoch vielfach als nicht zufrieden stellend. Zum einen sind die Gebäudestruktu-

468 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte ren häufig nur unter großem Aufwand, der dem eines Neubaus weitgehend entspricht, den Bedürfnissen eines Hotelbetriebes anzupassen, zum anderen ziehen hohe Leerstände innerstädtischer Büroimmobilien auch eine schrumpfende Nachfrage im Hotelbereich nach sich. Es ist somit im Einzelfall sehr genau zu überprüfen, ob die Umbaukosten in Verbindung mit den anteiligen Grundstückskosten in Innenstadtlagen einen zufrieden stellenden Ertrag durch eine Hotelimmobilie sichern, der seinerseits die Verzinsung des eingesetzten Kapitals ermöglicht. Die Frage der Umnutzung von Wohnimmobilien stellt sich kaum, da nach wie vor in den meisten Innenstädten ein Mangel an Wohnraum besteht, und strukturelle bauliche Anpassungen zur Umwandlung in eine Hotelimmobilie in noch größerem Maße erforderlich würden Umnutzungsüberlegungen können immer dann sinnvoll sein, wenn für ein als rentabel eingeschätztes Hotelprojekt am gewünschten Standort keine freien Grundstücksflächen zur Verfügung stehen. Prominente Beispiele für Umnutzungskonzepte sind das 2006 eröffnende Luxushotel Rocco Forte in Frankfurt am Main, das Dorint Sofitel Hotel Bayerpost in München im Gebäude der ehemaligen Bayerpost oder das Schlosshotel in Berlin im Gebäude eines historischen Herrensitzes im Grunewald. 4.2.4.5.7

Identität und Innovation als Erfolgsfaktoren der Hotellerie

Die Umsetzung der Begriffe „Identität“ und „Innovation“ bestimmen über die Zukunft einer Hotelimmobilie entscheidend mit. Die Identität eines Betriebes spiegelt wider, auf welche Zielgruppen sich die Hotelimmobilie konzentriert und wie das Hotelprodukt die Erwartungen in seinem ausgewählten Gästesegment erfüllt. Dabei kommt es ebenso auf die jeweiligen Details in der Angebotsgestaltung aber auch in der Dienstleistungs- und Servicequalität an. Hotels, die in Zukunft jede Gästegruppe gleichermaßen ansprechen wollen, gleichen einem Gemischtwarenladen, der von allem etwas, aber nichts herausragend vertritt. Die Identität eines Hotels wird durch den regionalen und zielgruppenspezifischen Charakter geprägt. Besonders für kleine und mittelständische Unternehmen liegen darin die Chancen, sich gegenüber der Marktmacht der internationalen Kettenbetriebe positiv abzugrenzen. Der Begriff Innovation steht für die rasante Veränderung des Marktes, der auch die Hotellerie nicht verschont. Zukunftsweisende Konzepte der Vergangenheit verlieren durch vielfaches Kopieren schnell ihren Wert und werden durch neue Produkt- und Marketingkonzepte überrollt. Die Furcht vor hohen Investitionskosten erschwert im Hotelbereich die ständig notwendige Vorausschau auf zukünftige Trends und Tendenzen. Der deutsche Hotelmarkt spiegelt in vielen Regionen drastisch wider, wie fehlende Investitionsbereitschaft einstmals boomende Tourismusregionen zu unattraktiven Billigzielen verkommen ließ. Vor allem im Bereich der kleineren, familiengeführten Hotels wurden Gewinne vielfach nicht in den Betrieb reinvestiert. Kontinuierlich veralternde Strukturen wurden unverändert präsentiert mit dem Ergebnis sinkender Nachfrageintensität, schrumpfender Umsätze und schließlich mangelhafter Renditen. In Bereich der Hotelimmobilien gilt wie in allen anderen Branchen, dass nur der am Markt besteht, der sich kontinuierlich den Markterfordernissen anpasst. Erfolgreich und rentabel operierende Betriebe haben weniger Probleme in der Kreditgewährung für neue innovative Weiterentwicklungen als Betriebe, die aufgrund Ihrer Angebotsstruktur

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

469

bereits so weit vom Markt entfernt sind, dass das Vertrauen der Finanzdienstleister nur schwer zurück zu gewinnen ist. Es gilt auch für die Zukunft die Prämisse: Nicht die Großen fressen die Kleinen, nicht die Schnelleren vertreiben die Langsamen, sondern die Guten verdrängen die Schlechten.

470 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

Literaturverzeichnis zu Kapitel 4.2.4 Deloitte: HotelBenchmark Studie 2005. Frehse, J./Weiermair, K.: Hotel Real Estate Management. Berlin, 2007. Ghh Consult: Der Hotelmarkt in Deutschland 2007.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

4.2.5

471

Wohnimmobilien Tobias Just

4.2.5.1 Einführung......................................................................................................472 4.2.5.2 Das heterogene Gut Wohnen ..........................................................................472 4.2.5.3 Die Nachfrage nach Wohnraum .....................................................................474 4.2.5.3.1 Ein einfaches Modell auf der Basis von Fahrtkosten......................................475 4.2.5.3.2 Berücksichtigung von Einkommensunterschieden .........................................478 4.2.5.3.3 Weitere Ursachen für Nachfrageunterschiede ................................................480 4.2.5.3.4 Hedonische Preisindizes .................................................................................481 4.2.5.4 Angebot als Reaktion auf Nachfrageentwicklungen.......................................482 4.2.5.4.1 Optimale Siedlungsdichte aus Sicht der Anbieter ..........................................482 4.2.5.4.2 Angebot und Erwartungsbildung....................................................................485 4.2.5.4.3 Gezielte Entwicklung von Mikrostandorten ...................................................486 4.2.5.4.4 Restriktionen für das Wohnungsangebot........................................................486 4.2.5.5 Marktergebnisse auf Wohnungsteilmärkten ...................................................488 4.2.5.5.1 Marktabgrenzung............................................................................................488 4.2.5.5.2 Marktergebnisse für Teilmärkte – empirische Schlaglichter ..........................489 4.2.5.5.3 Anpassungsgeschwindigkeit...........................................................................492 4.2.5.6 Zusammenfassung ..........................................................................................492 Literaturverzeichnis zu Kapitel 4.2.5 ...................................................................................494

472 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

4.2.5

Wohnimmobilien Tobias Just

4.2.5.1

Einführung

Wohnimmobilien sind die wichtigste Immobilienklasse in Deutschland: Für das Jahr 2006 weist das Statistische Bundesamt ein Nettoanlagevermögen in Wohnungen von rd. EUR 3,5 Bio., also von rd. 50% des gesamten deutschen Nettoanlagevermögens aus. Diese hohe Bedeutung von Wohnimmobilien resultiert direkt aus dem menschlichen Grundbedürfnis nach Schutz und Sicherheit, also nach einer Behausung. Für die Analyse der Wohnungsmärkte ist aber nicht nur das Volumen des Marktes wichtig, sondern v.a. die Heterogenität dieses Marktes. Wohnungen werden manchmal als vollständig differenzierte Güter bezeichnet, denn sie unterscheiden sich u.a. in ihrer Größe, der Lage, dem Schnitt, ihrer Ausstattung und dem Alter. Alle diese Merkmale bestimmen den ganz spezifischen Wert einer Wohnung. Insofern unterscheidet sich das Gut Wohnen von klassischen standardisierten Massengütern. Letztlich bildet sich für jede Wohnung ein eigener Preis. Dennoch entziehen sich auch Wohnungsmärkte nicht einer strukturierten ökonomischen Analyse. Diese kann auf einer Makro- und einer Mikroebene erfolgen. Die Makroanalyse beschreibt die gesamtwirtschaftlichen Einflüsse auf einen Wohnungsmarkt (siehe Kapitel 3.4.5). Die Mikrofaktoren hingegen bestimmen die relativen Änderungen in einem Markt, also seitens der Käufer und Mieter ob eher Ein- oder Zweifamilienhäuser, eher zentrale oder periphere Lagen gewünscht sind. Da mikroökonomische Analysen darauf abzielen, menschliches Verhalten zu erklären, versucht die Mikroanalyse von Wohnungsmärkten auf der Basis individueller Entscheidungen zu erklären, wie Nachfrage- und Preisänderungen an einem Standort zustande kommen.

4.2.5.2

Das heterogene Gut Wohnen

Im Grundkurs Mikroökonomie lernen Studenten, dass sinnvollerweise dann von Marktpreisen für ein Gut gesprochen werden kann, wenn dieses Gut homogen ist. Nun zeigt bereits Varian (1991) in seinem Einführungsbeispiel, dass der Wohnungsmarkt einer Stadt aus zwei Teilmärkten besteht: einem Teilmarkt für die Innenstadt und einem Teilmarkt für den äußeren Ring der Stadt. Falls sich die Wohnungen innerhalb beider Ringe in keinem weiteren Merkmal unterscheiden, lassen sich jeweils einheitliche Preise für diese Teilmärkte bestimmen. Allerdings entscheidet kaum die Lage allein über den Preis einer Wohnung. Eine EinZimmer-Wohnung kann verständlicherweise nicht denselben Preis wie eine Fünf-ZimmerWohnung haben, nur weil sie sich in derselben Straße befinden.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

Gebäudeart Klassischer Altbau Mittleres Baujahr/Neubau ab 1985 Neubau (Erstbezug) Altbau (ab 1945) Objekttypus Freistehendes Einfamilienhaus Klassische Etagenwohnung Doppelhaushälfte Penthouse/Loft Villenanwesen Lagekriterien ruhig Nachbarschaft zentral ÖPNV Auto fußläufige Entfernungen tägl. Bedarf Objektqualität "freistehende Anwesen/Villen" Lagekriterien Helle Räume Wohnungszuschnitt Garage/Stellplatz Garten Schallschutz Niedrigenergiehaus Objektqualität "Wohnungen" Lage Balkon Helle Räume Tiefgaragenparkplatz Etage, in der sich Wohnung befindet Aufzug im Haus Blick/Aussicht Wohnungszuschnitt Schallschutz Attraktive Außenanlage Hausmeister Niedrigenergiehaus Fahrradstellplatz

2005 1 2 3 –

Jeweiliger Rang 2004 2003 1 1 2 – 3 2 4 3

473

2002 1 – 2 3

1 2 3 4 5

1 3 2 4 5

1 5 2 3 4

1 5 2 4 5

1 2 3 4 5 6

1 2 3 4 5 6

1 2 3 4 5 6

1 2 3 4 5 6

1 2 3 4 5 6 7

1 2 5 4 2 6 7

1 2 4 5 3 6 7

1 2 4 5 3 6 7

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

1 2 3 4 6 5 8 7 9 10 11 12 13

1 2 3 4 8 6 7 5 9 10 12 11 13

Tabelle 49: Bedeutung von Unterscheidungsmerkmalen für Wohnimmobilien, Quelle: DB Immobilien (div. Jahrgänge)

474 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte Auch der Preis je Quadratmeter ist nicht konstant, denn auch Ein-Zimmer-Wohnungen in derselben Straße können sich stark unterscheiden. Ein lichtdurchflutetes, modernes EinZimmer-Loft mit großer Dachterrasse wird nicht den gleichen Quadratmeterpreis erzielen wie eine dunkle Mansarde mit Außentoilette und Blick auf einen ungepflegten Hof. Einen Einblick in die Vielzahl möglicher Unterscheidungsmerkmale bieten die Umfrageergebnisse von DB Immobilien Trend-Research (div. Jahrgänge). In Tabelle 49 werden die Ergebnisse für die Jahre 2002 bis 2005 präsentiert. Die Rangziffern geben an, welche Priorität aus den Befragungsergebnissen unter den DB Immobilienmaklern folgt. So war der klassische Altbau in der Kategorie „Gebäudeart“ immer auf Rang 1. Interessant ist demnach in der Tabelle 1 nicht nur das Spektrum der Merkmale, nach dem sich Wohnungen unterscheiden können, sondern auch, dass die geäußerten Präferenzen der Befragten zwar in einigen Punkten über die Jahre sehr stabil waren, in anderen Punkten jedoch Schwankungen unterlagen. Dabei erweisen sich einige Merkmale als besonders stabil (z.B. Lagekriterien). Die Kategorie mit den größten Änderungen ist die Kategorie „Objekttypus“. Hier änderte sich in den Jahren 2003 bis 2005 fast jeder zweite Eintrag um rd. einen Rang pro Jahr; in den beiden Kategorien „Objektqualität“ änderte sich im selben Zeitraum nur rd. jeder dritte Eintrag um rd. einen Rang pro Jahr. In der Kategorie „Gebäudeart“ änderte sich sogar nur jeder fünfte Eintrag um einen Rang. Auch wenn die Zahl der Merkmale bewirkt, dass keine Wohnung einer zweiten gleicht, lassen sich dennoch Angebot und Nachfrage von Wohnraum über freie Märkte zusammenbringen. Es bilden sich Preise, die interpretiert, verglichen und bewertet werden können. Erstens sind in vielen Fällen mögliche Preisunterschiede zwischen sehr ähnlichen Wohnungen marginal. Zweitens folgen alle Wohnungen makroökonomischen Einflussgrößen, also z.B. der Beschäftigungssituation in einer Region. Und drittens ist es möglich, eine Wohnung in ihre einzelnen Komponenten zu unterteilen, sodass Bewertungs- bzw. Preisunterschiede von Wohnungen quasi aus ihren Einzelkomponenten berechnet werden können.

4.2.5.3

Die Nachfrage nach Wohnraum

Wenn die Nachfrage nach Wohnraum zu so unterschiedlichen Wohnformen führen kann, müssen die Bedürfnisse der Nachfrager sehr heterogen sein. Dies lässt sich z.B. auf Unterschiede im Einkommen bzw. in den Einkommenserwartungen, in der Haushaltsgröße, im Alter, im Geschlecht, hinsichtlich der Zukunftspläne und bezüglich Beruf und Arbeitsort zurückführen. Zusätzlich können unterschiedliche Präferenzen der Menschen ins Spiel gebracht werden. Nun ist es in der Ökonomie nicht ganz so einfach wie im privaten Streitgespräch, bei dem gefolgert werden darf, dass die Geschmäcker nun einmal verschieden sind. Zwar sind (die meisten) Ökonomen nicht so weltfremd, dass sie das Offensichtliche nicht auch wahrnehmen können. Gleichwohl basieren die grundlegenden ökonomischen Modelle auf der Annahme, dass Menschen homogene Präferenzen besitzen. Diese Annahme hat zwei wichtige Vorteile: Zum einen macht sie viele Modelle überschaubar. Zum anderen erleichtert sie wirtschaftspolitisch relevante Schlussfolgerungen. Geht man davon aus, dass sich Menschen unterschiedlich verhalten, weil sie eben verschieden sind, ist das nicht nur trivial, sondern es schränkt die Analysen und die Empfehlungen von Ökonomen sehr stark ein. Mitunter

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

475

lassen sich keine Aussagen über Wirkungszusammenhänge formulieren und folglich auch keine handlungspolitischen Empfehlungen ableiten. Letztlich ist es eine empirische Frage, ob die Annahme von homogenen Präferenzen zu Aussagen führt, die reale Prozesse erklären helfen. So folgt auch die Ökonomie auf der Suche nach einem idealen Modell dem Einstein’schen Diktum: „Make everything as simple as possible, but not simpler.“(BrainyQuote, 2005). Im Folgenden wird daher ein einfaches Mikromodell schrittweise entwickelt. 4.2.5.3.1

Ein einfaches Modell auf der Basis von Fahrtkosten

Das Grundmodell, das auf den britischen Ökonomen David Ricardo (1772-1823) zurückgeht, fußt auf fünf Annahmen (vgl. DiPasquale/Wheaton, 1996): •

Arbeitsplätze existieren ausschließlich in einem zentralen Punkt der Stadt. Die Arbeitskräfte erreichen diese Arbeitsplätze auf geraden und standardisierten Wegen, sodass sich ihre Fahrtkosten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte allein nach der (linearen) Entfernung der Wohnung vom Zentrum richten.



Alle Haushalte sind identisch. Das Haushaltseinkommen kann entweder für die Fahrten zur Arbeitsstätte, Wohnkosten oder für alle anderen Güter verwendet werden.



Alle Wohnungen haben dieselben Merkmale. Die Wohnungsmieten unterscheiden sich ausschließlich nach Maßgabe der Entfernung vom Zentrum.



Wohnraum erfordert Bauland und Kapital (Arbeit und Material).



Die Wohnungen werden jeweils durch jene Menschen bewohnt, die die höchste Zahlungsbereitschaft für diese Objekte haben.

In diesem einfachen Modell fragen alle (identischen) Haushalte den gleichen Warenkorb an sonstigen Gütern nach. Daher richtet sich die Miete an den jeweiligen Standorten ausschließlich nach der Entfernung vom Zentrum. Da die Reisekosten mit jedem Kilometer Entfernung linear zunehmen, muss die Gleichgewichtsmiete mit jedem Kilometer linear sinken. Die höchsten Mieten würden dann direkt im Zentrum gezahlt, denn für Wohnungen dort wären Menschen bereit, ihr Einkommen abzüglich der Ausgaben für die sonstigen Güter für Miete auszugeben. Die höheren Reisekosten in der Peripherie lassen den StandardWarenkorb bei konstantem Einkommen nur bei geringerer Miete zu. Folglich müssen die Mieten zur Peripherie hin sinken. Allerdings können sie nur so tief sinken, so lange es sich lohnt, neue, freie landwirtschaftliche Flächen in urbane Entwicklungen zu konvertieren. Für die Verkäufer und Entwickler muss sich die Landerschließung lohnen. Das heißt, der Wert der landwirtschaftlichen Nutzfläche muss unterhalb der peripheren Stadtmiete liegen (vgl. Abbildung 128).

476 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte Kompenenten der Wohnungsmiete Wohnungsmiete (EUR)

standortabhängige Miete

Stadtgrenze

Entwicklungskosten

Landwirtschaftlicher Nutzwert Zentrum

Entfernung vom Zentrum (km)

Quelle: DiPasquale, Wheaton (1996)

Abbildung 128: Komponenten der Wohnungsmiete

Die Wohnungsmiete besteht also aus drei Komponenten: erstens den Opportunitätskosten für landwirtschaftliche Nutzflächen, zweitens den Baukosten für Wohnraum und drittens den Standortkosten, die das Produkt aus Reisekosten und Entfernung vom Arbeitszentrum sind. Dies impliziert, dass Städte mit einer großen Stadtfläche auch tendenziell höhere Mieten innerhalb der Stadtgrenzen aufweisen müssen, da die gesparten Reisekosten stärker ansteigen als in Städten mit kleinerer Stadtfläche. Die Steigung der Standortkostenkomponente richtet sich nach dem „Leid der Reisezeit“. Je weniger die Fahrtzeit als Last empfunden wird, desto flacher ist der Kurvenverlauf. Für deutsche Städte lässt sich dies im Großen und Ganzen in den Mietdaten finden (vgl. Abbildung 129). Bereits mit diesem einfachen Modell lässt sich eine Vielzahl weiterer Schlussfolgerungen ableiten: •

Bei steigenden Einkommen nehmen die Gleichgewichtsmieten an allen Standorten zu, denn die Gleichgewichtsmiete ist die Restante aus Einkommen abzüglich Reisekosten und Ausgaben für sonstige Güter. Folgt man streng dem Modell, müsste freilich argumentiert werden, dass dies nur dann gilt, falls die Einkommenszuwächse nicht vollständig für andere Güter verwendet werden.



Ein besseres Verkehrssystem senkt die Reisekosten, die Standortmietgerade wird flacher. Dies kann entweder zu neuen Flächen außerhalb der bisherigen Stadtgrenzen führen oder zu sinkenden Mieten innerhalb der Stadtgrenzen, da die Reisekosten sinken.

Sinkende Baukosten oder international offene Agrarmärkte senken die beiden Basiskomponenten und drücken dadurch die Miete in allen Stadtgebieten. Außerdem kann sich die Stadtgrenze nach außen schieben.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

477

Zusammenhang zwischen Marktgröße und Durchschnittsmiete - 2006 -

Anm.: Die x-Achse wurde bei einer Million abgeschnitten, um die Darstellung anschaulicher zu gestalten. Es fehlen also München, Hamburg und Berlin. Quellen: BulwienGesa, Statistisches Bundesamt Abbildung 129: Miethöhen-Einwohnerzahl

Dieses Grundmodell lässt sich einfach um die Komponenten Einwohnerzahl, Bevölkerungsdichte und topographische Besonderheiten erweitern. Alle drei Komponenten bestimmen dann nämlich die Stadtgrenze. Städte mit höherer Einwohnerzahl, geringerer Siedlungsdichte und weniger siedlungsfähiger Fläche (z.B. aufgrund von Flüssen, Seen, Felsen oder gewerblichen Nutzungsflächen) haben eine größere Stadtfläche, sprich ihre Stadtgrenze ist weiter vom Arbeitszentrum entfernt. Dann ist es aber auch folgerichtig, dass bei steigender Bevölkerungszahl die Mieten an jedem Standort innerhalb der Stadtgrenzen zunehmen (die Gerade der standortabhängigen Miete in Abbildung 1 verschiebt sich nach rechts außen). Zwar ist in diesem einfachen linearen Beispiel der absolute Mietanstieg an allen Standorten gleich groß, der prozentuale Anstieg ist jedoch aufgrund der unterschiedlichen Niveaus sehr unterschiedlich: In wachsenden Städten nehmen die Mieten in der Peripherie prozentual stärker zu als im Zentrum. Der Zusammenhang zwischen Wohnungsmieten und Hauspreisen ist sehr direkt: Hauspreise spiegeln die heutigen Mieten sowie die erwarteten Mieten in der Zukunft. Die künftigen Mieten müssen freilich diskontiert werden, um die künftige Wertentwicklung möglicher

478 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte Alternativanlagen abzubilden. Wenn Hauspreise also alle Mieterträge über den Lebenszyklus der Immobilie berücksichtigen und die heutigen Mieten aus den oben skizzierten drei Komponenten (landwirtschaftlicher Nutzwert, Erschließungskosten und standortabhängige Miete) zusammengesetzt sind, bestehen die Hauspreise folgerichtig aus vier Komponenten. Es kommt der künftige Anstieg der standortabhängigen Miete hinzu. Da oben argumentiert wurde, dass in Städten mit Bevölkerungswachstum die Mieten in der Peripherie stärker wachsen als in der Innenstadt, muss die heutige Mietrendite, also das Verhältnis zwischen aktueller Miete und Hauspreis, in der Peripherie niedriger sein als in der Innenstadt. In Städten mit sinkender Bevölkerungszahl muss dann folgerichtig gelten, dass die Mietrenditen in peripheren Lagen höher ausfallen als die Renditen in der Innenstadt. 4.2.5.3.2

Berücksichtigung von Einkommensunterschieden

Die Annahme völlig identischer Haushalte in dem Grundmodell ist doch sehr realitätsfern und soll daher aufgegeben werden. Im nächsten Schritt gibt es nun Haushalte mit hohem Einkommen (HHhoch) und Haushalte mit niedrigem Einkommen (HHniedrig). Alle anderen Annahmen bleiben allerdings bestehen, d.h. die Wohnungen sind noch immer völlig identisch. Der wesentliche Unterschied zum ersten Modell sind die unterschiedlich hohen Opportunitätskosten der beiden Einkommensgruppen für ihren Pendelverkehr (lange Pendelzeiten sind für Haushalte mit hohem Einkommen relativ teurer). Für beide Haushaltstypen sind die Baukosten sowie die Opportunitätskosten für landwirtschaftliche Flächen gleich hoch, ihre Kostenkurven für die standortabhängige Mietkomponente verlaufen aber unterschiedlich steil. Die Haushalte mit dem höheren Einkommen haben einen steileren Kurvenverlauf als die Haushalte mit dem niedrigeren Einkommen. Es kann nur dann zu einem Gleichgewicht kommen, wenn es genau einen Schnittpunkt dieser beiden Kurven gibt (vgl. Abbildung 130). Das bedeutet auch, dass es automatisch nicht zu einer Mischung der beiden Bevölkerungsgruppen kommt, sondern dass sich die Haushalte mit dem größeren „Pendelleid“ näher am Stadtzentrum aufhalten und die Haushalte mit den geringeren „Pendelleid“ in der Nähe der Stadtgrenze wohnen. Allerdings gilt noch immer die Annahme identischen Wohnungsangebots. Das ist natürlich nicht realistisch. Haushalte werden bei steigendem Einkommen von (fast) allen Gütern mehr oder eine bessere Qualität nachfragen. Das gilt auch für das wichtige Gut Wohnen; insofern ist Wohnen ein normales oder superiores Konsumgut. Da die Bodenwerte in der Innenstadt höher sind als in der Peripherie, erzwingt der Wunsch nach mehr Wohnfläche offensichtlich eine Entscheidung zwischen mehr Wohnfläche in der Peripherie oder kürzeren Fahrzeiten in die Innenstadt (Trade-off-Theorie). Da bisher nur zwei Haushaltsgruppen berücksichtigt werden, die sich allein durch die Einkommenshöhe unterscheiden (und nicht durch sonstige Präferenzunterschiede), wird diese Entscheidung allein nach Maßgabe der jeweiligen Einkommenselastizität getroffen.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

479

Wohnungsmiete bei unterschiedlichen Haushalten Wohnungsmiete (EUR) Miete für HHhoch

Miete für HHniedrig Stadtgrenze

standortabhängige Miete Entwicklungskosten Landwirtschaftlicher Nutzwert Zentrum

Teilmarktgrenze

Entfernung vom Zentrum (km)

Quelle: DiPasquale, Wheaton (1996) Abbildung 130: Wohnungsmiete bei unterschiedlichen Haushalten

Die Einkommenselastizität misst, wie stark sich die Nachfrage nach einem Gut bei einer Einkommensänderung um 1% ändert. Ist die Einkommenselastizität der Wohnflächennachfrage größer als die Einkommenselastizität des Reiseleids, werden die Haushalte mit hohem Einkommen in der Peripherie in großen Häusern wohnen und die Haushalte mit niedrigem Einkommen in kleineren Wohneinheiten in der Innenstadt. Es ist aber wichtig, dass auch in diesem Fall keine Durchmischung der Stadt entsteht: Beide Bevölkerungsgruppen bleiben unter sich. Dieses Ergebnis verändert sich auch bei mehr als zwei Einkommensgruppen nicht grundsätzlich: Es gibt dann halt mehr Teilmärkte. Formal bedeutet die Berücksichtigung von zwei Einflussgrößen (Entfernung und Wohnraumqualität), dass die Geraden der standortabhängigen Mieten in Abbildung 3 nicht mehr allein durch die Reisekosten bestimmt werden, sondern darüber hinaus durch die gewünschte Wohnungsgröße. Ist der Einfluss der Wohnungsgröße stärker als der Einfluss der Reisezeit, verläuft die Gerade für HHhoch flacher als die Gerade für HHniedrig – die beiden Geraden vertauschen also ihre Position, der Grenzpunkt bleibt aber erhalten. DiPasquale und Wheaton (1996) formulieren dies wie folgt: „As a general principle, land-use segregation is a common and natural outcome in private housing or land markets, rather than a result of government regulations“.

480 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte 4.2.5.3.3

Weitere Ursachen für Nachfrageunterschiede

Bisher wurden zwei wesentliche Aspekte von Nachfrageunterschieden aufgezeigt: Die Entfernung einer Wohnimmobilie zum Arbeitszentrum und die Einkommensunterschiede von Haushalten mit damit verbundenen Anreizstrukturen, entweder möglichst nah am Arbeitszentrum zu wohnen oder möglichst viel Wohnfläche zu bewohnen (Trade-off zwischen Innenstadt und Randlage). Diese Aspekte sind aber nicht in der Lage, die Verschiedenheit der nachgefragten Immobilien in Tabelle 1 zu erklären. Es muss also weitere Einflussfaktoren geben. Diese lassen sich - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - vier Gruppen zurechnen: •

Annehmlichkeiten/Vorzüge (amenities): Der Wohnwert kann durch besondere Lebensqualitäten oder kulturelle Vorzüge in der Gegend erhöht werden. Brückner et al. (1999) unterscheiden exogene Reize wie geographisch schöne Lagen oder historisch interessante Quartiere von endogenen, modernen Annehmlichkeiten, die v.a. aus dem Einkommensniveau eines Quartiers resultieren. Hierzu gehören z.B. Restaurants, Theater oder andere öffentliche Einrichtungen wie gute Schulen. Brückner et al. argumentieren, dass je nach Ausstattung und Niveau solcher „amenities“ Innenstädte attraktiv oder nicht attraktiv sind. Daher liegen z.B. in Paris die Durchschnittseinkommen der Bewohner in der Innenstadt deutlich über dem Mittelwert der Stadt. Offensichtlich lockt das kulturelle Angebot besser verdienende Pariser ins Zentrum. In der Innenstadt von Detroit hingegen wohnen eher Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen. Offensichtlich reichen die innerstädtischen „amenities“ dort nicht aus, um die besser verdienenden Haushalte von ihren größeren Grundstücken in die City zu ziehen.



Mehrere Arbeitszentren: Das einfache Modell basiert auf der Annahme einer kreisförmig angeordneten Stadt, bei der sich die Wohnquartiere um das alleinige Arbeitszentrum in der Innenstadt gebildet haben. In fast allen Städten gibt es aber mehr als einen Arbeitsstandort. Für Frankfurt am Main ließe sich das einfache Modell zwar auf das Bankenviertel in der Mitte anwenden. Daneben gibt es jedoch mit Eschborn, Niederrad, dem Merton-Viertel oder Offenbach-Kaiserlei zahlreiche weitere Arbeitszentren. Offensichtlich gilt hier das einfache Trade-off-Modell, bei dem Menschen eine Entscheidung zwischen einer möglichst geringen Reisezeit und einer möglichst großzügigen Wohnfläche zu treffen haben, nicht – bzw. nicht für den gesamten Markt einheitlich. Denn Menschen, die beispielsweise im Merton-Viertel arbeiten, könnten durch ein Haus im Norden der Stadt sowohl einen kurzen Arbeitsweg als auch günstigere Mieten realisieren. Die Existenz mehrerer Arbeitszentren reduziert also die Preisspanne zwischen Zentrum und Peripherie.



Rentnerhaushalte und Langzeitarbeitslose: Das simple Trade-off-Modell gilt nur für eine Gesellschaft, in der quasi alle Haushalte am Arbeitsprozess beteiligt sind. Von den rd. 40 Mio. Haushalten in Deutschland ist jedoch nur ein Teil auf die räumliche Nähe zu einem Arbeitsplatz angewiesen. So gab es Ende 2005 gut 16,9 Mio. Altersrentner und rd. 1,7 Mio. Rentner wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 2007). In den nächsten Jahrzehnten wird aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland der Anteil der Seni-

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

481

oren stark steigen. Gerade für Rentnerhaushalte werden somit nicht die Arbeitsstätten zum fokalen Punkt einer Stadt, sondern deren medizinische und kulturelle Versorgung. Dieser demografische Trend zu mehr Seniorenhaushalten könnte in der Zukunft folglich die Preisspanne zwischen Innenstadt und Peripherie verkleinern. Auch Langzeitarbeitslose, die keine Aussicht mehr auf eine Beschäftigung sehen, werden in dem einfachen Modell nicht berücksichtigt. •

4.2.5.3.4

Sozialisation: In der Ökonomie wird zunehmend das vereinfachende Menschenbild des homo oeconomicus, der rational seinen Nutzen maximiert und dabei womöglich allein monetär messbare Interessen verfolgt, erweitert. Es werden Werte und Normen zugelassen. So müssen nach Becker (1996) Präferenzen auch in der Ökonomie nicht exogen feststehen, sondern können sich allmählich durch soziale Interaktion (Investitionen in Human- und Sozialkapital) bilden. Dann können Menschen bei gleichem Einkommen, gleichem Alter und gleicher Haushaltssituation dennoch sehr unterschiedliche Entscheidungen treffen, weil ihre prägende Sozialisation unterschiedlich verlief. Wenn wichtige prägende Ereignisse/Erlebnisse (z.B. Kriege, Inflationsjahre, Wiedervereinigung) sehr viele Menschen in ähnlicher Weise betreffen, kann sich das Nachfrageverhalten auch auf den Wohnungsmärkten zwischen Alterskohorten deutlich unterscheiden. Auf Inglehart (1971) geht z.B. eine wichtige Trennung von so genannten Materialisten und Postmaterialisten zurück. Dabei suchen Materialisten eher wirtschaftliche Sicherheit und Ordnung während Postmaterialisten auf individuelle Freiheiten, Ästhetik und Offenheit Wert legen. Ein anderes Beispiel ist die Klassifizierung von Wohnungserwerber- und Mietertypen des Empirica-Instituts (2005). Hier werden klassischen Erwerbertypen wie „Nestbauern“, „Altersversorgern“, „Rationalen Erwerbern“ neue Typen gegenüber gestellt, nämlich „Lebensabschnittserwerber“ und „Weichensteller“. Sowohl bei dieser Unterteilung als auch bei der Materialisten/Postmaterialisten-Klassifizierung stellt sich freilich immer das empirische Problem, dass die Einteilung selten sehr trennscharf erfolgen kann – so dominieren gerade die Mischformen zwischen Materialisten und Postmaterialisten in empirischen Studien. Hedonische Preisindizes

Um die großen Unterschiede in der Nachfrage abbilden zu können - ohne das Prinzip eines Marktes aufzugeben - ist es sinnvoll, die Nachfrage der Konsumenten nicht nach unterschiedlichen Gütern, sondern nach unterschiedlichen Gutseigenschaften zu bestimmen. Es wird also angenommen, dass der Preis für eine Wohnung aus Einzelpreisen für Wohnungseigenschaften zusammengesetzt ist. Hierbei fließen positive und negative Wohnungsmerkmale ein. Eine gute Lage wirkt sich positiv aus, eine schlechte Lage negativ. Die Idee solcher hedonischen Preisindizes wird üblicherweise auf die Arbeit von Grilliches (1961) zurückgeführt. Haupt (2002) bietet eine gute deutschsprachige, teilweise aber anspruchsvolle Darstellung der Literatur. Die Wohnungsmiete bzw. der Wohnungspreis lassen sich dann durch eine Funktion abbilden, in die alle relevanten Wohnungsmerkmale eingehen. Diese Merkmale könnten z.B. die

482 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte Kriterien der Tabelle 49 abbilden. Für die Preisbewegungen in einer Region wäre dann eine Funktion zu schätzen, die in etwa wie folgt aussieht:

(1) P = Konstante + αi·Gebäudearti + βj ·Objettypusj + γk·Lagekriterienk + δl·Objektqualitätl + ε

Da die Gebäudeart, der Objekttypus, die Lage und die Qualität des Objekts in der Regel mehrere beschreibende Merkmale erfordern, stehen die Parameter α, β, γ, δ für eine ganze Gruppe von Indikatoren. So muss bei der Objektqualität z.B. erfasst werden, ob das Objekt einen Garten, einen Balkon oder eine Terrasse hat, wie viele Zimmer zu der Wohnung gehören, ob die Wohnung saniert wurde etc. Die Parameter α, β, γ, δ stehen daher für eine ganze Gruppe von geschätzten Parametern. Sehr häufig werden solche Schätzgleichungen in logarithmierter Form geschätzt, um dem Gesetz abnehmender Grenznutzen Rechnung zu tragen: Für einen Balkon sind die meisten Menschen bereit, mehr Miete zu zahlen; für einen zweiten Balkon sinkt diese zusätzliche Zahlungsbereitschaft jedoch deutlich. Ähnliches gilt für die Zahl der Zimmer, die Zahl der Badezimmer, die Zahl der Garagen etc. Für die Stadt Regensburg schätzt Haupt (2002) beispielsweise Gleichungen mit bis zu 33 Indikatoren. Davon beziehen sich zehn auf die Lage des Objekts (zuzüglich einer Referenzlage). Für Regensburg rechtfertigt z.B. eine Terrasse eine knapp 10% höhere Miete, Einfamilienhäuser oder Reihenhäuser werden mit Aufschlägen um rd. 20% honoriert, ein guter Zustand (renoviert) führt zu Mietzuschlägen von gut 4%, während Hellhörigkeit einen Abschlag von rd. 3,5% bedeutet. Die Lage der Wohnung kann bis zu 25% Mietunterschiede erklären.

4.2.5.4

Angebot als Reaktion auf Nachfrageentwicklungen

Grundsätzlich bilden sich Preise aus dem Zusammenwirken von Nachfrage und Angebot. Bisher wurden die Bestimmungsfaktoren für die Nachfrage skizziert. Letztlich müssen Anbieter bemüht sein, diese Nachfrage optimal zu bedienen. Hierbei bedeutet „optimal“ jedoch nicht zwangsläufig, dass allen Wünschen der Nachfrage möglichst deckungsgleich entsprochen wird, sondern dass dies unter Einrechnen der spezifischen Restriktionen und Kostensituation der Unternehmen geschieht. Am Beispiel der Siedlungsdichte soll dies veranschaulicht werden. Ähnliche Optimierungskalküle lassen sich für andere Qualitätsmerkmale analog aufstellen. 4.2.5.4.1

Optimale Siedlungsdichte aus Sicht der Anbieter

In Kapitel 4.4.5.2 wurde die heterogene Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt skizziert. Wie reagieren nun gewinnmaximierende Anbieter? In dem in 4.2.5.2.1 skizzierten einfachen Ricardianischen Modell steigt der Bodenwert nach Maßgabe der erzielbaren Mieten. Wenn man die Annahme identischen Wohnungsangebots aufgibt, ist mit Substitutionspro-

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

483

zessen zu rechnen: Je teurer das Grundstück, desto intensiver muss das Grundstück genutzt werden; sprich, es wird dichter bebaut; z.B. durch Mehrfamilienhäuser mit mehr Stockwerken. Im Folgenden wird dieser Punkt für Neuentwicklungen veranschaulicht (vgl. DiPasquale/Wheaton, 1996). Für einen Projektentwickler stellt sich hierbei u.a. die Frage nach der optimalen Siedlungsdichte. Er muss berücksichtigen, dass eine höhere Siedlungsdichte nicht nur bedeutet, dass er bei gleichem Grundstück mehr Wohnungen vermieten kann, sondern dass die erzielbare Miete je Wohneinheit bei steigender Siedlungsdichte sinkt. Privatsphäre und Grünflächen sind nämlich in dem Sinne normale Güter, dass sie Nutzen stiften und dass ihre Nachfrage positiv einkommenselastisch reagiert – zumindest innerhalb eines für Städte üblichen Rahmens. Die Siedlungsdichte lässt sich z.B. durch die Relation Wohnfläche zu Grundfläche erfassen. Dieser Quotient wird im Folgenden Wohnintensität genannt und mit dem Kürzel W bezeichnet. Vereinfacht lässt sich diese Größe mit der Anzahl der Stockwerke eines Gebäudes beschreiben. Die Strategie eines Projektentwicklers lässt sich an einem einfachen numerischen Beispiel veranschaulichen. Der am Markt durchsetzbare Wohnungspreis möge aus zwei Kompenenten bestehen, erstens aus dem Preiseffekt zunehmender Siedlungsdichte. Dieser negative Zusammenhang wird durch den Parameter b erfasst. Die zweite Komponente fasst alle anderen preisrelevanten Bestimmungsfaktoren (s.o.) zusammen und wird hier durch den konstanten Parameter a dargestellt. Gleichzeitig entstehen dem Projektentwickler Kosten, die mit steigender Siedlungsdichte mit dem Parameter d zunehmen. Der positive Zusammenhang resultiert z.B. aus der Notwendigkeit eines tieferen Fundaments oder eines Fahrstuhls. Alle anderen Kostenkomponenten werden durch den Parameter c abgebildet. Für ein numerisches Beispiel möge a=10, b=-0,5, c=6 und d=0,5 sein. Die Hauspreis- und Kostenfunktionen je Quadratmeter Wohnfläche lauten dann:

(2)

P(W ) = 10 − 0,5 ⋅ W C (W ) = 6 + 0,5 ⋅ W

Der Gewinn je Quadratmeter Wohnfläche folgt aus der Differenz P(W)-C(W). Allerdings interessiert unseren Projektentwickler nicht nur der Gewinn je Quadratmeter Wohnfläche, sondern in erster Linie der Gewinn je Quadratmeter Grundfläche. Er sucht quasi nach der optimalen Anzahl der Stockwerke für diesen Standort. Dafür muss der Gewinn je Quadratmeter Wohnfläche noch mit der Anzahl der Stockwerke multipliziert werden.

(3)

G (W ) = (P(W ) − C (W ) ) ⋅ W ⇔ G (W ) = (10 − 0,5 ⋅ W − 6 − 0,5 ⋅ W ) ⋅ W ⇔ G (W ) = 4W − W ²

484 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte Um die gewinnmaximale Zahl der Stockwerke zu ermitteln, muss Gleichung (3) nach W abgeleitet werden und gleich Null gesetzt werden.

∂G = 4 − 2 ⋅W = 0 ∂W ⇔W = 2

(4)

Gleichung (4) zeigt, dass für unser Beispiel der maximale Gewinn je Quadratmeter Bauland (von 4 EUR) dann erzielt wird, wenn zweistöckige Gebäude gebaut werden. In Abbildung 131 wird dies durch das Maximum der Gewinnkurve veranschaulicht. Falls mehr als vier Stockwerke gebaut werden, fehlt es sogar an zahlungsbereiter Nachfrage, um die gestiegenen Kosten zu decken. Mit Hilfe dieses Modells lassen sich nun Änderungen einzelner Parameter simulieren. Eine Verbesserung des Wohnumfelds führt im Modell z.B. dazu, dass der Parameter a, der alle anderen Wertkomponenten abbildet, steigt. Die P(W)-Linie verschiebt sich nach oben. Steigt a beispielsweise auf 12 EUR, würde der Gewinn je Quadratmeter Bauland auf 9 EUR steigen können, aber nur, wenn nun dreistöckige Gebäude gebaut werden. Die steigende Dichte ist plausibel, da der höhere Wohnwert das Land wertvoller macht. Optimale Siedlungsdichte (numerisches Beispiel) Wohnungspreis (links) 12

Baukosten (links)

Gewinn (rechts) 5 EUR je m² Bauland 4

EUR je m² Wohnfläche

10 8

3

6

2

4

1

2

0 0

1

2

3

4

5

6

Wohnintensität (W) Quellen: DiPasquale, Wheaton (1996), DB Research

Abbildung 131: Optimale Siedlungsdichte

Es kommt zur Substitution zwischen Land und Bauintensität. Steigende Einkommen bedeuten, dass einerseits die Nachfrage nach allen Komponenten von Wohnungen zunimmt, dass

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

485

also a steigt. Das bedeutet jedoch auch, dass die Nachfrage nach Privatsphäre und Grünflächen zunehmen könnte, dass also b ebenfalls zunimmt. Die P(W)-Linie schiebt sich nicht nur nach oben, sie dreht sich auch um ihren y-Achsenabschnitt nach innen. Auch dazu ein Beispiel: Möge a wieder auf 12 EUR zulegen und nun b auf 1 EUR wachsen, so würde der Gewinn je Quadratmeter Bauland auf 6 EUR steigen, bei einer optimalen Bauwerkshöhe von zwei Stockwerken. Als letztes Beispiel möge die EU-Osterweiterung dienen. Diese führt zu mehr Wettbewerb auf dem Baumarkt, sprich die Herstellungskosten sinken. Die C(W)Gerade schiebt sich nach unten. Sinkt c beispielsweise von 6 auf 4 EUR, läge die gewinnmaximale Gebäudehöhe wieder bei 3 Stockwerken, und die Gewinne steigen auf 9 EUR – allerdings profitieren etablierte Anbieter nur dann, wenn sie im Zuge der EU-Öffnung ihre Kosten ebenfalls drücken konnten – ansonsten würde das Objekt durch einen neuen Marktteilnehmer aus Osteuropa realisiert. 4.2.5.4.2

Angebot und Erwartungsbildung

Die Angebotsentwicklung ist letztlich eine Reaktion auf die Änderungen der Nachfrage. Das gilt sowohl für qualitative als auch für quantitative Änderungen. Investoren stehen daher vor einem Optimierungsproblem: Sie müssen versuchen, den optimalen Investitionszeitpunkt zu bestimmen. In einem stetig wachsenden Wohnimmobilienmarkt, dessen Nachfrage in konzentrischen Kreisen um das Zentrum wächst, ist dies noch einfach zu bewerkstelligen. Dann muss der Investor lediglich die Zeitverzögerung zwischen Baubeginn und Fertigstellung kennen, um den optimalen Baubeginn zu ermitteln. In der Realität sind jedoch mehr Unbekannte in die Überlegungen einzubeziehen: •

Wie stark wächst die quantitative Nachfrage/nimmt sie überhaupt zu?



Ändert sich das qualitative und quantitative Nachfrageverhalten?



Ist mit zusätzlich ausgewiesenem Bauland in dem Einzugsgebiet zu rechnen?



Sind topographische Besonderheiten zu berücksichtigen?

Aufgrund der langen Vorlaufzeit bei Bauvorhaben wird der Investor immer bemüht sein, künftige Entwicklungen in seinen Entscheidungen bereits heute zu antizipieren. Dabei werden möglichst viele Informationen herangezogen. Dieses Vorgehen wird als rationale Erwartungsbildung bezeichnet. Allerdings greifen die meisten Marktteilnehmer (und Analysten) bei ihrer Erwartungsbildung auf Trendfortschreibungen und/oder Regressionsanalysen zurück. Beides sind rückgewandte Analysetechniken. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit dienen als Näherungswert für eine mögliche Entwicklung in der Zukunft. Damit verbundene Prognosefehler werden permanent korrigiert (z.B. indem eine Regressionsgleichung regelmäßig neu geschätzt wird). Hierbei handelt es sich dann um adaptive Erwartungsbildung. Das Problem adaptiver Erwartungsbildung ist, dass Strukturbrüche zu spät erkannt werden und mühsam durch viele Einzelentscheidungen korrigiert werden müssen. Es ist daher wichtig, Zukunftserwartungen zweigleisig zu bilden: Vergangenheitsorientierte, statistisch-ökonometrische Verfahren sind wichtig, da sie in der Regel für die kurze bis

486 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte mittlere Frist verlässlich Näherungswerte liefern, denn das Konsumentenverhalten ändert sich z.B. nur sehr langsam. Aufgrund der langen Planungs- und Umsetzungszeit von Immobilienprojekten, v.a. aber wegen der langen Marktwirksamkeit von Immobilien, sollten darüber hinaus Szenarien für die lange Frist konzipiert werden. Diese sollten dann gerade nicht nur auf Trendextrapolation basieren, sondern plausible Strukturverschiebungen berücksichtigen, um den gesamten Möglichkeitenraum der nächsten Jahrzehnte abzubilden. 4.2.5.4.3

Gezielte Entwicklung von Mikrostandorten

Über mehrere Jahrzehnte unterliegt eine Stadt dramatischen Veränderungen. Die Einkommen der Einwohner nehmen zu, teilweise als Reflex der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung des Landes, teilweise als Reflex des spezifischen Branchenmixes in der Region und zum Teil durch unternehmerische Einzelentscheidungen. Bei einem zukunftsgerichteten Branchenmix steigt die Zahl der Einwohner in der Regel überdurchschnittlich stark; in einer Region mit vornehmlich schrumpfenden Branchen ziehen die Menschen fort. Schließlich unterliegt das gesellschaftliche Wertesystem permanentem Wandel, und die Politik versucht, ihm ihren Stempel durch Stadtentwicklungsmaßnahmen und Baulandpolitik aufzudrücken. Alle diese Effekte führen dazu, dass sich die Nachfrage nach Wohnraum über die Jahrzehnte stetig verändert. Nach den Einkommens- und Verbrauchsstichproben des Statistischen Bundesamts verfügen beispielsweise die Über-60-Jährigen heute über 20% mehr Wohnfläche als Ende der 70er Jahre. Die Ausweitung des Wohnraumangebots erfolgt nach Maßgabe der möglichen Erlöse und der zusätzlichen Kosten. Entwickler stehen vor der Frage, ob der Ausbau (z.B. hin zu einer intensiveren Bebauung) lohnt. Diese Frage kann immer dann bejaht werden, wenn den zusätzlichen Kosten mindestens zusätzliche (erwartete) Erlöse in gleicher Höhe gegenüber stehen. Solange die Grenzerlöse die Grenzkosten übersteigen, wird der Bestand modernisiert, umgebaut oder im Extremfall sogar abgerissen und neu aufgebaut. In einer schnell wachsenden Stadt nimmt der Wert der Innenstadtlagen rapide zu. Wie oben gezeigt, kann sich dann eine intensivere Bebauung rasch lohnen. In langsam wachsenden Städten lohnt dies häufig nicht; daher bleiben über Jahrhunderte gewachsene Strukturen dort eher intakt – die Kosten des Neubaus werden durch die möglichen Ertragszuwächse nicht gerechtfertigt. Das stetige Wachstum einer Stadt ist letztlich auch der Grund, warum an sehr ähnlichen Standorten sehr unterschiedliche Bebauungsformen parallel existieren können. In einer wachsenden Stadt verschiebt sich die Stadtgrenze nach außen. Ein Neubau heute könnte dann eine andere optimale Gebäudehöhe erfordern als ein Neubau vor 40 Jahren, der direkt in der Nachbarschaft steht. In Hamburg ist dies z.B. in den Randgebieten des Alstertals sichtbar. Die traditionelle Einfamilienhausstruktur wird zunehmend mit Mehrfamilienhäusern durchmischt. 4.2.5.4.4

Restriktionen für das Wohnungsangebot

Wie stark sich Marktprozesse durchsetzen können, hängt sehr stark vom Willen der politischen Entscheider ab. Viele Entwicklungen können durch Ge- oder Verbote (z.B. Bauvor-

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

487

schriften), zusätzliche Transaktionskosten (Steuern und Abgaben), Fördermaßnahmen (z.B. Eigenheimzulage) oder den Ausweis neuen Baulands gesteuert werden. Viele dieser Eingriffe spiegeln eher politische als ökonomische Ziele – auch wenn mitunter wirtschaftliche Argumente für den Eingriff herangezogen werden können. So können Umweltsteuern oder sogar Umweltsubventionen durchaus sinnvolle Instrumente für die Internalisierung so genannter externer Effekte sein (vgl. Brümmerhoff, 2001). Am Beispiel der Baulandpolitik lässt sich dies veranschaulichen. Die rot-grüne Bundesregierung (1998 bis 2005) hatte es sich in ihrem Programm „Perspektiven für Deutschland“ zum Ziel gemacht, die Flächeninanspruchnahme durch neue Siedlungs- und Verkehrsflächen von 130 ha auf rd. 30 ha pro Tag im Jahr 2020 zu reduzieren (Bundesregierung, 2005). Als Grund für die Maßnahme wird der Tier- und Pflanzenschutz genannt, letztlich also ein öffentliches Gut, bzw. ein positiver externer Effekt, der durch den Erhalt der Umwelt realisiert wird. Dass unkontrolliertes, urbanes Wachstum auch Elemente von Marktversagen enthalten kann, lässt sich zumindest theoretisch leicht begründen: Einzelpersonen berücksichtigen bei ihrer Bauplanung nur unterproportional den Wert von Freiland- und Erholungsflächen, die dadurch verloren gehen. Es handelt sich hierbei um ein öffentliches Gut; Einzelne berücksichtigen nicht den Nutzen anderer. Auch bei den enstehenden Fahrtkosten werden mögliche externe Effekte (Stau und Umweltgifte) nicht angemessen einkalkuliert (vgl. hierzu z.B. Brueckner, 2000 oder Eckenrod/Holahan, 2004). Es ist freilich auch richtig, dass die Maßnahme einer Baulandverknappung bei steigender Nachfrage zwangsläufig zu höheren Preisen und Mieten führen muss. Die Maßnahme enthält also ein implizites politisches Urteil, dass der Grenznutzen des Natur- und Artenschutzes auf jeden Fall höher ausfällt als der kumulierte Grenznutzen der Bürger aus niedrigeren Baulandpreisen und Mieten. Es würden jedoch nicht nur Preisreaktionen, sondern es müssten auch Mengenreaktionen einsetzen, die teilweise das Resultat der steigenden Preise sind. Die Menschen schränken ihre Wohnraumnachfrage ein, es wird günstiger und flächenintensiver gebaut. Diese Wirkung ähnlicher Anpassungsprozesse kann in Großbritannien beobachtet werden. Dort sorgt eine sehr restriktive Planungspolitik für knappe Baulandflächen. Bei steigenden Einkommen können die Einwohner ihre Wohnflächennachfrage nicht so stark steigern wie sie dies gerne möchten. Folgerichtig zeigen empirische Studien, dass die Einkommenselastizität des britischen Wohnungsangebots sehr niedrig ist (vgl. Abbildung 132). Evans und Hartwich (2005) argumentieren, dass die steigenden Hauspreise in Großbritannien bei gleichzeitig sinkender durchschnittlichen Wohnungsgröße eine zwangsläufige Folge der restriktiven Baulandpolitik sind. Für eine Analyse der Preisdynamik in europäischen Ländern siehe z.B. Just und Ebner (2006) sowie Just und Reuther (2005). Offensichtlich kann Politik lenken. So lange allgemein akzeptierte Bewertungen öffentlicher Güter fehlen, wird es eine politische Entscheidung bleiben, inwiefern die weitere Zersiedelung (urban sprawl) erwünscht ist, weil sie niedrige Wohnungspreise- und –mieten gewährt oder inwiefern sie unerwünscht ist, weil sie den Verlust von öffentlichen Gütern bedeutet.

488 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte Angebotselastizität der Wohnungsmärkte*) 2,5

2

1,5

1

0,5

0 DE

US

FR

DK

UK

NL

*) Reaktion des Wohnungsangebots auf eine 1%-ige Erhöhung der Hauspreise Quelle: Swank, J., Kakes, J., Tieman, A. (2002)

Abbildung 132: Angebotselastizität der Wohnungsmärkte

4.2.5.5

Marktergebnisse auf Wohnungsteilmärkten

Letztlich wirken Angebot und Nachfrage zusammen auf die Preisbildung. Es wurde deutlich, dass in Regionen, die von denselben makroökonomischen Einflüssen betroffen sind, große Unterschiede zwischen Teilmärkten bestehen können. 4.2.5.5.1

Marktabgrenzung

Eine perfekte Abgrenzung von Teilmärkten bedeutet, dass ein exogener Schock auf dem einen Teilmarkt zu keinen Reaktionen auf dem anderen Teilmarkt führt. Werden bspw. in München ohne Mehrnachfrage 10.000 neue Reihenhäuser gebaut, ist nicht damit zu rechnen, dass es zu einer Preisreaktion auf den Wohnungsmärkten in Stralsund kommt. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Preise für Reihenhäuser in München in allen Stadtteilen unter Druck geraten. Außerdem dürften ähnliche Marktsegmente (z.B. Mietwohnungen oder Einfamilienhäuser in München) von diesem Angebotsschock betroffen sein. Reihenhäuser und Einfamilienhäuser in München sind teilweise Substitute. Durch das steigende Angebot von Reihenhäusern gehen zunächst die Preise für Reihenhäuser zurück. Dadurch passen Menschen, die derzeit noch in anderen Teilmärkten Wohnraum nachfragen, ihre Nachfrage an; sie ziehen um. Dies erhöht die Nachfrage nach Reihenhäusern, und die Nachfrage nach Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen sinkt. Dieser Arbitrageprozess sorgt zum einen dafür, dass der Preisrutsch bei Reihenhäusern nicht ganz so groß ausfällt und zum anderen, dass auch auf „benachbarten“ Teilmärkten die Preise reagieren.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

489

Es lassen sich demnach zwei Kriterien für Marktabgrenzung festhalten: •

Die absolute Höhe der Preise: Die absoluten Preisdifferenzen kennzeichnen die qualitativen Unterschiede zwischen Wohneinheiten.



Die Preisänderungen von Teilmärkten: Je ähnlicher die Preisänderungen auf Teilmärkten verlaufen, desto verbundener sind diese Märkte und desto stärker sind sie analytisch gemeinsam zu betrachten. Die Mobilität der Menschen führt letztlich zu ähnlichen Preisbewegungen auf verbundenen Teilmärkten.

4.2.5.5.2

Marktergebnisse für Teilmärkte – empirische Schlaglichter

Die Bedeutung und Komplexität von Teilmärkten lässt sich durch einfache Schaubilder veranschaulichen. Setzt man zunächst die durchschnittlichen Neubaumieten in besten Lagen in Relation zu den mittleren Neubaumieten der einfachsten Lagen, erhält man einen Multiplikator, der hier als Mietspanne bezeichnet werden soll. Für Hamburg errechnet sich diese Mietspanne beispielsweise für 2005 als Quotient aus der Durchschnittsmiete für Harvestehude (11,2 EUR/m²) und Billbrook (7,3 EUR/m²). Abbildung 133 zeigt die Entwicklung dieser Mietspannen für fünf westdeutsche Großstädte. Während die Mietspannen in Köln, Hamburg und München in den letzten fünf Jahren leicht gestiegen sind, d.h. in den sehr guten Lagen stiegen die Mieten stärker als in den schlechten Lagen, blieben die Spannen in Düsseldorf und Frankfurt am Main weitgehend konstant. Entwicklung regionaler Mietmärkte - Durchschnittsmieten, Spannen zwischen bestem und einfachstem Stadtteil -

Anm.: Vielfaches der Durchschnittsmiete in bestem Quartier der Durchschnittsmiete in einfachstem Quartier Abbildung 133: Entwicklung regionaler Mietmärkte

Darüber hinaus zeigt Abbildung 133, dass nicht nur das Mietniveau zwischen den Städten unterschiedlich ist (in Düsseldorf liegt die höchste Durchschnittsmiete um fast vier EUR/m²

490 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte niedriger als in München), sondern dass auch die Spanne zwischen einfachen und Top-Lagen große Unterschiede aufweist. Ein starkes Auseinanderdriften der Teilmärkte ist jedoch für keine dieser Städte festzustellen. Wie schwierig der Gleichgewichtsprozess auf Teilmärkten sein kann, veranschaulicht Abbildung 134. Hier wird in Analogie zu Abbildung 133 die Preisspanne von Eigentumswohnungen in den Stadtgebieten dargestellt. Zunächst fällt auf, dass die Spanne an einigen Standorten in etwa so hoch ausfällt wie die jeweiligen Mietspannen (z.B. Frankfurt oder Düsseldorf). An anderen Standorten hingegen liegen die Preisspannen teilweise deutlich höher (Köln, Hamburg, München). Die dadurch zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Knappheitsverhältnisse auf dem Miet- bzw. Kaufmarkt machen deutlich, dass Mietund Kaufmarkt innerhalb eines Teilmarktes unterschiedlich reagieren können. Das könnte z.B. an fehlender Liquidität im Kölner Prime-Segment liegen. Die Marktteilnehmer rechnen dann mit steigenden Mieten in den Kölner Toplagen, d.h. die Mietspanne nimmt in der Zukunft zu. Da die Marktakteure auf dem Kaufmarkt dies bereits heute berücksichtigen, weicht die Preisspanne in Köln von der Mietspanne ab. Gleichwohl ist der Kaufmarkt nicht überall eng mit dem Mietmarkt verbunden. In Hamburg bspw. nimmt die Mietspanne seit Jahren zu (bei steigenden Mieten in den guten Quartieren). Dennoch geht die Preisspanne in der Hansestadt tendenziell zurück. Dies könnte entweder bedeuten, dass die Akteure sinkende Mieten erwarten, oder dass die Märkte vergleichsweise separiert sind. Entwicklung regionaler Teilmärkte für Eigentumswohnungen - Durchschnittspreise, Spannen zwischen bestem und einfachstem Stadtteil -

Anm.: Vielfaches der Durchschnittspreise in bestem Quartier der Durchschnittspreise in einfachstem Quartier Abbildung 134: Entwicklung regionaler Eigentumsmärkte; Quellen: BulwienGesa (2007), DB Research

Drei weitere Aussagen lassen sich aus der Abbildung 135 herauslesen. Diese Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen dem Mietwachstum in den Düsseldorfer und Hamburger Teilmärkten in Abhängigkeit von der derzeit vereinbarten Kaltmiete.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

491



Es gibt ausgeprägte Unterschiede zwischen den beiden Städten hinsichtlich ihrer Teilmärkte. Zwar gibt es in beiden Märkten eine Lücke zwischen den guten/sehr guten Lagen und den einfachen Stadtteilen. In Düsseldorf ist diese Kluft jedoch deutlich stärker ausgeprägt als in Hamburg. Dies könnte entweder bedeuten, dass es in Düsseldorf weniger mittlere Quartiere gibt. Es könnte jedoch auch bedeuten, dass die mittleren Preislagen aufgrund der Durchschnittsbetrachtung in den anderen Quartieren enthalten sind. Dann wäre die Marktabgrenzung durch die Stadtteile in Hamburg besser gelungen als in Düsseldorf.



Es wird der bereits erwähnte Zusammenhang zwischen Miethöhe und Mietsteigerung in Hamburg spürbar. Außerdem wird gezeigt, dass ein ähnlicher Zusammenhang in Düsseldorf nicht erkennbar ist.



Schließlich lassen sich näherungsweise die gesamtwirtschaftlichen, die regionalökonomischen und die teilmarktspezifischen Effekte aus den Ergebnissen ablesen: Die gesamtwirtschaftlichen Faktoren, also v.a. die bis 2005 anhaltende Wachstumsschwäche in Deutschland, haben dafür gesorgt, dass die Mieten in beiden Städten seit 2000 um weniger als 1% pro Jahr zulegten. Im Durchschnitt sind die Mieten auf den Hamburger Teilmärkten stärker gestiegen als in Düsseldorf. Nennenswerte Mietrückgänge gab es nur auf Düsseldorfer Teilmärkten. Hierfür sind offensichtlich unterschiedliche regionalökonomische Treiberfaktoren verantwortlich. Schließlich haben sich bei gleicher Miethöhe in beiden Städten die Mieten recht uneinheitlich entwickelt. In Düsseldorf existieren gleichzeitig einfache Lagen mit Mietzuwachs von rd. 1% p.a. und Lagen mit Mietsenkung von knapp 1% p.a. Noch größer ist die Spannweite der Entwicklungen bei den guten Lagen. Hier sind Wachstumsunterschiede bis 20%- Punkte über den gesamten Zeitraum zu beobachten. Dies kann weder durch gesamt- noch durch regionalökonomische Einflussfaktoren, sondern nur durch unterschiedliche Mikrofaktoren erklärt werden. Preisänderungen nach Teilräumen in Hamburg und Düsseldorf - 2005 gg. 2000 -

Abbildung 135: Teilmarkt Mieten Veränderungsraten; Quellen: BulwienGesa (2007), DB Research

492 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte 4.2.5.5.3

Anpassungsgeschwindigkeit

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich das Angebot nur sehr langsam anpassen kann. Dafür sorgt zum einen die reine Bauzeit, zum anderen die planerisch-administrative Vorlaufzeit. Auch die Nachfrage reagiert nur sehr langsam auf Änderungen der Rahmenbedingungen. Nimmt die Arbeitslosigkeit in einer Region zu und stagnieren die Einkommen, passen die meisten Menschen ihre Wohnnachfrage allenfalls zeitverzögert an. Der Grund hierfür sind die hohen Transaktionskosten: Wohnungssuche und Umzug sind teuer. Bei konjunkturell bedingter Arbeitslosigkeit können Menschen damit rechnen, dass sie bei einem Aufschwung wieder Arbeit finden. Dann lohnt der vorübergehende Umzug nicht. Bei struktureller Arbeitslosigkeit müssen die Arbeitslosen zwar grundsätzlich mit größeren Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche rechnen. Aber auch in diesem Fall ist nicht zu erwarten, dass sich die Nachfrage sehr schnell anpasst, weil es für die meisten Arbeitslosen schwer ist, zum Zeitpunkt des Arbeitsverlustes einzuschätzen, ob dies nun ein konjunkturelles oder ein strukturelles Problem ist. Aufgrund dieser geringen Anpassungsgeschwindigkeiten und den Unsicherheiten bei der Einschätzung zukünftiger Nachfrage gehen einige Autoren davon aus, dass der Wohnungsmarkt nie im Gleichgewicht ist, sondern sich bestenfalls in Richtung eines Gleichgewichts bewegt. Richardson (1977) formuliert bspw.: „First, there is no strong reason apart from analytical convenience why it should be assumed that housing and land markets are ever in equilibrium.” Das ist plausibel, ändert jedoch nichts an den grundsätzlichen Überlegungen dieses Beitrags, denn dann folgt die Bewegung in Richtung eines Gleichgewichts den fundamentalen Treibern. Analysen und Prognosen von Wohnungspreisen und –mieten sind dann weiterhin möglich. Die Erwartung naturwissenschaftlicher Präzision solcher Prognosen wäre jedoch vermessen.

4.2.5.6

Zusammenfassung

Ziel dieses Abschnitts war eine mikroökonomische Fundierung für Wohnungsmärkte zu liefern. Hierbei ging es zum einen um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von einzelnen Nachfragern und Anbietern und zum anderen um die daraus folgenden Unterschiede von Wohnungsteilmärkten und Einzelobjekten. Nur diese Mikroanalyse lässt eine Erklärung zu, warum das Wohnungsangebot in einer Stadt so heterogen ist. Es wurde ein einfaches Trade-off-Modell skizziert, in dem Haushalte ihre Wohnungsnachfrage als Abwägung zwischen günstigeren Bodenpreisen vor der Stadt und der Nähe zum Arbeitsplatz treffen. Das wichtigste Ergebnis im Rahmen dieses Modells war, dass es bei unterschiedlich hohen Haushaltseinkommen keine Durchmischung der gesellschaftlichen Gruppen gibt, sondern dass spezifische Quartiere entstehen. Dieses einfache Modell liefert zwar erste Hinweise auf die Bildung von Stadtvierteln. Zur Erklärung der Pluralität des Wohnungsangebots in einer Stadt greift es jedoch zu kurz. Erst durch Zulassen von weiteren Erklärungsfaktoren wie kulturelle und soziale Vorzüge in der Innenstadt, Dezentralität von Arbeitsstätten, Verschiedenheit der Erwerbsbiografien und unterschiedlichen Wertesystemen lassen sich Wohnquartiere in einer Stadt angemessen begründen und bewerten.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

493

Da sich das optimale Wohnungsangebot nach der Nachfrage richtet, wurde dann erläutert, wie Anbieter rational auf Nachfrageänderungen reagieren. So ist bspw. die Siedlungsdichte in einer Stadt der Reflex aus Bodenpreisen und der Zahlungsbereitschaft der Nachfrager für unbeengtes Wohnen. Auch die Entwicklung von bestehenden Wohnflächen lässt sich im Wesentlichen als rationales Kalkül auf der Grundlage steigender Bodenpreise und der Zahlungsbereitschaft der Einwohner verstehen. Inwiefern Anbieter angemessen auf geänderte Nachfrage reagieren können, wird allerdings häufig durch politische Entscheidungen maßgeblich beeinflusst. Die politische Rahmensetzung kann zum einen nach Effizienzkriterien erfolgen. Das geschieht z.B. dann zu Recht, wenn Marktteilnehmer so genannte öffentliche Güter wie den Umweltschutz nicht angemessen in ihrem Kalkül berücksichtigen. Häufig liegen politischen Entscheidungen jedoch Verteilungsziele zugrunde. Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage lässt Marktpreise entstehen. Analysen von Teilmärkten zeigen dann wie stark einzelne Teilmärkte miteinander verbunden sind. Solche Analysen sind für Marktakteure wichtig, denn sie geben z.B. Aufschluss über die Auswirkungen einer Angebotsausweitung im Teilmarkt A auf einen anderen Teilmarkt B.

494 4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

Literaturverzeichnis zu Kapitel 4.2.5 DB Immobilien (2002 bis 2005): Trend-Research-Studien 2002 bis 2005, Heidelberg. Becker, G.S. (1996): Accounting for Tastes, London. BrainyQuote (2005): www.brainyquote.com (Stand: 31.08.2005). Brueckner, J.K et al. (1999): Why is central Paris rich and downtown Detroit poor? An amenity-based theory, in: European Economic Review 43, S. 91-107. Brueckner, J.K. (2000): Urban Sprawl: Diagnosis and remedies, in: International Regional Science Review 23:2, S. 160-171. Brümmerhoff, D. (2001): Finanzwissenschaft, 8. Aufl., München. BulwienGesa AG (2007): Riwis-Datenbank, www.riwis.de. Bundesregierung (2005): Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, http://www.bundesregierung.de/Anlage585668/pdf_datei.pdf (Stand: 01.09.2005). DiPasquale, D./Wheaton W.C. (1996): Urban Economics and Real Estate Markets, New Jersey. Eckenrod, S.B./Holahan, W.L. (2004): Teaching the Economics of Urban Sprawl in the Principles of Economics Course, in: Journal of Economic Education, Summer 2004, S. 295303. Empirica AG (2005): Neue Erwerbertypen am Wohnungsmarkt – Motive, Potenziale, Konsequenzen, im Auftrag der Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen im Deutschen Sparkassen- und Giroverband, Berlin. Evans, A.W./Hartwich, O.M. (2005): Unaffordable Housing, Fables and Myths, London. Grilliches, Z. (1961): Hedonic Price Indexes for Automobiles: An Econometric Analysis of Quality Change, in: The Price Statistics of the Federal Government, No. 73. Haupt, H. (2002): Die Charakteristika des hedonischen Gutes Wohnung, Frankfurt a.M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien. Inglehart, R. (1971): The Silent Revolution in Europe: Intergenerational Change in Post Industrial Societies, in: American Political Science Review 65, S. 991-1017. Just, T./Reuther, S. (2005): Wohnungsportfolios in Deutschland: Weitere Verkäufe programmiert, in: Deutsche Bank Research Aktuelle Themen Nr. 321, Frankfurt a.M. Just, T./Ebner, S. (2006): Fallende Wohnungspreise in den USA. Wird Europa folgen? In: Deutsche Bank Research, Aktuelle Themen Nr. 370, Frankfurt a.M.

4 Mikroökonomik und Immobilienmärkte

495

Richardson, H.W. (1976): A Generalization of Residential Location Theory, in: Regional Science and Urban Economics 7, S. 251-266. Statistisches Bundesamt (div. Jg.): Einkommens- und Verbrauchsstichproben 1978; 1998; 2003; Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2005): Online-Daten, www.destatis.de (Stand: 31.07.2005). Swank, J./Kakes, J./Tieman, A (2002): The housing ladder, taxation and borrowing constraints, MEB Series 2002-9, De Nederlandsche Bank, Monetary and Economic Policy Department. Varian, H. (1991): Grundzüge der Mikroökonomik, 2. Aufl., München, Wien. Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (2007): www.vdr.de (Stand: Januar 2007).

5

Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Philip Boll, Rebecca Holter, Michael Hüther, Manfred Jäger, Michael Krautzberger, Bernward Kulle, Wolfgang Maennig, Christoph Pitschke, Michael Voigtländer

5.1

Immobilienmärkte, Geldpolitik und die Gesamtwirtschaft Michael Hüther, Manfred Jäger, Michael Voigtländer ........................................... 499

5.2

5.3 5.4 5.5

Steuerung der Flächennutzung und von Allokationsentscheidungen durch öffentliche Planung Michael Krautzberger......................................... 516 Wohnungspolitik Wolfgang Maennig ............................................. 532 Immobilienmärkte und Bankregularien Christoph Pitschke, Rebecca Holter ..................... 568 Öffentliche Immobilieninvestitionen Bernward Kulle, Philip Boll ................................ 590

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.1

499

Immobilienmärkte, Geldpolitik und die Gesamtwirtschaft Michael Hüther, Manfred Jäger, Michael Voigtländer

5.1.1 Zunehmende Bedeutung der Immobilienmärkte für die Geldpolitik .......................500 5.1.2 Wechselwirkungen zwischen Immobilienmarkt, Geldpolitik und Konjunktur........501 5.1.3 Empirische Befunde – Determinanten der Immobilienpreise ..................................505 5.1.4 Ausblick...................................................................................................................510 Literaturverzeichnis zu Kapitel 5.1 ......................................................................................512

500 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.1

Immobilienmärkte, Geldpolitik und die Gesamtwirtschaft Michael Hüther, Manfred Jäger, Michael Voigtländer

5.1.1

Zunehmende Bedeutung der Immobilienmärkte für die Geldpolitik

Die Entwicklung der Mieten und Immobilienpreise wird nicht nur von privaten Haushalten verfolgt, die ihre Wohnsituation ändern oder investieren möchten, sondern zunehmend auch von den Zentralbanken. Schließlich stellen die Wohnausgaben einen bedeutenden Faktor der Konsumausgaben dar und spielen für die Preisentwicklung eine wichtige Rolle. Bezogen auf den harmonisierten Verbraucherpreisindex der Europäischen Union haben die Wohnausgaben ein Gewicht von 6%, womit sie seit 1997 mit 0,1 Prozentpunkten zur Inflation im Gebiet der Europäischen Union beigetragen haben. In den letzten Jahren ist das Interesse der Zentralbanken an den Immobilienmärkten jedoch über diesen direkten Effekt auf die Preissteigerungsraten hinausgegangen. Nahezu alle großen Institutionen, wie beispielsweise die Europäische Zentralbank (2003), die OECD (2004), der Internationale Währungsfonds (2004) und die Europäische Kommission (2005), haben sich intensiv mit der Dynamik der Immobilienpreise und deren Einflussfaktoren beschäftigt. Es setzt sich zunehmend in der Forschung und der Politik die Einsicht durch, dass Immobilienmärkte eine bedeutende Rolle für die Transmission geldpolitischer Impulse spielen. Leitzinsänderungen können über die Immobilienpreise eine mittelbare Wirkung auf die Konjunktur einer Volkswirtschaft haben und so gegebenenfalls Aufschwünge und Abschwünge beeinflussen oder einleiten. Diese Erkenntnis ist mittlerweile auch in der Wirtschaftspresse angekommen, wie u. a. die Titelgeschichte des Economist („The global housing boom“) vom 16. Juni 2005 verdeutlicht. Insbesondere der starke Immobilienpreisanstieg in den USA, der häufig als spekulative Blase tituliert wird, weckt Sorgen über die Nachhaltigkeit des USamerikanischen Wirtschaftswachstums (vgl. Internationaler Währungsfonds (2005). Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei die Wohnimmobilien. Auch die Preise von Gewerbeimmobilien sind zwar zinsreagibel, aber die Eigentümer von Gewerbeimmobilien reagieren mutmaßlich schwächer auf die damit einhergehenden Vermögenseffekte, so dass sie für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage eine geringere Bedeutung haben. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass die Entscheidung über Gewerbeimmobilien den Ausrüstungsinvestitionen folgt und daher – vor allem mit Blick auf das Erweiterungsmotiv – von den mittel- und langfristigen Ertragsaussichten bestimmt wird. Man muss jedoch feststellen, dass die Bedeutung der Gewerbeimmobilienmärkte für die Gesamtwirtschaft bislang von der Forschung nur am Rande aufgegriffen wurde, was u. a. an der schwierigen Datenlage liegt. Im ersten Teil dieses Kapitel sollen die grundlegenden theoretischen Zusammenhänge zwischen Immobilienpreisen, der Gesamtwirtschaft und der Geldpolitik aufgezeigt werden.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

501

Dabei soll auch darauf eingegangen werden, welche Faktoren die Transmission geldpolitischer Impulse besonders verstärken und vor welchen Herausforderungen die Geldpolitik steht. Im zweiten Teil dieses Kapitels wird die empirische Seite dieser Zusammenhänge näher betrachtet. Anhand der Beispiele USA, Großbritannien und Deutschland zeigt sich, welche besondere Bedeutung der institutionellen Ausgestaltung der Immobilien- und Hypothekenmärkte zukommt.

5.1.2

Wechselwirkungen zwischen Immobilienmarkt, Geldpolitik und Konjunktur

Für das Verständnis der Transmissionsmechanismen ist es hilfreich sich zu vergegenwärtigen, welche fundamentalen Faktoren den Immobilienpreis bestimmen. Der Vermögenswert einer Investition beruht grundsätzlich auf den jährlichen, diskontierten Einnahmen abzüglich der Ausgaben. Bezogen auf Immobilien bedeutet dies, dass der Marktpreis der Immobilien zum einen durch die Nettomieteinnahmen (bzw. im Fall selbstgenutzter Immobilien durch die gesparten Mietkosten), und zum anderen durch den Diskontfaktor, der in der Regel dem Kapitalmarktzins (zuzüglich einer geeigneten Risikoprämie) entspricht, determiniert wird. Je höher die Nettomieteinnahmen sind und je geringer die Verzinsung alternativer Kapitalanlagen ist, desto höher fällt der Immobilienpreis aus. Für die Geldpolitik sind vor allem Immobilienpreisänderungen aufgrund von Zinssatzänderungen relevant. Der Grund für die eingeschränkte Bedeutung von Immobilienpreisschwankungen aufgrund veränderter (erwarteter) Mietpreise wird deutlich, wenn man die Verteilungswirkungen der beiden Einflussgrößen näher betrachtet. Steigen die Nettomieteinnahmen oder erwarten die Marktakteure eine solche Entwicklung, realisieren die Eigentümer der Immobilien einen Vermögenszuwachs. Auf der anderen Seite stellen sich jedoch potenzielle Immobilienkäufer und Mieter schlechter, da sie zum Erwerb einer Immobilie mehr sparen bzw. eine höhere Miete zahlen müssen. Auf der Aggregatebene können sich die beiden Effekte ausgleichen, so dass ein spürbarer Impuls für die Gesamtwirtschaft ausbleibt. Nur wenn die Quote der Selbstnutzer sehr hoch ist oder aber die Konsumneigung der betroffenen Gruppen sehr unterschiedlich ist, gehen von den Mietpreisänderungen signifikante Wirkungen auf die Gesamtnachfrage aus. Anders stellt sich hingegen die Situation bei Zinssatzänderungen dar. Sinken die Zinsen, also die Erträge alternativer Kapitalanlagen, realisieren die Eigentümer einen Vermögensgewinn, ohne dass die Mieter zusätzlich belastet werden. Auch potenzielle Käufer, die für den Immobilienerwerb hauptsächlich Fremdkapital verwenden möchten, werden nicht schlechter gestellt, weil sie aufgrund der gesunkenen Zinsen mit geringeren Hypothekenzinsen belastet werden. Dieser Betrachtungsweise von Zinsänderungen liegt jedoch die Annahme zugrunde, dass die Zinsänderung dauerhaft und nicht in Folge veränderter kurzfristiger Inflations- oder Wachstumserwartungen auftritt. Wie sich Zinsänderungen über die Immobilienpreisentwicklung auf die Gesamtwirtschaft auswirken können, soll im Folgenden anhand von Abbildung 136 dargestellt werden.

502 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Europäische Kommission (2005), S. 30. Abbildung 136: Der immobilienwirtschaftliche Transmissionsmechanismus

Ausgangspunkt sind immer die geldpolitischen Instrumente der Zentralbank, die die Geldmengenexpansion und die Refinanzierungssätze der Banken bestimmen. Für den Fall der Europäischen Zentralbank sind vor allem die Hauptrefinanzierungsgeschäfte relevant, da sie bestimmen, zu welchen Konditionen Geschäftsbanken liquide Mittel erhalten können. Betreibt die Zentralbank eine expansive Geldmengenpolitik, sinken die Refinanzierungskosten der Banken, und sie werden im Wettbewerb diesen Vorteil an die Kunden weitergeben, d.h. die Kreditzinsen sinken. Aktien, Anleihen und andere Anlageformen wie z.B. Immobilien sind dann bei zunächst unveränderten Kursen bzw. Preisen relativ attraktiver, so dass die Nachfrage nach ihnen steigt. Bei einem kurzfristig unelastischen Angebot bewirkt dies eine Preissteigerung. In der Regel ist davon auszugehen, dass die zusätzliche Nachfrage zunächst nicht durch Neubauten gedeckt werden kann, so dass die Immobilienpreise jedenfalls kurz- und mittelfristig steigen werden. Weiterhin wirkt sich preissteigernd aus, dass die Hypothekenzinsen infolge der verbesserten Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken sinken. Somit wird der Eigentumserwerb gegenüber dem Mieten relativ günstiger, und es werden mehr Haushalte in die Lage versetzt Eigentum zu erwerben. Auch hier ist wieder damit zu rechnen, dass aufgrund der langen Bautätigkeit die Nachfrageerhöhung nach Immobilien zu einer Preiserhöhung führt. Höhere Immobilienpreise können über zwei Mechanismen den privaten Konsum und somit die Konjunktur stimulieren: Erstens über den Vermögenseffekt und zweitens über den Kreditkanal. Dabei sind beide Mechanismen nicht isoliert zu betrachten, sondern bedingen sich gegenseitig.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

503

Nach dem Vermögenseffekt werden Haushalte ihre Konsumneigung erhöhen, weil sie nun über ein größeres Vermögen verfügen: Sowohl nach der Lebenszyklustheorie von Franco Modgliani et al. (1954) als auch gemäß der Theorie des permanenten Einkommens von Milton Friedman (1957) ist das Gesamtvermögen verantwortlich für das Konsumniveau. Tendenziell werden Haushalte in Anbetracht ihres gestiegenen Vermögens andere Ersparnisse auflösen und/oder ihre Sparaktivitäten reduzieren. In beiden Fällen führen gestiegene Immobilienpreise zu einem höheren privaten Konsum. Maßgeblich verstärkt werden kann der Vermögenseffekt durch den Kreditkanal, dem insbesondere in den letzten Jahren in der Forschung verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt wurde (vgl. z. B. Tsatsaronis und Zhu, 2004). Gewöhnlich ist es privaten Haushalten aufgrund von Kreditmarktrestriktionen nicht möglich in beliebiger Weise Kredite aufzunehmen, selbst wenn ihr zukünftiges Einkommen im Prinzip eine Finanzierung erlauben würde. Sie müssen Sicherheiten nachweisen, um das Ausfallrisiko für die Bank zu reduzieren (vgl. Stiglitz und Weiss, 1971). Da Immobilien weithin als Sicherheiten fungieren, bedeuten steigende Immobilienpreise, dass die Haushalte zusätzliche Kreditmöglichkeiten erhalten. Eine Möglichkeit zur Realisierung des zusätzlichen Konsums besteht über das gerade im angelsächsischen Raum gebräuchliche Mortgage Equity Withdrawal (MEW) . Hiernach können Immobilieneigentümer ihren Hypothekenkredit bei steigenden Vermögenswerten aufstocken, um so zusätzliche Konsummöglichkeiten zu erhalten. Außerdem, und hier wird die Verbindung zum Vermögenseffekt besonders deutlich, kann der Preisanstieg den Immobilienbesitzer dazu bewegen, anderweitige, bisher nicht genutzte Kreditmöglichkeiten zu ergreifen, beispielsweise in Form von Verbraucherkrediten. Hypothekensystem Eigenheimquote

Zinsanpassung*

ME W

Beleihungsgrenze

Bewertungs methode

Grunderwerbsteuer

Deutschland

42,2%

Fix

Nein

60%

Historischer Wert

3,5%

Großbritannien

71,3%

Variabel

Ja

90%-100%

Marktwert

1%-4%

USA

66,9%

Fix

Ja

75%-80%

Marktwert

1%-2,625%

Quelle: Vereinte Nationen (2004), Kostas und Tsatsaronis (2004) und Europäische Zentralbank (2003). *Die Angaben zur Zinsanpassung gelten für den überwiegenden Teil der Hypothekendarlehen. In den USA sind z.B. zwischen 30% und 40% der Hypothekenzinsen variabel (z.B. Fahey, 2004). In den USA, im Gegensatz zu Deutschland, ist eine Umfinanzierung mit geringer Vorfälligkeitsentschädigung möglich. Tabelle 50: Ausgewählte Charakteristika der Immobilienmärkte in Deutschland, Großbritannien und den USA

Schließlich wird der private Konsum auch direkt über den Rückgang der Hypothekenzinsen belebt. Da die Hypothekennehmer geringere Zinszahlungen leisten müssen, sinkt ihre Finanzierungslast und sie erhalten einen größeren Spielraum für Konsumausgaben.

504 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Über das Zusammenspiel von Vermögenseffekt und Kreditkanal kann der immobilienwirtschaftliche Transmissionsmechanismus besonders effektiv geldpolitische Impulse auf die Gesamtwirtschaft übertragen. Besonders für die USA wird vermutet, dass die Binnennachfrage wesentlich durch steigende Immobilienpreise getragen wird (vgl. Internationaler Währungsfonds 2005). Allerdings birgt dies auch Gefahren, insbesondere wenn sich aufgrund zunehmender Spekulation die Immobilienpreise von den Fundamentalwerten, eben Zinsen und Mieterträgen, abkoppeln. In einem solchen Fall könnte eine notwendige Zinserhöhung, beispielsweise aufgrund von inflationären Tendenzen, zu einem drastischen Immobilienpreisverfall führen. Neben dem direkten Effekt der Zinserhöhung auf die Immobilienpreise könnte ein solcher Schritt auch spekulative Anleger zu einem Rückzug aus dem Immobilienmarkt bewegen, was den Preisverfall deutlich verstärkt. Haushalte, die Hypothekendarlehen ohne feste Zinsbindung oder mit kurzen Laufzeiten gewählt haben, trifft dies in doppelter Hinsicht: Erstens, weil sich ihre Schulden relativ zum Vermögen erhöhen, und zweitens, weil sie aufgrund der Zinserhöhungen auch höhere Hypothekenzinsen tragen müssen. Ein Crash auf dem Immobilienmarkt kann sich so leicht auf die Gesamtwirtschaft übertragen. Unabhängig von den Möglichkeiten eines Booms oder Crashs auf den Immobilienmärkten bleibt festzuhalten, dass der immobilienwirtschaftliche Transmissionsmechanismus ein besonders wichtiges Vehikel für die Geldpolitik darstellt und daher ständig beobachtet werden sollte. Allerdings ist zu beachten, dass die Effektivität der dargelegten Transmissionsmechanismen nicht nur von dem Verhalten der privaten Haushalte abhängt, sondern zu einem wesentlichen Teil auch von den institutionellen Gegebenheiten. Im Folgenden sind beispielhaft einige Punkte aufgeführt, die den Transmissionsmechanismus maßgeblich beeinflussen können: •

Eigenheimquote: Je höher die Eigentumsquote in einer Volkswirtschaft ist, desto stärker wirkt der Vermögenseffekt.



Zinsanpassung der Hypothekendarlehen: Bei fixen Zinssätzen bleibt der Kreditkanal für bereits bestehende Verträge weitgehend wirkungslos.



Möglichkeit des Mortgage Equity Withdrawal: Sofern diese Möglichkeit ausgeschlossen wird, fehlt den Haushalten das maßgebliche Instrument zur Liquidierung ihrer Vermögensgewinne.



Beleihungsgrenze und –bewertung: Je geringer die Beleihungsmöglichkeiten sind, desto weniger stark wirkt der Kreditkanal. Wichtig ist dabei auch die Bewertungsgrundlage der Beleihungsgrenze. Wenn von historischen Werten ausgegangen wird, kann der gestiegene Marktpreis nicht als Sicherheit fungieren.



Transaktionssteuern: Hohe Transaktionssteuern, wie beispielsweise die Grunderwerbsteuer, behindern den Handel mit Immobilien und stehen damit der Liquidierung von Immobilienvermögen zu Konsumzwecken entgegen.

Wie die Tabelle 50 zeigt, sind die institutionellen Regelungen hinsichtlich dieser Punkte in Deutschland, Großbritannien und den USA sehr unterschiedlich. Welche Wirkung dies auf

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

505

den Zusammenhang von Konjunktur und Immobilienmarkt hat, soll im Folgenden ergründet werden.

5.1.3

Empirische Befunde – Determinanten der Immobilienpreise

Die Abbildung 137 zeigt, dass es in der Tat einen Zusammenhang zwischen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Anstieg des nominalen Bruttoinlandsproduktes (BIP)) und der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise (kurz WIP) gibt (die Wohnimmobilienpreise werden durch einen Preisindex für Reihenhäuser abgebildet, da diese am ehesten vergleichbar sind).

Quelle: BulwienGesa AG und Statistisches Bundesamt; Eigene Berechnungen Abbildung 137: Zusammenhang nominales BIP und WIP

Man erkennt ferner an der Abbildung 138, dass sich in den Jahren 1983 bis 1987 und 1996 bis 1998 die Reihenhauspreise von der Konjunktur „abgekoppelt“ haben. Diese beiden Perioden mit einer schwachen Immobilienpreisentwicklung folgten jeweils auf Phasen mit einer schwachen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Das läst die Vermutung zu, dass der Immobilienmarkt mit einer Verzögerung der Konjunktur nach oben folgt. Die Abbildung 138 und Abbildung 139 zeigen den Zusammenhang zwischen den Wohnimmobilienpreisen und dem BIP Deflator. Diese Abbildungen unterstützten die beiden Beobachtungen: WIP und der BIP Deflator sind miteinander korreliert und die WIP Entwicklung wird besonders durch die

506 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Entwicklung während der Perioden 1983 bis 1987 und 1996 bis 1998 geprägt. Diese Beobachtungen geben einen ersten Eindruck über den Zusammenhang von Konjunktur und WIP.

Quelle: BulwienGesa AG und Statistisches Bundesamt Abbildung 138: Verlauf der Veränderungsraten: Nominales BIP, WIP und BIP Deflator

Die OECD (2004) hat in einer umfassenden Studie für die OECD Länder so genannte stilisierte Fakten des Zusammenhangs zwischen der Wohnimmobilienpreisentwicklung und der Konjunktur herausgearbeitet. •

In allen OECD Ländern gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen der Konjunktur und der Immobilienpreisentwicklung, wobei die Immobilienpreisentwicklung sich mit einer Verzögerung relativ zur Konjunktur bewegt. Die Verzögerungen zwischen der Immobilienpreisentwicklung und der Konjunktur variieren sowohl zwischen den Ländern als auch zwischen den Zyklen. Es gibt also keine stabile Verzögerungsstruktur.



Die Anpassung der Immobilienpreise an die Konjunktur verläuft gradueller als bei anderen Wertpapierkursen. Es ist zwar nicht so, dass jede Spitze der Aktienkursentwicklung von einem Immobilienpreisanstieg gefolgt wird, aber die Wahrscheinlichkeit für einen Immobilienpreisanstieg ist höher nach einer Aktienkursspitze.



Das Absinken der Immobilienpreise nach einer schwachen Konjunktur ist moderater, wenn die Zinsreduktion relativ moderat ist.



In den meisten Ländern gibt es eine positive Korrelation zwischen dem privaten Konsum und den Immobilienpreisen. Allerdings variiert der Grad der Korrelation zwischen den Ländern stark.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

507

Quelle: BulwienGesa AG und Statistisches Bundesamt; Eigene Berechnungen Abbildung 139: Zusammenhang BIP Inflation und WIP Inflation

Die Ergebnisse der deskriptiven Analysen belegen den Zusammenhang zwischen der Konjunktur und den Immobilienmärkten. Weiterführende Untersuchungen wurden mit ökonometrischen Methoden durchgeführt: (1) Zunächst stehen Studien im Fokus, die untersuchen, welchen Einfluss die WIP auf die Konsumption der privaten Haushalte haben. (2) Danach stellen wir empirische Studien vor, welche die Determinanten der WIP untersuchen. Ein Wirkungskanal, der in der theoretischen Betrachtung hervorgehoben wurde, ist der Effekt eines höheren Immobilienvermögens auf die Konsumption der privaten Haushalte. Der konjunkturelle Impuls, der von den Wohnimmobilienpreisen auf die Nachfrage ausgeht, wird durch die marginale Grenzrate der Konsumption bezüglich der WIP dargestellt. Dabei ist es zweckmäßig die kurzfristigen und langfristigen Effekte zu trennen. Eine Möglichkeit, diesen Zusammenhang zu untersuchen, stellt die Anwendung eines so genannten Fehlerkorrekturmodells (Error Correction Model, ECM) dar (z.B. OECD (2004) and Catte et al. (2004)): Δc =α0 (c −β0 −β1 p −... weitereTerme ...) +α1Δc−1 +α2Δp +... weitereVerzögerungsterme ... +ε .

508 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Dabei bezeichnet c die private Konsumption, Δc die Veränderung von c, p den Preis der Wohnimmobilien und Δp dessen Veränderung. Die Beziehung in den Klammern misst den langfristigen Zusammenhang zwischen c und p. Die beiden nächsten Terme fangen kurzfristige Dynamiken auf und ε ist der Fehler der Schätzgleichung. Die Mechanik hinter dieser Gleichung ist leicht einzusehen. Wenn c und β 0 + β 1 p auseinander fallen, d.h. wenn die Konsumption und die WIPs nicht ihre Langfristbeziehung einhalten, dann ergibt sich eine Anpassung. Oder anders gewendet: Eine Verletzung des Gleichgewichts führt zu einer Anpassung hin zum langfristigen Gleichgewicht. Die kurzfristigen Terme fangen die Persistenz in der Dynamik auf: Ein Schwung, der in der Preisentwicklung enthalten ist, setzt sich auch in der Folgeperiode unmittelbar fort, selbst wenn die Langfristbeziehung eingehalten werden würde. Das Fehlerkorrekturmodell ermöglicht die Unterscheidung der kurzfristigen und langfristigen Elastizität der Konsumption bezüglich der WIP. Basierend auf einem ECM schätzen Catte et al. (2004) die kurzfristige und langfristige Elastizität der privaten Konsumption bezüglich der Wohnimmobilienpreise. Dabei ergibt sich für unsere Beispielländer, dass in Tabelle 51 dargestellte Bild: Kurzfristig

Langfristig

Deutschland

nicht signifikant

nicht signifikant

Großbritannien

0.08

0.07

USA

nicht signifikant

0.05

Tabelle 51: Langfristige und kurzfristige Effekte des Wohnimmobilienvermögens auf die private Konsumption; Quelle: Catte et al. (2004), S. 136

Während in den USA und in Großbritannien der Wirkungskanal vom Wohnimmobilienvermögen auf die private Konsumption zumindest langfristig wirksam ist, scheint er für Deutschland unwirksam zu sein. Als Erklärung für die unterschiedlichen Wirkungszusammenhänge schlagen Catte et al. (2004) die Besonderheiten der nationale Hypothekenkreditmärkte vor. Zur Bestätigung dieser These untersuchen sie den Zusammenhang zwischen der Grenzrate der Konsumption bezüglich des Wohnimmobilienvermögens und den Charakteristiken des Hypothekenkreditmarktes. Sie finden den vermuteten positiven Zusammenhang zwischen der Tiefe des Hypothekenkreditmarktes und der marginalen Grenzrate der Konsumption bezüglich des Wohnimmobilienvermögens. Die Studie bestätigt die im theoretischen Teil entwickelte These, dass die Entwicklung des Hypothekenkreditmarktes ein wichtiger Faktor zur Erklärung des Zusammenhangs des Immobilienmarktes und der Konjunktur ist. Es ist daher zu vermuten, dass der Wohnimmobilienmarkt nicht zur einer Verbesserung der deutschen Konjunktur beitragen kann, selbst wenn die Wohnimmobilienpreise steigen. Anders als in den USA oder in Großbritannien können die privaten Haushalte ihre Konsumption allenfalls geringfügig ausweiten, wenn das Wohnimmobilienvermögen wächst. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Rahmen der Immobilienfinanzierung ändert (flexibilisiert). Sollte dies geschehen, dann ist zu vermuten, dass der Wirkungskanal von den Wohnimmobilienpreisen auf die Konsumption stärker wird.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

509

Im Folgenden werden Studien zu den makroökonomischen Determinanten der WIP vorgestellt. Kasparova und White (2001) schätzen eine Fehlerkorrekturgleichung für Deutschland, wobei die erklärte Variable der WIP ist und die erklärenden Variablen der Hypothekenzins, das BIP, die Bevölkerungsgröße und „Housing starts/Fertigstellungen“ sind. Ihre Ergebnisse bestätigen die theoretischen Überlegungen des vorgehenden Abschnittes und die deskriptiven Statistiken: Der langfristige und der kurzfristige Koeffizient des BIPs sind positiv und signifikant und die Koeffizienten des Hypothekenzinses sind negativ und signifikant. Tsatsaronis und Zhu (2004) verwenden ein SVAR (strukturiertes Vektorautoregressives) Modell zur Analyse der Determinanten der WIP (vgl. Tabelle 52). Ihr Modell enthält sechs endogene Variablen, die in dem Vektor Y zusammengefasst sind: die Wachstumsrate der WIP, die Wachstumsrate des BIP, die Inflationsrate (gebildet aus dem Verbraucherpreisindex), den kurzfristigen Zinssatz, die Spanne zwischen dem langfristigen und dem kurzfristigen Zinssatz und die Wachstumsrate der realen (deflationierten) Bankkredite. Ein VAR Modell hat die folgende Form:

Y = A0 + A1Yt −1 + A2Yt − 2 + ... + ε , wobei der Störterm seriell unkorreliert ist, aber kontemporäre Korrelationen zugelassen sind (vgl. z.B. Lütkepohl und Krätzig (2004)). Effekt auf WIPs verursacht durch: Wachstum des BIP

Anteil 7.6%

Wachstum der WIPs

7.4%

Wachstum des realen Kreditvolumens

11.4%

Kurzfristiger Zinssatz

10.8%

Spanne zw. kurz- und langfristigem Zinssatz

9.8%

Inflation

53.0%

Tabelle 52:Varianzzerlegung (Zeithorizont ist 5 Jahre); Quelle: Tsatsaronis und Zhu (2004, S. 74)

VAR Modelle können leicht geschätzt werden, besitzen jedoch den Nachteil, dass sich die Schocks nicht einzelnen ökonomischen Strukturmerkmalen zuordnen lassen, d.h. wir können mit einem VAR Modell nicht ohne weiteres die geldpolitischen Schocks herausfiltern. Um ein strukturiertes VAR Modell zu erhalten, müssen identifizierende Annahmen getroffen werden. Im Falle von Tsatsaronis und Zhu sind dies mehr oder minder gut theoretisch fundierte Annahmen über die Wirkungsrichtung der Schocks. Mit dem SVAR Modell kann schließlich eine Zerlegung der Schwankungen der WIP vorgenommen werden (vgl. z.B. Enders (2004, S. 278ff.)): Man kann also schätzen, welchen Beitrag Schocks der einzelnen endogenen Variablen zu den Schwankungen der WIP beitragen. Die wichtigste Quelle der Schwankungen der WIP sind demnach Inflationsschocks. An zweiter Stelle folgen die kreditmarktrelevanten Variablen: Kreditvolumen, Zinssatz und

510 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Zinsspanne. Sie erklären zusammen knapp ein Drittel der Schwankungen der WIPs. Da diese Variablen von der Geldpolitik beeinflusst werden, stützt die Studie die These, dass von der Geldpolitik ein wichtiger Effekt auf die WIPs ausgeht. Insbesondere ermitteln Tsatsaronis und Zhu (2004) anhand der Impulsreaktionsfunktion, dass eine Reduktion des realen Zinssatzes um 1% innerhalb von zwei Jahren zu einem Anstieg der WIPs von 1.2% führt. Etwas überraschend hat die Einkommenssituation der Haushalte, die durch das BIP abgebildet wird, den geringsten Einfluss unter den betrachteten Variablen. Jäger und Voigtländer (2006) untersuchen mit einem ähnlichen Ansatz, wie sich die Ausgestaltung der Hypothekensysteme auf die Zinsreagibilität der Immobilienpreise auswirkt. Hiernach zeigt sich, dass in Ländern mit überwiegend variablen Darlehen die Immobilienpreise sehr viel stärker auf Zinsschocks reagieren als in Ländern mit überwiegend festverzinslichen Darlehen. Dies bestätigt die besondere Bedeutung der Hypothekenmärkte für den geldpolitischen Transmissionsmechanismus. Iacoviello (2002) liefert ebenfalls eine SVAR Studie zur Transmission monetärer Schocks. Seine Untersuchung verwendet eine anspruchsvollere Identifikationstechnik und orientiert sich mehr an den Standardmodellen zur Transmission monetärer Schocks. Der Leitgedanke der Identifikation ist nicht eine Ordnung bzw. Richtung der Effekte wie bei Tsatsaronis und Zhu (2004) und Jäger und Voigtländer (2006), sondern die Unterscheidung zwischen Schocks, die einen langfristigen Effekt haben können (Angebotsschocks) und solchen, die reale Größen nur temporär verändern können (monetäre Schocks). Iacoviello (2002) untersucht sechs europäische Länder: Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Schweden und Großbritannien. Wie Tsatsaronis und Zhu (2004) führt auch Iacoviello eine Varianzzerlegung durch, d.h. er schätzt den anteiligen Beitrag einzelner Schocks zur Varianz der WIP. Seine Ergebnisse unterstreichen dabei die Rolle der monetären Schocks für die kurzfristigen Schwankungen der WIP: Es ergeben sich Beiträge zwischen 5% für Deutschland und 40% für Frankreich. Dabei muss man hervorheben, dass Iacoviello (2002) unter monetären Schocks nur die Schocks versteht, die sich direkt auf die Geldmenge beziehen. Beachtet man die indirekten Wirkungen über die Zinssätze und die Nachfrage, dann würde der Geldpolitik eine noch größere Rolle zu kommen. Die Integration der Immobilienmärkte in makroökonomische Modelle stellt ein dynamisches Forschungsfeld dar, von dem hier nur ein grober Überblick gegeben werden kann. Weitere Studien auf diesem Gebiet sind insbesondere Iacoviello (2005) und Ahearne et al. (2005).

5.1.4

Ausblick

Immobilien sind nicht nur für Haushalte als beliebte Form der Vermögensanlage von Bedeutung, sondern spielen auch für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Rolle. Wie sich jedoch zeigt, hängt die Bedeutung dieses Zusammenhangs in besonderem Maße von der institutionellen Ausgestaltung des Immobilien- und Hypothekenmarktes ab. In Ländern wie Deutschland, wo der Immobilienkauf überwiegend mit festverzinslichen Darlehen finanziert wird, wirken sich Zinsänderungen wesentlich weniger stark auf Immobilienpreise aus als in angelsächsischen Ländern. Damit ist die Funktionsfähigkeit des Immobilienmarktes als geldpolitischer Transmissionsmechanismus eingeschränkt, wodurch geldpolitische

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

511

Impulse weniger effektiv sind. Dies kann mitunter die Chancen auf einen Aufschwung mindern. Auf der anderen Seite ist die Volkswirtschaft hierdurch auch weniger anfällig für konjunkturelle Krisen (Jäger und Voigtländer, 2006). Welcher Aspekt wichtiger ist, wird die weitere Forschung erst noch zeigen müssen. Eine weitere offene Frage in diesem Zusammenhang betrifft die geldpolitische Strategie. Angesichts der Bedeutung der Immobilienmarktentwicklung scheint es nahe liegend zu sein, die geldpolitische Strategie nicht nur an den Verbraucherpreisen, sondern auch an den Vermögenspreisen auszurichten. Doch genau dies ist höchst umstritten. Bernanke und Gertler (1999) geben beispielsweise zu bedenken, dass eine solche Handlungsweise der Spekulation auf den Immobilienmärkten neuen Auftrieb geben könnte, was insgesamt zu einer größeren Instabilität der Volkswirtschaft beitragen würde. Darüber hinaus stehen die Notenbanken vor einem Messproblem: Wann liegt eine Überbewertung vor? Während z.B. der Economist (2005) eine Blase für die USA konstatiert, finden Gilles et al. (2005) lediglich Anzeichen für eine leichte Überbewertung. Die Studie der Dekabank zeigt, dass je nach Verfahren zur Ermittlung des fundamentalen Wertes von Wohnimmobilien stark variierende Ergebnisse möglich sind. Eine vertrauenserweckende Geldpolitik benötigt belastbare Zahlen. Schon aus diesem Grund wäre ein starker Fokus auf Wohnimmobilienpreise problematisch. In Deutschland sind die Immobilienmärkte sowohl von der Wissenschaft als auch von der Politik in den letzten Jahren stark vernachlässigt worden. Angesichts der aufgezeigten Wechselwirkungen zwischen der Gesamtwirtschaft und den Immobilienmärkten bleibt jedoch zu hoffen, dass die Immobilienökonomie als dynamisches Forschungsfeld zukünftig einen höheren Stellenwert erhält.

512 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

Literaturverzeichnis zu Kapitel 5.1 Ahearne, A.G., J. Ammer, B.M. Doyle, L.S. Kole, und R. F. Martin: House Prices and Monetary Policy: A Cross-Country Study, International Finance Discussion Papers, Board of Governors of the Federal Reserve, 2005. Barnanke, B. und M. Gertler: Monetary Policy and Asset Price Volatility, Economic Review, Federal Reserve Bank of Kansas City, 1999. Catte, P., N. Girouard, R. Price und C. André: The Contribution of Housing Markets to Cyclical Resilience, OECD Economic Studies No. 38, 2004. Fahey, J. N.: The Pluses and Minuses of Adjustable-Rate Mortgage, FannieMae Papers, Jg. 3, Heft 4, 2004. Gilles, P., K. Junius, G. Meyke und S. Subroweit: Die fundamentale Bewertung von Wohnimmobilien in zehn Industrienationen, Konjunktur – Zinsen – Währungen, Dekabank, Nr. 4, S. 2-9, 2005. Enders, W.: Applied Econometric Tiem Series, John Wiley & Sons, 2004 Europäische Kommission: Quaterly Report on the Euro Area, Nr. II, Brüssel, 2005 Europäische Zentralbank: Structural Factors in the EU Housing Markets, Frankfurt am Main, 2003 Friedman, M.: A Theory of the Consumption Function, Princeton, 1957 Iacoviello, M.: House Prices and Business Cycles in Europe: a VAR Analysis, Boston College Working Paper, 2002. Iacoviello, M.: House Price, Borrowing Constraints, and Monetary Policy in the Business Cycle, in: American Economic Review, Jg. 95, S. 739-764, 2005. Internationaler Währungsfonds: World Economic Outlook, September, Washington D. C., 2004 Internationaler Währungsfonds: United States of America, Selected Issues, July, Washington D. C., 2005 Kasparova, D. und M. White: The Responsiveness of House Prices Macroeconomic Forces: A Cross-Country Comparison, European Journal of Housing Policy, Jg. 1, S. 385-416, 2001. Lütkepohl, H. und M. Krätzig: Applied Time Series Econometrics, Cambridge University Press, 2004

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

513

Modigliani, F. und R. Brumberg: Utility Analysis and the Consumption Function: An Interpretation of Cross Section Data, in: Kurihara, K. (Hrsg.), Post-Keynesisan Economics, New Brunswick, S. 388-436, 1954 OECD: Economic Outlook, Nr. 75, Paris, 2004 o. V.: The global housing boom, in: The Economist, 16. Juni 2005 Stiglitz, J. E. und A. Weiss: Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, in: American Economic Review, Jg. 71, S. 393-411, 1971. Tsatsaronis, K. und H. Zhu: What drives housing price dynamics: cross-country evidence, in: BIS Quaterly Review, März, S. 65-78, 2004 Vereinte Nationen: Bulletin of Housing Statistics for Europe and North America, New York, 2004

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.2

515

Steuerung der Flächennutzung und von Allokationsentscheidungen durch öffentliche Planung Michael Krautzberger

5.2.1

Steuerung der Flächennutzung durch Gemeindliche Bauleitplanung ............516 5.2.1.1 Das öffentliche Bau- und Planungsrecht ist ein vielschichtiges Regelungssystem...................................................................516 5.2.1.2 Für die Entwicklung der Standorte tragen unterschiedliche Planungen Verantwortung .............................................................................517 5.2.1.3 Zur Bedeutung der Raumordnung für die kommunale Flächenausweisung ..518 5.2.1.4 Die zentrale kommunale Verantwortung .......................................................520 5.2.2 Wie weit reicht die Baufreiheit? ....................................................................520 5.2.2.1 Inhalt der Baufreiheit .....................................................................................520 5.2.2.2 Bedeutung des Eigentumsrechts für die Bauleitplanung................................521 5.2.2.2 Kein Anspruch auf Bauleitplanung................................................................521 5.2.3 Zentrale gesetzliche Vorgaben für die kommunale Bauleitplanung ..............522 5.2.3.1 Allgemeine Vorgaben ....................................................................................522 5.2.3.2 Vorbereitung und Leitung der Grundstücksnutzung......................................523 5.2.3.3 Weitere Verfahren der städtebaulichen Planung............................................524 5.2.3.4 Keine Pflicht zur „lückenlosen“ Überplanung des Gemeindegebiets ............525 5.2.3.5 Arten der Bauleitpläne ...................................................................................526 5.2.3.6 Befugnis und Verpflichtung zur Bauleitplanung ...........................................526 5.2.3.7 Planerische Abwägung und planerische Zurückhaltung ................................527 Literaturverzeichnis zu Kapitel 5.2 ......................................................................................529

516 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.2

Steuerung der Flächennutzung und von Allokationsentscheidungen durch öffentliche Planung Michael Krautzberger

5.2.1

Steuerung der Flächennutzung durch Gemeindliche Bauleitplanung

5.2.1.1

Das öffentliche Bau- und Planungsrecht ist ein vielschichtiges Regelungssystem

Ob bauliche und sonstige Vorhaben verwirklicht werden können setzt nach der deutschen Rechtsordnung – so wie auch in den anderen Mitgliedsstaaten der EU - voraus, dass für den konkreten Standort die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für die Art und die Intensität der vorgesehenen Nutzung gegeben sind. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben bestimmt sich in erster Linie nach dem Baugesetzbuch des Bundes, das eingebettet ist in ein sehr weit verzweigtes System des öffentlichen Baurechts. Das öffentliche Baurecht umfasst die Gesamtheit der Rechtsvorschriften, die die Zulässigkeit und die Grenzen, die Ordnung und die Förderung der baulichen Nutzung des Bodens, insbesondere durch Errichtung, bestimmungsgemäße Nutzung, wesentliche Veränderung und Beseitigung baulicher Anlagen, betreffen. Die Gesetzgebungskompetenz für das öffentliche Baurecht ist nach dem Grundgesetz zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt. Das vom Bund geregelte öffentliche Baurecht umfasst das Städtebaurecht sowie zahlreiche fachgesetzliche Vorschriften über das Baugeschehen. Die wichtigste Rechtsquelle des Städtebaurechts ist das Baugesetzbuch. Mit dem Städtebaurecht sind die vom Bundesgesetzgeber geregelten Materien des öffentlichen Baurechts keineswegs abschließend beschrieben. Nachfolgend werden beispielhaft Rechtsbereiche genannt, die spezialgesetzliche Regelungen für das Bauen enthalten, die z. T. für alle Bauvorhaben, z. T. für Bauvorhaben in besonderer örtlicher Lage, teilweise nur für Sonderbauten gelten: Natur- und Bodenschutzrecht, Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Umweltprüfung, Immissionsschutzrecht, Zivilschutzrecht, Gewerbe- und Arbeitsstättenrecht, Wasserhaushaltsrecht, Bundesfernstraßenrecht, Fluglärmschutzrecht, Luftverkehrsrecht, Flurbereinigungsrecht, Gaststättenrecht, Heimarbeitsrecht, Atomrecht, Wasserstraßenrecht, Waldrecht, Personenbeförderungsrecht, Abfallrecht, Lebensmittelrecht, Arzneimittelrecht, Gesundheitsrecht, Tierschutzrecht, Energieeinsparungsrecht sowie Wohnungsbaurecht und Steuerrecht. Die wichtigsten Rechtsquellen für das öffentliche Baurecht der Länder sind die in allen 16 Bundesländern bestehenden Bauordnungen, die nach dem Vorbild einer von den Ländern unter Mitwirkung des Bundes gemeinsam erarbeiteten Musterbauordnung erlassen wurden.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

517

Das Bauordnungsrecht regelt die Ausführung der baulichen Anlagen auf dem Grundstück. Das materielle Bauordnungsrecht umfasst Vorschriften über die Errichtung, Erhaltung, Änderung, Nutzung und den Abbruch von baulichen Anlagen. Es dient der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (z. B. baukonstruktive Vorschriften), der Verhinderung von Verunstaltungen (Baugestaltungsrecht), der Berücksichtigung wohlfahrts- und sozialpflegerischer Belange (z. B. Vorschriften über Spielplatz-, Garagen- und Grünanlagenbaupflicht). Das formelle Bauordnungsrecht schafft vor allem die Grundlagen für bauaufsichtliche Verfahren (Genehmigung, Zustimmung, Anzeige, Kenntnisgabe). Auch im Landesrecht bestehen neben dem Bauordnungsrecht zahlreiche weitere für das öffentliche Baurecht bedeutsame Regelungen, z. B. in folgenden Bereichen: Denkmalschutz, Naturschutz, Landschaftspflege, Wasserrecht, Straßenrecht, Schulrecht, Feuerwehrrecht und Kommunalabgabenrecht. Rechtsquellen des öffentlichen Baurechts sind weiterhin die gemeindlichen Satzungen und Verordnungen, wie sie im Baugesetzbuch, aber auch in den Bauordnungen (z. B. Stellplätze, Kinderspielplätze, Gestaltungssatzungen) vorgesehen sind. Als Rechtsquelle für das öffentliche Baurecht ist aber auch die eigenständige Rechtsmaterie des Raumordnungsrechts zu nennen. Für den Bereich der Raumordnung hat der Bundesgesetzgeber nach Art. 75 Nr. 4 GG eine Rahmenkompetenz, für das Bundesgebiet als Ganzes eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz (BVerfGE 3, 407), von der er durch Erlass des Raumordnungsgesetzes (ROG) Gebrauch gemacht hat. Mit Ausnahme der Stadtstaaten (Berlin, Bremen, Hamburg) haben alle Bundesländer Landesplanungsgesetze erlassen. In den Stadtstaaten erfüllt der Flächennutzungsplan die Aufgaben der Landesplanung (§ 8 Abs. 1 S. 2 ROG).

5.2.1.2

Für die Entwicklung der Standorte tragen unterschiedliche Planungen Verantwortung

Die Bauleitpläne sind nach § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Die Bauleitplanung ist ein Kernbestandteil der kommunalen Planungshoheit und damit des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts der Gemeinde für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 GG; vgl. hierzu im Einzelnen § 2). Die gemeindliche Bauleitplanung ist eingebettet in übergreifende örtliche Planungen sowie in überörtliche Gesamt- und Fachplanungen. Auf gemeindlicher Ebene selbst steht die Bauleitplanung („horizontal“) in Beziehung zu anderen gemeindlichen Planungen, auch soweit diese nicht – wie die Bauleitplanung – gesetzlich vorgegeben und geregelt sind, vor allem den sonstigen oder auch „informellen Planungen“ wie z.B. der Stadtentwicklungs- oder Rahmenplanung und den städtebaulichen Gesamtkonzepten (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB). Gegenstand der gemeindlichen Bauleitplanung sind alle Flächen des jeweiligen Gemeindegebiets. Gegenstand der Bauleitplanung ist aber auch nur das Gemeindegebiet, d. h. die Gemeinde kann nicht Flächen außerhalb des Gemeindegebiets überplanen.

518 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Im Verhältnis zu benachbarten Gemeinden ergibt sich hieraus ein horizontaler Abstimmungsbedarf. Nach § 2 Abs. 2 BauGB sollen daher die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abgestimmt werden. Das Gemeindegebiet ist nicht nur Gegenstand der Bauleitplanung und sonstiger gemeindlicher Planungen, sondern es ist auch durch überörtliche Planungen erfasst: Durch die Raumordnung einschließlich der Regionalplanung und die Bauleitplanung wird derselbe Raum beplant. Wie bei der Bauleitplanung handelt es sich dabei um räumliche Gesamtplanungen, die jedoch ein überörtliches Gesamtkonzept verfolgen. Die Umsetzung und Konkretisierung dieser überörtlichen Planungen geschieht über die Anpassungspflicht der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung: § 1 Abs. 4 BauGB. Das Raumplanungs- und Städtebaurecht trägt dieser Überlagerung von hoheitlichen Planungen und Maßnahmen insbesondere durch Abstimmungs-, Konkurrenz- und Ausnahmeregelungen Rechnung. Den Abstimmungsbedarf berücksichtigt bereits § 14 Raumordnungsgesetz (ROG), wonach die öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts, die im Sinne des § 4 Abs. 3 ROG öffentliche Aufgaben wahrnehmen, ihre Planungen und Maßnahmen aufeinander und untereinander abzustimmen haben. Das Gemeindegebiet ist darüber hinaus Gegenstand von sonstigen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen anderer Hoheitsträger betroffen. Für die Bauleitplanung ist die Abstimmung mit den öffentlichen Planungsträgern dadurch gewährleistet, dass sie als Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange bei der Aufstellung von Bauleitplänen gem. § 4 BauGB möglichst frühzeitig beteiligt werden. Nach § 7 S. 1 BauGB haben sie ihre Planungen dem Flächennutzungsplan insoweit anzupassen, als sie diesem Plan nicht widersprochen haben. Im Verhältnis zur Bauleitplanung ist den in § 38 BauGB bezeichneten Fachplanungen ein Vorrang eingeräumt. Dieser Vorrang bezieht sich zum einen auf die materielle Freistellung des Fachplanungsträgers von den Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29 ff. BauGB). Sie bezieht sich zum anderen auch auf einen Vorrang gegenüber der Bauleitplanung und ihren Bindungswirkungen. Eine weitere Kollisionsregelung enthält § 29 Abs. 2 BauGB, wonach neben dem Bauordnungsrecht auch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bei der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben unberührt bleiben. Sofern daher nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften die Bebaubarkeit eines Grundstücks ausgeschlossen ist (z. B. durch Festlegung eines Landschaftsschutzgebiets), wird die Gemeinde daran gehindert, die Bebaubarkeit durch Bauleitplanung („einseitig“) durchzusetzen. Diese Regelung hat z. B. auch Bedeutung für das Denkmal- und Wasserrecht, für Anbaubeschränkungen nach den Straßen- und Wegegesetzen und für das Bundesimmissionsschutzrecht.

5.2.1.3

Zur Bedeutung der Raumordnung für die kommunale Flächenausweisung

Die Bauleitplanung ist Teil eines vertikalen und horizontalen Geflechts raumbezogener Planungen. Nach § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Die Anpassungspflicht bezieht sich auf den aufzustellenden Plan, seine Änderung,

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

519

Ergänzung oder Aufhebung. Bauleitpläne sind also auch an zeitlich nachfolgende Ziele der Raumordnung nachträglich anzupassen. Aus § 1 Abs. 4 BauGB ergibt sich weiterhin die Pflicht, Bauleitpläne erstmals aufzustellen, sobald und soweit dies zur Verwirklichung der Ziele der Raumordnung erforderlich ist. Die Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB widerspricht nicht der Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG. Die Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung gilt nur „im Rahmen der Gesetze“. Der selbstverantwortlich zu erledigende Aufgabenbereich der Gemeinde kann durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden, wenn der Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung dabei unangetastet bleibt und nicht innerlich ausgehöhlt wird. Der gemeindlichen Planung kann daher ein bestimmter Rahmen gesetzt werden, der sich aus überörtlichen Gesichtspunkten ergibt. Die Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB begründet kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung. Gegenüber dem Bürger und dem Investor entfalten die Ziele der Raumordnung allenfalls eine mittelbare Wirkung. Raumordnung ist die zusammenfassende und übergeordnete Planung und Ordnung des Raumes. Landesplanung ist die Raumordnung in den Ländern (§ 8 ROG). Auch die Regionalplanung (§ 9 ROG) ist Landesplanung, bezogen auf eine Teilfläche eines Landes, die größer ist als eine der Bauleitplanung unterliegende Einheit. Raumordnung, Landes- und Regionalplanung sind überörtliche („übergeordnete“) Planungen. Sie sind Gesamtplanungen („zusammenfassende Planungen“), die sich nicht – wie die Bauleitplanung – auf die Planung der Grundstücksnutzung beschränken, sondern auch die sonstigen raumbedeutsamen Bereiche (wie z. B. Wirtschaft, Verkehr, Umwelt, Bevölkerung) erfassen. Dem Bund steht für das Recht der Raumordnung gem. Art. 75 Nr. 4 die Rahmenkompetenz sowie für das Bundesgebiet als ganzes eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz „aus der Natur der Sache“ zu (BVerfGE 3, 407) zu, von der er durch das ROG Gebrauch gemacht hat. Die überörtliche Gesamtplanung durch Raumordnung wird hinsichtlich der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung über die Bauleitplanung wirksam. Durch die gemeindliche Bauleitplanung entfaltet sie Außenwirkung. Durch die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB wird diese Transformationsfunktion der Bauleitplanung sichergestellt. Die Ziele der Raumordnung setzen der gemeindlichen Bauleitplanung zwar einen verbindlichen Rahmen, der – um die Anpassungspflicht nach Abs. 4 auslösen zu können – auch hinreichend konkret sein muss. Da die Raumordnung den Konfliktausgleich auf landesplanerischer Ebene zu leisten hat, ist sie auf der nachgeordneten Ebene der Bauleitplanung zwar nicht der Überwindung, wohl aber einer Verfeinerung und Ausdifferenzierung zugänglich. Die Gemeinden können (und müssen) diesen Spielraum nutzen. So können sich auch innerhalb dieses Rahmens nicht vermeidbare Kollisionen und Zielkonflikte ergeben. Die Ziele der Raumordnung sind dabei der Abwägung nach Abs. 7 als Planungsvorgaben entzogen. Zielkonflikte, die sich innerhalb des hierdurch vorgegebenen Rahmens in Ausnahmefällen ergeben können, sind durch eine Abwägung der widerstreitenden überörtlichen und örtlichen Zielsetzungen so zu bewältigen, dass sowohl die Ziele der Raumordnung als auch die Aufgaben der Bauleitplanung optimal verwirklicht werden. Ein Bauleitplan, der der Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB nicht entspricht, ist nichtig. Die Planungspflicht der Gemeinde kann kommunalaufsichtlich durchgesetzt werden. Das

520 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Raumordnungs- und Landesplanungsrecht enthält weiterhin Regelungen zur Untersagung raumordnungswidriger Planungen und Maßnahmen (vgl. § 12 ROG) sowie Anpassungs- und Planungsgebote.

5.2.1.4

Die zentrale kommunale Verantwortung

§ 1 Abs. 1 BauGB bezeichnet als Aufgabe der Bauleitplanung die Vorbereitung und Leitung der baulichen und sonstigen Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde. Die sich hieraus ergebende Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung wird in § 1 Abs. 3 S.1 BauGB dadurch verdeutlicht, dass der Maßstab für die Befugnis wie für die Pflicht zur Aufstellung von Bauleitplänen die städtebauliche Entwicklung und Ordnung ist. Weiterhin wird in § 1 Abs. 5 S. 1 BauGB die Gewährleistung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung als Leitbegriff der Bauleitplanung hervorgehoben. Der Bauleitplanung kommt danach einerseits die Aufgabe zu, den ordnenden Rahmen für die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke zu setzen. Die Bauleitplanung soll andererseits auch eine Entwicklung der baulichen und sonstigen Nutzung vorbereiten und leiten, wie sie nach dem städtebaulichen Konzept der Gemeinde angestrebt wird. Gegenüber einer autonomen städtebaulichen Entwicklung als Ergebnis der sich jeweils verwirklichenden Grundstücksnutzungen hat die Bauleitplanung also sowohl die Aufgabe, zur geordneten städtebaulichen Entwicklung den planerischen Rahmen für die autonome Entwicklung zu setzen, als auch die Aufgabe der Verwirklichung städtebaulicher Entwicklungsvorstellungen. Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung stehen damit in einem Wechselspiel zur sich selbst steuernden städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Die Bauleitplanung verwirklicht ihre Aufgabe vor allem durch die Schaffung eines bestimmten „Angebots“ für die Grundstücksnutzung („Angebotsplanung“), wie z. B. durch Bereitstellung neuer Baugebiete, weiterhin durch rechtliche Absicherung und Einbindung einer voraussichtlichen städtebaulichen Entwicklung („Auffangplanung“), durch Begrenzung der autonomen Entwicklung, insbesondere durch planerische Aktualisierung und Konkretisierung der sich aus der Situationsgebundenheit des Grundeigentums ergebenden Schranken der Baufreiheit, sowie durch räumliche und sachliche Lenkung der Grundstücksnutzung in eine mit den Zielvorstellungen über die Entwicklung des örtlichen Gemeinwesens abgestimmte Richtung („Entwicklungsplanung“). Der Entwicklungsauftrag der städtebaulichen Planung, insbesondere als Aufgabe der positiven („physischen“) Gestaltung der Städte und Gemeinden durch das Gemeinwesen und die Schaffung der erforderlichen infrastrukturellen, funktionellen Vorkehrungen ist allerdings keineswegs etwas Neues, sondern so alt wie der Städtebau selbst.

5.2.2

Wie weit reicht die Baufreiheit?

5.2.2.1

Inhalt der Baufreiheit

Zum Inhalt des durch Art. 14 Grundgesetz (GG) geschützten Eigentums an Grund und Boden gehört auch das Recht zur baulichen Nutzung im Rahmen der Gesetze, also die sog. Baufreiheit, also das „Recht zum Bauen“. Die Baufreiheit im Sinne der baulichen Nutzbar-

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

521

keit eines Grundstücks beruht nicht auf einer öffentlich-rechtlichen Verleihung (z. B. durch die Bauleitplanung), sondern ist Bestandteil des Eigentumsrechts. Inhalt und Schranken der eigentumsrechtlichen Baufreiheit werden gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG durch die Gesetze bestimmt. Für den durch das BauGB gegenüber der baulichen und sonstigen Nutzung des Grundeigentums begründeten Planungsvorbehalt besagt dies Folgendes: Das durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Nutzungsrecht wird durch die Bauleitplanung inhaltlich ausgeformt und beschränkt. Soweit die Zulässigkeit der baulichen oder sonstigen Nutzung nicht durch gemeindliche Bauleitplanung geregelt ist, bestimmt sie sich für den Innenbereich nach der „planersetzenden“ Regelung des § 34 BauGB und für den Außenbereich nach der gesetzlichen „Ersatzplanung“ des § 35 BauGB. Der Ausgestaltung und den Schranken der Baufreiheit durch das BauGB, insbesondere durch die Bauleitplanung, kommen damit – so die Rechtsprechung der Verfassungs- und Verwaltungsgerichte - „eine Art eigentumsverteilende Wirkung“ zu.

5.2.2.2

Bedeutung des Eigentumsrechts für die Bauleitplanung

Besteht die Baufreiheit somit zwar nur „nach Maßgabe der Planung“ („potentielle Baufreiheit“), so sind der Ausgestaltung des Eigentums durch die Bauleitplanung durch den gebotenen Schutz des Wesensgehalts des Eigentumsrechts Schranken gesetzt. Überschreiten Inhalt und Schranken der eigentumsbestimmenden Festsetzungen des verbindlichen Bauleitplans, also des Bebauungsplans, die durch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) gezogene Grenze, so hat der Bebauungsplan enteignende Wirkung. Zur Abgrenzung dessen, was noch als Ausformung der Sozialbindung des Eigentums zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums oder aber bereits ein enteignender Eingriff ist, bedient sich die Rechtsprechnung vornehmlich des Begriffs der „Situationsgebundenheit“. Die konkrete Lage und damit die Eingebundenheit in vorgegebene, „natürliche“ Situationen sind für die Inhaltsbestimmung des Grundeigentums besonders kennzeichnend. Hieraus können sich situationsgebundene Belastungen und damit – gegenüber anderen Grundstücken – besondere und noch im Rahmen der Sozialbindung bleibende Einschränkungen ergeben. Aus der Situationsgebundenheit kann sich aber auch eine besondere eigentumsrechtliche Anspruchsposition gegenüber ansonsten im Rahmen der Sozialbindung hinzunehmenden Einschränkungen ergeben. Für die planerische Entscheidung ensteht aus dieser Verschränkung von Baufreiheit und Planungsvorbehalt das Gebot der Berücksichtigung des Eigentumsschutzes als abwägungserheblicher privater Belang. Bei der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB muss daher z. B. berücksichtigt werden, welche Folgen sich aus einer bestimmten planerischen Festsetzung für das Grundeigentum und seine Nutzungsmöglichkeiten ergeben. Der Eigentumsschutz, die entschädigungslos hinzunehmende Sozialbindung, die voraussehbar enteignend wirkende Verwirklichung der Bauleitplanung oder die unmittelbar enteignend wirkenden Festsetzungen sind daher als Belange in die planerische Abwägung einzubeziehen.

5.2.2.2

Kein Anspruch auf Bauleitplanung

Nach § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB hat niemand einen Anspruch auf Aufstellung von Bauleitplä-

522 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte nen und städtebaulichen Satzungen. Die Vorschrift stellt klar, dass ein Anspruch auch nicht durch Vertrag begründet werden kann. Ein gegen § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB verstoßender Vertrag ist nichtig. Es besteht auch kein Anspruch auf Änderung, Ergänzung oder Aufhebung. Der Planungspflicht der Gemeinde gern. § 1 Abs. 3 S. 1 entspricht kein subjektives Recht des Bürgers. Auch in Fällen, in denen objektivrechtlich die Aufstellung eines Bauleitplans geboten ist, gibt es keinen Anspruch auf Planaufstellung. § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB nimmt einer Klage auf Aufstellung eines Bebauungsplanes bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde, die gesetzlich vorgeschriebene, gerichtlich nicht substituierbare Abwägung und die unzulässige Umgehung des Anhörungsund Auslegungsverfahrens schließen einen derartigen Anspruch aus. Das subjektive Recht aller Planbetroffenen auf eine gerechte Berücksichtigung ihrer Interessen in der Bauleitplanung umschließt keinen Anspruch auf Aufstellung eines das Abwägungsgebot beachtenden Planes, wenn der frühere Plan wegen Verletzung des Abwägungsgebots nichtig war. § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB schließt sowohl einen Anspruch auf Fortführung eines eingeleiteten Planungsverfahrens wie einen Anspruch auf Fortbestand eines Bauleitplanes aus. Eine Verpflichtungserklärung einer Gemeinde, innerhalb einer bestimmten Frist einen Bebauungsplan aufzustellen, ist nichtig. Trotz einer unwirksamen Verpflichtung zur Aufstellung eines bestimmten Bebauungsplans kann der Bauträger gegen die Gemeinde einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 BGB) wegen nicht notwendig erklärter vertraglicher Risikoübernahme, aus Amtshaftung oder einen Aufwendungsersatzanspruch haben. Ein solcher Anspruch ist z. B. gegeben, wenn die Gemeinde unrichtige Vorstellungen vom Stand der Bauleitplanung vermittelt hat, nicht aber, weil sie das Planungskonzept ändert. Zulässig und wirksam sind jedoch Verträge, die die Bauleitplanung begleiten, aber Ziele verfolgen, zu denen das BauGB neutral ist.

5.2.3

Zentrale gesetzliche Vorgaben für die kommunale Bauleitplanung

5.2.3.1

Allgemeine Vorgaben

Aus der Entwicklungs- und Ordnungsaufgabe der Bauleitplanung ergeben sich auch unmittelbar die der Bauleitplanung immanenten Schranken. Im Verhältnis zwischen Bauleitplanung und Eigentumsrecht besteht das Erfordernis einer Rechtfertigung der Bauleitplanung als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Die Bauleitplanung ist daher unzulässig, soweit sie zur geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht in Beziehung steht: Wo es von vorneherein an allen zur Rechtfertigung eines Bauleitplanes geeigneten, d. h. an solchen öffentlichen Belangen fehlt, die als bodenrechtlich relevant Elemente einer Ordnung der städtebaulichen Entwicklung sind, ist für eine Bauleitplanung kein Raum. Das BVerwG beschreibt das Verhältnis zwischen den Bauleitplänen einerseits und der Ordnung der städtebaulichen Entwicklung andererseits als einen „objektiven funktionellen Zusammenhang“. Die Aufstellung eines Bebauungsplans für ein Grundstück wäre daher gem. § 1 Abs. 1

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

523

BauGB z. B. unzulässig, wenn das Grundstück ausschließlich deshalb beplant werden soll, weil der Eigentümer aus wirtschaftlichen Gründen am Verkauf interessiert ist. Gegenstand der Bauleitplanung ist gem. § 1 Abs. 1 BauGB die Vorbereitung und Leitung der baulichen und sonstigen Nutzung der Grundstücke. Die Bauleitplanung ist damit nicht auf die bauliche Entwicklung beschränkt, jedoch ändert auch die Einbeziehung der „sonstigen Nutzung“ nichts am Gegenstand der städtebaulichen Planung, nämlich den baulichen Anlagen und „der mit der Bebauung in Verbindung stehenden Nutzung des Bodens“. D. h., die Bauleitplanung ist kein umfassendes räumliches Entwicklungs- und Ordnungsinstrumentarium. Dieses wird z. B. auch geleistet durch Fachplanungen im Sinne im Sinne des § 38 BauGB, durch die Landschaftsplanung und das Immissionsschutzrecht. Die „bauliche Nutzung“ der Grundstücke kann danach u. a. durch die Darstellung der für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) sowie nach der besonderen Art und dem allgemeinen Maß ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete), durch die Festsetzung von Art und Maß der baulichen Nutzung, durch Bestimmung der Zwecke der baulichen Nutzung, durch Festsetzung der freizuhaltenden Flächen usw. vorbereitet und geleitet werden. Zur „sonstigen Nutzung“ der Grundstücke, d. h. Nutzungen im Sachzusammenhang mit der baulichen Nutzung, vgl. z. B. die Darstellungen und Festsetzungen über Grünflächen, Kleingärten, land- und forstwirtschaftliche Flächen, Verkehrsflächen usw.

5.2.3.2 Vorbereitung und Leitung der Grundstücksnutzung Die Aufgabe der Bauleitplanung als Vorbereitung und Leitung der Grundstücksnutzung bezieht sich weniger auf die Unterscheidung zwischen dem Flächennutzungsplan als dem vorbereitenden Bauleitplan und dem Bebauungsplan als dem verbindlichen Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB), sondern umschreibt vor allem die Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung. Auch der verbindliche Bauleitplan (Bebauungsplan) hat i. d. R. die Aufgabe, die Grundstücksnutzung „vorzubereiten“; zugleich „leitet er“ die Grundstücksnutzung in die planerisch festgesetzte Richtung. Aber auch der Flächennutzungsplan hat nicht nur eine Vorbereitungs-, sondern auch eine Leitungsfunktion, die sich z. B. aus der Darstellung der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung (§ 5 Abs. 1 BauGB) oder z. B. aus dem Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB und der Steuerungsfunktion im Außenbereich (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 3 BauGB) ergibt. Die Vorbereitung und Leitung der Grundstücksnutzung, soweit sie städtebaulich relevant ist, soll gem. § 1 Abs. 1 BauGB durch die Bauleitplanung erfolgen. Dieser als „Planmäßigkeitsprinzip“ bezeichnete Grundsatz des Städtebaurechts wird durch die Verpflichtung der Gemeinden zur Aufstellung von Bauleitplänen, „sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist“ (§ 1 Abs. 3 S. 1 BauGB), hervorgehoben und zugleich abgesichert. Für die Aufgaben der Bauleitplanung ergibt sich aus diesem Grundsatz im Einzelnen Folgendes: „

Die Vorbereitung und Leitung der baulichen und sonstigen Nutzung erfolgt in allen Gemeinden, also in Stadt und Land, durch Bauleitpläne.

„

Das Institut der Bauleitplanung selbst ist durch das BauGB abschließend geregelt. Dies gilt insbesondere für die Arten der Bauleitpläne, nämlich den Flächennut-

524 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte zungsplan und den Bebauungsplan (Abs. 2), die Inhalte der Bauleitpläne (vgl. §§ 5 und 9 BauGB), die Rechtsform der Bauleitpläne und das Bauleitplanverfahren (vgl. §§ 2 ff., 5 ff. und 8 ff. BauGB). Wichtige Instrumente (Umlegung, Erschließung, Enteignung, Bau-, Pflanz- und Rückbaugebot) setzen z.T. eine Bauleitplanung i. S. des BauGB voraus („planakzessorische Instrumente“). „

Für die Gemeinde ergibt sich unmittelbar aus Abs. 1 (und abgesichert durch Abs. 3 S.1) die Verpflichtung zur Planung („Gebot positiver Planung“) und damit das Verbot, die geordnete städtebauliche Entwicklung ausschließlich durch fallweise Einzelentscheidungen zu verwirklichen. Diese Aufgabenzuweisung der Bauleitplanung schließt nicht aus, dass die geordnete Entwicklung auch anders als auf der Grundlage von Bauleitplänen erfolgen kann.

„

Der Grundsatz der Planmäßigkeit „nach Maßgabe dieses Gesetzes“ lässt es jedoch nicht zu, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke durch andere Mittel als die der Bauleitplanung vorzubereiten und zu leiten. Andere Formen der gemeindlichen Planung sind deswegen zwar keineswegs unzulässig.

„

Das gleiche gilt für vertragliche Gestaltungen im Zusammenhang mit der Bauleitplanung Solche Formen oder Mittel dürfen jedoch weder an die Stelle der Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung treten, noch dürfen sie die Bauleitplanung zu einer lediglich formalen Hülse werden lassen.

„

Der städtebauliche Entwicklungs- und Ordnungsauftrag darf nicht etwa allein mit den Mitteln des Privatrechts erfüllt werden. Die bodenrechtliche Vorbereitung und Leitung der Grundstücksnutzung hat vielmehr ausschließlich durch die Bauleitplanung zu erfolgen. § 11 BauGB über den städtebaulichen Vertrag enthält eine gesetzliche Konkretisierung u. a. dessen, was durch städtebauliche Verträge zur Vorbereitung und Durchführung der Bauleitplanung geregelt werden kann.

„

Der Vorhaben- und Erschließungsplan gem. § 12 BauGB ist durch das BauROG zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan fortentwickelt worden.

„

Auch die Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und 3 BauGB fügen sich in das System des § 1 ein, weil es beim Beurteilungsmaßstab der planersetzenden Regelung des § 34 (Rn 22) bleibt.

Diesem Regelungsvorbehalt zugunsten der Bauleitplanung wird im Übrigen nur entsprochen, wenn die Bauleitpläne konkrete planerische Aussagen für den jeweiligen Planbereich treffen und es nicht bei allgemeinen, generell-abstrakten Regelungen belassen. Aus dem Planmäßigkeitsgrundsatz ergibt sich weiterhin das Gebot, die städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsregelungen für ein bestimmtes Gebiet auf jeder Planungsstufe (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan) stets in einem eine rechtliche Einheit bildenden Plan niederzulegen („Gebot äußerer Planeinheit“).

5.2.3.3

Weitere Verfahren der städtebaulichen Planung

Der Grundsatz der Planmäßigkeit der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung schließt –

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

525

wie erwähnt – nicht aus, dass sich die Gemeinde, soweit sie dies für erforderlich hält, anderer planerischer Formen bedient, wie z. B. städtebaulicher Rahmenpläne, städtebaulicher Entwicklungskonzepte, Sanierungskonzepte, Stadtteilentwicklungspläne. Solche Planungen haben in der städtebaulichen Praxis u. a. die Funktion der Konkretisierung allgemeiner oder übergreifender gemeindlicher Entwicklungsvorstellungen, der Vorbereitung der gemeindlichen Willensbildung oder der Integration unmittelbar städtebaulicher mit z. B. sozialen, wirtschaftlichen, stadtgestalterischen und denkmalpflegerischen Vorstellungen. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB hebt sie als für die Abwägung relevante Belange ebenso hervor wie § 140 Nr. 4 BauGB für die Sanierungsplanung. Auch auf städtebauliche Programme, wie z. B. Programme zur Baulandbeschaffung und -bereitstellung oder zur planmäßigen Schließung von Baulücken („Baulückenschließungsprogramme“) oder zum Stadtumbau, ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen. Ihnen ist das Bedürfnis gemeinsam, die städtebaulichen Aktivitäten der Gemeinden in Plänen oder Programmen zielgerichtet zusammenzufassen. Sie haben nicht die der Bauleitplanung vorbehaltene bodenrechtliche Entwicklungs- und Ordnungsfunktion. Solche Pläne oder Programme dienen aber häufig der Vorbereitung einer Bauleitplanung oder ihrer Verwirklichung oder – außerhalb der bodenrechtlich relevanten Regelungen – ihrer Ergänzung. Das Städtebaurecht selbst hat im Anwendungsbereich des Sanierungsrechts eine Form nicht-formeller Planung besonders hervorgehoben: Maßstab für die Planung und Steuerung der Sanierung insgesamt und insbesondere auch für die Genehmigung der in § 144 BauGB bezeichneten Vorhaben und Rechtsvorgänge ist der „Sanierungszweck“, wie er sich aus dem von der Gemeinde zu entwickelnden Sanierungskonzept ergibt (vgl. § 140 Nr. 3 BauGB).

5.2.3.4

Keine Pflicht zur „lückenlosen“ Überplanung des Gemeindegebiets

Vom Grundsatz der Planmäßigkeit ist die – zu verneinende – Frage zu unterscheiden, ob dem BauGB die explizite Vorstellung einer lückenlosen „Überplanung“ des Gemeindegebiets mit Bauleitplänen zugrunde liegt. Das Gesetz bestimmt dies lediglich für den Flächennutzungsplan, der nach § 5 Abs. 1 BauGB für das ganze Gemeindegebiet aufzustellen ist. Jedoch berücksichtigt das Gesetz in § 8 Abs. 2 S. 2 BauGB auch den Fall, dass die Aufstellung eines Flächennutzungsplans nicht erforderlich ist. Vor allem die Regelungen über die Zulässigkeit von Vorhaben im Innenbereich nach § 34 BauGB und im Außenbereich nach § 35 BauGB berücksichtigen Gebiete, in denen die Grundstücksnutzung nicht oder jedenfalls derzeit nicht einer Bauleitplanung bedürfen. Die geordnete städtebauliche Entwicklung ohne bzw. ohne qualifizierten Bebauungsplan wird in diesen Gebieten vielmehr unmittelbar durch die planersetzenden (§ 34) oder ersatzplanerischen (§ 35) Regelungen geleitet. Vgl. weiterhin die Satzungen nach §§ 34 und 35. Auch das Sicherungs- und Vollzugsinstrumentarium des Gesetzes trägt diesem Umstand Rechnung; vgl. vor allem § 22, § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und 4, § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 85 Abs. 1 Nr. 2–7, §§ 136 ff., 165 ff., 171 d, 172 ff., 176 Abs. 2, § 177 BauGB.

526 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.2.3.5

Arten der Bauleitpläne

Die Arten der Bauleitpläne werden in § 1 Abs. 2 BauGB geregelt, nämlich der als vorbereitender Bauleitplan bezeichnete Flächennutzungsplan und der als verbindlicher Bauleitplan bezeichnete Bebauungsplan. Die Bauleitplanung ist also eine zweistufige Planung. Der Flächennutzungsplan stellt als vorbereitender Plan für das ganze Gemeindegebiet die beabsichtigte Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen dar (§ 5 Abs. 1). Er stellt nicht das schon im Einzelnen bestimmte „Bauland“ oder die genauen Verkehrsflächen dar, sondern nur – „grobmaschig“ – Bauflächen, Baugebiete, Verkehrsflächen usw. Der Bebauungsplan enthält demgegenüber die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung und bietet die Grundlage für weitere zum Vollzug des BauGB erforderliche Maßnahmen (§ 8 Abs. 1 BauGB). Der Bebauungsplan hat als Satzung Rechtsnormcharakter (§ 10 BauGB). Als Mittel der Darstellung bzw. Festsetzung im Bauleitplan kommen Zeichnung, Farbe, Schrift oder Text in Betracht.

5.2.3.6 Befugnis und Verpflichtung zur Bauleitplanung Die Bauleitpläne sind nach § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Diese auf der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie beruhende kompetenzrechtliche Regelung wird durch § 1 Abs. 3 S.1 BauGB inhaltlich aufgefüllt. Die Gemeinden haben danach Bauleitpläne aufzustellen, sobald (Zeitpunkt) und soweit (sachlicher und räumlicher Umfang) es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Hieraus ergibt sich für die gemeindliche Entscheidungsbefugnis über die Aufstellung von Bauleitplänen eine gesetzliche Vorgabe in zweierlei Richtung: Die Aufstellung von Bauleitplänen ist einerseits verboten, wenn sie nicht i. S. des § 1 Abs. 3 S.1 BauGB erforderlich ist. Sie ist andererseits geboten, sofern sie unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S.1 BauGB erforderlich ist. § 1 Abs. 3 S.1 BauGB bezieht das Erforderlichkeitsmerkmal zwar ausdrücklich nur auf die Aufstellung von Bauleitplänen; es gilt aber ebenso für die Änderung und Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans. Steht eine Bauleitplanung zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung in Beziehung, so ist sie generell zulässig. Ob für die konkrete Planung (einschließlich der Dimensionierung) ein Bedarf besteht, ist im Rahmen der Abwägung zu ermitteln. Die Gemeinde ist planungsbefugt, wenn sie hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange ins Feld führen kann. Welche städtebaulichen Ziele sie sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen, d. h. sie ist ermächtigt eine „Städtebaupolitik“ entsprechend ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen zu betreiben. Bauleitpläne sind somit dann „erforderlich“, wenn sie nach der planerischen Konzeption der Gemeinde als erforderlich angesehen werden können. Diese Konzeption (insbesondere i. S. einer bewussten Städtebaupolitik) ist gerade Aufgabe der Gemeinde. Deshalb kann eine verbindliche Bauleitplanung auch eine bereits vorhandene Bebauung überplanen, um den bereits entstandenen städtebaulichen Zustand rechtlich festzuschreiben, selbst wenn sich die Bebauung weitgehend nach § 34 BauGB bestimmt. Auch ein auf nur ein Grundstück beschränkter Bebauungsplan ist rechtlich zulässig. Ist die Planung nicht „erforderlich“ i. S. des § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB, handelt es sich nicht um eine Bauleitplanung i. S. des Gesetzes. Ein Bebauungsplan ist mangels Erforderlichkeit

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

527

nichtig, wenn Flächen für land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht im Interesse einer Förderung der Land- und Forstwirtschaft, sondern deshalb festsetzt, weil er durch das damit weitgehend erreichte Bauverbot außerhalb der Land- und Forstwirtschaft liegende Ziele fördern will. Andererseits gibt es kein generelles Verbot einer „Negativplanung“, d. h., positive Planungsziele können auch durch negative Beschreibungen festgesetzt werden. An der Planungsbefugnis der Gemeinde fehlt es z. B. auch, wenn die Aufstellung eines Bebauungsplanes nur deshalb erfolgt, um dem Eigentümer aus wirtschaftlichen Gründen den Verkauf von Baugrundstücken zu ermöglichen. § 1 Abs. 3 S.1 BauGB ist verletzt, wenn eine Bebauungsplanänderung im Wesentlichen nur dazu dient, eine vom ursprünglichen Plan abweichende Fehlentwicklung im privaten Interesse der betroffenen Bauherren zu legalisieren, ohne dass gleichzeitig städtebauliche Gründe für eine solche Änderung sprechen. Auch eine Planung, die nur der Arbeitsbeschaffung oder dem Prestigebedürfnis dient, ist nicht „erforderlich“. Dies bedeutet aber nicht, dass nur diejenigen Gesichtspunkte eine Planung erforderlich machen, die einen ausschließlich bodenrechtlichen Bezug haben bzw. die dem Schutz vor Störungen dienen, die sich aus typischen baulichen oder sonstigen Nutzungen ergeben. Die Gemeinde ist nach § 1 Abs. 3 S.1 BauGB zur Aufstellung von Bauleitplänen verpflichtet, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Die Planungspflicht bezieht sich sowohl auf den Beginn („Ob“) als auch auf den Umfang („Wie“) der Planung. Die Planungspflicht der Gemeinde kann kommunalaufsichtlich durchgesetzt werden Die Planungspflicht besteht jedoch ausschließlich im öffentlichen Interesse; das Planungsermessen der Gemeinde verdichtet sich zur strikten Planungspflicht, wenn qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht vorliegen.

Ein Rechtsanspruch auf die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen besteht gem. § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB nicht. Die Planungspflicht i. S. des § 1 Abs. 3 S.1 BauGB besteht, wenn Bauleitpläne nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich sind. Zur Auslegung des Begriffs „Erforderlichkeit“ sind für den Einzelfall die Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung, die sich aus dem Planmäßigkeitsgebot ergebenden Pflichten unter Berücksichtigung der Planungsgrundsätze des § 1 Abs. 5 BauGB heranzuziehen. Das Planungserfordernis (ebenso wie die Planungsbefugnis) kann auch hinsichtlich nur eines Grundstücks oder weniger Grundstücke bestehen; jedoch darf keine die Anforderungen des § 1 Abs. 5 BauGB gefährdende „Atomisierung“ des Gemeindegebiets bewirkt werden.

5.2.3.7

Planerische Abwägung und planerische Zurückhaltung

Von der Frage der Erforderlichkeit der Bauleitplanung i. S. einer Planungspflicht ist weiterhin die Frage zu unterscheiden, was im einzelnen in die planerische Abwägung einzustellen ist. Zwar bezieht sich das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB auch auf den Umfang („soweit“) der Planung; dies bezieht sich jedoch auf die generelle Erforderlichkeit der Planung und nicht auf die Rechtmäßigkeit der konkreten planerischen Lösung, wie sie in

528 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Erfüllung der Planungspflicht gefunden wird. Auf einen weiteren, ansonsten für das Abwägungsgebot bedeutsamen Zusammenhang ist einzugehen: Die Bauleitplanung hat im Verhältnis zu Fachgesetzen und zum Verfahren der Baugenehmigung eine spezifische Funktion. Bauleitpläne sind Gesamtpläne, aber keine „Totalpläne“. Sie stehen an einer bestimmten Stelle eines mehrstufigen Planungs- und Entscheidungssystems. Der (inhaltliche) Umfang der Planungspflicht ist daher im Zusammenhang mit höherstufigen Planungen, Fachplanungen, spezialgesetzlichen Genehmigungsverfahren (wie z. B. nach §§ 4 ff. Bundesimmissionsschutzgesetz –BImSchG -) und dem bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren zu sehen. Die Planungspflicht kann demgemäß nicht über das hinaus bezogen werden, was der Bauleitplanung in ihrer spezifischen städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsfunktion eigen ist. Dies wird auch als Grundsatz der planerischen Selbstbeschränkung bezeichnet. Danach kann davon abgesehen werden, der Ebene der planungsrechtlichen Beurteilung eines Vorhabens das zuzurechnen, was hinsichtlich des Standorts, der Dimensionierung oder der Immissionen auch in der nachbarlichen Abstimmung ausgeräumt oder durch Auflagen im Baugenehmigungsverfahren durchgesetzt werden kann. Die mit der Durchführung des Bebauungsplans absehbar verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Folgeprobleme müssen nicht bereits im Bebauungsplan selbst oder in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit diesem verbindlich und abschließend geregelt werden. Die Gemeinde darf vielmehr Maßnahmen zur Milderung oder zum Ausgleich von Härten dem späteren, dem Planvollzug dienenden Verwaltungsverfahren überlassen, wenn sie im Rahmen der Abwägung realistischerweise davon ausgehen kann, dass die Probleme in diesem Zusammenhang gelöst werden können. Diese Zusammenhänge zwischen Bauleitplanung einerseits und spezifischen Planungs- und Entscheidungsverfahren andererseits haben zunächst unmittelbar Bedeutung für das, was – innerhalb der Bauleitplanung – in die planerische Abwägung einzustellen und was planerisch zu entscheiden ist. Für diese Beurteilung ist es jedoch auch maßgeblich, dass bereits auf der vorhergehenden Entscheidungsebene, nämlich der Prüfung der Planungspflicht und der Planungsbefugnis, die Möglichkeit genehmigungsrechtlicher Regelungen und spezialgesetzlicher Vorbehalte die Planungspflicht inhaltlich reduzieren kann. So begründet auch § 15 Baunutzungsverordnung (BauNVO) einen angemessenen Spielraum für „planerische Zurückhaltung“. Soweit diese Regelung eingreift, verlangt auch das Abwägungsgebot keine so weitgehende Konkretisierung der planerischen Festsetzungen, dass über die Zulässigkeit und Ausgestaltung einzelner Nutzungen und Nutzungsarten das letzte Wort bereits im Bebauungsplan gesprochen werden muss.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

529

Literaturverzeichnis zu Kapitel 5.2 Battis, U./Krautzberger, M./Löhr, R.-P., Baugesetzbuch, 9. Aufl., München 2005 BOHM, W., Öffentliches Baurecht, 2. Aufl., München.1999 Ernst, W./Zinkahn, W./Bielenberg, W./Krautzberger, M., Baugesetzbuch, Loseblattkommentar, München, Stand 2006 Schlichter, O./Stich, R. u.a., Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Loseblattkommentar, Köln, Stand 2005 Stüer, B., Bau- und Fachplanungsrecht, 3. Aufl., München 2005

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.3

531

Wohnungspolitik Wolfgang Maennig

5.3.1 Einführung .....................................................................................................532 5.3.2 Wohnungspolitische Instrumente...................................................................532 5.3.2.1 Förderung des Neubaus von Mietwohnungen................................................535 5.3.2.1.1 Zinsverbilligte öffentliche Baudarlehen.........................................................535 5.3.2.1.2 Zinszuschüsse ................................................................................................535 5.3.2.1.3 Annuitätsdarlehen ..........................................................................................535 5.3.2.1.4 Darlehen und Zuschüsse zur Deckung der Bewirtschaftungskosten..............536 5.3.2.1.5 Bürgschaftsübernahme durch den Staat .........................................................536 5.3.2.2 Förderung der Eigentumsbildung...................................................................536 5.3.2.3 Förderung der Modernisierung ......................................................................537 5.3.2.4 Förderwege gemäß dem sozialen Wohnungsbau ...........................................539 5.3.2.4.1 Der erste Förderweg.......................................................................................539 5.3.2.4.2 Der zweite Förderweg....................................................................................539 5.3.2.4.3 Die vereinbarte Förderung (dritter Förderweg)..............................................540 5.3.2.4.4 Die einkommensorientierte Förderung ..........................................................540 5.3.2.5 Wohngeld.......................................................................................................541 5.3.2.6 Indirekte Förderung - Steuervergünstigungen................................................542 5.3.2.7 Ordnungspolitische Instrumente und Rahmenbedingungen der Wohnungswirtschaft ......................................................................................543 5.3.2.7.1 Kündigungsschutz..........................................................................................543 5.3.2.7.2 Mietpreisregelung ..........................................................................................544 5.3.2.7.3 Fixierung von Qualitätsstandards...................................................................545 5.3.3 Zur Zieladäquanz wohnungspolitischer Instrumente .....................................545 5.3.3.1 Objektförderung vs. Subjektförderung – sozialer Wohnungsbau vs. Wohngeld für Mieter – der Klassiker.............................................................546 5.3.3.1.1 Verteilungspolitische Zielsicherheit ..............................................................546 5.3.3.1.2 Investitionspolitische Zielsicherheit ..............................................................547 5.3.3.1.3 Gewährleistung der sozialen Absicherung des Wohnens...............................550 5.3.3.1.4 Abschließende Betrachtung und Zusammenfassung......................................551 5.3.3.2 Steuervergünstigungen...................................................................................552 5.3.3.3 Ordnungspolitische Instrumente ....................................................................553 5.3.4 Modernisierungspolitik, Baukosten und Ausweisung von Bauland...............557 5.3.5 Grundzüge der Reformen der Wohnungspolitik ............................................560 Literaturverzeichnis zu Kapitel 5.3 ......................................................................................562

532 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.3

Wohnungspolitik Wolfgang Maennig

5.3.1

Einführung

In der nahen Zukunft sind in Deutschland erhebliche Bevölkerungsveränderungen zu erwarten (vgl. Maennig/Mayer, Kapitel 3.3 in diesem Band). Die Bevölkerungszahl wird langfristig erheblich abnehmen, die Bevölkerung insgesamt wird altern. Durch Einwanderung wird sich der Anteil der Nichtdeutschen erhöhen. Die Wohnungsmärkte werden durch den demografischen Wandel uneinheitlicher und durch die Gleichzeitigkeit von Angebotsüberhängen, Wohnungsleerständen und Engpässen in dynamischen Regionen und guten Lagen geprägt sein. Vor diesem Hintergrund sind erhebliche Auswirkungen auf Angebot und Nachfrage von Eigentums- und Mietwohnungen sowie deutliche Herausforderungen für die Wohnungspolitik zu erwarten. Für die Wohnungswirtschaft besteht zwar eine Reihe von Eigenheiten (Unteilbarkeiten des Gutes, lange Reaktionszeiten, Zielbeziehungen zu anderen Märkten etc.), die eine spezielle Art von Wirtschaftspolitik erforderlich macht. Die Besonderheiten gehen jedoch nicht so weit, dass die marktwirtschaftliche Grundorientierung der Wohnungswirtschaft aufzuheben wäre. Viele der dargestellten Besonderheiten treten auch bei anderen Gütern auf, ohne dass Zweifel an der prinzipiellen Eignung des Marktmechanismus zur effizienten Erreichung der Versorgungsziele bestünden. Daher besteht die grundsätzliche Notwendigkeit, den Bedarf an Wohnungspolitik, also an Regelungen zur Korrektur des Marktmechanismus, kritisch zu hinterfragen. Abschnitt 5.3.2 zeigt hierzu zunächst in groben Zügen die wohnungspolitischen Instrumente der Bundesrepublik Deutschland auf. Abschnitt 5.3.3 wird die Zieladäquanz der wohnungspolitischen Instrumente hinterfragen, wobei hier zunächst ein Zielsystem für die Treffsicherheit wohnungspolitischer Instrumente vorgestellt und kurz erläutert wird. Abschnitt 5.3.4 beschäftigt sich mit den Wirkungen der Rationierung von Bauland und der diversen Regulierungen des Bauens, die Kosten und Preise des Neubaus in die Höhe treiben, bevor Abschnitt 5.3.5 abschließend auf einige notwendige grundsätzliche Konsequenzen für die Wohnungspolitik eingeht.

5.3.2

Wohnungspolitische Instrumente

Unter Wohnungspolitik der öffentlichen Hand soll hier die Gesamtheit aller gezielt auf die Wohnungsversorgung der Bevölkerung gerichteten Eingriffe der öffentlichen Hand in den Wohnungsmarkt verstanden werden (vgl. Fischer-Dieskau 1959, S. 1750). Damit wird deutlich, dass der Wohnungsmarkt auch beeinflusst werden kann durch nicht originär wohnungspolitische Eingriffe. Insofern bietet es sich an, zu unterscheiden zwischen Wohnungspolitik i.e.S., die zum einen auf die Schaffung neuer Wohnungen (Wohnungsbaupolitik) und zum

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

533

anderen auf die „Nutzung, Verteilung, Erhaltung und Bewirtschaftung des vorhandenen Wohnungsbestandes“ (Wohnungsbestandspolitik) (Fichtel 1980, S. 6; vgl. auch Heuer 1965, S. 810 und Fischer-Dieskau 1959, S. 1750) gerichtet ist und der Wohnungspolitik i.w.S. Letztere kann Teilgebiete der Konjunktur-, Sozial-, Vermögens- und Strukturpolitik betreffen und in deren Dienst gestellt werden. Aus dieser Definition lassen sich Zusammenhänge zwischen der Wohnungspolitik und folgenden Feldern der allgemeinen Wirtschaftspolitik gewinnen (vgl. Pfeiffer 1982, S. 8): 1.

Wohnungspolitik als Sozialpolitik; Schaffung und Gewährleistung eines quantitativ und qualitativ hinreichenden Wohnungsbestandes.

2.

Wohnungsbau und Konjunkturpolitik; Betonung des konjunkturpolitischen Stellenwertes aus der Tatsache, dass der Wohnungsbau eine hohe Multiplikatorwirkung aufweist.

3.

Wohnungspolitik als Vermögenspolitik; Möglichkeit zur Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten am Kapitalstock der Volkswirtschaft.

4.

Wohnungspolitik als regionale Strukturpolitik; Möglichkeit des räumlich gezielten Mitteleinsatzes aufgrund der Standortgebundenheit des Gutes Wohnung (Städtebaupolitik, Raumordnungspolitik).

5.

Wohnungspolitik als sektorale Strukturpolitik; Einflussnahme auf die Leistungsabgabe des Sektors „Wohnungsvermietung“ und auf die Selbstversorgung der privaten Haushalte mit Wohneigentum durch Eingriffe bei der Mietpreisbildung und durch entsprechende Ausgestaltung der Instrumente der Wohnungspolitik.

Die sozialpolitische Ausrichtung des Wohnungsbaus ist in erster Linie in den Wohnungsbaugesetzen niedergelegt. Danach haben Bund, Länder und Gemeinden und Gemeindeverbände den Wohnungsbau unter besonderer Bevorzugung des Baus von Wohnungen, die nach Größe, Ausstattung und Miete oder Belastung für die breiten Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind (sozialer Wohnungsbau), als vordringliche Aufgabe zu fördern. Ziel der Wohnungsbaupolitik sind die Beseitigung des Wohnungsmangels, die Schaffung von Wohneigentum für weite Kreise der Bevölkerung und die Sicherstellung einer quantitativ und qualitativ ausreichenden Wohnungsversorgung. Zur Erreichung der genannten Ziele bedient sich die Wohnungsbaupolitik eines umfangreichen Instrumentariums. Im Verlauf dieses Textes werden die Bezeichnungen Instrument(e), Maßnahme(n) verwendet, wobei es sich empfiehlt, „Instrument in einem generellen Sinne zu verstehen, was dann im Anwendungsfall zur Maßnahme wird“ (Tuchtfeldt 1960, S. 257). Es bietet jedes Instrument, je nach der Dosierung, eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten, die bei ihrer Realisierung unterschiedliche quantitative und qualitative Wirkungen erzielen. Damit wird deutlich, dass es im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich ist, alle wohnungspolitischen Einzelmaßnahmen zu untersuchen. Es gibt unterschiedliche Ansätze, die einzelnen Förderkomponenten zu untergliedern (vgl. z.B. Hecht, 1978; Füllenkemper 1982 sowie Leutner 1990). Es sind aber auch Instrumente in die Untersuchung einzubeziehen, die durch die Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen die Ordnungspolitik weitgehend beeinflussen. Wesentlich erscheint hierbei anzumerken, dass es

534 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte sich bei dem Wohnungsmarkt um ein gedankliches Aggregat von verschiedenen, nach mehreren Kriterien zu differenzierenden Teilmärkten wie den freien und den sozialen Wohnungsmarkt, den Wohnungsbestand- und den Wohnungsneubaumarkt, den Wohneigentumsund den Mietwohnungsmarkt sowie regionale Teilmärkte handelt. Das Instrumentarium der Wohnungspolitik gliedert sich zunächst in ordnungspolitische und leistungspolitische Instrumente (vgl. Abbildung 140).

Abbildung 140: Systematik wohnungspolitischer Instrumente.

Mit den ordnungspolitischen Instrumenten (Mietrecht, Kündigungsschutz, Qualitätsanforderungen u.a.) wird der rechtliche Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen Private auf dem Wohnungsmarkt agieren. Mit den leistungspolitischen Instrumenten hingegen greifen Bund, Län-

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

535

der und Gemeinden fördernd in die Wohnungsversorgung ein, wobei die einzelnen Förderinstrumente unterschieden werden können nach Förderung mit Finanz- bzw. Haushaltsmitteln (direkte Förderung) und der Förderung durch Steuervergünstigungen (indirekte Förderung). Die direkte Förderung ihrerseits kann unterschieden werden in Objektsubventionen (z.B. der soziale Wohnungsbau), die das Angebot an Wohnraum unmittelbar ausweiten, und Subjektsubventionen (insbesondere das Wohngeld), mit der die Wohnungskaufkraft der Haushalte gestärkt wird. Sowohl die indirekte Förderung durch Steuervergünstigungen als auch die direkte Förderung als Objektsubvention können in Maßnahmen der Neubauförderung (Mietwohnungsbau und selbstgenutztes Wohneigentum) und Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnungsbestandes unterschieden werden.

5.3.2.1

Förderung des Neubaus von Mietwohnungen

5.3.2.1.1

Zinsverbilligte öffentliche Baudarlehen

Eine Möglichkeit der Wohnungsbauförderung ist die Vergabe zinsvergünstigter öffentlicher Darlehen. Dabei übernimmt die öffentliche Hand die Rolle eines Fremdkapitalgebers, der dem Bauherrn zinsvergünstigt Kapital bereitstellt. Diese Zinsermäßigung ist die Subventionsleistung des Staates, während die Vergabe des Darlehens selbst keine Subvention darstellt, wenn der Darlehensbetrag vollständig zurückgezahlt werden muss. Die Darlehen der öffentlichen Hand haben gegenüber den Bankkrediten für die Investoren Vorteile, die sich in weniger stark veränderten Konditionen über den Zeitablauf, niedrigen Kreditnebenkosten, langen Laufzeiten und ggf. weniger vorsichtigen Kreditvergabevoraussetzungen widerspiegeln. 5.3.2.1.2

Zinszuschüsse

Eine Abwandlung des Förderinstrumentariums des zinsverbilligten öffentlichen Darlehens stellen die sog. Zinszuschüsse dar, die Förderleistungen der öffentlichen Hand sind, die nicht zurückgezahlt werden und die zur Deckung der für die Finanzierungsmittel zu entrichtenden Zinsen dienen. Der Zinszuschuss kann entweder als fester Prozentsatz von den Zinsaufwendungen festgelegt werden, oder er berechnet sich aus der Differenz zwischen Marktzins und „tragbaren Zins“, wobei letzterer von der entsprechenden Behörde festgelegt wird. Die Finanzierung des Wohnungsbaus ist dann unabhängig vom jeweils herrschenden Marktzins, sofern der tragbare Zins entsprechend variiert wird (Vgl. Hecht 1978, S. 75-77 und Heuer 1985, S. 224). 5.3.2.1.3

Annuitätsdarlehen

Annuitätsdarlehen können von der öffentlichen Hand über die Dauer der Laufzeit eines Darlehens gewährt und direkt an den Darlehensgeber ausgezahlt werden. Zwischen der Förderhilfe, die sich auf den Zins bezieht und solcher zur Unterstützung der Tilgungszahlung ist zu unterscheiden. Bei dem auf die Tilgungsleistung entfallenden Teil der Subvention handelt es

536 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte sich um ein Darlehen der öffentlichen Hand, welches nicht auf einmal ausgezahlt sondern entsprechend den Tilgungsleistungen für das ursprüngliche Fremdkapital sukzessive gewährt wird. 5.3.2.1.4

Darlehen und Zuschüsse zur Deckung der Bewirtschaftungskosten

Diese sog. Aufwendungszuschüsse sind Fördermaßnahmen, die keinen speziellen Bezug zu bestimmten Kosten des Wohnungsbaus haben. Sie dienen teilweise der Deckung der laufenden Aufwendungen für eine Wohnung (Abschreibungen, Verwaltungskosten, Betriebskosten, Instandhaltungskosten). Aufwendungszuschüsse können in Form einer einmaligen Zahlung zur Bauerstellung oder als laufende Zuschüsse während der Vermietung gewährt werden. Beide Arten des Aufwendungszuschusses verfolgen das Ziel, die laufenden Aufwendungen bzw. Bewirtschaftungskosten zu reduzieren. 5.3.2.1.5

Bürgschaftsübernahme durch den Staat

Die öffentliche Bürgschaft ist eine Zusage der öffentlichen Hand, in den Schuldendienst einzutreten, falls der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus Zins und Tilgungsleistungen nicht mehr nachkommen kann. Diese Förderung ist eine sog. Kapitalsubvention, da die öffentliche Hand im Bürgschaftsfall zum Gläubiger des Bauherrn wird. Der Vorteil dieses Instruments besteht darin, dass es auch zum Wohnungsneubau kommt, wenn ohne Übernahme der Bürgschaft den privaten Darlehensgebern das Risiko der Kreditvergabe zu hoch wäre (vgl. Heuer 1985, S. 226). Weitere Förderungsmaßnahmen sind Baulanderschließungsmaßnahmen an die Gemeinden, die Bereitstellung von Bauland durch Gebietskörperschaften und Maßnahmen zur Baukostensenkung, die in Vorschriften bzgl. der Zulassung von Baustoffen, Bauarten und Normen bestehen (vgl. § 90, § 89 und § 91 II. WoBauG).

5.3.2.2

Förderung der Eigentumsbildung

Wohneigentum wird im Rahmen der direkten Förderung nach den gleichen Grundsätzen und mit denselben Instrumenten gefördert wie der soziale Mietwohnungsbau. Der politische Stellenwert der Eigentumsbildung spiegelt sich in einigen zusätzlichen Vorteilen wider, welche die Förderung von Eigentumsbildung gegenüber dem Bau von Mietwohnungen hat. Sie haben Vorrang bei der Mittelvergabe, es sind größere Wohnflächen zulässig, es werden höhere Fördersätze veranschlagt und außerdem werden Vergünstigungen bei der Darlehensvergabe gewährt. Zu den direkten Fördermaßnahmen der Eigentumsbildung gehört weiterhin das Instrument der Bausparförderung. Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die Förderung aus Haushaltsmitteln und später im Rahmen der indirekten Förderung auf die steuerlichen Vergünstigungen. Die staatliche Wohneigentumsförderung sollte dazu beitragen, dass konjunkturabhängige Einkommensbezieher eine Verstetigung ihres Einkommens erlangen, um den Schritt in die Eigentumsbildung vornehmen zu können. Tritt hingegen eine nachhaltige Einkommensreduzierung auf, dann sollte über eine Schuldenhilfe vermieden werden, dass erworbene Eigentum zu verlieren. D.h., die im Ratchet-Effekt (ein Eingriff wird i.d.R. nur in eine Richtung,

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

537

und zwar verschärfend, vorgenommen) begründeten Verhaltensweisen des Wohnungskonsums sollten durch entsprechende kreditpolitische und staatliche Maßnahmen positiv beeinflusst werden. Seit dem 1.1.1996 wurde die steuerliche Förderung des selbstgenutzten Eigentums im Interesse unterer und mittlerer Einkommensschichten auf Zulagen umgestellt. Außerdem erfolgt seit dem eine Berücksichtigung der Familienkomponente. Die Treffsicherheit der Eigentumsförderung im sozialen Mietwohnungsbau fällt größer aus als die steuerliche Förderung, da die Fördermittel nur Haushalten innerhalb der jeweiligen Einkommensgrenzen gewährt werden, und die Höhe der Förderung nicht mit dem Einkommen steigt. Andererseits gibt es auch hier das Problem der Fehlbelegung wie beim Mietwohnungsbau: Die Haushalte bleiben auch dann im Genuss der Fördervorteile, wenn sie die Einkommensgrenzen überschritten haben. Eine Fehlbelegungsabgabe gibt es bei den geförderten Eigentumsmaßnahmen nicht. Seit dem Wohnungsbaureformgesetz, das 2002 in Kraft trat, fördert der Bund den sozialen Wohnungsbau weiterhin, allerdings entfällt im Neubau die Kostenmiete. Nur im Bestand bleibt sie zusammen mit der Fehlbelegungsabgabe erhalten. Es wird eine höchstzulässige Miete in der Förderungszusage festgelegt. Die Grenzen der Basiseinkommen wurden erhöht (1 Personen-Haushalt: 12.000 Euro; 2-Personen-Haushalt: 18.000 Euro; für jede weitere Person 4.100 Euro bzw. für jedes Kind 500 Euro). Die Verwaltungs- und Instandsetzungspauschalen im geförderten Wohnungsbestand wurden angehoben. Es ist eine Anpassung der Mieten möglich; alle drei Jahre kann eine Fortschreibung der Pauschalen entsprechend des Lebenshaltungsindex (zum 1.1.2005 zum ersten Mal) vorgenommen werden.

5.3.2.3

Förderung der Modernisierung

Der Begriff der Modernisierung wird sowohl im BGB, im Gesetz zur Förderung der Modernisierung von Wohnungen und von Maßnahmen zur Einsparung von Heizenergie, als auch im II. Wohnungsbaugesetz fast identisch definiert. Demnach ist eine Modernisierung die Verbesserung durch bauliche Maßnahmen, die den Gebrauchswert der Wohnungen nachhaltig erhöhen oder die allgemeinen Wohnverhältnisse auf die Dauer verbessern – also bauliche Maßnahmen, welche den Mietgebrauch erleichtern, verbessern oder vermehren. Bei der Durchführung von Modernisierungen in Wohnungen werden meist gleichzeitig Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Diese sind aber strikt von den Modernisierungsarbeiten abzugrenzen, sofern sie nicht von der Modernisierung verursacht worden sind. Werden Instandsetzungsmaßnahmen durch bauliche Maßnahmen zur Verbesserung von Wohnungen oder durch bauliche Maßnahmen zur Einsparung von Heizenergie verursacht, dann fallen sie jedoch unter die Modernisierung. Die öffentliche Modernisierungsförderung setzt sich, ähnlich der Förderung des Wohnungsneubaus, aus der direkten und der indirekten Förderung zusammen. Zu der direkten Förderung zählen Aufwendungszuschüsse, Investitionskostenzuschüsse und zinsgünstige Darlehen. Die gesetzliche Grundlage bildet das Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz (ModEnG) von 1978, welches durch gesetzliche Regelungen auf der Länderebene ergänzt wird. Die indirekte öffentliche Modernisierungsförderung besteht aus Steuervorteilen in Form von Sonderabschreibungen. Seit 1983 hat sich der Bund aus der direkten Förderung

538 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte von Modernisierungsmaßnahmen zurückgezogen. Seit 1994 können aufgrund der Einbeziehung von Modernisierungen in das II. WoBauG durch das Wohnungsbauförderungsgesetz Mittel des sozialen Wohnungsbaus auch für Modernisierungsaufwendungen verwendet werden. Eine allgemeine Modernisierungsförderung bezweckt eine generelle qualitative Verbesserung des Wohnungsbestandes. Sie kann quantitativen wohnungspolitischen Zielsetzungen insofern abträglich sein, als mit einer Modernisierung i.d.R. ein Bestandsschwund infolge von Wohnungszusammenlegungen und Grundrissveränderungen durch Ausbau (z.B. Einbau sanitärer Einrichtungen) einhergehen kann. Grundsätzlich wäre es auch denkbar, dass eine Modernisierung positive Mengeneffekte auslöst, etwa wenn große Altbauwohnungen in kleinere Wohnungen aufgeteilt würden. Erfahrungsgemäß scheint jedoch der erstgenannte quantitative Aspekt zu dominieren (vgl. Wölling 1987, S. 325-328). Der Bestand an qualitativ schlechteren Wohnungen vermindert sich durch eine Modernisierungsförderung in zweifacher Weise: Erstens wird ein Teil der zu modernisierenden Wohnungen durch die Modernisierung auf ein höheres Qualitätsniveau transformiert und zweitens unterliegt ein weiterer Teil dem technisch bedingten Schwund der Modernisierung (vgl. Ulbricht 1983, S. 125). Es kommt zu einer Angebotsausweitung an qualitativ guten Wohnungen auf Kosten einer Verringerung des Angebots an qualitativ schlechteren Wohnungen. Insbesondere Pfeiffer hat wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die Bestandsförderung zu den seit Ende der 80er Jahre beobachtbaren Wohnungsmarktengpässen beigetragen hat. (vgl. Pfeiffer 1989, S. 1178-1181 und Pfeiffer 1993b, S. 26-28). Für das Mietengefüge folgt daraus tendenziell, dass im oberen Qualitätsbereich die Mieten sinken, bei einem gleichzeitigen Anstieg der Mieten im unteren Qualitätsfeld. Zwar lässt sich durch eine Modernisierungsförderung das Qualitätsniveau im Wohnungsbestand anheben, jedoch sind die Nutznießer vorrangig einkommensstärkere Haushalte, die i.d.R. bereits vor derartigen Modernisierungsmaßnahmen über Wohnraum verfügen, der nicht am unteren Ende der Qualitätsskala liegt. Die eigentliche Zielgruppe einer solchen Förderung - nämlich die Haushalte, die wegen Einkommensunzulänglichkeiten in den qualitativ schlechten Wohnungen leben - wird von diesem Instrument nicht erreicht. Ihre Wohnungsversorgung verschlechtert sich u.U. noch, denn eine Förderung als umfassende Erneuerung bedeutet eine Förderung der dauerhaften Angebotsverringerung auf unteren Qualitätsstufen. Selbst wenn die Ausweitung des Wohnungsangebots auf den oberen Qualitätsstufen sinkende Mieten hervorruft, so sind diese Mieten meist noch auf einem Niveau, das nicht für Haushalte unterer Einkommensschichten geeignet ist. Diese Haushalte zahlen die Qualitätsverbesserung zweifach: erstens über ihr Steueraufkommen und zweitens mit einer Verschlechterung ihrer Wohnsituation. Umfassende Modernisierungsförderungen verfügen allerdings über vergleichsweise günstige siedlungsstrukturelle und konjunkturpolitische Effekte. Siedlungspolitisch vorteilhaft ist die Tatsache zu werten, dass Modernisierungsmaßnahmen der Stadt-Umland-Wanderung insbesondere mittlerer und höherer Einkommensklassen in gewissen Umfang entgegensteuern können, da ältere Wohnungsbestände attraktiver werden. Konjunkturpolitisch positiv zu werten ist, dass „die Verteilung der Modernisierungsinvestitionen (...) durch Antragsfristen

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

539

und Auflagen hinsichtlich Fertigstellungsterminen konjunkturstabilisierend beeinflusst werden“ könnte (siehe hierzu auch Mackscheidt/Deichmann 1982).

5.3.2.4

Förderwege gemäß dem sozialen Wohnungsbau

Öffentlich geförderte Wohnungen sind dem Gesetz nach neugeschaffene Wohnungen, bei denen öffentliche Mittel für laufende Aufwendungen und zur Deckung von Zinsen bzw. Tilgungen für Finanzierungsmittel verwendet werden. Dabei handelt es sich bei den öffentlichen Mitteln um Gelder des Bundes, der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die „zur Förderung des Baus von Wohnungen für die breiten Schichten des Volkes bestimmt sind“ und der Förderung des sozialen Wohnungsbaus dienen. Mit der Förderung verbunden sind bestimmte Auflagen bzgl. der Einkommensgrenzen der Mieter, der Wohnflächengrößen und der Mietpreisbildung. In der Wohnungspolitik wird neben den eben genannten Förderbereichen auch nach Förderwegen unterschieden. Hierzu gehören der erste und zweite Förderungsweg, die Vereinbarte Förderung - die auch als dritter Förderungsweg bezeichnet wird - und die einkommensorientierte Förderung, die durch das Wohnungsbauförderungsgesetz geschaffen wurde. 5.3.2.4.1

Der erste Förderweg

Der klassische erste Förderweg beschreibt eine versorgungsorientierte Wohnungspolitik, die den staatlichen Mietwohnungsbau prägt. Auf dem ersten Förderweg können nach dem WoBauG für die begünstigten Personen Wohnungen in Ein- und Zwei-Familienhäusern, Mietshäusern und Eigentumswohnungen gefördert werden. In der Praxis wurde jedoch überwiegend der Mietwohnungsbau öffentlich gefördert. Die Ausgestaltung der Förderung ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich, denn der Bund besitzt hier nur eine Rahmenkompetenz. 5.3.2.4.2

Der zweite Förderweg

Unter dem zweiten Förderweg wird die Subventionierung des Eigentumswohnungsbaus bzw. des Baus von Eigenheimen verstanden. Ziel ist es durch verschiedene Anreize, wie Steuervergünstigungen und Direktsubventionen, den privaten Investoren erhöhte Renditeaussichten zu verschaffen. Diese Art der Eigentumsförderung hatte zum Ziel, den Wohnungsmarkt zu deregulieren und zu liberalisieren. Seit dem Jahr 1967 ist die Wohnungsbauförderung ausgeweitet, in der Form, dass auch die als steuerbegünstigt anerkannten Wohnungen im sog. zweiten Förderweg durch zeitlich befristete Aufwendungssubventionen und Steuervergünstigungen gefördert werden. Voraussetzung dafür ist, dass durch den Bezug der im zweiten Förderweg bezuschussten Wohnung eine öffentlich geförderte freigezogen wird, oder das Gesamteinkommen des zukünftigen Mieters die in § 25 II. WoBauG bestimmten Einkommensgrenzen nicht um mehr als 60% übersteigt. Im Gegensatz zum ersten Förderweg richtet sich der zweite Förderweg an einkommensstärkere Zielgruppen - also an Haushalte, welche die geförderte Wohnung zur Eigenverwendung nutzen und nicht als reine Mieter auftreten.

540 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Die im zweiten Förderweg erstellten Wohnungen unterliegen der Kostenmiete und ihre Finanzierung erfolgt überwiegend über den Bund. 5.3.2.4.3

Die vereinbarte Förderung (dritter Förderweg)

Im dritten Förderweg, der 1988 durch die Einführung des § 88d II. WoBauG zusätzlich vorliegt, ist die starre Beziehung zwischen Bewilligungsmiete, Bindungszeitraum und Förderungsberechnung aufgehoben. Die Länder haben nun die Möglichkeit ihre Förderung flexibler zu gestalten und von dem Prinzip der Kostenmiete abzuweichen. Bei diesem sog. dritten Förderweg können die Darlehensgeber und Bauherren bzgl. der geförderten Wohnungen auf privatrechtlicher Basis Höhe und Einsatzart der Mittel, Belegungsrechte, Einkommensgrenzen und Miethöhe vereinbaren (vgl. auch § 87b II WoBauG und § 88 II WoBauG). Die starren Vorschriften des Wohnbindungsgesetzes und der zweiten Berechnungsverordnung sind nicht mehr zwingend zu berücksichtigen. Außerdem sind bei dem dritten Förderweg die Mietpreis- und Belegungsbindungen deutlich kürzer, und die Sozialmietsätze können flexibler nach Einkommen differenziert festgelegt werden. Die gleitenden Fördergrenzen bei speziellen Problemgruppen tragen dazu bei, die Förderung gerechter und effizienter zu gestalten (vgl. Jokl 1993). Das Engagement im dritten Förderweg fällt in den verschiedenen Ländern unterschiedlich aus. 5.3.2.4.4

Die einkommensorientierte Förderung

Die einkommensorientierte Förderung besteht aus der Grund- und der Zusatzförderung und ist festgelegt in § 88e II. WoBauG. Diese Förderung des sozialen Wohnungsbaus soll hierdurch flexibler, belastungsorientierter und billiger gestaltet werden (vgl. Kiepel 1994). Die Grundförderung erfolgt zum Zweck des Erwerbs von Belegungsrechten und zur Festlegung von höchstzulässigen Mieten. Die Zusatzförderung hat das Ziel, den Mieter einkommensorientiert mit Wohnkosten zu belasten (vgl. Krabbes 1994, S. 195). Der Investor erhält eine Grundförderung, welche die Differenz zwischen Marktmiete und der Basismiete ausgleicht, wobei die Basismiete sich am unteren Rand der ortsüblichen Neubaumiete orientieren soll und von der entsprechenden Behörde festgelegt wird. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die Kommunen zwar durch das Miethöhegesetz dazu verpflichtet sind, einen Vergleichsmietenspiegel aufzustellen, allerdings gibt es keine einheitliche Berechnungsmethode zur Berechnung der Vergleichsmiete. Bei Inanspruchnahme der Grundförderung durch den Investor verpflichtet er sich, während der Dauer der Zweckbindung für den geförderten Wohnraum keinen höheren als den festgelegten Mietzins zu verlangen und die Belegungsrechte der Kommunen einzuhalten. Der zweite Bestandteil der einkommensorientierten Förderung ist die Zusatzförderung. Sie hat den Zweck, die Mietbelastung der einzelnen Haushalte ihrem Einkommen anzupassen. Der Empfänger der Förderung kann entweder der Vermieter oder der Mieter sein. Wird die Zusatzförderung an den Vermieter gezahlt, so gewährt er einen Mietnachlass. Erhält hingegen der Mieter die Zusatzförderung, so kann der Vermieter die am Markt orientierte Miete verlangen. Die Zusatzförderung hat die Aufgabe, die Differenz zwischen der Basismiete und der vom Mieter zu tragenden Sozialmiete (Endmiete) auszugleichen. Diese Zusatzförderung

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

541

wird in bestimmten Zeitabständen überprüft und an die aktuelle Einkommenssituation und Miethöhe angepasst. Haushalte mit einem entsprechend niedrigen Einkommen müssen lediglich die Sozialmiete zahlen, deren Höhe sich an einer sozial verträglichen Wohnkostenbelastung orientiert. Verfügen die Haushalte über ein sehr geringes Einkommen, so werden sie zusätzlich durch Wohngeld unterstützt. Die Zusatzförderung wird unabhängig von einer eventuellen Wohngeldberechtigung des Mieters bestimmt. Beim Wohngeldempfänger wird die Zusatzförderung bei der Wohngeldberechnung berücksichtigt. Die individuelle Absicherung des Mieters ist während der Bindungsfrist durch die Zusatzförderung gewährleistet, und nach Ablauf der Bindungen wird sie durch das Wohngeld ersetzt. Das Zweite Wohnungsbaugesetz mit dem Kostenmietensystem ist durch das Gesetz über die soziale Wohnraumförderung ersetzt worden. Es steht nun nicht mehr der Neubau von Wohnungen im Vordergrund – gleichberechtigte Fördergegenstände sind die Modernisierung, der Erwerb von Belegungsrechten und der Erwerb bestehenden Wohnraums. Es stellt somit eine Verschiebung zur Bestandförderung dar. Die Zielgruppen sind nicht mehr die breiten Schichten der Bevölkerung, sondern diejenigen Haushalte, die sich am Markt nicht mehr versorgen können. Die Länder haben Spielräume auf regionale Wohnungsverhältnisse zu reagieren. Diese dargestellten Bedingungen stellen nur die Rahmenbedingungen dar, innerhalb derer es den Ländern überlassen bleibt, wie sie die einkommensorientierte Förderung im Einzelnen gestalten. Innerhalb der Kompetenzen der Länder liegen die Festlegung der Höhe der Grundförderung, die Festlegung der höchstzulässigen Mieten und deren Dynamisierung, die Bestimmung der Belegungsrechte, die Festlegung der begünstigten Personengruppe sowie die Höhe, Staffelung und Dauer der Zusatzförderung (vgl. Krabbes 1994; Völker 1994; Jelter 1995). Welche Förderwege verwendet werden, liegt in der Entscheidung der Länder.

5.3.2.5

Wohngeld

Beim Wohngeld handelt es sich um einen verlorenen Zuschuss des Staates zu den privaten Aufwendungen für den Wohnraum (Subjektförderung). Ziel des Wohngeldes ist die „wirtschaftliche Sicherung eines angemessenen und familiengerechten Wohnens“. Das Wohngeldgesetz (WoGG) und die ergänzenden Verwaltungsvorschriften in der Wohngeldverordnung (WoGV) regeln den Zweck, die Bewilligungsvoraussetzungen und die Berechnung des Anspruchs auf Wohngeld. Es werden gebundene monetäre Transfers an einkommensschwache Haushalte geleistet, um diese in die Lage zu versetzen, die Aufwendungen für einen angemessenen Wohnraum tragen zu können. Hervorzuheben ist, dass auf die Gewährung von Wohngeld ein Rechtsanspruch besteht. Damit wird eine Gleichbehandlung gesichert, und die Wohngeldbezieher werden nicht einem zufälligen Verteilungsverfahren ausgesetzt (vgl. Mackscheidt 1983; Eekhoff 1993a und 2002). Wohngeld können Nutzer von Mietwohnungen, aber auch Nutzer von Eigentumswohnungen beanspruchen. Die Zahlungen werden als Zuschüsse zu den Mietaufwendungen und als Lastenzuschüsse für Aufwendungen (Kapitaldienst, Bewirtschaftung) von Eigentümerhaushalten gewährt. Der Umfang des Anspruchs ergibt sich zum einen aus einkommensbezogenen Kriterien des Antragstellers. Zum anderen wird die Höhe des individuellen Wohngeldanspruchs von wohnkostenbezogenen Kriterien abhängig gemacht wie von der tatsächlichen Miethöhe, von dem Baualter und der Ausstattung bzw. der Qualität der Wohnungen.

542 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Die Wohngeldleistungen wurden in der Vergangenheit in unregelmäßigen Abständen durch Novellen zum Wohngeldgesetz an die Mieten- und Einkommensentwicklung angepasst. Allerdings ist festzustellen, dass nicht alle Wohngeldberechtigten das Wohngeld in Anspruch nehmen; Schätzungen gehen davon aus, dass rund 50% aller Wohngeldberechtigten Mieterhaushalte ihren Rechtsanspruch aus den unterschiedlichsten Gründen nicht realisieren. Trotzdem wendete der Staat im Jahr 2003 insgesamt rd. 4,97 Milliarden Euro auf (Statistisches Bundesamt, http://www.destatis.de/basis/d/solei/soleiq20c.php vom 6.8.2005).

5.3.2.6

Indirekte Förderung - Steuervergünstigungen

Die indirekte Wohnungsbauförderung besteht im wesentlichen aus steuerlichen Vergünstigungen, zu denen Abschreibungserleichterungen, in Form von Sonderabzügen von der Steuerschuld und der Möglichkeit, Sonderausgaben geltend zu machen, gehören. Hinzu kommen teilweise oder vollständige Steuerbefreiungen. Innerhalb der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zur Förderung des Wohnungsbaus - geregelt im Einkommensteuergesetz -, werden die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums und die Förderung des Wohnungsbaus (mit dem Ziel der Fremdvermietung) unterschieden. Die Förderung des Wohnungsbaus zur Fremdvermietung erfolgt nach dem EStG im wesentlichen durch erhöhte Absetzungen beim Erwerb oder Bau von Wohnungen. Außerdem wird das Ziel verfolgt, durch höhere Absetzungsmöglichkeiten bei Baumaßnahmen das Angebot an Wohnraum, z.B. durch den Ausbau von Dachböden oder Kellerräumen, auszuweiten. Die Steuervergünstigungen haben nach dem Bericht des Instituts für Weltwirtschaft für den Sektor Wohnungsvermietung von 1998 bis 2004 deutlich zugenommen (vgl. Boss/Rosenschon, 2004, S. 16). Den rückläufigen Steuervergünstigungen aufgrund des Auslaufens der Förderung nach § 10 e EStG (1998: 3.450 Mio. Euro Sonderausgabenabzug bei einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung nach § 10 e – 2004 nur noch 125 Mio. Euro) steht eine steigende Eigenheimzulage nach § 9 Abs. 5 gegenüber (Eigenheimzulage nach § 9 Abs. 2 EigZulG 1998: 2.439 Mio. Euro 2004: 7.574 Mio. Euro). Ein weiteres steuerliches Instrument sind degressive Abschreibungen, die sich allerdings im Zeitablauf häufig änderten, zu nennen: Die lineare AfA (Absetzung für Abnutzung) beträgt für vor dem 1. Januar 1925 fertiggestellte Wohngebäude 2,5% p.a., für die danach fertiggestellten Gebäude 2% p.a. Für Gebäude, soweit sie Wohnzwecken dienen und für die der Bauantrag nach dem 28. Februar 1989 gestellt wurde, betragen die AfA-Sätze gemäß § 7 Abs. 5 EStG im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden drei Jahren jeweils 7%, in den darauffolgenden Jahren 5%, in den darauffolgenden sechs Jahren jeweils 2% und in den darauffolgenden Jahren 24 Jahren jeweils 1,25%. Diese degressiven Abschreibungen führen insbesondere in den ersten Jahren zu erheblichen steuerlichen Vorteilen. Seit dem 1.1.1996 profitieren diejenigen, die ein Haus bauen oder Wohneigentum erwerben, nicht mehr von der einkommensabhängigen Förderung nach § 10e Einkommensteuergesetz, sondern erhalten eine Eigenheimzulage. Seit dem 1.1.2004 wurden die Subventionen gekürzt. Die Eigenheimzulage, die nun Haushalten gewährt wird, die in den Jahren der Antragstellung und im Vorjahr nicht mehr als 70.000 Euro (Alleinstehender) bzw. 140.000 (Verheiratete) - pro Kind erhöht sich die Einkommensgrenze um 30.000 Euro - Haushaltseinkom-

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

543

men zur Verfügung hatten, erhalten eine jährliche Grundzulage für den Erwerb selbstgenutzter Wohnungen von einheitlich 1.250 Euro für Neubau- oder auch Bestandwohnungen acht Jahre lang (insbesondere die ursprünglichen Zuschüsse von 2.556 Euro jährlich für eine erworbene selbstgenutzte Neubauwohnung sind damit massiv gekürzt worden.) Die Kinderzulage wurde von 767 Euro auf 800 Euro jährlich für eine Laufzeit von acht Jahren aufgerundet. Die Begrenzung des Jahreseinkommens (vorher 81.807 Euro heute 70.000 Euro) hat dazu geführt, dass mengenmäßig weniger Haushalte in den Genuss der Zulage kommen. Allerdings muss festgestellt werden, dass die Eigenheimzulage als fixer Betrag viele Haushalte anspricht. Gefördert werden sollten vor allem die Schwellenhaushalte, auch in den Ballungsgebieten. Erste Erfahrungen zeigen allerdings, dass diese Art der Förderung vor allem zu Mitnahmeeffekten und Anreizen in ländlichen Gegenden führt, in denen der Versorgungsgrad an Wohnraum als ausreichend zu beurteilen ist. Die verschiedenen Formen der Steuervergünstigungen und Subventionen bilden inzwischen hinsichtlich der finanziellen Größenordnung sowie der wohnungspolitischen Effekte den wichtigsten Teil der mit öffentlichen Mitteln betriebenen Wohnungsbauförderung.

5.3.2.7

Ordnungspolitische Instrumente und Rahmenbedingungen der Wohnungswirtschaft

Sowohl für den freifinanzierten und steuerbegünstigten Wohnungsbestand als auch für den sozialen Wohnungsbau bestehen gesetzliche Rahmenbedingungen für den Mieterschutz. Diese Rahmenbedingungen beziehen sich auf den Kündigungsschutz und auf die Regelungen von Mieterhöhungen bei bestehenden Verträgen. Hinzu kommen die staatlichen Regulierungen im Bau- und Steuerrecht. 5.3.2.7.1

Kündigungsschutz

Der Kündigungsschutz ist im Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz (II. WKSchG), in den Mietvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und im Miethöhegesetz (MHG) geregelt. Die Mieter haben einen umfassenden Kündigungsschutz (asymmetrischer Kündigungsschutz zugunsten des Mieters). Ein Vermieter kann ein bestehendes Mietverhältnis nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse nachweisen kann. Während für den Vermieter die Regelung eine Einengung seiner Marktchancen darstellt (beispielsweise Realisierung von Marktlagengewinnen durch Umwidmungen für gewerbliche Zwecke, oder Möglichkeit zum Verkauf als bezugsfreie Eigentumswohnung), bleibt das Verlustrisiko durch eine vorzeitige Kündigung durch den Mieter bestehen. Hauptanwendungsfall für die Kündigung durch den Vermieter ist der Eigenbedarf. Dieser Kündigungsgrund hat zu zahlreichen Rechtsstreiten geführt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 26. Mai 1993 ausgeführt (1 BvR 208/93; das Urteil ist abgedruckt in: Wohnungswirtschaft und Mietrecht, Heft 7, 1993, S. 377-380): „Das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum im Sinne des Artikel 14, Absatz 1, Satz 1 Grundgesetz“. Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt für Mieter generell nur maximal drei Monate

544 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte und für Vermieter richtet sich die Kündigungsfrist nach der Dauer des Mietverhältnisses und beträgt maximal neun Monate. 5.3.2.7.2

Mietpreisregelung

Ein Kündigungsschutz allein, der lediglich auf die gesetzliche Festlegung bestimmter Kündigungsfristen abstellt, ist nicht in der Lage, Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Der Kündigungsschutz muss durch Regelungen über die zulässige Mieterhöhung abgesichert sein. Andernfalls könnten „Vermieter (...) den Kündigungsschutz unterlaufen, indem sie willkürliche Mietforderungen stellen und damit das Ausziehen eines Mieters erzwingen. Oder sie könnten die Immobilität des Mieters ausbeuten und im Grenzfall eine Miete durchsetzen, die um die Mobilitätskosten des Mieters, also um die Umzugskosten im weitesten Sinne, oberhalb der Marktmiete liegt“ (Eekhoff 1987, S. 139). Die heutigen Mieterschutzbestimmungen gehen in ihren Grundzügen auf die Wohnraumkündigungsschutzgesetze von 1971 und 1974 zurück, die gegenüber den Jahren zuvor eine deutliche Verstärkung des Mieterschutzes darstellten. Der Beschluss, die Inhalte des 1. WKSchG im 2. WKSchG als Dauerregelung zu übernehmen, führte zu einer dauerhaften Kappung der möglichen Mieterhöhungen und somit zu einer Absicherung des Kündigungsschutzes. Damit ist die Funktionsfähigkeit des Mietpreises als Knappheitsindikator eingeschränkt. Deutlich wird dies insbesondere in Zeiten angespannter Wohnungsmärkte, in denen Wohnungspolitik zur kurzschlüssigen Verstärkung des Mieterschutzes neigt. Dieser dämpft zwar die Mietenentwicklung, schwächt aber zugleich die Investitionsbereitschaft für den in solchen Phasen besonders wichtigen Wohnungsneubau. Der Staat möchte die angebliche grundsätzliche Marktunterlegenheit der Nachfrager nivellieren, und außerdem besteht ein Anreiz zu mietrechtlichen Eingriffen, weil dafür keine Haushaltsmittel erforderlich sind. Bei den mietenpolitischen Eingriffen kommt es zu einem Ratchet-Effekt. Die Mietvertragsparteien sind in der Preisvereinbarung grundsätzlich frei. Ausnahmen bilden der öffentlich geförderte sowie der gemeinnützige Wohnungsbau, bei denen die Mieten an die Kosten gebunden sind. Für Mieterhöhungen in bestehenden Verträgen finden die Bestimmungen des Miethöhegesetzes (MHG) zur „ortsüblichen Vergleichsmiete“ Anwendung. Mieterhöhungen in laufenden Mietverträgen müssen z.B. durch Modernisierungsmaßnahmen oder durch Mietpreise unter der ortsüblichen Vergleichsmiete begründet sein. Hier können die sog. Mietspiegel herangezogen werden. Die Kappungsgrenze von Mieterhöhungen auf 20% Obergrenze innerhalb von drei Jahren bleibt die ortsübliche Vergleichsmiete. Die Miethöhe bei Neuvermietungen ist durch das Miethöhegesetz nicht geregelt. Gewisse Begrenzungen ergeben sich aus dem Wirtschaftsstrafrecht, nach dem Mieten grundsätzlich dann als überhöht gelten, wenn sie die jeweils ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20% überschreiten. Der Mieter kann in diesen Fällen eine Senkung der Miete durchsetzen. Im freifinanzierten Wohnungsbau sind die Mieten in neuen Verträgen tendenziell höher als in den alten Verträgen, denn die Mietpreisanhebung in bestehenden Verträgen ist nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete möglich und nicht bis zur darüber liegenden Marktmiete. Der Vermieter versucht, die so entstehenden Verluste durch relativ hohe Mieten bei Vertragsabschluß zu kompensieren. Eine Folge dieser Vorgehensweise kann das Horten von Wohn-

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

545

raum sein, da es für den Mieter oft vorteilhafter ist, eine größere Altbauwohnung zu behalten, als eine kleinere Wohnung zu einem höheren Mietpreis pro Quadratmeter anzumieten. Die Mobilität der Haushalte wird somit durch das Mietrecht gehemmt. 5.3.2.7.3

Fixierung von Qualitätsstandards

Durch die Fixierung verbindlicher Qualitätsstandards von Wohnungen, Wohngebäuden und allgemein von Baumaterialien soll die Sicherstellung einer bestimmten technischen Qualität der Wohnraumversorgung gewährleistet werden. Die Festlegung bestimmter Angebotseigenschaften, die auch indirekt den Handlungsspielraum der Nachfrager beschränkt, kann mit den von einer qualitativ ungenügenden Wohnungsversorgung ausgehenden negativen externen Effekten begründet werden. Derartige Verordnungen können teilweise negative Wirkungen auf die tatsächliche Wohnungsversorgung der Bevölkerung ausüben. Die durch die Auflagen entstehenden Kosten in der Angebotsgestaltung werden auf die Mieten teilweise oder vollständig überwälzt, mit der Folge, dass die ökonomische Tragfähigkeit mehr oder weniger großer Kreise der Bevölkerung nicht (mehr) ausreicht, um die mit diesem Qualitätsniveau korrespondierenden finanziellen Belastungen alleine zu tragen. Im weiteren Verlauf werden dann angebots- und nachfrageseitige Subventionierungen notwendig.

5.3.3

Zur Zieladäquanz wohnungspolitischer Instrumente

Evaluierungen der Wirksamkeit wohnungspolitischer Instrumente werden nur in sehr geringem Umfang von den zuständigen Behörden von Bund, Ländern und Gemeinden vorgenommen. Zur Wirksamkeit der Mietenpolitik und des Wohngeldes wird laufend der Wohngeld- und Mietenbericht durch die Bundesregierung im zweijährigen Zyklus dem Bundestag vorgelegt (vgl. Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 2004). Ebenfalls alle zwei Jahre werden von der Bundesregierung im Subventionsbericht die wohnungspolitischen Finanzhilfen und Steuervergünstigungen beziffert, wobei die Finanzhilfen der Länder und Gemeinden nicht ausgewiesen sind (Bundesministerium der Finanzen 2003). Die Indikatoren- und Messprobleme ergeben sich aus den häufig recht vage formulierten wohnungspolitischen Zielen (z.B. „Verbesserung der Wohnungsversorgung“ oder „eine zumutbare Mietenentwicklung“). Hingegen sind für die Beurteilung der Wirksamkeit der einzelnen Instrumente operationlisierte (quantifizierbare) Ziele notwendig, die im Rahmen einer Evaluierungsstudie abgeleitet werden müssten. Das Kausalitätsproblem, das sich aus der Vielzahl wohnungspolitischer Instrumente und der Interdependenzen zwischen Wohnungsmarktprozessen und staatlichen Eingriffen ergibt, führt dazu, dass beobachtete Wirkungen i.d.R. nicht bedingungslos auf ein einzelnes wohnungspolitisches Instrument zurückgeführt werden können (vgl. Jaedicke 1996, S. 186). Die Diskussion einer Beurteilung der Zieladäquanz wohnungspolitischer Instrumente wird aufgrund der dargestellten Probleme i.d.R. nicht auf der Basis von quantifizierbaren Aussa-

546 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte gen geführt (vgl. Behring/Goldrian 1991). Die Studien zur Gesamteinschätzung der deutschen Wohnungspolitik (vgl. beispielsweise Häring 1974, Hecht 1978, Füllenkemper 1982, Wölling 1987 Bitte im Literaturverzeichnis ergänzen, Schellhaaß/Schulz 1987, Behring/Goldrian 1991, Huang 1993 und Mayer 1998) sind größtenteils bereits verhältnismäßig alt, und die Evaluierungen konnten nur zum Teil auf der gewünschten empirischen Grundlage durchgeführt werden. Einen Schwerpunkt dieser Arbeiten stellt die Ermittlung der Verteilungswirkungen der wohnungspolitischen Instrumente dar (Ulbrich 1980 und 1992 Bitte im Literaturverzeichnis ergänzen, Behnken 1982 und Mackscheidt/Deichmann 1982). Trotz dieser Fülle an Studien und Veröffentlichungen muss vor allem bei Berücksichtigung des Umfangs der durch staatliche Interventionen in den Wohnungsmarkt gebundenen öffentlichen Mittel der Kenntnisstand über die quantitativen Wirkungen der wohnungspolitischen Instrumente als unzureichend beurteilt werden. Entsprechend sollen auch im Folgenden die Instrumente vor allem hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Wirkungsrichtungen und Wirkungszusammenhänge analysiert werden.

5.3.3.1

Objektförderung vs. Subjektförderung – sozialer Wohnungsbau vs. Wohngeld für Mieter – der Klassiker

5.3.3.1.1

Verteilungspolitische Zielsicherheit

Gegen den sozialen Wohnungsbau spricht die hohe Fehlsubventionierung. Auch die in dem Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen (AFWoG) von 1981, das 1989 letztmalig geändert wurde, geregelte Fehlbelegungsabgabeschafft schafft nur bedingt Ausgleich. Auch das Wohnungsbaureformgesetz ändert nichts an den Regelungen des sozialen Wohnungsbaus im Bestand. Diese Förderung provoziert eine immanente Marktspaltung, die Signal- und Lenkungsfunktion von Marktmieten wird außer Kraft gesetzt, es kommt zu Fehlallokationen. Es besteht eine Konkurrenz der freifinanzierten Wohnungen mit den subventionierten Wohnungen. Schließlich steht nur für eine Minderheit der Haushalte, die aufgrund ihrer Einkommenshöhe eine Wohnberechtigung für den sozialen Wohnungsbau besitzt, tatsächlich eine Sozialmietwohnung bereit. Eine Versorgung aller berechtigten Haushalte mit einer Sozialwohnung würde jeden finanziellen Rahmen der Wohnungspolitik sprengen. So wird es in gewisser Weise zu einem Lotteriespiel, wer die Mietpreisvergünstigung schließlich erreicht. Das Wohngeld hingegen verfügt über eine höhere soziale Treffsicherheit, da die weitere Zahlung einer jährlichen Überprüfung der Haushaltseinkommen unterliegt, ein gesetzlicher Anspruch auf die Zahlung besteht, und es flexibel auf die Änderung des Einkommens des betroffenen Haushaltes reagieren kann. Der Rechtsanspruch auf das Wohngeld gewährleistet, dass auch tatsächlich alle anspruchsberechtigten Haushalte in den Genuss dieser Förderung gelangen. Dieses wohnungs-politische Instrument konzentriert sich auf die Förderung von Haushalten unterer Einkommensschichten. Da die Einkommensvoraussetzungen und die Mieten kontinuierlich nachzuweisen sind, kann es nicht zu gravierenden Fehlsubventionierungen kommen. Die „Mietfühlbarkeit“ der Haushalte wird ausgeschaltet. Weiterhin verfügt es über den Vorteil, lediglich die Kaufkraft der Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt zu

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

547

erhöhen, also nur gering in den Markt einzugreifen. Der Allokationsmechanismus des Marktes unterliegt unter gegebener Budgetrestriktion der Nutzenmaximierung. Die Versorgung von Randgruppen (Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Ausländerfamilien, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger), die über eine mangelnde Mietzahlungsfähigkeit verfügen und die aus der Sicht des Vermieters überdurchschnittlich viele negative externe Effekte auslösen, ist durch das Wohngeld allerdings nicht gesichert. Das Wohngeld stellt für solche Haushalte, die bereits über eine Wohnung verfügen, eine wichtige Hilfe dar, verhilft aber Haushalten, die nicht dem Erscheinungsbild eines solventen Mieters entsprechen, teilweise nicht zu einer angemessenen Wohnung. Der Mietvertrag kommt nur dann zustande, wenn ein Zuschlag zur Miete den Erwartungswert von Schäden und Belästigungen kompensiert. Insofern leistet das Wohngeld immer nur dann einen spürbaren Beitrag zur angemessenen Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte, wenn durch eine Novelle die gesetzlichen Regelungen an die Entwicklung angepasst sind. In der Folgezeit bis zur nächsten Novellierung büßt das Wohngeld seine Wirkung immer mehr ein. 5.3.3.1.2

Investitionspolitische Zielsicherheit

Nach verteilungspolitischen Gesichtspunkten liefert die Subjektförderung unmittelbar Beiträge zur Zielerfüllung - die Objektförderung hingegen nur mittelbar. Bei den investitionspolitischen Zielen hingegen verhält es sich nun genau umgekehrt. Mit Hilfe der Objektförderung lassen sich schnell Investitionen in den Wohnungsbau leiten. Der Staat hat die Möglichkeit, sowohl regional differenziert als auch die quantitativen und qualitativen Anforderungen an Wohnungen direkt zu beeinflussen. Allerdings hatte im System der Objektförderung der Unternehmer den Anreiz, die Behörden von seiner Kostenkalkulation zu überzeugen und nicht Kosten einzusparen. Da die Sozialmiete i.d.R. wesentlich unter der Marktmiete liegt, ist die Wohnung auch bei mangelnder Berücksichtigung der Mietpräferenzen vermietbar. Die unternehmerische Haftung beginnt erst, wenn die Wohnung trotz der empfangenen Subventionen leer steht oder die Objektförderung unerwartet früh ausläuft. Erfolgen Objektförderungen, so wird die Abstimmung zwischen dem Angebot an Wohnungen und den Mieterpräferenzen gestört. Es kommt zum Problem der Marktspaltung in einen nichtsubventionierten Teilmarkt und in einen Teilmarkt für Sozialwohnungen mit administrativ vorgegebenen Preisen und Zugangsbeschränkungen. Auf dem subventionierten Teilmarkt wird durch öffentliche Mittel ein zusätzliches Angebot an Wohnungen für Bezieher niedriger Einkommen geschaffen. Dieses Angebot an Sozialwohnungen (As) steht einer Nachfrage der Wohnungssuchenden (Ns) gegenüber, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens Zugang zum sozialen Wohnungsmarkt haben. Auf dem sozialen Wohnungsmarkt bestimmt sich die Miete nicht aus dem Angebot und der Nachfrage nach Wohnraum, sondern es wird ein bestimmter Preis administrativ festgelegt (Pmax), der unter dem Gleichgewichtspreis am freien Wohnungsmarkt liegt. Die Folge ist, dass ein Nachfrageüberschuss entsteht, ggf. sogar durch diejenigen, die eine Zugangsberechtigung zum sozialen Wohnungsmarkt haben.

548 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

Abbildung 141: Spaltung des Wohnungsmarktes durch den sozialen Wohnungsbau;

Das Angebot von Sozialwohnungen zieht einen Teil der Nachfrage von dem freien Wohnungsmarkt ab. Dort sinkt die Nachfrage nach Wohnraum im Vergleich zur Situation ohne sozialen Wohnungsbau in dem Maße, wie sie auf dem Teilmarkt der Sozialwohnungen befriedigt werden kann (ΔNbef). Folglich werden die Mieten für Wohnungen - insbesondere mittlerer und unterer Qualität - auf dem freien Wohnungsmarkt sinken bzw. weniger stark steigen als ohne staatliche Interventionen. Die Rendite für die Vermietung dieser Wohnungen fällt (vgl. Eekhoff/Sievert/Werth 1979, S. 70 ff.). Das Angebot reagiert mittelfristig auf diese Preisentwicklung, denn Investoren werden die Neubautätigkeit in diesem Marktsegment vermindern. Es kommt zu Anpassungsreaktionen, indem in Modernisierungen und Instandsetzungen des Wohnungsbestandes investiert wird, um den Wohnungsbestand aus der Konkurrenz zu den Sozialwohnungen abzuheben, bzw. es werden qualitativ höherwertige Wohnungen errichtet. Weiterhin wird angestrebt, sofern möglich, eine Umwidmung in gewerbliche Räume vorzunehmen (in der Abbildung 141 bedeutet dies eine Reduzierung des Angebotes aufgrund der Preissenkung entlang der Angebotsfunktion in das neue Gleichgewicht P1;W1). Als Folge bleibt festzuhalten, dass durch die Marktspaltung Anpassungsprozesse auf dem freien Wohnungsmarkt ausgelöst werden, durch welche die Sozialwohnungen einen Teil der nicht-geförderten Wohnungen verdrängen. Dieser Allokationsmechanismus, durch den im Marktmodell die Steuerung einer Investition effizient erfolgt, wird hingegen durch die Individualförderung nicht gestört. Durch die Subjektförderung werden die Preisrelationen nicht verzerrt, deshalb werden Vermieter eine effiziente Kostenkontrolle und eine sorgfältige Betrachtung der zukünftigen Entwicklung in ihrem eigenen Interesse durchführen, um sicherzustellen, nicht zu teuren und daher unvermietbaren Wohnraum zu produzieren. Die Risikoübernahme durch den Investor ist deshalb ein effizientes Instrument für ein nachfragegerechtes Angebot (vgl. Mayer 1998).

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

549

Das Wohngeld wirkt wie eine Erhöhung des Einkommens und stärkt somit die Nachfrage des Wohngeldbeziehers. Ganz grundsätzlich besteht bei dem Instrument der Subjektförderung in Form des Wohngeldes die Gefahr, dass sich die größere Mietzahlungsbereitschaft – bei unelastischem Angebot - lediglich in höheren Mieten für bestehenden Wohnraum und damit in Mehreinnahmen des Vermieters auswirken und nicht in einem zusätzlichen Wohnraumangebot. Auch die Berücksichtigung regionaler Mietunterschiede ist unzureichend. Diese Unterschiede werden grundsätzlich nicht in den Wohngeldtabellen berücksichtigt. Um den dargestellten Effekten zu begegnen, könnte das bestehende Wohngeldsystem auf unterschiedliche Art umgestaltet werden, so wie erste Ansätze im Rahmen des „Hartz IV“-Programms bereits regional unterschiedliche Zuschüsse installiert haben. Verwaltungstechnisch am wenigsten aufwendig wäre allerdings eine gleichmäßige Mietsubventionierung. Alle Haushalte bekämen dann einen in Abhängigkeit vom Einkommen festzulegenden Prozentsatz als Wohngeld. Das Wohngeld würde als Geldtransfer unabhängig von den Wohnkosten gestaltet werden. Auch käme eine Integration des Wohngeldes im Rahmen eines Bürgergeldes in Frage, wobei das Lebenseinkommen als Grundlage, sowohl der Steuerberechnung als auch einer Transferberechnung dienen würde. Fragwürdig sind investitionspolitische Anreize durch das Wohngeld in der derzeitigen Ausgestaltung auch deshalb, da das Wohngeld durch unregelmäßige Kaufkraftanpassungen recht ineffizient ist. Die Einkommen, die Mietobergrenzen und die Wohnflächen, die gesetzlich festgelegt werden, stimmen zunehmend weniger mit den am Markt vorhandenen Wohnungen, Mieten und realen Einkommen überein. Die Wohngeldleistungen wurden in der Vergangenheit sehr unregelmäßig durch Novellen zum Wohngeldgesetz an die aktuellen Einkommens- und Mietensituationen angepasst. Die letzte Anpassung erfolgte 2001, davor 1990. Das Wohngeld kann nur dann einen Beitrag zur angemessenen Wohnraumversorgung leisten, wenn durch Aktualisierung die gesetzliche Regelung an die Entwicklung angepasst wird. Eine andere Ursache für mangelnde investitionspolitische Zielsicherheit des Wohngeldes wird in der Literatur häufig in der zweckentfremdeten Verwendung des Wohngeldes diskutiert. Auf der Grundlage von ökonometrischen Untersuchungen wird davon ausgegangen, dass ca. ein Drittel des Wohngeldes sich in erhöhter Kaufkraft für Wohnungen und ca. zwei Drittel durch erhöhten Konsum anderer Güter bemerkbar machen. Deshalb wird häufig für eine Auszahlung des Wohngeldes an den Vermieter (zweckgebundener Transfer) plädiert. Aus der Theorie des Haushaltes ist aber bekannt, dass generelle Transfers eine höhere Wohlfahrtsstiftung beinhalten als zweckgebundene. Den Vorteil eines verwendungsfreien Einkommens gegenüber einer Einkommenspolitik mit Verwendungsauflagen (Subventionen) demonstriert die Abbildung 142.

550 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

Abbildung 142: Generelle versus zweckgebundene Transfers

AC ist die gegebene Budgetgerade ohne staatliche Eingriffe mit dem optimalen Verbrauchsplan E, da I1 die Budgetgerade AC tangiert; AD ist die Budgetgerade bei zweckgebundener Subventionierung des Gutes Wohnen (z.B. durch eine Zahlung des Wohngeldes an den Vermieter). I2 spiegelt ein entsprechend höheres Nutzenniveau wider - mit dem neuen Tangentialpunkt E1 des Gutes Wohnen. Die Nachfrage nach Wohneinheiten konnte von 0H auf 0H1 gesteigert werden; allerdings war hierfür eine Subvention in Höhe von E1p notwendig. Auf die gleiche Indifferenzkurve könnte der Haushalt gelangen, wenn man freie Transfers – wie das bisherige nicht-zweckgebundene Wohngeld - zahlt. Erforderlicher Transferbetrag: AT bzw. mp (Parallelverschiebung der Budget-geraden). Man erkennt die effizientere Vorgehensweise an E1P > mp, d.h., der Staat muss bei Subventionen einen größeren Betrag aufbringen als im Fall einer Unterstützungszahlung mit freier Verwendung an die Haushalte, wenn er das Wohlfahrtsniveau in gleicher Höhe steigern will. E1m repräsentiert also die relative Unterlegenheit/Ineffizienz der Subventionspolitik gegenüber dem freien Transfer, wenngleich wohnungspolitische Ziele beim allgemeinen Transfer - aufgrund der bekundeten Präferenzen der Haushalte – weniger gut erreicht werden mögen. Bei einer derartigen Umgestaltung des Wohngeldsystems in zweckgebundene Transfers könnten im Übrigen Datenschutzprobleme auftreten. 5.3.3.1.3

Gewährleistung der sozialen Absicherung des Wohnens

Die Verlässlichkeit einer Sozialleistung besteht darin, auch in der Zukunft eine gleichwertige Leistung für gleichartige Fälle zu garantieren. Während die soziale Sicherung der Objektför-

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

551

derung mit dem Auslaufen der Sozialbindung endet, ist das Wohngeld abhängig von der politischen Festlegung. Bei degressiv geförderten Wohnungen steigt bei gleichzeitigem Subventionsabbau die Miete an. Damit sind Mieterhöhungen, die über der Einkommenssteigerung liegen, für Mieter in Sozialwohnungen möglich. Für einkommensschwache Haushalte ist damit die individualbezogene Verlässlichkeit des Wohngeldsystems von großer Bedeutung. Die wirtschaftliche Ineffizienz einer Objektförderung hat ihre Hauptursache in den Vorschriften für die Mietpreise im Bestandsmarkt des sozialen Wohnungsbaus, denn die Kostenmiete geht von einem Erstarrungsprinzip aus. Die Verzinsung des anfangs eingesetzten Eigenkapitals im Rahmen der mietpreisbestimmenden Kosten enthält fast eine Garantie einer Rendite. Das Fatale an dieser Garantie ist, dass sie unabhängig von den entstehenden Baukosten ausgesprochen wurde. Auf diese Weise fehlte der Anreiz zum kostengünstigen Bauen. In den meisten Fällen wurde das Fördervolumen nach der Differenz zwischen der Kostenmiete, die sich nach den Vorgaben der zweiten Berechnungsverordnung ohne Förderung ergeben würde, und der Bewilligungsmiete berechnet. Unternehmerische Fehlleistungen, die sich in vermeidbaren Kosten niederschlagen, blieben auf diese Weise ohne den notwendigen erzieherischen Einfluss auf die Gewinnsituation des Unternehmens. Das Wohnungsbauförderungsgesetz 2002 ist - wenn auch keine grundsätzliche Abkehr von der Objektförderung - so wenigstens doch ein Schritt in die richtige Richtung. Im Neubau entfällt die Kostenmiete, und die höchstzulässige Miete wird mit der Förderzusage festgelegt. Positiv zu werten ist auch die stärkere Bestandsorientierung der Förderung. Es wird erkannt, dass die Unterbringung von Haushalten mit beschränkter Mietzahlungsfähigkeit im Neubau grundsätzlich die teuerste Form der Versorgung darstellt. Es können nun verstärkt Belegungsrechte im Bestand erworben werden. Grundsätzlich aber bleibt die objektgebundene Förderung bestehen, womit es auch weiterhin zu einer Ungleichbehandlung von Haushalten mit gleichen Merkmalen kommen wird. Auch der Fehler, dass die Kosten der Förderung nur unzureichend angezeigt werden, wird nicht behoben. Bezogen auf die einzelne Wohnung ist der soziale Mietwohnungsbau übrigens das teuerste Instrument der Wohnungsbauförderung (vgl. hierzu bereits den Instrumentenbericht der Bundesregierung von 1982). 5.3.3.1.4

Abschließende Betrachtung und Zusammenfassung

Insgesamt zeigen Analysen der Verteilungswirkungen, dass sich die mit dem sozialen Mietwohnungsbau einhergehenden Mietvorteile nicht im gewünschten Maße auf die einkommensschwachen Haushalte konzentrieren (vgl. Biedenkopf/Miegel 1979, Blumers/Werner 1979 und Ulbrich 1980 und 1992). Darüber hinaus steht nur für ca. 11% der Haushalte, die aufgrund der Einkommenshöhe eine Wohnberechtigung für den sozialen Wohnungsbau besitzen, tatsächlich eine Sozialmietwohnung bereit (zur Ungleichbehandlung der Haushalte mit gleichen sozialen Merkmalen vgl. Thiemer 1997 Bitte im Literaturverzeichnis ergänzen). Neben der Fehlbelegungsproblematik und der mangelhaften direkten und nachhaltigen Kontrolle der Kostenbildung des Wohnungsbaus sind auch die Ungleichheiten zwischen den im

552 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte sozialen Wohnungsbau unterschiedlicher Jahrgänge errichteten Gebäuden hervorzuheben. Ferner ließ der soziale Wohnungsbau entscheidende Veränderungen in den Haushalts- und Lebensformen der Bevölkerung in der Bundesrepublik unberücksichtigt. Die hohe Treffsicherheit des Wohngeldes im Hinblick auf die Erreichung der Zielgruppen erweist sich auch empirisch. Verteilungsanalysen zeigen, dass das Wohngeld das Instrument mit der stärksten Konzentration der Wirkung auf die untere Gruppe der Einkommensbezieher darstellt (vgl. Expertenkommission Wohnungspolitik 1994a evtl. die Jahreszahl mit 1995 ersetzen? Bitte mit Literaturverzeichnis abgleichen, S. 97.) Allerdings stößt dieses wohnungspolitische Instrument immer dann an seine Grenzen, wenn Wohnungssuchenden der Marktzutritt nicht (nur) aufgrund mangelnder Mietzahlungsfähigkeit, sondern wegen sozialer Vorbehalte verwehrt wird. Diese Problemhaushalte werden auch durch Wohngeldzahlungen nicht in die Lage versetzt, eine angemessene Wohnung anzumieten. Deshalb wird der Erwerb kommunaler Belegungsrechte für die Unterbringung von Haushalten mit besonderen Marktzutrittsproblemen empfohlen. Dies kann durch die Gewährung öffentlicher Mittel, die Übernahme von Bürgschaften sowie durch eigene Anmietung bzw. den Kauf von Wohnraum durch die Kommunen erfolgen. Im Rahmen der vereinbarten Förderung sind diese Ansprüche an eine effizientere Gestaltung des sozialen Wohnungsbaus durchsetzbar. Es wäre möglich, die Fördermittel an denjenigen Investor zu vergeben, der in einer Art Wettbewerb für den angebotenen Förderbetrag die weitreichendsten Miet- und Belegungsbindungen anbietet. In der Praxis hingegen hat es sich gezeigt, dass die Bundesländer die vereinbarte Förderung dazu nutzen, Neubauförderungen mit geringeren Fördermitteln und weniger Bindungen zu realisieren. Auch das Instrument der einkommensorientierten Förderung wird von den Bundesländern im wesentlichen im Rahmen alter Fördermodelle genutzt, die Mittel werden meist im Rahmen des zweiten Förderweges eingesetzt. Mit der einkommensorientierten Förderung wird der Weg zu einer treffsicheren Objektförderung beschritten.

5.3.3.2

Steuervergünstigungen

Eine Differenzierung zwischen öffentlich gefördertem und freifinanziertem Wohnungsbau erscheint ungerechtfertigt, denn die Unterstützung, die in Form von Steuervergünstigungen in den sog. freifinanzierten Wohnungsbau fließt, ist als Fördervolumen sicherlich mit den offiziell als öffentliche Wohnungsbauförderung ausgewiesenen Subventionen vergleichbar. Zur Beurteilung von Steuervergünstigungen als wohnungspolitisches Instrument ist zu sagen, dass sie eine zur Feinsteuerung des Wohnungsmarktes ungeeignegte (Nachtkamp, 1991 Bitte im Literaturverzeichnis ergänzen; Wölling 1994; Eekhoff 2002) sozial ungerechte (soziale Treffsicherheit nach dem „Gießkannenprinzip“), ineffektive und in mancher Hinsicht sogar kontraproduktive Form der Förderung des Wohnungsbaus darstellen. Sozial ungerecht ist diese Art der Förderung deshalb, da die Effekte mit steigendem Einkommen und hohen Bauund Modernisierungskosten zunehmen und damit überproportional den höheren Einkommensschichten zugute kommen – die Einkommensunterschiede werden verstärkt.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

553

Mit diesem Instrument lassen sich kaum Gestaltungsvorgaben einbinden, denn steuerlich begünstigt werden Investitionen im Mietwohnungsbau, aber auch in Eigentumsmaßnahmen, in Komfortwohnungen, bei denen die Nutzung u.U. auch zweitrangig sein kann. Auch Käufe und Modernisierungen von Wohnungen aus dem Bestand werden gefördert. Aufgrund dieser steuerlichen Anreize kommt es zu Umwandlungen von (preiswerten) Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, die dann teilweise dem unteren Segment der Einkommensbezieher nicht mehr zu Verfügung stehen. Auch regional lassen sich steuerlich induzierte Baumaßnahmen nicht in der gewünschten Richtung beeinflussen - der dringend benötigte preiswerte Mietwohnungsbau in den Ballungsräumen wird mit diesem Förderweg nicht bereitgestellt. Vielmehr kann es zu einer regionalen Verschärfung der Ungleichgewichte kommen, da diejenigen Regionen mit höheren Durchschnittseinkommen auch eine entsprechend höhere Förderung erhalten. Wenngleich es zu Mitnahmeeffekten der höheren Einkommensbezieher kommt, ist eine insgesamt positive Wirkung auf die Investitionen und die Erhöhung des Angebots auf dem Wohnungsmarkt festzuhalten – was allerdings angesichts kommender demografischer Entwicklungen letztlich negativ sein kann (vgl. Kapitel 3.3 Demografie).

5.3.3.3

Ordnungspolitische Instrumente

Der Kündigungsschutz in Deutschland führt aus der Sicht der Vermieter zu einem Mietverhältnis, das die Miete dem Eigentum gleichgestellt, ohne das der Mieter die mit dem Eigentum verbundenen Risiken zu tragen hat (Jenkis 1996 und 2004 Bitte im Literaturverzeichnis ergänzen). Die Vermieter werden für den gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsschutz eine Prämie in Form eines Mietaufschlags verlangen. Das Mietenniveau für Neuvermietungen wird angehoben, wobei die Vermieter sich bei der Bemessung des Zuschlags an der durchschnittlichen Wohndauer orientieren. Die Folge ist, dass alle Mieter für den Kündigungsschutz zahlen müssen, unabhängig davon, ob sie ihn in Anspruch nehmen oder nicht. In Verbindung mit der im II. WKSchG verankerten Vergleichsmietenregelung kommt es zu einer verzögerten Anpassung der Vergleichsmiete an die entsprechende Marktmiete (vgl. hierzu die Abbildung 143). Da der Vermieter die Miete während der Laufzeit des Mietvertrages nur auf das Niveau der Vergleichsmiete anheben kann, wird er versuchen, eine Anfangsmiete zu vereinbaren, die über der Marktmiete liegt. Durch diese Vorgehensweise kompensiert der Vermieter künftige Mindereinnahmen durch Mehreinnahmen zu Beginn des Mietverhältnisses. Ist der Mieter bereit, diese höheren Mieten zu zahlen, bedeutet das für den Vermieter keine Ertragseinbußen und damit auch keinen langfristigen Rückgang der Investitionsbereitschaft. Allerdings wird durch die Anhebung des Mietenniveaus für Neumietverträge eine Spaltung des (Miet-) Wohnungsmarktes in einen Markt für Bestandsmietverträge und in einen Markt für Neumietverträge herbeigeführt. Extensive Kündigungsschutzbestimmungen implizieren letztlich einen Interessenkonflikt zwischen Wohnungssuchenden und Wohnungsinhabern.

554 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

Abbildung 143: Mietenentwicklung mit Kündigungsschutz und Vergleichsmietenregelung

Wie bereits im Abschnitt über den Kündigungsschutz ausgeführt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung dem Eigentum gleichgestellt. Ein derartig umfangreicher Kündigungsschutz begründet die Notwendigkeit anderer staatlicher Interventionen in den Wohnungsmarkt. So bedarf es eines Zweckentfremdungsverbotes für vorhandenen Wohnraum, um einen Angebotsrückgang auf dem Mietwohnungsmarkt zu verhindern. Da die Beschränkungen der Mieterhöhungs- und Kündigungsmöglichkeiten der Vermieter auf längere Sicht zu einem geringeren Mietwohnungsangebot – und in der Folge - zu höheren Mieten führen, werden Subventionen (z.B. in Form von Wohngeld) notwendig. Ohne solche Ausgleichsmaßnahmen verliert auch die Gruppe der Mieter durch die genannten Einschränkungen. Allerdings haben innerhalb der Gruppe der Mieter diejenigen einen Vorteil, die nur selten umziehen. Dagegen werden Mieter, die häufig umziehen, höhere Mieten zahlen müssen als ohne den zusätzlichen Mieterschutz, denn die Vermieter werden versuchen, durch Mietaufschläge bei Neuvermietungen die später möglicherweise unterbleibenden Mieterhöhungen vorwegzunehmen, so dass ein Wohnungswechsel i.d.R. mit einer hohen Mietsteigerung verbunden ist. Die relativ hohen Anfangsmieten, die zu zahlen sind, werden bei nur geringer Wohndauer nicht durch entsprechend niedrigere Mieten in späteren Perioden ausgeglichen. Außerdem treten bei der Wohnungssuche Probleme für potentielle Dauermieter sowie zusätzliche Schwierigkeiten für diejenigen Mieter auf, die von den Vermietern als sog. schlechte Risiken angesehen werden. Die folgende Abbildung 144 soll die Überlegungen verdeutlichen, welche Auswirkungen es auf Angebot und Miete von Wohnraum hat, wenn die Vermieter versuchen, die Anfangsmieten zu erhöhen, um die erwarteten niedrigen Nettomietsteigerungen bzw. Ertragseinbußen zu kompensieren.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

555

Abbildung 144: Der Einfluss der Wohnraumkündigungsschutzbestimmungen auf die Miethöhe und auf das Angebot von neu zu vermietendem Wohnraum

G0 stellt das Gleichgewicht auf dem Markt für neu zu vermietenden Wohnraum vor Erweiterung des Mietschutzes dar. Die Miete beträgt hier M0 und es werden WE0 Wohnnutzungseinheiten angeboten. Durch die Einführung der Wohnraumkündigungsschutzbestimmungen verschiebt sich die langfristige Angebotskurve A0 nach oben auf A1, und zwar um den Mietzuschlag für den verbesserten Kündigungs- und Mieterhöhungsschutz. Bei jeweils gegebener Angebotsmenge ist dann die geforderte Miete um diesen Aufschlag zu erhöhen; hinzu kommt noch der allein kündigungs-schutzbedingte Rückgang des Angebotes, denn die Neubauaktivität im Mietwohnungssektor kommt durch den administrativ herbeigeführten Attraktivitätsverlust einer Kapitalanlage im Mietwohnungsbau zur Verlangsamung. Diese negative Entwicklung kann nur durch die Erhöhung der Wohnungsproduktion abgewendet werden. Insofern würde mit der zwangswirtschaftlichen Mietpreisregulierung bereits der Keim für die öffentliche Subventionierung des Wohnungsbaus gelegt. Die Bereitschaft der Mieter zum Ausgleich für später unterbleibende Mieterhöhungen und für den verbesserten Kündigungsschutz eine höhere Anfangsmiete zu zahlen, schlägt sich in einer Verschiebung der Nachfragekurve No nach oben auf N1 nieder. In der Regel wird die Angebotsverknappung wegen des Doppeleffektes stärker ausfallen als die Nachfragesteigerung. Im Ergebnis ist also der mengenmäßige Umsatz am Markt rückläufig. Nach Beendigung des Anpassungsprozesses stellt sich das neue Gleichgewicht (G1) im Schnittpunkt der beiden Kurven A1 und N1 ein. Hier ist die Miete höher als in G0 und es wird weniger Wohnraum vermietet. Aus fiskalischer Sicht erscheint das Instrument der Mietpreisbindung als ein „billiges“ Mittel zur Beeinflussung der Mietbelastung der Haushalte. Bei genauerer Betrachtung ist es eher umgekehrt, dass die im Gefolge einer Mietenregulierung notwendigen Subventionen und die für eine Durchführung und Kontrolle erforderlichen Verwaltungsapparate dieses Instrument

556 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte verteuern. Außerdem ist eine Mietfestsetzung als objektbezogenes Instrument einer Differenzierung nach sozialen Kriterien nicht zugänglich. Es können bestenfalls verschiedene Wohnkategorien berücksichtigt werden (vgl. Mayer 1998). Für Investitionen in den Mietwohnungsbau ist allerdings noch entscheidender als das Mietrecht die Kalkulierbarkeit der mietrechtlichen Bestimmungen. Investoren treffen ihre Entscheidungen für Immobilien unter längerfristigen Gesichtspunkten. Rentabilitätsberechnungen und Renditeerwartungen sind deshalb langfristig angelegt und müssen auf langfristig gültigen Rahmenbedingungen aufbauen (vgl. Sonnenschein 1990). Zu diesen verlässlichen Rahmenbedingungen gehören in erster Linie die gesetzlichen Regelungen zum Kündigungsschutz und zur Miethöhe. Diese Bestimmungen sind ungeeignet für ein kurzfristig einsetzbares wohnungspolitisches Instrument, da eine häufige Veränderung der Regelungen eine realistische Rentabilitätsberechnung nicht zulässt und somit potentielle Investoren verunsichert (vgl. Pfeiffer 1995a, Behring/Goldrian 1991). Die Qualitätsstandards des Bauens in der Bundesrepublik Deutschland erweisen sich als restriktives Hemmnis für das kostengünstige Bauen, wie es in anderen europäischen Ländern üblich ist. Wesentlich für die Fixierung technischer Wohnstandards ist die Zusammenstellung von allen bestehenden und geplanten Regelungen und eine Abschätzung ihrer Gesamtwirkung auf die tatsächliche Wohnungsversorgung. Jede einzelne Verordnung kann für sich allein betrachtet sinnvoll erscheinen. Das Zusammenwirken der verschiedenen Vorschriften kann hingegen die durch das vorhandene Regelwerk entstandenen Starrheiten hervorbringen, die eine Durchsetzung neuer und rationeller Bauformen oder kostensparender Bauverfahren behindern. Im engeren Bereich des Bauwesens der Bundesrepublik Deutschland werden etwa 650 bis 750 Normen angewendet. Diese Regelungsdichte wird von den am Bau Beteiligten häufig als unüberschaubares Spezialwissen empfunden, das die Spielräume zur Entwicklung innovativer Bauweisen und -verfahren stark einengt. Technische Vorschriften und Baunormen werden von der Öffentlichkeit häufig als gewichtiges Hindernis auf dem Wege der Realisierung kostengünstiger Bauweisen betrachtet. Experten sind sich jedoch weitgehend darüber einig, dass deren kostentreibende Wirkung insbesondere unter Einbeziehung des Nutzenaspektes als verhältnismäßig gering anzusehen ist. Unter Berücksichtigung der Normenpraxis des benachbarten Auslandes ist eine Anpassung des technischen Regelwerkes in einigen Fällen möglich und auch begründbar. Eine konsequente Umstellung auf großzügigere Normen in geringerer Zahl, die nur Mindeststandards enthalten, dabei aber die Bausicherheit garantieren, ist geeignet eine höhere Akzeptanz zu schaffen. Die Arbeitsgruppe KOOPERATION schlägt in diesem Zusammenhang die Bündelung technischer Baubestimmungen in den Ländern sowie deren Einführung in größeren Zeitabständen vor, damit die Lern- und Kontrollvorgänge bei Planern und Unternehmern zu verringern sind. Wie das Beispiel der Niederlande zeigt, können Bauvorschriften und normen in ihrer Gesamtheit durchaus stärker auf das Ziel kostengünstigen Bauens ausgerichtet sein, als dies in Deutschland der Fall ist. Ordnungspolitische Eingriffe führen zur Degeneration der Wertschätzung des Wohnens. Der Preis für Wohnnutzung ist nicht in dem Bewusstsein der Nutzer. Dieser „meritorische Irrtum“ kann die Ursache massiver Fehlentwicklungen sein. Gerade die Einschätzung des

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

557

Wohnens als meritorisches Gut hat Fehlentwicklungen provoziert. Aspekte der Investitionssicherheit und der Rentabilität sind in den Hintergrund getreten und es entstanden Preise, die verzerrt sind und keine Regulierungsfunktion ausüben. Eine Anspruchsinflation auf dem Wohnungsmarkt ist durch die aufgrund staatlicher Interventionen hervorgerufenen niedrigen Preise induziert worden. Außerdem besteht ein Attentismus-Phänomen auf der Investorenseite, da eine angemessene Rendite bei normaler Bewirtschaftung nur auf lange Zeiträume realisiert werden kann, und kurzfristig Investitionen nur aus Spekulationsgründen (Steueroptimierung) vollzogen werden. Übernachfrage und latenter Angebotsattentismus führen zur Forderung nach Subventionen. Der Markt wurde gewissermaßen durch die Abkopplung des Sozialgutes vom Wirtschaftsgut verdrängt. Die Wohnungspolitik kann sich auf diese Weise jederzeit selbst reproduzieren, d.h., ihr eigenes Versagen bedingt ihre Notwendigkeit. Die Staatsintervention zugunsten der Wohnungsnutzer verzerrt die Marktstrukturen und unterstützt letztlich das Marktversagen, das es zu bekämpfen gilt.

5.3.4

Modernisierungspolitik, Baukosten und Ausweisung von Bauland

Die Marktkräfte werden an ihrer freien Entfaltung bereits durch die restriktive Ausweisungspolitik der Gemeinden bezüglich des Baulandes gehindert (vgl. Abbildung 145). Es wird seit den 70er Jahren so wenig Bauland erschlossen, weil Gemeinden von neuem Bauland fiskalisch nur wenig profitieren, sie aber die Folgekosten (Infrastruktur, Schulen etc.) zu tragen haben.

Abbildung 145: Ausweisungspolitik der Gemeinden; Quelle: Pfeiffer (2005), S. 39

558 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Diese restriktive Handhabung des Erschließungsmonopols durch die Gemeinden führt zu einer künstlichen Verknappung des Bodens und einem verhältnismäßig großen Anteil der Grundstückskosten an den Gesamtkosten einer Wohnung. Die für die Kostenaufteilung maßgebliche DIN-Norm 276 von 1993 unterscheidet hier in erster Linie nach Grundstücks- und Erschließungskosten, den bei der Erstellung des Bauwerks (Rohbau, Ausbau, Installation) anfallenden Kosten, sowie den unter Baunebenkosten zusammengefassten Kosten der Planung, Finanzierung und Bauüberwachung. Wie verschiedenen Kostenaufschlüsselungen entnommen werden kann (z.B. Jokl 1995, S. 404), beträgt der Kostenanteil des erschlossenen Baugrundstücks je nach örtlichen Gegebenheiten, Gebäudeform und Bauweise ca. 20 bis 30% der Gesamtkosten (vgl. Abbildung 146).

Abbildung 146: Kostenverteilung eines Einfamilienhauses; Quelle: BmBau (Hrsg. ) 2004, S. 5.

Aus der Notwendigkeit kostensparenden Bauens können weitere wichtige Hinweise für eine effiziente Wohnungspolitik abgeleitet werden. Angesichts einer zunehmenden Spreizung der Einkommensverteilung bleibt eine wachsende Minderheit der Bevölkerung von der Belebung des Wohnungsmarktes abgeschnitten. Einerseits kommt es zu Marktsättigungstendenzen beispielsweise bei teuren Mietwohnungen und Einfamilienhäusern, während die Versorgungsprobleme am unteren Marktsegment zunehmen. Vor dem Hintergrund der wachsenden Polarisierung der Wohnungsversorgung ergibt sich die dringende Notwendigkeit, Bedingungen herbeizuführen, die der strukturellen Nachfrage mehr Gewicht verleihen. Es ist unabdingbar, (auch) im freifinanzierten Wohnungsbau Kostensenkungen durchzusetzen, damit der Zugang zum Wohneigentum und die damit verbundene Möglichkeit der Inanspruchnahme steuerlicher Förderung nicht ausschließlich hohen Einkommensgruppen vorbehalten bleibt. Die Folge wäre eine spürbare Entlastung des Mietwohnungsmarktes durch die Schwellenhaushalte. Zielgruppen kostengünstigen Bauens sind nicht die Haushalte, die beim gegenwärtigen Preisniveau als potentielle Nachfrager auftreten, sondern jene, die die bisherigen Baukosten für nicht tragbar hielten. Grundvoraussetzung für eine Etablierung von Märkten preisgünstigen Wohnraums ist die Überwindung der Engpässe am Bodenmarkt. Werden - wie bisher - zu wenig Bauland aus-

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

559

gewiesen, Baurechte rationiert und eine aufwendige Erschließungspraxis verfolgt, so steigen die Baulandpreise weiter an. Zur Neuausweisung bzw. -entwicklung von Bauland steht den Kommunen insbesondere seit Inkrafttreten des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch (BauGBmaßnahmenG) und des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz (Inv.-WoBaulG) ein breites Spektrum von Instrumenten und möglichen Vorgehensweisen zur Verfügung. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten einen ausreichenden Handlungsrahmen für die bedarfsgerechte Ausweitung des Baulandangebotes bieten. Unzweifelhaft ist, dass die Kommunen auf dieser Grundlage eine deutlich aktivere Baulandpolitik betreiben können als in der Vergangenheit, vorausgesetzt die örtlichen Entscheidungsträger verfügen über den notwendigen Handlungswillen und lassen sich nicht nur von partiellen Interessen leiten. Hervorzuheben ist die Anwendung von Investorenmodellen, da auf diesem Weg auch finanziell schwach ausgestattete Kommunen in die Lage versetzt werden, Bauland zu mobilisieren. Im Gegensatz zur Konzeption der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen ermöglichen Investorenmodelle die weitgehende Übertragung der bei der Baulandentwicklung zu erbringenden Leistungen in den Verantwortungsbereich privater Investoren, die damit zugleich das gesamte oder einen Teil des wirtschaftlichen Risikos übernehmen. Trotz der erfolgten Flexibilisierung des Städtebaurechts bleibt der Bebauungsplan weiterhin dasjenige Instrument, mit der sich die im Grundgesetz verankerte kommunale Planungshoheit konsequent umsetzen lässt. Eine weitere Belastung ist darin zu sehen, dass neuerschlossenes Bauland zum Teil nicht marktwirksam ist, weil es von den Eigentümern in Erwartung weiterer Preissteigerungen zurückgehalten wird. Notwendig ist daher eine kommunale Bodenpolitik, die eine nachfragegerechte Baulandbereitstellung auf der Basis eines aktiven Flächenmanagements und einer langfristig ausgerichteten Wachstumsplanung zum Ziel ihrer Bemühungen macht. Daher besteht ein weiterer Reformansatz darin, dass sich die staatliche Verwaltung nur auf die hoheitlichen Aufgaben konzentrieren und alle nicht-hoheitlichen Aufgaben an private Dienstleister delegieren sollte, damit diese mit größerer Schnelligkeit und Gründlichkeit erledigt werden können. Die Tradition teuren Bauens wird durch eine Reihe weiterer Faktoren begünstigt. Hohe Ausbau- und Ausstattungsstandards, komplexe, arbeitsteilige Bauabläufe, mangelnde Kooperation der am Bau Beteiligten, sowie Ansprüche und Gewohnheiten, sind Faktoren, die im Zusammenwirken mit den hohen Bodenpreisen das Entstehen eines Marktes für preiswertes Wohneigentum bislang verhindert haben (vgl. hierzu die Ergebnisse der Expertenkommission zur „Kostensenkung und Verringerung von Vorschriften im Wohnungsbau“, die bereits 1994 auf das kostentreibende Geflecht der geschriebenen und ungeschriebene Regeln im Wohnungsbau hingewiesen hat, BmBau 1994). Als die bedeutendste Forderung an den Gesetzgeber ist die Gewährleistung dauerhafter und stabiler Rahmenbedingungen zu nennen, damit die Verunsicherung der Investoren durch den ständigen Wechsel von Instrumenten in der Förderpolitik beendet wird. Wie gezeigt wurde, wird der wohnungspolitische Fördermitteleinsatz der Bedeutung und den Herausforderungen der Wohnungswirtschaft nicht gerecht. Teilweise sind die Programme sogar so angelegt, dass sich ihre Wirkung gegenseitig kompensiert. Ein ausgewogener Mix aus direkter und indirekter Förderung wäre sozial treffsicherer und könnte positive Anreize zum Wohnungseigen-

560 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte tumserwerb liefern. Eine kräftige Anhebung der Lastenzuschüsse bei der Subjektförderung oder des Wohngeldes wäre hierbei ein erster Schritt in die richtige Richtung.

5.3.5

Grundzüge der Reformen der Wohnungspolitik

Gegenüber dem in der Vergangenheit dominierenden Thema „Wohnungsmangel“ gewinnen strukturelle Ziele wie die Wohnungseigentumsbildung bei Familien mit Kindern, der Umfang des Abrisses von Leerständen, Identifizierung von Rückbaupotentialen, Umfang des Wohnungsbaus auf Recyclingflächen und eine aktive Bestandspolitik an Gewicht. Nicht zuletzt wird es auch darum gehen, spezielle integrative Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Segregation zu ergreifen. In Zukunft entsteht ein Zwang zur Verbesserung auf der Angebotsseite der Märkte, weil Subventionen rasch knapper werden und weil einzelne Kommunen im Wettbewerb um knappe, jüngere Einwohner insbesondere in expansiven Regionen vor sehr viel intensiveren Forderungen (auch der lokalen Wirtschaft) stehen werden, die Wohnkosten niedrig zu halten. Zu großen Teilen lassen sich verbesserte Angebotsbedingungen allein durch großzügige Erschließung von Bauland durch die Kommunen als veränderte Praxis ohne gesetzliche Änderung schaffen. Angesichts der Regionalisierung der Wohnungsmärkte sollte auf eine pauschale, bundesweite Förderung des Wohnungsbaus verzichtet werden. Dies erfordert den Abbau bestimmter Subventionen wie z.B. die Aufhebung der degressiven Afa, die sich zudem als nicht besonders treffsichere Instrumente herausgestellt haben. Die Eigenheimzulage kann durch Verringerung der Bodenpreise und der Baukosten – und letztlich vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklungen und ihrer Wirkungen auf die Immobilienpreise - im allgemeinen überflüssig werden. Zur Förderung der Eigentumsbildung zu Gunsten von Schwellenhaushalten empfiehlt sich die Förderung an den jeweiligen regionalen Preisen für einfache Einfamilienhäuser zu orientieren und sie beispielsweise lediglich Haushalten mit Kindern zu gewähren. Das Risiko von Fehlsubventionierung und Kapitalverschwendung durch Subventionen nimmt unter den Bedingungen stagnierender oder schrumpfender Nachfrage zu. Bei Subventionen unter Leerstandsbedingungen können massive Effizienzprobleme auftauchen. Es ist schwer zu differenzieren, wo -

Subventionen zur Modernisierung von Wohngebäuden mit Leerständen nur dazu führen, dass Nachfrager aus anderen Beständen angelockt werden, mit der Folge, dass sich die Leerstände lediglich räumlich verlagern;

-

subventionierte Modernisierungen negative externe Effekte unterbinden und damit volkswirtschaftliche Gewinne erwirtschaften.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

561

Es ist nicht möglich allgemein gültige Regeln für den Einsatz von Subventionen unter Leerstandsbedingungen zu formulieren. Es sollten durch die Kommunen in jedem Einzelfall Kosten-Nutzen-Analysen routinemäßig durchgeführt werden. Angesichts der regionalen Differenzierung der politischen Aufgaben und des weiter bestehenden Förderbedarfs in verschiedenen Bereichen (Energieeinsparungen, familienfreundliche Stadt, Recycling, Integration etc.) benötigen die Kommunen Unterstützung, die dem Gewicht der Aufgaben und dem Finanzbedarf entspricht. Es dürfte zweckmäßig sein, den Kommunen ein „Stadtentwicklungsgeld“ (block grants) zuzuweisen (Pfeiffer et al. 2004). Dieses Stadtentwicklungsgeld könnte sich nach differenzierten Bedarfsindikatoren bemessen und könnte nach der lokalen Bedarfssituation und nach der lokalen Präferenz für unterschiedliche Ziele eingesetzt werden. Die zentrale Botschaft wäre dabei: Mehr Regionalisierung der Förderung und Schaffung von Anreizen zum verantwortungsvollen Umgang mit Subventionen seitens der Kommunen. Aufgrund der unterschiedlichen Konstellationen der regionalen Wohnungsmärkte, die auf Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung, Unterschiede in der Baupolitik und Baulandentwicklung, Unterschiede in den Kostenniveaus und auf unterschiedliche Nachfragestrukturen zurückgehen, wird deutlich, dass eine bundesweit einheitliche Wohnungspolitik wegen der regionalen Differenzierungen obsolet geworden ist.

562 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

Literaturverzeichnis zu Kapitel 5.3 Aring, J. (1999): Wohnungsneubau heute – Wirkungen für die Wohnungspolitik von morgen, Vortrag beim Kongress „Kurs 2010 – Wohnungspolitik für das nächste Jahrzehnt, veranstaltet vom Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen am 23.9.1999 in Essen. Bayerische Landesbank (1999): Der Immobilienmarkt im neuen Jahrtausend. München. Behnken, R. (1982): Soziale Gerechtigkeit in der Wohnungspolitik. Eine empirische Verteilungsanalyse für die Bundesrepublik Deutschland, Schriften des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, Bd. 4, Berlin. Behring, K., G. Goldrian (1991): Evaluierung wohnungspolitischer Instrumente, Aktuelle Probleme des Wohnungsmarktes und Ansatzpunkte für wohnungspolitische Initiativen, in: Schriftenreihe des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 129, München. Biedenkopf, K., Miegel, M. (1979): Wohnungsbau am Wendepunkt – Wohnungspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft, Bonn. Birg, H. (2000): Trends der Bevölkerungsentwicklung, Auswirkungen der Bevölkerungsschrumpfung, der Migration und der Alterung der Gesellschaft in Deutschland bis 2050, insbesondere im Hinblick auf Wohnraum, Schriftenreihe des Verbandes deutscher Hypothekenbanken, Bd. 12, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt a.M. Blumers, F., A. Werner (1979): Sozialer Wohnungsbau in der Krise - Sozialer Wohnungsbau in der Zukunft?, Stuttgart. Bodewig, K. (2001): Die neue Ausrichtung des sozialen Wohnungsbaus, in: Zeitgespräch, Reform des sozialen Wohnungsbaus, Wirtschaftsdienst 2001/III, S. 135-138. Börsch-Supan, A. (2004): Gesamtwirtschaftliche Folgen des demographischen Wandels. Diskussionspapier des Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel, Nr. 51-2004. Bosbach, G. (2004): Politik wird nicht von Vernunft bestimmt (Interview), in: Der Tagesspiegel vom 23.8.2004, S. 5. Boss, A., A. Rosenschon (2004): Steuervergünstigungen in Deutschland: Eine Aktualisierung, Institut für Weltwirtschaft, Kieler Arbeitspapier Nr. 1220. Braun, R., U. Pfeiffer (2004): Mieter oder Eigentümer – wer wird stärker gefördert? – Eine Analyse zum Subventionsabbau zum Jahresbeginn 2004, Endbericht, empirica, Berlin. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2004a): Wohnungspolitische Konsequenzen der langfristigen demographischen Entwicklung, Forschungen, H. 117, Bonn. Bundesamt für Bauwesen und Raumwesen (2004b): Wohnungsmärkte in Deutschland. Berichte Band 18, Bonn.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

563

Bundesministerium der Finanzen (BMF) (2003): Achtzehnter Subventionsbericht, Berlin. Deutsche Bundesbank (2004): Demographische Belastungen für Wachstum und Wohlstand in Deutschland, in: Monatsbericht Dezember, S. 15-30. Eekhoff, J. (1983): Lösungen für den Wohnungsmarkt, in: Giersch, H. (Hrsg.): Wie es zu schaffen ist. Agenda für die deutsche Wohnungspolitik, Stuttgart 1983, S. 254-277. Eekhoff, J. (1987): Wohnungs- und Bodenmarkt, Mohr-Siebeck, Tübingen. Eekhoff, J. (1993a): Wohnungspolitik, Tübingen. Eekhoff, J. (1993b): Finanzierung des Wohnungsbaus in den neuen Bundesländern, Vortrag vom 1.6.1992, in: Engels, W. (Hrsg.): Immobilienanlage und Immobilienfinanzierung, Frankfurt a.M., S. 39-47. Eekhoff, J. (2001): Anmerkungen zum geplanten Wohnraumförderungsgesetz, in: Zeitgespräch, Reform des sozialen Wohnungsbaus, Wirtschaftsdienst 2001/III, S. 146-149. Eekhoff, J. (2002): Wohnungspolitik, 2. Auflage, Mohr-Siebeck, Tübingen. Eekhoff, J., O. Sievert, G. Werth (1979): Bewertung wohnungspolitischer Strategien: Modernisierungsförderung vs. Neubauförderung, Schriftenreihe Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik, Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft 07.007, Bonn 1979. Fichtel, L. (1980): Wohnungspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft, Dissertation, Augsburg 1980. Fischer-Dieskau, J. (1959): Wohnungspolitik, in: Handwörterbuch des Städtebaus, Wohnungs- und Siedlungswesens, Bd. 3, hrsg. von H. Wandersleb u.a., Stuttgart, S. 1750-1759. Füllenkemper, H. (1982): Wirkungsanalyse der Wohnungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: W. Ernst (Hrsg.): Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd. 78, Münster. Fuchs, A. (2001): Unzureichende Mindestförderung des Bundes, in: Zeitgespräch, Reform des sozialen Wohnungsbaus, Wirtschaftsdienst 2001/III, S. 140-143. Grömling, M. (2004): Wirtschaftswachstum, in: Institut der Deutschen Wirtschaft, S. 67-96 Institut der Deutschen Wirtschaft (2004) (Hrsg.): Perspektive 2050. Ökonomik des demographischen Wandels. Deutscher Instituts-Verlag Köln. Häring, D. (1974): Zur Geschichte und Wirkung staatlicher Subventionen im Wohnungssektor, Hamburg. Hecht, M. (1978): Subventionsformen in der Wohnungswirtschaft, in: Aschoff, C., P. Müller-Bader (Hrsg.): Schriftenreihe Wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Entwicklung, Bd. 20.

564 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Heuer, J. H. (1965): Wohnungswirtschaft, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 12, Stuttgart. Huang, C.-H. (1993): Einflussmöglichkeiten des Staates auf den Wohnungsbau – zur Problematik staatlich gelenkter Wohnungspolitik, Dissertation, Karlsruhe. Jahn, F.-A. (2001): Verbesserte Wohngeldförderung soll verfehltes System des sozialen Wohnungsbaus ersetzen, in: Zeitgespräch, Reform des sozialen Wohnungsbaus, Wirtschaftsdienst 2001/III, S. 143-146. Jaedicke, W. (1996): Wirkungen wohnungspolitischer Instrumente, in: Jenkis, H. W. (Hrsg.): Kompendium der Wohnungswirtschaft, München, S. 184-209. Jokl, S. (1993): Auf dem Holzweg, in: Immobilien-Manager, Köln, Nr. 2, S. 86-88. Jokl, S. (1995): Durch Baukostensenkung neue Eigentümerschichten erschließen, in: Der langfristige Kredit, Heft 12, S. 404-409. Krabbes, R. (1993): Rahmenplan – Das Konzept der einkommensorientierten Förderung, in: Die Wohnungswirtschaft, Heft 11, S. 593-597. Leutner, B. (1990): Wohnungspolitik nach dem 2. Weltkrieg, GEWOS Institut für Stadt. Regional- und Wohnraumforschung GmbH (Hrsg.), Hamburg. Lüers, H. (2001): Die Wohnungspolitik der Bundesregierung, in: Der Langfristige Kredit, Nr. 23, S. 818- 823. Mackscheidt, K. (1983): Effizienz und Effektivität bei Transferleistungen im Wohnungsbau, in: Pfaff, M. (Hrsg.): Schriften des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, Bd. 7/1, Berlin, S. 269-293. Mackscheidt, K., W. Deichmann (1982): Zur Leistungsfähigkeit von Subventionen in der Wohnungswirtschaft, Schriften des Instituts für Wohnungsrecht und Wohnungswirtschaft and er Universität Köln, Bd. 50, Frankfurt a.M. Mayer, A. (1998): Theorie und Politik des Wohnungsmarktes, Berlin. Pfeiffer, U., B. Faller, R. Braun, R. Möhlenkamp (2004): Wohnungspolitische Konsequenzen der langfristigen demographischen Entwicklung, Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Bonn . Pfeiffer, U. (1989): Wohnungsnot durch Wohnungspolitik?, in: Stadtbauwelt, Heft 24, S. 1178-1181.Pfeiffer, U. (1993): Wohnungen eher negativ besetztes Investitionsgut?, in: GdW (Hrsg.), Die Wohnungswirtschaft, Nr. 5, Hamburg, S. 248-251. Pfeiffer, U. (1995): Wohnen für alle, Friedrich-Ebert-Stfitung, Bonn. Pfeiffer, U. (2001): Wohnungsnot 2004? empirica, Berlin.Pfeiffer, U. (2005): Ein absurdes Theater um Subventionen, FAZ vom 22.7.2005, S. 39 und 41. Rat der Immobilienweisen (2004): Frühjahrsgutachten. Wiesbaden.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

565

Schellhaaß, H.-M., E. Schulz (1987): Soziale Sicherung des Wohnens – Strategien für die Zukunft, Berlin. Schneider, St. (2004): Demographische Trends: Überalterung trifft auch Kapitalanleger, in: Deutsche Bank, Ausblick 4. Quartal 2004, S. 20-21 Seeger, H. (1995): Wohnungswirtschaft im Wahlzyklus der Politik, Sinzheim. Simons, H. (1999): Die langfristige Entwicklung des Wohnungsbedarfs in Deutschland, in: Der Langfristige Kredit, 50, 21, S. 705-710. Sonnenschein, J. (1990): Die Stellung des Vermieters im System des Kündigungsschutzes, in: Zeitschrift für das gemeinnützige Wohnungswesen in Bayern, Heft 10, S. 10- 17. Statistisches Bundesamt (2003): Reihe IV A 6, Baugenehmigungen in kreisfreien Städten und Landkreisen, Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2005): http://www.destatis.de/basis/d/solei/soleiq20c.php vom 6.8.2005. Tuchtfeldt, E. (1960): Zur Frage des Systemkonformität wirtschaftspolitischer Maßnahmen, in: H.-J. Seraphim: Zur Grundlegung wirtschaftspolitischer Konzeptionen, Schriftenreihe des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 18, S. 203-269. Ulbrich, R. (1980): Verteilungswirkungen des Förderungssystems für den Wohnungsbau, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft 07.010, Bonn. Vesper, M. (2001): Das künftige Profil der Wohnungsbauförderung, in: Zeitgespräch, Reform des sozialen Wohnungsbaus, Wirtschaftsdienst 2001/III, S. 138-140. Völker, A. (1994): Einkommensorientierte Förderung, in: Bundesbaublatt, Heft 3, S. 157165. Wohngeld- und Mietenbericht 1991 (Hrsg): Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn 1992. Wohnungspolitik auf dem Prüfstand: Bericht der Expertenkommission Wohnungspolitik, Tübingen 1995. Bundesnotarkammer Köln (1991): Wohnungsprivatisierung in den neuen Bundesländern (1991) – Erwerb durch den Mieter. Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern (2000): Bericht der gleichnamigen Expertenkommission im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin. Wölling, A. (1994): Zieladäquanz wohnungspolitischer Instrumente der öffentlichen Hand, in: Jenkis, H. (Hrsg.): Kompendium der Wohnungswirtschaft, München, S. 137-160.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.4

567

Immobilienmärkte und Bankregularien Christoph Pitschke, Rebecca Holter

5.4.1 Einführung .....................................................................................................568 5.4.2 Die Entwicklung der bankaufsichtlichen Regulierung...................................569 5.4.2.1 Die Refinanzierung von Immobilienkrediten.................................................569 5.4.2.1.1 Das Hypothekenbankgesetz (HBG) ...............................................................569 5.4.2.1.2 Das Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (ÖPG)......................570 5.4.2.1.3 Wegfall von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast ......................................570 5.4.2.1.4 Das neue Pfandbriefgesetz .............................................................................571 5.4.2.2 Eigenkapitalunterlegung von Immobilienkrediten.........................................572 5.4.2.2.1 Der erste Baseler Eigenkapitalakkord – Basel I.............................................572 5.4.2.2.2 Eigenkapitalunterlegung gemäß KWG und Grundsatz I................................573 5.4.3 Aktuelle Tendenzen in der Bankenregulierung..............................................574 5.4.3.1 Die Neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) .................................574 5.4.3.1.1 Bonitätsbeurteilung durch Rating ..................................................................575 5.4.3.1.2 Modifizierter Standardansatz .........................................................................575 5.4.3.1.3 Interner Ratingansatz (IRB) ...........................................................................576 5.4.3.1.4 IRB – Basisansatz ..........................................................................................577 5.4.3.2 IRB - Fortgeschrittener Ansatz ......................................................................579 5.4.3.2.1 Inkrafttreten von Basel II ...............................................................................581 5.4.3.2.2 Zeitplan und Umsetzung auf EU-Ebene ........................................................581 5.4.3.2.3 Zeitplan und Umsetzung auf nationaler Ebene ..............................................582 5.4.3.2.4 Mindestanforderungen an das Risikomanagement ........................................582 5.4.3.3 Das Investmentgesetz.....................................................................................583 5.4.4 Zusammenfassung .........................................................................................584 Literaturverzeichnis zu Kapitel 5.4 ......................................................................................586

568 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.4

Immobilienmärkte und Bankregularien Christoph Pitschke, Rebecca Holter

5.4.1

Einführung

Kreditinstitute spielen eine besondere Rolle in modernen Volkswirtschaften und ihnen kommt eine zentrale Stellung im Wirtschaftskreislauf zu. Sie sind Liquiditätshalter der Wirtschaftssubjekte, Sammelstellen für Ersparnisse, Kreditgeber der Wirtschaft und Träger des inländischen und des internationalen Geld- und Kapitalverkehrs. Die Leistungsfähigkeit des Finanz- und Bankensektors wird maßgeblich von den rechtlichen Rahmenbedingungen der Finanzmärkte beeinflusst. Diese Rahmenbedingungen werden als Regulierung bezeichnet und umfassen Gebote und Verbote hinsichtlich des Betreibens einer Bank und ihrer Geschäftsprozesse. Die Regulierung umfasst auch die staatliche Aufsicht über den Bankensektor; die in der Bundesrepublik Deutschland durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und durch die Deutsche Bundesbank erfolgt. Ziel der Bankenaufsicht ist es, das Insolvenzrisiko von Kreditinstituten zu begrenzen, das Bank- und Finanzsystem intakt zu halten und dessen Solidität zu verbessern. In diesem Kontext sind vor allem die Regelungen zur Höhe der Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute von entscheidender Bedeutung, da diese maßgeblich die Höhe des tragbaren Risikos und die wirtschaftliche Stabilität von Kreditinstituten determinieren. Ein erheblicher Anteil der von Banken vergebenen Krediten ist immobilienbezogen. Die Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank weist im März 2005 ein Volumen an Wohnungsbaudarlehen von etwa 1,1 Bio. € aus. Dies entspricht ca. 50% des gesamten inländischen Kreditvolumens (ohne Kredite der öffentlichen Hand) von 2,2 Bio. € (vgl. Deutsche Bundesbank, Bankenstatistik). Die Immobilienfinanzierung ist somit eines der wichtigsten Geschäftsfelder der Banken und vice versa sind Banken für die Unternehmen die primäre Finanzierungsquelle. Im Gegensatz zu den anglo-amerikanischen Ländern spielen Immobilienfinanzierungen über den Kapitalmarkt in Deutschland eine untergeordnete Rolle und über die letzten Jahrzehnte hat sich eine starke Bindung mittelständischer Unternehmen an das Bankensystem (Hausbankprinzip) und eine Langfristkultur in der Immobilienfinanzierung entwickelt. Aufgrund der starken Abhängigkeit der Immobilienwirtschaft von Bankdarlehen sind Änderungen von bankaufsichtlichen Rahmenbedingungen für die Akteure auf den Immobilienmärkten von mittelbarer Bedeutung.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.4.2

569

Die Entwicklung der bankaufsichtlichen Regulierung

Die Regulierung des deutschen Bankensektors setzte als Reaktion auf die Banken- und Weltwirtschaftskrise 1934 mit der Einrichtung des Aufsichtsamtes für das Kreditwesen und dem Erlass des Reichsgesetzes über das Kreditwesen (KWG) ein. Das Kreditwesengesetz enthielt bereits das bis heute geltende Grundgerüst der quantitativen Eigenkapitalunterlegungsregeln der deutschen Bankaufsicht. Die Regulierung der Kapitalmärkte ist in Deutschland für Immobilienfinanzierungen in zweifacher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Zum einen sind Immobilienkredite, wie alle mit Risiko behafteten Forderungen von Banken, mit einer bankaufsichtlich vorgegebenen Eigenkapitalquote zu unterlegen. Die entsprechenden Regelungen finden sich im Kreditwesengesetz und dem sogenannten Grundsatz I (vgl. 5.4.2.2.2). Zum anderen werden Immobilienfinanzierungen in Deutschland meist langfristig über Pfandbriefe refinanziert. Die aus den strengen gesetzlichen Anforderungen resultierende Sicherheit der Pfandbriefe (Deckungsstockfähigkeit) gestattet den Banken, sich auf den Kapitalmärkten zu attraktiven Kapitalkosten langfristig zu refinanzieren. Die gesetzlichen Anforderungen hierfür finden sich im Pfandbriefgesetz (vgl. 5.4.2.1.4).

5.4.2.1

Die Refinanzierung von Immobilienkrediten

Der Pfandbrief ist seit Inkrafttreten des Hypothekenbankgesetzes das wichtigste Refinanzierungsinstrument der deutschen Hypothekenbanken. Vor bereits 236 Jahren wurde auf Basis einer Kabinettsorder von Friedrich dem Großen das erste, sich über Pfandbriefe refinanzierende Hypothekarkreditinstitut, die Schlesische Landschaft, gegründet. Auf Grundlage der von der Schlesischen Landschaft ausgegebenen Hypotheken wurden Pfandbriefe emittiert. Für jeden Pfandbrief haftete die Gesamtheit der Hypotheken. Dieses Finanzierungssystem stellte sich als sehr erfolgreich heraus und weitere so genannte Landschaften wurden auch außerhalb Preußens gegründet (vgl. Bellinger, Kerl, S. 25). Zur Regulierung dieser Entwicklung wurde am 01.01. 1900 das Hypothekenbankgesetz verabschiedet. Weitere Emissionsgrundlagen für Pfandbriefe wurden 1927 mit dem Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (ÖPG) sowie mit dem Schiffsbankgesetz (SchBankG) im Jahre 1935 geschaffen. 5.4.2.1.1

Das Hypothekenbankgesetz (HBG)

Das Hypothekenbankgesetz war das erste rechtseinheitliche Ordnungsgesetz auf dem Gebiet des Kreditwesens. Seine Formulierungen beeinflussten die spätere Gesetzgebung in der Kreditwirtschaft (z. B. Schiffsbankgesetz und Bausparkassengesetz) maßgeblich. Die Geschäftstätigkeit und Organisation der Hypothekenbanken sowie die staatliche Aufsicht über die Hypothekenbanken wurden im Hypothekenbankgesetz geregelt. Die Hypotheken-

570 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte banken unterlagen dadurch dem so genannten Spezialbankprinzip, d. h. ihre Geschäftstätigkeit wurde im Wesentlichen auf die Vergabe von Hypothekendarlehen und Kommunaldarlehen beschränkt (vgl. Goedecke, Kerl, Scholz, S. 72). Das HBG galt primär für die privatrechtlichen Realkreditinstitute, die ihre Hypotheken- und Kommunaldarlehen durch die Ausgabe von Pfandbriefen refinanzierten. Einige Regelungen, z. B. die Definition des Beleihungswertes gemäß § 12 HBG, galten jedoch in analoger Form für alle Banken. Am 19. Juli 2005 wurde das Hypothekenbankgesetz durch das neue Pfandbriefgesetz abgelöst. Derzeit ist es nur noch im Rahmen von Übergangsvorschriften anwendbar. 5.4.2.1.2

Das Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (ÖPG)

Das Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlichrechtlicher Kreditanstalten (ÖPG) bildete die gesetzliche Grundlage öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten für die Emission von Pfandbriefen. Das ÖPG enthält im Gegensatz zum HBG keine Geschäftsbeschränkungen der Emittenten. Grundlage für diese Regelung dürfte die staatliche Haftung (Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, vgl. 5.4.2.1.3) für die Verbindlichkeiten öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten gewesen sein. Auch das ÖPG wurde am 19. Juli 2005 durch das neue Pfandbriefgesetz abgelöst. Es ist ebenfalls nur noch im Rahmen von Übergangsvorschriften anwendbar. 5.4.2.1.3

Wegfall von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast

Die Kosten der Kapitalbeschaffung bzw. die Refinanzierungskonditionen haben einen großen Einfluss auf die Wettbewerbssituation im deutschen Kreditgewerbe. Durch die Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bei den öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken unterlagen die Refinanzierungsbedingungen deutscher Kreditinstitute allerdings wettbewerblichen Verzerrungen, denn die Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie Städte, Gemeinden und Landkreise, hafteten unbeschränkt für Verbindlichkeiten dieser Institute. Zudem sicherte die Anstaltslast den Kreditinstituten eine faktische Bestandsgarantie. Die Gewährträgerhaftung und Anstaltslast spiegelte sich in einem erstklassigen Rating dieser Institute und somit günstigen Refinanzierungskonditionen am Kapitalmarkt, insbesondere im Vergleich zu den Wettbewerbern, wider. Die dadurch induzierten Wettbewerbsverzerrungen in der Refinanzierung führten dazu, dass die Sparkassen und Landesbanken eine Preisführerschaft in der Kreditvergabe aufbauen konnten. Die privaten deutschen Banken legten 1999 bei der EU-Kommission in Brüssel eine Wettbewerbsbeschwerde ein, weil sie in Anstaltslast und Gewährträgerhaftung eine unerlaubte Beihilfe bzw. Subventionierung sahen. Die Kommission griff die Kritik auf und am 17. Juli 2001 wurde ein Kompromiss in Brüssel zwischen der deutschen Bundesregierung und der

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

571

EU-Kommission über die Haftungsgrundlagen öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute geschlossen. Ab 19. Juli 2005 entfielen die Gewährträgerhaftung sowie die Anstaltslast und wurden durch eine auf marktwirtschaftlichen Prinzipien basierende Eigentümerbeziehung ersetzt. Der Brüssler Kompromiss gewährleistet, dass nun für alle deutschen Banken gleiche Wettbewerbsbedingungen in der Refinanzierung bestehen. 5.4.2.1.4

Das neue Pfandbriefgesetz

Das ÖPG wies gegenüber dem Hypothekenbankgesetz ein deutliches Regelungsgefälle auf. Dieses Regelungsgefälle wurde bisher über die Staatshaftung abgefangen. Durch den Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung war es nun aber notwendig, für alle Pfandbriefemittenten eine Emissionsgrundlage mit einheitlichem Regelungsinhalt zu schaffen, um weitere Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und um die gute internationale Reputation des Pfandbriefes am Kapitalmarkt nicht zu schädigen. Mit dem neuen Pfandbriefgesetz (PfandBG) wurde diese einheitliche Emissionsgrundlage geschaffen. Das PfandBG trat am 19. Juli 2005 in Kraft. Es führt die Spezialbankgesetze der privaten Banken, Hypothekenbankgesetz und Schiffspfandbriefgesetz, und die Emissionsgrundlage der öffentlich-rechtlichen Banken, das ÖPG, zusammen. Das neue Pfandbriefgesetz folgt in wesentlichen Teilen den bewährten Bestimmungen des Hypothekenbankgesetzes. Die hohen Anforderungen bezüglich der Qualität der Deckungsmassen und des Insolvenzvorrechtes bleiben bestehen. Das Spezialbankprinzip hingegen fällt mit Inkrafttreten des neuen Pfandbriefgesetzes weg. Der Betrieb einer Pfandbriefbank bedarf aber einer eigenen Erlaubnis, die an bestimmte Voraussetzungen gemäß § 2 des Pfandbriefgesetzes geknüpft ist. Zum Erhalt einer Erlaubnis muss die Bank u.a. das Pfandbriefgeschäft nachhaltig betreiben und über ein Kernkapital von mindestens 25 Mio. Euro verfügen (vgl. Frank, Glatzl 2005, S. 504). Zur Kompensation des Wegfalls des Spezialbankenprinzips auf Seite der privaten Banken sowie von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute wurde das neue Gesetz mit weiteren qualitätssichernden Maßnahmen ausgestattet (vgl. Hagen 2005, S. 13). Die Qualität des neuen Pfandbriefgesetzes wurde von Investoren, Analysten und Ratingagenturen bestätigt (vgl. VDH 2004, S. 16). Die Qualität des deutschen Pfandbriefes – und damit auch die Möglichkeit der günstigen und langfristigen Refinanzierung von Immobilienkrediten - wird somit auch nach Zusammenführung der unterschiedlichen Emissionsgrundlagen gewahrt. Von besonderer Wichtigkeit für die hohe Sicherheit des Pfandbriefes ist die gesetzliche Regelung des Beleihungswertes. Der Beleihungswert ist von fundamentaler Wichtigkeit für die Immobilienmärkte und trägt wesentlich zu der dem Realkredit zugrunde liegenden Langfristphilosophie bei. Er ist kein stichtagsbezogener Wert, wie z. B. der Verkehrswert gemäß §194 BauGB, sondern beinhaltet nur die nachhaltigen und damit langfristigen Eigenschaften einer Immobilie. Dadurch übt er eine stabilisierende Wirkung auf den Immobilienmarkt aus. Durch eine vorsichtige und nachhaltige Beleihung der Immobilien wird eine Überhitzung des Marktes durch die Ausweitung der Kreditvergabe vermieten und damit Immobilienzyklen

572 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte geglättet. So ergab eine Studie aus dem Umfeld der Weltbank, dass die Volatilität der deutschen Immobilienmärkte deutlich geringer war als die anderer Immobilienmärkte. Dies wurde auf das deutsche Realkreditsystem und den zugrunde liegenden Beleihungswert zurückgeführt (vgl. Renaud). Einzelheiten zu der Methodik und Form der Beleihungswertermittlung sowie die Mindestanforderungen an die Qualifikation der Immobiliengutachter sind in § 16 Abs. 4 des Pfandbriefgesetzes sowie der Beleihungswertermittlungsverordnung verbindlich geregelt (vgl. Hagen 2005, S. 17). In die Deckungsmasse von Hypothekenpfandbriefen dürfen gemäß der strengen Regelungen des Pfandbriefgesetzes nur Realkredite bis zu einem Auslauf von 60% des Beleihungswertes genommen werden. Die weitreichende Wirkung der Beleihungswertermittlung geht über den Bereich der Pfandbriefbanken weit hinaus. So knüpft beispielsweise die für alle Kreditinstitute geltende niedrigere Eigenkapitalunterlegungspflicht für grundpfandrechtlich gesicherte Kredite an die Einhaltung des Beleihungsauslaufs von 60% auf Basis des Beleihungswertes an.

5.4.2.2

Eigenkapitalunterlegung von Immobilienkrediten

Mit jeder Kreditvergabe geht die Bank das Risiko ein, dass der Kreditnehmer den Kredit nicht vollständig zurückzahlt. Banken sind Finanzintermediäre und arbeiten daher überwiegend mit extern aufgenommenen Mitteln (Einlagen oder Kapitalmarktfinanzierung). Bei zunehmender Kreditvergabe der Banken, steigenden Risiken und schwacher Eigenkapitalbasis wächst daher auch die Krisenanfälligkeit der Kapitalmärkte. In Extremfällen können bereits geringe externe Schocks zum Zusammenbruch von Finanzsystemen führen (vgl. Wagner 2002, S. 70). Um auch in Phasen wirtschaftlichen Abschwungs die Zahlungsfähigkeit der Banken und somit die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, werden daher Mindesteigenkapitalerfordernisse durch die nationalen Bankaufsichten vorgegeben. Diese bankaufsichtlichen Vorschriften über Eigenkapitalunterlegung stellen den geschäftspolitischen Rahmen der Banken dar und beeinflussen entscheidend die Wettbewerbsfähigkeit. 5.4.2.2.1

Der erste Baseler Eigenkapitalakkord – Basel I

Das Erfordernis einer internationalen Harmonisierung der Standards für Aufsicht und Regulierung der Finanzsysteme ist vor dem Hintergrund der Globalisierung der Finanzmärkte zu sehen. Um Regulierungsarbitragen einzudämmen und die Stabilität der Finanzmärkte zu erhöhen, kam es 1974 zur Gründung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht durch die Notenbankgouverneure der G-10 Staaten sowie der Schweiz und Luxemburg. Der Baseler Ausschuss setzt sich aus Repräsentanten der Bankaufsichtsbehörden und Zentralbanken der Mitgliedsländer zusammen. Im Mai 1988 wurde eine Vereinbarung beschlossen, die als erster Baseler Akkord, bzw. Basel I bekannt ist. Diese Empfehlung zielte auf eine einheitliche Begrenzung der Risiken insbesondere aus dem Aktivgeschäft der Kreditinstitute durch Anbindung an ihre haftenden Eigenkapitalmittel. Gemäß Basel I muss jeder Kredit grundsätzlich unabhängig von der Bonität des Schuldners von der kreditausreichenden Bank mit 8% Eigenkapital unterlegt wer-

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

573

den. Für besonders risikoarme Geschäfte gelten Ausnahmen. So sind grundpfandrechtlich gesicherte Kredite auf Wohngrundstücke mit nur 4% Eigenkapital zu unterlegen. Kredite auf gewerbliche Immobilien sind nach Basel I mit 8% haftendem Eigenkapital zu unterlegen. Basel I bildet die Grundlage für die Harmonisierung des Bankrechts in Europa und wurde durch die so genannte Eigenmittel- und Solvabilitätsrichtlinie (SolvRL) in Europäisches Gemeinschaftsrecht transformiert. Auf dieser Basis trat die Eigenmittelrichtlinie in Deutschland durch die 4. Novelle des KWG zum 1. Januar 1993 in Kraft. Unter Basel I werden unterschiedliche Risikoqualitäten der Schuldner allerdings nicht durch eine risikoadjustierte Eigenkapitalunterlegung abgebildet. Durch die pauschale, bzw. nicht an der Bonität der Schuldner orientierte Eigenkapitalunterlegung werden Banken mit schlecht risikostrukturierten Kreditportfolien unangemessen bevorteilt. Dies kann zu einer Fehlallokation von Kapital und Wettbewerbsverzerrungen führen. 5.4.2.2.2

Eigenkapitalunterlegung gemäß KWG und Grundsatz I

Die Regulierung der Eigenkapitalunterlegung erfolgt in Deutschland durch das Kreditwesengesetz und den Grundsatz I. In § 10 des Kreditwesengesetzes wird detailliert geregelt, welche Positionen als Eigenmittel anerkannt werden. Gleichzeitig wird bestimmt, dass Kreditinstitute angemessene Eigenmittel vorzuhalten haben. Die Angemessenheit der Eigenmittel wird in Grundsatz I konkretisiert. Grundsatz I legt fest, in welcher Höhe Risiken mit Eigenkapital zu unterlegen sind. Die Überprüfung der Eigenkapitalunterlegung erfolgt durch die BaFin (vgl. Pfau, Schoch, Naumann 2005). Ausgangspunkt zur Berechnung des Mindesteigenkapitals bildet der § 2 Abs. 1 Grundsatz I, wonach das Verhältnis zwischen dem haftenden Eigenkapital eines Instituts (§ 10 Abs. 2 Satz 2 KWG) und seinen gewichteten Risikoaktiva 8 v. H. täglich zum Geschäftsschluss nicht unterschreiten darf. Mit anderen Worten, die Kreditinstitute müssen eine mindestens 8%ige Eigenkapitaldeckung ihrer risikobehafteten Aktiva aufweisen. Um dem unterschiedlichen Risikogehalt der einzelnen Positionen gerecht zu werden, werden Risikogewichtsklassen von 0, 20, 50 und 100% für bestimmte Vermögenswerte unterschieden. Der Gewichtungsfaktor gibt an, ob zur Bestimmung des regulatorisch notwendigen Eigenkapitals ein Kredit nominal (Gewichtung 100%), hälftig (Gewichtung 50%), zu einem Fünftel (Gewichtung 20%) oder als nicht existent (Gewichtung 0%) betrachtet wird. Dementsprechend ergeben sich auf den Nominalbetrag eines Kredits bezogene Eigenkapitalanforderungen von 8, 4, 1,6 und 0%. Für die Immobilienfinanzierung sieht Grundsatz I vor, dass Realkredite zur Finanzierung von Gebäuden, die Wohnzwecken dienen, mit 4% Eigenkapital zu unterlegen sind, also nur zu 50% gewichtet werden. Realkredite auf gewerbliche Immobilien werden gem. § 13 Abs. 4 Nr.3 des Grundsatz I – abweichend von den Regelungen des ersten Baseler Eigenkapitalakkords – ebenfalls mit 50% gewichtet, sofern sie 50% des Marktwertes bzw. 60% des Beleihungswertes nicht überschreiten. Realkredite sind grundpfandrechtlich gesicherte Kredite, die 60% des Beleihungswertes nicht überschreiten (vgl. Stöcker 2004, S. 10).

574 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.4.3

Aktuelle Tendenzen in der Bankenregulierung

Der Markt für Bank- und Finanzdienstleistungen in Europa, vor allem aber in Deutschland ist seit vielen Jahren einem kontinuierlichen Wandel ausgesetzt (vgl. Weber, Bankenmarkt, S. 514 ff.). Die Gewichtungsklassen des ersten Baseler Eigenkapitalakkords sind recht grob und können die komplexen wirtschaftlichen Risiken nicht adäquat abbilden. Zudem berücksichtigt Basel I nur Kredit- und Marktrisiken. Das operationelle Risiko, welches z.T. 20% des betriebswirtschaftlichen Eigenkapitals ausmacht, bleibt unberücksichtigt (vgl. Pfau, Schoch, Naumann 2005, S. 93). Dies führt dazu, dass Kreditinstitute zur Bestimmung des bankaufsichtlichen Eigenkapitals andere Berechnungsmethoden anwenden müssen als zur Bestimmung des wirtschaftlich notwendigen Eigenkapitals. Basel II soll dieser unerwünschten Entwicklung entgegenwirken, indem wirtschaftliche und aufsichtsrechtliche Eigenkapitalerfordernisse weitgehend einander angeglichen werden sollen.

5.4.3.1

Die Neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II)

Kaum ein anderes bankaufsichtliches Thema hat in den letzten Jahren so weite Kreise von Politik und Wirtschaft in Deutschland beschäftigt wie die Novellierung der Baseler Eigenkapitalvereinbarung („Basel II“). Die Sensibilität dieses Themas hat ihren Grund in der maßgeblichen Bedeutung von Bankkrediten für den deutschen Mittelstand und in der Befürchtung, dass sich notwendige Finanzierungsmittel für Investitionen erheblich verteuern oder ggf. nicht mehr erhältlich sein könnten. Dies gilt besonders für die Immobilien- und Wohnungswirtschaft, da sie traditionell in hohem Maße fremdfinanziert ist. Aber auch für die übrige Wirtschaft stellt der grundpfandrechtlich abgesicherte Kredit (annähernd jeder zweite Bankkredit in Deutschland ist grundpfandrechtlich abgesichert) eines der bedeutendsten Finanzierungsmittel dar (vgl. Hagen 2002, S. 42). Den größten Einfluss auf die Konditionengestaltung und die Bereitschaft, Kredite zu vergeben, haben die „Mindest-Eigenkapitalanforderungen“ des Baseler Akkords, weshalb im Folgenden insbesondere auf die Ansätze zur Messung des Kreditrisikos und deren Auswirkungen auf den Hypothekarkredit schwerpunktmäßig eingegangen wird. Den Banken stehen künftig zur Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen für ihre Risikoaktiva drei Alternativen zur Verfügung – der modifizierte Standardansatz und die internen Ratingansätze (IRB-Basis-Ansatz und fortgeschrittener IRB-Ansatz). Grundsätzlich darf keine partielle Anwendung der Ansätze zur Kreditrisikomessung (dauerhafter Partial Use) innerhalb eines Instituts bzw. eines Konzerns vorgenommen werden. Jedoch gibt es Übergangsregelungen. Für die Immobilienfinanzierung ist hervorzuheben, dass im Gegensatz zu Basel I, wo allein nach der Nutzungsart der Immobilie nach wohnungswirtschaftlichen und gewerblichen Hypothekarkrediten unterschieden wurde, die Unterscheidung nunmehr zum Teil danach erfolgt, ob der Kreditnehmer als Privatperson (Retail) oder Unternehmen (Corporate) zu betrachten ist, unabhängig davon, ob das finanzierte Objekt eine Wohn- oder Gewerbeimmobi-

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

575

lie ist. Zukünftig wird somit bei der Berechnung der Eigenkapitalunterlegung nach privatem Wohnungsbau, d.h. Einordnung in den Retailbereich, und gewerblichen Wohnungsbau, d.h. Einordnung in den Unternehmensbereich, zu differenzieren sein. Im Rahmen von Basel II sollen die regulatorischen Eigenmittelanforderungen der Banken stärker an den tatsächlichen ökonomischen Risiken des Bankgeschäfts orientiert werden, um somit die Stabilität des Bankensystems zu stärken (vgl. Plesser, S. 668). Die bisher pauschale Bewertung von Kreditrisiken wird einer risikoadäquaten Bewertung gemäß der Bonität der Kreditnehmer weichen. Dazu sollen Kreditinstitute künftig auf Ratings zurückgreifen, wobei ihnen zur Wahl gestellt wird, Agentur-Ratings zu verwenden oder bankinterne Ratings durchzuführen. 5.4.3.1.1

Bonitätsbeurteilung durch Rating

„Ein Rating ist definiert als durch Symbole einer festgelegten, ordinalen Skala ausgedrückte Meinung über die zukünftige Fähigkeit eines Kapitalnehmers zur vollständigen und termingerechten Zahlung der Tilgung und Verzinsung seiner Schulden“ (Berblinger, S. 31). Rating findet vor dem Hintergrund einer potenziellen oder bestehenden Vertragsbeziehung zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer statt. Dabei überlässt der Kapitalgeber dem Kapitalnehmer Zahlungsmittel und erhält dafür im Gegenzug Anwartschaften auf künftige Zahlungen in Form verbriefter Zahlungsversprechen. Durch Symbole einer Ratingskala oder durch eine semantische Verknüpfung dieser Symbole werden die komplexen Zusammenhänge zu einer Bonitätsbeurteilung verdichtet, die Rückschlüsse auf das Ausfallrisiko erlaubt. Je schlechter ein Ratingurteil ausfällt, desto höher wird künftig der von einem Kreditinstitut verlangte Kreditzins sein und vice versa. 5.4.3.1.2

Modifizierter Standardansatz

Wie nach Basel I werden in diesem Ansatz Gewichtungsklassen aufsichtlich vorgegeben. Neben den bekannten Gewichtungen von 0, 20, 50 und 100% wurde die neue Klasse von 150% eingeführt. Die Gewichtungsklassen werden jetzt aber nicht mehr einheitlich für bestimmte Kreditarten bzw. Kunden, sondern durch Heranziehung externer Ratings (AgenturRatings) ermittelt. Voraussetzung für die Heranziehung des externern Ratings ist die aufsichtliche Anerkennung der unabhängigen Ratingagentur durch die nationalen Aufseher. Die Zuordnung der Risikogewichte zu den entsprechenden Ratings geht aus Tabelle 53 hervor (vgl. Basel Committee on Banking Supervision, S. 15). Die auf Kreditnehmer zugeschnittenen externen Ratings sind für die Beurteilung von Immobilienkrediten ungeeignet, da hier für jede Finanzierung eine Objektbeurteilung vorgenommen werden müsste. Diese Ratings existieren nicht. Entsprechend können für Hypothekarkredite nur festgelegte Gewichtungsklassen verwendet werden (vgl. Stöcker 2004, S. 31).

576 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

Tabelle 53: Risikogewichte im Standardansatz

Kredite, die vollständig durch Grundpfandrechte auf selbstgenutzten oder vermieteten Wohnimmobilien abgesichert sind, werden mit 35% gewichtet, was eine Absenkung des erforderlichen Eigenkapitals von 4% auf 2,8% zur Folge hat. Demgegenüber ist bei durch gewerbliche Immobilien besicherten Forderungen grundsätzlich von einem Risikogewicht von 100% auszugehen. In besonders hoch entwickelten Märkten kann von dieser Regel abgewichen werden und ein 50% Risikogewicht für die Teile des Kredits, die 50% des Marktwertes bzw. 60% des Beleihungswertes nicht übersteigen, angewandt werden. Darüber hinaus dürfen bei Anwendung der 50%-Gewichtung die Verluste im erststelligen Beleihungsraum (bis 50% des Marktwertes bzw. 60% des Beleihungswertes) in jedem Jahr nicht höher als 0,3% der ausstehenden Kredite sein und die Verluste aus allen gewerblichen Hypothekarkrediten (bis 100% Beleihungsauslauf) nicht über 0,5% hinaus gehen. Der über die 50% des Marktwertes bzw. 60% des Beleihungswertes hinausgehende Anteil erhält ein Risikogewicht von 100%. Während Kredite im Verzug üblicherweise in die Gewichtungsklasse von 150% eingeordnet werden, müssen Hypothekarkredite im Verzug nur mit 100% gewichtet werden. Eine durchgängige Anerkennung der hohen Werthaltigkeit von Immobiliensicherheiten im modifizierten Standardansatz ist nicht gelungen, denn im Rahmen der Techniken zur Kreditrisikominderung (Credit Risk Mitigation) wird das Grundpfandrecht nicht als Sicherheit zu Reduzierung der Eigenkapitalunterlegung anerkannt. 5.4.3.1.3

Interner Ratingansatz (IRB)

Eine differenziertere Betrachtung des individuellen Kreditrisikos ergibt sich im IRB-Ansatz. Zwar erfolgt die Berechnung der Eigenkapitalunterlegung wie im modifizierten Standardansatz grundsätzlich nach der Formel:

Kreditbetrag x Risikogewicht x 8% (Solvabilitätskoeffizient),

doch wird das Risikogewicht ohne Festlegung bestimmter Klassen bestimmt durch die Verknüpfung der Faktoren: •

Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default, PD)



Verlust bei Ausfall (Loss Given Default, LGD )

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte •

Restlaufzeit des Kredits (Maturity, M)



Höhe des Kredits bei Ausfall (Exposure at Default, EAD)

577

Die Einführung dieses Ratingansatzes ist für die deutschen Banken von großer Bedeutung, da im Gegensatz zu den USA in Europa nur wenige Unternehmen ein externes Rating aufweisen. Im Rahmen des internen Ratings wird unterschieden zwischen einem einfachen IRBBasisansatz und einem fortgeschrittenen Ansatz. Für den Retailbereich und damit auch für die Finanzierung von Wohnraum an Privatpersonen gilt eine vereinfachte Sonderregelung, die es aber – ebenso wie der fortgeschrittene IRB-Ansatz– ermöglicht, bankeigene Schätzungen des Verlusts bei Ausfall (LGD) in die Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung einzubringen. 5.4.3.1.4

IRB – Basisansatz

Während die Faktoren M, LGD und EAD in diesem Ansatz durch die Aufsichtsbehörden vorgegeben werden, beruht die Ermittlung der PD-Kennziffer auf eigenen Schätzungen der Kreditinstitute. Effektive Restlaufzeit (M) Der Berücksichtigung der effektiven Restlaufzeit eines Darlehens liegt der Gedanke zugrunde, dass die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls eines Kunden über einen langen Zeitraum höher ist als über eine kurze Periode. Dies berücksichtigt die Struktur langfristiger Immobilienfinanzierungen mit Tilgungsanteilen nicht. Insbesondere wird nicht berücksichtigt, dass auch aufgrund der verwertbaren Sicherheiten die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers für das Verlustrisiko des Kreditinstituts nicht so entscheidend ist wie bei einem ungesicherten Kredit. Im IRB-Basisansatz wird unabhängig von der tatsächlichen Restlaufzeit des Kredits eine Laufzeit von 2,5 Jahren unterstellt, so dass die Laufzeitkomponente hier neutralisiert wird. Verlust bei Ausfall (LGD) Der LGD ist als Höhe des Verlustes in Prozent des ausstehenden Kreditvolumens (EAD) zu bestimmen. Der LGD bezeichnet folglich den Verlust, den ein Kreditinstitut nach Verwertung von Sicherheiten zu verkraften hat. Immobiliensicherheiten werden im IRB-Basisansatz anerkannt, jedoch nur unzureichend. Bei einem Sicherheitenwert von < 30% des Kreditbetrags wird eine LGD-Quote von 45% und bei einem Sicherheitenwert von >140% eine LGD-Quote von noch 35% vorgegeben.

Kredithöhe bei Ausfall (EAD) Das EAD entspricht bei Immobilienfinanzierungen der Höhe der ausstehenden Forderungen.

578 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) Die PD-Quote bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde seinen vertraglichen Kapitaldienstverpflichtungen nicht nachkommen kann. Die Ausfallwahrscheinlichkeit muss von dem jeweiligen Kreditinstitut auf Basis eigener Schätzungen bestimmt werden. Dabei ist ein Prognosezeitraum von einem Jahr anzunehmen. Die Anforderungen, die an die eigenen Schätzungen gestellt werden, sind sehr hoch und werden von den Aufsichtsbehörden u.a. im Hinblick auf ihre Nachweisbarkeit, Zuverlässigkeit und Konsistenz überprüft. Für Hypothekarkreditnehmer gibt es in diesem Zusammenhang keine spezifischen Regelungen. Dennoch ist anzunehmen, dass Immobilienkunden andere Ausfallwahrscheinlichkeitsprofile aufweisen als andere Kreditnehmer, da die spezifischen Immobilienrisiken die Ausfallgefährdung dieser Kundengruppe beeinflussen. Aus diesem Grund haben die Pfandbriefbanken Verfahren entwickelt, die dieser Besonderheit gerecht werden. Für private Wohnungsbaukredite wird eine Asset Correlation von 15% unterstellt. Dies führt zu einer grundsätzlich höheren Riskogewichtsfunktion als für den übrigen Retailbereich, für den eine gleitende Asset Correlation von 3 – 16% angesetzt werden kann. Kreditinstitute können sich auf der Grundlage historischer Ausfall- und Verlustraten eine Vorstellung von den „mittleren“ oder „erwarteten“ jährlichen Verlusten im Kreditgeschäft verschaffen. Erwartete Verluste sind eine kalkulierbare Kostenkomponente des Kreditgeschäfts, die durch Wertberichtigungen und Zinsmargen abgedeckt sein sollte. Regulatorisches bzw. haftendes Eigenkapital wird daher nur für unerwartete Verluste vorgehalten. Im IRB-Ansatz sind dafür fünf Forderungsklassen Banken, Retail, Unternehmen, Staaten und Beteiligungen vorgesehen (vgl. Abbildung 147). Für die Finanzierung gewerblicher Immobilien-Projektentwicklungen, ist die Forderungsklasse „Unternehmen“ relevant, die zwei Unterklassen (Spezialfinanzierungen) für die gewerbliche Immobilienfinanzierung vorsieht: •

IPRE – (Income-Producing Real Estate) bezieht sich auf zu Vermietungszwecken erstellte Immobilien bzw. auf Bestandsimmobilien, bei denen der Verwertungserlös im Falle des Ausfalls primär auf den aus dem Objekt erzielten Einnahmen beruht.



HVCRE– (High-Volatility Commercial Real Estate) gilt für gewerbliche Immobilien, die eine höhere Volatilität der Verlustrate als IPRE-Spezialfinanzierungen aufweisen. Hierunter fallen in erster Linie Projektentwicklungen.

Die Zuordnung zu diesen Klassen erfolgt, sofern die Kapitaldienstleistungen zur Rückführung des ausgereichten Darlehens in Form von Miet-, Leasing- oder Verkaufserlösen in erster Linie direkt aus dem Immobilienobjekt stammen. Darlehensnehmer ist dabei in der Regel eine Zweck-, Bauträger- oder Vermietungsgesellschaft.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

579

Abbildung 147: Forderungsklassen im Internen Ratingansatz

Kreditinstitute, die den Mindestanforderungen an die Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten im Rahmen des IRB-Basisansatzes nicht gerecht werden und damit diese mathematische Bestimmung der Eigenkapitalunterlegung daher nicht anwenden dürfen, können ihren Kreditengagements bestimmte Risikogewichte zuordnen. Die Definition dieser Risikogewichte befindet sich in Tabelle 2 des Anhang 4 der Neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarung (vgl. Basel Committee on Banking Supervision, S. 205-209). Diese Variante wird als auf „aufsichtsrechtlichen Zuordnungskriterien basierender Ansatz“ bzw. „Elementaransatz“ bezeichnet. Die Risikogewichte liegen bei beiden Zuordnungsklassen bereits im Bonitätsbereich „Mittel“ deutlich über der derzeitigen Standardrisikogewichtung nach Basel I von 100 Prozent, was einer stärkeren Differenzierung der Kreditkonditionen führen wird.

5.4.3.2

IRB - Fortgeschrittener Ansatz

In diesem Ansatz müssen die gesamten für den IRB-Basisansatz geltenden Parameter von dem jeweiligen Kreditinstitut selbst geschätzt bzw. festgelegt werden, wobei diese Schätzungen der Überprüfung der Bankaufsicht nach den in Basel II aufgestellten Voraussetzungen unterliegen. Effektive Restlaufzeit (M) Für Restlaufzeiten der Kredite über 2,5 Jahre werden Zuschläge und unter 2,5 Jahre Abschläge vom Eigenkapitalerfordernis vorgenommen. In keinem Fall ist die effektive Rest-

580 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte laufzeit M größer als 5 Jahre. Allerdings führt auch dies noch für die in Deutschland vorherrschende Form der langfristigen Immobilienfinanzierung zu Eigenkapitalaufschlägen. Da die Auswirkungen einer solchen Regelung gerade für den Mittelstand äußerst negativ wären und darüber hinaus die in Deutschland vorherrschende und volkswirtschaftlich gewünschte Langfristkultur mit ihren volatilitätsdämpfenden Wirkungen auf Zinsen und Immobilienmärkte gefährdet worden wäre, konnte die deutsche Delegation auch hier einen beachtlichen Erfolg verbuchen. Danach soll es im Ermessen der nationalen Bankaufsicht stehen – verbindlich für alle Kreditinstitute – Kredite an inländische Unternehmen mit einem Jahresumsatz oder einer Bilanzsumme von unter 500 Mio. € von Laufzeitzuschlägen auszunehmen. Verlust bei Ausfall (LGD) Für die Bestimmungen der LGD-Quote ist der entscheidende Faktor der Wert der Sicherheit im Verwertungsfall. Damit bringt diese Kennziffer das Kernelement für grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen zum Ausdruck. Um die LGD-Quote zu bestimmen, bedarf es der Ermittlung der Höhe des Darlehens bei Ausfall (EAD), dem heutigen Marktwert der beliehenen Immobilie, den prognostizierten Wert der Immobilie in einem Jahr, dem Verwertungserlös für die bestimmte Objektart sowie der in der Verwertung entstehenden Kosten (Verwertungsdauer, kalkulatorische Zinsen, Personalkosten, Verwaltungskosten, externe Kosten). Um hier eine dem Wert der dinglichen Sicherheit adäquaten und präzisen LGD-Quote zu gewährleisten, deren Anerkennung durch die Aufsichtsbehörden mit höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit erfolgt, haben die Pfandbriefbanken ein gemeinsames LGD-Grading-Modell auf Basis eines übergreifenden Datenpools entwickelt (vgl. Hagen, Holter 2002, S. 62). Die vorgenannten Ausführungen zeigen, dass nur im fortgeschrittenen IRB-Ansatz die Kernelemente der Immobilienfinanzierung zum Tragen kommen und damit zu einer angestrebten Reduzierung des erforderlichen Eigenkapitals beitragen können. Denn allein im fortgeschrittenen Ansatz kommt der Sicherungswert der Grundschuld adäquat zum Ausdruck, da nur hier die Verlustquoten von der Bank selbst geschätzt werden dürfen.

Abbildung 148: Wahl des Ratingansatzes

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

581

Eine vom Department of Real Estate der European Business School durchgeführte empirische Studie zeigt, dass der interne Ratingansatz von deutschen Kreditinstituten gegenüber dem Standardansatz eindeutig favorisiert wird (vgl. Abbildung 148). Von 205 in der gewerblichen Immobilienfinanzierung befragten Banken, von denen 52 auf diese Frage geantwortet haben (Rücklaufquote 25,37%), planen lediglich 13,5% den Standardansatz anzuwenden. 65,3% der Banken hat den Basisansatz des Internen Ratingansatzes gewählt. Davon geschieht dies bei 28,8% der Institute mit der Zielsetzung, in der Zukunft auf den fortgeschrittenen IRB-Ansatz überzugehen. Diese abwartende Haltung ist damit zu erklären, dass diese Banken die Anforderungen des fortgeschrittenen Ansatzes zur Schätzung der Parameter LGD, EAD und M noch nicht erfüllen. 21,2% der Banken sind offenbar bereits zur eigenständigen Einschätzung aller notwendigen Ratingparameter in der Lage, so dass sie sich für die fortgeschrittene Variante des Internen Ratingansatzes entschieden haben (vgl. Pitschke, S. 255). 5.4.3.2.1

Inkrafttreten von Basel II

Die Regelungen der Neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarung treten je nach gewähltem Ansatz zeitversetzt in Kraft. Modifizierter Standardansatz und IRB-Basisansatz können ab 1.1.2007, der fortgeschrittene IRB-Ansatz erst ab 1.1.2008 angewendet werden. Um durch das zeitversetzte Inkrafttreten entstehende Wettbewerbsverzerrungen abzumildern, wurden so genannte Untergrenzen bzw. „Floors“ eingeführt. Für das Jahr 2007 gilt ein Floor von 95%, d.h. das die Eigenkapitalunterlegung im Vergleich zu Basel I um nicht mehr als 5% absinken darf. Der Floor für das Jahr 2008 beträgt 90%, d.h. es sind in 2008 bis zu 10% Eigenkapitalersparnis erzielbar. Für das Jahr 2009 ist noch ein Floor von 80% vorgesehen (vgl. Pfau, Schoch, Naumann 2005, S. 73). 5.4.3.2.2

Zeitplan und Umsetzung auf EU-Ebene

Basel II wird über die Europäische Union in nationales Recht umgesetzt. Hierzu liegt dem Europäischen Parlament der so genannte Capital Requirements Directive (CRD)Richtlinienentwurf zur vor. Die Beratungen sind weitgehend abgeschlossen und in einem Berichtsentwurf des Wirtschafts- und Währungsausschusses zur Neufassung der Richtlinien 2000/12/EG und 93/6/EWG zusammengefasst. Der Wirtschafts- und Währungsausschuss hat am 13. Juli 2005 über den Richtlinienentwurf zur angemessenen Eigenkapitalunterlegung von Kreditinstituten abgestimmt. Die Verabschiedung der Richtlinie im Plenum ist für den 28. September 2005 vorgesehen. Im Regelfall folgt das Plenum dem Votum des Wirtschaftsund Währungsausschusses. Mit dem Vorliegen der offiziellen Richtlinie ist daher voraussichtlich im Oktober 2005 zu rechnen. Die o. g. Forderungsklasse HVCRE ist im CRD-Richtlinienentwurf nicht berücksichtigt und wird damit nicht in nationales Recht umgesetzt.

582 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte 5.4.3.2.3

Zeitplan und Umsetzung auf nationaler Ebene

Im Juni 2005 übermittelte das Bundesministerium der Finanzen den Verbänden einen ersten Diskussionsentwurf zur Umsetzung des CRD-Richtlinienentwurf in nationales Recht. Dieser Gesetzesentwurf basiert auf dem Richtlinienentwurf der EU-Kommission vom 14. Juli 2004 sowie den Ergebnisse der Ratsverhandlungen vom 7.12.2004. Das CRD-Umsetzungsgesetz umfasst Änderungen des KWG, der Groß- und Millionenkreditverordnung sowie die Solvabilitätsverordnung, die den bisherigen Grundsatz I ablösen soll. Derzeit laufen die Beratungen mit den Verbänden. Das Inkrafttreten der Änderungen ist für den 1.1.2007 geplant. Zentraler Punkt im EU-Berichtsentwurf ist allerdings, dass Banken aufgefordert sein werden, „ihre Ratingentscheidungen dem einzelnen Kreditantragsteller in nachvollziehbarer Weise schriftlich offenzulegen“. Vor dem Hintergrund der weitreichenden Informationspflichten eines Unternehmens gegenüber der Bank bei der Prüfung eines Kreditantrages sollen die Banken ihrerseits verpflichtet werden, ihre Kreditentscheidung gegenüber dem Kreditantragsteller schriftlich zu erläutern. Durch diese Verpflichtung profitieren Banken durch eine verbesserte Möglichkeit zur Risikoeinschätzung und -bepreisung, während für die Immobilienunternehmen der Beratungsaspekt eines offengelegten Ratings (Stärken-Schwächen Analyse) von Vorteil ist. 5.4.3.2.4

Mindestanforderungen an das Risikomanagement

Ein gutes Beispiel für die sich verändernden regulatorischen Rahmenbedingungen im Kreditrisikomanagement sind die sog. „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk), deren ersten Entwurf am 02. Februar 2005 von der BaFin in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank veröffentlicht wurden. Die MaRisk dienen der Konkretisierung des § 25 a Abs. 1 KWG, der die Geschäftsleitung eines Instituts verpflichtet, über eine angemessene Geschäftsorganisation zu verfügen. Diese Geschäftsorganisation umfasst u. a. eine angemessene Strategie und ein angemessenes internes Kontrollsystem (d. h. internes Überwachungssystem). Mit den MaRisk verfolgt die Aufsicht aber auch das Ziel, die wesentlichen qualitativen Anforderungen des Baseler Akkords (Säule 2 - Supervisory Review Process) sowie des entsprechenden CRD-Richtlinienentwurfs in deutsches Recht umzusetzen. Ein wesentlicher Regelungsinhalt ist die Sicherstellung, dass genügend internes Eigenkapital entsprechend des institutsspezifischen Risikoprofils zur Abdeckung der wesentlichen Risiken zur Verfügung steht. Deshalb werden die Institute verpflichtet, angemessene Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse aufzubauen, um eine ganzheitlichen Risikobetrachtung vornehmen zu können. Die bislang vorhandenen Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MaK) vom 20. Dezember 2002, Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der Internen Revision (MaIR) vom 17. Januar 2000 sowie Mindestanforderungen an das Handelsgeschäft (MaH) vom 23. Oktober 1995 werden teilweise aktualisiert in den MaRisk zusammengefasst. Dadurch werden Wertungswidersprüche, die insbesondere auf den der unterschiedlichen Entstehungszeit-

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

583

punkten beruhen, aufgelöst. Zusätzlich werden qualitative Standards für weitere Risikokategorien wie operationelle Risiken, Liquiditätsrisiken und Outsourcing geregelt. Es ist von der Aufsicht geplant, dass die endgültigen MaRisk Ende 2005 veröffentlicht werden. Der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens (ggf. mit zeitversetzten Umsetzungsphasen) soll im Herbst 2005 festgelegt werden.

5.4.3.3

Das Investmentgesetz

Das Investmentgesetz wurde im Januar 2004 mit dem Investmentmodernisierungsgesetz eingeführt. Das Investmentsgesetz löste das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften sowie das Auslandinvestmentgesetz ab. Neben der Neuregelung der aufsichtlichen Seite des Investmentswesens wurden die steuerlichen Bestimmungen durch das Investmentmodernisierungsgesetz in einem eigenständigen Investmentsteuergesetz zusammengefasst. Zielsetzung des Investmentmodernisierungsgesetzes war eine Verbesserung der Rahmenbedingungen des Finanzplatzes Deutschland. Weiterhin wurde mit dem Investmentmodernisierungsgesetz die OGAW-Richtlinie (Europäische Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) umgesetzt (vgl. Kestler 2003). Wichtigste Neuerung des Investmentgesetzes war die Zulassung von Hedgefonds und der Einsatz von Derivaten als Teil der Anlagepolitik. Weitere neue Regelungen betrafen die Erweiterung der Anlagemöglichkeiten für Fonds, die Einführung eines vereinfachten Verkaufsprospekts sowie die Möglichkeit von Fonds-Veschmelzungen. Die Investmentbranche begrüßte das Investmentmodernisierungsgesetz als wichtig für die Stärkung des Investmentstandortes Deutschland (vgl. BVI 2004, S. 41ff). Das Investmentmodernisierungsgesetz lässt für Kapitalanlagegesellschaften mit ImmobilienSondervermögen (Immobilienfonds) eine Absenkung des für zusätzliche operationelle Risiken vorzuhaltenden Eigenkapitals von 5 Millionen Euro auf 2,5 Millionen Euro zu. Die geringere Kapitalanforderung baut Markteintrittsbarrieren ab und wirkt sich somit wettbewerbsfördernd aus. Zudem bietet sich durch das niedrigere Eigenkapitalerfordernis die Möglichkeit, eine höhere Rendite zu erwirtschaften. Auch ist seit 1. Januar 2004 eine Übertragung des Portfoliomanagements auf Dritte zulässig, sofern es sich um Unternehmen handelt, die für Zwecke der Vermögensverwaltung zugelassen sind. Die grundsätzliche Anlageentscheidung muss aber bei der Kapitalanlagegesellschaft verbleiben. Erleichterungen wurden auch für den Bereich der Spezialfonds erreicht. Mit Inkrafttreten des Gesetzes können Anteile auf Grund schriftlicher Vereinbarungen mit der Kapitalanlagegesellschaft jeweils von maximal 30 Anlegern, die nicht natürliche Personen sind, gehalten werden (früher 10 nicht natürliche Personen). Kritisiert wurde von den Marktteilnehmern, dass für Immobilien und Beteiligungen an Immobiliengesellschaften als einzige investmentrechtlich zugelassene Wirtschaftsgüter im Investmentsmodernisierungsgesetz nicht die Möglichkeit der Bildung einer ertragssteuerlich transparenten Investmentaktiengesellschaft (sogenannte Real Estate Investment Trust –

584 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte REITs) geschaffen wurde. Von der Schaffung von Immobilieninvestmentaktiengesellschaften wird ein Investitionsschub für den deutschen Immobilienmarkt erwartet.

5.4.4

Zusammenfassung



Die deutschen Immobilienmärkte sind in erheblichem Ausmaß durch Bankdarlehen finanziert. Vor diesem Hintergrund haben bankaufsichtlichen Regulierungen mittelbare Auswirkungen auf die Immobilienmärkte.



Immobilienkredite sind zwei bedeutenden Regulierungen unterworfen. Zum einen ist die Eigenkapitalunterlegung gesetzlich geregelt. Zum anderen wird die Refinanzierung über Pfandbriefe durch ein Spezialgesetz festgelegt. Die bankaufsichtlichen Regelungen haben direkten Einfluss auf die Konditionengestaltung der Banken. Eine Abschaffung der privilegierten Eigenkapitalunterlegung für Immobilienkredite würde bspw. zu einem Zinsanstieg führen. Steigende Zinsen für Immobiliendarlehen bedeuten auch sinkende Investitionen in Immobilien.



Derzeit sind Wohnungsbaukredite mit 4% Eigenkapital zu unterlegen. Hier ist zukünftig eine Erleichterung zu erwarten. Entsprechend könnten positive Impulse auf den Wohnungsbau ausgehen. Gewerbliche Immobilienfinanzierungen sind bis 50% des Marktwertes bzw. 60% des Beleihungswertes ebenfalls mit 4% Eigenkapital zu unterlegen. Für den Bereich der gewerblichen Finanzierung sind weder durch das Baseler Papier noch durch die EU-Umsetzung oder die deutsche Gesetzgebung Änderungen zu erwarten.



Ein Großteil der Immobilienfinanzierer beabsichtigt, in die internen Ansätze anzuwenden. Die Anwendung der internen Ratingansätze führt zu einer risikoadäquaten bzw. differenzierten Eigenkapitalunterlegung und damit zu einer Spreizung der Kreditkonditionen.



Auch die Refinanzierung hat über den Zinsmechanismus Auswirkungen auf die Immobilienmärkte. Durch das international anerkannte attraktive Kapitalmarktprodukt Pfandbrief sind die deutschen Pfandbriefbanken als bedeutende Immobilienfinanzierer in der Lage sich äußerst günstig zu refinanzieren. Die internationale Attraktivität des Pfandbriefes beruht auch darauf, dass gesetzlich strenge Anforderungen an die Qualität der Deckungsmasse, hier insbesondere der Beleihungswertermittlung, gestellt werden.



Die Beleihungswertermittlung wirkt aber auch auf andere Weise auf die Immobilienmärkte. Durch eine vorsichtige und nachhaltige Beleihung der Immobilien wird eine zu expansive Kreditvergabe vermieden und der Immobilienmarkt gestärkt. Ablesen lässt sich dies an der im internationalen Vergleich geringeren Volatilität der deutschen Immobilienmärkte (vgl. Renaud 1998, S. 5).



Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das neue Pfandbriefgesetz positive Wirkungen auf den Immobilienmarkt erwarten lässt. Die Refinanzierungszinsen

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

585

bleiben günstig. Die Langfristfinanzierung bietet Investoren eine gute Kalkulationsgrundlage. Die strengen Bewertungskriterien verhindern eine Marktüberhitzung. •

Die Auswirkungen von Basel II auf den Immobilienmarkt sind ebenfalls eher positiv einzuschätzen. Grundsätzlich wird in der Immobilienfinanzierung eine Reduzierung der Eigenkapitalunterlegung unter den neuen Regelungen erwartet. Diese würde sich dann durch niedrigere Zinsen ebenfalls positiv auf den Immobilienmarkt auswirken. Durch den Zwang der Kreditnehmer, ihre Informationen für die Bank nachvollziehbar aufzubereiten, um ein besseres Rating zu erhalten, ist eine Steigerung der Transparenz am Immobilienmarkt zu erwarten.

586 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

Literaturverzeichnis zu Kapitel 5.4 Basel Committee on Banking Supervision: International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards – A revised framework, June 2004, www.bis.org. Bellinger, D., Kerl, V.: Hypothekenbankgesetz, München 1995. Berblinger, J.: Marktakzeptanz des Rating durch Qualität, in: Büschgen, H. E./Everling, O. (Hrsg.): Handbuch Rating, Wiesbaden 1996, S. 21-110. BVI: Investment 2004 – Daten, Fakten, Entwicklungen, 2004. Deutsche Bundesbank: Bankenstatistik Stand 24.05.2005. Deutsche Bundesbank: Neue Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht September 2004, S. 75-100. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Das Eigenkapital der Kreditinstitute aus bankinterner und regulatorischer Sicht, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 2002, Frankfurt 2002, S. 41-60. Frank, W., Glatzl, S.: Handlungsbedarf zum neuen Pfandbriefgesetz, in: Immobilien & Finanzierung, 56. Jg., Nr. 14/2005, S. 504-506.. Goedecke, W., Kerl, V., Scholz, H.: Die deutschen Hypothekenbanken, Frankfurt am Main 1997. Hagen, L.: Neues Pfandbriefgesetz als einheitliche Grundlage zur Emission von Pfandbriefen stärkt den Pfandbrief und den Finanzplatz, in: der Pfandbrief 2005, S. 14 – 21. Hagen, L.: Der Hypothekarkredit in Basel II, in: Professionelles Immobilienbanking 2004, S. 41 – 52. Hagen, L., Holter, R.: Auswirkungen von Basel II auf das Risikomanagement deutscher Hypothekenbanken, in: Professionelles Immobilienbanking 2002, S. 53 – 64. Kestler, A.: Neues Investmentgesetz bringt den Finanzplatz Deutschland voran, in: Die Bank, Nr. 10/2003, S.675 – 679. Pfau, R., Schoch, S., Naumann, H.: Risikomanagement im Real Estate Banking, Berlin 2004. Pitschke, C.: Die Finanzierung gewerblicher Immobilien-Projektentwicklungen unter besonderer Berücksichtigung der Neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarung, Köln 2004. Plesser, J.: Aktuelle Entwicklungen in der gewerblichen Immobilienfinanzierung, in: Immobilien & Finanzierung, 56. Jg., Nr. 19/2003, S. 668-670. Renaud, B.: The 1985 – 1994 Global Real Estate Cycle, World Bank 1995.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

587

Stöcker, O.: Realkredit und Pfandbriefsicherheit - Der Beleihungswert im Bankaufsichtsrecht, Berlin 2004. VDH: Jahresbericht 2004. Wagner, H.: Problemfelder der Makroökonomik, Hagen 2002. Weber, M.: Die deutschen Banken im europäischen Bankenmarkt, in: Die Bank, Nr. 8/2002, S. 514-519.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.5

589

Öffentliche Immobilieninvestitionen Bernward Kulle, Philip Boll

5.5.1 Entwicklung der öffentlichen Immobilieninvestitionen in Deutschland........590 5.5.2 Öffentliche Immobilieninvestitionen auf kommunaler Ebene .......................594 5.5.2.1 Grundprinzipien der kommunalen Selbstverwaltung.....................................594 5.5.2.2 Defizite der kommunalen Verwaltungshaushalte ..........................................595 5.5.2.3 Erheblicher Investitionsbedarf auf kommunaler Ebene .................................597 5.5.3 Public Private Partnership als alternative Investitionsmöglichkeit ................599 5.5.4 Schlussbetrachtung ........................................................................................603 Literaturverzeichnis zu Kapitel 5.5 ......................................................................................605

590 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

5.5

Öffentliche Immobilieninvestitionen Bernward Kulle, Philip Boll

5.5.1

Entwicklung der öffentlichen Immobilieninvestitionen in Deutschland

In Deutschland verfügt die öffentliche Hand aufgrund ihres breiten Aufgabenspektrums über einen großen und sehr heterogenen Immobilienbestand, der verschiedenste öffentliche Immobilien (Schulen, Verwaltungsgebäude, Gefängnisse, Theater etc.) umfasst. Dieser Bestand muss nicht nur instandgehalten, sondern bei entsprechender Nachfrage auch erweitert werden (vgl. Ecke 2004, S. 2). Im Wettbewerb zwischen den Städten und Gemeinden stellen die öffentlichen Immobilien einen wichtigen Wettbewerbsfaktor dar. Nicht nur die Bürger messen der Qualität der öffentlichen Immobilien eine hohe Bedeutung bei, sondern auch für die Anwerbung von Unternehmen spielt der Zustand der kommunalen Infrastruktur eine entscheidende Rolle. Die Finanznot der öffentlichen Hand hat zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen und politischen Handlungsspielräume geführt. In vielen Bereichen, wie z.B. im Bildungs- oder Gesundheitssektor, sind die öffentlichen Leistungen erheblich eingeschränkt worden, so dass sich der Bürger einer verminderten Qualität bei den öffentlichen Dienstleistungen gegenüber sieht. Auch die öffentlichen Immobilieninvestitionen sind durch die defizitäre Entwicklung der öffentlichen Haushalte geprägt, da die Kosteneinsparungen insbesondere bei den disponiblen Sachinvestitionen ansetzen. Diese Entwicklung kann anhand amtlicher Statistiken sehr gut nachvollzogen werden. Hierzu eignet sich insbesondere die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) , die ein umfassendes und übersichtliches Gesamtbild des wirtschaftlichen Geschehens zeichnet (vgl. Rußig 2005, S. 31). Die Statistiken werden nach einem europäisch einheitlichen System erstellt und garantieren dadurch eine einheitliche Berechnung und belastbare Ergebnisse für politische und wirtschaftliche Entscheidungen (vgl. Statistisches Bundesamt 2005a). Neben dem umfassenden und konsistenten System der VGR gibt es weitere amtliche oder private Quellen, die Daten zu Immobilieninvestitionen enthalten. Auf einige dieser Quellen wird im Folgenden eingegangen. Für eine Gesamtbetrachtung der öffentlichen Immobilieninvestitionen über einen längeren Zeitraum eignen sie sich jedoch nicht, da sie zu heterogen und selektiv sind, um repräsentativ zu sein (vgl. Rußig 2005, S. 33). In der VGR werden die Investitionen nicht nur nach Wirtschaftszweigen, sondern auch nach staatlichen und nicht-staatlichen Sektoren (Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften, Finanzielle Kapitalgesellschaften, Private Haushalte, Private Organisatoren ohne Erwerbszweck) gegliedert (vgl. Statistisches Bundesamt 2005a). Die Investitionen in Bauwerke werden unter den Bruttoanlageinvestitionen erfasst, die sich in Ausrüstungen, Bauten und sonstige Anlagen untergliedern (vgl. Statistisches Bundesamt 2005b, S. 11).

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

591

Betrachtet man die Bruttoanlageinvestitionen in Bauten unterteilt nach staatlichen und nichtstaatlichen Sektoren, so zeigt sich, dass der staatliche Anteil im Jahr 2005 mit 11,3 % den geringsten Wert in den letzten zehn Jahren annimmt. Damit spielen die staatlichen Investitionen im Vergleich zu den nichtstaatlichen Investitionen eine eher geringe Rolle und haben in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Abbildung 149 zeigt die Investitionen des Staates und der nichtstaatlichen Sektoren und stellt dar, dass nicht nur der staatliche Anteil sondern auch die Gesamtinvestitionen von 1995 bis 2005 abgenommen haben. Während die Bauinvestitionen im Jahr 1995 noch bei ca. 259 Mrd. Euro lagen, sind sie bis 2005 auf 205 Mrd. Euro um über 20% gefallen (vgl. Statistisches Bundesamt 2006c).

Bruttanlageinvestitionen in Bauten in Mrd. Euro

300 Nichtstaatl. Sektoren Staat 250

200

150

100

50

0 1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

Jahr

Abbildung 149: Bruttoanlageinvestitionen in Bauten nach Sektoren (Quelle: Statistisches Bundesamt 2006c).

Die negative Entwicklung der Bauinvestitionen zeigt sich noch drastischer, wenn man nur die Investitionen des Staates betrachtet (vgl. Abbildung 150). Die deutsche Wiedervereinigung bewirkte am Anfang der neunziger Jahre eine Zunahme der Bauinvestitionen bis auf den Höchststand von 39,1 Mrd. Euro im Jahr 1994. Seitdem sind sie - bis auf einen leichten Zuwachs in 1999 -kontinuierlich bis zum Tiefststand von 23,2 Mrd. Euro im Jahr 2005 gefallen. Hiernach betrugen die Bauinvestitionen in 2005 nur noch 59% des Betrages von 1994 (vgl. Statistisches Bundesamt 2005b und Statistisches Bundesamt 2005c).

592 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

39 ,1

1993

1994

28 ,

2000

2001

2002

25

2

8 23 ,

24 ,

27 ,

0

9

8 29 ,

1999

0 30 ,

1998

4 29 ,

1997

30

30 ,9

8 29 ,9

34 ,

33 ,4

35

32 ,

Bauinvestitionen in Mrd. Euro

4

40

9 38 ,

1992

8 38 ,

45

20 15 10 5 0 1991

1995

1996

2003

2004

2005

Jahr

Abbildung 150: Bruttoanlageinvestitionen des Staates in Bauten (vgl. Statistisches Bundesamt 2005b und Statistisches Bundesamt 2005c)

Der Begriff „Immobilie“ wird in der VGR nicht verwendet. Generell stellt sich das Problem, dass der Begriff „Immobilie“ weder im allgemeinen Sprachgebrauch noch in der Wissenschaft einheitlich definiert wird. Nach der umfassenden Definition des Immobilienbegriffs von Bone-Winkel/Schulte/Focke beinhaltet die Immobilie nicht nur Bauten bzw. Bauwerke, sondern auch die Flächen und Grundstücke, auf denen diese Bauwerke errichtet wurden (vgl. Bone-Winkel/Schulte/Focke 2005, S. 5-7). In der VGR werden Bauten in Wohnbauten und Nichtwohnbauten unterschieden. Unter Wohnbauten werden Eigenheime und Mehrfamilienhäuser gefasst, während unter Nichtwohngebäuden sowohl Hochbauten (Fabriken, Büros, Läden, Lagerhallen, Hotels und Gaststätten, Krankenhäuser, Schulen und Universitäten, Kirchen, Sporthallen und Hallenbäder etc.) als auch sonstige Bauten, zu denen auch Tiefbauten (Straßen-, Schienen-, Kanal- und Telekommunikationsnetze, Flughäfen, Rohrleitungen, Kläranlagen, Deiche sowie Sportplätze und Parks) gehören, zusammengefasst werden. Die gemeinsame Erfassung von Hoch- und Tiefbauten in der VGR entspricht den internationalen Konventionen und wird zur Einschätzung der volkswirtschaftlichen Einflüsse der Immobilienwirtschaft regelmäßig verwendet. Grundstücke nehmen als nicht vermehrbare und nicht produzierte Vermögensgüter eine Sonderstellung ein (vgl. Rußig 2005, S. 23). Die Tabelle 54 zeigt, dass die Bauinvestitionen des Staates in Wohnbauten im Verhältnis zu Nichtwohnbauten besonders gering ausfallen. Der prozentuale Anteil der Wohnbauten ist im Zeitraum von 1995 bis 2005 nur im Jahr 1997 über 3% angestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt 2006c)

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte 1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

593

2004

2005

Bauinvestitionen gesamt

34,39

32,81

29,90

29,37

30,86

30,01

29,84

28,89

27,03

24,78

23,2

in Nichtwohnbauten

33,56

31,89

28,97

28,54

30,08

29,27

29,12

28,22

26,38

24,13

22,57

in Wohnbauten Anteil der Wohnbauten

0,83

0,92

0,93

0,83

0,78

0,74

0,72

0,67

0,65

0,65

0,63

2,4%

2,8%

3,1%

2,8%

2,5%

2,5%

2,4%

2,3%

2,4%

2,6%

2,7%

Tabelle 54: Bruttoanlageinvestitionen des Staates in Bauten unterteilt nach Nichtwohnbauten und Wohnbauten (vgl. Statistisches Bundesamt 2006c)

Nach dem Grundgesetz vom 23. Mai 1949 setzt sich die Bundesrepublik Deutschland als demokratischer und sozialer Bundesstaat aus verschiedenen Gliedern zusammen. Hierbei sind sowohl der Bund als auch die einzelnen Glieder eigene Staaten. Nach dem Organisationsprinzip des Föderalismus verfügen die Glieder über eine gewisse Eigenständigkeit, sind aber zu einem Bundesstaat zusammen geschlossen (vgl. Arndt/Rudolf 1991, S. 37). Der Verwaltungsaufbau ist dreistufig: Neben Bund und Länder gibt es die Kommunen als eigenständige Verwaltungsträger (vgl. Schoch/Wieland 1995, S. 53). Die Kommunalverwaltungen gliedern sich wiederum in Städte und Gemeinden, wobei die Städte im Grundgesetz nicht erwähnt werden (vgl. Hesse 1992, Sp. 1099). Aus rechtlicher Sicht sind die Kommunalverwaltungen den Verwaltungssystemen der Länder zugeordnet. Somit sind die Gemeinden verfassungsrechtlich als Teil der Bundesländer anzusehen (vgl. Thürer 1986, S. 10f.). 35 Gemeinden Länder

Bauinvestitionen in Mrd. Euro

30

Bund

25

20

15

10

5

0 1996

1997

1998

1999

2000 2001 Jahr

2002

2003

2004

2005

Abbildung 151: Bauinvestitionen des Staates nach Gebietskörperschaften (vgl. Statistisches Bundesamt 2006c).

594 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte In Folge dieser Teilung weist auch die VGR die Bauinvestitionen getrennt nach Gebietskörperschaften (Bund, Ländern und Gemeinden) aus. In Abbildung 151 sind die Bauinvestitionen der Sozialversicherung nicht berücksichtigt, so dass die Werte leicht von den Angaben aus Abbildung 150 abweichen. Die graphische Darstellung macht deutlich, dass die kommunalen Bauinvestitionen in der Bundesrepublik Deutschland die wichtigste Rolle für die öffentlichen Immobilien spielen. Während sie im Jahr 1996 noch bei fast 70% lagen, sind sie in den letzten Jahren deutlich gefallen und lagen im Jahr 2005 bei nur noch 61,4% (vgl. Deutscher Städtetag 2005, S. 40). Nominal gingen die Investitionen in den Gemeinden von 21, 8 Mrd. Euro auf 15,1 Mrd. Euro zurück (vgl. Statistisches Bundesamt 2006c). Die Darstellungen haben gezeigt, dass die öffentlichen Bauinvestitionen in den letzten Jahren deutlich abgenommen haben. Der Anteil der kommunalen Investitionen macht weiterhin den größten Anteil der staatlichen Bauinvestitionen aus und kann daher als Indikator für die Entwicklung der öffentlichen Immobilieninvestitionen herangezogen werden. Hierfür liegen detaillierte Zeitreihen aus den Gemeindefinanzberichten, die vom Deutschen Städtetag veröffentlicht werden, vor. Auf kommunaler Ebene wird im Folgenden auch eine deutlichere Unterscheidung in Hoch- und Tiefbau gemacht.

5.5.2

Öffentliche Immobilieninvestitionen auf kommunaler Ebene

Während auf Bundes- und Länderebene vornehmlich große Verkehrsinfrastrukturprojekte initiiert werden, sind die kommunalen Aufgabenträger insbesondere für die Errichtung und Erhaltung der öffentlichen Hochbauten zuständig (vgl. Grabow et al. 2005, S. 10).

5.5.2.1

Grundprinzipien der kommunalen Selbstverwaltung

Dies ist auf das Grundprinzip der kommunalen Selbstverwaltung zurückzuführen, das in Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verfassungsrechtlich gesichert ist. Dort heißt es: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Danach darf sich die Gemeinde um alle Belange kümmern, die einen Bezug zu der örtlichen Gemeinschaft haben, solange keine gesetzlichen Bestimmungen bestehen, die die Aufgaben an andere Verwaltungsträger übertragen (z.B. Hochschule und Krankenhäuser) (vgl. Stern 1981, S. 486). Dieser Gedanke entspricht dem Subsidiaritätsprinzip , nach dem eine öffentliche Aufgabe erst dann an eine höherrangige Verwaltungsebene weitergegeben wird, wenn die zuständige untere Ebene nicht in der Lage ist, die Aufgabe zu erfüllen (vgl. Hanusch/Rauscher 1981, S. 496). Die kommunale Selbstverwaltung spielt auch bei der Übertragung von öffentlichen Aufgaben auf Private eine erhebliche Rolle, da die Grundprinzipien nicht verletzt werden dürfen (vgl. Völmicke 1996, S. 74f.). Nach diesen Grundsätzen liegt es vorrangig im Aufgabenbereich der Kommunen sich um den Immobilienbestand zu kümmern. Denn in den Städten und Gemeinden werden Schulen, Kindergärten, Bibliotheken, Sport- und Freizeitanlagen, Verwaltungsgebäude sowie viele

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

595

weitere Immobilien für öffentliche Dienstleistungen benötigt, während sich der Immobilienbestand auf Bund- und Länderebene vor allem aus Verwaltungs- und Justizgebäuden zusammensetzt (vgl. Kruse 2001, S. 111).

5.5.2.2

Defizite der kommunalen Verwaltungshaushalte

Die Finanzsituation der Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund der großen Anzahl sowie der Heterogenität der Städte und Gemeinden höchst unterschiedlich. Die Disparitäten der Kommunen resultieren vor allem aus ihren unterschiedlichen geographischen, demografischen sowie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen(vgl. Kruse 2001, S. 40). Eine aggregierte Betrachtungsweise vernachlässigt diese kommunalen Unterschiede, ist aber für einen Gesamtüberblick der kommunalen Finanzsituation geeignet. Insbesondere bei der Betrachtung von Zeitreihen gibt sie Aufschluss über die Entwicklung der kommunalen Haushaltsdefizite. In Abbildung 152 ist die Entwicklung der Defizite städtischer Verwaltungshaushalte dargestellt, die aus den Berichten der unmittelbaren Mitgliedsstädte des Deutschen Städtetages zusammengestellt wurde. Besonders in den Jahren 2000 bis 2003 haben die Defizite der Verwaltungshaushalte rasant zugenommen. In 2004 lagen die Defizite nach z.T. noch vorläufigen Umfrageergebnissen wie im Jahr 2003 bei insgesamt 9,1 Mrd. Euro (vgl. Deutscher Städtetag 2005, S. 10f.).

10

Defizite in Mrd. Euro

9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Jahr

Abbildung 152: Defizite städtischer Verwaltungshaushalte (vgl. Deutscher Städtetag 2005, S. 10f.)

Das stagnierende Defizit in 2004 hängt mit unerwartet hohen Steuereinnahmen der kommunalen Haushalte aus der Gewerbesteuer zusammen. Im Vergleich zum Vorjahr sind

596 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte die Gewerbesteuereinnahmen um 35,7% gestiegen, wobei die Einkommenssteuereinnahmen leicht rückläufig waren. Insgesamt haben die kommunalen Einnahmen in 2004 um 2,8% zugenommen, was zu einer Reduzierung des gesamten kommunalen Finanzierungsdefizits vom Rekordniveau des Jahres 2003 auf einen Betrag von 3,8 Mrd. Euro geführt hat. Dafür mussten bei weiter stark wachsenden Ausgaben für soziale Leistungen die kommunalen Investitionen stark reduziert und die Personal- und Sachausgaben eingefroren werden, so dass sie erneut unter dem Vorjahresniveau lagen. Trotz der erhöhten Gewerbesteuereinnahmen ist die Finanzlage der Kommunen weiterhin als äußerst kritisch zu betrachten, nachdem sie sich im Jahr 2003 in ihrer schwersten Finanzkrise befanden. Die erhöhten Einnahmen haben sich nicht in einer Steigerung der Bauinvestitionen niedergeschlagen. Auch im Jahr 2004 wurden die Sachinvestitionen der kommunalen Haushalte, die in Investitionen für Baumaßnahmen und Erwerb von Sachvermögen unterteilt werden, um 8% gemindert. In Abbildung 153 ist die Entwicklung der Sachinvestitionen von 1992 bis 2004 dargestellt. Seit dem Jahr 1992 erleben die Investitionsausgaben in den Kommunalhaushalten einen beispiellosen Verfall. Nach dem Rückgang in 2004 liegen die Investitionsausgaben in den Kommunalhaushalten inzwischen um 13,8 Mrd. Euro oder 41% unter dem Niveau von 1992. Die Investitionen für Baumaßnahmen machen hierbei den wesentlichen Anteil der Sachinvestitionen aus, der konstant bei etwa 80% der Sachinvestitionen liegt (vgl. Deutscher Städtetag 2005, S. 81). Zu beachten ist, dass die Angaben der letzten Jahre die Investitionen zur Beseitigung der Flutschäden aus dem Jahr 2002 um ca. 700 Mio. Euro enthalten. Diese zusätzlichen Investitionen sind in die neuen Bundesländer, insbesondere nach Sachsen und Sachsen-Anhalt, geflossen. Dort ist der Investitionsabbau generell noch höher als in den alten Bundesländern. Auch wenn die positive Gewerbesteuerentwicklung bei einigen Kommunen zu erhöhten Einnahmen geführt hat, wird nicht erwartet, dass sich dies in höheren Investitionen widerspiegelt. Denn in den meisten Städten sind aufgrund ihrer hochgradig defizitären Verwaltungshaushalte keine Investitionen möglich. Das kommunale Haushaltsrecht sieht nämlich vor, dass die Einnahmen zunächst zur Reduzierung ihrer Defizite und zur Tilgung von Schulden genutzt werden. Außerdem soll die Inanspruchnahme von Kassenkrediten reduziert werden, die seit mehreren Jahren für die Finanzierung der laufenden Ausgaben in den Verwaltungshaushalten verwendet wird (vgl. Deutscher Städtetag 2005, S. 19). Auf Seiten der Bauindustrie hat die dynamische Entwicklung des Gewerbesteueraufkommens zu Forderungen nach höheren kommunalen Investitionen geführt (vgl. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie 2005). Die schwierige Finanzsituation der Kommunen gilt auch als ein wichtiger Grund für die Krise in der deutschen Bauindustrie, die zum Teil stark von den Aufträgen der Kommunen abhängig ist.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

597

40

Sachinvestitionen in Mrd. Euro

35

Erwerb v. Sachvermögen Baumaßnahmen

30 25 20 15 10 5 0 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Jahr

Abbildung 153: Sachinvestitionen in den kommunalen Haushalten (Quelle: Deutscher Städtetag 2005: Gemeindefinanzbericht 2005, S. 81)

5.5.2.3

Erheblicher Investitionsbedarf auf kommunaler Ebene

Der stetigen Reduzierung der kommunalen Investitionen steht ein erheblicher Investitionsbedarf gegenüber, der sich aus dem desolaten Zustand vieler öffentlicher Immobilien und dem Bedarf nach Neuinvestitionen ergibt. In einer Studie hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) den Investitionsbedarf für den Zeitraum 2000 bis 2009 geschätzt, der notwendig wäre, um die kommunale Infrastruktur in ausreichender Qualität und Quantität bereitzustellen. Auch wenn die quantitativen Angaben der Studie, die im Jahr 2002 veröffentlicht wurde, aus heutiger Sicht nicht mehr aktuell sind, bilden sie die Situation der kommunalen Haushalte qualitativ gut ab. Die Schätzung bezog sowohl den Bedarf an Sachinvestitionen, d.h. Baumaßnahmen, Erwerb von beweglichen Sachen (Ausrüstungen) sowie den Erwerb von Grundstücken, als auch den Bedarf an Finanzinvestitionen ein. Insgesamt wurde der kommunale Investitionsbedarf für den Zehnjahreszeitraum auf rund 686 Mrd. Euro geschätzt. Untergliedert nach Investitionsarten fällt der größte Bedarf der kommunalen Investitionen bei den Baumaßnahmen an. Sowohl in den alten (68%) als auch in den neuen Bundesländern (78%) erfordern sie den größten Investitionsaufwand (vgl. Reidenbach et al. 2002, S. 336-339). Der kommunale Hochbaubedarf liegt nach der Schätzung der Studie bei 188 Mrd. Euro für den gesamten Zeitraum, wobei der kommunale Wohnungsbau nicht einbezogen wurde. Die Abbildung 154 zeigt, dass die Schulen mit nahezu einem Drittel einen Großteil des Hochbaubedarfs ausmachen. (vgl. Reidenbach 2005, S. 17).

598 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

Energieversorgung 3%

Sonstige 17%

Schulen 32%

Wasser und Umwelt 4% Kultur 7% Sonstige soz. Infrastruktur 7%

Krankenhäuser 7%

Verwaltungsgebäude 11%

Stadterneuerung, Gebäude 12%

Abbildung 154: Kommunaler Hochbaubedarf in Deutschland von 2000 - 2009 (ohne kommunalen Wohnungsbau) (Quelle: In Anlehnung an Reidenbach 2005, S. 17)

Zum Ende des Jahres 2004 hat die Difu eine Zwischenbilanz gezogen und festgestellt, dass die Sachinvestitionen in den Jahren 2000 bis 2004 erheblich unter den notwendigen Investitionen lagen. Die entstandene Investitionslücke kann voraussichtlich auch in den verbleibenden Jahren nicht geschlossen werden, sondern wird sich eher vergrößern (vgl. Reidenbach 2005, S. 16-17). Durch die enorme Minderung der Sachinvestitionen um über 40% seit dem Jahr 1992 ist die Summe der jährlichen Abschreibungen nach den Zahlen der VGR größer als die Summe der jährlichen Investitionen in den Kommunalhaushalten (vgl. Deutscher Städtetag 2005, S. 39). Dies bedeutet, dass der kommunale Kapitalstock langfristig sinkt und die produzierten Vermögensgüter veralten (vgl. Reidenbach 2005, S. 16). Der gesamtwirtschaftliche Schaden, der durch die stark geminderten kommunalen Investitionen entsteht, resultiert vor allem aus der Reduzierung staatlicher Investitionszuweisungen sowie fehlender Eigenmittel der Kommunen. Eine Verbesserung der Situation ist weder kurz- noch langfristig zu erwarten. Nach dem Einsturz einer Eissporthalle im Jahr 2006 mit zahlreichen Toten hat sich die Debatte um die kommunalen Haushaltsdefizite und ihre Folgen weiter verschärft. Es geht mittlerweile nicht mehr nur um bauliche Mängel, sondern um lebenswichtige Sicherheitsaspekte. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Kommunen in der Lage sind, Ihre Gebäude in einem sicheren Zustand zu halten. Kommunale Vertreter warnten, dass vielen öffentlichen Gebäu-

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

599

den die Schließung drohe, wenn Bund und Länder nicht für eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen sorgten (vgl. Euler et al. 2006, S. 1f.).

5.5.3

Public Private Partnership als alternative Investitionsmöglichkeit

Durch die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte und den dringenden Investitionsbedarf wirkt ein zunehmender Druck auf den Staat, der die Diskussion um Verwaltungsmodernisierungen und die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen anregt. Der Staat sucht intensiv nach Rationalisierungs- und alternativen Investitionsmöglichkeiten, um die Investitionen der öffentlichen Haushalte aufrecht zu erhalten und den Investitionsstau abzubauen. Ein möglicher Lösungsansatz wird in der privaten Aufgabenerfüllung mit Einbeziehung privaten Know-hows und privaten Kapitals in Form von Public Private Partnerships (PPP) bzw. Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) gesehen (vgl. Wentz/Bischoff/Gosewehr 2005, S. 843). Public Private Partnership wird als eine langfristig, vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben beschrieben, bei der die erforderlichen Ressourcen in einen gemeinsamen Organisationszusammenhang gestellt werden und Risiken auf die Projektpartner verteilt werden (vgl. BMVBW 2003, S. 2-3). Bei den aktuellen PPP-Projekten sind alle Phasen des Lebenszyklus eingeschlossen, d.h. die Planung, Errichtung sowie die Finanzierung und der Betrieb der Objekte. Durch PPP erhofft sich die öffentliche Hand, Kosteneinsparungen zu erzielen, eine zeitnahe Durchführung der anstehenden Maßnahmen zu erreichen sowie die staatlichen Leistungen auf Kernfunktionen reduzieren zu können. Im öffentlichen Hochbau können PPPs in verschiedensten Bereichen umgesetzt werden. In Tabelle 55 sind verschiedene Anwendungsbereiche aus den Sektoren Bildung, Sicherheit, Gesundheit/Alter, Verwaltung und Freizeit/Kultur aufgeführt. PPP kann zwar nicht die Finanzierungsprobleme der öffentlichen Haushalte lösen, aber wesentlich dazu beitragen, die Projekte effizienter zu gestalten und deren Umsetzung zu beschleunigen (vgl. Deutscher Städtetag 2005, S. 39). Die weitere Entwicklung von PPPs wird daher auch von politischer Seite maßgeblich unterstützt. Nachdem auf Länderebene, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, bereits erfolgreich Kompetenzzentren für die Unterstützung öffentlicher Auftraggeber eingerichtet wurden, werden die PPP-Aktivitäten auf Bundesebene seit Juli 2004 durch die Taskforce des Bundesministeriums für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) gebündelt (vgl. Erdmann 2004). Die Kompetenzzentren haben vor allem die Aufgabe, interessierte Kommunen hinsichtlich PPP zu informieren und zu beraten. Darüber hinaus entwickeln sie Standards, die in Leitfäden veröffentlicht werden, und unterstützen die öffentlichen Auftraggeber mit Know-how und Fördermitteln bei der Umsetzung von PPP-Pilotprojekten (vgl. Weber/Moß/Schwichow 2004, S. 3).

600 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Bildung

Schulen

Hochschulen

Kindergärten

Sicherheit

Gefängnisse

Polizeigebäude

Grenzschutz

Gesundheit/Alter

Krankenhäuser

Seniorenwohnheime

Sanatorien

Verwaltung

Rathäuser

Finanzämter

Justizeinrichtungen

Freizeit/Kultur

Sportstätten

Museen

Theater

Sonstige

Messegelände

Feuerwehrwachen

etc.

Tabelle 55: Anwendungsbereiche für Public Private Partnership im öffentlichen Hochbau (Quelle: In Anlehnung an BMVBW 2003, S. 3)

Die Realisierung von PPP-Projekten wurde auch auf rechtlicher Ebene durch das Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlichen Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften erheblich vereinfacht, so dass es auch als „ÖPP-Beschleunigungsgesetz“ bezeichnet wird (vgl. Fleckenstein 2005, S. 41). Es wurde kurz vor Ende der letzen Legislaturperiode am 30. Juni 2005 im Bundestag verabschiedet und am 8. Juli 2005 vom Bundesrat beschlossen (vgl. Bundesministerium der Justiz 2005). Auch die neue Regierung hält Öffentlich Private Partnerschaften für einen „Erfolg versprechenden Weg, um Defizite bei der Bereitstellung öffentlicher Leistungen zu schließen“ und hat in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen, diesen Weg mit einer Novellierung des Gesetzes fortzusetzen und die verbliebenen Hemmnisse abzubauen (vgl. Koalitionsvertrag 2005, S. 21). Der Blick auf Großbritannien lässt hoffen, dass mit der Einbindung privater Unternehmen erhebliche Effizienzgewinne erreicht werden können. Dort wurde bereits im Jahre 1992 die Private Finance Initiative (PFI) gegründet, um die Kooperation zwischen öffentlicher Hand und privater Wirtschaft zu fördern (vgl. Fox/Tott 2000, S. 15). Der britische Rechnungshof (National Audit Office), der als unabhängige Behörde privatwirtschaftlich realisierte Projekte auf ihre Wirtschaftlichkeit untersucht, hat dabei Effizienzgewinne von ca. 15% festgestellt (vgl. Fox/Tott 2000, S. 3). Wie Tabelle 56 zeigt, konnten auch in Deutschland bei den ersten PPP-Projekten im öffentlichen Hochbau z.T. erhebliche Effizienzvorteile nachgewiesen werden. Die Evaluierung der Wirtschaftlichkeitsvergleiche der Pilotprojekte in Nordrhein-Westfalen zeigte PPPEffizienzvorteile zwischen 6,2% und 15,2% (vgl. Alfen/Daube 2005, S. 45). Bei der Umsetzung zukünftiger Bauvorhaben sollte die Möglichkeit einer alternativen Realisierung des Vorhabens durch PPP daher zumindest geprüft werden. Gegenüber der Einbindung privater Unternehmen bei der öffentlichen Aufgabenerfüllung bestehen in den öffentlichen Verwaltungen jedoch erhebliche Widerstände. Diese Widerstände resultieren vor allem aus der Angst der Behörden, Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten zu verlieren und in die Abhängigkeit der privaten Unternehmen zu geraten. Hierbei spielt der Verlust von Arbeitsplätzen durch die Rationalisierungsmaßnahmen der privaten

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

601

Unternehmen eine besondere Rolle. Auch eine Übernahme des Personals in die Dienste des privaten Unternehmens verursacht i.d.R. Widerstände des Personalrates (vgl. Kruse 2001, S. 4f.). Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsanalyse wird kritisiert, dass die Berechnungen der privaten und öffentlichen Seite aufgrund des kameralistischen Rechnungswesens nur schwer zu vergleichen sind und die Aussagekraft somit eingeschränkt ist. Pilotkommunen in NRW

Art des Projektes

Investitionsvolumen in Mio. Euro

Monheim am Rhein

Neubau und Sanierung von Schulen Neubau einer Sonderschule mit Sporthalle Neubau und Sanierung von Schulen Neubau eines Verwaltungsgebäudes Sanierung und Erweiterung des Kreishauses

24,0

Effizienzvorteil für PPP im Wirtschaftlichkeitsnachweis 15,2 %

15,0

10,3 %

13,0

9,3 %

20,0

13,5 %

20,0

6,2 %

Rhein-Erft-Kreis (Frechen) Witten Gladbeck Unna

Tabelle 56: Nachgewiesene PPP-Effizienzvorteile der Pilotprojekte in Nordrhein-Westfalen (Quelle: In Anlehnung an Alfen/Daube 2005, S. 45)

Um die Nutzung der PPP-Beschaffungsalternative zu verbessern, muss es insbesondere zu einer Standardisierung von Wirtschaftlichkeitsvergleichen, Verträgen, Risikoverteilung sowie der Ausschreibung und Vergabe kommen, um die Transaktionskosten zu senken und die Akzeptanz für PPP zu steigern (vgl. Jacob/Stuhr 2005, S. 23). Die hohen Transaktionskosten bei PPP-Projekten führen dazu, dass PPP-Vorhaben erst ab einem Volumen von 20 Mio. Euro wirtschaftlich und daher für viele kleine Kommunen nicht realisierbar sind (vgl. Reidenbach 2005, S. 18). Um eine aktuelle Bestandsaufnahme von PPP-Projekten in Bund, Ländern und Gemeinden durchzuführen, hat die PPP Taskforce im BMVBW eine Studie beim Deutschen Institut für Urbanistik in Auftrag gegeben. Darin werden unter anderem Aussagen zur Verbreitung, zu Projekttypen, Investitionen, Hemmnissen und Erfolgseinschätzungen bei PPPs gemacht (vgl. Grabow et al. 2005, S. 13). Eine Rücklaufquote von fast 70 Prozent bei einer Befragung von 1.500 Städten und Gemeinden bekräftigt die Repräsentativität der Ergebnisse der Studie (vgl. Grabow et al. 2005, S. 7). In der Studie wurde festgestellt, dass PPP für viele kleine Kommunen aufgrund der mangelnden Durchführbarkeit nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dagegen wird die Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor in den Städten, in denen die Investitionsvolumina der Projekte wesentlich höher sind, häufiger angewandt. Bei PPP-Projekten auf Bund- und Landesebene sind die Investitionen pro Einzelprojekt größer als auf kommunaler Ebene (vgl. Grabow et al. 2005, S. 9). Laut der Studie waren die wesentlichen Ursachen für die Durch-

602 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte führung der PPP-Projekte mögliche Effizienzsteigerungen und die Beschleunigung der Projektumsetzung. Nur von wenigen Befragten werden die zunehmenden Finanzierungsengpässe als Hauptursache für die Anwendung von PPP genannt (vgl. Grabow et al. 2005, S. 10). Insgesamt wurden bei der Befragung mehr als 200 Projekte, die laut der Studie als „PPP im engeren Sinne“ bezeichnet werden können, über Projektsteckbriefe erfasst. Etwa 80% dieser Projekte wurden auf kommunaler Ebene verzeichnet (vgl. Grabow et al. 2005, S. 8). Die sehr hohe Anzahl von identifizierten PPP-Projekten ist auf die weitreichende Definition zurückzuführen. In der Studie wurden unter „PPP im engeren Sinne“ alle Projekte gefasst, die mindestens drei der Lebenszyklusphasen (Planung, Finanzierung, Bau, Betrieb, Verwertung) umfassen (vgl. Grabow et al. 2005, S. 14). Legt man die oben aufgeführte Definition zu Grunde, die PPP als eine langfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit über alle Phasen des Lebenszyklus beschreibt, finden sich nur sehr wenige PPP-Projekte in Deutschland. Danach wurden in den Jahren 2004 und 2005 im öffentlichen Hochbau lediglich bei ca. 15 PPP-Projekten Verträge abgeschlossen. Vorwiegend handelte es sich um den Neubau und die Sanierung von Schulen, bei denen das Investitionsvolumen zwischen 11 und 100 Mio. Euro lag (vgl. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie 2006). Im Bereich der Verkehrsinfrastruktur sind bereits zwei PPP-Tunnelprojekte in Betrieb. Sowohl der Herrentunnel in Lübeck als auch die Warnowquerung in Rostock wurden von privaten Unternehmen errichtet und werden nun über die Mauteinnahmen refinanziert. Darüber hinaus sollen zahlreiche Autobahnteilstücke von privaten Unternehmen ausgebaut und über einen festgelegten Zeitraum betrieben werden (vgl. Weber/Alfen/Maser 2006, S. 50). Die Betrachtung der bisherigen Studien hat gezeigt, dass die zukünftige Entwicklung des PPP-Marktes zwar eingehend positiv bewertet werden kann, quantitative Aussagen jedoch nur eingeschränkt möglich sind. Mit einem Expertenteam hat die HOCHTIEF PPP Solutions GmbH eine Prognose für die zukünftige Entwicklung des PPP-Marktes in Deutschland aufgestellt. Die Betrachtung beschränkte sich auf die wesentlichen Segmente im öffentlichen Hochbau: Schulen, Verwaltung sowie Gesundheit. HOCHTIEF PPP Solutions erwartet nach internen Auswertungen für diese Segmente in Deutschland ein Marktvolumen von insgesamt ca. 25 Milliarden Euro bis zum Jahr 2010. Die Entwicklung des prognostizierten Vertragsvolumens bei PPP-Projekten ist in der Abbildung 155 dargestellt. Nach Einschätzung von HOCHTIEF wird der wesentliche Teil des Marktvolumens weiterhin im Schulbereich liegen, der Gesundheits- und Verwaltungssektor jedoch an Bedeutung gewinnen.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

603

8

Vertragsvolumen in Mrd. Euro

7

6

5

4

3

2

1

0 2006

2007

2008

2009

2010

Jahr

Abbildung 155: Voraussichtliche Entwicklung des Vertragsvolumens bei PPP-Projekten bis 2010 (Quelle: Marktprognose von HOCHTIEF PPP Solutions)

5.5.4

Schlussbetrachtung

Die Betrachtung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und der Gemeindefinanzberichte zeigt seit über zehn Jahren stetig sinkende Immobilieninvestitionen der öffentlichen Haushalte. Die Schere zwischen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung hat zur Akkumulation riesiger Defizite in den Verwaltungshaushalten geführt, die den Handlungsspielraum des Staates erheblich einschränken. Insbesondere bei den kommunalen Aufgabenträgern, die für die Errichtung und Erhaltung der Mehrheit der öffentlichen Immobilien in Deutschland zuständig sind, wurden die Investitionen drastisch reduziert und liegen bei nur noch bei der Hälfte der Ausgaben von 1992. Aufgrund der sinkenden Investitionen ist ein erheblicher Investitionsbedarf bei Schulen, Krankenhäusern, Verwaltungsgebäuden und anderen öffentlichen Immobilien entstanden, der mit den beschränkten Mitteln aus den hochgradig defizitären Verwaltungshaushalten nicht abgebaut werden kann. Als alternative Realisierungsmöglichkeit zur Behebung des Investitionsstaus im öffentlichen Hochbau wird die Zusammenarbeit mit privaten Partnern in Form von Public Private Partnerships (PPP) bzw. Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) betrachtet. Das Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung hat im März 2006 angekündigt, dass der

604 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Anteil von PPP-Projekten an den öffentlichen Investitionen in Deutschland auf das Niveau anderer Industrieländer erhöht werden soll. Während der Anteil in Deutschland noch bei ca. vier Prozent liegt, weist er in anderen Ländern bereits eine Quote von 15 Prozent auf (vgl. BMVBS 2006). Auch wenn sich die Einnahmen des Staates in den letzten beiden Jahren durch erhöhte Steuereinnahmen verbessert haben, wird es für die defizitären öffentlichen Haushalte weiterhin von elementarer Bedeutung sein, Optimierungspotenziale bei der öffentlichen Beschaffung zu identifizieren und die Ausgaben des Staates zu reduzieren. Durch die Umsetzung von PPP-Projekten können Effizienzgewinne gegenüber der konventionellen Beschaffungsvariante generiert, die Investitionskosten gesenkt und die öffentlichen Haushalte nachhaltig entlastet werden. Aus diesem Grund wird in Zukunft mit einer vermehrten Anwendung von Public Private Partnerships zu rechnen sein.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

605

Literaturverzeichnis zu Kapitel 5.5 Alfen, Hans Wilhelm / Daube, Dirk: Evaluierung der Wirtschaftlichkeitsvergleiche der ersten PPP-Pilotprojekte im öffentlichen Hochbau in NRW, Leitfaden im Auftrag der PPPTask Force des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2005. Arndt, Hans-Wolfgang / Rudolf, Walter: Öffentliches Recht, 8. Aufl. München 1991, S. 37. Boll, Philip: Investitionen in Public Private Partnership Projekte. In: Schulte, K.-W./BoneWinkel, S. (Hrsg.): Schriften zur Immobilienökonomie, Band 43, Köln 2007. Bone-Winkel, Stephan / Schulte, Karl-Werner / Focke, Christian: Begriff und Besonderheiten der Immobilie als Wirtschaftsgut, in Schulte, Karl-Werner (Hrsg.): Immobilienökonomie, Band I, Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 3. Aufl., München 2005, S. 3-25. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.): Bundesgesetzblatt zum Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr. 56, Bonn 2005. BMVBW - Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.): Gutachten PPP im öffentlichen Hochbau. Ergebnisse und Einschätzungen, Berlin 2003. BMVBS - Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung: Bundesregierung will PPP-Quote steigern, Pressemitteilung Nr. 069/2006 vom 7. März 2006, Berlin 2006. Deutscher Städtetag (Hrsg.): Gemeindefinanzbericht 2005, in: Der Städtetag. Zeitschrift für kommunale Politik und Praxis, 58. Jahrgang, Heft 5/2005, Berlin 2005. Ecke, Christian: Strategisches Immobilienmanagement der öffentlichen Hand. Empirische Untersuchungen und Handlungsempfehlungen, in: Schulte, Karl-Werner (Hrsg.): Schriften zur Immobilienökonomie, Band 27, Köln 2004. Erdmann, Bettina: Privates Geld für öffentliche Bauten. Deutschland hat bei PPP-Projekten noch ganz erheblichen Nachholbedarf, in: Die Welt, 22. September 2004. Euler, Ralf et. al.: Marode Gebäude, marode Finanzen. Die Kommunen klagen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Januar 2006. Fleckenstein, Martin: Vorfahrt für Partnerschaftsmodelle. PPP-Beschleunigungsgesetz tritt in Kraft, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Juli 2005. Fox, Tott / Tott, Nicholas: The PFI Handbook, Bristol 2000. Grabow, Busso et al.: Public Private Partnership Projekte. Eine aktuelle Bestandsaufnahme in Bund, Ländern und Kommunen, Berlin 2005.

606 5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Fassung vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2863). Hanusch, Horst / Rauscher, Gerhard: Gemeinden II: Kommunale Wirtschafts- und Sozialpolitik, in: Albers, Willi u.a.: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Band 3, Stuttgart/New York 1981. Hauptverband der deutschen Bauindustrie (Hrsg.): Bauindustrie kritisiert kommunale Investitionszurückhaltung, Pressemitteilung vom 15. Dezember 2005, Berlin 2005. Hauptverband der deutschen Bauindustrie (Hrsg.): Public Private Partnership im öffentlichen Hochbau - Eine Idee wird Realität. Eine Übersicht über die ersten Projekte in Deutschland, Berlin 2006. Hesse, Joachim Jens: Kommunalorganisation, in: Freese, Erich (Hrsg.): Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl., Stuttgart 1992. HOCHTIEF PPP Solutions GmbH (Hrsg.): PPP-Marktprognose, Essen 2006. Jacob, Dieter / Stuhr, Constanze: Wirtschaftlichkeit bei Public Private Partnership am Beispiel Schulen. Eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg, Freiberg 2005. Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005: Gemeinsam für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit, Berlin 2005. Kruse, Olaf: Public Private Partnership in der kommunalen Gebäudewirtschaft. Alternative Wege der Zusammenarbeit zwischen Kommunen und privaten Unternehmen im Bereich immobilienwirtschaftlicher Leistungen, Dissertation, Tectum Verlag, Marburg 2001. Reidenbach, Michael: Der kommunale Investitionsbedarf in Deutschland. Eine Schätzung für die Jahre 2000 bis 2009, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Difu-Beiträge zur Stadtforschung, Band 35, Berlin 2002. Reidenbach, Michael et al.: PPP als Lösung der kommunalen Investitionskrise?, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Difu-Berichte 1/2 , Berlin 2005, S. 16-18. Rußig, Volker: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft, in Schulte, Karl-Werner (Hrsg.): Zeitschrift für Immobilienökonomie, Sonderausgabe 2005, Norderstedt 2005. Schoch, Friedrich/Wieland, Joachim: Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlasste kommunale Aufgaben, Baden-Baden 1995, S. 53. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Grundlagen, Fachserie 18, Reihe S. 22, Volkswirtschaftliche Grundlagen, Inlandsprodukt nach ESVG 1995 - Methoden und Grundlagen, Wiesbaden 2005a. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Grundlagen, Fachserie 18, Reihe S. 26, Inlandsproduktberechnung - Revidierte Jahresergebnisse, 1991 bis 2004, Wiesbaden 2005b.

5 Öffentliche Hand und Immobilienmärkte

607

Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Grundlagen, Investitionen, Beiheft 2, 2. Vierteljahr 2005, Wiesbaden 2005c. Stern, Klaus: Gemeinden I: Rechtsstellung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Albers, Willi u.a. (Hrsg.): Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Band 3, Stuttgart/New York 1981. Thürer, Daniel: Bund und Gemeinden, Berlin u.a. 1986. Völmicke, Christine: Privatisierung öffentlicher Leistungen in Deutschland, Frankfurt am Main u.a. 1996. Weber, Barbara / Alfen, Hans-Wilhelm / Maser, Stefan: Projektfinanzierung und PPP, Köln 2006. Weber, Martin / Moß, Oliver / Schwichow, Heike: Finanzierungsleitfaden Public Private Partnership im Hochbau, Finanzierungsleitfaden im Auftrag der PPP-Task Force des Landes Nordrhein-Westfahlen, Düsseldorf 2004. Wentz, Martin / Bischoff, Thorsten / Gosewehr, Dörte: Stadtentwicklung durch Public Private Partnership, in: Schulte, Karl-Werner (Hrsg.): Immobilienökonomie, Band 3, Stadtplanerische Grundlagen, 1. Auflage, München 2005, S. 818-848.

6

Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen Hansjörg Bach, Markus Mändle

6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3

Immobilienwirtschaft und Verbände..............................................................610 Entwicklung und Bedeutung der immobilienwirtschaftlichen Verbände.......610 Begriff und Abgrenzung der immobilienwirtschaftlichen Verbände.............611 Arten der Wirtschaftsverbände ......................................................................612

6.2.1 6.2.2

Organisationsfähigkeit von Verbänden..........................................................613 Vorteile und Kosten der Kooperation in Verbänden......................................614 Kollektivgutprobleme von Verbänden und mögliche Lösungsansätze ..........616

6.3.1 6.3.1.1 6.3.1.2 6.3.1.3 6.3.2 6.3.2.1 6.3.2.2 6.3.3

Immobilienwirtschaftliche Verbände im Überblick.......................................618 Immobilienwirtschaftliche Marktverbände....................................................618 Wohnungsgenossenschaften ..........................................................................618 Unternehmenskooperationen .........................................................................619 Kartelle ..........................................................................................................620 Immobilienwirtschaftliche Einflussverbände.................................................621 Unternehmens- und Berufsverbände..............................................................621 Verbraucherverbände.....................................................................................645 Immobilienwirtschaftlich relevante Verbände mit Doppelfunktion...............647

6.2

6.3

6.4 Ausblick: Die Zukunft des immobilienwirtschaftlichen Verbandswesens.....647 Literaturverzeichnis zu Kapitel 6 .........................................................................................650

610 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

6.1

Immobilienwirtschaft und Verbände

6.1.1

Entwicklung und Bedeutung der immobilienwirtschaftlichen Verbände

Jedes immobilienwirtschaftliche Handeln vollzieht sich im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Ordnung. Diese organisiert das ökonomische Geschehen nach bestimmten Regeln und Gesetzen. Seit dem 19. Jahrhundert ist die Wirtschaftsordnung in Deutschland überwiegend marktwirtschaftlich geprägt (in den unterschiedlichsten Ausprägungen und mit zahlreichen bekannten Ausnahmen). Der im 19. Jahrhundert praktizierte ökonomische Liberalismus ging im Sinne von Adam Smith davon aus, dass eine konsequente Verfolgung des Eigeninteresses gleichzeitig auch dem Gemeinwohl der Menschen dienlich sei. Im marktwirtschaftlichen System sorgt die „invisible hand“ des Marktes automatisch für einen Ausgleich divergierender Interessen und schafft einen Zustand maximaler Effizienz und optimaler Bedürfnisbefriedigung. Dies sollte prinzipiell auch für den im 19. Jahrhundert noch weitgehend unregulierten und embryonalen Immobilienmarkt gelten. Doch die tatsächliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Zeit verlief anders. Die erwartete gesellschaftliche Harmonie stellte sich nicht ohne weiteres ein. Vielmehr wurde der Prozess der Industrialisierung von tiefgreifenden Krisen begleitet. Die Kluft zwischen einzelnen sozialen Gruppen sowie die wirtschaftliche Abhängigkeit bestimmter Bevölkerungskreise (Arbeiter, Handwerker, Landwirte) nahm deutlich zu. Besonders betroffen waren die Menschen, die aus wirtschaftlicher Not aus ländlichen Regionen in die städtischen Ballungszentren drängten. Dadurch gab es auf den lokalen Wohnungs- und Immobilienmärkten erhebliche Ungleichgewichte und enorme soziale Spannungen und Ungerechtigkeiten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen die auf diese Weise Benachteiligten, sich ihrer besonderen Situation bewusst zu werden. So kam es bereits in den 1860er-Jahren zur Gründung erster Markt- und Einflussverbände, insbesondere auf der marktschwachen Nachfragerseite. Ein bekanntes Beispiel ist hier die Gründung der ersten Wohnungsgenossenschaften, um der damals weit verbreiteten Wohnungsnot entgegenzutreten. Durch die Zusammenfassung gemeinsamer Interessen immobilienwirtschaftlich handelnder Individuen zu einem Wirtschaftsverband wurde es – wenn auch zunächst schwach und langsam beginnend – möglich, Gruppeninteressen wahrzunehmen. Inzwischen gestaltet sich das immobilienwirtschaftliche Verbandswesen außerordentlich bedeutsam und vielseitig. Ganz ohne Zweifel ist das Verbandswesen heute ein wesensprägendes Merkmal der Immobilienwirtschaft in Deutschland. Die marktwirtschaftliche Ordnung wurde durch das Entstehen der Wirtschaftsverbände wesensmäßig verändert. Josua Werner formuliert dies im Handwörterbuch der Sozialwissenschaften folgendermaßen: „Dabei besteht das Charakteristische der ganzen Entwicklung darin, dass an die Stelle einer aus einer Vielheit von isolierten Wirtschaftseinheiten bestehenden Wirtschaftsgesellschaft klassischer Observanz die Form einer Marktwirtschaft tritt, die maßgeblich durch den Zusammenschluss der Wirtschaftssubjekte zu Interessengruppen

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

611

geprägt ist.“ (Werner 1965, S. 281). In dieser durch die Tätigkeit der Verbände entscheidend mitbestimmten neuen Form der Marktwirtschaft werden die wirtschaftlichen Entscheidungen gerade auf den Wohnungs- und Immobilienmärkten nicht mehr ausschließlich von den Individuen selbst getroffen, sondern auch von den zu Gruppen vereinigten Wirtschaftsverbänden. Das Kräftespiel zwischen den Immobilienverbänden einerseits (z.B. Mieterbund, Haus- und Grundbesitzerverein) sowie den Verbänden und dem Staat andererseits (Einflussnahme auf wohnungspolitische Entscheidungen) bestimmt einen Großteil der Ereignisse in der Immobilienwirtschaft. An Stelle der Selbstregulierung des Wirtschaftssystems nach altliberaler Vorstellung ist in starkem Umfang die Auseinandersetzung zwischen Interessenorganisationen getreten. Die Berechtigung der Wirtschaftsverbände in einer marktwirtschaftlich-demokratischen Gesell-schaft wird immer wieder in Frage gestellt. Da sie von der Öffentlichkeit zumeist nicht zu kontrollieren sind, ihre Vertreter aber indirekt die Entscheidungen der staatlichen und politischen Organe mitbestimmen, werden sie nicht selten als Fremdkörper in Wirtschaft und Gesellschaft angesehen. Diese Einstufung gipfelt in der bekannten These Theodor Eschenburgs von der „Herrschaft der Verbände“ (Eschenburg 1955). Sicher sind gerade auch die Verbände in der Immobilienwirtschaft ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass innerhalb der Vielfalt der Verbände häufig eine Gruppe die andere kontrolliert und dadurch ihren Einfluss begrenzt. Weiterhin ist festzustellen, dass in unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft eine Interessensvertretung durchaus legitim ist (Koalitionsfreiheit), da der einzelne seine Interessen nicht immer isoliert durchsetzen kann. Gerd von Eynern betont die Notwendigkeit der Verbände in der Marktwirtschaft bzw. in der modernen Demokratie auch aus anderen Gesichtspunkten: „Denn erstens ist wohl nur durch Verbände zu erreichen, dass die Staatsorgane ihre Maßnahmen wirklichkeitsnah gestalten. Zweitens können die Verbände die staatlichen Maßnahmen gegenüber den Betroffenen, den Interessenten, in vernünftiger Weise interpretieren.“ (Eynern 1968, S. 167). Selbstverständlich findet die Tätigkeit der Verbände dort ihre Grenzen, wo sie die Gesamtinteressen der Gesellschaft beeinträchtigen. Zudem lassen sich in der Realität – wie wir im Folgenden in Abschnitt 6.2 sehen werden – nicht alle Interessen gleich erfolgreich organisieren. Von einem allgemeinen „Gleichgewicht der Verbände“, in dem alle Interessen ausgewogen vertreten und in der Politik berücksichtigt werden, ist daher nicht auszugehen.

6.1.2

Begriff und Abgrenzung der immobilienwirtschaftlichen Verbände

Immobilienwirtschaftliche Verbände zählen zu den Wirtschaftsverbänden. Wirtschaftsverbände setzen ihre ökonomischen Ziele entweder direkt am Markt durch (Marktverbände) oder verfügen über wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht, um auf die Beschlüsse von Entscheidungsträgern Einfluss zu nehmen (Einflussverbände). Im Einzelnen werden Wirtschaftsverbände durch folgende Merkmale charakterisiert (Werner 1965, S. 281 f. und Mändle o.J., S. 45 f.):

612 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen •

Wirtschaftsverbände sind Vereinigungen von Wirtschaftssubjekten, die als Produzenten oder Konsumenten auf verschiedenen Gebieten Wirtschaftspläne aufstellen können.



Durch die Kooperation der Wirtschaftssubjekte wird ein ökonomischer Nutzen – häufig in Form einer Erhöhung des individuellen Realeinkommens – angestrebt. Dabei kann auch eine Erhöhung des sozialen Status der Verbandsmitglieder eine Rolle spielen. Entscheidend für die Abgrenzung der Wirtschaftsverbände von anderen Verbandsorganisationen ist jedoch ihre primäre Ausrichtung auf ökonomische Ziele. So verfügt ein Sportverband ohne Zweifel auch über gesellschaftliche und wirtschaftliche Macht. Seine Hauptfunktion liegt aber nicht im wirtschaftlichen, sondern im kulturellen Zweck. Gleichwohl ist die Abgrenzung in vielen Fällen fließend.



In rechtlicher Hinsicht ist ein Wirtschaftsverband eine auf Dauer angelegte Vereinigung von natürlichen und/oder juristischen Personen. Der Verband hat eine Satzung, in der Zweck und Struktur des Verbandes sowie die Form der Willensbildung und Entscheidungsfindung festgelegt sind. Eine nur kurzfristig oder einmalig durchgeführte Kooperation von Wirtschaftssubjekten zur Erreichung eines bestimmten wirtschaftlichen Zieles (z.B. eine Demonstration gegen eine staatliche Maßnahme) begründet noch nicht den Charakter eines Wirtschaftsverbandes.



Ein wesensprägendes Merkmal der Wirtschaftsverbände ist außerdem die autonome Willensbildung. Dies bedeutet, dass der entscheidende Einfluss auf die Tätigkeit der Verbände von ihren Verbandsmitgliedern oder Funktionären selbst ausgeht, und nicht von außen her – etwa vom Staat – in die Verbandstätigkeit hineingetragen wird. Die Autonomie der Willensbildung der Verbände ist ein wichtiges Wesensmerkmal einer freiheitlich verfassten demokratischen Gesellschaft.

6.1.3

Arten der Wirtschaftsverbände

Wirtschaftsverbände, zu denen auch die Verbände der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft zählen, sind außerordentlich vielgestaltig. Sie lassen sich daher auch auf vielfältige Weise einteilen und strukturieren. Differenziert man Wirtschaftsverbände nach der Art und Weise ihrer verbandspolitischen Aktivität, lassen sich folgende Arten von Wirtschaftsverbänden unterscheiden (vgl. Abbildung 156).

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

613

Abbildung 156: Arten der Wirtschaftsverbände, Quelle: in Anlehnung an Mändle o.J., S. 46

Wirtschaftsverbände können zunächst als Marktverbände in Erscheinung treten. Diese wollen durch die Erringung und Ausübung von Marktmacht die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen der ihnen angeschlossenen Wirtschaftssubjekte unmittelbar am Markt verbessern. Durch die institutionalisierte Zusammenfassung der isolierten Marktkräfte der Anbieter oder Nachfrager erfolgt eine Besserstellung bezüglich der Beschaffungs- bzw. Absatzpreise sowie der sonstigen Marktbedingungen. Zu den Marktverbänden gehören Genossenschaften, Unternehmenskooperationen und Kartelle. Im Vergleich zu den Wirtschaftlichen Einflussverbänden nehmen Marktverbände eine unmittelbare Erwerbstätigkeit wahr. Einflussverbände, auch Interessengruppen (pressure groups) genannt, versuchen hingegen durch den Einsatz von gesellschaftlicher Macht die Beschlüsse politischer Entscheidungsträger (Regierung, Staatsverwaltung, Parteien etc.) und die Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu beeinflussen. Zu den Wirtschaftlichen Einflussverbänden zählen Unternehmensverbände, Berufsverbände, Verbraucherverbände sowie kommunale Verbände. Funktionen von Markt- und Einflussverbänden nehmen Wirtschaftsverbände mit Doppelfunktion wahr. Dies sind zum einen die Arbeitsmarktverbände, also die Tarifpartner. Zum anderen können auch die Kammern als Verbände mit Doppelfunktion eingestuft werden.

6.2

Organisationsfähigkeit von Verbänden

Betrachtet man die Vielfalt und Vielgestaltigkeit des immobilienwirtschaftlichen Verbandswesens, so fragt man sich, warum es manche Gruppen schaffen, sich als Verband erfolgreich zu organisieren und andere wiederum nicht. Daher wollen wir in diesem Abschnitt der Frage

614 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen nachgehen, welche Organisationsmöglichkeiten – aber auch welche Organisationsprobleme – Wirtschaftsverbände haben können und welche Arten von Verbänden gute bzw. weniger gute Organisations- und Einflusschancen haben.

6.2.1

Vorteile und Kosten der Kooperation in Verbänden

Die Bildung eines Wirtschaftsverbandes ist ökonomisch nur dann sinnvoll, wenn die dabei entstehenden Kooperationsvorteile für die Mitglieder die Kosten des kooperativen Verhaltens übersteigen. Der durch den Verband erzeugte Kooperationsvorteil ergibt sich aus der Differenz der Nutzenniveaus aller Verbandsmitglieder mit und ohne Verbandsaktivität. Dies gilt, diskontiert auf den Gegenwartszeitpunkt, für alle relevanten zukünftigen Perioden, in denen der Verband wirtschaftliche Aktivität entfaltet. Die Vorteile der Kooperation für die Mitglieder können sich auf eine unmittelbare Besserstellung am Markt (Marktverbände), eine generelle Interessenvertretung (Wirtschaftliche Einflussverbände) oder auch auf beides beziehen (Wirtschaftsverbände mit Doppelfunktion). Diese ökonomischen Kooperationserträge dürften, wie in der allgemeinen Kooperationstheorie angenommen, auch bei Verbänden in der Regel mit abnehmendem Ertragszuwachs ansteigen. Verantwortlich hierfür sind Größenvorteile, die sich aus der Leistungserstellung oder aus der veränderten Marktposition ergeben und sich mit zunehmender Mitgliederzahl bzw. Verbandsaktivität abschwächen. Bezüglich der Kosten des kooperativen Verhaltens lassen sich generell Konsensfindungs-, Kompromiss-, Organisations- und Informationskosten unterscheiden (Grosskopf 1986, S. 87). In Verbänden entstehen Konsensfindungskosten durch die in der Kooperation notwendigen Verhandlungsprozesse. Trotz des sachlichen und zeitlichen Aufwands für den Einigungsprozess lässt es sich aus individueller Sicht nicht immer erreichen, dass die eigene Interessenlage mit der gemeinschaftlichen Lösung übereinstimmt. In diesem Fall entsteht dem überstimmten Mitglied ein Wohlfahrtsverlust (residual loss), den man ökonomisch als Kompromisskosten interpretieren kann. Letztlich entstehen durch die Kooperation noch Organisations- und Informationskosten. Diese Kosten der internen Organisation haben zum Teil als Einrichtungskosten des Verbandes Fixkostencharakter (setup-Kosten). Sie sind aber auch von der Zahl der Mitglieder und der inneren Struktur des Verbandes abhängig. So ist für die Kooperationskosten insgesamt anzunehmen, dass sie mit der Größe der Mitgliedergruppe bzw. mit zunehmender Verbandsaktivität ansteigen. Insbesondere große Gruppen, wie die der Mieter oder Hausbesitzer, haben einen höheren Organisationsaufwand als kleinere Gruppen, etwa einer speziellen Branche (z.B. Makler oder Architekten). Die Organisation kollektiver Handlungsfähigkeit wird zudem häufig noch dadurch erschwert, dass große Gruppen oft heterogener sind als kleine Gruppen. Ob es eine Gruppe schafft, sich erfolgreich als Verband zu organisieren, zeigt sich in der Gesamtschau sämtlicher Nutzen und Kosten der Kooperation. Graphisch lässt sich dieser Sachverhalt wie folgt illustrieren:

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

615

Abbildung 157: Vorteile und Kosten der Kooperation bei Verbänden, Quelle: in Anlehnung an Kruse 1996, S. 104

Die Abbildung 157 zeigt auf der Abszisse die Kosten und auf der Ordinate die Vorteile der Kooperation. Nehmen wir an, die Achsen seien in gleicher Weise skaliert, so repräsentiert die Winkelhalbierende die Gleichheit von Vorteilen und Kosten. Oberhalb der 45°-Linie, also z.B. im Punkt B, ist die Kooperation somit vorteilhaft (positiver Nettonutzen), unterhalb der Linie wäre die Bildung eines Verbandes ökonomisch nicht sinnvoll (negativer Nettonutzen). Geht man davon aus, die Wirtschaftsverbände würden verschiedene Aktivitätsniveaus in Erwägung ziehen, wobei sich jeweils Vorteile und Kosten mit steigendem Aktivitätsniveau erhöhen, so lässt sich der „Vorteils-Kosten-Pfad“ der Kooperation durch verschiedene Vorteils-Kosten-Kurven (VKi) veranschaulichen. Repräsentiert etwa die Kurve VK1 den Vorteils-Kosten-Pfad, so lohnt sich die Bildung eines Verbandes in keinem Fall. Bei der Kurve VK3 hingegen lohnt sich die Bildung eines Verbandes unter allen Umständen. Betrachten wir schließlich den Verlauf VK2. Dieser erscheint für viele Verbände plausibel (Einrichtungskosten, abnehmende Grenzerträge sowie ansteigende Kooperationskosten). Als Folge der setupKosten muss hier erst ein Schwellenwert A erreicht werden, bevor sich die Bildung eines Verbandes lohnt. Bei weiter steigender Verbandsaktivität erhöht sich der Nettonutzen. Beim Punkt B schließlich entsprechen die marginalen Vorteile den marginalen Kosten. Eine noch stärkere Aktivität des Verbandes wäre also nicht lohnend.

616 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

6.2.2

Kollektivgutprobleme von Verbänden und mögliche Lösungsansätze

Bislang wurden die Nutzen und Kosten der Kooperation unter Vernachlässigung des Kollektivgutaspektes betrachtet. Dieser ist jedoch für die Frage der Organisationsfähigkeit von Verbänden ebenfalls von großer Bedeutung. Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass Güter, aus deren Bereitstellung alle einen Nutzen ziehen, auch problemlos von allen erstellt bzw. finanziert werden. Doch dies ist bei Kollektivgütern, die nicht dem Ausschlussprinzip unterworfen sind, nicht der Fall. Bekannte Beispiele für derartige Kollektivgüter sind rein öffentliche Güter, wie etwa die innere und äußere Sicherheit. Einmal bereitgestellt (niedrige Kriminalitätsrate, funktionierende Landesverteidigung), kann niemand vom Konsum dieser Güter ausgeschlossen werden. Es liegt daher im Interesse des Einzelnen, als Trittbrettfahrer (free rider) kostenlos seinen Nutzen aus den von anderen erstellten Kollektivgütern zu ziehen. Wer als erster seine Präferenzen für das Kollektivgut offenbart, verliert. Er kommt auf eine niedrigere Indifferenzkurve (d.h. auf ein niedrigeres Nutzenniveau) als derjenige, der sich als free rider verhält. Wenn aber alle Individuen die Logik der Kollektivgüter durchschauen, wartet jeder, dass die anderen ihre Präferenzen offenbaren. „Was alle wünschen, geschieht nicht, bzw. was keiner will, wird durch alle verursacht.“ (Kirsch 2004, S. 170). Das Kollektivgutproblem führt auf diese Weise zu einer ineffizienten Allokation, also zum Marktversagen. Kollektivgüter sind aber nicht nur rein öffentliche Güter. Auch viele der von immobilienwirtschaftlichen Verbänden erzeugten Leistungen haben Kollektivgutcharakter. So trugen z.B. im 19. Jahrhundert Wohnungsgenossenschaften als Marktverbände durch ihre wirtschaftliche Betätigung maßgeblich zur Intensivierung des Wettbewerbs auf den damals noch rudimentären lokalen Wohnungsmärkten bei. Von dem dadurch verringerten allgemeinen Preisniveau profitierten als free rider auch diejenigen Wohnungsnachfrager, die sich nicht in der Genossenschaft engagierten. Sehr offensichtlich ist der Kollektivgutaspekt bei den wirtschaftlichen Einflussverbänden. So profitiert auch derjenige Mieter bzw. Hausbesitzer von den Aktivitäten des Deutschen Mieterbundes bzw. des Haus- und Grundbesitzervereins, der nicht Mitglied dieser Verbände ist. Auch die Wirtschaftsverbände mit Doppelfunktion erzeugen Kollektivgüter. Setzt etwa eine Gewerkschaft einen für sie vorteilhaften Tarifabschluss durch, profitieren hiervon auch Beschäftigte im Geltungsbereich des Tarifvertrages, die nicht Gewerkschaftsmitglied sind. Führt also ein Wirtschaftsverband eine Maßnahme erfolgreich durch, haben alle Mitglieder des Verbandes (und eventuell auch Nichtmitglieder) davon einen individuellen Vorteil, der nicht davon abhängt, dass sich der Einzelne an der Finanzierung des Verbandes beteiligt. Da Wirtschaftsverbände (abgesehen von denen mit Zwangsmitgliedschaft) in der Regel nicht die Möglichkeit haben, das Kollektivgut wie der Staat über Zwangsbeiträge (Steuern) zu finanzieren, sind sie auf freiwillige Finanzierungsbeiträge ihrer Mitglieder angewiesen. Ob sich ein Verband auf diese Weise angemessen finanzieren kann, wird entscheidend durch die Gruppengröße beeinflusst (Olson 1968). Bei kleinen Gruppen stehen die einzelnen Mitglieder miteinander in Interaktion und jeder geht davon aus, dass sein Beitrag für den Gruppen-

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

617

erfolg relevant ist. Das Verbandsmitglied hat keine marginale, sondern eine strategische Position und unterliegt darüber hinaus einer gewissen sozialen Kontrolle. Bei großen Gruppen hingegen ist der Einfluss des Einzelnen nicht strategisch, sondern marginal. Die Menge des erzeugten Kollektivgutes und das Budget werden kaum davon beeinflusst, ob ein Einzelner seinen Beitrag leistet oder nicht. Daher besteht bei großen Gruppen die Gefahr, dass die Organisation, das Budget und der realisierbare Einfluss – in Relation zur gesellschaftlichen Relevanz der Gruppe – klein bleiben. Da bei großen Gruppen zudem höhere Kosten für die interne Organisation anfallen, verstärkt sich deren Nachteil. In Bezug auf Abbildung 2 können wir somit erwarten, dass kleine Gruppen (z.B. Branchenverbände) sich in der Nähe des Optimalpunktes B befinden, während große Gruppen (wie z.B. die Gesamtheit der Wohnungsnachfrager) schon Mühe haben, den Schwellenwert A zu erreichen. Bleibt das Aktivitätsniveau der Gruppe darunter, gelingt es den Betroffenen nicht, ihre Interessen in einem Wirtschaftsverband zu organisieren. Hinzu kommt, dass in kleinen Gruppen, deren Mitglieder unterschiedliche Bedürfnisintensitäten haben, sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Gruppenmitglied das Kollektivgut im Alleingang bereitstellen wird. In großen Gruppen, in denen das Bedürfnis häufig von allen etwa gleich empfunden wird, ist dies hingegen wenig wahrscheinlich. Kleine Gruppen lassen sich also grundsätzlich sehr viel wirksamer in Verbänden organisieren als große. Dennoch kann nicht übersehen werden, dass es immobilienwirtschaftliche Verbände gibt, die der Befriedigung von Bedürfnissen dienen, welche viele Individuen gemeinsam haben (wie z.B. Wohnungsgenossenschaften, Mieterbund, Haus und Grund). Diese Wirtschaftsverbände sind unter anderem deshalb attraktiv, weil sie ihren Mitgliedern auch Leistungen bzw. Güter zur Verfügung stellen, für die das Ausschlussprinzip gilt. Durch derartige selektive Anreize wird das Kollektivgut gewissermaßen mit einem privaten Gut verknüpft, das nur ein Mitglied exklusiv nutzen kann („members only“). Im Fall der Wohnungsgenossenschaften können derartige selektive Anreize beispielsweise günstige Mietpreise, Dauernutzungsrechte, Dividenden oder auch der Bezug einer Mitgliederzeitung sein. Der Mieterbund bzw. der Hausund Grundbesitzerverein bieten ihren Mitgliedern unter anderem Beratungsleistungen und Rechtsbeistand. Es ist jedoch davon auszugehen, dass vor allem Verbände mit hoher Interessenkonzentration wie Branchenverbände gute Möglichkeiten haben, selektive Anreize zu bieten. Dies beruht auf branchenspezifischen Informationen, einer differenzierten Ansprachemöglichkeit der Verbandsmitglieder sowie einer genauen Kenntnis ihrer Bedürfnisse. Die Frage der Organisationsfähigkeit von Verbänden hat schließlich auch etwas mit der Dauerhaftigkeit der Interessen zu tun. Ein nur vorübergehendes Interesse erlaubt es aus Zeit- und Geldmangel gewöhnlich nicht, wirkungsvolle Verbandsstrukturen aufzubauen. Ein Wirtschaftsverband erreicht daher in der Regel die Schwelle der Organisationsfähigkeit A nur dann, wenn die zugrundeliegenden Interessen relativ dauerhaft sind. Hat sich ein Wirtschaftsverband jedoch einmal erfolgreich organisiert, ist er relativ stabil und bleibt meist lange bestehen. Ein Verband braucht eine gewisse Zeit, um wirksam Einfluss ausüben zu können. Dann allerdings können die Organisationsvorteile eine Eigendynamik gewinnen, in deren Folge sich das Aktivitätsniveau und der Erfolg gegenseitig bedingen. Diese Interdependenz von Organisiertheit und Erfolg führt dazu, dass Verbände oft dann noch einflussreich sind, wenn der ursprüngliche Anlass für die Gründung bereits weniger relevant geworden ist. (So sind z.B. Wohnungsgenossenschaften auch heute noch wirtschaftlich erfolgreich,

618 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen obwohl die drängende Wohnungsnot, die Anlass für die Gründung vieler Wohnungsgenossenschaften war, heute nicht mehr besteht.) Die Stabilität bestehender Wirtschaftsverbände wird nicht zuletzt dadurch verstärkt, dass die dort tätigen Personen ein Interesse am Fortbestand ihrer Institution haben (institutioneller Sperrklinkeneffekt). Aufbau und Zerfall von Verbänden verlaufen also vielfach asymmetrisch.

6.3

Immobilienwirtschaftliche Verbände im Überblick

Nach der Darstellung der Entwicklung, der Bedeutung und des Begriffs der immobilienwirtschaftlichen Verbände sowie der Arten der Wirtschaftsverbände (Abschnitt 6.1) und der Untersuchung der Frage, wie sich Verbandsinteressen prinzipiell organisieren lassen (Abschnitt 6.2), soll im Folgenden ein Überblick über die wichtigsten immobilienwirtschaftlichen Verbände gegeben werden. Dabei orientieren wir uns an der in Abschnitt 6.1.3 vorgeschlagenen Einteilung der Wirtschaftsverbände.

6.3.1

Immobilienwirtschaftliche Marktverbände

6.3.1.1

Wohnungsgenossenschaften

Wohnungsgenossenschaften sind Marktverbände, da sie versuchen, durch die Zusammenfassung vormals isolierter Wohnungsnachfrager deren Marktposition zu verbessern. Dabei können die Genossenschaftsmitglieder in unterschiedlicher Form wirtschaftlich gefördert werden (z.B. preiswertes Wohnen, sicheres Wohnen, qualitativ gutes Wohnen, Dividenden). Wohnungsgenossenschaften sind Haushaltsgenossenschaften, da ihre Mitglieder in der Regel Haushalte (Wohnungsnachfrager) sind, für die über den genossenschaftlichen Geschäftsbetrieb Leistungen erbracht werden. Das Wesen einer Wohnungsgenossenschaft wird vor allem durch vier Elemente bestimmt (Dülfer 1995, S. 23 ff.): •

Die Wohnungsgenossenschaft umfasst eine Personengruppe, die das gemeinsame Interesse verbindet, eine Verbesserung ihrer Wohnverhältnisse durch Leistungen der Genossenschaft zu erreichen. Dabei ist die Personenvereinigung auch grundsätzlich offen für neue Mitglieder.



Die Mitglieder versuchen, in gruppenmäßiger Selbsthilfe ihre Wohnsituation durch kollektives Handeln zu verbessern. Das einzelne Mitglied verfügt nicht über so viel Marktmacht, dass es in der Lage wäre, individuell auf dem Wohnungsmarkt die gleichen Ergebnisse zu erzielen, wie dies der Genossenschaft als Marktverband möglich ist.

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

619



Die Mitglieder der Genossenschaft bedienen sich zur Bereitstellung der gewünschten wohnungswirtschaftlichen Leistungen eines gemeinschaftlich eingerichteten und geführten Organbetriebes. Dabei handelt es sich um ein auf Dauer errichtetes Unternehmen, das in der Regel in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) betrieben wird.



Letztlich besteht zwischen der Personengruppe und dem Organbetrieb ein Förderungsverbund. Hier steht bei Wohnungsgenossenschaften eindeutig die Leistungsbeziehung und nicht die Kapitalbeziehung im Vordergrund. So tritt man einer Wohnungsgenossenschaft primär deshalb bei, um sich die wohnungswirtschaftlichen Leistungen des Geschäftsbetriebes abzuholen (z.B. preiswertes und sicheres Wohnen). Die Aussicht, durch den Beitritt zur Genossenschaft eine lukrative Kapitalbeteiligung zu erreichen, steht dabei nicht im Vordergrund.

Neben dem Wesensprinzip der Mitgliederförderung sind für Wohnungsgenossenschaften noch weitere Geschäftsführungsprinzipien von Bedeutung, wie etwa das Identitätsprinzip, das Prinzip der Selbsthilfe, das Prinzip der Selbstverwaltung (Demokratieprinzip), das Prinzip der Selbstverantwortung und das Regionalprinzip. Das Wohnen bei Genossenschaften hat durch die Deutsche Einheit quantitativ beträchtlich an Bedeutung gewonnen. So gibt es gegenwärtig in Deutschland rund 2.000 Wohnungsgenossenschaften mit über 2 Millionen Wohnungen und 3 Millionen Mitgliedern. Nicht zuletzt durch die Reformvorschläge der Expertenkommission Wohnungsgenossenschaften steht das genossenschaftliche Wohnen in jüngster Zeit wieder verstärkt im Blickpunkt des öffentlichen Interesses.

6.3.1.2

Unternehmenskooperationen

Eine Unternehmenskooperation ist eine freiwillig und vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Wohnungs- und Immobilienunternehmen mit dem Ziel der Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit (Mändle 1997, S. 502). Typisches Merkmal der Kooperation ist, dass lediglich ein oder wenige unternehmerische Handlungsbereiche der Dispositionsmöglichkeit der Unternehmensleitung entzogen sind, während ansonsten das Unternehmen die volle Selbstständigkeit behält. Unternehmenskooperationen sind in der Immobilienwirtschaft vor allem deshalb sinnvoll, weil in dieser Branche oft klein- und mittelbetriebliche Strukturen vorherrschen und somit im Vergleich zu Großunternehmen strukturelle Nachteile vor allem auf den Beschaffungsund Absatzmärkten bestehen. Andererseits sind die Skaleneffekte in der Immobilienwirtschaft nicht so stark ausgeprägt, dass es – wie beispielsweise im Bankensektor – zu Fusionen oder zur Bildung von Konzernen kommen müsste. Über die Kooperation können Immobilienunternehmen versuchen, etwaige Größennachteile am Markt unter Wahrung ihrer unternehmerischen Selbständigkeit zu kompensieren. Grundsätzlich setzt jede Kooperation ein abgestimmtes Marktverhalten voraus und beinhaltet somit auch Kartellelemente. Anders als bei einem Kartell (Abschnitt 6.3.1.3) steht jedoch bei einer Unternehmenskooperation die

620 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen Steigerung der Leistungs- bzw. Wettbewerbsfähigkeit des Immobilienunternehmens im Mittelpunkt und nicht die Vereinbarung über eine Beschränkung des Wettbewerbs. Die tatsächliche Wettbewerbswirkung einer Unternehmenskooperation lässt sich allerdings nur im Einzelfall bestimmen. Unternehmenskooperationen sind in verschiedenen Intensitätsstufen möglich. Diese reichen vom formlosen Erfahrungsaustausch zwischen Immobilienunternehmen bis hin zur Gründung eines gemeinsamen Unternehmens, etwa der Gründung einer gemeinsam betriebenen Marketinggesellschaft. Kooperationen können dabei in der Weise erfolgen, dass entweder eine Unternehmensfunktion (z.B. die gemeinsame Beschaffung von Baumaterialien) oder mehrere Unternehmensfunktionen (etwa der gemeinsame Verkauf und die gemeinsame Verwaltung von Immobilien) ausgegliedert werden. Hinsichtlich der Unternehmenskooperation sind drei Hauptformen zu unterscheiden (Mändle 1997, S. 502 f.): •

Bei einer horizontalen Kooperation erfolgt die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen auf dem gleichen relevanten Markt. Dies kann etwa in der Weise geschehen, dass verschiedene Immobilienunternehmen einer Stadt in einer Arbeitsgemeinschaft zusammenarbeiten.



Eine vertikale Kooperation ist eine Zusammenarbeit von Unternehmen verschiedener Wirtschaftsstufen, die in einer Käufer-Verkäufer-Beziehung stehen. Beispielsweise könnte ein Immobilienunternehmen mit einem bestimmten Bauträger zusammenarbeiten, der dauerhaft die komplette Bauplanung für das Unternehmen übernimmt.



Schließlich gibt es noch die Möglichkeit der konglomeraten Kooperation. Diese liegt dann vor, wenn die Unternehmen weder auf dem gleichen relevanten Markt tätig sind (horizontal) noch in einem Käufer-Verkäufer-Verhältnis stehen (vertikal). Ein Beispiel für eine derartige konglomerate Kooperation wäre der Abschluss eines Kooperationsvertrages eines Immobilienunternehmens mit einem Sozialdienstleister.

Bislang war in Deutschland der Grad der Unternehmenskooperation in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft nicht allzu hoch. Die grundlegende Veränderung der Marktbedingungen (stagnierende Absatzmärkte, demographische Entwicklung, soziale Probleme etc.) dürfte jedoch dazu führen, dass Immobilienunternehmen künftig verstärkt versuchen werden, Kooperationen einzugehen. Hier dürften insbesondere die großstädtischen Ballungsgebiete eine Vorreiterrolle übernehmen.

6.3.1.3

Kartelle

Ein Kartell ist eine Vereinbarung rechtlich selbständiger Unternehmen auf dem gleichen relevanten Markt, die geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken. Auch Kartelle zählen zu den Marktverbänden, da sie zum Ziel haben, die wirtschaftlichen Bedingungen ihrer Mitglieder unmittelbar am Markt zu verbessern. Dies geschieht durch Absprache wettbewerbsrelevanter Aktionsparamenter (Preise, Konditionen, Mengen, Gebiete etc.). Kartelle unterliegen

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

621

in Deutschland dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und sind nach § 1 GWB grundsätzlich verboten. Von diesem relativ strikten Verbotsprinzip gibt es jedoch im GWB eine Reihe von Ausnahmen (z.B. bei Konditionen-, Mittelstands- und Rationalisierungskartellen). Wettbewerbspolitisch sind Kartelle – von wenigen Ausnahmen abgesehen – kritisch zu beurteilen, da sie häufig (z.B. durch Preisüberhöhung) zu einer suboptimalen Faktorallokation führen. Anders als bei der Unternehmenskooperation (Abschnitt 6.3.1.2) steht bei einem Kartell die Wettbewerbsbeschränkung im Vordergrund. Im Gegensatz zur Genossenschaft (Abschnitt 6.3.1.1) wird im Kartell nicht die Bildung einer gegengewichtigen Marktmacht auf der schwächeren Marktseite (countervailing power) angestrebt, sondern vielmehr die Verstärkung von bereits vorhandener Marktmacht. Im Vergleich zu anderen Branchen sind die Möglichkeiten zur Bildung von Kartellen in der Immobilienwirtschaft ungünstig. Dies liegt an den häufig polypolistisch geprägten Wohnungs- und Immobilienmärkten mit ihrer Vielzahl von teilweise sehr heterogenen Anbietern und Teilmärkten. Die Marktanteile sind oft ungleichmäßig auf eine große Anbieterzahl verteilt, die insofern eine geringe gegenseitige Abhängigkeit (im Sinne einer oligopolistischen Interdependenz) aufweisen. Zudem sind die Marktschranken für Newcomer am Wohnungsund Immobilienmarkt in der Regel eher niedrig. Somit ist die Bildung von Kartellen in der Immobilienwirtschaft zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber bei bestimmten Marktbedingungen (lokaler oligopolistischer Markt mit ähnlichen Marktanteilen und relativ homogenen Wohnungsbeständen) doch prinzipiell möglich.

6.3.2

Immobilienwirtschaftliche Einflussverbände

6.3.2.1

Unternehmens- und Berufsverbände

Vorbemerkungen Eine klare Unterscheidung zwischen Unternehmensverbänden und Berufsverbänden ist schwierig. Daher werden sie im Folgenden gemeinsam in einem Abschnitt behandelt. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass eine Reihe von Verbänden eine Ausweitung ihres Verbandsprofils vorgenommen hat. Gleichfalls schwierig ist eine Gewichtung und Wertung der Bedeutung der Verbände. Denkbar wäre z.B. eine Kategorisierung nach •

der Anzahl der Mitglieder/ angeschlossenen Unternehmen,



der Anzahl der Wohneinheiten bzw. der verwalteten Einheiten, die durch die Mitglieder/ angeschlossenen Unternehmen repräsentiert werden,



der Größe des Bilanzvolumens oder



der Höhe des der Verantwortung unterliegenden Immobilienvermögens bei Berufsverbänden.

622 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen Denkbar wäre jedoch auch, Verbände nach dem Kriterium „Höhe des gesamten Beitragsvolumens“ zu kategorisieren. Eine solche Kennziffer entzieht sich aber dem öffentlichen Zugang ebenso wie eine genaue Kenntnis über den Umfang der Personalkapazität, welche haupt- und nebenamtlich für die Verbandsarbeit zur Verfügung steht. Die hauptamtlich zur Verfügung stehende Personalkapazität bildet sich in der Regel nur bei Dauerhaftigkeit der Interessen (Abschnitt 6.2.2) und hat einen beträchtlichen Einfluss auf die Effektivität von Verbandsaktivitäten. Eine Einflussnahme auf Entwicklungen im politischen Raum ist im Regelfall nur durch intensiven Einsatz hauptamtlichen Verbandspersonals möglich. Dieses wiederum muss über umfassende Fachkompetenz verfügen. Die komplexen Zusammenhänge in der Immobilienwirtschaft haben sich durch den grundsätzlichen Wandel verstärkt, welchem zumindest Teile der Immobilienwirtschaft in den letzten Jahren unterworfen waren. Dies betrifft insbesondere Veränderungen, die sich aus •

dem Wegfall der Wohnungsgemeinnützigkeit,



dem Rückgang der Wohnungsbauförderung,



dem Abbau der steuerlichen Subventionen für Immobilien, insbesondere Wohnimmobilien, sowie



dem wesentlich verschärften Risikobewusstsein kreditgebender Institutionen

ergeben haben. Die nachfolgende Darstellung der immobilienwirtschaftlichen Unternehmens- und Berufsverbände erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. So werden etwa Verbände mit Schwerpunkt im Leasingbereich, Verbände, in denen sich Vermessungsingenieure zusammengefunden haben, Verbände der Bauindustrie, Verbände von Investment-Institutionen, kommunale Verbände, Gewerkschaften sowie Industrie- und Handwerkskammern nicht berücksichtigt. Die vielfältigen Verzahnungen dieser Verbände mit dem Immobilienbereich sind bisher noch nicht tiefergehend untersucht worden. Der Umfang dieser Darstellung lässt es nicht zu, diese interessante und für die zukünftige Entwicklung der Immobilienwirtschaft im Verbandsbereich wichtige Untersuchung durchzuführen. Die folgende Aufstellung kann auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit bzw. das Fehlen von Ungenauigkeiten erheben. Die Veröffentlichungen über die Verbände sind teilweise unvollständig und nicht immer aktuell. Der Zugriff auf Informationen aus dem Internet ist mit der Hoffnung verbunden, dass sich hierbei die aktuellsten Informationen erhalten lassen. Gleichzeitig ist die Problematik der Verwendung solcher Informationsquellen offenkundig. Zur Aktualisierung der Informationen im weiteren Zeitablauf ist bei jedem Verband die Internetadresse (Einstiegsseite) angegeben. Es ist festzustellen, dass Verbände aus dem Bereich Wohnungswirtschaft und Maklerwesen eine deutliche Dominanz in der immobilienwirtschaftlichen Verbandslandschaft haben. Dies betrifft sowohl die geschichtliche Entwicklung als auch die Größe der Verbände. In der Systematik der Darstellung wird nunmehr folgende Vorgehensweise angewandt:

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

623



Der Darstellung von Verbänden mit umfassendem immobilienwirtschaftlichen Vertretungsanspruch folgen



die Verbände der Immobilienverwalter und



die Verbände der Immobilienverwalter aus dem nichtwohnungswirtschaftlichen Bereich



sowie Verbände mit besonderer Interessenlage bzw. Ausrichtung.



Wegen ihrer unmittelbaren Verzahnung mit der Immobilienwirtschaft folgt anschließend die Darstellung von immobilienwirtschaftlich relevanten Verbänden aus dem Finanzierungsbereich.



Nachdem in jüngerer Zeit Zusammenschlüsse von immobilienwirtschaftlichen Verbänden bzw. Brancheninitiativen eine zunehmende Bedeutung bekommen haben, werden diese zum Schluss noch in Kürze dargestellt.

Die Angaben in der nachfolgenden Aufstellung der jeweiligen Verbände sind unter dem Aspekt ausgewählt, dass der Leser in groben Zügen eine Information über Struktur, Größenordnung und Profil erhalten kann. Der Umfang der Darstellung erlaubt es wiederum nicht, die jeweilige Verbandshistorie bzw. die Entwicklung der einzelnen Verbände im Detail darzustellen. (1)

Verbände mit umfassendem immobilienwirtschaftlichen Vertretungsanspruch

GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. Berlin www.gdw.de Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. ist ein Verband, in dem sich 14 wohnungswirtschaftliche Landesverbände zusammengeschlossen haben. Die ca. 3.200 Unternehmen, welche dieser Organisation angehören, haben im Wesentlichen den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Bereich der Wohnungswirtschaft. Alles in allem werden in der gesamten Verbandsorganisation 6,5 Millionen Wohnungen bewirtschaftet, das sind ca. 17 % aller Wohnungen in der Bundesrepublik Deutschland. Gemessen am Gesamtmietwohnungsbestand der BRD finden sich in der Organisation des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. ca. 30 % des Bestandes wieder. Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. kann als bedeutendster Zusammenschluss wohnungswirtschaftlicher Unternehmen bzw. wohnungswirtschaftlicher Landesverbände bezeichnet werden. Die Ursprünge sind eng mit der Entstehung von Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen verbunden. Die Verzahnung hatte ihren Schwerpunkt in der Prüfung von Wohnungsgenossenschaften bzw. Pflichtprüfungen nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz sowie der Erfüllung notwendigen Beratungsbedarfes und fachlicher Bildungsarbeit.

624 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen Nach dem Wegfall der Wohnungsgemeinnützigkeit und dem damit entfallenden Zwang zur Pflichtprüfung durch einen der Prüfungsverbände der GdW-Gesamtorganisation hat sich der Schwerpunkt der Verbandstätigkeit im Bereich der Interessenvertretung deutlich verstärkt. Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. erhebt nunmehr in der Profilierung einen umfassenden Anspruch hinsichtlich der von ihm vertretenen Landesverbände bzw. Mitgliedsunternehmen. Die GdW-Organisation einschließlich der 14 Landesverbände unterhält wohl die größte stehende (hauptamtliche) Personalkapazität im Vergleich mit anderen deutschen immobilienwirtschaftlichen Verbänden. Die nachfolgend aufgeführten 14 Mitgliedsverbände des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. sind unterschiedlich groß. Sie haben im Regelfall eine spiegelbildliche Unterteilung ihrer Mitgliedsunternehmen in •

genossenschaftliche,



kommunale,



kirchliche,



privatwirtschaftliche sowie



landes- und bundeseigene Unternehmen.

Der gesetzliche Prüfungsauftrag für die 2.000 deutschen Wohnungsgenossenschaften wird im Regelfall durch Prüfungsorganisationen der Landesverbände erfüllt. Die 14 Mitgliedsverbände des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. sind: vbw Verband badenwürttembergischer Wohnungsunternehmen e.V.

Stuttgart

www.vbw-online.de

VdW Bayern Verband bayerischer Wohnungsunternehmen e.V.

München

www.vdwbayern.de

VNW Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.

Hamburg

www.vnw.de

Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU)

Berlin

www.bbu.de

VdW Südwest Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e.V.

Frankfurt Main

Verband der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen e.V.

Hannover

am

www.vdwsuedwest.de

www.vdw-online.de

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

625

Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen e.V.

Düsseldorf

www.vdw-rw.de

Genossenschaftsverband Frankfurt e.V. Hessen – Rheinland-Pfalz – Saarland – Thüringen

Saarbrücken

www.genossenschaftsverband.de

Verband sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V.

Dresden

www.vswg.de

vdw Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V.

Dresden

www.vdw-sachsen.de

VdWg Verband der Wohnungsgenossenschaften Sachsen-Anhalt e.V.

Magdeburg

www.vdwvdwg.de

VdW Verband der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt e.V.

Magdeburg

www.vdwvdwg.de

ptw Prüfungsverband Thüringer Wohnungsunternehmen e.V.

Erfurt

www.vtw.de

vtw Verband Thüringer Wohnungsund Immobilienwirtschaft e.V.

Erfurt

www.vtw.de

In einigen dieser Landesverbandsorganisationen wurde eine institutionelle Trennung zwischen Prüfungsauftrag und Interessenvertretung vorgenommen. Der Bildungsauftrag wird im Rahmen der Landesverbände durch eine Reihe von eigenständigen Akademien erfüllt. Auf Bundesebene wird das Europäische Bildungszentrum (EBZ) in Bochum unterhalten. Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. kennt ausschließlich institutionelle und keine persönliche Mitgliedschaft. Dies ist bedingt durch die historische Entwicklung des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. sowie der Landesverbände und deren jeweiligen Vorgängerorganisationen. BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V. Berlin www.bfw-bund.de Diesem Verband gehören ca. 600 Mitglieder (persönliche und institutionelle) an. Der verwaltete Wohnungsbestand der Mitglieder des Verbandes beträgt ca. 3,2 Millionen Wohneinheiten und 10,5 Millionen Quadratmeter Nutzfläche. Im Profil des Verbandes wird ausdrücklich auf das beachtliche Investitionsvolumen der Verbandsmitglieder in Höhe von 7

626 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen Milliarden Euro (2005) im Bereich des Gewerbebaus hingewiesen. Die Mitglieder des Bundesverbandes sowie der 8 Landesverbände haben vor allem mittelständisches Gepräge. Folgende Landesverbände bestehen: Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen BadenWürttemberg e.V.

Stuttgart

www.lfw-bw.de

Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Bayern e.V.

München

www.lfw-bayern.de

Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Berlin/Brandenburg e.V.

Berlin

www.lfwberlin.de

Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Hamburg/ Schleswig-Holstein/ MecklenburgVorpommern e.V.

Henstedt– Ulzberg

www.bfw-nord.de

Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Hessen/ Rheinland-Pfalz/ Saarland e.V.

Gleiszellen

www.lfw-h-rp-s.de

Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Niedersachsen/Bremen e.V.

Hannover

www.lfw-nieders-bremen.de

Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen NordrheinWestfalen e.V.

Bonn

www.bfw-nrw.de

Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Sachsen/ Sachsen-Anhalt/ Thüringen e.V.

Dresden

www.bfw-md.de

Immobilienverband Deutschland IVD Bundesverband e.V. Berlin www.ivd.net Der Immobilienverband Deutschland IVD Bundesverband e.V. hat sich 2004 als Zusammenschluss aus den vorher bestehenden Verbänden Ring Deutscher Makler (RDM) und Verband Deutscher Makler (VDM) gebildet. Sein Profil weist ihn als Verband nicht nur für Immobilienmakler aus, sondern auch für Immobilienverwalter, Finanzdienstleister, Bewertungssachverständige, Bauträger und weitere Berufsgruppen in der Immobilienwirtschaft.

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

627

Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Beitrages war die Lösung von juristischen Problemen, die sich bei der Bezeichnung des neuen Verbandes ergeben hatten, noch im Gange. Der Verband, der auch 8 Regionalverbände umfasst, verfügt über ca. 6.000 Mitgliedsunternehmen. Die Aufnahme als Mitglied beim IVD setzt das Bestehen einer fachlichen Aufnahmeprüfung voraus. Die Mitglieder müssen sich verpflichten, regelmäßig Weiterbildung zu betreiben. Der Verband unterhält eigene Bildungsakademien (Freiburg, Saarbrücken, Berlin und Rostock). Mit der Mitgliedschaft im IVD ist der Abschluss einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung verpflichtend. Besondere Außenwirkung entwickelt der Verband durch seine Marktberichte. Die 8 Regionalverbände bestehen in folgenden Regionen: Immobilienverband Deutschland IVD Nord e.V.

Hamburg

www.ivd-nord.de

Immobilienverband Deutschland IVD Schleswig-Holstein e.V.

Schöneberg

www.vdm.de/lv-schleswigholstein

Immobilienverband Deutschland IVD NordWest e.V.

Hannover

www.ivd-nord-west.net

Immobilienverband Deutschland IVD West e.V.

Köln

www.ivd-west.net

Immobilienverband Deutschland IVD Mitte e.V.

Frankfurt

www.ivd-mitte.de

Immobilienverband Deutschland IVD Mitte-Ost e.V.

Leipzig

www.ivd-mitte-ost.net

Immobilienverband Deutschland IVD Berlin-Brandenburg e.V.

Berlin

www.ivdost.de

Immobilienverband Deutschland IVD Süd e.V.

München

www.ivd-sued.net

Der IVD bezeichnet sich als den „zahlenmäßig stärksten Unternehmensverband der Immobilienwirtschaft“. Er stellt mit seinen beiden Vorgängerorganisationen Ring Deutscher Makler (RDM) und Verband Deutscher Makler (VDM) den Traditionsverband der deutschen Immobilienmakler dar. Der Immobilienverband ist untrennbar mit der Entwicklung des deutschen Immobilienmaklerwesens verknüpft. In jüngster Zeit – zeitgleich mit dem Zusammenschluss der beiden Vorgängerverbände zum IVD – ist eine deutliche Ausweitung des Verbandsprofils über die reine Mitgliedschaft von Immobilienmaklern hinaus erkennbar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieser Immobilienverband auch in der Zukunft eine prägende Aufgabe bei der Weiterentwicklung des Immobilienmakler-Berufs in der Bundesrepublik Deutschland haben wird.

628 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) Deutschland Frankfurt am Main www.rics.org/germany Dieser Verband ist Teil des weltweit tätigen Berufsverbandes der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), die weltweit (in 120 Ländern) über ca. 110.000 Mitglieder und in der Bundesrepublik Deutschland über ca. 1000 Mitglieder verfügt. Die RICS wird häufig als die Immobilienorganisation bezeichnet, welche weltweit über das „höchste Renommee“ verfügt (Schulte 2005, S. 118). Der Verbandsanspruch umfasst alle Tätigkeiten in der Immobilienwirtschaft. Dies äußert sich durch die in diesem Verband vertretenen 16 Fachrichtungen/Fakultäten. Der Verband kennt nur persönliche Mitgliedschaften. Die Mitgliedschaft ist mit einem stark regulierten Aufnahmeverfahren verbunden. Sie stellt in verstärktem Maße auf eine anhaltende Weiterbildung der Mitglieder ab, dem Continuing Professional Development (CPD). In gleicher Weise kümmert sich der Verband um die akademische Ausbildung des Branchennachwuchses. Es wird von den Mitgliedern dieser internationalen Berufsorganisation in der Regel eine akademische, auf die Tätigkeit ausgerichtete Ausbildung erwartet. Diese muss an einer Institution erfolgt sein, welche durch die RICS akkreditiert worden ist. Im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens werden Bildungsinstitutionen dahingehend überprüft, ob diese imstande sind, ihren Studierenden den fachlichen Bildungsstand zu vermitteln, welchen die RICS für die Ausübung einer qualitätsvollen Tätigkeit in der Immobilienwirtschaft für unumgänglich hält. Die Akkreditierung muss in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Zusätzlich erfolgt ein Beitrag zur Qualitätssicherung der Aus- und Weiterbildung bei den akkreditierten Institutionen dadurch, dass ausgewählte Mitglieder dieser Berufsorganisation in regelmäßigen Abständen die akkreditierten Institutionen visitieren. Der Verband erhebt neben den klaren und umfangreichen fachlichen Qualifikationen einen stark reglementierten ethischen Anspruch an seine Mitglieder. Die Einhaltung von Verhaltensvorschriften wird entsprechend dem umfangreichen Ehrenkodex (Code of Conduct) überwacht. Verstöße werden mit Strafen geahndet, die bis zum zeitweiligen oder gar dauerhaften Ausschluss gehen können. Die Sicherstellung eines hohen fachlichen Standards der Mitglieder wird dadurch gewährleistet, dass einerseits neben der bereits erwähnten einschlägigen akademischen Ausbildung ein verbandsspezifisches Verfahren der Aufnahme in den Verband vorgeschaltet ist. Das Assessment of Professional Competence (APC), welches aus einer rigiden mündlichen und schriftlichen Prüfung besteht, kann erst nach einer mindestens zweijährigen praktischen Berufserfahrung abgelegt werden. Die Mitglieder dieses Berufsverbandes führen als Zusatz zu ihrem Namen die Bezeichnung „MRICS“ (Professional Member der RICS). Die Bezeichnung „FRICS“ kann Mitgliedern frühestens dann verliehen werden, wenn diese mindestes fünf Jahre als MRICS ohne Beanstandung tätig waren.

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

629

Die Anforderungen an die fachliche Qualifikation und das ethische Verhalten der Mitglieder im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit haben die hohe Reputation des Verbandes und seiner Mitglieder begründet. Es wurden aber auch Standards geschaffen, die grundlegenden Einfluss auf die weitere Branchenentwicklung haben könnten. Regionale Aktivitäten werden in folgenden Regionalgruppen organisiert: •

Berlin



Hamburg/Norddeutschland



Leipzig



München



Nürnberg



Rhein-Main



Rhein-Ruhr



Stuttgart.

Bundesvereinigung der Landes- und Immobiliengesellschaften e.V. Berlin www.bvlg.de In dieser Bundesvereinigung haben sich neben den traditionellen und namensgebenden Landesentwicklungsgesellschaften weitere Unternehmen zu einem LEG-Kompetenz-Netzwerk zusammengefunden. Die Vereinigung kennt nur institutionelle Mitgliedschaften. Bei den angeschlossenen Mitgliedsunternehmen werden ca. 350.000 Wohneinheiten verwaltet. Die Mitgliedsunternehmen haben neben der Verwaltung von Wohnungen und Gewerbeobjekten ihren weiteren Schwerpunkt in der Projektentwicklung (ca. 1.200 – Stand Anfang 2006). Ein Teil der Mitgliedsunternehmen dieser Bundesvereinigung ist gleichzeitig Mitglied in weiteren Bundesverbänden. Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. Berlin www.deutscher-verband.org Diesem Verband kommt in der immobilienwirtschaftlichen Verbandslandschaft eine Sonderstellung zu. Er dient in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Ende des 2. Weltkriegs als neutrale Plattform zum Erfahrungs- und Gedankenaustausch zwischen Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Rechtsprechung, der Wissenschaft sowie verwandten Verbänden. Es besteht eine enge Verbindung zum Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-

630 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen sen. Der Verband kennt sowohl Einzelmitgliedschaft als auch die Mitgliedschaft juristischer Personen. Die Verbandsarbeit wird deutlich von wissenschaftlicher Ausrichtung geprägt. Der Verband versteht sich als einer der Dachverbände der Immobilienwirtschaft. (2)

Bundesverbände mit Ausrichtung auf Immobilienverwaltung

Dachverband Deutscher Immobilienverwalter e.V. (DDIV) Berlin www.ddiv.de Der Verband bezeichnet sich seit 1998 als Dachverband Deutscher Immobilienverwalter e.V. und ist bundesweit in 11 eigenständige regional orientierte Verwalterverbände gegliedert. In ihm vereinigen sich ca. 1.000 Mitglieder. Eine persönliche Mitgliedschaft ist nur in einem Landesverband möglich, nicht im Dachverband. Die Mitgliedsunternehmen des Dachverbandes verwalten ca. 1,3 Millionen Wohneinheiten und bewirtschaften eine Wohn- und Nutzfläche von insgesamt ca. 84 Millionen Quadratmeter. Der Schwerpunkt des Interesses dieses Verbandes liegt im Bereich der Immobilienverwaltung von Wohn- und Gewerbeimmobilien. Es bestehen eigenständig handelnde Landesverbände in folgenden Bereichen: Verband der Immobilienverwalter Baden-Württemberg e.V.

BietigheimBissingen

www.vdiv.de

Verband der Immobilienverwalter Bayern e.V.

München

www.immobilienverwalterbayern.de

Verband der Immobilienverwalter Berlin-Brandenburg e.V.

Berlin

www.vdiv-berlin-brandenburg.de

Verband der Immobilienverwalter Hessen e.V.

Bischofsheim

www.hausverwalter.de

Verband der Immobilienverwalter Niedersachsen/Bremen e.V.

Neustadt

www.vdiv-nds-bremen.de

Verband der nordrheinwestfälischen Immobilienverwalter e.V.

Aachen

www.immobilienverwalter-nrw.de

Verband der Immobilienverwalter Rheinland-Pfalz/Saarland e.V.

Ludwigshafen

www.vdiv-rps.de

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen Verband der Immobilienverwalter Sachsen e.V.

Chemnitz

www.immobilienverwaltersachsen.de

Verband der Immobilienverwalter Sachsen-Anhalt e.V.

Magdeburg

www.vdiv-sa.de

Verband der Immobilienverwalter SchleswigHolstein/Hamburg/MecklenburgVorpommern e.V.

Kiel

www.immoverwalter.org

Verband der Immobilienverwalter Thüringen e.V.

Jena

www.immobilienverwalterthueringen.de

631

BFW Bundesfachverband Wohnungs- und Immobilienverwalter e.V. Berlin www.wohnungsverwalter.de Eine Mitgliedschaft in diesem Verband ist sowohl einzelnen Personen als auch Unternehmen möglich. Voraussetzung für die Aufnahme als ordentliches Mitglied ist ein je Antragsteller vorhandener Verwaltungsbestand von 400 Wohneinheiten bzw. Gewerbe/Spezialimmobilien mit einer Nutzfläche von ca. 5.000 m² oder einer Jahresnettomiete von 80.000 Euro. Der Verband verlangt von seinen Mitgliedern die Befolgung eines Verhaltens- und Ehrenkodex und eine mindestens fünfjährige Berufstätigkeit vor Antragstellung. Sinngemäß wird gleiches bei einer Unternehmensmitgliedschaft verlangt. Der Verband hat ca. 350 Mitgliedsunternehmen, die einen Bestand von rund 480.000 Wohneinheiten verwalten. Landesverbände bestehen in: •

Baden-Württemberg



Bayern



Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern



Hessen



Nord



Rheinland-Pfalz/Saarland



Sachsen-Anhalt



Sachsen/Thüringen



West.

632 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen (3)

Verbände mit Schwerpunkt in der Immobilienverwaltung, jedoch nicht im wohnungswirtschaftlichen Bereich

crenet Deutschland e.V. Frankfurt am Main www.crenet.com Dieser Verband hat als Schwerpunkt das Corporate Real Estate Management. Er ist entstanden aus einer Abspaltung des international tätigen Verbandes CoreNet Global. Dieser bundesweit handelnde Spezialverband verfügt nach eigenen Angaben über ca. 100 Mitglieder. Die Aktivitäten konzentrieren sich in folgenden Regionalgruppen: •

Rhein-Main



Rhein-Ruhr



München



Hamburg



Berlin.

Deutscher Verband für Facility Management e.V. (GEFMA) Bonn www.gefma.de In diesem Verband vereinigen sich Anbieter und Nachfrager von Facility Management (FM). Der Verband verfügt über ca. 400 Mitglieder mit einem deutlichen Schwerpunkt auf der Anbieterseite des Facility Managements im Bereich von Dienstleistungsunternehmen. Der Verband hat sich insbesondere durch die Erstellung eines in sich geschlossenen Regelwerks profiliert. Dieses Regelwerk soll neben den bestehenden gesetzlichen Regelungen und den technisch orientierten DIN-Normen eine Struktur für die Errichtung und Verwaltung insbesondere von Gewerbeimmobilien bieten. Der Anspruch, als bundesweit agierender Verband anerkannt zu werden, wird unterstützt von 16 regionalen Arbeitskreisen in: •

Baden-Württemberg



Bayern-München



Bayern-Nürnberg



Bayern-Ostbayern



Berlin und Umland



Bremen – Weser – Ems

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen •

Hamburg/Schleswig-Holstein



Hessen-Frankfurt



Mecklenburg-Vorpommern



Niedersachsen



Nordrhein-Westfalen/Dortmund



Nordrhein-Westfalen/Köln



Nordrhein-Westfalen/Aachen



Rheinland-Pfalz/Saarland



Sachsen



Thüringen.

633

Der Deutsche Verband für Facility Management e.V. (GEFMA) kennt sowohl eine persönliche als auch eine institutionelle Mitgliedschaft. International Facility Management Association Deutschland e.V. (IFMA) Dachau www.ifma-deutschland.de Dieser Verband mit ca. 320 Mitgliedern ist die deutsche Organisation des international handelnden Verbandes IFMA International mit weltweit ca. 18.000 Mitgliedern in 15 Ländern. Der Verband kennt sowohl persönliche als auch institutionelle Mitgliedschaften (Corporate Sustaining Membership). Es sind allerdings auch bei einer Unternehmensmitgliedschaft die Unternehmensrepräsentanten namentlich zu benennen. Ein besonderes Profil entwickelt dieser Verband mit dem Zertifizierungsprogramm und –titel „Certified Facility Manager“ (CFM). Eine solche Zertifizierung setzt sowohl eine spezielle Ausbildung im Bereich des Facility Managements bei einer akkreditierten Institution als auch entsprechende berufliche Weiterbildung voraus. Die Verbandsaktivitäten des bundesweit handelnden Verbandes finden schwerpunktmäßig in Regionalkreisen statt. Diese bestehen als •

Regionalkreis Isar-Inn (München)



Regionalkreis Inn-Salzach (Rosenheim)



Regionalkreis Regen-Naab (Fürth)



Regionalkreis Spree-Havel (Berlin)



Regionalkreis Elbe-Weser (Braunschweig)

634 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen •

Regionalkreis Elbe-Alster (Hamburg)



Regionalkreis Rhein-Ruhr (Düsseldorf)



Regionalkreis Rhein-Main (Frankfurt/Main)



Regionalkreis Rhein-Neckar (Stuttgart).

German Council of Shopping Centers Ludwigsburg www.gcsc.de Das German Council of Shopping Centers versteht sich als Verband mit einem Schwerpunkt der Interessenvertretung von Managementgesellschaften für Immobilien wie •

Einkaufszentren,



Galerien,



Passagen,



Fachmarktzentren und



Verkehrsimmobilien.

Es bietet eine Plattform für seine ca. 500 Mitglieder aus verschiedenen Bereichen: •

Immobilienentwickler,



Kreditinstitute,



Kino- und Entertainmentbetreiber,



Unternehmensberatungen,



Werbeagenturen,



Spezialisten der Einrichtungs-/Designbranche,



Makler,



neue Einzelhandelsunternehmen sowie



Architekten.

Der Verband profiliert sich durch die Veröffentlichung des „Shopping-Center-Report“ (gemeinsam mit dem EHI – Eurohandelsinstitut).

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen (4)

635

Verbände mit besonderer Interessenlage bzw. Ausrichtung

Zentralverband der deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. – Haus & Grund Berlin www.haus-und-grund.net Der bundesweite Verband Haus & Grund Deutschland ist im eigentlichen Sinne weder ein Unternehmens- noch ein Berufsverband. Er ist vielmehr auf der Grundlage seiner über 125jährigen Tradition der klassische Interessenvertreter des Immobilieneigentümers, dem wenige Immobilien gehören. Verbandsmitglieder mit umfangreichem Immobilienbesitz sind eher die Ausnahme. Der Verband verfügt über eine außergewöhnlich große Anzahl persönlicher Mitglieder (ca. 1 Million) und ist mit 24 Landesverbänden und ca. 1.000 Ortsvereinen sehr gut organisiert. Neben der Profilierung im politischen Raum bietet der Verband aktive Unterstützung und Beratung, insbesondere bei der Verwaltung des eigengenutzten, aber auch des vermieteten Wohneigentums. Es bestehen folgende Landesverbände: Haus & Grund Baden e.V.

Karlsruhe

www.haus-und-grund-baden.de

Haus & Grund Württemberg e.V.

Stuttgart

www.hausundgrundwuerttemberg.de

Haus & Grund Bayern e.V.

München

www.haus-und-grund-bayern.de

Haus & Grund Berlin e.V.

Berlin

www.haus-und-grund-berlin.de

Haus & Grund Brandenburg e.V.

Potsdam

www.hausundgrundbrbg.de

Haus & Grund Landesverband Bremen e.V.

Bremen

www.haus-und-grund-bremen.de

Grundeigentümer-Verband Hamburg von 1832 e.V.

Hamburg

www.grundeigentuemerverband.de

Haus & Grund Hessen e.V.

Frankfurt

www.hausundgrundhessen.de

Haus & Grund MecklenburgVorpommern e.V.

Schwerin

www.haus-und-grund-mv.de

Haus & Grund Niedersachsen e.V.

Langenhagen

www.haus-und-grund-nds.de

Haus & Grund Oldenburg e.V.

Oldenburg

www.ewetel.net

Haus & Grund Nordrhein und Westfalen e.V.

Dortmund

www.haus-und-grund.com

636 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen Haus & Grund Ostwestfalen-Lippe e.V.

Bielefeld

www.haus-und-grund.net

Haus & Grund Rheinland e.V.

Köln

www.hausundgrund-rheinland.de

Haus & Grund Ruhr e.V.

Essen

www.hug-essen.de

Haus & Grund Westfalen e.V.

Hagen

www.hausgrund-westfalen.de

Verband bergbaugeschädigter Haus- und Grundeigentümer e.V.

Herten

www.vbhg.de

Haus & Grund NRW e.V. – Zusammenschluss der Haus & Grund Verbände in Nordrhein-Westfalen

Düsseldorf

www.haus-und-grund-nrw.de

Haus & Grund Rheinland-Pfalz e.V.

Mainz

www.haus-und-grund-rlp.de

Haus & Grund Saarland e.V.

Saarbrücken

www.haus-und-grund-saarland.de

Haus & Grund Sachsen e.V.

Dresden

www.haus-und-grund-sachsen.net

Haus & Grund Sachsen-Anhalt e.V.

Magdeburg

www.hugsa-magdeburg.de

Haus & Grund Schleswig-Holstein e.V.

Kiel

www.haus-und-grund-sh.de

Haus & Grund Thüringen e.V.

Rudolstadt

www.hug-thueringen.de

Die örtlichen Vertretungen von Haus & Grund Deutschland sind anerkannte Partner bei der Erstellung von Mietspiegeln auf kommunaler Ebene. vhw – Bundesverband für Wohneigentum und Stadtentwicklung e.V. Berlin www.vhw-online.de Der vhw kann auf eine 60-jährige Tradition zurückblicken und ist als Verband in den Themen Wohnungs- und Städtebau, Raumordnung und Umwelt tätig. Er nimmt bundesweit Aufgaben in der Politikberatung und im Rahmen weiterer Dienstleistungen, etwa im Bereich der Fortbildung und des Consulting wahr. Seine ca. 1.300 Mitglieder setzen sich aus dem Bereich Kommunen, Landkreise sowie aus der Immobilien- und Kreditwirtschaft, aber auch aus weiteren Immobilienverbänden und –institutionen zusammen. Der vhw ist somit kein reiner Kommunalverband.

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

637

KSD Katholischer Siedlungsdienst e.V. Bundesverband für Wohnungswesen und Städtebau Berlin www.ksd-ev.de Dieser Verband mit konfessioneller Ausrichtung wurde bereits 1930 von der Deutschen Bischofskonferenz gegründet. Mitglieder des Traditionsverbandes sind 47 Wohnungsunternehmen, die 27 deutschen Bistümer sowie überörtliche Einrichtungen wie die Caritas, das Zentralkomitee der Katholiken und der Familienbund der Katholiken. Der Verband handelt als Spitzenverband der kirchlich gebundenen und kirchlich organisierten Wohnungs- und Städtebauunternehmen in Deutschland. Evangelisches Siedlungswerk Deutschland e.V. Nürnberg www.esw-deutschland.de Das Evangelische Siedlungswerk Deutschland ist ebenfalls ein Verband mit konfessioneller Ausrichtung. Es ist der Dachverband der evangelischen Wohnungsunternehmen mit einer mehr als 50-jährigen Tradition. Eine der Zielsetzungen dieses Verbandes ist die Artikulierung der Wertvorstellungen der christlichen Ethik im politischen Bereich im Hinblick auf wohnungswirtschaftliche Entwicklungen. Urban Land Institute (ULI) Hamburg www.uli.org Das Urban Land Institute ist schwer einzuordnen. Der Verband wurde bereits im Jahr 1936 als Forschungs- und Bildungseinrichtung gegründet. Die weltweit ca. 25.000 Mitglieder – davon ca. 1600 in Europa – kommen aus dem Bereich der Projektentwicklung. In der Bundesrepublik Deutschland wird dieser bedeutende Immobilienverband durch das ULI Germany Executive Committee repräsentiert. Deutscher Verband der Projektmanager in der Bau- und Immobilienwirtschaft e.V. (DVP) Wuppertal www.dvpev.de Dieser Verband (früher Deutscher Verband der Projektsteuerer e.V.) versteht sich in einer Doppelfunktion als Berufsverband für diejenigen Personen in der Immobilienwirtschaft, die im Bereich der Projektsteuerung im Bauwesen tätig sind sowie als fachliche Plattform für den Austausch zwischen Immobilienpraxis und einschlägigen Fachleuten. Die große Mehrzahl der 157 Mitglieder sind Firmenmitglieder (98).

638 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen HypZert e.V. (Verband der HypZert–qualifizierten und zertifizierten Immobiliengutachter) Berlin www.values-corner.de Der Verband mit Ausrichtung auf Sachverständigentätigkeit im Immobilienbereich versteht sich als Berufsverband der HypZert-qualifizierten und zertifizierten Immobiliengutachter. Er profiliert sich durch die Förderung der Verbreitung der europäischen Personalzertifizierungsnormen EN 45013/ISO 17024. HypZert-qualifiziert bzw. zertifiziert werden Immobiliengutachter durch die HypZert GmbH. Dieses Unternehmen wird von den Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft getragen. Die Zertifizierungen werden von der Deutschen Bankenaufsicht anerkannt. Bundesverband Deutscher Grundstückssachverständiger e.V. (BDGS) München www.bdgs.de Als weiterer Verband mit Ausrichtung auf Sachverständigentätigkeit im Immobilienbereich ist der BDGS ein Berufsverband für Grundstückssachverständige. BIIS Bundesverband der Immobilien-Investment-Sachverständigen e.V. Frankfurt am Main www.biis.info Auch dieser Verband besitzt eine Ausrichtung auf Sachverständigentätigkeit im Immobilienbereich. Es handelt sich um einen Berufsverband für Sachverständige, die sich auf die Bewertung von gewerblichen Großimmobilien spezialisiert haben. Der BIIS verfügt über rund 85 Mitglieder, von denen etwa zwei Drittel für Offene Immobilienfonds tätig sind. Der Verband profiliert sich neben der Interessenvertretung für seine Mitglieder auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung und der Förderung des qualifizierten Nachwuchses an Immobilien-Investment-Sachverständigen. Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) Wiesbaden www.gif-ev.de Die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. ist der führende Verband mit wissenschaftlicher Ausrichtung in Deutschland. Er verfügt über mehr als 800 Mitglieder mit steigender Tendenz. Seine Zielsetzung ist die Förderung von Lehre und Forschung in der Immobilienökonomie und verwandten Disziplinen. Der Verband bietet sich als Informa-

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

639

tions- und Diskussionsforum zwischen dem wissenschaftlichen Bereich und der Immobilienpraxis an. Er fördert Forschungsaktivitäten und vergibt beispielsweise Forschungspreise an Diplomanden und Doktoranden für außergewöhnliche Leistungen. Die Verbandszeitschrift der gif ist die „ZIÖ Zeitschrift für Immobilienökonomie“. Sie ist die führende immobilienwirtschaftliche Fachpublikation mit internationalem Profil. Die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) ist Mitglied der European Real Estate Society (ERES). Der Verband hat sich durch Arbeitskreise profiliert, die zu folgenden Themen bestehen: •

Flächendefinition



Marktanalysen



Marktwertermittlung



Immobilienmediation



Anlageprodukte



Risikomanagement



PRE Management



Einzelhandel



Immobilienmarketing



Facility Management



Flächenrecycling



Denkmalschutz



Serviceimmobilien



REI Management



Wohnimmobilien



Immobilien Rating



REI Banking



Real Estate Economics & Politics.

Diese Arbeitskreise erarbeiten Richtlinien, Empfehlungen und Definitionen für die Immobilienwirtschaft. Beispiele hierfür sind: •

die Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für gewerblichen Raum MF-G, 1. November 2004 (abgestimmt mit dem DIN Normenausschuss Bau, Arbeitsgruppe DIN 277 und der deutschen Vertretung der RICS sowie den Fachverbänden IFMA und GEFMA)

640 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen •

die Empfehlungen zur Prospektierung und zur Berechnung von Prognoserenditen geschlossener Immobilienfonds (unterzeichnet von nahezu allen wesentlichen Marktteilnehmern)



die Empfehlungen zur Kalkulation für werdendes Bauland und zum Aufbau und Inhalt von Grundstücksmarktberichten



die Begriffs- und Lagedefinitionen der Einzelhandelsanalytik sowie die Richtlinie für kommunale Einzelhandelsgutachten.

Wissenschaftlich ausgerichtete Foren dienen dem Austausch zwischen Theorie und Praxis. Thematische Schwerpunkte solcher Veranstaltungen waren bisher: •

Immobilien–Risikomanagement



Indirekte Immobilienanlagen



Metropolen versus Mittelstädte



Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Immobilienmärkte.

Die Arbeit der gif bildet einen wichtigen Baustein für die Zusammenführung von Impulsen aus der immobilienwirtschaftlichen Praxis und wissenschaftlichen Forschungsaktivitäten. Wissenschaftliche Vereinigung zur Förderung des Immobilienjournalismus e.V. Berlin www.wvfi.de Das Ziel dieser Vereinigung ist die „Förderung von Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet eines unabhängigen, sachverständigen und wissenschaftlich fundierten Immobilienjournalismus“. Dieses Ziel wird durch die Förderung wissenschaftlicher Projekte sowie die Vergabe von Preisen wie des deutschen Preises für Immobilienjournalismus und von Sonderpreisen für wissenschaftliches Arbeiten unterstützt. Die Vereinigung verfügt über rund 30 Förderer vor allem aus dem Bereich gewerblicher Immobilienunternehmen. Gesellschaft zur Förderung der Forschung auf dem Gebiet des Siedlungs- und Wohnungswe-sens e.V. Münster www.wiwi.uni-muenster.de/insiwo/organisation Bei dieser Organisation handelt es sich um eine Fördergesellschaft, die die Arbeit des Instituts für Siedlungs- und Wohnungswesen der Universität Münster unterstützen soll. Die Vereinigung verfügt über ca. 150 Mitglieder aus verschiedenen Bereichen wie Wohnungsunternehmen, Verbänden, Finanzierungsinstituten, Ministerien, Behörden und ehemaligen Institutsangehörigen.

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

641

Bundesverband der Fach- und Betriebswirte in der Immobilienwirtschaft e.V. Wiesbaden www.bfb-immo.de Der Verband versteht sich als Berufsverband für Fachwirte und Führungskräfte der Immobilienwirtschaft. Die Regelmitgliedschaft ist auf natürliche Personen ausgelegt, welche die Ausbildung zum staatlich geprüften Fachwirt der Immobilienwirtschaft oder aber einen akademischen Abschluss mit der Fachrichtung Immobilienwirtschaft und Realkreditwesen haben. Mitglieder können auch Hochschulabsolventen mit einer mindestens dreijährigen Praxis in der Immobilienwirtschaft sein bzw. leitende Angestellte in der Immobilienwirtschaft mit mindestens zehnjähriger Praxis. agenda4-eCommunity e.V. (Verein zur Förderung einer interdisziplinären Aus- und Weiterbildung in der Immobilienwirtschaft) Berlin www.agenda4-online.de Anliegen dieser Vereinigung ist die Förderung einer nachhaltigen Stadt-, Immobilien- und Gebäudeentwicklung. Als Profil für die Tätigkeiten des Verbandes wird eine Plattform zwischen Immobilienpraxis und immobilienwirtsch. Ausbildungsgängen geboten. Frauen in der Immobilienwirtschaft e. V. Frankfurt am Main www.immo-frauen.de Dieser bundesweit agierende Verband hat sich zum Ziel gesetzt, Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft zu unterstützen. Der Verein profiliert sich insbesondere durch die Förderung der Chancengleichheit von Frauen, der Förderung kultureller Aspekte der Immobilienwirtschaft und dem langfristigen Ziel, die Zahl von Frauen in Führungspositionen in der Immobilienwirtschaft zu erhöhen. Das Netzwerk besteht aus einer Bundesorganisation und 7 Regionalgruppen: •

Berlin (www.berlin.immo-frauen.de)



Hamburg (www.hamburg.immo-frauen.de)



München (www.muenchen.immo-frauen.de)



Nordrhein-Westfalen (www.nrw.immo-frauen.de)



Rhein-Main (www.rhein-main.immo-frauen.de)



Sachsen (www.sachsen.immo-frauen.de)



Stuttgart (www.stuttgart.immo-frauen.de).

642 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen (5)

Immobilienwirtschaftlich relevante Verbände aus dem Finanzierungsbereich

Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V. Berlin www.hypverband.de Dieser Verband ist ein Unternehmensverband, der die Interessen der deutschen Hypothekenbanken vertritt. Die Mitgliedsinstitute sind: •

Areal Bank AG



Allgemeine HypothekenBank Rheinboden AG



Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG



Berlin-Hannoversche Hypothekenbank



Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank AG



Deutsche Hypothekenbank (Act.-Ges.)



Deutsche Schiffsbank AG



Dexia Kommunalbank Deutschland AG



Düsseldorfer Hypothekenbank AG



Eurohypo Aktiengesellschaft



HSH Nordbank Hypo AG



Hypo Real Estate Bank Aktiengesellschaft



Hypo Real Estate Bank International AG



Hypo Real Estate Holding



Hypothekenbank in Essen AG



Karstadt Hypothekenbank AG



Landesbank Baden-Württemberg



Münchener Hypothekenbank eG



M. M. Warburg & CO Hypothekenbank AG



SEB AG



Sparkasse KölnBonn



Westdeutsche ImmobilienBank



WL-Bank Westfälische Landschaft Bodenkreditbank AG



Wüstenrot Bank AG Pfandbriefbank.

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

643

Verband der Privaten Bausparkassen e.V. Berlin www.bausparkassen.de In diesem seit 1948 bestehenden Unternehmensverband sind private Bausparkassen zur Interessenwahrung zusammengeschlossen. Die Mitglieder sind: •

Aachener Bausparkasse AG



Allianz Dresdner Bauspar AG



Alte Leipziger Bauspar AG



Bausparkasse Mainz AG



BHW Bausparkasse AG



Debeka Bausparkasse AG



Deutsche Bank Bauspar AG



Deutsche Bausparkasse Badenia AG



Deutscher Ring Bausparkasse AG



HUK-Coburg-Bausparkasse AG



Quelle Bauspar AG



Bausparkasse Schwäbisch Hall AG



Signal Iduna Bauspar AG



Vereinsbank Victoria Bauspar AG



Wüstenrot Bausparkasse AG.

(6)

Zusammenschlüsse von immobilienwirtschaftlichen Verbänden bzw. Brancheninitiativen

Zu den aus Zusammenschlüssen von immobilienwirtschaftlichen Verbänden hervorgegangenen Spitzenverbänden der deutschen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft zählen beispielsweise •

der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.,



der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V. sowie



der Zentralverband der deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. – Haus & Grund,

644 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen aber auch weitere Verbände, die kraft ihrer Größe und Bedeutung als Spitzenverband bezeichnet werden. Es handelt sich wie z.B. beim GdW häufig um einen „Verbändeverband“, also um einen Verband der Verbände. Gemäß der Erkenntnis, dass bestimmte Verbandsaktivitäten – etwa in der Politik oder in der Öffentlichkeitsarbeit – erst ab einem bestimmten Aktivitätsniveau erfolgversprechend organisiert werden können (Abschnitt 6.2.1), haben sich in letzter Zeit auch einige verbandsübergreifende Zusammenschlüsse bzw. Brancheninitiativen ergeben. So zum Beispiel: BAG Bundesarbeitsgemeinschaft der Deutschen Immobilienwirtschaft Im Jahr 2003 schlossen sich einige Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft zur BAG Bundesarbeitsgemeinschaft der Deutschen Immobilienwirtschaft zusammen, um die vielschichtigen Interessen der komplexen Immobilienbranche zusammenzufassen und nach außen hin zu artikulieren. Der Zusammenschluss besteht aus folgenden Spitzenverbänden: •

dem GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.,



dem BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V.,



dem Zentralverband der deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. – Haus & Grund

und ihren Partnern, •

dem BFW Bundesfachverband Wohnungs- und Immobilienverwalter e.V.,



dem Dachverband Deutscher Immobilienverwalter e.V. (DDIV) sowie



dem Verband Deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V.

Die BAG stellt die größte Interessenvertretung der Immobilienbranche in Deutschland dar. Sie umfasst privatwirtschaftliche, kommunale und genossenschaftliche Wohnungs- und Immobilienunternehmen sowie Immobilienfonds, Projektentwickler, Bauträger, Einzeleigentümer und Makler. Die Bundesarbeitsgemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die „politischen, rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen der deutschen Immobilienwirtschaft entsprechend ihrer herausragenden volkswirtschaftlichen Bedeutung zu verbessern“. Zudem will sie die Verbandsarbeit der Spitzenverbände in Brüssel koordinieren. „Mit einer Stimme“-Bündelungsinitiative in der Deutschen Immobilienwirtschaft e.V. Frankfurt am Main www.miteinerstimme.de Diese Brancheninitiative verfolgt unterschiedliche Ziele. Sie möchte die Interessen der Teilnehmer in der Immobilienwirtschaft vertreten und ein Forum für Dialog sein. Weitere Ziele sind unter anderem die Transparenz in der Immobilienwirtschaft zu erhöhen und die Aus-

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

645

und Weiterbildung sowie die immobilienwirtschaftliche Forschung zu stärken. Diesem Verein gehören große Immobilienunternehmen an, jedoch keine Immobilienverbände. Initiative Corporate Governance der Deutschen Immobilienwirtschaft e.V. Düsseldorf www.immo-initiative.de Die Mitglieder dieser Brancheninitiative sind sowohl persönliche Mitglieder als auch Immobilienunternehmen bzw. Unternehmen, die mit der Immobilienwirtschaft verbunden sind. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Verhaltensregeln für eine ordnungsgemäße und lautere Geschäftsführung in der Immobilienwirtschaft zu erstellen.

6.3.2.2

Verbraucherverbände

Deutscher Mieterbund e.V. (DMB) Berlin www.mieterbund.de Der Deutsche Mieterbund hat sich in seiner über 125-jährigen Geschichte als einflussreiche Verbraucher- und Schutzvereinigung für Mieter organisiert. Es bestehen in allen Bundesländern Landesverbände, die wiederum als vorgeschaltete Organisation für 350 örtliche Mietervereine dienen. Die Mietervereine bieten ihren Mitgliedern aktive Beratung und Hilfe in allen Angelegenheiten, die ein Mietverhältnis betreffen. Die örtlichen Mietervereine sind anerkannte Partner bei der Erstellung von Mietspiegeln. Deutscher Siedlerbund e.V. Gesamtverband für Haus- und Wohneigentum Bonn www.siedlerbund.de Der Verband versteht sich als Interessenvertretung für Immobilieneigentümer mit selbstgenutztem Wohneigentum. Die Verbraucherberatung steht an oberster Stelle der Profilierung dieses Verbandes. Landesverbände bestehen in allen Bundesländern. Landesverband BadenWürttemberg e.V.

Karlsruhe

www.siedlerbund.de/badenwuerttemberg

Landesverband Bayern e.V.

Weiden/OPf.

www.bayerischer-siedlerbund.de

Landesverband BerlinBrandenburg e.V.

Berlin

www.siedlerbund.de/berlin

646 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen Landesverband der Brandenburgischen Siedler e.V.

Birkenstein

www.siedlerbund.de/brandenburg

Landesverband Bremen e.V.

Bremerhaven

www.siedlerbund.de/bremen

Verband für Haus- und Wohneigentum Hamburg e.V.

Hamburg

www.siedlerbund.de/hamburg

Landesverband Hessen e.V.

Oberursel/Taunus

www.siedlerbund.de/hessen

Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Rostock

www.siedlerbund.de/mecklenburgvorpommern

Landesverband Niedersachsen e.V.

Hannover

www.siedlerbund-nds.de

Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.

Düsseldorf

www.siedlerbund.de/rheinland

Mühlheim/ Ruhr

www.siedlerbund.de/ruhr-niederrhein

Dortmund

www.siedlerbund.info

Landesverband Rheinland-Pfalz e.V.

Weißenthurm

www.siedlerbund.de/rheinland-pfalz

Landesverband Saarland e.V.

Völklingen

www.siedlerbund.de/saarland

Sächsischer Landesverband Siedler e.V.

Leipzig

www.siedlerbund.de/sachsen

Landesverband SachsenAnhalt e.V.

Halle/Saale

www.siedlerbund-sachsenanhalt.de

Landesverband Schleswig-Holstein e.V.

Neumünster

www.siedlerbund.de/schleswig-holstein

Verband für Familienheim, Wochenendsiedlung und Garten e.V.

Suhl

www.siedlerbund-thueringen.de

Ring Deutscher Siedler (RDS) e.V. Bonn www.rdsv.de

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

647

Ziel des Verbandes ist die Förderung des Siedlungs- und Eigenheimgedankens, wozu vor allem die Vorbereitung von Siedlungs- und Eigenheimmaßnahmen gehört. In diesem Dachverband organisiert sind sowohl Einzelmitglieder als auch örtliche Siedlergemeinschaften.

6.3.3

Immobilienwirtschaftlich relevante Verbände mit Doppelfunktion

Arbeitgeberverband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V. Düsseldorf www.agv-online.de Die zentrale Aufgabe dieses Arbeitgeberverbandes ist die Aushandlung von Tarifverträgen mit Gewerkschaften für Unternehmen, insbesondere der Partnerverbände. Diese Partnerverbände kommen aus dem Bereich des GdW Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.

6.4

Ausblick: Die Zukunft des immobilienwirtschaftlichen Verbandswesens

Die Vielfalt und Vielgestaltigkeit des immobilienwirtschaftlichen Verbandswesens in Deutschland ist beeindruckend. Ganz ohne Zweifel verändern die Verbände der Wohnungsund Immobilienwirtschaft die marktwirtschaftliche Ordnung in ihrem Wesenskern. Das immobilienwirtschaftliche Verbandswesen ist mithin ein essenzieller Bestandteil der sozialen Wohnungsmarktwirtschaft. Betrachtet man die Kooperationstheorie, so wird deren Vorhersage, dass speziell Branchenverbände eine hohe Kooperationseffizienz aufweisen (Abschnitt 6.2) durch die Vielfalt der Unternehmens- und Berufsverbände (Abschnitt 6.3.2.1) eindrucksvoll bestätigt. Es dürfte für diese Gruppen in der Regel kein Problem sein, den für eine Verbandsgründung notwendigen Schwellenwert an Verbandsaktivität zu erreichen. Vielmehr dürfte das Aktivitätsniveau dieser Branchenverbände häufig sogar so groß sein, dass ein optimaler Nettonutzen für die Mitglieder möglich wird. Und nicht nur das: den Branchenverbänden bieten sich zudem auch gute Möglichkeiten, den auftretenden Kollektivgutproblemen durch selektive Anreize zu begegnen. Gleichwohl befindet sich die immobilienwirtschaftliche Verbandslandschaft gegenwärtig in einem Umbruchprozess. Traditionelle Verbandsbindungen, wie sie in der Vergangenheit speziell in der Wohnungswirtschaft üblich waren, lockern sich. Ausgelöst wurde dieser Umbruchprozess zunächst durch die Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und somit der Pflichtprüfung für eine Reihe von ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen. Der erhebliche Rückgang der Wohnungsbauförderung hat ebenfalls zu einer Lockerung der Verbandsbindung in der Wohnungswirtschaft beigetragen. Nunmehr vollzieht

648 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen sich ein Wandel in den Eigentümerstrukturen, insbesondere bei Wohnungsunternehmen im Eigentum der öffentlichen Hand. Dies könnte möglicherweise zu weiteren Veränderungen der Verbandslandschaft beitragen. Der nicht zur Wohnungswirtschaft zählende Bereich der Immobilienwirtschaft zeichnete sich bislang durch einen eher geringen Organisationsgrad aus. In diesem Segment der Immobilienwirtschaft bilden sich aber neue Verbandsstrukturen. Besonders in diesem Bereich ist die Internationalisierung der Immobilienwirtschaft deutlich zu spüren. Im Kontext einer tendenziell abnehmenden Verbandsbindung ist zu beobachten, dass Mitgliedschaften im Hinblick auf ihren tatsächlichen Mehrwert hinterfragt werden. Es kommt also für die Verbände zunehmend darauf an, den konkreten Nettonutzen für ihre Mitglieder deutlich herauszustellen. Hier spielen wiederum selektive Anreize eine wichtige Rolle, wie beispielsweise exklusive Fort- und Weiterbildungsangebote für die Mitglieder, aber auch der mögliche Netzwerknutzen einer Mitgliedschaft. Dieser wird mit steigender Mobilität innerhalb der Branche immer wichtiger. Dabei ist der erwartete Nutzen einer Netzwerkzugehörigkeit vor allem bei persönlichen Mitgliedschaften zu sehen. Diese werden zunehmend als äußeres Zeichen von Professionalität und Weiterbildungsbereitschaft gewertet. Dies dürfte wiederum die Stellung von immobilienwirtschaftlichen Verbänden fördern, bei denen eine persönliche Verbandsmitgliedschaft im Vordergrund steht. Auch werden sich über die bestehenden Verbände hinaus neue Netzwerke etablieren. Ein Beispiel hierfür sind Alumni-Vereinigungen von ehemaligen Studierenden renommierter Aus- und Weiterbildungseinrichtungen der Immobilienwirtschaft, wie etwa der Verein der Ehemaligen und Förderer der Post-Graduate-Studiengänge zur Immobilienökonomie an der European Business School e.V. („immoebs“). Die Entwicklung der immobilienwirtschaftlichen Verbände zeigt ein nachdrückliches Bemühen um Profilerweiterung. Die neue Definition des Selbstverständnisses von Branchenakteuren in Zusammenhang mit umfassenden, an der Lebenszyklusbetrachtung der Immobilie orientierten Profilen, schlägt sich in der Verbandslandschaft nieder. Dies bedingt ein generell höheres Aktivitätsniveau der Verbände und damit absolut steigende Kooperationskosten. Die Profilerweiterung ist aber nur dann sinnvoll, wenn ihre marginalen Vorteile für die Mitglieder die marginalen Kosten übersteigen. Dabei wird die Effektivität eines Immobilienverbandes entscheidend von seiner Personalkapazität (insbesondere hauptamtlich, aber auch nebenamtlich) beeinflusst. Bei immobilienwirtschaftlichen Verbänden setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die sprichwörtliche Zerklüftung der Verbandslandschaft einer kosteneffizienten Bereitstellung von Leistungen bzw. einem angemessenen Einfluss im politischen Bereich hinderlich ist. So wird das Fehlen einer repräsentativen und umfassenden Interessenvertretung der Immobilienwirtschaft von der Branche selbst als schwerwiegendes Problem erkannt. Dies fördert Konzentrationstendenzen oder die bereits angesprochenen Verbandskooperationen in Form von Arbeitsgemeinschaften bzw. Brancheninitiativen. Es bleibt abzuwarten, welche dieser Initiativen den gesetzten hohen Ansprüchen gerecht werden wird. Gleiches gilt für die zunehmend notwendigen Aktivitäten im internationalen, insbesondere europäischen Raum. Diesbezüglich dürfte sich das verbandsimmanente Spannungsverhältnis zwischen Landes- und Bundesorganisationen verschärfen. Einen wichtigen Einfluss auf die zukünftige

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

649

Entwicklung der Immobilienverbände in der Bundesrepublik Deutschland wird somit auch die Entwicklung des Föderalismus im immobilienwirtschaftlich relevanten Bereich haben, also z.B. des Baurechts, der Wohnungsbauförderung, des Wettbewerbsrechts sowie des Berufs- und Standesrechts.

650 6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

Literaturverzeichnis zu Kapitel 6 Dülfer, E. (1995): Betriebswirtschaftslehre der Genossenschaften und vergleichbarer Kooperative, 2. Aufl., Göttingen Eschenburg, T. (1955): Herrschaft der Verbände?, Stuttgart Eynern, G. v. (1968): Grundriss der Politischen Wirtschaftslehre, Köln und Opladen Grosskopf, W. (1986): Konzentration im Genossenschaftswesen – Aufhebung genossenschaftlicher Grundsätze?, in: Laurinkari, J. (Hrsg.): Die Prinzipien des Genossenschaftswesens in der Gegenwart, Festschrift für Vesa Laakkonen, Veröffentlichungen des Forschungsinstituts für Genossenschaftswesen an der Universität Erlangen-Nürnberg, Band 24, Nürnberg, S. 83 – 96 Kirsch, G. (2004): Neue Politische Ökonomie, 5. Aufl., Stuttgart Kruse, J. et al. (1996): Ordnungspolitik, 3. Aufl., Stuttgart-Hohenheim Mändle, E. (o.J.): Gesamtwirtschaftliche und gesellschaftspolitische Bedeutung der Genossenschaften, ADG Studientexte Genossenschaftswesen, Montabaur Mändle, E. (1997): Kooperationen in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, in: Mändle, E./ Galonska, J. (Hrsg.): Wohnungs- und Immobilien-Lexikon, Hamburg, S. 502 – 503 Olson, M. (1968): Die Logik kollektiven Handelns, Tübingen Schulte, K.-W. (2005): Ausbildung und Forschung, in: Immobilienjahresbericht 2006, Frankfurt a. M., S. 113 – 125 Werner, J. (1965): Wirtschaftsverbände, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 12, S. 280 – 288 Weiterführende Literatur: Brey, H.-M. (o.J.): Der Stadt gehört die Zukunft – Lobbying in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, http://deutscher-verband.org/seiten/dv-stichwort/lobbying.asp Egner, B./Georgakis, N./Heinelt, H./Bartholomäi, R.C. (2004): Wohnungspolitik in Deutschland, Positionen. Akteure. Instrumente, Darmstadt Eichener, V./Emmerich, H. v./Petzina, D. (2000): Die unternehmerische Wohnungswirtschaft: Emanzipation einer Branche, Der Strukturwandel der deutschen Wohnungswirtschaft seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main (insbesondere Kapitel 4: Verbandsorganisation der Wohnungswirtschaft und Mieter, S. 193 – 252) Jenkis, H. W. (1985): Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft zwischen Markt und Sozialbindung: Aufsätze und Abhandlungen, Bd. 2, Berlin (Kapitel V.C. Die Prüfungsverbände)

6 Immobilienwirtschaftliches Verbandswesen

651

Petrusek, R. (2005): Vom Verbund zum Netzwerk: Die Bundesvereinigung der Landesentwicklungs- und Immobiliengesellschaften e.V., in: Immobilienjahresbericht 2006, Frankfurt a. M., S. 219 – 223 Werner, K.-H. (1959): Aus der Geschichte des Verbandes, in: Zeitschrift für das gemeinnützige Wohnungswesen in Bayern, Jubiläumsausgabe Mai, München, S. 4 ff.

Stichwortverzeichnis Abschreibungen 32, 279, 536, 542, 598 Absorption 50, 233 Angebotselastizität 9, 15, 341, 342, 343, 344, 345, 349, 488 Angebotskurve 7, 8, 10, 11, 138, 144, 339, 341, 348, 555 Appraisal Smoothing 382 Arbeitslosigkeit 5, 117, 174, 181, 182, 289, 300, 307, 324, 492 Arbeitsproduktivität 313, 314, 315, 316, 318, 319 Arbitrage Pricing Theory 174 Ausbaugewerbe 46, 47, 54, 55 Bankenaufsicht 568, 572, 638 Bankensystem 91, 95, 568 Basel I 96, 567, 572, 573, 574, 575, 579, 581 Basel II XIII, XVI, 38, 50, 89, 96, 97, 98, 105, 106, 109, 244, 249, 250, 450, 461, 567, 574, 575, 579, 581, 585, 586 Bauhauptgewerbe 46, 47, 53, 55, 57, 211 Bauinvestitionen 591 Bauwirtschaft 27, 43, 44, 45, 46, 47, 49, 50, 51, 52, 55, 56, 59, 63, 64, 65, 66, 74, 140, 237 Bestätigungsheuristik 376 Bevölkerungsentwicklung 117, 305, 306, 309, 312, 319, 320, 327, 328, 329, 562 Bevölkerungsschrumpfung 306, 327, 562 Bruttoanlageinvestition 590 Bürgschaft 536 Bürobeschäftigung 226, 236, 404 Bürofläche 138, 224, 226, 322, 400, 426 Büroimmobilien 58, 61, 62, 86, 172, 183, 223, 224, 234, 235, 236, 274, 306, 369, 370, 371, 395, 397, 398, 401, 408, 415, 467 Bürostandorttheorie 356, 365 Capital Asset Pricing Model 174 Clusterbildung 417, 426, 427 Corporate Governance XIV, 73, 645

deskriptiver Immobilienbewertungsprozess 380 Developer Investor 59 Service- 60 Trader- 60, 62 Discounted Cash Flow 36, 460 Diskontierungsrate 31, 32, 37 Dispositionseffekt 377 Distributionszentrum 241, 247 Diversifikation 84, 115, 183, 192, 193, 194, 283 Drittverwendungsfähigkeit 61, 73, 74, 75, 240, 249, 250, 407, 421 Durbin-Watson Statistik 159, 163 Economies of Scale 53 effiziente Faktorallokation 6 Eigenkapitalunterlegung 567, 572, 573, 575, 576, 577, 579, 581, 584, 585 Einkaufszentren 56, 77, 86, 254, 258, 264, 265, 634 Einzelhandelsfläche 254, 263, 264 Einzelhandelsimmobilien 253, 254, 256, 259, 261, 262, 266, 268, 322, 431, 436, 437, 438, 439, 441, 442, 443 Einzelimmobilie 281 Ertragswertverfahren 36, 193, 208, 379 Erwartungen 200, 204 Erwartungsbildung adaptive 485 rationale 485 Erwartungszeiträume 211 EU-Osterweiterung 239, 242, 246, 428, 485 Facheinzelhandel 254 Fachmarktzentren 254, 265, 432, 442, 634 Fehlbelegung 537 Abgabe 537 Fehlschätzungen 159 Franchise 276 F-Statistik 159

654 Stichwortverzeichnis Geschäftsklima 205 Geschlossene Immobilienfonds 67, 71, 81, 83, 84, 86 Gewerbeimmobilien 61, 88, 161, 236, 240, 274, 283, 323, 500, 630, 632 Gewerbeparks 61, 428 Gewerbesteuereinnahmen 595 Gleichgewicht 8, 11, 62, 138, 139, 140, 141, 143, 144, 145, 177, 179, 180, 200, 239, 250, 297, 298, 299, 337, 339, 343, 357, 478, 492, 508, 548, 555, 611 Gleichgewichtspreis 8, 10, 11, 547 Global Cities 111, 122, 123, 129 Globalisierung XIV, 45, 61, 112, 178, 239, 242, 243, 244, 326, 572 Gross Operating Profit (GOP) 279 Güterverkehrszentren 241 Güterverteilzentrum 242 Handelsimmobilien XVIII, XIX, 17, 61, 62, 395, 431, 432, 433, 444 Hauptrefinanzierungsgeschäfte 502 Haushaltsdefizit 595 Hauspreisindex 291, 294 Headquarterfunktionen 363 Heterogenität 15, 16, 58, 207, 289, 297, 472, 595 Heteroskedastizität 156, 157, 159 Heuristiken 373, 374, 376, 382, 384, 387, 388, 389 Highest and Best Use 379 Hotelbetreiber 281 Hotelimmobilien 273, 274, 278, 280, 281, 282, 283, 284, 286, 326, 395, 449, 450, 468 Hotelportfolio 281 Immobilienaktiengesellschaft 71 Immobilienanalyse 3, 16, 429 Immobilienbestand 594 Immobilienbewertung XI, XVIII, 15, 16, 41, 193, 373, 379, 381, 383, 384, 387 Immobilienfinanzierung X, XVI, 27, 89, 90, 95, 98, 99, 100, 101, 104, 106, 108, 109, 192, 373, 387, 508, 563, 568, 573, 574, 578, 580, 581, 585, 586 Immobilienfonds 280

Immobilieninvestition X, XIII, 38, 88, 98, 149, 158, 160, 161, 163, 165, 169, 373, 384, 389, 399, 420 Immobilien-Projektentwicklung X, XIII, 45, 65, 88, 415, 416, 446 Immobilienzyklen XVII, 2, 115, 127, 133, 171, 172, 174, 175, 177, 180, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 195, 197, 200, 201, 210, 216, 228, 571 Immobilienzyklus, Messung 208 Informationskosten 16, 35, 38, 39, 614 Instandsetzung 537 Internal Rate of Return 32 Internationalisierung 27, 57, 61, 109, 111, 112, 113, 114, 122, 123, 127, 128, 213, 648 Intransparenz 14, 15, 91, 117, 188, 209, 213 Investitionsbedarf 597 Investitionsentscheidung 30, 31, 161, 195, 296, 400, 404, 460 Investitionsvolumina 12, 16, 188, 400, 601 Investmentmarkt 18, 117, 121, 135, 138, 139, 141, 142, 174, 207, 209, 211, 212 Investoren bzw. Eigentümer 280 Kapitalsubvention 536 KEP-Depots 242 Klassifizierung bzw. Kategorisierung 275 Kommunale Aufgabenträger 594 Kommunale Infrastruktur 590 Kommunale Selbstverwaltung 594 Konjunktur XIV, 2, 188, 211, 213, 214, 216, 254, 257, 295, 499, 500, 501, 502, 505, 506, 507, 508, 512, 533 Konjunkturindikator 202, 213 Konjunkturprognose 201 Konjunkturumfragen 200 Konsumgüter 257, 258, 288, 290, 292 Konsumniveau 253, 256, 258, 503 Kontraktlogistik 239, 244, 245, 248, 423, 426 Konzern- bzw. Kettenhotellerie 276 Kooperationen 275 Kreditkanal 502 Kreditwesengesetz 100, 569, 573 Kündigungsschutz 544 Landnutzungstheorie 357

Stichwortverzeichnis 655 Lebenszyklus 3, 15, 45, 49, 50, 186, 187, 293, 319, 364, 366, 478, 599, 602 Leerstand 15, 60, 177, 181, 195, 223, 230, 233, 289, 293, 298, 300, 420 Leerstandsrate 125, 175, 179, 180 Leistungspolitische Instrumente direkte Förderung 535 indirekte Förderung 535 Logistikimmobilien XIX, 61, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 248, 249, 250, 251, 326, 395, 417, 418, 419, 420, 422, 423, 424, 427, 428, 429 Logistikzentrum 241 Lokalisierung 112 Machbarkeitsanalyse 49 Makrostandort 121, 274, 275, 282, 419 Managementimmobilie 274 Managementvertrag 277 Markteintrittsbarrieren 51, 52, 53, 58, 118, 417, 422, 431, 442, 583 Marktgleichgewicht 8, 10, 138, 175, 250, 337, 388 Markträumungspreis 8 Maximalprinzip 6 Messfehler 154, 155 Miete Durchschnitts- 231, 233, 254, 406, 477, 489 Effektiv- 231 Nominal- 231 Spitzen- 125, 172, 181, 231, 254, 268, 269 Mieterschutz 544 Miethöhegesetz 540, 544 Mietwohnungsbau Sozialer 536 Mikrostandort 274, 282, 361, 368, 379, 406, 408 Minimalprinzip 6 Mischformen 278 Modernisierung 537, 544 Modernisierungsförderung 538 Mortgage Equity Withdrawal 503 Mortgage-Backed Securities 101, 102 Motivations- bzw. Sanktionsfunktion 9 Multikollinearität 156, 157, 159, 269

Nachfrage elastisch 9 unelastisch 9 Nachfragekurve 7, 8, 10, 11, 136, 137, 144, 338, 341, 348, 555 neoklassische Theorie 7, 8 neoklassisches Marktmodell 11 Net Operating Profit (NOP) 279 Net Present Value 32 Net-Asset-Value 76 Netto-Zimmerrate 279 Neubaumarkt 135, 139, 140, 141, 144, 174, 211 Nischenstrategie 62 normativer Immobilienbewertungs-Prozess 379 Nutuzungsänderung 344 Nutzermarkt 135, 136, 137, 138, 141, 399 Offene Immobilienfonds 67, 70, 83, 84, 86, 197, 638 Öffentliche Immobilien 590 Öffentliche Immobilieninvestitionen 590 Ökonometrie 41, 146, 149, 150, 153, 154, 168, 337 Omitted Variable Bias 159, 160, 166 Opportunitätskosten 31, 37, 300, 344, 476, 478 Ordinary Least Squares 154 Outsourcing 239, 244, 248, 249, 251, 425, 464, 583 Pachtvertrag 276 Parteien 544 Preiselastizität der Nachfrage 9, 336, 346 Private Equity XVII, 76, 88, 193, 280 Privathotel 275 Produktionsdauer 15, 138 Produktzyklustheorie 364 Prognose X, 16, 55, 131, 133, 145, 192, 200, 202, 214, 216, 217, 218, 220, 232, 233, 261, 310, 318, 321, 372, 462, 463, 466, 602 Prognoseinstrumente 201 Projektentwickler 50, 58, 59, 66, 139, 209, 212, 250, 280, 285, 388, 404, 407, 408, 421, 483, 644 Prospect Theory 376

656 Stichwortverzeichnis Ratings 97, 98, 575, 577, 582 Real Estate Confidence Incator 206 Real Estate Investment Trusts 16, 72, 249, 415 Refinanzierung 95, 96, 100, 101, 103, 106, 284, 567, 569, 570, 571, 584 Reflection-Effekt 377 Regressionsanalyse 232 Regressionsoutput 149, 156, 157, 158, 159, 163, 164 Repräsentativitätsheuristik 375 Risikodiversifikation 38 Risikogewichtung 97 Room Yield 279 Satisficing 385 Serielle Korrelation 156, 157 Sonderabschreibungen 537 sozialer Wohnungsbau 533 Spezialfonds 70, 71, 583 Spezialimmobilen 61 Standard Error 158 Standort 274 Standort- und Marktanalyse 397, 399, 404, 416, 438, 441, 442, 445 Standortfaktoren 286, 358, 360, 361, 363, 367, 369, 399, 400, 404, 408, 409, 424, 437, 438 Standortgebundenheit 14, 15, 533 Standortimage 367, 437 Statistische Verfahren 150 Steuervergünstigungen 535 Subjektsubvention 535 Subsidiaritätsprinzip 594 Substituierbarkeit 17 Suchkosten 15 Sunk-Cost-Effekt 377 Supermärkte 86 Synergieeffekte 246, 248, 365 Teilbarkeit 17

Teilmärkte 5, 17, 18, 58, 126, 135, 136, 141, 174, 207, 210, 213, 254, 401, 406, 413, 471, 472, 479, 489, 490, 491, 493, 534 räumliche 17 sachliche 17 Theorie der zentralen Orte 357 Time-Lags 177, 178, 182, 188, 223, 228 Trade-off-Theorie 478 Transaktionskosten 15, 16, 29, 35, 39, 40, 75, 103, 114, 118, 127, 301, 487, 492, 601 Umschlagzentren 241 Uniform System of Accounts for the Lodging Industry (USALI) 278 Venture Capital 76 Verankerungsheuristik 375 Verfügbarkeitsheuristik 375 Vergleichsmiete 540, 544 Vergleichswertverfahren 37, 379, 380 Verhaltensrelevanz der Beurteilungen und Erwartungen 205 Vermögenseffekt 502 Versandlager 241, 242 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 590 Warenhäuser 254, 255 Warenhäusern 79 Warenverteilzentrum 241, 242 Wohneigentum 533, 534 Wohngeld 535, 541 Wohnimmobilien XI, 2, 36, 61, 161, 194, 258, 287, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 294, 295, 296, 297, 298, 300, 321, 322, 379, 395, 468, 471, 472, 473, 500, 508, 511, 512, 576, 622, 639 Wohnraumkündigungsschutzgesetz 544 Wohnungspolitik 532, 533, 544 Begriff, Definition 532 Zentrifugale Kräfte 124 Zentripetale Kräfte 124 Zimmerauslastung 279 Zinssatzänderungen 501