Immobilienökonomie. BAND Immobilienökonomie: Band II: Rechtliche Grundlagen [2., völlig überarb. und erw. Aufl.] 9783486838183

Band II der Immobilienökonomie von Professor Schulte beschäftigt sich mit den Themen Rechtordnung und Immobilienökonomie

262 55 26MB

German Pages 1005 [1008] Year 2014

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Immobilienökonomie. BAND Immobilienökonomie: Band II: Rechtliche Grundlagen [2., völlig überarb. und erw. Aufl.]
 9783486838183

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Immobilienökonomie Rechtliche Grundlagen

Herausgegeben von

Prof. Dr. Karl-Werner Schulte HonRICS unter Mitarbeit von Prof. Dr. Wilhelm Haarmann, Prof. Inge Jagenburg, Prof. Dr. Walter Jagenburg, Prof. Dr. Jürgen Kohler, Prof. Dr. Michael Krautzberger, Prof. Dr. Eberhard Meincke, Joachim Schmidt, Prof. Dr. Jochen Sigloch, Dr. Frank Stellmann, Prof. Dr. Rudolf Stich, Irene Thiele-Mühlhan, Wolfgang Usinger, Hans G. Utech

2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2006 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 3-486-57806-5 ISBN 978-3-486-57806-5

Inhaltsübersicht

V

Inhaltstibersicht Vorwort des Herausgebers Vorwort des Herausgebers zur zweiten Auflage Verzeichnis der Autoren 1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie Karl-Werner Schulte

XI XIII XV

1

1.1 Einleitung

2

1.2 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der funktionsspezifischen Aspekte der Immobilienökonomie

3

1.3 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der phasenorientierten Aspekte der Immobilienökonomie

26

1.4 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der strategiebezogenen Aspekte der Immobilienökonomie

43

2 Grundstücksverkehr

55

2.1 Die Grundstücke und das Grundbuch Irene Thiele-Mühlhan

57

2.2 Der Grundstückskaufvertrag Irene Thiele-Mühlhan

67

2.3 Die Auflassungsvormerkung Irene Thiele-Mühlhan

85

2.4 Die Auflassung Irene Thiele-Mühlhan

91

VI

Inhaltsübersicht

2.5 Das Vorkaufsrecht/ Ankaufsrechte Irene Thiele-Mühlhan 2.6 Das Wohnungseigentum Joachim Schmidt

99

105

2.7 Das Erbbaurecht Wolfgang Usinger

3 Wohn- und Gewerberaummiete Frank Stellmann

143

179

3.1 Einführung

183

3.2 Abschluss und Inhalt des Mietvertrages

186

3.3 Mietgebrauch

219

3.4 Die Beendigung und Abwicklung des Mietverhältnisses

245

3.5 Das Vermieterpfandrecht

263

4 Recht der Immobilienverwaltung Joachim Schmidt

275

4.1 Vorbemerkung

279

4.2 Immobilienverwaltung

279

4.3 Der Immobilienverwalter in der Immobilienwirtschaft

284

4.4 Zugangsvoraussetzungen und Berufsausübungsregelungen

287

4.5 Standards für die Immobilienverwaltung

290

4.6 Der Verwaltervertrag

293

Inhaltsübersicht

VII

4.7 Allgemeine kaufmännische Geschäftsführung

304

4.8 Rechtsberatung durch Immobilienverwalter

327

4.9 Die technische Verwaltung

330

4.10

Forderungseinzug / Risikominimierung von Forderungsausfällen

334

4.11

Immobilienverwaltung und öffentliches Recht

341

4.12

Checkliste für zu übergebende Unterlagen bei der Verwaltung von Wohnungseigentum und Mietobjekten

344

4.13

Checkliste Verwaltersuche

347

4.14

Die Bestellung des Verwalters nach dem Wohnungseigentumsgesetz

347

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben Michael Krautzberger und Rudolf Stich

353

5.1 Einführung in die Bedeutung des öffentlichen Planungs- und Baurechts für die Immobilienökonomie

359

5.2 Die Instrumente für die Schaffung von Bauland durch städtebauliche Planungen, ihr Inhalt und ihre Rechtswirkungen

368

5.3 Die Sachanforderungen an den Inhalt städtebaulicher Planungen

378

5.4 Die Verfahren zur Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung städtebaulicher Planungen

388

5.5 Städtebauliche Verträge

394

5.6 Sicherung der Bauleitplanung

399

5.7 Verwirklichung der städtebaulichen Planungen

402

VIII

Inhaltsübersicht

5.8 Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen

406

5.9 Stadtumbau und Soziale Stadt

410

5.10

Wertermittlung von Grundstücken

411

5.11

Zulassung von Bauvorhaben

412

5.12

Rechtsschutz im öffentlichen Flanungs- und Baurecht

426

6 Immobilienvermittlung Joachim Schmidt

437

6.1 Einleitung

439

6.2 Die gesetzlichen Grundlagen des Maklerberufes

441

6.3 Der Maklervertrag

444

6.4 Die Maklertätigkeit

451

6.5 AGB-Klauseln in Maklerverträgen

454

6.6 Sonderformen der Maklertätigkeit

458

6.7 Der Hauptvertrag

464

6.8 Kausalität

475

6.9 Provisionshöhe und Aufwendungsersatz

482

6.10

Pflichten und Pflichtverletzungen

483

6.11

Der Makler im Wettbewerb

489

7 Errichtung von Immobilien

493

7.1 Die Baubetreuung Eberhard Meincke

495

Inhaltsübersicht

IX

7.2 Der Architekten- und Ingenieurvertrag Walter Jagenburg und Inge Jagenburg

529

7.3 Der Bauvertrag Inge Jagenburg

577

8 Baukreditsicherungsrecht Jürgen Kohler

653

8.1 Einführung

655

8.2 Gemeinsame Problematik und gemeinsamer Lösungsvorrat

656

8.3 Die Sicherung des Baugeldgebers

659

8.4 Die Sicherung des Vergütungsanspruchs des Bauwerksunternehmers

678

9 Besteuerung von Immobilien

695

9.1 Grundlagen der Besteuerung Jochen Sigloch

697

9.2 Steuerliche Behandlung von Immobilien Jochen Sigloch

871

9.3 Ausgewählte Probleme der Besteuerung von Immobilieninvestitionen Hans G. Utech

907

9.4 Besteuerung grenzüberschreitender Immobilieninvestitionen Wilhelm Haarmann

931

Stichwortverzeichnis

969

Vorwort des Herausgebers

XI

Vorwort des Herausgebers Die Immobilienökonomie ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, das in Deutschland 1990 von der ebs IMMOBILIENAKADEMIE begründet und gemeinsam mit dem Stiftungslehrstuhl Immobilienökonomie der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (ebs) Schloss Reichartshausen entwickelt wurde. Das Konzept wird visualisiert durch das Haus der Immobilienökonomie (vgl. Kap. 1, S. 2). Das Fundament der Immobilienökonomie bildet die Betriebswirtschaftslehre, denn immobilienbezogene Entscheidungen von Unternehmen stehen im Mittelpunkt der Disziplin. Aber dem Haus würde die notwendige Standfestigkeit fehlen, wenn es nur auf dem Grund einer einzelwirtschaftlichen Betrachtungsweise der verschiedenen Akteure gebaut wäre. Disziplinen, deren Erkenntnisse wichtige Bestandteile des Fachgebietes Immobilienökonomie bilden, sind die Volkswirtschaftslehre, die Raumplanung, die Architektur, das Ingenieurwesen - und nicht zuletzt die Rechtswissenschaft. Der interdisziplinäre Ansatz hat zur Konsequenz, dass das Gesamtwerk über Immobilienökonomie aus mehreren Bänden bestehen muss. Der erste Band über „Betriebswirtschaftliche Grundlagen" erschien 1998 und war schnell vergriffen, so dass bereits zum Jahr 2000 die zweite Auflage erschien. Nun liegt der zweite Band über „Rechtliche Grundlagen" vor, dem in zwei Jahren der dritte Band über „Raumplanerische Grundlagen" folgen soll. Die Klammer zwischen den vorwiegend juristischen Beiträgen des Bandes II und dem Management-Fokus des Bandes I schlägt der erste Beitrag über „Rechtsordnung und Immobilienökonomie". Hier verdanke ich wertvolle Anregungen meinen wissenschaftlichen Assistenten Frau Dipl.-Kfm. Sonja Gier und Herrn Dipl.-Kfm. Philipp Naubereit sowie einigen Studierenden, die sich im Rahmen von Seminararbeiten mit diesem Thema befasst haben. In den Folgekapiteln werden wichtige Rechtsthemen behandelt, die für die Praxis des Immobiliengeschäfts von höchster Relevanz sind: Grundstücksverkehr, Wohn- und Gewerberaummiete, Immobilienverwaltung, Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben, Immobilienvermittlung, Architekten- und Ingenieurverträge, Baukreditsicherung sowie die Besteuerung von Immobilien. Ausdrücklich möchte ich dabei feststellen, dass dabei nicht „juristischer Tiefgang" angestrebt wird, sondern es darum geht, betriebswirtschaftlich Denkenden und Handelnden

XII

Vorwort des Herausgebers

die notwendigen Grundkenntnisse vor allem von Immobilienrecht und Steuern nahe zu bringen. In diesem Sinne soll der vorliegende Band Studierenden des Fachgebietes Immobilienökonomie eine Lernhilfe bieten sowie dem Praktiker als Nachschlagewerk dienen. Für Spezialfragen ist auf die juristische Literatur zurückzugreifen oder der Rat des Anwalts einzuholen. Auch für Band II gilt, was ich bereits im Vorwort zum ersten Band geschrieben habe: Ein von 13 Autoren verfasstes Werk kann natürlich nicht „mängelfrei" sein. Es bedarf nun noch der Abnahme durch die „Bauherren", die Leser. Die „Mängelbeseitigung" muss allerdings späteren Auflagen vorbehalten bleiben. Hinweise und Verbesserungsvorschläge dazu sind stets willkommen. Die Verfasser der einzelnen Beiträge sind Dozenten der ebs IMMOBILIENAKADEMIE oder des Stiftungslehrstuhls Immobilienökonomie der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (ebs) Schloss Reichartshausen. Sie sind ausnahmslos renommierte Experten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet und haben sich der nicht einfachen Aufgabe gestellt, ihr großes Fachwissen in konzentrierter, zielgruppenadäquater und auch für Nicht-Juristen verständlicher Form zu Papier zu bringen. Dafür möchte ich allen Beteiligten auf das Herzlichste danken. Sie haben einen wertvollen Beitrag zum „Haus der Immobilienökonomie" geleistet. Bedanken möchte ich mich auch bei Frau Rechtsassessorin jur. Ruth Sroka, die mich bei der Konzeption dieses Bandes unterstützt hat, sowie bei Frau cand. rer. pol. Samira Rüttgers und insbesondere bei Herrn Dipl.-Bwt. Nico Rottke, MSRE für Korrekturen und Formatierung. Meine Assistentin, Frau Dipl.-Päd. Simone Schlager, behielt bei sechs parallel laufenden großen Buchprojekten stets den Überblick, einen Autor, der „wegen des Buches" anrief, dem richtigen Werk zuzuordnen. Auch ihr sei herzlich gedankt. Nicht zuletzt danke ich meiner Familie für die wohlwollende Gelassenheit, mit der sie meine vielfältigen beruflichen Aktivitäten begleitet.

Johannisberg, im April 2001

Karl-Werner Schulte

Vorwort des Herausgebers

XIII

Vorwort des Herausgebers zur zweiten Auflage Da der Gesetzgeber und die Gerichte regelmäßig für Änderungen sorgen, sind die „Rechtlichen Grundlagen" der Immobilienökonomie in stetigem Wandel. Das Manuskript dieses Buches wurde abgeschlossen, als nach der Bundestagswahl CDU/CSU und SPD ihre Koalitionsgespräche aufnahmen. Damit sind weitere Gesetzesänderungen vorprogrammiert. Dennoch habe ich mich dazu entschlossen, die zweite Auflage jetzt herauszubringen. Formal wurde die neue deutsche Rechtschreibung verwandt, obwohl ich mich mit den neuesten „Reformen" nicht anfreunden kann. Großen Anteil am Gelingen dieses Werkes hat mein Sohn Kai-Magnus, der die Formatierung dieser Auflage mit großem Engagement und Geschick durchgeführt und dabei auch sicher Nützliches für sein BWL-Studium mit Schwerpunkt Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg mitgenommen hat. Weiter bedanke ich mich bei Frau Claudia Mehlinger für das Korrekturlesen sowie bei Herrn Fritz Guthmann für die Erledigung der Korrespondenz mit den Autoren. Last but not least gilt mein besonderer Dank den Autoren für die Überarbeitung ihrer Beiträge. Für Anregungen und Kritik bin ich dankbar.

Johannisberg, im November 2005

Karl-Werner Schulte

Verzeichnis der Autoren

XV

Verzeichnis der Autoren Prof. Dr. Wilhelm Haarmann, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Münster und Freiburg und promovierte 1979 zum Dr. jur. Von 1977 bis 1979 arbeitete er für Arthur Young & Company, von 1979 bis 1987 bei Peat Marwick Mitchell & Co. in München, davon seit 1983 als Partner. 1987 erfolgte die Gründung der Kanzlei Haarmann, Hemmelrath & Partner in München, 1993 der Aufbau der Niederlassung in Frankfurt. Zum heutigen Tag ist die Kanzlei mit Büros in Berlin, Bielefeld, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München, Stuttgart, Brüssel, Bukarest, Budapest, London, Mailand, Moskau, Paris, Prag, Schanghai, Singapur, Tokio, Warschau und Wien mit ca. 1.000 Personen vertreten. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im nationalen und internationalen Steuer-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Er ist Mitglied in verschiedenen berufsständischen Organisationen, teils in verantwortlichen Positionen (u. a. Vorsitzender Steuerfachausschuss Institut der Wirtschaftsprüfer, Mitglied im Vorstand Deutsche IFA) und hält verschiedene Aufsichtsratsmandate (u. a. SAP AG, Vodafone Deutschland GmbH, Aareon AG). Er ist bekannt durch zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge zum Steuer- und Gesellschaftsrecht und ist seit 2000 Honorarprofessor an der Universität Bamberg. Prof. Inge Jagenburg ist Rechtsanwältin am Landgericht und Oberlandesgericht in Köln und Partnerin der Sozietät Jagenburg Rechtsanwälte Berlin/ Dresden/ Köln. Seit 1971 ist Prof. Jagenburg bundesweit und international beratend tätig in allen wesentlichen Bereichen rund um Bau und Immobilie, so vor allem in Bezug auf Bau-, Bauträger-, Architekten-, Ingenieur-, Projektentwicklungs- und Anlagenverträge, sowie im Bereich des juristischen Projektmanagements und der außergerichtlichen Streitschlichtung. Seit 1971 ist Prof. Jagenburg Lehrbeauftragte für Bau- und Architektenrecht an der Fachhochschule Köln, von 1994 bis 2002 war sie Lehrbeauftragte für Bau- Und Architektenrecht an der Technischen Universität Dresden. Sie ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Baurecht, der Gesellschaft für Umweltrecht, des Forum Vergabe, der Gesellschaft für Umweltrecht und der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS). Des Weiteren leitet Prof. Jagenburg den Arbeitskreise für Architekten-, Bau- und Umweltrecht in Berlin/ Dresden/ Köln sowie die Kölner Bautage und ist Mitkommentatorin im Beck'sehen VOB/B-Kommentar Ganten/Jagenburg/Motzke. Prof. Dr. Walter Jagenburg war von 1965 bis 2003 Rechtsanwalt in Köln. Bis zu seinem Tode im Oktober 2003 war Prof. Dr. Jagenburg Partner der Sozietät Jagenburg Rechtsan-

XVI

Verzeichnis der Autoren

wälte Berlin/ Dresden/ Köln. Von 1984 an war er Lehrbeauftragter für Baurecht, ab 1989 Honorarprofessor an der Universität zu Köln. Seit dem 1. Jahrgang 1990 des Kontaktstudiums Immobilienökonomie war Prof. Dr. Jagenburg Dozent an der ebs IMMOBILIENAKADEMIE. Er war Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Baurecht und der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif). Prof. Dr. Jagenburg hielt und schrieb zahlreiche Vorträge, Aufsätze und Buchveröffentlichungen zum privaten Baurecht, u. a. Bindhardt/Jagenburg: Die Haftung des Architekten, 8. Aufl. 1981; Ganten/Jagenburg/Motzke: Gemeinschaftskommentar zur VOB/B, 1997; Jährliche Rechtsprechungsberichte in der Neuen Juristischen Wochenzeitschrift (NJW). Sein Beitrag in der Erstauflage dieses Buches unter Kapitel 7.2 zum Architekten- und Ingenieurvertrag wird nach seinem Tod von Prof. Inge Jagenburg fortgeführt. Prof. Dr. Jürgen Kohler studierte Rechtswissenschaften in Tübingen und Köln von Herbst 1971 bis Januar 1977, Erstes juristisches Staatsexamen Köln 1977, Zweites juristisches Staatsexamen Nordrhein- Westfalen 1979. Wissenschaftlicher Assistent im Institut für Römisches Recht der Universität Köln (Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Römisches Recht und Zivilprozessrecht) von 1979 bis 1989; Promotion 1983 (Das Verfügungsverbot gem. § 938 Abs. 2 ZPO im Liegenschaftsrecht); Habilitation in den Gebieten Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht 1988 (Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge). Lehrstuhlvertretungen und Lehraufträge an den Universitäten Köln, Konstanz und Bielefeld. Ruf auf eine Professur für Bürgerliches Recht und Nebengebiete an der Universität Konstanz 1989. Ruf auf den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht an der wiedererrichteten Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Greifswald 1991; Dekan 1994. Rektor der Universität Greifswald von 1994 bis 2000. Seither führende Mitwirkung in zahlreichen Wissenschaftsorganisationen; namentlich Mitwirkimg im Vorstand (bureau) als deutscher Hochschulvertreter im Ausschuss des Europarates für Hochschulbildung und Forschung, Mitglied im deutschen Akkreditierungsrat und Evaluaüonskommissionsvorsitz im Institutional Evaluation Programme der European University Association. Dozent an der ebs IMMOBILIENAKADEMIE seit dem 1. Jahrgang des Kontaktstudiums Immobilienökonomie. Wichtigste Mitgliedschaften: Deutscher Hochschulvertreter im Ausschuss des Europarates für Hochschulbildung und Forschung; Deutscher Akkreditierungsrat; Beirat des ungarischen Akkreditierungskomitees; Vorsitzender des Academic Board der EuroFaculty Tartu/Riga/Vilnius; Akademie der gemeinnützigen Wissenschaften zu Erfurt; Zivilrechtslehrervereinigung; Vereinigung der Zivilprozessrechtslehrer.

Verzeichnis der Autoren

XVII

Prof. Dr. Michael Krautzberger Geboren am 4. Juni 1943 in Reichenberg; verheiratet; drei Kinder. Volksschule in Wien (Österreich) und Töging am Inn (Bayern). 1953 bis 1962 Gymnasium in Mühldorf am Inn. 1962 bis 1968 Studium der Rechts- und Politikwissenschaft, Soziologie und Kunstgeschichte an der Universität München und an der Hochschule für Politische Wissenschaften in München. 1967 Erste juristische Staatsprüfung. 1967 bis 1971 Rechtsreferendar. 1970 Promotion zum Dr. jur. an der Juristischen Fakultät der Universität München. 1971 Zweite juristische Staatsprüfung. 1993 Honorarprofessor an der Universität Dortmund; seit 1998 Honorarprofessor an der HumboldtUniversität zu Berlin. 1971 bis 1973 Landeshauptstadt München: Referat für Stadtforschung und Stadtentwicklung. Seit 1973 im Bundesministerium für Raumordnimg, Bauwesen und Städtebau: Persönlicher Referent des Staatssekretärs; später Personalreferent, Leiter des Referats Wohnungsmodernisierung, Leiter des Referats Grundsatzfragen des Planungs- und Bodenrechts. Seit 1986 Leiter der Unterabteilung "Städtebau, Forschimg". Seit 1990 Leiter der Unterabteilung "Recht des Städtebaus". 1990 bis 1991 Leiter der Außenstelle Berlin des Ministeriums. Seit 1991 Leiter der Abteilung "Raumordnung und Städtebau"; Ministerialdirektor. Seit 1998 Leiter der Abteilung "Bauwesen und Städtebau". November 2003: Beendigung der Tätigkeit im Bundesministerium. Vizepräsident der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung. Ordentliches Mitglied der Akademie für Raumforschung und Landesplanung. Prof. Dr. Eberhard Meincke ist Partner bei White & Case LLP im Büro Hamburg. Seine anwaltlichen Hauptarbeitsgebiete sind das Grundstücksrecht, das Gesellschaftsrecht (einschließlich M&A) und das Bankrecht. Daneben betreut er Unternehmen in allen Vertragsangelegenheiten, insbesondere auch bei Projektfinanzierungen, Joint Ventures und der Vertriebsorganisation. Eberhard Meincke ist auch bei Gründungen von Tochtergesellschaften insbesondere für ausländische Mandanten sowie bei Umstrukturierungen von Gesellschaften tätig. Er vertritt große und mittlere Unternehmen, Banken, Grundstücksgesellschaften und Immobilienfonds. Seit 1992 ist Eberhard Meincke Lehrbeauftragter und seit 1997 Honorarprofessor an der Universität Greifswald für Wirtschaftsrecht und war seit 1992 lange Jahre Dozent an der ebs IMMOBILIENAKADEMIE im Bereich Immobilienrecht. Er arbeitet als Honorary Legal Advisor für das Königlich Dänische und das Britische Generalkonsulat in Hamburg. Eberhard Meincke ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen von Artikeln zum Bankrecht, Gesellschaftsrecht und Grundstücksrecht.

XVIII

Verzeichnis der Autoren

Joachim Schmidt ist Gründungspartner der Kanzlei Schmalz Rechtsanwälte in Frankfurt am Main. Er ist Dozent an der ebs IMMOBILIENAKADEMIE sowie Präsident des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter e.V. (DDIV), Berlin. Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit sind Projektentwicklung, das Recht der Geschäftsraummiete, das Makler- und Bauträgerrecht und das Wohnungseigentumsrecht. Er ist Mitherausgeber der „NZM", Mitautor in „Immobilien-Makler", Redakteur und Autor in „Der ImmobilienVerwalter" sowie Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Immobilienrecht. Prof. Dr. Karl-Werner Schulte wurde 1986 auf eine Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Investition und Finanzierung, an die EUROPEAN BUSINESS SCHOOL Schloss Reichartshausen berufen. Seit 1990 ist er Wissenschaftlicher Leiter und seit 1992 Geschäftsführender Gesellschafter der ebs IMMOBILIENAKADEMIE. 1994 wechselte er auf den Stiftungslehrstuhl Immobilienökonomie. Besondere Auszeichnungen sind seine Wahl zum Präsidenten der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif), zum Präsidenten der European Real Estate Society (ERES) sowie zum Präsidenten der International Real Estate Society (1RES) als auch seine Ernennung zum Honorary Member of the Royal Institution of Chartered Surveyors (HonRICS); 1999 wurde ihm der 1RES Service Award verliehen. Als Mitglied in zahlreichen Aufsichts- und Beiräten namhafter Immobilienunternehmen sowie Editorial Boards immobilienökonomischer Zeitschriften verbindet Prof. Dr. Karl-Werner Schulte die praktische und theoretische Seite der Immobilienökonomie. Prof. Dr. Jochen Sigloch ist seit 1977 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung an der Universität Bayreuth. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Freiburg und München legte er 1969 an der Ludwigs-Maximilians-Universität München das DiplomExamen in Betriebswirtschaftslehre ab. In München erfolgte auch die Promotion (Unternehmenswachstum durch Fusion, 1971) und die Habilitation (Konzeptionen steuerlicher Erfolgsmittlimg für die Unternehmensbesteuerung, 1976). Seit 1977 ist er an der Universität Bayreuth tätig. Rufen an die Universitäten Duisburg (1988) und Mainz (1993) ist er nicht gefolgt. Seit vielen Jahren lehrt er Immobiliensteuerrecht an der ebs IMMOBILIENAKADEMIE. Arbeitsschwerpunkte sind die interne Unternehmensrechnung mit kurz- und langfristigen Entscheidungskalkülen, die Unternehmensbewertimg und die externe Rechnungslegung. Das besondere Interesse gilt neben allgemeinen Grundsatzfragen der Besteuerung

Verzeichnis der Autoren

XIX

dem Einfluss der Besteuerung auf die Strukturentscheidungen der Unternehmen - Wahl und Wechsel der Unternehmensrechtsform sowie der Standortwahl - und den Steuerwirkungen auf Investiüons-, Finanzierungs- und Kapitalanlageentscheidungen. Dr. Frank Stellmann, Rechtsanwalt, war zunächst (seit 1991) bei der Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale im Bereich Immobilienfinanzierung juristisch tätig. Ab 1993 hat er sich als Rechtsanwalt auf das Immobilienrecht spezialisiert. Seit 1996 ist er im Münchner Büro von Clifford Chance als Partner für das Immobilienrecht zuständig. Seine besonderen Schwerpunkte ist unter anderem die Projektentwicklung, darunter die Vermietung und Anmietung von bebauten und unbebauten Gewerbeimmobilien. Zahlreiche Veröffentlichungen im Immobilienrecht und eine Vielzahl von Vorträgen bei namhaften Veranstaltern weisen ihn als anerkannten Immobilienexperten aus. Seit 1996 lehrt er am Department of Real Estate der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL und an der ebs IMMOBILIENAKADEMIE zu verschiedenen Disziplinen des Immobilienrechts. Prof. Dr. Rudolf Stich war von 1955 bis 1966 Straf-, Zivil- und Verwaltungsrichter, danach bis 1968 Regierungsdirektor in der Staatskanzlei und anschließend Ministerialrat im Kultusministerium des Landes Rheinland-Pfalz. Seit 1958 war er auch Lehrbeauftragter an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. 1971 wurde er als ordentlicher Professor für „Verwaltungs- und Rechtslehre des Bauwesens, der Raumplanung und des Umweltschutzes" an die Universität Kaiserslautern berufen, an der er 1993 emeritiert wurde. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffenüichungen in Buch- und Aufsatzform auf den Gebieten des Bau-, Raumplanungs- und Umweltrechts. Im September 1993 wurde ihm für seine Verdienste um die Weiterentwicklung des Städtebaurechts das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse verliehen. Er lehrte „Öffentliches Planungs- und Baurecht" an der ebs IMMOBILIENAKADEMIE (von 1990 - 2000) und am Stiftungslehrstuhl Immobilienökonomie der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (von 1994 - 2000). Irene Thiele-Mühlhan, Rechtsanwältin, berät in eigener Kanzlei in München in allen Bereichen des Immobilienrechts. Sie verfügt über mehr als 25 Jahre Berufserfahrung, davon über 20 Jahre als Partnerin von Clifford Chance Pünder in deren Büros in Frankfurt am Main und München. Irene Thiele-Mühlhan berät deutsche und ausländische institutionelle Investoren, Projektentwickler und Banken sowie sonstige Finanzinstitutionen und öffentlich-rechtliche Körperschaften in allen Fragen des Immobilienrechts, insbesondere in nationalen und grenzüberschreitenden Grundstückstransaktionen. Seit 1994 ist sie Dozentin an der ebs IMMOBILIENAKADEMIE.

XX

Verzeichnis der Autoren

Wolfgang Usinger ist Rechtsanwalt und Partner der internationalen Anwaltskanzlei Clifford Chance. Sein anwaltlicher Tätigkeitsschwerpunkt ist der gesamte Bereich des Immobilienrechts; Schwerpunkt: Projektentwicklungen. Seine Beratungstätigkeit umfasst u. a. Immobilientransaktionen (Asset und Share Deals), Erbbaurechtsverträge, gewerbliches Mietrecht und Immobilienleasing, Joint Ventures, Bau- und Anlagenbauverträge, GU- und GÜ- Verträge, Betreiberverträge, Managementverträge, Baubetreuungs-, Architekten- und Ingenieurverträge, Projektmanagement, Maklerverträge, Finanzierung, öffentliches Baurecht und baubegleitende Rechtsberatung. Wolfgang Usinger ist außerdem Dozent am Department of Real Estate der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL und der ebs IMMOBILIENAKADEMIE. Er ist ferner Mitherausgeber und Co-Autor von „Immobilien - Recht und Steuern, Handbuch für die Immobilienwirtschaft", in 3. Aufl. erschienen 2004 bei der Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln, sowie Mitherausgeber und Co-Autor von „Real Property in Germany", in 6. Aufl. erschienen 2002 im Knapp-Verlag. Hans G. Utech ist seit dem Jahr 2000 Leiter der Abteilung Tax Engineering der Landesbank Hessen-Thüringen, Bereiche Corporate Finance, Asset Management. Nach dem l.und 2. Juristischen Staatsexamen absolvierte Hans Utech ein Graduiertenstudium an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Nach Abschluss trat er in die Finanzverwaltung Rheinland-Pfalz ein. Er wurde Dozent an der Fachhochschule für Finanzen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesfinanzhof und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesgerichtshof. Er übte auch das Amt des Richters am Finanzgericht Rheinland-Pfalz aus. Lange Jahre war er als Rechtsanwalt und Steuerberater der Arthur Andersen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Andersen-Luther Rechts-Anwaltsgesellschaft tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen strukturierte Finanzierungen, die Strukturierung von Leasingfondsmodellen im privaten und im öffentlichen Bereich für Mobilien, Großmobilien und Immobilien. Weitere Schwerpunkte liegen auf der Strukturierung von Betreiber·, PPP- und PFI-Modellen, der Privatisierung von Wohnungsunternehmen und von produkt- und kundenorientierten Steuergestaltungen für institutionelle und private Investoren.

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie Karl-Werner Schulte*

1.1 Einleitung

2

1.2 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der funktionsspezifischen Aspekte der Immobilienökonomie

3

1.2.1 Recht und Immobilienanalyse

4

1.2.2 Recht und Immobilienbewertung

8

1.2.3 Recht und Immobilienfinanzierung

12

1.2.4 Recht und Immobilieninvestition

15

1.2.5 Recht und Immobilienmarketing

20

1.3 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der phasenorientierten Aspekte der Immobilienökonomie

26

1.3.1 Recht und Projektentwicklung

28

1.3.2 Recht und Bau-Projektmanagement

33

1.3.3 Recht und Facilities Management

40

1.4 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der strategiebezogenen Aspekte der Immobilienökonomie

43

1.4.1 Recht und Immobilien-Portfoliomanagement

43

1.4.2 Recht und Corporate Real Estate Management

44

1.4.3 Recht und Public Real Estate Management

47

1.4.4 Recht und Private Real Estate Management

47

Literaturverzeichnis zu Kap. 1

* unter Mitarbeit von Sonja Gier und Philipp Naubereit

49

2

1 Rechtsordnung und

Immobilienökonomie

1.1 Einleitung Die Schnittstellen zwischen der Immobilienökonomie und der Rechtswissenschaft sind umfangreich und vielfältig. Sämtliche Aspekte des Immobilienmanagements erfordern das Schließen von Verträgen, wobei zahlreiche Gesetze und Verordnungen zu berücksichtigen sind. Folglich bildet die Rechtswissenschaft, insbesondere das Immobilienrecht, neben der Betriebswirtschaftslehre, der Volkswirtschaftslehre, der Raumplanung, der Architektur und dem Ingenieurwesen eines der Fundamente der Immobilienökonomie (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Rahmengerüst zur Immobilienökonomie als wissenschaftlicher Disziplin („Haus der Immobilienökonomie") Die Immobilie ist essenzieller Bestandteil des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Alltags und befindet sich daher im Zentrum sozialer und politischer Kalküle. Da Immobilien den Lebens- und Arbeitsraum moderner Gesellschaften darstellen, kommt ihnen als Produktionsfaktor und Kapitalanlage größte Bedeutung zu. Dies spiegelt sich in der Tatsache wider, dass Immobilien sowohl bei privaten Haushalten als auch bei Unternehmen den größten Anteil am Gesamtvermögen darstellen (Bone-Winkel/Müller, S. 31). Aus dieser volkswirtschaftlichen Bedeutung und den besonderen Merkmalen von Immobilien resultiert sowohl gesetzlicher als auch vertraglicher Regelungsbedarf. So bettet der Gesetzgeber soziale Verpflichtungen des Staates im Hinblick auf den Schutz des Lebensraumes des Menschen und die Bereitstellung von Wohnraum als ein nicht substituierba-

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

3

res Gut in zahlreiche Gesetze ein. Die Eigenschaften von Immobilien wie der lange Lebenszyklus, der hohe Kapitaleinsatz und die stark eingeschränkte Flexibilität erfordern daneben die Bildung von Verträgen, die dazu dienen, das Risiko des einzelnen zu verringern. So reichen die Schnittpunkte der zwei Disziplinen von allgemeinen Gesetzeswerken wie dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Handelsgesetzbuch bis hin zu speziellen wie dem Baugesetzbuch und der Baunutzungsverordnung.. Es ist zu betonen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen erhebliche Einwirkungen auf die Investitionsentscheidungen in Immobilienvermögen haben können, da sie nicht nur über die Art der baulichen Nutzung und die erzielbare Miete entscheiden, sondern auch die Finanzierungsund Investitionsmöglichkeiten beeinflussen. Zur systematischen Abhandlung der relevanten Gesetze empfiehlt sich eine Orientierung an den funktionsspezifischen, phasenorientierten und strategiebezogenen Managementaspekten der Immobilienökonomie, die dem Aufbau des ersten Bandes folgt. Dabei werden alle relevanten immobilienbezogenen Tätigkeiten erfasst. Es gilt jedoch auch zu berücksichtigen, dass Unterschiede zwischen den typologischen Aspekten der Immobilienökonomie auftreten. So ist bspw. der Wohnimmobilienmarkt aus sozialen Erwägungen wesentlich stärker reguliert als der Markt für Gewerbeimmobilien.

1.2 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der funktionsspezifischen Aspekte der Immobilienökonomie Die funktionsspezifischen Aspekte zählen wie die strategiebezogenen und phasenorientierten Aspekte zum Immobilienmanagement. Sie haben die immobilienbezogenen Besonderheiten einzelner betriebswirtschaftlicher Funktionen zum Gegenstand:

Funktionsspezifische Aspekte der Immobilienökonomie Immobilienanalyse

Immobilienfinanzierung

Immobilienbewertung

Immobilienmarketing

Immobilieninvestition Tabelle 1: Funktionsspezifische Aspekte der Immobilienökonomie Daher sind sie als eine Adaption der klassischen betriebswirtschaftlichen Instrumente an die Besonderheiten und Bedürfnisse von Immobilien zu verstehen. Im Folgenden wird

4

1 Rechtsordnung und

Immobilienökonomie

für jeden der funktionsspezifischen Aspekte dargelegt, welche rechtlichen Regelungen und Vorschriften Anwendung finden. 1.2.1

Recht und Immobilienanalyse

Prinzipiell lassen sich Immobilienanalysen in Basisanalysen und Spezialanalysen differenzieren (vgl. Isenhöfer/Hofmann, S. 391 ff.). Immobilienanalysen Basisanalysen

Spezialanalysen

Standortanalysen

Bewertungsanalysen

Marktanalysen

Investitionsanalysen

Gebäudeanalysen

Finanzierungsanalysen

Mietanalysen

Machbarkeitsstudien

Tabelle 2: Das Spektrum der

Immobilienanalysen

Während sich Basisanalysen vornehmlich auf die Immobilie „an sich", d. h. ihre Charakteristika, Potenziale und Probleme konzentrieren, integrieren Spezialanalysen die Ergebnisse der Basisanalysen mit dem Ziel, immobilienbezogene Entscheidungen vorzubereiten und zu unterstützen. Im Weiteren wird auf die Standortanalyse eingegangen, da sie eine Grundvoraussetzung für die Investition in Immobilien darstellt. Die Marktanalysen und die Gebäudeanalysen werden hier nicht behandelt, da rechtliche Rahmenbedingungen eher geringen Einfluss auf diese beiden Arten der Basisanalysen haben. Mietanalysen erfolgen auf der Grundlage des Mietrechts, auf das in Kap. 1.2.4.1 und 1.2.5.2.2 eingegangen wird. Die rechtlich relevanten Gebiete können Abb. 2 entnommen werden. Die zentrale Rolle der Standortanalyse lässt sich auf den großen Einfluss der Lage eines Objektes auf dessen Attraktivität, Nutzbarkeit und wirtschaftliche Entwicklung zurückführen. Zu den entscheidenden Merkmalen eines Standortes zählt vor allem das dort geltende Recht, insbesondere das Baurecht, das Grundbuchrecht und das Steuerrecht. Diese Aspekte sind zu den „harten Standortfaktoren" zu zählen. Sie werden im Folgenden in ihrer Bedeutung für die Standortanalyse betrachtet.

1 Rechtsordnung und Immobilienökcmomie

5

Abb. 2: Übersicht über die für die Immobilienanalyse relevanten Rechtsgebiete

1.2.1.1

Das Grandbuchrecht als Rechtsgrandlage der Standortanalyse

Das Grandbuchrecht steht an erster Stelle bei der rechtlichen Betrachtung eines Standortes. Die wichtigste Aufgabe des Grundbuchs ist die Bereitstellung einer sicheren Grundlage über den Rechtsverkehr von Grundstücken (vgl. Kap. 2.1). Weiterhin sollen alle Rechtsverhältnisse, die für ein Grundstück relevant sind, ebenso wie Rechtsänderungen klar und übersichtlich aus dem Grundbuch nachvollziehbar sein. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass trotz der großen Sicherheit, die das Grundbuchrecht für den Rechtsverkehr bietet, nicht alle Rechtsverhältnisse aus dem Grundbuch ersichtlich sein müssen. Ausnahmen können ζ. B. entstehen durch: •

Briefgrundpfandrechte,



Öffentlich-rechtliche Bindungen, insbesondere Baulasten, und



Rechtsänderungen außerhalb des Grundbuches, insbesondere gesellschaftsrechtliche und erbrechtliche Vorgänge.

Im Rahmen einer vollständigen Immobilienanalyse sind auch diese Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, da sie erheblichen Einfluss auf die Verwendbarkeit und den Wert eines Grundstücks haben können. Das Grundbuchrecht ist charakterisiert durch eine Anzahl von Grundsätzen, von denen nur die aus immobilienökonomischer Sicht interessanten im Weiteren betrachtet werden.

6

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

Zuerst ist der Eintragungsgrundsatz zu erwähnen. Danach sind Erwerb und Verfügungen von bzw. über Grundstückseigentum oder Grundstücksrechte grundsätzlich von der Eintragung im Grundbuch abhängig. Daraus lässt sich folgern, dass das Grundbuch in der Regel Aufschluss über den Eigentümer des Grundstückes gewährt, eine aus immobilienökonomischer Sicht höchst relevante Frage. Der Publizitätsgrundsatz besagt, dass die Eintragungen im Grundbuch öffentlichen Glauben genießen; demnach kann derjenige, der berechtigtes Interesse daran hat, das Grundbuch einsehen. Dies ist von grundlegender Bedeutimg für die Immobilienanalyse, da die Informationen des Grundbuchs ohne Einsichtsmöglichkeit wertlos für die Analyse wären. Schließlich ist noch das Vorrangprinzip zu würdigen. Hiernach richtet sich der Rang von Grundstücksrechten in derselben Abteilung nach der Reihenfolge ihrer Eintragung im Grundbuch. Das Grundbuchblatt ist inhaltlich in vier Teile gegliedert: das Bestandsverzeichnis und drei Abteilungen. Das Bestandsverzeichnis gibt in Übereinstimmung mit dem Liegenschaftskataster Aufschluss über die Grundstücksbezeichnimg, Gemarkung, Flurstück und Größe. Weiterhin werden Herrschvermerke (oder Aktiwermerke) zugunsten des Grundstücks über andere Grundstücke aufgeführt. In der I. Abteilung wird der Eigentümer eingetragen, bei mehreren gemeinschaftlichen Eigentümern werden weiterhin die Eigentumsverhältnisse vermerkt. Zudem wird der Grund des Erwerbs notiert. Die II. Abteilung dient der Eintragung aller Belastungen des Grundstücks (mit Ausnahme der in der III. Abteilung einzutragenden Grundpfandrechte), wie ζ. B. Dienstbarkeiten, Nießbrauch, Vorkaufsrechte, Reallasten usw. Zudem enthält sie Vormerkungen und Widersprüche, die sich auf Eintragungen in der II. Abteilung beziehen. Speziell dort findet sich somit Aufschluss über die Verwendungsmöglichkeiten des Grundstücks. Daher sollte die II. Abteilung im Rahmen der Analyse besondere Aufmerksamkeit erfahren. In der III. Abteilung werden die finanziellen Belastungen des Grundstücks notiert. Es werden Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden einschließlich der sich auf sie beziehenden Vormerkungen und Widersprüche eingetragen. Vor allem für den potenziellen Käufer des Grundstücks können hier detailliert alle finanziellen Belastungen nachvollzogen werden. Es zeigt sich, dass das Grundbuchrecht eine der wichtigsten Informationsquellen für die Standortanalyse ist. Deshalb sollte im Rahmen einer Standortanalyse möglichst frühzeitig auf diese Quelle zurückgegriffen werden, da hier zum Teil schon Sachverhalte aufgedeckt werden können, die den Standort für weitere Erwägungen disqualifizieren.

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1.2.1.2

7

Das Städtebaurecht als Rechtsgrundlage der Standortanalyse

Die durch den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) abgeleitete Baufreiheit wird unter anderem durch das Städtebau- und das Bauordnungsrecht begrenzt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Im Rahmen des Städtebaurechts regelt das Bauplanungsrecht die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke (vgl. Kap. 5). Es stellt damit eine wesentliche Grundlage bei der Bestimmung der Eignung eines Standortes dar. Sollte für die gewünschte Nutzung kein Baurecht vorliegen oder erwirkbar sein, führt dies zum automatischen Ausschluss des Standortes. Das Städtebaurecht wird im Rahmen der phasenorientierten Aspekte grundlegend betrachtet, weshalb hier nur darauf verwiesen sein soll. 1.2.1.3

Das Steuerrecht als Rechtsgrundlage der Standortanalyse

Steuerliche Erwägungen sind zwar generell von Bedeutung bei der Investition in Immobilien, bei der Wahl des Standortes sollten sie jedoch nur sekundär berücksichtigt werden, wie sich an der großen Zahl von Fehlinvestitionen im Rahmen des Fördergebietsgesetzes gezeigt hat. Mit dem Auslaufen dieses Gesetzes verschwindet zugleich der bedeutsamste ortsabhängige Steuerfaktor. Im Rahmen der Standortanalyse soll nicht eine umfassende steuerliche Konzeption untersucht, sondern vielmehr der Blick auf die steuerlichen Vor- bzw. Nachteile gerichtet werden, die mit einem Standort verbunden sind. Deshalb ist es sinnvoll, sich im Rahmen der Analyse nur auf die ortsabhängigen Steuerarten zu konzentrieren. Ortsunabhängige Steuerarten sollten per Definition keinen Einfluss auf die Wahl des Standortes haben. Nach dem Auslaufen des Fördergebietsgesetzes sind zwei Steuerarten verblieben, die ortsabhängig erhoben werden. Die Gewerbesteuer richtet sich an Gewerbebetriebe und ist vom Unternehmer, für dessen Rechnimg das Gewerbe betrieben wird, zu entrichten (vgl. Kap. 9.1.2.5). Die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag. Der Gewerbeertrag wird nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes/Körperschaftsteuergesetzes ermittelt. Der Betrag wird um bestimmte Hinzurechnungen bzw. Kürzungen modifiziert (§§ 8 und 9 GewStG). Unter Anwendung der Steuermesszahl, die grundsätzlich 5 % beträgt (für Ausnahmen vgl. § 11 Abs. 3 GewStG), ergibt sich der einheitliche Steuermessbetrag, auf den im letzten Schritt der Hebesatz der Gemeinde angewendet wird. Aus diesem Vorgehen folgt eine gemeindeabhängige Gewerbesteuer je nach dem individuellen Hebesatz. Ähnlich verhält es sich mit der zweiten ortsabhängigen Steuerart, der Grundsteuer (vgl. Kap. 9.1.2.6). Im Gegensatz zur Gewerbesteuer, die zu den Ertragsteuerarten zu zählen

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1 Rechtsordnung und

Immobilienökonomie

ist, stellt die Grandsteuer eine Substanzsteuer dar. Besteuert wird der Grundbesitz im Gebiet einer hebeberechtigten Gemeinde. Die Steuer ist von dem zu entrichten, dem das Steuerobjekt bei Feststellung des Einheitswertes zugerechnet wird. Analog zur Gewerbesteuer wird auch hier der Hebesatz der Gemeinde auf den Steuermessbetrag angewandt, um die Steuer zu ermitteln. Der Steuermessbetrag wird durch Anwendung einer Steuermesszahl auf den Einheitswert ermittelt. Die Steuermesszahl Hegt, je nach Nutzung des Grundstücks, zwischen 3,1 und 6,0 von Tausend. Auch hier wird die Steuer maßgeblich durch den Hebesatz der Gemeinde beeinflusst. Gewerbesteuer- und Grundsteuerhebesätze müssen im Rahmen der Standortanalyse in Betracht gezogen, aber, wie schon erwähnt, hinter die anderen Aspekte der Standortanalyse zurückgestellt werden. Die Standortanalyse sollte auf Ertragspotenziale und nicht auf Steuereinsparpotenziale ausgerichtet sein. 1.2.2

Recht und Immobilienbewertung

Die Bewertung von Immobilien zählt zu den zentralen Aufgaben des Immobilienmanagements und findet bei zahlreichen Anlässen Anwendung (vgl. dazu Leopoldsberger/ Thomas/Naubereit, S. 453 ff.). Der Immobilienbewertung ist in Deutschland durch die Wertermittlungsverordnung (WertV) und die Wertermittlungsrichtlinien (WertR) ein solider rechtlicher Rahmen gegeben worden. Im Folgenden werden die rechtliche Stellung des Sachverständigen, die unterschiedlichen Wertbegriffe und die rechtliche Fundierung der Bewertungsverfahren betrachtet (vgl. Abb. 3). 1.2.2.1

Rechtliche Stellung der Sachverständigen

Es gibt prinzipiell drei Typen von Sachverständigen. Mangels eines Berufsgesetzes für Sachverständige kann prinzipiell jeder als Sachverständiger tätig werden. Im allgemeinen versteht man unter freien Sachverständigen Personen, die über das nötige Fachwissen verfügen, jedoch keinen öffentlich-rechtlichen Nachweis vorweisen können. Sie sind weiterhin nicht an die Vorschriften der WertV und der WertR gebunden. Dennoch ist die Einhaltung der Vorschriften wirtschaftlich geboten, da die WertV breite Anerkennimg genießt. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige müssen eine Prüfung der Sachkunde und der persönlichen Eignimg vor der bestellenden Industrie- und Handelskammer ablegen. Weiterhin soll die Vereidigung die gewissenhafte und unparteiische Pflichterfüllung sicherstellen. Auch hier gilt kein gesetzlicher Zwang zur Einhaltung der

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

9

WertV, jedoch besteht, wie schon erwähnt, grundsätzlich Interesse an einer Einhaltung der Vorschriften.

Abb. 3: Übersicht über die fiir die Immobilienbewertung relevanten Rechtsgebiete

Weiter sind die Sachverständigen der Gutachterausschüsse zu nennen. Die rechtlichen Grundlagen der Gutachterausschüsse finden sich in den §§ 192 ff. BauGB, der WertV und den landesrechtlichen Verordnungen. Sie sind als einzige an die Befolgung der Regelungen der WertV und der WertR gebunden. Ziel der Gutachterausschüsse ist es, den Grundstücksmarkt für die Öffentlichkeit transparenter zu machen und so eine marktgerechte Preisfindung zu ermöglichen. Dies geschieht unter anderem durch die Einrichtung und Führung der Kaufpreissammlung, die Ermittlung von Bodenrichtwerten und die Bereitstellung von weiterem Datenmaterial, wie ζ. B. Aufstellungen über Liegenschaftszinssätze oder Bewirtschaftungsdaten. 1.2.2.2

Rechtliche Einbindung der Wertbegriffe

In Deutschland sind vier Wertbegriffe von besonderer Bedeutung. Zuerst ist der Verkehrswert zu nennen. Er ist nach § 194 BauGB der Preis, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rück-

10

1 Rechtsordnung und

Immobilienökonomie

sieht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Der Verkehrswert hat noch weitere rechtliche Bezüge: •

als Bemessungsgrundlage von Entschädigungen für Enteignung im § 95 Abs. 1 Satz 1 BauGB,

• •

bei Zwangsversteigeningen nach § 74a Abs. 5 des Zwangsvollstreckungsgesetzes, bei offenen Immobilienfonds nach § 34 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) im Rahmen der jährlichen Ermittlung des Verkehrswertes der Bestandsobjekte oder nach § 27 Abs. 3 KAGG bzw. § 37 Abs. 1 KAGG beim Erwerb neuer Objekte bzw. bei der Veräußerung von Bestandsobjekten.

Weitere Anwendungsbereiche finden sich noch im Haushaltsrecht, im Bergrecht sowie im Flurbereinigungsverfahren. Der Beleihungswert ist gesetzlich nicht definiert. Er entspricht jedoch im Allgemeinen dem Begriff des Verkaufswertes, der in § 12 Abs. 1 des Hypothekenbankgesetzes (HypBankG) beschrieben wird. Der Beleihungswert darf den Verkehrswert eines Grundstücks nicht überschreiten. Vielmehr ist dafür Sorge zu tragen, dass der Beleihungswert auch unter ungünstigen Umständen immer noch am Markt realisiert werden kann; er lässt sich auch als ein besonders vorsichtig ermittelter Verkehrswert charakterisieren. Der Versicherungswert ist definiert in § 52 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (WG). Es handelt sich hierbei prinzipiell um die Wiederbeschaffungskosten der Gebäude, da Grund und Boden als unzerstörbar gelten. Der Einheitswert ist in § 19 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes definiert. Danach wird der Einheitswert nach einem gegenüber dem Verkehrswert vereinfachten Verfahren und zum Stichtag 1.1.1964 ermittelt. Er diente in der Vergangenheit als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer, die Gewerbesteuer (zur Ermittlung der Kürzung gem. § 9 Nr. 1 GewStG beachte aber § 121a BewG), die Vermögensteuer sowie für die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Mittlerweile wird der Einheitswert nur noch zur Ermittlung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer verwendet, für andere Zwecke wird eine Bedarfsbewertung vorgenommen. Bei der Bedarfsbewertimg bestimmt sich der Wert der unbebauten Grundstücke nach ihrer Fläche und dem um 20 % ermäßigten Bodenrichtwert. Die Bewertung bebauter Grundstücke erfolgt auf Basis eines vereinfachten Ertragswertverfahrens. Danach errechnet sich der Wert des Grundstücks aus dem Zwölfeinhalbfachen der aus den letzten drei Jahren vor dem Besteuerungszeitraum durchschnittlich erzielten Netto-Jahresmiete abzüglich der Alterswertminderung.

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1.2.2.3

11

Rechtsgrundlagen der Verfahren der Wertermittlung

Nach § 7 WertV stehen prinzipiell drei Verfahren zur Ermittlung des Verkehrswertes eines Grundstückes zur Verfügung: •

das Vergleichswertverfahren,



das Ertragswertverfahren und



das Sachwertverfahren.

Gegenstand der Ermittlung des Verkehrswertes sind das Grundstück, die Bestandteile und Scheinbestandteile des Grundstücks, geregelt in den §§ 94 und 95 BGB, sowie das Zubehör nach § 97 BGB. Das Vergleichswertverfahren wird i. d. R. zur Ermittlung des Bodenwertes von Grundstücken herangezogen. Zur Bewertung bebauter Grundstücke fehlen dem Sachverständigen meistens genügend zeitnahe, vergleichbare Transaktionen. Das Vergleichswertverfahren ist in den §§ 13 und 14 der WertV geregelt. Das Ertragswertverfahren wird i. d. R. bei bebauten Grundstücken, die zur Ertragserzielung durch Vermietung oder Verpachtung bestimmt sind, angewandt. Der Grundstückswert ist prinzipiell durch den nachhaltig erzielbaren Grundstücksertrag determiniert. Beispiele sind Mietwohn- und Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Gewerbe-, Industrie- und Garagengrundstücke. Das Ertragswertverfahren ist in den §§ 15 bis 20 WertV geregelt. Das Sachwertverfahren kommt nach Abschnitt 3.1.3 der WertR i. d. R. bei Grundstücken zur Anwendung, bei denen es für die Werteinschätzimg am Markt nicht in erster Linie auf den Ertrag ankommt. Das gilt vor allem für eigengenutzte Ein- und Zweifamilienhäuser. Die Wertermittlung findet in zwei Schritten statt. Zuerst wird der Bodenwert nach dem schon erwähnten Vergleichswertverfahren ermittelt, dann wird der Wert der baulichen Anlagen nach § 21 Abs. 3 WertV auf Grundlage des Herstellungswertes berechnet. Zur Ermittlung des Verkehrswertes können auch mehrere Verfahren herangezogen werden, wobei der Verkehrswert dann aus deren Ergebnissen unter Würdigung ihrer Aussagefähigkeit zu bemessen ist.

12

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1.2.3

Recht und Immobilienfinanzierung

Immobilien erfordern hohe Investitionsvolumina und binden Kapital auf sehr lange Zeit (vgl. Kap. 8.1). Dies veranlasst viele Investoren, aus Mangel an Eigenkapital zur Nutzung des Leverage-Effektes auf Fremdfinanzierung zurückzugreifen.

Abb. 4: Übersicht über die für die Immobilienfinanzierung relevanten Rechtsgebiete Mit der Weiterentwicklung der Immobilienwirtschaft sind zu der klassischen Kreditfinanzierung eine Reihe innovativer Finanzierungsformen hinzugetreten, aus denen der Investor

die

für

seine

Zwecke

am

besten

geeignete

wählen

kann

(vgl.

Iblher/Pitschke/Rottke/Schreiber/Breidenbach/Lucius, S. 529 ff. sowie Schulte/Achleitner/Schäfers/Knobloch). In Abb. 4 werden die Finanzierungsinstrumente mit ihren rechtlichen Grundlagen und Implikationen betrachtet. 1.2.3.1

Rechtliche Rahmenbedingungen der traditionellen Finanzierung

Die klassische Form der Finanzierung von Immobilien ist das grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen (vgl. Kap. 8.3). Ausgangspunkt jeder Immobilienfinanzierung ist der Wert der zu finanzierenden Immobilie. Hierbei spielt der Beleihungswert, der schon im Rahmen der Immobilienbewertung behandelt wurde, eine entscheidende Rolle. Aus dem Beleihungswert lässt sich die Beleihungsgrenze für die Finanzierung ermitteln. Bei Hypothekenbanken beträgt die Beleihungsgrenze nach den §§11 und 12 Abs. 1 HypBankG 60 % des Beleihungswertes, wenn die erworbenen Grundpfandrechte durch Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen refinanziert werden sollen (§10 HypBankG). Bausparkas-

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

13

sen haben die Möglichkeit, ohne ausreichende zusätzliche Sicherheit nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BausparkG 80 % des Beleihungswertes zu beleihen. Das klassische grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen, das innerhalb der 60 %-igen Beleihungsgrenze liegt, bezeichnet man als Realkredit (vgl. Kap. 8.2.2). Der aus dem Hypothekenbankgesetz abgeleitete Begriff des Realkredits gilt gem. § 20 Abs. 2 Nr. 1 des Kreditwesengesetzes (KWG) für alle Kreditinstitute. Grundpfandrechtlich besicherte Finanzierungen, die über die 60 %-ige Beleihungsgrenze hinausgehen, werden als dinglich gesicherte Personalkredite bezeichnet (vgl. Kap. 8.2.1). Hier spielt die Kreditprüfung, zu der Kreditinstitute in diesem Fall nach § 18 KWG verpflichtet sind, eine größere Rolle. Neben dem klassischen grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen besteht bei selbstgenutzten Wohnungen auch noch die Möglichkeit eines Bauspardarlehens. Hierbei handelt es sich um einen langfristigen Kredit, der von Bausparkassen gewährt wird und sowohl zweck- als auch objektgebunden ist. Bausparkassen sind Kreditinstitute, deren Geschäftsbetrieb nach § 1 BausparkG darauf gerichtet ist, Einlagen von Bausparern entgegenzunehmen

und

aus

wohnungswirtschaftliche

den

angesammelten

Beiträgen

Maßnahmen Bauspardarlehen

den

Bausparern

für

zu gewähren. Nach § 2

BausparkG dürfen Bausparkassen nur in Form einer Aktiengesellschaft betrieben werden. Weiterhin ist es Bausparkassen nach § 4 Abs. 5 BausparkG nicht erlaubt, sich vor Zuteilung eines Bausparvertrages zu verpflichten, die Bausparsumme zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuzahlen. Die Finanzierung durch Bausparkassen ergänzt i. d. R. die Finanzierung durch Realkredite; sie deckt folglich den über die Beleihungsgrenze von 60 % hinausgehenden Fremdkapitalbedarf ab. 1.2.3.2

Rechtliche Rahmenbedingungen des Immobilienleasing

Für das Immobilienleasing gibt es keinen abschließenden Standardvertrag. Es kommen vielmehr unterschiedliche Gestaltungen zur Anwendung. Gegenstand des Immobilienleasingvertrags können Grundstücke, Gebäude und sonstige Betriebsanlagen sein. Während der im Leasingvertrag vereinbarten Grundmietzeit darf der Leasingnehmer den Leasinggegenstand gegen Zahlung von Leasingraten nutzen. Nach Ablauf der Grundmietzeit ist der Gegenstand zurückzugeben. Alternativ kann eine Mietverlängerungsoder eine Kaufoption im Vertrag vorgesehen sein. Immobilienleasingverträge sind im Allgemeinen als Finanzierungs-Leasingverträge gestaltet. Im Gegensatz zu OperateLeasingverträgen sind sie während der Grundmietzeit nicht kündbar. Bei der rechtlichen Gestaltung wird aus Gründen der einfacheren Handhabung und der größeren Gestaltungsflexibilität eine Objektgesellschaft verwendet. Zum einen kann die

14

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

Objektgesellschaft in Form einer GmbH gegründet werden, wobei die Leasinggesellschaft 100 % der Anteile hält, zum anderen kann die Objektgesellschaft als Personengesellschaft unter Beteiligung des Leasingnehmers gegründet werden. Mittlerweile werden Immobilienleasinggeschäfte zunehmend in der Form von Immobilienleasingfonds abgewickelt. Der Immobilienleasingfonds ist ein geschlossener Immobilienfonds, dem ein Immobilienleasinggeschäft zugrunde liegt. Hierbei beteiligen sich ein oder mehrere Eigenkapitalgeber an der Objektgesellschaft (vgl. Abb. 5).

Abb. 5: Funktionsweise des

Immobilienleasing

Finanzierungsleasingmodelle für Immobilieninvestitionen lassen sich in Vollamortisationsmodelle lind Teilamortisationsmodelle trennen. Wie der Name schon andeutet, ist im Rahmen eines Vollamortisationsvertrages die volle Amortisation während der unkündbaren Grundmietzeit vorgesehen. Bei den Teilamortisationsverträgen kann weiter in reine Teilamortisationsverträge und Teilamortisationsverträge mit Mieterdarlehensmodell unterschieden werden. Im Unterschied zum reinen Teilamortisationsvertrag, bei dem die zu zahlenden Leasingraten während der Grundmietzeit die Gesamtinvestitionskosten des Leasinggebers nur zum Teil decken, hat der Leasingnehmer zusätzlich dem Leasinggeber regelmäßige Leistungen aus Mietdarlehen zu erbringen. Zur Beurteilung der Voll- und Teilamortisationsverträge kann die im folgenden dargestellte Auffassung der Finanzverwaltung herangezogen werden: das Schreiben des Bundesministers der Finanzen bezüglich der ertragsteuerlichen Behandlung von Finanzierungs-Leasingverträgen über imbewegliche Wirtschaftsgüter vom 21. März 1972 und das Schreiben des Bundesministers der Finanzen in Bezug auf die ertragsteuerliche Behänd-

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

15

lung von Teilamortisationsverträgen über unbewegliche Wirtschaftsgüter vom 23. Dezember 1991. Die Schreiben geben Aufschluss über die steuerliche Zurechnung des Gebäudes und des Grundstückes in Abhängigkeit von der Gestaltung des Leasingvertrages. Zu den entscheidenden Faktoren zählen das Vorhandensein bzw. die Gestaltung der Kaufoption, Mietverlängerungsoption oder eine Spezialleasinggestaltung. Spezialleasing liegt dann vor, wenn der Leasinggegenstand so auf die Bedürfnisse des Leasingnehmers zugeschnitten ist, dass eine Drittverwendungsmöglichkeit für den Leasinggeber nicht gegeben ist. Der Leasingvertrag ist rechtlich nicht eindeutig einzuordnen; der BGH beurteilt ihn wegen der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung als atypischen Mietvertrag. 1.2.4

Recht und Immobilieninvestition

Immobilien können wie Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Kapitallebensversicherungen als Kapitalanlage dienen. Im Wettbewerb um das Kapital müssen Immobilien hinsichtlich der Investitionsmotive des Anlegers mit den anderen Anlagen vergleichbar sein (vgl. dazu Bone-Winkel/ Schulte/ Sotelo/ Allendorf/ Ropeter-Ahlers, S. 627 ff. sowie Schulte/Bone-Winkel/Thomas): •

Rentabilität,



Sicherheit und



Fungibilität.

Zur Rentabilität sind auch die steuerlichen Vorteile, die mit einer bestimmten Form der Kapitaleinlage verbunden sind, zu rechnen. Um diese Vergleichbarkeit herzustellen, bedarf es einer detaillierten Investitionsrechnung, welche die mit einer Anlage in Immobilien verbundenen Chancen und Risiken transparent macht und in allgemein anerkannten Kennzahlen ausdrückt. Die Investitionsrechnung selbst unterliegt keinen rechtlichen Vorschriften. Die Wahl der Methode und die Anwendimg können frei nach den Interessen des Investors gewählt werden; somit kommt der Investitionsrechnimg auch keine rechtliche Verbindlichkeit zu. Hier ist jedoch bei der Ermittlung oder Festlegung der Eingangsgrößen der Investitionsrechnung auf rechtliche Zusammenhänge zu achten, um eine möglichst genaue und wirklichkeitsgetreue Berechnung zu erhalten (vgl. Abb. 6). Als Beispiel seien Miethöhe und Abschreibungen genannt, die in verschiedenen Gesetzen geregelt sind. Im Folgenden werden die wesentlichen Parameter der Investitionsrechnung für Immobilien in ihrem rechtlichen Kontext betrachtet.

16

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

Abb. 6: Übersicht über die für die Immobilieninvestition relevanten Rechtsgebiete

1.2.4.1

Rechtliche Rahmenbedingungen der Miethöhe

Im Gegensatz zum gewerblichen Immobilienmarkt unterliegt die Miete auf dem Wohnungsmarkt rechtlichen Vorschriften (vgl. Kap. 3). Klare Grenzen sind der Miethöhe durch den Wuchertatbestand nach § 291 StGB und das Verbot der Mietpreisüberhöhung nach § 5 WiStrG gegeben. Von Mietpreisüberhöhung kann i. d. R. bei einer Miete, die 20 % über dem marktüblichen liegt, ausgegangen werden. Der Wuchertatbestand wird bei einer 50 %-igen Überschreitung erfüllt. Die §§ 5 WiStrG und 291 StGB gelten grundsätzlich auch für Staffelmietvereinbarungen. Im Rahmen der Bestimmtingen über die Wohnraummiete (§§ 557 ff. BGB) ist festgelegt, in welchem Ausmaß und unter welchen Umständen der Vermieter das Recht hat, die Miete anzuheben. Es bestehen danach zwei unterschiedliche Ansätze zur Erhöhung der Miete. Zum einem besteht die Möglichkeit, gemäß den §§ 559,560 BGB durch Umlegungen von Modernisierungskosten und Betriebskostenerhöhungen einen Mieterhöhungsanspruch des Vermieters zu rechtfertigen. Zum anderen kann nach § 558 BGB die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete vom Vermieter als Zustimmungsanspruch geltend gemacht werden. Das BGB regelt in § 557a auch Staffelmietvereinbarungen. Deshalb sollten aus Sicht des Vermieters folgende Voraussetzungen eingehalten werden: •

Während der Dauer der Staffelmietvereinbarung sind Erhöhungen der Miete nach den §§ 558 bis 559 b BGB ausgeschlossen,

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

17



weiterhin muss die Miete jeweils mindestens ein Jahr unverändert bleiben und



die jeweilige Miete oder die jeweilige Erhöhung muss in einem Geldbetrag ausgewiesen werden.



Zudem sind Beschränkungen des Kündigungsrechtes des Mieters unwirksam, soweit sie sich auf einen Zeitraum von mehr als 4 Jahren seit Abschluss der Vereinbarimg erstrecken.

Weiterhin sind Indexmieten im BGB geregelt. Die Miete wird folglich an einen Preisindex gekoppelt. Wirksam sind derartige Vereinbarungen nur, wenn die Voraussetzungen des § 557b BGB eingeheilten werden. Zu den zentralen Voraussetzungen zählen unter anderem, dass der Preisindex für die Gesamtlebenshaltung maßgeblich ist, die Anpassung höchstens der prozentualen Indexänderung entspricht, Anpassungen sowohl nach oben als auch nach unten vorgenommen werden die Mietanpassung aufgrund Indexänderung höchstens einmal pro Jahr erfolgen darf und die Mietänderung durch Erklärung in Textform geltend zu machen ist. 1.2.4.2

Steuerliche Rahmenbedingungen

Bei Investitionen in Immobilien spielen steuerliche Überlegungen eine entscheidende Rolle. Deshalb ist schon im Rahmen der Investitionsrechnung darauf zu achten, dass alle Einflussgrößen hinsichtlich ihres Ansatzes steuerrechtlich anerkannt sind. Durch die frühzeitige Berücksichtigung von steuerlichen Bezügen ist es möglich, eine die Investition optimierende Steuerkonzeption zu erstellen. Eine wichtige Unterscheidung im Rahmen der steuerlichen Betrachtung ist die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zum Privatvermögen oder zum Betriebsvermögen (vgl. Kap. 9.3.2). Mangels einer Definition des Begriffes Privatvermögen wird dieses negativ definiert durch die Nichtzugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen. Somit sind alle Wirtschaftsgüter betroffen, die sachlich weder notwendiges noch gewillkürtes Betriebsvermögen sind. Im Folgenden wird eine kurze Gliederung der verschiedenen Steuerarten gegeben. Grundsätzlich werden die drei Kategorien Ertragsteuern, Substanzsteuern und Verkehrsteuern unterschieden. 1.2.4.2.1

Ertragsteuern

Die wichtigsten Ertragsteuern sind die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer (vgl. Kap. 9.1.2). Der Einkommensteuer unterliegen natürliche Personen, der Körperschaftsteuer juristische Personen. Die Einkommensteuer unterscheidet sieben Einkunftsarten. Für Immobilien sind vor edlem drei Einkunftsarten von Bedeu-

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1 Rechtsordnung und

Immobilienökonomie

tung: Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung und aus Spekulationsgeschäften im Rahmen der sonstigen Einkünfte. Die beiden letztgenannten Einkunftsarten zählen zu den Überschusseinkünften und unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung ist die Investitionsrechnung aus der individuellen Sicht des Investors aufzustellen. Von grundlegender Bedeutung ist hier, ob die Immobilie der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer unterliegt. Im Folgenden werden die steuerlich relevanten Unterschiede behandelt, die sich aus der Zuordnung zum Privat- oder Betriebsvermögen ergeben. 1.2.4.2.1.1

Ertragsteuern im Privatvermögen

Im Privatvermögen sind Werterhöhungen der Anlagesubstanz steuerfrei; die Investitionsrechnimg des Anlegers wird also nicht durch Ertragsbesteuerung belastet. Es sind mögliche Ausnahmen von der Steuerfreiheit zu beachten: Zu nennen sind hier der Tatbestand des gewerblichen Grundstückhandels, Spekulationsgeschäfte und Veräußerungen wesentlicher Beteiligungen an Objektgesellschaften (vgl. Kap. 9.3.5 und 9.3.6). Laufende Erträge im Privatvermögen unterliegen dagegen grundsätzlich der Steuerpflicht, wie ζ. B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Folglich sind korrespondierende Werbungskosten abzugsfähig. Beim Erstellen der Investitionsrechnung ist darauf zu achten, dass die angesetzten Werbungskosten später steuerlich anerkannt werden. Die rechtlichen Vorschriften hierzu finden sich in § 9 EStG. Zu den abzugsfähigen Werbungskosten zählen unter anderem Schuldzinsen, Geldbeschaffungskosten, Grundsteuer, Kosten der Verwaltung, Erhaltungsaufwendungen und Absetzungen für Abnutzung. Letztere haben wesentlichen Einfluss auf die Vorteilhaftigkeit einer Investition. Im Weiteren muss zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungsaufwand unterschieden werden. Während Erhaltungsaufwendungen als Werbungskosten abgezogen werden können, müssen Herstellungsaufwendungen aktiviert und über die Gesamtdauer der Nutzung abgeschrieben werden. Ein Beispiel hierfür ist der „anschaffimgsnahe Herstellungsaufwand". Gem. § 6 Abs. 1 Nr. la EStG werden Aufwendungen als Herstellungskosten behandelt, wenn die Instandsetzungs- oder Modernisierungsaufwendungen in den ersten drei Jahren nach dem Erwerb 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Anschaffungs- und Herstellungskosten werden über die Nutzungsdauer abgeschrieben. Die entsprechenden Regelungen sind dem § 7 EStG zu entnehmen.

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1.2.4.2.1.2

19

Ertragsteuern im Betriebsvermögen

Analog zum Privatvermögen sind die laufenden Erträge aus dem Betriebsvermögen steuerpflichtig. Absetzungen für Abnutzung, Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten werden identisch zum Privatvermögen ermittelt, wobei sich die Abschreibungssätze unterscheiden. Im Gegensatz zum Privatvermögen sind Gewinne aus der Veräußerung einer Immobilie im Betriebsvermögen regelmäßig steuerpflichtig - es sei denn, eine steuerneutrale Übertragung stiller Reserven nach §6b EStG kann wahrgenommen werden. 1.2.4.2.2

Substanz- und Verkehrsteuern

Bei den Substanzsteuern sind Vermögensteuer und Grundsteuer zu erwähnen (vgl. Kap. 9.1.2.6). Die Vermögensteuer wurde faktisch mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 22. Juli 1995 bis zu einer Neuordnung aufgehoben. Daher wird sie nicht näher betrachtet. Die Grundsteuer wurde bereits im Rahmen der Standortanalyse behandelt und wird daher hier nicht weiter ausgeführt. Zu den Verkehrsteuern zählen die Umsatzsteuer, die Grunderwerbsteuer und die Erbschaftsteuer (vgl. Kap. 9.1.2.7,9.1.2.8 und 9.1.2.9). I. V. m. der Umsatzsteuer ist insbesondere auf umsatzsteuerfreie Leistungen hinzuweisen; hierzu zählen die Veräußerung von Grundstücken, da diese unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) fallen und nach § 4 Abs. 9a UStG grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit sind, sowie Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Weiterhin ist auf die in § 9 UStG geregelte Option zur Umsatzsteuer hinzuweisen. Durch das Optieren für die Umsatzsteuer kommt es zwar zu einer Verteuerung der Ausgangsumsätze, ζ. B. der Miete, jedoch besteht dann auch die Möglichkeit zum Abzug der Vorsteuer. Nach dem Grunderwerbsteuergesetz fällt beim Erwerb von Grundstücken oder entsprechenden Ersatztatbeständen eine Grunderwerbsteuer i. H. v. 3,5 % an. Zu den steuerpflichtigen Tatbeständen zählen unter anderem Kaufverträge, Erwerbs- und Zwangsversteigerungsverfahren und Grundstückstausche. Der § 8 Abs. 1 GrEStG sieht als Bemessungsgrundlage den Wert der Gegenleistung vor. Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer sind die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen, im Falle eines Kaufvertrages also Käufer und Verkäufer als Gesamtschuldner. Grundsätzlich bleibt es dem Finanzamt überlassen, von welcher Partei die Steuer eingefordert wird. Der Innenausgleich zwischen den Parteien erfolgt nach den vertraglichen Vereinbarungen. Auf die Erbschaftsteuer wird hier nicht näher eingegangen.

20

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1.2.4.3

Wirtschaftlichkeitsberechnung gemäß der II. Berechnungsverordnung

Die Wirtschaftlichkeitsberechnung gemäß der II. Berechnungsverordnung (II. BV) wird vornehmlich im Zuge der Ermittlung der Kostenmiete für öffentlich geförderten Wohnungsbau eingesetzt. Sie gilt laut § 6 der II. BV als Maßstab für die Berechnimg der Miete im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnimg. Hierbei sind nur die tatsächlich oder wahrscheinlich anfallenden Kosten anzusetzen. Zwingende Bestandteile der Wirtschaftlichkeitsberechnung sind in § 3 II. BV geregelt. Hierzu zählen Grundstücks- und Gebäudebeschreibungen, die Berechnung der Gesamtkosten, der Finanzierungsplan und die Aufstellung der laufenden Aufwendungen und Erträge. In § 12 II. BV werden Fremdmittel, die in § 13 II. BV näher beschrieben werden, verlorene Baukostenzuschüsse und Eigenleistungen als mögliche Finanzierungsquellen vorgesehen. Verlorene Baukostenzuschüsse dürfen nach § 14 II. BV nicht mit der Miete verrechnet werden. Die in der Wirtschaftlichkeitsberechnung anzusetzenden Bewirtschaftungskosten und die Höhe von Fremdkapitalzinsen sind in den §§ 22 bis 29 II. BV geregelt. Als Methode der Investitionsrechnung für Immobilien ist die Wirtschaftlichkeitsberechnung gemäß der II. Berechnungsverordnung grundsätzlich wenig geeignet (Schulte/Allendorf/Crommen, S. 99). 1.2.5

Recht und Immobilienmarketing

Das absatzpolitische Instrumentarium des Immobilienmarketings umfasst vier Gebiete (vgl. dazu Brade/Bobber/Schmitt/Sturm, S. 711 ff. sowie Schulte/Brade): •

Produkt- und Servicepolitik,



Kommunikationspolitik,



Distributionspolitik und



Kontrahierungspolitik.

Die für das Immobilienmarketing relevanten Rechtsgebiete gehen aus Abb. 7 hervor. Der rechtliche Einfluss auf die Produkt- und Servicepolitik wird ausführlich im Rahmen der Projektentwicklung (vgl. dazu Kap. 1.3.1) und des Facilities Managements (vgl. Kap. 1.3.3) behandelt. Für die Kommunikationspolitik gilt auch im Immobilienbereich das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Die wesentlichen Regelungen sind Gegenstand der §§ 1 bis 11 UWG. Danach kann derjenige auf Schadenersatz verklagt werden, der vorsätzlich oder fahrlässig unlautere Wettbewerbshandlungen vornimmt. Irreführende Werbung kann nach § 5, 3 und 8 UWG zu Unterlassungsklagen führen, strafbare

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

21

Werbung kann gem. § 16 UWG mit Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu einer Dauer von zwei Jahren bestraft werden. In den folgenden Abschnitten sollen die Distributions· und die Kontrahierungspolitik unter rechtlichen Gesichtspunkten untersucht werden.

Immobilienmarketing

Produktpolitik

Servicepolitik

Kommunikationspolitik

Vertragsrecht (BGB)

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

Öffentliches Recht auf Bundesebene: • Bauplanungsrecht (BauGB) • Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (BNatSchG) • Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) • Bundes -Immissionsschutzgesetz (BlmSchG) öffentliches Recht auf Landesebene: • Landesbauordnung (BauO bzw. LBauO) • Denkmalschutzgesetz (DSchG) • Landeswassergesetz (LWG) • Polizei- u. Ordnungsrecht • Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG)

Distributionspolitik

Kontrahienjngspolitik

öffentliches Recht: • Gewerbeordnung (GewO) * Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV)

Verkauf • Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) • Kaufvertragsrecht (BGB)

Privatrecht: • Maklerrecht (BGB) • Wohnungsvermittlungsgesetz (WoVermG)

Vermietung • Mietrecht (BGB) • Strafgesetzbuch (StGB) • Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG)

Privatrecht: • Nachbarrecht (BGB) * materielles Grundstücksrecht (BGB)

Abb. 7: Übersicht über die fiir das Immobilienmarketing relevanten Rechtsgebiete

1.2.5.1

Die rechtlichen Aspekte des Kontraktmarketings im Rahmen der Distributionspolitik

Die Distributionspolitik hat die Funktion, die Immobilie am Absatzmarkt verfügbar zu machen und Angebot und Nachfrage zusammenzuführen. Als dazugehörige Rechtsgeschäfte kommen vor allem Miete, Pacht oder Kauf von projektierten oder vorhandenen Immobilien in Frage. Die Distribution von Immobilien kann entweder über Eigen- oder über Fremdvertrieb erfolgen. Der Vertrieb von Immobilien über externe Partner wird als Kontraktmarketing bezeichnet. Daneben gewinnen Sonderformen des Vertriebs wie z. B. Immobilienfonds immer mehr an Bedeutung. Hier werden Immobilien nicht mehr als Einheit, sondern vielmehr als Anteile an Immobilienvermögen mittels spezieller Vertriebssysteme vermarktet. Tabelle 3 stellt die möglichen Formen von Distributionssystemen dar.

22

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

Zum Kontraktmarketing gehören alle vertraglich gestalteten, vertriebsbezogenen Kooperationsformen zwischen Marktteilnehmern. Diese kommen in der Immobilienwirtschaft in unterschiedlicher Form zum Einsatz. Distributionssysteme im Immobilienmarketing Eigenvertrieb

• Eigentümer • Angestellte • unternehmenseigene Vertriebsorganisation

Fremdvertrieb

• Makler, Berater • Immobilienabteilungen von Banken/ Sparkassen • Immobilienabteilungen von Versicherungen

Sonderformen des Vertriebs

• offene/ geschlossene Immobilienfonds • Grundstücksauktionen • Immobilienbörsen

Quelle: BOBBER/BRADE, S. 629 Tabelle 3: Distributionssysteme im Immobilienmarketing So können für den Fremdvertrieb Makler, Immobilienabteilungen von Banken und Sparkassen, Versicheningen sowie freiberufliche Anlageberater eingesetzt werden. Makler stellen in der Immobilienwirtschaft einen wichtigen externen Vertriebspartner dar, Sparkassen und Banken gewinnen jedoch zunehmend an Bedeutung. Die externen Vertriebspartner unterliegen den gesetzlichen Regelungen zum Maklervertrag und treten in verschiedenen Auftragsarten auf. 1.2.5.1.1

Gesetzliche Regelungen zum Maklervertrag

Gem. § 34c Gewerbeordnung bedarf die gewerbliche Maklertätigkeit einer behördlichen Genehmigung (vgl. Kap. 6.1.1). Die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) enthält zudem Vorschriften über den Umfang der Verpflichtungen des Maklers bei der Ausübung seines Gewerbes (vgl. Kap. 6.1.3). Privatrechtliche, für den Immobilienmakler relevante Regelungen enthält vor allem das BGB (vgl. Kap. 6.1.2); das Maklerrecht des Handelsgesetzbuches findet keine Anwendung (vgl. dazu Oprée, S. 912). Das Rechtsverhältnis eines Maklervertrages beruht auf den §§ 652 bis 654 BGB. Diese Vorschriften regeln - sofern nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen wurde - die Voraussetzungen, unter denen ein Makler für seine Tätigkeit eine Provision verlangen kann (vgl. Abb. 8).

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

23

Die Vergütung eines Maklers erfolgt üblicherweise in Form einer Provision (vgl. Kap. 6.6). Der Provisionsanspruch ist in § 652 Abs. 1 BGB geregelt. Die Höhe der Provision kann i. d. R. frei ausgehandelt werden. Einer vertraglichen Absprache sind bei gewerblichen Immobilien nur durch die Wuchergrenze i. S. d. § 138 BGB Grenzen gesetzt. Für die Vermittlung von Mietwohnraum hat der Gesetzgeber jedoch im Rahmen des Wohnungsvermittlungsgesetzes (WoVermG) Spezialregelungen für die Maklertätigkeit geschaffen. Dort wird in § 3 Abs. 2 die Provisionshöhe auf maximal zwei Monatsmieten ohne Nebenkosten zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer limitiert.

Abb. 8: Rechtliche Rahmenbedingungen des Kontraktmarketings

1.2.5.1.2

Auftragsformen der Maklertätigkeit

Zwischen dem Auftraggeber und dem Makler können unterschiedliche Vereinbarungen getroffen werden (vgl. Kap. 6.3). Der befristet vereinbarte Makleralleinauftrag garantiert dem Makler, dass der Auftraggeber keinen weiteren Makler einschaltet. Der qualifizierte Alleinauftrag enthält zusätzlich das individuell vereinbarte Verbot für den Auftraggeber, selbst mit Kunden abzuschließen, ohne den Makler einzuschalten. Der Auftraggeber kann aber auch mehrere Makler nebeneinander beauftragen, solange er mit keinem der Makler einen Alleinauftrag vereinbart hat. Der Provisionsanspruch steht dann dem Makler zu, der den Abschluss des Hauptvertrages herbeigeführt hat. Die Doppeltätigkeit des Maklers ist eine weitere Variante des Maklervertrages, die es dem Makler grundsätzlich erlaubt, für beide Parteien des Hauptvertrages tätig zu werden. Dementsprechend besteht die Möglichkeit einer doppelten Provisionszahlung.

24

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

Die Projektvermarktung umfasst die Vermietung bzw. die Veräußerung des Objektes. Aus juristischer Perspektive steht dabei der Abschluss von Kauf- und Mietverträgen im Mittelpunkt. Die betreffenden Regelungen sollen daher im folgenden behandelt werden. 1.2.5.2

Die rechtlichen Grundlagen der Kontrahierungspolitik

Die Kontrahierungspolitik umfasst alle Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Festlegung von Konditionen und Gegenleistungen für die vom Unternehmen angebotenen Sach- und Dienstleistungen stehen. Die Aufgabe der Kontrahierungspolitik ist die Absatzförderung durch die Festsetzung der Preise und die Gewährung von Sonderkondiüonen in Abstimmimg mit den anderen Marketinginstrumenten.

Abb. 9: Übersicht über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Kontrahierungspolitik In der Immobilienökonomie sind zwei Preissysteme von Relevanz: Verkaufspreise und Mieten oder Pachten. Für die Bestimmung der Absatzpreise ist ein System von Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Dazu gehören vor allem die Herstellungskosten der Immobilie und die Preissituation auf den Absatzmärkten. Aber auch in juristischer Hinsicht ergeben sich Beschränkungen der freien Preisgestaltung in Abhängigkeit des zu vermarktenden Immobilientyps. Die für die Kontrahierungspolitik maßgeblichen gesetzlichen Regelungen gehen aus Abb. 9 hervor.

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1.2.5.2.1

25

Das Kaufvertragsrecht als rechtlicher Rahmen der Kontrahierungspolitik

Die rechtlichen Grundlagen des Kaufvertragsrechtes bilden die §§ 433 ff. BGB (vgl. dazu 2.2). Demnach ist der Kaufvertrag ein gegenseitiger Vertrag, mit dessen Abschluss der Käufer sich zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet und der Verkäufer die Übereignung und Übergabe der Immobilie schuldet. Die Bestimmung des Kaufpreises unterliegt der ausschließlichen Regelungsbefugnis der Vertragsparteien. Dieser Preis ist in den meisten Fällen fest. Wenn aber ein unbebautes oder umzuwidmendes Grundstück verkauft werden soll und die baulichen Nutzungsmöglichkeiten und damit der Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht feststehen, besteht auch die Möglichkeit, den Kaufpreis in Abhängigkeit von der später zu erteilenden Nutzungsmöglichkeit festzulegen. Wichtig ist hierbei die klare Definition der Parameter, von denen der spätere Kaufpreis abhängen soll, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Auch die Zahlungsbedingungen sind von den Vertragsparteien frei vereinbar. Besonderheiten ergeben sich nur bei Bauträgern, bei denen die Kaufpreiszahlungen gem. § 3 Abs. 2 MaBV nach Baufortschritt erfolgen (vgl. Kap. 7.1.2.2.3). 1.2.5.2.2

Das Mietrecht als gesetzliche Beschränkung der freien Mietpreisbildung

Die Rechtsgrundlagen von gewerblichen und Wohnraummietverhältnissen bilden die §§ 535 ff. BGB (vgl. Kap. 3). Der Mietpreis ist grundsätzlich frei vereinbar. Eine Mietpreisbindung gilt lediglich für Fälle, in denen Wohnraum durch öffentliche Mittel, Wohnungsfürsorgemittel oder Steuerbegünstigungen und Zuschüsse oder Darlehen gefördert worden ist (§§ 6, 87a, 88-88c II. Wohnungsbaugesetz). In anderen Fällen erfolgt die Festlegung der Miethöhe zu Beginn des Wohnraummietverhältnisses frei. Hier sind jedoch durch den Wuchertatbestand i. S. d. § 291 StGB und das Verbot der Mietpreisüberhöhung gem. § 5 WiStrG klare Grenzen gesetzt. Das BGB enthält zusätzlich Vorschriften über die Mieterhöhungsmöglichkeiten bei Wohnungen. Genauere Ausführungen hierzu befinden sich in Kap. 2.4.1. Bei Geschäfts- und Gewerberaum herrscht bei der Ausgestaltung des Vertragsinhalts weitgehende Vertragsfreiheit. Hier besteht auch die Möglichkeit, die Miethöhe umsatzoder gewinnabhängig zu gestalten. Das Gesetz sieht für die Vermietung von Gewerbeflächen im Gegensatz zum Wohnraummietrecht keine Mietzinssteigerungen vor. Daher muss eine Mietsteigerungsklausel vertraglich vereinbart werden, um Mietsteigerungen grundsätzlich zu ermöglichen. Neben der Umsatzmiete können hierfür Staffelmietvereinbarungen oder Wertsicherungsklauseln instrumentalisiert werden.

26

1 Rechtsordnung und

Immobilienökonomie

Die Nebenkosten haben als „zweite Miete" im Rahmen der Vertragsverhandlungen an Bedeutung gewonnen. So versuchen Mietinteressenten, sich bereits bei der Vertragsgestaltung vor einem nicht kalkulierbaren Anstieg der Nebenkosten abzusichern und verlangen eine höhenmäßige Begrenzung der umlagefähigen Kosten. Im Wohnraummietrecht hat laut § 556 BGB grundsätzlich der Vermieter die Nebenkosten zu tragen, sofern keine besondere Vereinbarung getroffen wird. Er kann aber die in der Betriebskostenverordnung aufgelisteten Betriebskostenarten auf die Mieter umlegen. Auf diese Aufstellung wird auch bei gewerblichen Mietverträgen häufig zurückgegriffen, obwohl es hierzu keine gesetzlichen Vorschriften gibt. Die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung ist durch die Heizkostenverordnung (HKVO) sowohl für Gewerbe- als auch für Wohnraummietverhältnisse zwingend vorgeschrieben.

1.3 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der phasenorientierten Aspekte der Immobilienökonomie Anhand der einzelnen Phasen, die eine Immobilie durchläuft (vgl. dazu Rottke/Wernecke, S. 209 ff.), lässt sich plastisch darstellen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für die Immobilienentstehung und -nutzung von Relevanz sind. Unter Beachtung des Lebenszyklusgedankens von Immobilien sind drei Bereiche des ganzheitlichen Immobilienmanagements zu unterscheiden, die sich im Zeitablauf abwechseln, dabei jedoch auch gegenseitig überlagern: die Projektentwicklung, das Bau-Projektmanagement und das Facilities Management (vgl. Abb. 10). Der Lebenszyklus einer Immobilie beginnt mit der Bebauung des Grundstücks. Zu dieser Phase gehören die Projektentwicklung i. e. S. und das Bau-Projektmanagement. Die Realisierung eines Projektes ist zahlreichen exogenen Einflussfaktoren aus gesetzlichen und behördlichen Vorgaben, aus Belangen des Umweltschutzes und der Öffentlichkeit unterworfen. Aber auch die immer höhere Komplexität der Planung und Ausführimg von Bauvorhaben sowie Zeit- und Budgetrestriktionen erfordern die genaue Kenntnis rechtlicher Zusammenhänge.

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

\ \

27

\

Projektentwicklung / /

Projektentwicklung i.e.S. / 7 i Bau-Projektmanagement / Projekt/ Projekt/ / initiierung / konzeption / Projektvermarktung /

\

/

Facilities

/

\

Management /

/

/ Entstehungsphase

Abb. 10: Phasen der Immobilienentstehung und

/

/

Nutzungsphase

-nutzung

Das Bau-Projektmanagement regelt daher nicht nur unter technischen und betriebswirtschaftlichen, sondern auch unter rechtlichen Gesichtspunkten den reibungslosen Ablauf der Projektentstehung. Zumeist parallel dazu verläuft die Projektvermarktung, die bereits im Rahmen der rechtlichen Aspekte des Immobilienmarketings untersucht wurde (vgl. Kap. 1.2.5). Von Relevanz sind dabei das Maklerrecht und das Miet- und Kaufvertragsrecht. Während der Objektnutzungsphase besteht die Aufgabe des Facilities Managements darin, die Immobilie inklusive ihrer technischen Einrichtungen mit dem Ziel optimaler Wertentwicklung nutzerorientiert und effizient zu bewirtschaften. Steht die Immobilie schließlich leer, weil sie den Nutzeranforderungen nicht mehr gerecht wird, kommt entweder ein Redevelopment oder der Abriss mit anschließender Projektentwicklung in Frage. Der Lebenszyklus eines Immobilienobjektes setzt demnach ein System von Institutionen voraus, bestehend aus Initiatoren, der öffentlichen Hand, Bauherren, Planungs-, Ausführungs- und Wartungsbetrieben sowie aus Nutzern und Betreibern. Betrachtet man das Zusammenwirken der Institutionen der Bau- und Immobilienwirtschaft, so steht am Beginn des Lebenszyklus einer Immobilie die Beziehung zwischen Bauherr/Investor und der öffentlichen Hand. Steht der Umsetzung der Projektkonzeption nichts mehr im Wege, müssen die Beziehungen zwischen dem Bauherrn als Auftraggeber und Architekten, Fachplanern und ausführenden Firmen als Auftragnehmer gestaltet werden. Zwischen dem Auftraggeber und dem späteren Nutzer kommt es dann zu Kauf- oder Mietverträgen. Diese Verhältnisse unterliegen jeweils bestimmten rechtlichen Rahmenbedingungen, die, eingebunden in die Phasen des Lebenszyklus einer Immobilie, Gegenstand der folgenden Ausführungen sein sollen.

28

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1.3.1

Recht und Projektentwicklung

Die Projektentwicklung i. e. S. „umfasst die Phase vom Projektanstoß bis zur Entscheidung über die weitere Verfolgung der Projektidee durch Erteilung von Planungsaufträgen bzw. bis zur Entscheidung über die Einstellung aller weiteren Aktivitäten aufgrund zu hoher Projektrisiken" und bedeutet, die Faktoren Standort, Projektidee und Kapital so miteinander zu kombinieren, dass eine einzelwirtschaftlich rentable und zugleich gesamtwirtschaftlich sozial- und umweltverträgliche Investition gewährleistet wird (Diederichs, S. 30). Diese Definition trägt der Tatsache Rechnung, dass öffentliche Interessen im Rahmen einer Projektentwicklung zunehmend an Bedeutung gewinnen, was sich auch in neuen Entwicklungsformen wie der Public Private Partnership ausdrückt. Bei der Projektentwicklung, die einen komplexen Prozess beinhaltet (vgl. dazu BoneWinkel/Isenhöfer/Hofmann, S. 231 ff. sowie Schulte/Bone-Winkel) sind zahlreiche öffentlich- und privatrechtliche Restriktionen zu berücksichtigen. Die relevanten Rechtsgebiete sind in der Abb. 11 dargestellt.

Abb. 11: Übersicht über die fiir die Projektentwicklung relevanten Rechtsgebiete

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1.3.1.1 1.3.1.1.1

29

Projektinitiierung Ausgangssituationen einer Projektentwicklung

Grundsätzlich kann man zwischen drei Ausgangssituationen einer Projektentwicklung unterscheiden: von einem bereits vorhandenen Grundstück, einer konkreten Projektidee für einen fiktiven Standort oder von anlagesuchendem Kapital (vgl. Abb. 12). Allen drei Ausgangssituationen ist gemein, dass die Realisierung des Vorhabens letztlich einer baurechtlichen Genehmigung bedarf. Die Ausgangssituationen sollen im Folgenden grob beschrieben werden, um daraufhin die rechtlichen Grundlagen im Detail zu behandeln. Soll ein bereits vorhandenes Grundstück entwickelt werden, beginnt die Projektentwicklung mit einer Standortanalyse. Hierbei stellt sich in juristischer Hinsicht die Frage nach der Bebaubarkeit und Nutzbarkeit des Grundstückes; diese gehen in erster Linie aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Planungs- und Baurechts hervor. Die Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks werden durch die im Baugesetzbuch geregelte gemeindliche Bauleitplanung durch Flächennutzungsplan und Bebauungspläne festgelegt. Weiterhin ist das Bauordnungsrecht zu berücksichtigen, das auf Landesebene gefahrenrechtliche Gesichtspunkte regelt (vgl. Kap. 5.1). Daneben können auch privatrechtliche Beschränkungen bestehen, die aus Einträgen im Grundbuch hervorgehen, das Aufschluss über alle das Grundstück betreffenden Rechtsverhältnisse wie Eigentumsverhältnisse und Grundstücksbelastungen gewährt. Geht die Projektentwicklung von einer Projektidee aus, für die ein geeignetes Grundstück gesucht wird, empfiehlt sich die Einsicht in Flächennutzungs- und Bebauungspläne, um in Erfahrung zu bringen, in welchen Gebieten die vorgesehene Nutzung genehmigungsfähig ist. Auch hier erfolgt i. d. R. eine Einsicht in das Grundbuch, um in die Auswahl fallende Grundstücke näher zu prüfen. Unter Umständen bietet sich auch eine Untersuchung der Gewerbesteuerhebesätze in verschiedenen in Frage kommenden Gebieten an, die mitentscheidend für die Auswahl eines Grundstücks sein können. Auf dieser Grundlage lässt sich dann eine engere Auswahl treffen und im Rahmen der Projektkonzeption mit weiteren Detailanalysen fortfahren. Bereits in dieser noch relativ ungewissen Phase kann man sich auch ohne den vorschnellen Kauf eines Grundstückes durch eine entsprechende vertragliche Gestaltung die Option auf einen späteren Kauf sichern (vgl. Kap. 2.5). Sollte dem Eigentümer ein Optionsvertrag nicht ausreichen, so könnte sich der Projektentwickler auch für einen Kauf unter aufschiebender Bedingung (ζ. B. unter der Maßgabe, dass ein bestimmtes Baurecht realisiert wird) entscheiden. Zusätzlich

30

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

ist beim Erwerb eines Grundstückes grundsätzlich auf klare Haftungsregeln im Kaufvertrag zu achten, falls nicht mit Sicherheit auszuschließen ist, dass das Grundstück mit Altlasten behaftet ist.

Abb. 12: Die Ausgangsfaktoren der Projektentwicklung Wird die Projektentwicklung von Kapital initiiert, das die Anlage in Immobilien sucht, muss der Frage nachgegangen werden, welche Zielsetzung mit dieser Anlage verbunden ist. In Deutschland spielte das Steuersparmotiv bislang eine herausragende Rolle, inzwischen gewinnen jedoch Renditeaspekte mehr und mehr an Bedeutimg. Da die Bebauungs- und Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks essenziell für die Umsetzung einer Projektidee sind, werden im Folgenden die für die Projektentwicklung maßgeblichen rechtlichen Grundlagen behandelt. 1.3.1.1.2

Öffentlich-rechtliche Beschränkungen

Das Eigentum an Grund und Boden genießt durch Artikel 14 des Grundgesetzes verfassungsrechtlichen Schutz. Für den Eigentümer eines Grundstücks folgt hieraus die sog. „Baufreiheit", also das Recht, sein Grundstück bebauen zu dürfen. Dieses Recht ist allerdings durch das öffentliche Baurecht beschränkt, welches bestimmt, ob und wie ein

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

31

Grundstück bebaut und genutzt werden darf (vgl. Kap. 5.1). Die zum Inhalt des Grundeigentums zählende Baufreiheit gibt dem Eigentümer folglich die Befugnis, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze baulich zu nutzen. Daraus erwächst ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, wenn ein Vorhaben den Vorschriften des öffentlichen Baurechts entspricht (vgl. Kap. 5.12). Die Vorschriften des öffenüichen Baurechts lassen sich in zwei Gruppen unterteilen (vgl. Kap. 5.1.1): das sog. Bauplanungsrecht oder auch Bundesbaurecht und das Bauordnungsrecht. Das Bauplanungsrecht ist Teil des Städtebaurechts und in erster Linie im Baugesetzbuch des Bundes geregelt. Es reguliert die Planung, Lenkung und Ordnung der städtebaulichen Entwicklung und Erneuerung und ist somit maßgeblich für die Möglichkeiten der Projektentwicklung. Das Baugesetzbuch sieht für die Bebauungsplanung verschiedene Instrumente vor, die neben der hoheitlichen Planung durch die Gemeinde auch kooperative städtebauliche Entwicklungen zwischen der Gemeinde und privaten Initiatoren zulassen (vgl. Kap. 5.2). Das Bauordnungsrecht hat gefahrenrechtliche Gesichtspunkte zum Gegenstand und ist in den jeweiligen Landesbauordnungen niedergelegt; es enthält Vorschriften über die Ausführung des Bauvorhabens und über das Genehmigungsverfahren. Weitere rechtliche Beschränkungen für die Projektentwicklung können sich aus den Denkmalschutzgesetzen der Länder ergeben, die dem Schutz und der Pflege von Denkmälern der Kunst und der Geschichte und damit öffentlichen Interessen dienen sollen. Bei der Projektentwicklung ist - insbesondere vor dem Kauf eines Grundstückes darauf zu achten, ob bauliche Anlagen auf dem Grundstück unter Denkmalschutz stehen oder aber Denkmalschutzbehörden ein vorhandenes Gebäude in Zukunft förmlich unter Denkmalschutz stellen könnten. Denn sofern ein Bauwerk unter Denkmalschutz steht, kann der Eigentümer Beschränkungen unterworfen werden, die - trotz einer Steuererleichterung für den Erhalt von denkmalgeschützten Häusern - negative Auswirkungen auf die Rentabilität der Nutzung haben könnten. Grundsätzlich muss bei jeder baulichen Veränderung am Denkmal eine Erlaubnis bei der Denkmalschutzbehörde eingeholt werden. Neben dem Baurecht und dem Denkmalschutz sind bei der Entwicklung eines Grundstückes Umweltbelange zu berücksichtigen; rechtliche Beschränkungen ergeben sich insbesondere aus dem Bundesnaturschutzgesetz, dem Bundes-Bodenschutzgesetz und dem Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie weiteren Umweltgesetzen auf Landesebene.

32

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1.3.1.1.3

Privatrechtliche Beschränkungen

Während das öffentliche Baurecht Zulässigkeit und Grenzen der baulichen Nutzung von Grundstücken im öffentlichen Interesse regelt, dient das private Baurecht, insbesondere das zivile Nachbarrecht, dem Interessenausgleich zwischen Privaten. Das Nachbarrecht ist in den §§ 903 ff. BGB und im Landesrecht geregelt. Dabei geht es um den Schutz vor Immissionen, auf das Grundstück des Nachbarn fallende Früchte, den Bau von Gebäuden über die Grundstücksgrenze hinweg, die Beseitigung von Zweigen eines über die Grundstücksgrenze wachsenden Baumes, etc. (vgl. dazu Stellmann/Eishorst, S. 977 ff.). Das Grundbuch wird im Rahmen der Immobilienanalyse ausführlich behandelt (vgl. Kap. 1.2.1). Es gibt unter anderem Aufschluss über die Lasten und Beschränkungen des Grundstücks. Das Liegenschaftskataster informiert darüber hinaus über mögliche Beschränkungen der Bebaubarkeit eines Grundstücks. 1.3.1.2

Projektkonzeption

Im Rahmen der Projektkonzeption wird das bisher nur grob umrissene Projekt einer systematischen Analyse unterworfen, um die Realisierbarkeit des Vorhabens anhand detaillierter Daten und Prognosen zu verifizieren und die Entscheidung über die Durchführung zu fällen. Zu diesem Zweck ist eine Feasibility Analysis durchzuführen, die sich aus Standort- und Marktanalysen, Wettbewerbsanalysen, einer Analyse des Nutzimgskonzeptes sowie Risiko- und Rentabilitätsanalysen zusammensetzt. Insbesondere die Standort- und Marktanalyse sowie die Risikoanalyse sind unter rechtlichen Gesichtspunkten für die Projektentwicklung von Relevanz. Die Standortanalyse dient der genaueren Untersuchimg der Eignung des Grundstücks. Für eine vertiefende Betrachtung wird hier auf die Ausführungen im Rahmen der funktionsspezifischen Aspekte verwiesen (vgl. Kap. 1.2.1). Bei der Risikoanalyse gilt es vor allem zu erkennen, dass sowohl Zeit- bzw. Kosten- als auch Boden- und Baugrundrisiko durch professionelle Vertragsgestaltung erheblich reduziert werden können. Bezüglich des Genehmigungsrisikos kann festgehalten werden, dass das Risiko weniger darin besteht, dass die Baugenehmigung verweigert wird, da das Projekt hierfür öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen müsste; vielmehr könnten einerseits durch eine Verzögerung der Erteilung der Baugenehmigung vor allem die Finanzierungskosten erheblich ansteigen, andererseits könnte durch die Erteilung zusätzlicher Auflagen die Wirtschaftlichkeit des Projekts in Frage gestellt werden. Dieses Risiko ist aber durch die Durchführung eines Bauvoranfrageverfahrens (vgl. Kap. 5.1.3) sowie die frühzeitige Berücksichtigung öffentlicher Interessen deutlich reduzierbar. Die-

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

33

se Risiken können also durch ein professionell gestaltetes Projektmanagement minimiert werden; dies soll Gegenstand der folgenden Ausführungen sein. 1.3.2

Recht und Bau-Projektmanagement

Ist aufgrund positiver Ergebnisse der Feasibility Analysis die Entscheidung für eine Durchführung des Projektes gefallen, bedarf es einer zielgerichteten Abwicklung der Planung und Bebauung durch ein professionelles Bau-Projektmanagement, dessen Aufgabe es ist, die Planungs- und Ausführungstätigkeiten der an dem Bauprojekt beteiligten Parteien zu koordinieren (vgl. dazu Fischer/Bischoff, S. 301 ff.). Das Projektmanagement umfasst den Zeitraum der neun in § 15 HOAI aufgeführten Leistungsphasen und endet mit der Inbetriebnahme des Objektes. Projektmanagement beinhaltet gemäß DIN 69901 die Kombination von Führungsaufgaben, -organen, -techniken und -mittein zur Abwicklung eines Projekts und lässt sich in zwei Komponenten aufteilen: die Projektleitung und die Projektsteuerung. Während die Projektleitung die nicht delegierbaren Aufgaben des Bauherren umfasst, bezieht sich die Projektsteuerung auf die Gesamtheit der i. d. R. delegierbaren Aufgaben; letztere werden bei komplexen Projekten zur technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Abwicklung des Bauvorhabens häufig externen Projektsteuerern übertragen. Eine wesentliche Voraussetzimg für das Gelingen eines Projektes und für eine effektive Projektorganisation ist die Kenntnis der rechtlichen Zusammenhänge. So sollte eine bauvorbereitende und baubegleitende Rechtsberatung sowohl bei der Projektentwicklung als auch bei der Projektdurchführung stattfinden, die die Unsicherheit der Projektbeteiligten reduzieren und die effiziente Durchführung des Bauvorhabens gewährleisten soll. Die Abb. 13 gibt einen Überblick über die relevanten Rechtsgebiete sowie die Leistungsbeschreibung des Deutschen Verbandes der Projektsteuerer (DVP) als Grundlage für die Vertragsgestaltung. Da Bauprojekte nur dann durchgeführt werden sollten, wenn sie rentabel sind, müssen die Baukosten für den Investor kalkulierbar sein. Dafür bedarf es der vertraglichen Fixierung von Kosten, Terminen und Qualitäten, die durch ebenfalls vertraglich verankerte Sanktionsmechanismen wie Vertragsstrafen und Schadenersatzansprüche herbeigeführt werden können. Daher sollen im Folgenden die gesetzlichen Regelungen und die Gestaltungsmöglichkeiten für Architekten- und Ingenieurverträge sowie Bauverträge dargestellt werden. Insbesondere die Ausgestaltung der Vergabe der Projektsteuerungsaufgabe hat aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen eine große praktische Bedeutung.

34

1 Rechtsordnung und

1.3.2.1

Immobilienökonomie

Pr ojektsteuerungs Verträge

Die Leistungen der Projektsteuerung umfassen Beratungs-, Koordinations-, Informations- und Kontrollleistungen. § 31 der HOAI definiert diese Leistungen lediglich allgemein, erwähnt nur beispielhaft mögliche Einzelleistungen und ist daher nur als eine unzureichende rechtliche Grundlage für Projektsteuerungsverträge anzusehen (vgl. Löchner, S. 483). BauProjektmanagement

Projektsteuerungsverträge

Architekten- und Ingenieurverträge

Bauverträge

Dienst- bzw. Werkvertragsrecht (BGB)

Werkvertragsrecht (BGB)

Werkvertragsrecht (BGB)

Verdingungsordnung für Bauleistungen/T eil Β (VOB/B)

HOAI

Verdingungsordnung für Bauleistungen/Teil Β (VOB/B)

ΗΟΑΙ

Verdingungsordnung für Bauleistungen/Teil C ( V O B / C )

Leistungsbeschreibung des DVP

Abb. 13: Die rechtlichen Grundlagen des Bauprojektmanagements

Der DVP hat daher eine umfangreiche und sehr transparente Leistungsbeschreibung entwickelt, die sich an den Leistungsbildern der Architekten und Ingenieure orientiert und fünf Projektstufen umfasst: (1)

die Projektvorbereitung,

(2)

die Projektplanung,

(3)

die Ausführungsvorbereitung,

(4)

die Ausführung und

(5)

den Projektabschluss.

Zu diesen Projektstufen werden jeweils Grundleistungen und besondere Leistungen formuliert, die sich wiederum in die vier Handlungsbereiche •

Organisation, Information, Koordination und Dokumentation,



Qualitäten und Quantitäten,



Kosten und Finanzierung sowie



Termine

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

35

gliedern. Dies ermöglicht eine klare Beschreibung der Aufgaben in den Projektsteuerungsverträgen. Abb. 14 verdeutlicht diese Zusammenhänge. Die Projektvorbereitung umfasst den Zeitraum von der Projektidee bis zur Beauftragung der Planung. Die Projektplanungsphase beinhaltet die Vorplanung und Entwurfsplanung sowie die Genehmigungsplanung, d. h. die Organisation der Baugenehmigungs- und eventueller Widerspruchs- und Klageverfahren. Hierbei sind gute Kenntnisse der im Rahmen der Projektinitiierung ausführlich behandelten baurechtlichen Rahmenbedingungen ausschlaggebend.

Abb. 14: Struktur der Projektsteuerung

nach HO AI

undDVP

Während der Ausfuhrungsvorbereitung wird die Entscheidimg über die Ausführungsverträge gefällt; so kann die Vergabe ζ. B. an einen Fachunternehmer, einen Generalunternehmer oder einen Generalübernehmer erfolgen (vgl. Kap. 1.3.2.2.3). Zur Vorbereitung der Vergabe gehört zudem die Entscheidung über das Ausschreibungsverfahren und die hierfür bedeutsame Vorbereitung der Verdingungsunterlagen. Obwohl die Verdingungsordnung für Bauleistungen/Teil A (VOB/A) nur für öffentliche Auftraggeber und juristische Personen, die für Bauvorhaben öffentliche Mittel bereitgestellt bekommen, bindend ist, wird sie auch in der Privatwirtschaft häufig angewandt.

36

I Rechtsordnung und

Immobilienökonomie

Gem. § 9 VOB/A hat die Beschreibung der Leistung eindeutig und erschöpfend zu sein, damit die Beschreibung für alle Bewerber im gleichen Sinne zu verstehen ist und sie ihre Preise auf einer eindeutigen Grundlage berechnen können. Kernstück hierfür sind entsprechend erstellte Leistungsbeschreibungen und Leistungsverzeichnisse, die zugleich als Basis für Kosten-, Termin- und Qualitätsziele des Bauprojektes dienen. Die Aufgabe des Projektsteuerers in der Ausführungsphase wird maßgeblich durch die in der vorhergehenden Phase gewählte Vertragsform beeinflusst. Liegen Fachunternehmerverträge vor, so fällt dem Projektsteuerer die gesamte Projektorganisation und Projektkoordination zu. § 4 der VOB/B gibt in diesem Fall eine umfassende Beschreibung der Pflichten, die dann dem Projektsteuerer obliegen. Dazu gehören vor allem die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle sowie die Regelung des Zusammenwirkens der beteiligten ausführenden Unternehmen. Der Projektsteuerer hat weiterhin für die Herbeiführung der erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und Erlaubnisse Sorge zu tragen. Wird ein Generalunternehmer beauftragt, so werden diese Pflichten i. d. R. an ihn delegiert. Die Kontrolle der Qualität der Bauleistungen sowie die Bearbeitung von Nachtragsforderungen der Bauunternehmen verbleiben jedoch weiterhin beim Auftraggeber. Der Projektabschluss umfasst Objektbetreuung und Dokumentation. In diese Phase fallen die Fertigstellung des Baus, die Abnahme und die Inbetriebnahme des Objektes. Der Abnahme kommt nach § 640 BGB eine entscheidende Bedeutung zu. Grundsätzlich wird der Vergütungsanspruch nach § 641 BGB erst bei der Abnahme fällig. Für die Gewährleistungsansprüche bewirkt die Abnahme, dass nur noch Mängelbeseitigung verlangt werden kann. Eine Kündigung ist dann nicht mehr möglich. Ansprüche wegen bekannter Mängel, die der Auftraggeber noch bei der Abnahme erwähnt, muss er sich ausdrücklich vorbehalten, andernfalls gehen sie unter. Besonders wichtig ist, dass die Verjährung der Gewährleistungsansprüche von der Abnahme an zu laufen beginnt. Die Abnahme kann beim Projektsteuerer nicht durch eine körperliche Entgegennahme erfolgen, sondern besteht darin, dass die Leistung gem. § 646 BGB vollendet und erfüllt worden ist und der Auftraggeber die Schlussabrechnung des Projektsteuerers entgegengenommen hat. Auch zur Abnahme sollten vertragliche Regelungen vereinbart werden, um Unklarheiten zu vermeiden. Die Rechtsprechung hat die Frage, ob es sich bei einem Projektsteuerungsvertrag um einen Dienst- oder einen Werkvertrag handelt, noch nicht abschließend geklärt. Die Einordnimg findet danach statt, auf welche Aufgabenbereiche sich die Vertragspartner im konkreten Einzelfall geeinigt haben. Generell gilt demnach, dass sich die Anwendung des Dienst- oder Werkvertragsrechts aus der Auslegung des Projektsteuerungsvertrages

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ergibt. Auch die gesetzliche Haftung ist bislang nur unzureichend geregelt. Hier ergibt sich die Gewährleistungspflicht ebenfalls aus der individuellen vertraglichen Regelung. Es ist demnach sehr wichtig, dass etwaige Gewährleistungsansprüche gegen den Projektsteuerer detailliert vertraglich geregelt werden, damit ein Anspruch auf Nachbesserung und Schadenersatz entstehen kann. I. d. R. ist eine Nachbesserung bei Projektsteuerungsleistungen nicht mehr möglich, da der Auftraggeber Fehler der Projektsteuerung oftmals erst feststellen kann, wenn sie sich bereits im Bauwerk realisiert haben, sei es in terminlicher, kostenmäßiger oder qualitativer Hinsicht. Hat der Projektsteuerer den Mangel verschuldet, so kann der Auftraggeber Schadenersatz nach §§ 634 Nr. 4, 636, 280, 281, 283 und 311 a BGB verlangen. 1.3.2.2

Architekten- und Ingenieurverträge

1.3.2.2.1

Die Aufgaben des Architekten und der zugrunde liegende Vertragstyp

Die Aufgabe des Architekten ist es, das vom Projektentwickler entworfene Nutzungskonzept in eine kostengerechte, funktionale, flexible und architektonisch anspruchsvolle Immobilie umzusetzen. Neben dieser Planimgsaufgabe übernimmt er häufig auch beratende Funktionen sowie die Auswahl von Fachingenieuren und sonstigen Planern und darüber hinaus die Dokumentation des Bauprozesses. Architekten- und Ingenieurverträge sind aufgrund ihrer Ergebnisorientierung in aller Regel Werkverträge i. S. d. §§ 631 ff. BGB (vgl. Kap. 7.2.1.1). Der Werkvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Architekt oder Ingenieur einen Erfolg, d. h. eine in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht mängelfreie Planung und Umsetzung des Objektes schuldet. In Ausnahmefällen kann auch ein Dienstvertrag gem. § 611 BGB gewählt werden, falls der Architekt lediglich einzelne Teilleistungen zu erbringen hat. Danach schuldet der Architekt oder Ingenieur lediglich ein schlichtes Tätigwerden. Unter juristischen Gesichtspunkten ist neben dem BGB auch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) von Bedeutung, die zwar eigentlich nur Vergütungsregelungen enthält (vgl. Kap. 7.2.2), zudem aber auch für die vertragliche Ausgestaltung mit Architekten und Ingenieuren instrumentalisiert wird, indem die zu erbringenden Leistungen durch Verweise auf das Leistungsbild des § 15 HOAI vertraglich fixiert werden. Das Leistungsbild ergibt sich aus den neun Leistungsphasen, die üblicherweise für vergleichbare Objekte erbracht werden müssen: (1)

Grundlagenermittlung

(2)

Vorplanung (Projekt- und Planimgsvorbereitung)

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1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

(3)

Entwurfsplanung (System- und Integrationsplanung)

(4)

Genehmigungsplanung

(5)

Ausführungsplanimg

(6)

Vorbereitung der Vergabe

(7)

Mitwirken bei der Vergabe

(8)

Objektüberwachung (Bauüberwachimg)

(9)

Objektbetreuung und Dokumentation

Hierbei gibt es jeweils Grundleistungen und besondere Leistungen (vgl. § 15 HOAI). 1.3.2.2.2

Die Haftung des Architekten

Architekten können in zweierlei Hinsicht haftbar gemacht werden: einerseits bezüglich der Kosten und andererseits bezüglich der technischen Leistung (vgl. Kap. 7.2.5). Architekten sind verpflichtet, bei ihrer Planung den von ihrem Bauherren vorgegebenen wirtschaftlich-finanziellen Rahmen zu berücksichtigen. So können gem. §§ 634 Nr. 4, 636, 280, 281, 283 und 311 a BGB im Falle einer Bausummenüberschreitung Schadenersatzansprüche an den Architekten oder Ingenieur geltend gemacht werden, sofern der Bauherr die Überschreitung nicht genehmigt hat und sie einen gewissen Grad erreicht, der als nicht mehr vertretbar angesehen wird. Die Haftung des Architekten für die Bausummenüberschreitung setzt ebenfalls voraus, dass den Architekten ein Verschulden an der Kostenüberschreitimg trifft. Fehler im technischen Bereich betreffen die Planung, die Koordinierungspflicht und die Objektüberwachung. Die Planung ist fehlerhaft, wenn sie nicht genehmigungsfähig ist oder nicht dem Stand der Technik entspricht. Der Architekt muss außerdem die Arbeiten der Bauunternehmer und Sonderfachleute koordinieren und die wichtigen und kritischen Bauabschnitte des Bauablaufs überwachen. Gem. §§ 634 Nr. 4, 636, 280, 281, 283 und 311 a BGB kann der Auftraggeber einen Schadenersatzanspruch gegen den Architekten geltend machen, sofern neben einem Planungs-, Vergabe- oder Überwachungsfehler ein Verschulden des Architekten vorliegt. 1.3.2.2.3

Die Gestaltung von Bauverträgen

Die Gestaltung von Bauverträgen kann für Immobilieninvestoren erheblichen Einfluss auf die zu erzielende Rendite haben, da sich das Risiko der Immobilienentwicklung je nach Gestaltung der Bauverträge in niedrigem oder hohem Umfang auf die Auftrag-

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nehmer abwälzen lässt. So kann ein zumindest teilweiser Übergang des Zeitrisikos durch die Vereinbarung von Vertragsstrafen erreicht werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine Abwälzung von Risiko höchstwahrscheinlich mit dem Aufschlag einer Risikoprämie seitens der Auftragnehmer einhergehen wird. Auch die Wahl der rechtlichen Grundlage von Bauverträgen kann Risiken und wirtschaftliche Vorteile zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer unterschiedlich verteilen. Je nach der gewählten Rechtsgrundlage der Verträge ergeben sich nämlich erhebliche Unterschiede bezüglich der Gewährleistungsvereinbarungen, der Verjährungsfrist für die Gewährleistung sowie der zeitlichen Abfolge der Vergütung für Bauleistungen. Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Bauunternehmen lassen sich grundsätzlich drei Auftragsarten unterscheiden: die Einzelvergabe von Gewerken, Generalunternehmerverträge und Generalübernehmerverträge. Der einfache Bauvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Vertrag zwischen dem Bauherrn und den ausführenden Unternehmen geschlossen wird. Der Auftraggeber vergibt hier also die Bauleistung im eigenen Namen und auf eigenes Risiko, die der einzelne Auftragnehmer im Rahmen seines eigenen Betriebes ausführt. Die Bauleistungen der einzelnen Auftragnehmer können aber auch in mehrstufigen Vertragsverhältnissen ausgeführt werden. Die Vertragsverhältnisse werden folgendermaßen systematisiert: Wenn der Auftragnehmer als Vertragspartner des Auftraggebers Teile der vereinbarten Leistungen an andere Unternehmen überträgt, wird er als Hauptunternehmer und werden die anderen Unternehmen als Nachunternehmer oder Subunternehmer bezeichnet. Unter einem Generalunternehmer ist ein Auftragnehmer zu verstehen, der die Bauleistungen aller Gewerke für ein Bauwerk erbringt; dabei werden meist wesentliche Teile der Leistungen an Subunternehmer vergeben. Ein Generalunternehmer, der auch alle Planungsleistungen übernimmt, wird als Totalunternehmer bezeichnet. Unter einem Generalübernehmer wird ein Unternehmen verstanden, das alle Bauleistungen für ein Objekt übernimmt, diese jedoch in vollem Umfang an Subunternehmer vergibt und selbst keinerlei Bauleistungen erbringt. Generalunternehmer- und -Übernehmervertrag sind also dadurch gekennzeichnet, dass dem Auftraggeber nur noch ein einziger Vertragspartner zur Erfüllung der gesamten Bauleistung bis zur sog. Schlüsselfertigkeit gegenübersteht. Bauverträge sind grundsätzlich auf die Erfordernisse des Einzelfalles abzustimmen. Die Rechtsgrundlage für Bauverträge ist der Werkvertrag i. S. d. §§ 631 ff. BGB (Wodicka, S. 508). Gem. § 631 BGB besteht das Wesen des Werkvertrages darin, dass einerseits ein Unternehmer zur Herstellung einer Leistimg verpflichtet ist und andererseits vom Auf-

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1 Rechtsordnung und

¡mmobilienökonomie

traggeber eine vereinbarte Vergütung erhält. Das rechtliche Interesse bei der werkvertraglichen Unternehmerleistung konzentriert sich demnach allein auf das Ergebnis der unternehmerischen Tätigkeit, also das fertig gestellte Objekt, und nicht auf den Vorgang der Werkserrichtung. Der Vertragstyp des Werkvertrages ist in der Bauwirtschaft vorherrschend, da gerade hier der Erfolg in Form des fertig gestellten Bauwerkes geschuldet wird und nicht das reine Tätigwerden. Das Werkvertragsrecht stellt aber in den meisten Fällen nicht die alleinige Grundlage eines Bauvertrags dar, da die Besonderheiten des Bauwesens hier nur unzureichend berücksichtigt sind. Die Regelungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen sind gezielt auf die Bedürfnisse der Bauwirtschaft ausgerichtet, insbesondere bezüglich der Vergütung und der Gewährleistung sowie der Verjährungsfristen für die Gewährleistung. Bauverträge werden daher in den meisten Fällen auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen/Teil Β (VOB/B) vereinbart. Teil Β der VOB enthält die allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführungen von Bauleistungen und ist gemeinsam mit den allgemeinen technischen Vertragsbedingungen des Teils C der VOB maßgeblich für den Aufbau und Inhalt des Bauvertrags, während Teil A, wie erwähnt, allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen enthält. Ist das Projekt abgeschlossen, erfolgt die Abnahme und Übergabe des Objekts. Sofern die Immobilie nicht vom Nutzer selbst entwickelt worden ist, muss sie durch die Vermarktung Dritten zugänglich gemacht werden (vgl. Kap. 1.2.5). Ist im Falle der Notwendigkeit der Vermarktung für die Immobilie ein Käufer oder Mieter gefunden, kann sie nun der Nutzung bereitgestellt werden. 1.3.3

Recht und Facilities Management

Das Management von Immobilien kann während der Objektnutzungsphase unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden: einerseits aus der Perspektive eines Unternehmens, das die Immobilie als Produktionsfaktor zur Erstellung von Leistungen nutzt, und andererseits aus der Sicht eines Investors, der primär an der Erwirtschaftung einer Rendite und der Wertsteigerung seiner Anlage interessiert ist und das Facilities Management meist einem Dritten überträgt. Die Aufgaben dieser Bereiche sind jedoch zu einem großen Teil deckungsgleich, denn sowohl der Nutzer als auch der Investor verfolgen im Grunde die gleiche Zielsetzimg: die Kostenminimierung bei der Bereitstellung einer nutzergerechten Immobilie. Facilities Management dient der kontinuierlichen Bereitstellung einer funktionsfähigen, kosteneffektiven und dabei möglichst flexiblen Arbeitsumgebung und soll damit den

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Primärprozess der Unternehmung gewährleisten und nachhaltig unterstützen (vgl. dazu Pierschke/Pelzeter, S. 343 ff. sowie Schulte/Pierschke). Facilities Management bezieht sich demnach auf die Immobilie inklusive aller Sachressourcen als Betriebsmittel, das im Rahmen der unternehmerischen Leistungserstellung benötigt wird. Dabei ist es unerheblich, ob die Gebäude sich im Eigentum des Unternehmens befinden, geleast oder gemietet sind. Das Facilities Management hat eine operative und eine strategische Dimension. Strategisches Facilities Management setzt bereits bei der Gebäudeplanimg ein und soll zur Errichtung einer für den Leistungserstellungsprozess optimalen Immobilie führen. Neben der Funktionalität und der Flexibilität werden in dieser frühen Phase auch die später anfallenden Baunutzungskosten festgelegt (vgl. Abb. 15). Hier gilt es unter anderem, Gesetzesänderungen, wie bspw. zur Energiesteuer, zu berücksichtigen, um sprunghaft ansteigende Kosten der Nutzung des Gebäudes zu antizipieren.

Abb. 15: Möglichkeit der Beeinflussung von Kosten bei Immobilieninvestitionen Unter rechtlichen Gesichtspunkten ist jedoch vor allem das operative Facilities Management, d. h. das Management einer Immobilie während der Nutzimgsphase von Belang. Dazu gehören das technische, das infrastrukturelle und das kaufmännische Management der Immobilie. Ein einheitlicher Rahmen bezüglich der Inhalte der jeweiligen Leistungen ist durch die Richtlinien des VDMA und der GEFMA gegeben. Zu den tech-

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1 Rechtsordnung und

Immobilienökonomie

nischen Leistungen des Facilities Managements gehören danach das Betreiben, Instandhalten, Modernisieren, Sanieren und Umbauen, das Ver- und Entsorgen sowie das Energiemanagement. Hierbei müssen einschlägige Gesetze, wie z. B. das Energieeinsparungsgesetz und die behördlich vorgeschriebenen Pflichten zur Durchführung diverser Inspektionen, eingehalten werden. Das infrastrukturelle Gebäudemanagement umfasst das Flächenmanagement, das Umzugsmanagement, Sicherheitsdienste, Reinigungsdienste, Gartenpflege und Winterdienste sowie das Management von Parkflächen. Der kaufmännische Aspekt des Facilities Managements beinhaltet die Objektbuchhaltung, das Kostenmanagement und das Vertragsmanagement; bei letzterem handelt es sich um die Verwaltung von Miet- oder Leasingverträgen (vgl. Kap. 4.7.1) und OutsourcingVerträgen für Teilleistungen des Facilities Managements. Die Aufgaben des Facilities Managements können entweder von eigenem Personal übernommen oder externen Dienstleistungsunternehmen übertragen werden. Dabei können Einzelleistungen, z. B. Reinigungs- und Sicherheitsdienste, oder auch Leistungspakete extern vergeben werden. Infolge der Konzentration auf das Kerngeschäft vertrauen manche Non-Property-Unternehmen das Facilities Management sogar vollständig einem externen Anbieter an. Das Outsourcing soll einerseits die Bereitstellung einer nutzergerechten Immobilie und andererseits Kosteneinsparungen herbeiführen. Die erste Zielsetzung erfordert eine präzise Formulierung der Aufgabenstellung im Outsourcing-Vertrag, da standardisierte Verträge nicht existieren. Bei der Vertragsgestaltung sollten auch Möglichkeiten der Kontrolle des Vertragspartners geschaffen werden. Daneben ist es ratsam, Verpflichtungen zu Datenschutz und Informationssicherheit ebenfalls vertraglich zu verankern, um Sicherheitsrisiken soweit wie möglich zu reduzieren. Neben der generellen Problematik, die mit dem Outsourcing verbunden sind, wie der Entstehung von Abhängigkeiten gegenüber externen Anbietern, gibt es auch rechtliche Zwänge. Gem. § 613a BGB kann beim Outsourcing von Leistungen unter Umständen ein Betriebsübergang stattfinden, der zur Folge hat, dass diejenigen Arbeitnehmer, die die nun ausgegliederten Leistungen bisher unternehmensintern verrichtet haben, von dem externen Anbieter übernommen werden müssen (vgl. dazu Wörle, S. 585 ff.). Das Ziel der Kosteneinsparung lässt sich durch verschiedene, im Outsourcing-Vertrag verankerte Anreizstrukturen erreichen. Die Erstattung der Kosten zuzüglich eines Gewinnaufschlages, der sog. „Open-book-contract", stellt den geringsten Anreiz dar. Das sog. Performance Contracting kann dagegen als wirksamer Anreiz zur Nutzung von Einsparungspotenzialen instrumentalisiert werden, da hierbei im Outsourcing-Vertrag festgelegt wird, dass ein Teil der realisierten Einsparungen anteilig dem externen Dienstleister zusteht.

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1.4 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der strategiebezogenen Aspekte der Immobilienökonomie Die strategiebezogenen Aspekte der Immobilienökonomie umfassen langfristige Entscheidungen bezüglich des Immobilienbestandes. Dabei sind vier verschiedene Gruppen von Entscheidungsträgern zu berücksichtigen: •

Unternehmen, deren Unternehmenszweck die Kapitalanlage in Immobilien darstellt (Institutionelle Immobilieninvestoren),



Unternehmen, deren Kernkompetenzen außerhalb des Immobilienbereichs liegen (Non-property-companies)



die öffentliche Hand sowie



private Immobilieninvestoren.

Immobilien-Portfoliomanagement beschäftigt sich mit der Strukturierung von Immobilienbeständen mit dem primären Ziel der Wertsteigerung der Immobilienbestände. Corporate Real Estate Management dient der effizienten Bereitstellung betriebsnotwendiger Immobilien und der rentablen Verwertimg nicht betriebsnotwendiger Immobilien; dabei wird die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und die Steigerung des Shareholder Value verfolgt. Public Real Estate Management soll vor allem eine kostensparende Bereitstellung von Immobilien im öffentlichen Sektor bezwecken. Private Real Estate Management befasst sich mit den Immobilienanlagen einer Privatperson oder einer Familie. Diese vier Bereiche werden in den folgenden Abschnitten ausführlich unter rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet. 1.4.1

Recht und Immobilien-Portfoliomanagement

Ausgehend von einem bereits vorhandenen Portfolio an Immobilien soll die Immobilienportfolio-Analyse eine strukturierte Hilfestellung für die Diagnose und Visualisierung der Aktivitäten des Unternehmens geben, auf deren Basis eine Strategie für das Portfoliomanagement abgeleitet werden kann. Liegt ein nur in Immobilien investiertes Portfolio vor, dann bezieht sich das Portfoliomanagement auf die Frage der Strukturierung des Immobilienbestandes. Als wesentliche Streuungskriterien dienen die Nutzungsart, die Region sowie die Lage. Ziel des Portfoliomanagements ist es, durch die geeignete Auswahl und Strukturierung von Immobilien eine Mischung von Chancen und Risiken zu erreichen (vgl. dazu Bone-Winkel/Thomas/Allendorf/Walbröhl/Kurzrock, S. 777 ff.). Um die rechtlichen Beschränkungen bei der Optimierung der Portfoliostruktur erläutern zu können, bietet sich ein knapper Überblick über die Institutionen an, die ty-

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1 Rechtsordnung und

Immobilienökonomie

pischerweise als Immobilieninvestoren am Markt auftreten und Bestandsmanagement betreiben. Ein geschlossener Immobilienfonds enthält i. d. R. eine einzige Immobilie, in Ausnahmefällen bis zu fünf Immobilien. Die Initiatoren unterliegen bei der Portfoliobildung keinen gesetzlichen Vorschriften; dies gilt auch für Immobilienleasing-Gesellschaften. Offene Immobilienfonds stellen das Pendant zu Aktien- und Rentenfonds dar und verwalten große Immobilienportfolios im ein- bis zweistelligen Milliardenvolumen. Als Kapitalanlagegesellschaften sind ihre Geschäfte gem. § 1 Abs. 1 KAGG darauf gerichtet, bei ihnen eingelegtes Geld im eigenen Namen für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger nach dem Grundsatz der Risikomischung in den nach diesem Gesetz zugelassenen Vermögensgegenständen primär in Form von Grundstücken anzulegen. Sie unterliegen keiner Beschränkimg des Zeichnungsvolumens, müssen aber bezüglich der Anlagepolitik umfangreiche Schutzvorschriften des KAGG beachten. Auch Versicherungsgesellschaften unterliegen bei Immobilienanlageentscheidungen rechtlichen Beschränkungen, die im Einzelnen in dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) geregelt sind. So sind nach § 54 Abs. 1 VAG die „Bestände des Sicherungsvermögens [...] und das sonstige gebundene Vermögen [...] unter Berücksichtigung der Art der betriebenen Versicherungsgeschäfte sowie der Unternehmensstruktur so anzulegen, dass möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei jederzeitiger Liquidität des Versicherungsunternehmens unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung erreicht wird". Immobilienaktiengesellschaften stellen Gesellschaften in der Rechtsform der AG dar, deren Kerngeschäft das Immobiliengeschäft ist. Sie unterliegen keinen Vorgaben zur Anlagepolitik. Soweit es sich um Bestandshalter handelt, kann das Immobilienportfolio nach den vom Management gewählten Kriterien, ζ. B. den Gesichtspunkten der Marktattraktivität und des relativen Wettbewerbsvorteils, gesteuert werden. Die Basis des Portfoliomanagements bildet die Immobilienanalyse, auf die bereits in Kap. 1.2.1 ausführlich eingegangen wurde. 1.4.2

Recht und Corporate Real Estate Management

Neben der Optimierung des betrieblichen Flächenbedarfs geht es beim Corporate Real Estate Management um die Erfassung, Bewertung, Entwicklung und Verwertung nicht betriebsnotwendiger Grundstücke von Non-property-companies. Das Corporate Real Estate Management soll, ausgehend von den strategischen Zielsetzungen der Unternehmung, durch eine systematische Planung, Steuerung und Kontrolle aller immobilienbe-

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

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zogenen Unternehmensaktivitäten einen Beitrag zur nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung leisten. Ziel ist es, die Erfolgspotenziale im betrieblichen

Immo-

bilienportfolio aktiv auszunutzen (vgl. dazu Schäfers/Gier, S. 841 ff. sowie Schulte/Schäfers). Entsprechend einer lebenszyklusorientierten Betrachtung lassen sich grundsätzlich die Entscheidungsfelder •

Immobilienbereitstellung



Immobilienbewirtschaftung und



Immobilienverwertung

unterscheiden, innerhalb derer es gilt, phasenspezifische Strategien auszuformen. 1.4.2.1

Strategien der Immobilienbereitstellung

Grundsätzlich kann ein Unternehmen den Immobilienbedarf durch eigene, unternehmensinterne Projektentwicklung oder externe Quellen, d. h. Kauf, Leasing und Miete, decken. Die Strategiefindung der Immobilienbereitstellung wird demzufolge maßgeblich durch die rechtlichen Rahmenbedingungen von Kauf, Leasing und Miete beeinflusst. Die unternehmensinterne Projektentwicklung bedarf des Einsatzes eigener finanzieller, materieller und personeller Ressourcen. Hier muss das Unternehmen alle rechtlichen Gesichtspunkte der Immobilienprojektentwicklung berücksichtigen (vgl. Kap. 1.3.1). Durch den Kauf erwirbt das Unternehmen das wirtschaftliche und rechtliche Eigentum und damit das alleinige Nutzungsrecht an der ihr übertragenen Immobilie. Dadurch wird die Kontrolle über Nutzung und Veränderbarkeit entsprechend den sich in der Zukunft ergebenden Unternehmens- bzw. geschäftsfeldstrategischen Anforderungen gewahrt. Hierbei sind die rechtlichen Grundlagen des Kaufvertragsrechtes zu beachten (vgl. Kap. 1.2.4.2). Im Leasingvertrag wird meistens eine unkündbare Grundmietzeit festgelegt, die zwischen 40 % und 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer liegt. Die spezifische Vertragsgestaltung via Kaufoption zwingt zudem den Leasingnehmer, am Ende der Grundmietzeit die weitere Nutzimg des Objektes zu überdenken; einer unreflektierten Nutzung veralteter Objekte kann damit vorgebeugt werden. Durch die Kaufoption kann für die Zeit nach Vertragsablauf der Standort gesichert werden. Beim Leasingvertrag sind die durch die Leasingerlasse gesteckten Rahmenbedingungen zu beachten (vgl. Kap. 1.2.3.2).

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1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

Bei der Anmietung einer Immobilie wird lediglich ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht gegen Zahlung einer monetären Gegenleistung begründet. Raumkapazitäten sind relativ kurzfristig abbaubar, da Mietverhältnisse entweder auf kürzere Dauer eingegangen werden oder in Fristen kündbar sind. Hier gelten die Ausführungen zum Mietrecht (vgl. Kap. 1.2.5.2.2). 1.4.2.2

Strategien der Immobilienbewirtschaftung

Die Bewirtschaftung von Immobilien kann durch Mitarbeiter des eigenen Unternehmens und/ oder durch die Vergabe an unternehmensexterne Anbieter erfolgen. Genaue Vorgaben über den Leistungsinhalt sind ebenso notwendig wie eine anreizkompatible Gestaltung der Vergütung für die jeweiligen Leistungen. Im Falle des Outsourcings ist vor allem aufgrund der Ermangelung an Regelungen durch den Gesetzgeber auf eine lückenlose vertragliche Gestaltung der Verträge zu achten, um eine einwandfreie Bewirtschaftung der Immobilien zu gewährleisten (vgl. Kap. 1.3.3). 1.4.2.3

Strategien der Immobilienverwertung

Die Strategien der Immobilienverwertung dienen der Verwertung frei werdender bzw. nicht betriebsnotwendiger Unternehmensimmobilien. Unter einer passiven Verwertung dieser Immobilien versteht man die Vermietung oder den Verkauf ohne Inhalts- und Strukturveränderungen. Für die Veräußerung des Immobilienbestandes gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. So können Immobilien direkt oder als selbstständige Aktiengesellschaft an der Börse veräußert werden. Einen bedeutenden Parameter bei der Wahl der Verkaufsalternative stellt das Steuerrecht dar. Während der direkte Verkauf von Immobilien im Betriebsvermögen grundsätzlich steuerpflichtig ist, besteht unter den Voraussetzungen des § 6b EStG die Möglichkeit der Steuerneutralität, sofern innerhalb einer Frist von vier Jahren - im Falle einer Entwicklung sogar von sechs Jahren - eine zulässige Übertragung auf ein anderes Wirtschaftsgut erfolgt. Die Veräußerung kann auch durch eine Ausgliederung des Immobilienvermögens in eine Aktiengesellschaft und die Veräußerung der Aktien erfolgen. Gemäß § 86 Abs. 2, 3 KStG sind Gewinne aus Veräußerungen von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften durch Kapitalgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen zu 95 % von der Körperschaftsteuer befreit. Unter diesen Umständen kann es sinnvoll sein, die Ausgliederung von Immobilienbeständen in eine eigene Gesellschaft und deren spätere Veräußerung einer direkten Veräußerung des Immobilienbestandes vorzuziehen. Restriktionen ergeben sich jedoch aus der Haltefrist bei einbringungsgeborenen Anteilen; die Steu-

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erneutralität ist in diesem Fall an die Bedingung geknüpft, dass die ausgegliederte Immobiliengesellschaft mindestens sieben Jahre von der Muttergesellschaft gehalten wurde (Haritz, S. 1537 ff.). Bei der Vorbereitung des Börsengangs ist das Börsen- und Handelssegment festzulegen. Hier müssen die förmlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Börsenzulassung erfüllt werden. Dazu gehören je nach Marktsegment unterschiedliche Erfordernisse bezüglich des Emissionsvolumens, des minimalen Streubesitzes, der Herausgabe eines Börsenzulassungsprospektes sowie eines Mindestalters der zu notierenden Gesellschaft. Zudem besteht in manchen Marktsegmenten eine Haltefrist für die bei der Muttergesellschaft verbliebenen Anteile. Es ist zu beachten, dass die rechtlichen Zwänge der Börsennotierung auch Kosten verursachen. Einmalige Kosten entstehen bei der Erstellung und dem Druck der Aktien sowie der Emissionsprospekte, periodische Kosten werden durch den Publizitätszwang verursacht. Bei der aktiven Verwertungsstrategie erfolgt vor der Vermarktung ein Redevelopment. Hierfür gelten die rechtlichen Rahmenbedingungen der Projektentwicklung, die in Kap. 1.3.1 dargestellt wurden. Bei der Verwertung der Unternehmensimmobilien ist außerdem, insbesondere bei Industrieunternehmen, zu beachten, dass die Sanierung von Altlasten zur Auflage oder Bedingung einer Genehmigung gemacht werden kann. Das Recht der Altlasten ist eine Mischung aus öffentlichem und privatem Recht. Die verschiedenen Verantwortlichkeiten für eine Altlast sind in mehreren Gesetzen verstreut. Mit Altlasten sind verschiedene Risiken verbunden (ζ. B. Sanierungsrisiko, Abfallbeseitigungsrisiko, Bauzeitverlängerungsrisiko), die bei der aktiven Verwertungsstrategie berücksichtigt werden sollten. 1.4.3

Recht und Public Real Estate Management

Obwohl die öffentliche Hand in der Bundesrepublik Deutschland einer der größten Immobilieneigentümer ist, wurde bisher noch kein einheitliches Führungskonzept für die Optimierung des Immobilienbestandes eingeführt. Dies muss sich jedoch in Zukunft ändern, da unter dem wachsenden Druck der angespannten Haushaltslage auch die durch Immobilien induzierten Kosten, einer der größten Ausgabenblöcke des Verwaltungshaushaltes, berücksichtigt werden müssen. Das Public Real Estate Management soll als eine strategische Gesamtkonzeption für den öffentlichen Sektor verstanden werden, die den heterogenen Immobilienbestand auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene in Hinblick auf die politischen Ziele optimieren soll (vgl. dazu Brockhoff/Zimmermann, S. 895 ff.).

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1 Rechtsordnung und

Immobilienökonomie

Die Optimierung kann jedoch nicht nach privatwirtschaftlichen Vorgehensweisen erfolgen, da der öffentliche Sektor anderen Rahmenbedingungen unterliegt und nicht rein wirtschaftliche Ziele verfolgt. Unterschiede zwischen privater Wirtschaft und dem öffentlichen Sektor ergeben sich aus der Wettbewerbssituation (die öffentliche Hand hat ein Quasi-Monopol inne), Arten der Erfolgsmessung (Rentabilität vs. Kameralistik), Preisgestaltung (frei vs. einheitlich), Ressourcen- und Erfolgsverantwortung (Wirtschaftlichkeit vs. Budgetierung) und Personalführung (Anreiz- und Sanktionssysteme vs. Bundesbesoldungsgesetz) . Um eine vollständige Berücksichtigung aller immobilienspezifischen und politischen Einflussfaktoren zu gewährleisten, bietet sich eine Implementierung des Public Real Estate Managements in drei Phasen an: Bestandserfassung, Entwicklung einer Gesamtkonzeption und Umsetzimg in mehreren Schritten. Speziell bei der Entwicklung der Gesamtkonzeption ist den rechtlichen Besonderheiten des öffentlichen Sektors Rechnung zu tragen (vgl. Abb. 16). Zu beachten sind hier im Rahmen der Budgetierung das Haushaltsgrundsätzegesetz, die Bundeshaushaltsordnung, insbesondere die §§ 7, 63 und 64, und die Landeshaushaltsordnungen. Bei nötigen organisatorischen Umstrukturierungen sind das Arbeits- und Beamtenrecht, das Bundesbesoldungsgesetz und der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag von Relevanz. Auch das Vergaberecht, speziell die Verdingungsordnung für Bauleistungen/Teil A und die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL), ist bei der Entwicklung der Gesamtkonzeption zu berücksichtigen. Die rechtlichen Vorgaben des Vergaberechts haben entscheidenden Einfluss auf die Handlungsmöglichkeiten des öffentlichen Sektors und müssen daher von der Gesamtkonzeption reflektiert werden.

Abb. 16: Übersicht über die für das Public Real Estate Management relevanten Rechtsgebiete

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

1.4.4

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Recht und Private Real Estate Management

Private Real Estate Management befasst sich mit der Planung, Realisierung, Steuerung und Kontrolle sämtlicher direkter und indirekter Immobilienanlagen einer Privatperson oder Familie, tinabhängig von ihren juristischen Eigentumsverhältnissen und unter Berücksichtigung der rechtlichen, steuerlichen, finanziellen und familiären Rahmenbedingungen (vgl. Schaubach/ Tilmes, S. 917 ff.) und gehört damit zum Private Wealth Management. Um alle Wirkungen und Wechselwirkungen von privat gehaltenen Immobilien zu erfassen, bietet sich ein Top-down Ansatz an. Nachdem der Bestand erfasst wurde, erfolgt eine strategische Gesamtausrichtung des gehaltenen gemischten Asset-Portfolios. Anschließend wird eine Immobilien-Portfoliooptimierung durchgeführt. Die Umsetzung der abgeleiteten Strategie kann abschließend in mehreren Schritten auf Einzelobjektebene erfolgen. In allen Phasen sind die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Diese können in drei Ebenen systemisiert werden: Neben der persönlichen Ebene des Immobilieneigners, sind die Immobilien-Objektebene und die Anbieterebene eines Private Real Estate Managements unterscheidbar (vgl. Abb. 17). Die Übergänge der Ebenen sind fließend. Welche rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen auf den einzelnen Ebenen relevant sind, soll im Weiteren kurz umrissen werden. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll auf mögliche Problemfelder aufmerksam machen. Auf der persönlichen Ebene sind insbesondere Eigentumsverhältnisse (Einzeleigentum vs. Gesellschaftsanteil) und die damit verbundenen Rechte und Pflichten zu berücksichtigen. Hinzu kommen Schuldverhältnisse, beispielsweise aus Fremdfinanzierungen oder Vermietung. Aus finanzieller Sicht, sind hauptsächlich steuerrechtliche Aspekte von Interesse. Hierzu gehören Fragen der Einkommensteuer ebenso wie eventuelle Fragen von Gewerblichkeit. In der Erwerbs bzw. Eigentumsübertragungsphase kommen neben steuerlichen Aspekten vor allem vertragliche Aspekte und gegebenenfalls erbschafts- und schenkungsrechtliche Seiten zum Tragen. Auf der Objektebene sind die rechtlichen Vorschriften vielfach abhängig von der Art des Immobilieninvestments und der Investitionsphase. Bei Direktimmobilien spielen beispielsweise in der Erstellungsphase schuld- und vertragsrechtliche Aspekte eine bedeutende Rolle. Unter Umständen sind auch Fragen des Erbbaurechtes, des Wohnungseigentumsgesetzes oder des Bau- und Planimgsrechts von Bedeutung. In jedem Fall spielt bei Direktimmobilien das Mietrecht eine (immer wichtigere) Rolle.

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Auf der Ebene der Anbieter eines Private Real Estate Management kommen neben gesellschaftsrechtlichen Aspekten der Organisation und deren Besteuerung vor allem zivilrechtliche Fragestellungen zwischen Anbieter und Kunde zum Tragen. Hierzu gehören hauptsächlich vertragliche Rechte und Pflichten. In Abhängigkeit von der Rechtsform des Anbieters und des konkreten Leistungsspektrums werden auch steuerrechtliche und aufsichtsrechtliche Sachverhalte (wie z. B. im Falle eines Bank-Anbieters) relevant. Da rechtliche und steuerliche Vorgaben einen beträchtlichen Einfluss auf die optimale Immobilien-Allokation haben, müssen sie bei jeder Umsetzung eines Private Real Estate Management reflektiert und entsprechend berücksichtigt werden.

Zivilrecht • Vertragsrecht • Eigentumsrecht • Gesellschaftsrecht • Erbrecht • Sachenrecht

Grundstücksrecht • Gmndbuchordnung (GBO) • Erbbaurecht (ErbbauVO) • Grundstücksverkehrsrecht • Wohnungseigentumsrecht

Zivilrecht • Vertriebsverträge • Vertragsgestaltung • Maklerverträge • Werkvertragsrecht Gesellschaftsrecht

Steuerrecht (AO) • Grunderwerb (GrEStG) • Grundsteuer (GrStG) • Einkommen (EStG) • Erbschaft- und Schenkungsteuer (ErbStG, BewG)) • Umsatz (UStG) • Gewerbe (GewStG) • Investment (InvStG) • Immobilienbesitz mit Auslandsbezug (EGBGB, DBA)

Investmentrecht

Zivilrecht • Mietrecht • Kaufvertrag

öffentliches Recht • Baurecht • Stadt- und Planungsrecht

Steuerrecht • Ertragssteuer (EStG • Gewerbe (GewStG) • Umsatzsteuer

Aufsichtsrecht • Kreditwesengesetz

Sonderverordnungen • Bauträgerrecht • Baurecht • Architektenrecht • Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)

Abb. 17: Übersicht über die für ein Private Real Estate Management

relevanten

Rechtsgebiete

1 Rechtsordnung und Immobilienökonomie

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2 Grundstücksverkehr

55

2 Grundstücksverkehr Irene Thiele-Mühlhan, Joachim Schmidt, Wolfgang Usinger

2.1 Die Grundstücke und das Grundbuch Irene Thiele-Mühlhan

57

2.2 Der Grundstückskaufvertrag Irene Thiele-Mühlhan

67

2.3 Die Auflassungsvormerkung Irene Thiele-Mühlhan

85

2.4 Die Auflassung Irene Thiele-Mühlhan

91

2.5 Das Vorkaufsrecht/ Ankaufsrechte Irene Thiele-Mühlltan

99

2.6 Das Wohnungseigentum Joachim Schmidt

105

2.7 Das Erbbaurecht Wolfgang Usinger

143

2 Grundstücksverkehr

57

2.1 Die Grundstücke und das Grundbuch Irene Thiele-Mühlhan 2.1.1 Begriff des Grundstücks

59

2.1.2 Funktion des Grundbuchs

59

2.1.3 Einteilung des Grundbuchs

60

2.1.4 Abteilung I (Eigentumsverhältnisse)

61

2.1.5 Abteilung II (Lasten und Beschränkungen)

61

2.1.6 Abteilung III (Hypotheken, Grund- und Rentenschulden)

62

2.1.7 Grundbucheinsicht

62

2.1.8 Grundzüge des Grundbuchrechts

63

2.1.9 Nicht eintragungsfähige Rechte und Beschränkungen

65

2 Grundstücksi'erkehr

2.1

59

Die Grundstücke und das Grundbuch Irene

2.1.1

Thiele-Mühlhan

Begriff des Grundstücks

Grundstücke im Rechtssinn sind, unabhängig von ihrer Nutzungsart, räumlich abgegrenzte Teile der Erdoberfläche, die im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer eingetragen (oder gem. § 3 GBO gebucht) sind, sowie deren Bestandteile. Von diesem Grundstücksbegriff gehen das BGB, die Grundbuchordnung (GBO), das Baugesetzbuch (BauGB) und die Baunutzungsverordnung (BauNVO) aus. Den Grundstücken gleichgestellt sind das Erbbaurecht (vgl. Kap. 2.7), das Wohnungseigentum (vgl. Kap. 2.6) und die nach Landesrecht (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EG - Art. 63 und 67) als Immobiliarrechte ausgestalteten Rechte. Im wirtschaftlichen Sinn sind die Grundstücke Bodenflächen, die eine wirtschaftliche Einheit bilden. 2.1.2

Funktion des Grundbuchs

Das Grundbuchrecht ist die formelle Seite des Grundstücksrechts. Das materielle Grundstücksrecht setzt voraus, dass es ein Grundbuchsystem und ein formelles Grundbuchverfahren gibt. Nach dem Eintragungssystem des materiellen Rechts ist regelmäßig keine Übertragung von Grundstücken und keine Rechtsveränderung von Grundstücksrechten ohne Eintragung im Grundbuch möglich (vgl. §§ 873, 875, 877, 925 BGB; § 876 Abs. 1 ZPO). Das Grundbuch und das Grundbuchrecht spiegeln die besondere Bedeutung wider, die dem Grundeigentum nach dem deutschen Rechtssystem beigemessen wird. Das Grundbuch hat die Aufgabe, dem Rechtsverkehr über Grundstücke eine sichere Grundlage zu geben. Alle Rechtsverhältnisse, die im Hinblick auf ein Grundstück von Bedeutung sind, sollen sich ebenso wie Rechtsänderungen klar und übersichtlich aus dem Grundbuch ergeben. Dies ist eine wesentliche Grundlage insbesondere auch für den Realkredit. Auch wenn das deutsche Grundbuchrecht eine besondere Sicherheit für den Rechtsverkehr für sich in Anspruch nehmen kann, folgt daraus jedoch nicht, dass sich sämtliche Rechtsverhältnisse eines Grundstücks aus dem Grundbuch ergeben müssen: •

Davon ausgenommen sind ζ. B. Briefgrundpfandrechte, also Briefhypotheken und Briefgrundschulden. Der durch Urkunden legitimierte Inhaber des Rechts kann sich aber jederzeit im Grundbuch als Gläubiger des Grundpfandrechts eintragen lassen.

60

2 Grundstücksverkehr



Rechtsänderungen außerhalb des Grundbuches können dazu führen, dass Eintragungen im Grundbuch unrichtig oder unvollständig geworden sind (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 12. Aufl. 2001, Rn. 2, Rn. 356 ff.). Insbesondere gilt dies für erbrechtliche und für gesellschaftsrechtliche (ζ. B. überträgt ein Gesellschafter einer Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts seinen Anteil an der Gesellschaft auf einen Dritten) Vorgänge.



Öffentlich-rechtliche Bindungen sind häufig nicht aus dem Grundbuch ersichtlich, insbesondere nicht die öffentlich-rechtlichen Baulasten.

2.1.3

Einteilung des Grundbuchs

Die Einteilung des Grundbuchblattes basiert auf § 4 Grundbuchverordnung (GBV) aus, wonach jedes Grundbuchblatt aus der Aufschrift (mit Bezeichnung des Amtsgerichts, des Grundbuchbezirks und jeweils der Nummer des Grundbuchbandes und des Grundbuchblattes), dem Bestandsverzeichnis und drei Abteilungen besteht. Die Grundstücke, die in einem bestimmten Grundbuchblatt geführt werden (vgl. §§ 3 und 4 GBO) und auf die sich die dortigen Eintragungen beziehen, sind im Bestandsverzeichnis einzutragen. In Spalte 1 erhalten die Grundstücke laufende Nummern („lfd. Nr."). Die Eintragungen in den Abteilungen I bis III verweisen auf diese laufende Nummer. Jedes Grundstück im Rechtssinn hat eine eigene laufende Nummer, auch wenn es aus verschiedenen Flurstücken besteht. Die genaue Bezeichnung des Grundstücks ist in Spalte 3, unterteilt in Unterspalten 3 a bis 3 e nach den Angaben im amtlichen Verzeichnis i. S. d. § 2 Abs. 2 GBO (insbesondere Liegenschaftskataster) aufzunehmen. In Unterspalte a wird die Gemarkung eingetragen, in Unterspalte b die vermessungstechnische Bezeichnung mit Flurund Flirrstücknummer. In den Unterspalten c und d erscheinen die Nummern eines falls noch geführten - Katasterbuches. Wirtschaftsart und Lage mit Straße, Hausnummer oder sonstiger ortsüblicher Bezeichnimg erscheinen in der Unterspalte e. Spalte 4 zeigt die Größe des Grundstücks. Die übrigen Spalten dienen zur Kenntlichmachung von Veränderungen, insbesondere Zu- und Abschreibungen. Wegen der Einzelheiten wird auf § 6 GBV verwiesen. Im Bestandsverzeichnis werden ferner Rechte aufgeführt, die für ein herrschendes Grundstück und zu Lasten eines anderen Grundstücks eingetragen sind, z. B. Grunddienstbarkeiten wie Überfahrts- oder Leitungsrechte.

2 Grundstücksverkehr

2.1.4

61

Abteilung I (Eigentumsverhältnisse)

In der ersten Abteilung des Grundbuchs wird der Eigentümer eingetragen. Diese Abteilung umfasst 4 Spalten; die dort vorgeschriebenen Eintragungen ergeben sich aus § 9 GBV. Bei mehreren gemeinschaftlichen Eigentümern müssen auch die Anteile der Berechtigung oder das für die Gemeinschaft maßgebliche Rechtsverhältnis (§ 47 GBO) eingetragen werden, so ζ. B. eine Beteiligung als Miteigentümer nach Bruchteilen oder als Gesamthandseigentümer in Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw. als ungeteilte Erbengemeinschaft. In Spalte 4 ist der Grund des Erwerbs angegeben, ζ. B. aufgrund Auflassung, aufgrund Erbscheins oder aufgrund gesellschaftsrechtlichen Übertragungsvorgangs, etwa Anteilsübertragung. Die Spalten 1 und 2 enthalten die lfd. Nr. der Eintragung bzw. die lfd. Nr. des betroffenen Grundstücks im Bestandsverzeichnis. 2.1.5

Abteilung II (Lasten und Beschränkungen)

Die zweite Abteilung dient der Eintragung aller Belastungen des Grundstücks - mit Ausnahme von Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden - sowie der weiter in § 10 GBV aufgeführten Grundbuchvermerke, nämlich Vormerkungen und Widersprüche, die sich auf Eintragungen in Abteilung II und auf das Eigentum beziehen, Verfügungsbeschränkungen des Eigentümers und Grundbuchvermerke, die in öffentlichrechtlichen Verfahren wie Enteignungsverfahren und in ähnlichen Fällen gesetzlich vorgesehen sind und auf diese Verfahren hinweisen, wie etwa Umlegungs- oder Entwicklungsvermerke. In Abteilung II werden die im Sachenrecht des BGB geregelten Belastungen eines Grundstücks durch Dienstbarkeiten, Nießbrauch, Vorkaufsrechte, Reallasten und Erbbaurechte sowie Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechte gem. §§31 ff. Wohnungseigentumsgesetz (WEG) vermerkt. Zu den einzutragenden Verfügungsbeschränkungen gehören Vermerke über Testamentsvollstreckung, Nacherbschaft, Insolvenzvermerke, Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsvermerke und insbesondere auch zwischen verschiedenen Miteigentümern mit dinglicher Wirkung getroffene Vereinbarungen, ζ. B. über den Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft nach § 1010 BGB. Nicht in Abteilung II eingetragen werden können dagegen persönliche Beschränkungen des Eigentümers, die sich aus der Geschäftsfähigkeit oder aus seinem Güterrecht ergeben mögen. Auch wenn schuldrechtliche Beziehungen wie Miete oder Pacht an sich nicht eintragungsfähig sind (vgl. 2.1.9), kann jedoch versucht werden, die Position des Mieters bzw. Pächters durch ein zusätzlich vereinbartes, durch Dienstbarkeit gesichertes Nutzungsverhältnis zu verbessern.

62

2 Grundstücksverkehr

Die zweite Abteilung ist in sieben Spalten unterteilt, die nähere Aufteilung in § 10 GBV geregelt. 2.1.6

Abteilung III (Hypotheken, Grund- und Rentenschulden)

In der dritten Abteilung des Grundbuchs werden die Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden einschließlich der sich auf diese Rechte beziehenden Vormerkungen und Widersprüche eingetragen (§ 11 Abs. 1 GBV). Die einzelne Aufteilung der aus zehn Spalten bestehenden dritten Abteilung ist in § 11 Abs. 2 ff. GBV geregelt. Auch hier gibt die erste Spalte die lfd. Nr. der Eintragung, die zweite Spalte die lfd. Nr. des belasteten Grundstücks an. In Spalte drei ist der Betrag des Rechts zu vermerken, in Spalte vier sein näherer Inhalt einschließlich der dinglichen Zinsen, einer etwaigen Nebenleistung, Angabe des Gläubigers, einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung gem. § 800 ZPO sowie einer etwaigen Mithaft von anderen Grundstücken. Bei Hypotheken oder Grundschulden, die nur als solche bezeichnet sind, handelt es sich um Briefrechte; bei Buchrechten muss der Briefausschluss ausdrücklich vermerkt sein. Die weiteren Spalten der Abt. III dienen der Kenntlichmachung von Veränderungen, wie Abtretungen oder Aufteilungen, sowie von Löschungen. Zu empfehlen ist - für alle Abteilungen - die Überprüfung der Eintragungen in sämtlichen Spalten, insbesondere dann, wenn sich aus einer Grundbuchabschrift die bei gelöschten Eintragungen vorzunehmenden Rötungen (d. h. Unterstreichungen) nicht deutlich erkennen lassen. 2.1.7

Grundbucheinsicht

Eine Grundbucheinsicht ist gem. § 12 GBO jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Dieses muss kein rechtliches Interesse sein, jedes verständige, durch die Sachlage gerechtfertigte, auch wirtschaftliche, Interesse, genügt (Böttcher in Meikel, Böhringer u. a., Grundbuchrecht, Band 1, 9. Aufl. 2003, § 12, Rn. 4). Notare und Anwälte, die im nachgewiesenen Auftrag eines Notars handeln, sind von der Verpflichtung zur Darlegung eines berechtigten Interesses befreit, ebenso Vermessungsingenieure (§ 43 GBV). Ζ. B. wird bei einem Käufer nach Abschluss des Kaufvertrages, auch schon vor Beantragung der Auflassungsvormerkung, ein berechtigtes Interesse bejaht; ein Kaufinteressent muss darlegen, dass er bereits in Kaufverhandlungen eingetreten ist (Böttcher a. a. O., Rn. 32).

2 Grundstücksverkehr

63

Das Einsichtsrecht bezieht sich auch auf die Grundakten, insbesondere die dort verwahrten Eintragungsbewilligungen, auf die im Grundbuch Bezug genommen worden ist. Soweit ein Einsichtsrecht besteht, kann auch die Erteilung von Abschriften beantragt werden. Zuständig für Anträge auf Einsicht und Erteilung von Abschriften ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§ 12 c GBO n. F.). Neu eingeführt (durch das Ende 1993 in Kraft getretene Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz) ist § 12 a GBO, der die Einsicht in sonstige beim Grundbuchamt geführte Verzeichnisse, insbesondere Eigentümer - und Grundstücksverzeichnisse regelt: Ein generelles Einsichtsrecht in diese Verzeichnisse besteht nicht. Der zuständige Beamte kann jedoch Auskunft erteilen, wenn dadurch eine Grundbucheinsicht entbehrlich wird. Das Gesetz regelt jedoch ausdrücklich, dass weder eine Verpflichtung besteht, diese Verzeichnisse auf dem neuesten Stand zu halten, noch eine Haftung bei unrichtiger Auskunft gegeben ist. Zu jedem Grundbuch werden Grundakten geführt. In diese sind die gem. § 10 GBO vom Grundbuchamt zu verwahrenden Urkunden zu nehmen, nämlich insbesondere die den Eintragungen zugrunde liegenden Urkunden wie Eintragungsbewilligungen (§ 19 GBO), Auflassungen (§ 20 GBO), Anträge (§ 13 GBO), aber auch behördliche Bescheinigungen wie die Abgeschlossenheitsbescheinigung gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG. Aufzubewahren sind weiter Legitimationsurkunden, wie Vollmachten, Erbscheine, Testamentsvollstreckerzeugnisse u. ä. 2.1.8

Grundzüge des Grundbuchrechts

Das Grundbuchrecht ist nach folgenden Hauptgrundsätzen gestaltet: •

Nach dem Eintragungssystem hängen Erwerb von Grundstückseigentum oder Grundstücksrechten oder Verfügungen darüber grundsätzlich von der Eintragung im Grundbuch ab (Eintragungsgrundsatz).



Materiell-rechtlich muss außer der Eintragimg die Einigung der Beteiligten über die dingliche Rechtsänderung gegeben sein (Einigungsgrundsatz/formelles Konsensprinzip). Für den Grundbuchverkehr verlangt das formelle Konsensprinzip (sog. Bewilligungsgrundsatz) jedoch nur die Erfüllung geringerer Formalitäten: Zur Grundbucheintragung ist grundsätzlich die einseitige Bewilligung des Betroffenen erforderlich und ausreichend (§ 19 GBO). Nach materiellem Recht zur Rechtsänderimg notwendige Willenserklärungen brauchen dem Grundbuchamt grundsätzlich nicht nachgewiesen zu werden. Handelt es sich jedoch um die Auflassung eines Grundstücks oder die Bestellung, Änderung des Inhalts oder Übertragung eines

64

2 Grundstücksverkehr

Erbbaurechts, ist ausnahmsweise (§ 20 GBO) auch die (materiell-rechtliche) Einigung dem Grundbuchamt nachzuweisen. •

Eintragungen im Grundbuch werden grundsätzlich nur auf Antrag vorgenommen (§ 13 GBO; Antragsgrundsatz). Antragsberechtigt ist nicht nur der, dessen Recht im Grundbuch betroffen ist, sondern auch derjenige, der aus der Eintragung begünstigt wird (§ 13 Abs. 2 GBO). Nur ausnahmsweise wird das Grundbuchamt von Amts wegen tätig.



Die Eintragungen im Grundbuch genießen öffentlichen Glauben (Publizitätsgrundsatz). Dem entspricht, dass derjenige das Grundbuch einsehen kann, der ein berechtigtes Interesse an einer Einsichtnahme hat.



Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen das vom Rechtsgeschäft betroffene Grundstück sowie Berechtigter und Inhalt von Grundstücksrechten klar und eindeutig festgelegt sein (Bestimmtheitsgrundsatz). Eine Eintragungsbewilligung muss dementsprechend eindeutig auf eine bestimmte Grundbucheintragimg gerichtet sein. Sie darf weder Bedingungen noch Befristungen noch Vorbehalte enthalten. Davon macht § 16 Abs. 2 GBO eine Ausnahme; der Antragsteller kann bestimmen, dass eine Eintragung nicht ohne die andere erfolgen soll, wenn mehrere Eintragungen beantragt werden.



Eingetragen werden können im Grundbuch nur Grundstücksrechte, die vom Gesetz zugelassen sind (Numerus clausus der Sachenrechte; Typenzwang).



Beim Eintragungsverfahren ist die Zulässigkeit der beantragten Eintragung nur nach den Erfordernissen des formellen Grundbuchrechts zu überprüfen. Gemäß Legalitätsprinzip prüft das Grundbuchamt insbesondere, ob es zuständig ist, ob Eintragungsantrag und Eintragungsbewilligung den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, ob ein eintragungsfähiges Recht vorliegt, sowie die Voreintragung des Betroffenen (vgl. nachfolgend Voreintragungsgrundsatz).



Nach materiellem Recht richtet sich der Rang von Grundstücksrechten nach der Reihenfolge ihrer Eintragung in das Grundbuch (§ 879 BGB; Vorrangsprinzip). Dem entspricht der formelle Grundsatz, dass die früher beantragte Grundbucheintragung den besseren Rang erhält (§§ 17,45 GBO). Dementsprechend ist der Zeitpunkt des Antragseingangs beim Grundbuchamt von erheblicher Bedeutung. Eine später beantragte Eintragung darf nicht vorgenommen werden, bevor ein früher gestellter Antrag für dasselbe Recht erledigt ist (§ 17 GBO). Damit wird sichergestellt, dass sich die für die materielle Rechtsposition wesentliche Rangfolge eindeutig aus dem Grundbuch ergibt (vgl. §§ 45 GBO, 879 BGB).

2 Grundstücksverkehr



65

Eine Eintragung im Grundbuch soll grundsätzlich nur erfolgen, wenn - zunächst der von ihr Betroffene und sein Recht eingetragen sind, § 39 Abs. 1 GBO (Voreintragungsgrundsatz). Ausnahmen gelten insbesondere, wenn der Betroffene Erbe des eingetragenen Berechtigten ist (§ 40 GBO), wenn es sich um Briefrechte (§ 39 Abs. 2 GBO) oder um die Eintragung einer Vormerkung oder eines Widerspruchs ( § 1 8 Abs. 2 GBO) handelt.

2.1.9

Nicht eintragungsfähige Rechte und Beschränkungen

Im Sachenrecht ist die Vertragsfreiheit in zweierlei Hinsicht eingeschränkt. Die möglichen dinglichen Rechte, also Rechte an einer Sache/an einem Grundstück sind durch Gesetze erschöpfend geregelt (Typenzwang). Außerdem wird der Rechtsinhalt zwingend vorgeschrieben (Typenfixierung). Die Beschränkung auf die gesetzlich vorgesehenen Rechtsinstitute bedeutet, dass vom Gesetz nicht vorgesehene Rechte nicht im Grundbuch eingetragen werden können. Diese Einschränkungen der Vertragsfreiheit sind durch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit insbesondere im Grundstücksverkehr gerechtfertigt. Ζ. B. ist es nicht möglich, ein Mietrecht, ein Pachtrecht oder rechtsgeschäftliches Veräußerungsverbot (§ 137 BGB) in das Grundbuch eintragen zu lassen. Die Beschränkung der inhaltlichen Gestaltbarkeit der dinglichen Rechte an Grundstücken bedeutet, dass Vereinbarungen, die den Typenrahmen überschreiten, nicht zum Bestandteil des dinglichen Rechts werden, sondern nur schuldrechtliche Wirkungen haben können. Ζ. B. kann eine Dienstbarkeit den Eigentümer nicht zu einem positiven Tun als Hauptinhalt der Dienstbarkeit verpflichten (§§ 1018 BGB, 1090 BGB). Der Nießbrauch erlischt unabdingbar mit dem Tod des Berechtigten, entsprechend kann also kein vererblicher Nießbrauch eingetragen werden (§ 1061 BGB). Die Entgeltlichkeit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit kann nur Gegenstand einer schuldrechtlichen Vereinbarung, aber nicht des dinglichen Rechts sein und ist demzufolge nicht eintragungsfähig.

2 Grundstücksverkehr

67

2.2 Der Grundstückskaufvertrag Irene

Thiele-Mühlhan

2.2.1 Formerfordernis

69

2.2.2 Vertragsparteien

72

2.2.3 Stellvertretung

74

2.2.4 Kaufgegenstand

76

2.2.5 Kaufpreis (Fälligkeit und Zahlung)

77

2.2.6 Notar-Anderkonto

80

2.2.7 Lasten (Übernahme / Aufhebung / Freistellung)

80

2.2.8 Gefahrtragung / Haftung für Mängel des Kaufgegenstandes

82

2 Grundstücksverkehr

2.2

69

Der Grundstückskaufvertrag Irene Thiele-Mühlhan

2.2.1

Formerfordernis

Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung (§ 311 b Abs. 1 BGB). Der Zweck des Beurkundungszwangs ist insbesondere der Schutz des Veräußerers vor unüberlegtem Grundstücksverlust und des Erwerbers vor unangemessenen Erwerbsbedingungen. Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund werden drei Funktionen der Beurkundung unterschieden (Staudinger/ Wufka, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (2001) § 313 Rn. 3): •

Warn- und Schutzfunktion Die Parteien werden durch das Formerfordernis auf die besondere Bedeutung des Geschäfts hingewiesen, rechtskundig und unparteiisch beraten (§17 BeurkG) und u. U. zur Überprüfimg ihres rechtsgeschäftlichen Willens veranlasst.



Beweisfunktion Durch die notarielle Urkunde wird der Beweis des Vertragsschlusses und des Vertragsinhalts gesichert.



Gewährsfunktion Die Beurkundung soll die Gewähr dafür bieten, dass der Wille der Vertragsschließenden rechtswirksam, richtig und vollständig ausgedrückt wird.

Die den Beurkundungszwang auslösende Verpflichtung, ein Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, kann eine rechtliche Verpflichtung sein, ausreichend ist aber schon ein entsprechender wirtschaftlicher Zwang, ζ. B. durch Vereinbarung eines Bindungsentgelts, wenn einer Partei bei wirtschaftlich vernünftigem Handeln „nichts anderes übrig bleibt", als den Vertrag abzuschließen. Beurkundungsbedürftig ist nach § 311 b Abs. 1 BGB auch die Verpflichtung, Sondereigentum an einer Wohnung einzuräumen, zu erwerben oder aufzuheben, da das Sondereigentum mit einem ideellen Anteil am Grundstückseigentum verbunden sein muss (§§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 3 WEG). Ebenso ist die Verpflichtung, ein Erbbaurecht zu bestellen, zu veräußern oder zu erwerben, beurkundungsbedürftig (§§ 313 BGB, 11 Erbbaurechtsverordnung - ErbbauVO).

70

2 Grundstücksverkehr

Der Beurkundungszwang erstreckt sich auch auf die getrennten Erklärungen von Angebot und Annahme. Die getrennte Beurkundung ist zulässig (§ 128 BGB) und kann zweckmäßig sein, wenn sich vorerst nur eine Partei binden will. Die getrennte Beurkundung kommt auch in Betracht, wenn beide Parteien auf der Einschaltung „ihres" Notars bestehen, weil ζ. B. der Notar, der den Entwurf des anderen prüft, honoriert werden soll. Für die Annahme des Angebots wird üblicherweise eine Frist gesetzt. Eine ausdrückliche Fristsetzung ist sinnvoll, weil andernfalls nach § 147 Abs. 1 BGB ein Angebot, das einem Anwesenden gemacht wird, nur sofort angenommen werden kann (nicht selten ist der Angebotsempfänger bei der Beurkundung anwesend, benötigt aber eine Überlegungsfrist zur Annahme). Oder das Angebot wird einem Abwesenden gemacht und kann dann nach § 147 Abs. 2 BGB nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Da der Zugang der Annahme maßgeblich ist (§ 130 BGB), muss ausdrücklich erklärt werden, dass die Beurkundung der Annahme innerhalb der Frist zu deren Wahrung genügen soll. Eine Verlängerung der Annahmefrist bedarf ebenfalls der Beurkundimg. Vereinbaren die Parteien unter bestimmten Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht für eine Partei oder für beide Parteien, weil ζ. B. noch unklar ist, ob eine beabsichtigte Bebauung möglich ist, der Vertrag aber nur in diesem Falle fortbestehen soll, bedarf die Erklärung des Rücktritts nach dem Gesetz keiner Form. Die Änderimg der von den Parteien vereinbarten Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht ist dagegen zu beurkunden (BGH DNotZ 1989, 228). Dies gilt nicht, wenn der Rücktritt im Belieben einer Partei steht und die Rücktrittsfrist dafür verlängert wird, soweit der Vertrag dafür nicht ausdrücklich eine Form vorschreibt (BGH DNotZ 1976,682). Auch wenn die Verpflichtung zur Übertragung oder zum Erwerb des Eigentums noch von einer Bedingung abhängig gemacht wird, ist das Rechtsgeschäft bereits beurkundungsbedürftig, wie ζ. B. im Falle eines Ankaufsrechts oder einer Option. Die Formbedürftigkeit folgt in diesem Falle daraus, dass der Veräußerer zur Übereignung verpflichtet ist, falls der Erwerber von seinem Ankaufs- bzw. Optionsrecht Gebrauch macht. Die Ausübung des Ankaufsrechts bzw. der Option wird dagegen nicht als formbedürftig angesehen, obwohl erst durch sie die konkrete Erwerbsverpflichtung des Erwerbers und die Übertragungsverpflichtung des Veräußerers begründet werden. Das dingliche Vorkaufsrecht (§§ 1049ff. BGB) bedarf als dingliches Recht zu seiner Entstehung der Eintragung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB). Es verpflichtet den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks, kann für mehrere, aber auch alle Verkaufsfälle bestellt werden (§ 1097 BGB) und gilt auch bei Insolvenz und Zwangsversteigerung. Nach ein-

2 Grundstücksverkehr

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helliger Meinung wird die Verpflichtung zur Bestellung des Vorkaufsrechts als beurkundungsbedürftig angesehen, obwohl dies nicht den allgemeinen Voraussetzungen für den Beurkundungszwang entspricht, weil sich weder der Erwerber durch die Bestellung eines Vorkaufsrechts zur Übertragung verpflichtet noch der Erwerber zur Ausübung des Vorkaufsrechts, d. h. zum Erwerb. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist nicht formbedürftig (§ 464 Abs. 1 Satz 2 BGB). Mit wenigen Ausnahmen bedarf die Änderung eines beurkundeten Kaufvertrages zu ihrer Wirksamkeit stets der Beurkundung, wenn die Leistungspflichten im Kern berührt werden. Das gilt also ζ. B. bei Änderung des Kaufpreises oder der Kaufpreisfälligkeit oder bei Änderung der Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht. Nicht erforderlich ist eine Beurkundimg dagegen, wenn die Auflassung bereits beurkundet war (BGH NJW 1985, 266; BayObLG BB 1987, 711 f. - streitig) oder nur Abwicklungsschwierigkeiten beseitigt werden sollen, welche die Leistungspflichten nicht im Kern berühren (BGH NJW 1973, 37; BGH NJW-RR 1988, 185 f.; BGH JZ 1994, 524, 526 mit kritischer Anmerkung Tiedtke). Dagegen sind Änderungen von Erbbaurechtsverträgen stets beurkundungsbedürftig. Beurkundungsbedürftig ist auch die Aufhebung eines Grundstückskaufvertrages, wenn der Vertrag im Grundbuch bereits vollzogen ist, denn in diesem Fall ist der Erwerber zur (Rück-)Übereignung verpflichtet, oder wenn für den Erwerber ein Anwartschaftsrecht entstanden, also wenn die Auflassung bereits erklärt und der Umschreibungsantrag gestellt oder wenn zumindest die Eintragung einer Auflassungsvormerkung beantragt ist (BGH DNotZ 1982,619 ff.). Für Grundstückskaufverträge kann als Faustregel gelten: Die Änderung ist nach, die Aufhebung vor der Auflassung formfrei. Die Beurkundungspflicht erstreckt sich nicht nur auf die Veräußerungs- oder die Erwerbsverpflichtung, sondern auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt. Alles, was nach dem Willen der Parteien eine rechtliche Wirkung erzeugen soll, ist zu beurkunden (BGHZ 85, 315, 317; BGH DNotZ 1979, 406). Daher sind auch Nebenabreden beurkundungsbedürftig, soweit sich die Parteien nicht darüber einig sind, dass sie nicht Vertragsinhalt werden sollen. Wenn verschiedene Verträge nach dem Willen der Parteien miteinander „stehen und fallen" sollen, bilden sie nach der langjährigen Rechtsprechung eine rechtliche Einheit (BGHZ 101, 393, 396; BGH NJW 1987,1069). Sie müssen entweder gemeinsam beurkundet werden oder bei getrennten Urkunden muss die Abhängigkeit entweder in jeder Ur-

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Gmndstiicksverkehr

künde verlautbart werden oder, wenn die zuletzt errichtete Urkunde lediglich eine Ergänzung der früher beurkundeten ist, in der zuletzt errichteten Urkunde (BGHZ104, 23; BGH NJW 2000,2017). Ist der Urkundeninhalt unrichtig, gibt es zum einen den Fall der unbewussten Unrichtigkeit des Inhalts; auch wenn die Parteien ihre Erklärungen, wenn diese nicht zutreffend in der Urkunde wiedergegeben sind, anfechten können, ist gleichwohl die Form gewahrt. Haben jedoch die Parteien bewusst Unrichtiges beurkunden lassen, handelt es sich um ein Scheingeschäft (§ 117 BGB). Zwar sind in diesem Falle die zum Schein abgegebenen Erklärungen beurkundet, aber sie sind nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig; die auf das verdeckte Rechtsgeschäft bezogenen Erklärungen der Parteien sind dagegen nicht beurkundet und daher wegen Formmangels nichtig (Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, Kurzkommentar, 64. Aufl. 2005, § 311 b, Rn. 36 m.w.N.). Ein Vertrag, der nicht der durch Gesetz vorgeschriebenen Form entspricht, ist nichtig (§ 125 Abs. 1 BGB). Der Formmangel kann jedoch geheilt werden durch rechtswirksame Auflassung und die nachfolgende Eintragung der Eigentumsübertragung im Grundbuch; der Vertrag wird dann „seinem ganzen Inhalte nach gültig" (§ 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB). Mit dieser Heilung des Beurkundungsmangels werden auch nicht beurkundete Nebenabreden, formunwirksame Vorverträge, sofern diese ihrem Inhalt nach nicht über den Hauptvertrag hinausreichen, und Verträge, die eine rechtliche Einheit mit dem Grundstückskaufvertrag bilden, wirksam. 2.2.2

Vertragsparteien

Die Vertragsparteien bzw. die für diese Erschienenen werden im Urkundseingang mit den persönlichen Daten (Vor-, Familien-, ggf. Geburtsname, Geburtsdatum und Anschrift) aufgeführt. Bei Personen- oder Handelsgesellschaften werden die Firma, die Gesellschaftsform, der Sitz und möglichst auch die Stelle des Handelsregisters angegeben, an der die Gesellschaft eingetragen ist. Nur wenn der Veräußerer im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, wird der gute Glaube an dessen Eigentum geschützt (§ 892 BGB). Ist daher der Veräußerer nicht als Eigentümer eingetragen, sondern will als dessen Rechtsnachfolger, Gesamtrechtsnachfolger (insbesondere Erbe) oder als Testamentsvollstrecker verfügen, ist Vorsicht geboten. Will der Erbe des eingetragenen Eigentümers das Grundstück veräußern, ist seine vorherige Eintragung im Grundbuch im Wege der Grundbuchberichtigung nur dann erforderlich, wenn kein Erbschein vorliegt (§ 2353 BGB) und für den Erwerber schon vor Eigen-

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tumsumschreibung ein Finanzierungsgrundpfandrecht eingetragen werden soll, bei dem der Veräußerer mitwirken muss. Für die Eintragung der Vormerkung und für die Umschreibung des Eigentums ist dagegen nicht erforderlich, dass der Erbe vor Eigentumsumschreibung ins Grundbuch eingetragen wird (§ 40 Abs. 1 GBO). Damit soll der Grundbuchverkehr erleichtert werden und die Beteiligten sollen Kosten sparen können. Unterbleibt jedoch die Grundbuchberichtigung, muss der Erwerber auch noch im Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung gutgläubig sein. Wird der Erbe vor der Umschreibung auf den Erwerber in das Grundbuch eingetragen, braucht der Erwerber nur bis zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Eintragung gutgläubig zu sein (§ 829 Abs. 2 BGB). Unabhängig davon, ob lediglich ein Erbschein vorliegt oder der Erbe im Wege der Grundbuchberichtigung auch im Grundbuch eingetragen wurde, bleibt also für den Erwerber grundsätzlich das Risiko bestehen, dass ein Dritter, der sich als tatsächlicher Erbe herausstellt, die Herausgabe des Grundstücks und die Berichtigung des Grundbuchs verlangen kann. Für den Fall, dass der Erblasser Nacherben eingesetzt hat, ist der ihn unmittelbar Beerbende sog. Vorerbe. Dessen Verfügungsbefugnis ist im Interesse der Nacherben beschränkt (§2113 BGB), und zwar insbesondere für Grundstücks- und unentgeltliche Verfügungen. Bei Nacherbfolge ist die unentgeltliche oder auch teilweise unentgeltliche Verfügimg eines Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde (§ 2113 Abs. 1 BGB). Dem Grundbuchamt ist die Entgeltlichkeit der Verfügung nachzuweisen. Daher empfiehlt es sich, den Nacherben zur Vermeidimg eines späteren Streits über die Entgeltlichkeit bei der Verfügung mitwirken zu lassen. Ein Testamentsvollstrecker als Veräußerer eines (Nachlass-)Grundstücks muss eine Ausfertigung des Testamentsvollstreckerzeugnisses vorlegen. Daraus können sich Beschränkungen in der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers ergeben. Der Testamentsvollstrecker kann inhaltlich in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt sein (ζ. B. durch ein Verbot, das Grundstück zu veräußern) oder gegenständlich (ζ. B. unterliegt das Nachlassgrundstück nicht der Testamentsvollstreckung). Da das Amt des Testamentsvollstreckers erst mit der Annahme gegenüber dem Nachlassgericht beginnt (§ 2202 Abs. 2 BGB), muss der Testamentsvollstrecker die Amtsannahme nachweisen, wenn er schon vor Erteilung des Zeugnisses gehandelt hat. Für den Fall, dass mehrere Erwerber auftreten, muss das Anteilsverhältnis, in dem sie das Eigentum erwerben, angegeben werden (§ 47 GBO). Sie erwerben als Miteigentümer „ideelle" Anteile am Grundstück, über die sie jeweils wie Alleineigentümer verfügen können, wenn sie lediglich das Grundstück gemeinsam erwerben wollen, ohne damit

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einen weiteren gemeinschaftlichen Zweck zu verfolgen. Den Erwerbern steht nach dem Erwerb das Eigentum am Grundstück nach Bruchteilen zu. Das Grundstück wird also weder real geteilt noch steht es ihnen zur gesamten Hand zu. Vereinbaren dagegen die Erwerber eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wird das Grundstück Gesamthandsvermögen. Die Nutzungs- und Verwertungsbefugnis daran steht nur allen Gesamthändern zu, alleine können sie nur über ihren Anteil an der Gesellschaft verfügen. 2.2.3

Stellvertretung

Im Kaufvertrag sind bei der jeweils vertretenen Partei die Vertretungsverhältnisse anzugeben, sei es, dass sie auf Gesetz oder auf Rechtsgeschäft beruhen. Die Berechtigung zur Vertretung von Gesellschaften des Handelsrechts, Vereinen und Genossenschaften ist entweder durch aktuellen, beglaubigten Registerauszug oder durch eine Bescheinigung des Notars aufgrund Registereinsicht nachzuweisen. Wird eine Partei aufgrund Vollmacht vertreten, so ist die Vertretungsberechtigung durch Vorlage der Urschrift nachzuweisen, im Falle einer beurkundeten Vollmacht reicht auch eine Ausfertigung, nie jedoch eine beglaubigte Abschrift (BGHZ 102, 63). Der Fortbestand der Vollmacht wird nur solange vermutet, wie der Vertreter im Besitz der Vollmachtsurkunde selbst oder einer Ausfertigimg ist (OLG Frankfurt RPfleger 1972, 306). Die Vollmacht bedarf grundsätzlich nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form (§ 167 Abs. 2 BGB), die Vollmacht zum Abschluss eines Kaufvertrages bedarf also nicht der Form des § 311 b Abs. 1 BGB. Materiell-rechtlich kann die Vollmacht sogar wirksam mündlich oder privatschriftlich erteilt werden. Um die abgegebenen Erklärungen im Grundbuch vollziehen zu können, ist jedoch eine Bestätigung der Vollmacht durch den Vertretenen oder seine Genehmigung der für ihn abgegebenen Erklärungen in notariell beglaubigter Form (§ 29 GBO) erforderlich. Ausnahmsweise ist die Beurkundung der Vollmacht erforderlich, wenn sie den Vollmachtgeber nach den konkreten Umständen bereits zur Übertragimg oder zum Erwerb des Grundstücks bindet, wenn sie also ζ. B. unwiderruflich ist (RGZ 110, 320; OLG Karlsruhe NJW-RR1986,101; ständige Rechtsprechung). Wird ein Vertrag lediglich von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossen, ist er bis zur Genehmigung durch den Vertretenen schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Genehmigt der angeblich Vertretene die in seinem Namen abgegebenen Erklärungen nicht, dann haftet der Vertreter auf Erfüllung oder Schadensersatz (§ 179 Abs. 1 BGB). Der Vertreter kann diese Haftung nur ausschließen, wenn er ausdrücklich erklärt, ohne Vertretungsmacht zu handeln. Wird der Vertretene von der anderen Vertragspartei zur Genehmigung aufgefordert, kann diese nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach

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Empfang dieser Aufforderung erklärt werden und gilt andernfalls als verweigert (§ 177 Abs. 2 BGB). Das Rechtsgeschäft müsste in diesem Falle ggf. erneut abgeschlossen werden. Bei der Vertretung von Minderjährigen ist zu beachten, dass diese bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 1 BGB) und bis zur Volljährigkeit lediglich beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB) sind. Eigene Willenserklärungen, die der Geschäftsunfähige abgibt, sind nichtig (§ 105 BGB). Das gilt auch für die wegen krankhafter Störung Geschäftsunfähigen (§ 104 Nr. 2 BGB). Grundsätzlich können Willenserklärungen mit Wirkung für und gegen den Minderjährigen nur vom gesetzlichen Vertreter abgegeben werden. Soweit sie nicht unmittelbar vom gesetzlichen Vertreter vorgenommen werden, bedürfen sie zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung, d. h. der Einwilligung (§§ 107,183 BGB) oder der nachträglichen Zustimmimg, d. h. der Genehmigung (§§ 108,184 BGB) des gesetzlichen Vertreters. Erlangt der Minderjährige durch die Willenserklärung lediglich einen rechtlichen Vorteil, ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht erforderlich (§ 107 BGB). Entscheidend sind dafür die rechtlichen Folgen der Erklärung (BGH LM Nr. 7; h. M. und ständige Rechtsprechimg), nicht die wirtschaftliche Betrachtung. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass alle Geschäfte, die Verpflichtungen des Minderjährigen auslösen, zustimmungsbedürftig sind. Der Minderjährige wird grundsätzlich gemeinschaftlich vertreten (§§ 1626, 1629 BGB). Diese Regelung nimmt Bezug auf die Grundsätze für die Vertretung durch den gesetzlichen Vertreter im Vormundschaftsrecht (§§ 1773 ff BGB). Die Vertretungsbefugnis der Eltern im Zusammenhang mit Grundstückskaufverträgen unterliegt jedoch gesetzlichen Beschränkungen, insbesondere dem auch für Eltern geltenden allgemeinen Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB); die Eltern dürfen also nicht im eigenen Namen oder als Vertreter einen Dritten und gleichzeitig als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen ein Rechtsgeschäft abschließen. Die Erweiterung des Vertretungsverbots für den Vormund (§ 1795 BGB) gilt auch für Eltern (§ 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB). Im Falle von Grundstücksgeschäften i. S. d. § 1821 BGB können die Eltern das Kind zwar vertreten, benötigen dazu aber die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1643 Abs. 1 BGB). Zu beachten ist ferner die Kernvorschrift des seit Anfang 1999 geltenden Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetzes, § 1629 a BGB, die die Haftung des Volljährigen für bestimmte Geschäfte auf das bei Eintritt der Volljährigkeit noch vorhandene Vermögen beschränkt, wenn diese Geschäfte während seiner Minderjährigkeit im Wesentlichen kraft der Vertretungsmacht der Eltern gem. § 1629 BGB zustande gekommen sind.

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2.2.4

Kaufgegenstand

Kaufgegenstand sind Grundstücke, die im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer laufenden Nummer aufgeführt sind. Im Eintragungsverfahren muss das Grundstück gem. § 28 GBO in Übereinstimmung mit dem Grundbuch bezeichnet werden, daher ist es wegen des aus § 311 b Abs. 1 BGB folgenden Bestimmtheitsgebots auch im Kaufvertrag so zu bezeichnen. Kaufgegenstand können auch Teilflächen eines oder mehrerer Flurstücke sein, die noch nicht vermessen sind. Regelmäßig wird für die Bestimmung der zu verkaufenden Teilfläche auf einen der Urkunde beizufügenden Lageplan verwiesen. Zulässig ist diese Verweisung nur, wenn auf den Lageplan in der Niederschrift hingewiesen wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Beurkundungsgesetz - BeurkG). Im Text des Kaufvertrages können die Grenzen der zu verkaufenden Teilfläche auch durch Verweisung auf bestimmte Merkmale in der Natur, wie Gräben, Bäume, Hecken, Zäune (BGH NJW 1969, 502) beschrieben werden, die als Eckpunkte für die Verbindungs- und Begrenzungslinien dienen sollen. Weder darf sich die Beschreibimg der Teilfläche nur auf die Angabe der Grundstücksgröße (BGH NJW 1969, 132) noch auf eine Erklärung der Parteien beschränken, dass sie sich über den Grenzverlauf einig seien (BGH NJW 1979, 1350). Zusätzlich zu der Einzeichnung in einen Lageplan wird häufig eine ca.- Grundstücksgröße für die zu verkaufende Fläche im Vertragstext angegeben; im Zweifel soll der Plan, wenn sich Größenangabe und Zeichnung widersprechen, Vorrang haben (BGH DNotZ 1981,235). Kaufgegenstand sind, auch ohne ausdrückliche Erwähnung, sog. wesentliche Bestandteile. Können Bestandteile einer Sache voneinander nicht getrennt werden, ohne dass der abgetrennte oder der zurückbleibende Bestandteil durch die Trennimg zerstört oder in seinem Wesen verändert wird, handelt es sich um wesentliche Bestandteile, die als solche nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können (§ 93 BGB). Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude (§ 94 Abs. 1 BGB), und zu den Gebäuden die Sachen, die zu deren Herstellung eingefügt wurden (§ 94 Abs. 2 BGB). Die Frage, ob Sachen fest verbunden sind, ist nach der Verkehrsanschauung zu beantworten (Palandt/Heinrichs, § 94 Rn. 2 m. w. N.). Rechtliche selbstständige bewegliche Sachen (§ 97 BGB) sind Zubehör, nicht Bestandteile der Hauptsache, also des Grundstücks oder des Gebäudes. Zubehör ist zu bejahen, wenn es nach der gesetzlichen Definition dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem räumlichen Verhältnis steht, das dieser Bestimmung entspricht. Wegen dieses wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Hauptsa-

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che soll es im Zweifel auch deren rechtliches Schicksal teilen (§ 926 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sind sich die Parteien einig darüber, dass sich die Veräußerung auch auf das Zubehör des Grundstücks erstrecken soll, geht auch das zum Zeitpunkt des Erwerbs vorhandene Zubehör, soweit es dem Veräußerer gehört, zusammen mit dem Grundstückseigentum auf den Erwerber über (§ 926 Abs. 1 Satz 1 BGB). 2.2.5

Kaufpreis (Fälligkeit und Zahlung)

Die Gestaltungsmöglichkeiten für den Kaufpreis können von einem Festpreis bis zu einem variablen Preis reichen, der sich noch unter verschiedenen Umständen ändern oder erst festgelegt werden kann. Ist Kaufgegenstand ein bereits vermessenes Grundstück, werden Veräußerer und Erwerber regelmäßig einen Festpreis vereinbaren. Wird dagegen eine noch nicht vermessene Teilfläche verkauft, d. h. also, steht die endgültige Grundstücksgröße noch nicht fest, so wird der endgültige Kaufpreis häufig auf der Basis eines Kaufpreises pro Quadratmeter χ Quadratmeter vermessener Teilfläche berechnet. Denkbar ist ζ. B. auch, dass in diesem Falle im Kaufvertrag bereits ein Kaufpreis festgelegt wird, der sich bei Flächenabweichungen entsprechend auf der Basis eines ebenfalls festgelegten Quadratmeterpreises ändern soll, ggf. auch nur, wenn die Flächenabweichung - nach oben oder unten - jeweils einen bestimmten Prozentsatz überschreitet; damit blieben Abweichungen bis zu einer bestimmten Größenordnung ohne Einfluss auf den Kaufpreis. Soweit der Kaufpreis bei Abschluss des Kaufvertrages noch nicht ermittelbar ist, weil z. B. Art und Umfang der Bebaubarkeit und damit der Wert des Grundstücks noch nicht feststehen, ist es wichtig, zur Vermeidung späterer Auseinandersetzungen die Parameter für die spätere Kaufpreisermittlung so eindeutig wie möglich zu definieren, ζ. B. durch Quadratmeterpreise für die aufgrund der Baugenehmigung zulässigerweise zu errichtenden (ζ. B. Bruttogeschoß-)Flächen, ggf. gestaffelt nach der Art der Nutzimg (ζ. B. Gewerbe, Wohnen). Soweit auf den Kaufpreis Umsatzsteuer zu zahlen ist (insbesondere: der Veräußerer ist Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne, die Grundstücksveräußerung ist keine Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. la UStG), gehören zur Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer nach Inkrafttreten der Neufassung des § 13 b UStG (vgl. Art. 14 Nr. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, Bundesgesetzblatt 2003, Teil I, Nr. 68, Bl. 3086) als Teil der Gegenleistung des Erwerbers nicht mehr 50 % der Grunderwerbsteuer. Gemäß der Neu-

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fassung wird der Erwerber Steuerschuldner der Umsatzsteuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Der in Kaufverträgen übliche Leistungsaustausch Zug um Zug ist im Falle des Grundstückskaufvertrages nicht möglich, da der Veräußerer im Austausch gegen die Kaufpreiszahlung (und ggf. sonstige Gegenleistungen) die Übertragung des Grundstücks, d. h. die Umschreibung im Grundbuch, nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt bewirken kann. Daher sind Lösungen für die unterschiedlichen Interessenlagen von Veräußerer und Erwerber zu finden. Der Veräußerer möchte das Grundstück nicht übertragen (und auch nicht belasten), solange nicht sichergestellt ist, dass er den vereinbarten Kaufpreis erhält. Der Erwerber möchte den Kaufpreis nur zahlen, wenn sichergestellt ist, dass ihm dann auch das Grundstück übertragen wird, und zwar in dem vereinbarten tatsächlichen und rechtlichen Zustand, also insbesondere ohne Belastungen, zu deren Übernahme er sich nicht verpflichtet hat. Der Veräußerer wird üblicherweise dadurch gesichert, dass die Eigentumsumschreibung erst beantragt werden darf, wenn der Kaufpreis an ihn oder auf ein Treuhandkonto gezahlt ist und in letzterem Falle alle Auszahlungsvoraussetzungen bis auf die Eigentumsumschreibung selbst vorliegen. Teilweise wird die Auflassung, also die dingliche Einigung, dass der Kaufgegenstand vom Veräußerer auf den Erwerber übergehen soll, erst nach der Kaufpreiszahlung beurkundet. Um darüber hinaus den Veräußerer davor zu sichern, dass der Kaufvertrag mangels Kaufpreiszahlung nicht durchgeführt werden kann, unterwirft sich der Erwerber häufig der Zwangsvollstreckung aus der Kaufpreisurkunde in sein gesamtes Vermögen. Die Kaufpreiszahlung kann auch durch die Stellung einer (Bank-)Bürgschaft durch den Erwerber gesichert werden, ggf. auch durch Stellung der Bürgschaft einer Mutter- oder sonstigen verbundenen Gesellschaft. Um insbesondere Avalkosten zu sparen, kommt in diesen Fällen auch die Stellung einer Patronatserklärung in Betracht, in deren „harter" Form sich der Patron ζ. B. verpflichtet, den Erwerber jederzeit in die Lage zu versetzen, seine Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag gegenüber dem Veräußerer zu erfüllen. Zur Sicherung der Ansprüche des insoweit vorleistungspflichtigen Erwerbers werden regelmäßig folgende Fälligkeitsvoraussetzungen vereinbart: •

Die Eigentumsverschaffungsvormerkung, auch Eigentumsvormerkung oder Auflassungsvormerkung genannt, wird im Range nur nach solchen Belastungen im Grundbuch eingetragen, die der Erwerber nach dem Kaufvertrag übernimmt, die vor Eigentumsumschreibung zu löschen sind oder deren Eintragung er zugestimmt hat, ζ. B. der Eintragung einer Grundschuld zur Finanzierung des Kaufpreises.

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Rechtliche Fälligkeitsvoraussetzungen: a) Der Kaufvertrag sollte rechtswirksam sein, d. h. also, etwaige aufschiebende Bedingungen sollten eingetreten und ausstehende Genehmigungen sollten erteilt sein. Soweit die Kaufvertragsparteien bei der Beurkundung vertreten waren, sollten alle Vertretungsnachweise wie Genehmigungen oder Vollmachtsbestätigungen und Nachweise der Vertretungsberechtigimg wie Registerauszüge in grundbuchmäßiger Form (§ 29 GBO) vorliegen. b) Werden Teilflächen veräußert, sollte die ggf. nach der Landesbauordnung oder kraft Ortssatzimg erforderliche Teilungsgenehmigung oder das Negativattest vorliegen. c) Nach dem Grundstücksverkehrsgesetz kann für landwirtschaftliche Flächen ab einer bestimmten Grundstücksgröße, je nach Bundesland und dessen Spezialvorschriften unterschiedlich, eine Genehmigung bzw. ein Negativattest der zuständigen Landwirtschaftsbehörde notwendig sein, die ebenfalls vorliegen sollte (bei Überschreiten einer bestimmten Grundstücksgröße, in Hessen ζ. B. bei Flächen größer als 2.500 m 2 , besteht eine Genehmigungspflicht auch unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um eine landwirtschaftliche Fläche handelt). d) In den neuen Bundesländern sollte für Grundstücke auch die ggf. erforderliche Genehmigimg nach der Grundstücksverkehrsordnung vorliegen. e) Ferner ist Umschreibungsvoraussetzung - und sollte daher richtigerweise auch Fälligkeitsvoraussetzimg sein - das Vorliegen der Verzichtserklärung bzw. des Negativattests für sämtliche gesetzlichen Vorkaufsrechte der Gemeinde (gem. §§ 24 ff. BauGB; nach Landesrecht ζ. B. nach Denkmal- und Naturschutzgesetzen oder einem Waldgesetz). f) Für alle Belastungen, die der Erwerber nach dem Vertrag nicht übernimmt, sollten die Löschungsunterlagen vorliegen. Insbesondere gilt dies für nicht zu übernehmende Grundpfandrechte oder ζ. B. für Wegerechte oder sonstige Nutzungsbeschränkungen, die die vom Erwerber beabsichtigte Nutzung oder Bebauung hindern. Zu beachten ist, dass diese Löschungsunterlagen nur unter solchen Treuhandauflagen der Gläubiger dem Notar überlassen sein dürfen, die dem Kaufvertrag nicht widersprechen. Ζ. B. darf dem Notar nicht zur Auflage gemacht werden, dass er von einer Löschungsbewilligung nur Gebrauch machen darf, wenn der für die Ablösung der Rechte des Gläubigers zu zahlende Betrag den Kaufpreis übersteigt, oder dieser Betrag darf nicht früher fällig werden als der Kaufpreis.

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Im Einzelfall kann es auch darüber hinaus tatsächliche Fälligkeitsvoraussetzungen geben wie ζ. B. die Erteilung einer Bebauungsgenehmigung, die Räumung des Grundstücks oder die Durchführung bestimmter Arbeiten durch den Veräußerer auf dem Grundstück, ζ. B. Abriss von Baukörpern, Entfernen von Tanks o. ä.

2.2.6

Notar-Anderkonto

Ist der Kaufgegenstand mit Grundpfandrechten oder sonstigen Belastungen belastet, so werden diese gewöhnlich aus der Kaufpreiszahlung abgelöst. Um dem Sicherungsbedürfnis beider Parteien Rechnung zu tragen, kann der Kaufpreis auf einem Anderkonto des beurkundenden Notars hinterlegt und der Notar mit der treuhänderischen Abwicklung beauftragt werden. Gegenstand dieser Treuhandabwicklung kann die Ablösung der Belastungen durch den auf dem Notar-Anderkonto hinterlegten Kaufpreis wie auch die Sicherstellung der Finanzierung sein. Der Notar geht in diesem Fall ein mehrseitiges Treuhandverhältnis gegenüber Veräußerer und Erwerber, im Zweifel auch gegenüber Alt- und Neugläubigern ein und trägt damit eine besondere Verantwortimg. Schon bei der Vertragsgestaltung ist darauf zu achten, dass die Abwicklungsvoraussetzungen und die danach zulässigen Treuhandauflagen koordiniert und Vollzugshindernisse vermieden werden. Ζ. B. muss bereits durch die Vertragsgestaltung verhindert werden, dass ein Altgläubiger seine Löschungsbewilligung unter einer Auflage erteilen kann, die nach dem Kaufvertrag nicht erfüllt werden kann; ζ. B. unter der Auflage, dass von der Löschungsbewilligung erst Gebrauch gemacht werden darf, wenn als Ablösungsbetrag ein über dem vereinbarten Kaufpreis liegender Betrag an ihn gezahlt ist. Der Notar wird ferner darauf achten, dass ihm im Vertrag ausreichende Weisungen erteilt werden, wie mit dem hinterlegten Betrag zu verfahren ist, ζ. B. Festlegung von Auszahlungsvoraussetzungen, Bestimmimg der Anlage des hinterlegten Geldes, Aufteilung auf verschiedene Konten bei mehreren Beteiligten, Entnahme von Notar- oder Bankgebühren etc. Zu beachten ist, dass mit der Zahlung des Kaufpreises auf das Anderkonto nach herrschender Meinung noch nicht die Erfüllung der Zahlungspflicht des Erwerbers eintritt (BGH DNotZ 1983, 549), soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, d. h. also, vor Auszahlung des Kaufpreises an den Veräußerer oder an Altgläubiger oder sonstige Dritte gem. dem Vertrag gilt die Verpflichtung des Erwerbers zur Zahlung des Kaufpreises im Verhältnis zum Veräußerer noch nicht als erfüllt. 2.2.7

Lasten (Übernahm^Aufhebung^Freistellung)

Hinsichtlich der im Grundbuch bei Abschluss des Kaufvertrages vorhandenen Belastungen des Kaufgegenstandes können die Vertragsparteien die Übernahme durch den Er-

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werber vereinbaren. Dies geschieht regelmäßig hinsichtlich in Abteilung II eingetragener Belastungen wie beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten (ζ. B. Leitungsrechte für ein Versorgungslinternehmen) oder Grunddienstbarkeiten (ζ. B. Wegerechte für Nachbarn). Aus der Sicht des Veräußerers müssen diese Rechte regelmäßig vom Erwerber übernommen werden, da sie ζ. B. die Ver- und Entsorgung des Grundstücks sichern oder den Zugang und/oder die Zufahrt zu Nachbargrundstücken und somit keine Aussicht auf Löschung besteht. Gleichwohl sollte sich der Erwerber, der das Grundstück ganz oder teilweise neu bebauen oder vorhandene Gebäude umbauen will, sorgfältig vergewissern, ob diese Rechte einen künftigen Neu- oder Umbau hindern können. Deswegen ist dringend anzuraten, sich die zugrunde liegenden Eintragungsbewilligungen zu beschaffen, die bei Eintragung der entsprechenden Rechte zu den Grundakten des Grundbuchamts genommen werden, um sich mit dem Umfang der sich daraus ergebenden Nutzungsbeschränkungen vertraut zu machen. Eine Übernahme kann auch hinsichtlich in Abteilung III eingetragener Grundpfandrechte in Betracht kommen. Möglich ist, allein die Grundpfandrechte ohne das durch diese gesicherte Darlehen zu übernehmen. Der Erwerber, der für die Finanzierung des Grundstückskaufs selbst einen Kredit aufnimmt, kann mit dem Veräußerer vereinbaren, insoweit die eingetragenen Rechte zu übernehmen. Der Veräußerer spart die Kosten der Löschung, der Erwerber zahlt nur die Kosten der Abtretung, die nur die Hälfte der Kosten für die Bestellung und Eintragung entsprechender neuer Grundpfandrechte betragen. Entsprechendes gilt für die Umschreibung der Vollstreckungsklausel statt einer neuen Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung. Zweckmäßigerweise ist in diesem Falle das Vorliegen der Abtretungserklärung des Inhabers des Rechts an den Gläubiger des Erwerbers zur Fälligkeitsvoraussetzung zu machen. In Betracht kommt auch - zusätzlich - die Übernahme des bestehenden Darlehens, das durch die eingetragenen Grundpfandrechte abgesichert ist. Der Veräußerer kann an der Darlehensübernahme, die eine Schuldübernahme i. S. d. § 415 BGB ist und zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung durch den Gläubiger bedarf, ein Interesse haben, weil das Darlehen nicht zeitnah zur Rückzahlung fällig und damit zu rechnen ist, dass der Gläubiger eine Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung verlangt. Mangels abweichender Vereinbarung wäre sie vom Veräußerer zu tragen. Sie kann empfindlich hoch ausfallen, wenn das aktuelle Zinsniveau wesentlich unter die für das Darlehen geltenden Zinsen gefallen ist. Der Erwerber mag an einer Schuldübernahme aus Gründen der Kostenersparnis interessiert sein (keine Notarkosten für die Grundschuldbestellung, Grundbuchkosten nur für die Abtretung, nicht für die Eintragung), wegen günstiger Kreditbedingungen für das bestehende Darlehen oder weil er sich mit der

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Schuldübernahme die Beschaffung einer eigenen Finanzierung ersparen möchte. Wegen des Genehmigungserfordernisses ist in diesen Fällen aber Vorsorge für den Fall zu treffen, dass der Gläubiger die Genehmigung der Schuldübernahme nicht fristgemäß erklärt oder sie verweigert, um in diesen Fällen noch rechtzeitig vor Kaufpreisfälligkeit eine Finanzierung durch den Erwerber und ggf. die Bestellung neuer Grundpfandrechte zu ermöglichen. Insbesondere sollte der Veräußerer verpflichtet sein, an einer entsprechenden Bestellung neuer Grundpfandrechte mitzuwirken. Alternativ wird häufig vereinbart, dass die entsprechenden Rechte vom Veräußerer zur Löschung zu bringen sind. Ist im Kaufvertrag keine Abwicklung über ein NotarAnderkonto oder ein sonstiges Treuhandkonto vorgesehen, wird das Grundpfandrecht aus dem Kaufpreis regelmäßig in der Weise abgelöst, dass der Erwerber unmittelbar an den abzulösenden Altgläubiger zahlt, wenn die Fälligkeitsvoraussetzungen gegeben sind und der Notar deren Vorliegen dem Erwerber mitgeteilt hat. Dazu sollte der Kaufvertrag vorsehen, dass der Altgläubiger so rechtzeitig den zur Ablösung geforderten Betrag mitteilt, dass der Veräußerer zu seinem eigenen Schutz dessen Richtigkeit ebenfalls noch rechtzeitig vor Kaufpreisfälligkeit bestätigen kann. Die Ablösimg anderer eingetragener Rechte, die nach dem Kaufvertrag vom Erwerber nicht zu übernehmen sind, wie ζ. B. Vorkaufsrechte oder Dienstbarkeiten, kann entsprechend geregelt werden. Handelt es sich bei dem Kaufgegenstand um eines von mehreren Grundstücken des Veräußerers (ζ. B. bei einer neuen Eigenheimsiedlung) oder um eine Eigentumswohnung, wird häufig für die gesamte Einheit ein Globalgrundpfandrecht eingetragen sein, das im Hinblick auf die anderen Grundstücke bzw. Eigentumswohnungseinheiten nicht gelöscht werden kann. In diesem Falle wird die Löschung des Rechts durch eine Freistellungserklärung für den Kaufgegenstand ersetzt. 2.2.8

Gefahrtragung!aftung für Mängel des Kaufgegenstandes

Mit der Übergabe der verkauften Sache, hier also mit der Besitzübergabe des Kaufgegenstandes, geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und einer zufälligen Verschlechterung auf den Erwerber über, ab Übergabe stehen dem Erwerber die Nutzungen zu und er trägt die Lasten (§ 446 BGB). Zweck der Vorschrift ist, dass der jeweilige Besitzer die Sache zu schützen hat und daher der Gefahrübergang auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe vorverlegt wird. Der Gefahrübergang bedeutet, dass der Erwerber den Kaufpreis auch dann an den Veräußerer zahlen muss, wenn sich das auf dem Kaufgrundstück aufstehende Gebäude „verschlechtert", wenn es also ζ. B. durch ein Unwetter nach Übergabe (und vor Eigentumsübergang) beschädigt wurde, soweit die Umstände, die zu der Beschädigung geführt haben, nicht vom Veräußerer zu vertreten sind.

2 Grundstücksverkehr

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Der Veräußerer ist verpflichtet, dem Erwerber das Grundstück frei von Rechten Dritter zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB). Im Falle eines Mangels kann der Erwerber gemäß § 437 BGB am Vertrag festhalten und dann zunächst nur Nacherfüllung (§ 439 BGB), d. h. Mängelbeseitigung, verlangen. Ist die Nacherfüllung unmöglich, verweigert der Veräußerer die Nacherfüllung (§ 439 Abs. 3 BGB), schlägt sie fehl oder ist sie dem Erwerber nicht zuzumuten (§ 440 BGB), kann der Veräußerer vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern. Nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform unterscheiden sich die Rechtsfolgen von Sach- und Rechtsmängeln nicht mehr. Neben Nacherfüllung, Rücktritt oder Minderung kann der Erwerber im Falle eines Mangels auch Schadensersatz (§§ 437 Nr. 3, 280, 281, 276 Abs. 1 BGB) verlangen, wenn der Veräußerer die Lieferung der mangelhaften Sache zu vertreten oder eine Garantie übernommen hat, oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 284 BGB). Rücktritt, Schadensersatz und im Ergebnis auch Minderung und Ersatz vergeblicher Aufwendungen setzen entsprechend den allgemeinen Vorschriften eine erfolglose Fristsetzung voraus. Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn Dritte hinsichtlich des Kaufgegenstandes Rechte gegen den Erwerber geltend machen können. Dem steht gleich, wenn im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, obwohl es nicht besteht (§ 435 Satz 2 BGB). Rechte Dritter können alle dinglichen Rechte sein, insbesondere alle Rechte, die in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen sind, wie Dienstbarkeiten oder Vorkaufsrechte. Obligatorische Rechte Dritter begründen nur dann einen Rechtsmangel, wenn sie dem Erwerber durch Zurückbehaltungsrecht entgegengesetzt werden könnten, einem Dritten berechtigten Besitz verschaffen oder den Erwerber in seiner Verfügungsbefugnis oder in der Nutzimg des Kaufgegenstandes beeinträchtigen, ζ. B. Miet- oder Pachtverhältnisse (Palandt/Putzo, Rn. 10). Rechtsmängel können auch in öffentlich-rechtlichen Eingriffen, Bindungen oder Beschränkungen bestehen (BGH NJW 1967,134; BGH NJW 1983, 275), wie ζ. B. der Sozialbindung einer Wohnung. Baulasten sind nur dann Rechtsmängel, wenn sie dem Eigentümer eine bestimmte Verpflichtung für die Nutzung bereits errichteter Gebäude auferlegen (OLG Hamm, NJW-RR 1989, 524), jedoch nicht, wenn sie eine Baubeschränkung für eine künftige Bebauung zum Inhalt haben (BGH NJW 1978,1429). Der Kaufgegenstand ist frei von Sachmängeln, wenn er zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (in der Regel zum Zeitpunkt des Besitzübergangs) die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 434 BGB). Haben die Parteien eine Beschaffenheit nicht vereinbart, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendimg eignet (§ 434 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder, wenn sich eine solche nicht feststellen lässt - wenn sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Erwerber nach Art der

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2 Grundstücksverkehr

Sache erwarten kann (§434 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Sachmängel sind ζ. B. Boden- oder Grundwasserverunreinigungen des Kaufgrundstücks oder Baumängel bereits errichteter Gebäude. Ein Qualitätsmangel des Grundstücks kann auch die Beschränkung der vom Erwerber vorausgesetzten und vertraglich festgelegten Bebauungsmöglichkeit sein. Die Haftung des Veräußerers für die Freiheit des Grundstücks von Sachmängeln wird in Kaufverträgen vielfach beschränkt, ζ. B. „Für Bodenverunreinigungen übernimmt der Veräußerer die Kosten einer notwendigen Entsorgung und Sanierung des Bodens nur, soweit sie nachweislich Euro.... übersteigen", oder für einzelne oder alle Mängel ausgeschlossen, ζ. B. „Das Grundstück wird übernommen, wie es steht und liegt". Werden Beschränkung oder Ausschluss der Mängelhaftung des Veräußerers bei neuen Gebäuden formularmäßig vereinbart, unterliegen sie der Inhaltskontrolle nach den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB (ehemals AGBG) und sind danach möglicherweise unwirksam. Wird ein neues Gebäude verkauft, kann selbst ein individuell vereinbarter Haftungsausschluss für Mängel unwirksam sein (BGH BB1989,1506). Bei Mängeln befreit die Kenntnis des Erwerbers vom Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages den Veräußerer von der Haftimg (§ 442 BGB). Ist dem Erwerber ein Mangel in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, kann der Erwerber Rechte wegen dieses Mangels nur dann geltend machen, wenn der Veräußerer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes übernommen hat. Allerdings gilt diese Haftungsbefreiimg des Veräußerers nicht für im Grundbuch eingetragene Rechte (§ 442 Abs. 2 BGB). Die gesetzliche Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Erwerbers beträgt grundsätzlich zwei Jahre für Grundstücke und fünf Jahre für Bauwerke ab Übergabe (§ 438 Abs. 1 BGB). Die Verjährungsfrist kann vertraglich verlängert werden (§ 202 Abs. 2 BGB). Die Verlängerung insbesondere der gesetzlichen Frist für Grundstücke empfiehlt sich für den Erwerber ζ. B., wenn Art und Umfang der zu entsorgenden Bodenverunreinigungen erst bei Bodenaushub oder eine etwa erforderliche Entsorgung von Altlasten des Gebäudes im Zuge von Umbauarbeiten festgestellt werden können. Die Verjährungsfrist beträgt dreißig Jahre, wenn der Mangel in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen die Herausgabe des Kaufgegenstandes verlangt werden kann, oder in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, besteht (§ 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

2 Gnindstücksi'erkehr

85

2.3 Die Auflassungsvormerkung Irene Thiele-Mühlhan 2.3.1 Begriff

87

2.3.2 Formerfordernis

87

2.3.3 Sicherungswirkung

88

2.3.4 Rangwirkung

89

2 Grundstücksverkehr

2.3

87

Die Auflassungsvormerkung Irene Thiele-Mühlhan

2.3.1

Begriff

Allgemein kann eine Vormerkung nach § 883 BGB als Mittel zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Recht oder auf Änderimg des Inhalts oder des Rangs eines solchen Rechts in das Grundbuch eingetragen werden. Sie schützt den schuldrechtlichen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung. Einen besonderen Fall der Vormerkung stellt die oft als solche bezeichnete Auflassungsvormerkung dar, die in der Vertragsgestaltung eine große Bedeutung als Sicherungsmittel für den Erwerber hat. Zutreffender, aber seltener wird sie als Eigentumsverschaffungsvormerkung oder kürzer als Eigentumsvormerkung bezeichnet. Befürwortet wird teilweise auch die Benutzung des Begriffs „Eigentumsübertragungsvormerkung". Zwar wird in der Literatur zunehmend nicht mehr der Begriff Auflassungsvormerkung benutzt, in der Praxis der Grundbuchämter und in der Rechtsprechung ist weiter von ihr die Rede. 2.3.2

Formerfordernis

Die Vormerkung ist kein Recht „am Grundstück". Daher findet der Grundsatz, dass zum Erwerb von Rechten an einem Grundstück Einigung und Eintragung erforderlich sind (§ 873 BGB) keine Anwendung, sondern § 885 BGB regelt gesondert die Begründung der Vormerkung. Sie wird aufgrund der einseitigen Bewilligung des Betroffenen oder aufgrund einstweiliger Verfügimg eingetragen. Die Eintragungsbewilligung durch den Betroffenen ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Notwendig ist eine gesonderte Bewilligung, die nicht etwa schon in der Einigung über die Rechtsänderung, hier also über den Eigentumsübergang, oder in der Eintragungsbewilligung für diese liegt. Die Erklärung ist gegenüber dem Gläubiger oder Grundbuchamt abzugeben. Materiell-rechtlich ist diese Bewilligung formfrei (BGH NJW-RR 1989,198). Begrifflich davon zu trennen ist die formal-rechtliche Eintragungsbewilligung, die in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde vorzulegen ist (§§ 19,29 GBO). Eine Auflassungsvormerkung wird in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen, während der dadurch vorgemerkte Eigentümer später in Abteilung I eingetragen wird. Andere Vormerkungen werden dagegen in der Abteilung eingetragen, in der später auch das vorgemerkte Recht eingetragen wird.

88

2 Grundstücksverkehr

2.3.3

Sicherungswirkung

Wie beschrieben, fallen die dingliche Einigung über den Übergang des Grundstücks auf den Erwerber und die Eintragung dieser Rechtsänderung im Grundbuch zeitlich auseinander. Mit Eintragung der Vormerkung wird das Risiko des Erwerbers in der Zeit zwischen Verpflichtungsgeschäft und Eintragung überbrückt, denn sein vertraglicher Anspruch auf Übertragung des Rechts schließt dingliche Verfügungen des Veräußerers oder Zwangsverfügungen Dritter in das Grundbuch nicht aus. Die Vormerkung beschränkt nicht die Verfügungsbefugnis des Eigentümers, er könnte ζ. B. auch nach Abschluss des Kaufvertrages und Eintragung der Vormerkung zugunsten des Erwerbers einen weiteren Kaufvertrag über dasselbe Grundstück mit einem Dritten abschließen und auch für den Erwerber dieses weiteren Kaufvertrages eine Vormerkimg eintragen lassen. Die Vormerkung bewirkt auch nicht eine Grundbuchsperre. Trotz eingetragener Vormerkimg muss das Grundbuchamt einen - im Übrigen ordnungsgemäßen - vormerkungswidrigen Antrag ausführen (Weirich, Grundstücksrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 668). Die Vormerkung steht als vorläufiges Sicherungsmittel zur Verfügung. Wird dem Veräußerer die Vertragserfüllung, also vertragsgemäße Eigentumsübertragung, durch einen von ihm zu vertretenden Grund unmöglich, ζ. B., weil er das Grundstück an einen Dritten zu einem höheren Preis veräußert und auf ihn umgeschrieben hat oder das Grundstück entgegen den vertraglichen Vereinbarungen mit einer Grundschuld zugunsten eines Dritten belastet, so ist er dem Erwerber zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser Schadensersatzanspruch gibt dem Erwerber keine Möglichkeit, die zugunsten eines Dritten eingetretene Rechtslage zu ändern. Der Schadensersatzanspruch oder der Bereicherungsanspruch, wenn der Erwerber den Kaufpreis schon gezahlt hat, ist u. U. nicht durchsetzbar, wenn der Veräußerer zahlungsfähig geworden sein sollte oder ein Vollstreckungsverfahren erfolglos bleibt. Als vorläufiges Sicherungsmittel steht zur Überbrückung dieser Risikophase die Vormerkung zur Verfügung (§§ 883 bis 889 BGB). Die Auflassungsvormerkung sichert den Anspruch des vorgemerkten Erwerbers auf den Erwerb des Eigentums an der vorgemerkten Rangstelle (§ 883 Abs. 2 BGB). Wird später das vorgemerkte Eigentum eingetragen, sind alle Verfügungen, die nach der Vormerkung eingetragen wurden, zwar nicht generell, aber gegenüber dem Vormerkungsberechtigten relativ unwirksam, die den durch die Vormerkung geschützten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würden (§ 883 Abs. 2 BGB). Neben rechtsgeschäftlichen Verfügungen gilt das auch für Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung oder Verfügungen des Insolvenzverwalters (§ 883 Abs. 2 Satz BGB). Die relative Verfügungsbeschränkung des Eigentümers und die relative Unwirksamkeit vormerkungswidriger Verfügungen bedeuten, dass Verfügungen, die den durch die

2 Grundstücksi'erkehr

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Vormerkung gesicherten Anspruch beeinträchtigen, (nur) im Verhältnis zum Vormerkungsberechtigten (also relativ) unwirksam sind (§ 883 Abs. 2 BGB). Der Vormerkungsberechtigte kann von einem Dritten, der nach Eintragung der Vormerkung ein Recht an dem Grundstück erworben hat, verlangen (§ 888 BGB), dass der Dritte der zur Verwirklichung des vorgemerkten Anspruchs erforderlichen Eintragung, bei der Auflassungsvormerkung also der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer, oder der Löschung, ζ. B. eines nach der Vormerkung eingetragenen Grundpfandrechts, zustimmt. 2.3.4

Rangwirkung

Die Vormerkung wahrt den Rang des einzutragenden Rechts (§ 883 Abs. 3 BGB). Die Vormerkimg selbst ist zwar kein dingliches Recht am Grundstück, sie steht jedoch im Rangverhältnis zu den eingetragenen Rechten (§ 879 BGB; siehe auch 2.1.8 - Vorrangsprinzip). Die rangwahrende Wirkung der Vormerkimg besteht darin, dass sich der Rang des vorgemerkten Rechts nicht nach dem Zeitpunkt seiner Eintragung richtet, sondern nach dem Zeitpunkt, an dem die Vormerkung eingetragen wurde. Wird der vorgemerkte Anspruch auf Eigentumsumschreibung erfüllt, verwirklicht sich die Rangwahrung, indem das Eigentum des Erwerbers, in das die Auflassungsvormerkung umgeschrieben wird, den Rang der Vormerkung erhält. Der Zeitpunkt der Umschreibung wird damit für den Rang des Rechts unerheblich. Die Rangwahrung setzt allerdings voraus, dass die Vormerkung zum Zeitpunkt der Umschreibimg noch besteht. § 884 BGB gewährt dem Vormerkungsberechtigten einen besonderen Schutz gegen den Erben dessen, gegen den sich der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch richtet. Der Erbe haftet gegenüber dem Vormerkungsberechtigten unbeschränkt, unbeschränkbar und ohne aufschiebende Einreden (§§ 1971 ff., 2016 BGB). Voraussetzung ist, dass die Vormerkung vor dem Erbfall aufgrund Bewilligung oder einstweiliger Verfügung oder nach dem Erbfall aufgrund Bewilligung des Erblassers oder des Erben eingetragen worden ist. Die Rangwirkung der Vormerkung besteht auch im Falle des gutgläubigen Erwerbs. Der gute Glaube des Vormerkungsberechtigten an die Richtigkeit des Grundbuchs braucht nur bis zu dem Zeitpunkt zu bestehen, zu dem die Eintragung der Vormerkung beantragt wird, wenn der Vormerkungsberechtigte von einem Nichtberechtigten erwirbt (BGH NJW 1972, 434). Der gutgläubige Erwerb wird in diesem Falle nicht dadurch gehindert, dass ζ. B. das Grundbuch nach Eintragung der Vormerkung berichtigt wird. Selbst wenn also bei der Umschreibung des Eigentums auf den Erwerber feststehen soll-

90

2 Grundstücksverkehr

te, dass entgegen der Eintragung im Grundbuch nicht sein Veräußerer, sondern ein Dritter der wahre Eigentümer des Grundstücks war, soll aus Gründen der Rechtssicherheit und zum Schutze des Rechtsverkehrs dennoch der Erwerber als Eigentümer aufgrund der zu seinen Gunsten eingetragenen Vormerkung und seines guten Glaubens an die Richtigkeit des Grundbuchs bei Beantragimg der Eintragimg der Vormerkung eingetragen werden.

2 Grundstiicksverkehr

91

2.4 Die Auflassung Irene

Thiele-Mühlhan

2.4.1 Begriff und Wirkung

93

2.4.2 Formerfordernis

95

2.4.3 Genehmigungserfordernisse

95

2.4.4 Eintragung ins Grundbuch

97

2.4.5 Kostentragung

98

2 Grundstücksverkehr

2.4

93

Die Auflassung Irene Thiele-Mühlhan

2.4.1

Begriff und Wirkung

Auflassung (§ 925 BGB) ist die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück erforderliche dingliche Einigung von Veräußerer und Erwerber. Die Auflassimg ist ein Rechtsgeschäft, das zu einem Wechsel des Rechtsträgers im Rahmen einer Einzelrechtsnachfolge (Rechtsnachfolge für ein bestimmtes Rechtsverhältnis) führt. Die Auflassung kommt also nicht zur Anwendung bei einem Erwerb kraft Gesetzes oder durch Staatsakt. Ferner findet sie keine Anwendung bei einem Erwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Rechtsnachfolge in das gesamte Vermögen wie bei der Erbfolge, auch wenn das Grundstück der einzige Vermögensgegenstand sein sollte). Die §§ 925, 873 BGB gelten auch nicht, wenn lediglich Anteile an einem Gesamthandsvermögen (ζ. B. Anteile an einer BGB-Gesellschaft, selbst wenn deren einziger Vermögensgegenstand das Grundstück ist) übertragen werden sollen. Die Einigimg bewirkt allein noch keine Rechtsänderung und beschränkt den Veräußerer auch nicht in seiner Verfügungsbefugnis. Die Auflassung ist Teil eines mehraktigen Rechtsgeschäfts, da zum Eigentumsübergang noch die Eintragung im Grundbuch hinzukommen muss. Der Erfüllungsanspruch des Erwerbers auf Eigentumsübertragung erlischt erst mit seiner Eintragung im Grundbuch. Regelmäßig ist der Erwerber mit der Auflassung zu Verfügungen über das Grundstück berechtigt, insbesondere zur Weiterveräußerung. Möglich ist ζ. B. die sog. Kettenauflassung, bei der der Zweiterwerber ohne Zwischeneintragung des Ersterwerbers unmittelbar vom Veräußerer erwirbt. Solange die Kaufpreisforderung des Veräußerers noch nicht erfüllt ist, wird in der Auflassung aber noch nicht die Einwilligung zur Grundpfandrechtsbestellung durch den Erwerber gesehen, sie muss ihm ggf. ausdrücklich eingeräumt werden, regelmäßig unter Sicherstellung der Kaufpreiszahlung. Die Auflassung bedeutet auch nicht die Einwilligung des Veräußerers, dass der Ersterwerber einen Übereignungsanspruch des Zweiterwerbers gegenüber dem Veräußerer begründet oder für den Zweiterwerber zur Sicherung dessen Übereignungsanspruchs gegen den Ersterwerber eine Vormerkung bestellen kann. Ohne Eintragung einer Auflassungsvormerkung oder Eintragungsantrag auf Umschreibung im Grundbuch ist der Erwerber nicht gegen weitere Verfügungen des Veräußerers gesichert. Ein ihn sicherndes Anwartschaftsrechts erwirbt er erst durch die Eintragung der Auflassungsvormerkung oder durch den Eingang seines Antrags auf Eigentumsumschreibung

94

2 Grundstucksverkehr

beim Grundbuchamt. Eine Bindung an die Auflassung tritt erst unter den Voraussetzungen des § 873 Abs. 2 BGB ein. Danach sind die Beteiligten an die Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen notariell beurkundet, vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind, oder wenn der Berechtigte dem Vertragspartner eine Eintragungsbewilligung in grundbuchmäßiger Form ausgehändigt hat; die Erfüllung einer dieser Voraussetzungen genügt für den Eintritt der Bindung. Eine bedingte oder befristete Auflassung ist unzulässig (§ 925 Abs. 2 BGB). Auslegungsfrage im Einzelfall ist, ob das in gleicher Urkunde bedingt oder unter Rücktrittsvorbehalt geschlossene Grundgeschäft auch zu einer Bedingung der Auflassung führt. Das wird bei einem Rücktrittsvorbehalt in aller Regel nicht angenommen. Lediglich Vereinbarungen über Bedingungen für den Grundbuchvollzug, eine Bedingung der Auflassungsvollmacht oder eine fehlende Rechtsbedingung (d. h., einer gesetzlichen Voraussetzung für das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts), ζ. B. die Genehmigung der vom vollmachtlosen Vertreter erklärten Auflassung, sollen nicht zur Unwirksamkeit führen (BGH NJW1952,1330; BayObLG RPfleger 1984,11). Erforderlich ist eine zweifelsfreie Bezeichnung des zu veräußernden Grundstücks, ggf. einer noch zu vermessenden Teilfläche. Bei einer geringen Abweichung zwischen der ursprünglich bezeichneten und der tatsächlich vermessenen Fläche gilt die Auflassimg auch noch für letztere, anderenfalls wird vor der Eintragung ins Grundbuch eine spätere Identitätserklärung mit dem Inhalt erforderlich, dass das vermessene Grundstück vom Veräußerer und Erwerber mit dem im Kaufvertrag verkauften Grundstück als identisch erklärt wird. Eine falsche Bezeichnung des Grundstücks ist dann unschädlich, wenn beide Parteien übereinstimmend denselben Kaufgegenstand meinen, ihn aber irrtümlich falsch bezeichnen (BGH BB 1967, 811), ζ. B.: Grundstück A soll verkauft werden, Grundstück Β wird benannt, gleichwohl wird wegen des übereinstimmenden Willens abweichend vom Wortlaut Grundstück A aufgelassen. Decken sich dagegen die Erklärungen äußerlich (Grundstück A), meint aber jede Partei ein anderes Grundstück (Veräußerer will Grundstück A verkaufen, Erwerber will Grundstück Β kaufen), ist je nach dem Umständen die Auflassimg nicht zustande gekommen oder der Irrende kann seine Erklärung anfechten. Im Falle mehrerer Erwerber ist die Angabe des Gemeinschaftsverhältnisses der Erwerber (ζ. B. zu gleichen ideellen Anteilen oder verbunden zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts) notwendiger Inhalt (BayObLGZ 83,118) und Wirksamkeitsvoraussetzimg der Auflassung (§ 47 GBO).

2 Grundstücksverkehr

2.4.2

95

Formerfordernis

Die Auflassung muss bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle erklärt werden (§ 925 Abs. 1 BGB). Unbeschadet der Zuständigkeit weiterer Stellen ist jeder - deutsche - Notar zuständig. Wie bei der Beurkundung des Kaufvertrages im Übrigen ist jedoch die Vertretung durch einen Bevollmächtigten oder durch einen vollmachtlosen Vertreter mit nachträglicher Genehmigimg möglich. Für die Auflassungserklärung selbst ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben, sie wird in aller Regel mündlich abgegeben. Materiell-rechtlich wirksam wird die Erklärung aber nur, wenn sie unter gleichzeitiger Anwesenheit von Veräußerer und Erwerber (Vertretung ist möglich) und vor der zuständigen Stelle erklärt wird. Zulässig sind Auflassungen auch in einem gerichtlichen Vergleich oder in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan (§ 925 Abs. 1 Satz 3 BGB). 2.4.3

Genehmigungserfordernisse

Verfügungsgeschäfte über Grundstücke können zahlreich der Genehmigung, sowohl von Privatpersonen als auch von Behörden, bedürfen. Eine Genehmigung ist erforderlich, wenn eine Partei vollmachtlos vertreten wurde (vgl. im Einzelnen 2.2.3). Nachfolgend wird eine Auswahl besonders wichtiger Verfügungsbeschränkungen für den Eigentümer beschrieben: •

§ 1365 BGB Einwilligungsbedürftig sind Rechtsgeschäfte, durch die sich ein Ehegatte zur Verfügung über sein Vermögen im Ganzen verpflichtet. Das gilt auch für Verfügungen über ein Grundstück, wenn dieses das ganze oder nahezu das ganze Vermögen ausmacht (BGH NJW 1961,1301; BAG NJW 1984, 609). Geht der Ehegatte die Verpflichtung ohne die erforderliche Genehmigung ein, hängt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von der Genehmigung des anderen Ehegatten ab (§ 1366 Abs. 2, 3 BGB). Es handelt sich nicht nur um ein relatives, sondern ein absolutes Veräußerungsverbot. Die Einwilligung kann ggf. durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden (§ 1365 Abs. 2 BGB). Auf die Verfügungsbeschränkung, auch hinsichtlich einzelner Gegenstände, kann vertraglich verzichtet werden. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des § 1365 BGB vorliegen, trägt derjenige, der sich auf die Nichtigkeit beruft.



§ 19 BauGB Seit 1998 ist bundesrechtlich für die Teilung eines Grundstücks eine sog. Teilungsgenehmigung grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Nach verschiedenen Landesbauordnungen bedürfen Grundstücksteilungen zu ihrer Wirksamkeit unter bestimm-

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2 Grundstücksverkehr

ten Voraussetzungen einer Genehmigung der zuständigen Behörde. Im Geltungsbereich eines qualifizierten oder einfachen Bebauungsplans kann die Gemeinde durch Satzung die Teilung eines Grundstücks für genehmigungsbedürftig erklären (§ 19 Abs. 1 BauGB). Die Landesregierungen haben aber die Möglichkeit, dieses gemeindliche Satzungsrecht für ihr Landesgebiet oder für Teile davon durch Rechtsverordnungen auszuschließen (§ 19 Abs. 5 BauGB). Im nicht beplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) und im Außenbereich (§ 35 BauGB) ist eine Teilungsgenehmigung immer entbehrlich. •

Umlegungsverfahren Im Umlegungsverfahren bedürfen die Grundstücksteilungen und Verfügungen jeder Art über das Grundstück der schriftlichen Genehmigung der Umlegungsstelle (§ 51 BauGB). Durch die Eintragung einer genehmigungsbedürftigen Verfügung wird das Grundbuch (auch wenn kein Umlegungsvermerk eingetragen ist) unrichtig. Eine Heilung durch nachträgliche Genehmigung ist möglich.



Sanierungsgebiet und städtebaulicher Entwicklungsbereich Im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet bedarf die Veräußerung eines Grundstücks oder eines Miteigentumsanteils durch Rechtsgeschäft der Genehmigung der Gemeinde (§ 144 BauGB). Die gleichen Verfügungsbeschränkungen gelten im städtebaulichen Entwicklungsbereich (§ 169 Abs. 1 Nr. 3 BauGB).



Grundstücksverkehrsgesetz Für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke ist grundsätzlich die Genehmigung bzw. ein Negativattest der zuständigen Landwirtschaftsbehörde erforderlich. Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche Nutzung, sondern auf die objektive Eignung an. Je nach Bundesland und dessen Spezialvorschriften unterschiedlich, wird diese Eignung ab einer bestimmten Grundstücksgröße unterstellt, die dementsprechend bereits eine Genehmigungspflicht auslöst. Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte sind vor der Genehmigung schwebend unwirksam. Das Rechtsgeschäft wird mit der Genehmigung rückwirkend wirksam, ein Negativattest steht der Genehmigung gleich.



Grundstücksverkehrsordnung (GVO) Die Übereignung von Grundstücken in den neuen Bundesländern bedarf gem. §§ 2, 23 GVO der behördlichen Genehmigung.



Kommunalrecht Veräußerungen und Belastungen von Grundstücken der Gemeinden und Kreise bedürfen nach den Vorschriften des Kommunalrechts (Gemeindeordnungen, Kreis-

2 Grundstücksverkehr

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Ordnungen) der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Bei Verstoß ist die entsprechende Verfügung absolut unwirksam. •

KAGG Verfügungen über das Grundstückssondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft bedürfen der Zustimmung der Depot-Bank (§ 31 Abs. 2 Satz 1 KAGG). Bei Verstoß ist die Verfügung gegenüber dem Anteilsinhaber relativ unwirksam, der gute Glaube des Erwerbers wird geschützt. Deswegen wird regelmäßig die entsprechende Verfügungsbeschränkung, der sog. Depotvermerk, für die von einer Kapitalanlagegesellschaft erworbenen Grundstücke eingetragen.

2.4.4

Eintragung ins Grundbuch

Die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch als Eigentümer vollendet i. V. m. der Auflassung den Rechtserwerb (§ 837 Abs. 1 BGB). An die Eintragung knüpft sich die Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchs (§ 891 BGB) und im Falle der Unrichtigkeit des Grundbuchs die Möglichkeit zum gutgläubigen Erwerb. Die dingliche Einigung muss grundsätzlich auch noch im Zeitpunkt der Eintragung ins Grundbuch fortbestehen. Da die Auflassung und die Umschreibung im Grundbuch regelmäßig zeitlich auseinander fallen, kann ζ. B. in der Zwischenzeit einer der Beteiligten sterben, seine Geschäftsfähigkeit verlieren oder der Verfügende wird in seinem Verfügungsrecht beschränkt. Weder der Tod eines Beteiligten noch der Verlust seiner Geschäftsfähigkeit nach Abgabe der Willenserklärung hat auf deren Wirksamkeit Einfluss (§ 130 Abs. 2 BGB). Die Verfügungsberechtigung des Verfügenden muss grundsätzlich noch im Zeitpunkt der Rechtsänderung, also im Zeitpunkt der Grundbucheintragimg, bestehen. Ist die Erklärung jedoch für den Verfügenden bereits bindend geworden (§§ 873, 875, 877 BGB) und der Anspruch auf Eintragung gestellt, wird sie durch eine danach eintretende Verfügungsbeschränkung nicht unwirksam (§ 878 BGB). Zum Schutz des Erklärungsempfängers wird der maßgebliche Zeitpunkt praktisch auf die Stellung des Eintragungsantrages vorverlegt. Die spätere Verfügungsbeschränkimg hindert den Rechtserwerb durch den Erklärungsempfänger in diesem Falle also nicht. Vom Grundbuchamt zu prüfende Eintragungsvoraussetzungen sind die Verzichtserklärung oder das Negativattest der zuständigen Behörde bezüglich aller gesetzlichen Vorkaufsrechte. Vorkaufsrechte können sich insbesondere aus den §§ 24 ff. BauGB sowie nach landesrechtlichen Denkmalschutz-, Naturschutz- oder Waldgesetzen ergeben. Ferner prüft das Grundbuchamt, ob der Rechtsvorgang der Grunderwerbsteuer unterliegt. Eintragungsvoraussetzung ist daher regelmäßig die Vorlage der sog. Unbedenklichkeits-

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2 Grundstücksverkehr

bescheinigung, die das Finanzamt erteilt, weil anfallende Grunderwerbsteuer bezahlt ist oder der Rechtsvorgang nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. In der Auflassungserklärung wird i. d. R. auch die notwendige Eintragungsbewilligung des Veräußerers gesehen. Mit Vorlage der Auflassungserklärung beim Grundbuch könnte also bereits die Umschreibung des Erwerbers bewirkt werden. Um sicherzustellen, dass die Umschreibung nicht beantragt wird, bevor der Kaufpreis gezahlt ist, weisen die Beteiligten den Notar regelmäßig an, eine die Auflassung enthaltende Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Kaufvertrages erst herauszugeben und die Umschreibung erst zu beantragen, wenn dem Notar die Zahlung des Kaufpreises durch eine schriftliche Erklärung des Veräußerers oder der die Überweisung ausführenden Bank nachgewiesen ist. Dieselbe Sicherheit könnte auch dadurch erzielt werden, dass die Auflassung erst nach der Zahlung des Kaufpreises beurkundet wird. Die gesonderte Beurkundung der Auflassung löst allerdings eine zusätzliche halbe Gebühr aus. 2.4.5

Kostentragung

Kostenschuldner ist jeder, der die Tätigkeit des Notars veranlasst hat, insbesondere jeder Beteiligte, dessen Erklärung beurkundet ist (§ 2 Nr. 1 Kostenordnung - KostO). Bei einem Grundstückskaufvertrag und einer Auflassung sind daher beide Vertragsparteien Kostenschuldner, unabhängig von der vertraglich getroffenen Kostenregelung, und zwar als Gesamtschuldner (§ 5 Abs. 1 Satz 1 KostO). I. d. R. übernimmt jedoch jeder Beteiligte die Kosten für seine Vertretung, also für Vollmachtsbestätigungen oder Genehmigungen, sowie der Veräußerer die Kosten der Löschung der vom Erwerber nicht übernommenen Belastungen. Der Erwerber übernimmt i. d. R. die Kosten des Kaufvertrages (ggf. auch die Kosten einer gesondert beurkundeten Auflassung) und der Durchführung des Vertrages.

2 Grundstücksverkehr

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2.5 Das Vorkaufsrecht/ Ankaufsrechte Irene

Thiele-Mühlhan

2.5.1 Arten des dinglichen Vorkaufsrechts

101

2.5.2 Entstehung und Wirkung

101

2.5.3 Ankaufsrechte (Option, Vorvertrag)

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2 Grundstücksverkehr

2.5

101

Das Vorkaufsrecht/ Ankaufsrechte Irene Thiele-Mühlhan

2.5.1

Arten des dinglichen Vorkaufsrechts

Das Vorkaufsrecht ermöglicht es dem Berechtigten, das belastete Grundstück von dem Vorkaufsrechtsverpflichteten zu denselben Bedingungen zu kaufen, zu denen der nach dem Vorkaufsrecht Verpflichtete es an einen Dritten verkauft hat (§ 1094 BGB). Das dingliche Vorkaufsrecht kann an Grundstücken und an Miteigentumsanteilen (§ 1095 BGB), auch an Wohnungs- und Teileigentum (OLG Celle NJW1955,953) und an Erbbaurechten (§11 ErbbauVO) bestehen. Bestellt werden kann das dingliche Vorkaufsrecht für einen, für mehrere oder für alle Verkaufsfälle (§ 1097 BGB). Berechtigter des Vorkaufsrechts kann eine natürliche oder eine juristische Person sein (subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht, § 1094 Abs. 1 BGB). Die Bestellung ist aber auch zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks zulässig (subjektivdingliches Vorkaufsrecht, § 1094 Abs. 2 BGB); zu empfehlen ist in diesen Fällen regelmäßig die Aufnahme einer zeitlichen Beschränkung oder einer auflösenden Bedingung. Wird das Vorkaufsrecht für mehrere oder alle Verkaufsfälle bestellt, richtet es sich auch gegen den Eigentümer im Zeitpunkt eines späteren Verkaufsfalls. Ferner sind die Erben des Verpflichteten, die bei seinem Tode in dessen Stellung eintreten (§ 1922 BGB), in gleicher Weise durch das Vorkaufsrecht verpflichtet. Eine Bedingung oder Befristung für das Recht zur Ausübimg des Vorkaufsrechts kann z. B. darin bestehen, dass die Ausübung nur bei Verkauf durch den Besteller des Vorkaufsrechts (also nicht durch dessen Erben) zulässig ist, dass das Vorkaufsrecht nur einheitlich für alle verkauften Grundstücke ausgeübt werden kann, oder dass es nach Ablauf einer bestimmten Frist oder aufgrund einer auflösenden Bedingung, ζ. B. einer Wiederverheiratung des Berechtigten, erlischt. 2.5.2

Entstehung und Wirkung

Für die Bestellung des Vorkaufsrechts gilt § 873 BGB. Danach ist die Einigung über die Bestellung, deren Nachweis in der Form des § 29 GBO und die Eintragung in das Grundbuch erforderlich. Die Verpflichtung zur Bestellung eines Vorkaufsrechts wird als formbedürftig angesehen, weil das Vorkaufsrecht eine bedingte Verpflichtung zur Übertragung zum Gegenstand hat. Das subjektiv-persönliche Vorkaufsrecht (zugunsten eines Berechtigten) ist nicht übertragbar oder vererblich (§§ 514 Abs. 1,1098 BGB), sofern nichts Abweichendes vereinbart

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2 Grundstücksverkehr

ist, das subjektiv-dingliche Vorkaufsrecht (zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks) gilt als Bestandteil des herrschenden Grundstücks (§ 96 BGB) und geht mit diesem über. Die Verpflichtung zur Bestellung eines Vorkaufsrechts kann auch durch eine Verfügung von Todes wegen begründet werden (Testament oder Erbvertrag). Danach wird der Erbe regelmäßig verpflichtet, dem Vermächtnisnehmer das vermachte Vorkaufsrecht zu bestellen, d. h., mit ihm die dingliche Einigung über die Begründung des Rechts zu vollziehen und die Eintragung im Grundbuch in grundbuchmäßiger Form (§ 29 GBO) zu bewilligen. Die Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des Grundstücks und dem Vorkaufsberechtigten. Der Vorkaufsberechtigte erhält die Befugnis zum Vorkauf (§ 1094 BGB), er kann also bei einem Verkauf des belasteten Grundstücks durch den Eigentümer an einen Dritten verlangen, dass das Grundstück ihm aufgelassen und zu den gleichen Zahlungsbedingungen übertragen wird, wie sie der Eigentümer mit der Kaufvertragspartei vereinbart hat. Wird das Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung veräußert, ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen; ist das Vorkaufsrecht nur für einen Verkaufsfall bestellt, erlischt es (eine Ausnahme gilt bei der Teilungsversteigerung, § 180 ZVG). Das Vorkaufsrecht bleibt im Falle der Zwangsversteigerung jedoch bestehen, wenn es für mehrere Verkaufsfälle bestellt ist und wenn es dem betreibenden Gläubiger vorgeht, andernfalls erlischt es (§§ 52 Abs. 1 Satz 2,92 ZVG). Dritten gegenüber hat das dingliche Vorkaufsrecht die Wirkung einer Vormerkung (§ 1098 BGB). Das eingetragene Vorkaufsrecht hindert nicht die Auflassung des Grundstücks durch den Veräußerer an den Erwerber des vom Veräußerer abgeschlossenen Kaufvertrages und dessen Eintragung als Eigentümer im Grundbuch. Dieser Erwerb ist aber gegenüber dem Vorkaufsberechtigten unwirksam, weil die Vormerkimg zur relativen Unwirksamkeit der vormerkungswidrigen Verfügung führt (§ 883 Abs. 2 BGB). Trotz der Umschreibung auf den Erwerber bleibt der Veräußerer verpflichtet, die Auflassung an den Vorkaufsberechtigten, der sein Recht ausgeübt hat, zu erklären. Letzterer hat gegen den eingetragenen Erwerber einen Anspruch auf Zustimmimg zur Auflassung und Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch (BayObLG RPfleger 1982,337). 2.5.3

Ankaufsrechte (Option, Vorvertrag)

Das Recht i. S. einer „Option", ein Grundstück zu erwerben oder zu verkaufen, ist im Gesetz nicht definiert. Daher existiert auch kein einheitlicher Sprachgebrauch, unterschiedliche Fallgestaltungen sind möglich.

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Sind sich Veräußerer und Kaufinteressent noch nicht über den endgültigen Ankauf einig, sind insbesondere noch rechtliche oder tatsächliche Vorfragen zu klären, wird dem Kaufinteressenten das Grundstück nicht selten für einen bestimmten Zeitraum „an Hand gegeben". Inhalt einer derartigen „Anhandgabe" ist ζ. B. die Verpflichtung des Veräußerers für diesen Zeitraum, das Grundstück nicht einem Dritten anzubieten oder mit einem Dritten über den Verkauf zu verhandeln. Solange sich der Veräußerer damit nicht schon zur Übertragung des Grundstücks verpflichtet, sind diese Erklärungen nicht beurkundungsbedürftig, geben dem Kaufinteressenten aber auch keinen Anspruch auf den Erwerb des Grundstücks. Soll für den Kaufinteressenten bereits ein Recht auf Erwerb des Grundstücks begründet werden, will er selbst sich aber noch nicht binden, kommt ein Verkaufsangebot des Veräußerers an den Kaufinteressenten in Betracht, das wegen der Bindung des Veräußerers zur Übertragung des Grundstücks der Beurkundung bedarf. Für die Annahme des Angebots, die dann ebenfalls der Beurkundung bedarf, wird regelmäßig eine bestimmte Frist gesetzt (siehe oben 2.2.1). Umgekehrt kann der Kaufintéressent sich bereits binden wollen, aber der Veräußerer hat sich noch nicht entschieden, ob er und, wenn ja, zu welchen Bedingungen er an diesen Kaufinteressenten verkaufen will. Für diesen Fall kann der Kaufinteressent dem Veräußerer das Angebot zum Erwerb des Grundstücks unterbreiten, bindet sich also bereits für den Fall, dass der Veräußerer sein Angebot annimmt. Für die Beurkundungspflicht gilt das zum Verkaufsangebot Gesagte entsprechend. Schließlich gibt es als solche bezeichnete Ankaufsrechte regelmäßig im Zusammenhang mit Leasingverträgen. Der Leasinggeber räumt dem Leasingnehmer nach Ablauf der Leasingzeit ein Ankaufsrecht für den Leasinggegenstand ein, verpflichtet sich also bereits für den Fall, dass der Leasingnehmer sein Ankaufsrecht - einseitig - ausübt, zur Übertragung des Leasinggegenstandes. Rechtlich liegt also ein Angebot des Leasinggebers zur Übertragung vor, und das oben Gesagte gilt entsprechend. Stehen dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages als Hauptvertrag noch rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegen, wollen sich die Beteiligten aber für den Fall, dass diese beseitigt werden können, bereits binden, sich also zum späteren Abschluss des Hauptvertrages verpflichten, kommt ein Vorvertrag zustande. Wegen der Bindungswirkung ist auch ein solcher Vorvertrag beurkundungsbedürftig (BGHZ 61, 48; BGH NJW1989,166 f.).

2 Grundstücksverkehr

105

2.6 Das Wohnungseigentum Joachim Schmidt 2.6.1 Einleitung

107

2.6.2 Allgemeine Grundsätze, Begriffsbestimmung

110

2.6.3 Die Begründung des Wohnungseigentums

112

2.6.4 Das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer

114

2.6.4.1 Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft

114

2.6.4.2 Die werdende oder faktische Wohnungseigentümergemeinschaft

114

2.6.4.3 Vereinbarungen, Gemeinschaftsordnung

115

2.6.4.4 Beschlüsse

119

2.6.4.5 „Zitterbeschlüsse"

120

2.6.4.6 Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer

121

2.6.4.7 Sondernutzungsrechte

122

2.6.4.8 Kostenbeiträge der Wohnungseigentümer, Erwerberhaftung

123

2.6.5 Die Jahresabrechnung

129

2.6.6 Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums

126

2.6.6.1 System der Selbstverwaltung

126

2.6.6.2 Grundlagen und Inhalt der Verwaltungsmaßnahmen

128

2.6.6.3 Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums

129

2.6.6.4 Geltendmachung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum

134

2.6.6.5 Bauliche Veränderungen/ modernisierende Instandsetzung

136

2.6.6.6 Die Wohnungseigentümerversammlung

134

2.6.7 Dauerwohnrech^/Dauernutzungsrecht

139

2.6.8 Die Veräußerung des Wohnungseigentums

136

2.6.9 Das Verfahren in Wohnungseigentumssachen

138

Literaturverzeichnis zu Kap. 2.6

141

2 Grundstücksverkehr

107

2.6 Das Wohnungseigentum Joachim Schmidt 2.6.1

Einleitung

Das bürgerliche Gesetzbuch (BGB) lässt echtes Eigentum an realen Teilen eines Gebäudes nicht zu. Gem. §§ 93,94 BGB sind einzelne Gebäudeteile nicht sonderrechtsfähig. Das bedeutet, dass sie nicht losgelöst vom übrigen Gebäude Gegenstand von Sondereigentum sein können. Es gibt weder eine funktionelle Teilung des Eigentumsrechts noch eine Teilung der konkreten Sache (Rapp in: Bub (u. a.), WEG Einl. 83). Das früher in Deutschland verbreitete echte Stockwerkseigentum erwies sich als nicht praktikabel, weil es zwar Miteigentum an einem Grundstück und Alleineigentum an Räumen ermöglichte, die Räume aber nicht in sich abgeschlossene Wohnungen zu sein brauchten. Nach Inkrafttreten des BGB entfiel die Möglichkeit, Stockwerkseigentum neu zu begründen. Zur Verhinderung der Wohnungsnot musste nach dem 2. Weltkrieg in erheblichem Umfange Wohnraum neu geschaffen werden. Dies wurde möglich durch das Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht vom 15.03.1951 (BGBl I 1951, 175). Nach dem Wohnungseigentumsgesetz kann Eigentum auch an Wohnungen (Wohnungseigentum) oder ein nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes (Teileigentum) begründet werden (§ 1 Abs. 1 WEG). Seit 1951 hat es strukturelle Eingriffe des Gesetzgebers auch im Hinblick auf verschiedene Änderungen des WEG nicht gegeben. Die mit dem Erwerb von Wohnungseigentum erreichbaren Ziele der Eigennutzung, der Kapitalanlage und des Erwerbs zum Zwecke der Altersversorgung werden von einer immer größeren Anzahl von Erwerbern verfolgt. Das Wohnungseigentum erfreut sich steigender Beliebtheit. Mehr als 77 % der Bundesbürger halten Wohnungseigentum für die sicherste Altersvorsorge (LBS Research 2004). Nach einer Zusatzerhebung des Statistischen Bundesamtes zum Mikrozensus 2002 waren im April 2002 1,5 Mio. oder 42,3 % der Wohnungen von ihren Eigentümern bewohnt (Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 03.03.2005). Aktuell kaufen Gesellschaften insbesondere aus dem angelsächsischen Bereich (Fortress, Lonestar), in großem Umfange Wohnbestände auf, um sie - aufgeteilt oder nicht aufgeteilt - nach allgemeinen Erfahrungen nach etwa 5-7 Jahren erneut dem Markt zuzuführen. Mit seiner Eigentumsquote steht Deutschland aber mit der Schweiz als Schlusslicht in Europa da. Deutschland ist nach wie vor ein Land der Wohnungsmieter. Zum Vergleich: In Belgien beträgt die Eigentumsquote 73 %, in Italien 71 % und in Großbritannien 70 %.

108

2 Grundstücksverkehr

Man geht davon aus, dass heute in Deutschland über 3 Mio. Eigentumswohnungen existieren. Dabei gibt es in Deutschland rund 17,3 Mio. Wohngebäude mit insgesamt 38,4 Mio. Wohnungen (ifo-Gutachten Juli 2005, Kap. 2, S. 43). Andere Zahlen gehen davon aus, dass bundesweit etwa 165000 Wohnungseigentümergemeinschaften existieren (Drasdo, NZM 1999, 681, 682). Gerade in den neuen Ländern verfügen die Kommunen nicht über die erforderlichen Mittel, die vorhandenen Wohntingen in ausreichendem Maße zu sanieren und zu renovieren, weshalb dort die bestehenden Gebäude in Wohnungseigentum aufgeteilt und privatisiert und insbesondere an die Mieter verkauft werden. Jeder Vierte bis jeder Dritte in der Bundesrepublik würde sich für eine Eigentumswohnung entscheiden (Pick in Bärmann/Pick/Merle, Wohnungseigentumsgesetz, Einl. Rn. 2). Die Eigentumsquote betrug im Jahre 2003 47,7 % (ifo-Gutachten Juli 2005, S. 186). Mit der Entwicklung des Wohnungseigentums geht aber auch ein steiler Anstieg bei den Wohnungseigentümergemeinschaften einher, in denen diese Gemeinschaften in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Durch Wohngeldausfall steigen nicht nur die Defizite bei der Werterhaltung, vielmehr müssen insbesondere die übrigen Wohnungseigentümer für die Ausfälle einstehen. Die Fälle von Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung steigen rapide an, und immer häufiger gehen Eigentümergemeinschaften dazu über, die betreffende Wohnung - soweit technisch möglich - von den Versorgungsleistungen der Gemeinschaft auszuschließen. Das wird heute überwiegend für rechtlich zulässig gehalten (BayObLG, NZM 2004, 556; KG, NZM 2002, 221, BayObLG, NJW-RR 1992, 787; OLG Hamm, WE 1994, 84). Vermehrt werden das Krisenmanagement des Immobilienverwalters (12. Deutscher Verwaltertag 2004, hierzu DIV 2004,320) und die verstärkte Befassung mit der Möglichkeit der Eigentumsentziehung zu Lasten säumiger Wohnungseigentümer diskutiert (OLG Hamm, NZM 2004,621). Ein Gesetzesentwurf zur Änderung des WEG liegt seit Oktober 2004 vor (NZM 2004, 924) und war und ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Der wesentliche Inhalt des Entwurfs birgt z. T. erhebliche Erleichterungen, z. T. aber auch nicht unproblematische Neuregelungen, die - werden sie Gesetz - ein erhebliches Umdenken zur Folge haben werden: Der vereinfachten Handhabung dient (die nachfolgend zitierten Paragrafen beziehen sich auf die Vorschriften des Reformentwurfs) § 5 Abs. 4 WEG, wonach eine Zustimmung der Banken bzw. anderer dinglicher Berechtigter nur noch erforderlich ist, wenn Gegenstand der Zustimmung ein Sondernutzungsrecht oder eine Auflassungsvormerkung ist. Der Herabsenkung der Eingriffschwelle wie in § 10 Abs. 1 WEG, wonach ein einzelner Eigentümer eine Änderung der Gemeinschaftsordnung verlangen kann, soweit für ihn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rech-

2 Grundstücksverkehr

109

te und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, nicht hinnehmbar ist, wird von der Reform als sinnvoll angesehen. Da sich die Zustimmungspflicht bei Veräußerungen in vielen Gemeinschaften als nicht sinnvoll erachtetes Hemmnis herausgestellt hat, können Wohnungseigentümergemeinschaften jetzt gem. § 12 Abs. 4 Satz 1 mit Stimmenmehrheit die Aufhebung einer bestehenden Veräußerungsbeschränkung beschließen. Wesentlich war dem Reformgesetzgeber eine Änderung der Kostenverteilung. § 16 Abs. 2 Satz 2 enthält jetzt eine Kompetenz für Mehrheitsentscheidungen zur Erfassimg und Abrechnimg von Betriebskosten. Die Kompetenz ist dadurch begrenzt, dass die beschlossenen Maßnahmen in Übereinstimmung mit den geltenden Rechten ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen müssen. Gem. § 16 Abs. 2 Satz 3 erfasst jetzt die Normierung Mehrheitsbeschlüsse zur Instandhaltung und Instandsetzung und auch Mehrheitsbeschlüsse zu baulichen Veränderungen und Aufwendungen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Maßnahmen baulicher Veränderungen oder um Maßnahmen zur Modernisierung handelt. Neu gefasst ist auch die Regelung des § 22 (bauliche Veränderungen), wonach mit einer Dreiviertelmehrheit alle stimmberechtigten Wohnungseigentümer Modernisierungsmaßnahmen und auch Maßnahmen beschlossen werden können, die eine Anpassung an den Stand der Technik beinhalten. Die Regelung bestimmt auch die Grenzen der Zumutbarkeit für den einzelnen Eigentümer und damit den notwendigen Schutz der Minderheit vor aktuellen finanziellen Überforderungen. Die reguläre Mindestfrist für die Einberufung der Versammlung der Wohnungseigentümer soll auf 2 Wochen verlängert werden. Eine drastische Änderung ist die zukünftige Verpflichtung des Verwalters, eine Beschlusssammlung zu führen (§ 7 Abs. 1 Nr. 6). Dem Verwalter kommt dabei eine erhöhte Verantwortung für die Entscheidung zu, welche Beschlüsse dort aufgenommen werden müssen, denn es soll sich nur um solche Beschlüsse handeln, die „gegenüber den Wohnungseigentümern wirksam sind". Gesetzlich geregelt soll jetzt auch ein Vorrecht für Hausgelder in der Zwangsversteigerung werden, jedoch maximal in Höhe von 5 % des festgesetzten Verkehrswerts. Und schließlich ist wichtig, dass für Wohnungseigentumssachen zukünftig die ZPO-Regelungen gelten sollen. Das gilt für den Streitwert und das gilt insbesondere auch für die Kostenentscheidung. Zukünftig soll derjenige die Kosten tragen, der im Verfahren unterlegen ist. Schließlich sollen in 2. Instanz zukünftig die Oberlandesgerichte zuständig sein und in 3. Instanz der Bundesgerichtshof.

110

2

Grundstücksverkehr

2.6.2

Allgemeine Grundsätze, Begriffsbestimmung

Nach dem Wohnungseigentumsgesetz kann Eigentum in Durchbrechung des Grundsatzes, dass Gebäude und Grundstück rechtlich eine Einheit bilden, auch an Wohnungen oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes begründet werden. § 1 Abs. 2 definiert das Wohnungseigentum: Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. Soweit das Sondereigentum nicht zu Wohnzwecken dient, ist es Teileigentum in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 3 WEG). Das Sondereigentum ist echtes Alleineigentum und ist mit dem Miteigentumsanteil untrennbar verbunden. Beide können nur gemeinsam veräußert oder belastet werden (§ 6 WEG). Nicht definiert wird im Gesetz das sog. Sondernutzungsrecht. Das Sondernutzungsrecht ist eine Gebrauchsregelung für den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums. Über das Gemeinschaftseigentum können die Eigentümer Vereinbarungen hinsichtlich seines Gebrauchs treffen (§ 15 WEG). Die Einräumung eines Sondernutzungsrechts bedeutet, dass einem Wohnungseigentümer der Gebrauch eines Teils des gemeinschaftlichen Eigentums unter Ausschluss aller anderen Eigentümer zustehen soll. Ein solches Sondernutzungsrecht kann nur durch Vereinbarung begründet oder verändert werden (BGH, NZM 2000,1184; Deckert, NZM 2002,414,415). Negativ grenzt § 5 Abs. 2 WEG ab, dass Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, nicht Gegenstand des Sondereigentums sind, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden. So sind konstruktive Teile wie die Fundament- und Brandmauern oder etwa die tragenden Innenwände, das Dach und die Schornsteine, die Isolierschichten und Schichten zur Wärmedämmung unter einer Dachterrasse zwingend Gemeinschaftseigentum (BayObLG, WM 1994, 152). Das gleiche gilt für die Balkonbrüstungen (BayObLG, NZM 1999, 27). Soweit Teile des Gebäudes durch Veränderung, Beseitigung oder auch Einfügen einer Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes erfahren, wie etwa durch einen Außenanstrich oder Außenverkleidungen, so sind auch diese nicht sondereigentumsfähig (Schulze in Niedenführ/Schulze, WEG, § 5 Rz. 16). Viele Abgrenzungen sind hier streitig und Gegenstand zahlreicher wohnungseigentumsrechtlicher Verfahren, weil Wohnungs- und Teileigentümer immer wieder unterschiedlicher Auffassimg über die Zugehörigkeit zum Sondereigentum oder zum Gemeinschafts-

2 Grundstücksverkehr

111

eigentum haben, und insbesondere auch deshalb, weil immer wieder in Teilungserklärungen kraft Vereinbarung Gebäudeteile als zum Sondereigentum zugehörig bezeichnet werden, obwohl sie zwingend Gemeinschaftseigentum sind. Denn Eigentümer haben es nicht in der Hand, zwingend zum Gemeinschaftseigentum zählende Teile zum Sondereigentum „zu machen". Das ist unzulässig, und es gilt insbesondere das RegelAusnahme-Prinzip zu beachten: Es besteht zunächst immer eine Vermutung für das Gemeinschaftseigentum, denn Gemeinschaftseigentum ist das Gesamteigentum am Grundstück und am Gebäude abzüglich derjenigen Gegenstände, die im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen (Rapp in: Bub (u. a.) WEG, § 1 Rz. 43). Insoweit dienen Aufzählungen in Teilungserklärungen allenfalls der Orientierung in Fällen schwieriger Abgrenzimg, stellen aber selbst nur in den Fällen eine verbindliche Regelung dar, in denen sondereigentumsfähige Gebäudeteile als Gemeinschaftseigentum vereinbart werden. Nach § 3 Abs. 2 soll Sondereigentum nur eingeräumt werden, wenn die Wohnungen oder sonstigen Räume in sich abgeschlossen sind. Was eine abgeschlossene Wohnung ist, ist in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen über die Abgeschlossenheit vom 19.03.1974 (BAnz. Nr. 58 v. 23.03.1974) im Anschluss an DIN - Blatt 283 geregelt. Abgeschlossene Wohnungen sind danach solche Wohnungen, die durch Wände und Decken unter Einhaltung der baupolizeilichen Anforderungen einen eigenen abschließbaren Zugang unmittelbar vom Freien, von einem Treppenhaus oder einem Vorraum haben, und die zumindest Wasserversorgung, Toilette, Bad oder Dusche und Küche oder Kochgelegenheit haben (Weitnauer/Briesemeister, § 3, Rn. 51). Sonderregelungen bezüglich der Abgeschlossenheit gelten gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 WEG. Garagenstellplätze gelten als abgeschlossene Räume, wenn ihre Flächen durch dauerhafte Markierungen ersichtlich sind. Solche Garagenstellplätze können auch als Sondereigentum verbunden mit einem Miteigentumsanteil Teileigentum bilden. Anderes gilt für außerhalb eines Gebäudes liegende Abstellplätze, weil es hier an dem Erfordernis des Raumes fehlt (BayObLG NJW-RR1995,783). Wer einen Garagenstellplatz als Teileigentum verbunden mit einem Miteigentumsanteil erwirbt, hat grundsätzlich dieselbe Rechtsteilling wie ein Wohnungseigentümer. Er hat an den Nutzen und Lasten des Gemeinschaftseigentums Teil, wenn nicht in Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung etwas anderes geregelt ist. In dieser Teilungserklärung/ Gemeinschaftsordnung und/ oder im Aufteilungsplan erfolgt die Abgrenzung zwischen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum.

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2 Grundstücksverkehr

Bei der Schaffung der Eintragungsvoraussetzungen ist besonders darauf zu achten, dass die beigefügten Pläne den Anforderungen an eine Baubestandszeichnung im Sinne der Abgeschlossenheit von § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG entsprechen. Auch für selbstständige Garagen müssen Grundriss, Schnitte und Ansichten planmäßig erfasst werden (OLG Düsseldorf, NZM 2000,666). 2.6.3

Die Begründung des Wohnungseigentums

Das WEG bietet zwei unterschiedliche Möglichkeiten der Begründung von Wohnungseigentum. Es können entweder Miteigentümer eines Grundstücks jedem von ihnen gem. § 3 das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung vertraglich einräumen. Hierzu müssen die künftigen Wohnungseigentümer als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen sein. Für den Verpflichtungsvertrag zur Einräumung des Sondereigentums gilt § 313 BGB entsprechend (§ 4 Abs. 3 WEG). Das heißt, dass das Verpflichtungsgeschäft der notariellen Beurkundung bedarf. Die Beteiligten müssen sich über den Eintritt der Rechtsänderung einig sein. Die Rechtsänderung erfolgt durch Eintragung in das Grundbuch. Auch diese dingliche Einigung ist notariell zu beurkunden. Bei der Bildung der Größe der Miteigentumsanteile sind die Miteigentümer frei. Sie werden aber grundsätzlich darauf achten, dass sich die Verpflichtimg zur Tragimg von Kosten und Lasten nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile bestimmt und hiermit den Erfordernissen des § 16 Abs. 1, 2 Rechnung getragen wird. Ein üblicher Maßstab ist das Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen der einzelnen Einheiten zueinander. Abweichungen können sich durch die besondere Lage innerhalb der Wohnungseigentumsanlage rechtfertigen. Zur Vermeidung von rechtlichen Fehlern ist äußerste Sorgfalt geboten. Solche Fehler können nämlich bei Nichtwahrung der Form die Nichtigkeit und damit die Nichtentstehung von Wohnungseigentum zur Folge haben. Auch können in unzulässiger Weise isolierte und damit freie Miteigentumsanteile entstehen (solche Fehler sind nur durch Vereinigung oder Zuschreibung zu beseitigen). Es kann aber auch zu technischen Mängeln kommen, etwa weil Abweichungen zwischen dem Aufteilungsplan und der tatsächlichen Bauausführung oder auch Abweichungen zwischen Teillingserklärung und Aufteilungsplan vorliegen. Hier ist nicht immer leicht zu klären, was Vorrang haben soll (Rapp in: Bub (u. a.) WEG, § 3 Rz. 83; OLG Hamm, NZM 2000, 659 für den Fall fehlender Abgrenzimg von einzelnen Sondernutzungsflächen). Die andere Möglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum ist die Vorratsteilung durch den Alleineigentümer des Grundstücks. Er gibt gegenüber dem Grundbuch die

2 Grundstücksverkehr

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Erklärung ab, dass das Eigentum in Miteigentumsanteile dergestalt geteilt werden, dass mit jedem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen in einem entweder auf dem Grundstück bereits errichteten oder noch zu errichteten Gebäude verbunden ist (§ 8 WEG). Der Vorteil dieser Handhabung liegt darin, dass der Grundstückseigentümer bereits vor Baubeginn oder auch während des Baus die in seiner Hand vereinigten Miteigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum an Dritte einzeln veräußern kann und nicht mit der Aufteilung warten muss, bis er Interessenten gefunden hat (Schulze in Niedenführ/Schulze, WEG, § 8 Rz. 1). Bei der Teilung nach § 8 sind Miteigentumsanteile nach Bruchteilen zu bilden und mit dem Sondereigentum zu verbinden. Auch hier gibt es keine Vorschriften über die Größe der Miteigentumsanteile. Solange der teilende Eigentümer Eigentümer aller Einheiten ist, kann er die Teilungserklärung jederzeit ändern. Dieses Recht endet in dem Moment, in welchem zu Gunsten eines Erwerbers eine Eigentumstibertragungsvormerkung eingetragen ist. Dann muss dieser der Änderung der Teilungserklärung ausdrücklich zustimmen. Oft sind dabei in Bauträgerverträgen unzulässig weitreichende Vollmachten zu Gunsten des Bauträgers erteilt. Dieser darf nämlich in keinem Falle das Recht behalten, für den Erwerber nicht zumutbare Änderungen seiner vertraglichen Leistung einseitig bestimmen zu können. Ihm dürfen durch die Änderung keine zusätzlichen Verpflichtungen entstehen, sein Sondereigentum und seine Sondernutzungsrechte müssen unangetastet bleiben und die Benutzung des Gemeinschaftseigentums darf nicht unzumutbar eingeschränkt werden. Sobald das letzte Wohnungsgrundbuch angelegt ist, tritt die Wirkung der Teilung ein (§ 8 Abs. 2 Satz 2 WEG). Die Miteigentumsanteile können nunmehr (auch einzeln) veräußert und/ oder belastet werden. Der teilende Eigentümer ist berechtigt, in einer Gemeinschaftsordnung all das zu regeln, was sonst Gegenstand einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer sein kann (Pick in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, § 8 Rn. 29). Diese Bestimmungen werden dann Teil der Eintragung im Wohnungs-/ Teileigentums-Grundbuch. Treten jetzt durch Erwerb und Eintragung im Grundbuch Wohnungseigentümer hinzu, so wirken diese Bestimmungen wie eine Vereinbarung. Ein wesentlicher Unterschied zur Teilung nach § 3 WEG stellt bei der Vorratsteilung nach § 8 WEG der Umstand dar, dass bei der Vorratsteilung keine notarielle Beurkun-

114

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dung vorgeschrieben ist. Es reicht ein Antrag im Sinne der §§ 13,30 der Grundbuchordnung (GBO) aus. Lediglich müssen die Unterschriften beglaubigt werden (§ 29 GBO). Tatsächlich wird aber üblicherweise von der Möglichkeit der Beurkundung auch in diesen Fällen Gebrauch gemacht, damit bei der Beurkundung der Erwerberverträge auch andere Urkunden (Teilungserklärung mit Plänen und Baubeschreibung) gem. § 13a Beurkundungsgesetz verwiesen werden kann, diese Urkunden also nicht mitbeurkundet werden müssen. 2.6.4 2.6.4.1

Das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft

Mit der Veräußerung eines Miteigentumsanteils und der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch entsteht rechtlich die Wohnungseigentümergemeinschaft (aus dann zunächst zwei Eigentümern). Die ursprünglich vom Alleineigentümer aufgestellte Gemeinschaftsordnung regelt jetzt das Verhältnis der Eigentümer untereinander. Der Alleineigentümer verliert das Recht, einseitig das Sondereigentum zu verändern und auch das Recht, solche Veränderungen an der Gemeinschaftsordnimg vorzunehmen (Schulze in: Niedenführ/Schulze, WEG, § 8 Rz. 15). Will etwa der Mehrheitseigentümer den Kostenverteilungsschlüssel ändern oder etwa Änderungen am Gemeinschaftseigentum vornehmen, so bedarf er hierzu der Zustimmung des bzw. der hinzugetretenen und im Grundbuch eingetragenen Eigentümer. Die rechtliche Invollzugsetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Eintragung des teilenden Grundstückseigentümers um mindestens einen weiteren Erwerber im Grundbuch hat keinen Einfluss auf die Rechte eines dritten Erwerbers, der bereits vor Umschreibimg des Eigentums auf den zweiten Erwerber einen durch Vormerkung gesicherten Übereignungsanspruch hatte, und auf den bereits Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahren übergegangen war. Dieser Erwerber bleibt Mitglied der werdenden Eigentümergemeinschaft, die sogleich behandelt wird. 2.6.4.2

Die werdende oder faktische Wohnungseigentümergemeinschaft

Von einer werdenden oder faktischen Wohnungseigentümergemeinschaft spricht man, wenn nach Aufteilung mindestens ein Erwerber (mit einem gültigen Erwerbsvertrag) eine Auflassungsvormerkung besitzt und der Besitz an der Wohnung auf ihn übergangen ist (Weitnauer/Lüke, nach § 10, Rn. 3).

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Auf die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft sind die Vorschriften des WEG entsprechend anzuwenden (OLG Frankfurt ZMR 1993, 125). Das gilt aber nur für den Ersterwerber vom Bauträger, nicht für den (Zweit-)Erwerber, der bereits von einem eingetragenen Ersterwerber erwirbt. Im Falle der faktischen Wohnungseigentümergemeinschaft setzt sich die Gemeinschaft in dieser Phase aus Volleigentümern und werdenden Eigentümern zusammen. Das ist wichtig für die Frage, ob der werdende Eigentümer bereits ein Stimmrecht hat und schon vor seiner Eintragung im Grundbuch zu Wohnungseigentümerversammlungen eingeladen werden muss. Das ist zu bejahen (Merle in: Bärmann/ Pick/ Merle, WEG, § 25 Rn. 9a). § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG ist entsprechend anzuwenden, wonach jeder Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung eine Stimme hat. Es hat also auch der werdende Eigentümer diese Stimme (BayObLG, Wohnungseigentum (WE) 1998,157; Bub in: Bub (u. a.) WEG, § 25 Rz. 115). Hat der Bauträger an sämtlichen errichteten Wohnungen Anwartschaften bestellt und den Besitz auf Erwerber übertragen, so steht ihm kein eigenes Stimmrecht mehr zu. 2.6.4.3

Vereinbarungen, Gemeinschaftsordnung

Die Wohnungseigentümergemeinschaft

ist eine Miteigentümergemeinschaft

nach

Bruchteilen (Weitnauer/Lüke, § 10, Rn. 10; BGH, NZM 2005, 543), geht aber über diese hinaus, weil sie als individueller Verband der juristischen Person näher steht. Bis zum Beschluss des BGH vom 02.06.2005 (NZM 2005, 543) galt: Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht rechts- und auch nicht parteifähig. Sie kann weder klagen noch verklagt werden. Es klagen die Wohnungseigentümer, welche die Wohnungseigentümergemeinschaft bilden. Ebenso werden Wohnungseigentümer verklagt, welche die Wohnungseigentümergemeinschaft bilden. Diese Rechtslage gilt nicht mehr. Denn nunmehr hat der BGH die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft anerkannt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist rechtsfähig, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt. Wie ein rechtsfähiger Verband hat die Wohnungseigentümergemeinschaft eine eigene Satzung, die Gemeinschaftsordnung. Wie ein Verband ist sie befugt, in zahlreichen Angelegenheiten der laufenden Verwaltung durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden. Sie hat eigene Organe, nämlich die Eigentümerversammlung, den Verwalter und den Verwaltungsbeirat.

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Das hat weitreichende Konsequenzen: Beitragsforderungen können von der Gemeinschaft als Gläubiger durch Eintragung einer Zwangshypothek im Grundbuch gesichert werden, und es genügt jetzt der Verweis auf eine dem Titel beigefügte Eigentümerliste; es müssen nicht mehr alle Gläubiger unter Angabe von Namen, Vornamen, Wohnort und Beruf eingetragen werden. Neben der Gemeinschaft haftet der einzelne Eigentümer Gläubigern gegenüber nicht mehr persönlich gesamtschuldnerisch. Vielmehr bedarf die Haftung neben dem Verband entweder der Übernahme einer persönlichen Schuld oder einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers, welcher aber im WEG fehlt (BGH, NZM 2005,543,548). Es sind drei Säulen, die das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bestimmen: Das sind zunächst die gesetzlichen Regelungen des WEG, sodann Vereinbarungen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 10 Abs. 2 WEG und schließlich Beschlüsse im Sinne von § 10 Abs. 3 WEG. In den Grenzen der §§ 134,138 und 242 BGB, also in den Grenzen gesetzlicher Verbote, sittenwidriger Vereinbarungen und von Treue und Glauben herrscht der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Das bedeutet, dass die Eigentümer ihr Zusammenleben durch Vereinbarungen und Beschlüsse regeln können. Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung unterliegen nicht der Kontrolle nach dem Gesetz über allgemeine Geschäftsbedingungen, weil Aufteilungen nach § 8 nicht die Merkmale eines Vertrages erfüllen (Kreuzer in: Bub (u. a.) WEG, § 10 Rz. 74). In

diesen

Grenzen

haben

die

Eigentümer

das

Recht,

durch

Vereinbarung

weitestgehend das Verhältnis untereinander zu regeln. Solche Regelungen betreffen etwa bauliche Maßnahmen, die Nutzung des Gemeinschaftseigentums, die Haftung eines Erwerbers für Rückstände des Veräußerers (str.), die Erstellung einer Hausordnung, die Verteilung der Kosten und Lasten in Abänderung von § 16 WEG, Gebrauchsregelungen, etwa hinsichtlich der Nutzung von Wohnungen zu freiberuflichen Zwecken, Stimmrechtsregelungen, Tierhaltung, Regelung über die Jahresabrechnung, Regelung betreffend den Verwalter (Einzelbeispiele bei Schulze in: Niedenführ/Schulze, WEG, § 10 Rz. 25c; Kreuzer in: Bub (u. a.) WEG, § 10 Rz. 99 ff; Pick in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, § 10 Rn. 44). Gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG können die Wohnungseigentümer von den Vorschriften des WEG abweichen und Vereinbarungen treffen, soweit nicht etwa anderes ausdrücklich bestimmt ist. § 10 Abs. 2 regelt aber, dass Vereinbarungen, durch die die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander regeln - das gleiche gilt auch für Abänderungen oder Aufhebungen solcher Vereinbarungen - gegen ein Sondernachfolger eines

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Wohnungseigentümers nur gelten, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Bereits aus dieser gesetzlichen Regelung ist erkennbar, dass Vereinbarungen die Grundordnung der Wohnungseigentümer bilden und eine dem Vereinsrecht ähnelnde Satzung darstellen (Schulze in: Niedenführ/Schulze, WEG, § 10 Rz. 15). Obwohl eine eingetragene Vereinbarung kein dingliches Recht ist, entfaltet die Eintragung im Grundbuch doch Wirkung. Ganz gleich, ob ein Erwerber Wohnungseigentum durch Rechtsgeschäft oder durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erhält: Er tritt in die aus der Vereinbarung sich ergebenden Rechte und Pflichten ein. Unabhängig hiervon kann jede Vereinbarung formlos getroffen werden. Soll sie aber zum Inhalt des Sondereigentums durch Eintragung im Grundbuch gemacht werden, ist die Eintragungsbewilligung sämtlicher Wohnungseigentümer erforderlich (Müller, NJWSchriften 43, Rdn. 321). Regelungen in einer Gemeinschaftsordnung, wonach die Gemeinschaftsordnung selbst mit - ggf. qualifizierter - Mehrheit der Wohnungseigentümer abgeändert werden kann, sind wirksam (BGH NJW 1985, 2832). Es muss jedoch ein sachlicher Grund vorliegen, kraft dessen die Wohnungseigentümer gegen einem etwa frühren Zustande nicht unbillig beeinträchtigt werden (Müller, NJW-Schriften 43, Rdn. 321). Um im Grundbuch eingetragen zu werden, muss die Bewilligung der Eintragung eine Vereinbarung durch öffentliche oder öffentlich-beglaubigte Urkunden i. S. v. § 29 der Grundbuchordnung (GBO) vollzogen werden. Aufgrund der Vertragsfreiheit haben die Eigentümer eine weitreichende Regelungsbefugnis, die Rechte und Pflichten untereinander durch Vereinbarungen zu regeln. Allerdings gibt es zwingende Regelungen im WEG, die weder durch Vereinbarung noch (erst recht) durch Beschlüsse der Gemeinschaft abgeändert werden können. Grundsätzlich sind solche Vereinbarungen unzulässig, die gegen die §§ 134,138 BGB wegen Gesetzeswidrigkeit oder Sittenwidrigkeit verstoßen. Hier endet die Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer. So sind weder durch Vereinbarung noch durch Beschluss folgende zwingenden gesetzlichen Regelungen abänderbar: •

Gebäudeteile i. S. d. § 5 Abs. 2 sind zwingend Gemeinschaftseigentum;



Sondereigentum ist unselbstständig und kann nicht ohne den Miteigentumsanteil veräußert werden;



Die Gemeinschaft ist grundsätzlich unauflöslich (Ausnahme § 11 Abs. 1 Satz 3 WEG);



Eine Genehmigung zur Veräußerung kann nur aus wichtigem Grund versagt werden;

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2 Grundstücksverkehr

Das Wohnungseigentum kann unter bestimmten Voraussetzungen dem Eigentümer entzogen werden;



Auf Verlangen von Wohnungseigentümern ist ein Verwalter zu bestellen (§ 20 Abs. 2 WEG);

• •

Schriftliche Beschlüsse (Umlaufbeschlüsse) können nur einstimmig ergehen; Der Minderheitenschutz (etwa das Einberufungsrecht von Vi der Wohnungseigentümer) ist nur modifizierbar, aber nicht ausschließbar;



Die grundsätzlichen Regelungen zur Berufung, zur Dauer und zur Abberufung des Verwalters, sowie seine grundsätzlichen Aufgaben und Befugnisse gem. den §§ 26 Abs. 1 und 2 sowie 27 WEG sind nur eingeschränkt abänderbar;



Die Anordnung der Erwerberhaftung für den Fall der Zwangsversteigerung des Objekts durch Vereinbarung ist nichtig.

Auch weitere und grundsätzlich zwingende Regeln des WEG sind durch Vereinbarung nicht abänderbar (Bub in: Bub u. a. (WEG), § 10 Rz. 25 ff). Grundsätzlich kann man sagen, dass die Vereinbarung das Grundverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander erfassen soll, der hiervon zu treffende Beschluss die laufende Verwaltung durch die Wohnungseigentümer untereinander (§§ 10 Abs. 2, 23 WEG). Es ist also grundsätzlich zu prüfen, ob eine Regelung das Grundverhältnis berührt oder die laufende Verwaltung (Bub a. a. O., Rz 46). Eine Eigenart des WEG ist es, dass Beschlüsse gem. § 23 WEG, die in der Eigentümerversammlung oder im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst werden, gegen einen Sonderrechtsnachfolger auch ohne Eintragung in das Grundbuch wirken (Bub a. a. O., Rz 54), obwohl sie „nur" die laufende Verwaltung und deren Probleme regeln, während wie dargestellt - Vereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Grundbuch bedürfen. Jeder Erwerber von Wohnungseigentum tut also gut daran, sich bei dem Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft vor Unterzeichnung des Erwerbervertrages über den Inhalt von solchen Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft zu vergewissern, da diese zum Teil in nicht unerheblichem Umfange von den Regelungen der Gemeinschaftsordnungen und dem Inhalt des Grundbuchs im Übrigen abweichen. Aus dem Grundbuch kann der Erwerber sie nicht erkennen, da solche Beschlüsse ja nicht eintragungsfähig sind. Vereinbarungen können die Eigentümer etwa treffend zu baulichen Maßnahmen, zur Nutzung des Gemeinschaftseigentums, zur Haftung eines Erwerbers für Rückstände des

2 Grundstücksverkehr

119

Veräußerers (str.), zur Erstellung einer Hausordnung, zur Verteilung der Kosten und Lasten in Abänderung von § 16 WEG, zu Gebrauchsregelungen, Stimmrechtsregelungen, zur Tierhaltung, zur Jahresabrechnung oder auch betreffend den Verwalter. Da die Gemeinschaftsordnung die Grundordnung, quasi die Satzimg, der Wohnungseigentümergemeinschaft darstellt, steht sie in der Rangordnung über den in Eigentümerversammlungen zu fassenden Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Das hat logischerweise zur Konsequenz, dass eine Vereinbarung auch nur grundsätzlich wiederum durch eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer abgeändert werden kann - und eben nicht im Beschlusswege - und hiervon nur eine Ausnahme für die Fälle zu machen ist, in denen die Gemeinschaftsordnung ausdrücklich vorsieht, dass eine ihrer Regelungen auch durch eine qualifizierte Mehrheit (etwa eine Dreiviertel-Mehrheit) im Beschusswege abgeändert werden können soll. Die Möglichkeit im Wege einer solchen Öffnungsklausel auch durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss eine Gemeinschaftsordnung zu ändern, ist seit der grundlegenden Entscheidung des BGH (NZM 2000,1184 auch als Jahrhundertentscheidung bezeichnet) ausdrücklich gegeben (Weitnauer/Lüke, § 10 Rz. 51). 2.6.4.4

Beschlüsse

Beschlüsse der Gemeinschaft betreffen die laufende Verwaltung der Angelegenheiten der Wohnungseigentümer. Dafür haben die Wohnungseigentümer eine Beschlusszuständigkeit. Diese Beschusszuständigkeit üben sie in der Eigentümerversammlung aus und nicht im Wege einer Vereinbarung außerhalb dieser Eigentümerversammlung. Die klare Unterscheidung zwischen der Beschlusszuständigkeit der Wohnungseigentümer, Angelegenheiten durch Mehrheitsbeschluss zu regeln oder aber hierzu einer Vereinbarung zu bedürfen, war in der Vergangenheit durch ein besonderes Phänomen in der WEG-Rechtsprechung und herrschenden Meinung verwässert. Denn es wurde für zulässig erachtet, grundlegende, in der Gemeinschaftsordnung geregelte Sachverhalte durch unangefochtenen Mehrheitsbeschluss neu zu regeln und damit die Gemeinschaftsordnung abzuändern. Solche Beschlüsse wurden als

„Ersatzvereinbarung",

„Pseudo-Vereinbarungen" und „Zitterbeschlüsse" bezeichnet. Durch den Beschluss vom 20.09.2000 (BGH, NZM 2000,1184) hat sich an dieser grundsätzlichen Möglichkeit Erhebliches geändert: Es ist jetzt zu unterscheiden zwischen vereinbarungswidrigen, Vereinbarungsersetzenden und vereinbarungsändernden Beschlüssen. Nur die vereinbarungsändernden Beschlüsse sind immer mangels Kompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft nichtig (BGH, NZM 2004,230).

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2 Grundstücksverkehr

Bislang sind hierzu die folgenden Fallgestaltungen entschieden (Müller, NJW-Schriften 43, Rdn. 808 ff.; Weitnauer/Lüke, § 10, Rz. 56 a): •

Beschlüsse über die Kostenverteilung durch die die Gemeinschaftsordnung abgeändert wird, sind nichtig;

• •

die Einräumung eines Sondernutzungsrechts durch Beschluss ist nichtig; ein Beschluss, durch den einzelnen Eigentümern oder auch allen Eigentümern der Gebrauch vollständig entzogen wird, ist nichtig;



Eingriffen in das Sondereigentum sind nichtig;



Beschlüsse über die Beschränkung, die Abänderung oder den Ausschluss gesetzlicher Kontrollrechte, wie sie im WEG geregelt sind, sind nichtig;



Organisationsbeschlüsse (Eventualversammlung, Ladungsfiktionen, Niederschrift, Ausschluss des Antrags- und Stimmrechts u. a.) sind nichtig.

2.6.4.5

„Zitterbeschlüsse"

Wird in der Eigentümerversammlung ein Mehrheitsbeschluss mit Vereinbarungsinhalt gefasst, also ein Beschluss, der eine Angelegenheit regelt, die nur durch Vereinbarung geregelt werden kann, so hat bislang die Rechtsprechimg die Grundsätze für anfechtbare Beschlüsse angewandt. Solche Beschlüsse wurden rechtsverbindlich, wenn sie nicht auf Anfechtung hin vom Gericht aufgehoben wurden. Vereinbarungsersetzende und vereinbarungswidrige Beschlüsse sind nach wie vor anfechtbar und werden mangels Anfechtimg rechtsbeständig („Zitterbeschlüsse"). Anfechtbar und nicht nichtig sind demnach Beschlüsse mit folgendem Inhalt: •

Beschlüsse, durch die einzelne in Abweichung von der Gemeinschaftsordnung mit einer Sonderumlage belastet werden;



Beschlüsse, durch die einzelne Wohnungseigentümer wiederum einzelne Verpflichtungen auferlegt erhalten (Vertragsstrafen, Umzugskostenpauschalen);



ein Beschluss über einen vereinbarungswidrigen Jahresabschluss;



ein Beschluss über die Fortgeltung des Wirtschaftsplans;



ein Beschluss über die Änderung des ordnungsgemäßen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums ist lediglich anfechtbar;



ein Beschluss, durch den gegen das Allstimmigkeitsprinzip des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG bei einer baulichen Veränderung verstoßen wird, ist lediglich anfechtbar;

2 Grundstücksverkehr



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der Beschluss, wonach der Abschluss eines Verwaltervertrags einem anderen Organ oder einem Dritten übertragen wird, ist zwar rechtswidrig, aber lediglich anfechtbar.

Diese neue Rechtsprechung ist von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung für die Praxis. Ist nämlich ein Beschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig, so kann sich jederzeit jeder Wohnungseigentümer zumindest für dessen Wirkung auf die Zukunft auf diese Nichtigkeit berufen. Für den Verwalter wird sich die Frage stellen, ob er überhaupt Beschlüsse, die sich möglicherweise als nichtig verweisen, noch ausführen darf, ohne sich schadensersatzpflichtig zu machen. Die Hinweise, bestimmte Beschlüsse würden in den Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts eingreifen, wie etwa Beschlüsse, die den Kostenverteilungsschlüssel abändern, bringen allerdings praktische Probleme mit sich, weil die Bestimmung des Kernbereichs im WEG äußerst schwierig ist (hierzu Schmidt; Kostenverteilung aufgrund bestandskräftiger Beschlüsse der Wohnungseigentümer, Der Immobilienverwalter (DIV), 1/2000, S. 12,13). 2.6.4.6

Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer

Da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unauflöslich ist (§ 11 WEG), kommt dem Verhalten der Wohnungseigentümer, insbesondere gegenüber den übrigen Miteigentümern, besondere Bedeutung zu. Gem. § 14 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, sein Sondereigentum instand zu halten und von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Im Übrigen ist aber jeder Eigentümer berechtigt, soweit dem nicht Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, von seinem Sondereigentum so Gebrauch zu machen, wie er dies für richtig hält. Er darf es insbesondere bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen und andere von Einwirkungen ausschließen (§ 13 Abs. 1 WEG). Die Einschränkungen erwachsen aus der besonderen Treuepflicht der Wohnungseigentümer untereinander. Jeder hat lediglich das Recht, sein Sondereigentum und das gemeinschaftliche Eigentum „maßvoll" zu gebrauchen bzw. mitzugebrauchen (Schulze in: Niedenführ/Schulze, WEG, § 14, Rz. 3). Das betrifft Bereiche wie Lärm, Tierhaltung, Musikausübung und anderes mehr. Gebrauchsregelungen, die etwa durch die Gemeinschaftsordnung vorgegeben sind, hat der einzelne Miteigentümer einzuhalten. Insbesondere hat er sein Wohnungs- bzw. Teil-

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2 Grundstücksverkehr

eigentum grundsätzlich zu anderen Zwecken nur dann zu nutzen, wenn diese Nutzung nicht mehr stört, als die bestimmungsgemäße Nutzung (BayObLG WuM 1998, 49). In diesem Bereich existiert eine umfangreiche Kasuistik (Schulze in: Niedenführ/Schulze a. a. O., § 15 Rz. 5; Pick in: Bärmann/Pick/Merle, WEG § 15 Rn. 23). So darf etwa ein Laden nicht als Bistro genutzt bzw. umgewidmet werden. 2.6.4.7

Sondernutzungsrechte

Eine ausdrückliche Definition des Sondernutzungsrechts im WEG fehlt. Das führt zu manchem Irrtum, z. B. demjenigen, ein Sondernutzungsrecht sei isoliert veräußerbar bzw. übertragbar. Auch werden häufig Sondernutzungsrecht und Sondereigentum als gleiche sedes materiä angesehen. Tatsächlich ist Grundlage des Sondernutzungsrechts die Möglichkeit der Gebrauchsregelung in § 15 Abs. 1 WEG. Danach können die Wohnungseigentümer auch den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung regeln. Sie können bestimmen, dass der Berechtigte unter Ausschluss der übrigen Miteigentümer Gemeinschaftseigentum alleine nutzen können soll. Diese Regelungskompetenz führt dazu, dass das Sondernutzungsrecht in seinen Auswirkungen wirtschaftlich dem Sondereigentum ähnlich ist. Meist werden die Grenzen des Sondernutzungsrechts durch den Nutzungszweck bestimmt. Besonders für Speicher, Spitzböden und Kellerräume werden derartige Sondernutzungsrechte begründet. Die Begründung erfolgt durch Vereinbarung. Durch Zitterbeschlüsse (vereinbarungsersetzende Beschlüsse) können Sondernutzungsrechte nicht begründet werden, weil derartige Beschlüsse immer in den Kernbereich des Eigentums eingreifen (BGH, NZM 2000, 1184) und der Eigentümergemeinschaft hierzu die Zuständigkeitskompetenz fehlt. Meist werden Sondernutzungsrechte bereits durch Teilungserklärung oder Vereinbarung zum Inhalt des Sondereigentums gemacht. Dann genügt zur Eintragung in das Wohnungsgrundbuch die Bezugnahme auf die Eintragsbewilligung in der Teilungserklärung. Wozu das Sondernutzungsrecht inhaltlich berechtigt, wird insbesondere bei der Nutzung von Spitzböden deutlich. Nach herrschender Rechtsprechung hat der Sondernutzungsberechtigte im Zweifel nicht das Recht, einen Spitzboden zu Wohnraumzwecken auszubauen und etwa eine Wendeltreppe oder Dachflächenfenster einzubauen. Das gilt jedenfalls dann, wenn durch die beabsichtigte oder tatsächlich durchgeführte Nutzung zu Wohnzwecken Mängel bzw. Nachteile durch mangelnden Schallschutz oder nicht ausreichenden Brandschutz entstehen (Kreuzer in: Bub (u. a.) WEG, § 15 Rn. 94).

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Häufig räumt der Bauträger im Erwerbervertrag dem Erwerber ein Sondernutzungsrecht ein. Dieses wirkt aber nur inter parties und ausschließlich schuldrechtlich, d. h. nicht für alle Wohnungseigentümer. Selbst wenn es von allen Wohnungseigentümern dem Berechtigten eingeräumt wird, entfaltet es kraft Mehrheitsbeschlusses nach § 15 Abs. 2 keine Wirkung gegenüber einem Sonderrechtsnachfolger des Begünstigten. Häufige Streitpunkte sind Art und Umfang des Sondernutzungsrechtes an Grünflächen und an Terrassen. Hier muss sorgfältig der genaue Inhalt des Sondernutzungsrechtes jeweils und im Einzelfalle festgestellt werden. Auf Dritte ist das Sondernutzungsrecht isoliert nicht übertragbar, ohne dass auch das Miteigentum übertragen wird. Stets gilt für den Sondernutzungsberechtigten das, was für jeden Berechtigten am Gemeinschaftseigentum gilt. Er darf von dem Sondernutzungsrecht nur einen solchen Gebrauch machen, durch den andere Miteigentümer nicht beeinträchtigt werden (OLG Köln, NJW-RR1997, 14). Das Sondernutzungsrecht ist begrifflich ein Recht zur ausschließlichen Nutzung eines Teils des Gemeinschaftseigentums. Das bedeutet andererseits aber auch, dass mangels einer Vereinbarung über eine diesem Recht entsprechende Kostentragungspflicht der Sondernutzungsberechtigte die auf sein Sondernutzungsrecht entfallenden Kosten des Gemeinschaftseigentums nicht alleine zu tragen hat, sondern nur nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung oder der Gemeinschaftsordnung, meist also nur in Höhe seines Miteigentumsanteils. Nur dann, wenn der Sondernutzungsberechtigte durch die Regelungen der Gemeinschaftsordnung ausdrücklich verpflichtet wurde, die Erhaltungslast für die Flächen seines Sondernutzungsrechts allein zu tragen, kann hieraus auch die entsprechenden Kostentragungspflicht entnommen werden. Viele notarielle Verträge regeln leider die Kostentragungspflicht des Sondernutzungsberechtigten nicht. 2.6.4.8

Kostenbeiträge der Wohnungseigentümer, Erwerberhaftung

Jeder Wohnungseigentümer ist auch den anderen Wohnungseigentümern verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums und auch die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils zu tragen (§ 16 Abs. 2 WEG). Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn Notmaßnahmen ergriffen werden müssen, denn im Übrigen werden solche Verpflichtungen aus beschlossenen Wirtschaftsplänen oder auch Sonderumlagen finanziert oder aus Nachzahlung aus beschlossenen Jahresabrechnungen im Sinne von § 28 Abs. 5 WEG.

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Die Beiträge der Wohnungseigentümer zu den Kosten und Lasten werden im Rahmen von Wirtschaftsplänen (§ 28 Abs. 1, 2 WEG) bevorschusst und gem. § 28 Abs. 3 WEG vom Verwalter kalenderjährlich abgerechnet. Die Gemeinschaft ist nicht befugt, einen Wirtschaftsplan ohne die jeden einzelnen Eigentümer betreffenden Einzelwirtschaftspläne zu beschließen. Denn der Einzelwirtschaftsplan gehört zu den unverzichtbaren Bestandteilen des Wirtschaftsplans. Die Genehmigung eines Wirtschaftsplans ohne Einzelwirtschaftsplan ist auf Antrag hin für ungültig zu erklären (BGH, NZM 2005,543). Auch werdende Eigentümer, die vor Eintragung eines zweiten Wohnungseigentümers im Grundbuch ihr Wohnungseigentum übernommen haben und für die eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist, haften ebenfalls gem. § 16 Abs. 2 WEG für Verbindlichkeiten, die von der in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft begründet wurden. Anderes gilt für die Erwerber, die nach rechtlicher Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft als Zweiterwerber eintreten. Diese haften nicht für die von schon entstandenen Wohnungseigentümergemeinschaften begründeten Verbindlichkeiten.

Statt

ihrer

haftet

für

die

Beiträge

der

Bauträger

(Pick

in:

Bär-

mann/Pick/Merle, a. a. O., § 16 Rn. 105; Niedenführ in: Niedenführ/Schulze, WEG, § 16 Rn. 46). Viel Streit gibt es in Wohnungseigentümergemeinschaften zu der Frage, wer bei einem Eigentumswechsel für die Kostenbeiträge haftet. Im Innenverhältnis können der Veräußerer und der Erwerber beispielsweise eine Mithaftung des Erwerbers begründen. Im Außenverhältnis, also im Verhältnis zur Gemeinschaft, gilt folgendes: Zahlungsrückstände können zunächst aus dem Wirtschaftsplan resultieren. Soweit die Beträge bereits vor Eigentumswechsel fällig waren, haftet für Zahlungsrückstände aus diesen aus dem Wirtschaftsplan begründeten Vorauszahlungen der frühere Eigentümer. Eine Haftung des Erwerbers entfällt, denn dieser haftet ausschließlich für die nach seiner Eintragung als Eigentümer fällig gewordenen Wohngeldvorschüsse (BGH NJW 1994, 1866,1867; BGH NJW 1996, 725). Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Abrechnving über die Periode erfolgt, aus welcher auch ganz oder teilweise die rückständigen Vorauszahlungen resultieren. Denn auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Abrechnung bereits der Erwerber als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war, entfaltet die Abrechnimg keine Schuldumschaffung im Sinne einer Novation, vielmehr bestätigt bzw. bestärkt sie insoweit nur den Wirtschaftsplan (BGH NJW 1994, 1866,1867; BGHZ 131, 228,231).

2 Grundstücksi'erkehr

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Diese Grundsätze gelten nicht nur für den Fall des in Insolvenz geratenen Wohnungseigentümers oder des ausgeschiedenen Eigentümers. Sie gelten auch für die Haftung des rechtsgeschäftlichen Erwerbers und für den Fall des Erwerbs in der Zwangsversteigerung. Für Fehlbeträge aus der Jahresabrechnung haftet grundsätzlich der Eigentümer, der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Abrechnung im Grundbuch eingetragen ist. Das gilt nach der neuen Rechtsprechimg des Bundesgerichtshofs aber nicht uneingeschränkt. Denn wenn ein Fehlbetrag aus der Abrechnung rechnerisch (auch) auf Rückständen beruhte, die wegen der Verletzung der Vorschusspflicht des Voreigentümers entstanden sind, so begründet der Abrechnungsbeschluss der Gemeinschaft keine Schuld des Erwerbers in Höhe des gesamten Abrechnungsfehlbetrages. Denn sonst hätten es die Wohnungseigentümer in der Hand, durch geschicktes „Timing" der Beschlussfassung den Erwerber für Rückstände des Veräußerers haften zu lassen. Wichtig ist nun, dass der BGH mit Beschluss vom 23.09.1999 (NZM 1999,1101) diese Erwerberhaftung auch für den Fall verneint hat, dass der Beschluss über die den Rückstand des Veräußerers einbeziehende Jahresabrechnung bestandskräftig wird (hierzu: Wenzel, NZM 2000,65,68). Hierzu wird darauf verwiesen, dass die Ausweisung der Beitragsrückstände in der Einzelabrechnung als Schuld des Wohnungseigentümers nur der Nachvollziehbarkeit der Abrechnung dient. Der Beschluss braucht also nicht angefochten zu werden und wirkt auch dann nicht gegen den Erwerber, wenn dieser nicht angefochten hat. Nach wie vor gilt aber für den rechtsgeschäftlichen Erwerber, dass eine in der Teilungserklärung enthaltene Bestimmung, wonach der Erwerber für Wohngeldrückstände des Voreigentümers haftet, grundsätzlich wirksam ist (BGH NJW 1994, 2950). Hingegen ist eine Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, wonach der Ersteher auch für Wohngeldrückstände haftet, wenn er das Eigentum im Wege der Zwangsversteigerimg erworben hat, nichtig (BGHZ 99,358; Niedenfiihr in: Niedenführ/Schulze, WEG, § 16 Rn. 61). 2.6.5

Die Jahresabrechnung

Eine der wesentlichen Aufgaben des Verwalters ist die Erstellung der Jahresabrechnung, und da viele Eigentümergemeinschaften nur einmal im Jahr eine Versammlung abhalten, auf der dann auch die Jahresabrechnung zu beschließen ist, stellt sie ein Herzstück des Wohnungseigentums dar. Die Jahresabrechnung besteht aus der Gesamtabrechnung und den Einzelabrechnungen. Beide sind zusammen zu beschließen. Die Abrechnung ist keine Bilanz. Sie ist vielmehr eine Einzahlungs-/ Auszahlungsrechnung oder, anders ausge-

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drückt, eine Kassenabrechnung. Die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben sind darin aufzunehmen. Die Abrechnung stellt keine Gewinn- und Verlustrechnung dar und ist nicht in dieser Form zulässig (MünchKomm BGB/ Engelhardt, § 28 RdNr. 11). Zur Jahresabrechnung gehört die Mitteilung der Kontenstände der gemeinschaftlichen Konten zum Beginn und am Ende des Abrechnungszeitraums. Weiterhin gehört zur Jahresabrechnung auch die Entwicklung der Instandhaltungsrücklage. Nur ausnahmsweise, nämlich bei Verbrauchskosten, insbesondere bei der Heizenergie, ist es zulässig, vom Prinzip der reinen Einnahmen- und Ausgabenabrechnung abzuweichen und die Kosten der verbrauchsbezogenen abgerechneten Kosten ins Vor- und ins Folgejahr abzugrenzen. Enthält die Abrechnung Fehler, weil eine Ausgabe nicht berücksichtigt wurde oder eine Einnahme falsch gebucht, so kann die Jahresabrechnung angefochten werden (§ 23 Abs. 4 WEG). Dabei kann die Anfechtung auf einzelne Positionen beschränkt werden (und sollte es auch wegen des Kostenrisikos). Häufig wird auch mit dem Beschluss über die Genehmigung der Abrechnung eine Entlastung des Verwalters beschlossen. Ein Anspruch auf Entlastung besteht nicht, jedoch widerspricht auch ein Entlastungsbeschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. 2.6.6

Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums

Die Verwaltung nach dem WEG ist die Selbstverwaltung der Wohnungseigentümer auf der Grundlage einer Zuständigkeitsordnung für Verwaltungsentscheidungen und Verwaltungsmaßnahmen (Bub in: Bub u. a. (WEG), WEG § 20 Rz. 3). Sie betrifft das Innenverhältnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die maßgeblichen Vorschriften der §§ 20-29 WEG lehnen sich zum Teil an die Vorschriften über die Verwaltung der Gemeinschaft gem. §§ 741ff (dort insbesondere 744, 745 BGB) an (Merle in: Bärmann/Pick/Merle, § 20 Rn. 1). 2.6.6.1

System der Selbstverwaltung

Zunächst bestimmt § 20 Abs. 1, wer die Verwaltungsorgane sind. Es sind dies die Wohnungseigentümer, der Verwalter und der Verwaltungsbeirat. Während die Bestellung eines Verwalters zwingend ist, ist der Verwaltungsbeirat nur fakultativ. Besteht ein solcher, so ist er zur Mitwirkimg bei der Verwaltung verpflichtet (Niedenführ in: Niedenführ/Schulze, WEG, § 20 Rz. 2). Der Verwaltungsbeirat gewinnt dabei immer mehr an Bedeutimg. Ihm werden z. T. schwierige Aufgaben („Verwaltungsbeirat als Baurat") übertragen. Da das Amt des

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Verwaltungsbeirats ein ehrenamtliches ist, und solche Ehrenämter zu fördern sind, sollte die Gemeinschaft den Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflicht für Beiräte ausdrücklich beschließen. Denn der Haftungsmaßstab für einen Beirat ist kein anderer als ζ. B. für den Verwalter - trotz der ehrenamtlichen Tätigkeit des Beirats. Verwaltung im Sinne von § 20 Abs. 1 ist die Verwaltungsentscheidung und auch die Verwaltungsmaßnahme. Sie steht den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu, und jeder Wohnungseigentümer kann eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen bzw. dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht (§ 21 Abs. 4 WEG). Die Tätigkeit der Wohnungseigentümer bestimmt sich nach den §§ 21-25 WEG. § 21 Abs. 5 bestimmt dabei die Mindestanforderungen an eine ordnungsgemäße Verwaltung. Dazu gehören u. a. die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, die Ansammlung einer angemessenen Instandsetzungsrückstellung und die Aufstellung eines Wirtschaftsplans. Nur ausnahmsweise darf ein einzelner Eigentümer Notmaßnahmen ergreifen. Davon wird dann auszugehen sein, wenn ihm ein Abwarten der Tätigkeit des Verwalters oder die Zustimmung der anderen Miteigentümer nicht zugemutet werden kann. Notmaßnahmen sind ζ. B. die Behebung baulicher Schäden durch Wassereinbruch oder auch die Einleitung eines Rechtsstreits zur Unterbrechung drohender Verjährung, falls die Gemeinschaft selbst nicht handelt. § 21 gibt i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 2 eine Rangfolge der Rechtsgrundlagen für Verwaltungsmaßnahmen aller Art (Bub in: Bub (u. a.), WEG § 21 Rz. 3): •

zwingende gesetzliche Vorschrift



die Vereinbarung der Wohnungseigentümer (ihr stehen die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung gleich)



Vereinbarungen der Wohnungseigentümer gem. § 10 Abs. 1 Satz 2



Mehrheitsbeschlüsse der Wohnungseigentümer gem. § 21 Abs. 3



Vereinbarungsersetzende oder vereinbarungswidrige Mehrheitsbeschlüsse (die die Vereinbarungen der Wohnungseigentümer ändern oder dispositive gesetzliche Vorschriften abbedingen und weder nichtig sind noch auf Antrag für ungültig erklärt wurden)



die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung gem. § 21 Abs. 4 WEG bei fehlen einer Vereinbarung oder eines Mehrheitsbeschlusses.

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Kernstück der ordnungsgemäßen Verwaltung durch die Wohnungseigentümer ist dabei § 21 Abs. 3, die Verwaltung durch Mehrheitsbeschluss. Diese sind sofort nach Beschlussfassung wirksam und umzusetzen, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Erwartet der Verwalter eine erfolgversprechende Anfechtung eines Beschlusses, den er durchzusetzen hat, so sollte er sich vom zuständigen Amtsgericht ausdrücklich ermächtigen lassen, entweder die Durchführung des Beschlusses zu stoppen oder den Beschluss umzusetzen. Eigenmächtig die Umsetzung eines Eigentümerbeschlusses zu verzögern, liegt nicht in der Kompetenz des Verwalters, vielmehr macht er sich haftbar. 2.6.6.2

Grundlagen und Inhalt der Verwaltungsmaßnahmen

In § 21 Abs. 3 WEG sind die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung normiert. Sie sind Maßstab für den Inhalt der Mehrheitsbeschlüsse, und dementsprechend hat jeder Wohnungseigentümer Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG). Soweit in Abs. 5 einzelne Maßnahmen aufgeführt sind, ist diese Aufzählung nur beispielhaft. Zwar ist § 21 Abs. 5 abdingbar. Fehlt aber eine der hier aufgeführten Maßnahmen, so hat dennoch jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf deren Durchführung (Niedenführ in: Niedenführ/Schulze, a. a. O, § 21 Rn. 43; Bub in: Bub u. a. (WEG), § 21 Rn. 4,11). Die Rechte auf Selbstverwaltung und ordnungsgemäße Verwaltung gehören zum dinglichen Kerngehalt des Eigentums und können nicht vollständig entzogen werden (BGH NJW1995, 2036). Was ist nun im Einzelnen ordnungsgemäße Verwaltung? Hierunter versteht man die Gesamtheit der Maßnahmen, die objektiv, vernünftig und wirtschaftlich denkende Wohnungseigentümer ergreifen würden, um die Tauglichkeit der jeweiligen Wohnungseigentumsanlage zum vertragsgemäßen Gebrauch zu erhalten und außerdem - gegebenenfalls auch durch Anpassung an einen zeitgemäßen Stand den Wert der Anlage zu erhalten, und außerdem die Maßnahmen, die zur Gewährleistung eines geordneten und friedlichen Zusammenlebens erforderlich sind (Bub, a. a. O., § 21 Rn. 83). Ordnungsgemäße Verwaltung können demnach neben den gesetzlich normierten Fällen der Aufstellung einer Hausordnung (Nr. 1), der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums (Nr. 2), dem Abschluss der erforderlichen Feuer-, Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherungen (Nr. 3), der Ansammlung einer Instandhaltungsrücklage (Nr. 4), der Aufstellung eines Wirtschaftsplanes (Nr. 5) und der Duldung von Anschlüssen zur Herstellung einer Fernsprechteilnehmeranla-

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ge, einer Rundfunkempfängeranlage oder eines Energieversorgungsanschlusses (Nr. 6) insbesondere folgende Verwaltungsmaßnahmen sein: •

Abschluss von Verträgen mit Dritten,



Führung von Aktiv- und Passivprozessen,



Bestellung bzw. Abberufung des Verwalters,



Finanzierung der Verwaltungsschulden,



Maßnahmen zur Kosteneinsparung und



Gartenpflege.

Selbstverständlich entsprechen ordnungsgemäßer Verwaltung auch alle Handlungen, die zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten oder der Verkehrssicherungspflichten erforderlich sind, ebenso die Handlungen, die die Erfüllung baupolizeilicher Maßnahmen bewirken. Aktuell können zu diesen Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung auch Programme zur Bekämpfung des Leerstandes, Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Immobilie und zur Verbesserung der Telekommunikation (Darstellung von Sanierungsplänen über Hausfernsehprogramme bzw. Internet) und schließlich auch Maßnahmen zum günstigen - gepoolten - Einkauf von Produkten und Dienstleistungen zum Betrieb der Immobilie mittels Servicegesellschaften gehören. 2.6.6.3

Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums

Eine der Hauptaufgaben der Wohnungseigentümer untereinander ist die Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Zustandes des Gemeinschaftseigentums im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung. Hierzu zählen Beschlussfassungen und Veranlassung von laufender Inspektion, Wartung und etwa erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen. Bei den Entscheidungen - insbesondere bei den Beschlüssen der Eigentümer - sind dabei rechtliche Rahmenbedingungen von besonderer Tragweite zu beachten: Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung bedürfen nicht eines einstimmigen oder gar allstimmigen Beschlusses, können vielmehr mit Mehrheit beschlossen werden. Das betrifft insbesondere den Beschluss über Instandsetzung von mangelhaftem Gemeinschaftseigentum wie etwa einer undichten Außenfassade oder eines funktionsunfähig gewordenen Aufzugs. Schwierigkeiten macht auch immer wieder die Frage, wann die Gemeinschaft zum Ersatz von Schäden am Sondereigentum verpflichtet ist. Grundsätzlich hat jeder Sonderei-

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gentümer sein Sondereigentum alleine und auf eigene Kosten und Risiko Instand zu halten und Instand zu setzen. Das gilt auch dann, wenn durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum ein Mangel am Sondereigentum entstanden ist (Eindringen von Feuchtigkeit durch das Gemeinschaftseigentum in das Sondereigentum). Hier ist nicht etwa die Gemeinschaft verpflichtet, auch das Sondereigentum Instand zu setzen, es sei denn, sie hat die Entstehimg des Schadens am Sondereigentum deshalb zu vertreten, weil sie eine längst überfällige Reparatur verzögert hat oder weil sie mit der Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum ein fachlich ungeeignetes Unternehmen beauftragt hat, das im Rahmen seiner Arbeiten erst die Schäden am Sondereigentum verursacht hat. Insbesondere gilt, dass sich Wohnungseigentümer das Verschulden eines von ihm mit der Reparatur des Gemeinschaftseigentums beauftragten Fachunternehmens zurechnen lassen müssen, wenn erst durch dessen Tätigkeit Schäden am Sondereigentum entstanden sind (BGH NJW1999, 2108). Ist ein Sondereigentum intakt und muss es beschädigt werden, damit Mängel bzw. Schäden am Gemeinschaftseigentum erst beseitigt werden können, so ist die Gemeinschaft zur Beseitigung der Schäden am Sondereigentum verpflichtet. Aus den Grundsätzen der „Aufopferung" hat in diesen Fällen der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Schadloshaltung. 2.6.6.4

Geltendmachung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum

Wohnungseigentum wird üblicherweise durch Kauf vom Bauträger erworben. Das hat jedenfalls zur Folge, dass bezüglich des Sondereigentums jeder Erwerber alleine berechtigt ist, Ansprüche aus seinem Erwerbervertrag gegen den Bauträger geltend zu machen. Anderes gilt hinsichtlich der Ansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum. Zwar ist aufgrund des Erwerbervertrages der Veräußerer auch zur Verschaffimg mangelfreien Gemeinschaftseigentums verpflichtet, und es kann jeder Erwerber eine solche mangelfreie Herstellung des Gemeinschaftseigentums verlangen. Das hat beispielsweise zur Folge, dass - sofern eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums jedenfalls noch nicht stattgefunden hat - jeder Erwerber noch Gewährleistungsansprüche wegen mangelhaften Gemeinschaftseigentums geltend machen kann, wenn solche Ansprüche aufgrund früheren Erwerbs anderer Eigentümer bereits verjährt sein sollten. Dass es dabei oft auch noch nach vielen Jahren zu einer fortdauernden Haftung des Bauträgers kommt, wird von der Rechtsprechung hingenommen.

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Zunächst kann jeder Eigentümer Erfüllungsansprüche und die sogenannten primären Gewährleistungsansprüche alleine geltend machen. Das ergibt sich aus § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB und § 633 Abs. 3 BGB (Nachbesserung der Mängel am Gemeinschaftseigentum bzw. Erstattung der Mängelbeseitigungskosten bzw. Zahlung eines Vorschusses hierauf). Denn auch Nachbesserungs- und Mängelbeseitigungsansprüche nach § 633 Abs. 1 und Abs. 2 BGB aus dem Vertrag mit dem Bauträger sind primäre Gewährleistungsansprüche (Merle a. a. O., § 21 Rn. 7). Da die Beseitigung anfänglicher Baumängel des Gemeinschaftseigentums die Interessen aller Eigentümer berührt und zu den Verwaltungsaufgaben der Gemeinschaft gehört, kann die Gemeinschaft der Eigentümer mit Mehrheit im Rahmen der gemeinschaftlichen Verwaltung beschließen, die Gewährleistungsrechte gegen den Veräußerer insoweit einheitlich zu verfolgen, um zu vermeiden, dass sich die einzelnen Rechtsbeziehungen unterschiedlich entwickeln (Wenzel in: Hagen/Brambring, Immobilienrecht 1998, 51, 61; Niedenführ a. a. O. Anhang zu § 21). Anders verhält es sich mit den sogenannten sekundären Gewährleistungsansprüchen. Das sind die Ansprüche, die nicht auf Erfüllung bzw. Nachbesserung, sondern auf Minderung, Wandelung oder Schadensersatz gerichtet sind. Unterschieden werden muss hier zwischen Wandelung und großem Schadensersatz auf der einen und Minderung oder kleinem Schadensersatz auf der anderen Seite. Für Ansprüche auf Wandelung und großen Schadensersatz hat die Gemeinschaft keine Regelungskompetenz. Nach entsprechender Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung kann jeder einzelne Eigentümer ohne entsprechenden Mehrheitsbeschluss seine Rechte insoweit selbst durchsetzen (Wenzel a. a. O., S. 62). Hingegen steht die Wahl zwischen den primären Gewährleistungsansprüchen und den sekundären Gewährleistungsansprüchen auf Minderung oder kleinen Schadensersatz nicht jedem einzelnen Wohnungseigentümer alleine zu, vielmehr muss diese Wahl gemeinschaftlich getroffen werden (BGHZ 74, 258, 265; Merle a. a. O. § 21 Rn. 11; Wenzel a. a. O. S. 62). Grand hierfür ist der notwendige Schuldnerschutz des Bauträgers. Es soll verhindert werden, dass der Bauträger von einzelnen Wohnungseigentümern in vollem Umfange auf Mängelbeseitigung in Ansprach genommen wird, von anderen Erwerbern aber auf Schadensersatz oder Minderung. Strittig ist dabei, ob nur die Wahl zwischen Erfüllungs- bzw. primären Gewährleistungsansprüchen von der Gemeinschaft insgesamt getroffen werden muss, oder ob ihr auch die Kompetenz zusteht, nach Wahl der sekundären Gewährleistungsansprüche sich für Minderung oder kleinen Schadensersatz zu entscheiden (BGH NJW 1998, 2967, 2968;

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Grundstiicksi'erkehr

OLG FfM NJW-RR1993, 221; Merle a. a. O., Rn. 14; Wenzel a. a. O., S. 64; Bub NZM1999, 530,534). Um sich rasch einen gesicherten Überblick darüber zu machen, welche Mängel am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen sind, welche Ursachen sie haben und vor allem auch welche Mängelbeseitigungsmaßnahmen und -kosten erforderlich sind, muss und wird die Gemeinschaft in der Regel nach ergebnislosem Ablauf gesetzter Nachbesserungsfristen an den Bauträger der zu erhebenden Klage (in der Regel ist dies eine Mängelbeseitigungskostenvorschussklage) ein selbstständiges Beweisverfahren voranschalten. Dies kann - über die bisher üblichen Anträge hinaus - von der Gemeinschaft so gelenkt werden, dass sie jederzeit Herr dieses Verfahrens bleibt und nicht über Jahre hinweg die Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustande blockiert ist (J. Schmidt, PiG (Bd. 66), 2003, 203, 217). 2.6.6.5

Bauliche Veränderungei^modernisierende Instandsetzung

Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG können bauliche Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen, nicht mit Stimmenmehrheit beschlossen und auch nicht im Rahmen eines Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung nach § 21 Abs. 4 WEG verlangt werden. Hier wird so stark in die Rechte des einzelnen Eigentümers eingegriffen, dass derartige Maßnahmen grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Eigentümer statthaft sind. Kompliziert wird die Regelung dadurch, dass Wohnungseigentümer, deren Rechte durch eine solche Maßnahme ohnehin nicht beeinträchtigt werden, der Maßnahme nicht zustimmen müssen, um ihr Wirksamkeit zu verleihen. § 22 Abs. 1 Satz 2 modifiziert so den Grundsatz der Einstimmigkeit. Die Abgrenzung solcher Maßnahmen, die als bauliche Veränderungen unter § 22 Abs. 1 fallen, von solchen Maßnahmen, die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung i. S. v. § 21 Abs. 3, Abs. 5 sind, stellt die Praxis vor erhebliche Probleme. Im Einzelnen ist die Abgrenzung besonders schwierig, weil bei baulichen Veränderungen auch das Kriterium der nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks zu prüfen ist. Nicht dogmatisch zu erfassen ist die Frage, wann eine optische Veränderung als Nachteil einzustufen ist. Hier ist jede Eigentümergemeinschaft der Wertung durch ein Gericht ausgesetzt. Auch nicht einfach zu klären ist, wann eine bauliche Veränderung etwa deshalb unzulässig ist, weil sie der Zweckbestimmung des Sondereigentums widerspricht. Denn im Zweifel führt eine geänderte Zweckbestimmung nur dann zu Unzuträglichkeiten, wenn sie zu einer anderen, womöglich intensiveren Nutzung, zu

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Immissionen oder Einschränkungen der anderen Eigentümer in deren Recht auf Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums führt (Niedenführ in: Niedenführ/Schulze, WEG, § 22 Rn. 23). Bauliche Veränderungen können nämlich verbessernde Maßnahmen sein, die anlässlich einer ohnehin erforderlichen Reparatur als technisch i. S. einer modernisierenden Instandsetzung bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösung angestrebt wird (Bub a. a. O., Rz. 164; Niedeführ a. a. O., § 22 Rz. 1); müsste also ein defektes Teil des Gemeinschaftseigentums ohnehin repariert werden und wird nun nach dem Maßstab eines vernünftig, verantwortungsbewussten, wirtschaftlich denkenden und erprobten Neuerungen gegenüber aufgeschlossenen Wohnungseigentümers (Bub a. a. O., Rz. 166) und unter Berücksichtigung einer Kosten-Nutzen-Analyse zu Recht die Amortisierung der Anschaffungs- und Montagekosten durch künftige Kostenersparnisse positiv durchgeführt, so ist die modernisierende bzw. verbessernde Maßnahme trotz ihres Charakters als bauliche Veränderung eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung. Sie kann mit Mehrheit beschlossen werden. Ob bzw. inwieweit eine Reparatur bereits unmittelbar erforderlich sein oder bevorstehen muss, wird von der herrschenden Meinimg bejaht, ist aber durchaus nicht eindeutig zu beantworten. Denn eine planende und vorausschauende Eigentümergemeinschaft wird nicht erst den Fall des eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Schadenseintritts abwarten wollen, bevor sie geeignete Maßnahmen ergreift. Deshalb wird in der Literatur im Rahmen der vorsorgenden Instandhaltung das Kriterium der sicheren Verfügbarkeit erörtert. Hierunter wird eine dauerhafte und uneingeschränkte Möglichkeit der Inanspruchnahme der Immobilie verstanden. Die Verfügbarkeit wird unter Berücksichtigung der Kriterien von technischer Lebensdauer bzw. Restnutzungsdauer ermittelt (Schmidt in: Festschrift für Werner Merle, Heidelberg 2000, S. 265, 275 ff.). Konsequenz dieser Auffassimg ist eine größere Flexibilität der Gemeinschaft, die werterhaltende Maßnahmen auch ohne unmittelbaren Schadenseintritt mit Mehrheit im Rahmen ordnungsgemäßer Planung der ResÜebensdauer bzw. Restnutzungsdauer des in Frage kommenden Teils des Gemeinschaftseigentums beschließen kann.

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2.6.6.6

2 Grundstücksverkehr

Die Wohnungseigentümerversammlung

Die Versammlung ist das Parlament der Wohnungseigentümer. Dort erfolgt die Willensbildung der Gemeinschaft. In dieser Versammlung beschließt die Gemeinschaft u. a. über ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahmen (§ 21 Abs. 3, 5), über die Bestellung und Abberufung des Verwalters (§ 26 Abs. 1), über den Wirtschaftsplan, die Abrechnung und Rechnungslegung (§ 28 Abs. 5), über bauliche Veränderungen i. S. v. § 22 und selbstverständlich auch über Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen. Die Willensbildung erfolgt durch Stimmabgabe. Entweder nimmt der Wohnungseigentümer teil oder lässt sich - in dem nach Gesetz und Gemeinschaftsordnung erlaubten Rahmen - vertreten. Die Versammlung ist unter Einladung und Angabe der Tagesordnungspunkte ordnungsgemäße einzuberufen. In aller Regel wird sie vom Verwalter geleitet, und über die Versammlung und die in ihr gefassten Beschlüsse wird eine Niederschrift aufgenommen. Die Versammlung muss mindestens einmal im Jahr einberufen werden oder in den Fällen, die in der Gemeinschaftsordnung die Einberufung regeln. Aber auch dann, wenn mehr als Vi der Wohnungseigentümer unter Angabe des Zwecks und der Gründe schriftlich eine Versammlung verlangen, muss zu einer Eigentümerversammlung eingeladen werden (§ 24 Abs. 2, 2. Halbsatz). Einzuladen sind alle Wohnungseigentümer, die in der Versammlung ein Stimmrecht haben. Regelmäßig sind das die im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer. Bei einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft sind auch die Personen einzuladen, die die Eigentümergemeinschaft faktisch in Vollzug gesetzt haben (Merle a. a. O., § 24 Rn. 40; Bub a. a. O., § 23 Rz. 91). Mindestvoraussetzung für eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft ist, dass die Wohnungseigentumsanwärter die Eigentumswohnungen in Besitz genommen haben und ihr Anspruch auf Erlangung des Eigentums an der Wohnung durch eine im Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung gesichert ist (OLG FfM ZMR1993,125; Niedenführ a. a. O., § 43 Rz. 19). Auch müssen die Wohnungsgrundbücher bereits angelegt sein. Wenn außer dem teilenden Eigentümer ein Erwerber in das Grundbuch eingetragen wird, ist bereits (rechtlich) eine Wohnungseigentümergemeinschaft entstanden. Dann setzt sich die Wohnungseigentümergemeinschaft aus Volleigentümern und bereits vorhanden gewesenen werdenden Eigentümern als Erstwerbern zusammen (Niedenführ a. a. O.). Über die gesetzlichen Regelungen des § 24 hinaus müssen Verwalter, Beiräte und Eigentümer die Grundsätze der Einberufung und Durchführung einer Eigentümerversammlung kennen und umsetzen (J. Schmidt, in: Kippes/Sailer (Hrsg.), 239, 262 ff.). Insbesondere ist zu beachten, wer abwesende Eigentümer vertreten darf und wann ein Eigentü-

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mer einen Berater zur Unterstützung in der Eigentümerversammlung hinzuziehen darf (BGH, NJW 1993, 1329). Ganz wichtig ist, dass ein Beschluss verkündet werden muss und nicht nur ein Abstimmungsergebnis. Es muss festgestellt werden, ob ein Antrag durch den Beschluss positiv beschieden oder abgelehnt wurde. Diese Feststellung hat konstitutive Wirkung (BGH, NJW 2001,339; Gottschalg, NZM 2005,88,95). Immer wieder begehen Eigentümer den Fehler zu glauben, für den Lauf der einmonatigen Anfechtungsfrist komme es nicht auf die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung, sondern auf die Kenntnis von dem Beschluss oder gar auf den Zugang des Sitzungsprotokolls an. Soweit Beschlüsse anfechtbar sind, sind sie auf Anfechtung hin im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 43 WEG durch das Amtsgericht aufzuheben, in welchem die Wohnungseigentumsanlage gelegen ist. Die Anfechtung hat binnen Monatsfrist zu erfolgen, wobei diese Frist einen Monat seit der Beschlussfassung beträgt (§ 23 Abs. 4 Satz 2). 2.6.7

Dauerwohnrech^Dauernutzungsrecht

Insbesondere das Dauernutzungsrecht an nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumen (Läden, Büros, Lagerräumen) erfreut sich aktuell wieder größerer Beliebtheit. Ein Dauerwohnrecht gibt ein Nutzungsrecht an einer bestimmten Wohnung, das Dauernutzungsrecht das Recht an nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumen. (Im Folgenden wird wegen der größeren Bedeutung synonym vom Dauernutzungsrecht gesprochen.) Das Dauernutzungsrecht kann auch an einem ganzen Gebäude bestellt werden. Kraft dieses Rechts ist der Begünstigte berechtigt, unter Ausschluss des Eigentümers Räume in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude zu nutzen. Es bietet sich immer dort als Gestaltungsinstrument an, wo etwa ein Mieter zum Zwecke der Modernisierung erheblich in ein dem Eigentümer gehörendes Objekt investiert hat und/oder ein langfristig gesichertes Nutzungsrecht an den Räumen bzw. dem Grundstück auch über 30 Jahre hinaus erlangen will. Das Dauernutzungsrecht ist ein selbstständiges dingliches Recht mit Wirkung gegen und unter Ausschluss des Eigentümers (§ 31 WEG). Es ist ein beständiges und bedingungsfeindliches Recht (§ 33 Abs. 1 Satz 2).

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Das Dauernutzungsrecht ist veräußerlich und vererblich und unterscheidet sich gerade hierdurch vom Wohnungsrecht (MünchKomm BGB/Engelhardt, WEG § 33 Rz. 2). Es wird in Abt. II des Grundbuchs gleich einer Dienstbarkeit eingetragen. Wichtig ist, dass als Inhalt des Dauernutzungsrechts vereinbart werden kann, dass das Dauernutzungsrecht im Falle der Zwangsversteigerung des Grundstücks abweichend von § 44 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung auch dann bestehen bleiben soll, wenn der Gläubiger einer dem Dauernutzungsrecht im Range vorgehenden oder gleichstehenden Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast die Zwangsversteigerung in das Grundstück betreibt (§ 39 Abs. 1 WEG). Diese Zweckbestimmung wird dann als besondere Versteigerungsbedingung im Zwangsversteigerungsverfahren behandelt und Inhalt des geringsten Gebotes. Auch ein Heimfallanspruch kann (wie beim Erbbaurecht) als Inhalt des Dauernutzungsrechtes vereinbart werden (§ 36 Abs. 1 WEG). Dabei kann (§ 36 Abs. 2 WEG) auch geregelt werden, dass der Eigentümer dem Berechtigten eine Entschädigung zugewähren hat, wenn er von dem Heimfallanspruch Gebrauch macht. Die Formvorschriften des Mietrechts sind auf ein dinglich gesichertes Dauernutzungsrecht nicht anwendbar. Dauernutzungsrecht als dingliches Recht und Mietvertrag als schuldrechtliches Verhältnis schließen einander grundsätzlich aus, auch wenn beide das gleiche wirtschaftliche Ziel verfolgen (LG FfM, NZM 2000, 877; Pick in: Bärmann/Pick/Merle, vor § 31 Rn. 29). Man wird zukünftig dem Dauemutzungsrecht wieder mehr Beachtung zu schenken haben. 2.6.8

Die Veräußerung des Wohnungseigentums

Jeder Wohnungseigentümer kann über sein Wohnungseigentum rechtlich verfügen, es insbesondere auch veräußern. Eine isolierte Veräußerung des Sondereigentums ohne die Verbindung mit dem Miteigentumsanteil ist nicht zulässig (§ 6 Abs. 1 WEG). Es können auch nicht einzelne Räume des Sondereigentums ohne Miteigentumsanteile übertragen werden. Eine Ausnahme gilt für den Tausch etwa von Kellerräumen oder Garagen zwischen Eigentümern untereinander. Hier ist ausnahmsweise die Veräußerung zulässig, ohne gleichzeitig die Miteigentumsanteile zu veräußern (BayObLG DNotZ 1984,381). Bei einem Tausch ist aber immer darauf zu achten, ob hierdurch eine wesentliche Veränderung der Werthaltigkeit des Miteigentumsanteils stattfindet. Denn im Zweifel ist zu einem solchen Tausch auch die Zustimmung des Drittpfandgläubigers, z. B. der finanzierenden Bank, erforderlich. Diese wird nur zustimmen, wenn ihr Sicherungsinteresse in-

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soweit nicht beeinträchtigt wird. Stets muss der Veräußerer darauf achten, dass dem Erwerber nicht mehr oder etwas anderes verkauft, als ihm selbst zusteht. Eigentümer ist er nur an dem Grundbesitz, der im Wohnungseigentumsgrundbuch auch eingetragen ist. Vorsicht ist auch geboten hinsichtlich der Erklärung bestimmter Flächeninhalte. Ist die Wohnfläche um mehr als 10 % kleiner als in einem Verkaufsprospekt angegeben, so liegt auch ohne Zusicherung ein Fehler vor, der zur Minderung ggf. zum Schadensersatz berechtigt (BGH NJW1999,1859). Anderes gilt nur dann, wenn es sich um eine geringfügige Maßabweichung handelt und die Parteien ausdrücklich eine entsprechende Anpassung des Kaufpreises ausgeschlossen haben. Hier gelten aber Toleranzgrenzen, bei deren Überschreiten die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche wieder eingreifen (Wenzel, Zeitschrift für die notarielle Praxis (ZnotP 1/2000, S. 2). Besonders sorgfältig muss der Veräußerer auch bei einem Ausschluss jeglicher Gewährleistung für den Zustand des Wohnungs- oder Teileigentums vorgehen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Veräußerer aufgrund der Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft von der Existenz von Mängeln am Gemeinschaftseigentum weiß (Feuchtigkeit an der Tiefgarage ist Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens gegenüber dem Bauträger). Dann muss er derartige Mängel oder auch entsprechend eingeleitete Verfahren dem Erwerber gegenüber offenbaren. Nicht selten wird in Teilungserklänmgen/Gemeinschaftsordnvuigen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht und als Inhalt des Sondereigentums vereinbart, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums die Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten, etwa des Verwalters, bedarf. Die Zustimmung darf nur aus wichtigem Grund versagt werden (§ 12 Abs. 2 Satz 1 WEG). Solche wichtigen Gründe müssen ihre Ursache ausschließlich in der Person des Erwerbers haben: Der Erwerber befindet sich in schlechten Vermögensverhältnissen, die Ausfälle von Wohngeldzahlungen befürchten lassen; der Erwerber beabsichtigt, sein Wohnungseigentum entgegen der Bestimmung in der Teilungserklärung zu gewerblichen Zwecken zu nutzen, wodurch Störungen hervorgerufen werden können; der Erwerber will die Wohnimg zu sittenwidrigen Zwecken nutzen. Ist dem Verwalter die Befugnis zur Erteilung der Zustimmung übertragen und vermag er anhand der ihm zur Verfügung gestellten Informationen bzw. Unterlagen keine gesicherten Grundlagen für seine Entscheidung zu finden, so ist er berechtigt, die Entscheidung an die Eigentümergemeinschaft zurück zu übertragen. Im Zweifel sollte der Verwalter auch so agieren, weil er sich ansonsten - etwa bei rechtswidrig verweigerter Zu-

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Stimmung zur Veräußerung - schadensersatzpflichtig machen kann. In jedem Falle muss der Verwalter schnell entscheiden, denn es drohen Schadensersatzansprüche, wenn der Erwerber nach Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktritt. Solange die Zustimmung nicht erteilt ist, ist der Erwerbervertrag schwebend unwirksam; eine unter der Bedingung ausgesprochene Zustimmung, etwa dahingehend, dass der Erwerber bis zu einem bestimmten Datum die Wohngeldrückstände des Veräußerers gezahlt haben müsse, ist wegen der Bedingungsfeindlichkeit der Zustimmung als Ablehnung zu behandeln (Pick in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, § 12, Rn. 42). In vielen Fällen hat sich das Zustimmungserfordernis des § 12 WEG als Veräußerungshindernis gezeigt, weshalb der Reformgesetzgeber es den Wohnungseigentümern ermöglichen will, durch Stimmenmehrheit zu beschließen, dass eine Veräußerungsbeschränkung gem. § 12 Abs. 1 aufgehoben wird. 2.6.9

Das Verfahren in Wohnungseigentumssachen

Derzeit ist das Verfahren in Wohnungseigentumssachen (noch) ein echtes Streitverfahren im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die freiwillige Gerichtsbarkeit ist eine besondere Verfahrensart wiederum innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Zu den Besonderheiten gehört zunächst, dass, anders als im Zivilprozess, der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Das bedeutet, dass das Gericht von Amts wegen die Tatsachen, die entscheidungserheblich sind, zu ermitteln hat. Fristen für das Vorbringen der Parteien führen im Falle der Verspätung dieses Vorbringens nicht zu einer Zurückweisung. Das macht das Verfahren besonders schwerfällig. Den Beteiligten ist rechtliches Gehör zu gewähren. Da gilt auch für die Beschwerdeinstanz beim Landgericht. Das Mündlichkeitsprinzip gilt, und von ihm ist nur in begründeten Ausnahmefällen abzuweichen. Mit der ersten prozessleitenden Verfügung befragt das Gericht in aller Regel die Verfahrensbeteiligten, ob sie eine mündliche Verhandlung für erforderlich halten. Diese können übereinstimmend auf die mündliche Verhandlung verzichten. Im Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Denn auch und gerade in der Beschwerdeinstanz soll auf eine gütliche Einigimg, wie überhaupt im Verfahren, hingewirkt werden. Die Verhandlung im WEG-Verfahren ist öffenüich. Häufig nehmen zahlreiche Eigentümer die Gelegenheit wahr, daran teilzunehmen. Beteiligte sind zunächst sämtliche Wohnungseigentümer, mögen sie auf Antragsteller- oder auf Antragsgegnerseite stehen. In

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bestimmten Fällen ist darüber hinaus auch der Verwalter Beteiligter (und nicht lediglich Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft). Der Verwalter ist im Falle einer Ermächtigung befugt, das Verfahren im eigenen Namen zu führen. Die Ermächtigung wird ihm durch Gemeinschaftsordnung, Vertrag oder durch Beschluss insbesondere in den Fällen erteilt, in denen es darum geht, Beiträge von säumigen Eigentümern beizutreiben. Eine derartige Verfahrensstandschaft ist aber nur auf der Aktivseite, nicht auf der Passivseite zulässig (BayObLGZ 1975,233,238). Ein häufiger Fehler ist es, wenn der Verwalter im Falle der Zustellung einer Antragsschrift an ihn meint, er sei damit auch berechtigt, namens und in Vollmacht der Mitglieder der Gemeinschaft auf Antragsgegnerseite sich bei Gericht zu legitimieren und Zurückweisung gestellter Anträge zu beantragen. Vielmehr muss er sich gesondert bevollmächtigen und damit ermächtigen lassen, die Beschlussfassung der Gemeinschaft zu verteidigen. Häufig wechseln Eigentümer im Laufe eines Verfahrens. Auf das eingeleitete Verfahren hat das keinen Einfluss. Am Verfahren sind alle Eigentümer zu beteiligen, die bei Einleitung des Verfahrens als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind. In der Regel ist der Verwalter Zustellungsvertreter. Das gilt nicht, wenn ein Fall der Interessenkollision vorliegt, es also ζ. B. um seine Entlastung geht oder um Ansprüche gegen ihn. In solchen Fällen ist an jeden Eigentümer einzeln zuzustellen oder an einen von den Eigentümern bestellten Bevollmächtigten. In allen Fällen kann das Gericht für die Dauer des Verfahrens eine einstweilige Anordnung treffen. Eine solche einstweilige Anordnung ist aber nur dann zulässig, wenn bereits ein Hauptverfahren anhängig ist. Häufigster Gegenstand in WEG-Verfahren ist die Entscheidung über eine Beschlussanfechtung. Eine derartige Anfechtung unterliegt der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG. Die Frist beginnt zu laufen mit der Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft, wobei der Tag der Beschlussfassung selbst nicht mitzählt. Auf die Kenntnis von der Beschlussfassung kommt es ebenso wenig an, wie auf die mündliche oder schriftliche Mitteilung des Beschlussergebnisses. Entscheidend ist allein, dass ein entsprechender Beschluss in der Wohnungseigentümerversammlung gefasst wurde. Anders als im Zivilprozess richtet sich die Entscheidimg über die Erstattung der außergerichtlichen Auslagen, dies sind insbesondere die Anwaltskosten, nicht nach dem Obsiegen und Unterliegen einer Partei. Denn die Regelentscheidung des § 47 WEG ist es, dass die Beteiligten diese außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Nur ausnahmsweise,

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etwa in Fällen bloßen Verzuges mit Beiträgen, kann und wird das Gericht bestimmen, dass die außergerichtlichen Kosten ganz oder teilweise von dem Unterliegenden zu erstatten sind. Der Umstand, dass im Fall des Unterliegens der Unterlegene lediglich die Gerichtskosten, nicht aber die außergerichtlichen Kosten zu tragen hat, führt m. ξ. zu größerer Risikobereitschaft Anfechtungswilliger. Die WEG-Reform sieht daher eine Änderung im Sinne der Anwendung der Vorschriften der §§ 91 f. ZPO vor. Dies auch deshalb, weil es häufig um Geschäftswerte geht, die erhebliche gesetzliche Gebühren der beauftragten Rechtsanwälte veranlassen. Der Geschäftswert wird, wenn es keine anderen tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, auf den Regelwert von EUR 2.500,00 festgesetzt. Im Übrigen bemisst sich der Geschäftswert gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung. Dabei darf bei dem häufigen Fall der Anfechtung eines Beschlusses der Eigentümerversammlung über die Jahresabrechnung oder über den Wirtschaftsplan nicht der Wert des Gesamtvolumens dieser Jahresabrechnung oder des Wirtschaftsplans angesetzt werden. Regelmäßig ist ein Bruchteil dieses Gesamtvolumens angemessen, etwa 20 bis 25 % (BayObLG, WE 1989, 210). Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Amtsgerichts sind die sofortige Beschwerde, gerichtet an das Landgericht, und die sofortige weitere Beschwerde, gerichtet an das Oberlandesgericht. Voraussetzimg ist ein Beschwerdewert von mehr als EUR 750,00. Im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde (Rechtsbeschwerde) kann ausschließlich eine Verletzung des Gesetzes geprüft werden. Das Verfahren ist keine weitere Tatsacheninstanz. Der Bundesgerichtshof befasst sich nur dann mit einem WEG-Verfahren, wenn ein Oberlandesgericht von einer Entscheidimg eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des BGH abweichen will, und es daher die sofortige weitere Beschwerde dem BGH vorlegt. Für die Zwangsvollstreckung aus bestandskräftigen Titeln verweist § 45 Abs. 3 WEG auf die Regelungen über die Zwangsvollstreckung in der ZPO. Häufig wird, insbesondere aus Titeln wegen Zahlungsrückständen, das Verfahren auf Einleitung der Zwangsverwaltung betrieben. Ziel ist es in erster Linie, Einnahmen aus der Vermietung von Eigentumswohnungen säumiger Schuldner dem Zugriff des Zwangsverwalters auszusetzen. Immer häufiger wird auch in Gemeinschaftsordnungen ein Passus aufgenommen, wonach statt des Streitverfahrens ein Schiedsgericht angerufen werden soll, um im Schiedsgerichtsverfahren in einer Instanz den Streit der Parteien zügig zu erledigen. Es existiert hier das Deutsche Ständige Schiedsgericht für Wohnungseigentumssachen in Bonn (früher Berlin) (J. Schmidt, DIV1998,362; Seuss, NZM1998,501).

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Literaturverzeichnis zu Kap. 2.6 BärmaniVPick/Merle: Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 9. Aufl., München 2000. Bub: in Bub (u. a.) WEG, Kommentar, München 1997. Deckert: Die Eigentumswohnung, in: Sonderbeilage zu E TW Heft 6/99. Deckert: Nichtige „Zitterbeschlüsse"?, in: NZM 2000,361. Deckert: Partner im Gespräch, in: Band 54,19,21. Drasdo: Anwaltstag 1999, Wohnungseigentum in der Krise?, in: NZM 1999,681,683 ff. Gottschalg: Probleme bei der Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung, in: NZM 1999,825 ff. Müller: Instandhaltung, Instandsetzung und bauliche Veränderungen, in: Wohnungseigentum (WE) 1993,203. Müller: Über's „Zittern um die PseudoVereinbarung", in: NZM 2000,854. Niedenfühn Sind gesetzes- und vereinbarungsändernde Mehrheitsbeschlüsse nichtig?, in: NZM 2000,465. Schmidt: Die vorsorgende Instandhaltung, in: Festschrift für Merle 1999, S. 265,271,275. Schmidt, F: Zittern um einen Beschluß, in: NZM 2000,902. Schmidt: Kostenverteilung aufgrund bestandskräftiger Beschlüsse der Wohnungseigentümer, in: Der Immobilienverwalter (DIV), 1/2000, S.12,13. Wenzel: Hagen/Brambring, Immobilienrecht 1998,51,61. Wenzel: Die Bestandskraft von Mehrheitsbeschlüssen der Wohnungseigentümer mit Vereinbarungsgehalt, in: Festschrift für Horst Hagen, 231.

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2.7 Das Erbbaurecht Wolfgang Usinger 2.7.1 Vorbemerkung

145

2.7.1.1 Anwendungsbereiche

145

2.7.1.2 Begriff und Rechtsnatur

145

2.7.2 Inhalt des Erbbaurechts

145

2.7.2.1 Gesetzlicher Inhalt 2.7.2.1.1 Belastungsgegenstand 2.7.2.1.2 Erbbauberechtigter 2.7.2.1.3 Das Bauwerk 2.7.2.1.4 Rangstelle 2.7.2.1.4.1 Gebot der ersten Rangstelle 2.7.2.1.4.2 Ausnahmen 2.7.2.1.5 Bedingungen und Befristungen 2.7.2.1.5.1 Bedingungen 2.7.2.1.5.2 Befristungen 2.7.2.1.6 Veräußerlichkeit, Vererblichkeit und Belastbarkeit des Erbbaurechts

145 145 146 147 147 147 147 148 148 149

2.7.2.2 Vertraglicher Inhalt des Erbbaurechts 2.7.2.2.1 Allgemeines 2.7.2.2.2 Gesetzlich vorgesehene Ausgestaltung nach § 2 ErbbauVO

149 149 150

2.7.3 Ergänzende Vereinbarungen

149

156

2.7.3.1 Vorbemerkung

156

2.7.3.2 Vorkaufsrecht

157

2.7.3.3 Der Erbbauzins 2.7.3.3.1 Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts 2.7.3.3.2 Sicherung durch Reallast 2.7.3.3.3 Anpassung des Erbbauzinses 2.7.3.3.3.1 Altes Recht/Neues Recht 2.7.3.3.3.2 Erbbaurecht ohne dingliche Anpassungsklausel 2.7.3.3.3.3 Erbbaurecht mit dinglicher Anpassungsklausel 2.7.3.3.3.4 Genehmigungspflicht für Anpassungsklauseln 2.7.3.3.3.5 Besonderheiten bei Wohnerbbaurechten

157 157 158 158 158 159 160 161 163

2.7.4 Entstehimg und Übertragung des Erbbaurechts

164

2.7.4.1 Entstehung 2.7.4.1.1 Einigung und Erbbauvertrag 2.7.4.1.2 Grundbuchlicher Vollzug 2.7.4.1.3 Gesetzliche Rechtswirkungen 2.7.4.1.3.1 Eigentum und Besitz am Bauwerk 2.7.4.1.3.2 Rechte an nichtÜberbauten Grundstücksflächen

164 164 164 165 165 165

2.7.4.2 Übertragung

165

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2

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2.7.5 Kosten 2.7.5.1 Begründung des Erbbaurechts 2.7.5.1.1 Notarkosten 2.7.5.1.2 Grundbuchkosten 2.7.5.2 Verkauf des Erbbaurechts 2.7.5.2.1 Notarkosten 2.7.5.2.2 Grundbuchkosten

166 166 166 167 167 167 167

2.7.6 Die Beleihung und Beendigung des Erbbaurechts 2.7.6.1 Beleihung des Erbbaurechts 2.7.6.1.1 Engerer Beleihungsrahmen 2.7.6.1.2 Kollision von Sicherungsinteressen 2.7.6.1.2.1 Das bis zum 30. September 1994 geltende Recht 2.7.6.1.2.2 Das seit dem 01. Oktober 1994 geltende Recht 2.7.6.1.2.3 Fortbestehende Bedeutung der altrechtlichen Hilfslösungen 2.7.6.2 Beendigung des Erbbaurechts 2.7.6.2.1 Beendigung durch Aufhebung/Aufgabe 2.7.6.2.2 Beendigung durch Zeitablauf

168 168 168 168 168 169 170 170 170 171

2.7.7 Grunderwerbsteuer 2.7.7.1 Zu versteuernde Rechtsvorgänge 2.7.7.1.1 Bestellung des Erbbaurechts 2.7.7.1.2 Übertragung des Erbbaurechts 2.7.7.1.3 Aufhebung und Erlöschen des Erbbaurechts 2.7.7.1.4 Heimfall des Erbbaurechts 2.7.7.1.5 Verlängerung bzw. Erneuerung des Erbbaurechts 2.7.7.1.6 Zwangsversteigerung des Erbbaurechts 2.7.7.1.7 Erwerb des Erbbaugrundstücks durch den Erbbauberechtigten 2.7.7.2 Besteuerungsgrundlagen 2.7.7.2.1 Bestellung des Erbbaurechts 2.7.7.2.2 Übertragung des Erbbaurechts 2.7.7.2.3 Erlöschen, Aufhebung 2.7.7.2.3.1 Bei Entschädigimg 2.7.7.2.3.2 Ohne Entschädigung 2.7.7.2.4 Heimfall 2.7.7.2.5 Verlängerung, Erneuerung

171 171 171 172 173 173 174 174 174 175 175 175 176 176 176 176 177

Literaturverzeichnis zu Kap. 2.7

178

2 Grundstücksverkehr

145

2.7 Das Erbbaurecht Wolfgang Usinger 2.7.1

Vorbemerkung

2.7.1.1

Anwendungsbereiche

Die Erbbaurechtsverordnung vom 15. Januar 1919 war vom damaligen Gesetzgeber vor allem als wohnungsbaupolitische Maßnahme gedacht. Auch heute noch liegt der Hauptanwendungsbereich des Erbbaurechts im Wohnungsbau, doch werden zunehmend auch gewerbliche und sonstige Bauten im Erbbaurecht errichtet (ζ. B. Bürogebäude, Lagerhallen, Industrieanlagen). Das Erbbaurecht als Alternative zum Grundstückskauf ist außerdem von Bedeutung, wo große Grundstücksflächen benötigt werden, der kapitalintensive Grundstückskauf sich aber nicht rechnet (ζ. B. bei Sportanlagen, Golfplätzen). 2.7.1.2

Begriff und Rechtsnatur

Das Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche Recht, ein Bauwerk auf - i. d. R.fremdem Grund und Boden zu errichten und zu unterhalten. Es ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Gebäude wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks ist und nicht Gegenstand besonderer Rechte sein kann (§§ 93,946 BGB). Die Errichtung und Unterhaltung eines Gebäudes kann auch im Rahmen eines Nießbrauchs (§§ 1030 ff. BGB), einer Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff. BGB), einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 ff. BGB) oder eines Miet- oder Pachtvertrages gestattet werden. Ein aufgrund einer solchen Gestattung errichtetes Gebäude wird jedoch i. d. R. Eigentum des Grundstückseigentümers und nicht des Rechtsinhabers (von Oefele/Winkler, 1. Kapitel Rn. 1.33 und 1.35). Anders beim Erbbaurecht: Die Kraft Erbbaurechts errichteten Gebäude stehen nicht im Eigentum des Grundstückseigentümers, sondern in dem des Erbbauberechtigten. 2.7.2

Inhalt des Erbbaurechts

2.7.2.1 2.7.2.1.1

Gesetzlicher Inhalt Belastungsgegenstand

Die Anforderungen, die das Gesetz an den Inhalt des Erbbaurechts stellt, sind gering. Erforderlich ist gemäß § 1 Abs. 1 ErbbauVO, dass ein Grundstück in der Weise belastet

146

2 Gmndstücksverkehr

wird, dass demjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das veräußerliche und vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Das Erbbaurecht darf nicht auflösend bedingt bestellt werden (§ 1 Abs. 4 Satz 1 ErbbauVO),

und

es

muss

die

erste

Rangstelle

im

Grundbuch

haben

(§ 10 Abs. 1 ErbbauVO). Ein Erbbaurecht kann nur an einem Grundstück als Ganzes bestellt werden. Soll nur ein Grundstücksteil mit dem Erbbaurecht belastet werden, muss dieser Teil zunächst vermessen, katasteramtlich fortgeschrieben und im Grundbuch als selbstständiges Grundstück eingetragen sein. Wird nur ein Teil des Grundstücks für das Bauwerk benötigt, kann dennoch das gesamte Grundstück mit dem Erbbaurecht belastet werden (§ 1 Abs. 2 ErbbauVO), sofern das Bauwerk wirtschaftlich die Hauptsache bildet. Auch kann die Ausübung des Erbbaurechts auf einzelne Grundstücksteile und Gebäude beschränkt werden (OLG Zweibrücken FG Prax 1996 S. 131). Ein Erbbaurecht kann auch zu Lasten mehrerer Grundstücke bestellt werden („Gesamterbbaurecht"). Das wird ζ. B. erforderlich, wenn durch ein zu errichtendes Gebäude mehrere Grundstücke überbaut werden. Keine Belastung des Grundstücks, sondern eine Belastung des Erbbaurechts, ist das sog. Untererbbaurecht. Es kommt in Betracht, wenn etwa an einem größeren Areal ein Erbbaurecht für einen Bauträger bestellt worden ist, der darauf errichtete Häuser an einzelne Erwerber veräußern will, ohne das Erbbaurecht real aufteilen zu wollen oder zu können. Das Untererbbaurecht wird als Belastung des Erbbaurechts in Abt. II des Erbbaugrundbuchs eingetragen, ist aus der Sicht des Bauträgers allerdings, sofern nach dem Erbbauvertrag überhaupt zulässig, nachteilig, weil er, anders als bei Aufteilung des Erbbaurechts in Einzelerbbaurechte und deren Veräußerung an die Erwerber, bei Bildung von Untererbbaurechten für den Erbbauzins weiter haftet. Außerdem sind Untererbbaurechte erfahrungsgemäß schwer beleihbar, was darauf beruht, dass sie im Falle des Heimfalls des Erbbaurechts, auf dem sie lasten, untergehen. Untererbbaurechte haben deshalb in der Praxis so gut wie keine Bedeutung erlangt. 2.7.2.1.2

Erbbauberechtigter

Erbbauberechtigter kann jede natürliche oder juristische Person sein. Das Erbbaurecht kann auch Personenmehrheiten zustehen. Hier gilt nichts anderes als bei Grundstücken oder anderen Rechten an einem Grundstück.

2 Grundstücksverkehr

147

Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich sogar selbst ein sog. Eigentümererbbaurecht bestellen, was allerdings i. d. R. nur geschieht, wenn er das Erbbaurecht dann veräußern will. Dadurch wird die Finanzierung für den Erwerber erleichtert, da bereits das Erbbaurecht für die Beleihung zur Verfügung steht. 2.7.2.1.3

Das Bauwerk

Als Bauwerk gilt jede „unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache" (RGZ 56, 43). Bauwerk ist also nicht gleichbedeutend mit Gebäude. Dem gemäß kann Gegenstand eines Erbbaurechts ζ. B. auch die Errichtung von Straßen, Brücken, Gleisanlagen, Industrie- und Hafenanlagen sowie Sportanlagen (ζ. B. Golfanlagen und Tennisplätzen) sein. Bei Bestellung des Erbbaurechts muss die Art des Bauwerks näher bestimmt werden. Allzu strenge Maßstäbe werden an eine Konkretisierung allerdings nicht gestellt. Grundsätzlich muss aus ihr aber mindestens hervorgehen, ob es sich ζ. B. um ein oder mehrere Bauwerke handeln oder ob ein Wohnhaus oder ein gewerblich genutztes Gebäude errichtet werden soll (BGH DNotZ 1974 S. 90; Linde/Richter Rn. 76). Die Bestellung eines Erbbaurechts ist sogar möglich, wenn zu dem Bauvorhaben noch keine konkreten Angaben gemacht werden können, weil mit der Bauplanung noch nicht begonnen wurde. Dies ist ζ. B. immer dann der Fall, wenn sich Wohnungsbauunternehmen Bauerwartungsland für künftige Bauvorhaben durch Erbbaurechte sichern wollen. Hier ist die Angabe ausreichend, dass der Erbbauberechtigte berechtigt ist, Gebäude aller Art in Übereinstimmung mit dem zu erstellenden Bebauungsplan zu errichten (BGH WM 1994 S. 1220 f.; BGH NJW1987 S. 2674 ff). 2.7.2.1.4 2.7.2.1.4.1

Rangstelle Gebot der ersten Rangstelle

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO muss das Erbbaurecht an ausschließlich erster Rangstelle im Grundbuch eingetragen werden. Die Eintragung nach vorrangigen Rechten ist eine inhaltlich unzulässige Eintragung, die kein wirksames Erbbaurecht entstehen lässt und gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO von Amts wegen zu löschen ist (Haegele/Schöner/Stöber Rn. 1740). 2.7.2.1.4.2

Ausnahmen

Vorrangig können allerdings Rechte sein, die zu ihrer Wirksamkeit nicht im Grundbuch eingetragen werden müssen und auch durch gutgläubigen Erwerb des Grundstücks in

148

2 Grundstücksverkehr

ihrem Bestand nicht berührt werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO). Daher dürfen ζ. B. alte Dienstbarkeiten, die zu ihrer Entstehung nicht ins Grundbuch eingetragen werden mussten, dem Erbbaurecht im Rang vorgehen. Gleiches gilt für öffentlich-rechtliche Beschränkungen, wie sie sich ζ. B. aus der Durchführung von Umlegungs-, Sanierungsund Entwicklungsverfahren nach dem BauGB (Unschädlich sind auch Notweg- und Überbaurenten, öffentlich-rechtliche Vorkaufsrechte und Lasten wie ζ. B. Erschließungsbeiträge nach BauGB. Gemäß § 10 Abs. 2 ErbbauVO können darüber hinaus durch landesrechtliche Bestimmungen Ausnahmen von dem Gebot der ausschließlich ersten Rangstelle des Erbbaurechts zugelassen werden) ergeben, die zwar im Grundbuch vermerkt werden sollen (vgl. §§ 54 Abs. 1,143 Abs. 2 und 165 Abs. 9 BauGB), zur Entfaltung ihrer beschränkenden Wirkimg dieser Eintragung aber nicht bedürfen. Der Bestand des Erbbaurechts in der Zwangsversteigerung ist durch diese Ausnahmeregelungen nicht gefährdet, da derartige Rechte entweder in keinem Rangverhältnis zum Erbbaurecht stehen oder aber § 25 ErbbauVO eingreift, wonach das Erbbaurecht bestehen bleibt, auch wenn ein gleich- oder vorrangig dinglich Berechtigter die Zwangsversteigerung betreibt. 2.7.2.1.5 2.7.2.1.5.1

Bedingungen und Befristungen Bedingungen

Es ist zulässig, ein Erbbaurecht unter einer aufschiebenden Bedingung zu bestellen, ζ. B. unter der Bedingimg, dass ein bestimmtes Baurecht für das Erbbaugrundstück geschaffen wird. Unzulässig ist es hingegen, das Erbbaurecht unter eine auflösende Bedingung zu stellen, also etwa zu vereinbaren, dass es bei Eintritt bestimmter Umstände (ζ. B. Insolvenz des Erbbauberechtigten oder Verzug mit der Zahlung des Erbbauzinses) ohne Weiteres erlischt. Diese unterschiedliche Behandlung ist nötig, um die Beleihbarkeit des Erbbaurechts nicht zu gefährden. Andernfalls könnte es geschehen, dass mitsamt dem Erbbaurecht auch darauf eingetragene Grundpfandrechte und andere dingliche Rechte bei Bedingungseintritt erlöschen. Von der auflösenden Bedingung zu unterscheiden ist die Vereinbarung eines Heimfalls des Erbbaurechts gemäß § 2 Ziff. 4 ErbbauVO bei Eintritt bestimmter Bedingungen, die Parteien nach Belieben vereinbaren können. Die Beleihbarkeit des Erbbaurechts beein-

2 Grundstäcksverkehr

149

trächtigen solche Heimfallvereinbarungen nicht, da nach § 33 ErbbauVO Grundpfandrechte und Reallasten beim Heimfall bestehen bleiben. Da die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts für die Zeit nach Entstehung des Erbbaurechts im Ergebnis auf eine auflösende Bedingung hinausliefe, wird sie von der Rechtsprechung als unzulässig betrachtet, und zwar für den Grundstückseigentümer wie für den Erbbauberechtigten. Dagegen ist ein Rücktrittsrecht für die Zeit bis zum grundbuchlichen Vollzug des Erbbaurechts möglich. Dasselbe gilt sinngemäß für den Rücktritt vom Erbbaurechtsvertrag wegen eines Grundstücksmangels. 2.7.2.1.5.2

Befristungen

Zur Dauer des Erbbaurechts enthält die ErbbauVO keine Regelung. Das Erbbaurecht könnte unbefristet bestellt werden (sog. ewiges Erbbaurecht), doch ist eine Befristung üblich, früher häufig auf 99 Jahre, heute vermehrt auf 30 bis 60 Jahre - je nach der Interessenlage, namentlich auch entsprechend der angenommenen Lebensdauer des Bauwerks und der Tilgungsdauer der Finanzierung (Linde/ Richter Rn. 91). Eine zu kurze Dauer erschwert die Beleihbarkeit. 2.7.2.1.6

Veräußerlichkeit, Vererblichkeit und Belastbarkeit des Erbbaurechts

Mit Ausnahme der §§ 925,927 und 928 BGB gelten für das Erbbaurecht die Vorschriften über Grundstücke (§ 11 Abs. 1 ErbbauVO). Danach ist es veräußerlich und vererblich und kann belastet werden, insbesondere auch mit Grundpfandrechten. 2.7.2.2 2.7.2.2.1

Vertraglicher Inhalt des Erbbaurechts Allgemeines

Die unter Rn. 4 ff. dargestellten Merkmale des Erbbaurechts sind der gesetzliche Mindestinhalt, ohne den das Erbbaurecht nicht entstehen kann. Diese Minimalanforderungen des Gesetzes reichen den Parteien i. d. R. jedoch nicht aus, weswegen sie vielfach ergänzende Regelungen treffen, ζ. B. über eine Gegenleistung für die Einräumung des Erbbaurechts, die Gestaltung und Nutzung des zu errichtenden Bauwerks, Verfügungsbeschränkungen, Vorkaufsrechte usw. Der Gesetzgeber hat mit der ErbbauVO ein flexibles Regelungswerk geschaffen, das den Parteien eine weitgehende Gestaltungsfreiheit einräumt, die sich in der Praxis allerdings weitgehend als Gestaltungsfreiheit der Erbbaurechtsausgeber manifestiert, deren Vertragsformulare i. d. R. den Charakter allgemeiner Geschäftsbedingungen i. S. d. §§ 305 ff. BGB haben.

150

2 Grundstücksverkehr

Die §§ 3 bis 8 ErbbauVO enthalten weitere Regelungen, die zum Inhalt des Erbbaurechts gemacht werden können und meist auch gemacht werden. Die Parteien können darüber hinaus - lediglich beschränkt durch die allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit - beliebige weitere Regelungen treffen, die allerdings nicht Inhalt des Erbbaurechts werden, sondern grundsätzlich nur schuldrechtliche Wirkung haben. D. h., sie wirken nur zwischen den Parteien, die sie vereinbart haben, und gehen bei einer Veräußerung des Grundstücks oder Erbbaurechts auf deren Rechtsnachfolger nur über, soweit das ausdrücklich mit diesen vereinbart wird. 2.7.2.2.2

Gesetzlich vorgesehene Ausgestaltung nach § 2 ErbbauVO

1. Errichtung, Instandhaltung und Verwendung des Bauwerks § 2 Ziff. 1 ErbbauVO eröffnet die Möglichkeit, genaue Regelungen über Errichtung, Instandhaltung und Verwendung des Erbaugebäudes zum Inhalt des Erbbaurechts zu machen. Der Grundstückseigentümer hat in aller Regel ein eigenes Interesse daran, wann und wie das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück bebaut wird, da aus dem zu errichtenden Bauwerk der Erbbauzins erwirtschaftet werden muss und bei Beendigung des Erbaurechts oder bei Geltendmachung eines Heimfallrechts das Bauwerk gegen Entschädigung zu übernehmen ist (§§ 32, 27 ErbbauVO). Insbesondere Gemeinden oder Kirchen als Erbbaurechtsausgeber wollen zudem i. d. R. überwachen, ob das Grundstück auch tatsächlich für die Zwecke genutzt wird, zu denen sie das Erbbaurecht ausgegeben haben. Im Rahmen des § 1 ErbbauVO (s. Rn. 12) genügt eine grobe Festlegung des Bauwerks. Zudem hat nach dieser Vorschrift der Erbbauberechtigte das Recht, nicht aber die Pflicht zur Errichtung. § 2 Ziff. 1 ErbbauVO ermöglicht den Parteien hingegen mit dinglicher und für den Erbbauberechtigten verpflichtender Wirkung eine detaillierte vertragliche Regelung von Errichtung, Instandhaltung und Verwendung des Bauwerks. Entsprechende Verpflichtungen enthalten die Vertragsmuster fast aller Erbbaurechtsausgeber. 2. Versicherung und Wiederaufbau des Bauwerks Gemäß § 2 Ziff. 2. ErbbauVO kann zum dinglichen Inhalt des Erbbaurechts auch die Verpflichtung gemacht werden, das im Erbbaurecht errichtete Bauwerk versichert zu halten und bei Zerstörung wieder aufzubauen. Eine solche Vereinbarung liegt im Interesse beider Vertragsparteien.

2 Grundstücksverkehr

151

Inhalt einer Versicherungspflicht gemäß § 2 Ziff. 2. ErbbauVO können alle Versicherungen sein, die das Bauwerk selbst betreffen, also insbesondere Versicherungen gegen Feuer-, Sturm- und Wasserschäden, nicht dagegen persönliche Versicherungen wie private Haftpflicht und ähnliches (Ingenstau § 2 Rn. 27 m.w.N). Es steht den Parteien jedoch frei, derartiges schuldrechtlich zu vereinbaren. Die Vereinbarung einer Wiederaufbaupflicht hat für die Parteien erhebliche Bedeutung, da es ohne entsprechende Verpflichtung dem Erbbauberechtigten freisteht, ob er ein zerstörtes Gebäude wieder errichten will. 3. Lastentragung Der Erbbauberechtigte wird üblicherweise verpflichtet, die auf dem Grundstück ruhenden Lasten und Abgaben zu tragen (§ 2 Ziff. 3 ErbbauVO), vor allem die öffentlichen. Hierunter fallen alle an den Staat, an Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Verbände zu erbringenden Steuern und Abgaben, insbesondere Grund- und Gebäudesteuern, aber auch Erschließungskosten und Anliegerbeiträge nach dem BauGB und kommunalen Satzungen. 4. Heimfall a. Definition Von großer praktischer Bedeutung ist § 2 Ziff. 4 ErbbauVO, wonach die Parteien mit dinglicher Wirkung als Inhalt des Erbbaurechts die Verpflichtimg des Erbbauberechtigten vereinbaren können, das Erbbaurecht bei Eintreten bestimmter Umstände an den Grundstückseigentümer oder einen von diesem zu bestimmenden Dritten zu übertragen (»Heimfall«). b. Zweck Die Heimfallregelung ist der Ausgleich dafür, dass dem Grundstückseigentümer bei vertragswidrigem Verhalten des Erbbauberechtigten die sonst üblichen Mittel wie Kündigung oder Rücktritt vom Vertrag nach der ErbbauVO versagt sind (s. Rn. 17). Erbbauverträge enthalten daher regelmäßig eine Heimfallklausel. c. Heimfallgründe Eine gesetzliche Beschränkung der Heimfallgründe gibt es, soweit sich nicht aus Rn. 31 etwas anderes ergibt, nicht. Selbstverständlich sind die Parteien aber an die üblichen Grenzen der Vertragsfreiheit, also die guten Sitten (§ 138 BGB) und Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebunden. Handelt es sich bei dem Text des Erbbauvertrages um einen Formularvertrag - wie regelmäßig bei institutionellen Erbbaurechtsausge-

152

2 Grundstücksverkehr

bern (ζ. Β. Kirche, Gemeinde) -, sind außerdem die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) zu beachten. Innerhalb dieses Rahmens sind die Parteien allerdings in der Gestaltung der Heimfallgründe frei. Nach der Rechtsprechung ist sogar die Vereinbarung eines Heimfallanspruchs für jeden Fall der Verletzung erbbauvertraglicher Verpflichtungen zulässig (BGH NJW1984 S. 2213 ff). Zur Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit §§ 305 ff. BGB hat der BGH allerdings noch nicht Stellung genommen, sodass jedenfalls in Formularverträgen die Heimfallgründe im einzelnen aufgeführt werden sollten und außer im Fall des Zahlungsverzugs - die Ausübung des Heimfallrechts von einer vorherigen fruchtlosen Abmahnung abhängig gemacht werden sollte. Insbesondere der Erbbauberechtigte wird ohnehin darauf dringen, den Kreis der Heimfallgründe nicht zu weit zu ziehen und sie exakt festzulegen. Als Heimfallgründe kommen insbesondere die Nichterfüllung der Pflicht zur Errichtung und Instandhaltung eines Bauwerks und der Zahlungsverzug mit mindestens zwei voller Jahresbeträgen des Erbbauzinses (§ 9 Abs. 4 ErbbauVO) oder Vermögensverfall das Erbbauberechtigten in Betracht. Bei letzterem wird i. d. R. auf die Eröffnung eines Insolvenz- oder Vergleichsverfahrens abgestellt (Kirchliche Erbbaurechtsausgeber bedingen sich darüber hinaus regelmäßig den Heimfall des Erbbaurechts für den Fall aus, dass der Erbbaurechtsnehmer sich kirchenfeindlich verhält). d. Rechtsfolgen des Heimfalls Hat sich ein Heimfallgrund verwirklicht, so kann der Grundstückseigentümer die Rückübertragung

des

Erbbaurechts

auf

sich

oder

einen

Dritten

verlangen

(§ 3 ErbbauVO). Der Anspruch verjährt innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Heimfallberechtigte von den Heimfallvoraussetzungen Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht darauf zwei Jahre ab deren Eintritt (§ 4 ErbbauVO). Zur Rückübertragung bedarf es der Einigung und Eintragung im Grundbuch. Bei Rückübertragung bleiben gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO die auf dem Erbbaurecht lastenden Hypotheken, Grund- und Rentenschulden sowie Reallasten bestehen, soweit sie nicht dem Erbbauberechtigten selbst zustehen. Gemäß §§ 42 Abs. 1, 31 WEG bleiben Dauerwohn- und Dauernutzungsrechte wirksam, ebenso die Vormerkung eines gesetzlichen Anspruchs auf Eintragimg einer Sicherungshypothek (§ 33 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO). Der Grundstückseigentümer muss sich außerdem darüber im klaren sein, dass er bei persönlicher Haftung des Erbbauberechtigten für ein auf dem Erbbaurecht lastendes Grundpfandrecht dessen persönliche Schuld kraft

2 Grundstücksperkehr

Gesetzes übernimmt (§ 33 Abs. 2 ErbbauVO). Da Grundpfandrechte i. d. R. zur Absicherung von Darlehensverbindlichkeiten bestellt werden, ist die persönliche Haftung des Erbbauberechtigten und damit die Schuldübernahme des Grundstückseigentümers infolge Geltendmachung eines Heimfallanspruchs der Normalfall. Alle anderen auf dem Erbbaurecht ruhenden dinglichen Rechte erlöschen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 ErbbauVO, insbesondere also Dienstbarkeiten, Nießbrauchrechte, Vorkaufsrechte und auch Untererbbaurechte (Die Beleihbarkeit von Untererbbaurechten ist aus diesem Grunde erschwert. Das Erlöschen tritt mit dem dinglichen Vollzug der Übertragung des Erbbaurechts auf den Grundstückseigentümer oder den von ihm benannten Dritten, i. d. R. also mit Eintragung der (Rück-) Übertragimg im Grundbuch, kraft Gesetzes ein). Der Erbbauberechtigte erleidet (wie die Gläubiger der in Rn. 34 genannten dinglichen Rechte) einen vollständigen Rechtsverlust. Das Erbbaurecht besteht zwar fort, wird ihm aber entzogen. Allerdings steht ihm gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO hierfür eine Vergütung zu. Vereinbarungen über deren Höhe, aber auch - außer bei Wohnerbbaurechten für Minderbemittelte (§ 32 Abs. 2 ErbbauVO) - über deren Ausschluss können gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO zum dinglichen Inhalt des Erbbaurechts gemacht werden. Häufig wird bei für Wohnzwecke ausgegebenen Erbbaurechten in Anlehnimg an die Regelung de § 32 Abs. 2 ErbbauVO eine Entschädigung von 2/3 des Verkehrswerts des Erbbaurechts zur Zeit der Übertragung vereinbart (Linde/Richter Rn. 112). Bei für gewerbliche Zwecke ausgegebenen Erbbaurechten ist die Schwankungsbreite groß. Sie reicht vom gänzlichen Ausschluss (ζ. B. bei industriellen Zweckbauten, die ausschließlich für den Erbbauberechtigten von Nutzen sind) bis zur Entschädigung des voller Verkehrswerts. I. d. R. werden » Strafabschläge« auf den Verkehrswert vereinbart, die bis zu 50 % gehen und der Tatsache Rechnung tragen, dass die Rückübertragung wegen Ausübung des Heimfallrechts, also wegen vertragswidrigen Verhaltens des Erbbauberechtigten, erfolgt. Unangemessen hohe Strafabschläge können allerdings, formularmäßig vereinbart, wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam sein. 5. Vertragsstrafe Als Inhalt des Erbbaurechts können die Parteien gemäß § 2 Ziff. 5 ErbbauVO auch die Verpflichtung des Erbbauberechtigten zur Zahlung einer Vertragsstrafe bei Verstoß gegen die übernommenen Verpflichtungen vereinbaren. Die Vertragsstrafe kann an dieselben Verstöße geknüpft werden wie das Heimfallrecht. Beide Sanktionen können kumu-

153

154

2 Grundstücksi'erkehr

lativ oder alternativ vereinbart werden. Der Vertragsstrafanspruch verjährt wie der Heimfallanspruch (s. Rn. 32). Fällt der Erbbaurechtsvertrag unter die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB, sind die sich daraus für Vertragsstrafenvereinbarungen ergebenden Beschränkungen zu beachten

(siehe dazu:

Usinger, Kap. 5, Rn. 50). 6. Vorrecht auf Erneuerung und Verpflichtung des Grundstückseigentümers zum Verkauf des Grundstücks an den Erbbauberechtigen Als dinglichen Erbbaurechtsinhalt können die Parteien festlegen, dass der Erbbauberechtigte einen Anspruch auf Neueinräumung des Erbbaurechts hat, wenn der Grundstückseigentümer innerhalb von drei Jahren nach Ablauf der Erbbaurechtszeit an demselben Grundstücke einem Dritten ein Erbbaurecht bestellt (§ 2 Ziff. 6 ErbbauVO i. V. m. § 31 ErbbauVO). Diese Regelung ist in der Praxis bislang bedeutungslos geblieben (Linde/Richter Rn. 118). Dagegen ist von Bedeutung § 2 Ziff. 7 ErbbauVO, wonach die Parteien vereinbaren können, dass der Erbbauberechtigte unter bestimmten Voraussetzungen das Recht haben soll, das Erbbaugrundstück zu kaufen. Wenn ein solches Ankaufsrecht zum Inhalt des Erbbauvertrags gemacht wird, wirkt es für die gesamte Dauer des Bestehens des Erbbaurechts zugunsten des jeweiligen Erbbauberechtigten und zu Lasten des jeweiligen Grundstückseigentümers. Ein solches Ankaufsrecht ist für den Erbbauberechtigten insbesondere dann interessant, wenn er zunächst das Kapital für den Grunderwerb nicht einsetzen will oder kann, sich die Erwerbsoption für die Zukunft aber offen halten will. Wenn - wie zumeist - Erbbaurechtsausgeber Staat, Kommune oder Kirche ist, lässt sich ein solches Ankaufsrecht allerdings i. d. R. nicht durchsetzen. 7. Verfügungsbeschränkungen des Erbbauberechtigten a. Allgemeines Gemäß §§ 5 bis 8 ErbbauVO kann auch zum Inhalt des Erbbaurechts gemacht werden, dass der Erbbauberechtigte zur Veräußerimg des Erbbaurechts oder zu dessen Belastung mit bestimmten dinglichen Rechten der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf. Aus der Sicht des Grundstückseigentümers ist das erwünscht, damit er Einfluss darauf nehmen kann, wer sein Vertragspartner als Erbbauberechtigter wird. Der Grundstückseigentümer hat außerdem ein großes Interesse daran, bei der Belastung des Grundstücks mit bestimmten dinglichen Rechten mitzubestimmen, da solche Rechte - wie oben (Rn. 33) aufgezeigt - beim Heimfall des Erbbaurechts auf ihn übergehen. Für den Erbbauberechtigten sind Verfügungsbeschränkungen natürlich lästig, da sie die Veräußerung oder Beleihung des Erbbaurechts erschweren. Hierin

2 Gmndstiicksi'erkehr

155

liegt - neben der Nichtteilhabe des Erbbauberechtigten an der Entwicklung des Grundstückswerts - eine wesentliche Ursache dafür, dass Erbbaurechte im Bereich der nicht zu Wohnzwecken erfolgenden Bebauung bislang nur in relativ geringem Umfang Verbreitung gefunden haben. b. Zustimmung zur Veräußerung Ist die Zustimmung des Grundstückseigentümers zur »Veräußerung« vorbehalten, gilt dies für jede Übertragung unter Lebenden und gemäß § 8 ErbbauVO auch für den Erwerb durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung. c. Zustimmung zu sonstigen Verfügungen Der Zustimmungsvorbehalt des Eigentümers zur Erbbaurechtsbelastung kann gemäß § 5 Abs. 2 ErbbauVO als Inhalt des Erbbaurechts, d. h. mit dinglicher Wirkimg, nur für Hypotheken, Grund- oder Rentenschulden und Reallasten vereinbart werden (Diese Beschränkung hat ihre Entsprechimg in § 33 ErbbauVO (s. Rn. 33), der lediglich für diese Rechte das Bestehenbleiben beim Heimfall des Erbbaurechts anordnet). Da Dauerwohn- und -nutzungsrechte nach §§ 31 ff. WEG gemäß § 42 Abs. 2 WEG wie die vorgenannten Rechte beim Heimfall des Erbbaurechts ebenfalls bestehen bleiben, wird folgerichtig angenommen, dass auch für die Belastung des Erbbaurechts mit solchen Rechten die Zustimmung des Grundstückseigentümers mit dinglicher Wirkung vorbehalten werden kann (Diese Beschränkung hat ihre Entsprechung in § 33 ErbbauVO (s. Rn. 33), der lediglich für diese Rechte das Bestehenbleiben beim Heimfall des Erbbaurechts anordnet). Auf andere Rechte (ζ. B. Nießbrauch, Dienstbarkeiten, s. Rn. 34) findet § 5 Abs. 2 ErbbauVO keine Anwendung. Die Parteien können allerdings schuldrechtlich, d. h. mit Wirkung nur zwischen ihnen und nicht als Inhalt des Erbbaurechts, die Zustimmungsbedürftigkeit auch solcher Grundstücksbelastungen oder schlichter schuldrechtlicher Vereinbarungen wie Miet- und Pachtverträge vereinbaren. d. Rechtsfolgen fehlender Zustimmung Bedarf die Veräußerung und Belastung des Erbbaurechts nach dem Inhalt des Erbbaurechts der Zustimmung (d. h.: wirkt das Zustimmungserfordernis dinglich), ist die ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers vorgenommene Verfügung zunächst schwebend und nach Verweigerung der Zustimmung endgültig unwirksam. Wirkt das Zustimmungserfordernis nur schuldrechtlich, ist eine ohne Zustimmung vorgenommene Belastung oder eingegangene schuldrechtliche Verpflichtung (ζ. B. der Abschluss von Miet- oder Pachtverträgen) zwar wirksam (§ 137 BGB), doch kann

156

2 Grundstücksverkehr

sich der Grundstückseigentümer schützen, indem er im Erbbauvertrag festlegt, dass hierin ein Heimfallgrund liegen soll (s. Rn. 27 ff.). e. Verpflichtung zur Zustimmung Der Grundstückseigentümer darf seine Zustimmung nicht willkürlich verweigern. Insbesondere muss er der Veräußerung und der Belastung des Erbbaurechts zustimmen, wenn der mit dem Erbbaurecht verfolgte Zweck dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt wird und - bei Veräußerung - der Erwerber Gewähr für die ordnungsgemäße Erfüllung der sich aus dem Erbbaurechtsvertrag ergebenden Verpflichtungen bietet (§ 7 ErbbauVO). Die ohne ausreichenden Grund verweigerte Zustimmung kann durch gerichtliche Entscheidung ersetzt werden (§ 7 Abs. 3 ErbbauVO). Da der Zustimmungsvorbehalt oft zu Problemen bei der Beleihung des Erbbaurechts führt, empfiehlt es sich, im Vertrag genau die Voraussetzungen zu regeln, unter denen eine Zustimmimg zu erteilen ist. Oft wird der Eintragung von Grundpfandrechten zwecks Finanzierung der durchzuführenden Baumaßnahmen bereits im Erbbauvertrag zugestimmt, wenn sie einen bestimmten Prozentsatz der Investitionssumme oder des Werts des Bauwerks nicht übersteigen. Der Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung wird im Erbbauvertrag oft vorab für den Fall zugestimmt, dass der Ersteigerer in alle Verpflichtungen aus dem Erbbaurechtsvertrag eintritt und die Erbbauzinsreallast zur Sicherimg des Erbbauzinses bestehen bleibt (Vgl. Linde/Richter Rn. 263 m. w. N.; die Zulässigkeit einer solchen einschränkenden Vereinbarung wurde jedoch noch nicht höchstrichterlich bestätigt). 2.7.3 2.7.3.1

Ergänzende Vereinbarungen Vorbemerkung

Ergänzend zur dinglichen Ausgestaltung des Erbbaurechts treffen die Parteien i. d. R. noch zahlreiche Vereinbarungen, die nicht Inhalt des Erbbaurechts werden, sondern grundsätzlich nur schuldrechtliche Wirkung haben (s. Rn. 20), ζ. B. die Vereinbarung einer Gegenleistung für das Erbbaurecht oder von Vorkaufs-, Ankaufs- und Wiederkaufsrechten. Manchmal wird auch eine Ankaufspflicht des Erbbauberechtigten in Bezug auf das Grundstück ausbedungen, doch sind der Zulässigkeit einer solchen Verpflichtung im Interesse des Erbbauberechtigten recht enge Grenzen gesetzt (Linde/Richter Rn. 206 ff. m. w. N). Derartige Rechte und Pflichten können zwar nicht Inhalt des Erbbaurechts, aber zumindest teilweise dadurch verdinglicht werden (und damit gegenüber jedermann wirken),

2 Grundstücksverkehr

157

dass sie als Belastungen des Erbbaurechts oder des Erbbaugrundstücks eingetragen werden. Dies gilt insbesondere für den Erbbauzins und das Vorkaufsrecht (s. Rn. 48 und 47). 2.7.3.2

Vorkaufsrecht

Die meisten Erbbauverträge enthalten ein Vorkaufsrecht für den Grundstückseigentümer am Erbbaurecht und ein Vorkaufsrecht für den Erbbauberechtigten am Grundstück. I. d. R. werden diese wechselseitigen Vorkaufsrechte als dingliche Vorkaufsrechte ausgestaltet (§§ 1094 bis 1104 BGB), und zwar zugunsten des konkreten Grundstückseigentümers bzw. Erbbauberechtigten bei Vertragsschluss (§ 1094 Abs. 1 BGB) oder zugunsten des jeweiligen Grundstückseigentümers bzw. Erbbauberechtigten (§ 1094 Abs. 2 BGB); letzteres ist die Regel. Für den Grundstückseigentümer wird die Einräumung eines Vorkaufsrechts zugunsten des Erbbauberechtigten nicht von allzu großer Bedeutung sein, da er für die Dauer des Erbbaurechts ohnehin kaum einen Erwerber für sein Grundstück finden wird. Anders sieht es für den Erbbauberechtigten aus. Hat er die Absicht, sein Erbbaurecht zu veräußern, so kann das Vorkaufsrecht zugunsten des Grundstückseigentümers sich als ernstzunehmendes Hindernis erweisen, da Kaufinteressenten mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Grundstückseigentümer rechnen müssen und sich deshalb unter Umständen auf Kaufverhandlungen gar nicht erst einlassen und da zudem der Eigentümer die Nichtausübung des Vorkaufsrechts nicht selten von einer Zustimmung des Erwerbers zu Änderungen des Erbbauvertrages (ζ. B. der Anhebung des Erbbauzinses) abhängig macht. Beabsichtigt der Erbbauberechtigte, das Erbbaurecht nach Errichtimg des Erbbaugebäudes zu veräußern, ist dringend anzuraten, das Vorkaufsrecht zumindest für diesen ersten Verkaufsfall auszuschließen. 2.7.3.3 2.7.3.3.1

Der Erbbauzins Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts

Der Grundstückseigentümer verfolgt mit der Ausgabe eines Erbbaurechts - neben ggf. ideellen, ζ. B. sozialen oder wohnungsbaupolitischen - regelmäßig wirtschaftliche Interessen. Er lässt sich daher als Gegenleistung für die Einräumung des Erbbaurechts den Erbbauzins versprechen (§9 ErbbauVO). Den Vereinbarungen über den Erbbauzins kommt neben den Bestimmungen über die Errichtung und Ausgestaltung des Bauwerks im Erbbaurechtsvertrag zentrale Bedeutung zu.

158

2

Grundstücksverkehr

Die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses ist nicht gesetzlicher Inhalt des Erbbaurechts. Soll ein Erbbauzins gezahlt werden, müssen die Parteien darüber ausdrückliche Vereinbarungen treffen. Sie sind in allen Erbbauverträgen enthalten. Der Erbbauzins ist als Entgelt in wiederkehrenden Leistungen für die Bestellung des Erbbaurechts definiert (§ 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO). Über die Art der wiederkehrenden Leistungen trifft das Gesetz keine Aussage. Die Parteien sind daher nicht auf die Vereinbarung von Geldleistungen festgelegt, dies ist jedoch der Normalfall. Üblich ist ein bestimmter Prozentsatz des Grundstückswerts (meist zwischen 4 % und 6 % jährlich). Die Zahlungen erfolgen i. d. R. viertel- oder halbjährlich im Voraus. Zulässig ist auch die Vereinbarung einer kapitalisierten einmaligen Erbbauzinszahlung (i. d. R. als Vorauszahlung) für die gesamte Dauer des Erbbaurechts oder die Vereinbarung einer Teilkapitalisierung für eine Teillaufzeit. 2.7.3.3.2

Sicherung durch Reallast

Die Erbbauzinsverpflichtung wird nicht dinglicher Inhalt des Erbbaurechts, kann zu Lasten des Erbbaurechts aber durch Eintragung als Reallast im Erbbaugrundbuch „verdinglicht" werden (Als Reallast ist im BGB eine dingliche Grandstücksbelastung des Inhalts definiert, dass ein denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind (§ 1105 Abs. 1 BGB)), was regelmäßig auch geschieht. Darauf ist der Grundstückseigentümer angewiesen, damit kein Dritter das Erbbaurecht gutgläubig ohne die Verpflichtimg zur Erbbauzinszahlung erwerben kann. Für den Erbbauzins gelten die Reallastvorschriften des BGB (§ 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO i. V. m. §§ 1105 ff. BGB). 2.7.3.3.3 2.7.3.3.3.1

Anpassung des Erbbauzinses Altes

Recht/Neues

Recht

Bis zum Inkrafttreten des Sachenrechtsänderungsgesetzes am 01.10.1994 (BGBl 1 1994 S. 2457 ff) bestimmte § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO a. F., dass der Erbbauzins nach Zeit und Höhe für die ganze Erbbauzeit im Voraus fest bestimmt sein musste. Nach der Änderung von § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO zum 01.10.1994 und insbesondere nach der weiteren Änderung von § 9 Abs. 2 ErbbauVO zum 16.06.1998 haben die Beteiligten nunmehr neben der bisherigen Regelung die Möglichkeit, eine Anpassungsklausel mit dinglicher Wirkimg zu vereinbaren; ihnen steht somit ein Wahlrecht zu.

2 Grundstücksz'erkehr

2.7.3.3.3.2

159

Erbbaurecht ohne dingliche Anpassungsklausel

Die feste Bestimmung des Erbbauzinses war und ist für den Grundstückseigentümer regelmäßig unbefriedigend, weil die meist lange Laufzeit des Erbbaurechts den Erbbauzins wegen des Kaufkraftschwunds und der steigenden Bodenwerte zunehmend entwertet. Die alte Regelung wird daher seit Inkrafttreten des Sachenrechtsänderungsgesetzes bei Erbbaurechtsneubestellungen kaum noch angewandt. 1. Schuldrechtliche Anpassungsklausel Unter Geltung des alten Rechts haben die Parteien regelmäßig schuldrechtlich vereinbart, dass der Erbbauzins einem bestimmten Prozentsatz des Bodenwertes entsprechen oder - bei Wohnungsbaurechten - der Entwicklung der Einkommen unc^oder der Lebenshaltungskosten angepasst werden soll. Meist wurde als Bezugsgröße ein Preisindex für Lebenshaltungskosten (nunmehr i. d. R. Verbraucherpreisindex von Deutschland) gewählt. Bei solchen Klauseln ist i. d. R. der Erbbauzins derart mit dem Lebenshaltungskostenindex verbunden, dass er sich automatisch entsprechend ändert, ohne dass es jedes Mal einer neuen Vereinbarung bedarf. Damit die Höhe des Erbbauzinses nicht zu häufigen Änderungen unterworfen ist, wurden meist gewisse Zeiträume und/oder eine bestimmte Punkt- oder Prozentzahl des Index festgelegt, die überschritten sein müssen, ehe eine Anpassung verlangt werden kann. 2. Sicherung durch Vormerkung Die schuldrechtliche Anpassungsvereinbarung wirkt nur zwischen den Vertragsparteien, die sie ausgehandelt haben. Eine gewisse Verdinglichung des Anspruchs auf Erhöhimg der Erbbauzinsreallast lässt sich allerdings dadurch erzielen, dass er durch Eintragung einer Vormerkung gemäß § 883 BGB im Grundbuch gesichert wird. Eine solche Vormerkimg wahrt gegenüber nachrangig eingetragenen Rechten am Erbbaurecht den Rang für die ggf. erhöhte Erbbauzinsreallast. Einem Erwerber des Erbbaurechts gegenüber wirkt die schuldrechtliche Anpassungsklausel allerdings trotz Eintragung einer Vormerkung in das Erbbaugrundbuch nur, wenn er auch in die Pflichten aus der schuldrechtlichen

Erbbauzinsanpassungsklausel

eingetreten

ist

(Ständige

BGH-

Rechtsprechung, vgl. BGH NJW-RR 1987 S. 74 f. m. w. N). Wurde dies versäumt, muss der Gläubiger sein Erhöhungsverlangen zunächst - notfalls im Klageweg - gegenüber dem alten Erbbauberechtigten geltend machen, um es dann aufgrund der Erhöhungsvormerkung auch gegenüber dem Erwerber durchsetzen zu können.

160

2 Grundstücksoerkehr

2.7.3.3.3.3

Erbbaurecht mit dinglicher Anpassungsklausel

Die Neufassung des § 9 ErbbauVO vom 01.10.1994 ermöglichte es zu bestimmen, dass die Verpflichtung zur Anpassimg an veränderte Verhältnisse zum Inhalt der Erbbauzinsreallast gemacht werden konnte und damit dinglich Wirkung entfaltete (§ 9 Abs. 2 Satz 2 ErbbauVO a. F.). Voraussetzung war allerdings, dass die Anpassung nach einem Zeitund Wertmaßstab bestimmbar war, ζ. B. durch Koppelung an den Lebenshaltungskostenindex (Rn. 53). Daneben stellte der Gesetzgeber durch die Bezugnahme auf die Regelungen der Reallast und damit auf § 1105 Abs. 1 Satz 2 BGB klar, dass auch im Bereich der dinglichen Anpassungsklauseln die Vereinbarung von automatischen Klauseln (Gleitklauseln) möglich ist. Für ihre inhaltliche Ausgestaltung gilt Rn. 53 entsprechend. In der weiteren Änderung des § 9 ErbbauVO zum 16.06.1998 - der derzeit geltenden Fassung - wurde die Zulässigkeit der dinglichen Gleitklausel erneut bestätigt, jedoch § 9 Abs. 2 S. 2 ErbbauVO gestrichen, der die Möglichkeit einer dinglichen Anpassungsverpflichtung regelte. Aus diesem Grunde ist nicht mehr klar, ob auch die dingliche Anpassungsverpflichtung noch Inhalt einer Erbbauzinsreallast sein kann. Diese Frage ist von der Rechtsprechung bisher - soweit ersichtlich - noch nicht abschließend entschieden und wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet (Für die Möglichkeit der dinglichen AnpassungsVerpflichtung als Inhalt der Reallast von Oefele/Winkler, Kapitel 6, Rn. 6.79 bis 6.81, dagegen Palandt/Bassenge, ErbbauVO § 9, Rn. 9). Die vorstehende Unsicherheit wird in der Praxis allerdings nicht relevant, wenn die Parteien des Erbbaurechtsvertrages auf die immittelbar wirkende Gleitklausel mit dinglicher Wirkung zurückgreifen. 1. Wirkimg der Anpassungsverpflichtung mit dinglicher Wirkimg Wenn die Anpassungsverpflichtung Inhalt der Erbbauzinsreallast und in das Grundbuch eingetragen ist, wirkt sie dinglich. Der jeweilige Reallastberechtigte (Grundstückseigentümer) kann einen Anpassungsanspruch also gegenüber dem jeweiligen Erbbauberechtigten geltend machen, und zwar auch dann, wenn dieser bei Erwerb des Erbbaurechts nicht ausdrücklich in die Pflichten aus der Anpassungsklausel eingetreten ist. Eine solche dingliche Wirkung kommt den Interessen des Grundstückseigentümers natürlich sehr entgegen. Dies führt dazu, dass in der Praxis fast nur noch dingliche Anpassungsklauseln oder aber dingliche Gleitklauseln vereinbart werden. 2. Wirkung der Gleitklausel mit dinglicher Wirkung Die übliche dingliche Gleitklausel bei der Reallast führt zu einer automatischen Anpassung bzw. Änderung der Reallast. Anders als bei Klauseln, die erst noch eine Anpas-

2 Grundstücksverkehr

161

sungsvereinbarung nötig machen, ist der Erbbauberechtigte hier unmittelbar verpflichtet, den sich aus der Wertsicherung ergebenden höheren Reallastbetrag zu zahlen. 3. Anpassung von alten Vereinbarungen Das Sachenrechtsänderungsgesetz hat allerdings keinen Anspruch auf die Anpassung alter Vereinbarungen an das neue Recht eingeführt. Die nach den bis 30.09.1994 geltenden Regelungen bestellten Reallasten und die zur Sicherung der schuldrechtlichen Anpassungsklauseln eingetragenen Vormerkungen werden daher wegen der langen Laufzeit der meisten Erbbaurechte noch lange in der Rechtspraxis zu finden sein. Soll die Anpassungsvereinbarung nachträglich zum Inhalt einer nach altem Recht bestellten Reallast gemacht werden, müssen die Inhaber nach- und gleichrangiger dinglicher Rechte am Erbbaurecht zustimmen, wenn die Anpassungsvereinbarung den Rang der Erbbauzinsreallast im Grundbuch haben soll (§ 9 Abs. 3 Satz 2 ErbbauVO) (Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 877 BGB; vgl. Palandt/ Bassenge, § 877, Rn. 6). Gleiches gilt, wenn eine Reallast mit Anpassungsklausel nach neuem Recht bestellt und zu einem Zeitpunkt eingetragen wird, zu dem schon dingliche Rechte am Erbbaurecht bestehen (Dies dürfte jedoch nur sehr selten vorkommen, da die Erbbauzinsreallast in aller Regel sogleich bei Begründimg des Erbbaurechts in das Erbbaugrundbuch eingetragen wird und zu diesem Zeitpunkt noch keine anderen am Erbbaurecht dinglich Berechtigten (dies werden zumeist Grundpfandrechtsgläubiger sein) vorhanden sind), sofern die Eintragung vorrangig oder gleichrangig mit dem bestehenden Recht erfolgen soll. 2.7.3.3.3.4

Genehmigungspflicht für Anpassungsklauseln

Eine an einen Lebenshaltungskostenindex gekoppelte Anpassungsklausel, die einen in der oben genannten Art ausgestalteten Automatismus vorsieht, bedarf, soweit nicht der Ausnahmetatbestand des § 1 Nr. 4 PrKV gegeben ist, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung, und zwar unabhängig davon, ob sie mit schuldrechtlicher oder dinglicher Wirkung vereinbart wird. 1. Genehmigung nach dem Währungsgesetz (WährG) Diese Genehmigungspflicht ergab sich bis zum 31.12.1998 aus § 3 WährG. Zuständig für die Erteilung der Genehmigung war die jeweilige Landeszentralbank. Die Genehmigung wurde i. d. R. erteilt, wenn die Klausel an einen durch das Statistische Bundesamt ermittelten Lebenshaltungskostenindex für die alten Bundesländer anknüpfte, eine Anpassung sowohl nach oben als auch nach unten vorsah und das Erbbaurecht für eine Zeit von wenigstens zehn Jahren bestellt war.

162

2 Grundstücksverkehr

2. Rechtsänderung durch Einführung des Euro Anlässlich der Einführung des Euro wurde § 3 WährG zum 01.01.1999 aufgehoben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Anpassungsklauseln genehmigungsfrei vereinbart werden können, denn durch den Gesetzgeber wurde im Rahmen des Euro - Einführungsgesetzes (EuroEG) (Euro-Einführungsgesetz vom 09.06.1998, BGBl. 1 1998, S. 1242,1253 ff.) in § 2 des Preisangaben- und Preisklauselgesetzes (PaPkG) (Preisangaben und Preisklauselgesetz vom 03.12.1984, BGBL 1 1984, S. 1429) eine dem § 3 WährG entsprechende Regelung geschaffen. Konkretisiert wird § 2 PaPkG durch die Preisklauselverordnung (PrKV) (Preisklauselverordnung vom 23.09.1998, BGBL 1 1998, S. 3043 ff.), die die bisherigen Genehmigungsgrundsätze der Landeszentralbanken aufgegriffen hat, so dass sich inhaltlich keine gravierenden Änderungen ergeben. Genehmigungsbehörde für Preisklauseln ist nunmehr gemäß § 7 PrKV das Bundesamt für Wirtschaft (nunmehr Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle). 3. Ausnahmen von der Genehmigungspflicht Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht macht § 1 Nr. 4 PrKV sowohl für schuldrechtliche als auch für dingliche Anpassungsvereinbarungen in Erbbaurechtsbestellungsverträgen mit einer Laufzeit von mindestens 30 Jahren. Sie werden ausdrücklich genehmigungsfrei gestellt. Da Erbbaurechtsverträge in der Regel eine längere Laufzeit als 30 Jahre haben, wird dies in der Praxis dazu führen, dass kaum noch eine Genehmigimg für Anpassungsklauseln in Erbbaurechtsverträgen erforderlich werden wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass für Indexklauseln in Erbbaurechtsverträgen mit einer Laufzeit von mehr als 30 Jahren nunmehr absolute Gestaltungsfreiheit herrscht, denn die meisten Erbbaurechtsverträge fallen unter die Vorschriften der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB). Einseitig nur den Grundstückseigentümer begünstigende Indexklauseln (ζ. B. solche, die eine Anpassung des Erbbauzinses nur bei Erhöhungen des Verbraucherpreisindex vorsehen) dürften in Formularverträgen gem. § 307 BGB unwirksam sein. Genehmigungsfrei sind im Übrigen gemäß § 1 Ziff. 1 PrKV auch solche Klauseln, die keine automatische Anpassung vorsehen, sondern die Parteien zu Verhandlungen darüber verpflichten. Insoweit wird unterschieden zwischen Leistungsvorbehaltsklauseln gemäß § 1 Ziffer 1 PrKV und Spannungsklauseln gemäß § 1 Ziffer 2 PrKV. Unter Leistungsvorbehalt versteht man eine Vereinbarimg, nach der im Falle der Änderung der Preise oder Werte für bestimmte Güter oder Leistungen die Vertragspartner den Schuldbetrag neu festsetzen sollen, ohne dass das Ausmaß der Änderung bindend festgelegt ist (Linde/Richter Rn.181). Die Annahme eines Leistungsvorbehaltes setzt also

2 Grundstücksverkehr

163

voraus, dass den Vertragspartnern hinsichtlich der Anpassung der Leistung ein wenn auch beschränkter Ermessens- und Verhandlungsspielraum eingeräumt ist, innerhalb dessen es erst durch Vereinbarung zu einer Konkretisierung der geschuldeten Leistung kommen muss (BGH DNotZ 1969,96). Ein solcher Leistungsvorbehalt liegt vor, wenn nach einer bestimmten Zeit eine Neufestsetzung des Erbbauzinses oder bei einer bestimmten Indexänderung eine „angemessene Änderung des Erbbauzinses" oder eine „Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse" oder eine Neufestsetzimg „nach billigem Ermessen" verlangt werden kann. Unter einer Spannungsklausel versteht der BGH eine Klausel, nach deren Inhalt die zu sichernde Geldschuld zwangsläufig ständig in einem bestimmten Verhältnis zu einer Leistung (des Geldgläubigers) stehen soll; der Abstand zwischen den beiden miteinander zu vergleichenden Größen, also die „Spannung" soll stets gleich bleiben. Wesentliches Kriterium für die Spannungsklausel ist dabei die Gleichartigkeit der Leistungen (BGHZ 14, 306/310). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn als Wertmesser für die jeweilige Höhe des Erbbauzinses der jeweilige Grundstückswert oder bei Vermietung oder Verpachtung der Erbbaurechtsgebäude und -Wohnungen die vom Erbbauberechtigten jeweils erzielten Mieten und Pachtzinsen vereinbart sind. Sowohl bei der Vereinbarung von Spannungsklauseln als auch von Leistungsvorbehalten besteht allerdings das Risiko der Nichteinigung und gerichtlichen Auseinandersetzung über die Anpassung. I. d. R. wird daher die automatische Höhe der Anpassung vereinbart. 2.7.3.3.3.5

Besonderheiten bei Wohnerbbaurechten

Wenn das Erbbaurecht Wohnzwecken dient, darf eine Erhöhung nur beansprucht werden, soweit sie unter Berücksichtigimg aller Umstände des Einzelfalles nicht unbillig ist (§ 9 a Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO). Das Gesetz enthält keine Definition dessen, was als „unbillig" anzusehen ist. Ein Anhaltspunkt lässt sich allerdings aus § 9 a Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO gewinnen, wonach ein Erhöhungsanspruch regelmäßig dann als unbillig anzusehen ist, wenn er sich nicht an der Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse orientiert. Den Billigkeitsmaßstab leitet die Rechtsprechimg aus dem arithmetischen Mittel des Anstiegs der Lebenshaltungskosten und der Einkommensentwicklung ab (Die Erhöhung entspricht dem Mittelwert der Steigerung der Lebenshaltungskosten und der Einkommen (Mittelwert der Bruttoverdienste von Arbeitern und Angestellten in Industrie und Handel) im Bezugszeitraum, BGHZ 75, 279, 286; BGH NJW 1993 S. 52; ständige Rechtsprechung; vgl. auch Linde/Richter Rn. 174 m. w. N.). Als weitere Besonderheit gilt für eine Anpassungsvereinbarung des Erbbauzinses bei Wohnerbbaurechten, dass die

164

2 Grundstücksverkehr

Erhöhung frühestens drei Jahre nach Vertragsabschluss bzw. nach der jeweils letzten Erhöhung beansprucht werden kann. Da das PaPKG neben § 9 a ErbbauVO gilt, unterliegen grundsätzlich auch Anpassungsklauseln für Wohnerbbaurechte der Genehmigungspflicht und den inhaltlichen Anforderungen der PrKV (zu den Ausnahmen s. aber Rn. 62). § 9 a ErbbauVO gilt nicht für gewerblich genutzte Erbbaurechte und bei gemischter Nutzimg nur für den Teil des Erbbauzinses, der auf die Wohnnutzung entfällt. Der Erbbauzins ist in diesem Fall aufzuteilen nach dem Verhältnis der Mieteinnahmen oder der Bruttoertragswerte; eine Aufteilung nach Flächen wäre nicht angemessen (Haegele/Schöner/Stöber Rn. 1822). 2.7.4

Entstehung und Übertragung des Erbbaurechts

2.7.4.1 2.7.4.1.1

Entstehung Einigung und Erbbauvertrag

Das Erbbaurecht als dingliches Recht an einem Grundstück (§ 1 Abs. 1 ErbbauVO) bedarf zu einer Entstehung der Einigung der Beteiligten über seine Bestellung und der Eintragung im Grundbuch (§ 873 BGB). Regelmäßig wird es in einem sog. Erbbauvertrag bestellt, in dem sich der Eigentümer zur Bestellung und der zukünftige Erbbauberechtigte zum Erwerb verpflichtet. Nach §§ 11 Abs. 2 ErbbauVO, 311 b Abs. 1 BGB bedarf dieser Vertrag der notariellen Beurkundung. Das gilt auch für alle Vereinbarungen, die die Parteien sonst noch zur näheren Ausgestaltung des Erbbaurechts treffen (ζ. B. über den Erbbauzins, den Heimfallanspruch, über Zustimmungserfordernisse

bei der Erbbaurechtsbelastung

oder -

Veräußerung usw.) sowie für spätere Änderungen des Erbbauvertrags. Anlässlich der Beurkundung des Erbbauvertrags wird die als solche nicht beurkundungspflichtige dingliche Einigung über die Erbbaurechtsbestellung i. d. R. mitbeurkundet. Notarieller Beurkundung bedürfen im Übrigen auch etwaige nachträgliche Änderungen eines Erbbaurechtsvertrages. 2.7.4.1.2

Grundbuchlicher Vollzug

Das Erbbaurecht wird an erster Rangstelle in Abt. II des Grundbuchs des damit belasteten Grundstücks (Linde/Richter Rn. 93), außerdem als selbstständiges Recht auf einem eigenen Grundbuchblatt (Erbbaugrundbuch, § 14 Abs. 1 ErbbauVO) eingetragen. Beide

2 Grundstücksverkehr

165

Vollzugsakte sind erforderlich, damit das Erbbaurecht mit dem im Erbbauvertrag näher festgelegten Inhalt entsteht (Linde/Richter Rn. 93 und 94 m. w. N.). 2.7.4.1.3

Gesetzliche Rechtswirkungen

2.7.4.1.3.1

Eigentum und Besitz am Bauwerk

Der Erbbauberechtigte wird Eigentümer des auf dem Erbbaurecht errichteten Bauwerks, das als wesenüicher Bestandteil des Erbbaurechts, nicht des Grundstücks, gilt (§ 12 Abs. 1 Satz 1, 2 ErbbauVO), und zwar selbst dann, wenn es anders als im Vertrag vorgesehen errichtet oder genutzt wird (Linde/Richter Rn. 79 m. w. N.). Der Grundstückseigentümer kann sich gegen vertragswidrige Errichtung und Nutzung durch Vereinbarung eines Heimfallrechts (s. Rn. 27 ff.) schützen. Besteht das Bauwerk, auf das sich das Erbbaurecht erstrecken soll, bei Bestellung des Erbbaurechts bzw. dessen Eintragung schon, geht es nach h. M. mit Eintragung des Erbbaurechts in das Eigentum des Erbbauberechtigten über (Von Oefele/Winkler 2. Kapitel Rn. 2.51). Als dem Eigentümer des Bauwerks steht dem Erbbauberechtigen auch der Besitz zu (Von Oefele/Winkler 2. Kapitel Rn. 2.61). 2.7.4.1.3.2

Rechte an nichtÜberbauten Grundstücksflächen

Nimmt das Bauwerk nicht die gesamte Fläche des Erbbaugrundstücks in Anspruch, kann das Erbbaurecht nach § 1 Abs. 2 ErbbauVO auf die restlichen Grundstücksteile erstreckt werden, aber nur, wenn das Bauwerk wirtschaftlich die Hauptsache bleibt. Von dieser Erstreckungsmöglichkeit auf Nebenflächen wird in der Praxis in aller Regel Gebrauch gemacht. Werden auf diesen Nebenflächen weitere Bauwerke (z. B. Mauern, feste Straßen) errichtet, so erwirbt der Erbbauberechtigte auch daran Eigentum (Von Oefele/Winkler 2. Kapitel Rn. 2.68). 2.7.4.2

Übertragung

Für den Kauf des Erbbaurechts gelten gemäß § 11 ErbbauVO bis auf wenige Ausnahmen die Vorschriften des BGB für Grundstücke. Ein Kaufvertrag über ein Erbbaurecht enthält daher - angepasst an die Besonderheiten des Erbbaurechts - grundsätzlich dieselben Regelungen wie ein Grundstückskaufvertrag. Wie ein Grundstückskaufvertrag bedarf das schuldrechtliche Grundgeschäft für die Übertragung der Form des § 311 b Abs. 1 BGB, d. h., es muss beurkundet werden. Die

166

2 Grundstiickseerkehr

dingliche Übertragung erfolgt, da die Anwendbarkeit des § 925 Abs. 1 BGB durch § 11 Abs.l Satz 1 ErbbauVO ausgeschlossen wird, gemäß § 873 BGB durch Einigung und Eintragung im Erbbaugrundbuch. Im Kaufvertrag über das Erbbaurecht muss der Eintritt des Erwerbers in alle lediglich schuldrechtlichen Verpflichtungen des Erbbaurechtsvertrages vereinbart werden, da diese - anders als die dinglichen - sonst nicht auf ihn übergehen. Dies gilt (s. Rn. 53 und 54) insbesondere für Vereinbarungen zur Erhöhung des Erbbauzinses nach dem bis zum 30. September 1994 geltendem Recht (Und - was rechtlich möglich wäre, in der Praxis aber so gut wie nicht vorkommt -, wenn der Erbbauzins nicht durch eine Reallast am Erbbaurecht gesichert ist, für die Verpflichtung zur Erbbauzinszahlung). Der Grundstückseigentümer besteht zudem i. d. R. darauf, dass sich der Erbbauberechtigte bei Bestellung des Erbbaurechts wegen aller im Erbbauvertrag übernommener Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft. Dieser Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) wirkt allerdings nur gegen denjenigen Erbbauberechtigten, der sich konkret der Zwangsvollstreckung unterworfen hat, nicht gegen den jeweiligen Inhaber des Erbbaurechts. Soll auch für die künftig entstehenden Zahlungsverpflichtungen ein Vollstreckungstitel geschaffen werden, muss sich auch der Erwerber der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwerfen. Der Eintritt des Erwerbers in alle - also auch die schuldrechtlichen - Verpflichtungen aus dem Erbbauvertrag empfiehlt sich auch deshalb, weil der Grundstückseigentümer, der sich die Zustimmung zur Veräußerung im Erbbauvertrag vorbehalten hat, ihre Erteilung davon abhängig machen wird. 2.7.5

Kosten

2.7.5.1 2.7.5.1.1

Begründung des Erbbaurechts Notarkosten

Der Geschäftswert, der der Bemessung der Gebühren des Notars bei Beurkundung des Erbbaurechtsvertrages zugrunde gelegt wird, bemisst sich gemäß §§ 21 Abs. 1, 30 Abs. 1 KostO nach 80 % des Grundstückswerts, wenn keine Gegenleistung für das Erbbaurecht vereinbart ist. Ist eine Gegenleistung (i. d. R. ein Erbbauzins) vereinbart, dann sind nach § 21 Abs. 1 KostO 80 % des Grundstückswerts und der nach § 24 Abs. 1 a KostO kapitalisierte Erbbauzins gegenüberzustellen. Der höhere Wert ergibt den Geschäftswert. Mit

2 Grundstücksverkehr

167

diesem Wert ist alles erfasst, was zum Inhalt des Erbbaurechts gehört. Abgegolten ist damit auch der größte Teil der ergänzend getroffenen Vereinbarungen, die nicht Inhalt des Erbbaurechts werden (s. dazu Rn. 46). Ein für den Grundstückseigentümer am Erbbaurecht vereinbartes Vorkaufsrecht und eine Wertsicherungsklausel sind allerdings zusätzlich zu bewerten (Ingenstau Anhang II Rn. 9 und 11). Der Notar erhält für die Beurkundung und die Abwicklung des Erbbaurechtsvertrages i. d. R. eine 20/10-Beurkundungsgebühr gemäß § 36 Abs. 2 KostO sowie eine 1/10 oder 5/10-Vollzugsgebühr gemäß § 146 Abs. 1 KostO, wobei sich der Geschäftswert für die Vollzugsgebühr ohne Berücksichtigung eines etwaigen Vorkaufsrechts berechnet. 2.7.5.1.2

Grundbuchkosten

Das Grundbuchamt erhebt für die Eintragung des Erbbaurechts eine 10/10-Gebühr aus demselben Wert, den auch der Notar der Berechnung seiner Beurkundungsgebühren zugrunde legt (§ 62 Abs. 1 KostO). Für die Eintragung des Vorkaufsrechts und der Erbbauzinsreallast werden jeweils gesonderte Gebühren gemäß § 62 KostO erhoben, die sich nach dem jeweiligen Wert des Rechts berechnen. 2.7.5.2 2.7.5.2.1

Verkauf des Erbbaurechts Notarkosten

Bei einem Verkauf des Erbbaurechts richtet sich der Geschäftswert für die Kostenrechnimg des Notars nach dem Kaufpreis. Für die Beurkundung des Kaufvertrages erhält der Notar eine 20/10-Beurkundungsgebühr gemäß § 36 Abs. 2 KostO. Hinzu kommen Vollzugsgebühren, wenn dem Notar Aufgaben bei Abwicklung des Erbbaurechtskaufvertrages übertragen wurden. 2.7.5.2.2

Grundbuchkosten

Das Grundbuchamt behandelt den Verkauf eines Erbbaurechts wie den Verkauf eines Grundstücks. Für die Eintragung des Erwerbers wird eine 10/10-Gebühr gemäß § 60 KostO erhoben. Die Eintragimg einer Vormerkung löst eine halbe Gebühr, die Löschung dieser Vormerkung eine viertel Gebühr aus (§§ 66,68 KostO).

168

2 Grundstücksverkehr

2.7.6

Die Beleihung und Beendigung des Erbbaurechts

2.7.6.1

Beleihung des Erbbaurechts

Der Gesetzgeber hat schon bei Schaffung der ErbbauVO durch zahlreiche Regelungen die Beleihbarkeit des Erbbaurechts zum Zwecke der Finanzierung der darauf durchzuführenden Baumaßnahme angestrebt (s. Rn. 1 6 , 1 3 , 1 5 , 1 9 und 33). Ein wichtiger Schritt zur reibungslosen Abwicklung der Finanzierimg von Baumaßnahmen im Erbbaurecht ist zudem mit dem durch das Sachenrechtsänderungsgesetz (s. Rn. 51) neugefassten § 9 Abs. 3 ErbbauVO getan (s. hierzu Rn. 86 ff.). Dennoch war und bleibt die Beleihung von Erbbaurechten problematischer als die von Grundstücken. 2.7.6.1.1

Engerer Beleihungsrahmen

Die kreditgebende Bank kalkuliert stets ein, dass sich im Falle einer Zwangsversteigerung ein Erbbaurecht schlechter verwerten lässt als ein vergleichbares Grundstück, da weithin der Erwerb von Volleigentum am Grundstück dem Erwerb eines Erbbaurechts vorgezogen wird. Ein Erbbaurecht wird daher i. d. R. nicht so hoch beliehen wie ein Grundstück. Das wird allerdings ζ. T. dadurch kompensiert, dass der Erbbauberechtigte die Erwerbskosten für das Grundstück erspart und nur die Grundstücksentwicklungsund Baukosten finanzieren muss. 2.7.6.1.2 2.7.6.1.2.1

Kollision von Sicherungsinteressen Das bis zum 30. September 1994 geltende Recht

Ein nach altem Recht schwieriger zu lösendes Problem war die Kollision der Sicherungsinteressen des Grundstückseigentümers einerseits und der Grundpfandrechtsgläubiger an dem Erbbaurecht andererseits. Wie schon ausgeführt (Rn. 48), lässt sich der Grundstückseigentümer i. d. R. einen Erbbauzins versprechen, der in Form einer Reallast dinglich am Erbbaurecht gesichert wird. Darüber hinaus wurde meist eine nach altem Recht (s. Rn. 53) nur schuldrechtlich wirkende Anpassimg an einen Lebenshaltungskostenindex vereinbart, die durch Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch gesichert wurde. Für die Erbbauzinsreallast und die Anpassungsvormerkung galten in der Zwangsversteigerung nach altem Recht keine Besonderheiten. Um zu verhindern, dass diese Rechte im Falle einer Zwangsversteigerung des Erbbaurechts ohne vollständige Befriedigung erlöschen, musste der Grundstücksei-

2 Grundstiicksverkehr

169

gentümer daher i. d. R. darauf bestehen, dass die Erbbauzinsreallast sowie die Vormerkung auf Anpassung die erste Rangstelle im Erbbaugrundbuch erhalten. Das gleich Sicherungsbedürfnis hat allerdings auch ein Kreditgeber, der sich zur Sicherung seines Darlehens ein Grundpfandrecht an dem Erbbaurecht bestellen lässt. Da die erste Rangstelle nur einmal verfügbar ist, musste eine Hilfslösung zum Ausgleich der kollidierenden Interessen gefunden werden. Im häufigsten Fall, bei dem die Erbbauzinsreallast im Rang hinter das Finanzierungsgrundpfandrecht des Erbbauberechtigten rückte, bestand diese in einer mit der Gläubigerin des Finanzierungsgrundpfandrechts abzuschließenden sog. Stillhaltevereinbarung, wonach - vereinfacht ausgedrückt - die Erbbauzinsreallast im Falle einer Zwangsversteigerung bestehen bleiben und nicht kapitalisiert werden sollte. Eine solche Vereinbarung wirkt allerdings nur schuldrechtlich. Wird das Grundstück veräußert oder das Grundpfandrecht abgetreten, gehen die Verpflichtungen aus der Stillhalteerklärung auf den Erwerber nur über, wenn sie ihm ausdrücklich auferlegt werden. Unter Umständen ist die Mitwirkung weiterer am Zwangsversteigerungsverfahren Beteiligter erforderlich (§§ 59,91 Abs. 2 ZVG), damit ein Recht bestehen bleiben kann, das nach den allgemeinen Grundsätzen des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) (§ 52 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 91 Abs. 2 ZVG) erlöschen würde. Im Falle einer Zwangsversteigerung verbleibt daher für ein nachrangiges Recht trotz Stillhalteerklärung ein Risiko (Hierzu im einzelnen Muth WM 1985 S. 1281 ff.; s. auch BGH NJW1987 S. 1942 ff., der die Berechtigung des Grundstückseigentümers verneint, seine - vorbehaltene - Zustimmung zur Veräußerung in der Zwangsversteigerung davon abhängig zu machen, dass der Erwerber die Erbbauzinsreallast übernimmt). 2.7.6.1.2.2

Das seit dem Ol. Oktober 1994 geltende Recht

Diese unbefriedigende Situation hat der Gesetzgeber mit dem am Ol. Oktober 1994 in Kraft getretenen § 9 Abs. 3 ErbbauVO n. F. bereinigt. Nunmehr kann als Inhalt des Erbbauzinses vereinbart werden, dass die Erbbauzinsreallast im Falle der Zwangsversteigerimg des Erbbaurechts mit ihrem Hauptanspruch auch dann bestehen bleibt, wenn aus der Reallast oder aus einem gleichrangigen oder vorrangigen dinglichen Recht die Zwangsversteigerung in das Erbbaurecht betrieben wird. Dies ermöglicht es dem Grundstückseigentümer nun, bei Bestellung neuer Erbbaurechte Grundpfandrechten den Vorrang vor dem Erbbauzins einzuräumen. Zur Erleichterung zukünftiger Finanzierungen kann darüber hinaus bereits bei der Bestellung des Erbbauzinses mit dinglicher Wirkung vereinbart werden, dass der jeweilige

170

2 Grundstücksverkehr

Erbbauberechtigte berechtigt ist, das Erbbaurecht mit Grundpfandrechten im Range vor der Erbbauzinsreallast zu belasten (§ 9 Abs. 3 Ziff. 2 ErbbauVO). Für Alt-Erbbaurechte kann eine Bestehenbleibensvereinbarung gemäß § 9 Abs. 3 Ziff 1. ErbbauVO noch nachträglich getroffen werden. Ist das Erbbaurecht allerdings mit dinglichen Rechten belastet, ist die Zustimmung der Inhaber aller der Erbbauzinsreallast im Range vorgehenden oder gleichstehenden dinglichen Rechte erforderlich (§ 9 Abs. 3 Satz 2 ErbbauVO). Diese werden nämlich insofern in ihrer Rechtsstellung berührt, als eine bestehen bleibende Erbbauzinsreallast sich auf das Gebot eines Erwerbers in der Zwangsversteigerung und damit auf ihre Befriedigungsaussichten auswirkt. 2.7.6.1.2.3

Fortbestehende Bedeutung der altrechtlichen Hilfslösungen

Mit § 9 Abs. 3 ErbbauVO n. F. sind allerdings die auf der Grundlage des bisherigen Rechts entwickelten Hilfskonstruktionen (s. Rn. 85) nicht bedeutungslos geworden. Zum einen ist das Bestehenbleiben der Erbbauzinsreallast in der Zwangsversteigerung auch gegenüber vorrangigen und gleichrangigen Rechten nur eine Regelungsmöglichkeit und nicht etwa ohne weiteres Inhalt der Erbbauzinsreallast. Die Parteien können sich also nach wie vor auch anders einigen. Zum anderen gilt das alte Recht für die vor der Gesetzesänderung bestellten Erbbaurechte und Erbbauzinsreallasten fort. Der Grundstückseigentümer hat keinen Anspruch darauf, dass seine Erbbauzinsreallast an das neue Recht angepasst wird. Wegen der regelmäßig langen Laufzeit von Erbbaurechten werden die altrechtlichen Hilfskonstruktionen daher noch geraume Zeit von Bedeutung sein. 2.7.6.2

Beendigung des Erbbaurechts

Das Erbbaurecht endet durch Aufhebung (§ 26 ErbbauVO) oder durch Zeitablauf (§ 27 ErbbauVO), nicht aber durch Heimfall (dazu s. Rn. 27 ff.). 2.7.6.2.1

Beendigung durch Aufhebun^Aufgabe

Ein einseitiger Verzicht des Erbbauberechtigten auf sein Recht ist nicht zulässig. Die vorzeitige Aufhebung ist nur mit Zustimmung des Grundstückseigentümers möglich. Eine Verpflichtung zu vorzeitiger Aufhebung bedarf notarieller Beurkundung, die Aufhebung selbst ist formfrei. Für ihre Wahrimg im Grundbuch ist allerdings eine öffentlich beglaubigte Aufgabeerklärung des Erbbauberechtigten erforderlich, ferner die öffentlich beglaubigte Eigentümerzustimmimg; das Erbbaugrundbuch wird dann von Amts wegen geschlossen (§ 16 ErbbauVO). Ist das Erbbaurecht mit Rechten Dritter, insbesondere Grundpfandrechten, belastet, so bedarf die Aufhebung deren Zustimmung (§ 876 BGB). Handelt es sich um Rechte, die dem jeweiligen Eigentümer eines anderen

2 Grundstücksverkehr

171

Grundstücks zustehen, ist außerdem die Zustimmung sämtlicher am herrschenden Grundstück dinglich Berechtigter erforderlich (§ 876 Satz 2 BGB). 2.7.6.2.2

Beendigung durch Zeitablauf

Das Erbbaurecht wird in aller Regel für einen bestimmten Zeitraum bestellt und erlischt dann durch Zeitablauf. Es erlischt aber nicht ersatzlos. Gemäß § 27 Abs. 1 ErbbauVO hat der Grundstückseigentümer vielmehr dem Erbbauberechtigten eine Entschädigung für das Bauwerk zu leisten, falls dies nicht in zulässiger Weise ausgeschlossen wurde, was nur in Ausnahmefällen geschieht. Diese Entschädigungsforderung tritt an die Stelle des Erbbaurechts mit dessen Rang (§ 28 ErbbauVO); etwa noch auf dem Erbbaurecht lastende Grundpfandrechte oder Reallasten erlöschen und werden Kraft Gesetzes umgewandelt in Pfandrechte an der Entschädigungsforderung, soweit sie noch valutieren. Bei den Ausnahmefällen, in denen eine Entschädigungsforderung nicht zu zahlen ist, handelt es sich meistens um Erbbaurechte für industrielle Zweckbauten, die nur vom Erbbauberechtigten selbst betrieben werden können. In solchen Fällen wird regelmäßig auch vereinbart, dass der Erbbauberechtigte die von ihm errichteten Gebäude bzw. Anlagen bei Beendigung des Erbbaurechts zu entfernen hat. Ist, wie üblich, die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung vereinbart, kann der Grundstückseigentümer diese dadurch abwenden, dass er dem Erbbauberechtigten vor Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf die Verlängerung des Erbbaurechts für die voraussichtliche Standdauer des Bauwerks anbietet (§ 27 Abs. 3 ErbbauVO). Lehnt der Erbbauberechtigte die Verlängerung ab, so erlischt sein Entschädigungsanspruch. 2.7.7

Grunderwerbsteuer

§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) stellt das Erbbaurecht den Grundstücken gleich. Die auf Grundstücke abgestellten Vorschriften sind daher auf Erbbaurechte und Untererbbaurechte entsprechend anzuwenden. 2.7.7.1 2.7.7.1.1

Zu versteuernde Rechtsvorgänge Bestellung des Erbbaurechts

Wird für einen Dritten ein Erbbaurecht bestellt, so ist dieser Vorgang grunderwerbsteuerpflichtig. Die Begründung eines Erbbaurechts am eigenen Grundstück unterliegt dagegen nicht der Grunderwerbsteuer, wobei es nicht darauf ankommt, ob das Grundstück

172

2 Grundstücksverkehr

bereits bebaut ist oder nicht. In einem solchen Fall liegt weder ein schuldrechtliches Kausalgeschäft noch eine Einigung vor. Die einseitige Erklärung des Eigentümers, die Grundlage für die Begründung des Eigentümer- Erbbaurechts ist, betrifft keinen steuerpflichtigen Erwerbsvorgang i. S. des § 1 Abs. 1 GrEStG. Im Übrigen aber ist es gleichgültig, auf welche Art von Erbbaurechten sich der Gründungsakt bezieht. Grunderwerbsteuerpflichtig ist daher auch die Bestellung eines Untererbbaurechts (BFHE 91,191). Liegt dem Erwerbsvorgang bei der Erbbaurechtsbestellung kein Verpflichtungsgeschäft zugrunde, dann ist die auf die Bestellung des Erbbaurechts gerichtete dingliche Einigung gemäß § 1 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtig (BFH Betrieb 84,1606). Im Übrigen setzt die Grunderwerbsteuerpflicht bereits beim Abschluss des kausalen Erbbaurechtsbestellungsvertrages ein. Die nachfolgende dingliche Einigung ist dann steuerrechtlich irrelevant. Ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung eines Anspruches auf Bestellung eines Erbbaurechts begründet, unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Ist kein Rechtsgeschäft vorausgegangen, so unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG die Abtretung selbst der Grunderwerbsteuer (BFH BStBl. 68 II 222). 2.7.7.1.2

Übertragung des Erbbaurechts

Auch die Übertragung eines Erbbaurechts bzw. der darauf gerichtete schuldrechtliche Vertrag unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Der steuerrechtlich erhebliche Tatbestand entsteht bereits mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages, der die Verpflichtung zur Übertragimg des Erbbaurechts begründet. Ist ein solches Geschäft nicht vorausgegangen, entsteht die Steuer mit der dinglichen Einigung über die Übertragung des Erbbaurechts nach § 873 Abs. 1 BGB (Ingenstau Anh. I Rn.28). Ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung eines Anspruchs auf Bestellung eines Erbbaurechts begründet, unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG ebenfalls der Grunderwerbsteuer. Weiter unterliegt die Abtretimg selbst gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG der Grunderwerbsteuer, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist (BFH BStBl. 68 II 22). Der Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt auch die Übertragung des Erbbaurechts auf den Grundstückseigentümer vor Ablauf der vereinbarten Erbbaurechtszeit (Ingenstau Anh. I Rn. 28).

2 Grundstiicksoerkehr

2.7.7.1.3

173

Aufhebung und Erlöschen des Erbbaurechts

Bei Ablauf der für die Dauer des Erbbaurechts vorgesehenen Frist erlischt das Erbbaurecht

kraft

Gesetzes.

Grunderwerbssteuer

fällt

insoweit

nicht

an

(Haege-

le/Schöner/Stöber Rn. 1794 a m.w.N.). Es liegt kein Übergang einer „Erbbaurechtsberechtigung" i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 S.l GrEStG vor. Vielmehr erlischt dieses kraft Gesetzes aufgrund der dinglichen zeiüichen Begrenzung seines Inhalts und ist damit „verbraucht". Hat der Erbbauberechtigte auf dem Grundstück ein Bauwerk errichtet, so geht das Eigentum daran auf den Grundstückseigentümer über. Auch dieser Vorgang ist nach neuester Rechtsprechung des BFH grunderwerbsteuerfrei (BStBl 1995 II S. 334). Die rechtsgeschäftliche Aufhebung des Erbbaurechts unterliegt hingegen der Grunderwerbsteuer (Ingenstau Anh. I Rn. 30). Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ist die vorzeitige Löschung eines nicht dem Grundstückseigentümers selbst zustehenden Erbbaurechts im Grundbuch grunderwerbsteuerpflichtig, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Bestellung oder Übertragung des Erbbaurechts begründet (BFH BStBl. 80 II 136). 2.7.7.1.4

Heimfall des Erbbaurechts

Bei Ausübung des Heimfallrechts entsteht ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf dingliche Übertragung des Erbbaurechts auf ihn oder einen von ihm zu benennenden Dritten. Es bedarf dazu also der dinglichen Einigung nach § 873 BGB. Dieser Vorgang ist grunderwerbsteuerpflichtig gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG. Die Grunderwerbsteuer entsteht also nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG erst mit der Übertragung des Erbbaurechts auf den Eigentümer oder den Dritten. Macht der Grundstückseigentümer einen Heimfallanspruch geltend, weil etwa der Erbbauberechtigte seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, könnte ein Fall des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG vorliegen. Danach wird auf Antrag die Grunderwerbsteuer nicht festgesetzt, oder die Steuerfestsetzung wird aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf die Übereignimg begründet hat, nicht erfüllt und das Rechtsgeschäft deshalb aufgrund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird (Ingenstau Anh. I Rn. 32). Der BFH hat eine Steuerbefreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG in dem Fall bejaht, dass der Erbbauberechtigte seine vertragliche Bebauungspflicht aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfüllen konnte (BStBl 1983 II S. 683). Inwieweit § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG auch im Falle rückständiger Erbbauzinsen Anwendung findet, ist noch nicht abschließend geklärt. Allerdings erscheint des-

174

2 Grundstücksverkehr

sen Anwendung zweifelhaft, insbesondere wenn der Heimfall-Fall erst nach einer verhältnismäßig langen Laufzeit des Erbbaurechts eingetreten ist. 2.7.7.1.5

Verlängerung bzw. Erneuerung des Erbbaurechts

Sowohl bei der Verlängerung der Erbbaurechtszeit als auch bei einer Erneuerung fällt Grunderwerbsteuer an. Durch die Erneuerung gemäß § 2 Nr. 6, § 31 ErbbauVO kommt nach dem Erlöschen des alten Erbbaurechts ein völlig neuer Erbbaurechtsvertrag mit dem alten Erbbaurechtsberechtigten zustande. Die Erneuerung ist daher grunderwerbsteuerlich als Neubestellung zu behandeln (v. Oefele/Winkler 10. Kap. Rn. 10.56). 2.7.7.1.6

Zwangsversteigerung des Erbbaurechts

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG ist bei der Zwangsversteigerung des Erbbaurechts das Meistgebot grunderwerbsteuerpflichtig. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG ist auch das Verpflichtungsgeschäft zur Abtretung der Rechte aus einem Meistgebot grunderwerbsteuerpflichtig. Ist kein Rechtsgeschäft vorausgegangen, so unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG die Abtretung selbst der Grunderwerbsteuerpflicht. 2.7.7.1.7

Erwerb des Erbbaugrundstücks durch den Erbbauberechtigten

Im Rahmen der Gesetzesänderung zum 1.1.2002 wurde § 1 Abs. 7 GrEStG gestrichen, wodurch sich die steuerliche Situation für den Erwerb des Erbbaugrundstücks durch den Erbbauberechtigten jedoch nicht geändert hat. Nach der alten Gesetzeslage wurde gemäß § 1 Abs. 7 GrEStG a. F. bei Erwerb des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks durch den Erbbauberechtigten die Steuer nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den Erwerb des Grundstücks den Betrag überstieg, von dem für die Begründung oder den Erwerb des Erbbaurechts, soweit er auf das unbebaute Grundstück entfiel, die Steuer berechnet worden war. Dadurch sollte eine Doppelbesteuerung hinsichtlich des auf den Erwerb des Erbbaugrundstücks entfallenen Teils der Gegenleistung vermieden werden (Ingenstau, Anh. I Rn. 36). Der BFH hatte zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung einen anderen Anknüpfungspunkt. Nach ständiger Rechtsprechimg gehörte der auf den Erbauzinsanspruch entfallende Teil der Gegenleistung bereits nicht zur Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechüichen Sinne. Daher rechnete auch beim Erwerb des Grundstücks durch den Erbbauberechtigten der auf den Erwerb des Rechts auf den Erbauzins entfallende Gegenleitungsteil nicht zur Grunderwerbssteuer.

2 Grundstücksverkehr

175

Mit der Gesetzesänderung zum 1.1.2002 und der Aufhebung des § 1 Abs. 7 GrEStG hat der Gesetzgeber nunmehr die ständige Rechtsprechung des BFH, dass der Erbbauzinsanspruch grunderwerbssteuerrechtlich nicht Teil des belasteten Grundstücks ist, akzeptiert. Gemäß des neu eingefügten § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 GrEStG gehört der Kaufpreisanteil, der beim Erwerb des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks auf den Erbauzins anfällt, nicht mehr zur Gegenleistung. Damit ist § 1 Abs. 7 GrEStG gegenstandslos geworden. 2.7.7.2 2.7.7.2.1

Besteuerungsgrundlagen Bestellung des Erbbaurechts

Gem. § 8 Abs. 1 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer grundsätzlich vom Wert der Gegenleistung des Erbbauberechtigten berechnet. In § 9 GrEStG ist im Einzelnen aufgeführt, was als Gegenleistung i. S. des § 8 Abs. 1 GrEStG zu gelten hat. Als Gegenleistung des Erbbauberechtigten kommt in erster Linie der von ihm geschuldete Erbbauzins in Frage. Der Kapitalwert der Erbbauzinsverpflichtung wird nach § 13 BewG In Verbindung mit Anlage 9a ermittelt. Bei der Berechnung ist grundsätzlich die gesamte Laufzeit des Erbbauzinses vom Anfangszeitpunkt an zugrunde zu legen (BFHE 129, 223 (225)). Neben dem zu kapitalisierenden Erbbauzins gehören auch alle sonst etwa vergleichbaren Zuzahlungen oder sonstigen Leistungen zur Gegenleistung i. S. des § 9 GrEStG. Dies ist ζ. B. der Fall, wenn anstelle oder zusätzlich zum Erbbauzins ein Kaufpreis geleistet wird. Das Gleiche gilt bei der Vergütung für das von der Erbbaurechtsbestellung umfasste bereits vorhandene Gebäude (v.Oefele/Winkler lO.Kap. Rn. 10.42). Wenn der Vorgang grunderwerbsteuerpflichtig ist, aber keine Gegenleistung vorhanden ist, wurde bis zum 31.12.1996 die Steuer aus dem Einheitswert des Erbbaurechts berechnet (§ 8 Abs. 2 GrEStG, § 92 BewG). Nach der Gesetzesänderung vom 1.1.1997 gilt für die Grunderwerbsteuer nunmehr die neue Grundbesitzbewertung, also die Bedarfsbewertung (§ 8 Abs. 2 GrEStG, §§ 138,148 BewG). 2.7.7.2.2

Übertragung des Erbbaurechts

Der Erbbauzins ist in gleicher Weise, wie bei der Erbbaurechtsbestellung zu kapitalisieren und gilt als Gegenleistung. Die Kapitalisierung hat jedoch nur vom Beginn der Erbbauzinszahlungspflicht durch den Erwerber an für die Restlaufzeit zu erfolgen. Ferner ist hier ein vereinbarter Kaufpreis und/oder sonstige Leistungen gem. § 9 Abs. 1, Abs. 2 GrEStG Besteuerungsgrundlage. Die Gegenleistung besteht also aus dem kapitalisierten

176

2 Grundstücksverkehr

Wert der Erbbauzinsverpflichtung zuzüglich etwa vereinbarter Zahlungen oder sonstiger Leistungen. Liegen keine Gegenleistungen vor, gilt das Gleiche wie bei der Erbbaurechtsbestellung (v. Oefele/Winkler 10. Kap. Rn. 10.47). 2.7.7.2.3 2.7.7.2.3.1

Erlöschen, Aufhebung Bei Entschädigung

Erlischt das Erbbaurecht durch Zeitablauf, so löst der gem. § 27 ErbbauVO zu zahlende gesetzliche oder dinglich vereinbarte Entschädigungsanspruch keine Steuerpflicht aus, da es an einem steuerbaren Rechtsvorgang fehlt (s. Rn. 99). Bei rechtsgeschäftlicher Aufhebung hingegen ist Besteuerungsgrundlage der vertraglich vereinbarte Entschädigungsanspruch, insbesondere für das Bauwerk. Beim Erlöschen durch Enteignung ist Besteuerungsgrundlage die behördlich festgesetzte Enteignungsentschädigung. Hinzu kommen alle außerdem noch vereinbarten sonstigen Leistungen (v.Oefele/ Winkler 10. Kap. Rn. 10.59). 2.7.7.2.3.2

Ohne Entschädigung

Ist bei Erlöschen des Erbbaurechts durch rechtsgeschäftliche Aufhebung die Zahlung einer Entschädigung dafür nicht vorgesehen, so richtet sich die Berechnung der Besteuerung nach der Bedarfsbewertimg des Erbbaurechts zum Zeitpunkt der Aufhebung, § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, §§ 138,148 BewG. 2.7.7.2.4

Heimfall

Besteuerungsgrundlage ist die an den Erbbauberechtigten zu zahlende Vergütung gem. § 32 ErbbauVO einschließlich etwaiger sonstiger Leistungen. Dies wäre der Fall, wenn der Grundstückseigentümer gem. § 33 Abs. 2 ErbbauVO Hypothekenschulden übernehmen muss, allerdings nur, soweit diese die Vergütung gem. § 32 ErbbauVO übersteigen, da sie sonst auf die Vergütung angerechnet werden, § 33 Abs. 3 ErbbauVO. Ist gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 ErbbauVO durch dingliche Vereinbarung die Vergütung beim Heimfall ausgeschlossen, so bestimmt sich die Grunderwerbsteuer aus der seit 1.1.1997 durchzuführenden Bedarfsbewertung des Erbbaurechts gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, §§ 138, 148 BewG. Zu übernehmende Hypothekenschulden sind gemäß § 33 ErbbauVO abzuziehen.

2 Grundstücksi'erkehr

2.7.7.2.5

177

Verlängerung, Erneuerung

Mit der Vereinbarung der Verlängerung des Erbbaurechts entsteht eine Grunderwerbsteuer insoweit, als bei der Verlängerung des Erbbaurechts eine Gegenleistung vereinbart worden ist. Neben etwaigen sonstigen Gegenleistungen ist der für die Verlängerungszeit vereinbarte Erbbauzins kapitalisiert anzusetzen (v. Oefele/Winkler lO.Kap. Rn.10.55). Die Erneuerung ist grunderwerbsteuerlich als Neubestellung zu behandeln. Es kann also zu den dort gemachten Ausführungen verwiesen werden (vgl. Rn. 104 ff.).

178

2 Grundstücksoerkehr

Literaturverzeichnis zu Kap. 2.7 Eickmann: Sachenrechtsbereinigung, Stand Oktober 2004. Haegele/Schöner/Stöbert: Grundbuchrecht, 13. Aufl. 2004. Ingenstau/Hustedt: Kommentar zum Erbbaurecht, 8. Aufl., 2001. Linde/Richter: Erbbaurecht und Erbbauzins, 3. Aufl., 2001. Muth: Der Rang des Erbbauzines als Streitpunkt zwischen Darlehensgeber und Grundstückseigentümer, WE 1985, S. 1281 ff. von Oefele/Winkler: Handbuch des Erbbaurechts, 3. Aufl., 2003. Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Aufl. 2005. Usinger (Hrsg.): Immobilien - Recht und Steuern (Handbuch für die Immobilienwirtschaft), 3. Auflage 2004

3 Wohn-und Gewerberaummiete

179

3 Wohn- und Gewerberaummiete Frank Stellmann 3.1 Einführung 3.1.1 Rechtsnatur und Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten 3.1.1.1 Abgrenzung zur Leihe

183 183 183

3.1.1.2 Abgrenzung zur Pacht

183

3.1.1.3 Abgrenzung zum Leasing

184

3.1.2 Abgrenzung zwischen Wohn- und Gewerberaummiete

185

3.1.3 Gesetzliche Regelungen

185

3.2 Abschluss und Inhalt des Mietvertrages 3.2.1 Form 3.2.1.1 Allgemeines

186 186 186

3.2.1.2 Zur Historie

186

3.2.1.3 Neueste Rechtsprechung des BGH

187

3.2.1.4 Erkenntnisse für die Praxis

187

3.2.1.5 Nachtragsproblematik

188

3.2.1.6 Heilung der Schriftform

188

3.2.1.7 Notarielle Beurkundung des Mietvertrages

189

3.2.2 Parteien des Mietvertrages

190

3.2.3 Wechsel der Parteien

191

3.2.4 Gegenstand des Mietvertrages

192

3.2.5 Vereinbarung der Miethöhe und diesbezügliche Begrenzung der Vertragsfreiheit

192

3.2.5.1 Preisgrenzen

192

3.2.5.2 Umsatzmiete

194

3.2.5.3 Staffelmietvereinbarungen

195

3.2.5.4 Wertsicherungsklauseln (Preisklauseln) 3.2.5.4.1 Bezugsgröße 3.2.5.4.2 Mindestens 10-jährige Bindimg des Vermieters 3.2.5.4.3 Erhöhung und Ermäßigung 3.2.5.4.4 Keine Überproportionalität 3.2.5.4.5 Beispiel

195 196 196 196 196 197

3.2.5.5 Leistungsvorbehaltsklauseln

198

3.2.5.6 Spannungsklauseln

199

3.2.5.7 Gesetzliche Mieterhöhungsmöglichkeiten nach §§ 558 ff. BGB

199

180

3 Wohn- und Gewerberaummiete

3.2.6 Miete und Umsatzsteuer

201

3.2.6.1 Einführung

201

3.2.6.2 Frühere Rechtslage

201

3.2.6.3 Neue Rechtslage im Überblick

202

3.2.7 Nebenkosten 3.2.7.1 Einführung

203 203

3.2.7.2 Umlagefähigkeit der Nebenkosten

203

3.2.7.3 Grundsätze für vertragliche Vereinbarungen

203

3.2.7.4 Gesetzliche Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB)

205

3.2.7.5 Umlegungsmaßstab

207

3.2.7.6 Erhebungsformen

208

3.2.8 Mietkaution 3.2.8.1 Zweck und Umfang der Mietsicherheit

209 209

3.2.8.2 Form der Mietsicherheit

209

3.2.8.3 Zeitpunkt der Überlassung der Mietsicherheit

211

3.2.8.4 Verwertimg der Mietsicherheit

212

3.2.8.5 Abrechnung und Rückgabe der Mietsicherheit

213

3.2.8.6 Wechsel des Eigentümers

213

3.2.9 Vertragsdauer

214

3.2.9.1 Praktische Erscheinungsformen

214

3.2.9.2 Gesetzliche Grenzen

215

3.2.10 Vorvertrag und ähnliche Sachverhalte

216

3.2.10.1 Vorvertrag

216

3.2.10.2 Vormietrecht

217

3.2.10.3 Anmietrecht

218

3.2.10.4 Anbietungsverpflichtung

218

3.3 Mietgebrauch 3.3.1 Gebrauchsüberlassungspflicht des Vermieters

219 219

3.3.1.1 Vorbemerkung

219

3.3.1.2 Vertragsgemäßer Zustand der Mietsache bei Überlassung

220

3.3.1.3 Gewährleistung des Vermieters

221

3.3.1.4 Ausschluss und Beschränkung der Gewährleistung

227

3.3.1.5 Gebrauchsgewährung, Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache

229

3.3.2 Konkurrenzschutz des Mieters einer Gewerbeimmobilie

233

3.3.2.1 Allgemeines

233

3.3.2.2 Räumliche Reichweite

234

3 Wohn- und Gewerberaummiele

181

3.3.2.3 Inhaltliche Reichweite

234

3.3.2.4 Die Grenzen

234

3.3.2.5 Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten

234

3.3.2.6 Rechtsfolgen beim Verstoß

235

3.3.3 Betriebspflicht des Mieters einer Gewerbeimmobilie

236

3.3.3.1 Ausgangssituation

236

3.3.3.2 Vertragliche Vereinbarung der Betriebspflicht

236

3.3.3.3 Verstoß gegen die Betriebspflicht

237

3.3.4 Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs

238

3.3.5 Zahlungspflicht des Mieters

239

3.3.6 Untermiete

241

3.3.7 Gewerbliche Weitervermietung

242

3.3.8 Dingliche Sicherung des Mieters

243

3.3.8.1 Bedürfnis nach dinglicher Sicherung

243

3.3.8.2 Beschränkte persönliche Dienstbarkeit

244

3.3.8.3 Dauernutzungsrecht/Dauerwohnrecht nach § 31 WEG

244

3.4 Die Beendigung und Abwicklung des Mietverhältnisses

245

3.4.1 Beendigung durch Ablauf der Mietzeit

245

3.4.2 Ordentliche Kündigung / Kündigungsfristen / Sozialklausel

246

3.4.3 Außerordentliches Kündigungsrecht

247

3.4.3.1 Fristlose Kündigung

247

3.4.3.2 Befristete Kündigung

248

3.4.4 Kündigungsschutz bei Wohnraummietverhältnissen

249

3.4.5 Aufhebungsvertrag

250

3.4.6 Rückgabepflicht der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses 3.4.6.1 Rückgabepflicht

251 251

3.4.6.2 Zustand der vermieteten Sache bei der Rückgabe

253

3.4.6.3 Ansprüche des Vermieters bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Rückgabepflicht

255

3.4.6.4 Schadenersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung von Renovierungs- und Rückbaumaßnahmen

257

3.4.6.5 Verjährung

258

3.4.6.6 Vom Mieter herrührende Altlasten der Mietsache

261

182

3 Wohtt- und Gewerberaummiete

3.5 Das Vennieterpfandrecht

263

3.5.1 Entstehen des Vermieterpfandrechtes

263

3.5.2 Untergang des Pfandrechts

267

3.5.3 Selbsthilferecht des Vermieters

269

3.5.4 Das Vermieterpfandrecht bei Insolvenz des Mieters

269

3.5.5 Verwertung der Pfandsachen

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Literaturverzeichnis zu Kap. 3

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3.1 Einfährung 3.1.1

Rechtsnatur und Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten

Was unter dem Begriff Miete im weiten Sinne zu verstehen ist, beschreibt § 535 BGB, der die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über das Mietrecht einleitet: Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen. Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Eine zentrale Hauptpflicht des Vermieters ist also die auf Dauer angelegte Gebrauchsüberlassung. Das Merkmal „Gebrauchsüberlassung" kennzeichnet jedoch auch andere Vertragstypen des Zivilrechts, wie Leihe, Pacht und das in der Praxis entwickelte Leasinggeschäft. Bevor die Abgrenzung zu diesen Vertragstypen erläutert wird, sei allgemein angemerkt: Nicht entscheidend ist, welche Bezeichnung die Parteien für ein Vertragswerk gewählt haben. Maßgeblich ist vielmehr, welcher Vertragsinhalt vereinbart wurde. 3.1.1.1

Abgrenzung zur Leihe

Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten (§ 598 BGB). Wie bei der Miete wird also bei der Leihe der Gebrauch einer Sache überlassen. Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist jedoch die Entgeltlichkeit. Während die Leihe unentgeltlich erfolgt, hat der Mieter für den Gebrauch der Mietsache die vereinbarte Miete zu zahlen. Bereits ein ganz geringes Entgelt schließt Leihe aus und begründet Miete. 3.1.1.2

Abgrenzung zur Pacht

Schwieriger ist die Abgrenzung zwischen Miete und Pacht. Eine Grenzziehung zwischen beiden Vertragstypen ist praktisch jedoch außerordentlich relevant. Zwar gelten für die Pacht grundsätzlich die Vorschriften des Mietrechts entsprechend (§ 581 Abs. 2 BGB), jedoch prägen das Pachtrecht darüber hinaus besondere Vorschriften. Beispielsweise können Pachtverträge, in denen die Pachtzeit nicht bestimmt ist, gemäß § 584 Abs. 1 BGB nur für den Schluss eines Pachtjahres mit einer Frist von einem halben Jahr gekündigt werden. Mietverträge über Geschäftsräume, die auf unbestimmte Zeit laufen, können

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dagegen spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres für den Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres gekündigt werden (§ 580 a Abs. 2 BGB). Miete und Pacht unterscheiden sich nach dem Vertragszweck. Bei der Miete wird nur der Gebrauch einer Sache gewährt; bei der Pacht hat der Pächter zusätzlich das Recht, Früchte nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu ziehen. Dabei sind Früchte zu verstehen als die Erzeugnisse einer Sache oder als die sonst bestimmungsgemäß gewonnene Ausbeute. Nicht zu verkennen ist, dass auch der Mieter gewerblicher Räume regelmäßig versucht, mittels der Mietfläche Gewinn zu erzielen. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt jedoch Pacht vor, wenn neben den Räumlichkeiten auch Inventar überlassen wird, mit dem der Nutzer seine „Ausbeute" gewinnt (BGH, WM 1981, 226). Ferner soll Pacht schon dann vorliegen, wenn für den Geschäftsbetrieb geeignetes Inventar tatsächlich in den Räumen vorhanden ist und der Gebrauchsüberlassende dazu wesentlich beigetragen hat (BGH, NJW-RR1991, 906). Das soll ζ. B. bereits dann der Fall sein, wenn eine günstige Bezugsquelle vom Gebrauchsüberlassenden für das Inventar nachgewiesen wird. Auf dieser Grundlage wird Pacht in der Regel jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn die Mietsache mit Einrichtungsgegenständen zum Gebrauch überlassen wird und der Nutzer insbesondere mit den Einrichtungsgegenständen seinen Umsatz erwirtschaftet (bei Gaststätten ζ. B. Tresen, Schankanlage, Spülung, Beleuchtung). 3.1.1.3

Abgrenzung zum Leasing

Das Leasinggeschäft ist üblicherweise durch eine Kombination von Miet-, Darlehens und Kaufelementen geprägt. Typische Gestaltungen bei Immobilien sind der Sale - and Lease-Back-Vertrag und das Bruttoleasing, die regelmäßig beide steuerlich motiviert sind. Beim Sale-and-Lease-Back-Vertrag wird ein Gegenstand in einem ersten Schritt veräußert und in einem zweiten Schritt vom Veräußerer angemietet. Am Ende einer Leasingperiode hat der Veräußerer und Mieter häufig das Recht, den Gegenstand zurückzuerwerben. Ist das Veräußerungsgeschäft nach § 311 b Abs. 1 BGB beurkundungsbedürftig (so, wenn der Veräußerungsgegenstand ein Grundstück ist), ist auch das Leasinggeschäft zwingend mitzubeurkunden. Ansonsten ist es wegen Nichteinhaltung der Form nach § 125 BGB unwirksam. Mit Umschreibung des Eigentums im Grundbuch kann die Formnichtigkeit allerdings unter bestimmten Voraussetzungen geheilt werden (Auflassung und Eintragung in das Grundbuch, § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB).

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3.1.2

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Abgrenzung zwischen Wohn- und Gewerberaummiete

Zwischen der Wohnraummiete und der Gewerbemiete gibt es ganz erhebliche Unterschiede: Das Wohnraummietrecht ist gekennzeichnet durch den sozialen Mieterschutz. Eine Vielzahl zivilrechtlicher Normen ist zum Schutze des Mieters unabdingbar. So kann beispielsweise der Vermieter von Wohnraum ein Mietverhältnis regelmäßig nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse hat (ζ. B. Eigenbedarf; näheres siehe Ziffer 3.4.4). Die Vereinbarung der Miethöhe ist im Wohnraummietrecht begrenzt (§5 WiStG, § 291 StGB näheres dazu Ziffer 3.2.5.1), während im gewerblichen Mietrecht die Miethöhe ganz grundsätzlich unbegrenzt vereinbar ist. Wohnraum ist ferner durch das Zweckentfremdungsverbot vor einer Umwidmung geschützt. Abgerundet wird das betont mieterfreundliche Bild des Wohnraummietrechts durch eine Rechtsprechung, die tendenziell den Mieter schützt. Eine Unmenge täglich neu ergehender landgerichtlicher, oberlandesgerichtlicher und sogar höchstrichterlicher Entscheidungen belegt dies. Maßgebend für die Zuordnung eines Mietverhältnisses zum Wohnraummietrecht oder Gewerbemietrecht ist der Wille der Vertragsparteien (BGH, WM 1982,1390). Unerheblich ist also, worin die gewollte Endnutzung der Mietsache liegt. Mietet beispielsweise ein Landkreis Unterkünfte an, um darin Asylanten unterzubringen, ist im Verhältnis des Landkreises zum Vermieter gewerbliches Mietrecht anwendbar. Der Mietzweck liegt schließlich in der Weitergabe der Mietsache an Dritte. Problematisch kann die Einordnung bei einer gemischten Nutzung der Mietsache für Wohn- und auch für Gewerbezwecke sein. Die Rechtsprechung des BGH stellt insoweit darauf ab, auf welcher Nutzungsart das Übergewicht liegt (sog. Übergewichtstheorie, BGH, ZMR 1977, 244). Mietet beispielsweise ein Rechtsanwalt 400 qm Nutzfläche zum Betreiben seiner Kanzlei und richtet sich in einem der 10 Zimmer häuslich ein, wird der Schwerpunkt im gewerblichen Mietvertrag liegen. Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen der Schwerpunkt nur sehr unsicher zu bestimmen ist. 3.1.3

Gesetzliche Regelungen

Die gesetzlichen Regelungen des Mietrechts sind nach Inkrafttreten der Mietrechtsreform zum 01.09.2001 nicht mehr in einer Vielzahl von Gesetzen zu finden. Alle wesentlichen Bestimmungen finden sich nun im BGB (§§ 535 ff. BGB). Darüber hinaus sind noch einzelne Vorschriften aus anderen Gesetzen von besonderer Bedeutung für das Mietrecht. Exemplarisch seien hier genannt: Das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) und das Wirtschaftsstrafgesetz (§ 5 WiStG).

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3.2 Abschluss und Inhalt des Mietvertrages 3.2.1 3.2.1.1

Form Allgemeines

Zunächst ist festzustellen, dass Mietverträge zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich keiner besonderen Form bedürfen. Sie können in aller Regel wirksam durch mündliche Erklärungen ebenso wie durch schlüssiges Handeln zustande kommen. Mietverträge, die für eine längere Zeit als ein Jahr abgeschlossen werden, bedürfen aber der gesetzlichen Schriftform. Wird die Schriftform nicht eingehalten, so gilt der Mietvertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen und kann von jeder Partei mit der gesetzlichen Frist vorzeitig gekündigt werden, nicht jedoch für eine frühere Zeit als für den Schluss des ersten Jahres (§ 550 BGB). Dies bedeutet: Halten die Parteien bei längerfristigen Mietverträgen die Schriftform nicht ein, besteht das Risiko (je nach Interessenlage aber auch die Chance) einer vorzeitigen Kündigung (Achtung: Der Mietvertrag ist wirksam, aber vorzeitig kündbar!; dies ist eine Abweichung von § 125 BGB, wonach die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform zur Unwirksamkeit des Vertrages führt). Die in §550 BGB bestimmte Jahresfrist beginnt mit der Überlassung der Mietsache. Frühestens zum Ende des ersten Mietjahres kann gekündigt werden. Wer also bei längerfristigen Mietverträgen Wert darauf legt, dass die vereinbarte Vertragsdauer rechtlichen Bestand hat, sollte tunlichst bei Vertragsabschluss auf die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform achten. Im Vordergrund des Normzwecks von § 550 BGB steht der Schutz eines möglichen Grundstückserwerbers. Da er nach § 566 BGB mit Eigentumsumschreibimg im Grundbuch neuer Vermieter wird, soll er sich mittels eines schriftlichen Mietvertrages zuverlässig über den Bestand und den Inhalt der mietrechtlichen Vereinbarungen informieren können. Es ist jedoch heute anerkannt, dass der Normzweck des § 550 BGB über den Fall des Grundstückswechsels hinausgeht. Bereits zum Schutze der am Vertragsschluss beteiligten Parteien wird § 550 BGB eine Beweis- und Warnfunktion zugesprochen. 3.2.1.2

Zur Historie

In der Vergangenheit war - gestützt auf eine BGH-Entscheidung aus dem Jahre 1963 und der führenden Literatur - von folgenden strengen Anforderungen auszugehen: Die Schriftform ist beim Abschluss langfristiger Mietverträge nur dann gewahrt, wenn sämtliche Schriftstücke (Textseiten, Blätter, Pläne, Baubeschreibungen, Hausordnungen, Ne-

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benkostenaufstellungen, Zusatzvereinbarungen etc.), die den wesentlichen Inhalt des Mietverhältnisses bilden, so zu einer festen körperlichen Einheit verbunden worden sind (ζ. B. durch Ösen, Nieten oder Schnurbindung etc.), dass diese Verbindung nur mit Gewalt bzw. unter Hinterlassung von Spuren der Gewaltanwendung wieder aufgelöst werden kann. Nicht alle, aber viele Gerichte sind dieser strengen Auffassung gefolgt. Nur bei Nachträgen gab es die seit Anfang der 90er Jahre anerkannte Auflockerung, dass eine klare verbale Bezugnahme auf den Ursprungsvertrag und frühere Nachträge sowie die Klarstellung, was von den alten Vereinbarungen weiter gilt, ausreichen. Einige Oberlandesgerichte (ζ. B. OLG München, OLG Stuttgart) nahmen demgegenüber in den letzten Jahren einen großzügigeren Standpunkt ein. Sie hielten es in bestimmten Fällen für ausreichend, wenn sich die Zusammengehörigkeit der Schriftstücke eindeutig aus anderen äußeren Merkmalen als der festen körperlichen Verbindimg ergibt (ζ. B. forüaufender Text, fortlaufende Paginierung, einheitliches Schriftbild etc.). 3.2.1.3

Neueste Rechtsprechung des BGH

In seinem Urteil vom 24.09.1997 vertritt der BGH (BGH, NJW 1998, 58) nunmehr die gelockerte Ansicht, dass die Zusammengehörigkeit einer aus mehreren Blättern bestehenden Urkunde nicht notwendig eine feste körperliche Verbindimg voraussetzt. Entscheidend sei nur, dass die Zusammengehörigkeit aus bestimmten Umständen ersichtlich werde, von denen die feste körperliche Verbindung nur eine der Möglichkeiten darstelle. Die Einheit der Urkunde könne sich auch (dann aber notwendigerweise zweifelsfrei!) aus der Gestaltung der Urkunde wie fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher grafischer Gestaltung und dem inhaltlichen Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren äußeren Merkmalen ergeben. Diese Rechtsprechung ist für Anlagen neuer Mietverträge konsequent fortgesetzt worden (BGH, Urteil vom 21.01.1999 - XII ZR 117/97). Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Schriftform bei Mietverträgen mit zwei Entscheidungen vom 16.07.2003 (NZM 2003, 801) und 05.11.2003 (NZM 2004, 97) verschärft. Jedenfalls dann, wenn jemand für eine BGBGesellschaft einen Mietvertrag unterschreibt, muss sich aus dem Mietvertrag ergeben, in welcher Funktion er vertreten hat. Diese heftig kritisierten Urteile haben eine Flut von Rechtsstreitigkeiten ausgelöst. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH seine (falsche) Rechtsprechung korrigiert. 3.2.1.4

Erkenntnisse für die Praxis

Für die Praxis bringen die neuen BGH-Urteile in der Summe weniger Erleichterungen, als dies auf den ersten Blick angenommen werden könnte. Soll keinerlei Risiko einge-

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gangen werden, muss beim Abschluss langfristiger Mietverträge weiterhin dafür gesorgt werden, dass alle wesentlichen Bestandteile des Mietvertrags zu einer festen körperlichen Einheit verbunden werden. Außerdem sollte in jeden Mietvertrag eine Vorsorgeklausel aufgenommen werden, worin sich die Parteien verpflichten, nicht wegen Schriftformmängeln zu kündigen und alles zu tun, um erforderlichenfalls nachträglich die Formwirksamkeit herbeizuführen. Ob eine derartige Klausel, wenn sie formularmäßig verwendet wird, einer Kontrolle nach den formularrechtlichen Vorschriften (§§ 305 ff. BGB) standhält, ist allerdings noch nicht gerichtlich entschieden worden. Ferner sollte stets die Funktion des Vertreters im Mietvertrag angegeben werden, wenn jemand für eine Vertragspartei den Mietvertrag (mit-)unterzeichnet. 3.2.1.5

Nachtragsproblematik

Bei Nachträgen gilt - wie bisher auch - die Auflockerungsrechtsprechung des BGH, die sich kurz folgendermaßen beschreiben lässt: Besteht ein Nachtrag selbst aus mehreren Schriftstücken (Blättern, Seiten, Plänen etc.), ist in denjenigen Fällen eine feste körperliche Verbindung dieser Schriftstücke erforderlich, in denen dies auch für den Hauptvertrag verlangt würde. Eine feste körperliche Verbindung zwischen dem Nachtrag und dem Hauptvertrag bzw. früheren Nachträgen ist jedoch nicht unbedingt erforderlich. Es genügt statt dessen, wenn im Nachtrag klar auf den Hauptvertrag und frühere Nachträge Bezug genommen wird und aus dem Text des Nachtrages auch deutlich ersichtlich ist, welche früheren vertraglichen Bestimmungen weiterhin gelten sollen. Auch bei Nachträgen sollte aber die Funktion des unterzeichnenden Vertreters im Nachtrag bestimmt werden. 3.2.1.6

Heilung der Schriftform

Um einen wegen Nichteinhaltung der Schriftform vorzeitig kündbaren Mietvertrag in einen schriftformgemäßen Mietvertrag umzuwandeln, genügt es nicht etwa, dass eine Vertragspartei einseitig die körperliche Verbindung der einzelnen Mietvertragsblätter nachträglich herstellt, denn die Form muss bereits bei der Vertragsunterzeichnung eingehalten werden. Vielmehr ist es erforderlich, den Vertrag nach Herstellung der körperlichen Verbindung von beiden Parteien noch einmal unterzeichnen zu lassen. Gemäß OLG München (NJW-RR 1996, 654) ist es auch möglich, den ursprünglich nicht zusammengehefteten Vertrag später einvernehmlich durch Hinzuheften von Nachträgen zu einer einheitlichen Urkunde zu verbinden. Wer insoweit aber nicht „schlafende Hunde" bei seinem Vertragspartner wecken will, sollte die Heilung der Schriftform allerdings mit viel Fingerspitzengefühl arrangieren.

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3.2.1.7

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Notarielle Beurkundung des Mietvertrages

In bestimmten Fällen bedarf ein Mietvertrag zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Ein Mietvertrag ist notariell zu beurkunden, wenn er mit einem Grundstücksvertrag „rechtlich" zusammenhängt. Dies ist dann der Fall, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen und fallen" sollen (BGHZ 76,43). Dieses miteinander Stehen und Fallen ist schneller erreicht, als man denkt: Es genügt, wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und der andere ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt. Es ist noch nicht einmal erforderlich, dass an jedem der Rechtsgeschäfte, die die Einheit bilden, jeweils dieselben Parteien beteiligt sind. Ein Trost ist jedoch, dass alle Formmängel durch den Vollzug des Grundstückskaufvertrages im Grundbuch gem. § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt werden. Auch die Ankaufsoption des Leasingnehmers nach dem Immobilien-Leasing-Vertrag führt zur Beurkundungspflichtigkeit des Gesamtgeschäfts, da der Leasinggeber ein bindendes Verkaufsangebot unterbreitet. Weil die Kaufoption jedoch erst nach Ablauf der Leasingzeit im Grundbuch abgewickelt wird, falls sich der Leasingnehmer zum Kauf entscheidet, gilt hier die Besonderheit, dass während der gesamten Mietzeit keine Heilung der Formmängel nach § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB eintritt. D. h. für viele Jahre besteht die Ungewissheit, ob das Leasinggeschäft überhaupt jemals wirksam wird. Wenn im Mietvertrag dem Mieter schuldrechtlich ein Vorkaufsrecht für das Grundstück eingeräumt wird, so bedarf dies ebenfalls der notariellen Beurkundung. Der Beurkundungszwang gilt auch für die Bestellung eines Vorkaufsrechts, und zwar sowohl für das persönliche wie für das dingliche, und erstreckt sich auf die Bestellung selbst wie auch auf die Verpflichtung dazu (so wörtlich BGH, NJW - RR 1991,205,206). Wenn ζ. B. ein Vor- oder Ankaufsrecht formnichtig in den Mietvertrag aufgenommen worden ist, stellt sich die Frage, ob diese nichtige Klausel den gesamten Mietvertrag formunwirksam gemacht hat. Die Optimisten verweisen auf die Salvatorische Klausel, die heutzutage in kaum einem Mietvertrag fehlt und die besagt, dass die Unwirksamkeit einer vertraglichen Bestimmung die Wirksamkeit des Vertrags im Übrigen unberührt lässt. Wenn es sich beim Vor- und Ankaufsrecht um einen zentralen Punkt des Mietvertrages handelt, dürfte die Salvatorische Klausel aber nicht stark genug sein, um die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen zu erhalten (so OLG Düsseldorf, OLG-Report 2002,62).

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3.2.2

Parteien des Mietvertrages

Wer die Parteien des Mietvertrages sind, ergibt sich aus dem Mietvertrag. Was dort vereinbart wurde ist maßgeblich. Der Vermieter muss nicht zwingend Eigentümer der Mietsache sein. Insbesondere bei der Untervermietung ist es regelmäßig so, dass der Untermieter einen Vertragspartner hat, der nicht Eigentümer ist. Bei derartigen Konstellationen sollte sich der Mieter bewusst sein, dass der vermietende Eigentümer im Falle der Beendigung des Hauptmietverhältnisses nach § 546 Abs. 2 BGB jedenfalls im gewerblichen Mietrecht einen Durchgriffsanspruch gegen den Untermieter auf Herausgabe der Mietsache hat. Dies kann für den Untermieter zu unliebsamen Rechtsfolgen führen, vor denen er sich vertraglich schützen sollte. Vermieter und Mieter können natürliche oder juristische Personen (ζ. B. GmbH, Aktiengesellschaft) sein. Steht fest, dass der Vertragspartner keine natürliche Person ist, sollte man sich möglichst einen aktuellen Handelsregisterauszug besorgen. Dieser gibt verlässlich Auskunft über die konkrete Rechtsqualität des Verhandlungspartners. Dem Auszug ist auch zu entnehmen, wer das Unternehmen bei Vertragsabschluss wirksam vertreten kann. Problematisch kann es werden, wenn auf Vermieter und/ oder auf Mieterseite mehrere Personen beteiligt sind. Mehrere Vermieter können nur gemeinsam die Miete fordern. Mehrere Mieter können nur gemeinsam die Gebrauchsüberlassung fordern. Soll das Recht auf Gebrauchsüberlassung gegen den Vermieter eingeklagt werden, muss also Leistung von allen an alle gefordert werden. Seit dem Urteil des BGH vom 29.01.2001 (ZMR 2001, 338) können nunmehr auch BGBGesellschaften in der Form der Aussen-GbR eigenständiger Vertragspartner werden. Ist dies der Fall, haften aber alle Gesellschafter der BGB-Gesellschaft neben dieser persönlich. Alle Vermieter haften gemäß § 427 BGB grundsätzlich als Gesamtschuldner. Ebenso haften die Mieter für die Verpflichtungen aus dem Mietvertrag als Gesamtschuldner. Je nach dem Inhalt des Mietvertrages kann es dem Mieter freistehen, Dritte vorübergehend in der Mietsache aufzunehmen. Bei der Wohnraummiete können sogar dauerhaft Ehegatten, nächste Familienangehörige (wie Eltern und Kinder) und Lebensgefährten solange die Lebensgemeinschaft besteht - aufgenommen werden.

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3.2.3

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Wechsel der Parteien

Wenn nichts anderes im Mietvertrag vereinbart ist, kommt es zu einem Parteiwechsel grundsätzlich nur, wenn der Vertragspartner dem zustimmt. Vor allem im Bereich des gewerblichen Mietrechts werden insbesondere Vermieter hin und wieder mit Mieteranzeigen konfrontiert, wonach es zu einem Mieterwechsel gekommen sein soll. Hier sollte der Vermieter unmittelbar reagieren, um nicht Gefahr zu laufen, einem Mieterwechsel durch die stillschweigende Hinnahmen einer derartigen Anzeige konkludent zugestimmt zu haben. Wer als Vermieter in derartigen Fällen gut beraten sein will, sollte juristischen Rat in Anspruch nehmen. So gibt es eine Reihe gesetzlich normierter Ausnahmetatbestände, die es erlauben, ohne Zustimmimg des Vertragspartners einen Mietvertrag zu übertragen. Das wohl bekannteste Beispiel findet sich in § 566 BGB („Kauf bricht nicht Miete"). Danach wird der Erwerber mit Umschreibung des Eigentums im Grundbuch automatisch neuer Vermieter. Daneben eröffnet vor allem das Umwandlungsgesetz weitere Möglichkeiten, Verträge ohne Zustimmung des Vertragspartners zu übertragen. Im Wohnraummietrecht taucht in diesem Zusammenhang immer wieder die Mär von der Nachmieterstellung auf: „Wenn ich dem Vermieter 3 Nachmieter stelle, muss mich der Vermieter aus einem längerfristigen Mietvertrag entlassen". Richtig ist hingegen allein folgendes: Mietverhältnisse, auch Wohnraummietverhältnisse, die für eine bestimmte Zeit abgeschlossen wurden, können von keiner Mietvertragspartei bis zum Ablauf der vereinbarten Zeit vorzeitig ordentlich gekündigt werden. Der Mieter hat also keinen Anspruch darauf, vorzeitig aus dem Mietvertrag entlassen zu werden, wenn der Mietvertrag keine entsprechende Nachmieterklausel enthält. Nur in besonderen Ausnahmefällen muss der Vermieter seinen Mieter vorzeitig aus dem Mietvertrag entlassen (Grundsatz von Treu und Glauben). Derartige Ausnahmefälle werden in der Rechtsprechung nur dann anerkannt, wenn das berechtigte Interesse des Wohnraummieters an der vorzeitigen Aufhebung des Mietvertrages das Interesse des Vermieters an der Einhaltung des Vertrages erheblich überwiegt und der Mieter dem Vermieter einen geeigneten Nachmieter stellt (vgl. ζ. B. LG Berlin, ZMR1999, 27). Will der Vermieter einem Mieterwechsel zustimmen, muss er besonderes Augenmerk auf die gestellte Mietsicherheit legen. Hat der Mieter eine Bürgschaft gestellt, sichert diese nur Ansprüche gegenüber ihm als Mieter ab - nicht gegenüber dem neuen Mieter. Der Vermieter sollte in diesen Fällen einem Mieterwechsel nur zustimmen, wenn die Bürgin die Bürgschaft entsprechend erweitert oder der neue Mieter eine eigene Mietsicherheit stellt.

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3.2.4

Gegenstand des Mietvertrages

Der Gegenstand des Mietvertrages sollte möglichst exakt im Vertrag definiert werden, denn darüber sollten die Parteien tunlichst nicht in Streit geraten. In Kenntnis dieser Tatsache hat es sich in der Praxis bewährt, die Mietsache in einem dem Mietvertrag beigefügten Plan zu markieren. Ist die Mietsache bei Vertragsabschluss noch nicht fertig gestellt, sollte man sie mittels einer Baubeschreibung und Grundrissplänen beschreiben. In diesem Zustand schuldet der Vermieter dann die Mietsache zum Übergabetermin. Besondere Aufmerksamkeit ist geboten, wenn im Mietvertrag Quadratmeterzahlen angegeben werden. Im Wohnraummietrecht gibt es verbindliche Berechnungsmethoden (weiterhin §§ 42 ff. II. Berechnungsverordnung, DIN 283; für Berechnungen die ab dem 01.01.2004 erstmals durchgeführt werden oder für Neuberechnungen, die ab diesem Zeitpunkt aufgrund wesentlicher baulicher Änderungen erforderlich sind, ist die Wohnflächenverordnung anzuwenden), die es jederzeit ermöglichen, die mietvertraglichen Flächenangaben zu überprüfen. Je nach Einzelfall kann der Mieter insbesondere zur Mietminderung berechtigt sein, wenn die vertraglich vereinbarte Quadratmeterzahl tatsächlich nicht erreicht wird (vgl. zur umfangreichen und teils uneinheitlichen Rechtsprechung OLG Dresden, NJW-RR 1998, 512; BGH, ZMR 2004, 495). Vermieter von Wohnraummietverträgen sollten daher überlegen, ob sie überhaupt Quardratmeterzahlen im Mietvertrag nennen. Für gewerbliche Mietflächen gibt es keine verbindliche Berechnungsmethode (in der Praxis werden allerdings vielfach die DIN 277 oder die gif-Richtlinie vereinbart). Ist im Mietvertrag keine Vereinbarung getroffen worden, wie die Flächengröße zu bestimmen ist, und ergibt sich dies auch nicht aus den beigefügten Plänen, kann die Größe nicht exakt bestimmt werden. Der Mieter wird sich in diesen Fällen sehr schwer tun, nachzuweisen, dass die vereinbarte Flächengröße tatsächlich nicht erreicht wird. 3.2.5

Vereinbarung der Miethöhe und diesbezügliche Begrenzung der Vertragsfreiheit

3.2.5.1

Preisgrenzen

Zwar sind die Parteien eines Mietvertrages grundsätzlich frei, die Höhe der Miete frei zu verhandeln (Ausnahmen: Wohnraum, der mit Fördermitteln im Sinn § 2 II. Wohnraumförderungsgesetz gefördert worden ist; Wohnraum, der mit Wohnungsfürsorgemitteln gefördert worden ist, § 87a II. Wohnungsbaugesetz; Wohnraum, der als steuerbegünstigt anerkannt und mit Aufwendungszuschüssen oder -darlehen gefördert worden ist, §§ 88-

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88c II. Wohnungsbaugesetz). Im Wohnraummietrecht sind aber klare Grenzen durch den Wuchertatbestand, § 291 StGB, und das Verbot der Mietpreisüberhöhung, § 5 WiStrG, vorgegeben. Folgender Überblick verdeutlicht die gesetzlichen Voraussetzungen: § 291 StGB

§ 5 WiStrG

Vermietung von Wohnraum

Vermietung von Wohnraum

Ausbeutung einer Zwangslage, der Uner-

Fordern, sich versprechen lassen oder an-

fahrenheit, des Mangels an Urteilsvermö-

nehmen

gen oder der erheblichen Willensschwäche

Vermögensvorteile versprechen oder ge-

Unangemessen hohe Miete/ 20 %-Regel

währen lassen

Auffälliges Missverhältnis zwischen Vermieterleistung und Miete/ 50 %-Regel

Vorsatz

Vorsatz oder Fahrlässigkeit

Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder

Geldbuße bis EUR 50.000,00

Geldstrafe; in besonders schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Tabelle 4: Gesetzliche Voraussetzungen Unangemessen hoch ist die Miete im Sinne von § 5 WiStrG, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 % überschritten wird und ein geringes Angebot an vergleichbarem Wohnraum ausgenutzt wird. Letzteres ist nach der Rechtsprechung anzunehmen, wenn die Leerstandsreserve vergleichbarer Wohnungen 5 % nicht übersteigt. Auch bei einer Überschreitung der 20 % Grenze ist die Miete unter bestimmten Voraussetzungen nicht unangemessen hoch, soweit dies zur Deckung der laufenden Aufwen-

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düngen des Vermieters für die betroffenen Wohnung erforderlich ist, § 5 Abs. 2 WiStrG. Jedoch darf dann die ortsübliche Vergleichsmiete um nicht mehr als 50 % überschritten werden. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Vermieterleistung und Miete im Sinne von § 291 StGB wird angenommen, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete tun mehr als 50 % überschritten wird. Die §§ 5 WiStG und 291 StGB gelten grundsätzlich auch für Staffelmietvereinbarungen. Zivilrechtlicht wirkt sich ein Verstoß gegen §§ 5 WiStrG und 291 StGB wie folgt aus: Die Mietvereinbarung ist wegen des Verstoßes gegen eine gesetzliche Bestimmung nach § 134 BGB unwirksam, soweit die jeweiligen Grenzen (20 % oder 50 %) überschritten sind. Im Übrigen bleibt der Vertrag wirksam. Zuviel gezahlte Miete kann nach § 812 BGB zurückgefordert werden. Wer als Vermieter von Gewerbeimmobilien auf Mietsteigerungen Wert legt, muss im Mietvertrag entsprechend Vorsorge treffen. Versäumt er dies, muss er wissen: Das Gesetz gewährt im gewerblichen Mietrecht dem Vermieter kein Recht auf Mietsteigerungen; anders im Wohnraummietrecht, für das § 558 BGB (Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete) gilt. Folgende Möglichkeiten der vertraglichen Gestaltung kommen in Betracht: 3.2.5.2

Umsatzmiete

Vor allem bei der Vermietung von Ladenflächen sind Umsatzmietklauseln verbreitet. Die Miete kann in der Weise bestimmt werden, dass der Mieter einen bestimmten Prozentsatz des Umsatzes oder des Gewinns aus der geschäftlichen oder gewerblichen Nutzimg der überlassenen Räume zu zahlen hat (BGH, NJW1979,2351). Da sich Vermieter jedoch nach aller Erfahrung nicht vollständig am Geschäftsrisiko des Mieters beteiligen und sie ihre Kosten auch bei niedrigem Umsatz des Mieters sichern wollen, wird üblicherweise zusätzlich zur Umsatzmiete eine bestimmte Mindestmiete vereinbart. Den Interessen des Mieters, eine angemessene Miete nicht zu überschreiten, kann andererseits durch eine vertragliche Begrenzung der Miete nach oben Rechnimg getragen werden. Sieht der Mietvertrag für die Mindestmiete keine Anpassungsmöglichkeit vor, so kann der Vermieter nicht verlangen, dass sie angehoben wird, etwa auf den Betrag der ortsüblichen Miete für vergleichbare Räume (BGH, NJW 1969, 1383), selbst wenn die Kosten des Vermieters durch die Mindestmiete nicht mehr abgedeckt werden.

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Es ist dringend zu empfehlen, den Umsatzbegriff in den Mietverträgen ausreichend zu bestimmen. Die Parteien sind hierbei nicht an bestimmte steuerrechtliche oder zivilrechtliche Begriffe gebunden, sondern es ist anhand des Vertrages im Einzelfall auszulegen, welche Umsätze zugrunde gelegt werden sollen. 3.2.5.3

Staffelmietvereinbarungen

Sowohl in gewerblichen Mietverträgen als auch in Wohnraummietverträgen verbreitet sind Staffelmietvereinbarungen. In einer Staffelmietvereinbarung ist von vornherein festgelegt, in welchem Umfang sich die Miete zu bestimmten Zeitpunkten erhöht. Bei dieser Vereinbarung kann für die jeweilige Steigerung der Miete ein bestimmter Prozentsatz oder ein fester Erhöhungsbetrag zugrunde gelegt werden. Hierdurch wird gewährleistet, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen des Mietverhältnisses für beide Vertragsparteien bereits bei Vertragsabschluss vorhersehbar sind. Während im gewerblichen Mietrecht den vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten kaum Grenzen gesetzt sind, regelt für das Wohnraummietrecht § 557 a BGB die zwingend einzuhaltenden Voraussetzungen. Diese sind: •

Die Vereinbarung muss schriftlich getroffen sein,



während der Dauer der Staffelmietvereinbarung sind Erhöhungen des Miete nach den §§ 558 bis 559 b BGB ausgeschlossen,



die Miete muss jeweils mindestens ein Jahr unverändert bleiben und



die jeweilige Miete oder die jeweilige Erhöhung muss betragsmäßig ausgewiesen werden.

Nach § 557 a Abs. 3 BGB ist eine Beschränkung des Kündigungsrechtes des Mieters unwirksam, soweit sie sich auf einen Zeitraum von mehr 4 Jahren seit Abschluss der Vereinbarung erstreckt. Das bedeutet bei Staffelmietvereinbarungen im Wohnraummietrecht: Selbst bei einer fest vereinbarten Laufzeit von ζ. B. 5, 6 oder mehr Jahren kann der Mieter vorzeitig zum Ablauf des 4. Mietjahres kündigen. 3.2.5.4

Wertsicherungsklauseln (Preisklauseln)

In der Vertragspraxis überaus verbreitet sind Wertsicherungsklauseln (oder Preisklauseln genannt). Gegenüber Leistungsvorbehaltsklauseln haben Wertsicherungsklauseln den Vorteil, dass eine Veränderung des Wertmessers automatisch zu einer Mietänderung führt. Mit ihrer Vereinbarung kann der Vermieter deshalb bereits bei Mietvertragsabschluss lästige Mietverhandlungen mit ungewissem Ergebnis abwenden.

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Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Preisangaben- und Preisklauselgesetz (PAngKlauselG) bedürfen Wertsicherungsklauseln in gewerblichen Mietverträgen aber der Genehmigung. Diese gilt nach §§ 2, 4 der Preisklauselverordnung vom 23.09.1998 (PrKV) als erteilt wenn folgende Voraussetzungen beachtet werden: 3.2.5.4.1

Bezugsgröße

Die Entwicklung der Miete muss •

durch die Änderung eines vom Statistischen Bundesamt oder einem Statistischen Landesamt ermittelten Preisindexes für die Gesamtlebenshaltung oder eines vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaft ermittelten Verbraucherindexes oder



durch die Änderung der künftigen Einzel- oder Durchschnittsentwicklung der Preise oder Werte für Güter oder Leistungen, die der Schuldner in seinem Betrieb erzeugt, veräußert oder erbringt,

bestimmt werden. 3.2.5.4.2

Mindestens 10-jährige Bindung des Vermieters

Der Mietvertrag muss •

für eine feste Mindestlaufzeit von 10 Jahren oder



mit dem Recht des Mieters, die Vertragsdauer auf mindestens 10 Jahre zu verlängern, in der Regel durch Ausübung einer Option, oder



in der Weise abgeschlossen sein, dass er vom Vermieter durch Kündigung frühestens nach Ablauf von 10 Jahren beendet werden kann.

3.2.5.4.3

Erhöhung und Ermäßigung

Die Klausel muss bei einem Preis- oder Wertanstieg eine Erhöhung und bei einem Preisoder Wertrückgang eine entsprechende Ermäßigung des Zahlungsanspruchs bewirken. 3.2.5.4.4

Keine Überproportionalität

Der geschuldete Betrag darf sich gegenüber der Entwicklung der Bezugsgröße nicht überproportional ändern können. Nicht zulässig sind danach Vereinbarungen, in denen Indexpunkte mit dem Prozentsatz der Änderung der Geldschuld gleichgesetzt werden; denn eine Erhöhung des Indexes beispielsweise von 150 Punkten um 30 Punkte auf 180

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Punkte entspricht keineswegs einer Steigerung um 30 %, sondern lediglich einer solchen um 20 %. Überproportionale Auswirkimg haben auch Vereinbarungen, die ausdrücklich einen Multiplikator verwenden, ζ. B. wenn sich die Miete um das Doppelte der Indexänderung erhöhen soll. Zulässig sind jedoch Vereinbarungen, nach denen sich die Miete gegenüber der Entwicklung der Bezugsgröße unterproportional ändern kann. So ist es bei schwacher Konjunktur vor allem im Einzelhandelsbereich nicht unüblich, dass in Mietverträgen eine Mietanpassung nur in Höhe von beispielsweise 70 % der Indexänderung vereinbart wird. 3.2.5.4.5

Beispiel

Eine einfache Wertsicherungsklausel, die als genehmigt gilt, könnte danach etwa wie folgt lauten: „1.

Die Miete ändert sich automatisch, sofern sich der Verbraucherpreisindex (Basis 2000 = 100), herausgegeben vom Statistischen Bundesamt, gegenüber dem Stand bei Beginn des Mietverhältnisses bzw. gegenüber dem Stand bei der letzten Mietangleichung um mehr als 10 Punkte nach oben oder unten verändert hat.

2.

Die Mietveränderung entspricht der Veränderung des Verbraucherpreisindexes. Sie wird erstmals wirksam für denjenigen Monat, zu dem sich der Index entsprechend obiger Ziffer 1 geändert hat.

3.

Sollte während der Dauer des Mietverhältnisses der in obiger Ziffer 1 in Bezug genommene Index vom Statistischen Bundesamt nicht mehr herausgegeben werden, tritt an seine Stelle der vom Statistischen Bundesamt oder gegebenenfalls dessen Nachfolgeorganisation herausgegebene Kostenindex."

Wertsicherungsklauseln in Wohnraummietverträgen müssen nicht genehmigt werden. Ihre Wirksamkeit beurteilt sich allein nach § 557 b BGB. Danach sind folgende Voraussetzungen zwingend zu beachten: •

Die Vereinbarung muss schriftlich getroffen sein,



maßgeblicher Preisindex muss der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland sein,



das Ausmaß der Mietanpassimg darf höchstens der prozentualen Indexänderung entsprechen,

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3 Wohtt- und

Gewerberaummiete

während der Geltungsdauer einer Mietanpassungsvereinbarung muss die Miete, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 BGB abgesehen, jeweils für mindestens 1 Jahr unverändert bleiben,



eine Änderung der Miete aufgrund der Mietanpassungsvereinbarung muss durch Erklärung in Textform (§ 126 b BGB) geltend gemacht werden,



in der Erklärung ist die jeweils eingetretene Änderung des vereinbarten Indexes anzugeben sowie die jeweilige Miete oder die Erhöhung in einem Geldbetrag und



die geänderte Miete ist mit Beginn des übernächsten Monats nach dem Zugang der Erklärung zu zahlen.

3.2.5.5

Leistungsvorbehaltsklauseln

Gemäß § 1 Nr. 1 PrKV sind Klauseln genehmigungsfrei, die hinsichtlich des Ausmaßes der Änderung des geschuldeten Betrages einen Ermessensspielraum zulassen, der es ermöglicht, die neue Höhe der Geldschuld nach Billigkeitsgrundsätzen zu bestimmen. Charakteristisch für einen Leistungsvorbehalt ist, dass die Anpassung bzw. Neufestsetzimg der Geldschuld nicht automatisch der Bewegimg des Wertmessers folgt. Vielmehr ist nach Eintritt einer bestimmten Veränderung der Bezugsgröße oder Ablauf einer bestimmten Zeit eine Anpassung oder Neufestsetzung durch einen selbstständigen Akt der Leistungsbestimmung erforderlich. Für die Leistungsbestimmung muss hierbei ein Spielraum verbleiben, d. h. Billigkeitserwägungen Raum gegeben werden. Die Anpassung bzw. Neufestsetzung kann erfolgen durch: •

Verhandlungen der Parteien,



Festsetzung durch einen Vertragsteil nach billigem Ermessen gemäß §§ 315,316 BGB oder



Festsetzung durch einen Dritten, insbesondere durch einen Schiedsgutachter.

Zur Vermeidung späterer Auseinandersetzungen empfiehlt es sich jedoch dringend, unter Beachtung und Beibehaltung des erforderlichen Spielraums den Erhöhungsmaßstab zu regeln. Hierbei sind die Parteien an Grenzen nicht gebunden. Sie können als Maßstab ebenso die Indexveränderung wie die aktuelle Marktmiete, also die bei Neuvermietung zu erzielende Miete, wählen. Im letzteren Fall kann - was bei guten Standorten und Lagen für den Vermieter ratsam ist - geregelt werden, dass zur Ermittlung dieser Marktmiete Vergleichsdaten nur aus bestimmten Lagen herangezogen werden dürfen.

3 Wohn- und Gewerberaummiete

199

Da Leistungsvorbehaltsklauseln im BGB nicht erwähnt sind, können sie in Wohnraummietverträgen nicht wirksam vereinbart werden. Praktischer Anwendungsbereich besteht also nur für das gewerbliche Mietrecht. 3.2.5.6

Spannungsklauseln

Weiterhin sind gemäß § 1 Nr. 2 PrKV Klauseln genehmigungsfrei, bei denen die in ein Verhältnis zueinander gesetzten Güter oder Leistungen im Wesentlichen gleichartig oder zumindest vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit der Leistungen als Wertmesser für die Anpassimg und somit eine genehmigungsfreie Spannungsklausel liegt beispielsweise vor, wenn eine zwischen den Parteien vereinbarte gewerbliche Miete sich jeweils der vergleichbaren Miete für gewerblich genutzte Räume gleicher Art und Lage anpassen soll. 3.2.5.7

Gesetzliche Mieterhöhungsmöglichkeiten nach §§ 558 ff. BGB

Wenn die Parteien keine Vereinbarung über die Mietanpassung getroffen haben, kann der Vermieter (nur) im Wohnraummietrecht nach Maßgabe der §§ 558 ff. BGB eine Mieterhöhung durchsetzen. Das BGB regelt zwei systematisch grundverschiedene Erhöhungsverfahren. Während in § 559 BGB (Mieterhöhung bei Modernisierimg) und § 560 BGB (Veränderungen von Betriebskosten) jeweils ein einmaliges Mieterhöhungsrecht des Vermieters geregelt ist, kann vom Vermieter nach § 558 BGB die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nur als Zustimmungsanspruch geltend gemacht werden. § 558 BGB ist die praktisch wohl bedeutsamste Vorschrift zur Mieterhöhung im Wohnraummietrecht. Hiernach kann jeweils binnen einer Frist von 15 Monaten die Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete angepasst werden. Damit ist einerseits ein marktorientierter Ertrag für den Vermieter gewährleistet, andererseits ist der Mieter vor überhöhten Mietforderungen geschützt, zumal Mietsteigerungen nur im Rahmen der Kappungsgrenzen erfolgen können. Das Mieterhöhungsverlangen nach § 558 Abs. 1 BGB ist ein besonders formalisierter Antrag im Sinne des § 558 a BGB auf Abschluss eines Änderungsvertrages, der der Zustimmung des Mieters bedarf und durch dessen Zugang beim Mieter das förmliche außergerichtliche Verfahren nach § 558 b BGB eingeleitet wird. Folgende Voraussetzungen muss der Vermieter einhalten:

200



3 Wohn- und Gewerberaummiete

Kein Ausschluss der Erhöhung durch Vereinbarung (§ 557 Abs. 3 BGB). Ein derartiger Ausschluss kann auch stillschweigend vereinbart worden sein. So wird ein solcher Ausschluss in der Regel in der Vereinbarung eines Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit mit einer festen Miete angenommen,



eine Erhöhung der Miete nach § 558 BGB kann nur verlangt werden, wenn die Miete seit einem Jahr unverändert ist (Sperrfrist). Hierbei bleiben Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 BGB unberücksichtigt,



mit der Kappungsgrenze besteht neben der ortsüblichen Vergleichsmiete eine weitere Obergrenze. Die Miete darf innerhalb eines Zeitraumes von 3 Jahren nicht um mehr als 20 % erhöht werden. Dieser Prozentsatz kann innerhalb der 3-Jahres-Frist in vollem Umfang bereits zu Beginn des Zeitraums ausgeschöpft werden und



der Erhöhungsanspruch ist dem Mieter in Textform (§ 126 b BGB) zu erklären und zu begründen. Die erhöhte Miete muss betragsmäßig ausgewiesen sein (Benennung des Endbetrages oder des Erhöhungsbetrages). Begründungsmittel können sein: Mietspiegel, Auskunft aus einer Mietdatenbank, Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, Benennung entsprechender Entgelte für mindestens drei vergleichbare Wohnungen.

Im Gegensatz zu den einseitigen Erhöhungserklärungen nach den §§ 559, 560 BGB bewirkt ein Mieterhöhungsverlangen nach § 558 BGB erst dann eine Erhöhung der Miete, wenn der Mieter dem Erhöhungsverlangen zustimmt. Der Mieter ist zur Zustimmung verpflichtet, wenn das Erhöhungsverlangen wirksam und materiell-rechtlich begründet ist. Stimmt der Mieter dem Erhöhungsverlangen nicht bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats zu, der auf den Zugang des Verlangens folgt, so kann der Vermieter bis zum Ablauf von drei weiteren Monaten auf Erteilung der Zustimmung klagen (§ 558 b Abs. 2 BGB). Nach § 559 BGB kann der Vermieter in gewissen Grenzen die Miete erhöhen bei Modernisierungen oder baulichen Änderungen, die er nicht zu vertreten hat. Zur Begründung der Erhöhungserklärung des Vermieters (ebenfalls in der Textform des § 126 b BGB, § 559 b Abs. 1 BGB) gehört die Berechnung der Erhöhung aufgrund der entstandenen Kosten. Die jährliche Miete kann bis um 11 % der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöht werden. Nach wohl herrschender Meinung stellt jedoch § 5 WiStG eine Obergrenze für Mieterhöhungen nach § 559 BGB dar. Hat der Vermieter bauliche Maßnahmen im Sinne von § 559 BGB durchgeführt, so hat er grundsätzlich ein Wahlrecht: Er kann sowohl unter Berücksichtigung der bereits durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen Zustimmung zur Mieterhöhung nach § 558 BGB

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verlangen, als auch die Miete einseitig nach § 559 BGB erhöhen. Die Modernisierung darf aber nicht kumulativ, sowohl bei der Erhöhung nach § 558 BGB, als auch bei der nach §559 BGB, berücksichtigt werden; hat der Vermieter die Zustimmung zur Erhöhung nach § 558 BGB unter Berücksichtigung des bereits modernisierten Zustande verlangt, ist eine zusätzliche Erhöhung nach § 559 BGB nicht möglich. 3.2.6 3.2.6.1

Miete und Umsatzsteuer Einführung

Die Vermietimg von Wohnräumen, Gewerberäumen oder auch unbebaute Grundstücken ist gemäß § 4 Nr. 12a Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerbefreit. Auf diese Umsatzsteuerbefreiung kann (nur) der Vermieter von gewerblichen Flächen unter den Voraussetzungen des § 9 UStG freiwillig verzichten (sog. Umsatzsteueroption). Der wirtschaftliche Hintergrund einer derartigen Umsatzsteueroption soll ein folgendem einfachen Beispiel verdeutlicht werden: Ein Unternehmer erwirbt ein neu errichtetes Bürogebäude zu einem Kaufpreis von EUR 6.000,— zuzüglich 16 % Umsatzsteuer pro Quadratmeter vermietbarer Bürofläche. Der von dem Unternehmer zu zahlende Kaufpreis beträgt somit EUR 6.960,— pro Quadratmeter. Der Unternehmer vermietet das Bürogebäude an verschiedene Mieter und erzielt hierbei eine Jahresmiete pro Quadratmeter vermietbarer Fläche von EUR 400,— zuzüglich Umsatzsteuer. Der Mietpreis beträgt also insgesamt EUR 464,— p. a. pro Quadratmeter. Angenommen, der Vermieter ist in dieser Konstellation zum Vorsteuerabzug berechtigt, so kann er die dann gezahlte Umsatzsteuer aus dem Erwerb des Gebäudes als Vorsteuer geltend machen. Er ist im Ergebnis somit nur liquiditätsmäßig mit EUR 6.000,— pro Quadratmeter und nicht mit EUR 6.960,— als Anschaffungskosten belastet. Der Vorsteuerabzug von EUR 900,— pro Quadratmeter ist liquiditätsmäßig günstig. Die Verpflichtung, aus der vereinnahmten Miete Jahr für Jahr EUR 60,— pro Quadratmeter an das Finanzamt als Umsatzsteuer auf die Vermietungsumsätze abzuführen, ist weniger belastend als die Situation, in der der Unternehmer keinen Vorsteuerabzug hätte. 3.2.6.2

Frühere Rechtslage

Bereits nach der früheren Rechtslage war die Option zur Umsatzsteuer, also der Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12a UStG, nicht uneingeschränkt möglich. Voraussetzung der Optionsmöglichkeit war bereits nach früherer Rechtslage, dass der Mieter

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selbst wiederum Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts war. Darüber hinaus durfte das auf dem vermieteten Grundstück errichtete Gebäude nicht zu Wohnzwecken dienen oder zu dienen bestimmt sein, und es durfte nicht anderen „nichtunternehmerischen" Zwecken dienen oder zu dienen bestimmt sein. Was unter dem Begriff „Wohnzwecken" zu verstehen ist, liegt auf der Hand. Andere nichtunternehmerische Zwecke im Sinne des UStG sind im Wesentlichen hoheitliche Zwecke, also die Ausübung staatlicher oder kommunaler Funktionen. Auch Kirchen- und Sozialversicherungsträger haben nichtunternehmerische Zwecke und sind daher schädlich als Nutzer der Räume, wenn der Vermieter es bezweckt, zur Umsatzsteuer zu optieren. Unproblematisch waren nach früherer Rechtslage die Fälle, in denen der Mieter bzw. der Endmieter Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts war. Zu den Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuerrechts zählen auch Banken und Versicherungen. 3.2.6.3

Neue Rechtslage im Überblick

Gemäß § 9 UStG kann der vermietende Unternehmer einen im Grundsatz umsatzsteuerbefreiten Vermietungsvorgang dann als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Eine solche Option ist jedoch nur dann zulässig, wenn der Leistungsempfänger - das ist der Mieter - das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 UStG hat der Vermieter die Voraussetzungen dafür nachzuweisen, dass der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die einen Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Diese neue Regelung hat einschneidende Konsequenzen. Denn nunmehr ist nicht mehr allein Voraussetzimg, dass der Mieter und eventuell der Untermieter Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts sind, sondern dieser Mieter - und gegebenenfalls der Untermieter - muss als Leistimgsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwenden oder zu verwenden beabsichtigten, die bei ihm, dem Leistungsempfänger, den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Gemäß § 27 Abs. 2 UStG ist der Neugefasste § 9 Abs. 2 UStG, der die Option nur noch beschränkt zulässt, dann nicht anzuwenden, wenn das auf dem Mietgrundstück errichtete Gebäude vor dem 1. Januar 1998 fertig gestellt wurde und mit der Errichtung des Gebäudes vor dem 11. November 1993 begonnen wurde. Es handelt sich um eine doppelte Bedingimg.

3 Wohn- und Gewerberaummiete

3.2.7

203

Nebenkosten

3.2.7.1

Einführung

Immer häufiger kommt es vor Abschluss von Mietverträgen zu ausgiebigen Debatten der Vertragsparteien über die Nebenkosten. Dies überrascht nicht angesichts der Tatsache, dass bei den Nebenkosten in den letzten Jahren ein deutlicher Preisauftrieb festzustellen ist. Das geläufige Stichwort „Nebenkosten als zweite Miete" verdeutlicht diese Entwicklung. Insbesondere der Anteil der öffentlichen Abgaben (ζ. B. Müllgebühren, Straßenreinigung, Grundsteuern) an den Gesamtnebenkosten ist kräftig gestiegen. In Kenntnis dieser Umstände versuchen immer mehr Mietinteressenten, sich bereits bei der Vertragsgestaltung vor einer Explosion der Nebenkosten abzusichern. So wird im gewerblichen Mietbereich von Mietinteressenten mitunter verlangt, die umlegbaren Nebenkosten der Höhe nach zu begrenzen („Nebenkostencap"). Diese kurze Einführung mag die aktuelle Praxisrelevanz der „Nebenkosten" verdeutlichen. Jeder, der heute in Vertragsverhandlungen einbezogen wird, sei es als Vermieter, Mieter, Makler, Verwalter oder rechtlicher/ finanzieller Berater, muss insoweit mit den Einzelheiten vertraut sein, um sachgemäße Entscheidungen treffen zu können. Zu den Details: 3.2.7.2

Umlagefähigkeit der Nebenkosten

Nach § 535 Abs. 1 Satz 3 BGB hat grundsätzlich der Vermieter die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen. Danach sind, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben, durch die Miete grundsätzlich sämtliche Leistungen des Vermieters abgegolten. Jede Abweichimg hiervon bedarf einer besonderen Vereinbarung. Dies bedeutet: Hat es der Vermieter versäumt, im Mietvertrag die Umlage der Nebenkosten zu regeln, hat er insoweit keinen Anspruch gegenüber dem Mieter. Versäumtes kann der Vermieter nicht mehr einseitig nachholen. Daher ist es durchweg üblich, dass Vermieter ihren Mietinteressenten Vertragsentwürfe präsentieren, die eine Vereinbarung über die Umlage der Nebenkosten enthalten. 3.2.7.3

Grundsätze für vertragliche Vereinbarungen

Grundsätzlich sind die Vertragspartner frei in der Vereinbarung der Umlage der Nebenkosten. Sie können also ungehindert Regelungen treffen über die umzulegenden Nebenkostenarten, den Umlageschlüssel, die Abrechnung über die Nebenkosten u. v. m. Dem

204

3 Wohn- und Gewerberaummiete

Grundsatz der Vertragsfreiheit sind jedoch gesetzlich Grenzen gesetzt. Soweit praktisch von Bedeutung, werden diese nachfolgend dargestellt: Die in der Betriebskostenverordnung katalogisierten Betriebskostenarten sind für das Wohnraummietrecht praktisch verbindlich. Obwohl im gewerblichen Mietrecht nicht gesetzliche Schranke, kommt der Betriebskostenverordnung erhebliche praktische Bedeutung zu. So erklären Mietverträge üblicherweise zumindest die in dieser Anlage genannten Betriebskostenarten für umlegbar auf den Mieter. Seit 1984 ist die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung im Rahmen der Heizkostenverordnung zwingend vorgeschrieben. Die Verordnimg gilt gleichermaßen für Wohnungen wie für Geschäftsräume, gemischt genutzte Gebäude und Genossenschaftswohnungen. Die Anwendung der Heizkostenverordnung kann nur für Zweifamilienhäuser vertraglich abbedungen werden, also für Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen, von denen eine der Vermieter selbst bewohnt (§ 2 Heizkostenverordnung). Zu den wesentlichen Einzelheiten der Verordnimg: Die Heizkostenverordnung findet Anwendung auf die Verteilung von Kosten für Heizung und Warmwasser durch den Gebäudeeigentümer auf eine Mehrheit von Nutzern, die von derselben Anlage mit Heizenergie oder Warmwasser versorgt werden (§ 1 Heizkostenverordnung). Die Verordnung gilt also nicht, wenn sich die Nutzer selbst versorgen, sei es durch Einzelöfen oder Etagenheizungen oder wenn eine Mietsache komplett an einen Mieter vermietet wird. Gemäß § 2 Heizkostenverordnung gehen die Vorschriften der Verordnimg grundsätzlich rechtsgeschäftlichen Bestimmungen vor. Das bedeutet, dass - außer bei Zweifamilienhäusern (siehe oben) - die Heizkostenverordnung in Verträgen weder insgesamt noch einzelne Vorschrift derselben vertraglich abbedungen werden können. Insbesondere ist auch eine vor dem Inkrafttreten der Verordnung vereinbarte Warmmiete oder Heizkostenpauschale nicht mehr zulässig. Ist trotzdem eine Nebenkostenpauschale vereinbart, so soll es auf die Umstände des Einzelfalles ankommen, wie die Nebenkostenpauschale aufzuspalten und auf die Heizkosten und die übrigen Nebenkosten zu verteilen ist. Auf der Grundlage der Verbrauchserfassimg hat der Gebäudeeigentümer die Verteilung der Heiz- und Warmwasserkosten vorzunehmen (§ 6 Abs. 1 HeizkostenVerordnung). Der erfasste Verbrauch bildet jedoch nicht den ausschließlichen Maßstab für die Verteilung der Heiz- und Warmwasserkosten. Die Heizkostenverordnung sieht vielmehr einen kombinierten Maßstab vor, der sich teilweise am Verbrauch, im Übrigen an festen Kriterien orientiert. Der nach Verbrauch abzurechnende Teil der Kosten ist für die Heizund Warmwasserkosten auf mindestens 50 % und höchstens auf 70 % festgelegt. Die üb-

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205

rigen Kosten, d. h. mindestens 30 % und höchstens 50 % sind nach der Wohn- und Nutzfläche zu verteilen (§§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Heizkostenverordnung). Mit dieser Methode trägt die Heizkostenverordnung dem Umstand Rechnung, dass im Einzelfall bis zu 1/3 der Heiz- und Warmwasserkosten unabhängig von der individuellen Nutzung entsteht. 3.2.7.4

Gesetzliche Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB)

Der Vertragsfreiheit der Parteien sind bei der formularmäßigen Abwälzung der Nebenkosten besondere Grenzen durch die formularrechüichen Vorschriften des BGB (§§ 305 ff. BGB) gesetzt. Besonders zu beachten ist im gewerblichen Mietrecht § 307 BGB. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessenen Benachteiligung kann sich beispielsweise aus der Unklarheit oder Undurchschaubarkeit einer Regelung ergeben (sog. „Transparenzgebot", § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). In der Praxis sind immer wieder Vereinbarungen anzutreffen, die gegen das Transparenzgebot verstoßen. Dies kann für einen Vermieter bittere Folgen haben. Ist nämlich eine von ihm verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung nach den §§ 305 ff. BGB unwirksam, gilt stattdessen das Gesetz (§ 306 Abs. 2 BGB). Nach § 535 Abs. 1 Satz 3 BGB hat der Vermieter die Nebenkosten dann selbst zu tragen (siehe Ziffer 3.2.7.2). Was ist zu beachten? Dem Mieter sollten die Nebenkostenarten, die er anteilig tragen soll, im Vertrag abschließend vor Augen geführt werden. Unbedingt vermieden werden sollten offene Formulierungen wie „trägt sämtliche Nebenkosten, insbesondere die Kosten..." oder „trägt die anfallenden Nebenkosten wie z. B. die Kosten ..." (wenngleich das OLG München, ZMR1997,233, die Formulierimg „Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien darüber, dass der Mieter alle anfallenden Nebenkosten - soweit gesetzlich zulässig - zu tragen hat" für vereinbar mit § 307 BGB bewertet hat. In dem Fall war Mieter jedoch ein Rechtsanwalt, den das OLG offenbar für nicht schutzwürdig gehalten hat. Dieses Urteil dürfte daher nicht zu verallgemeinern sein). Es ist anzuraten, dem Vertrag einen Abdruck der Betriebskostenverordnung beizufügen. Nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nämlich nur dann Vertragsbestandteil, wenn der Verwender bei Vertragsabschluss der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Dies gilt auch für Verweisungen auf Texte, die dem Vertrag selbst nicht beigefügt sind (BGH, NJW 1983, 816). Zwar ist in einer Reihe gerichtlicher Entscheidungen zu lesen, ein bloßer Hinweis auf die Betriebskostenverordnung genüge auch in Formu-

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3 Wohti- und Gewerberaummiete

larmietverträgen (ζ. Β. OLG Hamm, WuM 1997, 542; BayObLG, ZMR 1984, 203). In der Literatur wird das Beifügen der Betriebskostenverordnung zum Vertrag jedoch teilweise für erforderlich gehalten (ζ. B. Stemel, Mietrecht, 3. Aufl., 1988, III Rn. 322). Der Literatur hat sich u. a. das Amtsgericht Dortmund angeschlossen (WuM 1996, 425). Der Leitsatz dieser Entscheidung lautet eindrucksvoll: „Der bloße Verweis im Formularmietvertrag auf Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung (heute Betriebskostenverordnung) ist als Betriebskostenvereinbarung unverständlich mit der Folge der Unwirksamkeit der Betriebskostenumlage". Ferner sollten Unklarheiten, insbesondere Widersprüche in der Nebenkostenvereinbarung, vermieden werden. Nach § 305 c Abs. 2 BGB gehen nämlich Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Sind beispielsweise in einem Formularmietvertrag einzelne Nebenkosten aufgeführt, sind nur diese als abzurechnend vereinbart, auch wenn an anderer Stelle in vollem Umfang auf die Betriebskostenverordnung Bezug genommen wird (AG Münden, WuM 1990,32). Nach alledem kann man Vermietern für ihre gewerblichen Verträge eine Nebenkostenregelung etwa wie folgt empfehlen: Zunächst werden die Nebenkostenarten abschließend aufgezählt, die bei Mietbeginn auf den Mieter abgewälzt werden. Dabei werden in einem ersten Schritt die in der Betriebskostenverordnung genannten Betriebskostenarten wiedergegeben (entweder in einer Anlage zum Vertrag oder im Vertragstext selbst) und für umlegbar erklärt. Für die jeweilige Immobilie wird dieser Betriebskostenkatalog gegebenenfalls explizit erweitert, insbesondere um die Kosten der Hausverwaltung. Ergänzend sollten diejenigen Nebenkostenarten, die zukünftig neu entstehen, ebenfalls für umlegbar erklärt werden. Ob dies wirksam formularmäßig vereinbart werden kann, erscheint zweifelhaft (Transparenzgebot). Letzteres dürfte aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zulässig sein (vgl. BGH, WM 1984,1007). Eine typische Vereinbarung über die Abwälzung von Nebenkosten in einem gewerblichen Formularvertrag könnte danach lauten: 1.

Zusätzlich zur Miete tragen die Mieter alle Betriebskosten im Sinne der Betriebskostenverordnung, Anlage 1 zu diesem Vertrag, sowie die Kosten der Hausverwaltung und der Reinigimg der Außenfassade.

2.

Ferner umlegbar auf die Mieter sind alle künftig etwa neu entstehenden Nebenkosten.

3 Wohn- und Gewerberaummiete

3.2.7.5

207

Umlegungsmaßstab

Abgesehen von den Heiz- und Warmwasserkosten ist im gewerblichen Mietrecht ein bestimmter Umlegungsmaßstab für die Nebenkosten nicht gesetzlich vorgeschrieben. Es bleibt somit den Vertragsparteien überlassen, einen konkreten Verteilungsmaßstab festzulegen. Fehlt eine einvernehmliche Festlegung, kann der Vermieter von sich aus einen Maßstab bestimmen (AG Köln, ZMR 1997, 30). Er hat hierbei die Vorschriften der §§ 315,316 BGB zu beachten, d. h. er darf den Maßstab nicht beliebig festsetzten, sondern hat darauf zu achten, dass die Bestimmung der Leistung der Billigkeit entspricht. Dazu gehört insbesondere, dass der gewählte Verteilungsmaßstab so verbrauchsnah wie möglich ist (LG Hannover, WuM 1985,346; AG Köln, WuM 1985,343). Im gewerblichen Mietbereich haben sich durchweg Vertragsabreden durchgesetzt, nach denen die Nebenkosten zunächst nach dem individuellen Verbrauch, dann im Verhältnis der angemieteten Fläche zur Gesamtmietfläche der Mietsache umgelegt werden. Die jeweiligen Flächen sollten dabei möglichst exakt bestimmt werden. Dieses System verdeuüicht folgende Klausel, die für gewerbliche Mietverträge durchaus typisch ist: „Die Nebenkosten werden, soweit sie nicht vom Mieter unmittelbar beglichen oder nach Verbrauch ermittelt werden, im Verhältnis der angemieteten Fläche (110 qm) zur Gesamtmietfläche (2.600 qm) auf die Mieter umgelegt. Welche Nebenkosten nach Verbrauch umgelegt werden, entscheidet, soweit nicht gesetzliche Regelungen bestehen, der Vermieter." Man wird davon ausgehen können, dass bei den verbrauchsabhängigen Nebenkosten ein am Verbrauch orientierter Maßstab den Verhältnissen am besten Rechnung trägt. Ungerechtigkeiten können aber bei der Verteilung der nicht verbrauchsabhängigen Nebenkosten (Grundsteuern, Kosten des Hausmeisters, der Versicherungen, der Hausverwaltung etc.) auftreten, wenn man - wie im vorgenannten Beispiel - als Umlagemaßstab einen Flächenschlüssel vereinbart. Folgender Fall mag dies verdeutlichen: Ein Gastwirt mietet in einem Bürokomplex im Erdgeschoss verhältnismäßig wenig Fläche (100 qm) aber verhältnismäßig viel Lagerfläche (300 qm) im Kellergeschoss an. Legt man hier die nicht verbrauchsabhängigen Nebenkosten nach einem Flächenschlüssel um, trägt der Gastwirt für jeden Quadratmeter der im Verhältnis zur Mietfläche im Erdgeschoss wenig attraktiven Lagerfläche genauso viele Nebenkosten wie für jeden Quadratmeter oberirdische Mietfläche. Insoweit ist eine Schwäche des Flächenschlüssels nicht zu leugnen. Idealerweise könnte man die Nebenkosten für das Kellergeschoss und die oberirdischen Mietflächen gesondert erfassen und entsprechend getrennte Neben-

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3 Wohn- und Gewerberaummiete

kostenabrechnungen erteilen. Nach aller Erfahrung können jedoch die Nebenkosten nicht den einzelnen Flächenarten zugeordnet werden, ohne dass es darüber bei der Nebenkostenabrechnung zwischen den Parteien zum Streit kommt. Hier könnte nur eine detaillierte vertragliche Vereinbarung Abhilfe leisten, die die Zuordnung der einzelnen Nebenkostenarten zu den unterschiedlichen Flächenarten bestimmt. Dadurch würden jedoch die oftmals ohnehin zeitraubenden Vertragsverhandlungen um eine weitere Detaildebatte bereichert. Dies dürfte nicht unbedingt sachdienlich sein. Für die Praxis erscheint daher für Vermieter die Empfehlung geboten, die nicht verbrauchsabhängigen Nebenkosten im Verhältnis der Mietfläche zur Gesamtfläche umzulegen. Sofern Tiefgaragenstellplätze vermietet werden, ist jedoch darauf zu achten, dass im Mietvertrag zum Zwecke der Umlage der Nebenkosten pro Kfz-Stellplatz eine bestimmte Quadratmeterzahl angesetzt wird. Sonst lässt sich der Flächenschlüssel nicht konsequent umsetzen. In Wohnraummietverträgen können die Nebenkosten nach dem Flächenschlüssel „Wohnraumfläche zur Gesamtwohnraumfläche" und für einzelne Nebenkostenarten

(ζ. B.

Müllgebühren) nach Köpfen verteilt werden. 3.2.7.6

Erhebungsformen

In aller Regel hat der Mieter die Nebenkosten nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht in einer Summe, sondern als Teilzahlungen in Form von Vorauszahlungen oder Pauschalen zu bezahlen. Üblich sind Vereinbarungen, wonach solche Teilzahlungen zusammen mit den jeweiligen Mietzahlungen, meist in Monatsraten, fällig sein sollen. Leistet der Mieter Pauschalzahlungen auf die Nebenkosten, sind diese Kosten hiermit abgegolten, also nicht abzurechnen. Bei Vorauszahlungen hingegen ist der Vermieter verpflichtet, am Ende der jeweiligen Abrechnungsperiode eine Abrechnung zu erteilen. Ergibt sich bei der Abrechnung ein Guthaben des Mieters, so kann er die Rückzahlung der zuviel geleisteten Vorauszahlungen verlangen (§ 812 BGB). Der Anspruch verjährt gemäß § 195 BGB in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Vermieter Rechnung gestellt hat (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Reichen die Vorauszahlungen des Mieters nicht aus, den auf ihn entfallenden Nebenkostenanteil zu decken, so ist er zu einer Nachzahlung verpflichtet. Diese wird aber erst fällig, wenn der Vermieter eine ordnungsgemäße Abrechnung vorgelegt hat (BGH, WuM 1984,127).

3 Wohn- und Gewerberaummiete

3.2.8

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Mietkaution

Das Gesetz räumt dem Vermieter als Sicherheit für seine Ansprüche aus dem Mietvertrag ein Pfandrecht an den vom Mieter eingebrachten Gegenständen ein (siehe Ziffer 3.6). In der mietrechtlichen Praxis hat jedoch die Kaution, insbesondere in Form der Barkaution oder der Bürgschaft, erheblich größere Bedeutung erlangt. 3.2.8.1

Zweck und Umfang der Mietsicherheit

Die Mietsicherheit dient der Sicherung der Erfüllung aller Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung gegen den Mieter während und nach Beendigung der Mietzeit, soweit die Ansprüche auf Geld gerichtet sind oder sich in Ansprüche auf Geld verwandeln können (ζ. B. Schadenersatz wegen unterlassener Renovierung). Dazu gehören nicht nur die Miete, sondern auch Ansprüche auf Schadenersatz, Nutzungsentschädigimg (§ 546 a BGB) sowie Nebenansprüche (ζ. B. Kosten der Rechtsverfolgung gegen den Mieter). Bei gewerblichen Mietverhältnissen ist die Vereinbarimg einer Sicherheit - anders als bei Wohnraummietverträgen (dort maximal drei Monatsmieten, § 551 Abs. 1 BGB) - der Höhe nach nicht beschränkt. Eine Begrenzung ergibt sich lediglich bei Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und bei formularmäßig vereinbarten Mietsicherheiten durch §§ 305 ff. BGB, wenn die Höhe der Mietsicherheit überraschend ist oder den Mieter unangemessen benachteiligt. Letzteres ist zu bejahen, wenn die vom Vermieter geforderte Mietsicherheit sein Sicherungsbedürfnis übersteigt. 3.2.8.2

Form der Mietsicherheit

Die üblichsten Formen der Mietsicherheit sind die Barkaution und die (Bank-) Bürgschaft. Dabei ist seitens des Vermieters zu beachten, dass die Art der Sicherheitsleistung im Mietvertrag stets festgelegt werden sollte. Andernfalls kann der Mieter wählen, welche Art der Sicherheitsleistung er erbringen möchte (§ 262 BGB). Die Verpflichtung zur Erstellung einer Barkaution wird durch Zahlung des erforderlichen Betrages erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB), also durch Übergabe des Geldbetrages oder durch Banküberweisung. Wegen des Sicherungszweckes der Mietsicherheit ist der Mieter nicht berechtigt, seine Verpflichtung zur Leistung der Barkaution mit Gegenforderungen aufzurechnen (LG Hamburg, WuM 1991,586). Bei Wohnraummietverträgen hat der Vermieter die Barkaution von seinem Vermögen getrennt bei einem Kreditinstitut, zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündi-

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gungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen (§ 551 Abs. 3 BGB). Die Zinsen stehen dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit. Die obergerichtliche Rechtsprechung vertritt für das gewerbliche Mietrecht überwiegend die Auffassung, dass der Vermieter - anders als beim Wohnraummietvertrag nicht verpflichtet ist, die überlassene Kautionssumme insolvenzfest von seinem Vermögen anzulegen (OLG Düsseldorf, NJW 1978, 2511; LG Stuttgart, ZMR 1997, 472; LG Bonn, NJW-RR 1997,1099; a. A. OLG Frankfurt, NJW-RR 1991,1416). Eine Entscheidung des BGH liegt dazu noch nicht vor (offen gelassen in BGHZ 84,345 und BGHZ 127,138). Den Parteien eines Mietvertrages bleibt es jedoch unbenommen, eine entsprechende Verpflichtung des Vermieters zu vereinbaren. Zweck einer solchen Vereinbarung ist es, den Mieter davor zu schützen, seinen Anspruch der Rückzahlung der Barkaution einschließlich der Zinsen bei Vermögensverfall des Vermieters zu verlieren. Ohne treuhänderische Absonderung der Kaution vom Vermögen des Vermieters ist der Mieter im Falle der Insolvenz auf die Geltendmachung eines meist wertlosen Schadenersatzanspruches beschränkt. Die Stellung einer Bürgschaft einer Bank oder eines anderen Kreditinstitutes ist vor allem bei gewerblichen Mietverhältnissen weit verbreitet. Die Verpflichtung zur Stellung einer Bürgschaft kann auch in Formularverträgen wirksam vereinbart werden. Die Bürgschaft tritt dann an die Stelle der sonst üblichen Barkaution. Aus diesem Grund kann der Inhalt der Bürgschaft so ausgestaltet werden, dass die Inanspruchnahme des Bürgen für den Vermieter erleichtert wird. Zulässig ist in Formularverträgen die Anforderung, dass die Bürgschaft den Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit (BGH, NJW 1986, 43) oder den Verzicht auf das Recht zur Hinterlegung enthalten muss. Ebenso kann vom Vermieter eine Bürgschaft ausbedungen werden, in der sich der Bürge zur Zahlung auf erstes Anfordern verpflichtet. Dies hat den Zweck, dem Vermieter unmittelbar liquide Mittel zur Verfügimg zu stellen. Dies ist nach ganz herrschender Ansicht auch formularmäßig zulässig, weil schon bei der Barkaution der Vermieter unmittelbar auf die Geldmittel zugreifen kann (die Rechtsprechung zu Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften im Baugewerbe ist nicht übertragbar!). Zu beachten ist jedoch, dass die Übernahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern Kreditinstituten und Versicherungsgesellschaften sowie Kaufleuten, in deren Geschäftsbereich derartige Bürgschaften üblich sind, vorbehalten ist. Häufig entsteht zwischen den Parteien eines Mietvertrages Streit darüber, ob die vom Mieter gestellte Bürgschaft den mietvertraglichen Anforderungen entspricht. Dies kann durch Beifügung eines Mustertextes als Anlage zum Mietvertrag, dem die Bürgschaft entsprechen muss, vermieden werden.

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3.2.8.3

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Zeitpunkt der Überlassung der Mietsicherheit

Im Regelfall vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Mietvertrages, dass die Mietsicherheit innerhalb einer bestimmten Frist vor Beginn des Mietverhältnisses, ansonsten aber bei Übergabe der Mietsache, dem Vermieter übergeben wird. Hat der Wohnraummieter eine Barkaution zu stellen, so darf er diese in drei gleichen monatlichen Teilleistungen erbringen. Die erste Teilleistung ist dann zu Beginn des Mietverhältnisses fällig (§ 551 Abs. 2 Satz 2 BGB). Davon kann in einem Wohnraummietvertrag nicht abgewichen werden (§ 551 Abs. 4 BGB). Der Vermieter hat einen einklagbaren Anspruch auf Übergabe der vereinbarten Mietsicherheit. Unerheblich ist, ob tatsächlich zu befürchten ist, dass der Mieter seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen wird. Etwaige Mängel der Mietsache berechtigen den Mieter nicht, die Stellung der Mietsicherheit zu verweigern. Der Mieter ist in einem solchen Fall auf die Ausübung seiner Gewährleistungsrechte (§§ 536 ff. BGB) beschränkt. Die Nichterfüllung der Pflicht zur Leistung der Mietsicherheit berechtigt den Vermieter zur Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB (BGH, NZM1998, 766). Er kann demgemäß die Überlassung der Mieträume verweigern, wenn die Mietsicherheit nicht bis zur Übergabe der Mietsache vertragsgemäß gestellt worden ist; ferner kann er die Durchführung sonstiger von ihm übernommener Verpflichtungen (ζ. B. Ausbauarbeiten) verweigern (BGH, a. a. O.). Zu der Frage, ob der Vermieter gemäß § 323 BGB vom Mietvertrag zurücktreten kann, wenn die Pflicht zur Stellung der Mietsicherheit bereits vor Übergabe der Mieträume nicht erfüllt wird, liegt noch keine obergerichtliche Rechtsprechung vor. In der mietrechtlichen Kommentarliteratur wird dies vereinzelt vertreten. Nach Beginn des Mietverhältnisses kann die Nichterfüllung im Einzelfall einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB darstellen (BGH, WuM 1988,126). Erforderlich ist, dass das Sicherungsbedürfnis des Vermieters erheblich tangiert wird. Dies wird bei einer Weigerung des Mieters, die Sicherheit zu erbringen oder bei Zahlungsunvermögen angenommen. Zur Klarstellung empfiehlt sich, im Mietvertrag dem Vermieter ein Recht zur Kündigung für den Fall, dass die Sicherheitsleistung trotz angemessener Nachfristsetzung nicht gestellt wird, einzuräumen. Alternativ kann vereinbart werden, dass die termingerechte Leistung der vereinbarten Mietsicherheit aufschiebende Bedingung für das Zustandekommen des Mietvertrages ist.

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3.2.8.4

Verwertung der Mietsicherheit

Die Verwertung der Mietsicherheit richtet sich nach dem Sicherungszweck, für den die Mietsicherheit gegeben wurde. Die Barkaution wird durch Verrechnung des zur Befriedigung des Vermieters benötigten Betrages verwertet, die Bürgschaft durch Inanspruchnahme des Bürgen. Der Vermieter ist erst zur Verwertung der Mietsicherheit berechtigt, wenn der Mieter mit der Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung aus dem Mietverhältnis in Verzug gerät. Den Vermieter trifft keine Verpflichtung, sich vor Abwicklung des Vertrages aus der Sicherheit zu befriedigen; es steht ihm also frei, ζ. B. rückständige Miete auch kurz vor dem Ende der Mietzeit einzuklagen anstelle zur Verwertung der Mietsicherheit zu schreiten. Allerdings ist der Vermieter grundsätzlich auch während des Mietverhältnisses berechtigt, sich aus der Mietsicherheit zu befriedigen, wenn die vorgenannten Voraussetzungen zur Verwertung vorliegen (BGH, WuM 1972, 57). Durch die Verwertung erlischt die rückständige Zahlungsverpflichtung des Mieters. Auf Verlangen des Vermieters ist der Mieter jedoch nach Verwertung verpflichtet, eine Barkaution wieder aufzufüllen bzw. die in Anspruch genommene Mietbürgschaft durch eine neue Mietbürgschaft zu ersetzen. Für den Fall, dass der Mieter dieser Verpflichtung nicht nachkommt, sollte der Mietvertrag ein Recht zur fristlosen Kündigung für den Vermieter vorsehen. Für die Inanspruchnahme einer Mietbürgschaft gelten folgende Besonderheiten: •

Bei einer Mietbürgschaft, die auf erstes Anfordern zahlbar ist, genügt für die Inanspruchnahme des Bürgen die bloße Aufforderung zur Zahlung unter Angabe der rückständigen Ansprüche gegen den Mieter. Der Bürge kann die Zahlung nicht verweigern, sondern ist hinsichtlich ihm etwa zustehender Einwendungen und Einreden gegen den Zahlungsanspruch auf einen Rückforderungsprozess verwiesen. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung nur dann, wenn das Nichtbestehen der Hauptforderung offensichtlich und für jedermann klar erkennbar oder liquide beweisbar ist. In diesem Fall ist die Ausnutzung der formalen Rechtsstellung durch den Bürgschaftsgläubiger missbräuchlich und



bei allen anderen Bürgschaftsformen muss der Vermieter die rückständige Forderung schlüssig darlegen und dem Bürgen die Möglichkeit zur Überprüfung einräumen. Der Bürge ist insbesondere berechtigt, Einwendungen und Einreden, die dem Mieter zustehen, der Inanspruchnahme entgegenzuhalten (§ 768 BGB).

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3.2.8.5

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Abrechnung und Rückgabe der Mietsicherheit

Der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Barkaution zzgl. etwaiger Zinsen bzw. Rückgabe der Mietbürgschaft ist aufschiebend bedingt durch die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag. Der Anspruch entsteht mithin frühestens mit dem Ende des Mietverhältnisses. Der Anspruch auf Rückgabe der Mietsicherheit wird erst fällig, wenn der Sicherungszweck entfallen ist. Dies ist der Fall, wenn der Vermieter zum Ergebnis kommt, dass keine Ansprüche gegen den Mieter bestehen oder er aus sonstigen Gründen auf eine Inanspruchnahme verzichtet. Dem Vermieter steht dabei ein angemessener Zeitraum zu, innerhalb dessen er prüfen und entscheiden kann, ob und in welcher Höhe noch Ansprüche gegen den Mieter bestehen, die durch Inanspruchnahme der Sicherheit befriedigt werden sollen. Auch während dieser Zeit ist eine Aufrechnimg des Mieters mit dem Anspruch auf Rückzahlung der Barkaution ausgeschlossen. Der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung bzw. Rückgabe der Mietsicherheit wird daher erst nach Ablauf eines angemessenen Zeitraumes fällig (BGH, WuM 1987,310). Die obergerichtliche Rechtsprechung vertritt dabei überwiegend die Auffassimg, angemessen sei stets ein Zeitraum von sechs Monaten (ζ. B. OLG Hamm, NJW-RR1992,1036; OLG Frankfurt, ZMR 1991,105). Richtigerweise hängt die Dauer des Zeitraums von den Umständen des Einzelfalles ab, so dass auch ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten angemessen sein kann (BGH, WuM 1987, 310). Bei der Bemessung des Zeitraumes ist insbesondere zu berücksichtigen, innerhalb welcher Frist der Vermieter über die Nebenkosten abrechnen kann. Dies ist häufig problematisch, wenn der Auszugszeitpunkt am Anfang einer Abrechnungsperiode liegt. Die Art und Weise der Rückgabe richtet sich nach der vom Mieter erbrachten Sicherheit. Ist eine Barkaution erbracht, ist dem Mieter der Kautionsbetrag einschließlich Kautionszinsen zu leisten. Bei einer Bürgschaft muss der Vermieter dem Mieter die Bürgschaftsurkunde herausgeben. Der Mieter kann auch verlangen, dass der Vermieter gegenüber dem Bürgen eine Verzichtserklärung abgibt. 3.2.8.6

Wechsel des Eigentümers

Im Falle der Veräußerung des Grundstückes tritt der Erwerber mit dem Tag der Umschreibung des Eigentums im Grundbuch in alle Rechte und Pflichten des Vermieters aus dem Mietvertrag ein (§ 566 BGB). § 566 a BGB bestimmt weiter, dass der Erwerber kraft Gesetzes auch in bestehende Sicherungsrechte eintritt. Die Rechte einer Mietsicherheit gehen daher ohne weiteres auf den Erwerber über.

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Soweit der Mieter die Mietsicherheit vor dem Eigentümerwechsel nicht vollständig gestellt hat oder die Mietsicherheit in Anspruch genommen worden ist, kann der Erwerber vom Mieter die Stellung bzw. Wiederauffüllung der Mietsicherheit verlangen. Der bisherige Vermieter ist mit dem Eigentumswechsel grundsätzlich verpflichtet, die Mietsicherheit dem Erwerber zu übergeben (Überweisung der Mietkaution, Übergabe der Bürgschaft). Diesen Anspruch können sowohl der Erwerber als auch der Mieter gegen ihn geltend machen. Der Vermieter ist berechtigt, die Weiterleitung zu verweigern, wenn und soweit er die Sicherheit noch zur Befriedigung rückständiger Ansprüche benötigt (OLG Karlsruhe, ZMR1989, 89). Unterlässt es der alte Vermieter, die Kaution entgegen seiner Verpflichtung weiterzuleiten, ist der Mieter gegenüber dem Erwerber nicht zur Stellung einer neuen Kaution verpflichtet, denn mit Stellung der Sicherheit hat er seine diesbezügliche Verpflichtung aus dem Mietvertrag zunächst erfüllt. Selbst wenn die Mietsicherheit an den Erwerber weitergeleitet wird, ist der bisherige Vermieter aber weiterhin zur Rückgabe der Sicherheit verpflichtet, sofern der Mieter die Sicherheit nicht vom Erwerber erlangen kann (§ 566 a Satz 2 BGB). Im Falle eines Mieterwechsels ist seitens des Vermieters bei Bürgschaften auf Besonderheiten zu achten (siehe Ziffer 3.2.3). 3.2.9 3.2.9.1

Vertragsdauer Praktische Erscheinungsformen

Grundsätzlich sind die Parteien eines Mietvertrages frei in der Bestimmung der Vertragsdauer. Entweder wird der Vertrag auf imbestimmte Zeit (dann ist er von jeder Partei unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen ordentlich kündbar) oder für einen bestimmten Zeitraum (dann ist er während der festen Vertragsdauer von keiner Partei ordentlich kündbar) abgeschlossen. Insbesondere im gewerblichen Mietrecht weit verbreitet ist, dass sich der Mieter eine oder mehrere Optionsmöglichkeiten einräumen lässt. Diese Option(en) gestatten es dem Mieter, einseitig den Mietvertrag um einen vertraglich vereinbarten Zeitraum (zum Beispiel drei oder fünf Jahre) fest zu verlängern. Wer als Mieter insoweit auf besonders hohe Flexibilität wert legt, kann sogar versuchen, zu vereinbaren, dass er die Option auch nur für Teilflächen ausüben darf. Alternativ zur Gewährung von Optionen können die Parteien auch einen sehr langfristigen Vertrag schließen mit der Möglichkeit des Mieters, den Vertrag vorzeitig zu bestimmten Terminen sonderzukündigen.

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3.2.9.2

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Gesetzliche Grenzen

Wird ein Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre abgeschlossen, so kann nach 30 Jahren jeder Teil das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen (§ 544 Satz 1 BGB). Die Kündigung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag für die Lebenszeit des Vermieters oder Mieters geschlossen ist (§ 544 Satz 2 BGB). Schließen also die Parteien einen Mietvertrag auf 40 Jahre fest ab, können Vermieter und Mieter den Vertrag vorzeitig nach Ablauf von 30 Jahren kündigen. Der Gesetzgeber hat insoweit eine zwingende gesetzliche Zäsur vorgeschrieben. Wollen die Parteien bei Vertragsabschluss das Nutzungsrecht für eine längere Zeit als 30 Jahre fest begründen, können sie dies durch die Bindung an die Lebenszeit des Vermieters oder Mieters sowie eine „Verdinglichung" des Mietrechts über die Vereinbarung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit oder eines Dauernutzungsrechts erreichen (siehe Ziffer 3.3.8). Ist im Mietvertrag eine Wertsicherungsklausel enthalten (siehe oben Ziffer 3.2.5.4), ist diese nur wirksam, wenn sich der Vermieter im Mietvertrag mindestens 10 Jahre fest bindet. Dies sollte er bei der Vertragsgestaltung tunlichst beachten. In Hinsicht auf die Mietdauer besonders hinzuweisen ist auf § 545 BGB, eine tückische Vorschrift. § 545 BGB bestimmt: Wird nach dem Ablaufe der Mietzeit der Gebrauch der Sache fortgesetzt, so gilt das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht der Vermieter oder der Mieter seinen entgegengesetzten Willen binnen einer Frist von zwei Wochen dem anderen Teil gegenüber erklärt. Die Frist beginnt für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in welchem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält. Setzt also der Mieter nach dem Mietende den Gebrauch der Mietsache fort und widerspricht der Vermieter diesem Fortgebrauch nicht innerhalb der 2-Wochen-Frist, wird das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit fortgesetzt fingiert. Will der Vermieter die Mietsache dann zurück, muss er dem Mieter (erneut) kündigen. Um diese unliebsame Rechtsfolge zu vermeiden, versuchen die meisten Vermieter, § 545 BGB im Mietvertrag auszuschließen, was selbst formularmäßig zulässig ist, wenn im Mietvertrag der Inhalt von § 545 BGB wiedergegeben wird. Ist § 545 BGB nicht im Mietvertrag ausgeschlossen worden, ist der Vermieter im Falle der Kündigung des Mietvertrages gut beraten, bereits in der Kündigung seinen der Fortsetzung des Mietverhältnisses entgegenstehenden Willen zu erklären. Dies ist möglich.

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3.2.10 Vorvertrag und ähnliche Sachverhalte 3.2.10.1 Vorvertrag Ein Vorvertrag, der gesetzlich nicht geregelt ist, zeichnet sich dadurch aus, dass er die Vertragsparteien lediglich verpflichtet, erst künftig einen gültigen Mietvertrag abzuschließen, ohne unmittelbare Leistungspflichten zu begründen. Mietvorverträge kommen in der Praxis eher selten vor, da den Parteien eigentlich immer daran gelegen ist, ihre vertraglichen Beziehungen bereits endgültig zu regeln oder sich eben noch nicht zu binden. Die Annahme eines Vorvertrages ist nur dann gerechtfertigt, wenn besondere Umstände darauf schließen lassen, dass die Parteien sich ausnahmsweise schon binden wollten, bevor sie alle Vertragspunkte abschließend geregelt haben und nur deshalb vom Abschluss des eigentlichen Mietvertrages abgesehen haben. Vormietverträge haben beispielsweise ihre eigenständige Bedeutung bei Vorliegen von Hindernissen rechtlicher oder tatsächlicher Art, die dem Abschluss des erstrebten Hauptvertrages entgegenstehen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das zu vermietende Objekt anderweitig vermietet ist oder das Gebäude noch erst errichtet werden muss, die Parteien aber eine Bindung schon jetzt begründen wollen, um die Erreichung des Vertragszieles schon frühzeitig zu sichern. Mit Abschluss des Vormietvertrages besteht die Verpflichtung, alsbald nach Fortfall der noch bestehenden Hindernisse den Hauptvertrag abzuschließen. Den Inhalt des erstrebten Mietvertrages braucht nach herrschender Meinung der Vorvertrag nicht so bestimmt oder bestimmbar zu umschreiben wie der eigentliche Mietvertrag. Es liegt im Wesen des Vorvertrages, dass die Vertragsbedingungen nicht vollständig festgelegt sind und ein Verhandlungsspielraum verbleibt, der bei Abschluss des Hauptvertrages auszufüllen ist. Die Parteien müssen sich aber über alle wesentlichen Punkte so geeinigt haben, dass der Inhalt des abzuschließenden Hauptvertrages zumindest bestimmbar ist. Enthält der Vorvertrag keine Regelungen zu Nebenpunkten, sind i. d. R. die gesetzlichen Bestimmungen heranzuziehen. Zum wesentlichen Vertragsinhalt, über den Einigung bestehen muss, gehören die Mietsache, die Miete und die Mietzeit (BGH, NJW-RR1993,139). Problematisch ist dies jedoch wenn der Abschluss des Hauptvertrages gerichtlich durchgesetzt werden soll. Hier muss der klagende Vertragspartner dem anderen grundsätzlich ein genaues Vertragsangebot unterbreiten und beantragen, diesen zur Annahme des Vertragsangebotes zu verurteilen (BGHZ 97,147). Der Kläger muss daher, soweit Unsicherheiten über den Umfang der vertraglichen Bindung bestehen, entsprechende Hilfsanträge stellen. Voraussetzimg für ein gerichtliches Vorgehen ist daher, dass der Vorvertrag einen engen Rahmen für den in Aussicht genommenen Mietvertrag gesteckt hat.

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Lässt er dem Beteiligten einen breiten Verhandlungsspielraum, so ist es nicht Aufgabe des Gerichtes, den Inhalt des Vertrages festzulegen; dies ginge über eine zulässige ergänzende Vertragsauslegung hinaus. Der Mietvorvertrag weist zudem eine weitere Besonderheit auf: Nach der umstrittenen Rechtsprechung des BGH bedarf er - anders als der endgültige Mietvertrag - nicht der strengen gesetzlichen Schriftform (BGH, NJW1984,479). Ein Mietvorvertrag ist daher insgesamt kaum zu empfehlen, wenngleich insbesondere ausländische Investoren des angloamerikanischen Rechtskreises immer wieder danach verlangen („letter of intent", „memorandum of understanding"). 3.2.10.2 Vormietrecht Im gewerblichen Mietrecht verbreitet ist das sogenannte Vormietrecht. Damit wollen sich Mieter regelmäßig den ersten Zugriff auf bestimmte frei werdende Mietflächen sichern. Was ist ein Vormietrecht genau? Das Vormietrecht ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Die Juristen sind sich jedoch einig, dass - mangels anderslautender Vereinbarungen - die gesetzlichen Vorschriften über das Vorkaufsrecht (§ 463 ff. BGB) entsprechend gelten. Das hat für einen Vermieter unangenehme Rechtsfolgen, denn der vormietberechtigte Mieter kann durch einseitige Erklärung gegenüber dem Vermieter für die Vormietfläche einen Mietvertrag zustande bringen, wie ihn der Vermieter mit einem Dritten vereinbart hat. Folgendes Beispiel soll die Brisanz für den Vermieter verdeutlichen: Der Vermieter V räumt dem Gewerbemieter G für die 1. Etage der Mietsache das Vormietrecht ein. Als die 1. Etage frei wird, bietet V dem G die 1. Etage zur Anmietung an. G kann sich jedoch zunächst nicht entschließen. So vermietet V die 1. Etage an den M. Daraufhin übt G gegenüber V sein Vormietrecht aus. Im vorgenannten Beispiel sind über dieselbe Mietfläche (1. Etage) zwei Mietverträge mit identischen Bedingungen zustande gekommen, wovon V allerdings nur einen erfüllen kann. Will V sich nicht schadenersatzpflichtig machen, müsste er sich in dem Mietvertrag mit dem M den Rücktritt vorbehalten für den Fall, dass G sein Vormietrecht ausübt (möglich ist auch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingimg). Das wird die Anmietaktivitäten des M bremsen, so dass sich Vormietrechte für Vermieter in der Praxis als Vermietungshindernisse erweisen.

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3.2.10.3 Anmietrecht Allgemein wird unter dem (gesetzlich nicht geregelten) Anmietrecht das dem Mieter eingeräumte Gestaltungsrecht verstanden, durch einseitige Erklärung einen inhaltlich feststehenden oder zumindest nach vereinbarten Bedingungen inhaltlich festzulegenden Mietvertrag zu begründen. Wird also Mietfläche in der Mietsache frei, auf die sich das Anmietrecht des Mieters bezieht, kann der Mieter nach Maßgabe der vertraglich vereinbarten Konditionen diese Fläche einseitig anmieten. Mit der Einräumung des Anmietrechts hat sich der Vermieter also einseitig bereits gebunden, was dieses Recht für ihn nicht sonderlich attraktiv macht. 3.2.10.4 Anbietungsverpflichtung Die Anbietungsverpflichtung ist gesetzlich nicht definiert und der Begriff wird nicht einheitlich verwendet. Allgemein lässt sich sagen, dass es sich um eine Parteivereinbarung handelt, mit der dem Berechtigten eine Verzugs Stellung eingeräumt wird. Konkret wird einem Mietinteressenten (oder dem vorhandenen Mieter) vertraglich versprochen, dass ihm eine bestimmte Mietsache oder ggf. weitere Mietflächen zur Anmietung angeboten werden, bevor der Vermieter die Mietsache bzw. die weiteren Flächen an einen anderen vermietet. Dabei können wiederum die Mietkonditionen bereits festgelegt oder offen gelassen werden. Dem Vermieter steht es jedoch frei, ob, wann und zu welchen Bedingungen er vermieten will. Er ist lediglich verpflichtet, bei beabsichtigter Vermietung zunächst in Vertragsverhandlungen mit dem Berechtigten einzutreten, ggf. ihm auch Angebote anderer Interessenten mitzuteilen. Solche Leistungsverpflichtungen sind aus der Sicht des Vermieters jedenfalls dann gefährlich, wenn der Berechtigte die Weitervermarktung der Mietflächen durch allzu lange Überlegungsfristen blockieren kann. Ein Risiko besteht auch, wenn der Vermieter großzügig verschiedenen Mietern verpflichtet ist und den Überblick über die Anbietungssituation verliert. Dies kann Schadenersatzverpflichtungen nach sich ziehen. Alles in allem ist die Anbietungsverpflichtung gegenüber dem Anmietrecht oder dem Vormietrecht aber die Alternative, der der Vermieter noch am ehesten zustimmen kann.

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3.3 Mietgebrauch 3.3.1 3.3.1.1

Gebrauchsüberlassungspflicht des Vermieters Vorbemerkung

Vertragliche Hauptpflicht des Vermieters ist es, dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit zu gewähren. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB konkretisiert diese Pflicht dahingehend, dass der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und ihn während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten hat. Nach dem gesetzlichen Leitbild liegen also die mit der Erfüllung dieser Hauptpflicht verbundenen Risiken und Kosten in der Risikound Verantwortungssphäre des Vermieters. Etwas anderes gilt nur, wenn und soweit die Parteien im Einzelfall davon abweichende Vereinbarungen getroffen haben. In der Praxis versuchen Vermieter daher sehr häufig diesen Grundsatz vor allem in gewerblichen Mietverträgen zu Lasten der Mieter abzuändern. Soweit solche Regelungen Gegenstand individueller Vereinbarungen sind, bestehen gegen ihre Wirksamkeit - jedenfalls im gewerblichen Mietrecht - in aller Regel keine Bedenken. Problematisch ist hingegen die Zulässigkeit derartiger Klauseln in Formularverträgen. Diese Klauseln sind Gegenstand einer umfangreichen, sich laufend fortentwickelnden Rechtsprechung, die bei der Abfassung von Formularverträgen im Einzelfall jeweils neu überprüft werden muss. Der Vermieter hat dem Mieter die Mietsache zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt zu überlassen. Ist für die Überlassung kein Termin vereinbart worden, kann der Mieter sie unmittelbar nach Abschluss des Mietvertrages verlangen (§ 271 BGB). Zur Erfüllung der Überlassungspflicht reicht es aus, dass der Vermieter dem Mieter den unmittelbaren Besitz an der gesamten Mietsache einräumt (BGH, NJW 1976, 105). Die Gebrauchsgewährungspflicht ist als Hauptpflicht des Vermieters grundsätzlich unabdingbar. Der Vermieter bleibt dazu verpflichtet, auch wenn der Mieter mit der Zahlung der Miete in Verzug gerät. Kommt der Vermieter seiner Verpflichtimg zur Überlassung nicht nach, kann der Mieter dem Vermieter eine angemessene Nachfrist setzen und nach deren fruchtlosen Ablauf den Mietvertrag fristlos kündigen (§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB). Die Kündigung gemäß §543 Abs. 1 BGB ist ausgeschlossen, wenn die Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung auf Verschulden oder Mitverschulden des Mieters, wie ζ. B. bei einem vom Mieter verursachten Brand, zurückzuführen ist. Mit den Risiken einer fristlosen Kündigung des Mieters gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen nicht rechtzeiti-

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ger Gewährung des Gebrauchs der Mietsache, wird der Vermieter in der Praxis vor allem bei zwei Fallgestaltungen konfrontiert: •

werden vermietete Räume vor Auszug des Vormieters an einen Nachmieter vermietet, kann der Verzug des Vormieters mit der Räumung der Mietsache deren rechtzeitige Übergabe an den Nachmieter vereiteln;



werden noch in der Erstellung begriffene Mietsachen vermietet, kann sich deren Fertigstellung über den mit dem Mieter vereinbarten Übergabetermin hinaus verzögern.

Bei im Bau befindlichen Gebäuden sollte diese Problematik in einer Individualvereinbarung mit bestimmten Ankündigungsfristen und deren Wirkimg geregelt werden. Dasselbe gilt bei Auszugsverzögerungen des Vormieters, soweit sie bei Abschluss des Mietvertrages mit dem Nachmieter absehbar sind. Der Mietvertrag begründet - soweit dies nicht ausdrücklich vereinbart wird - keine Pflicht des Mieters zur Übernahme der Mietsache. Der Mieter gerät jedoch, wenn er die ihm fristgerecht angebotene Mietsache nicht übernimmt, in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB). 3.3.1.2

Vertragsgemäßer Zustand der Mietsache bei Überlassung

Die Mietsache muss dem Mieter in vertragsgemäßem Zustand übergeben werden. Der Inhalt dieser Verpflichtimg bestimmt sich nach dem Vertragszweck, in erster Linie also der vertraglich vorgesehenen Nutzung durch den Mieter und der vereinbarten Ausstattung. Soweit der Mietvertrag dazu keine genauen oder nur unzureichende Angaben enthält, gilt die Ortsüblichkeit. Im Rahmen seiner Verpflichtung zur Überlassung der Mietsache in einem vertragsgemäßen Zustand ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter die Mietsache mangelfrei zu übergeben. Die Mietsache muss dem Mieter so bereitgestellt werden, dass er in der Lage ist, den üblichen oder vertraglich vereinbarten Gebrauch auszuüben. Die Tauglichkeit der Mietsache dazu darf weder aufgehoben noch gemindert sein. Liegt ein Mangel im Sinne der §§ 536 ff. BGB vor, kann der Mieter nach Überlassung der Mietsache gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB Herstellung des vertragsgemäßen Zustande bzw. Mängelbeseitigung verlangen und/oder die Gewährleistungsrechte nach §§ 536 ff. BGB geltend machen, ggf. auch das Mietverhältnis nach § 543 BGB fristlos kündigen. Der Vermieter steht also für die vertraglich vereinbarte oder übliche Beschaffenheit der Mietsache insoweit verschuldensunabhängig ein. Die Beweislast dafür, dass die Mietsache sich bei Überlassung an den Mieter in einem vertragsgemäßen Zustand befindet, trägt der Vermieter (OLG Köln, ZMR1997,230).

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Die Verpflichtung zur Übergabe im vertragsgemäßen Zustand bezieht sich nicht nur auf den substanziellen Zustand der Mietsache selbst, sondern auch auf die für ihre Benutzbarkeit maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse. So muss der Vermieter ζ. B. für einen ungehinderten Zugang zu den Mieträumen (auch durch Kunden bzw. Lieferanten des Mieters) sowie ggf. für den Mitgebrauch beeinträchtigende und bei Abschluss des Mietvertrages nicht vorausgesetzte Emission durch Lärm, Gerüche oder Staub ebenso einstehen wie für sonstige Störungen des Mietgebrauchs durch Dritte. Zu dem vertragsgemäßen Zustand gehört auch die Möglichkeit, die Mietsache zu dem vertraglich vorgesehenen Zweck ohne Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen (ζ. B. baurechtliche Nutzungsbestimmimg, Apothekenbetriebs-VO, Warenhaus-VO etc.) nutzen zu können. Auf ein Verschulden des Vermieters kommt es insoweit ebenso wenig an wie darauf, ob die den vereinbarten Mietgebrauch behindernden Umstände seiner Einflusssphäre entzogen sind. Vielmehr trägt der Vermieter das Risiko, mangelnder Tauglichkeit der Mieträume zu dem vereinbarten Verwendungszweck bzw. zu dem vertragsgemäßen Gebrauch. Von den hiermit verbundenen Prüflings- und Regelungspflichten kann sich der Vermieter in Formularverträgen nicht wirksam frei zeichnen, sondern wiederum nur von seiner Schadenersatzhaftung. Um das Risiko etwaiger späterer Streitereien über den Zustand der Mietsache bei Übergabe zu reduzieren, empfiehlt es sich grundsätzlich für den Vermieter und den Mieter die Mietsache bei der Übergabe gemeinsam zu besichtigen. Die dabei etwa festgestellten Mängel und deren Behandlung (ζ. B. Beseitigung) sollten in ein von beiden Parteien zu unterzeichnendes Übergabeprotokoll aufgenommen werden. Soweit der Mieter in einer individuellen Vereinbarung, wozu auch ein Übergabeprotokoll gehört, auf eine Beseitigung der vorhandenen Mängel verzichtet, kommt diesen keine rechtliche Bedeutung zu. Wird ein Mangel, den der Mieter kannte oder erkennen konnte, von ihm nicht gerügt, so werden dadurch nach § 536 c Abs. 2 BGB regelmäßig nur die Gewährleistungsansprüche des Mieters ausgeschlossen. Unberührt davon bleibt der Erfüllungsanspruch des Mieters, also der Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes (BGH, NJW 1980,777). 3.3.1.3

Gewährleistung des Vermieters

Weist die Mietsache bei der Überlassung an den Mieter einen Mangel auf oder entsteht ein solcher während der Mietzeit, stehen dem Mieter grundsätzlich folgende Rechte gegen den Vermieter zu:

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Erfüllung durch Beseitigung des Sachmangels (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB),



Minderung der Miete (§ 536 BGB),



Schadenersatz wegen Nichterfüllung (§ 536 a BGB),



Kündigung des Mietvertrages ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Der Mieter kann diese Rechte wahlweise nebeneinander geltend machen. Er kann also gleichzeitig die Miete mindern und Schadenersatz fordern; er kann aber auch Erfüllung verlangen und daneben die Rechte aus §§ 536, 536 a BGB ausüben. Ferner kann der Mieter kündigen und Schadenersatz nach § 536 a BGB verlangen. Die mietrechtlichen Regelungen zur Gewährleistung des Vermieters verdrängen nach der Überlassung der Mietsache die allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen über die Leistungsstörungen (insbesondere §§ 275 ff., 320 ff. BGB). Ansprüche auf Schadenersatz aus positiver Vertragsverletzung können daher neben § 536 a BGB nur geltend gemacht werden, soweit die Vertragsverletzung des Vermieters nicht unmittelbar die Beschaffenheit der Mietsache betrifft, wie ζ. B. bei Schutz- und Fürsorgepflichten. Ebenso sind nach der Übergabe Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (c. i. c.), ζ. B. wegen unrichtiger Angaben des Vermieters zur Beschaffenheit der Mietsache, durch die insoweit vorrangigen Gewährleistungsrechte des Mietrechtes ausgeschlossen. Etwas anderes gilt nur, soweit der Vermieter arglistig falsche Angaben gemacht hat (BGH, NJW 1997,2813). Nach § 536 BGB liegt ein Mangel der Mietsache vor, wenn ein Fehler der Mietsache seine Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder erheblich mindert oder eine zugesicherte Eigenschaft der Mietsache fehlt oder später wegfällt. Zum Begriff des „Fehlers" der Mietsache haben sich in der Rechtsprechung im Laufe der Zeit folgende fünf Fallgruppen gebildet: 1. Gruppe:

Sachmängel, die der Mietsache unmittelbar anhaften, wie ζ. B. •

ungenügende Sicherung gegen Regenwasser (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988,906; OLG, Hamm NJW-RR 1988,529);



unzureichende Heizung (NJW-RR 1994,399);



bauliche Mängel des Gebäudes (Mangel an Schallschutz, mangelhafte Elektroinstallationen oder Abwasserleitungen);



gesundheitsgefährdender Zustand wie bei Asbest, Hausschwamm, Formaldehydkonzentration oberhalb der zulässigen Grenzwerte.

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2. Gruppe:

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Sachmängel, die sich außerhalb der Mietsache am Gebäude oder seinen Zuwegungen befinden, wie ζ. B. •

mangelhafter Zustand von Treppenhäusern (RGZ 165,155; BGH, NJW 1967,154);



Störung des ungehinderten Zugangs zur Mietsache durch Straßenbauarbeiten (BGH, NJW 1981,2405).

3. Gruppe:

Leistungsmängel, die sich darauf beziehen, dass der Vermieter seinen Versorgungspflichten nicht nachkommt, wie ζ. B. •

unzureichende Wärme- oder Wasserversorgung;



nicht ordnungsgemäße Reinigung und Beleuchtung von Gemeinschaftsflächen.

4. Gruppe:

Störungen durch Nachbarn und sonstige Dritte, wie ζ. B. •

Baustellenlärm (OLG München, NJW-RR1994,654);



Belästigung durch Lärm, Gerüche, Staub und dergleichen, die von Mitmietern, Nachbarn oder sonstige Dritte verursacht werden, wobei der Vermieter regelmäßig jedoch nicht für kriminelles Verhalten Dritter einstehen muss.

5. Gruppe:

Behördliche Nutzungsbeschränkungen, wie ζ. B. •

Fehlen einer für die konkrete Nutzung erforderlichen bauaufsichtsrechtlichen Nutzungsgenehmigungen (BGH, NJW-RR 1991,1102);



Bebauungsverbote;



Zweckentfremdungsverbote.

Der mietrechtliche Begriff des Mangels wird subjektiv verstanden. Deshalb kommt es für die Frage, ob ein Mangel vorliegt, maßgeblich auf den vom Mieter bezweckten und vertraglich vereinbarten Gebrauch der Mietsache an. Das Vorliegen eines Mangels der Mietsache kann bejaht werden, wenn sie von der im Mietvertrag vereinbarten Beschaffenheit abweicht und dadurch ihr Wert oder ihre Tauglichkeit zum vertraglich vorausgesetzten Verbrauch nicht nur unwesentlich aufgehoben oder gemindert wird. Unwesentliche Beeinträchtigungen der Gebrauchsfähigkeit bleiben außer Betracht (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB). Die Prüfung, ob ein Sachmangel vorliegt, erfolgt also anhand der Zweckbestimmung der Vertragsparteien. Je genauer der Mietvertrag den Gebrauchszweck um-

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schreibt, umso weitgehender ist das vom Vermieter übernommene Risiko für die Verwendbarkeit der Mietsache für die vom Mieter beabsichtigte und ausgeübte Nutzung. Das Fehlen oder der Wegfall einer zugesicherten Eigenschaft begründet ebenfalls einen Mangel der Mietsache, und zwar auch wenn dadurch der Gebrauch nur unerheblich beeinträchtigt wird (§ 536 Abs. 2 BGB). Eigenschaft ist jede Beschaffenheit der Mietsache sowie jedes tatsächliche oder rechtliche Verhältnis, dass für den Gebrauch der Mietsache von Bedeutung ist, wie ζ. B. ihre Größe, die Tragfähigkeit einer Decke oder der künftige Umsatz, der aus einer Mietsache erzielt werden kann. Die Zusicherung ist eine ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Vermieters, die zum Inhalt des Mietvertrages geworden ist, durch die er dem Mieter zu erkennen gibt, dass er für den Bestand einer bestimmten Eigenschaft der Mietsache und alle Folgen ihres Fehlens einstehen will. Den üblichen Anpreisungen oder Beschreibungen der Mietsache durch den Vermieter kommt ein solcher Erklärungswert jedoch nicht zu. So liegt in der bloßen Angabe einer Quadratmeterzahl (OLG Dresden, NZM 1998, 184) oder einer Umsatzhöhe im Zweifel noch keine Zusicherung. Ein Rechtsmangel (§ 536 Abs. 3 BGB) liegt vor, wenn der Mieter die (im Übrigen gebrauchsfähige) Mietsache dem Mieter wegen des Rechtes eines Dritten nicht zur Verfügung stellen kann. Rechte im Sinne des § 536 Abs. 3 BGB sind nur Privatrechte (BGHZ 114, 277). Die oben dargestellten Sachmängel der Fallgruppe 5 (behördliche Nutzungsbeschränkungen) fallen daher nicht unter die Rechtsmängel. Ein Rechtsmangel liegt vor z. B. bei einer Doppelvermietung der Mietsache oder, wenn nach Beendigung des Hauptmietvertrages der Eigentümer vom Untermieter die Herausgabe der Mietsache verlangt. Ebenso wenn der Nutzung der Mietsache ein Nießbrauch oder eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten eines Dritten entgegensteht. Verweigert der Vormieter nach Beendigimg seines Mietverhältnisses unberechtigterweise die Herausgabe der Mietsache, so begründet dies keinen Rechtsmangel (ggf. kann der (Nach-) Mieter Schadenersatzansprüche gegen den Vermieter geltend machen). Die Gewährleistung des Vermieters für Rechtsmängel richtet sich nach den Vorschriften über die Gewährleistung von Sachmängeln gemäß §§ 536 ff. BGB. Der Mieter trägt die Beweislast für die von ihm behaupteten Mängel und die dadurch bedingte Aufhebung bzw. Minderung der Tauglichkeit der Mietsache. Dies gilt auch, wenn der Mieter nach der Übergabe das Vorliegen eines anfänglichen Sachmangels behauptet (§ 363 BGB). Eine Klausel, in der der Mieter bestätigt, die Mietsache in mangelfreiem Zustand erhalten oder sogar eingehend geprüft zu haben, verändert nicht die Be-

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weislast zu seinen Ungunsten (vgl. § 309 Nr. 12 BGB). Sie ist jedoch unangemessen, weil sie letztendlich den Ausschluss von Gewährleistungsrechten bezweckt (§ 307 BGB). Im Falle eines (Sach- oder Rechts-) Mangels der Mietsache mindert sich der Anspruch des Vermieters auf Zahlung der Miete nach § 536 BGB entsprechend den Regeln über die Minderung des Kaufpreises bei einem Mangel des Kaufgegenstandes. Eine Befreiung des Mieters von der Mietpflicht kommt nur bei einer völligen Beseitigung der Gebrauchsfähigkeit der Mietsache in Betracht. Die Mietminderung erfolgt unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Vermieters. Die Minderung der Miete tritt kraft Gesetzes ein. Der Mieter muss sich nicht darauf berufen; es gilt „automatisch" die geminderte Miete, der dem durch den Fehler beeinträchtigten Gebrauch der Mietsache entspricht, als zwischen den Parteien vereinbart. Folglich kann der Mieter nur mit der herabgesetzten Miete in Verzug geraten und den (teilweisen) Wegfall seiner Mietschuld auch noch nachträglich gegenüber einem Zahlungsverlangen des Vermieters einwenden. Dieser Einwand unterliegt zwar nicht der Verjährung, kann aber unter Umständen durch Zeitablauf verwirkt werden. Durch eine vorbehaltlose Zahlung der ungeminderten Miete trotz Kenntnis des Mangels für einen gewissen Zeitraum verliert der Mieter nicht sein Minderungsrecht für die zurückliegende Zeit mit der Folge, dass er nachträglich mindern kann und überzahlte Beträge zurückfordern oder mit später fälliger Miete verrechnen kann (BGH, NJW 2003, 2601). Die Höhe des Minderungsbetrages hängt von der Beeinträchtigung des Gebrauchswerts der Mietsache im Einzelfall ab. Allgemein gültige Bewertungskriterien lassen sich nicht angeben. Bei der Ermittlung des Minderungsbetrages müssen jedoch stets die Art und Umfang der Funktionseinbuße, die Dauer und die Häufigkeit der Beeinträchtigung und der Qualitätsanspruch im Hinblick auf die Miethöhe berücksichtigt werden. Bei gewerblichen Mietsachen ist vornehmlich auf die Störung der Betriebsausübung abzustellen. Einem lediglich optischen Mangel wird daher regelmäßig weniger Bedeutung zuzumessen sein, es sei denn, er betrifft ζ. B. Geschäftsräume, die zu Repräsentationszwecken verwendet werden sollen. In der Praxis haben sich gewisse Minderungsrichtsätze herausgebildet, die sich aber vor allem an der Wohnraummiete orientieren. Eine Minderung der Miete ist ausgeschlossen, wenn der Mieter den Mangel zu vertreten hat. Das gilt entsprechend bei Verstößen des Mieters gegen die Pflicht zur Mängelanzeige (§ 536 c BGB). Die Minderung der Miete lässt den Anspruch des Mieters, vom Vermieter die Beseitigung des Mangels (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu verlangen, unberührt, solange er am Ver-

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trag festhält (BGH, NJW1982, 874). Der Vermieter muss also etwaige Schäden beheben, Störungen abwenden oder die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache beibringen (soweit diese Verpflichtungen nicht wirksam dem Mieter auferlegt worden sind). Kommt der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug, kann der Mieter nach § 536 a Abs. 2 BGB den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der Hilfe erforderlicher Aufwendungen verlangen. Dieses Recht schließt eine gleichzeitige Mietminderung bis zum Zeitpunkt der Beseitigimg des Mangels oder weitergehende Schadenersatzansprüche (ζ. B. wegen Gewinnausfall) nicht aus. Zu beachten ist, dass eine Verpflichtung des Mieters zur Selbstbeseitigung nicht besteht, ggf. aber ein Unterlassen bei einem daraus resultierenden Schaden für den Vermieter Mitverschulden des Mieters begründen kann (§ 254 BGB). § 536 a BGB räumt dem Mieter wegen eines durch Mängel der Mietsache verursachten Schadens in drei Fällen Schadenersatz wegen Nichterfüllung ein: •

für einen Mangel, der schon bei Vertragsschluss vorhanden ist (sog. „anfänglicher Mangel") haftet der Vermieter verschuldensunabhängig („Garantiehaftung");



für einen nach Vertragsschluss entstandenen Mangel (sog. „nachträglicher Mangel") haftet der Vermieter, wenn er den Mangel schuldhaft (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) zu vertreten hat;



der Vermieter kommt mit der Beseitigimg eines (anfänglichen oder nachträglichen) Mangels in Schuldnerverzug. Dabei ist zu beachten, dass fehlendes Verschulden des Vermieters Verzug ausschließt (§ 285 BGB).

Liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung vor, ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter sämtliche auf den Mangel zurückzuführenden Schäden und Folgeschäden zu erstatten. Dazu gehören insbesondere etwaige Mehrkosten für die Anmietung von Ersatzräumen, Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen, Kosten eines Beweisssicherungsverfahrens zur Feststellung eines Mangels, entgangener Gewinn sowie auch etwaige durch den Sachmangel verursachte Sach- und Personenschäden (jedoch kein Schmerzensgeld). Der Mieter kann das Mietverhältnis schließlich fristlos kündigen, wenn ihm durch den Sachmangel der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil entzogen wird (§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Voraussetzung ist aber der fruchtlose Ablauf einer angemessenen Frist zur Abhilfe (§ 543 Abs. 3 BGB).

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Ist die Benutzung einer für den Aufenthalt von Personen bestimmten Mietsache (ζ. B. Büro, Arztpraxis, Ladenlokal etc.) mit einer erheblichen Gefährdimg von deren Gesundheit oder Leben verbunden, ist der Mieter ebenfalls zur fristlosen Kündigung berechtigt (§§ 569 Abs. 1,578 Abs. 2 Satz 2 BGB). Einer Fristsetzung bedarf es in diesen Fällen nicht. Die Gesundheitsgefährdimg muss noch nicht eingetreten sein, jedoch auf einer dauernden Eigenschaft der Räume beruhen. Eine solche Gefährdung wird bejaht ζ. B. bei Einsturzgefahr (OLG Koblenz, NJW-RR 1992, 1228), Asbest, übermäßiger FormaldehydKonzentration (LG München I, NJW-RR 1991,975). 3.3.1.4

Ausschluss und Beschränkung der Gewährleistung

Gewährleistungsansprüche des Mieters sind kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn •

der Mieter die Mietsache in Kenntnis des Mangels anmietet (§ 536 b Satz 1 BGB);



der Mieter die Mietsache in grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels anmietet, es sei denn, der Vermieter verschweigt den Mangel arglistig (§ 536 b Satz 2 BGB);



der Mieter übernimmt die mangelhafte Mietsache in Kenntnis des Mangels vorbehaltlos (§§ 536 b Satz 3 BGB);



der Mieter es unterlässt, dem Vermieter einen Mangel anzuzeigen und die Beseitigung der Mängel deshalb unterbleibt (§ 536 c Abs. 2 BGB).

Im letzten Fall bleibt der Mieter jedoch berechtigt, das Mietverhältnis zu kündigen, wenn der Vermieter trotz Fristsetzung keine Abhilfe geschaffen hat. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Gewährleistung des Vermieters bei Mängeln der Mietsache sind mieterfreundlich. In der Praxis sind gewerbliche Vermieter daher nicht - oder jedenfalls nur eingeschränkt - bereit, diese weitgehende Haftung in vollem Umfang zu übernehmen. Gewerbliche Mietverträge enthalten daher regelmäßig umfassende Bestimmungen, die die gesetzliche Gewährleistung des Vermieters entweder einschränken oder gar vollständig ausschließen. Soweit diese Bestimmungen in den Grenzen von Treu und Glauben individuell ausgehandelt wurden, bestehen dagegen keine rechtlichen Vorbehalte. In Formularmietverträgen sind derartigen Klauseln jedoch Grenzen gesetzt. Während bei Wohnraummietverträgen formularmäßige Abweichungen vom Gesetz in aller Regel unwirksam sind, besteht im gewerblichen Mietrecht deutlicher Spielraum: Die Minderungsbefugnis des Mieters kann formularmäßig dahingehend eingeschränkt werden, dass der Minderungsanspruch rechtskräftig festgestellt worden sein muss (OLG Hamm, ZMR1998,342). Ebenso zulässig ist es, die Minderung an eine vorherige Ankün-

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digung ihrer Ausübung zu knüpfen (BGHZ 91,375). Zur Begründung wird in der Rechtsprechung ausgeführt, dass diese Einschränkungen den Mieter nicht hindern, die zuviel geleisteten Beträge nach § 812 BGB zurückzufordern. Der Ausschluss dieses gesetzlichen Rückforderungsrechtes ist daher unwirksam. Der Ausschluss der verschuldensunabhängigen Garantiehaftung für anfängliche Mängel, ist - auch in Formularverträgen - wirksam (BGH, NJW-RR 1991, 74; BGH, NJW-RR 1993, 519). Der Vermieter kann seine Haftung grundsätzlich formularmäßig für anfängliche und nachträgliche Sachmängel, Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken (OLG Stuttgart, WuM 1984,187). Ein Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit ist dagegen formularmäßig unzulässig (§ 309 Nr. 7 BGB). Der Anspruch des Mieters auf Selbsthilfe und Aufwendungsersatz gemäß § 536 a Abs. 2 BGB ist ebenfalls nicht abdingbar. Die Einschränkung der Haftimg des Vermieters auf Ersatz des durch den Verzug mit der Mängelbeseitigung entstandenen Schadens ist ebenfalls unwirksam. Der völlige Ausschluss sämtlicher Gewährleistungsrechte des Mieters bei einem Sachmangel ist unwirksam. Im Übrigen ist ein Gewährleistungsausschluss jedenfalls dann nach § 536 d BGB nichtig, wenn der Vermieter den Mangel der Mietsache arglistig verschweigt. Aus den Ausführungen ergibt sich, dass die nachfolgenden Gewährleistungsausschlüsse bzw. -beschränkungen unwirksam sind: •

Die Gewährleistungsansprüche des Mieters gegen den Vermieter sind ausgeschlossen;



die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch den Mieter wegen eines Mangels der Mietsache oder wegen Verzug des Vermieters mit der Beseitigimg des Mangels ist ausgeschlossen;



die Verpflichtung des Vermieters zum Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Mietvertrages aufgrund von Mängeln und zum Aufwendungsersatz im Falle der Selbstbeseitigung durch den Mieter ist ausgeschlossen.

Folgende Bestimmungen dürften nach derzeitiger Rechtslage jedenfalls bei gewerblichen Mietverhältnissen wirksam sein: •

Eine Minderung der Miete ist nur bei einer wesentlichen Minderung der Gebrauchstauglichkeit und auch nur dann zulässig, wenn der Minderungsanspruch von dem Vermieter unbestritten ist oder nach dem Grund und der Höhe rechtskräftig festgestellt ist;

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die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch den Mieter wegen bei Abschluss des Vertrages vorhandener Mängel der Mietsache, ist ausgeschlossen;



die Mietsache wird in dem vorhandenen und besichtigten Zustand übergeben und vom Mieter übernommen. Spätere Einwendungen wegen offener und verdeckter Mängel sind ausgeschlossen.

3.3.1.5

Gebrauchsgewährung, Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache

Nach Überlassung der Mietsache in vertragsgemäßem Zustand trifft den Vermieter nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB auch die Verpflichtimg, die Mietsache selbst und auf eigene Kosten während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Die Pflicht zur Erhaltung umfasst nicht nur die Instandhaltung und Instandsetzung (einschließlich der Schönheitsreparaturen) der Mietsache, sondern auch generell die Gewährleistung der ungestörten vertragsmäßigen Nutzung. Die Instandhaltungs- und Instandsetzungsverpflichtung bezieht sich dementsprechend nicht nur auf die jeweilige Mietsache, sondern auch auf alle Grundstücks- und Gebäudeteile, die im Rahmen des Mietgebrauchs vom Mieter mitbenutzt werden dürfen (ζ. B. Treppenhaus und Zugänge). In der Praxis wird die Erhaltungspflicht des Vermieters, insbesondere hinsichtlich der Schönheitsreparaturen, vertraglich auf den Mieter überwälzt. Dies ist grundsätzlich zulässig, weil § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB eine abdingbare Bestimmung ist. Die Übernahme einer derartigen Verpflichtung durch den Mieter bedarf jedoch stets einer inhaltlich bestimmten Vereinbarung. Unklarheiten gehen - insbesondere in Formularverträgen (§ 305 c Abs. 2 BGB) - zu Lasten des Vermieters. Die Abrede, die Mietsache zu schonen und ordnungsgemäß zurückzugeben genügt dafür mithin nicht. Unter Instandhaltung werden insbesondere vorbeugende Maßnahmen zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache, Wartungsarbeiten aber auch die Beseitigung von abnutzungs-, alters- und witterungsbedingter Verschleißerscheinungen verstanden (OLG Köln, NJW-RR 1994, 524). Die Instandsetzung betrifft dagegen die Reparatur und Beseitigung von Mängeln bzw. Schäden der Mietsache oder die notwendige Erneuerung defekter Teile oder Einrichtungen der Mietsache. Die Grenzen zwischen den beiden Begriffen sind fließend, was ihre Abgrenzung voneinander im Einzelfall problematisch macht. Die Abgrenzimg wird jedoch dann bedeutsam, wenn der Mieter nur eine der beiden Pflichten vertraglich übernommen hat. Die Durchführung der notwendigen Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen obliegt dem Vermieter auf eigene Kosten. Der Mieter hat einen einklagbaren Anspruch auf Erhaltung des vertragsgemäßen Zustande. Der Mieter ist seinerseits jedoch verpflich-

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tet, die zur Erhaltung der Mieträume und des Gebäudes erforderlichen Maßnahmen zu dulden (§ 554 BGB). Die Duldungspflicht ist im Hinblick auf die uneingeschränkte Verpflichtung des Vermieters uneingeschränkt. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass die Mietsache geräumt werden muss (mit der Folge, dass der Mieter ggf. den Mietsatz mindern kann). Bei der Durchführung der Erhaltungsmaßnahmen sind allerdings unnötige Beeinträchtigungen des Mieters zu vermeiden. Die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB beinhaltet auch die Pflicht zur Erledigung der sogenannten „Schönheitsreparaturen". In Anlehnung an § 28 Abs. 4 der - für Wohnraum geltenden - II. Berechnungsverordnung werden darunter auch bei der Geschäftsraummiete das Streichen oder Tapezieren von Wänden, Decken, Böden, Heizkörpern einschließlich der Heizrohre, Innentüren sowie der Fenster und Außentüren verstanden. Die Schönheitsreparaturen umfassen grundsätzlich also nur Maler- und Tapezierarbeiten, die zur Herstellung der äußeren Ansehnlichkeit der Mieträume, nicht jedoch eigentliche Reparaturen wie ζ. B. Beseitigung von Schäden an der Bausubstanz wie Putz oder Mauerwerk, dienen. Ebenso gehört das Abschleifen und Versiegeln von Parkettböden ebenso wenig wie die Erneuerung eines verschlissenen Teppichbodens (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1995,1101; a. A. OLG, Düsseldorf NJW-RR 1989, 663). Eine Übernahme dieser Arbeiten bedarf also einer ausdrücklichen Regelung in einem Mietvertrag, der lediglich pauschal die Schönheitsreparaturen dem Mieter auferlegt. Zu Erhaltung gehört auch die ordnungsgemäße Reinigung der Mietsache. Gegen Übertragung dieser Verpflichtung auf den Mieter bestehen keine Bedenken. Die Verpflichtimg des Vermieters zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustandes ist unabhängig davon, ob er den Schaden oder Mangel der Mietsache verursacht oder aus sonstigen Gründen zu vertreten hat. Die Instandsetzungsverpflichtung entfällt nur dann, wenn insoweit der Mangel oder der Schaden vom Mieter zu vertreten ist. Der Mieter hat sich dabei auch das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zurechnen zu lassen (§ 278 BGB). § 538 BGB stellt jedoch klar, dass Schäden, die nur durch die vertragsgemäße Abnutzung der Mietsache entstanden sind, vom Mieter nicht zu vertreten sind. Dabei trägt der Vermieter die Beweislast für die Mangelfreiheit der Mietsache bei Übergabe, der Mieter hingegen dafür, dass die eingetretene Veränderung oder Verschlechterung nur auf vertragsgemäßen Gebrauch zurückzuführen ist (BGH, NJW1994,1880). Bei einer völligen Zerstörung der Mietsache (ζ. B. Brand) begründet die Instandsetzungspflicht keinen Anspruch gegen den Vermieter, die Mietsache wieder aufzubauen; der Vermieter ist auch nicht verpflichtet, etwaige Versicherungsleistungen zur Neuerstel-

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lung oder zum Wiederaufbau zu verwenden. Bei einer nur teilweisen Zerstörung der Mietsache entscheidet nach der Rechtsprechung das Ergebnis einer Zumutbarkeitsprüfung, ob der Vermieter im Rahmen der Instandsetzung zum Wiederaufbau verpflichtet ist. Einen Anspruch auf Modernisierung der Mietsache oder des Gebäudes, in dem sich dieser befindet, hat der Mieter regelmäßig nicht. Im Rahmen des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB kann er vom Vermieter die Erhaltung der Mietsache, nicht aber eine Verbesserung ihres bei Vertragsschluss vereinbarten Zustandes verlangen. Der Übertragung von Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten auf den Mieter sind individualvertraglich keine Schranken gesetzt, gegebenenfalls kann der Mieter sogar zur Sanierung oder Modernisierung verpflichtet werden. Der formularmäßigen Übertragung von Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten auf den Mieter sind hingegen Grenzen gesetzt. Für Gewerberaummietverträge gilt folgendes: Klauseln, die dem Mieter vollständig die Erhaltung, also die Instandhaltung und Instandsetzung, ζ. B. auch an „Dach und Fach" überbürden, werden regelmäßig als überraschend erachtet (§ 305 c Abs. 1 BGB) und können nicht wirksam einbezogen werden (BGH, NJW 1977, 195). Im übrigen können dem Geschäftsraummieter ohne betragsmäßige Begrenzung und sonstige Beschränkungen die über die Schönheitsreparaturen hinausgehenden Pflichten zur Instandhaltung und Instandsetzung im Inneren des Mietsache nur auferlegt werden, als diese durch den Mietgebrauch veranlasst oder dem Risikobereich des Mieters zuzuordnen sind (BGH, WuM 1987,154). Derartige Klauseln sind jedoch restriktiv auszulegen. Sie verpflichten den Mieter weder zur Behebung von anfänglichen Mängeln, noch zum Ersatz von irreparabel gewordenen Bestandteilen der Mietsache, von Anlagen, Einrichtungen oder Inventar. Ebenso wenig können sie eine Verpflichtung zur Beseitigimg von auf höherer Gewalt (ζ. B. Blitzeinschlag) oder Handlungen Dritter (ζ. B. Graffitibesprühung auf Wänden) beruhenden Schäden begründen (BGH, NJW-RR 1987, 906). Eine Übernahme von Erhaltungspflichten unabhängig vom Risiko des Mietgebrauchs kann wohl nur wirksam vereinbart werden, wenn die entsprechende Klausel eine Kostenbegrenzung auf jährlich höchstens 10 % der Jahresnettomiete vorsieht. Die Verpflichtung des Mieters zur Durchführung der Schönheitsreparaturen einschließlich der Bestimmimg, dass diese fachmännisch zu erfolgen haben, ist sowohl individualvertraglich als auch - jedenfalls im Grundsatz - formularmäßig möglich (BGH, WuM 1988,294).

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Aus den vorgenannten Ausführungen folgt, dass im Bereich gewerblicher Mietverhältnisse folgende Formularklauseln unwirksam sind: •

Der Mieter übernimmt die Unterhaltung des Mietgebäudes an Dach und Fassade;



Der Mieter übernimmt die dachfeste Instandhaltung des Hauses;



Der Mieter ist verpflichtet, die Renovierung durch die Firma X vorzunehmen.

Die folgenden Klauseln dürften nach derzeitiger Rechtslage hingegen wirksam sein: •

Die laufenden Instandhaltungs- und Instandsetzung im Inneren der Räume ist Verpflichtung des Mieters;



Der Mieter ist verpflichtet, Schönheitsreparaturen bei Beginn des Mietverhältnisses durchzuführen;



Die Schönheitsreparaturen sind fachmännisch (fachgerecht) durchzuführen.

Anders als in gewerblichen Mietverträgen ist es in Wohnraummietverträgen formularmäßig kaum möglich, die Instandhaltung und Instandsetzungsverpflichtung auf den Mieter abzuwälzen. Ausnahmen lässt die Rechtsprechung in gewissen Grenzen für Schönheitsreparaturen und Kleinreparaturen zu. Klauseln über Schönheitsreparaturen geben den Gerichten ständig Anlass, Urteile zu verkünden. Jüngst hat der Bundesgerichtshof (NJW 2004, 2586) über die Thematik entschieden. Nach diesem Urteil hält eine Klausel über Schönheitsreparaturen einer AGBrechtlichen Überprüfung stand, wenn in der Klausel folgendes berücksichtigt wird: •

Die Zeitfolge für Schönheitsreparaturen beträgt bei Küchen, Bädern und Duschen 3 Jahre, bei Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten 5 Jahre und in allen Nebenräumen 7 Jahre; diese Fristen dürfen nicht „starr" sein, sondern kommen nur zur Anwendung, soweit auch tatsächlicher Renovierungsbedarf besteht;



diese Fristen sind ab Mietbeginn, soweit Schönheitsreparaturen nach diesem Zeitpunkt fachgerecht durchgeführt worden sind, von diesem Zeitpunkt an zu berechnen;



der Mieter ist bei Beendigung des Mietverhältnisses nur dann zur Vornahme von Schönheitsreparaturen verpflichtet, wenn die Fristen seit der Übergabe der Mietsache bzw. seit den letzten durchgeführten Schönheitsreparaturen verstrichen sind und tatsächlich Renovierungsbedarf besteht;



wenn und soweit die Fristen zum Mietende nicht verstrichen sind, muss der Mieter anteilig den Betrag an den Vermieter zahlen, der aufzuwenden wäre, wenn die Woh-

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nung im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung schönheitsrepariert würde oder nach seiner Wahl die Schönheitsreparaturen vornehmen. Der Mieter kann an den Kosten für Kleinreparaturen beteiligt werden. Diese Verpflichtung muss sich jedoch auf Gegenstände beschränken, die seinem häufigen Zugriff ausgesetzt sind. Zudem muss eine angemessene Höchstgrenze je Einzelfall (EUR 75,00) und eine angemessene Höchstgrenze je Jahr (derzeit zulässig: 6 % der Jahresnettomiete) festgelegt werden. Nicht auf den Mieter übertragbar ist die Vornahmepflicht für Reparaturen, auch nicht für Kleinreparaturen (vgl. BGHZ118,194). Auch soweit der Mieter wirksam Instandsetzungs- und Instandhaltungspflichten übernimmt, verändern diese ihren Charakter als vertragliche Hauptpflicht nicht. Die übernommene Verpflichtung ist dann rechtlich und wirtschaftlich Teil der Gegenleistung des Mieters für die Gebrauchsüberlassung (BGHZ 101, 253). Für den Fall der Nichterfüllung der Instandhaltungspflicht des Mieters kann der Vermieter demgemäß Schadenersatz wegen Nichterfüllung, insbesondere die Kosten der Ersatz-Vornahme, erst dann verlangen, wenn er den Mieter in Verzug und ihm eine angemessene mit Ablehnungsandrohung verbundene Frist zur Erfüllung einer Pflicht gesetzt hat. Im Übrigen kann der Vermieter nur - ohne Einhaltung dieser Voraussetzungen - eine Mängelbeseitigung im Wege der Ersatz-Vornahme durchführen, soweit dies vertraglich vorgesehen ist. Allgemein ist zu beachten, dass dem Mieter in dem Umfang der ihm überbürdeten Instandsetzungspflichten gleichzeitig Gewährleistungsansprüche wegen der von ihm selbst zu beseitigenden Mängel der Mietsache entzogen sind. 3.3.2 3.3.2.1

Konkurrenzschutz des Mieters einer Gewerbeimmobilie Allgemeines

Auch wenn in einem Mietvertrag über Gewerbeflächen nichts zum Thema Konkurrenzschutz geregelt ist, muss der Vermieter dem Mieter Konkurrenzschutz gewähren (sog. vertragsimmanenter Konkurrenzschutz; in der Literatur wird dieser Schutz vereinzelt mit dem Hinweis auf den Wettbewerb und die Berufsfreiheit kritisiert). Dies folgt gemäß Treu und Glauben aus der Pflicht des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache zu gewähren (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB). Voraussetzung für den vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes ist jedoch, dass ein bestimmter Geschäftszweck vereinbart wurde, was auch stillschweigend geschehen kann (gilt nicht nur gegenüber Gewerbetreibenden, sondern auch gegenüber Angehörigen der freien Berufe). Im Einzelnen:

234

3.3.2.2

3 Wohn- und Gewerberau mmiete

Räumliche Reichweite

Die ständige Rechtsprechung begrenzt den Konkurrenzschutz grundsätzlich auf die jeweilige Mietsache und auf die unmittelbar angrenzenden Grundstücke, wenn diese auch dem Vermieter gehören (z. B. BGHZ 70, 79; OLG Düsseldorf, ZMR 1992, 445). Die Grenzen sind insoweit aber fließend (so hat das OLG Hamm die Geltung des Konkurrenzschutzes verneint, wenn zwischen der Mietsache und dem Konkurrenzbetrieb ein weiteres Grundstück liegt, NJW-RR1991,975). Es kommt auf den Einzelfall an. 3.3.2.3

Inhaltliche Reichweite

Der Konkurrenzschutz bezieht sich grundsätzlich nur auf das Hauptsortiment, also die vom Mieter geführten Hauptartikel, die seinem Geschäft das Gepräge geben. Nebenartikel werden nicht umfasst (OLG Köln, WuM 1998, 342; OLG Köln, NJW-RR 1998, 1017; OLG Köln, ZMR 1998, 347; OLG Hamm, NJW-RR, 1998,1019), es sei denn, es ist vertraglich vereinbart. Maßgeblich ist insoweit die Kundenperspektive, die darüber befindet, ob zwischen den konkurrierenden Geschäften ein gleichartiges Warenangebot besteht oder nicht. Schwierig ist die Beurteilung freilich bei Supermärkten. Dieser kann, je nach Ausgestaltung des Sortiments, durch seine starke Sogwirkung auf breite Käuferschichten für die Fachgeschäfte Vor- und Nachteile haben. Die Rechtsprechung hat zu diesem Themenkomplex keine klaren Maßstäbe entwickelt. Der BGH stellt in zwei Entscheidungen jedoch auf die allgemeinen Grundsätze ab, wonach eine Konkurrenzsituation dann vorliegen soll, wenn der betreffende Artikel in der Vielfalt, Auswahlmöglichkeit, Geschlossenheit und Übersichtlichkeit eines Fachgeschäfts angeboten wird. 3.3.2.4

Die Grenzen

Mietet ein Mieter Gewerbeflächen an in Kenntnis einer vorhandenen Konkurrenzsituation, kann er sich nicht auf den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz berufen (vgl. § 536 b BGB). Gleiches gilt, wenn der Mieter unerlaubt sein Hauptsortiment erweitert und dadurch eine Konkurrenzsituation herbeiführt. Anders ist die Rechtslage freilich, wenn der Mieter in Unkenntnis der Wettbewerbssituation (so häufig bei noch zu erstellenden Mietsachen) den Mietvertrag abgeschlossen hat. 3.3.2.5

Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten

Die Ausführungen zeigen, dass der Vermieter von Gewerbeflächen tunlichst den Konkurrenzschutz im Mietvertrag ausschließen sollte. Dies kann individualvertraglich aber

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auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschehen. Allerdings ist die formularmäßige Kombination von Klauseln, die die Betriebspflicht festlegen und den Konkurrenzschutz ausschließen, nicht imbedenklich. Jedenfalls dann, wenn dem Mieter im Rahmen der Betriebspflicht eine strikte Sortimentsbindung auferlegt wird und der Konkurrenzschutz ausgeschlossen wird, wird vereinzelt von der AGB-Widrigkeit einer Betriebspflichtklausel ausgegangen (so. ζ. B. OLG Schleswig, NZM 2000,1008; a. A. jedoch OLG Hamburg, ZMR 2003, 254). Durch diese Kombination würde das unternehmerische Risiko des Mieters in unzumutbarer Weise erweitert, was eine unangemessene Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 BGB darstelle. Wer insoweit als Vermieter jedes Risiko vermeiden will, muss zumindest die Betriebspflicht- oder die Konkurrenzschutzausschlussklausel individuell aushandeln. 3.3.2.6

Rechtsfolgen beim Verstoß

Verstößt der Vermieter gegen das Konkurrenzschutzgebot, kann der Mieter hierauf vielfältig reagieren: Der Mieter kann die Miete mindern oder - unter bestimmten Voraussetzungen - ganz einbehalten. Die Verletzung des Konkurrenzschutzes durch den Vermieter rechtfertigt in der Regel die Annahme eines zur Minderung berechtigenden Sachmangels der Mietsache, ohne dass es der Feststellung bedürfte, dass es gerade im Hinblick darauf zu Umsatzeinbußen innerhalb des Gewerbebetriebes des Mieters gekommen ist. (OLG Düsseldorf, NJW-RR, 1998,514). Ferner kann der Mieter Schadenersatz geltend machen (§ 536 a BGB oder positiver Vertragsverletzung). Wegen der Schwierigkeit, den entstandenen Schaden substanziiert darzulegen und zu beweisen, sollte die Praxis nicht zu hohe Anforderungen stellen. Im Übrigen werden die Gerichte den Schaden nach freier Überzeugung gemäß § 287 ZPO schätzen können. Der Mieter kann den Vermieter auf Unterlassen der Vermietung an den Konkurrenten in Anspruch nehmen, notfalls mittels einer einstweiligen Verfügung. Ist der Mietvertrag mit dem hinzugekommenen Konkurrenten auf imbestimmte Zeit abgeschlossen, kann der geschädigte Mieter die Kündigung durch den Vermieter verlangen. Läuft der Mietvertrag mit dem zweiten, hinzugekommenen Mieter langfristig, kann der geschädigte Mieter dennoch vom Vermieter die Unterbindung der Konkurrenz verlangen. Eine objektiv unmögliche Leistung wird vom Vermieter damit nämlich nicht gefordert (BGH, NJW1974, 2317).

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Der durch die Konkurrenzsituation benachteiligte Mieter ist nach erfolgloser Aufforderung, für Abhilfe zu sorgen, gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (Nichtgewährung des Mietgebrauchs) zur fristlosen Kündigung berechtigt. Aufgrund des ihm vom Vermieter geschuldeten Konkurrenzschutzes kann der ansässige Mieter den hinzukommenden, der zu ihm in Wettbewerb tritt, nicht in Anspruch nehmen, weil der zweite Mieter durch diese Verpflichtung nicht gebunden ist. Ein Unterlassimgsanspruch des ersten gegen den zweiten Mieter ist allenfalls dann begründet, wenn gegen den zweiten der Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs (§ 3 UWG) begründet ist. Dies kann der Fall sein, wenn sich der zweite Mieter bewusst am Vertragsbruch des Vermieters beteiligt (vgl. BGH, NJW 1976, 2301) hat oder ein sonstiges Unlauterbarkeitsmoment hinzutritt (vgl. BGH, NJW 1987,3132). 3.3.3 3.3.3.1

Betriebspflicht des Mieters einer Gewerbeimmobilie Ausgangssituation

Insbesondere der Vermieter von Shopping-Centern hat ein deutliches Interesse daran, dass seine Center insgesamt florieren. Schließlich sollen die dauerhafte Präsenz der Gewerbetreibenden und die Vielfalt des Angebots Kunden anlocken. Wird im Mietvertrag insoweit nichts geregelt, kann der Mieter allerdings während der Dauer der Mietzeit ungehindert den Betrieb seiner Mietfläche einstellen. Der Mieter ist nämlich nach dem Gesetz nicht verpflichtet, seinen Betrieb aufrecht zu erhalten, da er nur ein Gebrauchsrecht und keine Gebrauchspflicht hat (BGH, NJW 1969, 1383). Insbesondere kann von ihm nicht verlangt werden, einen möglichst hohen Umsatz oder Gewinn zu erzielen. Dies widerspricht also deutlich den Interessen des Vermieters. Was sollte der Vermieter für die Vertragsgestaltung beachten? 3.3.3.2

Vertragliche Vereinbarung der Betriebspflicht

Die Mietvertragsparteien können individuell, aber grundsätzlich auch formularvertraglich wirksam eine Betriebspflicht vereinbaren (BGH, NJW-RR1992,1032). Natürlich kann eine derartige Vereinbarung den Mieter empfindlich treffen, insbesondere wenn er im Falle geschäftlicher Verluste seinen Betrieb fortführen muss. Dennoch fällt dies regelmäßig in sein unternehmerisches Risiko. Die Betriebspflicht kann im Mietvertrag inhaltlich ganz unterschiedlich ausgestaltet sein. Der Mietvertrag kann sich darauf beschränken, nur eine Betriebspflicht ohne nähere Angaben vorzusehen. Üblich ist das wohl nicht. Meist wird zumindest hinzugesetzt „zu

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den üblichen Ladenöffnungszeiten". Dies soll aber nicht ausschließen, dass der Mieter Betriebsferien macht. Der Mietvertrag kann die Ausgestaltung der Betriebspflicht auch detailliert regeln, was bei Mietverträgen für Shopping-Center häufig unter dem Stichwort „Wahrung des Gesamtinteresses" geschieht. Inwieweit detaillierte Vorgaben für den Inhalt der Betriebspflicht rechtswirksam in einem Formularvertrag vorgesehen werden können, ist nicht zweifelsfrei. Es gibt wenig Rechtsprechung hierzu. Da der Vermieter bei ShoppingCentern diese Konditionen schon aus Zeitgründen nicht stets individuell aushandeln kann, sollte er die Regelungen jedenfalls sprachlich und inhaltlich genau formulieren. Weiterhin sollten die Pflichten jeweils in gesonderten Sätzen oder Satzteilen formuliert werden, damit bei einer AGB-Inhaltskontrolle durch die Gerichte nur einzelne Sätze und deren Regelungsbereich als AGB-widrig aus dem Vertrag herausfallen. Nach OLG Düsseldorf (ZMR1999,171) ist bereits eine allgemeine Regelung wie „während der gesamten Mietzeit (ihrer) Zweckbestimmimg entsprechend ununterbrochen zu nutzen" AGBrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings belässt diese Klausel dem Mieter Freiraum, rechtzeitig vor Beendigung des Mietverhältnisses den Betrieb in Hinsicht auf die Auszugsaktivitäten zu reduzieren. 3.3.3.3

Verstoß gegen die Betriebspflicht

Verstößt der Mieter gegen seine Betriebspflicht, stellt dies eine positive Vertragsverletzung dar. Der Vermieter kann auf Erfüllung der Betriebspflicht klagen und gegen den Mieter Zwangsgeld festsetzen lassen (OLG Celle, NJW-RR1996,585). Erforderlichenfalls kann der Vermieter gegen den Verstoß mit einer einstweiligen Verfügung vorgehen (so ausdrücklich ζ. B. OLG Düsseldorf, NZM 2001,131 (132); a. A. OLG Naumburg, NJW-RR 1998,873). Ferner kann der Vermieter gemäß § 543 BGB (fristlose Kündigung bei unzumutbarem Mietverhältnis) berechtigt sein, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen (so das OLG Düsseldorf, WuM 1997, 266.). Er sollte aber zur Sicherheit den Mieter vorher abmahnen (vgl. § 543 Abs. 3 BGB). Ein besonders gut beratener Vermieter versucht, im Mietvertrag den Verstoß gegen die Betriebspflicht mit einer Vertragsstrafe zu belegen. Dies ist grundsätzlich möglich, auch formularmäßig. Die Regelung sollte aber unbedingt transparent und verhältnismäßig sein.

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3.3.4

Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs

Überschreitet der Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch, steht dem Vermieter eine breite Palette von Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung: Macht der Mieter von der gemieteten Sache einen vertragswidrigen Gebrauch und setzt er den vertragswidrigen Gebrauch ungeachtet einer Abmahnimg des Vermieters fort, so kann der Vermieter auf Unterlassung klagen (§ 541 BGB). Jedes nicht vertragsgemäße Verhalten ist zugleich vertragswidrig. Beispiele: Unerlaubte Haustierhaltung, unbefugte Gebrauchsüberlassimg, ruhestörender Lärm, Geruchsbelästigungen. Ein vertragswidriges Verhalten setzt kein Verschulden des Mieters voraus. Es muss nur objektiv begründet sein. Dieser Anspruch kann auch mit einer einstweiligen Verfügung verfolgt werden. Daneben kommt ein Schadenersatzanspruch des Vermieters aus unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB oder aus positiver Vertragsverletzung in Betracht, wenn der Mieter den vertragswidrigen Gebrauch verschuldet hat. Der Vermieter kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Mietverhältnis kündigen, wenn der Mieter ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters den vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache fortsetzt und dadurch die Rechte des Vermieters in erheblichem Maße verletzt (§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB). In der Abmahnimg muss das vertragswidrige Verhalten konkret beschrieben und der Mieter muss zum Unterlassen aufgefordert werden. Fristsetzung oder Androhung vor Folgen ist jedoch nicht erforderlich. Jedenfalls im gewerblichen Mietrecht kommt es auf ein Verschulden des Mieters nicht an (für Wohnraummietverhältnisse wird ζ. T. wegen § 573 Abs. 2 Ziffer 1 BGB ein Verschulden gefordert). Daneben folgt aus § 569 BGB (Kündigung aus wichtigem Grund) ein weiteres Recht zur fristlosen Kündigung. Danach kann der Vermieter fristlos kündigen, wenn der Mieter schuldhaft in solchem Maße seine Verpflichtungen verletzt, insbesondere den Hausfrieden nachhaltig stört, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Eine Abmahnung ist in diesem Fall nicht erforderlich. Im gewerblichen Mietrecht kann der Vermieter in gewissen Grenzen auch formularmäßig versuchen, die gesetzlichen Bestimmungen zu seinen Gunsten zu verändern. Im Wohnraummietrecht ist dies aber nicht möglich (§ 569 Abs. 5 BGB). Rechtlich unwirksam ist auch eine Formulierung, wonach der Wohnraummieter für den vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache eine Vertragsstrafe schuldet (§ 555 BGB).

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3.3.5

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Zahlungspflicht des Mieters

Ist die Miete - wie bei fast allen Mietverträgen - nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten (§ 556 b Abs. 1 BGB). Ist die Miete also monatlich zu zahlen, schuldet der Mieter die Miete im Voraus spätestens bis zum dritten Werktag eines jeden Monats. Der Mieter ist also nach dem Leitbild des Gesetzes größtenteils vorleistungspflichtig. In Mietverträgen wird dies in aller Regel klarstellend wiederholt (ζ. B.: „Die Miete ist monatlich im Voraus bis zum dritten Werktag eines Monats zu zahlen"). Für die Rechtzeitigkeit der Entrichtung der Miete i. S. d. § 556 b Abs. 1 BGB kommt es auf die Leistungshandlung an, also ob der Mieter das seinerseits zur Erfüllung Erforderliche veranlasst hat. So hat ein Mieter ζ. B. bei einer Banküberweisimg das seinerseits Erforderliche bereits dann veranlasst, wenn der Überweisungsvertrag (§ 676 a BGB) mit der Bank geschlossen wird, also der Mieter den Überweisungsauftrag bei der Bank eingereicht und diese den Auftrag durch Bearbeitung konkludent angenommen hat. Will der Vermieter also bereits spätestens am dritten Werktag die Miete auf seinem Konto haben, muss er dies entsprechend vertraglich vereinbaren (ζ. B. „maßgeblich für die Fristwahrung ist die Gutschrift auf dem Konto des Vermieters"). Lässt sich der Vermieter formularmäßig eine Abbuchungsermächtigung erteilen, wird dies rechtlich nicht zu beanstanden sein. Schließlich kann der Mieter der Abbuchimg im Einzelfall zumindest während der ersten 6 Wochen bei seiner Bank widersprechen und so eine Rücküberweisung herbeiführen. Die Vorleistungspflicht des Mieters birgt die Gefahr in sich, dass der Mieter die Miete im Voraus entrichtet und erst am Monatsende feststellt, dass er - bei Mangelhaftigkeit der Mietsache - zuviel gezahlt hat. Dann steht dem Mieter ein entsprechender Rückzahlungsanspruch zu, mit dem er im Folgenden gegen den Mietzahlungsanspruch des Vermieters aufrechnen könnte. Üblicherweise beschränken aber Vermieter in Mietverträgen die Aufrechnungsmöglichkeit dergestalt, dass nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufgerechnet werden kann, was auch nach den formularrechtlichen Vorschriften möglich ist (§ 309 Nr. 3 BGB). Das führt im Ergebnis dazu, dass der Mieter zunächst nicht aufrechnen kann, wenn der Vermieter blockiert. Dem begegnet § 556 b Abs. 2 BGB, nach welchem der Mieter im Wohnraummietverhältnis selbst dann mit Forderungen aus §§ 536 a, 539 oder 812 BGB aufrechnen bzw. gegenüber derartigen Forderungen ein Zurückbehaltungsrecht ausüben kann, wenn vertragliche Vereinbarungen entgegenstehen, sofern der Mieter dies dem Vermieter mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete in Textform angezeigt hat.

240

3 Wohn- und Geiverberaummiete

Gerät der Vermieter in Vermögensverfall und kann sich der Mieter deshalb in Ansehung seiner Gegenforderung nur noch durch Aufrechnung befriedigen, wird sich der Vermieter auch im gewerblichen Mietverhältnis nicht auf den Ausschluss oder die Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis berufen können (vgl. BGH, MDR1987,816). Das Zurückbehaltungsrecht des Mieters aus § 320 BGB kann bereits nach den formularrechtlichen Vorschriften des BGB (§§ 305 ff. BGB) nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden (§ 309 Nr. 2 a BGB). Das Zurückbehaltungsrecht des Mieters aus § 273 BGB kann jedenfalls dann nicht formularmäßig ausgeschlossen werden, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht (§ 309 Nr. 2 b BGB). Daneben ist bei Ausschlüssen des Zurückbehaltungsrechts die Regelung des § 556 b BGB zu beachten (siehe oben). Kommt der Mieter mit der Zahlung der Miete in Verzug, kann der Vermieter ihm unter bestimmten Voraussetzungen fristlos kündigen. Die Einzelheiten sind in §543 Abs. 2 Nr. 3 BGB geregelt: Danach ist der Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtigt, wenn der Mieter •

für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete im Verzug ist. Ob der rückständige Teil erheblich oder unerheblich ist, ist mit Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Jedenfalls im Wohnraummietrecht muss die rückständige Miete jedenfalls eine Monatsmiete übersteigen, ansonsten berechtigt der Rückstand nicht zur Kündigung nach § 543 BGB (vgl. § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB);



in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug gekommen ist, der die Miete für zwei Monate erreicht;



fortlaufend unpünktlich Zahlung leistet (vgl. BGH, NJW-RR1988,77).

Zur „Miete" im vorgenannten Sinne zählen auch die laufend zu zahlenden Entgelte für Nebenkosten. Hat der Vermieter danach wirksam gekündigt, steht dem Mieter von Wohnraum die nicht abdingbare (§ 569 Abs. 5 BGB) Möglichkeit zu, die Wirksamkeit der Kündigung zu beseitigen. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird im Wohnraummietrecht die Kündigung wegen Zahlungsverzug des Mieters unwirksam, wenn bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Nutzungsentschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB der Vermieter befriedigt wird oder eine öffentliche Stelle (insbesondere Sozialhilfestelle) sich zur Be-

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friedigung verpflichtet, es sei denn, der Kündigung ist vor nicht länger als zwei Jahren bereits eine unwirksame Kündigung im vorgenannten Sinne vorausgegangen. 3.3.6

Untermiete

Die Untermiete ist ein Mietverhältnis zwischen Mieter (dem sog. Hauptmieter) und dem Untermieter. Im Falle der Untermiete bestehen also zwischen Vermieter und Untermieter keine vertraglichen Rechtsbeziehungen. Wird das Hauptmietverhältnis zwischen Vermieter und Hauptmieter beendet, kann der Vermieter auch vom Untermieter die Herausgabe der Mietsache verlangen (§ 546 Abs. 2 BGB). Dies kann für einen Untermieter eine böse Überraschung bedeuten, weshalb sich Mieter bei Abschluss des Mietvertrages vergewissern sollten, dass ihr Vermieter nicht seinerseits (nur) Mieter der Mietsache ist. Untermieter von Wohnraum können sich gegebenenfalls auf den sozialen Kündigungsschutz berufen oder § 565 BGB über die gewerbliche Weitervermietung hilft ihnen (siehe Ziffer 3.3.7). Will der Mieter untervermieten, bedarf er dazu der Erlaubnis des Vermieters (§ 540 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese ist - soweit nicht anders vereinbart - formlos gültig und kann stillschweigend erteilt werden. Bittet der Mieter um Erteilung und verweigert der Vermieter diese oder äußert sich nicht innerhalb einer im Einzelfall zu bestimmenden Prüfungs- und Überlegungsfrist, besteht das Risiko, dass der Mieter den Mietvertrag vorzeitig kündigt. Das Recht dazu kann aus § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB folgen: Verweigert der Vermieter die Erlaubnis, so kann der Mieter das Mietverhältnis tinter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen, sofern nicht in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt. Der wichtige Grund, für den der Vermieter beweispflichtig ist, muss in den persönlichen Verhältnissen des Untermieters begründet sein. Rücksichtnahme auf die Hausgemeinschaft und die berechtigten Interessen des Vermieters sind maßgebend. Ist der Untermieter nicht zahlungsfähig, reicht das allein nach verbreiteter Rechtsprechung (z. B. LG Berlin, NZM 2002,947) noch nicht, um das Sonderkündigungsrecht des Mieters entfallen zu lassen. Schließlich bleibt der Hauptmieter dem Vermieter gegenüber Schuldner der Miete. Ob die Untervermietung insbesondere in Formularmietverträgen bei der Gewerberaummiete wirksam ausgeschlossen werden kann, ist fraglich. Es liegt bisher zumindest aber eine landgerichtliches Entscheidung vor, wonach ein derartiger Ausschluss einen Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellt (LG Bonn, NJW-RR 2002,1234). Der BGH hat diese Frage bis heute nicht beantwortet. Sicher ist jedoch: Ist das Recht zur Untervermietung vertraglich nicht ausgeschlossen worden, kann das Sonderkündigungsrecht

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gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht formularmäßig ausgeschlossen werden (BGH, ZMR 1995,397). Einen Anspruch auf Erlaubnis hat der Mieter im gewerblichen Mietrecht nicht. Im Wohnraummietrecht existiert dazu die Sondervorschrift des § 553 Abs. 1 BGB: Entsteht für den Mieter nach dem Abschluss des Mietvertrages ein berechtigtes Interesse, einen Teil des Wohnraums an einen Dritten zum Gebrauch zu überlassen, so kann er von dem Vermieter die Erlaubnis hierzu verlangen; dies gilt nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder sonst dem Vermieter die Überlassung nicht zugemutet werden kann. Ist dem Vermieter die Überlassung nur bei einer angemessenen Erhöhung der Miete zuzumuten, so kann er die Erlaubnis davon abhängig machen, dass der Mieter sich mit der Erhöhung einverstanden erklärt (§553 Abs. 2 BGB). Im gewerblichen Mietverträgen häufig anzutreffen sind Zuschlagsklauseln (ζ. B.: „der Mieter hat im Fall der Untervermietung 10% mehr Miete zu zahlen") oder Gewinnabschöpfungsklauseln (ζ. B.: „Der Mieter hat im Fall der Untervermietung 50% des durch die Untervermietung erzielten Mietgewinns an den Vermieter abzuführen"). Jedenfalls die Gewinnabschöpfungsklausel ist, wenn sie hinreichen bestimmt formuliert ist, AGBrechtlich unbedenklich, denn der Vermieter nimmt dadurch lediglich am Gewinn des Mieters teil. Überlässt der Mieter den Gebrauch einem Dritten, so hat er ein dem Dritten bei dem Gebrauche zur Last fallendes Verschulden zu vertreten, auch wenn der Vermieter die Erlaubnis zur Überlassung erteilt hat (§ 540 Abs. 2 BGB). Das Verschulden des Untermieters wird dem Mieter also zugerechnet. 3.3.7

Gewerbliche Weitervermietung

§ 565 BGB bestimmt gesetzlich, was früher bereits im Falle der gewerblichen Weitervermietung von der Rechtsprechung zum Schutz des Wohnraummieters anerkannt wurde. In die Problematik einführen soll folgender einfacher Fall aus einem typischen Bauherrenmodell: Der Vermieter V vermietet aus steuerlichen Motiven seine Wohnung an einen gewerblichen Zwischenmieter, der die Wohnung weiter an den M (der M ist dann Untermieter) vermietet. Im 3. Mietjahr erhält der M vom V ein Schreiben, worin dieser ihm die Beendigung des Hauptmietverhältnisses mitteilt und nach § 546 Abs. 2 BGB die Herausgabe der Wohnimg verlangt.

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Auf der Grundlage des im Wohnraummietrecht vorherrschenden Grundsatzes des sozialen Kündigungsschutzes will es nicht einleuchten, dass M dem Verlangen des V schutzlos ausgeliefert sein soll. Diesem Gedanken folgend bestimmt § 565 BGB zwingend: Soll der Mieter nach dem Inhalt des Mietvertrages den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten weitervermieten, so tritt der Vermieter bei der Beendigimg des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen dem Mieter und dem Untermieter ein. Schließt der Vermieter erneut einen Mietvertrag zum Zwecke der gewerblichen Weitervermietung ab, so tritt der neue (Zwischen-) Mieter anstelle des bisherigen Vertragspartners in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis mit dem Dritten ein. Damit ist gesetzlich verhindert, dass der soziale Mieterschutz durch das Modell der gewerblichen Weitervermietimg unterwandert wird. 3.3.8 3.3.8.1

Dingliche Sicherung des Mieters Bedürfnis nach dinglicher Sicherung

Das Nutzungsrecht des Mieters ist grundsätzlich weder „zwangsversteigerungsfest" noch „insolvenzsicher". Der Ersteher in der Zwangsversteigerung tritt zwar gemäß § 566 BGB in das Mietverhältnis ein; er kann jedoch nach § 57 a ZVG außerordentlich kündigen (der Ersteher von Wohnraum muss zusätzlich aber ein berechtigtes Interesse an der Kündigung haben). Gleich gelagert ist der Fall, in dem der Insolvenzverwalter die Mietsache veräußert. Der Erwerber hat dann ebenfalls ein außerordentliches Kündigungsrecht (§111 InsO). Die Ausübung des Kündigungsrechts kann zwar missbräuchlich sein, wenn Vermieter und Ersteher zusammenwirken, um die Folgen eines rechtsgeschäftlichen Erwerbs zu umgehen und einen langfristigen Mietvertrag zu beseitigen. Ein solcher Missbrauch lässt sich aber meist nur schwierig darlegen und beweisen. Die folgenden Ausführungen zeigen, wie ein Mieter dem Sonderkündigungsrecht des Erwerbers im Falle der Zwangsversteigerung wirksam begegnen kann: Der Mieter kann zwar das Sonderkündigungsrecht des Erstehers zeitweise abwehren, wenn er Mietvorauszahlungen, verlorene Baukostenzuschüsse und Finanzierungsbeiträge zur Schaffung oder Instandsetzung der Mietsache leistet. Dazu wird er aber erst einmal viel Geld los und außerdem ist der Schutz nur auf die „Abwohndauer" begrenzt. Deshalb begehren Mieter von Gewerberaum bei bestimmten Fallkonstellationen mitunter eine dingliche Sicherung ihres Nutzungsrechts im Grundbuch. Da Dienstbarkeit oder dienstbarkeits-ähnliche dingliche Rechte in der Zwangsversteigerung nach §44 ZVG erlöschen, wenn sie nicht in das geringste Gebot aufgenommen werden, d. h., wenn

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ein vorangehender Grundpfandgläubiger die Zwangsversteigerung betreibt, kommt es darauf an, dass das dingliche Recht möglichst vorrangig eingetragen wird. 3.3.8.2

Beschränkte persönliche Dienstbarkeit

Ohne dass der Mietvertrag damit der notariellen Beurkundung bedürfte, könnte die Verpflichtung zur Bewilligung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) in den Mietvertrag aufgenommen werden. Der Inhalt der Dienstbarkeit könnte dabei etwa wie folgt lauten: „Der Berechtigte (Mieter) ist berechtigt, die Räume ... in dem Gebäude... zum Zwecke des Betriebes eines Warenhauses ausschließlich zu benutzen. Hiermit verbunden ist das Recht der Mitbenutzimg des zum gemeinschaftlichen Gebrauch mit den weiteren Nutzern des Gebäudes bestimmten Räume und Flächen. Dem Berechtigten ist gestattet, die Ausübung der Dienstbarkeit Dritten zu überlassen. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist in Abteilung II des Grundbuchs mit Rang vor den Rechten ... und allen etwa nachfolgenden Rechten, und mit Rang vor allen Rechten in Abteilung III des Grundbuchs einzutragen..." Schuldrechtlich könnte dazu dann vereinbart werden, wann der Eigentümer einen Anspruch auf Löschimg der Dienstbarkeit hat, ζ. B. für den Fall der Beendigung des zugrunde liegenden Mietverhältnisses (allerdings darf die Kündigung gemäß § 57 a ZVG keine „Beendigung" in diesem Sinne darstellen). Ggf. kann bereits bei einem Dritten treuhänderisch eine Löschungsbewilligung hinterlegt werden mit der Anweisung, die Bewilligungserklärung unter bestimmten Voraussetzungen an den Eigentümer herauszugeben. Zu bedenken ist jedoch, dass die Dienstbarkeit dem Berechtigten nur das Recht gibt, das Grundstück in einzelnen Beziehungen unter Ausschluss des Eigentümers zu nutzen. Daraus wird von der Rechtsprechung gefolgert, dass Dienstbarkeiten den Eigentümer des Grundstücks nicht auf eine nur unwesentliche Möglichkeit der Nutzung einschränken darf (siehe Rechtsprechungsüberblick in BGH, NJW 1992,1101). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung wird es wohl schwierig sein, dem Mieter eine Dienstbarkeit an einem Grundstück insgesamt einzuräumen (sog. „verdrängende Dienstbarkeit"). Hier stößt das „Dienstbarkeitsmodell" an Grenzen. 3.3.8.3

Dauernutzungsrecht/Dauerwohnrecht nach § 31 WEG

Während das Dauerwohnrecht durchaus verbreitet ist, ist von bisher wenig praktischer Bedeutung die Vereinbarung eines Dauernutzungsrechts (bei Gewerberaum) nach

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§ 31 WEG. Dieses stiefmütterliche Dasein resultiert jedoch nicht aus der Ungeeignetheit des Dauernutzungsrechts sondern vielmehr aus der Unkenntnis der beteiligten Rechtskreise. Das Dauernutzungsrecht ist - wie das Dauerwohnrecht - ein dienstbarkeitsähnliches dingliches Recht, wonach ein Grundstück oder auch ein Erbbaurecht dergestalt belastet wird, dass bestimmte Räume eines vorhandenen oder noch zu errichtenden Gebäudes ausschließlich von einem anderen benutzt werden dürfen. Daher wird das Dauernutzungsrecht als Dauerwohnrecht für gewerbliche Räume bezeichnet. Das Dauernutzungsrecht wird im Grundbuch eingetragen. Es ist „verkehrsfähig", also veräußerlich, vererblich und kann verpfändet werden. Es kann nur an solchen Räumen bestellt werden, für die die bauamtliche Abgeschlossenheitsbestätigung vorliegt. Der auf die Bestellung des Dauemutzungsrechts gerichtete Vertrag bedarf nicht der notariellen Beurkundung. Das Dauernutzungsrecht kommt in der Praxis eigentlich nur in zwei Fällen vor: •

der Bestand des Nutzungsverhältnisses soll auf eine Dauer von länger als 30 Jahren abgesichert werden (was im Rahmen eines normalen Mietverhältnisses nicht möglich ist, da § 544 BGB ein Sonderkündigungsrecht nach Ablauf von 30 Jahren vorsieht);



der Nutzungsberechtigte hat erhebliche Investitionen in das Objekt getätigt oder erhebliche Baukostenzuschüsse geleistet und als Ausgleich soll zu seiner Sicherung das Nutzungsverhältnis verdinglicht werden, ohne den Berechtigten schon zum Eigentümer oder Miteigentümer zu machen.

3.4 Die Beendigung und Abwicklung des Mietverhältnisses 3.4.1

Beendigung durch Ablatif der Mietzeit

Ist ein Mietvertrag befristet abgeschlossen, endet er - mangels abweichender Vereinbarung - automatisch zum Ende dieser Laufzeit, ohne dass es einer Kündigung bedarf (§ 542 Abs. 2 BGB). Ein befristetes Mietverhältnis liegt vor, wenn der Endzeitpunkt kalendermäßig feststeht (ζ. B.: „Das Mietverhältnis endet am 31.1.2007") oder zumindest bestimmt werden kann (ζ. B.: „Das Mietverhältnis endet 5 Jahre nach Mietbeginn"). Während der festen Mietzeit kann das Mietverhältnis nicht ordentlich, sondern nur außerordentlich gekündigt werden. Ein echter Zeitmietvertrag kann unter bestimmten Voraussetzungen auch im Wohnraummietrecht vereinbart werden (§ 575 BGB). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen sich die Parteien eines Mietvertrages nicht länger als 30 Jahre fest binden können. Wir ein Vertrag über längere Zeit als 30 Jahre ab-

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geschlossen, so kann nach 30 Jahren jeder Teil das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Allerdings ist die Kündigung unzulässig, wenn der Vertrag für die Lebenszeit des Vermieters oder Mieters geschlossen ist (§ 544 BGB). Bei der Bestimmung, ob der Vertrag über längere Zeit als 30 Jahr abgeschlossen ist, werden Verlängerungsoptionen zugunsten einer Partei berücksichtigt. Wer also ein Nutzungsrecht für eine längere Zeit als 30 Jahre sicher vereinbaren, den Mietvertrag aber nicht an die Lebenszeit einer Partei koppeln will, kann diese lange Bindung nur über eine Verdinglichung des Nutzungsrechts erreichen (siehe oben Ziffer 3.3.8). Denkbar ist auch, dass das Mietverhältnis unter einer auflösenden Bedingung abgeschlossen ist (ζ. B.: „Das Mietverhältnis endet in dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache verkauft"). Mit Eintritt der auflösenden Bedingimg endet dann das Mietverhältnis automatisch. Allerdings im Wohnraummietrecht kann sich der Vermieter nicht auf eine Vereinbarung berufen, nach der das Mietverhältnis zum Nachteil des Mieters auflösend bedingt ist (§ 572 Abs. 2 BGB). 3.4.2

Ordentliche Kündigung/Kündigungsfristen/Sozialklausel

Ist ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen kann jede Partei das Mietverhältnis ordentlich kündigen. Im Wohnraummietrecht kann der Vermieter grundsätzlich allerdings nur dann kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse gemäß § 573 BGB hat. Die ordentliche Kündigung ist nur wirksam, wenn sie dem Kündigungsempfänger vor Beginn der Kündigungsfrist zugeht. Bei mehreren Mietern muss die Kündigung sämtlichen Mietern zugehen, wenn die Mieter sich nicht gegenseitig zum Empfang der Kündigung auch für den anderen bevollmächtigt haben (was im Mietvertrag auch formularmäßig geregelt sein kann). Bei einem Mietverhältnis über Gewerberaum muss die Kündigung der anderen Partei spätestens am 3. Werktag für den Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zugehen (§ 580 a Abs. 2 BGB). Für Mietverhältnisse über Wohnraum ist die Kündigung spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats zulässig. Nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums verlängert sich die Kündigungsfrist zu Lasten des Vermieters tun jeweils drei Monate (§ 573 c Abs. 1 Satz 2 BGB; sog. asymmetrische Kündigungsfristen). Werktage sind auch Samstage, soweit nicht der 3. Werktag auf einen Samstag fällt. Dann ist der 3. Werktag erst der an die Stelle des Samstages tretende nächste Werktag (§ 193 BGB). Im gewerblichen Mietrecht kann die Kündigimg formlos erfolgen. Haben die Parteien dafür im Mietvertrag Schriftform vereinbart, genügt - sofern nicht anders vereinbart -

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eine Kündigung per Telefax (§ 127 Abs. 2 BGB). Anders ist die Rechtslage im Wohnraummietrecht. Dort muss die Kündigung (ob ordentlich oder außerordentlich) zwingend schriftlich erfolgen (§ 568 Abs. 1 BGB). In dem Kündigungsschreiben des Vermieters sind die Gründe der Kündigung anzugeben (§§ 573 Abs. 3,573 a Abs. 3 BGB). Ferner soll der Mieter grundsätzlich auf die Möglichkeit des Widerspruchs nach den §§ 574 bis 574 d BGB sowie auf die Form und Frist des Widerspruchs rechtzeitig hingewiesen werden (§568 Abs. 2 BGB). Um die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform einzuhalten, muss bei der Wohnraummiete dem Vertragspartner die Kündigung im Original zugehen. Ein Telefax reicht nicht aus. Unsicherheiten bestehen in der Praxis nicht selten bei der Frage, ob in der Kündigungserklärung ein Kündigungstermin genannt werden muss. Fest steht: Die Angabe eines Kündigungstermins ist nicht Voraussetzung für eine wirksame Kündigung (Palandt/Weidenkaff, 63. Aufl., 2004, § 568, Rdnr. 4). Die fehlende Angabe führt nur dazu, dass die Kündigung auf den nächsten zulässigen Termin wirkt. Denkbar ist auch „zum nächstzulässigen Termin" zu kündigen. Hat der Kündigende die Kündigungsfrist länger als im Gesetz oder Vertrag geregelt bemessen, so wirkt die Kündigung erst zu dem späteren Termin. Will jemand in Vertretung einer Vertragspartei die Kündigung erklären, sollte er der Kündigung unbedingt die auf ihn lautende Originalvollmacht beifügen. Ansonsten kann der Empfänger die Kündigung unverzüglich zurückweisen, es sei denn, der Vollmachtgeber hatte ihn von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt (§ 174 BGB). 3.4.3

Außerordentliches Kündigungsrecht

Im BGB sind eine Reihe von Sondertatbeständen geregelt, die eine Mietvertragspartei zur außerordentlichen Kündigung berechtigen können. Bei besonders schwerwiegenden Veränderungen des Leistungsgefüges, die einer Partei die Fortsetzimg des Mietverhältnisses unzumutbar machen, kann eine Partei zur fristlosen Kündigung berechtigt sein. Bei weniger schwerwiegenden Leistungsstörungen kommt eine außerordentliche befristete Kündigung in Betracht. Die wichtigsten Sonderkündigungstatbestände sollen im Folgenden kurz skizziert werden.

3.4.3.1

Fristlose Kündigung

Fristlose Kündigungen einer Mietvertragspartei sind möglich wie folgt:

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Der Mieter verletzt die Rechte des Vermieters trotz Abmahnung dadurch in erheblichem Maße, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB, siehe oben Ziffer 3.3.4);



schuldhafte Verletzung der vertraglichen Pflichten in solchem Maße, dass dem Vertragspartner die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 BGB, siehe oben Ziffer 3.3.4);



der Mieter befindet sich mit der Zahlung der Miete in bestimmter Höhe im Verzug (§ 543 Abs. 2 Nr. 3, § 569 Abs. 3 BGB, siehe oben Ziffer 3.3.5);



der Vermieter gewährt den Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig oder der Gebrach wird dem Mieter wieder entzogen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB, siehe oben Ziffer 3.3.1.1);



die Beschaffenheit der Mieträume ist gesundheitsgefährdend (§ 569 Abs. 1 BGB);



bei nachhaltiger Störung des Hausfriedens (§ 569 Abs. 2 BGB);



Kündigung aus wichtigem Grund (§ 314 BGB), wenn durch das Verhalten einer Partei das Vertrauensverhältnis so nachhaltig gestört ist, dass ein gedeihliches Zusammenwirken der Parteien nicht mehr zu erwarten ist oder wenn die Durchführung des Vertrages durch die nachträgliche Veränderung der Verhältnisse erheblich gefährdet ist und deshalb eine Fortsetzung dem Kündigenden nicht mehr zugemutet werden kann.

3.4.3.2

Befristete Kündigung

Ist bei einem längerfristigen Mietvertrag die gesetzliche Schriftform nicht eingehalten, kann jede Partei gemäß § 550 BGB mit der gesetzlichen Frist kündigen (der Vermieter von Wohnraum muss jedoch ein berechtigtes Interesse haben, siehe oben Ziffer 3.2.1 und unter Ziffer 3.4.4); •

ist ein Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen, kann jede Partei das Mietverhältnis nach 30 Jahren mit der gesetzlichen Frist kündigen (§ 544 BGB, siehe oben Ziffer 3.2.9.2);



stirbt der Mieter, können sowohl seine Erben als auch der Vermieter das Mietverhältnis innerhalb eines Monats, nachdem sie vom Tod des Mieters Kenntnis erlangt haben, unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen (§ 580, 564 Satz 2 BGB); bei Wohnraum kommt es unter bestimmten Voraussetzungen im Fall des Todes des Mie-

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ters zu einer Sonderrechtsnachfolge durch bestimmte Personen, mit denen der Verstorbene einen gemeinsamen Haushalt führte (ζ. B. Ehegatten), § 563 BGB; •

versagt der Vermieter seine Erlaubnis zur Untervermietimg, kann der Mieter gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen (siehe oben Ziffer 3.3.6);



der Mieter erhält eine Mieterhöhung nach § 558 BGB (Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete) oder § 559 BGB (Mieterhöhung bei Modernisierung), § 561 Abs. 1 BGB;



der Vermieter führt Baumaßnahmen durch (§ 554 Abs. 3 BGB);



wird die Mietsache zwangsversteigert, kann der Ersteher nach § 57 a ZVG zum erst zulässigen Termin kündigen (siehe oben Ziffer 3.3.8.1);



bei Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf kann der Eigentümer mit der gesetzlichen Frist für einen der beiden ersten Termine kündigen (§ 30 Verordnung über das Erbbaurecht);



der Eigentümer hat nach § 1056 Abs. 1 BGB das Recht, bei Erlöschen des Nießbrauchsrechts das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist zu kündigen.

3.4.4

Kündigungsschutz bei Wohnraummietverhältnissen

Mietverträge über Wohnraum (anders im gewerblichen Mietrecht!) können gemäß § 573 BGB vom Vermieter grundsätzlich nur gekündigt werden, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigimg des Mietverhältnisses hat. Dies ist eine der fundamentalen Bestimmungen des sozialen Mieterschutzes. Als berechtigtes Interesse nennt das Gesetz beispielhaft („insbesondere"): •

Nicht unerhebliche schuldhafte Verletzung vertraglicher Pflichten durch den Mieter;



Eigenbedarf des Vermieters für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder die Familienangehörige des Vermieters;



Hinderung des Vermieters an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertimg des Grundstücks, soweit der Vermieter dadurch erhebliche Nachteile erleidet.

Eine Teilkündigung von nicht zu Wohnraum bestimmten Nebenräumen ist dem Vermieter aber möglich, wenn er die gekündigten Räume ζ. B. zur Schaffung von Wohnraum verwenden will (§ 573 b BGB). Ob dem Mieter eine nicht unerhebliche schuldhafte Verletzung vertraglicher Pflichten vorzuwerfen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob die Belange des Vermie-

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ters in einem solchen Maße beeinträchtigt sind, dass dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Die „Eigenbedarfskündigung" ist die in der Praxis häufigste Form der Kündigung durch den Vermieter. Haustandsangehörige sind Personen, die der Vermieter auf Dauer in seine Wohnung aufgenommen hat, die mit ihm in enger Hausgemeinschaft leben und die dort keinen eigenen Hausstand führen. Dies können ζ. B. Familienmitglieder des Vermieters sein oder Personen, mit denen der Vermieter sein Leben teilt („Lebensgefährte"). „Familienangehörige" des Vermieters sind seine Eltern, Kinder, Geschwister und sein Ehepartner. Weitere Personen können Familienangehörige sein, wenn sie mit dem Vermieter verwandt oder verschwägert sind. Die Eigenbedarfskündigung ist nur rechtmäßig, wenn der Vermieter die Wohnung zum Eigenbedarf „benötigt". Dafür bedarf es nach der Rechtsprechung vernünftige, nachvollziehbare Gründe. Der Selbstnutzungswunsch des Vermieters allein ist also nicht ausschlaggebend. Im Streitfall kommt es zu einer gerichtlichen Abwägung des Selbstnutzungsinteresses des Vermieters mit dem Bestandsinteresse des Mieters. Das Ergebnis dieser Abwägung obliegt im Einzelfall dem Tatrichter. Die Kündigung wegen Eigenbedarf ist wesentlich erschwert, wenn nach Überlassung der Wohnung an den Mieter an der Wohnung Wohnungseigentum begründet wurde. Mit der Formulierung „wirtschaftliche Verwertung" ist jeder Einsatz eines Grundstücks zu wirtschaftlichen Zwecken des Vermieters gemeint. Dies kann ζ. B. geschehen durch Verkauf, Vermietung oder durch bauliche Veränderung. Angemessen ist die Verwertung, wenn sie rechtmäßig ist, sich also im Rahmen der geltenden Rechts- und Sozialordnimg hält. Zu bedenken ist jedoch, dass der Vermieter durch den Fortbestand des Mietverhältnisses an der konkret beabsichtigten Verwertung gehindert werden muss. Mit anderen Worten: Die Durchführung der Verwertung muss von der Beendigimg des Mietverhältnisses abhängen. Eine bloße Erschwerung der Verwertung genügt nicht. Somit wird ein Vermieter nicht wirksam kündigen können, wenn er die leerstehende Wohnung zu einem höheren Preis veräußern kann, als wenn sie vermietet ist. 3.4.5

Aufhebungsvertrag

Die Parteien können jederzeit den Mietvertrag vorzeitig einvernehmlich im Rahmen eines Mietaufhebungsvertrages auflösen. An diesen Vertrag müssen alle Parteien des Mietvertrages mitwirken, ansonsten ist er nicht wirksam (es sei denn, es liegen entsprechende Bevollmächtigungen vor).

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Die Aufhebung des Mietverhältnisses ist fonnfrei und unterliegt nach herrschender Meinung nicht dem Formerfordernis, dass für Vertragsänderungen nach §550 BGB (BGHZ 65,49). Wesentlicher Inhalt des Aufhebungsvertrages ist der Zeitpunkt, zu dem das Mietverhältnis beendet werden soll. Typischerweise kommt es zu derartigen Vereinbarungen, wenn der Vermieter die Mietsache im Anschluss an das zu vereinbarende Mietende weiter vermieten kann. Der Vermieter ist in diesen Fällen gut beraten, den Aufhebungsvertrag unter die aufschiebende Bedingung zu stellen, dass der Mietvertrag mit dem Nachmieter auch zustande kommt. Ansonsten kann es passieren, dass er den Mietvertrag mit dem Mieter vorzeitig aufhebt, der Vertrag mit dem potenziellen Nachmieter aber nicht zustande kommt. In Einzelfällen kann ein Mietaufhebungsvertrag auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen. Das Zustandekommen ist beispielsweise bejaht worden, wenn eine unzulässige oder unbegründete Kündigimg vom Kündigungsempfänger akzeptiert worden ist. Allerdings wird man an ein schlüssiges Zustandekommen einer Aufhebungsvereinbarimg hohe Anforderungen stellen müssen. Insbesondere wird man aus bloßem Schweigen auf die unwirksame Kündigung nicht auf das Einverständnis auf Mietaufhebung schließen können. Ebenso wenig wird man die Duldung des Mieterauszuges als Einverständnis zur Mietaufhebung werten können. 3.4.6

Rückgabepflicht der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses

Zu Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter kommt es häufig bei der Abwicklung beendeter Mietverhältnisse. Ihre Ursache haben derartige Auseinandersetzungen darin, dass der Mieter die Mietsache nicht rechtzeitig zum Ende des Mietverhältnisses oder nicht in vertragsgemäßem Zustand zurückgibt. Zur Wahrung der Interessen des Vermieters bedarf es neben einer sorgfältigen Vertragsgestaltung der sachkundigen Abwicklung des Mietverhältnisses. 3.4.6.1

Rückgabepflicht

Nach der Beendigung des Mietverhältnisses ist der Mieter verpflichtet, die gemietete Sache an den Vermieter zurückzugeben (§ 546 Abs. 1 BGB). Dies erfordert, dass der Mieter dem Vermieter den unmittelbaren Besitz an der Mietsache einräumt. Die bloße Besitzaufgabe durch den Mieter genügt nicht. Zu einer teilweisen Rückgabe der Mietsache ist der Mieter nach § 266 BGB nicht berechtigt (BGHZ 104, 285). Fehlt jedoch nur untergeordnetes Zubehör, ζ. B. einzelne Schlüssel,

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hat der Mieter seine Rückgabepflicht erfüllt, ist dem Vermieter wegen des fehlenden Zubehörs aber schadenersatzpflichtig. Zur Räumung gehört auch, dass der Mieter alle Sachen aus der Mietsache entfernt, die er oder Personen eingebracht haben, denen er den (Mit-) Gebrauch überlassen hat, es sei denn, er ist aufgrund des Vermieterpfandrechts hieran gehindert. Das Zurücklassen von Gerümpel in geringem Umfang hindert dagegen die Rückgabe nicht (BGHZ104,285). Grundsätzlich ist der Mieter verpflichtet, die gemietete Sache in dem Zustand zurückzugeben, in dem er sie erhalten hat. Daher ist die Anfertigung eines exakten Übergabeprotokolls zum Mietbeginn von besonderer Bedeutung. Vom Mieter vorgenommene Einund Umbauten sowie von ihm veranlasste bauliche Maßnahmen sind somit zu beseitigen, auch wenn der Mieter sie vom Vormieter übernommen hat (OLG Hamburg, ZMR 1990, 341). Unerheblich ist, mit welchem Kostenaufwand die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands für den Mieter verbunden ist. Die Verpflichtung des Mieters zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands entfällt ausnahmsweise in folgenden Fällen: •

Der Vermieter hat ausdrücklich oder stillschweigend auf den Wiederherstellungsanspruch verzichtet. Willigt der Vermieter in Ein- und Umbauten sowie sonstigen baulichen Maßnahmen des Mieters ein, ist damit noch kein Verzicht auf den Wiederherstellungsanspruch verbunden;



der Mieter hat sich gegenüber dem Vermieter vertraglich zur Durchführung der baulichen Maßnahmen oder zur Errichtung der Einrichtungen verpflichtet;



der Mieter hat bauliche Maßnahmen vorgenommen, um den vertragsgemäßen Zustand der Mietsache herzustellen (OLG Düsseldorf, ZMR 1990, 218). Derartige Maßnahmen kann der Mieter unter den Voraussetzungen des § 536 a Abs. 2 BGB ohne Zustimmung des Vermieters vornehmen;



der Vermieter will die Mietsache nach der Rückgabe derart umbauen, dass die Wiederherstellungsarbeiten des Mieters entfernt werden müssen (BGHZ 96,141). In diesem Fall steht dem Vermieter auch kein Ausgleichsanspruch in Geld gegen den Mieter zu.

Mit der Verpflichtung des Mieters zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes korrespondiert sein Recht, Einrichtungen, mit denen er die Mietsache versehen hat, wegzunehmen (§ 539 Abs. 2 BGB). Einrichtungen sind Sachen, die der Mieter mit der vermieteten Sachen verbunden hat und die ihr zu dienen bestimmt sind (BGHZ 101, 37). Sie können durch Verbindung mit den vermieteten Sachen deren wesentlicher Bestand-

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teil werden. Es handelt sich ζ. B. um Einbauschränke, Sanitäreinrichtung etc. Hat der Vermieter ein Interesse daran, dass derartige Einrichtungen nach der Beendigung des Mietverhältnisses in der Mietsache verbleiben, kann er das Wegnahmerecht des Mieters durch Zahlung einer angemessenen Entschädigung abwenden. Allerdings besteht diese Möglichkeit nicht, wenn der Mieter ein berechtigtes Interesse an der Wegnahme der Einrichtung hat (§ 552 Abs. 1 BGB). Als Entschädigung ist in der Regel der Zeitwert der Einrichtung zu vergüten. Hat der Mieter die Mietsache geräumt, jedoch ihm gehörende Sachen zurückgelassen, trifft den Vermieter eine Obhutspflicht, soweit es sich nicht um wertloses Gerümpel handelt, die aber zeitlich befristet ist. Kosten, die dem Vermieter hierdurch entstehen, ζ. B. Einlagerungskosten, hat der Mieter als Verzugsschaden zu ersetzen. 3.4.6.2

Zustand der vermieteten Sache bei der Rückgabe

Schäden, die über die vertragsgemäße Abnutzung der Mietsache hinausgehen und von ihm zu vertreten sind (§ 538 BGB), hat der Mieter dem Vermieter zu ersetzen. Der Mieter haftet somit für die Folgen einer vertragswidrigen Nutzimg der Mietsache und einer Verletzung seiner Obhutspflicht. Darüber hinaus können dem Vermieter zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses Ansprüche aufgrund einer vom Mieter vertraglich übernommenen Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht zustehen, insbesondere aufgrund einer Endrenovierungspflicht des Mieters. Schließlich ist der Mieter gegebenenfalls zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Mietsache verpflichtet (vgl. Ziffer 3.4.6.1). Ansprüche wegen eines nicht vertragsgerechten Zustandes der Mietsache bei der Rückgabe kann der Vermieter mit Aussicht auf Erfolg nur durchsetzen, wenn er den Zustand der Mietsache bei der Übergabe an den Mieter wie auch bei der Rückgabe durch diesen beweiskräftig dokumentiert hat. Dieses Ziel lässt sich erreichen, indem sowohl bei der Übergabe wie auch bei der Rückgabe jeweils Begehungen der Mietsache mit dem Mieter stattfinden, bei denen detaillierte Protokolle über den Zustand der Mietsache erstellt und von beiden Vertragsparteien unterschrieben werden. Derartige Protokolle können von unterschiedlicher rechtlicher Qualität sein: Verpflichtet sich der Mieter im Rückgabeprotokoll zur Beseitigung von festgestellten Schäden, handelt es sich bei dem Protokoll um ein deklaratorisches oder sogar ein konstitutives Schuldanerkenntnis, aus dem der Mieter unmittelbar in Anspruch genommen werden kann. Wird im Protokoll hingegen lediglich der Zustand der Mietsache beschrieben,

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stellt es eine Beweisurkunde über den Zustand der vermieteten Sache bei der Übernahme bzw. Rückgabe dar. Falls der Vermieter die Mietsache vorbehaltlos zurücknimmt, kann er mit Ansprüchen gegen den Mieter ausgeschlossen sein. Wird in einem Rückgabeprotokoll der ordnungsgemäße Zustand der Mietsache vom Vermieter bestätigt, hat das Protokoll die rechtliche Qualität eines negativen Schuldanerkenntnisses, so dass der Vermieter mit weiteren Ansprüchen gegen den Mieter ausgeschlossen ist. Aus diesem Grunde sollte der Vermieter eine sachkundige Person zuziehen und sich im Rückgabeprotokoll Ansprüche gegen den Mieter wegen Schäden vorbehalten, die bei der Rückgabe nicht erkannt worden sind. Anlässlich der Rückgabe der Mietsache kommt es häufig zu Streit zwischen den Vertragsparteien, sei es, dass der Mieter seine Mitwirkimg an der förmlichen Rückgabe verweigert, oder dass Meinungsverschiedenheiten über Ansprüche des Vermieters im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache entstehen. In diesen Fällen muss der Vermieter für eine beweiskräftige Feststellung des Zustandes der Mietsache Sorge tragen. In Betracht kommen zunächst Fotografien, Videoaufnahmen und sachkundige Personen, die in einem gerichtlichen Verfahren als Zeugen benannt werden können. Auf diese Beweismittel sollte sich der Vermieter jedoch nicht beschränken, wenn es schon zu Meinungsverschiedenheiten über das Bestehen von Schäden und über die Frage der Verantwortlichkeit für Schäden gekommen ist. Von deutlich größerem Beweiswert ist das Privatgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, der im Auftrag des Vermieters tätig wird. Das schriftliche Gutachten dient als Beweisurkunde; der Gutachter kann als sachverständiger Zeuge gehört werden. Stehen erhebliche Schadenersatzforderungen des Vermieters im Raum, empfiehlt sich die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens (§§ 485 ff. ZPO). In diesem Verfahren lässt sich für die Parteien schnell und verbindlich auch die Frage klären, worin die Ursache von Schäden zu suchen und mit welchen Kosten ihre Beseitigung verbunden ist. Von Nachteil ist allerdings, dass die Schäden zumindest bis zur Durchführung des Ortstermins mit dem vom Gericht zu bestellenden Sachverständigen nicht behoben werden können und daher zusätzliche Mietausfallschäden entstehen. Der Vermieter muss somit im Einzelfall abwägen und entscheiden, für welche Form der Beweissicherung er sich entscheidet.

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3.4.6.3

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Ansprüche des Vermieters bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Rückgabepflicht

Räumt der Mieter nicht freiwillig, muss er gerichtlich auf Räumung in Anspruch genommen werden. Gelegentlich wird in Formularmietverträgen der Versuch unternommen, dem Vermieter ein Selbsthilferecht einzuräumen. Derartige Klauseln sind unwirksam. Eine individualvertragliche Vereinbarung, die es dem Vermieter erlaubt, die Räumung im Wege der Selbsthilfe vorzunehmen, ist grundsätzlich wirksam. Der Vermieter kann sich auf eine derartige Absprache aber nicht berufen, wenn das Einverständnis des Mieters zum Zeitpunkt der Ausübung des Selbsthilferechts nicht mehr vorliegt (BGH, NJW1977,1818). Hat der Mieter die Mietsache ganz oder zum Teil Dritten zum Gebrauch überlassen, insbesondere untervermietet, kann der Vermieter diese unmittelbar auf Räumung in Anspruch nehmen (§ 546 Abs. 2 BGB). Falls der Vermieter Eigentümer der Mietsache ist, kann er den Herausgabeanspruch gegen Dritte auch auf § 985 BGB stützen. Mangels vertraglicher Absprachen kann der Vermieter Dritte auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Mietsache nur in Anspruch nehmen, wenn er Eigentümer der Mietsache ist und der Dritte die Mietsache mit Einrichtungen versehen oder bauliche Änderungen vorgenommen hat. Oft versuchen Mieter wegen bestehender oder vermeintlicher Ansprüche gegen den Vermieter ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen und bieten die Rückgabe der Mietsache nur Zug um Zug gegen Erfüllung dieser Ansprüche, ζ. B. gegen Herausgabe der Kaution, an. Nach § 570 BGB kann der Mieter von Grundstücken und Räumen die Rückgabe der gemieteten Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses jedoch nicht wegen etwaiger Ansprüche gegen den Vermieter zurückbehalten. Geben der Mieter oder Personen, denen er den Gebrauch der Mietsache überlassen hat, diese nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete verlangen. Alternativ kann er nach seiner Wahl die ortsübliche Miete geltend machen (§ 546 a Abs. 1 BGB). Die Nutzungsentschädigung tritt an die Stelle der vertraglich geschuldeten Miete und ist nicht davon abhängig, dass den Mieter ein Verschulden an der Vorenthaltung der Mietsache trifft. Die Mietsache wird dem Mieter vorenthalten, wenn ihm gegen seinen Willen der Besitz nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht übertragen wird (BGHZ 104, 285). Zieht der Mieter vor Ablauf einer vertraglich oder gerichtlich eingeräumten Räumungsfrist aus, endet die Vorenthaltung mit der Erfüllung der Rückgabepflicht. Da der Mieter

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grundsätzlich nicht berechtigt ist, die Mietsache teilweise zurückzugeben, schuldet er die Nutzungsentschädigung in voller Höhe, bis er die Mietsache vollständig zurückgegeben hat (BGHZ104,285). Hat der Mieter die Mietsache einem Dritten überlassen, z. B. untervermietet, kann er den Vermieter nicht auf dessen Rückgabeanspruch gegen den Dritten (§546 Abs. 2 BGB) verweisen (BGHZ 90, 145). Auch in diesem Fall schuldet der Mieter für die Dauer der Vorenthaltung die Nutzungsentschädigung. Da dieser Anspruch verschuldensunabhängig ist, kommt es nicht darauf an, ob der Untermieter die Mietsache gegen den Willen des Mieters nicht herausgibt. Obgleich das Mietverhältnis beendet ist, bestimmen sich die nachvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien nach dem Mietvertrag, solange die Mietsache dem Vermieter vorenthalten wird. Nutzungsentschädigung schuldet der Mieter auch dann, wenn er die Mietsache während der Dauer der Vorenthaltung tatsächlich nicht nutzt. Der Mieter kann dem Vermieter auch nicht entgegenhalten, dass diesen ein Mitverschulden (§ 254 BGB) trifft, etwa weil der Vermieter Teilbereiche der Mietsache, die der Mieter bereits geräumt hat, nicht anderweitig vermietet (BGHZ 104, 285). Verlangt der Vermieter Nutzungsentschädigung in Höhe der vertraglichen vereinbarten Miete, kann er sowohl die Grundmiete wie auch die vereinbarten Nebenkostenvorauszahlungen beanspruchen. Hinsichtlich der Umsatzsteuer ist die Nutzungsentschädigimg wie die Miete zu behandeln, an deren Stelle sie tritt (BGHZ 104, 285). Die Fälligkeit richtet sich nach den vertraglichen Absprachen. Das Gleiche gilt für vertraglich vereinbarte Änderungen der Miete, insbesondere aufgrund einer Wertsicherungsklausel (BGH, ZMR 73, 238). Falls der Vermieter anstelle der vereinbarten Miete die ortsübliche Miete wählt, ist diese ab Ausübung des Wahlrechts für die Zukunft geschuldet. Rückwirkend kann der Vermieter sein Wahlrecht nicht ausüben. Gibt der Mieter die Mietsache zurück, wird sie dem Vermieter nicht mehr vorenthalten. Der Zustand der Mietsache bei der Rückgabe ist grundsätzlich unerheblich (BGHZ 104, 285). Dies gilt auch, wenn der Mieter Einrichtungen zurücklässt, es sei denn, dass eine unzulässige teilweise Räumimg vorliegt (BGH, NJW1988,2665). Der Anspruch des Vermieters auf Nutzungsentschädigung schließt einen darüber hinausgehenden Schadenersatzanspruch nicht aus (§ 546 a Abs. 2 BGB). Ein weiterer Schaden kann dem Vermieter als Verzugsschaden beispielsweise entstehen, wenn er die Mietsache während der Dauer der Vorenthaltung anderweitig zu einem Mietpreis hätte vermieten können, der über der Nutzungsentschädigung liegt. In diesem Fall entsteht

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dem Vennieter ein Schaden in Höhe der Differenz zwischen der Miete, die er durch die anderweitige Vermietung hätte erzielen können, und der Nutzungsentschädigimg. Diesen Schaden muss der Mieter ersetzen, sofern er sich mit der Rückgabe der vermieteten Sachen im Verzuge befindet. 3.4.6.4

Schadenersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung von Renovierungs- und Rückbaumaßnahmen

In der Regel legen gewerbliche Mietverträge fest, dass der Mieter die vermietete Sache bei Beendigung des Mietverhältnisses vollständig renovieren, insbesondere sämtliche Schönheitsreparaturen ausführen muss. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich hierbei um eine Hauptpflicht des Mieters aus dem Mietvertrag (BGHZ 85, 267 und BGHZ 92, 363). Kommt der Mieter seiner vertraglichen Renovierungspflicht nicht oder nur unzureichend nach, kann der Vermieter Schadenersatz wegen Verzögerung der Leistung erst verlangen, wenn sich der Mieter mit dem ihm obliegenden Leistungen in Verzug befindet {§§ 280, 286 BGB). Will der Vermieter Schadensersatz statt der Leistung, muss er dem Mieter grundsätzlich noch erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung setzen (§§ 280, 281 BGB). Häufig wird in Formularverträgen der Versuch unternommen, die für den Vermieter lästigen, formalen Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs abzubedingen. Der Vermieter soll ohne weiteres Schadenersatz beanspruchen können, wenn die Renovierungsarbeiten nicht bis zur Rückgabe der Mietsache ausgeführt worden sind. Derartige Klauseln in Formularverträgen sind jedoch unwirksam (BGH, NJW1986, 842). Die für den Schadenersatzanspruch statt der Leistung nach § 281 Abs. 1 BGB erforderliche Nachfrist ist nur ausnahmsweise in folgenden Fällen entbehrlich: •

Der Mieter verweigert endgültig und ernsthaft die von ihm geschuldeten Renovierungsarbeiten (§ 281 Abs. 2 BGB). An eine derartige Erfüllungsverweigerung stellt die Rechtsprechimg strenge Anforderungen. Insbesondere reichen bloße Meinungsverschiedenheiten über Inhalt und Umfang der vertraglichen Pflichten nicht aus. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 49, 56) verweigert der Mieter die bei Beendigung des Mietverhältnisses fälligen Schönheitsreparaturen endgültig, wenn er auszieht ohne die Arbeiten ausgeführt zu haben. Es ist jedoch Vorsicht geboten, da viele Untergerichte dieser Rechtsprechung des BGH nicht folgen und letztlich immer nur im Einzelfall beurteilt werden kann, ob der Mieter die ihm obliegenden Leistungen endgültig und ernsthaft verweigert hat;

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die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs rechtfertigen (§ 281 Abs. 2 BGB). Der BGH nimmt einen derartigen Fall an, wenn die Zeit zwischen dem Auszug des Mieters, der die Schönheitsreparaturen nicht ausgeführt hat, und dem Beginn des neuen Mietverhältnisses für eine Nachfristsetzung nicht ausreicht.

Hat der Mieter die von ihm geschuldeten Renovierungsarbeiten nicht ausgeführt, obwohl er hierzu unter Nachfristsetzung (§§ 280, 281 BGB) aufgefordert wurde, schuldet er Schadenersatz statt der Leistung. Zum Schaden gehören die Kosten für die unterbliebenen Renovierungsarbeiten, die auch anhand eines Kostenvoranschlags ermittelt werden können. Nicht notwendig ist, dass der Vermieter die Arbeiten tatsächlich ausführen lässt. Zu ersetzen sind darüber hinaus die Kosten für Sachverständigengutachten zur Feststellung des Zustandes der Mietsache, sofern dieser streitig war, sowie verzögerungsbedingte Kosten, ζ. B. der Mietausfall in Höhe der üblichen Miete für die Dauer der Arbeiten (BGH, NJW 1991, 2416). Allerdings ist der Vermieter verpflichtet, die Renovierungsarbeiten zügig ausführen zu lassen; ansonsten kann ihm der Mieter den Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB) entgegenhalten. Erübrigen sich die vom Mieter geschuldeten Renovierungsarbeiten, weil der Vermieter Umbauarbeiten durchführen will, kann er vom Mieter einen Geldausgleich beanspruchen (BGHZ 92,363). 3.4.6.5

Verjährung

Im Mietrecht sollten die Parteien dringend die kurze Verjährungsvorschrift des § 558 Abs. 1 BGB beachten. Danach verjähren Ersatzansprüche des Vermieters gegen den Mieter wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der vermieteten Sache in sechs Monaten (§ 548 Abs. 1 BGB). Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Diese Bestimmung wird von der Rechtsprechimg weit ausgelegt; sie erfasst insbesondere folgende Fallgruppen: •

Ansprüche aufgrund einer vom Mieter vertraglich übernommenen Verpflichtimg zur Durchführung von Renovierungsarbeiten, insbesondere Schönheitsreparaturen;



Ansprüche aufgrund einer vom Mieter vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Instandhaltung und Instandsetzung der gemieteten Sachen oder Teilen hiervon;



Ansprüche auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Mietsache;

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Schadenersatzansprüche wegen der Nicht- oder Schlechterfüllung der Ansprüche auf Wiederherstellung des vertragsmäßigen Zustandes zum Mietende;



Ansprüche wegen einer Verletzung der dem Mieter obliegenden Obhutspflicht und wegen vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache, die zu Schäden an der Mietsache führen;



Schadenersatz wegen Unterlassung der dem Mieter obliegenden Mängelanzeige (§ 536 c Abs. 1 BGB);



Schadenersatzansprüche wegen entgangenem Gewinn (insbesondere Mietausfall) im Zusammenhang mit den vorstehend aufgeführten Ansprüchen (BGH, MDR 95,141);



Kosten für Gutachten zur Feststellung von Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache;



Regressansprüche des Vermieters gemäß BBodSchG (LG Hamburg, NZM 2001, 339; LG Frankenthal, NJW-RR 2002,1090).

Nicht unter § 558 Abs. 1 BGB fallen: •

Der Anspruch des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache und Ansprüche allein wegen Schlechterfüllung des Räumungsanspruchs, die erst nach Ablauf der Mietzeit entstehen und bei Vertragsende noch nicht voraussehbar waren, ζ. B. Zurücklassung von Gift nach Räumung einer Apotheke;



Ansprüche des Vermieters wegen vollständiger Zerstörung der Mietsache (BGHZ 49, 278);



Personenschäden;



Schäden, die nicht im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache stehen, insbesondere Nutzimgsentschädigung oder Schadenersatz wegen Mietausfall aufgrund der fristlosen Kündigimg eines befristeten Mietverhältnisses bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Mietzeit.

Räumlich gilt die Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB für die Mietsache einschließlich der mitvermieteten Sachen. Erfasst werden aber auch Schäden an Teilen des Gebäudes und des Grundstücks, die nicht Mietsache sind (BGHZ 61, 227), zum Teil sogar Schadenersatzansprüche des mit dem Vermieter nicht identischen Eigentümers der Mietsache (BGH, ZMR 1997, 400). Allerdings muss der Schaden hinreichenden Bezug zur Mietsache selbst haben (BGH, ZMR 1994,63). Die 6-monatige Verjährungsfrist beginnt für den Vermieter, wenn er die Mietsache zurück erhält. Vereinbaren die Mietvertragsparteien, dass vom Mieter geschuldete Reno-

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vierungsarbeiten erst einige Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses zu erbringen sind, so beginnt die Verjährungsfrist gemäß § 548 BGB nicht vor Ablauf der Renovierungsfrist (OLG München, ZMR1997,178). Der Vermieter kann die Mietsache bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses zurück erhalten, so dass die Verjährungsfrist vor Mietende in Lauf gesetzt werden kann. Allerdings muss der Vermieter durch Inbesitznahme der Mietsache in die Lage versetzt worden sein, sich ungestört ein umfassendes Bild von Beschädigungen an der Mietsache zu machen (BGH, NJW1991, 2418). Der Vermieter erhält die Mietsache auch zurück im Sinne von § 548 Abs. 1 BGB, wenn er mit dem Untermieter seines bisherigen Mieters noch während des Bestehens des Hauptmietverhältnisses einen neuen Mietvertrag abschließt, der sich zeitlich an den auslaufenden Hauptmietvertrag anschließt und die Mietsache vereinbarungsgemäß im unmittelbaren Besitz des Untermieters und neuen Mieters bleibt (OLG München, ZMR 1997,178). Der Beginn der kurzen Verjährungsfrist ist nicht davon abhängig, dass der Vermieter Kenntnis von den Schäden hat. Eine vertragliche Verlängerung der kurzen Verjährungsfrist kann - jedenfalls individualvertraglich - verlängert oder abgekürzt werden. Insbesondere ist zu beachten, dass ein vom Vermieter eingeleitetes selbstständiges Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO die Verjährungsfrist nicht unterbricht (BGHZ128, 74). Wegen der kurzen Verjährungsfrist und zur Vermeidimg von Mietausfallschäden ist dem Vermieter anzuraten, die notwendigen Feststellungen zum Zustand der Mietsache unverzüglich zu treffen, sobald er die Mietsache zurückerhalten hat. Hat der Mieter eine Kaution gestellt, sind vorrangig Ansprüche, die der 6-monatigen Verjährung unterliegen, gegen die Kaution zu verrechnen. Obgleich eine Aufrechnung mit derartigen Ansprüchen auch nach Eintritt der Verjährung möglich ist, soweit sich die Ansprüche vor Verjährungseintritt aufrechenbar gegenüber gestanden haben, muss die Aufrechnimg alsbald erklärt werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Mieter nur für einen begrenzten Zeitraum (zwischen drei und sechs Monaten) gehindert, seinerseits die Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch zu erklären. Der Mieter hat somit spätestens nach Ablauf von sechs Monaten die Möglichkeit, seinen Kautionsrückzahlungsanspruch gegen nicht verjährte Forderungen (ζ. B. Mietrückstände) aufzurechnen, mit der Folge, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgerechnete Forderungen des Vermieters, die der kurzen, sechsmonatigen Verjährung unterliegen, nicht mehr durchgesetzt werden können.

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3.4.6.6

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Vom Mieter herrührende Altlasten der Mietsache

Zum 01.03.1999 sind die wesentlichen Teile des neuen Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) in Kraft getreten. Zweck des Gesetzes ist es, nachhaltig die Funktion des Bodens zu sichern und wiederherzustellen. Hierzu sind schädliche Bodenverunreinigungen abzuwehren, der Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkung auf den Boden zu treffen (§ 1 BBodSchG). Hat der Mieter schädliche Bodenveränderungen verursacht, sind die Bestimmungen des neuen Gesetzes auch im Verhältnis zwischen dem Vermieter und dem Mieter von Bedeutung; sie sind auch bei der Abwicklung von Mietverhältnissen zu berücksichtigen. Unter „Altlasten" versteht das BBodSchG nur Altablagerungen und Altstandorte, durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden (§ 2 Abs. 5 BBodSchG). Dies ist zu beachten, wenn künftig - nicht nur in Verträgen - der Begriff „Altlasten" verwandt wird. Darüber hinaus behandelt das BBodSchG andere schädliche Bodenveränderungen (z. B. § 2 Abs. 3 BBodSchG). Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter sind insbesondere folgende Bestimmungen des BBodSchG zu berücksichtigen: •

Der Grundstückseigentümer (in der Regel der Vermieter) und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt (in der Regel der Mieter) über ein Grundstück sind verpflichtet, Maßnahmen zur Abwehr der von ihrem Grundstück drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergreifen (§ 4 Abs. 2 BBodSchG);



der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast (der Mieter oder Personen für die er einzustehen hat) sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer (der Vermieter) und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück (der Mieter) sind verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen verursachte Verunreinigung von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen (§4 Abs. 3 BBodSchG);



veräußert der Vermieter das vermietete Grundstück, ist er als früherer Eigentümer zur Sanierung verpflichtet, wenn er sein Eigentum nach dem 01.03.1999 übertragen hat und die schädlichen Bodenveränderungen oder Altlast hierbei kannte oder kennen musste (§ 4 Abs. 6 BBodSchG);

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der Grundstückseigentümer (der Vermieter) und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück (der Mieter) und derjenige der Verrichtungen auf einem Grundstück durchführt oder durchführen lässt, die zu Veränderungen der Bodenbeschaffenheit führen können, sind verpflichtet, Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen zu treffen, die durch ihre Nutzung auf dem Grundstück oder in dessen Einwirkungsbereich hervorgerufen werden können (§ 7 BBodSchG);



mehrere Verpflichtete haben unabhängig von ihrer Heranziehimg untereinander einen Ausgleichsanspruch. Soweit nichts anderes vereinbart wird, hängt die Verpflichtung zum Ausgleich sowie der Umfang des zu leistenden Anspruch davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist; § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB findet entsprechende Anwendung. Der Ausgleichsanspruch verjährt nach § 24 Abs. 2 Satz 3 BBodSchG in drei Jahren. Diese Verjährungsfrist soll wegen der kürzeren Verjährungsregelung in § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB (6 Monate) nach der Rechtsprechung allerdings nicht anzuwenden sein, soweit es um Ansprüche aus einem nicht vertragsgerechten Zustand des Mietgrundstücks zum Mietende geht (LG Hamburg, NZM 2001, 339; LG Frankenthal, NJW-RR 2002,1090). Das bedeutet: Wird der Vermieter nach Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist (§ 548 Abs. 1 Satz 1 BGB) behördlich wegen Altlasten in Anspruch genommen, die der Mieter verursacht hatte, kann er nicht mehr seinen Mieter gemäß § 24 Abs. 2 Satz 3 BBodSchG in Regress nehmen. Die kurze mietrechtliche Verjährungsfrist verdrängt also auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung die längere Verjährungsfrist gemäß § 24 BBodSchG.

Nach der gesetzlichen Regelung kann der Vermieter somit nach Beendigung des Mietverhältnisses und sogar nach Veräußerung des Grundstücks als (früherer) Eigentümer behördlich für Sanierungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden. In diesem Fall hat er zwar grundsätzlich nach § 24 Abs. 2 BBodSchG einen Ausgleichsanspruch gegen den Mieter, sofern dieser die schädlichen Bodenveränderungen verursacht hat. Dieser Ausgleichsanspruch verjährt jedoch aufgrund des § 548 Abs. 1 BGB bereits in sechs Monaten nach Rückgabe der Mietsache. Im Verhältnis der Mietvertragsparteien stellt sich zunächst die Frage, ob Kontaminationen des Bodens und schädliche Veränderungen der Bauwerke in gewissem Umfang zum vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters gehören, wenn mit der Art des von ihm betriebenen Gewerbes üblicherweise derartige Beeinträchtigungen der Mietsache, insbesondere Kontaminationen verbunden sind. Das Brandenburgische OLG (ZMR 1999,166) hatte diese Frage bei der Vermietung eines Grundstücks zum Zwecke eines Tankstellenbetriebes zu entscheiden und ist zu folgendem Ergebnis gelangt: Aus der Natur eines Tankstel-

3 Wohn- und Gewerberaummiete

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lenbetriebes heraus kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu Beeinträchtigungen des Mietgrundstückes durch Verspritzen von Treibstoff beim Befüllen der Tanks bzw. der Kraftfahrzeuge und der Legaten kommt. Ein Vermieter, der unter diesen Umständen ein Grundstück zum Betrieb einer Tankstelle vermietet, ist verpflichtet, derartige Folgen in gewissem Umfang hinzunehmen. In dem Umfang, in dem die Bodenkontaminationen auf den vertragsgemäß vereinbarten Gebrauch der Mietsache als Tankstelle zurückzuführen waren, unterfielen sie nach Auffassung des OLG Brandenburg dem vom Vermieter vertraglich geschuldeten Gebrauch der Mietsache und waren von diesem entschädigungslos hinzunehmen (§ 538 BGB). Dem Vermieter ist daher anzuraten, dem Mieter vertraglich die Beseitigung jedweder Verunreinigungen des Grundstücks und der Mietsache aufzuerlegen, auch soweit die vertragsgemäße Nutzung der Mietsache derartige Verunreinigungen üblicherweise mit sich bringen. Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter aufgrund derartiger Vereinbarungen verjähren nach § 548 Abs. 1 BGB binnen sechs Monaten. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter durch eine vertragswidrige Nutzung der Mietsache schädliche Veränderungen des Bodens und der Mietsache verursacht hat. Zu beachten ist, dass sich Ausgleichsansprüche nach § 24 Abs. 2 BBodSchG nicht auf schädliche Veränderungen des Gebäudes durch den Mieter erstrecken, die sich nicht auf den Boden auswirken. Steht zu befürchten, dass der Mieter schädliche Veränderungen des Bodens oder der Mietsache verursacht hat, ist es dem Vermieter anzuraten, unmittelbar nach Beendigung des Mietverhältnisses durch ein privates Sachverständigengutachten oder durch ein selbstständiges Beweisverfahren im Sinne von § 485 ff. ZPO die notwendigen Feststellung treffen zu lassen und den Mieter noch innerhalb der kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten (§ 548 Abs. 1 BGB) gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Um diesen Ausgleichsanspruch durchsetzen zu können, sollte der Vermieter gegebenenfalls dafür Sorge tragen, dass vor Durchführung von Sanierungsmaßnahmen durch ein privates Sachverständigengutachten oder ein selbstständiges Beweisverfahren die Beweise gesichert werden, damit der Mieter später erfolgreich gerichtlich auf Ausgleich in Anspruch genommen werden kann.

3.5 Das Vermieterpfandrecht 3.5.1

Entstehen des Vermieterpfandrechtes

Nach § 562 Abs. 1 BGB erwirbt der Vermieter eines Grundstücks oder von Räumen, sofern dies nicht vertraglich ausgeschlossen ist, ein Pfandrecht an den eingebrachten Sa-

264

3 Wohn- und Gewerberaummiete

chen des Mieters. Eingebracht sind Sachen des Mieters, die dieser willentlich nicht lediglich vorübergehend in die Mieträume geschafft hat. Das Vermieterpfandrecht kann nur an Sachen entstehen, nicht an Forderungen, so dass zwar Geld und Wertpapiere darunter fallen können, nicht aber bloße Legitimationspapiere, wie zum Beispiel Sparbücher und Kfz-Briefe. Die Einbringung darf bestimmungsgemäß nicht nur vorübergehend erfolgen. Ein Kraftfahrzeug beispielsweise, das der Mieter regelmäßig auf dem Mietgrundstück abstellt, wird deshalb eingebracht im vorgenannten Sinne. Auch das Warenlager eines Kaufmanns befindet sich nicht nur vorübergehend in den Mieträumen, auch wenn die einzelnen Waren dazu bestimmt sind, alsbald wieder veräußert und damit entfernt zu werden; auch am Warenlager kann deshalb ein Vermieterpfandrecht entstehen. Die Tageskasse gilt hingegen nicht als eingebracht. Grundsätzlich ist die Einbringung nur während der Laufzeit eines gültigen Mietvertrages möglich. Wenn aber dem Mieter aufgrund des Vertrages gestattet ist, schon vorzeitig einzuziehen, so sind die aufgrund dieser Befugnis in die Räume verbrachten Sachen ebenfalls als eingebracht im Sinne des § 562 BGB anzusehen. Dem Pfandrecht unterliegen nicht mehr solche Sachen, die erst nach Vertragsende eingebracht werden, wie zum Beispiel Warenvorräte zwecks Weiterführung des Betriebs bis zur Räumung. Als eingebracht gelten auch bereits in den Mieträumen befindliche Sachen des Vermieters oder des Vormieters, die der Mieter von diesem erworben hat und in den Mieträumen belässt. Weiterhin sind eingebracht Sachen, die in den Mieträumen überhaupt erst hergestellt werden. Werden mehrere Räume in einem Gebäude gesondert vermietet, so sichert das Pfandrecht immer nur die Forderungen des Vermieters wegen der Vermietung derjenigen Räume, in die die betreffenden Sachen eingebracht worden sind. So verhält es sich namentlich bei getrennter Vermietung von Wohnung und Geschäftslokal; ebenso wenig können Sachen, die sich auf Grundstücksteilen befinden, die nicht mitvermietet sind, als eingebracht behandelt werden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, ob etwa das in die Garage eingestellte Kfz des Mieters auch dessen Verbindlichkeiten aus dem Geschäftsraummietverhältnis sichert und nicht lediglich die Verbindlichkeiten aus dem Garagenmietvertrag. Diese Frage ist - mangels anderweitiger ausdrücklicher Regelung im Mietvertrag - danach zu beantworten, ob es sich bei dem Garagenmietverhältnis um ein isoliertes oder um ein Mietverhältnis handelt, das als rechtliche Einheit mit dem Geschäftsraummietverhältnis zu behandeln ist. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass es sich

3 Wohn- und Gewerberaummiete

265

um ein Fahrzeug handeln muss, das im Eigentum des Mieters steht, nicht etwa ζ. B. im Eigentum von dessen Angestellten. Dem gesetzlichen Pfandrecht des Vermieters unterliegen nur Sachen, die im Eigentum des Mieters stehen. Ist der Mieter lediglich Miteigentümer, so erstreckt sich das Vermieterpfandrecht nur auf den Miteigentumsanteil des Mieters. Wenn die Mietsache „an eine BGB-Gesellschaft" vermietet ist, sind alle Gesellschafter Mieter; diese haften persönlich für die Miete. Folglich unterliegen sämtliche eingebrachten Sachen, die im Eigentum der Gesellschafter stehen, dem Pfandrecht des Vermieters. Dasselbe gilt selbstverständlich für die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden eingebrachten Sachen. Hat der Mieter die Sache unter Eigentumsvorbehalt gekauft, so ist er noch nicht Eigentümer, so dass an der für ihn noch fremden Sache kein Pfandrecht des Vermieters entstehen kann. Dem Vermieter wird hier jedoch ein Pfandrecht an dem Anwartschaftsrecht des Mieters zugestanden. Das Pfandrecht am Anwartschaftsrecht erstarkt zum Pfandrecht an der Sache mit Erwerb des Eigentums an der Sache durch den Mieter. Dies gilt nicht nur, wenn der Mieter die Kaufpreisschuld tilgt, sondern auch dann, wenn der Vermieter den (Rest-)Kaufpreis zahlt, um den Rücktritt des Vorbehaltsverkäufers vom Kaufvertrag auszuschließen und das Pfandrecht an der Sache selbst zu erwerben. Eine Sicherungsübereignung an Dritte, etwa des Warenlagers, das sich in den Mieträumen befindet, beeinträchtigt nicht den Vorrang des Vermieterpfandrechts, wenn die Sicherungsübereignung nach der Einbringung erfolgt. Wird die Sicherungsübereignung hingegen wie das Vermieterpfandrecht mit Einbringung in die Mieträume wirksam, wie dies zum Beispiel bei Raumsicherungsübereignungsverträgen mit Kreditinstituten in der Regel der Fall ist, bleibt nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1992, 1156) der Vorrang des Vermieterpfandrechts jedenfalls dann unberührt, wenn die Sicherungsübereignung nach Abschluss des Mietvertrages vereinbart worden war. Dies ist in der Literatur jedoch umstritten (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage 1999, III Rn. 857). Der Vermieter trägt die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Entstehens seines Pfandrechts, insbesondere auch dafür, dass der Vermieter Eigentümer der Sache ist. Da sich die eingebrachten Sachen in der Regel im Besitz des Mieters befinden, spricht für den Vermieter die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB, so dass der Mieter oder ein Dritter, der das Pfandrecht des Vermieters bestreitet, nachzuweisen haben, dass der Mieter trotz Besitzes nicht Eigentümer der eingebrachten Sache ist.

266

3 Wohn- und Geiverberaummiete

Das Vermieterpfandrecht erstreckt sich nicht auf unpfändbare Sachen, § 562 Abs. 1 BGB. Die Regelung des Gesetzgebers ist zwingend; auch die vertragliche Begründung etwa eines Zurückbehaltungsrechtes an einer unpfändbaren Sache stellt eine unzulässige Umgehung dieses Verbots dar. Bei Geschäftsraummietverträgen sind insbesondere § 811 Ziffern 5, 7, 9 und 11 ZPO von Bedeutung. So sind ζ. B. die zur Fortführung des Betriebes oder die zur Ausführung des Berufs notwendigen Gegenstände, etwa Maschinen, Büroeinrichtungen und -geräte, ärztliche Apparate, gegebenenfalls auch Kraftfahrzeuge und halbfertige, noch nicht zum Verkauf bestimmte Fabrikate unpfändbar. Dagegen können bereits zum Verkauf bestimmte Waren und Fertigfabrikate gepfändet werden und unterliegen somit auch dem Vermieterpfandrecht. Geschäftsbücher im Sinne des § 811 Ziffer 11 ZPO sind sämtliche Geschäftsunterlagen einschließlich der Kundenkartei. Durch das Pfandrecht des Vermieters werden nur solche Forderungen gesichert, die sich aus dem Wesen des Mietvertrages als entgeltlicher Gebrauchsüberlassung ergeben. Hierzu gehören u. a. •

Ansprüche auf Miete und Nebenkosten;



Schadenersatzansprüche wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache, wegen Verletzung der Anzeigepflicht, wegen Nichterfüllung der Rückgabepflicht und wegen einer vom Mieter zu vertretenden vorzeitigen Vertragsauflösung;



Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung.

Mit Rücksicht auf die Belange anderer Gläubiger darf der Kreis der gesicherten Forderungen nicht zu weit gezogen werden. Demgemäß sind ζ. B. nicht gesichert •

der Anspruch auf Rückerstattung eines Darlehens, das der Vermieter dem Mieter zur Durchführung vertraglich vorgenommener Umbaumaßnahmen gewährt hat und



der Anspruch des Vermieters auf Stellung einer Kaution.

Zukünftige Mietforderungen unterliegen dem Pfandrecht, soweit sie im laufenden und im folgenden Mietjahr (nicht Kalenderjahr) fällig werden. Hierzu gehören auch Nebenkostenvorauszahlungen, nicht aber Nebenkostennachforderungen aufgrund von Nebenkostenabrechnungen. Für zukünftige Entschädigungsforderungen und für die Miete für eine spätere Zeit als das laufende und das folgende Mietjahr kann das Pfandrecht nicht geltend gemacht werden (§ 562 Abs. 2 BGB). Hierzu zählen u. a. die Ansprüche auf Nutzungsentschädigimg gemäß § 546 a BGB und auf Ersatz des Mietausfallschadens bei einer vom Mieter

3 Wohn- und Gewerberaummiete

167

zu vertretenden vorzeitigen Vertragsauflösung. Für die Frage, ob es sich um eine zukünftige Entschädigungsforderung handelt, kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem sich der Vermieter erstmals auf sein Pfandrecht beruft. Diese Geltendmachung des Vermieterpfandrechts erfolgt durch jede Handlung, mit der der Vermieter sein Pfandrecht nach außen erkennbar zur Geltung bringt, was in der Regel durch schriftliche Erklärung oder tatsächliche Inbesitznahme der Sachen geschieht. Nicht notwendig ist in diesem Zusammenhang eine gerichtliche Geltendmachung des Pfandrechts. Das Vermieterpfandrecht kann während der Dauer des Miet- und auch eines sich anschließenden Nutzungsverhältnisses erneut geltend gemacht werden. Der Vermieter muss sich dann jedoch den Vorrang zwischenzeitlich entstandener Pfand- oder Sicherungsübereignungsrechte gefallen lassen. 3.5.2

Untergang des Pfandrechts

Das Vermieterpfandrecht erlischt gemäß § 562 a Satz 1 BGB mit der Entfernung der Sachen aus der Mietsache, es sei denn, dass die Entfernung ohne Wissen oder unter Widersprach des Vermieters erfolgt. Streitig ist, ob der Pfandgegenstand erst dann im Sinne des § 562 a Satz 1 BGB entfernt ist, wenn er nicht nur aus den Mieträumen, sondern vom gesamten Grundstück des Vermieters, auf dem sich die Mieträume befinden, fortgeschafft worden ist. Denn solange er sich noch auf dem Grundstück des Vermieters befindet, etwa in anderen Räumen des Mieters in demselben Gebäude, gehört der Gegenstand nach einer Meinung noch zu dessen „Machtbereich". Nach anderer Auffassung genügt bereits die Entfernung aus den gemieteten Räumen, wobei allerdings die mitvermieteten Grundstücksteile wie Treppen, Flure, Zugänge, wohl auch Garage, den vermieteten Räumen gleichgestellt wird. Auch die vorübergehende Entfernung von eingebrachten Sachen des Mieters bringt nach wohl herrschender Meinung das Vermieterpfandrecht zum Erlöschen, falls die Voraussetzungen des § 562 a Satz 1 BGB vorliegen und der Vermieter nicht zwischenzeitlich bereits das Vermieterpfandrecht geltend gemacht hatte. Dies gilt insbesondere für Kraftfahrzeuge, sobald sie aus der Garage vom Grundstück gefahren werden, wie auch für sonstige Sachen des Mieters, die zum Beispiel zu Reparatur- oder Reinigungszwecken vom Grundstück verbracht werden. Kuriose Folge ist aber, dass das mit der vorübergehenden Entfernung erloschene Vermieterpfandrecht etwa in einem Kraftfahrzeug jedes Mal dann, wenn dieses Fahrzeug wieder in die Garage gefahren wird, neu entsteht, unter Umständen zwischenzeitlich belastet mit einem dann dem Vermieterpfandrecht im Range vorhergehenden Sicherungsrecht, zum Beispiel einer Sicherungsübereignung zu-

268

3 Wohn- und Gewerberaummiete

gunsten eines Dritten. Diese Auffassung wird daher von Teilen der Literatur abgelehnt; danach kann nur ein auf Dauer angelegtes Entfernen das Vermieterpfandrecht zum Erlöschen bringen. Die Wegnahme des Pfandgegenstandes durch den Gerichtsvollzieher ist auch „Entfernung" im Sinn des § 562 a Satz 1 BGB, auch dann erlischt also das Vermieterpfandrecht, an dessen Stelle jedoch das Recht des Vermieters tritt, sich vorzugsweise aus dem Erlös zu befriedigen oder aber diesen vom Pfändungspfandgläubiger, an den der Erlös bereits ausgekehrt worden ist, herauszuverlangen. Das Pfandrecht bleibt trotz Entfernung des Pfandgegenstandes bestehen, wenn die Entfernung entweder ohne Wissen des Vermieters oder unter dessen Widerspruch erfolgt, § 562 a Satz 1 BGB. Wissen des Vermieters von der Entfernung der Sachen des Mieters ist nur positive Kenntnis, nicht bereits grob fahrlässige Unkenntnis. Für den Widerspruch ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Er kann sich auch aus den Umständen ergeben, muss sich aber immer auf einen bestimmten Entfernungsfall beziehen und deshalb grundsätzlich unmittelbar vor oder während der Entfernung erklärt werden. Ein allgemein im Voraus, ζ. B. im Mietvertrag, erklärter Widerspruch ist ebenso wirkungslos wie ein erst nach Entfernung der Sachen erklärter. Der Widerspruch muss nach herrschender Meinimg nicht notwendig dem Mieter gegenüber erklärt werden; eine Erklärung gegenüber dem Wegschaffenden reicht regelmäßig aus. Der Widerspruch kann pauschal erfolgen; er erfordert zu seiner Wirksamkeit nicht die konkrete Bezeichnimg einzelner Gegenstände, zu der der Vermieter vielfach mangels Zutritts zu den Mieträumen gar nicht imstande ist. Das Vermieterpfandrecht erlischt durch die Entfernung der Gegenstände trotz Kenntnis des Vermieters bzw. dessen Widerspruchs, wenn die Entfernung den gewöhnlichen Lebensverhältnissen entspricht oder wenn die zurückbleibenden Sachen zur Sicherung des Vermieters offenbar ausreichen (§ 562 a Satz 2 BGB). Sind die Sachen ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermieters entfernt worden und war der Vermieter nicht zur Duldung der Entfernung verpflichtet, muss der Vermieter, will er das Erlöschen des Vermieterpfandrechts verhindern, binnen eines Monats seinen Anspruch auf Herausgabe der entfernten Sachen gerichtlich geltend machen, nachdem er von der Entfernung der Sachen Kenntnis erlangt hat (§ 562 b Abs. 2 BGB). Der Vermieter kann allerdings die Herausgabe der dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen so lange nicht an sich selbst, sondern nur an den Mieter in dessen Miet-

3 Wohn- und Gewerberaummiete

269

räumen verlangen, wie der Mieter noch nicht ausgezogen ist (§ 562 b Abs. 2 Satz 1 BGB), es sei denn, dass dem Vermieter bereits fällige Forderungen gegen den Mieter zustehen und er das Vermieterpfandrecht geltend macht, um die dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen zu verwerten (Bub/Treier, a. a. O., III Rn. 899). Der Herausgabeanspruch richtet sich gegen den Mieter und gegen jeden dritten unmittelbaren oder mittelbaren Besitzer und zwar unabhängig davon, ob der betreffende Besitzer selbst es war, der die Pfandgegenstände entfernt hat. Die Frist von einem Monat seit Kenntniserhalt von der Entfernung der Sachen ist eine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf das Vermieterpfandrecht erlischt. Diese Frist kann nicht durch Vereinbarimg verlängert werden. Die Frist läuft und endet auch dann, wenn der Vermieter keine Kenntnis davon hat, wo und in wessen Besitz sich die dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen befinden. 3.5.3

Selbsthilferecht des Vermieters

Nach § 562 b Abs. 1 BGB darf der Vermieter die Entfernung der seinem Pfandrecht unterliegenden Sachen, soweit er ihr zu widersprechen berechtigt ist, auch ohne Anrufen des Gerichts verhindern und, wenn der Mieter auszieht, die Sachen in seinen Besitz nehmen. Die Ausübung des Selbsthilferechts des Vermieters, das sowohl ein Recht zur Verhinderung der Entfernung als auch - bei Auszug des Mieters - ein Recht zur Inbesitznahme der Pfandgegenstände beinhaltet, kann in engen Grenzen sogar mit Gewalt erfolgen, zum Beispiel durch Auswechslung der Türschlösser oder sonstiges Versperren der Eingangstür. Das Selbsthilferecht darf jedoch nur während der Entfernung ausgeübt werden. Weder Präventivmaßnahmen noch die sogenannte Nacheile sind zulässig. Da das Selbsthilferecht in der Praxis nur selten von Bedeutimg ist, soll hierauf in diesem Rahmen nicht näher eingegangen werden. 3.5.4

Das Vermieterpfandrecht bei Insolvenz des Mieters

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mieters gewährt das Vermieterpfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters dem Vermieter ein Recht auf abgesonderte Befriedigung, § 50 Abs. 1 InsO. Die abgesonderte Befriedigung aus dem Pfandgegenstand erfolgt außerhalb des Insolvenzverfahrens nach den Regeln der Verwertung der Pfandsachen, d. h. an den Vermieter wird der Erlös der Verwertung abzüglich der Verwertungskosten ausgekehrt und mit dessen Forderungen verrechnet.

270

3 Wohn- und Gewerberaummiete

Sachen, die der Mieter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einbringt, unterliegen nicht dem Vermieterpfandrecht. Hingegen kann der Insolvenzverwalter Sachen einbringen, zum Beispiel bei Fortführung des Mietverhältnisses oder bei Invollzugsetzen im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Überlassung der Mietsache. 3.5.5

Verwertung der Pfandsachen

Die Befriedigung des Vermieters aus den dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen des Mieters, erfolgt entweder im Wege der öffentlichen Versteigerung bzw. des privatrechtlichen Verkaufs und durch Auskehr des Erlöses an den Vermieter und Verrechnung mit dessen Forderungen, oder dadurch, dass der Vermieter den Erlös des Pfandgegenstandes von einem Pfändungspfandgläubiger erlangt, der die Sache in den Mieträumen hatte pfänden und sodann versteigern lassen. Inbesitznahme und Verwertung der Mietsicherheit setzen die Fälligkeit der Forderungen des Vermieters (§§ 1257,1228 Abs. 2 BGB) und in der Regel eine Verkaufsandrohung unter Einhaltung einer Wartefrist von einem Monat (§§ 1257,1234 BGB) voraus. Bei fälligen Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis kann der Vermieter die dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen auch schon während des Miet- oder Nutzungsverhältnisses, d. h. also bereits vor Auszug des Mieters, herausverlangen. Bis zur Verwertung hat der Vermieter die in Besitz genommenen Pfandgegenstände sorgfältig zu verwahren. Der Vermieter muss nach Inbesitznahme der Pfandgegenstände diese alsbald zu verwerten versuchen oder sie dem Mieter zurückgeben. Denn er hat aufgrund des Vermieterpfandrechts kein Recht, die Sache selbst zu behalten, es sei denn, er steigerte diese selbst tinter Anrechnung auf seine Forderung ein oder erwürbe sie unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensgrundsätze durch Kauf. Ersatz von Lagerkosten, die der Vermieter ohnehin so gering wie möglich halten muss, kann der Vermieter gemäß §§ 1257,1215, 1216 BGB daher nur für eine kurze Übergangszeit, innerhalb der er den Pfandverkauf betreiben kann, beanspruchen. Nutzt der Vermieter die dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen, während er sie in Besitz hat, etwa durch Vermietung an Dritte, so hat er die Nutzungen dem Mieter herauszugeben. Verwahrt er sie hingegen lediglich, ohne sie darüber hinausgehend zu nutzen, so besteht ein solcher Anspruch nicht. Hat der Vermieter an den dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen des Mieters sowohl ein Pfändungspfandrecht als auch ein Vermieterpfandrecht erlangt, was nebeneinander zulässig ist, so muss er, wenn er die Sachen nach den für das Vermieterpfandrecht geltenden Vorschriften verwerten will, zuvor auf sein Pfändungspfandrecht ver-

3 Wohn- und Geioerberaummiete

271

ziehten, weil er nur so anstelle des Gerichtsvollziehers den Besitz an den Sachen erlangen kann. In der Regel ist es für den Vermieter jedoch günstiger, die Gegenstände aufgrund eines Pfändungspfandrechtes, das der Vermieter aufgrund eines vollstreckbaren Titels gegen den Mieter auf Zahlung einer Geldsumme erworben hat, verwerten zu lassen. In diesem Fall erfolgt die Verwertung durch den Gerichtsvollzieher nach den Regeln der Zivilprozessordnung. Eine Verkaufsandrohung sowie die Einhaltung einer Wartefrist sind in diesem Fall nicht notwendig. Der Verkauf der Gegenstände geschieht entweder nach den Grundsätzen der öffentlichen Versteigerung (§§ 1257,1235 Abs. 1, 363 Abs. 3 BGB) oder durch freihändigen Verkauf (§§ 1257,1235 Abs. 2,1221 BGB). Mit dem Verkauf im Wege der öffentlichen Versteigerung wird in der Regel der Gerichtsvollzieher beauftragt. Ein freihändiger Verkauf kommt nur in Betracht, wenn das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis hat. Der Vermieter darf den Pfandgegenstand selbst erwerben, jedoch ist er nicht selbst zum Verkauf berechtigt. Zum Verkauf berechtigt sind beispielsweise Gerichtsvollzieher oder öffentliche Versteigerer, die durch den Vermieter mit dem freihändigen Verkauf beauftragt werden können. Leistet der Mieter Sicherheit in Höhe des Wertes der Forderung des Vermieters oder wenn der Wert der Sachen geringer ist - in Höhe dieses Wertes, so sind die Geltendmachung und natürlich auch Inbesitznahme und Verwertung der dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen nicht mehr möglich. Erbringt der Mieter für jede einzelne Sache in Höhe ihres Wertes Sicherheit, so erlischt das Pfandrecht. Die Verwertung der Pfandgegenstände durch den Vermieter ist auch ausgeschlossen, wenn sie - ohne sich im Besitz des Vermieters zu befinden - zugunsten eines Dritten gepfändet sind. Der Vermieter kann sich weder gegen die Pfändung noch gegen die Wegschaffung durch den Gerichtsvollzieher oder die Verwertung durch den Pfandgläubiger zur Wehr setzen. Er ist auf das Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös beschränkt. Dieses Recht kann er bis zum Ende der Zwangsvollstreckung im Klageweg durchsetzen; ist der Verwertungserlös bereits an den Pfändungspfandgläubiger ausgekehrt, verbleibt dem Vermieter gegen diesen nur noch der materielle Anspruch auf Herausgabe des ausgekehrten Erlöses. Bei schuldhaft unberechtigter Ausübung des Vermieterpfandrechts, insbesondere bei unberechtigter Inbesitznahme und Verwertung von eingebrachten Sachen, wird der Ver-

272

3 Wohn- und Gewerberaummiete

Vermieter dem Mieter sowie Dritten gegenüber, deren Besitz und Eigentumsrechte an den zu verwertenden Sachen verletzt worden sind, zu Schadenersatz verpflichtet. An die Sorgfaltspflicht des Vermieters bei der Ausübung des Vermieterpfandrechts werden strenge Anforderungen gestellt. Im Interesse der übrigen Gläubiger beschränkt § 562 d BGB die gesicherten Forderungen des Vermieters und damit den Vorrang des Vermieterpfandrechts gegenüber den übrigen Pfändungspfandrechten für rückständige Mietforderungen insoweit, als das Pfandrecht den anderen Gläubigern gegenüber nicht wegen der Miete für eine frühere Zeit als das letzte Jahr vor der Pfändimg geltend gemacht werden kann.

3 Wohn- und Gewerberaummiete

273

Literaturverzeichnis zu Kap. 3 Lindner - Figur3/Oprée/SteIlmann: Geschäftsraummiete, München 2006. Bub/Treier: Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, München 1994. Fritz: Gewerberaummietrecht, 4. Auflage, München 2005. Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage, München 2006. Schmidt - Futterer: Mietrecht, 8. Auflage, München 2003. Stemel: Mietrecht, 3. Auflage, Köln 1988. Wolf/EckeiVBall: Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage, Köln 2004.

4 Recht der Immobilienveiwaltung

275

4 Recht der Immobilienverwaltung Joachim Schmidt 4.1 Vorbemerkung

279

4.2 Immobilienverwaltung

279

4.2.1 Definition der Immobilienverwaltung

279

4.2.2 Abgrenzung Eigenverwaltung/Fremdverwaltung

282

4.3 Der Immobilienverwalter in der Immobilienwirtschaft

284

4.3.1 Der vernetzte Immobilienverwalter

284

4.3.2 Marktsteilimg und Organisationsformen der Immobilienverwalter

286

4.4 Zugangsvoraussetzungen und Berufsausübungsregelungen

287

4.4.1 § 34 c GewerbeO

287

4.4.2 Berufsordnung

287

4.4.3 Schiedsgerichtsbarkeit

287

4.5 Standards für die Immobilienverwaltung

290

4.6 Der Verwaltervertrag

293

4.6.1 Rechtsnatur, Rahmenbedingungen

293

4.6.2 Inhalt, Grundleistungen und besondere Leistungen

294

4.6.3 Vertragsmuster, Software

297

4.6.4 Vergütungsregelungen

298

4.6.5 Die Haftung des Verwalters

299

4.6.5.1 Pflichtverletzung

299

4.6.5.2 Schaden, Verschulden

299

4.6.5.3 Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Bauträger/ Handwerker

300

4.6.5.4 Haftung aus Verwaltung des Sondereigentums (WEG)

301

4.6.5.5 Vergabe von Sanierungsmaßnahmen

301

4.6.5.6 Gefahrenabwehr, Verkehrssicherungspflichten

301

4.6.5.7 Haftung des Verwalters im Rahmen der Abwicklung der Verwaltertätigkeit

302

4.6.5.8 Beschränkung der Verwalterhaftung

302

276

4 Recht der

Immobilienverwaltung

4.7 Allgemeine kaufmännische Geschäftsführung 4.7.1 Mietverwaltung 4.7.1.1 Auswahl des Mietinteressenten

304 304 304

4.7.1.2 Vertragsmanagement, Schriftform

305

4.7.1.3 Übergabe/Rückgabe der Mieträume

306

4.7.1.4 Mietenverwaltung

308

4.7.1.5 Überprüfung von Mieterhöhungsmöglichkeiten

309

4.7.1.6 Behandlung von Sicherheitsleistungen

310

4.7.1.7 Konkurrenzschutz/Betriebspflicht

311

4.7.1.8 Kontrolle der Einhaltung des Vertragszwecks

312

4.7.1.9 Mietnebenkosten-Management 4.7.1.9.1 Vertragsfreiheit in der Geschäftsraummiete, Bindung durch § 2 der Betriebskostenverordnung - BetrKV - in der Wohnraummiete 4.7.1.9.2 Bestimmtheitserfordernis 4.7.1.9.3 Die ordnungsgemäße Abrechnung 4.7.1.9.4 Konflikt zwischen WEG-Abrechnung und Betriebskostenabrechnung 4.7.1.9.5 Vereinfachte Abrechnung bei Wirtschafts- und/oder Verwaltungseinheiten

313

4.7.2 Die Wohnungseigentumsverwaltung

313 315 315 317 318 320

4.7.2.1 Vorbereitimg, Einberufung und Durchführung der Eigentümerversammlungen

320

4.7.2.2 Das Finanz- und Rechnungswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft

323

4.7.2.3 Entlastung des Verwalters

327

4.8 Rechtsberatung durch Immobilienverwalter

327

4.9 Die technische Verwaltung

330

4.10 Forderungseinzu^Risikominimierung von Forderungsausfällen

334

4.10.1 Forderungseinzug als Kerngeschäft des immobilienverwaltenden Unternehmens?

334

4.10.2 Gesetzliche Verwalterpflichten, vertragliche Pflichten

335

4.10.3 Anzeichen für wirtschaftliche Probleme des Mieters

336

4.10.4 Risikominimierung gegen Mietausfälle

336

4.10.5 Vorzeitiger Auszug des Mieters/NichtÜbernahme der Räume

337

4.10.6 Begriffe aus dem Mahn- und Vollstreckungswesen

338

4 Recht der ¡mmobilienverwaltung

4.11 Immobilienverwaltung und öffentliches Recht

277

341

4.11.1 Der Verwalter als Adressat von Verwaltungsakten

341

4.11.2 Verwaltungsakte betreffend die WEG

342

4.11.3 Verhalten des Verwalters bei Empfang von Verwaltungsakten

342

4.11.4 Baurechtliche Verfahren

342

4.11.5 Fristen

343

4.11.6 Polizeiliche Anordnungen

343

4.11.7 Grundsteuerbescheide

344

4.12 Checkliste für zu übergebende Unterlagen bei der Verwaltung von Wohnungseigentum und Mietobjekten

344

4.13 Checkliste Verwaltersuche

347

4.14 Bestellung des Verwalters nach dem Wohnungseigentumsgesetz

347

Literaturverzeichnis zu Kap. 4

350

4 Recht der Immobilienverwaltung

279

4.1 Vorbemerkung Immobilien haben betriebswirtschaftlich wie volkswirtschaftlich steigende Bedeutung insbesondere als Anlageobjekt. Internationale Investoren (Blackstone, Lonestar, Cerberus), um nur einige zu nennen, investieren am deutschen Markt zunehmend, insbesondere in große Wohnimmobilien-Bestände. Das war bei den GAGFAH-Immobilien nicht anders als bei dem Immobilienbestand von Viterra. Bevor diese Immobilienbestände nach ca. 5-7 Jahren mit Gewinn weiterveräußert werden, ob nun aufgeteilt in Wohnungseigentum oder nicht: Immer wird es um eine Optimierung gehen, zu deren Grundvoraussetzungen die Aufarbeitung der Bestandsdaten, eine zielgerichtete Instandhaltung und Instandsetzung und eine zeitgemäße Handhabung der Mieten und der Nebenkosten gehören. Hier können die Immobilienverwalter in hohem Maße wirken und zu einer Transparenz der verwalteten Immobilien beitragen, die zur Werterhaltung und Wertsteigerung führen kann. Moderne Immobilienverwaltung definiert außerdem die geänderten Anforderungen an nutzergerechte Immobilien. Der schmale Grad zwischen dem „Maßanzug" und der wieder verwendbaren Immobilie muss von den Verwaltern mitbegangen werden. Die Form der Immobilien selbst (Wohnen und Arbeiten, Smart Office, Betreutes Wohnen, multifunktionale Immobilien, Logistik-Immobilien, seniorengerechte Immobilien) fordert mit unterschiedlichen Schwerpunkten professionelle Betreuung. Die Immobilie wird heute als Dienstleistungsprodukt begriffen. Der Bedarf an qualifizierter Immobilienverwaltung wächst. Insbesondere im Bereich des infrastrukturellen Gebäudemanagements sehen sich die Immobilienverwalter gesteigerten Erwartungen und Anforderungen gegenüber. Darüber hinaus befinden sich die Immobilienverwalter in einem berufsbildübergreifenden Wettbewerb, in dem sich professionell geführte und effiziente Verwaltungsunternehmen in der für die jeweiligen Verwaltungszwecke optimalen Betriebsgröße behaupten.

4.2 Immobilienverwaltung 4.2.1

Definition der Immobilienverwaltung

Der Begriff der Immobilienverwaltung ist gesetzlich nicht definiert. Als rechtliche Grundlagen und Standards für die Ausübimg der Verwaltertätigkeit können aber die folgenden Vorschriften angesehen werden: Im Gemeinschaftsrecht sind es die Bestimmungen über die Bestellung und Einsetzung des Verwalters gem. §§ 741,744 und insbesondere 745 Abs. 2 BGB. Nach der letztgenannten Vorschrift kann jeder Teilhaber - sofern nicht die Verwaltung und Benutzimg durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist - eine dem Interesse aller Teil-

280

4 Recht der Immobilienverwaltung

haber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzimg verlangen. In der Zweiten Berechnungsverordnung (§ 26 Abs. 1) sind die Verwaltungskosten definiert als die Kosten, der zur Verwaltung des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit erforderlichen Arbeitskräfte und Einrichtungen, die Kosten der Aufsicht sowie der Wert der vom Vermieter persönlich geleisteten Verwaltungsarbeit. Zu den Verwaltungskosten gehören auch die Kosten für die gesetzlichen oder freiwilligen Prüfungen des Jahresabschlusses und der Geschäftsführung. Herzstück im Definitionskatalog ist das Wohnungseigentumsrecht (WEG). So bestimmt § 20 WEG, dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern nach Maßgabe der §§ 21-25 und dem Verwalter nach Maßgabe der §§ 26-28 obliegt und im Falle der Bestellung eines Verwaltungsbeirats auch diesem nach Maßgabe des § 29. Wichtig ist, dass die Bestellung eines Verwalters im WEG nicht ausgeschlossen werden kann (§ 20 Abs. 2). Immobilienverwaltung kann - besonders geprägt durch die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters in § 27 WEG, aber nicht hierauf beschränkt - wie folgt definiert werden: „Wer Immobilien verwaltet, erbringt seinem Auftraggeber Dienste, indem er dessen Geschäfte im Bereich der allgemeinen kaufmännischen Geschäftsführung, der juristischen Verwaltung, der Finanz- und Vermögensverwaltung und der technischen Verwaltung sowie im Bereich der Service-Dienstleistungen besorgt". Wichtig ist dabei immer, dass der Immobilienverwalter nicht Betreiber der Immobilie ist. Er überwacht, veranlasst und organisiert; er managt, um auch mit diesem Begriff dem modernen Sprachgebrauch zu genügen. Auf diesen 5 Säulen: Allgemeine kaufmännische Geschäftsführung, Juristische Betreuung, Finanz- und Vermögensverwaltung, Technische Verwaltung und ServiceDienstleistungen baut insbesondere auch das Verständnis der modernen Immobilienverwaltung auf (Tabelle 5). Gegenüber dieser Grundstruktur des Leistungsbildes der Immobilienverwalter untergliedert sich das Gebäudemanagement (so z. B. dargestellt in der DIN 32736, die aus der VDMA 24196 hervorgegangen ist) in 3 Bereiche, nämlich das Kaufmännische Gebäudemanagement, das Technische Gebäudemanagement und das Infrastrukturelle Gebäudemanagement.

4 Recht der Immobilienverwaltung

281

Immobilienverwaltung DDIV

Allgemeine kaufmännische

Juristische Betreuung

Geschäftsführung

Finanz- und Vermögensverwaltung

Abschluss, Durchführung und

Schritte, soweit gesetzl. Zuläs-

Einrichtung und Führung von

Abwicklung von Mietverhält-

sig

objektbezogener Buchhaltung

Nebenkostenmanagement

Überwachung von Fristen,

Datenerfassung, Datenpflege

einschl. Wärmecontracting

insb. bei Gewährleistung be-

nissen

hördlicher Verfügungen Flächenmanagement Leer-

Vertretung des Eigentümers

Überwachung der Zahlungs-

standsverwaltung

bei Behörden und in Verfah-

verpflichtungen der Mieter

ren, soweit gesetzl. zulässig Vertragsmanagement (insb.

Aussergerichtl. und gerichtl.

Periodische Abrechnung,

Hausmeister, Versicherung,

Geltendmachung v. Ansprü-

Rechnungslegung, Zahlungs-

Wartung, Entsorgung)

chen des Eigentümers gegen

verkehr einschl. Bewirken der

Mieter, soweit gesetzl. zulässig

Zahlung an Dritte

Überwachung (von Dienstleistern, Verkehrssicherungspflichten, Handwerkern)

(ζ. B. Mieterhöhungen, Konkurrenzschutz, Betriebspflicht, Untervermietung, Rückgabe der Mietsache, baul. Veränderungen)

Verkehr mit Behörden u. Ver-

Weg: Baul. Veränderungen,

tragspartnern des Eigentü-

Wohngeldrückstände, Einlei-

mers, Vertretung des/ der Ei-

tung der Zwangsverwaltung,

gentümer

Hausordnungsverstöße, Ver-

Weg: Vorbereitung, Einberufung u. Durchführung v. Wohnungseigentümerversammlungen, Durchführung der Beschlüsse, Beratung der Eigentümer über gerichtl. Maßnahmen

stöße gegen Gemeinschaftsordnung

Weg: Wirtschaftsplan, Planung Sonderumlagen für ausserordentliche Maßnahmen

282

4 Recht der ¡mmobilienverwaltung

Techn. Verwaltung

Service-Dienstleistungen

Durchführung Instandhal-

Veranstaltungen am Objekt

tung/ Instandsetzung

(Vernissage, Events)

Überwachung des Objekts,

Fahrbereitschaft,

Begehungen

Umzugsorganisation

Einholung Kostenvoranschlä-

Catering, Abholservice

ge Ausschreibung Vergabe von

Verhandlungen mit Servicege-

Aufträgen

sellschaften (Bezugsbedingungen)

Aufstellen von Instandhal-

Organisation Hausfernsehen,

tungsplänen

Telekommunikationsdienste

Abnahme von Arbeiten, Kontrolle auf Mängel, Gewährleistung Beauftragung und Koordinierung von Sonderfachleuten

Tabelle 5: Die fünf Säulen der Immobilienverwaltung 4.2.2

Abgrenzung Eigenverwaltun^Fremdverwaltung

Aus der Sicht des Eigentümers (Vermieters/Verpächters) liegen die Vorteile der Eigenverwaltung in der umfassenden Lenkungsmöglichkeit, in der Kostentransparenz und in der Möglichkeit direkter und schneller Entscheidungen. Stellt andererseits die Eigenverwaltung nicht das Kerngeschäft dar, so kann die zeitliche Koordination erschwert sein. Existiert - etwa im Unternehmen des Eigentümers/Vermieters/Verpächters - eine hierzu geschaffene Verwaltungsabteilung, so hat diese zu berücksichtigen, dass den vorrangigen Interessen des Eigentümers/ des Unternehmens der Wunsch nach einer gewissen Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit gegenüber, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Auch wird hier die Überlegung eines Übergangs bzw. eines Wechsels von interner Verwaltung auf Fremdverwaltung auf natürlichen Widerstand der betroffenen Mitarbeiter in Unternehmen bzw. beim Eigentümer treffen. Ist das Objekt vermietet, so wird der Mieter besonders darauf dringen, dass nicht nur die Dienstleistung des Verweil-

4 Recht der Immobilienverwaltung

283

ters für ihn transparent wird; er wird insbesondere darauf achten, dass die Kosten dieser Dienstleistung diejenigen einer ansonsten eingesetzten Fremdverwaltung nicht überschreiten, sondern umgekehrt entweder zu gleichen Preisen höhere Leistungen erbracht werden oder aber diese Kosten für ihn günstiger gestaltet werden (rechtlich kann der Mieter ohnehin verlangen, dass bei Eigenverwaltung die ihm belasteten Kosten nicht höher sind als die marktüblichen Kosten einer Fremdverwaltung). Setzt der Eigentümer/Vermieter/Verpächter eine Fremdverwaltung ein, so lässt er sich von dem Kerngeschäftsgedanken tragen. Die Kommunikation einschließlich der Berichtspflichten haben eine zentrale Bedeutung. Die Philosophie des Unternehmens und auch der Immobilie müssen auf den Verwalter transportiert werden. Laufende Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Prognosen ergänzen die ohnehin vorhandenen Pflichten der Rechnungsiegimg und Abrechnung. Zunehmend wird auch eine laufende DueDiligence (Aufarbeitung der Bestandsunterlagen), Überprüfung auf Altlastengefahren, Veränderung der Nachbarsituation, schärfere Differenzierung zwischen den Betriebskosten und den Instandhaltungskosten, rechtliche und wirtschaftliche Veränderung im Rahmen von Neu- oder Anschlussvermietungen, Beobachtung und Lenkung der Leerstandsentwicklung den Verwalter in die Analyse-Arbeit einbeziehen. Aus der Sicht des Nutzers des Objekts wird eine Fremdverwaltung in erster Linie aus den ureigenen Interessen des Eigentümers/Vermieters/Verpächters durchgeführt. Als Mieter oder Pächter ist der Nutzer an einer Verwaltung interessiert, die dem ordnungsgemäßen Betrieb des Mietgegenstands in organisatorischer und insbesondere auch in technischer Hinsicht aufrechterhält. Möglichst viele Leistungen der Instandhaltung einschließlich der Instandsetzung sollen auf Kosten und Risiko des Vermieters durchgeführt werden, insbesondere sollen die gebäudetechnischen Einrichtungen jederzeit verfügbar und voll funktionsfähig sein. Der Verwalter soll für eine ordnungsgemäße Verkehrssicherung der Gemeinschaftsflächen sorgen, die Wahrung der Interessen der einzelnen Nutzer untereinander (Betriebspflicht, Konkurrenzschutz, nur zulässige Untervermietung) beachten und jederzeit überprüfen, welche Kosteneinsparungspotenziale gefunden und ausgenutzt werden können. Insbesondere muss der Nutzer darauf achten, dass nicht einmal entstehende bzw. sich überschneidende Tätigkeiten Mehrfachbelastungen erzeugen, und er erwartet vom Verwalter deshalb nicht nur eine ordnungsgemäße Abrechnimg, sondern auch jederzeitige Transparenz der zu trennenden Aufgaben, etwa des Centermanagers, der Werbegemeinschaft oder des Hausmeisters.

284

4 Recht der Immobilienverwaltung

4.3 Der Immobilienverwalter in der Immobilienwirtschaft 4.3.1

Der vernetzte Immobilienverwalter

Immobilienverwalter sind weitflächig in das Netz der Immobilienwirtschaft eingebunden. Das betrifft einerseits ihre Berührung zu anderen Berufsgruppen, andererseits und insbesondere auch zu zahlreichen Rechtsgebieten, mit denen sich der Verwalter in erheblichem Maße zu befassen hat, um im Rahmen seiner Tätigkeit nicht etwa Haftungstatbestände zu produzieren. Verwalter sein heißt heute, mannigfache Berührungspunkte haben, insbesondere zu folgenden Gebieten und Tätigkeiten: Steuerrecht •

steuerbare/nicht steuerbare Umsätze



Vorsteuerproblematik



Projektentwicklern



Bauträgern



Politikern/ Verbänden / Lobbyisten/ Ortsbeiräten



Lieferanten/Servicegesellschaften



Mietrecht



WEG



Rechtsberatungsgesetz

Maklerrecht •

Verflechtung / Interessenkollision

öffentliches Recht •

Gebührenbescheide



Verkehrssicherungspflicht



Adressat von Verfügungen/Verwaltungsakten



Nutzungsänderungsgenehmigungen

Privates Baurecht •

Angebotseinholung/ Vergabepraxis

4 Recht der Immobilienverwaltung



Überwachung von Gewerken/ Bauarbeiten



Abnahme



Wartungsverträge (Vollständigkeit, Neuverhandlung)



Gewährleistungsfristen

285

Grundstücksrecht •

Dienstbarkeiten (ζ. B. Wegerechte, Leitungsrechte)



Nachbarklagen

Berufsbild des Immobilienverwalters Nach wie vor gibt es kein einheitliches Berufsbild des Immobilienverwalters. Anerkannt ist der Ausbildungsberuf des Kaufmannes/der Kauffrau in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft (Erlass vom 26.03.1952). 1993 wurde unter Mitwirkung des Dachverbandes Deutscher Hausverwalter e.V. (heute Dachverband Deutscher Immobilienverwalter e.V., DDIV) beim Deutschen Industrie- und Handelstag die Fachkauffrau/der Fachkaufmann für die Verwaltung von Wohnungseigentum konzipiert. Verschiedene Industrie- und Handelskammern bieten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Am 18.03.1996 wurde der Ausbildungsrahmenplan für die Berufsausbildung zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft/zur Kauffrau in der Grundstücksund Wohnungswirtschaft erlassen (BGBl, vom 18.03.1996, Jahrgang 1996, Teil I Nr.15). Die CEPI Conseil européen des Profesions immobilières in Brüssel hat für die über 200000 in den einzelnen Nationalstaaten Immobilienverwalter und Immobilienmaklerverbänden organisierten Mitglieder dieser Verbände Mindestausbildungsanforderungen im Dezember 2004 erstellt, die nach einer Übergangsfrist europaweit verbindlich den Zugang auch zum Beruf des Immobilienverwalters von der Erfüllung bestimmter Mindestanforderungen abhängig machen (Minimum Educational Requirements for Property Manages) (wzvw.cepi.be). Deutschland wird derzeit repräsentiert durch den Ring Deutscher Makler (RDM) im IVD und den Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV). Die beiden deutschen Weiterbildungsinstitute sind die DIA in Freiburg und die ebs Immobilienakademie GmbH. Deutschland ist aber noch - sieht man von zum Teil sehr effizienten Berufsordnungen der Verbände (DDIV, BfW, IVD u. a.) ab - von einem umfassenden Berufsbild entfernt, und es ist auch noch nicht geklärt, ob die Orientierung nicht am besten an dem Berufsbild des Chartered Surveyors der RICS erfolgen könnte. Immer noch gibt es eine nicht leicht überschaubare Menge an Aus- und Weiterbildungsangeboten für die Immobilienberufe.

286

4 Recht der Immobilienverwaltung

4.3.2

Marktstellung und Organisationsformen der Immobilienverwalter

Immobilienverwalter sind (wieder) gesuchte Partner der Immobilienwirtschaft. Eine effizientere Zusammenarbeit scheitert bisher auch daran, dass oft die Immobilienverwalter nicht bereits in der Frühphase der Entwicklung der Immobilie mit herangezogen werden. Nur wer das Objekt bereits in einer Frühphase der Entwicklung kennt, kann •

auch die besonderen Vermietungsprobleme erkennen,



Wartung und Instandsetzung der Anlagen und Einrichtungen optimal überwachen,



durch ein optimales Kostenmanagement die Mietnebenkosten minimieren und



durch spätere Umstrukturierungen Mängel aus der Phase der ursprünglichen Konstruktion des Objektes beseitigen helfen.

Dies hat für die Immobilienverwalter zur Folge, dass sie sich offensiv am Markt platzieren müssen. Es gilt, den ständigen Dialog u .a. mit Projektentwicklern, Maklern und Bauträgern, Architekten, Planungsbehörden und finanzierenden Banken herzustellen und zu pflegen und sich außerdem in der Immobilienwirtschaft zu vernetzen. Wie viele Immobilienverwalter in Deutschland tätig sind, ist exakt nicht bekannt. Man wird derzeit von ca. 14.500 Grundstücks- und Wohnungsverwaltungsunternehmen auszugehen haben. Was sie verwalten, ist nur hinsichtlich der Wohneinheiten näher bekannt. Offenbar betreuen diese Verwalter insgesamt rund 20 Mio. Wohneinheiten, also 2 / 3 der mit 35 Mio. geschätzten Wohneinheiten. Der erwirtschaftete Umsatz soll sich auf EUR 16,5 Mrd. belaufen, die Investitionen für die Werterhaltung und Wertverbesserung auf EUR 27 Mrd. Der Umsatz der 2002 laut Umsatzsteuerstatistik erfassten ca. 14.500 Verwaltungsunternehmen belief sich auf durchschnittlich rund EUR 900.000,00 (Branchen special der Volksbanken Raiffeisenbanken Nr. 80, März 2005). Der größte - reine Immobilienverwalterverband ist der Dachverband Deutscher Immobilienverwalter e.V. (DDIV) Berlin (http:Wwww.immobilienverwaIter.de). Er ist in 11 Landes- bzw. Regionalverbände (föderalistisch) untergliedert. Von ihm wird jährlich Der Deutsche Verwaltertag veranstaltet, ein zentrales berufsständische Treffen der Deutschen Immobilienverwalter. Mit der Zeitschrift Der Immobilienverwalter unterhält er ein offizielles Organ. Er ist Mitbegründer des Ständigen Deutschen Schiedsgerichts in Leipzig, hat eine Berufsordnung und unterhält Kooperationsvereinbarungen mit wesenüichen Partnern der Immobilienwirtschaft.

4 Recht der Immobilienvenvaltung

287

Weitere wichtige Verbände, die sich mit Immobilienverwaltung befassen, sind der BFW (Bundesverband der freien Wohnungsunternehmen), RDM und VDM, BFW (Bundesfachverband Wohnungsverwalter).

4.4 Zugangsvoraussetzungen und Berufsausübungsregelungen 4.4.1

§ 34 c GewerbeO

Für den Zugang zum Beruf des Immobilienverwalters besteht Gewerbefreiheit. Diese wird im Interesse einer Gefahrenabwicklung in Form einer Genehmigung (Gewerbeerlaubnis) durch die zuständige Verwaltungsbehörde nur geringfügig reglementiert. Der Gewerbeschein kann für € 35,00 - € 255,00 von jedem, der ein polizeiliches Führungszeugnis und einen festen Wohnsitz nachweisen kann, erworben werden. Sonstige Zugangsvoraussetzungen für diese im höchsten Maße qualifizierte Aufgabe der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen gibt es (noch) nicht. Ob die Regulierungen durch den Markt selbst ausreichend sind, darf bezweifelt werden. Derzeit ist die Aus- und Weiterbildungsarbeit der Verbände gefragt. 4.4.2

Berufsordnung

Der DDIV hat - ähnlich anderen Verbänden - eine Berufsordnung, die die wesentlichen Regeln der Ausübimg des Berufs des Immobilienverwalters vorgeben (vgl. Abb. 18). Hierzu gehört insbesondere die Wahrung sämtlicher Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, die Verpflichtung zur Gewährleistung eines reibungslosen Übergangs von Verwaltungen auf einen Nachfolger, die Trennung des Verwalteten von dem eigenen Vermögen, das Erfordernis einer angemessenen Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die Transparenz der Verwalterleistung und die Verpflichtung zur Einhaltung eines fairen Wettbewerbs. 4.4.3

Schiedsgerichtsbarkeit

Am 23.10.1997 haben Volkheimstättenwerk (vhw), Evangelisches Siedlungswerk in Deutschland (ESW) und der Dachverband Deutscher Hausverwalter e.V. (jetzt: DDIV) in Leipzig das Ständige Deutsche Schiedsgericht in Wohnungseigentumssachen ins Leben gerufen (hierzu Schmidt, Das Schiedsgericht, Ein Verfahren für den Verwalter?, Partner im Gespräch, Band 54 (1998), Seite 71 ff; Seuß, Deutsches Ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentumssachen in Leipzig, Der Immobilienverwalter (DIV), 1998, Seite 252 ff).

288

4 Recht der

Immobilienverwaltung

Berufsordnung für den Verwalter von Haus-, Grund- und Wohnungseigentum

Präambel:

Der Verwalter von Haus-, Grund- und Wohnungseigentum hat einzeln und als Mitglied seines Berufsstandes die Verantwortung für einen entscheidenden Einfluss auf die Erhaltung, Pflege, Bewirtschaftung und die Wertentwicklung des ihm anvertrauten Grundbesitzes. Das ihm gewährte besondere Vertrauen hat er durch sein Verhalten und dasjenige seiner Mitarbeiter jederzeit zu rechtfertigen und dabei die Prinzipien und die Ziele seines Berufsstandes zu wahren.

1.

Der Verwalter hat die von ihm beruflich übernommenen Aufgaben nach bestem Wissen und Können mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft zu erfüllen.

2.

Der Verwalter hat bei seiner Tätigkeit die gesetzlichen Vorschriften zu beachten und die wohlverstandenen Interessen seiner Auftraggeber zu wahren und dabei stets zu berücksichtigen, dass er in treuhänderischer Funktion Sachwalter fremden Vermögens ist.

3.

Der Verwalter bietet seine Dienste nach kaufmännischen, existenzsichernden Grundsätzen nur zu einer leistungsgerechten Vergütung an. Der Umfang seiner Dienste und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten soll er umfassend detailliert und nachvollziehbar in einem schriftlichen Verwaltervertrag niederlegen.

4.

Der Verwalter hat zur ordnungsgemäßen und effektiven Erfüllung seiner Aufgaben ständig im Rahmen geeigneter Fortbildungsmaßnahmen für sich und seine Mitarbeiter die aktuelle Rechtssprechung, die Entwicklung der Bautechnik sowie die seinen Berufsstand betreffenden öffentlichen Verlautbarungen zu verfolgen, sein Fachwissen zu erweitern und seinen Auftraggebern die gewonnenen Erkenntnisse bei Bedarf zu vermitteln. Der Verwalter soll mindestens zweimal im Jahr an geeigneten Weiterbildungsmaßnahmen wie Fachveranstaltungen oder Seminaren teilnehmen.

5.

Der Verwalter hat uneingeschränkt das Vermögen seiner Auftraggeber von seinem eigenen und dem Vermögen anderer getrennt zu halten.

4 Recht der Immobilienverwaltung 289

6.

Der Verwalter hat für sich und seine Mitarbeiter eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung in angemessener Höhe abzuschliessen und über deren Art und Umfang bei Vertragsabschluss seinen Auftraggebern und/ oder den für ihn existierenden berufsständigen Organisationen sowie auf Verlangen Auskunft zu erteilen.

7.

Der Verwalter darf keinerlei Zuwendungen annehmen, die ihm im Zusammenhang mit der Erfüllung vertraglich übernommener Pflichten angeboten werden, und solche insbesondere nicht verlangen. Er darf sich keine unzulässigen mittelbaren oder unmittelbaren Vorteile aus seiner Verwaltertätigkeit verschaffen.

8.

Der Verwalter hat sich kollegial zu verhalten, fair und sachlich im Wettbewerb mit seinen Mitbewerbern. Sein Leistungsangebot hat er bei Bewerbungen vollständig und transparent darzulegen; eine etwaige Beteiligung an anderen Unternehmen, sei sie wirtschaftlich oder rechtlich bedingt, hat er auf Anfrage darzustellen, soweit eine Interessenkollision als möglich erscheint, ebenso sonstige vertragliche Bindungen im Bereich der Bau- und Wohnungswirtschaft.

9.

Bei Beendigung seines Amtes hat der Verwalter die Verwaltungsunterlagen einschliesslich der Konten seinem Nachfolger unverzüglich herauszugeben und erforderliche Auskünfte zeitnah zu erteilen. Auf ablaufende Fristen, etwa Verjährungsfristen, hat er unaufgefordert hinzuweisen.

10.

Streitigkeiten unter den Verwaltern sollen gütlich geregelt werden. Auf Antrag ist der Vorstand des zuständigen Verbandes um Vermittlung zu ersuchen.

Abb. 18:

Berußordnung für den Verwalter von Haus-, Grund- und

Wohnungseigentum

Es heißt jetzt Deutsches Ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentum und hat seinen Sitz in Bonn. Sachkunde des Schiedsgerichts - die Schiedsrichter sind durchweg WEGSpezialisten -, die Verkürzung der Verfahrensdauer, die größere Kostengerechtigkeit durch Abweichung von der Regelentscheidung des § 47 Satz 2 WEG zugunsten einer Entscheidung nach § 91 ZPO analog werden zu einer wesentlichen Entlastung der WEGGerichte führen. Die Geschäftswerte der Schiedsverfahren wiesen in der Zeit von 1999 bis 2004 eine Spannbreite von € 400,00 bis € 1,4 Mio. auf.

290

4 Recht der Immobilienverwaltung

4.5 Standards für die Immobilienverwaltung Insbesondere von der Investorenseite kommt vermehrt die Forderung, nicht nur bei der Errichtung bzw. Umstrukturierung von Immobilien verlässliche Standards zu vereinbaren und anzuwenden. Dies gilt auch zunehmend für Immobiliendienstleistungen. Hierzu soll die Einhaltung von DIN-Vorschriften und Standards ein hohes Maß an Überprüfbarkeit und Transparenz gewährleisten. Will ich feststellen, ob und inwieweit ζ. B. der Inhalt einer Baubeschreibung die Anforderungen an eine erhöhte Qualität im Sinne des Stands der Technik (und nicht nur im Sinne der allgemein anerkannten Regeln der Technik) erfüllt, so muss ich die entsprechenden einschlägigen DIN-Vorschriften und Empfehlungen kennen. Für den Immobilienverwalter ist dies insoweit von erheblicher Bedeutung, als sich u. a. danach auch für ihn Aufgaben erhöhter Obhuts- und Sorgfaltspflichten, weitergehende Verkehrssicherungspflichten und Pflichten zur Veranlassung zusätzlicher Meißnahmen im Bereich von Abschluss und Durchführung von Wartungsverträgen ergeben können. Aktuell spielen Abweichungen in der Qualität insbesondere im Bereich des Schallschutzes und der Klima- und Kältetechnik nicht nur beim Bau, sondern auch bei der störungsfreien Durchführung von Mietverhältnissen und der konfliktfreien Verwaltung von Wohnungseigentum eine ganz maßgebliche Rolle. Die Nutzer reagieren in diesem Bereich sensibler als noch vor einem Jahrzehnt (zu den Anforderungen an die Innenraumtemperatur und die Grenze zu einer Gesundheitsgefährdung bei der Beschaffenheit eines Mietobjekts: OLG Naumburg, NZM 2004, 343, KG, ZMR 2004, 259 - die Diskussion über die Frage, welche Verordnungen bzw. DIN-Vorschriften oder Richtlinien einschlägig sind (ζ. B. die DIN 4108-2, Ausgabe 2003-07, Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden, Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz, ist noch nicht abgeschlossen)). Besonders deutlich werden die Anforderungen der Kenntnis von DIN-Vorschriften, Empfehlungen und Standards bei der Diskussion über die anrechenbare Mietfläche. Es ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, ob sich die Mietfläche nach der DIN 277 Teil 1 oder bspw. nach der Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für gewerblichen Raum (MF-G) vom 01.11.2004 der gif Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung richten soll. Unklare Vereinbarungen in Verträgen treffen insbesondere auch die Verwaltungstätigkeit, denn im Rahmen einer Mietanpassung kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen den Vertragsparteien, weil anlässlich einer solchen Anpassung oft der Mieter (erstmalig) die Flächeninhalte überprüfen lässt. Verlassen sich die Vertragsparteien dann auf die oft vereinbarte Entscheidung durch einen Sachverständigen als Schiedsgutachter, so hilft dies in vielen Fällen nicht weiter, weil auch dem Sachverständigen ja ein Flächenmaßstab an die Hand gegeben werden muss, wie ihn die Parteien

4 Recht der Immobilienverwaltung

291

übereinstimmend wollten. Fehlt es an einem solchen, so wird oft der Sachverständige nach der Verkehrssitte und Ortsüblichkeit entscheiden, oft zu von den Parteien nicht gewollten Ergebnissen führt (etwa denjenigen, dass mangels Vereinbarung eines Flächenmaßstabs in Berlin häufig auch für Gewerberaum die DIN 283 von Sachverständigen zugrunde gelegt wird). Auch von wirtschaftlicher Tragweite sind die Standards, die näher definieren, was unter (ordnungsgemäßer) Instandhaltung zu verstehen ist. Allein schon die Tatsache, dass in vielen Verträgen und auch im Sprachgebrauch der Rechtsprechung von Instandhaltung und Instandsetzung und nicht - wie in der DIN 31051, Instandhaltung, Begriffe und Maßnahmen, Januar 1985, geregelt ist, der Adressatenkreis dieser DIN-Vorschrift Instandsetzung als Teil der Instandhaltung neben Inspektion und Wartung ansieht, zeigt die Notwendigkeit von unmissverständlichen Definitionen und Vereinbarungen solcher Vorschriften und Standards (J. Schmidt, NZM 2003,505,507). Herzstück für den Immobilenverwalter ist in Bezug auf solche Standards und Empfehlungen die Definition und Beschreibimg seiner Immobiliendienstleistung. Hier kann bspw. die DIN 32736 Gebäudemanagement, Begriffe und Leistungen, August 2000, mit Beiblatt Nr. 1 herangezogen werden, in der die Richtlinie VDMA 24196 Gebäudemanagement, Begriffe und Leistungen, August 1996, aufgegangen ist; es können auch die einschlägigen von den Verbänden der Immobiliendienstleister veröffentlichten Beispiele für Verwalterverträge für Wohnungseigentumsanlagen und Mietwohnanlagen herangezogen werden, wie sie etwa der DDIV Dachverband Deutscher Immobilienverwalter e.V., Berlin, aufzeigt (www.ddiv.de). Dabei spielt es auch eine - aber nicht die entscheidende - Rolle, in welcher Weise diese Dienstleistungen untergliedert werden. So unterteilt etwa der DDIV die Immobilienverwaltungsdienstleistungen in 5 Säulen: Allgemeine kaufmännische Geschäftsführung, Juristische Betreuung, Finanz- und Vermögensverwaltung, Technische Verwaltung und Service-Dienstleistungen. Demgegenüber unterteilt die DIN 32736 Gebäudemanagement, Begriffe und Leistungen, das Gebäudemanagement in: Kaufmännisches Gebäudemanagement, Technisches Gebäudemanagement und Infrastrukturelles Gebäudemanagement. Der Immobilienverwalter wird den Grad seiner Professionalität auch daran belegen, dass er derartige DIN-Vorschriften, Richtlinien, Empfehlungen nicht nur als Standards erkennt, sondern auch über sie verfügt und sie gezielt einsetzen kann. Denn der Markt versteht unter solchen Standards im engeren Sinne Qualitätsmerkmale der zu erbringenden Leistung. Sie sind geeignet, diese Qualität zu beschreiben und gegen andere Leistungsbilder abzugrenzen. Sie ermöglichen eine Transparenz von Vereinbarungen i. S. d. Forderimg des Gesetzgebers im Rahmen der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Ge-

292

4 Recht der

Immobilienvenvaltung

schäftsbedingungen gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 und sie ermöglichen den Marktbeteiligten eine gezieltere Bewertung der Immobilie - auch und gerade im Rahmen der Anlageentscheidungen. Zu empfehlen ist, dass den einschlägigen Verträgen, insbesondere auch den Mietverträgen ein Definitionskatalog vorangestellt wird. Hier können etwa Fragen beantwortet werden wie: Was verstehen die Parteien unter Dach und Fach? Was verstehen die Parteien unter gebäudetechnischen Einrichtungen? Was verstehen die Parteien unter den Grundleistungen? Wie definieren die Parteien die Besonderen Leistungen des Verwalters? Beispiele für Standards: •

DIN 32736 Gebäudemanagement, Begriffe und Leistungen, August 2000 mit Beiblatt Nr. 1 zu DIN 32736 (Gegenüberstellung DIN 32736, Zweite Berechnungsverordnung und DIN 18960)



VDMA 24196 Gebäudemanagement, Begriffe und Leistungen, August 1996, aufgegangen in DIN 32736



Verwaltervertrag für Wohnungseigentumsanlagen; Empfehlung des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter e.V., Berlin, Stand September 2003



Verwaltervertrag für Mietwohnanlagen; Empfehlung des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter e.V., Berlin Stand März 2003



Berufsordnung für den Verwalter von Haus-, Grund- und

Wohnungseigentum,

Dachverband Deutscher Immobilienverwalter e.V., Berlin, Stand 2003 •

DIN 31051 Instandhaltung, Begriffe und Maßnahmen, Januar 1985



DIN 18960 Nutzungskosten im Hochbau, September 1999



Empfehlungen zur Analyse von Immobilienrisiken (EAI), gif e.V., Wiesbaden, September 2001



DIN 277 Teil 1, 2 und 3 Grundflächen- und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau, Juni 1987



Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für Büroraum (MF-B), gif e.V., Wiesbaden, April 1996



Richtlinie zur Berechnimg der Mietfläche für Handelsraum (MF-H), gif e.V., Wiesbaden, Juli 1997

4 Recht der Immobilienverwaltung



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Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für gewerblichen Raum (MF-G), gif e.V., Wiesbaden 1. November 2004



Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche vom 25.11.2003 (BGBl. 1,2346)



Verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten (Betriebskostenverordnung BetrKV) vom 25.11.2003 (BGBl. 1,2346)



Red Book (RICS) Valutation and Appraisal Standards, RICS Deutschland Valuation Faculty Board, 2. Fassung Sept. 2003



Rules of conduct (RICS) Conduct Regulations 2003, Under Bye-Laws 10 (1), 19, 20 and 22 Β



DIN 4108-2, Ausgabe: 2003-07, Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz.

4.6 Der Verwaltervertrag 4.6.1

Rechtsnatur, Rahmenbedingungen

Der - aus Beweiserleichterangsgründen vorzugsweise schriftlich abzuschließende Verwaltervertrag ist ein Dauerschuldverhältnis. Es hat die Übernahme der Verwaltung eines Objektes zum Gegenstand. Der Verwaltervertrag ist seiner Natur nach ein entgeltlicher Geschäftsversorgungsvertrag (i. S. von § 675 BGB). Er setzt sich aus Elementen des BGB-Auftrags-, Dienst- und Werkvertragsrechts zusammen. Der Schwerpunkt der Leistungen liegt dabei im Dienstvertragsrecht (§ 611 ff BGB). Die genaue rechtliche Qualifizierung hängt von der jeweiligen Ausgestaltung ab. Soweit der Verwalter einen Erfolg im Sinne des Herbeiführens von Arbeitsergebnissen schuldet, enthält der Vertrag werkvertragliche Elemente (ζ. B. Erstellung des Wirtschaftsplanes oder der Jahresabrechnung). Wird der Verwalter ausnahmsweise unentgeltlich tätig, so finden die auftragsrechtlichen Regelungen der §§ 662 ff BGB Anwendung. Das ist insbesondere bei kleinen Objekten vorzufinden, bei der die Verwaltungsübernahme durch eine in dem Objekt befindlichen Parteien erfolgt. Grundsätzlich können die Vertragsparteien den Verwaltervertrag frei gestalten. Grundlegende Pflichten und Rechte ergeben sich dabei oft aus dem Wortlaut des jeweils einschlägigen Gesetzes aufgrund der Rechtsnatur des Verwaltervertrages. Es sollte ein vom Verwalter zu erfüllender Leistimgskatalog ebenso aufgeführt werden wie die zu entrichtende Verwaltervergütung. Zur Klarstellung können in den Vertrag auch andere, meist regelungsbedürftige, Komplexe aufgenommen werden, so etwa Nebenpflichten im Be-

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4 Recht der Immobilienverwaltung

reich der Auskunft, der Einsichtsgewährung, der Beratung, Dokumentation sowie der Aufbewahrung. Pauschal oder auch nach Aufwand zu honorierende Tätigkeiten, Haftungsbegrenzungen sind unter Berücksichtigung der Verkehrssitte für die Verwalteraufgaben zu bestimmen. Diese Verkehrssitte wird entscheidend durch das Berufsbild des Verwalters bestimmt. Regelungen im Verwaltervertrag können nichtig sein. Das gilt, wenn einzelne Bestimmungen oder der ganze Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen. Zu beachten ist auch, dass solche Verträge der Klauselkontrolle gem. §§ 305 ff BGB unterliegen. Das gilt insbesondere für die Fragen der Haftimg bzw. der Haftungsbeschränkimg im Hinblick auf die Einhaltung des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Verwaltervertrag ist im Hinblick auf den Aufgabenkreis und im Hinblick auf die umfassende treuhänderische Stellung des Verwalters ein komplexer Vertrag, der einer solchen Klauselkontrolle in vielfacher Hinsicht ausgesetzt ist. Das gilt neben den bezeichneten Themen beispielsweise auch für die Erhöhung der Verwaltervergütung und für Verjährungsregelungen (Furmans, NZM 2004,201,204,205). Während im WEG die Besonderheit gilt, dass das Angebot eines Bewerbers auf Abschluss eines Verwaltervertrages von den Wohnungseigentümern i. d. R. durch Beschluss in der Eigentümerversammlung angenommen wird, gelten im Übrigen für Angebot und Annahme auf Abschluss eines Verwaltervertrages die allgemeinen Regeln des BGB der §§ 145 ff. Eine weitere Besonderheit des WEG liegt darin, dass bei Bestellung des Verwalters in der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung und gleichzeitigem Abschluss des Verwaltervertrages mit dem Gründer später in die Gemeinschaft eintretende Wohnungseigentümer durch Vertragsübernahme auch Vertragspartner des Verwaltervertrages werden. Die Verpflichtung hierzu ist üblicherweise in den Erwerberverträgen enthalten. Auch kann sich im WEG der Gründer selbst zum Verwalter bestellen, wobei darauf zu achten ist, dass dann auch immer noch ein Verwaltervertrag ausdrücklich abgeschlossen werden muss, um dem Verwalter seine Rechtstellung zu verschaffen. Schließt der Gründer „mit sich selbst" einen Verwaltervertrag, so wird dieser wirksam, wenn der erste Wohnungseigentümer als Vertragspartner eintritt. 4.6.2

Inhalt, Grundleistungen und besondere Leistungen

Der Inhalt des Verwaltervertrages richtet sich nach dem Gegenstand der Verwaltung. Beim Hausverwaltervertrag gehören zum Aufgabenbereich des Hausverwalters insbe-

4 Recht der Immobilienverwaltung

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sondere der Abschluss und die Kündigung von Mietverträgen, die Neuvermietung, die Einziehung der Mieten und Betriebskosten, die Abrechnung der Betriebskosten, die Überprüfung und Durchführimg von Mieterhöhungen, die Zahlung aller Steuern, Abgaben, Zinsen und sonstigen Lasten, die Überwachung des Versicherungsschutzes, die Vertretung des Auftraggebers gegenüber Behörden, die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Anlagen und Einrichtungen des Objektes, Überwachimg, Abschluss und Kündigung von Liefer- und Wartungsverträgen, die Vergabe der für die Instandhaltung und Instandsetzung erforderlichen Arbeiten, der Abschluss und die Kündigung von Hausmeisterverträgen und Hilfskräften, die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen und die Information des Auftraggebers über alle wichtigen Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Objekt. Typische Leistungen im Verwaltervertrag zur Verwaltung von Mietobjekten sind beispielsweise •

die Abnahme der Mietsache,



der Abschluss von Mietverträgen,



die Anpassung der Miethöhe,



die Auswahl der Mietinteressenten,



die Einziehung und Abrechnung der Miet- und Nebenkostenzahlungen,



die Kautionsverwaltung,



die organisatorische Begleitung von Mietprozessen,



die Überwachung der Durchführung von Schönheitsreparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen durch den Mieter,



der Einsatz und die Überwachung des Hausmeisters,



der Abschluss und die Überwachung von Wartungs- und Pflegeverträgen,



der Abschluss und die Durchführung von Versicherungsverträgen einschließlich der Korrespondenz mit den Versicherern,



die Veranlassung von Maßnahmen der Verkehrssicherungspflicht, einschließlich der Auswahl und Überwachung der hiermit beauftragten Dritten,



die Übergabe und Rückgabe der Mietsache und



die Überwachung der Einhaltung des vereinbarten Mietzwecks durch den Mieter und etwaiger Untermieter.

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4 Recht der

Immobilieni'erwaltung

Als Sachwalter und Treuhänder fremden Vermögens hat der Verwalter insbesondere eine ordnungsgemäße Buchführung zu wahren und dabei das Vermögen des Auftraggebers getrennt von seinem Vermögen zu halten, wobei ein offenes Fremdkonto als weitestgehende Sicherheit des Auftraggebers zu empfehlen ist. So ist beispielsweise in der Berufsordnimg des DDIV (Dachverband Deutscher Immobilienverwalter) die Vermögenstrennungspflicht ausdrücklich als einzuhaltender Grundsatz der Berufsausübung definiert. Üblicherweise werden im Verwaltervertrag Grundleistungen und die besonderen Leistungen getrennt aufgeführt. Die Grundleistungen sind mit der üblichen Vergütung (Pauschalhonorar, prozentualer Anteil an den geschuldeten oder auch den gezahlten Mieten, Festbeträge für die einzelnen Einheiten) abgegolten, während besondere Leistungen nur kraft gesonderter Vereinbarung und hierfür gesondert zu vereinbarender Vergütung abgegolten werden. Im WEG orientiert sich der Inhalt der Verwalterverträge notwendigerweise an den Aufgaben und Befugnissen des Verwalters gem. § 27 Abs. 1 und 2 WEG und den weiteren Pflichten aus § 28 WEG zur Aufstellung eines Wirtschaftsplans und zur kalendermäßigen Abrechnung sowie zur - von den Wohnungseigentümern jederzeit verlangbaren Rechnungslegung. Zu den Aufgaben und Befugnissen des Verwalters gem. § 27 WEG gehören insbesondere •

die Durchführimg der Beschlüsse der Wohnungseigentümer,



das Treffen der erforderlichen Maßnahmen für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums;



die Verwaltung gemeinschaftlicher Gelder,



die Einziehung und ordnungsgemäße Verwendung der Lasten- und Kostenbeiträge,



die Entgegennahme von an die Wohnungseigentümer gerichteten Willenserklärungen und Zustellungen,

• •

die Durchführung fristwahrender Maßnahmen und die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen im Falle einer Ermächtigung durch die Wohnungseigentümer.

Die in § 27 gesetzlich verankerten Aufgaben und Befugnisse sind Grundpflichten (Kardinalpflichten). Eine Freizeichnung von der Haftung muss die Unantastbarkeit dieser Kardinalpflichten widerspiegeln (Furmans, NZM 2004,201,203).

4 Recht der Immobilienverwaltung

4.6.3

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Vertragsmuster, Software

Die Musterverträge Verwaltervertrag für Mietwohnanlagen und Verwaltervertrag für Wohnungseigentumsanlagen können auch auf Diskette bezogen werden (Bezugsquelle Dachverband Deutscher Immobilienverwalter e.V., Karlstraße 53,80333 München). Als Vorlage für den Abschluss von Verwalterverträgen werden in der Praxis meist Vertragsmuster verwendet, die an das einzelne Vertragsverhältnis angepasst werden können. Die Verwendung solcher Muster bietet sich auch deshalb an, da auf diese Weise insbesondere Risiken und Unsicherheiten über die Transparenz und die Vollständigkeit der Verwalterleistungen gemindert werden können. Gerade für den Immobilienverwaltervertrag ist eine derartige Transparenz notwendig (hierzu Schmidt, Immobilienzeitung vom 24.07.1994, Seite 8 ff). Der DDIV hat bislang die folgenden Muster vorgelegt: Verwaltervertrag für Mietwohnanlagen und Verwaltervertrag für Wohnungseigentumsanlagen. Beide Musterverträge teilen die Leistungen zunächst wie folgt auf: •

Allgemeine kaufmännische Verwaltung



Juristische Verwaltung



Finanz- und Vermögensverwaltung



Technische Verwaltung

Der besondere Vorzug liegt in der detaillierten Aufgliederung der Einzelleistungen und damit einer weitestmöglichen Transparenz sowie in der Aufteilung der wesentlichen Pflichten des von den deutschen Immobilienverwaltern so verstandenen Leistungsbildes in Grundleistungen und in besondere Leistungen. Auf diese Weise ist die auf dem Markt immer wieder angesprochene Abgrenzung zu anderen Leistungsbildern (etwa demjenigen der Hausmeisterdienste oder auch demjenigen der Vermögensverwalter) gewährleistet. Die Musterverträge sind im Übrigen eine sehr geeignete Checkliste für das Leistungsbild des Immobilienverwalters. Wesentliche Grundlage der effektiven Arbeit des Verwalters ist eine geeignete Software. Diese muss nicht nur eine reibungslose Buchhaltung gewährleisten. Viele Anbieter konkurrieren und wenden sich an die unterschiedlichen Ausformungen der Verwaltungsunternehmen mit einer Vielzahl von Softwaremodulen, insbesondere im Flächenmanagement, im Bereich der Leistungen rund um die Immobilie (Service-Leistungen), im Bereich von Instandhaitungs- und Instandsetzungsmaßnahmen. Eine sehr brauchbare Übersicht über die aktuelle Software für den Immobilienverwalter bietet Der Immobilienverwalter (Der Immobilienverwalter, Heft 3/2000, S. 148 ff).

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4 Recht der

Immobtlienvenoaltung

4.6.4

Vergütungsregelungen

Gesetzliche Regelungen über die Vergütung des Immobilienverwalters gibt es nicht. Der Vergütungsanspruch ergibt sich aber allgemein aus §§ 675, 612 BGB. Grundsätzlich können auch nicht analog die Sätze herangezogen werden, die ein Verwalter als Zwangsverwalter erhält. Dort sind ja Sätze im ZSEG geregelt, deren Anwendung dazu führt, dass der Immobilienverwalter etwa pro zwangsverwalteter Eigentumswohnung eine Entschädigung von € 40,00 bis € 70,00 erhält. Anhaltspunkte können die Regelungen der Verwaltungskosten in der II. BV sein (jährlich € 230,00 pro Wohnung und bis € 30,00 pro Stellplatz (Bub in, Bub u. a. WEG § 26 Rz. 263)). Somit regelt sich die Vergütung des Immobilienverwalters nach der Vereinbarung der Vertragsparteien. Es kann eine pauschale Vergütung vereinbart werden, eine Vergütung pro verwalteter Einheit oder auch ein prozentualer Anteil an den geschuldeten oder auch den tatsächlichen Mieteinkünften. Der Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV) geht nach eigenen Recherchen davon aus, dass im Bereich der WEG-Verwaltung Sätze im Bereich von zwischen € 10,00 und € 35,00 pro Einheit und Monat im Bereich der Mietverwaltung eine Spanne von 3 % der tatsächlich gezahlten Nettomieten bis zu 5 / 6 % der geschuldeten BruttoSollmieten ortsüblich und angemessen sind. Der Marktpreis wird je nach Leistung der Verwaltung und Größe und Ausstattung der Wohnanlage auch bis € 40,00 zzgl. MwSt. angegeben, wobei allgemein von einem „nicht erklärbaren" Nord-/Südgefälle die Rede ist (Stein, Immobilienpraxis und Rech 10/99,57). Besonders sorgfältig sollte bei der Formulierung von Sondervergütungen vorgegangen werden. Das gilt etwa für den Fall der Zusage einer Sondervergütung bei Veranlassung von Klageverfahren wegen Verzugs des Eigentümers mit fälligen Wohngeldern oder auch bei Zusage einer Pauschalvergütung im Rahmen der Mitwirkung des Verwalters in Aktiv- wie auch in Passiv-Prozessen. Maßgeblich wird im Einzelfall bei der Beurteilung der Angemessenheit eines Verwalterhonorars die Frage sein, welche Leistungen der Verwalter im Rahmen der vereinbarten Grundleistung sind für die Mietverwaltung wie auch für die Wohnungseigentumsverwaltung in den Musterverträgen des DDIV definiert. Sie sind dort von den sogenannten Sonderleistungen abgegrenzt, für die eine gesonderte Vergütung zu vereinbaren ist, wenn der Verwalter diese Leistungen ebenfalls erbringen soll. Hier wird in aller Regel nach Zeitaufwand oder pauschal ein zusätzliches Entgelt vereinbart (Einzelheiten hierzu bieten die Musterverträge des DDIV, München (siehe auch Bub a. a. O., Rz. 264a ff).

4 Recht der Immobilienverwaltung

4.6.5 4.6.5.1

299

Die Haftung des Verwalters Pflichtverletzung

Der Verwaltervertrag als Vertrag des besonderen Schuldrechts, auf den die Grundsätze des Dienstvertrags und des Geschäftsbesorgungsvertrages Anwendung finden, löst in Fällen schuldhafter Pflichtverletzung wegen schuldhaften Verstoßes gegen die im Vertrag vereinbarten Vertragspflichten einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung aus. Diese Verletzung kann sowohl aufgrund vorsätzlichen wie auch aufgrund fahrlässigen Verhaltens verursacht werden. Außerhalb des Verwaltervertrages kann der Verwalter wegen Vorliegens des Tatbestandes einer unerlaubten Handlung im Sinne der §§ 823 ff BGB haften. Es kommt auch eine Haftimg für Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) in Betracht, etwa dann, wenn der Verwalter sich des Einsatzes eines Dritten zur „Verrichtung" bestimmter Tätigkeiten bedient, also ζ. B. eines Hausmeisters. Hier wiederum ist ein Haftungsausschluss dann möglich, wenn der Verwalter den Hausmeister sorgfältig ausgewählt und stets ordnungsgemäß überwacht hat. Schädigt er das Gemeinschaftsvermögen durch treuwidrige Verwendung der von ihm zu verwaltenden Gelder oder unterlässt er die Durchführung eines Sanierungsbeschlusses, so macht er sich schadensersatzpflichtig. Auch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann eine deliktische Haftung im Sinne der §§ 823, 836, 838 BGB auslösen. Kraft Verwaltervertrages hat der Verwalter eine Garantenstellung dafür übernommen, dass sich das von ihm verwaltete Objekt sowohl im Gebäudeinneren als auch im Außenbereich in einem gefahrlosen verkehrssicheren Zustand befindet (Gottschalg, Die Haftung des WEG-Verwalters, Der Immobilienverwalter 1/95,16). Für Frostschäden haftet der Verwalter auch dann, wenn das Heizungsunternehmen ihm mitgeteilt hat, er brauche die Anlage wegen ihrer Anbringautomatik nicht zu überwachen (BGH, Urteil vom 11.11.1999, DIV 2/2000, 76), denn es ist originäre Aufgabe des Verwalters, Heizungen und Wasserleitungen in leerstehenden Wohnungen daraufhin zu überprüfen, ob sie frostgefährdet sind. 4.6.5.2

Schaden, Verschulden

Jede Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen den Verwalter setzt voraus, dass •

ein Schaden entstanden ist,

300



4 Recht der

Immobilienverwaltung

der Schaden schuldhaft vom Verwalter bzw. seinem Erfüllungsgehilfen verursacht wurde und



ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch auf Schadensersatz besteht.

Eine knappe und hilfreiche Übersicht hierzu bietet Bielefeld (Der Wohnungseigentümer, 5. Aufl., Seite 516 ff). Eine gründliche Darstellung der Haftungsproblematik liefert Gottschalg (Gottschalg, NZM 2003,457). 4.6.5.3

Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Bauträger/ Handwerker

Der vom Bauträger bestellte Verwalter gerät oft in Konfliktsituationen im Zusammenhang mit der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen der Eigentümer wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum. Ist er nämlich rechtlich oder wirtschaftlich mit dem Bauträger verflochten, so besteht die Gefahr, dass er nicht immer sofort seine Kenntnisse von der Immobilie und von Mängeln in eine Empfehlung an die Gemeinschaft umsetzt, mit der diese ihre Rechte wahren kann. Zu diesen Rechten gehören insbesondere rechtzeitige Mängelrügen, die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens und eine Klage auf Mängelbeseitigungskostenvorschuss. Soweit dem Verwalter Mängel bekannt sind und insbesondere hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche für diese Mängel die 5-jährige Verjährungsfrist gem. § 634 a BGB droht, hat er hierauf die Gemeinschaft hinzuweisen und auch auf die die Rechte der Gemeinschaft wahrenden Maßnahmen hinzuwirken (Bielefeld, Der Wohnungseigentümer, Seite 519 m. w. N.; Deckert Gruppe 2 Seite 1351 f; derselbe, Durchführung von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum als Aufgabe des WEG-Verwalters, PiG Band 48 (1995) 95,106,108). Viele Fehler werden hier gemacht, weil die durch die Schuldrechtsreform im Rahmen der Verjährung eingetretenen wesentlichen Veränderungen nicht realisiert werden. Zum einen ist die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren auf 3 Jahre reduziert worden (§ 195 BGB). Hiervon wird zwar die spezialgesetzliche Regelung der 5-jährigen Verjährungsfrist nicht erfasst, jedoch gilt auch für letztere, dass durch Verhandlung bzw. durch eine Rechtsverfolgung der Ansprüche nicht mehr eine Unterbrechung der Verjährung eintritt, sondern lediglich eine Hemmung (hier jetzt insbesondere §§ 203, 204, 209 BGB). Die Verjährung beginnt lediglich dann erneut (§ 212 BGB), wenn eine der dortigen Voraussetzungen, insbesondere z. B. Anerkenntnis durch Zahlung oder Vornahme einer Vollstreckungshandlung, vorliegt. Bei Zweifeln ζ. B. über die Beendigung der Hemmung der Verjährung wegen Verhandlungen muss der Verwalter zur Meidung eigener Haftung sich juristischen Rats bedie-

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301

nen, denn sonst wird sein Handeln so gewichtet, als sei er der Jurist und habe die von diesem erwarteten Rechtskenntnisse. 4.6.5.4

Haftung aus Verwaltung des Sondereigentums (WEG)

Immer öfter übernehmen Wohnungseigentumsverwalter als Zusatztätigkeit auch die Verwaltung des Sondereigentums (hierzu Schmidt, Zusatztätigkeiten des Wohnungseigentumsverwalters, PiG Band 44 (1995) 110 f). Das Problem taucht auf, wenn im Falle einer Interessenkollision zwischen den Interessen der Gemeinschaft und der Interessen des Sondereigentümers der Verwalter beide Verträge nicht gleichermaßen zu 100 % optimal erfüllen kann. Erfüllt er einen der beiden Verträge schlecht, so resultieren hieraus Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung. 4.6.5.5

Vergabe von Sanierungsmaßnahmen

Ein erhebliches Haftungspotenzial zieht der Verwalter auf sich, wenn er Planungs- und Vergabeleistungen für Sanierungsmaßnahmen ohne vorherige eindeutige Beschlussfassung der Wohnungseigentümer vergibt (OLG Celle, NZM 2002,169) oder wenn er etwa eine Dachterrassensanierung in Auftrag gibt, obwohl diese Maßnahme voreilig ist, weil eine Wohnanlage nur 7 Einheiten umfasst und es deshalb ohne größere Schwierigkeiten möglich gewesen wäre, kurzfristig eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen (BayObLG, NZM 2004,390). 4.6.5.6

Gefahrenabwehr, Verkehrssicherungspflichten

Der Verwalter muss nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG gegenüber den Eigentümern alle zur Gefahrenabwehr erforderlichen Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum in eigener Verantwortung treffen. Auch der Verwalter ist in einem weiten Umfange verkehrssicherungspflichtig, weil er in aller Regel als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft für die Immobilie anzusehen ist (Einleitung der Beseitigung witterungsbedingter Schäden, plötzliches Auftreten von Eis und Schnee, Überwachimg von ausreichender Beleuchtung in der Immobilie; zur Übertragung der Verkehrssicherungspflichten durch den Verwalter siehe auch: Bremicker, WE 1998,295,297). Setzt er Fachkräfte ein, so ist er verpflichtet, diese laufend und im Rahmen der verkehrsüblichen Sorgfalt zu überprüfen (BGH, Verkehrssicherungsrecht 1976, 66; BGH WM 1993,1341,1342). Von der Haftimg für Verrichtungsgehilfen, die ihre Pflichten vernachlässigen und hierdurch einen Schaden verursachen, und die gem. § 831 BGB grundsätz-

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lieh aus vermutetem Verschulden besteht, kann sich der Verwalter dadurch befreien, dass er nachweist, dass er bei der Auswahl der bestellten Personen, der Beschaffung von Vorrichtungen oder Gerätschaften oder bei der Überwachung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB). Häufige Haftungsthemen sind im Grundstücksbereich die nicht ausreichende Beseitigung von Eis- und Schneeglätte (Gottschalg, NZM 2003, 457, 461), und im Gebäudebereich Schadensfälle durch nicht ausreichende Beleuchtung oder auch durch herabfallende Bauteile bei Sturm (Gottschalg, NZM 2003,457,461,462 m. w. N.). 4.6.5.7

Haftung des Verwalters im Rahmen der Abwicklung der Verwaltertätigkeit

Bei Beendigung der Verwaltertätigkeit hat der Verwalter alle dem Auftraggeber zustehenden Gelder an den Auftraggeber, ggf. zu Händen des neuen Verwalters, herauszugeben (§§ 675, 667 BGB). Auch hat er über seine Einnahmen und Ausgaben Rechnung zu legen. Er schuldet die Herausgabe aller Originalbelege und aller Originalrechnungen sowie aller ihm im Rahmen seiner Verwaltung übergebenen Unterlagen des Auftraggebers. Eine Übersicht über die herauszugebenden Vertragsunterlagen bietet die Checkliste für zu übergebende Unterlagen der Verwaltung von Wohnungseigentums- und Mietobjekten (Schmidt, Der ImmobilienVerwalter 2/2000, 92, 93). Für Wohnungseigentumssachen gibt es zahlreiche Antragsmuster über die Rechnungslegungspflicht und die Herausgabe der Belege (Niedenführ/Schulze (WEG), 5. Auflage, Anhang IV Β Zi. 3). Unterschiedlich sind die Verpflichtungen im laufenden Verwaltervertrag und bei dessen Beendigimg hinsichtlich der Rechnungslegung und der Abrechnung zu beurteilen (Frohne, NZM 2002, 242). Gibt der Verwalter nicht oder nicht vollständig heraus, so eröffnet sich dem Auftraggeber im Wege eines Stufenantrags eine Klage auf Rechnungslegung, dann auf eidesstattliche Versicherung und schließlich auf Zahlung (hierzu Niedenführ, NZM 2000, 270). 4.6.5.8

Beschränkung der Verwalterhaftung

Eine solche erfolgt in aller Regel über den Verwaltervertrag mittels eines Formulars. Eine Beschränkung der Verwalterhaftung durch AGB ist außer für die Fälle des Vorsatzes auch für die Fälle grober Fahrlässigkeit unzulässig (BHG NJW-RR1993,560). Nur von eigener leichter Fahrlässigkeit sowie solcher von Erfüllungsgehilfen kann der Verwalter sich in bestimmten Fällen freizeichnen (§ 11 Nr. 7 AGBG, Bub in: Bub (u. a.),

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WEG, Rz. 345 zu § 26 WEG). Auch eine Haftungsbeschränkung in Fällen grober Fahrlässigkeit ist generell unzulässig (Gottschalg, DIV1995,16,23; u. 1995,46; Bub a. a. O.). Bei einfacher Fahrlässigkeit ist weder ein Haftungsausschluss noch eine Haftungsbegrenzung zulässig, wenn die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ausgeschlossen oder beschränkt werden soll. Dieses Klauselverbot greift unabhängig davon, auf welche Anspruchsgrundlage der Anspruch gestützt wird. Erfasst sind vertragliche, vorvertragliche und deliktische Ansprüche. Der Freizeichnungsausschluss schließt außerdem gesetzliche Vertreter und Erfüllungsgehilfen i. S. von § 278 Satz 1 BGB ein. Das entsprechende Klauselverbot bei AGBs ist in § 309 Nr. 7a BGB enthalten. Es bezieht sich auf schuldhafte Pflichtverletzungen und nicht auf eine reine Garantiehaftung. Letztere kann nach wie vor auch durch formularvertragliche Regelung ausgeschlossen werden, und zwar auch dann, wenn Körperschäden betroffen sind (Joachim, NZM 2003,387,388; Heinrichs, NZM 2003,6,9). Mit dem gleichen Ergebnis ist in Fällen leichter Fahrlässigkeit weder ein Haftungsausschluss noch eine Haftungsbegrenzung wirksam, wenn es um die Verletzung einer sog. Kardinalpflicht geht (BGH, NJW 1989, 2047). Kardinalpflichten sind vertragstypische bzw. Vertrags wesentliche Pflichten, auf deren Erfüllung der Vertragspartner vertrauen kann, und durch deren Nichterfüllung die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre. Beispielhaft sind Kardinalpflichten des Verwalters diejenigen gem. § 27 Abs. 1 und 2 WEG. Zu der dort ausgewiesenen Kernkompetenz des Verwalters gehört es: •

Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen,



die erforderlichen Maßnahmen für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zu treffen,



gemeinschaftliche Gelder zu verwalten,



die Lasten- und Kostenbeiträge einzuziehen und ordnungsgemäß zu verwenden,



die an die Wohnungseigentümer gerichteten Willenserklärungen und Zustimmungen entgegenzunehmen,



fristwahrende Maßnahmen durchzuführen und



Wohngeldrückstände im Namen der Gemeinschaft gerichtlich geltend zu machen.

Natürlich können die Parteien eines Verwaltervertrags definieren, was sie einvernehmlich als wesenüiche Vertragspflicht (Kardinalpflicht) ansehen, und dann erstreckt sich das Verbot des Haftungsausschlusses bzw. der Haftungsbegrenzung auch auf diese Pflichten.

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4 Recht der

Immobilienverwaltung

4.7 Allgemeine kaufmännische Geschäftsführung Die wesentlichen Aufgaben und Pflichten des Verwalters im Bereich der allgemeinen kaufmännischen Geschäftsführung werden nachfolgend am Beispiel der Mietverwaltung und am Beispiel der Wohnungseigentumsverwaltung dargestellt. 4.7.1

Mietverwaltung

Wesentliche Bereiche der Beauftragung des Verwalters betreffen das •

Flächenmanagement



Mietmanagement



Mietnebenkostenmanagement



Instandhaltungsmanagement



Abwicklungsmanagement.

Im Rahmen der Mietverwaltung hat der Verwalter gem. den ihm im Verwaltervertrag übertragenen Aufgaben Mietverhältnisse zu begründen, durchzuführen und abzuwickeln. Er hat den Mieter auszuwählen, im Einzelfalle auch unter Einschaltung eines Maklers, dessen Bonität zu überprüfen und das Mietobjekt vor der Vermietung hinsichtlich seines Zustandes und ggf. durchzuführender Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten vor Vertragsbeginn zu überprüfen. Sodann schließt er den Mietvertrag auf der Grundlage der Weisungen und der Ermächtigung des Eigentümers ab. Außerdem ist es seine Aufgabe, die zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Objektes erforderlichen und zweckmäßigen Verträge zu begründen, durchzuführen und abzuwickeln. Hierbei wird der verantwortungsvolle Verwalter zunehmend (insbesondere bei Versicherungsverträgen und Energielieferungsverträgen) über die Bündelung der Nachfrage zusammen mit anderen Verwaltern günstigere Konditionen für seinen Auftraggeber erlangen, die dann in Form von niedrigeren Nebenkosten direkt dem Nutzer zugute kommen. 4.7.1.1

Auswahl des Mietinteressenten

Der Verwalter hat im Rahmen seiner allgemeinen Sorgfalts- und Vermögensvertreuungsverpflichtung möglichst gründlich die Bonität und Geeignetheit des Mieters zu recherchieren. Hierzu gehört insbesondere die Verpflichtung, eine vom Mieter zu verlangende Selbstauskunft genau zu überprüfen. Auch wenn in weitem Umfange von der Rechtsprechung Fragen nach persönlichen Umständen des Mieters unzulässig sind (Recker/Slomian, Immobilienverwaltung, Praxishandbuch 2000, Rn 32 m.w.N.), so sind doch Fragen nach Arbeitgeber und Einkommen zulässig. Bei begründetem Anlass wird

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der Verwalter daneben im Rahmen seines berechtigten Interesses eine Eintragung des Mieters in das beim zuständigen Amtsgericht geführte Schuldnerverzeichnis überprüfen. Er wird auch eine Schufa-Selbstauskunft und - insbesondere bei gewerblichen Mietverhältnissen - die Einsichtnahme in das Handelsregister veranlassen und durch einen Anruf bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer Firma, Rechtsform, Sitz und gesetzliche Vertretung erfragen. Erscheint der Abschluss eines Mietvertrages mit dem Interessenten erstrebenswert, ist aber andererseits in Anbetracht der Dauer dieses angestrebten Mietverhältnisses und dem Mietenvolumen eine zusätzliche Absicherung sinnvoll, so wird der Verwalter die Instrumentarien einer Schuld(mit)übernahme und der Abgabe einer Patronatserklärung erwägen. Letztere ist insbesondere bei dem Abschluss von Mietverträgen mit zu gründenden oder gerade gegründeten Tochter-Gesellschaften ausländischer Konzerne ein geeignetes Mittel zur Sicherstellung der Durchführung des Mietvertrages. 4.7.1.2

Vertragsmanagement, Schriftform

Oft übernimmt der Verwalter von einem Vorverwalter einen Verwaltungsbestand. Er hat zunächst im Rahmen des Bestandsmanagements der Vertragsunterlagen diese auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen, insbesondere auf die Identität des Objektes mit dem im Vertrag genannten Vertragsgegenstand zu überprüfen. Die Bestandskraft bei Mietverträgen kann dabei insbesondere bei Mietverträgen, die für eine längere Zeit als 1 Jahr abgeschlossen sind, die Einhaltung des Schriftformerfordernisses des § 550 i. V. m. § 126 BGB fraglich sein. Allein in der Zeit vom 01.01.2003 bis 20.07.2005 haben die für Mietsachen zuständigen Senate des BGH, der VIII. Zivilsenat und der XII. Zivilsenat, 18 Entscheidungen zur Schriftform in Mietverträgen verkündet. Zwar ist nach und nach eine Aufweichung der Kriterien im Sinne der Annahme der Einhaltung der Schriftform zu erkennen (BGH NZM 1999, 298; BGH NZM 1999, 761; BGH NZM 2000, 907; BGH NZM 2000, 712). Jedenfalls sollte der Verwalter aber möglichst den Mietvertrag mit den Anlagen (Pläne, Baubeschreibung, Aufmaß) körperlich verbinden, um die Einheitlichkeit der Urkunde herzustellen. In jedem Falle hat er darauf zu achten, dass nicht nur vom Mietvertrag auf die Anlagen, sondern auch von den Anlagen wiederum auf den Mietvertrag verwiesen wird. Die einzelnen Seiten des Mietvertrages sollten ebenso paraphiert werden wie die Seiten der Anlagen. Die Anlagen müssen zudem eine Bezugnahme auf das Mietobjekt erkennen lassen.

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Wenn nicht durch feste Verklammerung oder fortlaufende Paginierung oder fortlaufende Nummerierung oder einheitliche grafische Gestaltung oder inhaltlichen Zusammenhang (BGH NZM 1998, 25) die Einheitlichkeit dokumentiert werden kann, so sollte durch die oben angesprochene Bezugnahme der Anlage im Vertrag und Unterzeichnung jeder Seite der Anlage durch beide Parteien (BGH NZM 1999, 298) bzw. durch Paraphierung (BGH NZM 2000,36,38) Sicherheit geschaffen werden. Bei Nachtragsvereinbarungen soll der Verwalter darauf achten, dass die Nachträge fortlaufend nummeriert werden und zu erkennen geben, dass im Übrigen - bis auf die Ergänzung/Änderung - der Ursprungsvertrag unverändert weiter gelten soll. Besondere Beachtung muss der Verwalter beim Abschluss von Mietverträgen oder Nachtragsvereinbarungen der ordnungsgemäßen Parteibezeichnung widmen. So ist die Parteibezeichnung „Erbengemeinschaft Müller" keine ausreichend konkrete Parteibezeichnung und führt zu einem Schriftformproblem. Ein Schriftformproblem kann auch dann entstehen, wenn nicht alle Partner/Gesellschafter einer Vertragspartei unterzeichnen oder wenn ein bloßer Schriftwechsel nicht durch eine ausdrückliche Nachtragsvereinbarung zum Mietvertrag ersetzt wird. Und schließlich ist auch auf eine rechtzeitige Annahme eines Vertragsangebots zu achten (§§ 147 Abs. 2,149 BGB), weil nach dem Willen des Gesetzgebers die verspätete Annahme eines Angebots als Ablehnung gilt, verbunden mit einem eigenen selbstständigen Angebot des „Annehmenden", das wiederum der das ursprüngliche Vertragsangebot Abgebende in aller Regel lediglich konkludent (schlüssig) annimmt, indem er die Mietsache übergibt und den Mietzins entgegennimmt. Die noch herrschende Meinung sieht hierin ebenfalls einen Schriftformverstoß und ermöglicht es - im Zweifel jeder Partei - sich auf einen solchen Schriftformmangel zu berufen und den Mietvertrag innerhalb der Fristen des § 580 a Abs. 2 BGB zu kündigen. 4.7.1.3

Übergabe/Rückgabe der Mieträume

Bei der Übergabe an den Mieter ist sinnvollerweise meist ein Übergabeprotokoll vom Verwalter zu erstellen, das den Zustand der Räume ausweist und ggf. noch von der einen oder anderen Partei durchzuführende Maßnahmen. Dieses Übergabeprotokoll dient der Beweiserleichterung bei Vertragsende, wenn es um die Frage geht, in welchem Zustand die Mietsache zurückzugeben ist (entsprechend soll auch bei Vertragsende ein Abnahmeprotokoll gefertigt werden). Das bedeutet nicht - wie Verwalter oft irrtümlich annehmen - dass der Mieter mit der Behauptung, ein bestimmter Mangel habe bei Vertragsabschluss bereits bestanden, mangels Aufnahme in das Übergabeprotokoll ausgeschlossen ist; vielmehr hat er darzulegen und zu beweisen, dass er

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den Fehler bzw. Mangel bei Übernahme gerügt hat und dieser dennoch nicht in das Protokoll aufgenommen wurde. Zur Beweiserleichterung dient auch eine Vereinbarung der Mietvertragsparteien, wonach bei Übergabe wie auch bei Rückgabe eine in zwei Ausfertigungen zu erstellende Videodokumentation - am besten durch einen Sonderfachmann zu besprechen - erstellt wird. Viele Streitpunkte, etwa derjenige, in welchem Zustand sich die Mietsache bei Übergabe im Hinblick auf Einbauten/ Umbauten/ baulichen Veränderungen befand und was dementsprechend bei Vertragsende zurückzubauen ist oder nicht, können so erheblich eingeschränkt werden. Sinnvollerweise sollte dem Verwalter ebenfalls eine solche Dokumentation zur Verfügung stehen, falls es während der Mietzeit zu Mängelrügen kommt oder ein Untermieter etwa erhebliche bauliche Veränderungen vornehmen möchte. Ein Übergabeprotokoll ist auch von entscheidender Bedeutung, wenn ein Ersatzmieter die Mieträume mit etwa vorhandenem Inventar übernimmt (Muster für ein derartiges Übergabeprotokoll: Recker/Slomian a. a. O., Anhang Nr. 4, S. 359). Bei der Abwicklung eines Mietverhältnisses ist daran zu denken, dass diese Abwicklung im Wesentlichen - wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist - Spiegelbild der Übergabe ist. Das gilt insbesondere für die Frage, mit welchen Einbauten bzw. welchem Inventar das Mietobjekt seinerzeit überlassen wurde. Das gilt auch für die Frage, ob während der laufenden Mietzeit dem Mieter die Durchführung von baulichen Veränderungen gestattet und ihm dabei auch erlaubt wurde, diese baulichen Veränderungen bei Vertragsende in der Mietsache zu belassen. Ist letztere Erlaubnis nicht erteilt, und das ist häufig der Fall, hat der Mieter grundsätzlich auch einen Rückbau vorzunehmen und den früheren Zustand bzw. einen diesem früheren Zustand vergleichbaren Zustand wieder herzustellen bzw. herstellen zu lassen. Hilfreich ist zur Vorbereitung der Rücknahme der Mieträume für den Verwalter die Erstellung einer Checkliste etwa mit folgenden Punkten: •

Alle Miet-/Nutzungsverhältnisse mit dem Vermieter aufheben (schuldrechtliche Vereinbarungen über Mitgliedschaft in einer Werbegemeinschaft, Mietbenutzungsrechte, Parkplätze, Keller, Archive)



Abstandszahlungen für vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses (Werbungskosten, außerordentliche Einkünfte, halber Steuersatz)?



Sind Untermietverhältnisse vorhanden? Sollen diese als Hauptmietverhältnisse übernommen werden?

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4 Recht der

Immobilienverwaltung

Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten, Rückbauverpflichtungen und Wegnahmerechte abgelten (Entsorgungskosten bewerten!)?



Entfernung/ Entsorgung der Verkabelung (Sondermüll)



Schicksal der Sicherheitsleistung, Herausgabe Zug-um-Zug?



Noch abzurechnende Nebenkosten? Angemessener Einbehalt der Kaution für mögliche Restforderang?



Rückgabe aller Schlüssel, Ausbau/ Austausch des Schließsystems?



Übergabeprotokoll mit Ablesungen, ggf. mit Vorbehalten (Schadensbeseitigung)



Umfang des Hinweisrechts auf Umzug/neue Adresse?



Duldung von Vermarktungsaktivitäten auf dem Grundstück/ Besichtigungsrecht?



Duldung von Umbauarbeiten noch während der Mietzeit?



Schicksal der geleisteten Kaution?

4.7.1.4

Mietenverwaltung

Einer der zentralen Bereiche der Beauftragung von Immobilienverwaltern ist die Mietenverwaltung bzw. das Mietmanagement. Aufgabe des Verwalters ist insbesondere dann die Einziehung der Mietzinsen einschließlich der Mietnebenkosten. Vorzuziehen ist ein offenes Fremdkonto gegenüber dem Treuhandkonto. Beim offenen Fremdkonto ist Inhaber des Kontos der Eigentümer. Das macht das Konto in jedem Falle bei Insolvenz des Verwalters oder bei einer Zwangsversteigerung über dessen Vermögen „sicher". Bei dem Einzug von Mieten sollte der Verwalter sinnvollerweise eine Einziehungsermächtigung erteilen lassen. Mindestens aber sollte der Mieter aber einen Dauerauftrag erteilen. Wenn der Verwalter überprüft, ob der Mietzins rechtzeitig gezahlt wird, so richtet sich die Frage der Rechtzeitigkeit nach der mietvertraglichen Vereinbarung. Ist vereinbart, dass es für die Rechtzeitigkeit der Zahlung auf den Eingang beim Vermieter bzw. auf dem Konto des Verwalters ankommt, so ist nicht rechtzeitig gezahlt, wenn dieser Zeitpunkt überschritten ist. Ist hingegen lediglich vereinbart, dass der Mietzins am 03. Werktag eines jeden Monats auf ein bestimmtes Konto zu zahlen ist, so genügt für die Rechtzeitigkeit die Absendung des Betrages. Übliche Banklaufzeiten sind zu berücksichtigen.

4 Recht der Immobilienverwaltung

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Faustregel ist: Ist der Mietzins nicht am 10. Tage des Monats eingegangen, so ist er mangels anderer vertraglicher Vereinbarung - nicht rechtzeitig gezahlt. 4.7.1.5

Überprüfung von Mieterhöhungsmöglichkeiten

Im Wohnraummietrecht muss der Immobilienverwalter die Existenz von Mietspiegeln kennen und mit diesen arbeiten können, um die Voraussetzungen für eine mögliche Anpassung des Mietzinses an die ortsübliche Vergleichsmitte i. S. d. §§ 558 ff. BGB durchführen zu können. Wichtig ist dabei, dass er für den Mieter nachvollziehbar eine Einordnung der entsprechenden Wohnimg in den jeweils gültigen Mietspiegel vornimmt und die kraft früherer Mieterhöhung zu beachtende Kappungsgrenze (20 % innerhalb von 3 Jahren, § 558 Abs. 3 BGB) einhält. Besondere Fehlermöglichkeiten enthält die Durchführung des Verfahrens wegen Modernisierung gem. § 559 BGB. Das gilt insbesondere für die nicht ordnungsgemäße Ankündigung der Art, Zeit und Dauer der Modernisierungsmaßnahme. Oft ist bei Durchführung von Arbeiten im gesamten Hause die Aufteilung der auf die jeweils in Bezug zu nehmende Wohnung des Mieters in Kostenvoranschlag und Rechnung nicht erkennbar. Mehr und mehr erweisen sich bei größeren Maßnahmen Vorab-Gespräche mit allen Mietern in einer Mieterversammlung als sinnvoll. Zunehmend werden den Mietern dabei vom Verwalter auch im Rahmen eines besseren Service Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich Material und Farbe eingeräumt. Bei gewerblichen Mietverhältnissen muss der Verwalter insbesondere die unterschiedliche Bedeutungen und Auswirkungen der verschiedenen Wertsicherungen erkennen, etwa die Voraussetzungen bei einer Verhandlungsklausel (Leistungsvorbehalt) gegenüber denjenigen der echten Wertsicherungsklauseln. Bei Vereinbarung einer echten Wertsicherungsklausel hat er, um eine eigene Haftung zu vermeiden, pünktlich und rechtzeitig die Erhöhungsmöglichkeit anhand der Verlautbarungen des statistischen Bundesamtes nicht nur zu überprüfen, sondern auch die Erhöhungsmöglichkeit zugleich umzusetzen. Ist nämlich beispielsweise bei einer automatischen Wertsicherimg die Fälligkeit der Erhöhung von einer Anzeige an den Mieter abhängig, so verliert der Vermieter womöglich mangels Aktivitäten des Verwalters für den Zeitraum bis zur Anzeige wertvollen Mietzins. Bei der Vermietung von gewerblichen Einheiten ist zu beachten, dass durch das Preisangaben- und Preisklauselgesetz und die hierauf ergangene Preisklauselverordnung vom 23.09.1998 gegenüber dem durch das Euro-Einführungsgesetz aufgehobenen, früher gel-

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4 Recht der

Immobilienverwaltung

tenden Währungsgesetz (dort § 3) jetzt eine automatische Wertsicherungsklausel als genehmigt gilt, wenn sie den Grundsätzen entspricht, die früher für das „alte" Währungsgesetz galten (§ 4 Abs. Ziff. 2 PreisklauselVO). Das bedeutet, dass Wertsicherungsklauseln nicht mehr schwebend unwirksam sind, bis die Deutsche Bundesbank oder eine Landeszentralbank sie genehmigt hat. Es ist Sache der Parteien, die „richtige" Wertsicherungsklausel zu wählen, und hierin steckt auch für den Verwalter ein höheres Maß an Verantwortung. Im Zweifel wird er - wenn es sich um nicht gängige Wertsicherungsklauseln handelt - den Vertrag mit der Klausel beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn vorlegen (zum gesamten Komplex: Kinne (Indexmieten und der Euro, Grundeigentum 1998,1069; Samm, Referenzzinssätze und Wertsicherungsklauseln, Grundeigentum 1998,1072). Das Mietrechtsreformgesetz hat nämlich eine paradoxe Situation insoweit geschaffen, als im Bereich der Wohnraummiete gem. § 557 b BGB die Miete als Indexmiete vereinbart werden kann (Verbraucherpreisindex für Deutschland), wenn das Mietverhältnis eine Mindestdauer von nur einem Jahr hat. Es fehlt eine Verweisungsvorschrift (die möglicherweise in der Mietrechtsreform vergessen wurde), die die gleiche Regelung auch für die gewerbliche Miete trifft. Dort darf nach wie vor das Mietverhältnis aus der Sicht des Mieters gegen dessen Willen für die Dauer von 10 Jahren nicht kündbar sein, da sonst die Genehmigungsfiktion nicht greift. Hat im Wohnraummietrecht der Verwalter eine Mieterhöhung durchzuführen, so ist zu beachten, dass nach herrschender Rechtsprechung überall dort, wo ein Mietspiegel existiert, dieser auch anzuwenden ist. Lässt sich eine Wohnung zweifelsfrei in den Mietspiegel einordnen, so besteht daneben grundsätzlich für die Einholung eines Sachverständigengutachtens - trotz teilweisen Widerstandes in der Literatur - keinen Raum. Eigenständige Aufgabe des Verwalters, der mit dem Mietenmanagement beauftragt ist, ist die Überwachung der Veränderung des Index, welche ja zu einer Änderung des Mietzinses führen kann. Das Berechnungsprogramm des Statistischen

Bundesamtes

(www.destatis.de) ist sehr hilfreich, um dem Verwalter schnell eine Überprüfung zu ermöglichen, ob eine Indexveränderung eine Anpassimg der Miete ermöglicht bzw. nach sich gezogen hat. 4.7.1.6

Behandlung von Sicherheitsleistungen

Der Verwalter von Mietobjekten hat die Sicherheitsleistungen auf einem eigenen Konto getrennt von seinem sonstigen Vermögen zu führen. Bei einem Vermieterwechsel hat er

4 Recht der Immobilienvenvaltung

311

darauf zu achten, ob überhaupt dem früheren Vermieter die Kaution zugeflossen ist, denn nur dann kann sie dem neuen Eigentümer übertragen werden. Außerdem hat der Verwalter darauf hinzuweisen und darauf hinzuwirken, dass eine Übergabe der Mieträume an den Mieter nur zu erfolgen hat, wenn die Sicherheit geleistet ist. Das muss aber vertraglich ausdrücklich auch so vereinbart werden. Wird die Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft erbracht, so hat der Verwalter diese ordnungsgemäß zu verwahren und - wenn keine Ansprüche aus dem Mietverhältnis mehr bestehen - herauszugeben, spätestens aber zu dem im Vertrag vereinbarten Zeitpunkt. Bereits während des Mietverhältnisses und erst recht nach dessen Ende wird - bei Existenz von Forderungen aus dem Mietverhältnis - oft vom Mieter begehrt, dass die Sicherheitsleistung gegen eine andere Sicherheitsleistung ausgetauscht werden möge. Dem muss der Verwalter nur in Ausnahmefällen Rechnimg tragen und kann grundsätzlich sowohl darauf bestehen, dass die Person des Bürgen beigehalten wird, als auch darauf, dass die Sicherheitsieistimg ungeschmälert verbleibt, solange noch Forderungen aus dem Mietverhältnis nicht erfüllt sind. Im Übrigen wird es sich für den Verwalter anbieten, im Sinne der Einheitlichkeit der Mietverhältnisse bei der Erstellung der Bürgschaft darauf zu achten, dass der Bürge Zahlung auf erstes Anfordern zu leisten hat und sich nicht durch Hinterlegung des geforderten Betrags befreien darf. Im gewerblichen Mietrecht ist eine derartige Bürgschaft auf erstes Anfordern immer noch wirksam vereinbar (Wolf/Eckert/Ball, Rn. 719). 4.7.1.7

Konkurrenzschutz / Betriebspflicht

Ist nichts anderes vereinbart, so genießt der Mieter grundsätzlich einen sogenannten vertragsimmanenten Konkurrenzschutz im Rahmen des vereinbarten Vertragszwecks. Das gilt auch für ein im Eigentum desselben Vermieters stehendes Nachbargebäude. Der Verwalter hat darauf zu achten, dass ein mit seinem Auftraggeber abgestimmter Umfang des zu gewährenden Konkurrenzschutzes auch von den anderen Mietern beachtet wird und dass umgekehrt im Rahmen des konkreten Mietverhältnisses der Mieter nicht in unzulässiger Weise den Vertragsgegenstand etwa durch Erweiterung des Sortiments verändert. Schwierig und im Einzelfall streitig sind Umfang und Wirksamkeit des vereinbarten Konkurrenzschutzes bei großen Einkaufszentren (OLG Dresden; MDR 1998, 211; OLG Hamm, NZM1998,511,512). Der Verwalter muss zur Vermeidung der Geltendmachung von Minderungs- und Schadensersatzansprüchen anderer Mieter sofort einschreiten, falls ein Mieter gegen die Konkurrenzschutzklausel verstößt.

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4 Recht der Immobilienverwaltung

In erster Linie bei der Vermietung von Handelsflächen ist es Aufgabe des Verwalters, eine vereinbarte Betriebspflicht zu überwachen und dafür Sorge zu tragen, dass die Mieträume während der gesetzlichen bzw. der vereinbarten Öffnungszeiten auch offen gehalten und der Betrieb geführt wird. Die Verbindung einer Betriebspflicht mit einem Ausschluss des Konkurrenzschutzes ist - auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig. 4.7.1.8

Kontrolle der Einhaltung des Vertragszwecks

Die Einhaltung des Vertragszwecks ist unter vielerlei Gesichtspunkten (Konkurrenzschutz, Untervermietung, behördliche Verbote) von wesentlicher Bedeutung und vom Verwalter zu überwachen. Insbesondere dann, wenn der Vermieter auf die Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen im Rahmen der Vermietung und Verpachtung (§ 4 Nr. 12a UStG) verzichtet und gem. § 9 UStG zur Umsatzsteuer optiert, hat der Verwalter im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen laufend zu überprüfen, ob der Mieter auch tatsächlich das Mietobjekt ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (§ 9 Abs. 2 UStG). Meist ist vertraglich vereinbart, dass der Mieter dem Vermieter alle zur Kontrolle dieser Verpflichtung und zur Führung der entsprechenden Nachweise bei den Finanzbehörden erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen hat. Auch das hat der Verwalter zu verifizieren. Ist das Objekt - zulässigerweise - untervermietet, so wird der Verwalter darauf zu achten haben, dass der Mieter diese Verpflichtungen nicht nur an den Untermieter weitergegeben hat, sondern dass der Untermieter die Verpflichtung auch einhält. Denn für die Frage, ob eine bestimmte Nutzung etwa den Vorsteuerabzug ausschließt, kommt es nicht auf den zwischen den Mietvertragsparteien vereinbarten Vertragszweck an, sondern darauf, welche Nutzung tatsächlich im Objekt erfolgt. Da es auf die tatsächliche Nutzung ankommt, wird der Vorsteuerabzug des Vermieters auch dann gefährdet, wenn ein Untermieter einen Vertragszweck ausübt, der den Vorsteuerabzug ausschließt. In der Kette der Nutzungsverhältnisse kommt es also immer darauf an, dass alle, also auch der Endnutzer, die vereinbarte Nutzung auch seinerseits einhält.

4 Recht der Immobilienvenoaltung

4.7.1.9 4.7.1.9.1

313

Mietnebenkosten-Management Vertragsfreiheit in der Geschäftsraummiete, Bindung durch § 2 der Betriebskostenverordnung - BetrKV - in der Wohnraummiete

Im Bereich der Geschäftsraummiete können die Parteien die Regelung der Verteilung der Nebenkosten vertraglich frei gestalten. Dies gilt allerdings so nicht für die Kosten der zentralen Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen bzw. für die Kosten der Lieferung von Fernwärme. Hier überlagert die Heizkostenverordnung etwa anderslautende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen. Im übrigen aber können die Vertragsparteien im Geschäftsraummietvertrag insbesondere den Katalog des § 2 der 2. BetrKV, der im Bereich der Wohnraummiete zwingend und abschließend ist, erweitern und die Umlegung aller Kosten vereinbaren, die Gegenstand des Objektes sind (Otto, DWW 1984, 86). Es wird von der obergerichüichen Rechtsprechung sogar für zulässig gehalten, die Kosten einer Hausverwaltung auf den gewerblichen Mieter zu überbürden, wenn der Eigentümer zwar nicht rechtlich, aber wirtschaftlich identisch mit der Verwaltungsgesellschaft ist (OLG Nürnberg, WE 1995, 308; Kammergericht, Berliner GrdE 1995, 563; Gather, Vereinbarungen von Miete, Nebenkosten und Mietsicherheit bei Gewerberaum, DWW 1997, 256). Auch dürfen ζ. B. Eigenleistungen mit dem Betrag angesetzt werden, der für die gleichwertige Leistung eines Dritten eingesetzt werden darf (LG Hamburg ZMR 1995, 32 - dort Gartenpflege, Hausreinigung). Keine Vertragsfreiheit gibt es bei den Heizkosten. Hier gilt - bis auf ganz wenige, in der Verordnung geregelte Ausnahmen - die Heizkostenverordnung, auch und zwingend für die Geschäftsraummiete. Sie hat Vorrang vor allen anderen Absprachen. Individualrechtliche Abweichungen von der Heizkostenverordnung sind unzulässig. Für die Vereinbarung und Abrechnung von Betriebskosten bei Wohnräumen hat der Mietrechtsreformgesetzgeber neue Regelungen in den §§ 556, 556 a BGB geschaffen. Zunächst ist ausdrücklich festgehalten, dass die Parteien vereinbaren können, dass der Mieter Betriebskosten i. S. d. § 19 Abs. 2 des Wohnraumförderungsgesetzes trägt. Hierzu zählen ausdrücklich die Betriebskosten des § 2 der BetrKV. Der Verwalter hat darauf zu achten, dass im Wohnraummietverhältnis gem. § 556 Abs. 3 Satz 2 eine Ausschlussfrist zu Lasten des Vermieters greift, wenn die Abrechnung dem Mieter nicht bis spätestens zum Ablauf des 12. Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitgeteilt ist, es sei denn, dass der Vermieter die Verspätung entschuldigen kann.

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4 Recht der

¡mmobilienvenoaltung

Hinweis: Für die unterschiedliche Abrechnung von Betriebskosten bei Wohnraummietverhältnissen und gewerblichen Mietverhältnissen gibt es keine sachlichen Gründe. Die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 3 müsste eigentlich analog auch für gewerbliche Mietverhältnisse gelten, jedoch fehlt es bislang an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu. Derzeit muss davon ausgegangen werden, dass mangels analoger Anwendung der Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 3 die allgemeinen Regeln über die Verjährung und Verwirkung greifen. Verjähren können Betriebskostenansprüche innerhalb von 3 Jahren, jedoch beginnt diese Verjährungsfrist solange nicht zu laufen, wie der Vermieter die Abrechnung nicht gelegt und dem Mieter übersandt hat. Wann er dann aus den allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung mit der Nachforderung ausgeschlossen ist, ist überaus streitig. Der Verwalter muss den sicheren Weg gehen und schnellstmöglich abrechnen und ggf. die Hindernisse offen legen, sollte ihm dies nicht möglich sein. Das sog. Wärmecontracting wird erheblich an Bedeutung gewinnen. Die Betriebskostenverordnung lässt es ausdrücklich zu und erlaubt vor allem, dass die Kosten der Wärmelieferung in vollem Umfange umlegbar sind, also auch die Investitions- und Verwaltungskosten und der Unternehmergewinn. Dem steht der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz, nach dem Betriebskosten wirtschaftlich abzurechnen sind (§ 556 Abs. 3 Satz 1 BGB) nicht entgegen. Da aber auch viele Einzelprobleme streitig sind (Schmid, NZM 2004, 890, 891), sollte jedenfalls beim Neuabschluss von Mietverträgen darauf geachtet werden, dass die Möglichkeit des Vermieters, auf Wärmelieferung bei voller Umlegung der Wärmelieferungskosten auf den Mieter überzugehen, individualvertraglich vereinbart wird. Gerade von Geschäftsraummietern wird zu Unrecht die Verhältnismäßigkeit gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 HeizKV herangezogen. Die UnVerhältnismäßigkeit des Kostenaufwandes lässt sich allein durch einen Vergleich der Kosten für die Installation der Messgeräte und des Mess-/Abrechnungsaufwandes einerseits und der möglichen Einsparung von Energiekosten andererseits feststellen (BGH, ZMR1991,170). Nicht seltene Fallgestaltung (AG Hannover v. 26.06.1998, DWW 1998,120; Tiefenbacher, Einführung von Wärmecontractur bei bislang vermieterseits beheizter Wohnung, NZM 2000,161) ist die Umstellung der Wärmeversorgung auf Einkauf von Wärme von einem eigenständig gewerblich tätigen Leistenden (Stadtwerke erstellen Heizung auf eigene Kosten und versorgen ein Gebäude mit Wärme): Wenn nicht die Umstellungsmöglichkeit vereinbart ist, können trotz grundsätzlicher Geltung der HeizkostenVO (§ 7 Abs. 4, 8 Abs. 4) ohne Zustimmung des Mieters die bei

4 Recht der Immobilienvenvaltung

315

Fremdversorgung entstandenen Finanzierungskosten der Heizungsanlage nicht umgelegt werden (str.). 4.7.1.9.2

Bestimmtheitserfordernis

Für Wohnraum- wie auch für Geschäftsraummietverhältnisse gilt gleichermaßen, dass Nebenkosten nur dann auf den Mieter abgewälzt werden können, wenn dies im Mietvertrag ausdrücklich geregelt ist (Geldmacher, NebenkostenVereinbarungen, DWW 1994, 333, 334; ähnlich für das Recht der Wohnraummiete OLG Hamm, Rechtsentscheid v. 3.12.1992, DWW 1993, 39). Unklare Formulierungen gehen zu Lasten des Vermieters (Wolf/Eckert a. a. O., RN 504; von Brunn in: Bub/Treier a. a. O. III A 33,34). Der Immobilienverwalter sollte sich nicht in das Risiko unklarerer Vereinbarungen begeben, soweit es die Umlegung von Nebenkosten betrifft. M. E. erfordert es das Transparenzgebot, das jetzt in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich gesetzlich verankert ist (danach kann eine unangemessene Benachteiligung sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist), dass ein derart kompliziertes Regelwerk, wie das des § 2 der BetrKV, entweder als vollständiger Text oder als vollständige Anlage im bzw. zum Mietvertrag aufgenommen wird (Schumacher, NZM 2003,13,16; für die Wahl des sichersten Weges insofern auch: Heinrichs, NZM 2003, 6,11,13). Beim Abschluss bzw. bei der Prüfung von Betriebskostenvereinbarungen in Gewerberaummietverträgen ist sinnvollerweise wie folgt zu formulieren: „Umgelegt werden sämtliche Betriebskosten gem. § 2 BetrKV - diesem Vertrag als Anlage X beigefügt, und außerdem die folgenden weiteren Nebenkosten: Verwaltungskosten, Kosten der Hausbewachung ..." So wird eine Vereinbarung transparent und ist ohne Probleme durchführbar (hierzu im Einzelnen: J. Schmidt, NZM 2003,505,506). 4.7.1.9.3

Die ordnungsgemäße Abrechnung

Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. Die Abrechnung muss aber schriftlich erfolgen; unterschrieben sein muss sie nicht (von Brunn in: Bub/Treier a. a. O. III A 47). Die Abrechnung muss gem. § 259 BGB eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten, so dass eine zweckmäßige und übersichüiche Aufgliederung der Abrechnungsposten gewährleistet wird. Sie muss gedanklich und rechnerisch nachvollziehbar sein und dem durchschnittlichen Verständnisvermögen eines juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters entsprechen (LG Berlin v. 14.03.1997,

316

4 Recht der Immobilienverwaltung

ZMR1997, 300). Es besteht aber keine Notwendigkeit für die förmliche Ordnungsmäßigkeit der Abrechnung eine Spezifizierung der Kosten zu verlangen. Es genügt, dass der Vermieter die Betriebskostenarten nebst den jeweiligen Kosten auflistet. Der BGH hat zweimal die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abrechnung i. S. d. § 259 BGB definiert. Für die Heizkosten: BGH vom 09.04.1986 (DWW 1986, 147; für die sonstigen Nebenkosten: Urteil vom 23.11.1981, NJW1982,573). Folgende Mindestangaben werden verlangt: Prüfungsschema: •

Liegt eine ordnungsgemäße Zusammenstellung der Kosten i. S. d. § 259 BGB vor?



Sind nur die nach Gesetz und Vertrag umlagefähigen Kosten eingesetzt worden?



Ist der richtige Umlageschlüssel verwendet worden?



Sind die Vorauszahlungen des Mieters berücksichtigt?



Umfassen die abgerechneten Nebenkosen nur die vereinbarte Abrechnungsperiode?



Ist die Abrechnungsfrist eingehalten (12 Monate nach Ende des Kalenderabrechnungsjahres - im Wohnraummietrecht als Ausschlussfrist gestaltet in § 556 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB)?

Empfehlung: Oft machen Mieter Anerkennung und Zahlung der Abrechnung von der vorherigen Übersendung der Belege gegen zugesagte Erstattung der Fotokopiekosten abhängig. Ebenso wenig wie die Einsichtnahme das Schlüssigkeitserfordernis ersetzt, ist das Beifügen von Belegen Fälligkeitsvoraussetzung. Auch wenn von vielen Untergerichten ein Recht auf Übersendung von Belegen in Kopie konstatiert wird (ζ. B. AG Köln v. 11.04.1996, (215 C 254/95), PuR 1997,106), wird vor der Annahme einer insoweit gefestigten Rechtsprechung gewarnt. Richtigerweise kann jedenfalls der Mieter die Übersendung von Rechnungskopien jedenfalls dann nicht verlangen, wenn ihm die Einsicht in die Originalbelege als der einfachere und für den Vermieter weniger belastende Weg möglich ist (OLG Düsseldorf, DWW 1993, 261; AG Gelsenkirchen, WuM 1996, 349). Die zu erstattenden Kosten für Kopien liegen zwischen EUR 0,30 und EUR 0,60 pro Kopie (LG Berlin, Grundeigentum 1991,151; AG Neubrandenburg, WuM 1994,531). Meines Erachtens gehört zu den vom BGH genannten Prüfungskriterien (Zusammenstellung der Gesamtkosten, Angabe des Verteilungsschlüssels, Berechnung des Anteils der Mieter und Abzug der Vorauszahlungen des Mieters) noch ein fünftes und sechstes Kriterium, nämlich die positive Beantwortung der Frage: Sind Abrechnungsperiode und

4 Recht der Immobilienverwaltung

317

Abrechnungsfrist (Abrechnungsreife) eingehalten? Ist dies nicht der Fall, so sind Einwände des Mieters möglich, so etwa, wenn ohne zwingenden Grund - Rumpfjahr - die Abrechnungsperiode nicht eingehalten wurde. 4.7.1.9.4

Konflikt zwischen WEG-Abrechnung und Betriebskostenabrechnung

Problematisch und Gegenstand häufiger Auseinandersetzungen ist die Frage, ob bei Teileigentum einer WEG Grundlage der Abrechnimg des vermietenden Eigentümers die Jahresabrechnung des Verwalters der WEG sein kann, insbesondere, ob mietvertragliche Regelungen über die Anbindung des Abrechnungsmodus an denjenigen der Abrechnimg des Verwalters der WEG zulässig sind. Die Zulässigkeit ist zu bejahen. Eine mietvertragliche Formularklausel, wonach bei vermietetem Eigentum die Umlage der Nebenkosten nach dem gleichen Verteilungsschlüssel erfolgt, den die Eigentümergemeinschaft zur Ermittlung ihres jeweiligen Anteiles an diesen Kosten vereinbart hat, ist wirksam (so für vermietetes Wohnungseigentum: Bielefeld, Der Wohnungseigentümer, S. 564; für vermietetes Teileigentum: OLG Frankfurt, WuM 1986,15; Schulz a. a. O., S. 21). Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob den Verwalter eine Verpflichtung zur mietergerechten Hausgeldabrechnung trifft. Dies ist problematisch, weil der Verwalter den Wohnungseigentümern grundsätzlich nur eine EinnahmenAusgabenabrechnung („Ist-Abrechnung") schuldet, während der vermietende Teileigentümer gegenüber seinem gewerblichen Mieter die Mietnebenkosten periodengerecht abgrenzen muss. In jedem Falle ist der Verwalter verpflichtet, die Abrechnung so zu gestalten, dass der vermietende Teileigentümer ohne Mühe die nicht umlagefähigen Kosten ermitteln kann (ζ. B. Kontoführungsgebühren zu Lasten des Eigentümers, Beiträge zur Instandhaltungsrücklage). Die Abrechnung ist so zu erstellen, dass Teileigentümer in der Lage sind, ihre Prüfungsbefugnisse auszuüben BGH NJW1982,573). Der Verwalter hat weder die Pflicht noch das Recht, in den Abrechnungen der Gemeinschaft die Mehrwertsteuer auszuweisen, ohne dass die Gemeinschaft dies beschlossen hat. Weist der Verwalter ohne einen solchen Beschluss auf Drängen eines Teileigentümers die Mehrwertsteuer aus, so gilt dies als gesonderter Steuerausweis (§ 14 Abs. 3 UStG). Dann muss die Gemeinschaft auch die Mehrwertsteuer an das Finanzamt abführen. Grundsätzlich darf der Verwalter daher in den Abrechnungen nur die Bruttoausgabenbeträge ausweisen. Die Gemeinschaft kann aber gegenüber einzelnen Teileigentümern ausdrücklich unter bestimmten Umständen auf die Steuerbefreiung ihrer Umsätze gegenüber diesem Teilei-

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4 Recht der

Immobilienveruwltung

gentümer verzichten. Ein Anspruch des Teileigentümers auf Ausweisung der Mehrwertsteuer besteht dann, wenn der Teileigentümer Umsätze tätigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, er um die Ausweisung der Mehrwertsteuer ausdrücklich bittet und verbindlich erklärt, die Gemeinschaft von allen Risiken, Nachteilen und insbesondere Kosten freizustellen, die durch die ihm gegenüber folgende gesonderte Ausweisung der Mehrwertsteuer entstehen oder entstehen können. Die Unterschiede zwischen der Abrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG (für die Wohnungseigentümer) und nach § 556 Abs. 3 BGB (des Vermieters für seinen Mieter) sind gewichtig. Insbesondere gibt es für die Abrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG keine gesetzlichen Fristen. Auch ist streitig und zweifelhaft, ob es dem Eigentümer zuzurechnen ist, wenn der Verwalter verspätet abrechnet. Schließlich ist im Einzelfall schwierig zu beantworten, ob die Abrechnung der vermieteten Eigentumswohnung gebäudebezogen oder wohnungsbezogen zu erfolgen hat (Blank, NZM 2004, 365, 367 ff.; allgemein zu den Betriebskosten der vermieteten Eigentumswohnung: Langenberg, NZM 2004, 361). 4.7.1.9.5

Vereinfachte Abrechnung bei Wirtschafts- und/oder Verwaltungseinheiten

Häufig gehört das abzurechnende Objekt zu einer größeren Anlage mit verschiedenen Gebäuden in einer kompliziert strukturierten Anlage. Im Rahmen der Schlüssigkeit ist die Darstellung des Umstandes erforderlich, in welchem Verhältnis und insbesondere unter Anwendung welchen Umlegungsschlüssels die Nebenkosten zu ermitteln sind. Bei der Übersendung der Abrechnung wird dann oft viel erläutert, es werden Pläne überreicht und es wird viel geschrieben. Das kann vereinfacht werden, wenn bei Abschluss des Vertrages einmal eine solche Erläuterung erfolgt und am besten als Anlage zum Mietvertrag genommen wird: Auch bei großen Immobilienanlagen gilt zwar der Grundsatz, dass nach der kleinstmöglichen Einheit oder Wirtschaftseinheit abzurechnen ist (Stemel, Mietrecht III, Rn. 358); ist jedoch die Existenz einer bautechnischen Einheit zu bejahen, können aufgrund betriebswirtschaftlicher Erfahrungsgrundsätze einzelne Häuser nicht gesondert abgerechnet werden oder verbietet sich eine solche Abrechnung etwa aufgrund öffentlichrechtlicher Vorschriften, so ist individualrechtlich die Vereinbarung einer Abrechnung nach Verwaltungseinheiten statthaft. Dabei muss dann nicht die Gesamtabrechnung für den gesamten Komplex in eine Einzelabrechnung für den Mieter eingehen (LG Hannover, WuM 1985, 346; LG Frankfurt, UrteÜ v. 10.03.1981, 2/11 S 283/80 - nicht veröffentlicht; OLG Koblenz, Rechtsentscheid v. 27.02.1990, DWW 1990, 171). Für die Beantwortung der Frage, wann eine bautechnische Einheit bzw. Wirtschafts- und Verwaltungs-

4 Recht der ìmmobilieni'emaltung 319

einheit gegeben ist, kann auf § 2 Abs. 2 Satz 3 2. BVO zurückgegriffen werden. Danach ist eine Wirtschaftseinheit eine Mehrheit von Gebäuden, die demselben Eigentümer gehören, in örtlichem Zusammenhang stehen und deren Errichtung ein einheitlicher Finanzierungsplan zugrunde gelegt worden ist. Schließlich dürfen keine wesentlichen Unterschiede der Gebäude im Substanzwert und im bautechnischen Stand vorhanden sein. Zweifelhaft ist insbesondere, ob die bisher bestehende Möglichkeit zur Erfassung der Betriebskosten nach Wirtschaftseinheiten weiterhin besteht, weil der Begriff der Wirtschaftseinheit in der Betriebskostenverordnung jetzt nicht mehr erwähnt wird. Daraus wird z. T. der Schluss gezogen, dass die Betriebskosten in Zukunft grundstücksbezogen zu erfassen sind. Jedenfalls im Wohnraummietrecht spricht vieles für diese Ansicht (Blank, NZM 2004,365,368). Besteht ein Gebäudekomplex aber aus Wohnungen und Gewerbeflächen, so gehört es zu einer ordnungsgemäßen Abrechnung, dass vor der Aufteilimg der Kosten auf die Mietwohnungen die auf die Gewerberäume entfallenden Nebenkosten abgesetzt werden (jedenfalls für die Positionen Grundsteuer und Versicherungen). Auch dies kann aber bereits in der Erläuterung bei Vertragsabschluss einmalig und damit ausreichend definiert werden (LG Frankfurt v. 20.09.1996, NJWE-MietR 1997,26). Ergänzung zum Mietvertrag Das Mietobjekt

gehört zu der Wirtschafts- und

Verwaltungseinheit X-Straße / Y-Straße. Aus der zu diesem Mietvertrag gehörenden Anlage I ist ersichtlich, welche anderen Objekte zu dieser Einheit gehören. Die Einheit wird zur Grundlage der Abrechnung der Heiz- und sonstigen Mietnebenkosten gemacht. Gemäß beigefügtem Plan (Anlage 1) beläuft sich die Nutzfläche des vermieteten Objektes auf... m2, die Gesamtnutzfläche der Wirtschafts- und

Verwaltungseinheit

auf... m . Verbrauchsabhängige wie verbrauchsunabhängige Mietnebenkosten (für die Heizkosten 2

gilt eine Sonderregelung)

werden mit anteilig χ % abgerechnet.

Vermieter

Mieter

320

4 Recht der

4.7.2

Die Wohnungseigentumsverwaltung

4.7.2.1

Immobilienverwaltung

Vorbereitung, Einberufung und Durchführung der Eigentümerversammlungen

Gem. § 24 Abs. 1 und 2 WEG muss der Verwalter mindestens ein Mal im Jahr eine Versammlung der Wohnungseigentümer vorbereiten, einberufen und durchführen. Der Verwalter hat die Eigentümerversammlungen mit dem Beirat vorzubereiten, die Versammlungen einzuberufen und durchzuführen. Hier lauern zahlreiche Gefahren und Haftungsrisiken für den Verwalter (hierzu zuletzt Gottschalg, Probleme bei der Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung, NZM 1999, 825). Einberufungsmängel liegen oft in der Nichterfüllung von Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit der Tagesordnung (Beschlüsse unter „Verschiedenes"), in der fehlerhaften Einladung stimmberechtigter oder nicht stimmberechtigter Personen, in der Nichtberücksichtigung von Stimmrechtsausschlüssen. Besonders sorgfältig muss daher der Verwalter die Stimmrechtsvollmacht gem. der Gemeinschaftsordnung prüfen (Gottschalg, NZM 2005, 88, 95). Insbesondere problematisch ist auch, ob und in welchem Umfange anwaltliche Berater an den Eigentümerversammlungen, die grundsätzlich nicht öffentlich sind, teilnehmen dürfen. Aber auch darüber hinaus ist der Verwalter zur jederzeitigen Einberufung berechtigt, wenn dies aus Gründen der ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist. Soweit nicht in der Gemeinschaftsordnung etwas anderes bestimmt ist, soll die Frist zur Einberufung der Versammlung gem. § 24 Abs. 4 Satz 2 mindestens 1 Woche betragen. Je nach Größe der Gemeinschaft ist diese Frist sicherlich zu kurz, denn die Eigentümer sollen ja auch Gelegenheit haben, sich auf die Beratung und Beschlussfassimg über die der Einladung beigefügten Tagesordnung vorzubereiten und einzustellen. Schon bei der Frage des Ortes und des Zeitpunktes der Versammlung hat der Verwalter viel Gespür zu zeigen. Das betrifft insbesondere die Auswahl im Hinblick auf Ferien und Feiertage, aber auch den Raum selbst, denn die Versammlung der Wohnungseigentümer ist nicht öffentlich (Schulze in: Niedenführ/Schulze, WEG § 24 Rz. 5). Der Verwalter ist, wenn dies das Quorum von Vi der Eigentümer verlangt oder wenn es die Einhaltung der Regeln ordnungsgemäßer Verwaltung erfordert, auch verpflichtet, für ihn unbequeme Tagesordnungspunkte auf die Tagesordnung zu nehmen. Verweigert er dies ohne triftigen Grund, so können die Eigentümer ihn abberufen und den Verwaltervertrag aus wichtigem Grunde kündigen. Außerdem kann dann der Vor-

4 Recht der Immobilienverwaltung

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sitzende des Verwaltungsbeirats bzw. dessen Stellvertreter die Eigentümerversammlung einberufen. Ist die erste einberufene Versammlung nicht beschlussfähig, weil weniger als die Hälfte der Miteigentumsanteile der stimmberechtigten Wohnungseigentümer vertreten sind, so hat der Verwalter gem. § 25 Abs. 4 eine neue Versammlung mit dem gleichen Gegenstand einzuberufen. Diese Versammlung ist dann ohne Rücksicht auf die Höhe der vertretenen Anteile beschlussfähig. Auf diesen Umstand ist bei der Einberufung dieser neuen Versammlung ausdrücklich hinzuweisen. In der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung kann vorgesehen sein, dass bei fehlender Beschlussfähigkeit der ersten Versammlung eine halbe Stunde später eine Wiederholungsversammlung stattfindet, die dann in jedem Falle beschlussfähig ist. Die Möglichkeit einer Eventualeinberufung kann aber nicht mehrheitlich beschlossen werden (OLG Köln, NJW-RR1990,26). Besondere Sorgfalt hat der Verwalter bei der Frage walten zu lassen, wer einzuladen ist. Es sind einzuladen alle Wohnungseigentümer, die in der Versammlung ein Stimmrecht haben. Zunächst sind dies die im Grundbuch eingetragenen Eigentümer. Sobald die Wohnungseigentümergemeinschaft rechtlich in Vollzug gesetzt ist (d. h. dass ein zweiter Eigentümer eingetragen ist), sind die späteren Erwerber auch dann nicht einzuladen, wenn zu ihren Gunsten bereits eine Auflassungsvormerkung eingetragen und der Besitz übergegangen ist. Anders verhält es sich mit den Mitglieder einer werdenden Eigentümergemeinschaft vor rechüicher Invollzugsetzung der Gemeinschaft. Diese sind ebenfalls einzuladen. Es wurde bereits gesagt, dass die Versammlung der Wohnungseigentümer nicht öffentlich ist. Das hat auch Auswirkungen auf die Frage, wer an der Versammlung teilnehmen darf. Ein Eigentümer muss sich vertreten lassen können, wenn er an der Versammlung nicht teilnehmen kann oder will. Üblicherweise enthält hierzu die Gemeinschaftsordnung Regelungen, etwa dahingehend, dass sich der Eigentümer durch einen anderen Eigentümer, einen Angehörigen oder durch den Verwalter vertreten lassen kann. Mangels derartiger Beschränkungen der Teilnahmeberechtigten darf jeder ordnungsgemäß Bevollmächtigte einen Eigentümer in der Versammlung vertreten. Immer wieder Anlass zu Streitigkeiten ist die Frage, ob der einzelne Eigentümer dritte Personen teilnehmen lassen darf, wenn er selbst anwesend ist. Das ist grundsätzlich zu verneinen und bezieht sich insbesondere auf Begleitpersonen wie Rechtsanwälte oder Steuerberater. Solche Personen darf der Eigentümer nur im Falle eines berechtigten Interesses hinzuziehen (BGH, NJW1993,1329). Ein solches berechtigtes Interesse ist etwa zu

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Immobilienvenvaltung

bejahen angesichts der besonderen Schwierigkeiten einer zu behandelnden Thematik oder gesundheitlicher Gebrechen des Wohnungseigentümers, die einen Beistand erforderlich machen. Abgestimmt wird mangels anderslautender Regelungen in der Gemeinschaftsordnung nach Köpfen und nicht nach der Größe der Miteigentumsanteile (§ 25 Abs. 2 Satz 1: Jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme.). Bei der Beschlussfassung über seine Wahl darf der Verwalter, der gleichzeitig Miteigentümer ist, mitstimmen. Er darf auch sich selbst mit den ihm erteilten Vollmachten wählen. Anders verhält es sich bei der Abstimmimg über seine Entlastung oder bei Beschlüssen, die gegen ihn gerichtet sind, vor allem seine Abwahl bewirken sollen. Hier darf der Verwalter weder selbst als Miteigentümer mitstimmen noch ihm erteilte Vollmachten benutzen. In den Eigentümerversammlungen wird der Verwalter mit besonderem Gespür bei der Frage der Nein-Stimmen und Enthaltungen vorgehen. Bei klaren Beschlusslagen fragt er zuerst nach den Nein-Stimmen bzw. den Enthaltungen und stellt dann fest, dass der Beschluss einstimmig oder mit breiter Mehrheit angenommen wurde. Es ist auch grundsätzlich nicht eine bestimmte Art der Stimmabgabe vorgeschrieben. Droht eine Kampfabstimmung, so kann es oft sinnvoll sein, dass der Verwalter zunächst eine Probeabstimmung durchführen lässt, um festzustellen, ob eine Mehrheit für den beantragten Beschluss erreicht würde. Kommt es bei dieser Probeabstimmung nicht zu der zu erreichenden Mehrheit, so wird er ggf. unter Mitwirkung der Ablehnenden den Beschlusspunkt modifizieren oder auch den Initiator dazu bewegen, den Beschlussantrag nicht zu stellen. Das kann im Einzelfalle deutlich zur Befriedimg einer Streitsituation innerhalb der Gemeinschaft beitragen. Auch kann der Verwalter durch geschickte Vermittlung die Vertagung einer Beschlussfassimg über einen Tagesordnungspunkt erreichen, wenn dies sinnvoll erscheint. Bei Mehrhausanlagen können die Wohnungseigentümer vereinbaren, die einzelnen Häuser getrennt zu verwalten. Oft sind in den Teilungserklärungen bereits Untergemeinschaften gebildet, die dann einzeln über die sie betreffenden Tagesordnungspunkte alleine abstimmen. Betrifft aber wiederum der Tagesordnungspunkt alle Untergemeinschaften, so haben alle Miteigentümer ein Stimmrecht und gemeinschaftlich abzustimmen. Der Verwalter muss ein Beschlussergebnis feststellen. Seiner Feststellung kommt konstitutive Wirkung zu. Stellt er fest, dass ein Beschluss zustande gekommen ist, so muss der Beschluss angefochten werden, wenn in Wirklichkeit keine Mehrheit oder nicht die erforderliche Mehrheit vorhanden war. Stellt der Verwalter andererseits laut Protokoll fest,

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dass ein Beschluss nicht zustande gekommen ist, obwohl dies aber tatsächlich der Fall ist, muss auch dieser - einen Beschlussantrag ablehnenden - Beschluss festgestellt und auch mit der Anfechtung angegriffen werden. Grundsätzlich ist ein von den Wohnungseigentümern gefasster Beschluss von dem Verwalter auch durchzuführen. Er ist nicht berechtigt, die Anfechtungsfrist von einem Monat seit Beschlussfassung abzuwarten, wenn er hierzu nicht ausdrücklich ermächtigt ist. Im Zweifelsfalle sollte der Verwalter darauf dringen, dass die Eigentümer ihn ermächtigen, die Anfechtungsfrist abzuwarten, wenn dies gewünscht wird. Das kann ζ. B. in Fällen sinnvoll sein, in denen ein Eigentümer bereits in der Versammlung erklärt hat, er werde einen Beschluss über eine Sanierung anfechten. Ist dann bereits innerhalb der Anfechtungsfrist ein Gerüst am Gebäude errichtet worden, so entstehen erhebliche Kosten, wenn das Gericht nach Anfechtung im Wege der einstweiligen Anordnung einen sofortigen Stopp der Bauarbeiten verhängt. 4.7.2.2

Das Finanz- und Rechnungswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft

Zu einer ordnungsgemäßen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere auch die Aufstellung des Wirtschaftsplans gem. § 28 WEG. Der Wirtschaftsplan ist der Haushaltsplan der Wohnungseigentümergemeinschaft für jeweils ein Kalenderjahr. Er enthält eine Liquiditätsrechnung mit den voraussichüichen Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft. Der Beschluss über den Wirtschaftsplan bestimmt den vorläufigen Beitrag der Wohnungseigentümer zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums. Es handelt sich um eine vorläufige Regelung. Auch die Höhe der Zuführung zur Instandhaltungsrückstellung erfolgt nur vorläufig. Erst mit dem Beschluss über die Jahresabrechnung wird der endgültige Beitrag der Eigentümer festgesetzt. Ein Zusammenhang zwischen Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung besteht insbesondere insoweit, als die Vorjahresabrechnung Grundlage für den nächsten Wirtschaftsplan ist. Der Wirtschaftsplan ist in den ersten Monaten des Jahres den Eigentümern zur Beschlussfassung vorzulegen. Es macht keinen Sinn und ist nicht zulässig, wenn dies erst im September/Oktober eines Jahres für das laufende Jahr erfolgt (BayOLG, NJW-RR 1990, 659). Der Wirtschaftsplan gilt nur für das Kalenderjahr, für welches er aufgestellt wurde. Soll er über das Kalenderjahr hinaus fortgelten und Bindungswirkung auch hinsichtlich der im nächsten Jahr zu zahlenden Beiträge der Eigentümer entfalten, so muss eine derartige Fortgeltung beschlossen werden.

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Bei der Erstellung des Wirtschaftsplanes hat der Verwalhingsbeirat eine wichtige Funktion. Mit ihm berät sich der Verwalter über die im Wirtschaftsjahr zu erwartenden Maßnahmen, insbesondere über Baumaßnahmen, deren zu erwartende Fertigstellung oder Teilfertigstellung, die zu erwartenden Kosten und Art und Umfang der Bevorschussung dieser Arbeiten über die Beiträge der Wohnungseigentümer oder über Sonderumlagen. In den Wirtschaftsplan müssen auch zu erwartende Beitragsausfälle insolventer Wohnungseigentümer aufgenommen werden, die unabhängig von der Durchsetzung der Ansprüche von den übrigen Eigentümern aufgebracht werden müssen. Der Wirtschaftsplan gliedert sich in den Gesamtwirtschaftsplan und in die Einzelwirtschaftspläne, in denen die von jedem einzelnen Wohnungseigentümer zu bezahlenden Vorschüsse ausgewiesen sind. In dem Wirtschaftsplan sind die Kostenarten aufzugliedern, und der Beitrag zur Instandhaltungsrückstellung ist gesondert auszuweisen. Der Wirtschaftsplan ist der Tagesordnung über seine Beschlussfassung beizufügen, und zwar der Gesamtwirtschaftsplan jedem Eigentümer und dazu der ihn betreffende Einzelwirtschaftsplan (str., wie hier: Bub, Das Finanz- und Rechnungswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft, 1996, Rn. 65). Vor der Beschlussfassung hat der Verwaltungsbeirat gem. § 29 Abs. 3 den Wirtschaftsplan zu prüfen. Er hat hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Der BGH hat in einer weitreichenden Entscheidung - Beschluss vom 02.06.2005, V ZB 32/05 - nicht nur entschieden, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer rechtsfähig ist, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt, sondern insbesondere auch, dass der Wirtschaftsplan auch die anteilmäßige Verpflichtimg der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung enthalten muss. Dem Verwalter darf die Entscheidung über die Umlage der Kosten auf die einzelnen Wohnungseigentümer also nicht überlassen werden. Da die Verteilung der Kosten Gegenstand des Einzelwirtschaftsplans ist, gehört der Einzelwirtschaftsplan zu den unverzichtbaren Bestandteilen des Wirtschaftsplans. Es ist deshalb die Genehmigung eines Wirtschaftsplans ohne Einzelwirtschaftsplan auf Antrag für ungültig zu erklären (Niedenführ/Schulze, § 28 Rn. 27; BayOLG, NJW-RR1991,1360). Nach Ablauf des Kalenderjahres hat der Verwalter gem. § 28 Abs. 3 WEG eine Abrechnung zu erstellen und den Wohnungseigentümern zur Beschlussfassung vorzulegen. Die Abrechnungslegung erfolgt durch den amtierenden Verwalter. Der während oder am Ende der Abrechnungsperiode ausgeschiedene Verwalter ist zur Erstellung der Abrechnung nicht verpflichtet. War aber eine Abrechnung bereits fällig, so bleibt die Verpflichtung bestehen. Die Abrechnung ist nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchfüh-

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rung auf der Grundlage des Belegprinzips zu erstellen. Es handelt sich um eine Kassenrechnung, d. h. eine Einzahlungs- und Auszahlungsrechnung und nicht um eine Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung (Bub a. a. O., Rn. 53, 54; Wenzel, Die neuere Rechtssprechung des BGH zum Wohnungseigentumsrecht, NZM 2000, 68). Entscheidende Argumente

hierfür

sind

zum

einen

der

Umstand,

dass

nur

die

Einzahlungs-

/ Auszahlungsrechnung einen klaren Aufschluss über die Liquiditätslage zum Abrechnungsstichtag gibt und zum anderen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers jeder Eigentümer, auch der nicht im Geschäftsleben Versierte, die Abrechnung verstehen können muss. Durch Rückstellungen oder Rechnungsabgrenzungsposten wird dieses Verständnis erschwert. Es kommt also nur auf die im Wirtschaftsjahr tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben an, nicht auf die Zweckbestimmung, die der Zahlende mit der Zahlung angibt (BayOLG, WuM 1993,92,93). Da die Heizkostenverordnung verlangt, dass die Kosten der Heizung und der Warmwasserversorgung verbrauchsabhängig abgerechnet werden, sind bei Bevorratung von Heizöl durch die Wohnungseigentümer zur Ermittlung der Verbrauchskosten die Anschaffungskosten während der Abrechnungsperiode um den Wert des Anfangsbestandes zu erhöhen und um den Wert des Endbestandes zu vermindern, wobei sich der Wert jeweils nach den tatsächlichen Anschaffungskosten bemisst. Hier findet sich ein von der herrschenden Meinung und Rechtsprechung akzeptierter Bruch mit dem Prinzip der Ein- und Auszahlungsrechnung, weil insoweit eine Abgrenzung erfolgt. Es handelt sich hier aber um die einzig akzeptierte Ausnahme, die darauf zurückgeführt wird, dass die Heizkostenverordnung alle Regelungen der Eigentümer untereinander überlagert. Auch die Abrechnung ist wieder in Form der Gesamtabrechnung und aller Einzelabrechnungen vorzulegen und zur Beschlussfassung zu stellen. Belege sind nicht körperlich beizuführen, jedoch ist vor der Beschlussfassung eine Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen zu gewähren. Nicht Gegenstand des Genehmigungsbeschlusses über die Abrechnung sind Abstimmungen über die Konten und eine Vermögensübersicht. Diese ist aber aus Gründen der Klarheit und des Standes der Gemeinschaft gesondert beizufügen. Die Angaben zu den Kontenständen sind aber ebenso wenig wie der Saldovortrag Gegenstand der Einzelabrechnung, dienen vielmehr nur der Verpflichtung des Verwalters zur Auskunftserteilung. Das Gleiche gilt für die Vermögensübersicht. Auch hinsichtlich der Abrechnung hat der Verwaltungsbeirat sachlich und rechnerisch Stellung zu nehmen. Er kann die Jahresabrechnung mit einem Prüfungsvermerk verse-

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4 Recht der Immobilienverwaltung

hen. Er soll bei den einzelnen Belegen stichprobenartig deren Richtigkeit und Zugehörigkeit zu den Positionen der Abrechnung durchführen. Abrechnungen sind Gegenstand vieler Anfechtungsverfahren, wobei sich in aller Regel die Einwendungen gegen formell unrichtige oder nicht nachvollziehbare Abrechnungen richten, gegen den Kostenverteilungsschlüssel oder gegen Positionen einer Einzelabrechnung, die nicht aus der Gesamtabrechnung abgeleitet werden können. Verkannt wird aber von Eigentümern immer wieder, dass Unklarheiten, die bei Einsichtnahme in die Belege beseitigt werden können, trotz Anfechtungen zur Bestätigung der nachträglichen Richtigkeit der Abrechnung führen können. Immer wieder fechten Eigentümer auch die Abrechnung insgesamt an, obwohl sie sich nur gegen einzelne Positionen wenden. Dies kann im Hinblick auf das Kostenrisiko gefährlich sein. Immer häufiger unternehmen Wohnungseigentümer, aber auch Verwalter, in den Wohnungseigentümerversammlungen im Beschlusswege Korrekturen in der Belastung einzelner Wohnungseigentümer, weil sie meinen, bestimmte Eigentümer anders behandeln zu dürfen als die übrigen, etwa dann, wenn es darum geht, dass bestimmte Aufwendungen der Gemeinschaft einzelnen Eigentümern nur in geringem Maße zugute kommen und die zu begünstigenden Eigentümer andererseits bestimmte Gemeinschaftskosten, von denen sie allein profitieren, ohnehin allein tragen. Das ist unzulässig. Die Immobilienverwalter haben bei einer entsprechenden Beschlussfassung der Gemeinschaft darauf hinzuwirken, dass alle Eigentümer gem. den in Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung vereinbarten Kostenverteilungsschlüsseln an den Kosten der Gemeinschaft teilhaben. Ausnahmen sind nicht statthaft, weil es gerade im Wesen des Wohnungseigentums liegt, Gemeinschaftskosten auch gemeinschaftlich zu tragen. Deshalb hat ja der Gesetzgeber in § 16 Abs. 2 auch diesen Grundsatz ausdrücklich so formuliert. Insoweit ist die vollständige Befreiung einzelner Eigentümer von der Verpflichtung, sich an bestimmten gemeinschaftlichen Kosten zu beteiligen, nicht in Einklang zu bringen mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung (OLG Köln, NZM 2005, 20). Weiß der Verwalter, dass bestimmte Eigentümer bereits vor der Eigentümerversammlung angekündigt haben, die Jahresabrechnung anfechten zu wollen, so kann er darauf hinwirken, dass der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung über die Jahresabrechnung unter die Bedingung gestellt wird, dass ein Eigentümer die Jahresabrechnung innerhalb von 2 Wochen ebenfalls noch genehmigt. Das gilt insbesondere dann, wenn feststeht, dass dieser Eigentümer sich zunächst nicht an der Abstimmung beteiligen wird. Kommt dann die Genehmigung innerhalb der beschlossenen Frist, so ist die

4 Recht der Immobilienverwaltung

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Jahresabrechnung wirksam beschlossen und Rechtsgrundlage für die sich aus ihr ergebenden Zahlungsansprüche (OLG Köln, NZM 2005,23). 4.7.2.3

Entlastung des Verwalters

Wird die Abrechnung genehmigt, so wird mit ihr in aller Regel auch eine Beschlussfassung über die Entlastung der Verwaltung für das Geschäftsjahr durchgeführt. Wird die Beschlussfassung über die Entlastung aber nicht gesondert zum Gegenstand einer Tagesordnung gemacht, so gilt der Verwalter mit der Genehmigung der Abrechnung auch für sein Geschäftsgebaren im Wirtschaftsjahr als entlastet, allerdings nur bezüglich aller Sachverhalte, die für die Eigentümer erkennbar waren. Die Entlastung wirkt als negatives Schuldanerkenntnis der Wohnungseigentümer und beinhaltet die Erklärung, dass die Eigentümer keine Schadensersatzansprüche oder konkurrierenden Ansprüche gegen den Verwalter wegen solcher Vorgänge geltend machen wollen, die sie bei der Beschlussfassung kannten oder kennen mussten. Die Entlastung ist insoweit eine Kundgabe des Vertrauens. Kannte der Verwaltungsbeirat oder kannte eines seiner Mitglieder Umstände, die eine Entlastung ausschließen, so müssen sich die Wohnungseigentümer diese Kenntnis zurechnen lassen. Die Entlastung entfaltet dann Wirksamkeit. Grundsätzlich hat der Verwalter keinen Entlastungsanspruch (BGH, NZM 2003, 764; BGH, NZM 2003,950), ein solcher kann aber kraft jahrelanger Übung entstanden sein. Entlastet die Gemeinschaft den Verwalter, so steht ein solcher Beschluss nicht im Widerspruch zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung, sondern erst dann, wenn Ansprüche gegen den Verwalter in Betracht kommen und nicht aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf solche Ansprüche zu verzichten (BGH, NZM 2003, 764; BGH, NZM 2003, 950).

4.8 Rechtsberatung durch Immobilienverwalter Der Markt erwartet heute von Immobilienverwaltern - wie übrigens auch von Immobilienmaklern - umfassende Rechtsberatung. Diese wird als Teil professionellen Verwalterhandelns angesehen. Verwalter werden mit der Prüfung von Verträgen, einzelner Klauseln, Kündigungsmöglichkeiten und auch mit Fragen der steuerlichen Handhabung und des Verkehrs mit dem Grundbuchamt befasst. Eine derartige Rechtsberatung ist dem Immobilienverwalter aber lediglich im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) gestattet.

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4 Recht der

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Gemäß § 1 Abs. 1 des Art. 1 des RBerG darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen geschäftsmäßig - ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher oder unentgeltlicher Tätigkeit - nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist. Dabei wird die Erlaubnis jeweils für einen Sachbereich erteilt. Gemäß § 5 Ziffer 1 und 3 des RBerG sind aber solche Tätigkeiten erlaubt, die kaufmännische oder sonstige gewerbliche Unternehmer für ihre Kunden in rechtlichen Angelegenheiten erledigen, die mit einem Geschäft ihres Gewerbebetriebs in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Insbesondere ist es Hausverwaltern erlaubt, die mit der Verwaltung in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Rechtsangelegenheiten zu erledigen. Entscheidend ist die Frage, wann ein Unternehmer eine rechtliche Angelegenheit erledigt, die mit einem Geschäft seines Gewerbebetriebes in unmittelbarem Zusammenhang steht. Es muss sich wirtschaftlich gesehen um eine im Rahmen des Hauptgeschäfts vollziehende, dem Zwecke des Hauptgeschäfts dienende Nebentätigkeit handeln. Es muss sich um eine Rechtsbesorgung „nebenher" handeln, also um eine solche, die gerade zu dem betreffenden Geschäft in einer eigenen Verbindung steht und im Verhältnis zum Hauptgeschäft nur nebengeschäftlichen Charakter hat. Insofern gelten die gleichen Grundsätze wie für die Rechtsberatung des Maklers (Immobilienmakler, Lose Blattsammlung, Gruppe 3/S. 81; Sandmann, RDM-Sammlung D 560, Blatt 2). Ob das der Fall ist, ist bei dem Immobilienverwalter in erster Linie dem Tätigkeitsfeld des Verwalters zu entnehmen, und dieses Tätigkeitsfeld wiederum erschließt sich aus dem Berufsbild des Immobilienverwalters. Das Berufsbild stellt auf die Rechtsprechung ab (BGH NJW1988,561,562 - dort für Wirtschaftsprüfer). Es ist nicht zwingend erforderlich, dass die Tätigkeit ohne die Rechtsberatimg schlechthin unmöglich wäre. Es reicht vielmehr, dass die Rechtsberatung erforderlich ist, um die zum Berufsbild gehörende Aufgabe sachgemäß erledigen zu können (BGH, NJW 1988, 651,652). Ob der Immobilienverwalter juristische Vorbildung hat oder gar ein Volljurist ist, spielt für die Frage eines Verbotes rechtswidriger Rechtsberatimg keine Rolle (Riecke, Einschränkungen der Verwaltung fremden (Wohnungs-)Eigentums durch das Rechtsberatungsgesetz, ZMR 2000,493,494).

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Das Rechtsberatungsgesetz spricht von der Tätigkeit eines Hausverwalters. Der Hausverwalter ist üblicherweise mit der Verwaltung einer Immobilie verbundenen Aufgaben befasst. Insbesondere ist er berechtigt, Grundstücke und Räume zu Wohn- und Geschäftszwecken zu vermieten, die Mieten einschließlich des Einzugs zu verwalten und Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zu veranlassen, sowie über die Einnahmen und Ausgaben mindestens einmal jährlich abzurechnen (Rennen/Caliebe, Erberg, 2. Auflage, § 5 Rn. 70,76). Umstritten ist, ob der Hausverwalter generell rechtsbesorgende Tätigkeiten entfalten darf (dafür: OLG Köln, VersR 1990, 431; dagegen: OLG Koblenz, ZfIR 2000, 269). Grenzen sind nach der Rechtsprechung des OLG Köln das Auftreten in der mündlichen Verhandlung, während die Vertretung und Beratimg des Eigentümers, ζ. B. über Mieterhöhungen und Beendigungsmöglichkeiten für Mietverhältnisse gestattet sind (OLG Frankfurt, NJW-RR 1993, 335 - für Mieterhöhungen). Nicht gestattet ist die Erhebung einer Räumungsklage durch den Hausverwalter (OLG Koblenz, a. a. O., S. 269). Andererseits ist die Erhebung (wie auch natürlich die Vorbereitung) einer Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung und deren Einreichung bei Gericht statthaft (Riecke, a. a. O., S. 496). Da der Hausverwalter nach noch aktueller Rechtslage nicht mit dem WEG-Verwalter gleichzusetzen ist, wären Probleme mit dem Rechtsberatungsgesetz nur dann zu vermeiden, wenn man den WEG-Verwalter als gesetzlichen Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft ansähe. Denn dann würde er keine fremden Rechtsangelegenheiten im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes besorgen. Tatsächlich besorgt aber der Wohnungseigentumsverwalter fremde Rechtsangelegenheiten und ist auch nicht gesetzlicher Vertreter, sondern nur Beauftragter und Treuhänder der Wohnungseigentümer. Eine gesetzliche Verfahrensvollmacht besteht nur für Eilmaßnahmen (Niedenführ in: Niedenführ/Schulze, WEG, Rn. 86 vor § 43; BGG ZMR 1993, 421). Im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums ist der Wohnungseigentumsverwalter von dem generellen Verbot der Rechtsberatimg freigestellt. Seine Aufgaben und Befugnisse sind in §§ 27 und 28 WEG geregelt. Für die Aufgaben im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 27 darf der WEG-Verwalter auch vor Gericht für die Wohnungseigentümer auftreten, hingegen nicht für den einzelnen Eigentümer im Wege der Geltendmachung von Individualansprüchen. Eine grundlegende Reform der Rechtsberatung wird von dem im Entwurfstadium befindlichen Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts erwartet. Das Bundesjustizministerium hat hierzu das Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz - RDG) im Entwurf vorgelegt. Der Entwurf nennt jetzt ausdrücklich auch Wohnungsverwalter, so dass neben Verwaltern von Mietwohnungen

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auch die Wohnungsverwalter nach dem Wohnungseigentumsgesetz erfasst sind. Der BGH (NJW1993,1924) hat seinerzeit bereits entschieden, dass der Wohnungseigentumsverwalter einer behördlich eingesetzten Person gleichstehe und damit eine nach Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG erlaubnisfreie Tätigkeit ausübe. Die rechtsberatende Tätigkeit stellt sich als ein Fall der im Zusammenhang mit der Verwaltertätigkeit zulässigen Nebentätigkeit dar (§ 5 Abs. 2 Ziff. 2 RDG im Entwurf).

4.9 Die technische Verwaltung Zu den Hauptaufgaben des Immobilienverwalters gehört die technische Verwaltung. In einzelnen Rechtsgebieten (siehe § 27 Abs. 1 Ziff. 2 WEG) ist sie als Kernkompetenz des Immobilienverwalters ausgewiesen. Deshalb wird dem Leistungsbild des Verwalters in diesem Bereich breiter Raum gewidmet. Dies lässt sich beispielsweise an dem ausführlichen Pflichtenkatalog des Verwalters im Bereich der technischen Verwaltung in den Musterverträgen des Dachverbandes der Deutschen Immobilienverwalter (DDIV) Verwaltervertrag für Wohnungseigentumsanlagen und Verwaltervertrag für die Mietwohnungsverwaltung ablesen. Dabei hat das herkömmliche Leistungsbild des Verwalters im Bereich der Instandhaltung und der Instandsetzung ihren Schwerpunkt in der Instandsetzung, d. h. in der Reaktion auf die Schadensereignisse und weniger im Bereich der Vorsorge. Vorsorgende Instandhaltung heißt aber bei der Immobilie Erhaltung ihres Wertes und oft auch Verlängerung ihres „Lebens". Eine Vielzahl von Dienstleitern im Bereich der Immobilienbranche hat die Bedeutung des Themas erkannt und behandelt sie unter Begriffen wie „Technisches und Kaufmännisches Objektmanagement", „Corporate Real-Estate", „Kostencontrolling" oder auch „Facilities-Management".

Die Übergänge zwischen

Immobilienverwaltung und Facilities-Management sind jedenfalls im Bereich der technischen Gebäudeinstandhaltung fließend. Denn es handelt sich hier um einen Bereich, der bereits bisher von den Immobilienverwaltern realisiert wird (hierzu: Schrodt, Immobilien Praxis und Recht, 5/2000,32 ff). Besonders komplex und schwierig ist die technische Verwaltung im Bereich der Wohnungseigentumsverwaltung, weil hier unterschiedliche Zustimmungserfordernisse der Auftraggeber zu beachten sind, je nachdem, ob es sich um Instandhaltung und Instandsetzung im Sinne einer Reparatur, modernisierende Instandsetzung im Sinne einer Verbesserung anlässlich einer erforderlichen Reparatur oder um eine bauliche Veränderung ohne Reparatur bzw. Reparaturnotwendigkeit handelt. Erschwert wird im Bereich des WEG für den Verwalter die Umsetzung der Ziele vieler Auftraggeber, schon im Bereich der vorsorgenden Instandhaltung Maßnahmen zur Werterhaltung der Immobilie ohne

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konkreten oder konkret bevorstehenden Schadenseintritt einzuleiten (Schmidt, Festschrift für Werner Merle, 265 ff). Zwar sind grundsätzlich bei der Mietverwaltung die Aufgabenbereiche im Zusammenhang mit der technischen Verwaltung denjenigen bei der Wohnungseigentumsverwaltung vergleichbar, jedoch aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen und Kompetenzverteilungen mit ganz verschiedenen Aufgaben, Pflichten und Haftungsrisiken für den Immobilienverwalter gekennzeichnet. Bei der technischen Verwaltung geht es grundsätzlich um die Inspektion, Wartimg, Instandsetzung und Erneuerung der Anlage bzw. der Gebäude und Gebäudeteile, die zu ihr gehören. Während sich aber bei der Mietverwaltung im Wohnraummietrecht die Aufgaben auf die Bewachung der Schönheitsreparaturen und der Kleinreparaturen sowie der Rückführung baulicher Veränderungen durch den Mieter beschränken und die übrigen Aufgaben ausschließlich im Verhältnis des Verwalters zum Eigentümer stehen und dort abzuwickeln sind (sieht man von den gesetzlich definierten Modernisierungsmaßnahmen ab), so geht es im Bereich der Geschäftsraummiete schon um mehr, nämlich um die Inspektion, Wartung und Instandsetzung des Mietgegenstandes, die Überwachung der entsprechenden Verpflichtungen des Mieters und die Abgrenzung zu den meist ausschließlich beim Vermieter liegenden Verpflichtungen von Dach und Fach und von der Erneuerung nicht mehr funktionsfähiger Gebäudeteile und/oder technischen Gebäudeeinrichtungen und des Mietgegenstandes selbst. In der Wohnungseigentumsverwaltung hingegen sind die Instandhaltung und Instandsetzung die maßgeblichen Begriffe, wobei die Instandhaltung grundsätzlich hier als Summe aller Maßnahmen zu verstehen ist, die geeignet sind, um normale und verbrauchsbedingte Abnutzungserscheinungen zu beseitigen und den ursprünglichen - also bei Begründung des Wohnungseigentums bestehenden - technisch einwandfreien, gebrauche- und funktionsfähigen Zustand sowie den bestimmungsgemäßen Gebrauch einer baulichen Anlage durch pflegende, erhaltende und vorsorgende Maßnahmen aufrecht zu erhalten. Die Instandhaltung dient also insbesondere der Verhinderung von Schäden an der Gebäudesubstanz, hierzu gehören auch periodische Schönheitsreparaturen und Anstricharbeiten, Kleinreparaturen sowie z. T. periodische Inspektionen und Wartungen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit von Anlagen und Einrichtungen (Bub/ von der Osten, Wohnungseigentum von A-Z, Instandhaltung und Instandsetzung, S. 526, 527 m.w.N.). Unter Instandsetzung versteht man dagegen die Beseitigimg von größeren Schäden und Mängeln, die insbesondere durch Alterung, Abnutzung, Witterungseinflüsse, unterlassene oder unzureichende Durchführung der laufenden Instandhaltung oder durch Einwirkung Dritter entstanden sind, oder auf außergewöhnlichen

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4 Recht der

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Umständen und Ereignissen, wie Brand, Hagelschlag oder höherer Gewalt, beruhen. Sie bezweckt die Wiederherstellung eines einmal vorhanden gewesenen ordnungsgemäßen Zustandes und des bestimmungsgemäßen Gebrauchs (Bub/von der Osten, a. a. O., S. 527). Besondere Ausformungen der Instandhaltung und Instandsetzung sind modernisierende Instandsetzungen. Hierunter versteht man solche Instandsetzungen, die über die bloße Reproduktion des bisherigen Zustandes hinausgehen, wenn sie die technisch bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösung ist und zum Tragen kommt, wenn ohnehin eine Instandsetzungsmaßnahme erforderlich ist. Eine vorsorgende Instandsetzung setzt die Durchführung von Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen zur Werterhaltung der Immobilie ohne konkreten oder konkret bevorstehenden Schadenseintritt. Sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Lebenszyklus einer gebäudetechnischen Einrichtung sich dem Ende zuneigt oder eine höhere Reparaturanfälligkeit zeigt, dass demnächst weitere Reparaturen nicht mehr sinnvoll sein werden. Wertsteigerungsmaßnahmen sind keine Fälle der Instandhaltung und Instandsetzung. Unter ihnen versteht man bauliche Veränderungen, die nicht anlässlich einer notwendigen Instandsetzung, sondern aufgrund geänderter technischer Entwicklungen, verbesserter Standards und veränderter Bedürfnisse durchgeführt werden. Grundleistungen des Verwalters im Bereich der technischen Verwaltung sind: •

Durchführung der für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung sowie in sonstigen dringenden Fällen der zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen: • •

Überwachung des baulichen Zustande des gemeinschaftlichen Eigentums, Beratung der Eigentümergemeinschaft über die Notwendigkeit der Vornahme von Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten,



Einholung von Kostenvoranschlägen,



Überwachung der Arbeiten,



technische Rechnungsprüfung,



Abnahme der Arbeiten,



Rüge festgestellter Mängel und

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Organisation und Überwachung der Personen, die mit der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht beauftragt sind.



Durchführung baulicher Änderungen (Umbauten, Ausbauten, Modernisierung): •



Stellungnahme zu beabsichtigten baulichen Veränderungen.

Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums und Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Veräußerer: •

Beratung über den Inhalt zweckmäßiger Beschlussfassungen und Beratung über die Hinzuziehimg von Sonderfachleuten.

Der professionelle Verwalter sollte - wenn er hierfür qualifiziert ist - die folgenden Tätigkeiten im Rahmen des Verwaltervertrages als besondere Leistung gegen gesondert zu vereinbarende Vergütung anbieten und vereinbaren: •

Bestandsaufnahme des Objektes einschl. aller Gebäudeelemente/ Einrichtungen,



Bestandsaufnahme über alle baulichen Unterlagen, Reparatur- und Wartungsverträge'



Erfassung aller zurückverfolgbaren wesentlichen Instandsetzungskosten und Auswertimg deren Schadensursachen und deren Entwicklung,



Ermittlung der Abnutzungsdauer der Gebäudeteile und Einrichtungen,



Feststellung der Standards gemäß den einschlägigen DIN-Vorschriften und Feststellung der Entwicklung des Standes der Technik sowie diskutierter und anstehender Gesetzesänderungen,



Erstellung bzw. Erschaffung eines EDV-gestützten Instandhaltungsprogrammes,



regelmäßige Objektbegehungen unter Einsatz von Sonderfachleuten und unter Beteiligung des/ der Eigentümer(s),



Herbeiführung einer Entscheidung des/ der Eigentümer(s) zur Beiziehung eines Sonderfachmannes (z. B. Architekt/Ingenieur) bei der Erstellung des Wirtschaftsplanes bzw. Budgets für die Instandhaltung und Instandsetzung,



gemeinschaftliche Begehung mit allen in Betracht kommenden Anbietern bei größeren Instandhaltungsmaßnahmen vor Angebotsabgabe und



laufende Überprüfung und Anpassung der Wartungs- und Serviceverträge.

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4 Recht der Immobilienverwaltung

Auf die technische Verwaltung im Rahmen des Aufgabenfeldes des WEG-Verwalters wird der Regierungsentwurf für die WEG-Novelle (Stand 25.05.2005 - InfoM 3/05,154) wesentliche Auswirkungen haben. So sollen zukünftig gem. § 16 Abs. 4 die Wohnungseigentümer im Einzelfall zur Instandhaltung und Instandsetzung oder zu baulichen Veränderungen oder Aufwendungen durch Beschluss die Kostenverteilung abweichend vom Regelprinzip (Verteilung nach Miteigentumsanteilen) regeln können, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt. Weiterhin sollen Maßnahmen i. S. v. § 22 Abs. 1 WEG Modernisierung entsprechend § 559 Abs. 1 BGB oder der Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen, die eigene Art der Wohnanlage nicht ändern und keinen Wohnungseigentümer erheblich beeinträchtigen, abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 22 Abs. 1 durch eine Mehrheit von mehr als Dreiviertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer (i. S. d. § 25 Abs. 2) und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden können.

4.10 Forderungseinzu^Risikominimierung von Forderungsausfällen 4.10.1 Forderungseinzug als Kerngeschäft des immobilienverwaltenden Unternehmens? Unternehmen, die Immobilien effektiv verwalten, stellt sich zunehmend die Frage, ob der Forderungseinzug mitsamt des vollständigen Mahn- und Vollstreckungswesens nicht ausgegliedert und auf einen Dritten übertragen werden soll. Grund dafür ist die Tatsache, dass der Forderungseinzug in großem Umfange personelle Kräfte bindet, die für die Maßnahmen der Immobilienverwaltung im engeren Sinne dann fehlen, vor allem für die Objektbetreuung/ technische Verwaltung. Auch entwickelt sich die Kommunikation mit den Schuldnern, deren Beratern und auch mit den eigenen externen Bevollmächtigten zunehmend zeitaufwendig. Dies liegt vor allem an der Komplexität des Mahn- und Vollstreckungswesens und den umfangreichen Neuregelungen der Insolvenzordnung. Je nach Größe des Unternehmens ist daher auch die vollständige Ausgliederung dieser Aufgaben des Forderungseinzugs und des Forderungsmanagements und die Übertragimg dieser Aufgaben auf einen Dritten zu erwägen.

4 Recht der Immobilienvenvaltung

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4.10.2 Gesetzliche Verwalterpflichten, vertragliche Pflichten In der Mietverwaltung sind Art und Umfang der Pflichten des Verwalters zum Forderungseinzug vertraglich geregelt. Die Aufgaben dienen der Sicherung der Liquidität, der Bezahlung von Rechnungen für Grundstücke und Gebäude, der Sicherung der Vergabe von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen und natürlich auch der Sicherung der Entnahmemöglichkeit des Auftraggebers, um nur einige dieser Sicherungszwecke zu nennen. Mietvertraglich ist fast immer geregelt, wann Mieten und Nebenkosten fällig sind, und es ist die oberste Aufgabe des Verwalters, nicht ohne Zustimmung des Auftraggebers Rückstände entstehen zu lassen. Solche Rückstände können sich aus offenen Mieten, offenen Nebenkostenvorauszahlungen, Mieterhöhungen und Nebenkostenabrechnungen ergeben. Dem Immobilienverwalter drohen Haftungsrisiken, wenn er nicht auf die Zahlung offener Forderungen besteht, die Rückstände anwachsen, der Mieter einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt und sich später herausstellt, dass bei rechtzeitiger Titulierung der Ansprüche diese noch durchsetzbar gewesen wären. Auch gehen dem Verwalter und dessen Auftraggeber Druckmittel verloren. Die Eröffnimg des Insolvenzverfahrens bringt eine Kündigungssperre mit sich für alle Rückstände, die bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Der Verwalter muss das gesamte Instrumentarium kennen, das die Rechtsordnung ihm zur Verfügung stellt. Dazu gehören insbesondere auch Klagen im Urkundsverfahren mit dem Vorteil der vorläufigen Vollstreckbarkeit eines erwirkten Titels ohne Sicherheitsleistung, und dazu gehört - jedenfalls bei gewerblichen Mietverhältnissen - auch die Möglichkeit, den Mieter und Schuldner durch notarielle Urkunde der Räumungsvollstreckung bei erheblichen Zahlungsrückständen zu unterwerfen und so rasch und effizient handeln zu können. Im WEG ist der Forderungseinzug, insbesondere in Form der Ermächtigimg zur gerichtlichen Geltendmachung der Hausgeldrückstände, mehrfach verankert. Die Gemeinschaftsordnung, der Verwaltervertrag und auch ein Eigentümerbeschluss gem. § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG sind hier die Grundlagen. Im Rahmen der Ermächtigung hat der Verwalter auch die Befugnis zur Zwangsvollstreckung einschließlich zur Beantragung der Zwangsverwaltung, um die Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nachdruck durchzusetzen. Die Ermächtigung zur Geltendmachung von Rückständen schließt auch die Befugnis zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts mit ein (BayOLG, WE 1992,144).

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4 Recht der Immobiliemyerwaltung

Mit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (BGH, Besohl, v. 02.06.2005 - V ZB 32/05) sind die Ansprüche der Gemeinschaft zur Durchsetzung von Beitragsforderungen gegen säumige Wohnungseigentümer erleichtert. Die Gemeinschaft kann als Gläubiger einer Zwangshypothek in das Grundbuch eingetragen werden. Während früher alle Gläubiger (alle Eigentümer) unter Angabe von Namen, Vornamen, Wohnort und Beruf eingetragen werden mussten, reicht jetzt eine dem Titel beigefügte Eigentümerliste. 4.10.3 Anzeichen für wirtschaftliche Probleme des Mieters Wenn die Mietzahlungen ausbleiben, ist es in aller Regel bereits zu spät. Der Mieter ist zahlungsunfähig, ein Insolvenzantrag ist schon gestellt oder steht unmittelbar bevor. Häufig ergeben aber bereits vorher verschiedene Anzeichen Aufschluss darüber, dass der Mieter in Schwierigkeiten geraten ist. Diese gilt es, zu erkennen. Hier mag unterstützend wirken die nachfolgende Checkliste: „Anzeichen für wirtschaftliche Probleme des Mieters" •

Einzugsermächtigung wird widerrufen/Dauerauftrag wird erteilt,



Vermieter wird tun Austausch der Sicherheitsleistung gebeten,



nach vielen Jahren wird erstmals Einsicht in die Nebenkostenabrechnungsbelege begehrt,



Mieter ersucht um Erlaubnis der Untervermietung an einen Branchenfremden,



Mieter erhebt Mängelrügen bezüglich der Mietsache,



Mieter kommt der Betriebspflicht nicht nach,



der Dauerauftrag wird in Einzelanweisungen geändert,



die Mietzahlung erfolgt unregelmäßig,



die Mietzahlungen bleiben aus.

4.10.4 Risikominimierung gegen Mietausfälle Risiken gegen Mietausfälle lassen sich in verschiedener Weise minimieren. Gerade im gewerblichen Mietrecht, aber auch im Wohnraummietrecht, gibt es zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Hilfe mag geben die beigefügte

4 Recht der Immobilienverwaltung

337

Checkliste „Möglichkeiten der Risikominimierung gegenüber Mietausfällen" •

Vereinbarung von Schuldübernahme bzw. Schuldmitübernahme im Mietvertrag,



Vereinbarung einer sogenannten Patronatserklärung mit einem Dritten (ζ. B. Muttergesellschaft),



Erhöhung der Bürgschaft bei vom Vermieter überlassener hochwertiger Mietsache über 3 Monatsmieten hinaus,



Klage auf künftige Herausgabe (wenn der Mieter innerhalb einer vom Vermieter gesetzten Frist nicht erklärt, rechtzeitig zu räumen (OLG Stuttgart - 5 W 1 6 / 99 -; Rademacher, MDR 2000,57,60)),



Verpflichtung des Mieters im Mietvertrag zur Abgabe einer Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung wegen der Rückgabeverpflichtung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 n. F. BGB),



Handelsregister- und IHK-Auskunft vor Abschluss des Mietvertrages,



Übergabe der Räume nur Zug um Zug gegen Übergabe der vereinbarten Bürgschaft. Schuldmitübernahme, Schuldübernahme Muster:

„Kommt der Mieter seinen Verpflichtungen zur Zahlung des Mietzinses einschließlich der Nebenkostenvorauszahlungen, Nebenkostennachzahlungen und zur Erbringung der Sicherheitsleitung nicht nach oder wird die Gesellschaft des Mieters oder des Rechtsnachfolgers nicht im Handelsregister eingetragen oder aber die Gesellschaft des Mieters oder des Rechtsnachfolgers aufgelöst oder Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, so übernimmt X die Verpflichtungen des Mieters aus dem Mietvertrag für die Dauer von 18 Monaten ab Zahlungsausfall oder ab Kenntnis des Vermieters vom Eintritt eines der oben genannten Gründe. X übernimmt insoweit in diesem Vertrag (Schuldübernahme/Schuldmitübernahme) die Verpflichtungen des Mieters. Diese Vereinbarung des Vermieters und X wird in diesem Mietvertrag durch gesonderte Unterschrift wie folgt bestätigt...." 4.10.5 Vorzeitiger Auszug des Mieters/Nichtübernahme der Räume Zieht ein Mieter eigenmächtig aus oder verweigert er trotz vertraglicher Vereinbarung die Übernahme der Mieträume bei Vertragsbeginn, so stellte sich früher das Problem, dass der Vermieter bei einer fristlosen Kündigung das Risiko einging, sich ein Mitverschulden im Rahmen der Weitervermietung entgegenhalten lassen zu müssen. Dies ist

338

4 Recht der

¡mmobiliettverwaltung

schon immer als dem Vertragstreuen Vertragspartner gegenüber nicht gerechte Handhabung empfunden worden. Nun hat der BGH zunächst bei einem eigenmächtigen Auszug des Mieters gestattet, dass auch ohne Kündigung weitervermietet werden kann. Der Vermieter muss sich nicht ein Verschulden entgegenhalten lassen. Noch weitergehender schützt jetzt die Rechtsprechung den Vermieter (BGH Urteil v. 22.12.1999, Az. XII ZR 339/97, zitiert bei Hannemann, ARGE Mietrecht und WEG, InfoLetter, 1/2000,19), denn ihm ist bei Verweigerung der Übernahme der Mieträume durch den Mieter nicht nur eine Weitervermietung auch ohne Kündigung möglich, sondern sogar ein Rückgriff auf den alten Mieter bei mangelnder Bonität des neuen Mieters. Bei alldem ist aber zu beachten, dass die Unterlassimg der Kündigung sich dann zum Nachteil auswirken kann, wenn die Suche nach einem neuen Mieter erfolglos bleibt. Denn die Insolvenzordnung regelt in §§ 112,119 InsO unabdingbar, dass - rückwirkend bezogen auf die Einleitung des Insolvenzverfahrens - eine Kündigungssperre zu Lasten des Vermieters greift. Das bedeutet, dass der Vermieter für den Fall von Anzeichen einer Insolvenz kündigen muss, will er nicht riskieren, dass weitere Mietrückstände auflaufen, weil die Kündigungssperre greift und der Insolvenzverwalter sich auf diese beruft. 4.10.6 Begriffe aus dem Mahn- und Vollstreckungswesen Verzug

Fälligkeit und Mahnung. Die Mahnimg ist entbehrlich, wenn die Zahlung kalendermäßig bestimmt ist.

Mietvertragliche Regelungen

03. Werktag eines jeden Monats heißt: Spätestens der 5. Kalendertag im Monat ist der Absendetag. Für die fristgerechte Zahlung kommt es grundsätzlich auf die Absendung, nicht auf den Eingang der Zahlung an. D. h. wiederum, dass bankübliche Laufzeiten hinzuzurechnen sind: Faustregel: Am 10. eines jeden Monats muss das Geld da sein! Viele Mietverträge enthalten aber auch eine Rechtzeitigkeitsklausel, wonach es für die Rechtzeitigkeit der Zahlung auf den Eingang der Miete beim Vermieter ankommt. Auch formularmäßig sind solche Klauseln wirksam.

4 Recht der Immobilienverwaltung

339

Vorauszahlungs-

Vorauszahlungsklauseln sind unwirksam, wenn im Mietvertrag

klausel contra

auch eine Klausel vorhanden ist, wonach Aufrechnung wegen

Aufrechnung

eines Mangels von einer Anzeige der Absicht mindestens einen Monat vor Fälligkeit abhängig gemacht wird. Denn bei gleichzeitiger Vorauszahlungspflicht ginge dann die Aufrechnimg ins Leere.

Einziehungser-

Einziehungsermächtigungen sind auch formularmäßig zulässig

mächtigung

(BGH NJW1996,988).

Mahnung

Mahnimg reicht, dann sofort Mahnbescheid beantragen.

Kündigung

§ 543 BGB genau lesen! Die fristlose Kündigung kann auch bereits dann ausgesprochen werden, wenn der Mieter für 2 aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils des Mietzinses in Verzug ist. D. h.: Für zwei aufeinanderfolgende Termine eine Miete und € 1,00. Häufig kommt es vor, dass der Mieter zunächst mindert und dann den Mietzins wegen eines vermeintlichen oder behaupteten Mangels für den nächsten Monat zurückbehält. Dann ist in jedem Falle ein fristloser Kündigungsgrund gegeben, wenn Minderung und Zurückbehaltung unbegründet sind.

Unpünktliche

Wegen unpünktlicher Mietzahlung kann ebenfalls fristlos ge-

Mietzahlung

kündigt werden, und zwar nicht nach § 543 Abs. 2 Ziff. 3 BGB, sondern nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB, denn die wiederholte verzögerliche Mietzahlung ist für den Vermieter unzumutbar und schafft ihm die Berechnung zur Beendigung des Mietverhältnisses. Faustregel: für fristlose Kündigung wegen unpünktlicher Mietzahlung: Zeitraum von 4-5 Monaten, mehrfache unpünktliche Zahlung, aber: eine Abmahnung reicht.

Schicksal des

Das Untermietverhältnis

hängt von der Wirksamkeit

des

Untermietver-

Hauptmietverhältnisses ab. Die Beendigung des Hauptmietver-

hältnisses bei

hältnisses ist dem Untermieter mitzuteilen. Räumt dieser dann

Kündigungen

nämlich nicht, hat der Vermieter gegen den Untermieter einen direkten Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe der bislang gezahlten Miete.

340

4 Recht der

Immobilienverwaltung

Nachträgliche

Im gewerblichen Mietrecht gibt es anders als im Wohnraum-

Zahlung des

mietrecht keine Heilung der Nichtzahlung durch Nachzahlung.

Mietzinses nach

Aber auch im Wohnraummietrecht heilt die Bezahlung des

fristloser

Rückstands nicht zwingend auch eine gleichzeitig ausgespro-

Kündigung

chene fristgemäße Kündigung (BGH, NZM 2005,334).

Tilgungsbe-

In der Forderungsaufstellung, die dem Mieter zu schicken ist, ist

stimmungen für

eine sorgfältige Verrechnung auf Kosten, Zinsen und Hauptfor-

Zahlungen

derung vorzunehmen. Dabei müssen aber Tilgungsbestimmungen des Mieters beachtet werden. Wenn diese auf die Miete zahlt und dies ausdrücklich und nachweislich so bestimmt, kann ζ. B. nicht auf die Kosten verrechnet werden.

Mahnverfahren

Der Mahnbescheid - gegen jeden Schuldner getrennt - ist bei dem Amtsgericht zu beantragen, bei dem der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Es ist also nicht das Gericht zuständig, bei dem der Gegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Der Mahnbescheid hat den Inhalt des § 690 ZPO zu wahren: Bezeichnung des Anspruchs unter besonderer Angabe der verlangten Leistung: Beispiel: Rückständige Miete Mai und Juni 2000 je EUR 5.000,00 zzgl. Nebenkostenvorauszahlungen je EUR 1.000,00 für Mietverhältnis Parkstr. 13, FfM gem. Mietvertrag vom 01.05.2002

Widerspruch des

Jeder Schuldner kann binnen 2 Wochen nach Zustellung des

Schuldners

Mahnbescheids Widerspruch erheben. Ein nicht fristgerechter Widerspruch wird als Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid behandelt (§ 694 Abs. 2 ZPO).

Vollstreckungs-

Wehrt sich der Schuldner nicht, so ergeht auf der Grundlage des

bescheid

Mahnbescheids Vollstreckungsbescheid. Der Vollstreckungsbescheid ist Vollstreckungstitel. Er wird von Amts wegen zugestellt. Er ist vorläufig vollstreckbar. Wird Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt, so bleibt er vollstreckbar, und zwar solange, bis ein Gericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung verfügt.

4 Recht der Immdbilienvenoaltung

Verfahren nach

Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben, so entscheidet nach be-

Widerspruch

antragter Abgabe des Gerichts, das gem. § 692 ZPO zu entscheiden hat. Die Abgabe erfolgt erst, wenn die weiteren Kosten einbezahlt sind. Diese werden dem Antragsteller zusammen mit dem Widerspruch mitgeteilt.

Fruchtlose Voll-

Teilt der Gerichtsvollzieher mit, dass die Vollstreckung fruchtlos

streckung

war, so kann Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gestellt werden. Dieses Verfahren ist durch die Zwangsvollstreckungsnovelle vom 01.01.1999 vereinfacht worden.

Besondere Voll-

Pfändimg von Leasingfahrzeugen (Gläubiger kann die letzten

streckungsmög-

Leasing-Raten zahlen und erhält dann das Fahrzeug übereignet)

lichkeiten

Pfändung von Lebensversicherungen Pfändung von Renten- und Pensionsansprüchen Pfändung von Steuererstattungsansprüchen (§ 46 AO)

Tabelle 6: Begriffe aus dem Mahn- und Vollstreckungswesen

4.11 Immobilienverwaltung und öffentliches Recht 4.11.1 Der Verwalter als Adressat von Verwaltungsakten Häufig ergehen Bescheide (insbesondere solche der Gefahrenabwehr, im Bereich des Baurechts und Steuerbescheide), von denen der Verwalter - häufig zu Unrecht - meint, diese seien zum einen nur für den Eigentümer bestimmt und brächten im als Verwalter aktuell keinen Handlungszwang. Zum einen ist gerade im Bereich der Gefahrenabwehr - und der Vorsorgepflichten auch der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück geeigneter Adressat für Verwaltungsakte. Dies gilt ζ. B. im Bereich des Bundesbodenschutzgesetzes, das in seinem § 4 Abs. 2, 7 BBodSchG ausdrücklich alternativ den Grundstückseigentümer oder den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück anspricht (hierzu: Schlemminger, NZM1998,949). Ebenso wichtig ist nun, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes an den Verwalter Fristen auch gegenüber dem Eigentümer auslöst.

341

342

4 Recht der

Immobilienverwaltung

4.11.2 Verwaltungsakte betreffend die WEG Der Verwalter ist im außergerichtlichen Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsgerichtsverfahren (VwGO) (NJW-RR 1995, 73) ausschließlich zuständiger Zustellungsvertreter, insbesondere für Zustellungen von Verwaltungsakten, Ladungen, Beschlüssen und Urteilen. Für den WEG-Verwalter ist gesetzlich geregelt (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG), dass er kraft Gesetzes berechtigt ist, Willenserklärungen und Zustellungen entgegen zu nehmen, die an die Wohnungseigentümer gerichtet sind. Für die Mietverwaltung ergibt sich die entsprechende Berechtigung aus dem Verwaltervertrag. Richtet sich dagegen ein Verwaltungsakt an einen einzelnen Wohnungseigentümer und nicht an die Gemeinschaft, so ist der Verwalter nur dann Zustellungsbevollmächtigter, wenn er gleichzeitig auch Verwalter des Sondereigentums ist. Dies ist aber eher die Ausnahme. Das hat zur Folge, dass grundsätzlich derartige Verfügungen erst Wirkung beim Wohnungseigentümer auslösen, wenn sie diesem zur Kenntnis gelangt sind. Im WEG (§ 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG) ist ausdrücklich bestimmt, dass der Verwalter Maßnahmen treffen kann, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind. Im Mietrecht ergibt sich diese Verpflichtung aus dem Verwaltervertrag, kraft dessen der Verwalter die Interessen seines Auftraggebers zu wahren hat, soweit ihm dies möglich ist. 4.11.3 Verhalten des Verwalters bei Empfang von Verwaltungsakten Im Zweifel wird der Verwalter sowohl im Bereich des WEG als auch im Mietrecht zur Fristwahrung die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Hierzu gehört die Erhebung eines Widerspruchs durch den Verwalter, wenn er vor Ablauf der Widerrufsfrist (grundsätzlich ein Monat) eine Weisung des Auftraggebers nicht einholen kann. 4.11.4 Baurechtliche Verfahren Teilweise wird in Landesbauordnungen (z. B. § 55 Abs. 1 Satz 1 LBOBW) geregelt, dass die Gemeinde die Eigentümer angrenzender Grundstücke (Angrenzer) von einem Bauantrag zu unterrichten hat. Werden dann (§ 55 Abs. 2 Satz 3 LBOBW) Bedenken nicht

4 Recht der Immobilienvenualtung

343

innerhalb von 2 Wochen vorgebracht, so kann im Baugenehmigungsverfahren der Nachbar von Einwendungen abgeschnitten werden. In Hessen

beispielsweise

gibt

es keine

entsprechende

Regelung.

Dort

regelt

§ 69 HBO die Beteiligung des Nachbarn. 4.11.5 Fristen Präklusionsregelungen, bei denen der Verwalter Fristen zu beachten hat, die gegen seinen Auftraggeber wirken, gibt es im Bundesimissionsschutzgesetz (§ 10 Abs. 3 Satz 3, Im Wasserrecht (§ 107 Abs. 2 Wassergesetz) und beispielsweise auch im Bundesfernstraßengesetz (§ 17 Abs. 4). 4.11.6 Polizeiliche Anordnungen Der Verwalter darf sich nicht darauf verlassen, dass grundsätzlich der Nutzer (Mieter/Pächter) vor dem Eigentümer in Anspruch genommen wird. Vielfach wird noch insoweit ein Vorrang der Inanspruchnahme des sogenannten Verhaltensstörers vor dem sogenannten Zustandsstörer gesehen. Wie eingangs (§ 4 Abs. 2, 7 BBodSchG) ausgeführt wurde, gelten diese allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätze nicht uneingeschränkt, weshalb aus der Sicht des Verwalters äußerste Vorsicht geboten ist. Es würde schwierig auszuräumende Rechtsnachteile bringen, wenn sich der Verwalter darauf stützen würde, die Inanspruchnahme des Eigentümers als vorrangige Maßnahme sei im Rahmen der Ermessensausübung seitens der Behörde rechtswidrig (hierzu umfassend: Büchner, Der Immobilienverwalter 4/97, 158 f., 250). Der Verwalter ist auch Adressat für Verfügungen aufgrund der Baustellenverordnung vom

10.06.1998

(beruhend

auf

dem

Arbeitsschutzgesetz,

Umsetzimg

der

EU-

Baustellenrichtlinie 92/57 EWG). Die Baustellenverordnung verpflichtet den Bauherren, für Sicherheit und Gesundheitsschutz auf der Baustelle zu sorgen. Er wird meist einen Sonderfachmann als Si+Ge-Koordinator einsetzen. Zwar regelt die Baustellenverordnung die zivilrechtliche Haftung der Baubeteiligten, jedoch wird bei Überprüfungen der sicherheits- und gesundheitsschützenden Maßnahmen auf der Baustelle seitens der Baubehörde diese sich an den Verwalter richten, wenn er Si+Ge-Koordinator nicht greifbar ist (umfassend zur Baustellenverordnung: Kommentar von Kollmer, Baustellenverordnung, Beck-Verlag 2000).

344

4 Recht der

Immobilienverwaltung

4.11.7 Grundsteuerbescheide Der Verwalter ist in aller Regel nicht in der Lage und geeignet, die Rechtmäßigkeit von Grundsteuerbescheiden, die an seinen Auftraggeber gerichtet sind, zu überprüfen. Es kann dahingestellt bleiben, ob er hierzu im Rahmen von Art. 1 § 5 des Rechtsberatungsgesetzes befugt ist oder nicht. Seine Befugnis und Verpflichtung reicht jedenfalls so weit, seinen Auftraggeber hinsichtlich der formell notwendigen Schritte zur vorläufigen Abwendung von Rechtsnachteilen aufzuklären. Das gilt insbesondere dann, wenn die Rechtswidrigkeit dem Bescheid „auf der Stirn geschrieben steht", was durchaus keine Seltenheit ist.

4.12 Checkliste für zu übergebende Unterlagen bei der Verwaltung von Wohnungseigentum und Mietobjekten Für die Übernahme und insbesondere die Durchführung der Verwaltung werden alle hierfür notwendigen Unterlagen, Dokumente, Bescheide und sonstige Papiere benötigt, die zur verantwortlichen Durchführung der übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Es sind dies insbesondere die in der nachfolgenden Liste als Beispiel aufgeführten Hausund Grundstücksunterlagen für die Verwaltung. •

Liste aller Eigentümer und/oder Verzeichnis aller Mieter nach Wohnungsnummern oder Wohnungsanlage mit Angabe Anschrift, Telefon, soweit bekannt Beruf, Anzahl der Personen,



Grundbuchauszug sowie Verzeichnis aller eventuell nicht aus den Grundbucheintragungen zu ersehenden Rechte und Pflichten (ζ. B. Wegerechte, Gestattungen, Nachbarvereinbarungen) und Auszug aus dem Baulastenverzeichnis,



Alle Katasterunterlagen (ζ. B. Fortführungsnachweise, Auszüge aus dem Liegenschaftsbuch, Flurkarten, amtliche Lagepläne),



Kompletter Bauschein einschließlich etilen Anlagen, Plänen, Statik, Entwässerungszeichnungen etc.,



Geprüfte Statik, soweit nicht dem Bauschein beigefügt,



Baubeschreibung sowie Beschreibung der tatsächlichen Ausführung von Bauten, soweit letztere vorhanden,



Wohnflächenberechnung und Berechnung des umbauten Raums,



Rohbau-, Gebrauchs- und Schlussabnahmescheine,

4 Recht der Immobilienverwaltung



345

Abnahmeprotokoll des Gemeinschaftseigentums und, soweit vorhanden, Hinweise und Daten für die Abnahme des Sondereigentums,



Komplette Bestandspläne des Hauses sowie aller Installationen, technischer und sonstiger Anlagen, wie ζ. B. Elektroanlage, Sanitäranlage, Heizungsanlage, Feuerlöschanlage, Druckerhöhungsanlage, Wasseraufbereitungsanlage, Notstromanlage, Gemeinschaftsantennenanlage, Müllanlage und Müllaufzug, Blitzschutzanlage mit letztem Prüfzeugnis, Öltankanlage mit letztem Prüf- und Überwachungszeugnis, Schließplan und Sicherungsschein der Schlüsselanlage, Übergabe aller Bedienungsanweisungen und Angabe von Namen und Anschrift des Einweisers,



Brandversicherungsurkunde,



Teilungserklärimg mit allen Änderungen und Ergänzungen, Gemeinschaftsordnung mit allen Änderungen und Ergänzungen,



Verzeichnis aller bestehenden Versicherungen und Übergabe aller Versicherungspolicen,



Alle öffentlichen Bescheide (ζ. B. über Anleger- und Erschließungskosten und -leistungen, Grundsteuer bzw. Grundsteuerfreiheit, Einheitswert/-werte, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Steuern einschließlich Steuernummer bei Stadt und Finanzamt, Angabe aller Abnehmernummern, sonstige Gebührenbescheide, Angabe des Bezirksschornsteinfegermeisters, Ergebnis der letzten Brandschau),



Alle Vereinbarungen mit Stadtverwaltung und den Ver- und Entsorgungsunternehmen (z. B. Wasserwerk, Gaswerk, Post, Genehmigung der Antennenanlage, Stadtwerke für die Elektroversorgung einschließlich etwaiger Trafo-Anlagen, örtliche Aufnahme und Berechnimg des Bereitstellungspreises, Entwässerungsamt, unter anderem auch für etwaige Hebeanlagen, Öl-, Fett- und sonstige Abscheider sowie Schlammfänge, Müllabfuhr/Stadtreinigungsamt),



Alle Wartungsverträge einschließlich Namen, Anschrift und Telefonnummer des Betreuers,



Betreuungsvertrag mit der Wärmemessfirma einschließlich Namen, Anschrift und Telefonnummer des Betreuers sowie alle Unterlagen und Listen über Heizflächen, Raumbezeichnungen etc.,



Hausmeistervertrag einschließlich Mitgliedsschein der zuständigen (Verwaltungs-) Berufsgenossenschaft,

346



4 Recht der

¡mmobilienvenoaltung

Verzeichnis aller für Haus/Grundstück/Wohnungseigentumsanlage laufend mit Reparaturen und Arbeiten beauftragten Handwerker und Unternehmen,



Verträge mit und/oder Abrechnungen dieser Handwerker und Unternehmen einschließlich einer Liste der Gewährleistungsfristen, etwa vorhandene Bürgschaften bzw. eine Auflistung etwa vorhandener Einbehalte,



Beschlussbuch und/oder Sammlung der Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft, insbesondere solcher, die die Teilungserklärung tangiert haben,



Bei Mietverwaltung alle Mietverträge nebst Anlagen und Nachträgen sowie Auflistung der bisherigen letzten Nebenkostenvorauszahlungen und der Nebenkostenabrechnungen,



Abrechnungen des Vorverwalters (Gesamt- und Einzelabrechnungen) einschließlich aller erforderlichen sonstigen Angaben, wie Vermögensstatus, Forderungen und Verbindlichkeiten früherer Jahre),



Letzter genehmigter Wirtschaftsplan,



Rechnungslegung des ausgeschiedenen Verwalters (Gesamtabrechnung ohne Einzelabrechnung),



Übergabe der Konten, Gelder und des Vermögens der Eigentümer,



Übergabe des Gemeinschaftseigentums (auch einschließlich des beweglichen Eigentums, wie z. B. Hausmeistergerät und -Werkzeug, Ersatzteilvorrat etc.) und aller Schlüssel,



Auflistung aller laufenden und noch nicht abgerechneten Vorgänge (z. B. Versicherungsschäden, Versicherungsleistungen) und Übergabe der betreffenden Unterlagen,



Übergabe des gesamten Schriftwechsels betreffend die Liegenschaft, einschließlich einer Auflistung aller Kenntnisse, Tatsachen und Vorgänge, die für den neuen Verwalter und dessen ordnungsgemäßer Arbeit erforderlich sind und



Versicherung des Vorgängers in der Verwaltung, dass alle Unterlagen, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung notwendig sind, übergeben sind, so dass der neue Verwalter auf alle Tatsachen, Vorgänge etc. für eine ordnungsgemäße Verwaltung hingewiesen ist und darauf, dass ein Rückbehalt von notwendigen Unterlagen nicht erfolgt ist.

4 Recht der Immobilienverwaltung

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4.13 Checkliste Verwaltersuche Der Bewerber um die Verwaltung Ihres Objektes sollte zufriedenstellende Auskünfte/ Antworten zu folgenden Fragestellungen bzw. Themen geben können: •

Erklärung zur Ausbildung: Möglichst: Kauffrau/Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft oder vergleichbarer Abschluss,



Dauer der Berufstätigkeit als Verwalter,



Vorlage Beispiel Verwaltervertrag mit Abgrenzung Grundleistung/ besondere Leistungen,



Kontrollmechanismen im Unternehmen darstellen (TQM),



Beispiel für eine Abrechnung,



Beispiel Beschlussprotokoll oder: Vorlage des Beschlussbuches,



Erklärung des Versicherers über die Existenz einer angemessenen Vermögensschaden-Haftpflicht für verwaltete Objekte,



Ist das Verwaltungsunternehmen Ausbildungsbetrieb?



Wird Nachwuchsarbeit betrieben?



Ist der Verwalter Mitglied eines Immobilienverwalterverbandes (ζ. B. im jeweiligen Verband der ImmobilienVerwalter innerhalb des DDIV)?



Referenzliste mit Erläuterungen zur Wiederwahl/Wiederstellung verwalteter Objekte. Wo und wie finde ich Verwalter? www.DDIV.de

4.14 Die Bestellung des Verwalters nach dem Wohnungseigentumsgesetz Bei einer Gemeinschaft mehrerer Eigentümer richtet sich die Einsetzung eines Verwalters nach §§ 741 ff BGB. Im Gegensatz hierzu hat das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) durch die Regelungen über die Bestellung und Abberufung des Verwalters (§ 26 WEG) ein institutionelles Organ für die Abwicklung der laufenden Angelegenheiten geschaffen. Die Bestellungszeit ist gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 WEG auf eine Höchstdauer von 5 Jahren befristet. Eine wiederholte Bestellung ist zwar möglich, jedoch kann über sie nicht früher als 1 Jahr vor Beendigung der Bestellungsdauer durch die Wohnungseigentümer entschieden werden. Wie wichtig für das WEG das Recht auf Bestellung ist, ist an § 20

348

4 Recht der Immobilienvenvaltung

Abs. 2 WEG ablesbar, der erklärt, dass das Recht zur Verwalterbestellung unabdingbar ist. Regelungen, die die freie Auswahl des Verwalters unmittelbar oder mittelbar einengen, sind nichtig. Die Abberufung des Verwalters steht ausschließlich den Wohnungseigentümern zu. Der Verwalter im WEG ist Vollzugsorgan des Willens der Eigentümer und Sachwalter fremden Vermögens. Ob er darüber hinaus Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft ist oder als Treuhänder die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer wahrnimmt oder gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft ist, ist umstritten. Richtigerweise wird man sagen müssen, dass die Vertretungsmacht des Verwalters Elemente der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung und Elemente der gesetzlichen Vertretung enthält (Bub in: Bub (u. a.), WEG § 26 Rz. 81). Im WEG hat jeder Eigentümer gem. § 21 Abs. 4 einen Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung. Hierzu gehört auch der Anspruch gegenüber den anderen Eigentümern auf Bestellung eines Verwalters. Kommt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einer entsprechenden Aufforderung nicht nach, kann jeder Eigentümer durch gerichtlichen Antrag die anderen Eigentümer zu einer Entscheidung über die Bestellung eines Verwalters zwingen. Soweit nicht bereits in der Gemeinschaftsordnimg des teilenden Eigentümers nach §§ 3 und 8 WEG zulässig ein Verwalter bestellt ist, liegt die Kompetenz zur Bestellung eines Verwalters im Übrigen bei der Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese bestellt den Verwalter i. d. R. durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer in einer Wohnungseigentümerversammlung nach § 23 Abs. 1 WEG (in Ausnahmefällen kann sie die Bestellung auch in einem schriftlichen Umlaufverfahren durchführen). Bei der Bestellung sollen die Wohnungseigentümer sorgfältig nach vorher aufgestellten Kriterien und unter verschiedenen Kandidaten den geeigneten Verwalter wählen. Hilfreich für die Vorbereitung ist dabei die Aufstellung und Abarbeitung einer Checkliste (u. a. Berufsausbildung, Referenzen, angemessene Vermögensschadenshaftpflichtversicherung, Weiterbildungsmaßnahmen). Die Besonderheit des WEG - Kompetenz der Wohnungseigentümer zur Bestellung und Abberufung des Verwalters - wird besonders daran deutlich, dass der Bestellungsakt und der Abschluss eines Verwaltervertrages unabhängig voneinander bestehen. Der Bestellungsakt ist ein Organisationsakt, dagegen der Verwaltervertrag ein schuldrechtlicher Vertrag, kraft dessen der Verwalter die Verwaltung einer Wohnungseigentumsanlage übernimmt. Einerseits erlangt der Verwalter seine Rechtstellung erst mit Abschluss des Verwaltervertrages. Andererseits genügt aber der Abschluss des Verwaltervertrages oh-

4 Recht der Immobilienverwaltung

349

ne Bestellung nicht zur Verschaffung der Verwalterstellung (Bub a. a. O., Rz. 203, 130, 132). Das hat zur Folge, dass mangels Abschlusses eines Verwaltervertrages nach der Bestellung die Wohnungseigentümer den Bestellungsbeschluss wieder aufheben können und den Verwalter abberufen können, ohne dass der Verwalter - bis auf die Geltendmachung von Vergütungs-/ Aufwendungsansprüchen - hiergegen vorgehen könnte. Gegenstand der Verwaltung des WEG-Verwalters sind das gemeinschaftliche Eigentum und das Verwaltungsvermögen. Hingegen ist die Verwaltung des Sondereigentums Sache des einzelnen Eigentümers. Zwar ist der Wohnungseigentumsverwalter grundsätzlich nicht gehindert, auch für einzelne Eigentümer die Sondereigentumsverwaltung zu übernehmen. Dabei hat er aber Interessenkollisionen zu vermeiden, in jedem Falle seine Doppeltätigkeit anzuzeigen und im Zweifel den Interessen der Wohnungseigentümer den Vorrang zu geben (Schmidt, Die Verwaltung von Sondereigentum, Wohnungseigentum 1995,49,51).

350

4 Recht der Immobilienverwaltung

Literaturverzeichnis zu Kap. 4 BärmaniVPick/Merle: Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 9. Aufl., München 2000. Bub: in Bub (u. a.) WEG, Kommentar, München 1997. Bub/von der Osten: Wohngungseigentum von A bis Z, Instandhaltung und Instandsetzung Büchner: Der Immobilienverwalter 4 / 97. Deckert: Gruppe 2: Durchführung von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum als Aufgabe des WEG-Verwalters, PiG Band 48 (1995). Gather: Vereinbarungen von Miete, Nebenkosten und Mietsicherheit bei Gewerberaum, DWW1997. Geldmacher: Nebenkostenvereinbarungen, DWW 1994. Gottschalg: Die Haftung des WEG-Verwalters, Der Immobilienverwalter 1/95. Gottschalg: Probleme bei der Einberufimg der Wohnungseigentümerversammlung, NZM1999. Hannemann: ARGE Mietrecht und WEG, Info-Letter 1/2000. Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste der Bundesanstalt: Nürnberg Nr. 18/97 v. 30.04.1997. Kinne: Indexmieten und der Euro, Grundeigentum 1998. Pfeiffer: Sonstige Betriebskosten und deren Umlage, ZMR1993. Recker/Slomian: Immobilienverwaltung, Praxishandbuch 2000. Riecke: Einschränkimg der Verwaltung fremden (Wohnungs-)Eigentums durch das Rechtsberatungsgesetz, ZMR 2000. Samm: Referenzzinssätze und Wertsicherungsklauseln, Grundeigentum 1998. Sandmann: RDM-Sammlung D 560, Blatt 2.

4 Recht der Immobilienverwaltung

351

Schmidt: Das Schiedsgericht, Ein Verfahren für den Verwalter?, Partner im Gespräch, Band 54 (1998). Schmidt: Der Immobilienverwalter 2/2000. Schmidt: Die Verwaltung von Sondereigentum, Wohnungseigentum 1995. Schmidt: Festschrift für Werner Merle. Schmidt: Zusatztätigkeiten des Wohnungseigentumsverwalters, PiG Band 44 (1995). Schmidt: Immobilienzeitung vom 24.07.1994 Schrodt: Immobilien Praxis und Recht, 5/2000. Seuß: Deutsches Ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentumssachen in Leipzig, Der Immobilienverwalter (DIV) 1998. Stein: Immobilien Praxis und Recht 10/99. Stemel: Mietrecht III Tiefenbacher: Einführung von Wärmecontractur bei bislang vermieterseits beheizter Wohnung, NZM 2000. Wenzel: Die neuere Rechtsprechung des BGH zum Wohnungseigentumsrecht, NZM 2000.

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

353

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben Michael Krautzberger und Rudolf Stich Rechtsgrundlagen mit Abkürzungen

357

5.1 Einführung in die Bedeutung des öffentlichen Planungs- und Baurechts für die Immobilienökonomie

359

5.1.1 Die Zweiteilung des öffentlichen Planungs- und Baurechts in Bundesund Landesrecht

359

5.1.1.1 Vorbemerkung

359

5.1.1.2 Überblick über das Städtebaurecht des Bundes

360

5.1.1.3 Überblick über das Bauordnungsrecht der Länder

361

5.1.2 Die vier notwendigen baurechtsbezogenen Fragen vor dem Erwerb von Grundstücken für Bauzwecke 5.1.2.1 Vorbemerkung

363 363

5.1.2.2 Erste Frage: Wo kann gebaut werden?

364

5.1.2.3 Zweite Frage: Was kann gebaut werden?

365

5.1.2.4 Dritte Frage: Wie groß kann gebaut werden?

366

5.1.2.5 Vierte Frage: Wie kann (bzw. muss) gebaut werden?

367

5.1.3 Die Bedeutung der Bauvoranfrage für die Beantwortung der vier Fragen 5.2 Die Instrumente für die Schaffung von Bauland durch städtebauliche Planungen, ihr Inhalt und ihre Rechtswirkungen

367 368

5.2.1 Der Flächennutzungsplan für das ganze Gemeindegebiet

368

5.2.2 Die sog. qualifizierten Bebauungspläne

370

5.2.3 Die vorhabenbezogenen Bebauungspläne

372

5.2.4 Die Innenbereichssatzungen

376

5.2.5 Die Außenbereichssatzungen

378

5.3 Die Sachanforderungen an den Inhalt städtebaulicher Planungen

378

5.3.1 Vorbemerkung

378

5.3.2 Erforderlichkeit der städtebaulichen Planung

379

5.3.3 Bindung an die Ziele der Raumordnung (Landes- und Regionalplanung)

380

5.3.4 Die gesetzlichen Oberziele für die städtebaulichen Planungen

382

5.3.5 Die zu berücksichtigenden öffenüichen und privaten Belange

383

354

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

5.3.6 Das Abwägungsgebot

383

5.3.7 Umweltprüfung

385

5.3.7.1 Überblick

385

5.3.7.2 Umweltprüfung

386

5.3.7.3 Umweltbericht

387

5.3.7.4 Monitoring

387

5.3.7.5 Zusammenfassende Erklärung

388

5.4 Die Verfahren zur Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung städtebaulicher Planungen

388

5.4.1 Das Verfahren für den Flächennutzungsplan

388

5.4.2 Das Verfahren für sog. qualifizierte und für einfache Bebauungspläne

390

5.4.3 Das Verfahren für vorhabenbezogene Bebauungspläne

391

5.4.4 Das Verfahren für Innenbereichssatzungen

392

5.4.5 Das Verfahren für Außenbereichssatzungen

392

5.4.6 Das vereinfachte Verfahren

392

5.4.7 Einschaltung eines Dritten

393

5.5 Städtebauliche Verträge

394

5.5.1 Die Bedeutung städtebaulicher Verträge für die Schaffung von Bauland

394

5.5.2 Maßnahmenverträge

394

5.5.3 Zielbindungsverträge

395

5.5.4 Folgekostenverträge

396

5.5.5 Andere städtebauliche Verträge

397

5.5.6 Anforderungen an die Rechtmäßigkeit städtebaulicher Verträge

398

5.5.7 Formerfordernisse

398

5.6 Sicherung der Bauleitplanung

399

5.6.1 Veränderungssperre und Zurückstellung von Baugesuchen

399

5.6.2 Teilung von Grundstücken; Gebiete mit Fremdenverkehrsfunktionen

400

5.6.3 Gesetzliche Vorkaufsrechte der Gemeinde

401

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

5.7 Verwirklichung der städtebaulichen Planungen

355

402

5.7.1 Umlegung

402

5.7.2 Vereinfachte Umlegung

403

5.7.3 Enteignung

404

5.7.4 Erschließung

404

5.7.5 Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben

405

5.8 Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen

406

5.8.1 Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen

406

5.8.2 Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen

408

5.9 Stadtumbau und Soziale Stadt

410

5.10 Wertermittlung von Grundstücken

411

5.11 Zulassung von Bauvorhaben

412

5.11.1 Vorbemerkung

412

5.11.2 Die bauordnungsrechtlichen Sachanforderungen an Bauvorhaben

413

5.11.2.1

Zulässigkeit nach Bundesbaurecht

413

5.11.2.2

Anforderungen an die Zuwegung zum Baugrundstück

415

5.11.2.3

Anforderungen an die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigimg

415

5.11.2.4

Einhaltung der Abstandsvorschriften

415

5.11.2.5

Anforderungen an die Baugestaltung

416

5.11.2.6

Anforderungen des Umweltschutzes

416

5.11.2.7

Anforderungen in Bezug auf Kraftfahrzeug-Stellplätze und Fahrrad-Abstellplätze

417

5.11.2.8

Anforderungen in Bezug auf Kleinkinderspielplätze sowie barrierefreies Bauen

417

5.11.2.9

Anforderungen bautechnischer Art

417

5.11.2.10 Anforderungen in örtlichen Bauvorschriften

418

5.11.3 Die Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Zulässigkeit des Neubaus, der Nutzungsänderung und des Abbruchs baulicher Anlagen

418

5.11.4 Mögliche Rechtsfolgen unerlaubter Baumaßnahmen

420

356

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

5.11.5 Baulasten und Dienstbarkeiten zur Sicherung baurechtlich bedeutsamer Zustände 5.11.5.1 Zweck der Baulasten und baubezogenen Dienstbarkeiten

421 421

5.11.5.2 Wichtige Anwendungsfälle der Baulasten

422

5.11.5.3 Begründung und Aufhebung von Baulasten, Baulastenverzeichnis

424

5.12 Rechtsschutz im öffentlichen Planungs- und Baurecht

426

5.12.1 Rechtsschutz bei städtebaulichen Planungen

426

5.12.2 Rechtsschutz gegen Bescheide der Bauaufsichtsbehörden und der Gemeinden

429

5.12.3 Rechtsschutz von Nachbarn und sonstigen Dritten gegen Bauvorhaben

430

5.12.4 Schadenshaftung der Bauaufsichtsbehörden und Gemeinden bei Amtspflichtverletzungen in Bausachen

432

5.12.5 Streitigkeiten über Rechte und Pflichten aus städtebaulichen Verträgen

433

Literaturverzeichnis zu Kap. 5

435

5 Schaffung l'on Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

Rechtsgrundlagen mit Abkürzungen Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 vom 18.8.1997 (BGBl. IS. 2081)

BauROG

Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) vom 24.6.2004 (BGBl. I

EAG Bau

S. 1359) Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.09.2004

BauBG

(BGBl. IS. 2415)) Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Bau-

BauNVO

nutzungsverordnung - BauNVO) in der Neufassung vom 23.1.1990 (BGBl. IS. 132), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.4.1993 (BGBl. IS. 466) Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstel-

PlanzV

lung des Planinhalts (PlanzeichenVerordnung 1990 - PlanzV) vom 18.12.1990 (BGBl. 19911 S.58) Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von

Grundstücken

(Wertermittlungsverordnung

-

WertV)

WertV

vom

6.12.1988 (BGBl. I S. 2209), zuletzt geändert durch das BauROG (s. oben) Raumordnungsgesetz (ROG) vom 18.8.1997 (BGBl. I S. 2081, 2102), zu-

ROG

letzt geändert durch Gesetz vom 24.6.2004 (BGBl. IS. 1359) Verordnung zu § 6 a Abs. 2 des Raumordnungsgesetzes (Raumord-

ROV

nungsverordnung - ROV) vom 13.12.1990 (BGBl. I S. 2766), zuletzt geändert durch das BauROG (s. oben) Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutz-

BNatschG

gesetz - BNatschG) in der Neufassung der Bekanntmachung vom 25.3.2002 (BGBl. IS. 1193) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949

GG

(BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. 7.2002 (BGBl. I S. 2863) Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung vom 19.3.1991 (BGBl. I S.

VwGO

686), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. 8.2004 (BGBl. 12198) Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896 (RGBl. S. 195), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.5.2004 (BGBl. I S. 718)

BGB

357

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

359

5.1 Einführung in die Bedeutung des öffentlichen Planungs- und Baurechts für die Immobilienökonomie 5.1.1

Die Zweiteilung des öffentlichen Planungs- und Baurechts in Bundes- und Landesrecht

5.1.1.1

Vorbemerkung

Wie dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) von 1949 zu entnehmen ist, leben wir in einem Bundesstaat, der aus dem Bund und den Ländern besteht (vgl. Art. 20 bis 37 GG). Zu den wichtigsten Aufgaben der Verfassung für einen Bundesstaat gehört die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen dem Zentralstaat und den Gliedstaaten. In diesem Sinne erstreckt sich nach Art. 74 Nr. 18 GG die sog. konkurrierende Gesetzgebung auf den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das landwirtschaftliche Pachtwesen, das Wohnungswesen sowie das Siedlungs- und Heimatstättenwesen. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben nach Art. 72 Abs. 1 GG die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungsbefugnis nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Der Bund hat in diesem Bereich nach Art. 72 Abs. 2 GG das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Zur Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern auf dem Gebiet des öffentlichen Planungs- und Baurechts wurde ein Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts eingeholt (vom 16.6.1954 - 1 PBvV 2/52 -, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Band 3, S. 407 ff.). In ihm wurde dem Bund die Gesetzgebungszuständigkeit für das Recht der städtebaulichen Planung und die Maßnahmen zur Sicherimg und zum Vollzug der städtebaulichen Planung zugesprochen. Den Ländern ist die Gesetzgebungszuständigkeit für die Regelungsgegenstände zuerkannt worden, die im bisherigen Sinne vom „Baupolizeirecht" erfasst worden sind. Daraus ergibt sich die seit 1960 bestehende Zweiteilung des öffentlichen Planungs- und Baurechts zwischen dem Städtebaurecht des Bundes und dem Bauordnungsrecht der Länder.

5 Schaffung l'on Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

360

5.1.1.2

Überblick über das Städtebaurecht des Bundes

Das Städtebaurecht des Bundes ist erstmals im Bundesbaugesetz (BBauG) vom 23.6.1960 (BGBl. I S. 341) geregelt worden. Es gilt seit dem 1.1.1998 in der Fassung des Baugesetzbuchs (BauGB) vom 27.8.1997 (BGBl. IS. 2141). Das BauGB enthält im Wesentlichen Vorschriften zu den folgenden Regelungsgegenständen: • •

Bauleitplanung durch Flächennutzungs- und Bebauungsplanung (§§ 1 bis 13), Sicherimg der Bauleitplanung durch Veränderungssperre und gemeindliche Vorkaufsrechte (§§ 14 bis 28),



Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29 bis 38),



Entschädigung für sog. Planungsschäden (§§ 39 bis 44),



Bodenordnung durch Umlegung (§§ 45 bis 79) und Grenzregelung (§§ 80 bis 84),



Enteignung (§§ 85 bis 122),



Erschließung und Erhebung von Erschließungsbeiträgen (§§ 123 bis 135),



Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen für Maßnahmen des Naturschutzes (§§ 135a bis 135c),



Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen (§§ 136 bis 164b),



Förmliche städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen (§§ 165 bis 171),



Stadtumbau und „Soziale Stadt" (§§ 171 a bis 171 e)



Erhaltungssatzung und städtebauliche Gebote (§§ 172 bis 179),



Wertermittlung (§§ 192 bis 199),



Allgemeine Vorschriften; Zuständigkeiten; Verwaltungsverfahren; Planerhaltung (§§200 bis 216) und



Verfahren vor den Kammern (Senaten) für Baulandsachen (§§ 217 bis 232).

Ergänzt werden die Vorschriften des BauGB durch drei Rechtsverordnungen: •

Die Verordnimg über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO), derzeit gültig in der Fassung vom 23.1.1990 (BGBl. IS. 132), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.4.1993 (BGBl. I S. 466). Sie enthält verbindliche Anweisungen für die Darstellungen in Flächennutzungsplänen und die Festsetzungen

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

361

in Bebauungsplänen bezüglich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung sowie bezüglich der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. •

Die Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstellung des Planinhaltes (Planzeichenverordnung 1990 - PlanzV 90) vom 8.12.1990 (BGBl. I S.58). In ihr finden sich Bestimmungen über die Planunterlagen und die Planzeichen, die bei der Bauleitplanung zu verwenden sind.



Die Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung - WertV) vom 6.12.1988 (BGBl. I S. 2209), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.8.1997 (BGBl. IS. 2081). Wichtig sind in ihr neben den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen und den Begriffsbestimmungen vor allem die Regelungen über die drei Arten von Wertermittlungsverfahren: das Ertragswert-, das Vergleichswert- und das Sachwertverfahren.

5.1.1.3

Überblick über das Bauordnungsrecht der Länder

Alle sechzehn Bundesländer haben als Landesgesetze eigenständige Landesbauordnungen. Sie sollen sich bei der Weiterentwicklung des Bauordnungsrechts an der von der ARGEBAU (Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder) erarbeiteten und ständig fortgeschriebenen „Musterbauordnung für die Länder der Bundesrepublik Deutschland" (derzeit Fassung von 2002) ausrichten, weisen aber vor allem in den Verfahrensbestimmungen nicht unerhebliche Unterschiede auf. Bezüglich der Regelungsgegenstände lassen die Landesbauordnungen durchweg Einheitlichkeit erkennen: •

Allgemeine Vorschriften (Anwendungsbereich, Begriffe, allgemeine Anforderungen),



das Grundstück und seine Bebauung,



Anforderungen an die Gestaltung,



allgemeine Anforderungen an die Bauausführung,



Bauprodukte und Bauarten,



Wände, Decken und Dächer,



Treppen, Rettungswege, Aufzüge und Öffnungen,



Haustechnische Anlagen und Feuerungsanlagen,



Aufenthaltsräume und Wohnungen,

362

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben



besondere Anlagen,



die am Bau Beteiligten,



Aufsichtsbehörden und Verwaltungsverfahren und



Ordnungswidrigkeiten, Rechtsverordnungen, örtliche Bauvorschriften der Gemeinden.

Die meisten Unterschiede weisen die Landesbauordnungen in ihren Vorschriften über die Verwaltungsverfahren auf, in denen die Zulässigkeit der Errichtung, der Änderung, der Nutzungsänderung und des Abbruchs baulicher Anlagen geprüft wird. Für viele Baumaßnahmen von minderer Bedeutung bedarf es keiner baubehördlichen Überprüfung (mehr). Bei den genehmigungsbedürftigen Vorhaben ist zwischen den Baumaßnahmen zu unterscheiden, die einer umfassenden Prüfung unterworfen sind, und den Baumaßnahmen, die nur in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren auf ihre Zulässigkeit überprüft werden (mit länderweise unterschiedlichem Prüfungsumfang). Schließlich gibt es noch genehmigungsfreie Vorhaben, vornehmlich Wohnungsbauvorhaben, in Geltungsbereichen von Bebauungsplänen, bei denen allerdings die Bauunterlagen bei der Bauaufsichtsbehörde oder bei der Gemeinde einzureichen und von dieser auf die Übereinstimmung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans zu überprüfen sind. Fällt diese Prüfung negativ aus, wird die Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens gefordert, andernfalls kann nach Ablauf eines Monats mit dem Bau begonnen werden. Was für eine bestimmte Baumaßnahme gilt, ist im einzelnen Fall an Hand der jeweils maßgebenden Landesbauordnung zu ermitteln. Das politische Streben nach Beschleunigung und Vereinfachung des Bauens sowie nach Verwaltungsvereinfachung bringt immer wieder neue Verfahrensvarianten hervor, die für die Bauwilligen und ihre Planverfasser (Architekten und Bauingenieure) vielfach nur noch schwer zu erfassen sind. Wie das BauGB werden auch die Landesbauordnungen durch Rechtsverordnungen ergänzt. Dabei handelt es sich im Allgemeinen um Durchführungsverordnungen über •

die Bauunterlagen und die Prüfimg von Standsicherheitsnachweisen,



den Bau und Betrieb von Garagen,



den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten,



den Bau und Betrieb von Geschäftshäusern,



die Prüfung haustechnischer Anlagen und Einrichtungen,



Betriebsräume für elektrische Anlagen,

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben



Camping- und Wochenendplätze,



die Anerkennimg von Prüfingenieuren, Prüfstellen und Prüfämtern für Baustatik,



die Anerkennung von Entwurfsverfassern als Sachverständige und



die Gebühren für Amtshandlungen der Bauaufsichtsbehörden und die Vergütung

363

der Leistungen der Prüfingenieure für Baustatik. Weiterhin ermächtigen alle Landesbauordnungen die Gemeinden, örtliche Bauvorschriften in Satzungsform zu erlassen. In ihnen können insbesondere Gestaltungsanforderungen für Neubaugebiete und Altbaubereiche in Bezug auf bauliche Anlagen, Werbeanlagen und Warenautomaten festgelegt und auch sonstige auf bestimmte Bereiche einer Gemeinde bezogene Baubestimmungen getroffen werden. Solche örtlichen Bauvorschriften können aufgrund der Öffnungsklausel in § 9 Abs. 4 BauGB auch als Festsetzungen in Bebauungspläne aufgenommen werden. 5.1.2

Die vier notwendigen baurechtsbezogenen Fragen vor dem Erwerb von Grundstücken für Bauzwecke

5.1.2.1

Vorbemerkung

Bei der Beratung von Investoren und Projektentwicklern zeigt sich immer wieder, dass die Anforderungen, die vom Bauplanimgsrecht des Bundes und vom Bauordnungsrecht des jeweiligen Landes und außerdem noch von bundes- und landesrechtlichen Umweltschutzvorschriften an die Inanspruchnahme von Grundflächen für die bauliche Nutzung für bestimmte Zwecke gestellt werden, kaum jemals umfassend erkannt sind. Dies gilt sowohl für unbebaute, bisher etwa landwirtschaftlich genutzte Grundstücke als auch für nicht mehr genutzte Gewerbe-, Industrie-, Verkehrs- und Militärflächen (sog. Konversionsflächen). Bevor daher im folgenden die Rechtsgrundlagen für die Schaffung von Bauland und die Zulassung von Bauvorhaben systematisch dargestellt und erläutert werden, sind die vier Fragen zu behandeln, die vor dem Erwerb von Grundstücken für eine bestimmte bauliche Nutzung, vor der Bearbeitung der Bauvorlagen für das baubehördliche Zulassungsverfahren und auch vor einer baurechtlich bedeutsamen Nutzungsänderung bestehender Bauten gestellt und beantwortet werden müssen, wenn Fehlentscheidungen und Fehlinvestitionen vermieden werden sollen. Die Rechtsvorschriften, die zur Beantwortung dieser Fragen herangezogen werden müssen, lassen die grundlegende Bedeutung des bundesrechtlichen Städtebaurechts und des landesrechtlichen Bauordnungsrechts sowie der

364

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

bundes- und landesrechtlichen baubezogenen Umweltschutzvorschriften für die Immobilienökonomie erkennen. 5.1.2.2

Erste Frage: Wo kann gebaut werden?

Das ist die Frage nach der Bebaubarkeit von Grundflächen. Ihre Beantwortung richtet sich nach den folgenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften. Nach dem Bundesbaurecht bestimmt sich die Zulässigkeit der baulichen und sonstigen baurechtlich bedeutsamen Nutzung von Grundflächen •

im Geltungsbereich von Bebauungsplänen nach den §§ 30 und 31 BauGB,



während der Aufstellung von Bebauungsplänen nach § 33 BauGB,



innerhalb der im Zusammenhang bebauten (nicht beplanten) Ortsteile nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB,



im Geltungsbereich einer Innenbereichs-Erweiterungssatzung nach § 34 Abs. 4 und 5 BauGB,



im Außenbereich nach § 35 BauGB und



im Geltungsbereich einer Außenbereichs-Bausatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB.

Aus dem Landesbauordnungsrecht ergeben sich im Wesentlichen die folgenden Anforderungen an die Bebaubarkeit von Grundflächen: • •

ausreichende Zuwegung zur nächsten öffentlichen Verkehrsfläche, Benutzbarkeit der Ver- und Entsorgungsanlagen bei Beginn der Nutzung der baulichen Anlage,



bei Belastung der Grundfläche mit umweltgefährdenden Stoffen Bebaubarkeit nur, wenn der Nachweis erbracht wird, dass von den Stoffen keine Gefahren für die Umwelt, insbesondere die Gesundheit, ausgehen,



Einhaltung der Bestimmungen über die Abstandsflächen,



Bereitstellung sog. notwendiger Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie von erforderlichen Abstellflächen für Fahrräder und



bei Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen Anlegung und Unterhaltung eines Kleinkinderspielplatzes.

Bedeutsam für die Bebaubarkeit von Grundflächen können auch die flächenbezogenen Bestimmungen des Umweltschutzrechts sein. So können Flächen nach Naturschutz-

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

365

recht als Naturpark, Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, geschützter Landschaftsbestandteil oder Naturdenkmal oder nach (Bundes- und Landes-) Wasserrecht als Wasserschutzgebiet oder Überschwemmungsgebiet festgesetzt sein (durch Rechtsverordnung). Ihre Bebaubarkeit ist dann zumindest erheblich eingeschränkt, wenn nicht sogar vollständig ausgeschlossen (maßgebend ist der Inhalt der Schutz Verordnung). Baubeschränkungen können sich auch aus dem Denkmalschutzrecht des jeweiligen Landes ergeben (übrigens nach Bundesbaurecht auch aus einer Erhaltungssatzung nach den §§ 172 ff. BauGB). 5.1.2.3

Zweite Frage: Was kann gebaut werden?

Das ist die Frage nach der zulässigen Art der baulichen Nutzung. Da es äußerst unterschiedliche Arten der baulichen und sonstigen Nutzung von Grundflächen gibt (Wohn-, Gewerbe-, Industriebebauung usw.), die unter den Gesichtspunkten des Immissionsschutzes (Lärmbeschränkung, Luftreinhaltung, Erschütterungsschutz) nicht miteinander vereinbar sein können, werden für die städtebaulichen Planungen durch die BauNVO (§§ 2 bis 9) in bestimmten Arten von Baugebieten verschiedene Arten von baulichen und sonstigen Nutzungen der Grundflächen zusammengefasst, die im Hinblick auf den Immissionsschutz miteinander „verträglich" sind (sog. typisierte Arten von Baugebieten). Da es sich dabei um eine bewährte Anleitung für die Planung der städtebaulichen Entwicklung handelt, werden die Art-Regelungen der BauNVO nicht nur bei städtebaulichen Planungen und bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer baulichen oder sonstigen Nutzung von Grundflächen in ihrem Geltungsbereich herangezogen (vgl. dazu insbesondere die §§ 30, 31 und 33 BauGB), sondern bei entsprechenden Sachlagen auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Bauvorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten (nicht beplanten) Ortsteile (vgl. § 34 Abs. 2 BauGB). Ansonsten ist bei Bauvorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu fragen, ob sie sich in ihrer Art nach in die (vorhandene) Umgebungsbebauung („Eigenart der näheren Umgebung") einfügen. Bei einem Bauvorhaben im Außenbereich ist nach § 35 BauGB zu prüfen, ob es seiner Art nach unter die sog. privilegierten Vorhaben (Abs. 1), die sonstigen Vorhaben (Abs. 2) oder die begünstigten Vorhaben (Abs. 4) fällt. Bei Innenbereichs-Erweiterungssatzungen (§ 34 Abs. 4 und 5 BauGB) und bei Außenbereichs-Bausatzungen (§ 35 Abs. 6 BauGB) ergeben sich nähere Einzelheiten zur zulässigen Art der baulichen Nutzimg aus dem Satzungsinhalt. Soweit sich die Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen oder sonstigen Nutzung der Grundflächen mit der zulässigen Art dieser Nutzimg befassen, dienen sie nicht nur

366

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

einer geordneten städtebaulichen Entwicklung, sondern wegen ihrer Bedeutung für den Immissionsschutz (vgl. Kap. 5.1.2.2) auch dem Nachbarschutz, genauer dem Schutz nachteilig betroffener Dritter, die nicht Angrenzer sein müssen. Zahlreiche Streitigkeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Baurechts gehen auf Rechtsbehelfe von Dritten zurück, die sich gegen die Zulassung bestimmter Arten baulicher Anlagen oder sonstiger Nutzungen auf benachbarten Grundstücken wenden. So ist es bei der Prüfung der Zulässigkeit baulicher Anlagen, deren zweckbestimmte Nutzimg einen starken Kraftfahrzeugverkehr verursachen wird, bedeutsam, dass dem Vorhabenträger auch der Verkehrslärm zugerechnet wird, den die geplante Grundstücksnutzimg in benachbarten Wohnbereichen oder sonstigen schutzwürdigen Gebieten (etwa Kurgebieten) hervorrufen kann. 5.1.2.4

Dritte Frage: Wie groß kann gebaut werden?

Das ist die Frage nach den zulässigen Ausmaßen der baulichen Nutzung. In städtebaulichen Planungen können die zulässigen Ausmaße der baulichen Nutzung nach den Vorgaben in § 16 BauNVO mit Hilfe der folgenden Faktoren festgesetzt werden: •

Grundflächenzahl oder Größe der Grundfläche baulicher Anlagen (Näheres in § 19 BauNVO),



Geschossflächenzahl oder Größe der Geschossfläche baulicher Anlagen (Näheres in § 20 Abs. 2 bis 4 BauNVO),



Baumassenzahl oder Baumasse baulicher Anlagen (vgl. § 21 BauNVO),



Zahl der Vollgeschosse (Näheres in § 20 Abs. 1 BauNVO),



Höhe der baulichen Anlagen (Näheres in § 18 BauNVO).

Zwingend ist die Festsetzung der Grundflächenzahl oder der Größe der Grundfläche der baulichen Anlagen. Die Zahl der Vollgeschosse oder die Höhe der baulichen Anlagen ist festzusetzen, wenn ohne diese Festsetzung öffentliche Belange, insbesondere das Ortsund Landschaftsbild, beeinträchtigt werden könnten. In § 17 BauNVO sind als weitere Vorgaben für städtebauliche Planungen „Obergrenzen" für die Bestimmung der Ausmaße der baulichen Nutzung enthalten, von denen allerdings unter näher geregelten Voraussetzungen abgewichen werden kann. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Bauvorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB für die Ermittlung der zulässigen Ausmaße der baulichen Nutzung auf die Eigenart der näheren Umgebung (vor allem auf die Umgebungsbebauung) abzustellen. Ist im Außenbereich ein Bauvorhaben seiner Art nach zulässig, so ist bei der Prüfimg der zulässigen Ausmaße zu fragen, ob das

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

367

Vorhaben mit den in § 35 Abs. 3 BauGB aufgelisteten öffentlichen Belangen vereinbar ist. Im Geltungsbereich einer Innenbereichs-Erweiterungssatzung nach § 34 Abs. 4 und 5 BauGB und einer Außenbereichs-Bausatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB ist der Inhalt der Satzung maßgebend. Die Regelungen über die zulässigen Ausmaße der baulichen Nutzimg sind (im allgemeinen) nicht nachbarschützend. Allerdings sind in gewissem Sinne auch die landesrechtlichen Abstandsvorschriften Regelungen bezüglich der zulässigen Ausmaße der baulichen Nutzung. Auf ihre Einhaltung haben die Grundstücksnachbarn einen Rechtsanspruch; doch können sie für Gebäudeabstände keine größere „Rücksichtnahme" fordern, als sie sich nach dem Willen des jeweiligen Landesgesetzgebers aus dem Bauordnungsrecht gemäß den gesetzlich festgelegten Abstandsmaßen ergeben. 5.1.2.5

Vierte Frage: Wie kann (bzw. muss) gebaut werden?

Das ist die Frage nach der Gestaltung der baulichen Anlagen und nach bei ihrer Planimg zu beachtenden Anforderungen der Bautechnik. Sie ist anhand der jeweiligen Landesbauordnung (und der zu ihrer Durchführung erlassenen Rechtsverordnungen sowie der örtlichen Bauvorschriften in Gemeindesatzungen) zu beantworten. Schwierigkeiten bereitet insoweit vor allem die Berücksichtigung neuer Anforderungen, die sich aus ökologischen und sozialen Belangen ergeben. So enthalten die in der letzten Zeit novellierten Landesbauordnungen Vorschriften über den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Boden, Wasser, Luft, Klima, Pflanzen- und Tierwelt) und im Hinblick auf die Lebensbedürfnisse behinderter Menschen Bestimmungen über das hindernisfreie („barrierefreie") Bauen. 5.1.3

Die Bedeutung der Bauvoranfrage für die Beantwortung der vier Fragen

In allen Landesbauordnungen sind Bestimmungen darüber enthalten, dass bei der Bauaufsichtsbehörde vor Einreichung eines Bauantrags zu einzelnen Fragen eines Bauvorhabens ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) beantragt werden kann. Dieses sog. Bauvoranfrageverfahren eignet sich vor allem dazu, eine rechtsverbindliche Antwort auf die drei Fragen „Wo kann gebaut werden?", „Was kann gebaut werden?" und „Wie groß kann gebaut werden?" herbeizuführen. Einen Bauvorbescheid mit positiven Antworten auf diese Fragen bezeichnet man in der Baurechtspraxis als „Bebauungsgenehmigung". Mit der Bauvoranfrage müssen noch keine vollständigen Bauunterlagen eingereicht werden, wie sie dem Bauantrag beizufügen sind. Es kann schon ein Lageplan mit der Einzeichnung des Grundrisses der geplanten baulichen Anlage und die Beschreibung

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des Bauvorhabens nach Art und Ausmaßen ausreichen. Ob der künftige Bauherr (das muss nicht der Grundstückseigentümer sein) dafür einen bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasser hinzuziehen muss, ist in den Landesbauordnungen unterschiedlich geregelt. Die Bauaufsichtsbehörden dürfen Bauvoranfragen (weil sie noch keinen Baugenehmigungsantrag darstellen) nicht „auf die leichte Schulter nehmen". Ein positiver Bauvorbescheid ist als endgültige Entscheidung über die Zulässigkeitsprobleme zu beurteilen, die mit den vom Bauinteressenten gestellten Fragen angesprochen worden sind. Sein Inhalt bildet eine Teilentscheidung über die Zulässigkeit des Bauvorhabens, und er ist insoweit in die Baugenehmigung zu übernehmen. Das bedeutet aber auch, dass die Bauaufsichtsbehörden Probleme des Nachbarschutzes, die ein Bauvorhaben vor allem wegen der beabsichtigten Art der baulichen oder sonstigen Nutzimg verursachen kann, nicht der Beurteilung und Lösung im (späteren) bauaufsichtlichem Verfahren vorbehalten dürfen. Die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Beteiligung der Nachbarn im bauaufsichtlichen Verfahren wird in den Landesbauordnungen auch auf das Bauvoranfrageverfahren bezogen. Wird eine rechtlich gebotene Beteiligung von Nachbarn am Bauvoranfrageverfahren versäumt und kommt es nach der Erteilung der Baugenehmigung dazu, dass diese Genehmigung auf Rechtsbehelfe von Nachbarn hin aufgehoben wird, so können die Voraussetzungen einer Schadenshaftung der Bauaufsichtsbehörde wegen Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) gegeben sein.

5.2 Die Instrumente für die Schaffung von Bauland durch städtebauliche Planungen, ihr Inhalt und ihre Rechtswirkungen 5.2.1

Der Flächennutzungsplan für das ganze Gemeindegebiet

Im Flächennutzungsplan ist nach § 5 Abs. 1 BauGB für das ganze Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung (Flächennutzung) nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen. Einzelne Flächen oder sonstige Darstellungen können ausgenommen werden, wenn dadurch die darzustellenden Grundzüge nicht berührt werden und die Gemeinde beabsichtigt, die Darstellung zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen; im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan (Abs. 5) sind die Gründe hierfür darzulegen.

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Der Flächennutzungsplan soll nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BauGB spätestens 15 Jahre nach einer erstmaligen oder erneuten Aufstellung überprüft und, soweit erforderlich, geändert, ergänzt oder neu aufgestellt werden; die Verpflichtung hierzu beginnt im Jahre 2010 (§ 244 Abs. 5 BauGB). Im Flächennutzungsplan können nach § 5 Abs. 2 BauGB alle nur denkbaren Arten von Flächennutzungen dargestellt werden, für deren Entwicklung und Ordnung die Gemeinde im Rahmen ihrer Planimgshoheit (vgl. § 2 Abs. 1 BauGB) zuständig ist, angefangen bei den für die Bebauimg vorgesehenen Flächen bis zu den Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft. Dabei können nach Absatz 2 a zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft i. S. d. § 1 a Abs. 3 BauGB den Flächen, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden (vgl. Kap. 5.3.5). Ergänzt werden die gesetzlich bezeichneten Darstellungsmöglichkeiten durch die Regelungen über Art und Maß der baulichen Nutzung in den §§ 1 bis 21 a BauNVO. Nach § 5 Abs. 2 a BauGB können sachliche Teilflächennutzungspläne aufgestellt werden (ζ. B. für Windenergieanlagen), um die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (siehe am Ende dieses Abschnitts) zu erreichen. Nach § 5 Abs. 3 BauGB sollen Flächen, bei deren Bebauung sich wegen der Bodensituation Schwierigkeiten entgegenstellen können, gekennzeichnet werden. Planungen und sonstige Nutzungsregelungen, die nach anderen Vorschriften festgesetzt sind (Planfeststellungen nach den Fachplanungsgesetzen, insbesondere für den Straßen- und Bahnbau, sowie Schutzgebietsfestsetzungen nach Naturschutz- und Wasserrecht), sowie nach Landesrecht denkmalgeschützte Gesamtheiten von baulichen Anlagen, sollen nach § 5 Abs. 4 BauGB nachrichtlich in den Flächennutzungsplan übernommen werden. Sind derartige Festsetzungen (von den für sie zuständigen staatlichen Behörden) in Aussicht genommen, sollen sie im Flächennutzungsplan vermerkt werden. Dem Flächennutzungsplan ist nach § 5 Abs. 5 BauGB eine Begründung beizufügen. Der Flächennutzungsplan ist, wie die Abschnittüberschrift vor § 5 BauGB verdeutlicht, der vorbereitende Bauleitplan. Man kann ihn als ein Verwaltungsprogramm der Gemeinde bezeichnen, von dem eine Bindungswirkung gegenüber der Gemeinde selbst wie auch in gewissem Umfang gegenüber den an der Planaufstellung beteiligten öffentlichen Planungsträgern ausgeht (vgl. § 7 BauGB). Mit seinen Darstellungen wird nicht unmittelbar Bauland geschaffen, doch bildet er die grundsätzliche Voraussetzung für die Schaffung von Bauland durch Bebauungspläne, die aus ihm nach § 8 Abs. 2 BauGB zu entwickeln sind; allerdings ist ein Flächennutzungsplan nicht erforderlich, wenn der

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Bebauungsplan ausreicht, um die städtebauliche Entwicklung zu ordnen. Wichtiger als diese selten vorkommende Ausnahme ist das sog. Parallelverfahren nach § 8 Abs. 3 BauGB: Danach kann mit der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans gleichzeitig auch der Flächennutzungsplan aufgestellt, geändert oder ergänzt werden; der Bebauungsplan kann vor dem Flächennutzungsplan bekannt gemacht werden (vgl. § 10 BauGB), wenn nach dem Stand der Planungsarbeiten anzunehmen ist, dass der Bebauungsplan aus den künftigen Darstellungen des (aufgestellten, geänderten oder ergänzten) Flächennutzungsplans entwickelt sein wird. Weniger häufig ist der Fall des sog. vorzeitigen Bebauungsplans nach § 8 Abs. 4 BauGB, für den dringende Gründe sprechen müssen. Gewisse Rechtswirkungen gehen von den Darstellungen im Flächennutzungsplan bei Bauvorhaben im Außenbereich aus. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange, die der Zulassung eines Vorhabens im Außenbereich entgegensteht, liegt nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB vor, wenn das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht. Öffentliche Belange stehen sog. privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB (u. a. Windenergieanlagen) i. d. R. auch entgegen, soweit für sie durch Darstellungen im Flächennutzungsplan (oder als Ziele der Raumordnung in einem Regionalplan) eine Ausweisimg an anderer Stelle erfolgt ist (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB); vgl. auch den oben erwähnten Teilflächennutzungsplan nach § 5 Abs. 2 b BauGB sowie die Möglichkeit der Zurückstellung von Vorhaben nach § 15 Abs,. 3 BauGB (vgl. Kap. 5.5.1). 5.2.2

Die sog. qualifizierten Bebauungspläne

Die wichtigsten Instrumente zur Schaffimg von Bauland mit unmittelbarer Rechtsverbindlichkeit sind die sog. qualifizierten Bebauungspläne. Man bezeichnet einen Bebauungsplan als qualifiziert, wenn er aufgrund der in ihm enthaltenen Festsetzungen allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubare Grundstücksfläche und die örtlichen Verkehrsflächen nach § 30 Abs.l BauGB die Entscheidung darüber ermöglicht, ob ein Bauvorhaben nach Bauplanungsrecht zulässig ist (wozu noch die gesicherte Erschließung kommen muss). Die Auflistung der möglichen Gegenstände von Festsetzungen eines Bebauungsplans in § 9 Abs. 1 BauGB umfasst 26 Nummern. Davon sind für die Schaffung von Bauland vor allem die Festsetzungen nach den ersten vier Nummern von Bedeutung: •

die Art und das Maß der baulichen Nutzung,

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die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen,



für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden auch Höchstmaße und



die Flächen für Nebenanlagen, die aufgrund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten.

Nähere Regelungen dazu finden sich in der BauNVO mit ihren Bestimmungen über die Art der baulichen Nutzung (§§ 1 bis 15), das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 bis 21a) sowie über die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche (§§ 22 und 23). Wichtig für die Schaffung von Bauland sind auch die Bestimmungen in § 9 Abs. l a BauGB: Flächen und Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft i. S. d. § l a Abs. 3 BauGB können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich eines Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen und Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind (das sind vor allem die Baugrundstücke und die Erschließungsflächen), ganz oder teilweise zugeordnet werden. Dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen (für die kein Bebauungsplan aufgestellt werden muss; vgl. zu den Anforderungen des § l a Abs. 3 BauGB; Kap. 5.3.5). Nach § 9 Abs. 2 BauGB können in besonderen Fällen auch zeitlich befristete oder bedingte Festsetzungen vorgesehen werden; sog. „Baurecht auf Zeit". Die Folgenutzung soll dabei gleichfalls festgesetzt werden. Bei Festsetzungen im Bebauungsplan kann nach § 9 Abs. 3 BauGB auch die Höhenlage (etwa von baulichen Anlagen oder Verkehrsanlagen einschließlich Brücken) festgesetzt werden. Festsetzungen für übereinander liegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind (etwa für Tiefgaragen). Ergänzende Bestimmungen hierzu enthält § 1 Abs. 7 BauNVO.

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Nach § 9 Abs. 4 BauGB können die Länder durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften des BauGB Anwendung finden. Aufgrund dieser Ermächtigung haben die Länder in den Landesbauordnungen die Möglichkeit eröffnet, örtliche Bauvorschriften in Bebauungspläne als Festsetzungen aufzunehmen. Wie im Flächennutzungsplan sollen auch in den Bebauungsplänen nach § 9 Abs. 5 BauGB Flächen gekennzeichnet werden, für deren Bebauung sich aufgrund der besonderen Bodenverhältnisse Schwierigkeiten ergeben können. Und ähnlich wie im Flächennutzungsplan sollen auch in die Bebauungspläne gem. § 9 Abs. 6 BauGB nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffenen Festsetzungen sowie Denkmäler nach Landesrecht in die Bebauungspläne nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu ihrem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind. Die Bebauungspläne setzen nach § 9 Abs. 7 BauGB die Grenzen ihres räumlichen Geltungsbereichs fest. Nach § 9 Abs. 8 BauGB ist ihnen eine Begründung beizufügen, in der auch die Angaben nach § 2 a BauGB enthalten sind (vgl. Kapitel 5.3.7), in der die Ziele, Zwecke und wesentlichen Auswirkungen der Planung darzulegen sind. Die Bebauungspläne enthalten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BauGB die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung. Sie sind deshalb von den Gemeinden nach § 10 Abs. 1 BauGB als Satzungen zu beschließen. In diesem Zusammenhang sei noch einmal § 30 Abs. 1 BauGB angeführt, in dem bestimmt ist, dass im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ein Vorhaben zulässig ist, wenn es diesen Festsetzungen entspricht und die Erschließung gesichert ist. Die Voraussetzungen für Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans sind in § 31 BauGB geregelt. 5.2.3

Die vorhabenbezogenen Bebauungspläne

Unter der Überschrift „Vorhaben- und Erschließungsplan" bestimmt § 12 BauGB in Abs. 1 Satz 1, dass die Gemeinde durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen kann, wenn der Vorhabenträger (Investor, Bauträger) auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) be-

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reit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten (ganz oder teilweise) vor dem Beschluss der Gemeinde über den Bebauungsplan (vgl. § 10 Abs. 1 BauGB) verpflichtet (Durchführungsvertrag). Die Anwendung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist nicht auf die Schaffung baulicher Nutzungsmöglichkeiten für bestimmte Zwecke, etwa für den Wohnungsbau, beschränkt, sondern umfasst alle städtebaurechtlich geregelten Nutzungsmöglichkeiten, insbesondere alle Baugebietsarten i. S. der BauNVO. Anders als bei der Schaffung von Bauland nach dem herkömmlichen System der Bauleitplanung durch den Flächennutzungsplan und die aus ihm entwickelten (qualifizierten) Bebauungspläne i. S. d. § 30 Abs. 1 BauGB üblich geht der Anstoß für einen städtebaulichen Entwicklungsvorgang i. d. R. nicht von der Gemeinde, sondern von einem Dritten aus. Der städtebauliche Entwicklungsvorgang mit einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan steht auf drei Beinen: dem Vorhaben- und Erschließungsplan, dem Durchführungsvertrag und der Bebauungsplansatzung. Der Vorgang beginnt i. d. R. damit, dass der (künftige) Vorhabenträger bezüglich eines Geländes, das er für die Durchführung von Bauvorhaben entsprechend seinen Interessen geeignet hält, mit der Gemeinde vorab klärt, ob sie bereit ist, dafür auf der Grundlage eines Vorhaben- und Erschließungsplan und eines Durchführungsvertrags einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen. Kommt es insoweit zu einer Übereinstimmung, so erarbeitet der Vorhabenträger den Entwurf eines Vorhaben- und Erschließungsplans. Aufgrund schlechter Erfahrungen von Vorhabenträgern sollte er dies aber nur tun, wenn er bezüglich aller Grundstücke im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans rechtlich sicher sein kann, dass sich der Herstellung der Erschließungsanlagen und der Ausführimg der Bauvorhaben durch ihn später keine Hindernisse entgegenstellen können. Innerhalb des Bereichs eines Vorhaben- und Erschließungsplans als Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist eine Enteignimg (§§ 85 ff. BauGB) nur bei Festsetzungen nach § 9 BauGB für öffentliche Zwecke, etwa für die Herstellung der erforderlichen Erschließungsanlagen, zulässig (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Den Inhalt des Vorhaben- und Erschließungsplans hat der Vorhabenträger mit der Gemeinde abzustimmen. Das Ergebnis der „Abstimmimg" sollte aus Beweisgründen schriftlich festgehalten werden. Richtig verstanden ist schon darin der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags i. S. d. § 11 BauGB zu erblicken. Der Vorhabenplan, den der Vorhabensträger aufstellt, muss materiell uneingeschränkt den Anforderungen eines Bebauungsplans entsprechen. Es bedarf deshalb eines Aufstellungsbeschlusses der Gemeinde , um die Beteiligungen nach §§ 3 ff. BauGB durchzuführen und den Vorha-

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benträger auch sonst in die Lage zu versetzen, ein städtebauliche abgewogenes Planwerk auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen von Öffentlichkeit und Behörden und einschließlich der Begründung nach § 2 a, auch mit Umweltbericht, erarbeiten zu können. Kommt die Abstimmung über den Inhalt des Vorhaben- und Erschließungsvertrags zwischen dem Vorhabenträger und der Gemeinde zustande, so haben beide den Durchführungsvertrag abzuschließen. Dazu muss der Vorhabenträger gegenüber der Gemeinde den Nachweis erbringen, dass er in der Lage ist, die sich aus dem Vorhaben- und Erschließungsplan ergebenden Erschließungs- und Baumaßnahmen durchzuführen. Die Gemeinde hat darauf zu achten, dass der Vorhabenträger ihr gegenüber in geeigneter Weise seine Finanzierungs-, Planungs-, Bau- und Steuerungskapazitäten belegt. Zur Durchführung der Erschließungs- und Baumaßnahmen muss er sich nach dem Gesetz „innerhalb einer bestimmten Frist" verpflichten. Diese Gesetzesbestimmung trägt dem mehrstufigen Ablauf der Erschließungs- und Bebauungsmaßnahmen nicht Rechnimg, vor allem nicht der Abhängigkeit ihrer Zulässigkeit von vorgängigen, behördlichen Maßnahmen und ggf. sogar gerichüichen Entscheidungen: Erlassen der Satzung über den vorhabenbezogenen Bebauungsplan durch die Gemeinde, erforderlichenfalls Genehmigung des Bebauungsplans durch die höhere Verwaltungsbehörde, Abstimmung der Tiefbauplanung mit der Gemeinde, Erteilung der für die Ausführung der Bauvorhaben notwendigen Genehmigungen durch die Bauaufsichtsbehörde, Entscheidimg über Rechtsbehelfe von Nachbarn in verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Dem ist bei der Abfassung des Durchführungsvertrags Rechnung zu tragen. Insgesamt muss der Durchführungsvertrag die Bestandteile eines Erschließungsvertrags wie er sonst nach § 124 BauGB zustande kommen kann sowie eines Finanzierungsvertrags und eines BauvorhabenDurchführungsvertrags aufweisen. Auf der Grundlage des abgestimmten Vorhabens- und Erschließungsplans und des Durchführungsvertrags stellt die Gemeinde in dem für Bebauungspläne vorgeschriebenen Verfahren den vorhabenbezogenen Bebauungsplan auf. Der Vorhaben- und Erschließungsplan wird nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans, in dessen Geltungsbereich (vgl. § 9 Abs. 7 BauGB) nach § 12 Abs. 4 BauGB auch einzelne Flächen außerhalb des Bereichs des Vorhaben- und Erschließungsplans einbezogen werden können. Dabei wird es sich meist um Flächen für Erschließungsanlagen und für Ausgleichmaßnahmen i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB handeln. Was den (Festsetzungs-) Inhalt des vorhabenbezogenen Bebauungsplans angeht, so besteht für die planerische Ausgestaltung des Bereichs, der von dem Vorhaben- und Erschließungsplan abgedeckt wird, bezüglich der Bestimmung der Zulässigkeit von Bau-

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vorhaben keine Bindung an die in § 9 BauGB und in der BauNVO geregelten Festsetzungsmöglichkeiten. Es sind jedoch Bestimmungen zumindest des Inhalts zu treffen, dass mit ihnen im späteren Baugenehmigungs- oder sonstigen bauordnungsrechtlichen Zulassungsverfahren die Zulässigkeit der Bauvorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise, der überbaubaren Grundstücksflächen und dem Erfordernis der gesicherten Erschließung (vgl. § 30 Abs. 2 BauGB) abschließend beurteilt werden kann. Aus den Begriffen „Vorhaben- und Erschließungsplan" und „vorhabenbezogener Bebauungsplan" darf nicht gefolgert werden, dass für das oder die Bauvorhaben die Baugestaltung und die Zweckbestimmung näher festgelegt werden müssten. Jedenfalls gilt dies für die Planzeichnung und die Textfestsetzungen, während im Durchführungsvertrag die Vorhaben, zu deren Ausführung sich der Vorhabenträger verpflichten muss, bezüglich ihrer Zweckbestimmimg näher bezeichnet werden können. Der Durchführungsvertrag wird allerdings nicht Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans; seine Bindungswirkung im Verhältnis der Vertragspartner zueinander ergibt sich aus dem Vertrag selbst. Im Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans können auch innerhalb des Vorhaben- und Erschließungsplans gem. § 12 Abs. 3 Satz 3 BauGB nach § 9 BauGB Festsetzungen für öffentliche Zwecke getroffen werden. Es wird sich dabei meist um die Festsetzung von Flächen für Erschließungsanlagen (vgl. insbesondere § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB: Verkehrsflächen) handeln. Für solche öffentlichen Zwecke kann nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB enteignet werden, nicht dagegen für private Zwecke wie die Schaffung von Baugrundstücken für Wohngebäude, Gewerbebetriebe und Industrieanlagen. Für die Flächen außerhalb des Vorhaben- und Erschließungsplans, die nach § 12 Abs. 4 BauGB in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan einbezogen werden können, sind Festsetzungen nach § 9 BauGB, ggf. i. V. m. den Bestimmungen der BauNVO, zu treffen. Im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans sind nach § 12 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB die Vorschriften über die Veränderungssperre und die Zurückstellung von Baugesuchen (§§ 14 bis 18 BauGB), über die Teilungsgenehmigung (§§ 19 bis 22 BauGB), über die gesetzlichen Vorkaufsrechte der Gemeinde (§§ 24 bis 28 BauGB), über die Entschädigimg für Planungsschäden (§§ 39 bis 44 BauGB), über die Umlegung (§§ 45 bis 79 BauGB) sowie über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (§§ 127 bis 135 BauGB) und Kostenerstattungsbeträgen (§§ 135a bis 135b BauGB) nicht anzuwenden. Der Ausschluss der Anwendbarkeit einer Kostenerstattungssatzung nach den §§ 135a bis 135c BauGB bedarf eines besonderen Hinweises. Wie in jeder Art von Bebauungsplan sind auch im vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § l a BauGB die umweltschützenden Belange zu berücksichtigen und im gebotenen Umfang Flächen und Maß-

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nahmen zum Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft festzusetzen. Werden sie an anderer Stelle als auf den Eingriffsgrundstücken festgesetzt, so sind sie den Eingriffsgrundstücken nach § 9 Abs. l a BauGB zuzuordnen (vgl. Kap. 5.3.5). Die Ausgleichsmaßnahmen „an anderer Stelle" soll nach § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB die Gemeinde an Stelle und auf Kosten der Vorhabenträger oder der Eigentümer der Grundstücke durchführen und auch die hierfür erforderlichen Flächen bereitstellen, „sofern dies nicht auf andere Weise gesichert ist". Dieser letzte Satzteil weist auf die in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB ausdrücklich angesprochene Möglichkeit hin, dass die Gemeinde mit den Vorhaben trägem und Grundstückseigentümern zur „Durchführung des Ausgleichs i. S. d. § l a Abs. 3" städtebauliche Verträge schließen kann. Da die Gemeinden bei der Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen, die Eingriffsgrundstücken innerhalb des Vorhaben- und Erschließungsplans zugeordnet sind, aufgrund ihrer Kostenerstattungssatzungen (§ 135b BauGB) von den Vorhabenträgern und Grundstückseigentümern keine Kostenerstattungsbeträge erheben können, muss die Kostenerstattung im Durchführungsvertrag umfassend und abschließend geregelt werden. Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist nach § 30 Abs. 2 BauGB ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan (mit den Bestimmungen im Vorhaben- und Erschließungsplan und den sonstigen Festsetzungen) nicht widerspricht. Auch im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans findet § 31 BauGB mit seinen Bestimmungen über Ausnahmen und Befreiungen Anwendung. Kommt der Vorhabenträger den Verpflichtungen aus dem Durchführungsvertrag nicht nach, so soll die Gemeinde den vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufheben; § 12 Abs. 6 BauGB, ohne dass insoweit Entschädigungsansprüche gegen die Gemeinde entstehen. Zulässig ist der Trägerwechsel, sofern der (neue) Vorhabenträger die uneingeschränkte Gewähr erfüllt, das Vorhaben und die Erschließung durchzuführen; § 12 Abs. 5 BauGB. 5.2.4

Die Innenbereichssatzungen

Die Abgrenzung zwischen den im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (§ 34 Abs. 1 und 2 BauGB) und dem Außenbereich der Gemeinde (§ 35 BauGB) ist nicht immer leicht vorzunehmen. Das Bundesbaurecht ermächtigt deshalb die Gemeinden in § 34 Abs. 4 BauGB,

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die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festzulegen,



bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festzulegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind und



einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einzubeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzimg des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.

Die Satzimg nach Nr. 1 schafft kein Baurecht, sondern stellt klar, was zum Innenbereich gehört. Die Satzung nach Nr. 2, vor allem aber die Satzung nach Nr. 3 eignet sich zur Schaffung von Bauland. Eine Beschränkung ergibt sich allerdings aus der Forderung, dass die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sein müssen.. Eine Innenbereichssatzung nach Nr. 3 kann demnach nur mit dem Ziel aufgestellt werden, eine vorhandene Bebauung ihrer Art nach in den (bisherigen) Außenbereich zu erweitern. Auch in den Fällen der Nr. 2 ist zu beachten, dass der Zulässigkeitsmaßstab entsprechend § 34 Abs. 1 BauGB gefunden werden muss. Zu diesem Zweck können nach § 34 Abs. 5 Satz 2 in der Satzung einzelne Festsetzungen nach § 9 Abs. 1, 3 Satz 1 und 4 BauGB getroffen werden. Dies erfordert, dass ähnlich wie bei der Aufstellung eines Bebauungsplans - der Satzung eine Planzeichnung mit Textfestsetzungen beigefügt wird. Für die Satzungen nach Nr. 2 und Nr. 3 sieht das Gesetz als allgemeine Voraussetzung vor, dass sie mit der geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, das die Zulässigkeit von UVP-pflichtigen Vorhaben nicht begründet werden und keine Anhaltspunkte bestehen, dass Schutzgüter nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchstabe b (FFH- und Vogelschutz-Richtlinie) beeinträchtigt werden. Deshalb besteht für die § 34-Satzungen auch kein Erfordernis für die Durchführung der Umweltprüfung. Auf die Satzung nach Nr. 3 sind nach § 34 Abs. 5 Satz 4 BauGB die Bestimmungen des § l a Abs. 2 und 3 und des § 9 Abs. l a BauGB entsprechend anzuwenden. Das bedeutet, dass auch bei der Aufstellung dieser Satzungen die Vorschriften für über die Berücksichtigung umweltschützender Belange in der Abwägung und in diesem Zusammenhang vor allem die Eingriffs- und Ausgleichsregelungen zu beachten sind. Falls es dazu erforderlich ist, können in den Innenbereichs-Erweiterungssatzungen die Zuordnung von Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. l a BauGB vorgenommen werden. Auch ist den Satzungen entsprechend § 2 a Satz 2 Nr. 1 eine Begründung beizufügen, in der die Ziele, Zwecke und wesentlichen Auswirkungen der Satzung darzulegen sind.

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Ist eine Innenbereichssatzung rechtswirksam zustande gekommen (vgl. Kap. 5.4.3), so sind die bisherigen Außenbereichsflächen einem im Zusammenhang bebauten Innenbereich zuzuordnen. Die Zulässigkeit der baulichen Nutzung der von der Satzung erfassten Flächen richtet sich nach dem Satzungsinhalt und im übrigen nach den § 34 Abs. 1 und 2 BauGB. 5.2.5

Die Außenbereichssatzungen

Jahrzehntelang galt als Grundsatz, dass eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange durch ein Vorhaben im Außenbereich und damit grundsätzlich seine Unzulässigkeit anzunehmen ist, wenn das Vorhaben die Entstehung, Verfestigimg oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt (so immer noch § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Nunmehr kann die Gemeinde nach § 35 Abs. 6 BauGB für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich genutzt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzimg bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB („sonstige Vorhaben") nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben (mit etwa bis zu fünf Beschäftigten) dienen. In der Satzung können (ohne Bindung an die Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 BauGB und der BauNVO) nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit von Bauvorhaben getroffen werden. Dabei sind aber nach ausdrücklicher gesetzlicher Anweisung die Grundsätze einer geordneten städtebaulichen Entwicklung (vgl. § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB) zu beachten. Die ergänzende Anwendbarkeit des § l a und des § 9 Abs. l a und 8 BauGB ist (anders als für die Innenbereichssatzung, vgl. Kap. 5.2.4) nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Eine Umweltprüfung ist nicht vorgesehen; wie bei den Satzungen nach § 34 BauGB dürfen daher durch die Satzung weder die Zulässigkeit UVPpflichtiger noch FFH- und Vogelschutzgebiete beeinträchtigender Vorhaben begründet werden.

5.3 Die Sachanforderungen an den Inhalt städtebaulicher Planungen 5.3.1

Vorbemerkung

Den Gemeinden steht aufgrund der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung durch Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BauGB für die Bauleitplanung die sog. Planungshoheit zu. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind die Bauleitpläne von der Gemeinde in eigener Verantwortung

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aufzustellen. Dies gilt auch für die sonstigen städtebaulichen Planungen: Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 und 5 BauGB und Außenbereichssatzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB werden als Gemeindesatzungen erlassen. Sofern Bauleitpläne oder sonstige städtebauliche Planungen der Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde bedürfen (vgl. Kap. 5.4), werden ihr Zustandekommen und ihr Sachinhalt nur auf Rechtsfehler überprüft (vgl. § 6 Abs. 2 in Verb, mit § 10 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Die gemeindliche Planungshoheit für die städtebaulichen Planungen ist aber nicht unbeschränkt. Die Bauleitpläne sind nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (vgl. Kap. 5.3.2). Dabei sind die Gemeinden nach §1 Abs. 4 BauGB an die Ziele der Raumordnung gebunden (vgl. Kap. 5.2.3). Sie haben die in § 1 Abs. 5 BauGB angeführten Oberziele der Bauleitplanung zu beachten und die in § 1 Abs. 6 BauGB aufgelisteten öffentlichen und privaten Belange zu berücksichtigen (vgl. Kap. 5.3.4 und 5.3.5). Hinter diesen gesetzlichen Handlungsanweisungen steht zusammenfassend in § 1 Abs. 7 BauGB das Abwägungsgebot (vgl. Kap. 5.3.6). Eine Umweltprüfung stellt insbesondere die Berücksichtigimg der umweltschützenden Belange in der Abwägung durch besondere Verfahrensanforderungen sicher (vgl. Kap. 5.3.7). Die angeführten Gesetzesbestimmungen stehen in dem Abschnitt, der die allgemeinen Vorschriften für die Bauleitplanung enthält (§§ 1 bis 4c). Sie sind aber auch bei der Aufstellung der sonstigen städtebaulichen Planungen zu beachten, weil sie die Grundsätze einer geordneten städtebaulichen Entwicklung darstellen. Für die Innenbereichssatzungen wird in § 34 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BauGB und für die Außenbereichssatzungen in § 35 Abs. 6 Satz 4 Nr. 1 BauGB ausdrücklich hervorgehoben, dass sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sein müssen. 5.3.2

Erforderlichkeit der städtebaulichen Planung

Die Gemeinden haben nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Ordnung und Entwicklung erforderlich ist. Bauleitpläne sind dann erforderlich, wenn sie nach den städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen der Gemeinde, die von der Mehrheit der Gemeindevertretung getragen sein müssen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB), als erforderlich angesehen werden. Diese städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen zu erarbeiten und zu konkretisieren und dabei die Schwerpunkte festzulegen, ist gerade die Aufgabe der Gemeinde aufgrund ihrer Planungshoheit. Es ist daher erfahrungsgemäß schwer, in Bezug auf Inhalte eines Bauleitplans, der in dem vorgeschriebenen Verfahren zustande gekommen und mit Mehrheit

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beschlossen wurde, den Nachweis zu führen, dass der gesamte Bauleitplan oder eine bestimmte Darstellung oder Festsetzung nicht „erforderlich" sei. Eine gewisse Bewegung kommt in diese recht starre Beurteilung durch eine Besonderheit, die nach § 12 Abs. 2 BauGB für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit Vorhaben· und Erschließungsplan gilt (der in der städtebaulichen Entwicklungspraxis eine zunehmende Bedeutung zu verzeichnen hat, vgl. Kap. 5.2.3). Der Anstoß für das Zustandekommen eines solchen Bebauungsplans geht von einem Vorhabenträger (d. h. einem privaten oder öffentlichen Investor) aus, der der Gemeinde für einen bestimmten Bereich, für dessen Grundstücke er sich die Bebauungsrechte gesichert hat, den Entwurf eines Vorhaben- und Erschließungsplans zur Abstimmimg vorlegt. Stößt er dabei auf (kommunalpolitische) Schwierigkeiten, so kann er den förmlichen Antrag stellen, dass die Gemeinde (das ist die Gemeindevertretimg) über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens „nach pflichtgemäßem Ermessen" entscheidet. Damit kann er die „Erforderlichkeit" eines Bauleitplans zumindest beeinflussen. 5.3.3

Bindung an die Ziele der Raumordnung (Landes- und Regionalplanung)

Die Bauleitpläne sind nach § 1 Abs. 4 BauGB den Zielen der Raumordnung anzupassen. Nähere Bestimmungen dazu finden sich im Raumordnungsgesetz (ROG) des Bundes, das nur ein Rahmengesetz ist (vgl. Art 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GG), und in den Landesplanungsgesetzen. Nach den rahmenrechtlichen Vorgaben des ROG sind der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume durch zusammenfassende, übergeordnete Raumordnungspläne und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Leitvorstellung bei der Erfüllung dieser Aufgabe ist eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung führt. In den Grundsätzen der Raumordnung wird diese Leitvorstellung näher erläutert. Nach dem Gegenstromprinzip sollen sich die Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Teilräume in die Gegebenheiten und Erfordernisse des Gesamtraumes einfügen und die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Gesamtraums sollen die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigen. Die Länder haben in ihren Landesplanungsgesetzen die Rechtsgrundlagen für die Raumordnung in Ihrem Gebiet (=Landesplanung) zu schaffen. Die Grundsätze der Raumordnung sind nach der Maßgabe der Leitvorstellung und des Gegenstromprinzips

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für den jeweiligen Planungsraum und einen regelmäßig mittelfristigen Zeitraum durch Raumordnungspläne zu konkretisieren. Für das Gebiet eines jeden Landes ist ein zusammenfassender und übergeordneter Plan aufzustellen (in den Ländern Berlin, Bremen und Hamburg kann ein Flächennutzungsplan die Funktion dieses Plans übernehmen). In den Ländern, deren Gebiet Verflechtungsbereiche mehrerer zentraler Orte oberster Stufe umfasst, sind Regionalpläne aufzustellen. Die Raumordnungspläne sollen Festlegungen zur Raumstruktur enthalten, insbesondere zur anzustrebenden Siedlungs- und Freiraumstruktur und zu den zu sichernden Standorten und Trassen für die Infrastruktur. In Bezug auf die Freiraumstruktur kann bestimmt werden, dass unvermeidbare Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes an anderer Stelle ausgeglichen, ersetzt oder gemindert werden. Die Festlegungen zur Raumstruktur können ihren Ausdruck in der Form von Zielen, Grundsätzen und sonstigen Erfordernissen der Raumordnimg finden. Ziele der Raumordnung, denen die Gemeinden ihre Bauleitpläne anzupassen haben, sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen und zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, ist ausdrücklich vorgeschrieben, dass Ziele der Raumordnung in den Raumordnungsplänen als solche zu kennzeichnen sind. Wenn die Gemeinden die Bauleitpläne den Zielen der Raiunordnung „anzupassen" haben, so bedeutet dies, dass diese Ziele nicht Gegenstand der Abwägung in der Planungsentscheidung (vgl. § 1 Abs. 7 BauGB) sein können. Dem schon erwähnten Gegenstromprinzip entspricht es aber, dass bei der Aufstellung der Regionalpläne die Flächennutzungspläne der Gemeinden und die Ergebnisse der von Gemeinden beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planungen in der Abwägung zu berücksichtigen sind. Soweit die Regionalplanung nach Landesrecht nicht durch Zusammenschlüsse von Gemeinden und Gemeindeverbänden zu regionalen Planungsgemeinschaften erfolgt, ist vorzusehen, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände oder deren Zusammenschlüsse in einem förmlichen Verfahren beteiligt werden. Die Länder haben Bestimmungen darüber zu treffen, dass raumbedeutsame Planungen, zu denen auch Bauleitpläne gehören, sowie raumbedeutsame Maßnahmen, die von den Bindungswirkungen der Ziele der Raumordnung erfasst werden, untersagt werden können, und zwar unbefristet, wenn Ziele der Raumordnung entgegenstehen, oder zeitlich befristet, wenn zu befürchten ist, dass die in Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung befindlichen Ziele der Raumordnung unmöglich gemacht oder wesent-

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lieh erschwert werden würden. Weiterhin sind in den Landesplanungsgesetzen Vorschriften über die Durchführung von Raumordnungsverfahren vorzusehen, in denen raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen untereinander und mit den Erfordernissen der Raumordnung abgestimmt werden. Raumordnungsverfahren sollen aber nur bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen durchgeführt werden, für die dies blindes- und landesrechtlich besonders angeordnet ist (vgl. die Raumordnungsverordnving des Bundes). Die vorstehend erörterte Bindung der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung gilt auch für die Innenbereichs- und Außenbereichssatzungen. Für beide städtebaulichen Satzungen lautet die gesetzliche Forderung, dass ihr Inhalt mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sein muss. Zu dieser geordneten städtebaulichen Entwicklung gehört auch die Bindung an die Ziele der Raumordnung. 5.3.4

Die gesetzlichen Oberziele für die städtebaulichen Planungen

Die Bestimmungen in § 1 Abs. 5 BauGB über die öffentlichen und privaten Belange, die bei der Bauleitplanung zu beachten sind, werden in Satz 1 und 2 mit Hinweisen eingeleitet, die man als die Oberziele für die städtebaulichen Planungen bezeichnen kann. Als erstes wird gefordert, dass die Bauleitpläne eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung gewährleisten sollen. Der Begriff „nachhaltig" wird im Gesetz wie folgt erläutert: Die städtebauliche Entwicklung soll die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen in Einklang bringen. Weiterhin sollen die Bauleitpläne eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. Soweit es mit dem Inhalt von Bauleitplänen möglich ist, soll die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung gefördert werden (vgl. § 89 Abs. 3 Satz 1 und § 169 Abs. 6 Satz 1 BauGB wegen der Veräußerungspflicht der Gemeinden). Die Bauleitpläne sollen auch dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern. Damit wird den Gemeinden schon ganz allgemein zur Pflicht gemacht, die für die städtebauliche Entwicklung bedeutsamen Forderungen des Immissionsschutzes, des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Boden- und Gewässerschutzes und des Denkmalschutzes zu berücksichtigen. Die Bauleitpläne sollen auch das Orts- und Landschaftsbild baukulturell erhalten und entwickeln. Schließlich wird den Gemeinden aufgegeben, mit den Bauleitplänen dazu beizutragen, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, auch in Verantwor-

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tung für den allgemeinen Klimaschutz. Die natürlichen Lebensgrundlagen sind Boden, Wasser, Luft, Klima sowie die Pflanzen- und Tierwelt. Durch diese Oberziele wird auch deutlich, dass die Bauleitpläne nicht nur als Instrumente zur Schaffung von Bauland samt den erforderlichen Infrastrukturanlagen, sondern auch als Werkzeuge zum Schutz und zur Sicherung einer positiv funktionsfähigen Umwelt in ihren für die städtebauliche Entwicklung bedeutsamen Ausprägungen verstanden haben will. 5.3.5

Die zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Belange

In § 1 Abs. 6 BauGB sind in elf Nummern die öffentlichen und privaten Belange aufgeführt, die bei der Aufstellung der Bauleitpläne „insbesondere" zu berücksichtigen sind. Der Inhalt dieser „Kontrollliste" ist sehr umfangreich und wegen seiner Einzelheiten ist auf den Gesetzestext zu verweisen. Soviel ist jedoch allgemein zu bemerken, dass er alle gesellschaftspolitisch bedeutsamen Interessen der Allgemeinheit wie auch der einzelnen Menschen umfasst, die für die städtebauliche Entwicklung in Stadt und Land erheblich sein können. Aus dem Blickwinkel der Immobilienökonomie ist vor allem die Nr. 8 von Interesse; sie nennt die Belange der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, der Land- und Forstwirtschaft, des Verkehrs einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs, des Post- und Fernmeldewesens, der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, der Abfallentsorgung und der Abwasserbeseitigung sowie die Sicherimg von Rohstoffvorkommen und die Erhaltung, Sicherang und Schaffung von Arbeitsplätzen. 5.3.6

Das Abwägungsgebot

In § 1 Abs. 7 BauGB ist gewissermaßen wie ein „rechtsstaatliches Ausrufungszeichen" am Schluss der Gesetzesbestimmung über „Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung" das Abwägungsgebot enthalten: Bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Ob es bei einer bestimmten städtebaulichen Planimg beachtet worden ist, bildet die wichtigste Fragestellung bei der Überprüfung solcher Planungen im Normenkontrollverfahren, in Widerspruchs- und verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren bezüglich der Zulässigkeit von Bauvorhaben und in baulandgerichtlichen Verfahren (hinsichtlich der in § 217 Abs. 1 BauGB bezeichneten Verwaltungsakte, vor allem in Umlegungs- und Enteignungssachen).

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Nach § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind - das Abwägungsmaterial - zu ermitteln und zu bewerten. Die Vorschriften über die öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung dienen insbesondere der vollständigen Ermittlung und der zutreffenden Bewertung der von der Planung berührten Belange; § 4 a Abs. 1 BauGB. Die Einhaltung des Abwägungsgebots fordert ein Vorgehen in drei Stufen: Zuerst sind für den Planungsraum umfassend die für städtebauliche Entwicklung erheblichen Gegebenheiten, öffentlichen Entwicklungsvorstellungen und privaten Entwicklungsinteressen zu ermitteln (vgl. insbesondere die unter Kap. 5.4 zu erörternden Vorschriften über die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden in den §§ 3,4 und 4 a BauGB). Die Vorgaben für den Umfang der Ermittlungen sind in dem Gebot der Anpassung der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung (§ 1 Abs. 4 BauGB), in den „Oberzielen der Bauleitplanung" (§ 1 Abs. 5 BauGB) und in der Kontrollliste der zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Belange (§ 1 Abs. 6 BauGB) einschließlich der ergänzenden Gesetzesbestimmungen zum Umweltschutz in § 1 a BauGB. Aus ihnen folgt i. d. R. die Notwendigkeit, bezüglich der Verhältnisse im Planungsgebiet Fachgutachten zu den Anforderungen des Immissionsschutzes (insbesondere der Lärmbeschränkimg und der Luftreinhaltung), des Naturschutzes und der Landschaftspflege (meist in der Gestalt von Landschaftsplanungen), des Bodenschutzes (Altlastenproblematik), des Gewässerschutzes und des Denkmalschutzes einzuholen. Zum Beitrag der Umweltprüfung vgl. Kap. 5.3.7 Als Nächstes sind die als planungserheblich erkannten örüichen und überördichen Gegebenheiten, öffentlichen Entwicklungsvorstellungen und privaten Entwicklungsinteressen bezüglich des Gewichts zu beurteilen, das sie für die städtebauliche Entwicklung in dem Planungsraum haben. Maßstäbe für die Bewertung können zur Berücksichtigung der Forderungen des „technischen" Umweltschutzes den Normen mit Grenzwerten für die Lärmbelastung, die Luftverunreinigung, die Bodenbelastung und die Gewässerverunreinigung entnommen werden, bezüglich des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie des Denkmalschutzes sind sie den Ziel- und Begriffsbestimmungen der jeweiligen Spezialgesetze zu entnehmen und dementsprechend nur „verbal-argumentativ" anzuwenden. Letzteres gilt auch für die vielen anderen Belange, für deren Gewichtung es keine Grenzwerte geben kann, wie etwa die im vorausgegangenen Kap. 5.3.5 angeführten Belange der Wirtschaft. Die dritte Stufe ist der eigentliche Abwägungsvorgang bei der Entscheidung über den Inhalt der städtebaulichen Planung. Erst dabei erlangt das aus der Planungshoheit der Gemeinden fließende sog. Abwägungsermessen seine Bedeutung, nicht etwa schon in

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der ersten Stufe bei der Ermittlung der planungserheblichen Gegebenheiten, Entwicklungsvorstellungen und Entwicklungsinteressen und auch (noch) nicht in der zweiten Stufe bei der Gewichtung der als planungserheblich erkannten Belange bezüglich ihrer Bedeutung für den Planungsraum. Die Ermittlungen in der ersten Stufe und die Bewertungen in der zweiten Stufe ergeben insgesamt das „Abwägungsmaterial", über das von der Gemeindevertretung zu beraten ist. Enthalten diese Abwägungsgrundlagen „Zielkonflikte", etwa zwischen der Inanspruchnahme noch naturhafter („unverbrauchter") Flächen am Ortsrand oder im Außenbereich für bauliche oder sonst mit Bodenversiegelung verbundene Vorhaben einerseits und den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege andererseits, so ist in der Abwägimg eine Lösung zu suchen, die den Anforderungen an eine geordnete städtebauliche Entwicklung (zumindest noch) gerecht wird. Damit dies ggf. im Genehmigungsverfahren, im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren oder in einem sonstigen Gerichtsverfahren nachgeprüft werden kann, sind die Abwägungsüberlegungen in der Begründung (§ 2 a BauGB) näher darzulegen. An sich begründen Abwägungsfehler grundsätzlich die rechtliche Mangelhaftigkeit und damit Unbeachtlichkeit städtebaulicher Planungen. Davon machen jedoch die Bestimmungen in den §§ 214 und 215 BauGB bezüglich der Beachtlichkeit der Verletzimg von Vorschriften über die Aufstellung des Flächennutzungsplans und der Plansatzungen sowie der Fristen für die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften und von Mängeln der Abwägung wichtige Ausnahmen. 5.3.7 5.3.7.1

Umweltprüfung Überblick

Europarechtlich vorgegeben ist in die Verfahren der Bauleitplanung die sog. Umweltprüfung integriert, indem sie als Regelverfahren für grundsätzlich alle Bauleitpläne ausgestaltet worden ist und als einheitliches Trägerverfahren die bauplanungsrechtlich relevanten umweit- und naturschutzrechtlichen Aspekte zusammenführt; § 2 Abs. 4. Die UPPflicht besteht für alle Bauleitpläne. Die Umweltprüfung steht nicht „neben" dem Bauleitplanverfahren, sondern ist sein Bestandteil mit der Aufgabe, die für die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB erforderlichen umweltschützenden Belange zu erfassen und die Prüfung dadurch in der Tendenz eher optimieren. Bei Umweltprüfungen auf verschiedenen Ebenen der Bauleitplanung kann durch eine Abschichtung innerhalb der Umweltprüfung vermieden werden, dass Belange unnötig doppelt geprüft werden. So müssen Belange, die auf der Ebene der Raumordnung geprüft werden, beim Flächennut-

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zungsplan nicht nochmals abgearbeitet werden. In die Umweltprüfung sind auch andere naturschutzrechtliche Vorgaben einzustellen, so weit sie sich auf das Bauleitverfahren beziehen, wie beispielsweise Vorgaben der FFH-Richtlinie, der Vogelschutz-Richtlinie und der Seveso-II-Richtlinie. 5.3.7.2

Umweltprüfung

Die Umweltprüfung ist ein Verfahren, in dem für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 und nach § l a BauGB die voraussichtlich erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt sowie in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden. Dies umfasst im einzelnen u. a. die Auswirkungen auf den Naturhaushalt, den Eingriff in Natur und Landschaft, den Bodenschutz, die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie, Umweltplanungen, die umweltbezogenen Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit, die erneuerbaren Energien usw. Die Einzelheiten der Umweltprüfung ergeben sich aus der Anlage zu § 2 Abs. 4 und § 2 a. Die Umweltprüfung bezieht sich nur auf voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen. Die Gemeinde legt dabei Umfang und Detaillierungsgrad der Untersuchung (sog. Scoping) fest. Die Umweltprüfung sich bezieht danach auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans Angemessenerweise verlangt werden kann. Die Ergebnisse der Umweltprüfung sind nach § 2 Abs. 4 Satz 4 BauGB in der Abwägimg zu berücksichtigen. Die Umweltprüfung dient der Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Umweltbelange als Bestandteile der Abwägung (§ 2 Abs. 4 Satz 1 BauGB). In die Ermittlung sind die in § 1 Abs. 6 Nr. 7, § l a BauGB benannten Umweltbelange einzubeziehen. Die Umweltbelange, die im Umweltbericht zusammengefasst werden, treten dabei neben die anderen abwägungserheblichen Belange, die in der Begründung darzustellen sind (§ 2a BauGB). Unter diesen Belangen bilden die im Umweltbericht zusammengefassten Belange des Umweltschutzes eine besondere Gruppe, die allerdings in der Abwägung keinen qualitativ hervorgehobenen Stellenwert hat. § 2 Abs. Satz 5 BauGB eröffnet die Möglichkeit der Abschichtung bei der Umweltprüfung zur Vermeidung von Doppelprüfungen, indem ein nachfolgendes Verfahren auf andere oder zusätzliche Umweltauswirkungen beschränkt werden kann. Eine Umweltprüfung auf der Ebene der Raumordnungsplanung kann abschichtende Wirkimg für die Flächennutzungsplanung haben; die integrierte Umweltprüfung auf der Ebene der Flächennutzungsplanung kann wiederum zur Abschichtung auf der Ebene der Bebauungsplanung genutzt werden. Die Inhalte der Landschaftsplanung und anderer umweltbezogener Planungen werden nach § 2 Abs. 4 Satz 6 BauGB im Rahmen der Ermittlung

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387

und Bewertung herangezogen. Im Interesse der Verwaltungseffizienz soll damit eine Möglichkeit zur Begrenzung von Parallelplanungen eröffnet und „Doppelprüfungen" vermieden werden. 5.3.7.3

Umweltbericht

Der Umweltbericht ist ein Teil der Begründung, in dem das Ergebnis der nach dem vorgeschlagenen § 2 Abs. 4 durchgeführten Ermittlung und Bewertung der Umweltauswirkungen in einem eigenständigen Abschnitt beschrieben wird. Dies betrifft die Belange nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 einschließlich der in § l a BauGB vorgesehenen besonderen Rechtsfolgen; weitere Einzelheiten zum Inhalt des Umweltberichts ergeben sich aus der Anlage zu §§ 2 Abs. 4, 2 a. § 2a verdeutlicht insbesondere auch, dass der Umweltbericht bereits als Teil der Begründung des Bauleitplanentwurfs vorliegen soll und bis zum Beschluss über den Bauleitplan fortzuschreiben ist. 5.3.7.4

Monitoring

Nach § 4 c BauGB sind die erheblichen Umweltauswirkungen der Planung zu überwachen, um u. a. erhebliche unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen der Durchführung der Planung festzustellen und in der Lage zu sein, geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.

§ 4c Satz 1 sieht vor, dass die Gemeinden die erheblichen Umweltauswir-

kungen überwachen, die auf Grund der Durchführung der Bauleitpläne eintreten, um insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen frühzeitig zu ermitteln und in der Lage zu sein, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Nach § 4 c Satz 2 nutzen die Gemeinden dabei die im Umweltbericht nach Absatz 2 der Anlage zu § 2 Abs. 4 und § 2 a angegebenen Überwachungsmaßnahmen und die Informationen der Behörden nach § 4 Abs. 3. Die Überwachung nach § 4 c ist wie folgt strukturiert: Die Gemeinden werden zur Überwachungsbehörde bestimmt, da sie als Träger der kommunalen Planungshoheit die zu überwachenden Pläne aufgestellt haben. Bereits bei der Ausarbeitung des Plans hat eine Auseinandersetzung mit den geeigneten Überwachungsmaßnahmen stattzufinden. Das geplante Monitoring-Konzept ist im Umweltbericht zu beschreiben. Die geplanten Überwachungsmaßnahmen werden so im Rahmen des Umweltberichts Gegenstand der Beteiligung der Öffentlichkeit, sowie der Behörden und Träger öffentlicher Belange nach den §§ 3 bis 4a. Den Fachbehörden wird eine Verpflichtung auferlegt, die Kommunen darauf hinzuweisen, wenn sie Erkenntnisse insbesondere über unvorhergesehene nachteilige Umweltauswirkungen haben (§ 4 Abs. 3). Hiermit sollen die Gemeinden von aufwändigen Ermittlungen entlastet und Doppelarbeit vermieden werden.

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5.3.7.5

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

Zusammenfassende Erklärung

Nach § 6 Abs. 5 Satz 3 bzw. § 10 Abs. 4 BauGB ist dem Bauleitplan nach Beschlussfassung eine zusammenfassende Erklärung beizufügen, die Angaben zur Art und Weise der Berücksichtigung der Umweltbelange, Ergebnisse der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung und der geprüften anderweitigen Planimgsmöglichkeiten in dem jeweiligen Bauleitplan zu enthalten hat. Auswirkungen auf die Rechtswirksamkeit des Bauleitplans gehen von der zusammenfassenden Erklärung nach § 214 nicht aus, da die Erklärung einen zustande gekommenen Bauleitplan voraussetzt.

5.4 Die Verfahren zur Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung städtebaulicher Planungen 5.4.1

Das Verfahren für den Flächennutzungsplan

Das Verfahren zur Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Flächennutzungsplänen (§§ 5 bis 7 BauGB) sowie von sog. qualifizierten und von einfachen Bebauungsplänen (§§ 8 bis 10, § 30 Abs. 1 und 3 BauGB) läuft weitgehend einheitlich ab. Im Folgenden wird das Verfahren für die Flächennutzungsplanung dargestellt, auf das später (unter Kap. 5.4.2) für die sog. qualifizierten und die einfachen Bebauungspläne Bezug genommen wird. Soweit dabei das Wort „aufstellen" gebraucht wird, ist immer auch „ändern", „ergänzen" und „aufheben" mit gemeint (vgl. § 1 Abs.8 BauGB). Das Verfahren der Flächennutzungsplanung beginnt mit dem Beschluss, einen solchen Plan aufzustellen. Dieser Beschluss ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB ortsüblich bekannt zu machen. Als nächstes schreibt das Bundesbaurecht in § 3 BauGB die Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Damit sind Bürgerinnen und Bürger nicht nur i. S. d. Kommunalrechts gemeint, sondern eigentlich „jedermann", und zwar sowohl natürliche wie auch juristische Personen. Sie sind nach § 3 Abs. 1 BauGB möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder die Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planimg öffentlich zu unterrichten. Ihnen ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Doch kann von der Unterrichtung und Erörterung abgesehen werden, wenn die Unterrichtung und Erörterung bereits auf anderer Grundlage (etwa im Rahmen einer sonstigen städtebaulichen Planung i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB) erfolgt sind. Welcher Verfahren und Mittel sich die Gemeinde zur öffentlichen Unterrichtung der Bürger bedient (Erläuterungen in Amtsblättern oder Tageszeitungen, Verteilung von Informationsmaterial, Bürgerversammlungen usw.), ist ihr überlassen.

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Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 hat die Gemeinde, die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt wird, über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planimg, sich wesenüich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung zu unterrichten und zur Äußerung aufzufordern, und zwar auch im Hinblick auf den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4. Die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorgegebene frühzeitige Behördenbeteiligung dient vorrangig der Festlegung von Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung (sog. Scoping). Stellungnahmen zum Inhalt der Planung sind noch nicht erforderlich. Die beteiligten Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange sollen die Gemeinde bei der Festlegung des auf der jeweiligen Planungsebene geeigneten Umfangs und Detaillierungsgrads der Umweltprüfung beraten.. Die frühzeitigen Beteiligungen nach §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 sowie die regulären Beteiligungen nach §§ 3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 können nach § 4 a Abs. 2 BauGB jeweils gleichzeitig erfolgen. Daraus ergibt sich u. a., dass eine Behördenbeteiligung nicht deswegen vorgezogen werden muss, damit bei der Auslegung des Bebauungsplans nach § 3 Abs. 2 umweltbezogene Stellungnahmen ausgelegt werden können. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind neben den Entwürfen der Bauleitpläne einschließlich Begründung auch die nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen auszulegen. Unter Stellungnahmen sind nicht nur behördliche Stellungnahmen anzusehen, die im Rahmen einer Beteiligung nach §§ 4, 4a eingegangen sind. Darunter können auch im Vorfeld eingegangene Zuschriften von Behörden, Verbänden oder Privaten fallen. Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, alle vorhandenen Stellungnahmen auszulegen. Die Verpflichtung beschränkt sich auf Stellungnahmen mit umweltbezogenem Inhalt und hierbei wiederum nur auf die wesentlichen Stellungnahmen. Ort und Dauer der Auslegung sind mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen; § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Anregungen während der Auslegungsfrist vorgebracht werden können. Anzugeben ist im Rahmen der Bekanntmachung, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind und ausgelegt werden; § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Eine weitere Hinweispflicht ergibt sich aus § 4a Abs. 6 Satz 2 BauGB: Die sog, Präklusionswirkung des § 4 a Abs. 6 setzt im Hinblick auf die Stellungnahmen in der Öffentlichkeitsbeteiligung voraus, dass auf diese in der Bekanntmachimg nach § 3Abs. 2 Satz 2 hingewiesen wurde. Erfolgt dies, so bleiben nach Maßgabe des § 4 a Abs. 6 nicht fristge-

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recht abgegebene Stellungnahmen unberücksichtigt. Unterbleibt der Hinweis, berührt dies die Rechtmäßigkeit der Planung nicht, sondern hat nach § 4a Abs. 6 Satz 2 lediglich zur Folge, dass die Präklusion verspäteter Stellungnahmen nicht eintritt. Der Flächennutzungsplan bedarf nach § 6 BauGB der Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn der Plan nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen ist oder wenn er sachinhaltliche Mängel aufweist. Wenn bestimmte Versagungsgründe nicht ausgeräumt werden können, hat die höhere Verwaltungsbehörde die Möglichkeit, räumliche oder sachliche Teile des Flächennutzungsplans von der Genehmigung auszunehmen. Über die Genehmigung ist grundsätzlich innerhalb von drei Monaten zu entscheiden (vgl. § 6 Abs. 4 BauGB). Die Erteilung der Genehmigung ist ortsüblich bekannt zu machen. Mit der Bekanntmachung wird der Flächennutzungsplan rechtswirksam. Jedermann kann den Flächennutzungsplan und den Erläuterungsbericht einsehen und über deren Inhalt Auskunft verlangen. Da der Flächennutzungsplan nicht als Satzung beschlossen wird (vgl. demgegenüber für die Bebauungspläne § 10 Abs. 1 BauGB), stellt er keine Rechtsnorm dar, und er kann deshalb nicht zum Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO gemacht werden. Dass er mit Verfahrens- oder Sachmängeln belastet ist, kann nur im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan oder in einem sonstigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden, in dem sein Inhalt von rechtserheblicher Bedeutimg ist. 5.4.2

Das Verfahren für sog. qualifizierte und für einfache Bebauungspläne

Dieses Verfahren unterscheidet sich von dem Verfahren für Flächennutzungspläne in folgendem: Die Bebauungspläne sind von der Gemeinde nach § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung zu beschließen. Einer Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde bedürfen sie nach § 10 Abs. 2 BauGB nur in drei Fällen: •

Ein Bebauungsplan wird nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der Annahme aufgestellt, dass er ohne das Vorliegen eines Flächennutzungsplans geeignet sei, die städtebauliche Entwicklung zu ordnen.



Ein Bebauungsplan wird gemeinsam mit dem Flächennutzungsplan nach § 8 Abs. 3 BauGB im Parallelverfahren aufgestellt, und er soll vor dem Flächennutzungsplan bekannt gemacht werden.



Ein Bebauungsplan soll nach § 8 Abs. 4 ohne das Vorliegen eines Flächennutzungsplans als vorzeitiger Bebauungsplan aufgestellt werden.

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Ein Bebauungsplan, der gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB aus dem Flächennutzungsplan „entwickelt" ist, bedarf weder einer Genehmigimg noch einer Anzeige bei der höheren Verwaltungsbehörde. Das Bebauungsplanverfahren endet nach § 10 Abs. 3 BauGB damit, dass die Genehmigung oder, soweit eine Genehmigung nicht erforderlich ist, der Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ortsüblich bekannt gemacht wird. Der Bebauungsplan ist sodann mit der Begründimg (§ 9 Abs. 8 BauGB) zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten und über den Inhalt ist auf Verlangen Auskunft zu geben. Mit der ortsüblichen Bekanntmachung tritt der Bebauungsplan in Kraft. Als Satzung und damit als Rechtsnorm können die Bebauungspläne der verwaltungsgerichtlichen Nonnenkontrolle nach § 47 VwGO unterworfen werden. Den Normenkontrollantrag kann beim Oberverwaltungsgericht bzw. Verwaltungsgerichtshof jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder seine Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, ferner jede Behörde. Der Antrag kann nur innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach der Bekanntmachung (§10 Abs. 3 BauGB) gestellt werden. Stellt das Normenkontrollgericht einen Verfahrens- oder Sachmangel fest, der nicht nach den §§ 214, 215 BauGB unbeachtlich ist, so erklärt es den Bebauungsplan für nichtig. Leidet der Bebauungsplan an einem behebbaren Mangel, so wird der Bebauungsplan nach § 214 Abs. 4 BauGB bis zur Behebung des Mangels für nicht wirksam erklärt. Außerdem kann die verfahrensmäßige oder sachinhaltliche Rechtsfehlerhaftigkeit eines Bebauungsplans in jedem sonstigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§§ 42, 43 VwGO) und in jedem baulandgerichtlichen Verfahren (§§ 217 ff. BauGB) geltend gemacht werden, in dem es auf die Rechtmäßigkeit von Festsetzungen in Bebauungsplänen ankommt (und dies ohne zeitliche Begrenzung). 5.4.3

Das Verfahren für vorhabenbezogene Bebauungspläne

Die vorhabenbezogenen Bebauungspläne mit Vorhaben- und Erschließungsplan sind in § 12 BauGB geregelt (vgl. zu ihrer Zweckbestimmung und ihrem Sachinhalt Kap. 5.2.3). Das Verfahren zu ihrer Aufstellung beginnt damit, dass der Vorhabenträger (privater oder öffentlicher Investor) an die Gemeinde mit dem Vorschlag eines Vorhaben- und Erschließungsplans herantritt und sich darum bemüht, dessen Inhalt mit der Gemeinde „abzustimmen". Wird dieser erste Verfahrensschritt erfolgreich begangen, ist als nächstes zwischen der Gemeinde und dem Vorhabenträger der Durchführungsvertrag abzuschließen. Erst danach kann die Gemeinde das Verfahren zur Aufstellung des

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vorhabenbezogenen Bebauungsplans, das selbstverständlich schon vorher eingeleitet worden sein kann, (§ 2 Abs. 1 Satz 2, §§ 3, 4 und 4 a BauGB), mit dem Beschluss über den Bebauungsplan (§ 10 Abs. 1 BauGB) abschließen. Ansonsten gelten für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan die gleichen Verfahrensbestimmungen wie für die sog. qualifizierten und die einfachen Bebauungspläne (vgl. Kap. 5.3.2). Doch ist noch eine Besonderheit anzuführen: Nach § 12 Abs. 2 BauGB hat die Gemeinde auf Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Eine ablehnende Entscheidung ist für den Vorhabenträger ein belastender Verwaltungsakt, den er mit den Rechtsbehelfen des Verwaltungsprozessrechts angreifen kann. 5.4.4

Das Verfahren für Innenbereichssatzungen

Bei der Aufstellung von Innenbereichssatzungen (zu ihrer Zweckbestimmung und ihrem Sachinhalt vgl. Kap. 5.2.4) nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB ist gem. Abs. 6 dieser Gesetzesbestimmung das vereinfachte Verfahren nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauGB (vgl. Kap. 5.4.6) sinngemäß anzuwenden. Die Satzungen nach § 34 BauGB bedürfen keiner Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde; die Länder können jedoch die Einführung des Anzeigeverfahrens einführen (§ 246 Abs. 1 a BauGB). Entsprechend § 10 Abs. 3 BauGB ist die Genehmigung der Satzimg von der Gemeinde ortsüblich bekannt zu machen. Die Satzung ist mit Begründung zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten. Über den Inhalt ist auf Verlangen Auskunft zu geben. In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, wo die Satzung eingesehen werden kann. Mit der Bekanntmachimg tritt die Satzung in Kraft. 5.4.5

Das Verfahren für Außenbereichssatzungen

Auch bei der Aufstellung von Außenbereichs-Bausatzungen (vgl. Kap. 5.2.5) gem. § 35 Abs. 6 BauGB ist nach Satz 5 dieser Gesetzesbestimmung das vereinfachte Verfahren nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauGB entsprechend anzuwenden. Im Übrigen gilt das zum Verfahren für Innenbereichs-Erweiterungssatzungen Ausgeführte (vgl. Kap. 5.4.4). 5.4.6

Das vereinfachte Verfahren

Im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB kann zur Verfahrensbeschleunigung •

von der Unterrichtung und Erörterung nach § 3 Abs. 1 BauGB abgesehen werden,

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben



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der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB durchgeführt werden und



den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Beteiligung nach § 4 Abs. 2 BauGB durchgeführt werden.

Das Gesetz nennt als Grundvoraussetzung für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens, dass durch die Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt werden oder durch die Aufstellung eines Bebauungsplans in einem Gebiet nach § 34 der sich aus der Eigenart der näheren Umgebung ergebende Zulässigkeitsmaßstab nicht wesentlich verändert wird. Es bedarf keiner Umweltprüfung. Als weitere Voraussetzung für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens ist daher in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 bestimmt, dass die Zulässigkeit von UVPpflichtigen Vorhaben nach Anlage 1 zum UVPG oder nach Landesrecht nicht begründet wird (Nr. 1) und keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst, b genannten Schutzgüter bestehen; das sind FFH-Gebiete oder Europäische Vogelschutzgebiete (Nr. 2). Hiermit wird verdeutlicht werden, dass insbesondere europarechtlich relevante Umweltauswirkungen nicht durch Planungen im vereinfachten Verfahren hervorgerufen werden. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 finden im vereinfachten Verfahren mehrere auf die Umweltprüfung zielende Vorschriften keine Anwendimg: Umweltprüfung und Umweltbericht, Angaben nach § 3 Abs. 2 Satz 2 sowie das Monitoring. Hieraus ergibt sich auch, dass der Gesetzgeber nicht auch noch ausdrücklich darauf hinweisen musste, dass in diesen Fällen auch kein Raum für eine „zusammenfassende Erklärung" (§ 6 Abs. 5 Satz 3 und § 10 Abs. 4) ist. Bei den Beteiligungen ist darauf hinzuweisen, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird; § 13 Abs. 3 Satz 2. 5.4.7

Einschaltung eines Dritten

Nach dem § 4 b BauGB kann die Gemeinde insbesondere zur Beschleunigung des Bauleitplanverfahrens die Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten nach den §§ 3 bis 4 a BauGB einem Dritten übertragen. Es handelt sich dabei um die Verfahrensschritte der Öffenlichkeits- und Behördenbeteiligung nach §§ 3 bis 4 a BauGB .Die Vorbereitung und Durchführung dieser Verfahrensschritte kann die Gemeinde einem Dritten (dem sog. Projektmittler) übertragen, der allerdings auf die organisatorische Vorbereitung und Durchführung der ihm übertragenen Verfahrensschritte beschränkt ist. Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse, insbesondere die planerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einschließlich der dabei gebotenen (letztverantwortlichen) Prüfung der

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Anregungen von Öffentlichkeit und Behörden muss uneingeschränkt bei der planenden Gemeinde verbleiben. Bestimmte Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Dritte mit einbringen muss, enthält die Gesetzesbestimmung nicht (vgl. demgegenüber die Anforderungen an einen Sanierungsträger in § 158 BauGB, an einen Entwicklungsträger in § 167 BauGB). Von dem Vorliegen der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten muss sich die Gemeinde überzeugen, die mit Dritten einen Werkvertrag (i. S. der §§ 631 ff. BGB) abzuschließen hat (keinen städtebaulichen Vertrag i. S. d. § 11 BauGB, vgl. Kap. 5.5).

5.5 Städtebauliche Verträge 5.5.1

Die Bedeutung städtebaulicher Verträge für die Schaffung von Bauland

Die Bestimmimg des § 11 BauGB über die städtebaulichen Verträge ist in den Teil „Bauleitplanung" des BauGB aufgenommen worden, weil solche Verträge vor allem bei der Vorbereitung, Ausgestaltung und Durchführung städtebaulicher Planungen von Bedeutung sind. Das wichtigste Beispiel ist der Durchführungsvertrag, der im Rahmen des Verfahrens zum Zustandekommen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans abgeschlossen werden muss (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Zu nennen ist auch der Erschließungsvertrag (§ 124 BauGB), dessen Vereinbarimg mit einer städtebaulichen Planung einhergeht. Auch im Recht der förmlichen städtebaulichen Entwicklung, die auf der Grundlage von Bebauungsplänen erfolgen muss, spielen städtebauliche Verträge eine wichtige Rolle, nämlich die sog. Abwendungsvereinbarung (§ 166 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 BauGB) und die Veräußerung entwickelter Baugrundstücke an Bauwillige durch die Gemeinden (§ 169 Abs. 6 bis 8 BauGB). Das sind aber nur wichtige Anwendungsfälle der städtebaulichen Verträge für deren Anwendungsmöglichkeiten und Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen § 11 BauGB gewissermaßen grundsätzliche Hinweise gibt. Doch schließt diese Gesetzesbestimmung in Abs. 4 mit der Aussage, dass die Zulässigkeit anderer städtebaulicher Verträge unberührt bleibt (vgl. Kap. 5.5.5). 5.5.2

Maßnahmenverträge

Als Erstes werden in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB die städtebaulichen Verträge angeführt, die man unter dem Begriff der Maßnahmenverträge zusammenfassen kann. Gegenstand diesbezüglicher Verträge können die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner der Gemeinde auf dessen Kosten sein. Als wichtige Fallgruppen werden die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse

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(sog. private Umlegung), die Bodensanierung und die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen einschließlich eines Umweltberichts genannt. Zu den in diesem Zusammenhang ganz allgemein erwähnten „sonstigen vorbereitenden Maßnahmen" rechnen vor allem Bestandsaufnahmen planungserheblicher Fakten, Daten und Entwicklungsmöglichkeiten, sowie diesbezügliche Fach- und auch Rechtsgutachten. Da der Vertragspartner sich nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung dazu verpflichten muss, diese Maßnahmen „auf eigene Kosten" durchzuführen, handelt es sich nicht um städtebauliche Verträge, wenn die Gemeinde auf ihre Kosten Fachinstitutionen (Planungsbüros, Hochschulinstitute) damit beauftragt, solche Bestandsaufnahmen durchzuführen oder Gutachten zu erstatten. Darüber werden Werkverträge i.S. der §§ 631 ff. BGB abgeschlossen. Es wird sich nur jemand verpflichten, solche Maßnahmen auf eigene Kosten durchzuführen, der an der vorzubereitenden städtebaulichen Maßnahme ein eigenes Interesse hat (etwa ein Grundstückseigentümer, Investor oder Projektentwickler). Das Gesetz hebt ausdrücklich hervor, dass die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planungsverfahren unberührt bleibt. Dies besagt, dass dem Vertragspartner keine Vorbereitungs- und Durchführungsmaßnahmen übertragen werden können, die in den Bereich der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB fallen, in dem bestimmt ist, dass die Bauleitpläne von den Gemeinden „in eigener Verantwortung" aufzustellen sind (sog. Planimgshoheit der Gemeinden). Folglich können nicht übertragen werden: die Beschlussfassung, dass ein Bauleitplan aufgestellt, geändert, ergänzt oder aufgehoben werden soll (§ 2 Abs. 1 BauGB), die Anordnimg, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit und Behörden durchgeführt werden soll (§§ 3, 4 BauGB), die Anordnung, dass der Entwurf eines Bauleitplans mit Erläuterung bzw. Begründung öffentlich auszulegen ist (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB), die Beratung und Beschlussfassung über vorgebrachte Anregungen (§ 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB), die Vorlage des beschlossenen Planentwurfs zur Genehmigung, sofern sie erforderlich ist (§§ 6,10 Abs. 2 BauGB), die öffentliche Bekanntmachung der Genehmigung, sofern sie erforderlich ist (§§ 6, 10 Abs. 2 BauGB), oder des Beschlusses über den Bauleitplan (§§ 6 Abs. 5,10 Abs. 3 BauGB). 5.5.3

Zielbindungsverträge

Die zweite Gruppe von Gegenständen städtebaulicher Verträge betrifft nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB „die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele". Dazu sind wiederum wichtige Beispiele genannt: Mit der Grundstücksnutzung ist die vertragliche Absicherung gemeint, dass durch die Bauleitplanung und ihren Vollzug (Umlegung und Erschließung) geschaffenes Bauland alsbald der baulichen Nutzung zugeführt wird (vgl. auch die Spezialregelungen für den Durchführungsvertrag im Zu-

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sammenhang mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan in § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB, für die Abwendungsvereinbarungen und Grundstücksübertragungen auf Bauwillige im Rahmen städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen gem. § 166 Abs. 3 Satz 3 und § 169 Abs. 61 BauGB). Ein weiterer Gegenstand von Zielbindungsverträgen kann darauf gerichtet sein, die Durchführung des Ausgleichs von Eingriffen in Natur und Landschaft i. S. d. § 1 a Abs. 3 BauGB zu gewährleisten. Soweit Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle als am Eingriffsort entweder in demselben Bebauungsplan, in einem anderen Bebauungsplan oder auf von der Gemeinde dafür bereitgestellten Flächen den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, nach § 9 Abs. 1 a BauGB zugeordnet sind, soll die Gemeinde diese Ausgleichsmaßnahmen auf Kosten der Vorhabenträger oder der Grundstückseigentümer gem. § 135 a Abs. 2 Satz 1 BauGB durchführen und auch die hierfür erforderlichen Flächen bereitstellen, „soweit dies nicht auf andere Weise gesichert ist". Die Sicherung auf andere Weise kann durch den Abschluss eines städtebaulichen Vertrags erfolgen, in dem sich der Vorhabenträger (ggf. auch jemand anderes) verpflichten kann, die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen auf eigenen Grundstücken, auf Grundstücken der Gemeinde oder auf an die Gemeinde zu veräußernden Grundstücken durchzuführen. Schließlich werden als Gegenstände möglicher Zielbindungsverträge noch die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen und die Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung angeführt. Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sind vor allem kinderreiche Familien der unteren Einkommensschichten, sowie Umsiedler, Aussiedler und Asylanten. Allerdings wird man insoweit von Wohnungsbauunternehmen entsprechende Bau- und Nutzungsverpflichtungen nur erwarten können, wenn sie gleichzeitig Finanzierungszuschüsse zugesagt erhalten. In Vereinbarungen, die der Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung dienen sollen, müssen sich Eigentümer von Grundstücken, die die Gemeinde durch städtebauliche Planimg der Bebaubarkeit zuführt, Beschränkungen hinsichtlich des Verkaufs der unbebauten und bebauten Grundstücke unterwerfen, die nach notarieller Beurkundung (§311 b Abs. 1 BGB) durch Eintragung in das Grundbuch (Auflassungsvormerkimg nach § 883 BGB) abgesichert werden. 5.5.4

Folgekostenverträge

Gegenstand städtebaulicher Verträge nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB kann auch die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen sein, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung

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oder Folge des vom Vertragspartner der Gemeinde geplanten Vorhabens sind. Gemeint sind mit städtebaulichen Maßnahmen in diesem Sinne vor allem Anlagen innerhalb und außerhalb des Baugebiets, ohne die das Bauvorhaben des Vertragspartners der Gemeinde aber nicht ausgeführt und entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. In den darauf bezogenen Verträgen können für die bezeichneten Anlagen vom Vertragspartner der Gemeinde auch Grundstücke bereitgestellt werden (im Falle der Eigentumsübertragung ist nach den §§ 311 b Abs. 1, 873 und 925 BGB notarielle Beurkundung und Eintragung in das Grundbuch erforderlich). 5.5.5

Andere städtebauliche Verträge

Die Bestimmung in § 11 Abs. 4 BauGB stellt klar, dass die Anführung möglicher Gegenstände städtebaulicher Verträge in Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 keine abschließende Bedeutung haben soll. Der Begriff des städtebaulichen Vertrags ist sehr weit aufzufassen. Mit ihm können alle Verträge bezeichnet werden, die die Gemeinde auf allen Gebieten der städtebaulichen Entwicklung (ebenfalls im weitesten Sinne verstanden) mit Dritten zu dem Zweck abschließen, dass diese Dritten städtebauliche Maßnahmen, die an sich der Gemeinde obliegen, durchführen und/ oder (ganz oder teilweise) finanzieren. Deshalb sind auch die Durchführungsverträge im Zusammenhang mit vorhabenbezogenen Bebauungsplänen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB), die Erschließungsverträge (§ 124 BauGB) und die Ablösungsverträge (§ 133 Abs. 3 Satz 4 BauGB), sowie die im Sanierungs- und Entwicklungsrecht vorgesehenen Vereinbarungen (vgl. etwa § 147 BauGB - Ordnungsmaßnahmen, § 154 BauGB - Ausgleichsbeträge, § 166 Abs. 3 BauGB - Abwendungsvereinbarungen, § 169 Abs. 6 - Veräußerung der „entwickelten" Baugrundstücke an Bauwillige) städtebauliche Verträge i. S. d. § 11 BauGB. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Findung bzw. Erfindung von Gegenständen und Inhalten städtebaulicher Verträge in allen Bereichen der städtebaulichen Entwicklung. So kann eine Gemeinde, die den von einem Vorhabenträger vorgeschlagenen Weg der Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 BauGB (mit einem vom Vorhabenträger entworfenen Vorhaben- und Erschließungsplan) nicht mitgehen will, einen entsprechenden qualifizierten Bebauungsplan i. S. d. § 30 Abs. 1 BauGB nach der herkömmlichen Methode der Bauleitplanung aufstellen, dann aber die Maßnahmen zum Vollzug des Bebauungsplans (Grundstücksneuordnung, Erschließung) vertraglich auf den oder die Eigentümer der Grundstücke im Plangebiet übertragen und ihnen dabei eine fristgebundene Erschließungs- und Bauverpflichtung auferlegen. Auch die in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BauGB genannten Verträge zur Nutzung von Netzen und Anlagen der Kraft-Wärme-Koppelung sowie von Solaranlagen für die Wärme-,

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Kälte- und Elektrizitätsversorgung entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken sind hier zu nennen. 5.5.6

Anforderungen an die Rechtmäßigkeit städtebaulicher Verträge

Dazu ist in § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB als Erstes bestimmt, dass die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein müssen. Auch wenn für die Beurteilung der Abgemessenheit ein gewisser Spielraum eröffnet wird, sind doch rechtsstaatliche Grenzen verpflichtend, d. h. vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten dürfen nicht zu Lasten des Vertragspartners der Gemeinde missbraucht werden. Die in § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB enthaltene Anforderung an die Rechtmäßigkeit städtebaulicher Verträge „greift" schon eher: Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner der Gemeinde zu erbringende Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen (Rechts)Anspruch auf die Leistung der Gemeinde hätte. Eine weitere Anforderung an die Rechtmäßigkeit städtebaulicher Verträge ist in der Vorschrift über die Folgekostenverträge (§11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB) enthalten: Gegenstand des Vertrags muss die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen der Gemeinde sein, die ihr für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind „und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind". Es handelt sich dabei um das Erfordernis des Ursachenzusammenhangs zwischen den städtebaulichen Maßnahmen der Gemeinde und dem vom Vorhabenträger geplanten Bauvorhaben. 5.5.7

Formerfordernisse

Nach § 11 Abs. 3 BauGB bedarf ein städtebaulicher Vertrag der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Für den Fall, dass durch Gesetz Schriftform angeordnet ist, bestimmt § 126 BGB, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sein muss. Wenn über einen Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden, genügt es, dass jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Die schriftliche Beurkundung wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt. Auf der Seite der Gemeinden sind die kommunalrechtlichen Vorschriften über die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Übernahme von Verpflichtungen zu beachten, die in den Ländern unterschiedlich ausgestaltet sind. Ihnen ist zu entnehmen, wer zum Abschluss von Verpflichtungsverträgen befugt ist, und ob der oder den Unterschriften die Amtsbezeichnung und das Dienstsiegel hinzuzufügen sind.

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Die (einfache) Schriftform nach dem bürgerlichen Recht und dem Kommxrnalrecht ist für den rechtswirksamen Abschluss eines städtebaulichen Vertrags aber nur ausreichend, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Eine andere Form, nämlich die notarielle Beurkundung gem. § 128 BGB, muss nach § 311 b Abs. 1 BGB eingehalten werden, wenn sich in einem Vertrag der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück (oder Grundstücksteil) zu übertragen oder zu erwerben. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag ist nichtig. Er wird aber seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassimg gem. § 925 BGB vor einem Notar oder vor einer sonstigen zur Entgegennahme der Auflassung zuständigen Stelle erklärt wird und nach § 873 BGB die Eintragung im Grundbuch erfolgt. Entsprechende Formerfordernisse gelten für die Bestellung und den Erwerb eines Erbbaurechts (vgl. § 11 der Erbbaurechtsverordnung), sowie für die Einräumung, den Erwerb und von Wohnungs- und Teileigentum (vgl. § 4 des Wohneigentumsgesetzes).Bei einem gerichtlichen Vergleich wird die notarielle Beurkundung gem. § 127 a BGB durch die Aufnahme der Erklärungen der Parteien in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll ersetzt.

5.6 Sicherung der Bauleitplanung 5.6.1

Veränderungssperre und Zurückstellung von Baugesuchen

Wenn die Gemeinde einen Beschluss über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans gefasst hat, kann sie für das Planungsgebiet gem. § 14 Abs. 1 BauGB „zur Sicherung der Planung" eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass •

Vorhaben i. S. d. § 29 BauGB nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen,



erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen.

Von der Veränderungssperre kann nach § 14 Abs. 2 BauGB eine Ausnahme zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. Die Entscheidung trifft die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen der Gemeinde. Unberührt von der Veränderungssperre bleiben nach § 14 Abs. 3 BauGB Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind (auch wenn für sie ein positiver Bauvorbescheid mit dem Inhalt einer sog. Bebauungsge-

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5 Schaffung l'on Bauland und Zulassung l'on Bauvorhaben

nehmigung erteilt worden ist), oder Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden können.. Weiterhin gilt dies für Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung. Durch die Einreichung oder das Vorliegen eines Baugesuchs wird die Gemeinde nicht an dem Erlassen einer Veränderungssperre gehindert. Vielmehr wird die Gemeinde nicht selten gerade durch eine Bauvoranfrage oder einen Bauantrag dazu veranlasst, für bestimmte Grundstücke das Verfahren der Bebauungsplanung einzuleiten und damit das Erlassen einer Veränderungssperre zu verbinden. Die Gemeinde hat nach § 16 BauGB die von ihr zu beschließende Veränderungssperre ortsüblich bekannt zu machen. Nach § 17 BauGB tritt die Veränderungssperre nach Ablauf von zwei Jahren außer Kraft. Diese Frist kann jedoch zunächst um ein Jahr und unter besonderen Voraussetzungen nochmals um ein Jahr verlängert werden. Auch kann eine außer Kraft getretenen Veränderungssperre von der Gemeinde ganz oder teilweise erneut beschlossen werden. Wenn die Veränderungssperre länger als vier Jahre über den Zeitpunkt ihres Beginns oder der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 BauGB hinausdauert, ist nach § 18 BauGB den Betroffenen für dadurch entstandene Vermögensnachteile eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Wird eine Veränderungssperre nicht beschlossen, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, oder ist eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten, hat die Baugenehmigungsbehörde nach § 15 BauGB auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszusetzen, wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde. Wird (aufgrund des Landesbauordnungsrechts) kein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt, so wird auf Antrag der Gemeinde anstelle der Aussetzung der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens eine vorläufige Untersagung innerhalb einer durch Landesrecht festgesetzten Frist ausgesprochen. Die vorläufige Untersagimg steht der Zurückstellung gleich. Hat die Gemeinde beschlossen, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde ein Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 für längstens ein Jahr zurückzustellen. 5.6.2

Teilung von Grundstücken; Gebiete mit Fremdenverkehrsfunktionen

Seit dem Inkrafttreten des EAG Bau (20.7.2004) ist die Teilung von Grundstücken nach Bundesbaurecht nicht mehr genehmigungspflichtig. Allerdings dürfen durch die Tei-

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lung eines Grundstücks im Geltungsbereich eines Bebauungsplans keine Verhältnisse entstehen, die den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprechen. Die Gemeinden, die oder deren Teile überwiegend durch den Fremdenverkehr geprägt sind, können nach § 22 BauGB in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung bestimmen, dass zur Sicherung der Zweckbestimmung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum (i. S. d. § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes) der Genehmigung unterliegt. Über die Genehmigung entscheidet die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn durch die Begründung oder Teilung der Rechte die Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die städtebauliche Entwicklung und Ordnung beeinträchtigt würde. 5.6.3

Gesetzliche Vorkaufsrechte der Gemeinde

Die gesetzlichen Vorkaufsrechte geben der Gemeinde das Recht, in einen Kaufvertrag einzutreten, der zwischen einem Grundstückseigentümer und einem Dritten abgeschlossen worden ist. Nach § 24 BauGB besteht das allgemeine Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken •

im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, soweit es sich um Flächen handelt, für die nach dem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche Zwecke oder für Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich i. S. d. § l a Abs. 3 BauGB festgesetzt ist,



in einem Umlegungsgebiet (§§ 45 bis 79 BauGB),



in einem Sanierungsgebiet (§§ 136 bis 164 BauGB) und städtebaulichen Entwicklungsbereich (§§ 165 bis 171 BauGB),



im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung des Stadtumbaus (§ 171 d BauGB) und einer Erhaltungssatzung (§ 172 BauGB),



im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans, soweit es sich um unbebaute Flächen im Außenbereich handelt, für die im Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BauNVO) und



in Gebieten, die nach den §§ 30, 33 oder 34 Abs. 2 BauGB vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können, soweit diese Grundstücke unbebaut sind.

Das Vorkaufsrecht steht der Gemeinde nicht beim Kauf von Rechten nach dem Wohneigentumsgesetz und von Erbbaurechten zu. Es darf nur ausgeübt werden, wenn das Wohl

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der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben. Zum besonderen Vorkaufsrecht bestimmt § 25 BauGB, dass die Gemeinde •

im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch Satzung ihr Vorkaufsrecht an unbebauten Grundstücken begründen kann und



in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch Satzung Flächen bezeichnen kann, an denen ihr ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken zusteht.

Mehrere Fallgruppen, bei denen die Ausübung des Vorkaufrechts ausgeschlossen ist, sind in § 26 BauGB geregelt. Mit den Möglichkeiten, das Vorkaufsrecht abzuwenden, befasst sich § 27 BauGB. Die Gemeinde kann unter den Voraussetzungen des § 27a BauGB ihr Vorkaufsrecht zugunsten eines Dritten ausüben. Ausführliche Bestimmungen über das Verfahren, den von der Gemeinde zu zahlenden Betrag - Verkehrswert bzw. Entschädigungswert - und mögliche Entschädigungsverpflichtungen der Gemeinde sind in § 28 BauGB enthalten.

5.7 Verwirklichung der städtebaulichen Planungen 5.7.1

Umlegung

In den zahlreichen Fällen der Ausweisung von Bebauungsmöglichkeiten auf bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen haben die Grundstücke, die meist mehreren Eigentümern gehören, kaum jemals den Zuschnitt, der für die Verwirklichung der Festsetzungen des Bebauungsplans bezüglich der Baugrundstücke und Erschließungsflächen erforderlich ist. Aber auch im unbeplanten Innenbereich kann es bspw. zur Durchführimg von Sanierungsmaßnahmen geboten sein, die Grundstückszuschnitte zu verändern. Es muss deshalb eine Bodenordnung vorgenommen werden, die in diesen Fällen als Umlegung (§§ 45 bis 79 BauGB) durchgeführt wird. Der Zweck der Umlegung besteht nach § 45 Abs. 1 BauGB darin, im Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 30 BauGB) und innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) zur Erschließung oder Neugestaltung bestimmter Gebiete bebaute oder unbebaute Grundstücke in der Weise neuzuordnen, dass nach der Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen. Zuständig für die Umlegung ist die Gemeinde, die die Umlegung durch einen Beschluss einleitet, in dem das Umlegungsgebiet zu bezeichnen ist und die in ihm gelegenen Grundstücke einzeln aufzuführen sind und der ortsüblich bekannt zu machen ist

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(§§ 46, 47 und 50 BauGB). Von der Bekanntmachung an gilt eine Verfügungs- und Veränderungssperre (§ 51 BauGB). In die Grundbücher der umzulegenden Grundstücke wird vom Grundbuchamt der Umlegungsvermerk eingetragen (§ 54 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Zuerst werden von der Umlegungsstelle (in den meisten Ländern der von der Gemeinde gebildete Umlegungsausschuss) die Bestandskarte und das Bestandsverzeichnis angefertigt, die auf die Dauer eines Monats in der Gemeinde öffentlich auszulegen sind (§ 53 BauGB). Dann werden die im Umlegungsgebiet gelegenen Flächen rechnerisch zur Umlegungsmasse vereinigt, aus der der Gemeinde oder dem sonstigen Erschließungsträger vorweg die Flächen mit Zweckbestimmung für die Allgemeinheit zugeteilt werden, zu denen auch Flächen i. S. d. § 1 a BauGB zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft gehören (§ 55 Abs. 1 und 2 BauGB). Die danach verbleibende Masse ist die Verteilungsmasse. Für die Verteilung ist ein Maßstab festzulegen (§ 56 BauGB). Nähere Regelungen enthält das Gesetz über die Verteilung nach Werten und nach Flächen (§§ 57, 58 BauGB), über die Zuteilung und Abfindung (§ 59 BauGB), sowie über die Aufhebung, Änderung und Begründimg von Rechten (§ 61 BauGB). Das Ergebnis ist der Umlegungsplan, der aus der Umlegungskarte und dem Umlegungsverzeichnis besteht (zur Bekanntmachung, zur Zustellung, zum Inkrafttreten und zu den Wirkungen der Bekanntmachung vgl. §§ 66 bis 72 BauGB). Am Schluss der Umlegung werden die durch den Umlegungsplan bewirkten Rechtsänderungen in das Grundbuch eingetragen und im Grundbuch bei den Altgrundstücken die Umlegungsvermerke gelöscht. Für die Grundstückseigentümer, die Grundstücke zugeteilt erhalten, stellt sich die Umlegung als Grundstückstauschverfahren dar. Der Umlegungsvorteil der darin besteht, dass die Neugrundstücke nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltet sind, wird entweder durch einen entsprechenden Flächenabzug oder einen Ausgleich in Geld abgegolten. 5.7.2

Vereinfachte Umlegung

Mit der Vereinfachten Umlegung (§§ 80 bis 84 BauGB) ist es möglich, nicht nur - wie bei der bis zum EAG Bau 2004 geltenden früheren Grenzregelung - einen Tausch von Grundstücksteilen bzw. Grundstücken unter unmittelbar aneinander

grenzenden

Grundstücken (wie im geltenden Grenzregelungsrecht), sondern auch unter Einbeziehung weiterer Grundstücke zu ermöglichen, die in enger Nachbarschaft hegen. Darüber

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5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

hinaus wurde das Umlegungsrecht selbst vor allem mit dem Ziele einer Verfahrensvereinfachung geändert. 5.7.3

Enteignung

Die Enteignung (§§ 85 bis 122 BauGB) als der schwerste Eingriff in das Eigentum oder in Rechte an Grundstücken ist nach Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, die unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen ist. Nach dem BauGB kann vor allem enteignet werden, um entsprechend den Festsetzungen eines Bebauungsplans ein Grundstück zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten (§ 85 BauGB). Durch Enteignung können insbesondere das Eigentum an Grundstücken entzogen oder belastet oder andere Rechte an Grundstücken entzogen oder belastet werden (§ 86 BauGB). Die Enteignung ist im einzelnen Fall nur zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann (§ 87 BauGB, zur Enteignung aus zwingenden städtebaulichen Gründen, vgl. § 88 BauGB). Die Vorschriften über die Entschädigung (§§ 93 bis 103 BauGB) stellen sicher, dass dem von der Enteignung Betroffenen eine Entschädigung gewährt wird, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Das Enteignungsverfahren ist in ausführlichen Regelungen förmlich ausgestaltet (§§ 104 bis 122 BauGB). 5.7.4

Erschließung

Erschließung ist die Ausstattung eines Baugebiets mit den erforderlichen Verkehrsanlagen (Straßen, Wegen, Plätzen, Parkflächen für Kraftfahrzeuge, Absteilflächen für Fahrräder, Lärmschutzwällen und -wänden), Versorgungsanlagen (Wasser-, Gas-, Wärmeund Elektrizitätsversorgungsanlagen) sowie Entsorgungsanlagen (Abwasser- und Abfallbeseitigungsanlagen). Die Erschließung ist grundsätzlich Aufgabe der Gemeinde (§ 123 Abs. 1 BauGB). Sie kann aber auch durch Vertrag auf einen Dritten übertragen werden (§ 124 BauGB). Die Erschließungsanlagen sollen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs kostengünstig hergestellt werden und spätestens bis zur Fertigstellung der baulichen Anlagen, deren Erschließung sie dienen sollen, benutzbar sein (§ 123 Abs. 2 BauGB; vgl. dazu auch der Erfordernis der gesicherten Erschließung als Zulässigkeitsvoraussetzung in den §§ 30 Abs. 1 und 2, 33, 34 Abs. 1 und 35 Abs. 2 BauGB). Die Her-

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Stellung der im Bundesbaurecht näher bezeichneten Erschließungsanlagen (§ 127 Abs. 2 BauGB) setzt grundsätzlich einen Bebauungsplan voraus (vgl. § 125 BauGB). Zur Deckung des anderweitig nicht gedeckten Aufwands für diese Erschließungsanlagen erheben die Gemeinden Erschließungsbeiträge (§§ 127 bis 135 BauGB), für die anderen Erschließungsanlagen Beiträge nach dem Landes-Kommunalabgabenrecht. 5.7.5

Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben

Das eigentliche Ziel der Bebauungspläne (mit Festsetzungen über die bauliche Nutzbarkeit), sowie der Innenbereichs-Erweiterungssatzungen und der Außenbereichs-Bausatzungen ist die Bebauung von Grundstücken. Über ihre Zulässigkeit nach Bundesbaurecht ist aufgrund des Inhalts dieser städtebaulichen Planungen zu entscheiden (zur Entscheidung über die Zulässigkeit von Bauvorhaben nach dem Landes-Bauordnungsrecht vgl. Kap. 5.11). Im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält (vgl. Kap. 5.2.2), ist ein Bauvorhaben nach § 30 Abs. 1 BauGB zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung (vgl. Kap. 5.7.4) gesichert ist. Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können nach § 31 Abs. 1 BauGB solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB kann erteilt werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und •

entweder Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder



die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans städtebaulich vertretbar ist oder



die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und



wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans (vgl. Kap. 5.2.3) ist ein Bauvorhaben nach § 30 Abs. 2 BauGB zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Inhaltlich kann der vorhabenbezogene Bebauungsplan Bestimmungen über die bauliche Nutzbarkeit innerhalb des Bereichs des

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Vorhaben- und Erschließungsplans, in diesem Bereich aber auch Festsetzungen i. S. d. § 9 BauGB und der BauNVO und schließlich diesbezügliche Festsetzungen in seinem sonstigen Geltungsbereich aufweisen. Die Bestimmungen über Ausnahmen und Befreiungen in § 31 BauGB gelten auch für vorhabenbezogene Bebauungspläne. In Gebieten, für die die Gemeinde einen Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst hat, ist nach § 33 Abs. 1 BauGB ein Bauvorhaben zulässig, wenn die öffentliche Auslegung (§ 3 Abs. 2 und 3 BauGB) durchgeführt worden ist und die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange (§ 4 BauGB) beteiligt worden sind. Eine vorzeitige Zulassung kann nach § 33 Abs. 2 BauGB weiterhin in den Fällen der erneuten Beteiligung nach § 4 a Abs. 3 S. 1 BauGB Betracht kommen, wenn sich die vorgenommen Planänderung oder -ergänzung nicht auf das Vorhaben auswirkt. § 33 Abs. 3 BauGB regelt die vorzeitige Zulassung in den Fällen des § 13 BauGB. Im Geltungsbereich einer Innenbereichssatzung (vgl. Kap. 5.2.4) ist zunächst der Inhalt der Satzimg maßgebend, soweit in ihr „einzelne Festsetzungen" nach § 9 Abs. 1, 2 und 4 BauGB enthalten sind. Im Übrigen gelten die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB. Die Zulässigkeit von Ausnahmen und Befreiungen ist nicht vorgesehen. Im Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung (vgl. Kap. 5.2.5) richtet sich die Zulässigkeit von Bauvorhaben nach den in der Satzung enthaltenen „näheren Bestimmungen", im übrigen nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB. Auch insoweit ist die Zulässigkeit von Ausnahmen und Befreiungen nicht vorgesehen. Zur Zulässigkeit von Vorhaben ohne Bebauungsplan vgl. Kap. 5.11.2.1

5.8 Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen 5.8.1

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird (§ 136 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Die Sanierung soll von der Gemeinde mit den Eigentümern, Mietern und Pächtern und sonstigen Betroffenen in dem für die Sanierung in Aussicht genommenen Bereich möglichst frühzeitig erörtert werden; die Betroffenen sollen zur Mitwirkung bei der Sanierung und zur Durchführung der erforderlichen baulichen Maßnahmen angeregt und hierbei im Rahmen des Möglichen (auch bezüglich der öffentlichen Förderungs- und Bezuschussungsmöglichkeiten) beraten werden (§ 137 BauGB). Nach der Durchführung vorbereitender Untersuchungen über die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsmöglichkeit (§ 141 BauGB) wird das Gebiet, in dem die Städtebau-

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liehen Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen, von der Gemeinde durch Beschluss förmlich als Sanierungsgebiet festgelegt (Sanierungssatzung, § 142 BauGB). Die Sanierungssatzung ist von der Gemeinde ortsüblich bekannt zu machen (sie bedarf keiner Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde). Mit der Bekanntmachung wird sie rechtsverbindlich (§ 143 Abs. 1 BauGB). In die Grundbücher der im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke wird ein Sanierungsvermerk eingetragen (§ 143 Abs. 2 BauGB). In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, ob die Sanierung als förmliches oder als vereinfachtes Verfahren durchgeführt wird (zu den verschiedenen Möglichkeiten vgl. § 142 Abs. 4 BauGB). Wird die Anwendimg der Vorschriften über genehmigungspflichtige Vorhaben und Rechtsvorgänge (§§ 144 und 145 BauGB) nicht ausgeschlossen, so tritt mit dem Rechtswirksamwerden der Sanierungssatzung im Sanierungsgebiet eine Verfügungs- und Veränderungssperre ein. Die Durchführung der Sanierung umfasst die Ordnungsmaßnahmen und die Baumaßnahmen innerhalb des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets, die nach den von der Gemeinde festgelegten Zielen und Zwecken der Sanierung erforderlich sind (§ 146 BauGB). Die Ordnungsmaßnahmen sind grundsätzlich von der Gemeinde durchzuführen (§ 147 BauGB), die Baumaßnahmen bleiben grundsätzlich den Grundstückseigentümern überlassen (§ 148 BauGB). Bestimmte Geschäfte und Verhandlungen bei der Durchführimg von Sanierungsmaßnahmen sind frei von Gebühren und ähnlichen nichtsteuerlichen Abgaben (§ 151 BauGB). Erfolgt die Sanierung nicht im vereinfachten Verfahren, so gelten besondere Vorschriften für die Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen, die Kaufpreise, die Umlegung sowie die Erhebung eines Ausgleichsbetrags von den Grundstückseigentümern, die ihre Grundstücke während der Sanierung nicht an die Gemeinde veräußern (§§ 152 bis 156 BauGB). Neu ist die Bestimmung über Kosten und Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen (§ 156a BauGB): Wenn sich nach der Durchführung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme und der Übertragung eines Treuhandvermögens des Sanierungsträgers (vgl. §§ 160 und 161 BauGB) auf die Gemeinde bei ihr ein Überschuss der bei der Vorbereitung und Durchführung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme erzielten Einnahmen über die hierfür getätigten Ausgaben ergibt, so ist dieser Überschuss auf die Eigentümer der im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke zu verteilen. Die Gemeinde kann sich zur Erfüllung von Aufgaben, die ihr bei der Vorbereitung oder Durchführung der Sanierung obliegen, eines Sanierungsträgers oder anderen Beauftragten bedienen (vgl. §§ 157 bis 161 BauGB). Bezüglich des Abschlusses der Sanierung ist bestimmt, dass die Sanierungssatzung aufzuheben ist, wenn die Sanierung durchge-

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führt ist oder die Sanierung sich als undurchführbar erweist oder die Sanierungsabsicht aus anderen Gründen aufgegeben wird. Sind diese Voraussetzungen nur für einen Teil des Sanierungsgebiets gegeben, ist die Satzung für diesen Teil aufzuheben (§ 162 Abs. 1 BauGB). Der Beschluss der Gemeinde, durch den die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets ganz oder teilweise aufgehoben wird, ergeht als Satzung, die ortsüblich bekannt zu machen ist. Die Gemeinde ersucht das Grundbuchamt, die Sanierungsvermerke zu löschen (§ 162 Abs. 2 und 3 BauGB). Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Gemeinde die Sanierung auch bezüglich einzelner Grundstücke für abgeschlossen erklären (§ 163 BauGB). 5.8.2

Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen

Mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen sollen Ortsteile u. a. Teile des Gemeindegebiets entsprechend ihrer besonderen Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Gemeinde oder entsprechend der angestrebten Entwicklung des Landesgebiets oder der Region erstmalig entwickelt oder im Rahmen einer städtebaulichen Neuordnung einer neuen Entwicklung zugeführt werden (§ 165 Abs. 2 BauGB). Einen Bereich, der diesen Zielen und Zwecken entspricht, kann die Gemeinde durch Beschluss förmlich als städtebaulichen Entwicklungsbereich festlegen, wenn •

das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erfordert, insbesondere zur Deckimg eines erhöhten Bedarfs an Wohnund Arbeitsstätten, zur Errichtung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder zur Wiedernutzung brachliegender Flächen,



die zügige Durchführung der Maßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraums gewährleistet ist und



die mit der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme angestrebten Ziele und Zwecke durch städtebauliche Verträge nicht erreicht werden können oder Eigentümer der von der Maßnahme betroffenen Grundstücke und entsprechender Berücksichtigung der Abwendungsmöglichkeit (§ 166 Abs. 3 BauGB) nicht bereit sind, ihre Grundstücke an die Gemeinde oder den von ihr beauftragten Entwicklungsträger zu dem Entwicklungsanfangswert (§ 169 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 4 BauGB) zu veräußern.

Dabei sind die öffenüichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 165 Abs. 3 BauGB). Die Gemeinde hat vor der förmlichen Festlegung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs die vorbereitenden Untersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen, die erforderlich sind, um Beurteilungsgrundlagen bezüglich der gerade angeführten Festle-

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gungsvoraussetzungen zu gewinnen (§ 165 Abs. 4 Satz 1 BauGB). Die förmliche Festlegung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs ist von der Gemeinde als Satzung (Entwicklungssatzung) zu beschließen. Der Entwicklungssatzung ist eine Begründung beizufügen. Sie ist ortsüblich bekannt zu machen (§ 165 Abs. 8 BauGB). Der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde bedarf es nicht, jedoch können die Einführung des Anzeigeverfahrens bestimmen (§ 246 Abs. 1 a BauGB). Auf Ersuchen der Gemeinde hat das Grundbuchamt in die Grundbücher der von der Entwicklungssatzung erfassten Grundstücke den Entwicklungsvermerk einzutragen (§165 Abs. 9 BauGB). Mit der Bekanntmachung der Entwicklungssatzimg wird im Entwicklungsbereich eine Veränderungs- und Verfügungssperre wirksam und es wird die Bodenwertentwicklung gehemmt (§ 165 Abs. 8 in Verb, mit § 169 Abs. 1 Nr. 3 und 6 BauGB). Die Gemeinde hat für den städtebaulichen Entwicklungsbereich ohne Verzug Bebauungspläne aufzustellen und, soweit eine Aufgabe nicht nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften einem anderen obliegt, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vorgesehene Entwicklung zu verwirklichen (§ 166 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Dazu gehört als Erstes, dass sie sich aufgrund des ihr eingeräumten Grunderwerbsrechts darum bemüht, die Grundstücke im städtebaulichen Entwicklungsbereich zu erwerben (§ 166 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Doch soll sie von dem Erwerb absehen (§ 166 Abs. 3 Satz 3 BauGB), wenn •

bei einem baulich genutzten Grundstück die Art und das Maß der baulichen Nutzung bei der Durchführung der Entwicklungsmaßnahme nicht geändert werden sollen oder



der Eigentümer eines Grundstücks, dessen Verwendung nach den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist, in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist dementsprechend zu nutzen, und er sich hierzu (in einem städtebaulichen Vertrag) verpflichtet.

Wenn die Gemeinde ein Grundstück aufgrund einer solchen Abwendungsvereinbarung nicht erwirbt, ist der Eigentümer verpflichtet, an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag zu zahlen, der der durch die Entwicklungsmaßnahme bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks (=dem Entwicklungsendwert) entspricht (§ 166 Abs. 3 Satz 4 BauGB). Auf der Grundlage der für den Entwicklungsbereich aufgestellten Bebauungspläne führt die Gemeinde die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse und die Erschließung durch. Danach sind die Grundstücke, soweit sie nicht für öffentliche Zwecke benötigt werden (vor allem als Erschließungs- und Ausgleichsflächen), tinter Berücksichtigung

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weiter Kreise der Bevölkerung und unter Beachtung der Ziele und Zwecke der Entwicklungsmaßnahme an Bauwillige zu veräußern, die sich in städtebaulichen Verträgen verpflichten, die Grundstücke innerhalb angemessener Frist entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans und den Erfordernissen der Entwicklungsmaßnahme zu bebauen (vgl. § 169 Abs. 5 bis 8 BauGB). Einnahmen, die bei der Vorbereitung und Durchführung der Entwicklungsmaßnahme entstehen, sind zur Finanzierung der Entwicklungsmaßnahme zu verwenden (§ 171 Abs. 1 BauGB, der für den Fall, dass sich ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben ergeben sollte, § 156a BauGB für entsprechend anwendbar erklärt). Da die städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen viele sachliche und verfahrensmäßige Gemeinsamkeiten mit den städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen aufweisen, werden zahlreiche Vorschriften des Sanierungsrechts für entsprechend anwendbar erklärt (§ 169 Abs. 1 BauGB). Die Enteignung ist im städtebaulichen Entwicklungsbereich unter erleichterten Bedingungen zulässig (§ 169 Abs. 3 BauGB), da bereits die satzungsmäßige Festlegung des Entwicklungsbereichs zur Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung hat, dass das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert (vgl. § 165 Abs. 3 Nr. 2 BauGB). Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass sich die Gemeinde zur Erfüllung von Aufgaben, die ihr bei der Vorbereitung oder Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme obliegen, eines geeigneten Beauftragten, insbesondere eines Entwicklungsträgers, bedienen kann (§ 167 Abs. 1 BauGB, mit Verweisung auf die entsprechend anzuwendenden Sanierungsvorschriften in § 157 Abs. 1 Satz 1 und § 158 BauGB).

5.9 Stadtumbau und Soziale Stadt Die Regelungen über den „Stadtumbau" (§§ 171 e - 171 d BauGB ) und die „Soziale Stadt" (§ 171 e BauGB) - beide erst durch das E AG Bau 2004 in das BauGB eingefügt greifen aktuelle städtebauliche Fragestellungen auf.: Beide Verfahren sind von der Orientierung an „Gesamtkonzepten" geprägt (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB). Während die Maßnahmen der „Sozialen Stadt" auf soziale Problemgebiete zielen und ihr besonderes Profil in integrierten Konzepten, der Bündelung öffentlicher und privater Initiativen und Förderungen und einer hohen Einbindimg der betroffenen Öffentlichkeit finden, sind die Maßnahmen des Stadtumbaus ein sichtbarer Reflex des Städtebaurechts auf demographische Veränderungen und ihre räumlichen Implikationen. Die neuen Vorschriften bezwecken den Gemeinden die rechtlichen Grundlagen für die Durchführung von Stadtumbaumaßnahmen auch neben oder zusätzlich z. B. zu städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen zu geben, wenn es nämlich des Einsatzes dieser städtebaurechtlichen Instrumente nicht oder nicht flächendeckend bedarf und der Stadtumbau besonders auch auf

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Grund konsensualer Regelungen, vor allem mit den betroffenen Eigentümern, durchgeführt werden kann. Die Regelungen schaffen einen rechtlichen Rahmen für die Stadtumbaumaßnahmen einschließlich der dafür erforderlichen Gebietsfestlegung, für die Städtebauförderung sowie für die Regelungsgegenstände städtebaulicher Verträge. Ergänzend zum sonstigen Städtebaurecht wird die Möglichkeit eröffnet, durch städtebauliche Satzung den Rückbau und Stadtumbau vor gegenläufigen Entwicklungen zu sichern. § 171 d ermächtigt zum Erlass einer Satzung zur Steuerung von Vorhaben und Rückbau entsprechend dem städtebaulichen Entwicklungskonzept oder eines Sozialplans.

5.10 Wertermittlung von Grundstücken Im Zusammenhang mit vielen Maßnahmen zur Anwendung des Bundesbaurechts ist es erforderlich, die Werte von Grundstücken zu ermitteln. Es seien nur die wichtigsten Vorgänge genannt: Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks innerhalb einer Frist von sieben Jahren ab Zulässigkeit aufgehoben oder geändert, bemisst sich die Entschädigung für eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks nach dem Unterschied zwischen dem Wert des Grundstücks aufgrund der zulässigen Nutzung und seinem Wert, der sich infolge der Aufhebung oder Änderung ergibt (§ 42 Abs. 2 BauGB). Bei der Verteilung nach Werten in der Umlegung wird die Verteilungsmasse in dem Verhältnis verteilt, in dem die zu berücksichtigenden Eigentümer an der Umlegung beteiligt sind. Jedem Eigentümer soll ein Grundstück mindestens mit dem Verkehrswert zugeteilt werden, den sein früheres Grundstück im Zeitpunkt des Umlegungsbeschlusses hatte (§ 57 Satz 1 und 2 BauGB). Bewirkt eine Grenzregelung Wertänderungen von Grundstücken oder ergeben sich bei ausgetauschten Grundstücken Wertunterschiede, so sind sie von den beteiligten Eigentümern in Geld auszugleichen (§ 81 Abs. 1 BauGB). Die Entschädigimg für den durch die Enteignung eintretenden Rechtsverlust bemisst sich nach dem Verkehrswert des zu enteignenden Grundstücks oder sonstigen Gegenstands der Enteignimg (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Der Erschließungsaufwand umfasst auch den Wert der von der Gemeinde aus ihrem Vermögen bereitgestellten Flächen im Zeitpunkt der Bereitstellung (§ 128 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Die Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen sowie von Kaufpreisen in der städtebaulichen Sanierung ist ausführlich geregelt (§ 153 BauGB). Der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks hat zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht (§ 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Im förmlich festgelegten städtebaulichen Entwicklungsbereich hat die Gemeinde die Grundstücke zu dem Wert zu erwerben (sie werden erforderlichenfalls zu dem Wert ent-

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eignet), der ohne Rücksicht auf die städtebaulichen Entwicklungsabsichten zu ermitteln ist (= Entwicklungsanfangswert, § 166 Abs. 3 Satz 1 in Verb, mit § 169 Abs. 1 Nr. 6 und der dortigen Verweisung auf § 153 Abs. 1 bis 3 BauGB). Die „entwickelten" Baugrundstücke sind an Bauwillige zu dem Verkehrswert zu veräußern, der sich durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs ergibt (=Entwicklungsendwert, § 169 Abs. 8 Satz 1 BauGB). Für alle dieser Fälle enthält das Bundesbaurecht Vorschriften über die Wertermittlung. So werden für die Ermittlung von Grundstückswerten und für sonstige Wertermittlungen Gutachterausschüsse gebildet. Ihre Gutachten haben allerdings grundsätzlich keine bindende Wirkung (§§ 192,193 BauGB). Die wichtigste Vorschrift ist die Begriffsbestimmung des Verkehrswerts (§ 194 BauGB): Er wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Weitere Vorschriften behandeln die Kaufpreissammlung, die Bodenrichtwerte, die Befugnisse des Gutachterausschusses und die Möglichkeit der Bildung Oberer Gutachterausschüsse (§§ 195 bis 198 BauGB). Eine wichtige Ergänzung der gesetzlichen Wertermittlungsbestimmungen stellt die Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung - WertV) vom 6.12.1988 (BGBl I S . 2209, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.8.1997, BGBl I S. 2081) dar. Die Landesregierungen sind ermächtigt, weitere ergänzende Bestimmungen in Rechtsverordnungen zu erlassen (§ 199 BauGB).

5.11 Zulassung von Bauvorhaben 5.11.1 Vorbemerkung Ob Bauvorhaben der Zulassung durch eine Behörde bedürfen, und wenn ja, welche Sachanforderungen dabei gelten und in welchem Verfahren die Zulässigkeitsprüfung stattfindet, richtet sich nach dem Bauordnungsrecht der Länder. Eine bundesrechtliche Vorgabe besteht nur insoweit, als durch das Landesrecht sichergestellt sein muss, dass die bundesbaurechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Bauvorhaben (§§ 30, 31,33 bis 35 BauGB) Beachtung finden.

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Erstmals im Jahre 1960 hat die ARGEBAU (Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder) nach mehrjährigen Beratungen eine „Musterbauordnung für die Länder der Bundesrepublik Deutschland" herausgegeben. Sie wird ständig fortgeschrieben und den neuen gesellschaftspolitischen Anforderungen an das Bauordnungsrecht angepasst. Z. Zt. liegt die Fassung vom November 2002 vor. Vergleicht man die Musterbauordnung mit den Landesbauordnungen und letztere auch untereinander, so gelangt man zur folgenden Feststellung: Bezüglich der Sachanforderungen an bauliche Anlagen weisen die Musterbauordnung und die Landesbauordnungen weithin Übereinstimmung auf, während bei den Verfahrensregelungen bezüglich der Zulassung von Bauvorhaben erhebliche Unterschiede anzutreffen sind. Was in dem Bundesland gilt, in dem ein Bauvorhaben ausgeführt werden soll, kann daher nur der dort geltenden Landesbauordnung entnommen werden. Die anschließenden Darlegungen können deshalb nur Hinweise darauf geben, mit welchen Sachanforderungen an bauliche Anlagen zu rechnen ist und welche Verfahrensgestaltungen maßgebend sein können. 5.11.2 Die bauordnungsrechtlichen Sachanforderungen an Bauvorhaben 5.11.2.1 Zulässigkeit nach Bundesbaurecht Bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens ist immer als Erstes zu fragen, ob es den Anforderungen entspricht, die das Bundesbaurecht an die Bebaubarkeit von Grundstücken stellt. Diese Anforderungen sind in den §§ 30, 31, 33, 34 und 35 BauGB enthalten. Zu den Anforderungen, die im Geltungsbereich städtebaulicher Planungen (Bebauungspläne, Planaufstellungsverfahren, Innenbereichs-Erweiterungssatzungen und Außenbereichs-Bausatzungen) maßgebend sind, finden sich nähere Darlegungen bereits in dem Abschnitt, in dem die Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben behandelt worden ist (vgl. Kap. 5.7.5). Innerhalb der im Zusammenhang bebauten (nicht beplanten) Ortsteile ist ein Bauvorhaben nach § 34 BauGB zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Dabei müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben und das Ortsbild darf nicht verunstaltet werden. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebimg des für die Bebauung in Aussicht genommenen Grundstücks einem der Baugebiete, die in der BauNVO bezeichnet sind, so beurteilt sich die Zulässigkeit des Bauvorhabens sei-

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ner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in diesem Baugebiet zulässig wäre (mit entsprechender Anwendbarkeit der Bestimmungen über Ausnahmen und Befreiungen in § 31 BauGB). § 34 Abs. 3 BauGB - erst seit dem EAG Bau 2004 geregelt - sieht im Sinne eines zu berücksichtigenden öffentlichen Belangs vor, dass von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein dürfen. § 34 Abs. 3 a BauGB erlaubt im Einzelfall eine „Befreiung" von der sich aus § 34 Abs. 1 ergebenden Zulässigkeit. Die Abweichung von § 34 Abs.l kommt nur der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines in zulässiger Weise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs in Betracht, sofern die Abweichung städtebaulich vertretbar und auch unter Würdigimg nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Interessen vereinbar ist. Die Befreiung findet nach § 34 Abs. 3 a Satz 2 keine Anwendung auf Einzelhandelbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. Im Außenbereich sind bezüglich der Beurteilung der Zulässigkeit von Bauvorhaben nach § 35 BauGB drei Fallgruppen zu unterscheiden: die sog. privilegierten, die sonstigen und die sog. begünstigten Vorhaben. Bei den sog. privilegierten Vorhaben handelt es sich um bauliche Anlagen, die im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung oder auch ihre Auswirkungen in den Außenbereich gehören (Abs. 1), angefangen bei land- oder forstwirtschaftlichen Aussiedlungen bis zu Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie oder der energetischen Nutzung von Biomasse dienen. Alle nicht in der Auflistung der sog. privilegierten Vorhaben genannten baulichen Anlagen sind sonstige Vorhaben, die nur im Einzelfall zugelassen werden können, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist (Abs. 2). Öffentliche Belange, die einem sog. privilegierten Vorhaben entgegenstehen oder durch ein sonstiges Vorhaben beeinträchtigt werden können, führt das Gesetz in einer langen Auflistung auf (Abs. 3). Einige der in dieser Auflistimg genannten Belange können bestimmten Bauvorhaben nicht entgegengehalten werden, die sich auf im Außenbereich vorhandene bauliche Anlagen beziehen. Das sind die sog. begünstigten Bauvorhaben (Abs. 4). Die im Außenbereich zulässigen Bauvorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen (Abs. 5 Satz 1). In § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung für Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB eine Verpflichtung vorgesehen, dass das Vorhaben nach

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dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zu beseitigen und der Boden zu entsiegeln ist. 5.11.2.2 Anforderungen an die Zuwegung zum Baugrundstück Bauliche Anlagen, deren Zweckbestimmung eine Erschließung erfordert, dürfen nur errichtet werden, wenn das Baugrundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder wenn das Baugrundstück (über andere Grundstücke) eine befahrbare, rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren, öffentlichen Verkehrsfläche hat. Bei Wohnwegen kann auf die Befahrbarkeit verzichtet werden, wenn wegen des Brandschutzes keine Bedenken bestehen. 5.11.2.3 Anforderungen an die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Bauliche Anlagen mit Aufenthaltsräumen für Menschen dürfen nur errichtet werden, wenn die Versorgung mit Trinkwasser dauernd gesichert ist. Zur Brandbekämpfung muss eine ausreichende Wassermenge zur Verfügung stehen. Ausnahmen können für Einzelgehöfte in der freien Feldflur gestattet sein, da Gefahren und unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Bauliche Anlagen dürfen nur errichtet werden, wenn die einwandfreie Beseitigung der Abwässer und Niederschlagswässer dauernd gesichert ist. Die Anlagen sind so anzuordnen, herzustellen und zu unterhalten, dass sie betriebssicher sind und Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Bezüglich des Niederschlagswassers enthalten immer mehr landesrechtliche Vorschriften die Möglichkeit, in Bebauungsplänen und sonstigen Satzungen anzuordnen, dass es grundsätzlich nicht mehr in die gemeindliche Abwasserbeseitigungsanlage eingeleitet werden darf, sondern in Zisternen aufzufangen und auf dem Grundstück zu verwerten oder zu versickern ist. 5.11.2.4 Einhaltung der Abstandsvorschriften Vor den Außenwänden von Gebäuden sind grundsätzlich Abstandsflächen einzuhalten. Darüber, wie groß diese Abstandsflächen im Einzelfall sein müssen und wann keine Abstände zu wahren sind, enthalten die Landesbauordnungen ausführliche und differenzierte Regelungen. Ihre Beachtung ist geboten, weil die Abstandsvorschriften die wichtigsten nachbarschützenden Bestimmungen des Bauordnungsrechts sind und Zweifel bezüglich ihrer Einhaltung die häufigsten Anlässe für baurechtsbezogene Streitigkeiten vor den Widerspruchsbehörden und Verwaltungsgerichten bilden.

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Soweit nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften Abstände und Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen, kann es zulässig sein, sie ganz oder teilweise auf angrenzende Grundstücke zu erstrecken, wenn rechtlich gesichert ist, dass diese Grundstücke insoweit nicht überbaut und die übernommenen Abstände nicht auf die Abstände angerechnet werden, die auf diesen Grundstücken für sich genommen einzuhalten sind (vgl. Kap. 5.11.5.2). 5.11.2.5 Anforderungen an die Baugestaltung Bauliche Anlagen müssen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken. Mit ihrer Umgebung sind sie derartig in Einklang zu bringen, dass sie das Straßenbild, Ortsbild oder Landschaftsbild nicht verunstalten oder deren beabsichtigte Gestaltung (vgl. die Ausführungen zu den örtlichen Bauvorschriften in Kap. 5.11.2.10) nicht stören. Auf erhaltenswerte Eigenarten der Umgebung (insbesondere Bau- und Naturdenkmäler) ist Rücksicht zu nehmen. Unter dem Gesichtspunkt der Baugestaltung haben die Anlagen der Außenwerbung und die an baulichen Anlagen angebrachten Warenautomaten ein erhebliches Gewicht. Mit ihrer Zulässigkeit befassen sich die Landesbauordnungen in ausführlichen Regelungen (vgl. die Ausführungen zu den örtlichen Bauvorschriften, Kap. 5.11.2.10). 5.11.2.6 Anforderungen des Umweltschutzes Baubezogene Vorschriften des Umweltschutzes finden sich in den Landesbauordnungen schon seit jeher bezüglich des Immissionsschutzes (Lärmschutz und Luftreinhaltung). In zunehmendem Maße werden in das Landesbauordnungsrecht auch Bestimmungen bezüglich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Gewässerschutzes und des Bodenschutzes aufgenommen. Den Anforderungen des Umweltschutzes sind auch die Vorschriften des Denkmalschutzes zuzurechnen, die zwar in eigenständigen Landesgesetzen enthalten sind, in Bezug auf die imbeweglichen Denkmäler (Baudenkmäler und ihre schützenswerte Umgebung) aber vor allem in Zusammenhang mit Bauvorhaben (Abbruch, Um-, Aus- und Anbauten) ihre Wirksamkeit entfalten. Auch die bauordnungsrechtlichen Ermächtigungen der Gemeinden zum Erlassen örüicher Bauvorschriften werden immer mehr auf Belange des Umweltschutzes ausgedehnt (vgl. Kap. 5.11.2.10).

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5.11.2.7 Anforderungen in Bezug auf Kraftfahrzeug-Stellplätze und FahrradAbstellplätze Grundsätzlich soll der ruhende Kraftfahrzeugverkehr nicht die Flächen für den fließenden Kraftfahrzeugverkehr in Anspruch nehmen. Wer daher ein Bauvorhaben ausführen will, von dem ein Zu- und Abgangsverkehr von Kraftfahrzeugen zu erwarten ist, hat grundsätzlich Abstellmöglichkeiten zu schaffen, die mit ihrer Aufnahmefähigkeit dem voraussichtlichen Zu- und Abgangsverkehr entsprechen. Dies hat auf dem Baugrundstück oder mit entsprechender rechtlicher Absicherung auf einem Grundstück in zumutbarer Nähe zu geschehen. Denkbar ist auch, dass diese „Stellplatzherstellungspflicht" durch Geldleistungen an die Gemeinde „abgegolten" wird. Die diesbezüglichen Vorschriften der Landesbauordnungen sind sehr umfangreich und vielgestaltig. Weiterhin bestehen auch Vorschriften über die Bereitstellung von Fahrrad-Abstellplätzen. 5.11.2.8 Anforderungen in Bezug auf Kleinkinderspielplätze sowie barrierefreies Bauen Bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen ist auf dem Baugrundstück ein Spielplatz für Kleinkinder anzulegen, soweit nicht in unmittelbarer Nähe ein Gemeinschaftsspielplatz geschaffen wird oder vorhanden ist. Auf seine Herstellung kann verzichtet werden, wenn die Art und Lage der Wohnungen (etwa in einem Altenwohn- oder -pflegeheim) ihn nicht erfordert. Die Größe der Kleinkinderspielplätze richtet sich nach Zahl und Art der Wohnungen auf dem Grundstück. Bauliche Anlagen u. a. Anlagen und Einrichtungen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in dem dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen von Menschen mit Behinderungen, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können. 5.11.2.9 Anforderungen bautechnischer Art Obwohl in den vorausgehenden Abschnitten bereits zahlreiche Anforderungen beschrieben worden sind, die bei der Planimg und Ausführung von Bauvorhaben zu beachten sind, beziehen sich die meisten Vorschriften der Landesbauordnungen auf bautechnische Anforderungen (allgemeine Anforderungen an die Bauausführung, Bauprodukte und Bauarten, Wände, Decken und Dächer, Treppen, Rettungswege, Aufzüge und Öffnungen, haustechnische Anlagen und Feuerungsanlagen, Aufenthaltsräume und Wohnungen, Stellplätze und Garagen, Ställe, Behelfsgebäude und untergeordnete Gebäude, bauliche Anlagen und Räume besonderer Art und Nutzimg). Sie werden durch

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bautechnische Verwaltungsvorschriften, DIN-Normen und sonstige fachtechnische Normen ergänzt. 5.11.2.10 Anforderungen in örtlichen Bauvorschriften Die Landesbauordnungen der Flächenländer ermächtigen die Gemeinden, örtliche Bauvorschriften in der Rechtsform von Satzungen zu erlassen oder in die Bebauungspläne aufzunehmen. Mit diesen örtlichen Bauvorschriften können die Gemeinden in gewissem Umfang über die allgemeinen Gestaltungsvorschriften (vgl. Kap. 5.11.2.5) hinaus eine positive Baugestaltungspflege betreiben. Die in der Praxis am meisten genutzte Ermächtigung besteht darin, örtliche Bauvorschriften über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen sowie von Werbeanlagen und Warenautomaten zur Verwirklichung gestalterischer Absichten in bestimmten, genau abgegrenzten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebiets zu erlassen. Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen werden solche Baugestaltungsvorschriften vielfach in die Pläne als Festsetzungen aufgenommen. Sie betreffen im allgemeinen die Sockelhöhe von Gebäuden, die Fassadengestaltung, die Dachgestaltung (Dachneigimg, Farbgebimg, Beschränkimg der Zulässigkeit von Dachgauben) und die zulässige Höhe von sog. Kniestöcken (Trempeln). Weiterhin ist die Möglichkeit bedeutsam, durch örtliche Bauvorschriften besondere Anforderungen an bauliche Anlagen, Werbeanlagen und Warenautomaten zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze und Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung sowie von Baudenkmälern und Naturdenkmälern zu stellen. Diesbezügliche Satzungen werden vor allem für historisch geprägte innerörtliche Bereiche erlassen und sie ergänzen die dort meist bereits wirksamen Denkmalschutzvorschriften oder Erhaltungssatzungen (§§ 172 ff. BauGB). Darüber hinaus ermächtigen die Landesbauordnungen die Gemeinden zum Erlassen örüicher Bauvorschriften mit dem unterschiedlichsten Inhalt, der in zunehmendem Maße auch Belange des Umweltschutzes zum Gegenstand hat (ζ. B. Beschränkung der Verwendung fossiler Heizstoffe, Begrünung von baulichen Anlagen und Baugrundstücken sowie Schaffung von Anlagen zum Sammeln und Verwenden von Niederschlagswasser). 5.11.3 Die Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Zulässigkeit des Neubaus, der Nutzungsänderung und des Abbruchs baulicher Anlagen Die Verfahrensvorschriften der Landesbauordnungen beginnen mit der Bestimmung, dass die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung und der Abbruch baulicher

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Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen, an die Vorschriften des Bauordnungsrechts Anforderungen stellen, der Baugenehmigung bedürfen, soweit in nachfolgenden Gesetzesregelungen nichts anderes bestimmt ist. In allen Landesbauordnungen folgen Vorschriften mit langen Listen genehmigungsfreier Vorhaben, die einen recht unterschiedlichen Inhalt haben. Gemeinsam ist ihnen nur die Bestimmung, dass die Freistellung von der Genehmigungspflicht nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen entbindet, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften (vor allem des Bundes- und Landesbaurechts und des Umweltrechts) an die baulichen u. a. Anlagen und Einrichtungen gestellt sind. Bezüglich der Bauvorhaben, die in diesen Listen nicht angeführt sind, ist nach den recht vielseitigen Regelungen in den Landesbauordnungen zu unterscheiden, ob sie einem uneingeschränkten Baugenehmigungsverfahren, einem vereinfachten Genehmigungsverfahren oder einem bloßen „Kenntnisgabeverfahren" unterliegen. Wegen der Regelungsunterschiede kann im Folgenden nur der Ablauf eines uneingeschränkten Genehmigungsverfahrens erläutert werden. Das uneingeschränkte Baugenehmigungsverfahren beginnt damit, dass bei der unteren Bauaufsichtsbehörde (in manchen Ländern bei der Gemeindeverwaltung) der Bauantrag einzureichen ist. Mit dem Bauantrag sind alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen (vgl. dazu die Bauvorlagenverordnung des jeweiligen Landes). Bauvorlagen für die genehmigungspflichtige Errichtung und Änderung von Gebäuden (nach manchen Landesbauordnungen auch für bestimmte andere Anlagen und Einrichtungen) müssen von einem Entwurfsverfasser unterschrieben sein, der bauvorlageberechtigt ist. Wem diese Berechtigung zukommt, ist in den Landesbauordnungen geregelt (immer den Personen, die die Berufsbezeichnung „Architekt" führen dürfen). Vor der Entscheidung über die Befreiung von baurechtlichen Anforderungen sollen die Bauaufsichtsbehörden die Eigentümer benachbarter Grundstücke (Nachbarn) beteiligen, wenn zu erwarten ist, dass öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange berührt werden (die Nachbarbeteiligung ist in den Landesbauordnungen sehr unterschiedlich ausgestaltet). Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften (vor allem des Bundes- und Landesrechts und des Umweltrechts) entgegenstehen; sie bedarf der Schriftform. Zu begründen ist sie nur insoweit, als von nachbarschützenden Vorschriften befreit wird und der Nachbar der Befreiung nicht zugestimmt hat. Die Baugenehmigung gilt (als sog. dinglicher Verwaltungsakt) auch für und gegen den oder die Rechtsnachfolger des Bauherrn. Sie kann unter Auflagen, Bedingungen und dem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage

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sowie befristet erteilt werden (dafür müssen sachgerechte Gründe vorliegen). Von erheblicher rechtlicher Tragweite ist die in allen Landesbauordnungen enthaltene Bestimmung, dass die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter ergeht. Dies bedeutet dass die bürgerlich-rechtlichen Abwehransprüche (§§ 1004,862,906BGB) unberührt bleiben und mit Hilfe der Zivilgerichte zur Einstellung von Bauarbeiten und sogar zur Beseitigung oder Untersagung der Nutzimg baulicher Anlagen führen können. Dem Baugenehmigungsverfahren kann nach allen Landesbauordnungen ein Bauvoranfrageverfahren vorausgehen (vgl. Kap. 5.1.3). Mit der Bauausführung darf nicht vor Zugang der Baugenehmigung begonnen werden. Eine Bauüberwachung und eine Bauzustandsbesichtigung finden nicht mehr in jedem Fall statt. Ob sie vorgenommen werden, entscheiden die Bauaufsichtsbehörden nach ihrem Ermessen. 5.11.4 Mögliche Rechtsfolgen unerlaubter Baumaßnahmen Die Einstellung der Bauarbeiten kann vor der Bauaufsichtsbehörde angeordnet werden, wenn die Ausführimg eines genehmigungsbedürftigen oder sonst zulassungsbedürftigen Bauvorhabens ohne das Vorliegen der gesetzlichen geforderten Voraussetzungen begonnen wurde, wenn bei der Ausführung eines Bauvorhabens von den genehmigten Bauvorlagen abgewichen oder gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen wird oder wenn nicht vorschriftgemäß gekennzeichnete Bauprodukte verwendet werden. Wenn trotz einer schriftlich oder mündlich verfügten Einstellung unzulässige Bauarbeiten fortgesetzt werden, kann die Bauaufsichtsbehörde die Baustelle versiegeln oder die an der Baustelle vorhandenen Bauprodukte, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam bringen. Werden bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, so kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der baulichen Anlage anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände herbeigeführt werden. Wenn bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften benutzt werden, kann die Benutzung untersagt werden. Die Landesbauordnungen enthalten umfangreiche Auflistungen von Tatbeständen, deren Verwirklichung als Ordnungswidrigkeit zu beurteilen ist. Der wichtigste Tatbestand ist gegeben, wenn jemand vorsätzlich oder fahrlässig ohne die erforderliche Genehmigung oder Teilbaugenehmigung oder abweichend davon bauliche Anlagen errichtet, ändert, benutzt oder abbricht. Die Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße ge-

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ahndet werden, für die die Landesbauordnungen unterschiedliche Höchstsätze bestimmen. 5.11.5 Baulasten und Dienstbarkeiten zur Sicherung baurechtlich bedeutsamer Zustände 5.11.5.1 Zweck der Baulasten und baubezogenen Dienstbarkeiten In vierzehn der sechzehn Bundesländer enthalten die Landesbauordnungen Vorschriften über die Baulasten und das Baulastenverzeichnis. Lediglich in Bayern und Brandenburg fehlt es an dahingehenden Bestimmungen. Dabei besteht in allen Ländern das Bedürfnis, bestimmte Zustände, die für die Zulässigkeit von Bauvorhaben bedeutsam sein können, rechtlich abzusichern. So können sich der Ausführung von Bauvorhaben, die Ihrer Art nach (etwa als Wohngebäude, Geschäftshaus oder Industrieanlage) in einem beplanten oder nicht beplanten Bereich an sich zulässig wären, aufgrund der Lage, des Zuschnitts und/ oder der Größe des Grundstücks, das bebaut werden soll, Schwierigkeiten entgegenstellen, weil bestimmten Anforderungen des öffentlichen Baurechts nicht entsprochen werden kann. Es handelt sich dabei vor allem um Anforderungen an die Zuwegung zu öffentliche Verkehrsflächen (vgl. Kap. 5.11.2.2), die Einhaltung der geforderten Abstandsflächen (vgl. Kap. 5.11.2.4), die Herstellung der notwendigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge und der notwendigen Absteilflächen für Fahrräder (vgl. Kap. 5.11.2.7) sowie die Anlegung der erforderlichen Kleinkinderspielplätze (vgl. Kap. 5.11.2.8). Diese Schwierigkeiten können durch die Einbeziehung benachbarter Grundstücke (insgesamt oder mit einer Teilfläche) in die baurechtliche Beurteilung ausgeräumt werden, wenn rechtlich gesichert ist, dass das benachbarte Grundstück (ganz oder teilweise) dem Baugrundstück auf die Dauer des Bestands der zu errichtenden baulichen Anlage baurechtlich zuzurechnen ist. Diese rechtliche Sicherung kann dadurch bewirkt werden, dass der Eigentümer des benachbarten Grundstücks durch Erklärung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde eine entsprechende öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu einem sein Grundstück betreffendes Tun, Dulden oder Unterlassen übernimmt, die dadurch Rechtsverbindlichkeit erlangt, dass sie von der Bauaufsichtsbehörde in das Baulastenverzeichnis eingetragen wird. Die Baulast ist auch mit dem Inhalt einer Eigentümerbaulast möglich, wenn sie von dem Eigentümer des Baugrundstücks an einem ihm ebenfalls gehörenden Grundstück bestellt wird.

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In Bayern und Brandenburg erfolgt die rechtliche Sicherung auf privatrechtlichem Weg, indem der Eigentümer des Grundstücks, auf dem ein Bauvorhaben ausgeführt werden soll, von dem Eigentümer eines benachbarten Grundstücks eine entsprechende Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff. BGB) eingeräumt erhält, die mit der Eintragimg in das Grundbauch rechtswirksam wird (§ 873 BGB). Da der Eigentümer des begünstigten („herrschenden") Grundstücks die Grunddienstbarkeit durch einseitige Erklärung aufheben kann (§ 875 BGB, rechtswirksam mit Löschimg im Grundbuch), muss zusätzlich sichergestellt werden, dass er diese Erklärung nicht abgeben kann. Dies geschieht durch Bestellung einer entsprechenden beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB) zugunsten einer Gebietskörperschaft (Land, Landkreis, Gemeinde). Seit einiger Zeit besteht jedoch in Bayern die Möglichkeit, dass Abstandsflächen sich ganz oder teilweise auf Nachbargrundstücke erstrecken können, wenn der Nachbar gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schriftlich zustimmt (Näheres in Art. 7 Abs. 5 der Bayerischen Bauordnung in der Neufassung vom 4.8.1997, GVB1 S. 434). 5.11.5.2 Wichtige Anwendungsfälle der Baulasten Die Landesbauordnungen, die Vorschriften über Baulasten enthalten, weisen zwar gewisse Regelungsunterschiede auf. Doch lassen sich die folgenden wichtigen Anwendungsfälle der Baulasten mit im wesentlichen übereinstimmendem Zweck darstellen. Die Zufahrts-Baulast: Gebäude dürfen - von anderen Voraussetzungen abgesehen - auf Grundstücken nur errichtet werden, wenn gesichert ist, dass bis zum Beginn ihrer Nutzimg das (Bau-)Grundstück entweder in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat; ein nicht befahrbarer Wohnweg genügt, wenn der Brandschutz gewährleistet ist. Die öffentlich-rechtliche Sicherung kann dadurch bewirkt werden, dass der Eigentümer des Grundstücks, über das die Zufahrt möglich ist, gegenüber der Bauaufsichtsbehörde eine entsprechende Baulast (Verpflichtung zu einem Dulden) übernimmt. Die Vereinigungs-Baulast: Das Bauordnungsrecht geht davon aus, dass ein Gebäude auf einem Grundstück errichtet wird. Gemeint ist das Grundstück im sachenrechtlichen (=grundbuchrechtlichen) Sinn, nämlich ein abgegrenzter und vermessener Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblatts unter einer eigenen Nummer eingetragen ist. Doch ist die Errichtung eines Gebäudes auf mehreren Grundstücken (in diesem Sinne) zulässig, wenn durch Baulast gesichert ist, dass sie auf die Dauer der Bebauung baurechtlich als Grundstückseinheit zusammengefasst bleiben (Verpflichtung zu einem gemeinsamen Tun). Die mehreren Grundstücke können auch

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mehreren Eigentümern gehören. Diese sog. Vereinigungs-Baulast eröffnet allerdings nicht die Möglichkeit, mehrere Grundstücke, auf denen mehrere Gebäude (etwa in Form einer Hausgruppe) errichtet werden sollen, im Hinblick auf bauplanungsrechtliche (=bundesbaurechtliche) Anforderungen bezüglich der zulässigen Grund- und Geschossflächen zu einer baurechtlichen Beurteilungseinheit zusammenzufassen. Die Anbau-Baulast: Nach den Abstandsvorschriften der Landesbauordnungen sind vor Außenwänden von Gebäuden grundsätzlich Abstandsflächen freizuhalten. Doch sind Abstände nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Nachbargrenzen errichtet werden, wenn nach bauplanungsrechtlichen (=bundesbaurechtlichen) Vorschriften das Gebäude entweder an die Grenze gebaut werden muss oder an die Grenze gebaut werden darf und in diesem (letztgenannten) Fall öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass vom Nachbargrundstück her angebaut wird (Verpflichtung zu einem Tim, nämlich Anbauen). Die Abstandsübernahme-Baulast: Soweit Abstände oder Abstandsflächen (an sich) auf dem (Bau-)Grundstück liegen müssen, kann gestattet werden, dass sie sich ganz oder teilweise auf angrenzende Grundstücke erstrecken, wenn öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass die entsprechenden Flächen nicht überbaut und auf die Abstände oder Abstandsflächen, die auf diesen Grundstücken einzuhalten sind, nicht angerechnet werden. Die öffentlich-rechtliche Sicherung kann in der Form einer Abstandsübernahme-Baulast geschaffen werden (Verpflichtung zu einem Unterlassen). Die Stellplatz-Baulast: Bauliche Anlagen sowie andere Anlagen, bei denen ein Zugangsund Abgangsverkehr zu erwarten ist, dürfen nur errichtet werden, wenn Stellplätze für Kraftfahrzeuge in ausreichender Zahl und Größe sowie in geeigneter Beschaffenheit hergestellt werden (sog. notwendige Stellplätze). Statt der Stellplätze können Garagen hergestellt werden. Die Stellplätze sind auf dem (Bau-)Grundstück oder, sofern öffentlichrechtlich gesichert, auf einem in zumutbarer Entfernimg liegenden anderen Grundstück herzustellen. Die öffentlich-rechtliche Sicherung kann durch die Bestellung einer Baulast erfolgen, die den Eigentümer verpflichtet, die Herstellung, Benutzung und Unterhaltung des Grundstücks (oder einer Teilfläche des Grundstücks) als Stellplatzfläche zu dulden. Die Landesbauordnungen lassen es allerdings auch zu, dass die Pflicht zur Herstellung sog. notwendiger Stellplätze durch Geldzahlungen an die Gemeinde abgelöst wird. Die Kleinkinderspielplatz-Baulast: Bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen ist grundsätzlich ein Spielplatz für Kleinkinder herzustellen, der nach seiner Lage und Beschaffenheit ein gefahrloses Spielen ermöglicht. Der Spielplatz ist grundsätzlich auf dem (Bau-)Grundstück herzustellen. Doch kann gestattet werden, ihn in unmittelbarer Nähe auf einem anderen Grundstück, auch in einer Gemeinschaftsanlage, herzu-

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stellen, wenn dieses Grundstück von den Kindern gefahrlos erreicht werden kann und seine Benutzung als Spielplatz öffentlich-rechtlich gesichert ist. Diese öffentlichrechtliche Sicherung kann durch die Bestellung einer Spielplatz-Baulast herbeigeführt werden (Verpflichtung des Eigentümers, die Herstellung, Benutzung und Unterhaltung des Grundstücks als Kleinkinderspielplatz zu dulden). Die Leitungs-Baulast: Gebäude mit Aufenthaltsräumen dürfen nur errichtet werden, wenn die Versorgung mit Trinkwasser dauernd gesichert ist. Auch dürfen bauliche Anlagen nur errichtet werden, wenn die Beseitigung des Abwassers auf Dauer gesichert ist. Weiterhin dürfen Gebäude nur errichtet werden, wenn gesichert ist, dass bis zum Beginn ihrer Benutzung die erforderlichen Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen benutzbar sind. Kann ein Grundstück nicht unmittelbar, sondern nur über ein anderes Grundstück an die öffentlichen (meist gemeindlichen) Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen angeschlossen werden, so fordert das Bauordnungsrecht anders als für die Zufahrt keine öffentlich-rechtliche Sicherung. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass der Eigentümer eines Grundstücks zugunsten eines anderen Grundstücks eine Baulast des Inhalts begründen kann, die Verlegung und Unterhaltung von Ver- und Entsorgungsleitungen (auch für Elektrizität, Fernwärme und Ferngas) auf seinem Grundstück zu dulden, damit auf diese Weise die (auch baurechtliche erforderliche) Ver- und Entsorgimg einer baulichen Anlage auf einem anderen (meist sog. Hinterlieger-) Grundstück öffentlich-rechtlich gesichert ist. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Duldung von Leitungen für die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung erforderlichenfalls mit Hilfe von Bestimmungen des jeweiligen Landes-Nachbarrechtsgesetzes erreicht werden kann (je nach Landesrecht auch von Leitungen der Fernwärmeversorgung). Zu beachten ist, dass die Baulasten nur eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen begründen und die privatrechtlichen Verhältnisse der der beteiligten Grundstücke zueinander unberührt lassen. Hat die Baulast (wie etwa die Zufahrts-, die Stellplatz- und die Spielplatz-Baulast) die Benutzung eines anderen Grundstücks (oder einer Teilfläche eines anderen Grundstücks) zum Gegenstand, so beschafft sie kein privatrechtlich abgesichertes Nutzungsrecht. Um Schwierigkeiten zu vermeiden, sollte in solchen Fällen mit der Begründung der Baulast die Einräumung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff. BGB) einhergehen. 5.11.5.3 Begründung und Aufhebung von Baulasten, Baulastenverzeichnis Die Begründung einer Baulast erfordert zweierlei:

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die Erklärung eines Grundstückseigentümers gegenüber der Bauaufsichtsbehörde, eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu einem sein Grundstück betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen zu wollen, die sich nicht schon aus öffentlichrechtlichen Vorschriften (etwa aus den Festsetzungen eines Bebauungsplans) ergibt, sowie



die Eintragung der Verpflichtungserklärung in das Baulastenverzeichnis durch die Bauaufsichtsbehörde (oder auf deren Anordnung hin, wenn das Baulastenverzeichnis nicht von ihr, sondern - wie in Baden-Württemberg - von der Gemeinde geführt wird).

Die Erklärung des Grundstückseigentümers bedarf der Schriftform (vgl. § 126 BGB). Die Unterschrift muss öffentlich beglaubigt sein (vgl. § 129 BGB) oder sie muss vor der Bauaufsichtsbehörde geleistet oder von ihr anerkannt werden. Die Baulastenerklärung kann auch insgesamt zur Niederschrift der Bauaufsichtsbehörde abgegeben werden. Wenn an einem Grundstück ein Erbbaurecht bestellt ist, das durch die Übernahme der Baulast beeinträchtigt würde, bedarf der Grundstückseigentümer zur Begründung der Baulast der Zustimmung des Erbbauberechtigten. Dies ist zwar nur in einigen Landesbauordnungen ausdrücklich vorgeschrieben, gilt jedoch allgemein, weil der Erbbauberechtigte eine Beschränkung seiner Rechte, die ohne seine Zustimmung erfolgt, abwehren kann. Dagegen ist die Zustimmung der Inhaber von Grundpfandrechten, die an dem Grundstück bestehen (§§ 1113 ff. BGB: Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden), für die Begründung einer (nicht selten den Wert des Grundstücks schmälernden) Baulast durch den Grundstückseigentümer nicht erforderlich. Entsprechend der Zweckbestimmung der Baulast, einen für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens baurechtlich erforderlichen Zustand auf die Dauer der Bebauung eines Grundstücks zu sichern, kann eine Baulast nur durch schriftlichen Verzicht der Bauaufsichtsbehörde, der mit der Eintragimg in das Baulastenverzeichnis wirksam wird, aufgehoben werden. Dieser Verzicht ist zu erklären, wenn ein öffentliches Interesse an der Baulast nicht mehr besteht (weil etwa das begünstigte und das belastete Grundstück grundbuchrechtlich vereinigt worden sind, vgl. § 890 BGB). Vor dem Verzicht sollen der Eigentümer des belasteten und der Eigentümer des begünstigten Grundstücks gehört werden. Auch sollen sie eine Benachrichtigung darüber erhalten, dass der Verzicht in das Baulastenverzeichnis eingetragen worden ist. Das Baulastenverzeichnis wird von der Bauaufsichtsbehörde geführt (in BadenWürttemberg von der Gemeinde). Die Eintragung in das Baulastenverzeichnis ist für jede

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Baulast eine zwingende Voraussetzung. Daneben können in das Baulastenverzeichnis eingetragen werden: •

andere baurechtliche Verpflichtungen der Grundstückseigentümer zu einem ein Grundstück betreffendes Tun, Dulden oder Unterlassen, wenn ein öffentliches Interesse an der Eintragung besteht (die insoweit allerdings nicht rechts- oder pflichtenbegründend ist);



Bedingungen, Befristungen und Widerrufsvorbehalte (soweit sie in Baugenehmigungsbescheiden enthalten sind).

Wer ein berechtigtes Interesse darlegt, kann in das Baulastenverzeichnis Einsicht nehmen (oder durch einen von ihm Bevollmächtigten Einsicht nehmen lassen) und sich aus dem Baulastenverzeichnis (auf seine Kosten) Abschriften erteilen lassen. Aufgrund ihrer in § 17 des Beurkundungsgesetzes geregelten umfassenden Belehrungspflicht sind die Notare gehalten, sich bei Rechtsvorgängen in Bezug auf Baugrundstücke und bebaute Grundstücke über das Bestehen von Baulasten zu unterrichten und die Beteiligten ggf. über Inhalt und Tragweite bestehender Baulasten zu belehren.

5.12 Rechtsschutz im öffentlichen Planungs- und Baurecht 5.12.1 Rechtsschutz bei städtebaulichen Planungen Städtebauliche Planungen mit rechtsverbindlichem Inhalt (Bebauungspläne, Innenbereichs-Erweiterungssatzungen und Außenbereichs-Bausatzungen; vgl. Kap. 5.2.2 bis 5.2.5) werden in der Rechtsform von Gemeindesatzungen aufgestellt (vgl. § 10 Abs. 1 BauGB). Sie sind damit Rechtsnormen und können mit dem Normenkontrollantrag der verwaltungsgerichtlichen Prüfung unterworfen werden (§ 47 VwGO). Über den Normenkontrollantrag entscheidet in erster Instanz das Oberverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof. Gegen ihre Urteile und Beschlüsse ist die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zulässig, die jedoch der Zulassung bedarf (§§ 132,133 VwGO). Den Normenkontrollantrag kann jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsnorm oder ihre Anwendimg in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, außerdem jede Behörde. Das wichtigste Recht, das durch eine städtebauliche Planung verletzt sein kann, ist das Grundstückseigentum, so dass es im Allgemeinen die durch die Planungen nachteilig betroffenen Grundstückseigentümer sind, denen das Antragsrecht zusteht. Der Normenkontrollantrag kann nur innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsnorm ge-

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stellt werden. Er ist gegen die Gemeinde zu richten, die die städtebauliche Planung aufgestellt hat. Im Normenkontrollverfahren wird geprüft, ob die städtebauliche Planung in dem vorgeschriebenen Verfahren unter Beachtung der sachinhaltlichen Anforderungen (vgl. Kap. 5.3 und 5.4) zustande gekommen ist. Diese Prüfung wird allerdings durch die Bestimmungen über die Beachtlichkeit der Verletzimg von Vorschriften über die Aufstellung der Satzungen (§ 214 BauGB) sowie über die Frist für die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften sowie von Mängeln der Abwägung (§ 215 BauGB) eingeschränkt. Kommt das Normenkontrollgericht zu dem Ergebnis, dass die städtebauliche Planung an einem beachtlichen Verfahrens- oder Sachmangel leidet, erklärt sie die Planung für nichtig. In diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel ist von der Gemeinde ebenso zu veröffentlichen, wie die Rechtsnorm bekannt zu machen wäre. Können festgestellte beachtliche Mängel durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden, so führen sie nicht zur Nichtigkeit der städtebaulichen Planung, die jedoch bis zur Behebung der Mängel keine Rechtswirksamkeit entfaltet (§ 215a BauGB). In diesem Fall erklärt das Normenkontrollgericht die städtebauliche Planung bis zur Behebung der Mängel für nicht wirksam. Auch dies ist von der Gemeinde öffentlich bekannt zu machen. Das Normenkontrollgericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Die einstweilige Anordnung kann den Inhalt haben, dass die angegriffene städtebauliche Planung bis zur Entscheidung des Normenkontrollgerichts nicht angewendet werden darf. Allerdings wird von dieser rechtlichen Möglichkeit seitens der Normenkontrollgerichte nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht, weil die städtebaulichen Planungen für sich genommen grundsätzlich noch nicht in Rechte eingreifen und gegen behördliche Vollzugsmaßnahmen einstweiliger Rechtsschutz nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsprozessrechts (§§ 80, 80a, 123 VwGO) in Anspruch genommen werden kann. Da der Flächennutzungsplan (vgl. Kap. 5.2.1) nicht als Satzung aufgestellt wird, sondern nur ein Verwaltungsprogramm ist, kann sein Inhalt nicht zum Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens gemacht werden. Verfahrens- und Sachmängel eines Flächennutzungsplans können jedoch als Ursache für die Mangelhaftigkeit eines Bebauungsplans in einem Normenkontrollverfahren gerügt werden, das einen Bebauungsplan betrifft. Entsprechendes gilt in sonstigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren (betreffend Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklagen nach den §§ 42 und 43 VwGO) und in baulandgerichtlichen Verfahren (§§ 217 ff. BauGB). In diesen Verfahren ist die

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Geltendmachung beachtlicher Verfahrens- und Sachmängel anders als im Normenkontrollverfahren nicht durch eine Zwei-Jahres-Frist eingeschränkt. Eine eigenartige Situation zeigt sich in dem Verhältnis der Vorschrift über die Zulässigkeit von Bauvorhaben während der Planaufstellung (§ 33 BauGB) zur Normenkontrollmöglichkeit. Schon im Verlaufe des Verfahrens zur Aufstellung eines Bebauungsplans können, wenn ein fortgeschrittener Stand des Verfahrens erreicht ist (die sog. Planreife), Bauvorhaben zugelassen werden. Damit werden die entsprechenden Festsetzungen des noch im Entwurfzustand befindlichen Bebauungsplans im Verhältnis des Bauantragstellers zur Bauaufsichtsbehörde und zur Gemeinde (die dazu ihr Einvernehmen erteilen muss, vgl. § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB) gewissermaßen rechüich festgeschrieben. Ein Grundstücksnachbar, der sich dadurch in seinen Rechten beeinträchtigt fühlt, kann aber den Normenkontrollantrag noch nicht stellen, weil dies nur in Bezug auf einen rechtswirksamen Bebauungsplan (vgl. § 10 Abs. 3 BauGB) zulässig ist. Er kann nur das zugelassene Bauvorhaben angreifen und geltend machen, dass dieses Vorhaben zu seinen Gunsten wirkende drittschützende Vorschriften verletze. Nur insoweit wird dann auch die Rechtsgültigkeit des Bebauungsplans überprüft, während sich die Prüfung im Normenkontrollverfahren auf die Einhaltung aller verfahrensmäßigen und sachinhaltlichen Rechtsmäßigkeitserfordernisse erstreckt. Mit dem Normenkontrollantrag können auch die folgenden Satzungen nach Bundesbaurecht zur verwaltungsgerichtlichen Überprüfung gebracht werden: Veränderungssperre (§§ 14 bis 17 BauGB), Besonderes Vorkaufsrecht (§25 BauGB), Erhebung von Erschließungsbeiträgen (§ 132 BauGB), Kostenerstattung für Ausgleichsmaßnahmen (§ 135c BauGB), förmliche Festlegung eines Sanierungsgebiets (§ 142 BauGB), förmliche Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs (§ 165 Abs. 6 bis 8 BauGB), Sicherung des Stadtumbaus (§171 d BauGB), Erhaltung baulicher Anlagen und der Eigenart von Gebieten (§ 172 BauGB). Bei städtebaulichen Planungen können nicht nur Rechtsstreitigkeiten zwischen den von den Planinhalten betroffenen natürlichen oder juristischen Personen und der Gemeinde entstehen, sondern auch zwischen der planenden Gemeinde und der höheren Verwaltungsbehörde, wenn deren Genehmigung erforderlich ist. Eine Genehmigungserfordernis besteht für Flächennutzungspläne (§ 6 BauGB) und für nicht aus einem Flächennutzungsplan entwickelte Bebauungspläne (§ 10 Abs. 2 BauGB). Verweigert die höhere Verwaltungsbehörde eine erforderliche Genehmigung vollständig oder zum Teil, so stellt ihre Entscheidung im Verhältnis zur planenden Gemeinde einen belastenden Verwaltungsakt dar, der von der Gemeinde mit der Klage beim Verwaltungsgericht angegriffen werden kann.

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

429

5.12.2 Rechtsschutz gegen Bescheide der Bauaufsichtsbehörden und der Gemeinden Die belastenden Bescheide von Bauaufsichtsbehörden und Gemeinden, die aufgrund baurechtlicher und sonstiger öffenüich-rechüicher Vorschriften ergehen, und nicht den sog. Baulandsachen (§ 217 BauGB) zuzurechnen sind, können nach den Vorschriften des Verwaltungsprozessrechts mit dem Widerspruch und nach erfolglosem Widerspruchs mit der Klage beim Verwaltungsgericht angegriffen werden (§§ 40, 42, 68 ff. VwGO). Die häufigsten Streitigkeiten dieser Art betreffen die Zulässigkeit von Bauvorhaben (§§ 29 bis 37 BauGB), die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (§§ 127 bis 135 BauGB) und künftig wohl auch die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen für von den Gemeinden durchgeführte Ausgleichsmaßnahmen (§§ 135a bis 135c BauGB). Den nach dem Bundesbaurecht ergehenden Bescheiden ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Betroffene über den Rechtsbehelf, der gegen den Bescheid gegeben ist, über die Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, und über die Frist belehrt wird (§ 211 BauGB). Die Frist für die Einlegung des Widerspruchs und für die Erhebung der Klage beträgt einen Monat (§ 70 Abs. 1, § 74 Abs. 1 VwGO). Sie beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden ist, kann der Rechtsbehelf grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündigung angebracht werden (§ 58 VwGO). Besondere Vorschriften gelten aufgrund Verfassungsrechts (Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG) für die sog. Baulandsachen. Das sind (nach § 217 Abs. 1 BauGB) Verwaltungsakte, die in Umlegungsverfahren (§§ 45 bis 79 BauGB), Grenzregelungsverfahren (§§ 80 bis 84 BauGB) und Enteignungsverfahren (§§ 85 bis 122 BauGB) ergehen oder die in sonstigen Verwaltungsverfahren Entschädigungsfragen zum Gegenstand haben (abschließende Einzelaufzählung im BauGB). Über diese Streitigkeiten entscheidet im ersten Rechtszug das (zuständige) Landgericht, Kammer für Baulandsachen, die mit zwei Richtern des Landgerichts einschließlich des Vorsitzenden sowie einem hauptamtlichen Richter eines Verwaltungsgerichts besetzt ist. Die genannten Verwaltungsakte können, sofern nicht durch Landesrecht ein Vorverfahren eingehalten werden muss (§ 212 BauGB), nur mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidimg durch die zuständige Kammer für Baulandsachen angefochten werden. Der Antrag ist innerhalb eines Monats seit der Zustellung des Verwaltungsakts bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

430

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

5.12.3 Rechtsschutz von Nachbarn und sonstigen Dritten gegen Bauvorhaben Alle Landesbauordnungen enthalten Vorschriften über die Beteiligung der Nachbarn am Baugenehmigungsverfahren, die allerdings einen sehr unterschiedlichen Inhalt haben. Am häufigsten ist die Regelung anzutreffen, dass die Bauaufsichtsbehörden die Eigentümer benachbarter Grundstücke (=Nachbarn) vor der Erteilung von Befreiungen benachrichtigen sollen, wenn zu erwarten ist, dass öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange berührt werden. Die Benachrichtigung soll entfallen, wenn die zu beteiligenden Nachbarn die Lagepläne und Bauzeichnungen unterschrieben oder der Erteilung von Befreiungen schriftlich zugestimmt haben. Einwendungen der Nachbarn sind innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Benachrichtigung bei der Bauaufsichtsbehörde schriftlich oder zu deren Niederschrift vorzubringen. Wird den Einwendungen nicht entsprochen, so ist die Entscheidung über die Befreiung dem Nachbarn zuzustellen. Bei einer Mehrheit von Eigentümern eines angrenzenden Grundstücks genügt die Mitteilung an einen von ihnen. Ist der Eigentümer nur unter Schwierigkeiten zu ermitteln oder zu erreichen, so genügt die Mitteilung an einen unmittelbaren Besitzer. Dies ist nur eine verfahrensrechtliche Regelung, die über den Rechtsschutz von Nachbarn und sonstigen Dritten lediglich insoweit etwas aussagt, als sie im Zusammenhang mit Befreiungen von öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belangen spricht. Die maßgebende Rechtsgrundlage für den Rechtsschutz von Nachbarn und sonstigen Dritten gegen Bauvorhaben ist nicht im Bauordnungsrecht, sondern im Verfassungsrecht zu finden: Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg zu unabhängigen Gerichten offen (Art. 19 Abs. 4 und Art. 97 GG). Wann jemand durch eine Genehmigung, die einem anderen für ein Bauvorhaben erteilt wird, in seinen Rechten beeinträchtigt sein kann, hat die Verwaltungsrechtsprechung geklärt und dafür den Begriff der nachbarschützenden bzw. drittschützenden Vorschriften des Landes- und Bundesbaurechts sowie des für die Zulassung von Bauvorhaben bedeutsamen Umweltschutzrechts entwickelt. Danach ist eine Vorschrift nachbarbzw. drittschützend, wenn sie nicht nur dem Wohl der Allgemeinheit (bauordnungsrechdich: der öffentlichen Sicherheit und Ordnung), sondern auch den Interessen von Nachbarn (ggf. auch von sonstigen Dritten) zu dienen bestimmt ist. Im Bauordnungsrecht der Länder sind die wichtigsten nachbarschützenden Bestimmungen die Abstandsvorschriften, daneben sind die Bestimmungen auszuführen, die den Schutz vor unzumutbarem Lärm und belästigenden Luftverunreinigungen bezwecken und in den allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen sowie in den Vorschriften über Stellplätze und Garagen, Feuerungsanlagen, Ställe und Aborte enthalten sind. Im Bauplanungsrecht werden als drittschützend (weil in ihren Auswirkungen

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

431

räumlich weiter ausgreifend) vor allem die Vorschriften über die in einem Baubereich zulässigen Arten der baulichen Nutzung angesehen (vgl. insbesondere die Regelungen über die sog. typisierten Baugebietsarten in den §§ 2 bis 9 BauNVO), im Allgemeinen jedoch nicht die Bestimmungen über die zulässigen Ausmaße der baulichen Anlagen (§§ 16 bis 21a BauNVO). Aus dem Umweltschutzrecht werden im Wesentlichen nur die Vorschriften des Immissionsschutzes (vor allem bezüglich der Lärmbeschränkimg und der Luftreinhaltung) als drittschützend beurteilt, wobei zu beachten ist, dass auch das Bundesbaurecht und das Bauordnungsrecht der Länder nicht geringe dahingehende Anforderungen aufweisen. Kann jemand (Grundstückseigentümer, Wohnungseigentümer, Erbbauberechtigter, ggf. auch Mieter oder Pächter) eine solche drittschützende Vorschrift als zu seinem Nachteil verletzt ins Feld führen, ist sein Rechtsbehelf zulässig. Ob er auch in der Sache Erfolg hat, hängt von der Prüfung aller entscheidungserheblichen Umstände des Falles ab. Dabei ist bedeutsam, dass das Verwaltungsgericht nur prüft, ob gegen eine dem Kläger zugute kommende drittschützende Vorschrift des öffentlichen Rechts verstoßen worden ist. Sollte das Bauvorhaben aus sonstigen Gründen unzulässig sein (etwa wegen Unvereinbarkeit mit nicht drittschützenden Regelungen der Vorschrift über die Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich, § 35 BauGB), so ist dies für die Entscheidung über den Rechtsbehelf des Nachbarn (Dritten) ohne Belang. In baurechtlichen Nachbarstreitigkeiten sind die Vorschriften über den einstweiligen Rechtsschutz von besonderer Bedeutung. An sich haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO). Da diese Rechtsbehelfe von Nachbarn in Bausachen aber vielfach nur mit dem Ziel eingelegt wurden, den Beginn oder die Fortsetzimg von Baumaßnahmen zu unterbinden, ohne dass letztlich eine Rechtsverletzung festgestellt werden konnte, ist nunmehr im Bundesbaurecht mit Geltung für das gesamte öffentliche Baurecht bestimmt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichüiche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung haben (§ 212a BauGB). Der Dritte kann allerdings bei der Baugenehmigungs- oder der Widerspruchsbehörde die Aussetzung der Vollziehung beantragen (§ 80 Abs. 4 VwGO). Weiterhin kann er bei Gericht der Hauptsache, ohne dass diese schon abhängig sein muss, den Antrag anbringen, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen (§ 80 Abs. 5 VwGO, vgl. auch § 80a VwGO).

432

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

5.12.4 Schadenshaftung der Bauaufsichtsbehörden und Gemeinden bei Amtspflichtverletzungen in Bausachen Dem Rechtsschutz ist auch die Schadenshaftung der Bauaufsichtsbehörden und Gemeinden bei Amtspflichtverletzungen in Bausachen zuzurechnen, die in der Praxis eine nicht geringe Bedeutung hat. Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes schuldhaft die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so ist dem Dritten dafür Schadensersatz zu leisten. Die Verantwortlichkeit trifft grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Schadensverursacher steht (§ 839 BGB, Art. 34 GG). Zu der Frage, wann Vorschriften des öffentlichen Baurechts für denjenigen, der sie in amtlicher Eigenschaft anzuwenden hat, eine Amtspflicht „einem Dritten gegenüber" begründen, gibt es eine reichhaltige höchstrichterliche Rechtsprechung, die sehr differenziert ist, der aber doch einige Grundlinien entnommen werden können: Da die materiell-rechtlichen Vorschriften des Bundes- und Landesbaurechts in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnimg dienen, stellt sich ihre Anwendung grundsätzlich nicht als Amtspflicht gegenüber einem Bauantragsteller dar. Diese Vorschriften (etwa betreffend die einzuhaltenden Abstände, die Standsicherheit und den Brandschutz) sind nicht dazu bestimmt, den Bauantragsteller vor finanziellen Nachteilen zu bewahren. Ihn bzw. den von ihm zu beauftragenden Entwurfsverfasser (einschließlich Statiker) trifft die Verantwortlichkeit dafür, dass die Bauunterlagen (Lageplan, Planzeichnungen, Standsicherheitsberechnungen usw.) den rechtlichen und bautechnischen Anforderungen entsprechen (deren Beachtimg nach den Vereinfachungsbestimmungen in den Landesbauordnungen von den Bauaufsichtsbehörden zum großen Teil nicht mehr geprüft wird). Dagegen ergeben sich aus den landes- und bundesbaurechtlichen Verfahrensvorschriften Amtspflichten der Bauaufsichtsbehörden und der Gemeinden gegenüber den Bauantragstellern und ggf. auch gegenüber sonstigen Personen. Dies gilt als Erstes für die in allen Landesbauordnungen enthaltene Bestimmung, dass die Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Hieraus folgt die Amtspflicht der Bauaufsichtsbehörden gegenüber dem Bauantragsteller, eine rechtmäßige Baugenehmigung zu erteilen, auf deren Bestandskraft der Bauantragsteller vertrauen können muss. Wird eine Baugenehmigung auf Widerspruch oder Klage eines Nachbarn (Dritten) hin wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil von der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtliche Vorschriften (schuldhaft) nicht richtig angewendet worden sind, und entsteht daraus dem Bauantragsteller ein Vermögensscha-

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

433

den, so haftet die Bauaufsichtsbehörde. Entsprechendes gilt, wenn auf eine Bauvoranfrage hin ein positiver Bauvorbescheid erteilt wird, der der rechtlichen Überprüfung im Widerspruchsverfahren oder Verwaltungsprozess aus Gründen, die der Bauaufsichtsbehörde vorgeworfen werden können, nicht standhält. In die Amtspflicht einbezogen kann in diesem Fall auch jemand sein, der ein Grundstück im Vertrauen auf den Inhalt eines positiven Bauvorbescheids zu Baulandpreisen erwirbt, seine Bauabsichten jedoch nicht verwirklichen kann. Dagegen kann die Ablehnung der Bauaufsichtsbehörde, die beantragte Baugenehmigung oder den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen, für sich gesehen nicht zum Anlass für eine Schadensersatzklage aus Amtspflichtverletzimg genommen werden, auch wenn die Ablehnung auf einem schuldhaften Rechtsverstoß beruht. Gegen diesen Rechtsnachteil kann und muss sich der Antragsteller mit den ihm nach dem Verwaltungsprozessrecht eröffneten Möglichkeiten des Widerspruchs und der Klage (ggf. auch der Berufimg und der Revision) wehren. Hat allerdings die rechtswidrige Versagung einer Baugenehmigung zur Folge, dass sie aufgrund eines Urteils im Verwaltungsstreitverfahren erst nach längerer Zeit (nicht selten erst nach mehreren Jahren) erteilt wird und ist dem Bauantragsteller dadurch ein Vermögensschaden erwachsen, so kann er ihn nach dem Amtshaftungsvorschriften ersetzt verlangen. Diese Rechtsfolge kann auch schon eintreten, wenn die Bauaufsichtsbehörde über einen Baugenehmigungsantrag erst mit unangemessener Verzögerung entscheidet. Eine Amtshaftung von Gemeinden kommt in Frage, wenn sie am Baugenehmigungsoder Bauvoranfrageverfahren beteiligt werden und dabei eine unrichtige Stellungnahme abgeben oder fehlerhafte Entscheidung treffen, aufgrund deren die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung rechtswidrig verweigert. Am häufigsten sind in dieser Hinsicht die Fälle des erforderlichen, aber unrechtmäßig abgelehnten Einvernehmens (vgl. § 36 BauGB). An diese Ablehnung ist die Bauaufsichtsbehörde gebunden, auch wenn sie sie als rechtsfehlerhaft erachtet. Doch kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinden (nunmehr) durch die nach Landesrecht zuständige Behörde ersetzt werden (§ 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB). 5.12.5 Streitigkeiten über Rechte und Pflichten aus städtebaulichen Verträgen Streitigkeiten über Rechte und Pflichten aus städtebaulichen Verträgen ( § 1 1 BauGB) können in der Gestalt von Feststellungs- oder Leistungsklagen den Gerichten zur Entscheidung vorgelegt werden. Obwohl sich die Regelungen über die städtebaulichen Ver-

434

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

träge im Bundesbaurecht und damit im öffentlichen Recht befindet, müssen nicht alle städtebaulichen Verträge dem öffentlichen Recht zuzurechnen sein. Es hängt daher von ihrem jeweiligen Inhalt ab, ob für die Streitigkeiten die Verwaltungsgerichte (§ 40 Abs. 1 BauGB) oder die Zivilgerichte (§ 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zuständig sind. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem oder zivilrechtlichem Vertrag sind Gegenstand und Zweck des Vertrags. Es kommt darauf an, ob der Streitgegenstand eine unmittelbare Folge des öffentlichen Rechts oder des Zivilrechts ist. So wird etwa für Baulandsicherungsverträge zwischen Grundeigentümern und Gemeinde angenommen, dass sie dem Zivilrecht zuzuordnen sind. Auf der anderen Seite sind die Durchführungsverträge, ohne deren Abschluss ein vorhabenbezogener Bebauungsplan nicht rechtswirksam zustande kommen kann (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB), grundsätzlich als öffentlich-rechtlich zu beurteilen. Grundsätzlich deshalb, weil in einem Durchführungsvertrag wie überhaupt in einem städtebaulichen Vertrag auch Gegenstände mitgeregelt werden können, die dem Zivilrecht zugehören. Dies kann zur Folge haben, dass über verschiedene Streitgegenstände, die sich aus einem städtebaulichen Vertrag ergeben können, einerseits die Verwaltungsgerichte und andererseits die Zivilgerichte zu befinden haben. Ob die Klage bei einem Verwaltungsgericht oder einem Zivilgericht (Amtsgericht oder Landgericht) erhoben wird, ist vor allem unter dem folgenden Gesichtspunkt von praktischer Bedeutimg: In der Verwaltungsgerichtsbarkeit besteht im ersten Rechtszug vor dem Verwaltungsgericht kein Anwaltszwang. Erst vor dem Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) und dem Bundesverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen (vgl. § 67 Abs. 1 VwGO). In der Zivilgerichtsbarkeit müssen sich die Parteien vor den Landgerichten (und damit auch vor den Kammern für Baulandsachen) und vor allen Gerichten des höheren Rechtszugs durch einen bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (vgl. § 78 der Zivilprozessordnung). Kein Anwaltszwang besteht vor den Amtsgerichten, die jedoch nur bis zu einem Streitwert von 10.000 DM zuständig sind, der in Baurechtsstreitigkeiten durchweg überschritten wird. Verweist das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an ein Zivilgericht oder umgekehrt und wird diese Entscheidimg unanfechtbar, so ist sie für das Gericht, an das verwiesen worden ist, verbindlich, auch wenn dieses Gericht die Verweisung für rechtlich unzutreffend erachtet (vgl. § 17a Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes).

5 Schaffung von Bauland und Zulassung von Bauvorhaben

435

Literaturverzeichnis zu Kap. 5 Battis, U. / Krautzberger, M./Löhr, R.P.: Kommentar zum BauGB, 9. Aufl., Verlag C. H. Beck, München, 2005. Krautzberger, M . / Söfker, W.: BauGB mit BauNVO, Leitfaden und Kommentierung, 7. Aufl., Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm, München 2004. Ernst, W. / Zinkahn, W. / Bielenberg, W. / Krautzberger, M.: Kommentar zum BauGB, Loseblattausgabe, Verlag C. H. Beck, München. Fickert, H. C./ Fieseier, H.: Baunutzungsverordnung, Kommentar, 10. Aufl., W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 2002. Geizer,K/Bracher,CyReidt,0., Bauplanungsrecht, 6. Aufl., Otto Schmidt Verlag, Köln 2001. Jäde, H./Dirnberger, F./ Weiß, J.: Baugesetzbuch und Baunutzungsverordnung, Kommentar, 3. Aufl., Verlag Boorberg, Stuttgart 2002. Kohlhammer-Kommentar zum BauGB, Loseblattausgabe, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart. König, H . / Roeser, T . / Stock, J.: Baunutzungsverordnung, Kommentar, 2. Aufl. Verlag C. H. Beck, München 2003. Schlichter, O./ Stich, R / Driehaus,H/Paetow,S. (Hrsg.): Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., C. Heymanns Verlag, Köln 1995. Schrödter, H. (Begr.): Baugesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl., Verlag Vahlen, München 1998. Stüer, B.: Bau- und Fachplanungsrechts, 3. Aufl., Verlag C. H. Beck, München 2001. Stüer, B.: Der Bebauungsplan,, 2. Aufl., Verlag C.H. Beck, München 2001.

6 Die Immobilienvermittlung

437

6 Immobilienvermittlung Joachim Schmidt 6.1 Einleitung

439

6.2 Die gesetzlichen Grundlagen des Maklerberufes

441

6.2.1 § 34c Gewerbeordnung

441

6.2.2 Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

441

6.2.3 Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV)

442

6.2.4 Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung (WoVermittG)

443

6.2.5 Die Vorschriften über den Fernabsatz (§§ 312 b bis f BGB)

443

6.3 Der Maklervertrag

444

6.3.1 Rechtsnatur des Maklervertrages

444

6.3.2 Zustandekommen des Maklervertrages

445

6.3.3 Der konkludent abgeschlossene Maklervertrag

445

6.3.4 Voraussetzungen für die Entstehung eines Provisionsanspruchs

447

6.3.5 Maklerklausel im Hauptvertrag

448

6.3.6 Beendigung des Maklervertrags

450

6.4 Die Maklertätigkeit

451

6.4.1 Inhalt des Maklervertrages

451

6.4.2 Tätigkeit des Nachweismaklers

451

6.4.3 Tätigkeit des Vermittlungsmaklers

453

6.5 AGB-Klauseln in Maklerverträgen

454

6.5.1 Abgrenzung Allgemeine Geschäftsbedingung zur Individualvereinbarung

454

6.5.2 Inhaltskontrolle

456

6.5.3 Nachweis über das Zustandekommen einer Individualvereinbarung

457

6.5.4 Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB

457

438

6 Die

Immobilienvermittlung

6.6 Sonderformen der Maklertätigkeit

458

6.6.1 Der Maklersuchauftrag

458

6.6.2 Der Alleinauftrag

459

6.6.3 Mehrheit von Maklern

463

6.6.4 Doppelmaklertätigkeit

463

6.7 Der Hauptvertrag

464

6.7.1 Voraussetzungen für den Provisionsanspruch

464

6.7.2 Abweichungen des beabsichtigten vom abgeschlossenen Hauptvertrag

467

6.7.2.1 Überblick

467

6.7.2.2 Abweichungen in der Person des Erwerbers

467

6.7.2.3 Abweichungen im Kaufpreis

469

6.7.2.4 Abweichungen im Vertragsgegenstand

469

6.7.2.5 Exkurs: Hauptvertrag mit Einräumimg eines Vorkaufsrechts

470

6.7.2.6 Maklerklausel im Hauptvertrag (Vertiefung)

471

6.8 Kausalität

475

6.8.1 Vorkenntnis

475

6.8.2 Unterbrechimg des Kausalzusammenhangs

478

6.9 Provisionshöhe und Aufwendungsersatz

482

6.9.1 Provisionshöhe

482

6.9.2 Aufwendungsersatz

482

6.10 Pflichten und Pflichtverletzungen

483

6.10.1

Nebenpflichten des Maklerkunden

483

6.10.2

Pflichten des Maklers

485

6.10.3

Die Verwirkung des Provisionsanspruchs

487

6.10.4

Verflechtung als besonderer Fall der Verwirkung

488

6.11 Der Makler im Wettbewerb

489

6.11.1

Die Regelungen des UWG

489

6.11.2

Fallbeispiele

490

6.11.3

Das Verfahren

491

Literaturverzeichnis zu Kap. 6

492

6 Die Immobilienvermittlung

439

6.1 Einleitung Wie sehr das Bild der Leistung des Immobilienmaklers im Wandel begriffen ist, und damit auch sein Berufsbild insgesamt, wird nicht nur an der immer weiter fortschreitenden Diversifizierung und Spezialisierung der zu vermittelnden Immobilien (Hotels, LogistikImmobilien) deutlich, sondern vor allem auch an der Komplexität der dem Makler erteilten Aufträge. Wenn ein Makler beauftragt wird, „den Klinikmarkt zu sondieren und Kontakte zu Eigentümern von zum Verkauf stehenden Klinikbetrieben aufzubauen und letztendlich den Nachweis einer Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags über den Erwerb einer aus 26 Kommanditgesellschaften bestehenden Unternehmensgruppe erbringt (vgl. BGH, NZM 2005, 346), und wenn sich BGH mit der Frage nach dem Nachweis eingehend mit der Frage befasst, ob und in welcher Form ein solcher Nachweis nämlich entweder als Unternehmenskauf i. S. des Erwerbs der Gesamtheit der einzelnen Wirtschaftsgüter bestimmter Klinikunternehmen als asset deal oder durch die mehrheitliche Übernahme der Gesellschaftsanteile als share deal - zu erbringen ist, so wird deutlich, welches gesteigerte Anforderungsprofil der Markt an den Makler richtet. Mangels eines gesetzlichen Leitbildes für die Maklertätigkeit wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob der Makler ein Mittler oder ein Interessenvertreter ist. Noch ist es dem deutschen Recht (anders als ζ. B. im Recht der Niederlande) eigen, dass der Makler für beide Parteien tätig werden darf, es sei denn, er geriete hierdurch im Einzelfalle in einen unauflöslichen Interessenkonflikt (vgl. BGH; NZM 2003, 522). Nach wie vor lässt sich aber auch angesichts der gesteigerten Anforderungen des Marktes an professionelle Dienstleistung des Maklers die sich aus der gesetzlichen Systematik ergebenden Dreiecks-Stellung, in der der Makler als quasi neutraler Dritter zwischen den Parteien steht, ernsthaft in Frage stellen. Da Maklerleistung als kontinuierliche Beratungsleistung angesehen und nachgefragt wird, tritt zunehmend neben die erfolgsanhängige Komponente der Nachweis- und/oder Vermittlungsprovision die auch selbstständig und erfolgsunabhängig vereinbarungsfähige Vergütung für Leistungen, wie etwa die Erstellung eines Nutzungs- oder eines Vermarktungskonzepts, also Leistungen, die der Auftraggeber auch losgelöst und unabhängig von der konkreten Bedarfssituation zukünftig verwerten kann. Gerade für solche Leistungen wird zunehmend auch eine pauschale Vergütung vereinbart. Formen neuer Kommunikationswege und -mittel ändern das Leistungsbild des Maklers. Im Standardgeschäft läuft das in seinen Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpfte Internet der Tageszeitung zunehmend den Rang ab, weil differenzierte Suchvorgaben gemacht werden können und Cluster-Bildungen ermöglicht werden (vgl. Branchen Spe-

440

6 Die

Immobilienvermittlung

rial des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken und des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Bericht Nr. 90 - Nov. 2003). Auch hat die Maklerleistung einen erheblichen Wandel erfahren wegen des Bedarfs an Umstrukturierung gewerblicher Immobilien, die im Rahmen von Produktion und Verwaltung in vielen Unternehmen nicht mehr zu den ursprünglichen Zwecken benötigt werden. Flexible Nutzerwünsche und damit auch die Mobilität der Immobilie erfordern zusätzlich qualifizierte Maklerleistungen. Die Nutzerwünsche und Nutzerfragen werden meist wie folgt gestellt: •

Wo kann ich am besten mein Nutzungskonzept verwirklichen?



Wo ist das Verhältnis von Haupt- und Nebennutzflächen zu den sonstigen Flächen (ζ. B. anteilige Verkehrsflächen) für mich am günstigsten gelöst?



Wo ist die Entwicklung des Mietzinses über die gesamte Vertragslaufzeit für mich kalkulierbar?



Wo gibt es die Möglichkeit, später weitere Flächen hinzuzumieten?



Wo ist im Rahmen des Benchmarking der Nebenkostenanteil pro m 2 besonders günstig?



Wo amortisieren sich meine Investitionen im Verhältnis zur Dauer der Laufzeit des Mietvertrages am besten?



Wo erreiche ich die beste Netzoptimierung?



Wo habe ich die größte Kundennähe und wo erfasse ich am besten die Kundenströme?



Wo ist ein Gebäude, das in besonderer Weise die Corporate Identity meines Unternehmens widerspiegelt?



Wo sind Instandhaltung und Instandsetzung auf Bereiche begrenzt, die ich auch tatsächlich nutze?



Wo finde ich eine positive Infrastruktur (Gastronomie, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeitsport, Abstellplätze, Verkehrsanbindungen)?



Wo kommt der Mieter-Mix meinem Nutzungsinteresse entgegen?

6 Die Immobilienvermittlung

441

6.2 Die gesetzlichen Grundlagen des Maklerberufes 6.2.1

§ 34c Gewerbeordnung

Nach wie vor ist einzige Zulassungsvoraussetzung für die Ausübung des Gewerbes Immobilienmakler die Erlaubnis der zuständigen Behörde nach § 34 c Gewerbeordnung (GewO) in der Neufassung vom 22.02.1999, BGBl. I, S. 202. Überprüft wird, ob der Antragsteller zuverlässig ist und in geordneten Vermögensverhältnissen lebt. Allerdings enthält § 34 c GewO keinen Hinweis auf eine gesetzlich normierte Fachkenntnis als Zugangsvoraussetzung. Eine solche Normierung war ursprünglich vorgesehen, jedoch meinte der Wirtschaftsausschluss des Deutschen Bundestages seinerzeit, es müsse dem Gewerbe selbst überlassen bleiben, eigenverantwortlich dafür zu sorgen, dass die Berufsangehörigen die für die Gewerbeausübung erforderlichen Voraussetzungen mitbringen und sich darüber hinaus ständig fachlich weiterbilden. Auf europäischer Ebene sind allerdings im Jahre 2004 von der CEPI in Brüssel (Conseil européen des Professions immobilières) ein Ausbildungsumfang und eine Bestimmung der Ausbildungsinhalte für den Zugang zum Beruf des Immobilienmaklers verabschiedet worden. Die in den EU-Staaten organisierten Maklerverbände sind aufgefordert, diese Mindestanforderungen jeweils national umzusetzen. Die nach § 34 c GewO erteilte Erlaubnis kann widerrufen werden, wenn der Makler nicht (mehr) die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (vgl. zur gleichartigen Problematik des Entzugs der Gewerbeerlaubnis eines Immobilienverwalters BVerwG, NVwZ-RR 1995,197; J. Schmidt, Entzug der Gewerbeerlaubnis, Partner im Gespräch (PiG), Bd. 48 (1995), S. 221). 6.2.2

Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Nach dem überkommenden gesetzgeberischen Leitbild soll der Makler ein Gelegenheitsmakler sein (vgl. Mugdan II, S. 285, 286). Nur ausnahmsweise sollen ein Eigentümer oder Vermieter oder ein Kauf- oder Mietinteressent danach einen Makler benötigen. Deshalb fehlt es in den Vorschriften, die im BGB den Immobilienmakler betreffen, an der notwendigen Ausformimg des Berufsbildes und auch des Leistungsbildes des Maklers. Nur so ist zu verstehen, warum immer wieder neu die Frage behandelt wird, ob der Makler ein Mittler oder ein Interessenvertreter ist, und auch die Frage, ob der Makler als sog. Doppelmakler für beide Parteien tätig werden kann. Schließlich ist auch die Frage von erheblicher Bedeutimg, ob zukünftig ein Makler überhaupt ohne Zustimmung des Berechtigten (des Eigentümers, Vermieters oder Verpächters) dessen Objekt am Markt

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¡mmobilienvermittlung

platzieren darf. Noch gilt aber die sich aus der gesetzlichen Systematik ergebende Dreiecks-Stellung, in der der Makler als quasi neutraler Dritter zwischen den Parteien steht. Dass das nicht den Bedürfnissen der Praxis entspricht, liegt auf der Hand. RDM und VDM im IVD Immobilienverband Deutschland wollen darauf drängen, dass jedenfalls der Berechtigte von der Tätigkeit des Maklers wissen und diese auch wollen muss. Zunehmend tritt auch die Maklertätigkeit als rein erfolgsabhängige Tätigkeit, die auf den Abschluss eines Hauptvertrags gerichtet ist, zwar nicht in den Hintergrund, jedoch wächst die Bedeutung der mit Maklern vereinbarten Dienstleistungen in anderen Bereichen deutlich. Das gilt z. B. für laufend geschuldete Marktbeobachtungen ebenso wie etwa für die Organisation eines Umzugs des Nutzers und schließlich auch für die Anforderungen an die Marktfähigkeit der Gebäudesubstanz und -struktur selbst. Das Maklerrecht des BGH ist im Bereich des Immobilienmaklers in lediglich drei Paragrafen (§§ 652 bis 654 BGB) geregelt. Dieses Maklerrecht ist weitgehend dispositives Recht (in den Grenzen der Gesetzwidrigkeit und der Sittenwidrigkeit und insbesondere auch in den Grenzen der im BGB aufgegangenen Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den §§ 305 bis 310 BGB). Weil die gesetzlichen Vorschriften sich gerade mit den zentralen Fragen des Zustandekommens des Maklervertrags, der Maklerleistung und deren Ursächlichkeit für das Zustandekommen des Hauptvertrags, mit der Frage der Vereinbarung einer Maklerprovision durch konkludentes Handeln oder auch mit der Frage einer Verwirkung des Provisionsanspruches nur ganz unvollständig befassen, hat sich ein Richterrecht herausgebildet (etwa zur Doppelmaklertätigkeit: BGH, NZM 2003, 522; BGH, NJW 2002,1945; OLG Köln, NZM 2004, 266); das gilt z. B. auch für die Tätigkeit des Verwalters als Makler (vgl. BGH, NZM 2003, 284; BGH, NZM 2003,358). 6.2.3

Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV)

Die MaBV ist die Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler, Bauträger und Baubetreuer. Sie regelt, bezogen auf den Makler, dessen Buchführungspflicht (§§ 10, 11 MaBV), die Aufbewahrungspflichten für die Buchführungsunterlagen (§§ 10, 14 MaBV) und (§ 2 MaBV) die Pflicht zur Sicherheitsleistung - eine Regelung, die den Makler meist nicht berührt, weil er nur selten Vermögenswerte des Auftraggebers entgegen nimmt.

6 Die Immobilienvermittlung

6.2.4

443

Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung (WoVermittG)

Die Voraussetzungen, unter denen ein Vermittler von Wohnraum tätig werden darf, sind gesetzlich normiert. So muss ein Wohnungsvermittler einen Auftrag vom Vermieter oder einem anderen Berechtigten haben. Zeitungsanzeigen und Annoncen muss er seinen Namen und einen Hinweis auf die Vermittlungstätigkeit aufnehmen lassen. Die Geltendmachung einer Provision ist ihm nur in Höhe von maximal 2 Monatsmieten netto zzgl. Umsatzsteuer gestattet (§ 3 Abs. 2 WoVermittG). Verstöße gegen diese Grundsätze können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Auch Umgehungen werden verfolgt. So verliert ein Wohnungsvermittler seinen Provisionsanspruch nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WoVermittG auch dann, wenn nicht er selbst, sondern sein Gehilfe die vermittelte Wohnung verwaltet. Breiten Raum nimmt die Diskussion ein, wann die Tätigkeit als WEG-Verwalter für das Entstehen des Provisionsanspruches des Maklers von Bedeutung ist. In zwei grundsätzlichen Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof die bislang strenge Rechtsprechung aufgelockert: Zum einen liegt kein Fall einer provisionsschädlichen Verflechtung vor, wenn der Käufer einer Eigentumswohnung Kenntnis davon hat, dass der Wohnungseigentumsverwalter gem. § 12 WEG zu der Veräußerung seine Zustimmung zu erteilen hat. Hat der Käufer tatsächlich Kenntnis von der Verflechtung, so liegt ein wirksames selbstständiges Provisionsversprechen vor (vgl. BGH, NZM 2003, 284). Außerdem ist der Verwalter von Wohnungseigentum i. S. d. WEG (Gemeinschaftseigentum) nicht Verwalter von Wohnräumen i. S. d. WoVermG, wenn er einen Mietvertrag vermittelt (vgl. BGH, NZM 2003, 358). Damit ist ein langjähriger Streit entschieden (vgl. Löhlein, NZM 2000, 119; Windisch, NZM 2000, 478; J. Schmidt, Festschrift für Wolf-Dietrich Deckert (2002), 469 ff.). 6.2.5

Die Vorschriften über den Fernabsatz (§§ 312 b bis f BGB)

Ob die Vorschriften über den Fernabsatz auf Maklerverträge anzuwenden sind, hängt wohl in erster Linie davon ab, ob der entsprechende Maklervertrag ein sog. „einfacher" Maklervertrag ist oder ein Alleinauftrag. Bei ersterem sollen die Vorschriften für Fernabsatz nicht anwendbar sein, bei letzterem hingegen ja (vgl. Morath, NZM 2001, 883, 885; im Ergebnis so auch Neises, NZM 2000, 889, 890). In der Regel erbringen Makler ihre Dienstleistungen nicht ausschließlich unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln; ist dies aber doch der Fall, so ermöglichen es die Vorschriften über den Fernabsatz insbesondere, innerhalb angemessener Bedenkzeit den Maklervertrag zu widerrufen (§ 312 d Abs. 1 BGB). Vieles ist hier noch nicht abschließend geklärt, jedoch kann festgehalten werden, dass der Gesetzgeber sicherlich nicht beabsichtigt hat, dem Verbraucher die

444

6 Die

Immobilienvermittlung

Möglichkeit zu eröffnen, nach Abschluss des Maklervertrags erlangte Informationen ohne Risiko zu verwenden, nachdem er seine Willenserklärung widerrufen hat (vgl. J. Schmidt, Immobilienmakler, Heft 2/2000, Gruppe 2, S. 139,140).

6.3 Der Maklervertrag 6.3.1

Rechtsnatur des Maklervertrages

Der Maklervertrag ist ein Vertrag eigener Art. Beim gewöhnlichen Maklervertrag stehen sich zu keinem Zeitpunkt Hauptleistungspflichten in einem Gegenseitigkeitsverhältnis gegenüber (vgl. Palandt/Sprau, Vorbemerkung vor § 652 Rn.l). Das bedeutet, dass beim einfachen Maklervertrag - anders als beim Alleinauftrag - der Makler keine Leistung erbringen muss. Umgekehrt ist aber auch der Maklerkunde nicht verpflichtet, die Maklerleistung entgegen zu nehmen. Der Maklervertrag ist als erfolgsbedingter Vertrag strukturiert. Die Annahme der Leistung des Maklers ist Bedingimg für die Entstehung des Provisionsanspruches. Beim gewöhnlichen Maklervertrag handelt es sich daher um einen einseitigen, nur den Auftraggeber im Falle des erfolgreichen Nachweises oder erfolgreichen Vermittlung verpflichtenden Vertrag (vgl. Schwerdtner, Rn. 28). Ein Maklervertrag ist grundsätzlich nicht formbedürftig. Er kann in folgender Weise zustande kommen: •

ausdrücklich schriftlich



ausdrücklich mündlich



durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben



konkludent (§ 653 BGB)



durch Unterzeichnung eines Objektnachweises



durch Unterzeichnung einer Reservierungsvereinbarung)



im Internet via Mouse-Klick.

Ausnahmsweise ist auch ein Maklervertrag gem. § 311 b BGB beurkundungspflichtig, wenn sich entweder der Auftraggeber gegenüber dem Makler verpflichtet, an einem vom Makler vermittelten Interessenten zu verkaufen oder von einem vom Makler vermittelten Interessenten ein Grundstück zu erwerben. Das Schriftformerfordernis ist auch dann gegeben und zu beachten, wenn sich der Makler zur Leistung pauschalen Schadensersatzes für den Fall des NichtZustandekommens

6 Die Immobilienvermittlung

445

des Hauptvertrags versprechen lässt, weil hier tatsächlich eine erfolgsunabhängige Provision vereinbart werden soll. Jede Entgeltvereinbarung, die einen mittelbaren Zwang zum Grundstückserwerb oder zum Grundstücksverkauf enthält, bedarf aber der Schriftform des § 311 b BGB (so bereits zu § 313 a.F. BGB: BGH, NJW1980,1622). 6.3.2

Zustandekommen des Maklervertrages

Zunächst sind für das Zustandekommen des Maklervertrags die allgemeinen Regeln des BGH (§ 145 ff. BGB) maßgeblich. Es bedarf eines Angebots auf Abschluss eines Maklervertrags und einer Annahme des Angebots. Da der Maklervertrag i. d. R. gerade nicht durch Unterschrift beider Parteien auf einer Urkunde zustande kommt, finden sich im Maklerrecht in einem auffälligen Übergewicht zu anderen Rechtsgebieten zahlreiche Rechtsstreitigkeiten, die sich im Schwerpunkt mit dem Zustandekommen oder Nichtzustandekommen des Vertrags befassen. Insbesondere beim ersten telefonischen Kontakt ist von den Gesprächspartnern deshalb mit großer Sorgfalt darauf zu achten, ob in Kenntnis einer Provisionspflicht Informationen eingeholt bzw. Informationen nur deshalb erteilt werden, weil bereits die Verpflichtung zur Zahlung einer Provision für den Erfolgsfall abgegeben worden war (hierzu besonders instruktiv: OLG Koblenz, NZM 2004,146). 6.3.3

Der konkludent abgeschlossene Maklervertrag

Das Gesetz hat diesen Fall des Zustandekommens des Maklervertrags gesondert geregelt (§ 653 Abs. 1 BGB). Danach kommt ein Maklervertrag auch ohne ausdrückliche Provisionsvereinbarung zustande, wenn der Interessent dem Makler eine Leistung überträgt, die er nach den Umständen nur gegen eine Vergütung erwarten kann. Das ist in zwei Fällen insbesondere der Fall: Zum einen dann, wenn nach Kenntnis des Provisionsverlangens der Interessent den Makler auffordert bzw. bittet, ihm (weitere) Dienste zu erbringen (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 371; BGH, NJW 1986, 177). In einem solchen Fall kommt der Maklervertrag durch konkludentes, d. h. schlüssiges Verhalten zustande, weil der Maklerkunde nach Kenntnis des Provisionsverlangens dem Makler Leistungen abverlangt. Zunächst muss ein eindeutiges Provisionsverlangen vorliegen. Wendet sich ein Makler unaufgefordert mit „Angeboten" werbend im Geschäftsverkehr an einen potenziellen Kaufinteressenten, ohne dass er von diesem vorher angesprochen wurde, so kann zunächst der Interessent immer davon ausgehen, dass der Makler von der „anderen Seite" beauftragt wurde und von dieser auch provisioniert wird. Ist dies anders gewollt, so muss der Makler deutlich machen, von wem er eine Provisionszahlung für den Erfolgs-

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6 Die Immobilienvermiltlung

fall erwartet. Aus dem Verhalten des Kunden muss umgekehrt unmissverständlich klar werden: „Ich weiß, dass ich eine Provision zahlen muss, wenn der Hauptvertrag durch kausales Handeln des Maklers zustande kommt." Der Makler hat es in der Hand, die Vertragsgelegenheit erst nach Abgabe eines Provisionsversprechens zu benennen. Ein solches, die eigenen Interessen wahrendes Geschäftsgebaren ist dem Makler zuzumuten (vgl. BGH, NJW 1986, 177, 178; BGH, NJW 1972, 940). Dabei verkennt die Rechtsprechung nicht, dass der Makler ein Risiko eingeht, indem er womöglich vor Annahme des Vertragsangebots seitens des Interessenten Informationen preis gibt, die es dem Interessenten ermöglichen, „auf eigene Faust" zu recherchieren, insbesondere mit dem Berechtigten (Verkäufer/Vermieter) zu verhandeln und mit diesen sodann den Hauptvertrag abzuschließen - und zwar unter Umgehimg des Maklers. Schafft der Makler keine klaren Verhältnisse, so handelt er grundsätzlich auf eigenes Risiko (vgl. BGH, NZM 2002,171; Langemaack, NZM 2002/S. V). Eine Übertragung von Diensten i. S. d. § 653 BGB liegt bspw. vor, wenn der Kunde nach Kenntnis des Provisionsbegehrens - dem Makler ζ. B. folgende Dienste anträgt bzw. Leistungen überträgt: •

Einholung eines Grundbuchauszugs



Vereinbarung eines Besichtigungstermins



Einsicht in das Baulastenverzeichnis



Beschaffung eines Exemplars einer Stellplatzverordnung



Beschaffung einer Finanzierungsvermittlung



Übersendung eines Grundrisses



Erstellung eines Belegungsplans



Erstellung eines Umzugsplans.

Das OLG Frankfurt (vgl. OLG-Report Frankfurt 1993,141) hat deutliche Hinweise gegeben, wie die Parteien ihr Verhalten im Hinblick auf einen Vertragsabschluss einzurichten haben: •

Der Makler hat - spätestens im Exposé - klar herauszustellen, dass die Maklercourtage vom Interessenten, dem er das Exposé übersendet, zu zahlen sei.



Der Interessent muss, will er keinen Maklervertrag zustande bringen, jegliche Inanspruchnahme weiterer Dienste nach Erhalt des Exposés unterlassen.

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Mangels Angebots kommt kein Maklervertrag zustande, wenn der Interessent den Makler um ein Exposé bittet und nicht bereits vorher eine Provisionspflicht vereinbart wurde (vgl. OLG Koblenz, PUR 1993,65). Kein Maklervertrag kommt mangels Annahme eines Angebots zustande, wenn der Interessent ein Exposé entgegen nimmt, das erstmals eine Provisionspflicht aufzeigt, und er jetzt dem Makler keine weiteren Leistungen i. S. d. § 653 BGB überträgt. Übergibt der Makler ein Exposé mit einer Courtageforderung erst während der Besichtigimg eines Grundstücks und setzt der Interessent die Besichtigung fort, nimmt aber danach keine weiteren Leistungen des Maklers mehr entgegen, fehlt es an einer Annahme des Angebots des Maklers (vgl. BGH, NJW-RR1991,371; BGH, NJW1986,177). Verwickelt der Makler den potenziellen Kunden in ein Gespräch und erkundigt er sich dabei nach den Kalkulations- und Preisvorstellungen des Kunden, und gibt er in diesem Zusammenhang weitere Einzelheiten bekannt, die den potenziellen Kunden in die Lage versetzen, jetzt selbst zu verhandeln und einen Abschluss zu erwirken, so erwirbt der Makler mangels ausdrücklicher Provisionsvereinbarung keinen Provisionsanspruch (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2000, Immobilienmakler, Gruppe 2/S. 140, mit Anmerkimg J. Schmidt). 6.3.4

Voraussetzungen für die Entstehung eines Provisionsanspruchs

4 Tatbestandsmerkmale sind für das Entstehen eines Provisionsanspraches erforderlich: •

das Zustandekommen eines Maklervertrags



die Tätigkeit des Maklers (Nachweis und Vermittlung)



das Zustandekommen eines Hauptvertrags



die Ursächlichkeit der Maklertätigkeit.

Folgende Grundüberlegungen sind bezüglich der Entstehung des Provisionsanspruches in jedem Falle anzustellen: •

Der Berechtigte (Eigentümer/Vermieter) muss nicht mit dem Abschluss des Maklervertrags zwischen Makler und Maklerkunden einverstanden sein, es reicht seine grundsätzliche Bereitschaft zum Abschluss eines Hauptvertrags.



Der wirksame Nachweis einer Vertragsgelegenheit setzt keinen endgültigen Verkaufsentschluss voraus, vielmehr ist es ausreichend, wenn die vom Makler zusammengeführten Parteien tatsächlich verhandlungswillig und grundsätzlich zum Vertragsschluss bereit sind (vgl. BGH, NZM 2005,346).

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6 Die

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Gesetzgeberisches Leitbild des Immobilienmaklers ist sein Tätigwerden. Dabei werden vom Gesetzgeber die Nachweis- und die Vermittlungstätigkeit als gleichwertig angesehen (während die Praxis meist gewichtet und neben der Nachweistätigkeit noch zusätzlich eine Vermittlungstätigkeit für das Entstehen des Provisionsanspruchs verlangt).



Erfolgsunabhängige Provisionsversprechen entsprechen nicht dem gesetzlichen Leitbild und sind nur kraft Individualvereinbarung zulässig.



Der Provisionsanspruch hängt grundsätzlich nicht von der Durchführung des Hauptvertrages ab, sondern nur von seinem Zustandekommen. Fehlende Aussagen zum Schicksal des Provisionsanspruches bei Auftreten von Vertragsdurchführungshindernissen schaffen oft Streitpotenzial.



Je enger Maklertätigkeit und Erfolg zeiüich zusammen liege, desto mehr spricht für eine Ursächlichkeit. Aber auch größere Zeitabstände schaffen nicht eine „Automatik" eines Abbruchs der Kausalkette. Der Abbruch des Kausalzusammenhangs zählt zu den diffizilsten Themen im Maklerrecht.



Das Einschalten eines weiteren Maklers schafft die Kausalbeiträge früherer eingeschalteter Makler nicht aus der Welt. Es können mehrere Makler - jeder für sich mitursächlich sein.



Eine Identität des zustande gekommenen mit dem beabsichtigten Hauptvertrag ist nicht erforderlich. Es reicht eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit. Unterschiede im Preis ergeben sich in aller Regel aus Zeitabläufen und Marktentwicklungen und schaffen keinen Beweis für eine fehlende Identität.



Alle 4 Tatbestandsmerkmale für das Entstehen eines Provisionsanspruchs (Zustandekommen eines Maklervertrags, Tätigkeit des Maklers, Zustandekommen eines Hauptvertrags und Ursächlichkeit der Maklertätigkeit) können durch eine Maklerklausel im späteren Hauptvertrag (Mietvertrag, Kaufvertrag) ersetzt werden, wenn die Klausel dem Makler einen selbstständigen Anspruch im Sinne eines Vertrages zu Gunsten Dritter gem. § 328 BGB auf Provisionszahlung gibt.

6.3.5

Maklerklausel im Hauptvertrag

Ausnahmsweise können die Vertragspartner im Hauptvertrag (Vermieter und Mieter, Verkäufer und Käufer) den Makler als Dritten als Inhaber von Rechten aufführen und vereinbaren, dass dem Makler ein immittelbarer Anspruch auf Zahlung einer Provision eingeräumt werden soll. Ist ein solcher Vertrag als echter Vertrag zu Gunsten eines Drit-

6 Die Immobilienvermittlung

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ten, des Maklers, gem. § 328 BGB abgefasst, so beendet er die Diskussion um das Zustandekommen des Maklervertrages, die Maklertätigkeit, die Ursächlichkeit und die Person des Provisionspflichtigen. Nicht beendet ist die Diskussion um die Verwirkung des Provisionsanspruchs gem. § 654 BGB wegen etwa nachträglich bekannt gewordenen Fehlverhaltens des Maklers und auch nicht die Diskussion um die Fehlerhaftigkeit des Hauptvertrages. Hintergründe und Motive für die Aufnahme solcher Klauseln in den Hauptvertrag können ganz unterschiedliche sein: Häufig will sich der Makler trotz eines bereits geschlossenen Maklervertrages zusätzlich sichern (vgl. Zopfs, RWS-Skript 181, Rdnr. 10). Oft wünscht der Makler auch, dass etwa der notariell beurkundete Kaufvertrag eine Unterwerfung des Käufers unter die sofortige Zwangsvollstreckung vorsieht, soweit es um die Maklerprovision geht. Zu diesem Zwecke wird dann vereinbart, dass dem Makler eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde zu erteilen ist (vgl. v. Gerkan, NJW1982,1742). An einem echten Vertrag zu Gunsten Dritter wirken also drei Personen mit, nämlich neben den Parteien des Hauptvertrages auch der Makler. Der Makler wird aber nicht Vertragsbeteiligter (er kann nicht wandeln, nicht vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen). Sein Anspruch auf Maklerprovision beruht nicht auf irgendeinem anderen Schuldverhältnis, sondern alleine auf dem Vertrag zu Gunsten eines Dritten. Entscheidend ist, dass der Käufer beim echten Vertrag zu Gunsten Dritter auch für den Fall, dass der Makler ihm keine Leistung erbracht hat, wegen eines von einer echten Maklerleistung unabhängigen Schuldgrundes die Provision zu zahlen hat. Entscheidend sind immer der Einzelfall und das Ergebnis der hierzu erforderlichen Auslegung der entsprechenden Klausel (vgl. BGH, DNotZ 1992,411,412). Der entscheidende Vorteil einer Provisionsklausel in Form eines echten Vertrages zu Gunsten Dritter i. S. d. § 328 Abs. 1 BGB ist aus der Sicht des Maklers die Tatsache, dass der danach zur Zahlung der Provision Verpflichtete mit Einwänden aus dem Maklerrecht nicht mehr gehört werden kann. Dabei begründet die bloße Überbürdung der Zahlungsverpflichtung auf denjenigen, mit dem gar kein Maklervertrag bestand, keinen Verwirkungstatbestand des § 654 BGB (vgl. OLG Hamm, PuR 1995,563,564). Allerdings erhöht die Existenz einer Maklerklausel die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer und die Notargebühren. Wie im Einzelnen die Maklerklausel im Hauptvertrag formuliert wird, bedarf der eingehenden Erörterung auch und gerade mit dem beurkundenden Notar. Eine Klausel „Die

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6 Die

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Käufer tragen auch die Provision des beauftragten Maklers in der vereinbarten Höhe von 6,9 % .... Die Provision ist fällig und zahlbar zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Kaufpreises." wurde von der Rechtsprechung als unklar i. S. v. § 305c Abs. 2 BGB angesehen und für unwirksam erklärt (vgl. Kammergericht, NZM 2001, 897). Auch soll die Klausel als Überraschungsklausel unwirksam sein (weil sie in einem Abschnitt enthalten war, der die Überschrift „Kosten" trug). Die richtige notarielle Vertragsgestaltung bei Maklerklauseln ist also von elementarer Bedeutung (vgl. Bethge, NZM 2002,193). Eine Maklerklausel kann etwa lauten: „Dieser Vertrag kommt durch Nachweis und Vermittlung der Fa. X zustande. Der Käufer ist verpflichtet, das an die Fa. X zu zahlende und fällige Maklerhonorar in Höhe von €

ein-

schließlich MiuSt. an diese zu zahlen. Diese Verpflichtung gegenüber dem vorbenannten Dritten übernimmt der Käufer hiermit ausdrücklich auch gegenüber dem Verkäufer in der Weise, dass die Fa. X als Dritter unmittelbar berechtigt ist, die Leistung vom Erwerber zu fordern. Auf Antrag ist der Fa. X eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen." 6.3.6

Beendigung des Maklervertrags

Da das Gesetz keine Regelung über die Kündigung des Maklervertrags enthält, gelten die allgemeinen Regeln. Mangels einer ausdrücklichen Befristung des Vertrages ist der Maklervertrag jederzeit kündbar. Üblicherweise werden aber Dauer und Kündigung ausdrücklich geregelt. Wird über das Vermögen des Auftraggebers das Insolvenzverfahren eröffnet, so endet der Maklervertrag (§ 116,115 Abs. 1 InsO). Die Eröffnung über das Vermögen des Maklers gibt hingegen dem Auftraggeber nicht das Recht der Beendigung des Maklervertrags, auch nicht in Form einer außerordentlichen Kündigung. Oft werden Maklerverträge vorzeitig gekündigt, weil der Auftraggeber irrtümlich meint, ein Provisionsanspruch könne vom Makler nur dann geltend gemacht werden, wenn der von ihm vermittelte Hauptvertrag auch während der Dauer des Maklervertrages abgeschlossen wird. Das ist falsch, denn das kausale Handeln des Maklers lässt den Provisionsanspruch grundsätzlich unberührt. Es empfiehlt sich deshalb, besonders bei Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages, auch mit zu regeln, ob und ggf. für welchen Zeitraum zwischen Beendigimg des Maklervertrages und Abschluss des Hauptvertrages, den der Makler kausal herbeigeführt hat, noch Provisionsansprüche bestehen sollen. Dieser Zeitraum kann gestaffelt werden. Fehlt es an solchen Regelungen, so kann nur nach den Grundsätzen der Unterbrechung es Kausalzusammenhangs das Entstehen eines Provisionsanspruchs zu verneinen sein. Umgekehrt ist für das Bejahen eines solchen

6 Die Immobilienvermittlung

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Provisionsanspruchs i. S. d. Kausalität lediglich zu verlangen, dass die Maklertätigkeit noch in einem Zeitraum erbracht wurde, als der Maklervertrag bestand und auf den Abschluss des Hauptvertrages hin jedenfalls mitursächlich war.

6.4 Die Maklertätigkeit 6.4.1

Inhalt des Maklervertrages

Der Inhalt des Maklervertrages legt fest, ob der Makler als Nachweismakler und/oder als Vermittlungsmakler tätig sein soll. Nach der gesetzlichen Regelung (§ 652 Abs. 1 Satz 1 BGB) hat der Makler Anspruch auf eine Maklerprovision, wenn er entweder die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertragsnachweis oder einen Vertrag vermittelt, und wenn dieser vermittelte Vertrag sodann infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Maklers zustande kommt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind beide Tätigkeiten als gleichwertig anzusehen. Der Markt dagegen bewertet aufgrund der zunehmenden Transparenz der Angebote häufig die Vermittlung des Vertrages höher und die Vertragspraxis formuliert daher oft kumulativ. Die Abgrenzung der Nachweis- von der Vermittlungstätigkeit führt gelegentlich zu Problemen und Verwirrungen. Vermittlungsprovision umfasst nämlich auch den Anspruch für eine Nachweistätigkeit. Das gilt jedenfalls für Neubauwohnungen, denn dort ist die Vermittlung im engeren Sinne, also das finale Herbeiführen der Abschlussbereitschaft des Vertragspartners, die Ausnahme und nicht die Regel. Unter „Vermittlung" ist daher jede Tätigkeit in einem solchen Falle zu verstehen, durch die die bis dahin nicht oder nicht mehr gegebene Kontaktmöglichkeit eröffnet oder wieder aufgeschlossen oder gefördert wird. Der Begriff der Vermittlung umfasst damit vermittelnde Tätigkeiten i. w. S. (vgl. OLG München, Urt.v. 05.04.1995, Immobilienmakler, Gruppe 2/S. 6). 6.4.2

Tätigkeit des Nachweismaklers

Die Tätigkeit des Nachweismaklers ist der Erstnachweis oder der entscheidende Anstoß, der zu der Gelegenheit zum Abschluss des Vertrages führt. Dieser Nachweis ist auch erfüllbar, wenn zu der Nachweistätigkeit die Vermittlungstätigkeit eines anderen Maklers tritt. Denn eine erfolgreiche Nachweistätigkeit ist auch bei Aktivität mehrerer Makler möglich, weil diese unterschiedliche Kausalbeiträge leisten können. Eine zeitliche Nähe zwischen der Tätigkeit des Maklers und dem Vertragsabschluss spricht für die Vermutung, dass diese Tätigkeit kausal war. Beweispflichtig für das Gegenteil ist der Maklerkunde.

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6 Die

Immobilienvermittlung

Ein verbreiteter Irrtum ist die Annahme, der Nachweismakler habe Anspruch auf einen Maklerlohn, wenn er dem Kunden ein Objekt nachweise. Vielmehr ist die nach § 652 BGB dem Nachweismakler obliegende Leistimg der „Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags" (des sog. Hauptvertrags). Damit ist eine Mitteilung des Maklers an seinen Kunden gemeint, durch die dieser in die Lage versetzt wird, in konkrete Verhandlungen über den von ihm angestrebten Hauptvertrag einzutreten (vgl. BGH, NJW-RR1996,113; BGH, NZM 2005,346,347). Der Nachweis ist erfüllt, wenn der Makler dem Auftraggeber Kenntnisse übermittelt, die jenen in die Lage versetzen, die Verhandlungen mit dem Ziel des Vertragsabschlusses selbst zu führen. Dazu gehört auch die Nennung des Namens des Veräußerers bzw. des Berechtigten (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1998, 778). Es sind also gefordert die eindeutige Bezeichnung des Objekts und Eckdaten zum Vertrag sowie konkrete Angaben zu der Person, die zu substanziellen Verhandlungen über den Vertragsabschluss berechtigt ist. Das ist der zur Verfügung über das Objekt Berechtigte, also i. d. R. der Eigentümer (vgl. BGH, NJW-RR 1996,113; BGH, NZM 2005, 346, 347). Entscheidend sind für den Vertragsabschluss nur wesentliche Informationen (vgl. OLG Dresden, NJW-RR 1998, 411). Der Makler muss nicht selbst die Verhandlungen führen. Er muss sie lediglich ermöglichen. Das ist aber eben nur dann möglich, wenn auch der potenzielle Vertragspartner mit Name und Anschrift benannt wird (vgl. BGH, NJW-RR 1997, 506; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 349; LG Düsseldorf, Urt. v. 09.05.2001, Immobilienmakler Gruppe 2/S. 200). Sehr oft versucht der Makler, seinen Provisionsanspruch dadurch zu sichern, dass er diese notwendigen Angaben zurückhält. Er will verhindern, dass sich der Kunde „an ihm vorbei" oder „über ihn hinweg" direkt mit dem Berechtigten in Verbindung setzt. In solchen Fällen ist der Nachweis nicht erbracht, jedenfalls dann nicht, wenn es dem Auftraggeber gerade auch auf die Nennung des Namens des Verkäufers/Vermieters oder des Berechtigten ankam (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1986,352). In diesem Zusammenhang ist nun aber wichtig, dass auch der Kunde zum Ausdruck bringt, dass es ihm auf diese Kontaktaufnahmemöglichkeit ankommt. Denn häufig reicht ihm die Aktivität des Maklers. Dann ist ein stiller Vorbehalt des Kunden nicht ausreichend. Er muss dem Makler deutlich machen, dass er selbst und direkt mit dem Berechtigten in Kontakt treten und verhandeln will. Lehnt dies der Makler ab und ist es dem Kunden erst aufgrund einer Recherche möglich, selbst Name und Anschrift des Berechtigten zu erlangen, so ist eine ausreichende Nachweistätigkeit nicht erbracht (vgl. OLG Oldenburg, NJW-RR 1997,887. Das Zurückhalten des Namens des Berechtigten ist also „kein Faustpfand", das der Makler ohne Gefahr für den Verlust des Provisionsanspruches in der Hand behalten kann.

6 Die Immobilienvermittlung

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Ein solches Verhalten ist vielmehr provisionsfeindlich. Es ist alleine Sache des Maklers, die Leistung zu erbringen, für die er Provision begehrt. Eine stillschweigende Bereitschaft zur Benennung des Berechtigten reicht nicht aus, um die Maklerleistung zu erbringen (vgl. Kammergericht, MDR 2000,23). Weiterhin ist es Bestandteil des Nachweises einer Gelegenheit zum Abschluss des Vertrages, dass der nachgewiesene Abschlussberechtigte im Nachweiszeitpunkt auch vertragsbereit ist (vgl. BGH, NJW 1999,1255); eine generelle Vertragsbereitschaft reicht allerdings aus, es muss also noch kein endgültiger Verkaufsentschluss vorliegen (vgl. Bethge, InfoM 2/05,100). Es ist nicht ungefährlich, sich auf den Standpunkt zu stellen, die Feststellung von Name und Anschrift des Berechtigten sei ja ohne großen Aufwand möglich gewesen. Zu einer solchen Recherche ist der Kunde nicht verpflichtet. Muss der Kunde sich erst über einen Dritten und den Kontakt zu diesem in die Möglichkeit versetzen, mit einem Eigentümer/Berechtigten Kontakt aufzunehmen, um die Vertragsverhandlungen zu führen, ist ihm dieser Kontakt nicht durch den Makler ermöglicht worden, so hat der Makler keine provisionsauslösende Leistung i. S. v. § 652 BGB erbracht (vgl. OLG München, PuR 1994, 66). Grundsätzlich zeigt zwar die Rechtsprechung Verständnis dafür, dass der Nachweismakler zunächst die vollständige Namhaftmachung bewusst vermeiden möchte, um seine Hinzuziehung zu weiteren Verhandlungen zu erreichen. Genau hierauf hat aber der Makler keinen Anspruch, denn ein solches Verhalten nimmt dem Kunden die Möglichkeit zu eigenen Verhandlungen mit dem potenziellen Hauptvertragspartner. Keine Hilfe sind für den Makler in Allgemeinen Geschäftsbeziehungen etwa vereinbarte Rückfrage-, Verweisungs- und Hinzuziehungsklauseln, kraft derer der Kunde verpflichtet ist, den Makler zu involvieren, denn solche Klauseln sind unwirksam (vgl. BGH, NJW 1971,1133; BGH, NJW 1973,1194) und sie würden zudem eine wesentliche Maklerleistung dem Kunden überbürden. 6.4.3

Tätigkeit des Vermittlungsmaklers

Im Gegensatz zum Nachweismakler hat der Auftragnehmer bei vereinbarter Vermittlungstätigkeit nicht die Vertragsgelegenheit nachzuweisen und auch nicht den entscheidenden Anstoß hierzu zu leisten. Er hat vielmehr den Abschluss des späteren Hauptvertrages zu fördern. Dabei hat er zwischen Interessenten der Parteien zu vermitteln, selbst Nachforschungen anzustellen und Unterlagen und Belege zu beschaffen, die für die Herbeiführung des Vertragsabschlusses förderlich sind. Er muss mit beiden Parteien

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verhandeln, es ist also weder notwendig noch ausreichend, dass der Makler (nur) seinem Auftraggeber mit Rat und Tat zur Seite steht. Allerdings ist eine Verhandlung mit beiden Seiten gleichzeitig entbehrlich. Zwischen einer (notwendigen) Einwirkung auf beide Parteien und der Einhaltung der Verpflichtung des Vermittlungsmaklers, neutraler Mittler zwischen den Parteien zu sein, ist ein schmaler Grad. Der Vermittlungsmakler hat alles zu unterlassen, was diese Neutralität gefährdet, will er nicht seinen Provisionsanspruch gem. § 654 BGB verwirken. Die Anforderungen der Rechtsprechung sind streng. Der Vermittlungsmakler darf auf der einen Seite nicht nur Bote sein. Er muss andererseits ausgewogen von seinen Vorstellungen, gerichtet auf den Abschluss des Hauptvertrages, beiden Parteien berichten. Man wird das Vermitteln so definieren können: Vermitteln ist die bewusste, finale Herbeiführung der Abschlussbereitschaft des Vertragspartners des künftigen Hauptvertrages (vgl. BGH, NJW-RR1997,884). Der Einwand der Vorkenntnis kann dem Vermittlungsmakler nicht entgegen gesetzt werden (anders als beim Nachweismakler). Deshalb kann auch der Dritte dem Maklerkunden bereits als potenzieller Vertragspartner bekannt sein (vgl. MünchKomm BGB/Roth, § 652 Rdnr. 108 m. w. N.). Sehr häufig wird dem seine Maklerlohn-Rechnung präsentierenden Vermittlungsmakler entgegen gehalten, es sei zwar ein Hauptvertrag zustande gekommen, jedoch habe der Makler beispielsweise das Objekt am Markt falsch platziert oder ohne Absprache die Möglichkeit eines Verhandlungsspielraums eingeräumt, der nicht hätte gewährt werden dürfen. Von diesem Handeln des Maklers habe man sich auf Seiten des Auftraggebers während der Vertragsverhandlungen gezwungenermaßen dann leiten lassen müssen. Um solche Einwände, die - wenn sie zutreffen - zum Einwand der Verwirkung der Provisionsforderung führen können (§ 654 BGB), wird der Vermittlungsmakler zusammen mit dem Auftraggeber Zuständigkeit und Aufgaben definieren und eingrenzen und jedenfalls bei größeren Projekten - Änderungen der Vorgehensweise in regelmäßigen Besprechungen („Jour Fixe") vereinbaren und in Protokollen dokumentieren.

6.5 AGB-Klauseln in Maklerverträgen 6.5.1

Abgrenzung Allgemeine Geschäftsbedingung zur Individualvereinbarung

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (der Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt (§ 305 Abs. 2 BGB). In wie viel Verträgen dann tat-

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sächlich die Klausel Anwendung gefunden hat, ist nicht maßgeblich, sie muss lediglich für eine Vielzahl vorgesehen sein bzw. üblicherweise so verwendet werden. Eine vorformulierte Vertragsbedingung ist keine Allgemeine Geschäftsbedingung, wenn sie zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt wurde. Dann ist sie eine Individualvereinbarung und unterliegt nicht der Inhaltskontrolle (§ 305 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ausgehandelt wiederum ist sie, wenn sie zur Disposition gestellt wurde, also der Verwendungsgegner Änderungs- bzw. Einflussmöglichkeiten hatte. Entscheidend ist nicht, ob etwa eine Verhandlung über die Bestimmung ausführlich war, vielmehr ist maßgeblich, ob die Bestimmung wegverhandelbar war. Es muss bei den Vertragsverhandlungen die Möglichkeit des Gebens und Nehmens bestanden haben, also eine Gestaltungsmöglichkeit vorhanden gewesen sein (vgl. OLG Köln, DWW 2001, 302,303). Die äußere Form ist nicht maßgeblich. Weder Textbausteine im Programm noch auswendig gelernte Formulierungen helfen für die Annahme, es handele sich um eine Individualvereinbarung. Auch das Auslassen im Text mit der Möglichkeit, dort handschriftliche Ergänzungen vorzunehmen, macht eine Klausel noch nicht zu einer Individualvereinbarung. Hierzu bestimmt § 305 Abs. 1 Satz 2, dass es gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Eine vorformulierte Aushandelsbestätigung, wonach sämtliche Klauseln eines Vertrags angeblich zur Disposition gestanden haben sollen und Individualvereinbarungen darstellen, ist unzulässig. Sie stellt selbst unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. v. § 307 Abs. 2 BGB dar (vgl. BGH, NJW1987,1634). Eine Besonderheit stellt die sog. Tarifwahl dar. Stellt der Verwender einer Klausel alternative Regelungen zur Wahl, wonach der andere Vertragsteil unter verschiedenen Konstellationen zu verschiedenen Preisen eine Leistimg erhalten kann, und wählt er eine von mehreren Varianten, so ist diese Wahl der Inhaltskontrolle entzogen und die Klausel als Individualklausel in den Grenzen der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) zulässig und wirksam. Denn es steht einem Aushandeln nicht entgegen, wenn Angebotsalternativen mit einem erhöhten Entgelt verbunden sind (vgl. BGH, NJW 2003,1303; Graf von Westphalen, NJW 2003,1635).

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6.5.2

Inhaltskontrolle

Zunächst sind Allgemeine Geschäftsbedingungen eine Erleichterung im Geschäftsverkehr und daher, was ihre Wirksamkeit betrifft, neutral. Im Wege einer Inhaltskontrolle wird aber jeweils geprüft, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingimg den Vertragspartnern des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satzl BGB). Eine solche unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 BGB). Das Richterrecht hat zahlreiche Allgemeine Geschäftsbedingungen in Maklerverträgen für unwirksam erklärt, so ζ. B.: •

Die Verpflichtung zur Zahlung einer erfolgsunabhängigen Provision (vgl. BGH, NJW 1985, 2477);



eine Vertragsstrafe oder pauschalierten Schadensersatz in Höhe der Provision (vgl. BGH, NJW 1968,149);



Klauseln, die den Einwand der Vorkenntnis abschneiden, wenn nicht der Einwand binnen bestimmter Frist erhoben wird (vgl. BGH, NJW 1976,2345,2346);



Klauseln die den Maklerkunden verpflichten, Interessenten an den Makler zu verweisen bzw. den Makler zu Verhandlungen hinzuzuziehen (vgl. BGH, NJW 1973, 1149);



Klauseln, die Folgegeschäften (ζ. B. Kauf nach Miete) einer Provisionsverpflichtung unterwerfen, auch wenn der Makler am Folgegeschäft nicht mitgewirkt hat (vgl. BGH, NJW 1973,990);



die Verpflichtimg zur Entrichtung einer Maklerprovision auch bei Erwerb aus der Zwangsversteigerung (vgl. BGH, NJW-RR1993,504);



die Verpflichtung zur Zahlung einer Maklerprovision bereits für den Abschluss eines Vorvertrags (vgl. BGH, NJW 2003,1303; Graf von Westphalen, NJW 2003,1635).

Eine Inhaltskontrolle kann andererseits auch ergeben, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen deshalb unwirksam sind, weil die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 207 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese durch die Schuldrechtsreform aufgenommene Bestimmung enthält ein jetzt auch gesetzlich verankertes Transparenzgebot (vgl. Borzutzki-Pasing, NZM 2004,161,162).

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Ein Verstoß gegen wesentliche Vertragspflichten kann auch darauf beruhen, dass der Verwender seine Haftung für Fälle leichter Fahrlässigkeit auch bei Verletzung von Kardinalpflichten ausschließen oder begrenzen will. Der BGH (vgl. NZM 2002, 116) überprüft einen derartigen Pflichtenverstoß danach, ob der Haftungsausschluss zu einer Aushöhlung derjenigen vertraglichen Pflichten führt, die die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags erst ermöglichen und auf deren Erfüllung der Vertragspartner des Verwenders deshalb vertraut und vertrauen darf. 6.5.3

Nachweis über das Zustandekommen einer Individualvereinbarung

Meist lässt die Endfassung eines Vertrags (Reinschrift) nicht mehr erkennen, wie sie zustande gekommen ist und insbesondere auch nicht, ob sie der ursprünglich in die Vertragsverhandlungen eingebrachten Klausel noch entspricht. Die Vertragsparteien sollten deshalb die Vertragsentwürfe aufbewahren, sie mit Speicherdaten versehen und nicht überschreiben. Hilfreich sind auch Begleitschreiben, die zu erläutern vermögen, warum eine bestimmte Klausel zur Disposition stand, und warum sie möglicherweise gehalten wurde im Hinblick auf ein Entgegenkommen gegenüber dem Vertragspartner in einem anderen Bereich. Nicht zulässig ist es, in das Anschreiben alle Allgemeinen Geschäftsbedingungen „einfach" noch einmal aufzunehmen. Es muss anhand der Gewichtung im Schreiben deutlich werden, worauf es dem Makler ankommt. 6.5.4

Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB

Unwirksame Bestandteile einer Allgemeinen Geschäftsbedingung machen die gesamte Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam. Es ist nicht zulässig, die Klausel in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil aufzuspalten, um den vermeintlich wirksamen Teil zu erhalten. Insoweit gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (vgl. BGH, NJW 2000,1110,1113). Anders ist es, wenn mehrere selbstständige Regelungen lediglich räumlich zusammengefasst sind. Kann eine unwirksame Regelung gestrichen werden, ohne dass die weitere Regelung hiervon tangiert ist, in sich verständlich bleibt, und insbesondere ohne, dass sonstige Veränderungen inhaltlich oder auch redaktionell vorgenommen werden müssen, so bleibt die wirksame Regelung bestehen; dies ist der sog. blue-pencil-test (vgl. Palandt/Heinrichs, Vorbemerkung vor § 307 Rn. 11). Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit kann nicht durch die Anwendung von sog. „Salvatorischen Klauseln" verhindert werden. Solche Klauseln werden oft dahingehend formuliert, dass an die Stelle der unwirksamen Regelung eine solche treten soll, die dem Ge-

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wollten am nächsten kommt, und die die Parteien vereinbart hätten, wenn sie gewusst hätten, dass die getroffene Regelung unwirksam ist. Eine so formulierte Salvatorische Klausel ist ihrerseits unwirksam, weil sie gerade einen Verstoß gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion enthält. Denn an die Stelle der unwirksamen Regelung muss das Gesetz treten und nur dann, wenn das Gesetz keine Regelung enthält, können die Parteien sich verpflichten, eine solche Regelung zu treffen, die dem Gewollten am nächsten kommt.

6.6 Sonderformen der Maklertätigkeit 6.6.1

Der Maklersuchauftrag

Tritt ein Kunde an den Makler heran und beauftragt ihn, für ihn ein geeignetes Objekt mit einem bestimmten Anforderungsprofil zu suchen, so kommt ein sog. Maklersuchauftrag zustande, wenn uns sobald sich der Makler daraufhin Namen und Anschrift des Kunden in seinen Unterlagen notiert und erklärt, er wolle nun suchen. Hierzu ist es aber erforderlich, dass der Interessent den Makler bittet, für ihn nach außen hin auch suchend tätig zu werden. Daran soll es fehlen, wenn der Makler (nur) Objekte aus seinem „Bestand" nachweisen soll (vgl. OLG Hamm, NJW-RR1994,1540; hierzu kritisch: Dehner, Die Entwicklung des Maklerrechts seit 1994, NJW 1997, 18,19; wie OLG Hamm auch: Saarländisches OLG vom 22.04.2004, Immobilienmakler 2/2005, 8). Worin liegt der Unterschied? Soll der Makler aus einem Bestand Objekte benennen, so geht der Interessent gerade nicht davon aus, dass der Makler für ihn gegen Entgelt tätig wird. Er erwartet vielmehr (so das OLG Hamm), dass der Makler bereits im Auftrag eines Dritten tätig ist. Wer einen Makler beauftragt, für ihn ständig geeignete Objekte zu suchen, verpflichtet sich, dem Makler die ortsübliche Maklerprovision auch dann zu zahlen, wenn diese nicht ausdrücklich diskutiert worden ist. Denn derjenige, der sich von sich aus an einen Makler wendet, kann nicht davon ausgehen, dass dieser für ihn kostenlos arbeiten will. Wer in einer bestimmen Gegend ein Objekt sucht und hierzu einen Makler beauftragt, kann nicht davon ausgehen, dass der Makler für einen Verkäufer handelt (vgl. OLG Koblenz, PUR 1997,57). Ein Maklervertrag kommt aber nicht dadurch zustande, dass der Makler von einem Bedarf eines anderen an bestimmten Objekten weiß und diesem ständig unaufgefordert Objektangaben/Exposés übersendet. Die Übersendung selbst stellt noch keinen Maklervertrag dar. Es kann sich allerhöchstens um ein Angebot auf Abschluss eines Maklervertrags handeln, wenn sich in der Objektbeschreibung/ dem Exposé ein unmissverständliches Provisionsbegehren, gerichtet an den Adressaten, befindet. Übersendet ein Makler

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andererseits ständig unaufgefordert Listen mit Objekten, von denen er meint, dass sie für eine bestimmte Person oder ein bestimmtes Unternehmen geeignet sein könnten, hat er keinen Anspruch auf Maklerprovision, wenn sich der Empfänger der Information diese zunutze macht und anschließend ohne Mitwirkung des Maklers einen Hauptvertrag abschließt. Schwierig ist die Abgrenzung dann, wenn es zwischen dem Makler und einem potenziellen Interessenten bereits früher eine Zusammenarbeit, womöglich über vergleichbare Objekte, gab und der Zeitraum seit der letzten Geschäftsbeziehung, die provisionsauslösend war, noch angemessen ist („ständige Suche"). Fehlt es dann an einer Erklärung des Marktteilnehmers gegenüber dem Makler, er solle nicht oder nicht mehr suchen bzw. in diesem konkreten Falle nicht suchen, so kann und wird der Makler aus der nahe zurückliegenden Geschäftsbeziehimg herleiten, er suche „weiter", also „das nächste Objekt". In einem solchen Falle ist eine unmissverständliche Äußerung über das Versprechen einer Provision für den Erfolgsfall oder gerade über die Nichtanerkennung einer provisionspflichtigen Tätigkeit erforderlich, um Streit zu vermeiden. Manche Marktteilnehmer erklären ausdrücklich und schriftlich (auch in Anzeigen), dass sie ihr Provisionsversprechen nur ausdrücklich in einem schriftlich abgeschlossenen Maklervertrag abgeben. Eine solche Anzeige lautet etwa: „Wir sind ein Unternehmen, das sich weltweit mit... befasst. Wir suchen ständig Produktionshallen, die folgendes Anforderungsprofil erfüllen sollten... Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir wegen der Vielzahl der uns laufend zugehenden Informationen verbindliche Regelungen über Courtage auslösende Tätigkeiten ausschließlich durch schriftliche Vereinbarungen treffen können". 6.6.2

Der Alleinauftrag

Das Gesetz kennt den Alleinauftrag als besondere Form des Maklervertrags nicht. Der Markt sieht zu recht für eine derartige besondere Vertragsgestaltung Raum und Notwendigkeit. Denn aufgrund eines einfachen Maklervertrags entstehen für die Parteien wechselseitig keine besonders weitreichenden Verpflichtungen. Der Makler muss nichts leisten und erhält dann natürlich entsprechend auch keine Vergütung; der Maklerkunde muss eine erbrachte Leistung nicht umsetzen, d. h. er muss die nachgewiesene Vertragsgelegenheit bzw. den vermittelten Vertrag nicht abschließen.

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6 Die

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Provisionspflicht entsteht, wenn vereinbart wird

Í

Makler soll nach außen suchend tätig werden

„Suchen sie mir was!"

Kein Maklervertrag keine Provision -

i

„Haben sie etwas im Bestand?"

Makler soll Objekte aus seinem Bestand benennen (Keine typische Maklertätigkeit) Abb. 19: Entstehen der Provisionspflicht [OLG Hamm, (NJW-RR

1994,1540)]

Hier schafft der Alleinauftrag insofern Abhilfe, als der Makler verpflichtet ist, intensiven Einsatz zu leisten (vgl. BGH, NJW 1969, 1626), dem Auftraggeber möglichst günstige Vertragsbedingungen zu verschaffen und diesen Einsatz insbesondere innerhalb der Bindungsfrist durchgängig zu leisten (vgl. BGH, NJW 1969, 1626). Sodann kann beim einfachen Maklervertrag der Auftraggeber auch andere Makler einschalten, was ihm bei Abschluss eines Alleinauftrags gerade untersagt ist. Der Alleinauftrag existiert in zwei Formen, nämlich einmal in der Form des sog. einfachen Alleinauftrags und sodann in derjenigen des sog. qualifizierten Alleinauftrags. Beiden gemeinsam ist, dass sie nicht schriftlich abgeschlossen werden müssen, um wirksam zu sein (sie sollten es aber). Es gibt aber auch gravierende Unterschiede:

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Beim qualifizierten Alleinauftrag darf der Auftraggeber nicht nur keinen weiteren Makler beauftragen; er ist vielmehr auch zur Unterlassung eigener Aktivitäten verpflichtet. Wenden sich Interessenten an ihn, so hat er diese an den Makler zu verweisen bzw. den Makler hinzuzuziehen, wenn er Gespräche bzw. Verhandlungen führen will. Entsprechend enthält ein qualifizierter Alleinauftrag in aller Regel eine solche Hinzuziehungsund Verweisungsklausel, die diese Verpflichtung des Kunden regelt. Das oben beschriebene „Herzstück" des Alleinauftrags in seiner Form als qualifizierter Alleinauftrag kann nun allerdings nur wirksam als Individualvereinbarung geregelt werden, nicht im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. BGHZ 99, 374; OLG Frankfurt, NZM 2002,181). Wird lediglich eine Hinzuziehungs- und Verweisungsklausel im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen vereinbart, so hat der Makler mangels individualrechtlicher Vereinbarung für den Fall, dass er nicht hinzugezogen wird, keinen Anspruch auf die Maklerprovision. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Verbot von Eigengeschäften beim Zustandekommen einer Individualvereinbarung ist ein Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzimg, wobei Schaden auch die entgangene Provision sein kann. Die Schwierigkeit liegt allerdings darin, dass der Makler neben der Pflichtverletzung auch die Kausalität dieser Pflichtverletzung für den Schaden, also die entgangene Provision, darlegen und ggf. beweisen muss. Er muss also belegen können, dass bei seiner Hinzuziehung der Hauptvertrag ebenfalls zustande gekommen wäre. Es wird auch vertreten, dass dann, wenn individualrechtlich das Verbot eines Eigengeschäfts mit einer Provisionszahlungsverpflichtung in Form eines sog. erweiterten oder erfolgsunabhängigen Provisionsversprechens verbunden wird, der Makler bei entsprechendem Verstoß seitens des Auftraggebers den Provisionsanspruch als Erfüllungsanspruch durchsetzen könne (vgl. Schwerdtner, Rn. 1002; LG Rostock PUR 1995, 308, 309; a. A. BGH, NJW1973,1194,1195). Schematisch lassen sich der einfache Alleinauftrag und der qualifizierte Alleinauftrag in ihrer jeweiligen Struktur wie folgt darstellen:

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Einfacher Alleinauftrag Pflichten des Auftraggebers •

Rechte des Auftraggebers

Darf keinen weiteren Makler beauftragen

Keine Verpflichtung zum Abschluss



Keine Verpflichtung zur Unterlassung eigener Aktivitäten

Pflichten des Maklers

Rechte des Maklers •



Makler kann als Doppelmakler tätig werden



Intensiver Einsatz (BGH, NJW 1969,1626)



Verschaffung möglichst günstiger Vertragsbedingungen



Kein Ersatz von Aufwendungen ohne ausdrückliche Vereinbarimg



Kann Tätigkeit nicht vor Ablauf der Bindungsfrist aufgeben (BGH NJW-RR1987, 94)

Qualifizierter Alleinauftrag Pflichten des Auftraggebers •

Darf keinen weiteren Makler beauftragen



Verpflichtung zur Unterlassung eigener Aktivitäten



Verpflichtung, Interessenten an Makler zu verweisen bzw. ihn hinzuzuziehen

Rechte des Auftraggebers •

Rechte des Maklers •

Makler kann als Doppelmakler tätig werden

Abb. 20: Einfacher und qualifizierter Alleinauftrag

Keine Verpflichtimg zum Abschluss

Pflichten des Maklers •

Intensiver Einsatz (BGH, NJW 1969,1626)



Verschaffung von möglichst günstigen Vertragsbedingungen



Kein Ersatz von Aufwendungen ohne ausdrückliche Vereinbarung



Kann Tätigkeit nicht vor Ablauf der Bindungsfrist aufgeben (BGH, NJW-RR 1987, 944)

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Empfehlung: Der Alleinauftrag sollte nicht überschätzt werden (viele Regelungen sind in AGB unzulässig). Wesentliche Inhalte sollten nach ihrer Vereinbarung in ein Anschreiben zum eigentlichen Auftrag aufgenommen werden. 6.6.3

Mehrheit von Maklern

Der Einsatz mehrerer Makler kann vom Auftraggeber gewollt sein. So ist es möglich, dass der Auftraggeber mehrere Makler gemeinsam mit der Vermittlung oder dem Nachweis beauftragt. In diesem Falle handelt es sich um sogenannte „Mitmakler". Mehrere Makler können aber auch deshalb tätig sein, weil der beauftragte Makler sich eines Untermaklers bedient. In diesem Falle bestehen Rechtsbeziehungen alleine zwischen den Untermakler und dem Makler. Mehrere Makler können schließlich auch in Form eines Gemeinschaftsgeschäfts tätig sein. Von einem solchen spricht man nicht, wenn mehrere Makler auf derselben Seite, sondern wenn sie auf entgegen gesetzter Seite tätig werden. Das ist dann der Fall, wenn jeweils eine Vertragspartei einen Makler beauftragt hat, und sich nun diese Makler mit Zustimmimg beider Auftraggeber zu eben einem Gemeinschaftsgeschäft zusammenschließen und eine Provisionsteilungsabsprache treffen. In der Praxis wird heute ein Gemeinschaftsgeschäft dann (entgegen der obigen Definition) als solches bezeichnet, wenn sich zwei ursprünglich unabhängig von einander für den Auftraggeber tätige Makler - mit Zustimmung des Auftraggebers - zusammenschließen und eine Provisionsabsprache treffen. 6.6.4

Doppelmaklertätigkeit

Anders als in anderen Rechtssystemen (etwa demjenigen der Niederlande) ist in Deutschland eine Doppelmaklertätigkeit grundsätzlich erlaubt (vgl. BGH, NZM 2003, 522). Ob sie ausdrücklich vereinbart werden muss (vgl. Schwerdtner, a. a. O., Rn. 867) oder sich auch stillschweigend aus dem Vertragsinhalt ergeben kann (vgl. Zopf, Das Maklerrecht in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, RWS-Skript 181, Köln 1886, Rn. 76), ist umstritten. Der als Doppelmakler tätige Makler hat aber folgende Grundsätze zu beachten: •

Der Doppelmakler hat jeden Vertragspartner über seine Tätigkeit für den anderen Auftraggeber zu informieren;



Der Doppelmakler hat neutral zu sein;

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6 Die

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Der Doppelmakler darf nicht zu Lasten einer Partei oder zu Gunsten der anderen den Kaufpreis nach oben oder unten treiben (vgl. OLG Köln, NZM 2004,206);



Provisionsverlangen auch gegenüber dem anderen Teil muss ausdrücklich sein (vgl. BGH, NJW 2002,1945);

Der Doppelmakler hat den anderen Vertragspartner vollständig zu informieren (Zustimmungspflicht aber nur, wenn Makler für beide Seiten als Vermittlungsmakler tätig werden sollte (vgl. BGH, NZM 2003, 522); dabei maßgeblich ist die tatsächliche Vermittlungstätigkeit (vgl. OLG Köln, NZM 2004,266)). M.E. ist die Doppeltätigkeit des Maklers für das Berufsbild des Maklers eher nachteilig als von Vorteil. Es wäre daher mit Schwerdtner (a. a. O., Rn. 65) zu begrüßen, wenn eine Doppeltätigkeit generell verboten würde. Denn die vom BGH stets postulierte strenge Unparteilichkeit, mit der der Doppelmakler die ihn übertragenen Aufgaben wahrzunehmen hat (vgl. BGH, NJW-RR 1998, 992), führt oft entweder zur Lähmung effektiven Handelns des Maklers oder aber zu einem erheblichen Risiko für die Provision wegen des nicht immer schwer zu konstruierenden Vorwurfs der Vertragsuntreue. Jedenfalls hat der Doppelmakler jeden seiner Vertragspartner darüber zu informieren, dass er auch für den anderen Teil provisionspflichtig tätig ist. Unterlässt er dies, so verwirkt er seinen Provisionsanspruch (vgl. Schwerdtner, a. a. O., Rn. 874 m. w. N.). Der Doppelmakler hat kein Recht, unter Hinweis auf eine etwaige Geheimhaltungsverpflichtung Informationen, die er von einem Vertragsteil erhalten hat, und die für den anderen Vertragsteil von erheblicher Bedeutung sein können, zurückzuhalten. Er darf und muss - den anderen Vertragspartner also auch über für den einen Vertragspartner ungünstige Umstände aufklären. Schwierig wird die Beratung im Rahmen der Freisverhandlungen. Der Makler darf sich in Preisverhandlungen nur begrenzt einschalten. Er muss aber seine Wertvorstellungen auch dann dem Käufer mitteilen, wenn er schon den Verkäufer beraten hat. Auch seine Vorstellungen über die Angemessenheit des Kaufpreises hat er zu offenbaren (vgl. BGH, NJW 1968,150; OLG Köln, NZM 2004,266).

6.7 Der Hauptvertrag 6.7.1

Voraussetzungen für den Provisionsanspruch

Sofern nicht im Hauptvertrag, etwa durch Vereinbarung einer Maklerklausel, etwas anderes geregelt ist, ist neben dem Abschluss des Maklervertrages und der Durchführung

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der geschuldeten Maklerleistung das Zustandekommen des kausal durch die Maklerleistung verursachten Hauptvertrages Voraussetzung für die Entstehung des Provisionsanspruchs. Auf die Durchführung des Hauptvertrages kommt es grundsätzlich nicht an, er muss (lediglich) wirksam abgeschlossen worden sein (vgl. BGH, NJW1987,2431). § 652 BGB macht das Entstehen eines Provisionsanspruchs des Maklers nur vom Zustandekommen des Hauptvertrags, nicht von dessen Ausführung abhängig. Demnach schließen Umstände, die einen wirksamen Abschluss des Hauptvertrags verhindern oder ihn als von Anfang an unwirksam erscheinen lassen (Formnichtigkeit, Gesetzeswidrigkeit, Sittenwidrigkeit, anfängliche objektive Unmöglichkeit, Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung) eine Provisionspflicht aus. Dagegen lassen Umstände, die ohne eine im Vertragsschluss selbst liegende Unvollkommenheit lediglich die Leistungspflichten aus dem Vertrag beseitigen (wie nachträgliche Unmöglichkeit, Kündigung, Rücktritt oder einverständliche Vertragsaufhebung) den Provisionsanspruch regelmäßig unberührt (vgl. Würdinger, NZM 2005, 327 - mit dem Ausdruck - der Ariadne Faden; BGH, NZM 2001,1087). Es macht nun aber im einzelnen Fall erhebliche Schwierigkeiten zu klären, ob der Hauptvertrag überhaupt bereits wirksam abgeschlossen ist, ob er erst unter einer aufschiebenden Bedingung wirksam werden sollte, ob seine Wirkungen durch spätere Anfechtung von Anfang an entfallen oder ob etwa durch vertraglich eingeräumte oder kraft Gesetzes entstehende Rücktrittsrechte der Grundsatz berührt wird, wonach es eben auf die Durchführimg des Vertrages grundsätzlich nicht ankommt. Mängel und Anfechtung des Hauptvertrages wiederum sind aber von erheblicher Bedeutung für den Bestand des Provisionsanspruches, weshalb hier jeder störende Umstand genau auf seine Bedeutung und Wirkimg als Vertragshindernis hin zu untersuchen ist. Wird das Schicksal des Provisionsanspruchs nicht eindeutig für den Fall einer Störung festgelegt, und wird nicht vereinbart, welches Schicksal dann der Provisionsanspruch haben soll, entstehen gravierende Probleme. In folgenden Fällen bleibt der Provisionsanspruch verdient: •

Der Hauptvertrag enthält eine auflösende Bedingung;



der Hauptvertrag wird einvernehmlich aufgehoben;



der Käufer zahlt den Kaufpreis nicht;



eine für den Vertragszweck erforderliche Baugenehmigung wird zwar erteilt, ist aber mit Auflagen versehen.

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In folgenden Fällen ist die Maklerprovision nicht verdient: •

Der Erstkäufer wird von einem das Vorkaufsrecht ausübenden Vorkaufsberechtigten „verdrängt" (hier können aber individualrechtliche Regelungen getroffen werden);



der Vertrag ist schwebend unwirksam;



der Vertrag ist nichtig;



der Vertrag wird wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten;



der Vertrag wird unter einer aufschiebenden Bedingung (ζ. B. Erteilung einer Baugenehmigung) geschlossen;



im Vertrag ist zugunsten einer oder beider Parteien ein beliebiger Rücktrittsvorbehalt gewährt;



es wurde lediglich ein Vorvertrag zu einem Hauptvertrag geschlossen (auch hier sind aber Individualvereinbarungen möglich).

Lediglich in einem der genannten Fälle - ein Hauptvertrag ist unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen worden - trifft das Gesetz eine Regelung. Ein Provisionsanspruch entsteht nämlich nicht, wenn der Hauptvertrag unter einer aufschiebenden Bedingimg geschlossen wurde (§ 652 Abs. 1 Satz 2 BGB) und die Bedingung nicht eintritt. Der Ausfall der Bedingung (meist fristgebunden) beseitigt den schwebenden Zustand. Das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft wird endgültig wirkungslos (vgl. Palandt/Heinrichts, § 158, Rn. 3). Der Provisionsanspruch entsteht nicht (vgl. BGH, VersR 1992, 572). Ist im Hauptvertrag vereinbart, dass die Erteilung einer Baugenehmigung aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vertrags ist und die Baugenehmigung bis zu einem bestimmten Termin spätestens vorliegen muss, so ist der Provisionsanspruch nicht entstanden, wenn der Termin eintritt, ohne dass die Baugenehmigung vorliegt (vgl. BGH, NJW1984,358). Nicht zur Entstehung kommt ein Provisionsanspruch, wenn bislang lediglich ein Vorvertrag abgeschlossen ist. Zwar erwächst jeder Partei aus einem Vorvertrag ein Anspruch auf Aufnahme und Weiterführung von Verhandlungen zum Zwecke des Abschlusses des Hauptvertrages. Ist aber nicht ausdrücklich bereits auch für den Abschluss des Vorvertrages im Wege einer Individualvereinbarung eine Provisionspflicht vereinbart, so entsteht ein entsprechender Anspruch auch nicht. Immer wieder wird von den Beteiligten, insbesondere aber auch vom Makler, übersehen bzw. bei der Protokollierung nicht zur Kenntnis genommen, dass im Hauptvertrag zukünftige Ereignisse, Bedingungen, Vorbehalte u. a. m. enthalten sind, die Einfluss auf das

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Zustandekommen, die Wirksamkeit und oft auch auf die Beständigkeit des Vertrages haben. Wird hier nicht klargestellt, was für einen solchen Fall mit dem Anspruch des Maklers auf Provision geschehen soll, entstehen gravierende Probleme. Diese können oft nicht ohne Auslegung des Vertrages und oft nicht ohne Rechtsstreit gelöst werden. Dabei spielt eine nicht unwesentliche Rolle der Umstand, dass der Notar der Schweigepflicht unterliegt; das bedeutet, dass ihn beide Parteien von dieser Schweigepflicht entbinden müssen, wenn er im Falle eines Streites über das Schicksal der Maklerprovision und die Erklärung der Parteien hierzu, soweit sie nicht protokollierungspflichtig waren, aussagen soll. 6.7.2 6.7.2.1

Abweichungen des beabsichtigten vom abgeschlossenen Hauptvertrag Überblick

Grundsätzlich entsteht der Provisionsanspruch nur, wenn Vertragskongruenz zwischen dem Maklervertrag und dem späteren Hauptvertrag besteht. Dabei könnte man Vertragskongruenz als Identität verstehen, wonach sowohl die Vertragspartner des Hauptvertrages mit denen des Maklervertrages übereinstimmen müssen, als auch der tatsächlich abgeschlossene Hauptvertrag inhaltlich nicht von dem Maklervertrag abweichen dürfe. Es versteht sich aber, dass kleinere Abweichungen unschädlich sind (vgl. BGH, NJW 1989,1486). Bei solchen Abweichungen steht dem Makler nämlich dennoch ein Provisionsanspruch zu, und zwar dann, wenn der wirtschaftliche Erfolg des abgeschlossenen Geschäfts dem des beabsichtigten Geschäfts nach der Vorstellung der Parteien bei Abgabe des Provisionsversprechens entspricht. Es lassen sich folgende Gruppen von Abweichungen bilden: •

Abweichungen in der Person des Erwerbers



Abweichungen im Vertragsgegenstand



Abweichungen in der Preisbildung.

6.7.2.2

Abweichungen in der Person des Erwerbers

Hier ist entscheidendes Prüfungskriterium für die Frage nach der Identität die Prüfung, ob der Kunde gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn er sich darauf berufen würde, der Vertrag sei ja mit jemand anderem zustande gekommen als mit ihm selbst. Anders ausgedrückt: Wurde der Erwerber nur vorgeschoben, um die Provisionspflicht

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zu umgehen, weil von vornherein der Erwerb durch die andere Person/Gesellschaft beabsichtigt war? Vieles ist hier streitig. Die Abgrenzung ist schwierig. Eine schematische Betrachtung verbietet sich, es ist vielmehr stets auf den Einzelfall abzustellen. Das zeigen die folgenden Fallbeispiele aus der Praxis: Überlässt ein Maklerkunde das Geschäft einem Dritten und schließt dieser am Makler vorbei ab, so schuldet der Maklerkunde dennoch Provision, wenn er an dem Geschäft des Dritten wirtschaftlich weitgehend beteiligt ist (vgl. BGH, NJW 1960, 476; OLG Hamburg, Urt. v. 13.2.98, Az. 6 O 271/96). Eine solche Vertragskongruenz erfordert aber enge persönliche oder wirtschaftliche oder rechtliche Beziehungen zwischen dem Erstinteressenten (dem Auftraggeber des Maklers) und dem späteren Vertragspartner des Hauptvertrages (vgl. BGH, NJW 1984, 358, 359; OLG Koblenz, NJW-RR 1994,180; BGH MDR 1998, 339; OLG Dresden v. 13.2.98, MDR 1998, 960). Eine solche Beziehung ist zu bejahen, wenn eine inzwischen ins Handelsregister eingetragenen GmbH mit ihrer Vorgesellschaft identisch ist (vgl. OLG Karlsruhe vom 2.12.94, PuR 1995, 520). Gleiches gilt, wenn statt einer GmbH deren Geschäftsführer erwirbt und umgekehrt. Verhandelt ein Interessent abschlussreif und kauft seine Lebensgefährtin schließlich das Objekt, so ist ebenfalls von einer Vertragskongruenz auszugehen (vgl. BGH, NJW 1991,490). Der Provisionsanspruch hängt nicht davon ab, dass der Maklerkunde selbst Partei des Hauptvertrages wird. Denn der Kunde schuldet jedenfalls dann die Provision, wenn er von vornherein beabsichtigte, den Vertragsabschluss durch einen Dritten vornehmen zu lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich bei dem späteren Erwerber um den Bruder des Kunden handelt. In diesem Fall muss der Erstinteressent den Nachweis erbringen, dass er mit dem Erwerb durch die ihm nahe stehende Person nicht in Verbindung gebracht werden kann (vgl. OLG Frankfurt v. 3.8.99, MDR 2000, 24; OLG Dresden v. 24.2.99, MDR 2000, 25). Erwirbt statt des Vaters die Tochter oder statt des Bruders die Schwester, so sind solche Abweichungen in der Person des Erwerbers unmaßgeblich, weil eine persönliche - oft auch eine wirtschaftliche - Verbindimg derart besteht, dass jedenfalls in aller Regel ein eigenes Interesse des Maklervertragspartners am Zustandekommen des Geschäfts mit dem Angehörigen zu bejahen ist (vgl. OLG München, NZM 2005,72). Gleiches gilt, wenn sich der Maklerkunde vorstellt mit den Worten: „Ich suche für meinen Vater": Er bleibt für den Fall des Zustandekommens eines Hauptvertrags mit dem Vater provisionspflichtiger Maklervertragspartner (vgl. LG Karlsruhe, NZM 2004, 307). Das gilt erst recht, wenn mit dem Auftraggeber ein provisionspflichtiger Maklervertrag geschlossen wurde,

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es jedoch letztendlich zwar zu einem Kaufvertrag gekommen ist, jedoch der Auftraggeber nicht alleiniger, sondern lediglich Erwerber zusammen mit seinen Eltern in Miteigentum geworden ist (vgl. LG Dettmold, Urt. v. 10.5.2004, Immobilien-Makler Nr. 5/2004,6). Ausreichend sind enge persönliche oder wirtschaftliche Beziehungen zwischen dem Maklerkunden und dem Dritten, ohne dass zusätzlich erforderlich ist, dass der Maklerkunde bewusst nur vorgeschoben wurde (vgl. BGH, Urt. v. 08.04.2004, ImmobilienMakler Nr. 4/2004,2). 6.7.2.3

Abweichungen im Kaufpreis

Solche Abweichungen zwischen dem letztendlich zu zahlenden und dem im Maklervertrag vereinbarten Kaufpreis sind danach zu bewerten, ob sie sich im Rahmen der durch übliche Verhandlungen auftretenden Schwankungen bewegen. Ist ein etwas höherer Kaufpreis mit etwas verbesserten Vertragskonditionen aus der Sicht des Kunden verbunden, so wird man in aller Regel noch von einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit sprechen können. Allerdings liegt eine wirtschaftliche Ungleichheit dann vor, wenn der Makler zuvor betont hat, der Kauf komme nur zu diesem bestimmten Kaufpreis zustande oder gar nicht (vgl. OLG Düsseldorf v. 17.02.95, PuR 1995, 404). Ein derartiges Verhalten des Maklers wird aber - insbesondere unter heutigen Marktbedingungen - eher die Ausnahme sein. Kein Marktteilnehmer erwartet, dass ein etwa in einem Exposé angegebener Kaufpreis etwas anderes ist als eine Verhandlungsbasis, und deshalb kann auch bei erheblichen Preisunterschieden nicht ohne Nachweis davon ausgegangen werden, dass das nachgewiesene oder vermittelte Objekt nicht mit dem wirtschaftlich gleichwertig sei, das letztendlich erworben wurde. 6.7.2.4

Abweichungen im Vertragsgegenstand

Solche sind dann unmaßgeblich, wenn das abgeschlossene Geschäft dem Auftraggeber des Maklers weniger wirtschaftliche Vorteile verschafft oder gravierendere Verpflichtungen auferlegt als das ursprünglich gewollte. Hier ist eine Gesamtschau der Vertragskonstruktion erforderlich, denn wie beispielsweise das OLG Zweibrücken richtig erkennt (vgl. RDM-Sammlung A 133 Bl. 33 = AIZ/1-95), ist die Vermittlung eines Erbteilkaufs statt eines Grundstückskaufvertrages durchaus für den Erwerber, unter anderem wegen der Haftungsbegrenzung für Mängel, günstiger. Im Folgenden soll eine Fallübersicht Anhaltspunkte dafür geben, wann von einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit gesprochen werden kann und wann nicht:

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Immobilienvermittlung

Keine wirtschaftliche Gleichwertigkeit ist anzunehmen, wenn •

vermietet statt verkauft wird (vgl. OLG Karlsruhe v. 7.10.94, PuR 1995,185);



ein Untermietvertrag statt eines Hauptmietvertrages abgeschlossen wird,



ein Einfamilienhaus angeboten wird, aber nur Miteigentum erworben werden kann,



eine Doppelhaushälfte zum Kauf nachgewiesen wird, die beiden Doppelhaushälften aber eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden (vgl. OLG Karlsruhe, NZM 2004, 395).

Wirtschaftliche Gleichwertigkeit wird bejaht, wenn •

statt eines Kaufvertrages ein Erbteilverkauf vermittelt wird (vgl. OLG Zweibrücken v. 15.7.94, RDM-Sammlung A 133 Bl. 33 = AIZ/1-95),



die Maklerofferte und spätere Kontakte auch die Möglichkeit einer Teilanmietung mit hinreichender Deutlichkeit einschließen (vgl. Heins. OLG Hamburg, RDMSammlung A133 Bl. 30 = AIZ/11-93),



eine größere Fläche als die ursprünglich angebotene vermietet wird, die später angemieteten Flächen aber bereits zur Disposition standen (vgl. LG Offenburg v. 13.7.94, PuR 1995,307; OLG München, RDM-Sammlung A133, Bl 14 = AIZ/3-90).

6.7.2.5

Exkurs: Hauptvertrag mit Einräumung eines Vorkaufsrechts

Die Provisionspflicht eines Erstkäufers entfällt grundsätzlich, wenn ein Vorkaufsberechtigter das ihm eingeräumte Vorkaufsrecht an dem Gegenstand des Hauptvertrages wirksam ausübt. Der Erstkäufer erreicht nicht, was mit dem Maklervertrag erreicht werden sollte. Mit ihm, dem Erstkäufer, kommt kein Hauptvertrag zustande. Damit entfällt grundsätzlich auch der Anspruch des Maklers auf Maklerprovision. Anderes gilt, wenn zugunsten des Maklers im Kaufvertrag durch Formulierung einer Maklerklausel ein selbstständiger Provisionsanspruch im Sinne von § 328 BGB begründet wurde. In diesem Falle bezieht sich der entstandene Anspruch auf denjenigen, der das Vorkaufsrecht ausübt und ist von diesem zu erfüllen (vgl. BGH, NJW1996,654). Dies gilt bei Beauftragung des Maklers durch den Käufer. Hat aber der Verkäufer den Makler beauftragt, so ändert sich bei Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Berechtigten nichts an der Verpflichtung des Verkäufers, dem von ihm beauftragten Makler auch die Provision zu zahlen. Für den Verkäufer ist der wirtschaftliche Erfolg eingetreten.

6 Die Immobilienvermittlung

471

Macht der Mieter einer umgewandelten Eigentumswohnung im Falle der Veräußerung von seinem Recht nach § 577 BGB Gebrauch, so trifft ihn auch die Verpflichtung zur Zahlung der Maklerprovision, wenn im Kaufvertrag die Maklerprovision im Sinne eines Vertrages zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB gesichert ist (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1999,800). Macht hingegen - ohne Maklerklausel im Hauptvertrag - die Gemeinde von ihrem gesetzlichen Vorkaufsrecht Gebrauch, entscheidet sie also über die Möglichkeit der Erfüllung des Kaufvertrags im Verhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Käufer, so entsteht ein Anspruch auf Maklerprovision nicht (vgl. BGH, MDR 1999,604). 6.7.2.6

Maklerklausel im Hauptvertrag (Vertiefung)

Parteien eines Mietvertrages sind Vermieter und Mieter, Parteien eines Kaufvertrages Verkäufer und Käufer. Durch die Aufnahme einer Maklerklausel mit einem Provisionsversprechen in die Urkunde eines Kaufvertrags wird - eigentlich untypisch - ein Dritter als Inhaber von Rechten aufgeführt. Deshalb sind lange Zeitbestimmungen über die Verteilung der Maklerkosten als „Fremdkörper" im Kaufvertrag angesehen worden. Seit der Entscheidung des BGH vom 14.12.1995 (vgl. NJW 1996, 654) wird man im Einzelfall zu differenzieren haben, ob es sich lediglich um eine rein äußerliche Verbindung des Maklervertrages mit einem Kaufvertrag handelt oder um einen Bestandteil des Kaufvertrages. Eine Maklerklausel lautet etwa: „Dieser Vertrag kommt durch Nachweis und Vermittlung der Firma χ zustande. Der Erwerber ist verpflichtet, das an die Firma χ zu zahlende und fällige Maklerhonorar in Höhe von EUR einschl. Mehrwertsteuer an diese zu zahlen. Diese Verpflichtung gegenüber dem vorbenannten Dritten übernimmt der Enverber hiermit ausdrücklich auch gegenüber dem Veräußerer in der Weise, dass die Firma X als Dritter unmittelbar berechtigt ist, die Leistung vom Erwerber zu fordern. Der Fa. X erhält mit dieser Vereinbarung einen selbstständig begründeten Anspruch. Auf Antrag ist der Fa. X eine vollstreckbare Ausfertigung der Vertragsurkunde zu erteilen". Hintergründe und Motive für die Aufnahme solcher Klauseln in den notariellen Kaufvertrag können ganz unterschiedlich sein: Nicht selten hat der Makler es verabsäumt, rechtzeitig - also vor seinem Tätigwerden - einen eindeutigen Maklervertrag abzuschließen. Oder aber er will sich trotz eines bereits geschlossenen Maklervertrages zusätzlich sichern (vgl. Zopfs, Das Maklerrecht in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, RWS-Skript 181, Rn. 10). Oft spricht der Makler den Vertragsinhalt mit dem Notar ab und nimmt diese Gelegenheit wahr, seinen Provisionsanspruch zu sichern und darüber

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Immobilierwermittlung

hinaus, sofern der Vertrag eine Unterwerfung des Käufers unter die sofortige Zwangsvollstreckung vorsieht, diesen Provisionsanspruch titulieren zu lassen (vgl. v. Gerkan, Maklerklauseln in notariellen Grundstückskaufverträgen, NJW 1982, 1742, mit Erwiderung von Piehler, DNotZ 1983,22,23). Da der Makler nicht Partei des Hauptvertrages ist und vom Notar i. d. R. auch nicht im Vertragstext als Beteiligter aufgeführt wird (so zutreffend Zopfs, a .a. O.), ist in jedem Einzelfall nach Wortlaut und ggf. im Wege der Auslegung zu klären, welches der (vom Notar nach § 17 BeurkG zu ermittelnde) Wille der Beteiligten ist. Grundsätzlich können Maklerlohnversprechen, die in einer Kaufvertragsurkunde aufgenommen sind, verschiedene Bedeutungen haben: •

Es kann sich um eine rechtlich nicht zum Kaufvertrag gehörende, nur äußerlich mit ihm verbundene Beurkundung des Lohnversprechens handeln, durch das der Käufer sich nicht seinem Vertragspartner, sondern dem Makler gegenüber deklaratorisch oder konstitutiv verpflichtet. • Konstitutiv ist die Regelung, wenn die Pflicht, die Maklerkosten zu tragen, erst begründet wird. • Das Provisionsversprechen kann auch deklaratorisch sein. Dann sind alle im Zeitpunkt des notariellen Vertrages bekannten Einwendungen ausgeschlossen.



Es kann sich um eine Vereinbarung zwischen den Hauptvertragsparteien handeln, kraft derer der Verkäufer lediglich Versprechensempfänger ist.



Die Vereinbarung kann auch Teil des Kaufvertrages sein und dabei dem Makler auch, neben dem Verkäufer, einen unmittelbaren Anspruch auf Provisionszahlung an den Makler im Sinne eines echten Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) geben.

Entscheidend sind immer der Einzelfall und das Ergebnis der hierzu erforderlichen Auslegung der Klausel (vgl. BGH, DNotZ 1992,411, 412). Immer dann, wenn dem Dritten unmittelbar ein Anspruch gegen den Schuldner eingeräumt wird, spricht man von einem berechtigenden Vertrag zugunsten eines Dritten oder von einem echten Vertrag zugunsten eines Dritten (§ 328 Abs. 1 BGB) (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.98, NJW-RR 98, 394). An einem echten Vertrag zugunsten Dritter sind drei Personen beteiligt: Der Versprechende, der Versprechensempfänger und der Dritte. In Folge des Vertrages wird der Dritte Forderungsberechtigter. Er wird damit aber nicht Vertragsbeteiligter (er kann nicht wandeln, nicht vom Vertrag zurücktreten oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen). Der Anspruch des Maklers als eines Dritten

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473

im Sinne des § 328 BGB beruht nicht auf irgendeinem anderen Schuldverhältnis, sondern allein auf dem Vertrag zugunsten eines Dritten. Wichtig ist, dass der Käufer beim echten Vertrag zugunsten Dritter auch für den Fall, dass der Makler ihm keine Leistung erbracht hat, wegen eines von einer echten Maklerleistung unabhängigen Schuldgrundes die Provision zu zahlen hat, wenn er von Anfang an der Meinung war, der Makler habe weder eine Nachweis- noch eine Vermittlungsleistung erbracht (vgl. Schwerdtner, Maklerrecht, 4. Aufl., Rn. 825). Wirkung: Eine Maklerklausel im Hauptvertrag beendet die Diskussion um •

das Zustandekommen des Maklervertrags



das Erbringen der Maklertätigkeit



die Ursächlichkeit der Maklertätigkeit für den Erfolg



die Person des Provisionspflichtigen.

Die Maklerklausel beendet nicht die Diskussion um •

die Verwirkung des Provisionsanspruchs (§ 654) wegen nachträglich bekannt gewordenen Fehlverhaltens des Maklers



die Fehlerhaftigkeit des Hauptvertrags.

Zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten können zwei Formulierungshilfen dienen: •

Die Maklerklausel wird dem notariellen Kaufvertrag ausdrücklich als Vertrag zugunsten eines Dritten - des Maklers - im Sinne von § 328 BGB bezeichnet.



In den notariellen Kaufvertrag wird eine Regelung aufgenommen, wonach der Makler eine Abschrift des Kaufvertrages und auf Anfrage eine vollstreckbare Ausfertigimg erhalten soll.

Die letztere Regelung ist nämlich dann sinnvoll, wenn dem Makler dadurch die Durchsetzung seiner eigenen Ansprüche ermöglicht werden soll. Andernfalls würde ja eine bloße Mitteilung vom Vertragsschluss ausreichen (vgl. OLG Hamm v. 19.6.95, PuR 1995, 562, 563). Aus der Aufnahme einer solchen Regelung wird ein Akt der Fürsorge für den Makler ersichtlich. Die Regelung ist insoweit ausschließlich in seinem Interesse erfolgt, und auch dies spricht für einen direkten Rechtserwerb des Maklers (vgl. OLG Hamm, a. a. O.).

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Immobilienvermittlung

Der entscheidende Vorteil einer Provisionsklausel in Form eines echten Vertrages zugunsten Dritter im Sinne des § 328 Abs. 1 BGB ist die Tatsache, dass der danach zur Zahlung der Maklerprovision Verpflichtete mit Einwänden aus dem Maklerrecht nicht mehr gehört werden kann. Es kommt also weder auf die Frage des Zustandekommens eines Maklervertrages an, noch darauf, ob Maklerleistungen überhaupt erbracht worden sind. Allenfalls eine analoge Anwendimg des § 654 BGB (Verwirkung) oder eine Heranziehung des Rechtsgedankens dieser Vorschrift über § 242 BGB kann den Makler bei Vorliegen deren Voraussetzungen dann noch um die Maklerprovision bringen. Die bloße Überbürdung der Zahlungsverpflichtung auf denjenigen, mit dem kein Maklervertrag bestand, begründet den Verwirkungstatbestand des § 654 BGB nicht (vgl. OLG Hamm, a. а. O.). Ausführlich hat sich der BGH (vgl- Urt. v. 14.12.95 - III ZR 34/95) mit einer Maklerklausel in einem Vorkaufsfall befasst. Er hat ausgeführt, die Maklerkosten gehörten zu den üblichen Erwerbskosten im Kaufvertrag. Ihre Regelung und Verteilung seien kein „Fremdkörper" in einem Kaufvertrag, sondern zählten wesensmäßig dazu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob etwa in vorhergehenden Maklerverträgen des Verkäufers mit dem Makler und des Maklers mit dem Kaufinteressenten diese Regelungen bereits ihren Niederschlag gefunden haben oder völlig neu „als Paket" im notariellen Kaufvertrag geschnürt werden. Enthält ein notarieller Kaufvertrag (mit Vorkaufsrechtsausübungsmöglichkeit) eine Maklerklausel wie in dem oben beschriebenen Sinne, so verpflichtet diese den das Vorkaufsrecht ausübenden Berechtigten zur Zahlung der Maklerprovision. Denn er hat als Vorkaufsberechtigter sämtliche Leistungen zu erbringen, die der Erstkäufer nach dem Kaufvertrag hätte erbringen müssen (vgl. BGHZ 77,359, 362). Eine Maklerklausel bringt dem Makler keinen eigenen Anspruch, wenn sie entweder nicht als echter Vertrag zugunsten eines Dritten im Sinne von § 328 Abs. 1 BGB formuliert ist oder aber aus anderen Gründen unwirksam ist. Lautet eine Klausel etwa: „Die Käufer tragen auch die Provision des beauftragten Maklers in der vereinbarten Höhe von б,9 % ... die Provision ist fällig und zahlbar zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Kaufpreises", so ist gerade nicht klar, ob dem Makler ein eigener Anspruch entstehen soll. Die Klausel ist unklar i. S. v. § 305 c Abs. 2 BGB (vgl. KG, NZM 2001, 897; ausführlich zur notariellen Vertragsgestaltung bei Maklerklauseln in notariellen Kaufverträgen: Bethge, NZM 2002,193).

6 Die Immobilienvermittlung

475

6.8 Kausalität Voraussetzung für die Entstehung des Provisionsanspruches ist, dass das Handeln des Maklers für den Erfolg kausal war. Der Vertragsschluss muss Folge der nach dem Maklervertrag geschuldeten Maklertätigkeit sein. Der Hauptvertrag muss aus der Sicht des Kunden jedenfalls auch Ergebnis einer wesentlichen Leistung des Maklers sein. Um die Provision zu verdienen, muss der Nachweismakler die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachweisen, der Vermittlungsmakler eine auf den Abschluss des Hauptvertrages gerichtete fördernde Leistung erbringen. Dabei kann auch der Nachweismakler ein schon bekanntes Objekt nachweisen, wenn der Kunde erst durch die Tätigkeit des Maklers motiviert wurde, in direkte Verhandlungen mit dem Berechtigten einzutreten (entscheidender Anstoß). Jede Mitursächlichkeit reicht aus. Eine solche Mitursächlichkeit des ursprünglichen Nachweises für den späteren Abschluss des Hauptvertrages ist dann anzunehmen, wenn der Interessent vom Makler Informationen erhalten hat, über die er andernfalls nicht verfügt hätte und die für den Kaufentschluss den Anstoß gegeben haben. Je länger der Zeitraum ist, der zwischen der Maklertätigkeit und dem Vertragsschluss liegt, umso höher sind die Anforderungen, die an die Ursächlichkeit des Nachweises zu stellen sind (vgl. Zopfs, a. a. O., Rn. 43a). Es können auch mehrere Makler mit jeweils eigenen Beiträgen für die Miet- oder Kaufentscheidimg des Kunden kausal gehandelt haben (vgl. BGH, NJW 1971,1133). Es wird also nicht etwa der nachweisende Makler durch einen später eingeschalteten vermittelnden Makler an der Herbeiführung der Wirkungen einer Mitursächlichkeit gehindert (vgl. BGH, NJW 1977, 41; BGH, NJW 1981, 387). Schwierig zu beantworten ist die Frage, wie lange der Zeitraum sein kann, der zwischen der letzten Tätigkeit des Maklers und dem Erfolg liegt, ohne dass von einem Abbruch der Kausalkette zu sprechen ist. Ein Zeitraum zwischen einer letzten gemeinsamen Besichtigung durch die Parteien und der Beurkundimg eines Kaufvertrags von 14 Monaten lässt die Kausalkette nicht abbrechen (vgl. OLG Hamburg, NZM 2001, 907), ein Zeitraum von 15 Monaten hingegen soll die Kausalkette abbrechen lassen (vgl. OLG Frankfurt, NZM 2005, 72). 6.8.1

Vorkenntnis

Vorkenntnis ist - und dies ist ein weit verbreiteter Irrtum - nicht die Kenntnis des Objekts, sondern die Kenntnis der Vertragsgelegenheit. Der Makler, der eine Vertragsgelegenheit nachweist, schafft die Voraussetzungen, dies dem Auftraggeber ermöglichen, mit dem Berechtigten direkt in Kontakt zu treten und zu verhandeln. Vorkenntnis liegt

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demnach also nur vor, wenn wesentliche Eckdaten und insbesondere auch die Person des Berechtigten oder des Verhandlungsführers bereits bekannt sind. Den Nachweis einer Vertragsgelegenheit kann der Makler nicht erbringen, wenn die Vertragsgelegenheit dem Kunden bereits bekannt war. Allerdings kann der Nachweis noch erbracht werden, wenn der Makler für den Kunden den entscheidenden Anstoß bringt. Das kann z. B. der Fall sein, wenn die Anmietung eines Büroobjektes für den Kunden nicht in Betracht kam, weil ihm die Anzahl der zur Verfügung stehenden Stellplätze nicht genügte, und der Makler daraufhin nach entsprechender Recherche ihm vom selben Eigentümer des Nachbargrundstücks zusätzliche Stellplätze zur Anmietung anbietet. Aber auch dann, wenn die ursprüngliche Vertragsgelegenheit entfallen war, weil das Grundstück nicht mehr verfügbar war, nun aber wiederum zur Verfügung steht, kann auch eine bekannte Vertragsgelegenheit nachgewiesen werden. Das Problem der Vorkenntnis ist zwar in aller Regel den Vertragsparteien als vertragliches Risiko bewusst, aber in einem rechtlich unzutreffenden Zusammenhang: Es meinen nämlich die Empfänger unverlangt übersandter Exposés oder Informationen über Objekte, sie müssten unverzüglich - womöglich innerhalb einer in den beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen angegebenen kurzen Frist von 1 Woche - dem Absender ihre Vorkenntnis anzeigen. Hier wird verkannt, dass es eine derartige Verpflichtung überhaupt nur im Rahmen eines abgeschlossenen Maklervertrages geben kann, nicht aber im Rahmen dessen Anbahnung. Denn das unverlangt übersandte Exposé stellt allenfalls ein Angebot auf Abschluss eines Maklervertrages dar, welches ausdrücklich oder konkludent, d. h. durch schlüssiges Verhalten, erst einmal angenommen werden muss. Ein solches schlüssiges Verhalten liegt eben nicht in der bloßen Verwertung der im Exposé enthaltenen Informationen. Irrtümlich nehmen viele Vertragsparteien an, eine Vorkenntnis sei im Hinblick auf formularmäßig im Maklervertrag vereinbarte Vorkenntnisklauseln ohne rechtliche Relevanz. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist die Klausel, wonach sich der Kunde nicht auf Vorkenntnis berufen kann, wenn er diese Kenntnis nicht innerhalb von (z. B.) acht Tagen nach Empfang des Exposés geltend macht, unzulässig (vgl. BGH, NJW 1976, 2345; OLG Düsseldorf v. 10.12.93, PuR 1994,379). Grundsätzlich ist der Maklerkunde nicht verpflichtet, den Makler davon zu unterrichten, dass ihm das Objekt bereits bekannt ist (vgl. BGH, WM 1984, 62; OLG Celle, NJW-RR 1995, 501). Diese Rechtsprechung betrifft aber Fälle, in denen zunächst der Maklervertrag

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abgeschlossen worden war, erst danach aber dem Kunden aufgrund von erteilten Informationen über das Objekt klar wurde, dass er das Objekt bereits kannte. Diese Vorkenntnis hat der Kunde darzulegen und zu beweisen. Er kann sich allerdings dann nicht auf Vorkenntnis berufen, wenn er diese bereits erlangt hatte, bevor er den Maklervertrag abschloss (vgl. OLG Celle, a. a. O., OLG Hamburg, NJW-RR 1987, 175). Dies ist ein Ausfluss von Treu und Glauben (vgl. OLG Frankfurt v. 11.12.94, OLGReport Frankfurt 1994, 73). Anderer Ansicht ist das OLG Koblenz (vgl. NJW-RR 1991, 248). Ist ein Interessent vor Einschaltung eines Maklers bereits „im Prinzip" zu Kauf des Grundstücks bereit, so muss der Makler eine wesentliche Maklerleistung erbringen. Diese ist nur gegeben, wenn der Makler einen mitursächlichen Beitrag von erheblichem Gewicht erbringt (vgl. BGH, Urt. v. 4.10.95, AZ IV ZR 163/94). Hier reicht es nicht aus, wenn - unaufgefordert - der Makler dem bereits zum Kauf entschlossenen Interessenten eine Wertermittlung übergibt (vgl. BGH, a. a. O.). Es kristallisiert sich jedenfalls die Meinung heraus, dass •

es dem Kunden obliegt, auf seine Vorkenntnis hinzuweisen, die er ja womöglich schon vor Abschluss des Maklervertrages hatte, um dann doch die Verpflichtung zur Zahlung einer Maklerprovision einzugehen,



auch im Falle wirksam eingewendeter Vorkenntnis der Makler den Nachweis führen kann, dass er den entscheidenden Anstoß zum Abschluss des Vertrages gegeben hat.

Die Möglichkeit des Einwands der Vorkenntnis im Rahmen wirksam abgeschlossener Maklerverträge wird in ihrer Bedeutung oft unterschätzt. Vorkenntnisklauseln müssen individuell ausgehandelt werden. Der Nachweis an ein Aushandeln einer Vorkenntnisklausel ist schwer zu führen. Fragt der Makler vor Abschluss des Maklervertrages beim Kunden an, ob dieser das Objekt und die Vertragsgelegenheit bereits kennt, so ist ein Bejahen dieser Frage mehr als wahrscheinlich. Die Vorkenntnis muss allerdings der Kunde beweisen. Je präziser die Angaben zum Objekt und zu den Eckdaten und insbesondere zum Eigentümer sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Einwand erhoben wird. Die Rechtsprechung erkennt das Problem für den Makler, löst es aber nicht (vgl. OLG Düsseldorf v. 10.12.93, PuR 1994,379,380). Wichtig und zum Teil einer Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des BGH stellt das Urteil vom 04.11.1999 (vgl. NZM 2000,141) dar.

478

6 Die lmmobilienvermittlung

Der BGH hat festgestellt, dass •

der Maklerkunde eine in einem von ihm unterzeichneten Objektnachweis enthaltene Vorkenntnisklausel doch gegen sich gelten lassen muss (vgl- entgegen BGH, NJW-RR 1996,114 und OLG Düsseldorf, NZM1998, 778),



die Formulierung im Objektnachweis, wonach beim Zustandekommen eines notariellen Kaufvertrages eine Maklergebühr zur Zahlung an den Makler fällig werde, als Hinweis darauf zu verstehen ist, dass der Makler hierin demjenigen gegenüber eine Provisionserwartung äußert, der mit ihm in vertragliche Beziehungen treten will,



die Unterschrift unter den Objektnachweis eine für den Abschluss eines Maklervertrags rechtsgeschäftlich bedeutsame Erklärung ist (vgl. Langemaack, NZM 2000,121 f.).

Festzuhalten ist, dass Vorkenntnis immer noch Raum lässt für eine Mitursächlichkeit der Maklertätigkeit. Diese kann ζ. B. in der Ermöglichung einer Besichtigung des Objektes liegen. 6.8.2

Unterbrechung des Kausalzusammenhangs

Die Unterbrechung des Kausalzusammenhangs stellt in der neueren Rechtsprechung einen Schwerpunkt dar, wobei es in erster Linie immer wieder Schwierigkeiten bereitet, wann und aufgrund welcher Umstände Vertragsverhandlungen nicht nur als vorübergehend unterbrochen, sondern als endgültig abgebrochen zu gelten haben. Kommt nämlich in einem solchen Falle später doch der Hauptvertrag zustande, so ist in aller Regel zweifelhaft, ob hierfür (noch) der ursprüngliche Nachweis ursächlich war, also das Interesse des Käufers/Mieters nur vorübergehend erlahmt war, oder ob der Hauptvertrag aufgrund einer neuen Entwicklung geschlossen wurde (vgl. OLG Frankfurt vom 26.02.1993; PuR 1993, 289). Ist Letzteres der Fall, so entsteht kein Provisionsanspruch. Tritt eine neue Verkaufsgelegenheit ein, die mit der ursprünglichen nicht identisch war und die der Makler nicht herbeigeführt hat, so verdient er keine Provision. Hier handelt es sich um reines case law, und es lassen sich nur wenige Kriterien aufführen, anhand derer die Frage nach der Kausalkette bzw. deren Unterbrechung beantwortet werden kann. Nur im Einzelfall kann geklärt werden, ob •

Die Verhandlungen vorübergehend unterbrochen wurden;



das Interesse nur vorübergehend erlahmt ist;

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die Verhandlungen endgültig abgebrochen waren;



der Verkäufer seine Verkaufsabsicht endgültig aufgegeben hatte;



der Verkäufer die Verkaufsabsicht unter veränderten Umständen neu gefasst hat;



der Hauptvertrag aufgrund einer neuen Entwicklung geschlossen wurde;



die frühere Gelegenheit sich endgültig zerschlagen hatte;



das Objekt vom Markt genommen war.

479

Es wird immer die Aufgabe der Parteien sein, Aspekte zu sammeln, die die Annahme plausibel machen, dass (Position des Maklers) der Maklerkunde auf der Grundlage des lange zurückliegenden Nachweises erworben hat bzw. (Position des Kunden) dieser aufgrund eines völlig neuen von der behaupteten Maklerleistung unabhängigen Entschlusses erworben hat (vgl. OLG Frankfurt, NZM 2005, 72). Die nachfolgenden Fallgestaltungen verdeutlichen die Problematik: Fall: Interessentin verhandelt 1990 und 1991 über einen Kaufvertrag. Mitte 1991 schließt der Eigentümer mit dem damaligen Lebensgefährten und heutigen Ehemann der Interessentin einen 10-Jahres-Mietvertrag über das Objekt, welches von beiden bezogen wird. Im September 1992 verkauft der Eigentümer das Objekt an die Interessentin. Der Abschluss des 10-Jahres-Mietvertrages dokumentiert das Scheitern der ursprünglichen Verkaufsverhandlungen und schafft eine neue Situation. Darauf, dass der Makler seinerzeit die Kaufvertragsparteien zusammengeführt hat, kann zur Begründung einer Fortwirkung seiner Vermittlungstätigkeit nicht abgestellt werden, weil das Zusammenführen als solches noch nicht die an eine Vermittlung zu stellenden Anforderungen erfüllt (vgl. Schwerdtner, Maklerrecht, § 652 Rn 58; OLG Karlsruhe vom 07.10.1994 Az.: 15 U 46/94, PuR 1995,185). Allgemein lässt sich sagen, dass der Verkäufer, der nachweislich seine Verkaufsabsicht aufgegeben hatte, sie dann aber später unter veränderten Umständen neu fasst, keine Provision mangels eines Nachweises einer Vertragsgelegenheit schuldet (vgl. BGH NJWRR1991,950). Fall: Im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens soll ein im Landeseigentum stehendes Grundstück der Kaufinteressent mit dem höchsten Angebot erhalten. Der Interessent lässt durch den Makler ein auf DM 700.000,00 lautendes Kaufangebot vorlegen. Den Zuschlag erhält ein anderer Interessent mit einem Angebot von DM 711.000,00. An-

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schließend erklärt der andere Interessent, er wolle das Grundstück nicht kaufen. Nun erwirbt der erste Interessent das Grundstück zu einem Kaufpreis von DM 722.000,00. Der Makler verlangt die Maklerprovision. Entscheidend ist, dass die Vertragsgelegenheit, die Gegenstand des Nachweises war, vom Kunden nicht ausgenutzt worden ist. Damit fehlt es an einem Nachweis, der eine Provisionspflicht entstehen lässt. Denn die Gelegenheit hatte sich zerschlagen, weil der Eigentümer die Verkaufsabsicht aufgegeben, sie dann aber später unter veränderten Umständen erneut fasst und wenn nun der Kunde ohne Hinweis des Maklers diese neu entstandene Gelegenheit nutzt. Schwer abzugrenzen ist, wann das Interesse des Käufers nur vorübergehend erlahmt war und wann hingegen Vertragsverhandlungen endgültig abgebrochen waren und der Vertrag dann später aufgrund einer neuen Entwicklung zustande kommt. Das Vorliegen einer solchen neuen Entwicklung hat der Kunde nachzuweisen, denn für den Makler streiten zunächst einmal Nachweis und Abschluss des Hauptvertrages. Die Kausalität ist insbesondere dann unterbrochen, wenn die Vertragsverhandlungen abgerissen sind. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Objekt ernsthaft und endgültig vom Markt genommen wird und erst aufgrund eines geänderten Vermarktungskonzeptes die Bemühungen wieder in Gang gesetzt werden (vgl. OLG Frankfurt vom 26.02.1993 Az: 10 U 274/89, OLG-Report 1993,141). Fall: Der Kunde beauftragt den Makler mit der Suche eines Einfamilienhauses zur langfristigen Anmietung. Aufgrund eines Nachweises nimmt der Kunde mit dem Vermieter Kontakt auf und erfährt, dass das Einfamilienhaus bereits vermietet ist. Kurz danach wird das Mietverhältnis fristlos gekündigt. Hierauf tritt der Vermieter ohne Einschaltung des Maklers direkt an den ehemaligen Kunden heran und bietet ihm den Abschluss eines Mietvertrages an, der auch zustande kommt (vgl. AG Nürtingen, NJW-RR1994,1079). Fall: Nach Abbruch der Maklertätigkeit erhält der Maklerkunde aufgrund einer Zeitungsannonce eines anderen Maklers den Hinweis, dass das in Rede stehende Objekt doch zum Verkauf stehe, während es zum Zeitpunkt der Tätigkeit des ersten Maklers nicht zum Erwerb verfügbar war, weil der Eigentümer seine Verkaufsabsicht aufgegeben hatte (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 02.07.1998, MDR1999,351). Das OLG Frankfurt verwendet zur Abgrenzung einer vorübergehenden Unterbrechung von einem endgültigen Abbruch die Kriterien, die der BGH aufgestellt hat (vgl. BGH,

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NJW-RR 1991, 950; BGH, NJW-RR 1996, 691). Es soll eine Wiederanknüpfung von Gesprächen bzw. Verhandlungen den Provisionsanspruch unberührt lassen, wenn der Maklerkunde oder auch der Eigentümer nach einem vorübergehenden Stillstand in den Verhandlungen einen vom Makler geschaffenen Kontakt wieder aufnimmt, und wenn dann ohne erneute Einschaltung des Maklers der Kaufvertrag zu gleichwertigen Konditionen abgeschlossen wird. In einem solchen Fall ist ein endgültiger Abbruch der Vertragsverhandlungen zu verneinen. Anderes soll - so das OLG Frankfurt - gelten, wenn ein anderer Makler im Auftrage des Eigentümers das vom Markt genommene Objekt wieder auf den Markt bringt. Der schmale Grad zwischen einem vorübergehenden Erlahmen des Interesses und einem endgültigen Abbruch der Verhandlungen wird nur schwer transparent gemacht werden können. Fall: Die Verhandlungen scheitern, weil der Kunde wegen fehlender Genehmigungsfähigkeit eines Dachgeschossausbaus einen Hauptvertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung nicht abschließen will. Knapp 4 Monate später bietet der Verkäufer in einer Zeitungsanzeige die Wohnung - unter Berücksichtigimg des Minderwerts aufgrund fehlender Ausbaumöglichkeit - zu einem um (seinerzeit) DM 25.000,00 niedrigeren Preis (ursprüngliche Kaufpreisforderung DM 420.000,00) an (vgl. BGH NJW1999,1255). Der BGH führt aus: Bleibt der Verkäufer bereit und entschlossen, das Objekt zu veräußern, so ist die ursprüngliche Aktivität des Maklers ausreichend, um auch im Falle eines vorläufigen Scheiterns der Verhandlungen bei letztendlich zustande gekommenem Vertrag den Provisionsanspruch auszulösen. Das gilt auch dann, wenn 4 Monate später ohne erneute Einschaltung des Maklers der Verkäufer selbst aktiv wird, ohne dass der Makler noch einmal beteiligt wird. Nicht immer hat eine Unterbrechung von Vertragsverhandlungen Einfluss auf die Maklerprovision. Dies ist ζ. B. dann nicht der Fall, wenn beim Nachweis einer Mietvertragsgelegenheit die Verhandlungen des Interessenten und späteren Mieters mit der Vermieterin deshalb unterbrochen werden, weil die bisherige Mieterin das Mietverhältnis fortsetzen will. Nimmt nun, nachdem die bisherige Mieterin das Mietverhältnis doch nicht weiterführen will, der Maklerkunde die unterbrochenen Verhandlungen selbst mit dem Vermieter wieder auf, schließen sich seine Verhandlungen also an die früheren Verhandlungen an, so fehlt es an dem Merkmal des endgültigen Abbruchs der Vertragsverhandlungen und demjenigen einer neuen Entwicklung (vgl- BGH NJW-RR 1996,691).

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6.9 Provisionshöhe und Aufwendungsersatz 6.9.1

Provisionshöhe

Gem. § 653 Abs. 2 BGB gilt die Taxe, oder bei deren Fehlen, der übliche Lohn als vereinbart. Was üblich ist, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sieht man einmal von den Regelungen des § 3 WoVermittG ab. RDM Ring Deutscher Makler und VDM Verband Deutscher Makler im IVD Immobilienverband Deutschland, haben die ortsüblichen Provisionssätze zusammengestellt, soweit sie zum Abdruck freigegeben wurden. Sie wurden aufgrund einer Umfrage in den einzelnen Landesverbänden des RDM und VDM ermittelt, allerdings basieren sie auf unterschiedlichen Erhebungszeiträumen, die vonl998 bis 2004 reichen. Soweit gesetzlich zulässig, kann der Makler bei der Berechnimg seiner Courtageforderung die in dem jeweils nachgewiesenen oder vermittelten Vertrag vereinbarte Bruttomiete zugrunde legen. Entsprechend kann er beim Kauf den Bruttokaufpreis zur Berechnungsgrundlage der Maklerprovision machen. Die Mehrwertsteuer wird als unselbstständiger Teil der Miete bzw. des Kaufpreises angesehen. Die Provisionssätze bewegen sich beim Kauf von unbebauten und bebauten Grundstücken, Eigentumswohnungen, Ein-/Mehrfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien in der Regel bei 5-6 % des Bruttokaufpreises zzgl. Mehrwertsteuer. Bei der Vermittlung von Gewerberaummietverträgen beträgt die Provision i. d. R. 2-3 Monatsmieten, manchmal liegt sie regional auch darunter. Selten wird individualvertraglich auch ein Provisionsanspruch für Folgeverträge (Kauf nach Miete) vereinbar sein. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist eine solche Regelung ohnehin unzulässig. Häufiger aber führt die Vereinbarung einer Option zu einer Erhöhung des Provisionsanspruchs. Bei einer Verlängerung um 5 Jahre ist durchaus eine Monatsmiete zusätzlich ansetzbar. 6.9.2

Aufwendungsersatz

Gem. § 652 Abs. 2 können die Parteien vereinbaren, dass der Makler auch dann Ersatz für seine Aufwendungen erhält, wenn der Hauptvertrag nicht zustande kommt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass ein Aufwendungsersatz als Prozentanteil des Preises oder Gegenstandswerts nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden kann (vgl. BGH, NJW 1987, 1634), sondern lediglich als mäßiger Höchstbetrag. Bereits

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0,4 % des Preises erschienen dem BGH bei einer Preisvorsteilling von (seinerzeit) über DM 250.000,00 mit errechneten DM 1.000,00 Aufwendungsersatz als überhöht. Im Gegensatz hierzu können konkrete Auslagen, wie Fahrtkosten, Telefongebühren und Porti, als Pauschalsätze - ebenfalls in Form mäßiger Höchstbeträge wirksam vereinbart werden. Eine Aufwandsentschädigung darf nicht, und das ist der Grundsatz, zu einem unzulässigen Druck i. S. eines Abschlusszwanges führen. Sie darf nicht zu einer - wenn auch nur teilweisen - erfolgsunabhängigen Provision führen, weil auch eine solche dem Maklerwesen fremd ist und in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbart werden kann. Solche Regelungen weichen vom gesetzlichen Leitbild ab, wonach der Makler nur erfolgsorientiert vergütet werden soll.

6.10 Pflichten und Pflichtverletzungen 6.10.1 Nebenpflichten des Maklerkunden Nach dem gesetzlichen Leitbild des Maklervertrages gem. § 652 BGB gibt es keine in einem Gegenseitigkeitsverhältnis bestehenden Hauptpflichten zwischen dem Maklerkunden und dem Makler. Der Maklerkunde hat es als Auftraggeber in der Hand, ob er den Maklervertrag abschließen will oder nicht, d. h. ob er die Maklerleistung in Anspruch nehmen will oder nicht. Der Makler kann insoweit eine Mitwirkung seines Auftraggebers nicht erzwingen. Kraft Individualvereinbarung können die Parteien aber etwas anderes vereinbaren. So können sie vereinbaren, dass der Kunde verpflichtet sein soll, nicht nur eigene Aktivitäten zu unterlassen, sondern darüber hinaus den Makler stets hinzuzuziehen bzw. Interessenten an ihn zu verweisen (sogenannte Hinzuziehungs- und Verweisungsklauseln). Jedoch hat der Maklerkunde im Maklervertrag nach § 652 BGB Nebenpflichten zu erfüllen. Wichtigste Nebenpflicht ist die vertrauliche Behandlung der Maklernachweise. Da das Kapital des Maklers in den von ihm ermittelten Vertragsmöglichkeiten besteht, ist der Auftraggeber verpflichtet, alle Maklerinformationen (Nachweise) vertraulich zu behandeln und auch zu verhindern, dass sie aufgrund einer Nachlässigkeit von Dritten ausgenutzt werden können. Er darf nur solchen Personen Informationen weiterleiten, die aufgrund geschäftlichen Zusammenhangs (Partner, Steuerberater, Notar, Bank) - notwendigerweise hiervon erfahren müssen (vgl. Sailer/Langemaack (Hrsg.), Kompendium für Makler, Hausverwalter und Sachverständige, S. 38). Der Makler muss darauf bedacht sein, seine „Ware" nicht ohne vorheriges Provisionsversprechen aus der Hand zu geben.

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Der Kunde, der selbst von dem Maklernachweis keinen Gebrauch machen will, ihn aber an nicht provisionspflichtige Dritte weitergibt, entwertet damit das Kapital, mit dem der Makler arbeiten will. Er verletzt seine Nebenpflicht jedenfalls dann, wenn die Maklerinformation an eine Person weitergegeben wird, die ebenfalls am Erwerb eines Objektes dieser Art interessiert ist (vgl. Zopfs a. a. O., Rn 62). Die Vertraulichkeit gilt unabhängig davon, ob sie vereinbart wurde oder nicht. Es handelt sich um eine allgemeine Verpflichtung zur Wahrung der Interessen des Vertragspartners. Rechtsfolge der unbefugten Weitergabe vertraulicher Maklerinformationen ist eine Schadensersatzpflicht des Maklers aus positiver Verletzung des Maklervertrages. Man wird aber sagen müssen, dass dem Makler insoweit lediglich eine „stumpfe Waffe" zur Verfügung steht, handelt es sich doch um einen Schadensersatzanspruch, der wiederum voraussetzt, dass der Makler darlegt und beweist, dass der Dritte ihm einen Maklerauftrag erteilt hätte, wenn die vertrauliche Information nicht weitergegeben worden wäre (vgl. OLG FfM, MDR 1994, 35; a. A. Schwerdtner a. a. O, Rn 365). Dieser Nachweis wird dem Makler in aller Regel nicht gelingen. Dem Makler hilft aber in diesen Fällen eine auch in AGB wirksam vereinbare Formularklausel, wonach der Auftraggeber bei unbefugter Weitergabe der Information an einen Dritten und bei einem Erwerb durch den Dritten die (volle) vereinbarte Provision schuldet (vgl. BGH NJW 1987, 2431). Hier ist der Makler der Notwendigkeit des Nachweises im obigen Sinne enthoben. Es handelt sich um einen Erfüllungs- und nicht um einen Schadensersatzanspruch. Weiter treffen den Auftraggeber Informationspflichten über die Aufgabe des Interesses. Das gilt sowohl für den Verkäufer, der ohne den Makler verkauft hat, wie auch für den Käufer, der ein anderes Objekt erworben hat. Tätigt der Makler in Unkenntnis dieses Umstandes Aufwendungen, so hat ihm sein Auftraggeber diese Aufwendungen aus den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zu ersetzen (vgl. Zopfs a. a. O., Rn 65; Sailer & Langemaack a. a. O., S. 38; Schwerdtner a. a. O., Rn 368). Umstritten ist, ob der Maklerkunde den Makler auch sofort über seine Vorkenntnis zu unterrichten hat. Nach hier vertretener Auffassung ist das der Fall, weil der Maklerkunde aus einer allgemeinen Obhuts- und Sorgfaltspflicht alles zu unterlassen hat, was den Makler zu erkennbar sinnlosen Aufwand verleitet. Er macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er den sofortigen Hinweis auf die Vorkenntnis unterlässt (vgl. wie hier Schwerdtner a. a. O., Rn 351). Allerdings ist dem Makler durch Vereinbarimg einer sogenannten Vorkenntnisklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht geholfen, weil derartige Klauseln gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßen und unwirksam sind.

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6.10.2 Pflichten des Maklers Auch den Makler trifft nach dem gesetzlichen Leitbild keine Hauptpflicht. Auch insoweit beruhen die nachfolgenden Ausführungen auf der Darstellung fallbezogener Einzelaspekte, die allerdings teilweise für die Haftung des Maklers gravierend sind. Im Rahmen der Weitergabe von Informationen ist der Makler grundsätzlich nicht verpflichtet, die Angaben beispielsweise des Verkäufers vor der Weitergabe zu überprüfen. Er darf nur nicht den Eindruck erwecken, als habe er entsprechende Prüfungen bereits vorgenommen. Ist beispielsweise ein Objekt jahrzehntelang zu Bürozwecken bereits genutzt worden, so ist eine bejahende Antwort auf die Frage nach der bauaufsichtsrechtlichen Genehmigung zur Nutzung des Gebäudes zu Bürozwecken alleine wegen der jahrelangen Übung fahrlässig und kann den Makler schadensersatzpflichtig machen. Er ist nicht berechtigt, ins Blaue hinein Vermutungen zu Tatsachen zu erheben. Das OLG Celle (vgl. Urt. v. 19.12.2002, Immobilien-Makler 1/2004, 5) hat es als grobe Pflichtverletzung des Maklers angesehen, wenn dieser im Exposé davon spricht, ein im Außenbereich gelegenes Grundstücks sei als Ferien- bzw. Dauerwochenendsitz genehmigt, ohne dass er eine Quelle dafür hat, sondern diese Angaben ins Blaue hinein macht. Der Makler darf - wenn er einen entsprechenden Hinweis gibt - in das Exposé Auskünfte seines Auftraggebers ungeprüft übernehmen. Stellt sich eine Circa-Angabe hinsichtlich der Fläche als falsch heraus, so haftet der Makler hierfür nicht, insbesondere dann nicht, wenn er im Exposé gleichzeitig darauf Bezug nimmt, alle Angaben zum Objekt stammten vom Eigentümer/Vermieter und er, der Makler, hafte nicht für die Richtigkeit dieser Angaben. Das gilt insbesondere auch dann, wenn der Erwerber sich durch Besichtigimg der Räume auch von den Flächen überzeugen konnte (vgl. OLG Hamm, NZM 1998,241). Schwierig ist es für den Makler, wenn er als Hilfsperson des Bauträgers anzusehen ist. Das ist dann der Fall, wenn der Makler als Verhandlungsführer oder Verhandlungsgehilfe tätig wird und in dieser Funktion dem Käufer Angaben ζ. B. zur Wohnfläche macht. In einem solchen Falle wird von dem Grundsatz abgewichen, dass eine Vertragspartei im Rahmen von Verhandlungen nicht für einen von ihr beauftragten Makler einstehen muss. Sie muss es, wenn der Makler Erfüllungsgehilfe ist. Schaltet ein Bauträger einen Vertrieb ein und dieser wiederum einen Makler und bestätigt dieser Makler am Tage vor dem Vertragsabschluss schriftlich die Größen und die Quadratmeterpreise der einzelnen Wohnungen, so steht bei erheblicher Abweichung (mehr als 10 %) in der Fläche dem Käufer ein Anspruch auf Herabsetzung des Erwerbspreises und auch auf Rückforderung eines Teils des Maklerlohns zu (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2004, ZfIR 2004,324).

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Ist dem Makler bekannt, dass der Verkäufer einer Eigentumswohnung, der Bauträger, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, so muss er den Käufer hierauf aufmerksam machen (vgl. OLG Hamburg, NJW-RR1998,1206). Im Übrigen ist der Makler verpflichtet, die Bonität eines Bieters zu überprüfen, der die Immobile des Maklerkunden erwerben möchte, wenn der Kunde dem Makler gegenüber deutlich macht, dass es ihm auf die gesicherte Vermietbarkeit des Objekts ankommt. Entweder muss dann der Makler entsprechende Recherchen anstellen oder aber den Kunden darüber aufklären, dass er weder eine derartige Überprüfimg vorgenommen habe noch die finanziellen Verhältnisse des Mieters kenne. Hier treffen also den Makler verstärkte Nachforschungs- und Aufklärungspflichten (vgl. BGH, Urt. v. 31.1.2003, Immobilien-Makler 3/2004,7). Eine Aufklärungspflicht trifft den Makler auch dann, wenn er vom Kunden erfährt, dass dieser bereits einen anderen Makler eingeschaltet hatte. In diesem Fall muss der (zweite) Makler den Kunden auf die Möglichkeit und das Risiko einer doppelten Provisionsverpflichtung hinweisen. Unterlässt er diesen Hinweis, so macht er sich wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen schadensersatzpflichtig. Das kann bedeuten, dass der Kunde einen Anspruch auf Freistellung von der Provisionspflicht aus diesem zweiten Maklervertrag erlangt (vgl. OLG Hamm, NJW 1988, 842). Entfaltet der Makler gegenüber beiden Auftraggebern eine doppelte (jeweilige) Vermittlungstätigkeit, so muss er jede Partei über diese Doppeltätigkeit auch informieren (vgl. OLG Köln, NZM 2004, 266). Haben der Makler und sein Kunde eine sogenannte „Übererlösabrede" vereinbart, wonach dem Makler über seine Provision hinaus eine zusätzliche Vergütung zustehen soll, wenn ein bestimmter Verkaufspreis überschritten wird, so verletzt der Makler seine Treuepflichten, wenn er von der Unterbewertung des Objekts seitens des Kunden weiß, dennoch mit diesem Preis an den Markt geht, den Kunden nicht von dem untersetzten Preis informiert und eine auf der Grundlage dieses zu niedrigen Preises basierende Übererlösklausel vereinbart (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996,1012). Je deutlicher der Makler seine Qualifizierung bei der Anbahnung der Verhandlungen mit dem Kunden herausstellt, desto stärker belasten ihn Fehler, die ihm im Rahmen seiner Beratimg und seiner Unterrichtung des Auftraggebers unterlaufen. Der Makler wird dann auch an den Anforderungen, die an eine solche besondere Qualifizierung von den Marktteilnehmern üblicherweise gerichtet werden, gemessen. In dem immer stärker werdenden Wettbewerb trifft den Makler insoweit ein erhöhtes Haftungsrisiko für falsche Auskünfte und fehlerbehaftete Leistungen.

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6.10.3 Die Verwirkung des Provisionsanspruchs Der Makler verliert seinen Provisionsanspruch, wenn er seine Treue- und Sorgfaltspflichten verletzt und damit des Maklerlohnes nicht mehr „würdig" erscheint (vgl. BGH NJW 1962, 734). Dem Wortlaut des § 654 BGB nach ist die Verwirkung des Maklerlohnanspruches beschränkt auf den Fall, in dem der Makler dem Inhalt des Vertrages zuwider auch für den anderen Teil tätig gewesen ist. Der BGH hat den Anwendungsbereich ausgedehnt auf Fälle, in denen der Makler die ihm gegenüber dem Auftraggeber obliegende Treuepflicht in einer Weise fahrlässig verletzt, die dem Vorsatz nahe kommt (vgl. BGH WM 1981,1084). § 654 BGB ahndet neben einer - vertragswidrigen - Doppeltätigkeit auch anderweitige besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzungen des Maklers. Die Vorschrift zielt auf eine subjektiv besonders vorwerfbare Pflichtwidrigkeit ab. Der Verlust der Provision ist nach dem Normzweck die Konkretisierung einer Sanktion. § 654 BGB hat danach Strafcharakter (vgl. Fischer, NZM 2001,873,874). Die Kasuistik zu solchen schwerwiegenden Treuepflichtverletzungen ist umfangreich: •

Ein derart gravierender Fall liegt vor, wenn der Makler den Vertrag hintertreibt, um einem Dritten den Abschluss zu ermöglichen. Auch der Makler verliert seinen Provisionsanspruch, der seinen Auftraggeber glauben machen will, eine der Formen des § 311 b BGB nicht genügende Ankaufverpflichtimg sei wirksam und löse bereits einen Provisionsanspruch aus, obwohl er, der Makler, das Gegenteil weiß.



Der Makler verliert seinen Anspruch auch dann, wenn er dem Auftraggeber deutlich macht, mangels Zustimmung zu einer höheren Provision als ursprünglich vereinbart werde er den Notartermin „platzen" lassen. Das Gleiche gilt für den Makler, der dem Kunden verschweigt, dass der Verkäufer durchaus bereit wäre, über eine Reduzierung des Kaufpreises mit sich reden zu lassen (vgl. OLG Hamm, NJW-RR1997,370).



Grob fehlerhaft im Sinne einer Verwirkung des Provisionsanspruches handelt auch der Makler, der dem Kunden gegenüber das Einverständnis des Grundpfandgläubigers zur Bewilligung der Löschung seiner Grundpfandrechte gegen Erhalt des Kaufpreises dahingehend wertet, der Grundpfandgläubiger werde dann auf weitergehende Ansprüche verzichten. Darauf, ob diese grob falsche Darstellung zu einem Schaden führt, kommt es nicht an (vgl. OLG Koblenz, VersR 1996, 708).



Verwirkimg ist auch gegeben, wenn der Makler im Exposé ihm übermittelte Verkäufer-Koordinaten dem Interessenten vorenthält (vgl. LG Düsseldorf, NZM 2002,183).

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6 Die lmmóbilienvermiltlung

Der Provisionsanspruch wird auch verwirkt, wenn der Makler erklärt, ein Nachgeben im Preis komme nicht in Frage, obwohl er mit dem Verkäufer hierüber überhaupt keine Rücksprache genommen hat (vgl. OLG Koblenz, NZM 2002,180).



Besonders schwerwiegend ist die Pflichtverletzung, die darin liegt, dass der als Doppelmakler tätige Makler durch Einschaltung weiterer Interessenten den Kaufpreis zugunsten der Verkäuferseite in die Höhe treibt (vgl. OLG Düsseldorf, NZM 2001, 480).



Erhält der Makler Kenntnis von einem Gutachten, das zahlreiche Mängel des Objekts dokumentiert, so handelt er treuwidrig und verwirkt den Provisionsanspruch, wenn er dieses Gutachten nicht an seinen Auftraggeber weiterleitet (vgl. OLG Naumburg, NZM 2003,34).

6.10.4 Verflechtung als besonderer Fall der Verwirkung Nach dem gesetzlichen Leitbild hat der Makler neutraler Dritter zu sein. Das ist er nicht, wenn er zu dem Gegner des Auftraggebers in einem Verhältnis steht, das seine unabhängige Willensbildung nicht ermöglicht. Das wiederum ist der Fall, wenn eine rechtliche, persönliche oder wirtschaftliche Verflechtung im Sinne einer Abhängigkeit vorliegt, die eine freie Willensentscheidung verhindert. Es sind die Fälle der sogenannten echten Verflechtung und der sogenannten unechten Verflechtimg zu unterscheiden. Die Fälle unechter Verflechtung werden auch als institutionalisierter Interessenkonflikt bezeichnet (vgl. BGH NJW 1991,168). Das soll bedeuten, dass ein Konflikt dann entsteht, wenn der Makler sich unabhängig von seinem Verhalten im Einzelfall regelmäßig auf die Seite des Gegners seines Vertragspartners stellen wird. Fälle echter Verflechtung sind insbesondere diejenigen einer Kapitalbeteiligung, der Beherrschung des Veräußerers durch den Makler (vgl. BGH NJW 1985, 2473) oder etwa auch einer Beherrschung des Maklers und des Veräußerers durch einen Dritten (vgl. BGH NJW 1974,1130). Während ursprünglich der BGH nur Fälle einer 100 %-igen Beteiligung oder einer überwiegenden Beteiligung als provisionsschädlich ansah, hat er die Grenze der Provisionsschädlichkeit immer weiter herabgesetzt. Schon eine Beteiligung von 20 % könne provisionsschädlich sein (vgl. BGH NJW 1976, 45). Es komme auf die wirtschaftliche und nicht mehr auf die rechtliche Betrachtungsweise an. Aber nicht nur dann, wenn eine wirtschaftliche Verflechtung des Maklers und des Verkäufers vorliegt, ist die Neutralität des Maklers nicht mehr gewährleistet; auch dann, wenn dieselbe natürliche Person die Geschäftstätigkeit sowohl der Maklerfirma wie auch

6 Die Immobilienvermittlung

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der Firma des Veräußerers lenkt oder entscheidend beeinflusst, liegt ein Fall der unzulässigen Verflechtung vor. Eine provisionsschädliche Verflechtung ist immer dann gegeben, wenn das mäkelnde Unternehmen als Tochtergesellschaft im Konzern im Rahmen eines Beherrschungsvertrages und Ergebnisabführungsvertrages handelt. Fälle eines institutionalisierten Interessenkonfliktes sind: Das Zustimmungserfordernis des mäkelnden Verwalters im Rahmen einer Veräußerung einer Eigentumswohnung gem. § 12 WEG (vgl. BGH NJW 1991,168), es sei denn, der Maklerkunde ist von dem Tatbestand der Verflechtung informiert worden, oder auch die Identität des Maklers mit dem Verwalter des Sondereigentums (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Wohnungsvermittlungsgesetz). Der Makler, der auch Wohnungseigentumsverwalter des gemeinschaftlichen Eigentums ist und für einen einzelnen Wohnungseigentümer Tätigkeiten entfalten soll, ist an provisionspflichtigen Geschäften nicht gehindert. Das ist anders, wenn er auch das Sondereigentum verwaltet und dieses vermieten soll (vgl. BGH, NZM 2003,358; OLG Naumburg, NZM 2005,151). Denn der WEG-Verwalter ist nicht Verwalter von Wohnräumen i. S. d. WoVermittG. Unzulässig ist hingegen die Tätigkeit des Gehilfen des Wohnungsvermittlers, der die vermittelte Wohnung verwaltet (vgl. BGH, NZM 2003, 985). Auch ist es zulässig, wenn der Verwalter vertraglich mit dem Wohnungseigentümer einen konkreten Aufwandsersatz im Zusammenhang mit einem Mieterwechsel vereinbart (vgl. AG Hanau, NZM 2005, 27). Ob der BGH bei anderer Gelegenheit den Schutzzweck des Wohnungsvermittlungsgesetzes in der Abwägung das Prinzip der Vertragsfreiheit gegenüber stellen wird, und im Rahmen des Regel-Ausnahmeprinzips der Vertragsfreiheit und damit einer erweiterten Zulässigkeit provisionsberechtigender Vereinbarungen das Wort reden wird, bleibt abzuwarten.

6.11 Der Makler im Wettbewerb 6.11.1 Die Regelungen des UWG Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften für den Makler sind in erster Linie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), daneben auch das Preisklausel- und Preisangabengesetz und das Wohnungsvermittlungsgesetz. Das UWG ist seit 08.07.2004 neu gefasst. § 1 spricht den Zweck des Gesetzes aus: Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer. Die - einzige - Generalklausel (früher §§ 1, 3 UWG) enthält jetzt § 3: „Unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beein-

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trächtigen, sind unzulässig". Hierunter fallen die Wettbewerbszwecke, die bereits bislang unzulässig waren, weil sie insbesondere über geschäftliche Verhältnisse, den Ursprung einer Ware bzw. Leistung, ihren Preis, die Bezugsquelle oder die Menge der Vorräte irreführten. § 4 enthält gesetzlich definierte Beispiele unlauteren Wettbewerbs. 6.11.2 Fallbeispiele Bezogen auf die Tätigkeit des Maklers muss etwa die Vergleichbarkeit von verschiedenen Immobilienangeboten in transparenter Weise möglich sein. Die Angaben über die Preisgestaltung müssen der Preisklarheit und der Preiswahrheit entsprechen und vollständig sein. Es ist irreführend, wenn in einer Anzeige der Eindruck erweckt wird, als erfolge das Angebot direkt vom Berechtigten und nicht über einen Makler. Zahlreiche Streitigkeiten rühren aus der Verwendung unzulässiger Abkürzungen her. So ist die Abkürzung „Wfl./Nfl." häufig als irreführend angesehen worden, weil es sich um einen nicht um allgemein bekannte oder verständliche Abkürzungen handle, zum anderen aber auch die zusammengefassten Flächen nicht ausreichend als Summe der Wohnund Nutzfläche gekennzeichnet ist (vgl. Immobilien-Makler, Gruppe 5/S. 20b, 20c). Mögliche Wettbewerbsverstöße in der Immobilienwirtschaft: •

Umstritten ist, ob für Baugrundstücke und Bauland neben dem Quadratmeterpreis auch der Endpreis genannt werden muss.



Umstritten ist, ob bei Eigentumswohnungen neben den Quadratmeterpreisen auch mit dem Endpreis geworben werden muss.



Umstritten ist, ob der Begriff „Kaltmiete" irreführend ist (vgl. Immobilien-Makler a. a. O., Gruppe 5/S. 20f, 20g).



Für unterschiedliche Wohnungen mit unterschiedlicher Größe ist für jede Wohnung der Gesamtmietzins auszuweisen.



Bei der Vermittlungsprovision muss, wenn diese in einer Anzeige genannt wird, die Mehrwertsteuer mit einberechnet werden.



Erfolgt eine Vermarktung über einen Makler, so ist in einer Anzeige auf die (Käufer-) Provision hinzuweisen bzw. der Zusatz „Makler" aufzunehmen.



Werden Preisbestandteile angegeben, so muss - hervorgehoben - auch der Gesamtpreis angegeben werden.

6 Die ¡mmobilienvermittlung



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Bei unterschiedlichen Wohnungen mit unterschiedlichen Kaufpreisen kann in der Anzeige der gesamte Kaufpreis für die kleinste Einheit angegeben werden mit dem Zusatz „ab" (ohne diesen Zusatz könnte der Erwerber auf den Gedanken kommen, dass alle Wohnungen gleich teuer sind).

Immer ist entscheidend, wie der maßgebliche Geschäftsverkehr die Werbung versteht und nicht, was der Werbende zum Ausdruck bringen will. Es kommt immer auf die beteiligten Verkehrskreise an, wobei Fehlvorstellungen, auch von Minderheiten geschützt sind. 6.11.3 Das Verfahren Im Falle eines Verstoßes und nach Abmahnung kann der Verletzer zur Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung aufgefordert werden. Gibt er diese nicht oder nicht in geeigneter Weise ab, so kann auf Antrag gegen ihn eine einstweilige Verfügung ergehen. Mit ihr wird dem Verletzer unter Androhimg von Ordnungsmitteln die gerügte Werbung verboten. Die Abmahnung ist mit Abmahngebühren verbunden. Zum einen muss der Fehler ein gewisses Gewicht haben. Das Handeln des Verletzers muss geeignet sein, den Wettbewerb wesenüich zu beeinträchtigen. Die zum Stellen wettbewerbsrechtlicher Ansprüche berechtigten Vereine zur Förderung gewerblicher Interessen müssen nachweisen, dass sie über eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden als Mitglieder verfügen. Die Vereine müssen nachweisen, dass sie eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung haben, um die satzungsmäßigen Aufgaben zu erfüllen. Seit der UWG-Novelie sind weniger als 10 Vereine und eine allerdings steigende Zahl von mehr oder weniger engagierten Mitbewerbern im Immobilienbereich aktiv (vgl. Immobilien-Makler 5/2004,16-1,16-6, m. w. N.). Immer häufiger werden dem Abmahner die Anwaltskosten als Schadensersatz nicht mehr zugesprochen, wenn es nach mehreren gleichlautenden Abmahnungen dem Gewerbetreibenden möglich ist, eine Abmahnung selbst zu formulieren. Es sind dem Abmahnenden nämlich nur die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung zu ersetzen.

492

6 Die Immobilienvermittlung

Literaturverzeichnis zu Kap. 6 Dehner: Die Entwicklung des Maklerrechts seit 1994, NJW1997. Gerkan: Maklerklauseln in notariellen Grundstückskaufverträgen, NJW 1982. Hätti:, Das kleine Makler-AGB - Was der Makler über Kleingedrucktes unbedingt wissen muss, NZM 2000. Joerss: Maklergeschäfte richtig gestalten, NZM 2000. Langemaack: Neues vom BGH zum Nachweismaklervertrag, NZM 2000. Löhlein: Maklerprovision für Verwalter von Wohnungseigentum!?, NZM 2000. Neises: Konsequenzen für den Immobilienmakler aus dem Fernabsatzgesetz, NZM 2000. Palandt/Sprau: Bürgerliches Gesetzbuch, 59. Aufl., München 2000. Sailer & Langemaack (HRSG): Kompendium für Makler, Hausverwalter und Sachverständige. Schmidt: Entzug der Gewerbeerlaubnis, Partner im Gespräch, Band 48 (1995). Schmidt: FernAG - Wichtig für den Makler?, Immobilienmakler, Organisations- und Musterhandbuch für die Vermittlung von Immobilien, Lose Blattsammlung, WRSVerlag, Heft 2/2000, Gruppe 2. Schmidt: Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, DIV1/97. Schwerdtner: Maklerrecht, 4. Aufl., Beck, München 1999. Ulmer/Brandner/Hensen: AGBG, 8. Aufl. Windisch: Maklerprovision für WEG-Verwalter, NZM 2000. Zopfs: Das Maklerrecht in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, RWS-Skript 181, Köln 1996.

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7 Errichtung von Immobilien Eberhard Meincke, Walter Jagenburg, Inge Jagenburg

7.1 Die Baubetreuung Eberhard Meincke

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7.2 Der Architekten- und Ingenieurvertrag Walter Jagenburg und Inge Jagenburg

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7.3 Der Bauvertrag Inge Jagenburg

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7 Errichtung von Immobilien

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7.1 Die Baubetreuung Eberhard Meincke

7.1.1 Einleitung 7.1.1.1 Wirtschaftlicher Hintergrund 7.1.1.2 Formen der Baubetreuung

497 497 498

7.1.2 Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen 7.1.2.1 Besondere Gewerbeerlaubnis 7.1.2.2 Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) 7.1.2.2.1 Buchführungs- und Informationspflichten 7.1.2.2.2 Sicherungspflichten 7.1.2.2.3 Raten nur nach Baufortschritt 7.1.2.2.4 Befreiungsmöglichkeiten 7.1.2.2.5 Vermögenswerte des Auftraggebers nur für sein Bauvorhaben 7.1.2.2.6 Getrennte Vermögensverwaltung 7.1.2.2.7 Rechnungslegung 7.1.2.2.8 Verstöße

498 499 500 501 501 503 504

7.1.3 Der Bauträgervertrag 7.1.3.1 Begriff und Rechtsnatur des Bauträgervertrages 7.1.3.1.1 Begriff 7.1.3.1.2 Rechtsnatur des Bauträgervertrages 7.1.3.1.3 Abgrenzung von anderen Vertragstypen 7.1.3.2 Abschluß des Bauträgervertrages 7.1.3.2.1 Form 7.1.3.2.2 AGB-Prüfung 7.1.3.2.3 Anwendbarkeit der VOB Teil Β 7.1.3.3 Bestimmung des Vertragsgegenstandes 7.1.3.4 Entgelt und Zahlung 7.1.3.4.1 Preis 7.1.3.4.2 Zahlungsmodalitäten 7.1.3.4.3 Verzug des Erwerbers 7.1.3.4.4 Sicherungen für Zahlungsansprüche 7.1.3.4.5 Verjährung 7.1.3.5 Fertigstellung und Abnahme 7.1.3.5.1 Fertigstellung 7.1.3.5.2 Abnahme 7.1.3.6 Sachmängelhaftung 7.1.3.7 Kündigung

506 506 506 507 509 509 510 511 513 513 515 515 516 517 517 519 519 519 520 521 523

504 505 505 505

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7 Errichtung von Immobilien

7.1.4 Baubetreuung und Bauherrenmodell

523

7.1.4.1 Entwicklung des Bauherrenmodells

523

7.1.4.2 Die Beteiligten

524

7.1.4.3 Haftung

526

7.1.4.4 Geschlossene Immobilienfonds

526

Literaturverzeichnis zu Kapitel 7.1

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7 Errichtung von Immobilien

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7.1 Die Baubetreuung Eberhard Meincke Wegen des insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen großen Bedarfs an Wohn- und Gewerberaum, der besonderen Förderung von Eigentumsmaßnahmen in diesem Bereich sowie der wachsenden Kompliziertheit der Abwicklung von Immobilienkauf- und -errichtungsverträgen hat die Baubetreuimg in ihren verschiedenen Erscheinungsformen erhebliche wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Dabei sind die rechtlichen Grundlagen von Baubetreuungsverträgen nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im öffentlichen Recht zu suchen. Maßgeblich wird die Gestaltungsform auch von dem jeweils geltenden Steuerrecht und - mit wachsender Bedeutung - von den Leitgedanken des Verbraucherschutzes beeinflusst. 7.1.1

Einleitung

Die Bedeutung von Baubetreuungsmaßnahmen ist nicht von deren jeweiligem wirtschaftlichen Hintergrund zu trennen. Bau- und Eigentumsförderung einerseits und steuerliche Anreize andererseits haben die Baubetreuung in verschiedenen Ausprägungen entstehen lassen und entwickelt. 7.1.1.1

Wirtschaftlicher Hintergrund

Auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg gab es Programme zur Eigentumsförderung insbesondere im Wohnungsbau. Hierfür wurden sowohl öffentliche Mittel bereitgestellt als auch gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen. Es sei hierzu nur beispielhaft auf das Reichsheimstättengesetz vom 25. November 1937 verwiesen. Insbesondere die Zerstörungen der deutschen Städte während des Zweiten Weltkrieges und die Notwendigkeit der Eingliederung von Flüchtlingen machten es jedoch erforderlich, die staatlichen Förderungen von Wohnungsbau zu intensivieren und große Baumaßnahmen zur Sanierimg der zerstörten Stadtgebiete und Neubauviertel zur Schaffung neuen Wohnraums zu errichten. Dies erfolgte zunehmend auch durch private Träger, die dann wiederum Einzelimmobilien an Erwerber vertrieben. Beschleunigt wurde diese Entwicklung auch dadurch, dass sich größere Familienverbände frühzeitiger auflösten und durch die „Single"-Entwicklung weitere Einzelwohnungen benötigt wurden. Soweit derartige Gesamtbaumaßnahmen von privaten Trägern durchgeführt wurden, erkannten diese bald, dass die Veräußerung von erst fertig gestellten Wohnungen durch die vom Träger zu erbringende Zwischenfinanzierung kalkulatorisch teuer wurde und es deshalb vorzuziehen sei, bereits während der Bauphase Mittel des späteren Erwerbers

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7 Errichtung von Immobilien

in Anspruch zu nehmen oder sogleich sich auf die Rolle eines reinen Baubetreuers zurückzuziehen, während der spätere Bewohner - zusammen mit den übrigen späteren Inhabern der Baumaßnahme - die Bauherreneigenschaft erlangte. Während einerseits steuerliche Anreize für den Erwerber bzw. ersten Bauherren derartige Modelle attraktiv machten, wuchs andererseits das Bedürfnis nach festen Rahmenbedingungen zum Schutz des einzelnen Erwerbers, die dann sowohl im öffentlichrechtlichen Bereich als auch nach den Leitgedanken des Verbraucherschutzes entwickelt wurden. Wenn auch überwiegend im Wohnungsbau die Baubetreuung in ihren verschiedenen Erscheinungsformen zu beobachten war, so beschränkt sie sich jedoch keineswegs auf diesen Bereich, sondern findet sich auch heute im Gewerbebau wieder. 7.1.1.2

Formen der Baubetreuung

Baubetreuende Maßnahmen sind in verschiedenen Formen verwirklicht worden, von denen hier nur die Baubetreuung im engeren Sinne (sog. Bauherrenmodelle) und die Bauträgerschaft behandelt werden sollen. Baubetreuung im weiteren Sinne gliedert sich daher in die Betreuimg von Bauherren (Baubetreuimg im engeren Sinne) einerseits und die Bauträgerschaft andererseits. Daneben bestehen allerdings weitere Vertragsausgestaltungen, die ebenfalls Elemente der Baubetreuimg enthalten, auch wenn sie nach überwiegender Ansicht nicht zu den Baubetreuungsverträgen zu zählen sind. Hier sind insbesondere der Generalunternehmervertrag und der Vertrag mit einem Generalübernehmer zu erwähnen. Auch die Baubetreuung im engeren Sinne (Bauherrenmodelle) und die Bauträgerschaft sind keine etwa durch ein Gesetz festgelegte Vertragstypen, sondern Vertragswerke eigener Art, so dass auch unter den Baubetreuungsverträgen im engeren Sinne und den Bauträgerverträgen unterschiedliche Ausgestaltungen vorkommen. 7.1.2

Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen

Aufgrund der zunehmenden Kompliziertheit von Großbaumaßnahmen, in denen der einzelne Erwerber entweder als Bauherr oder als Erwerber nur einer von vielen Beteiligten war, ergab sich ein besonderes Schutzbedürfnis für den Bauherren oder Erwerber gegenüber dem Baubetreuer oder Bauträger. Dies wurde noch durch die zunehmende vertragliche Verpflichtung des einzelnen Bauherrn oder Erwerbers, bereits während der Bauphase finanzielle Mittel einzusetzen, verstärkt. Der Gesetzgeber hat deshalb durch Gesetz vom 16. August 1972 (Bundesgesetzblatt I Seite 1465) die Vorschrift des § 34 c in

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die Gewerbeordnung eingeführt, wonach bestimmte Berufsgruppen des Immobilienbereichs, unter ihnen auch die Baubetreuer und Bauträger, einer besonderen Gewerbeerlaubnis bedürfen. Auf der Grundlage dieser Vorschrift der Gewerbeordnimg und der in § 34 c Abs. 3 Gewerbeordnung (GewO) enthaltenen Ermächtigung ist die Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler, Bauträger und Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung - MaBV -) vom 20. Juni 1974 (Bundesgesetzblatt I Seite 1314) erlassen worden. In der MaBV sind im Einzelnen die Pflichten sowohl der Baubetreuer als auch der Bauträger geregelt, die diese gegenüber den Bauherren oder Erwerbern treffen und die gleichzeitig den Schutz dieses Personenkreises gegen Missbräuche seitens der Baubetreuer oder Bauträger bezwecken. 7.1.2.1

Besondere Gewerbeerlaubnis

Wer als Baubetreuer im weiteren Sinne, also entweder als Bauträger oder als Baubetreuer im engeren Sinne Baumaßnahmen gewerbsmäßig durchführen will, bedarf gem. § 34 c Abs. 1 GewO (in der heutigen Fassimg geltend ab 1. Januar 1999) der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnispflicht gilt für Baubetreuer, die im fremden Namen für fremde Rechnung Bauvorhaben wirtschaftlich vorbereiten oder durchführen (also für die Baubetreuung im engeren Sinne) gem. § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b GewO. Die Erlaubnispflicht gilt aber auch für Bauträger, die Bauvorhaben gewerbsmäßig im eigenen Namen durchführen, wenn die Bauträger insoweit Vermögenswerte von Erwerbern während der Bauphase in Anspruch nehmen, sog. „Treuhandbau" ( § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a GewO). Die Erlaubnispflicht gilt also nicht für einen Bauträger, der ein Bauvorhaben im eigenen Namen durchführt und bis zur Fertigstellung keine Mittel des Erwerbers in Anspruch nimmt, sog. „Vorratsbau". Die Tätigkeit des Baubetreuers oder Bauträgers muss „gewerbsmäßig" sein, ist also abzugrenzen von rein privater Bautätigkeit. Wo im einzelnen die Grenze zwischen privater Bautätigkeit (Vermögensverwaltung) und gewerbsmäßiger Betätigung liegt, ist nicht eindeutig zu beantworten. Jedoch geht die Tendenz der Rechtsprechung - ähnlich wie bei der Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerbsmäßiger Betätigung beim An- und Verkauf von Immobilien - in die Richtung, die der Bundesfinanzhof durch maßgebliche Urteile geprägt hat und die eine gewerbsmäßige Betätigung i. d. R. bereits dann annimmt, wenn mehr als drei Immobilienobjekte innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren erworben oder errichtet und wieder veräußert wurden. Die Schwelle zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerbsmäßiger Betätigung im Immobilienbereich ist somit sehr niedrig gesetzt. Nicht erforderlich ist die Absicht der

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Gewinnerzielung. Nicht erforderlich ist auch eine besondere Ausbildung oder Branchenkenntnis. Insofern können auch solche Personen zu gewerbsmäßigen Baubetreuern oder Bauträgern werden, die sich ansonsten auf völlig anderen wirtschaftlichen Betätigungsfeldern bewegen. Die Erlaubnis nach § 34 c GewO ist eine Berufszulassungsregelung. Inhaber der Erlaubnis ist der Gewerbetreibende selbst, also die natürliche oder juristische Person, die die Erlaubnis beantragt hat. Bei Personengesellschaften, die nicht juristische Personen sind, ist eine Erlaubnis für jeden geschäftsführenden Gesellschafter erforderlich. Voraussetzungen, die zur Erlangung der Erlaubnis in der Person des Antragstellers gegeben sein müssen, definiert § 34 c GewO - erstaunlicherweise - nicht. Insbesondere ist nicht etwa das Fachwissen nachzuweisen. Dagegen beinhaltet § 34 c Abs. 2 GewO Gründe, bei deren Vorliegen die Erlaubnis zu versagen ist. Dies gilt nach § 34 c Abs. 2 Nr. 1 GewO, wenn der Antragsteller oder der mit der Leitung des Betriebes Beauftragte nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dies ist wiederum dann der Fall, wenn der Antragsteller in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Antrages insbesondere wegen eines Verbrechens oder eines Vermögensdelikts rechtskräftig verurteilt worden ist. § 34 c Abs. 2 Nr. 2 GewO gibt als weiteren Versagungsgrund an, dass der Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt, was insbesondere der Fall sein soll, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder er in das vom Insolvenzgericht zu führende Verzeichnis nach § 26 Abs. 2 Insolvenzordnung eingetragen ist. Gem. § 34 c Abs. 5 GewO sind bestimmte Unternehmen von der Erlaubnispflicht ausgenommen, ζ. B. Kreditinstitute, Finanzierungsvermittler oder Gewerbetreibende, die lediglich zur Finanzierung der von ihnen abgeschlossenen Warenverkäufe Darlehensverträge vermitteln. 7.1.2.2

Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV)

Die MaBV aus dem Jahr 1974 ist zuletzt durch Verordnung vom 24. April 2003 (Bundesgesetzblatt I S. 547, 549) geändert worden. Sie bezieht sich nicht nur auf Baubetreuer und Bauträger, sondern auch auf andere, im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften tätige Personen, wie etwa die Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler. Die MaBV enthält zwingendes Recht. Soweit die Verordnimg also selbst nicht Ausnahmen schafft, müssen die Vertragsparteien die Vorschriften der MaBV berücksichtigen. Für die Baubetreuer und Bauträger beinhaltet die MaBV eine Reihe von wichtigen Vorschriften.

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7.1.2.2.1

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Buchführungs- und Informationspflichten

Der Bauträger und Baubetreuer - von der MaBV mit „Gewerbetreibender" bezeichnet hat seinem Vertragspartner - die MaBV spricht insofern von dem „Auftraggeber" - bereits spätestens bis zum Vertragsschluss Informationen schriftlich zu übermitteln, die im Einzelnen in § 10 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 MaBV genannt sind und die sich auf das Bauvorhaben selbst und dessen Durchführung sowie auf die von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Vermögenswerte beziehen (§11 Nr. 3 MaBV). Aber auch während der Durchführung und Abwicklung des Vertragsverhältnisses treffen den Gewerbetreibenden nach der MaBV (§§ 10, 11) umfangreiche Dokumentations-, Buchführungs- und Informationspflichten. Dem entspricht auch, dass der Gewerbetreibende gem. § 14 MaBV diese Dokumentationen (Geschäftsunterlagen) über fünf Jahre in seinen Geschäftsräumen aufzubewahren hat, wobei dieser Zeitraum mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der letzte aufzeichnungspflichtige Vorgang für den zur Rede stehenden Auftrag angefallen ist, beginnt. Durch diese umfangreichen Dokumentations- und Informationspflichten des Gewerbetreibenden hat der Auftraggeber die Möglichkeit, seinerseits nachzuvollziehen, ob der Gewerbetreibende seinen Verpflichtungen aus der MaBV nachgekommen ist. 7.1.2.2.2

Sicherungspflichten

Der Baubetreuer, der ein Gewerbe nach § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b GewO durchführt, hat dem Auftraggeber Sicherheit zu leisten, bevor er Vermögenswerte des Auftraggebers zur Ausführung des Auftrages erhält oder zu deren Verwendung ermächtigt wird (§ 2 Abs. 1 MaBV). Dabei kann die Sicherheit durch Bürgschaft geleistet werden, die durch Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen zu stellen ist (§ 2 Abs. 2 MaBV). Die Verpflichtung zur Stellung einer derartigen Bürgschaft endet jedoch, falls der Gewerbetreibende Vermögenswerte des Auftraggebers, die er in Teilbeträgen erhalten hat, ordnungsgemäß verwendet und dies dem Auftraggeber nachgewiesen hat (§ 2 Abs. 5 MaBV). Da der Bauträger seinem Auftraggeber Eigentum an einem Grundstück überträgt, gilt für ihn § 2 MaBV nicht. Für den Bauträger schreibt § 3 Abs. 1 MaBV besondere Sicherungspflichten vor, wenn der Bauträger gem. § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a GewO Vermögenswerte des Auftraggebers während der Bauphase in Anspruch nehmen will und das Eigentum an einem Grundstück dem Auftraggeber erst nach Fertigstellung des Bauvorhabens übertragen werden soll.

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Zunächst muss vor Inanspruchnahme von Vermögenswerten des Auftraggebers der Vertrag zwischen dem Bauträger und dem Auftraggeber rechtswirksam sein (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MaBV). Insbesondere müssen die für den Vollzug des Vertrages etwa erforderlichen schuldrechtlichen (ζ. B. des vollmachtlos Vertretenen) und öffentlich-rechtlichen (z. B. nach den §§ 19, 22 Baugesetzbuch) Genehmigungen vorliegen. Der beurkundende Notar muss diese Voraussetzungen dem Auftraggeber schriftlich mitteilen und gleichzeitig bestätigen, dass vertragliche Rücktrittsrechte des Bauträgers nicht (mehr) bestehen. Dies bedeutet allerdings keinen Ausschluss etwaiger gesetzlicher Rücktrittsrechte, wie ζ. B. des Rücktrittsrechts nach vergeblicher Nachfristsetzung gem. § 323 BGB. Weitere Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Vermögenswerten des Auftraggebers ist die Eintragung der Auflassungsvormerkung für den Auftraggeber an der vereinbarten Rangstelle im Grundbuch (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MaBV). Hierdurch wird der schuldrechtliche Anspruch des Auftraggebers auf dingliche Rechtsänderung gesichert, da eine entgegenstehende Verfügung des Bauträgers als Grundstückseigentümer gegenüber dem Auftraggeber unwirksam sein würde, wenn sie den Anspruch auf Eigentumsverschaffung beeinträchtigen würde. Nach herrschender Ansicht genügt hier nicht die Abtretung einer Auflassungsvormerkung, die für den Bauträger im Grundbuch eingetragen ist, sofern der Bauträger selbst noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Sofern sich der Anspruch des Auftraggebers auf Übertragung des Eigentums auf Wohnungs- oder Teileigentum bezieht, muss außerdem die Begründung dieses Rechtes im Grundbuch bereits vollzogen sein, also eine wirksame Teilungserklärung vorliegen und ein Wohnungsgrundbuch angelegt sein. Die dritte Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Vermögenswerten durch den Bauträger beschreibt § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MaBV dahingehend, dass das Vertragsobjekt von allen Grundpfandrechten, die der Vormerkung zugunsten des Auftraggebers im Range vorgehen oder gleich stehen und nicht übernommen werden sollen, freigestellt ist oder die Freistellung gesichert ist, und zwar auch für den Fall, dass das Bauvorhaben nicht vollendet wird. Die MaBV beschreibt dabei die Freistellung als gesichert, wenn gewährleistet ist, dass die nicht zu übernehmenden Grundpfandrechte im Grundbuch gelöscht werden, und zwar entweder, wenn nämlich das Bauvorhaben vollendet wird, unverzüglich nach Zahlung der geschuldeten Vertragssumme oder andernfalls, wenn also das Bauvorhaben nicht vollendet wird, unverzüglich nach Zahlung des dem erreichten Bautenstand entsprechenden Teils der geschuldeten Vertragssumme durch den Auftraggeber. Im letzteren Falle kann sich im Übrigen nach § 3 Abs. 1 MaBV der Kreditgeber noch vorbehalten, seinerseits an Stelle der Freistellung alle vom Auftraggeber bereits geleisteten Zahlungen bis zum anteiligen Wert des Vertragsobjektes zurückzuzahlen. Die

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zur Sicherung der Freistellung erforderlichen Erklärungen müssen dem Auftraggeber ausgehändigt werden, und wenn sie bereits bei Abschluss des notariellen Vertrages vorliegen, muss hierauf im Vertrag ausdrücklich Bezug genommen oder im Vertrag ein ausdrücklicher Hinweis auf die Verpflichtung des Gewerbetreibenden zur Aushändigung der Erklärungen und deren notwendigen Inhalt enthalten sein. Schließlich ist Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 MaBV für die Inanspruchnahme von Vermögenswerten des Auftraggebers die Erteilung der Baugenehmigung oder eine Bestätigung der zuständigen Behörde dahingehend, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist oder als erteilt gilt oder dass nach den baurechtlichen Vorschriften mit dem Bau begonnen werden darf. Dabei kann die vorgenannte behördliche Bestätigung, wenn diese nicht vorgesehen ist, auch durch eine schriftliche Bestätigimg des Bauträgers ersetzt werden dahingehend, dass die Baugenehmigimg als erteilt gilt oder nach den baurechtlichen Vorschriften mit dem Bauvorhaben begonnen werden darf. Allerdings muss nach Eingang dieser Bestätigung beim Auftraggeber mind, ein Monat vergangen sein. Umstritten ist, ob die erteilte Baugenehmigung auch bereits rechtskräftig sein muss. Diese vier wesentlichen Sicherungspflichten treffen den Bauträger zum Schutze seines Auftraggebers und von dessen Vermögenswerten. 7.1.2.2.3

Raten nur nach Baufortschritt

Wenn der Bauträger gem. § 3 Abs. 1 MaBV die Voraussetzungen geschaffen hat, um Vermögenswerte des Auftraggebers in Anspruch zu nehmen, so darf er dies jedoch auch nur im Rahmen der im Einzelnen in § 3 Abs. 2 MaBV vorgeschriebenen Raten nach Baufortschritt tun und nicht zu Lasten des Auftraggebers von den dort genannten Vorschriften abweichen. Die seit 1997 weiter ausdifferenzierte Vorschrift über die Prozentsätze der Inanspruchnahme nach Baufortschritt (Zahlungsplan) beinhaltet nunmehr höchstens sieben Raten, die der Bauträger entsprechend dem Baufortschritt entgegennehmen darf, wobei die höchstens sieben Raten im Einzelnen sich aus den in der MaBV (§ 3 Abs. 2 Satz 2) aufgeführten Prozentsätzen nach den dort genannten 13 Bauabschnitten ergeben und in den dort genannten Ratenhöhen für die Bauabschnitte (in Prozentsätzen) gestaltet werden können. Die in § 3 Abs. 2 Satz 2 MaBV im Einzelnen genannten Bauabschnitte können allerdings nicht zu Ungunsten des Auftraggebers weiter aufgegliedert werden. Das Gleiche gilt für die im Hinblick auf die einzelnen Bauabschnitte genannten Prozentsätze. Es können lediglich Bauabschnitte und damit auch Prozentsätze zusammengefasst werden, wobei

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natürlich vom Bauträger sichergestellt sein muss, dass diese Bauabschnitte dann auch bei Inanspruchnahme der entsprechenden Rate erbracht sind. Bei den in § 3 Abs. 2 Satz 2 MaBV genannten Prozentsätzen handelt es sich um Höchstbeträge. Die dort genannten Prozentsätze beziehen sich auf den zwischen Bauträger und Auftraggeber vereinbarten Gesamtpreis im Bauträgervertrag, umfassen also auch das Grundstück. Im Einzelnen können also die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 MaBV genannten bis zu sieben Raten zwischen Bauträger und Auftraggeber im Rahmen der zu den einzelnen Bauabschnitten festgelegten Höchstprozentsätze nach § 3 Abs. 2 Satz 2 MaBV zusammengestellt werden. 7.1.2.2.4

Befreiungsmöglichkeiten

Allerdings gibt die MaBV in § 7 eine eigene Ausnahmevorschrift, die es dem Baubetreuer und dem Bauträger ermöglicht, sich von den Sicherungspflichten nach §§ 2 und 3 MaBV zu befreien. Dies ist gem. § 7 Abs. 1 MaBV dann möglich, wenn der Baubetreuer und der Bauträger Sicherheit leisten für alle etwaigen Ansprüche des Auftraggebers auf Rückzahlung seiner Vermögenswerte durch Beibringung einer Bürgschaft einer Bank oder Versicherung. Eine weitere Befreiungsmöglichkeit besteht, wenn der Auftraggeber eine juristische Person des öffentlichen Rechts, ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen oder ein in das Handelsregister oder Genossenschaftsregister eingetragener Kaufmann ist und der Auftraggeber in gesonderter Urkunde auf die Sicherungspflichten verzichtet hat (§ 7 Abs. 2 MaBV). In der Praxis wird von diesen Ausnahmevorschriften häufig Gebrauch gemacht. Insbesondere kann der Bauträger in diesem Falle schon frühzeitiger, als es § 3 Abs. 1 MaBV zulassen würde, Vermögenswerte des Auftraggebers in Anspruch nehmen und überdies einen von § 3 Abs. 2 MaBV abweichenden Zahlungsplan mit dem Auftraggeber vereinbaren. 7.1.2.2.5

Vermögenswerte des Auftraggebers nur für sein Bauvorhaben

Der Baubetreuer und der Bauträger dürfen Vermögenswerte des Auftraggebers nur für das konkrete Bauvorhaben verwenden, auf das sich der Auftrag bezieht. Der Baubetreuer darf darüber hinaus Vermögenswerte der Auftraggeber, wenn sich das Bauvorhaben auf mehrere Auftraggeber bezieht, nur im Verhältnis der Kosten der einzelnen Einheiten zu den Gesamtkosten des Bauvorhabens verwenden (§ 4 MaBV).

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Auch von diesen Verpflichtungen können sich Baubetreuer und Bauträger gem. der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 MaBV befreien. 7.1.2.2.6

Getrennte Vermögensverwaltung

Gem. § 6 MaBV hat der Gewerbetreibende solche Vermögenswerte, die er von seinem Auftraggeber erhält, von seinem eigenen Vermögen und dem Vermögen seiner sonstigen Auftraggeber getrennt zu verwalten. Diese Vorschrift gilt allerdings nicht für Bauträger, die Vermögenswerte ihres Auftraggebers vertragsgemäß lediglich im Rahmen des Zahlungsplans gem. § 3 Abs. 2 MaBV entgegengenommen haben. Sofern der Baubetreuer oder Bauträger von den Ausnahmebestimmungen der §§ 7 Abs. 1 oder 2 MaBV Gebrauch macht, entfällt seine Verpflichtung aus § 6 MaBV. 7.1.2.2.7

Rechnungslegung

Grundsätzlich hat der Gewerbetreibende gem. § 8 MaBV über die von seinem Auftraggeber entgegengenommenen Vermögenswerte und deren Verwendung nach Beendigimg des Auftrages Rechnung zu legen. Diese Verpflichtung entfällt allerdings, wenn der Auftraggeber nach Beendigung des Auftrages entweder schriftlich auf die Rechnungslegung verzichtet hat oder wenn sich der Gewerbetreibende und der Auftraggeber auf einen Festpreis geeinigt haben. Dies ist i. d. R. bei Bauträgerverträgen der Fall. 7.1.2.2.8

Verstöße

Verstöße des Baubetreuers oder Bauträgers gegen die zwingenden Vorschriften der MaBV werden als Ordnungswidrigkeiten gem. § 18 MaBV geahndet und können überdies auch Straftatbestände erfüllen wie ζ. B. Betrug, Untreue oder Unterschlagung. Darüber hinaus können den Gewerbetreibenden gewerberechtliche Maßnahmen zur Entziehung der Gewerbeerlaubnis nach § 34 c GewO treffen. Zivilrechtlich bleibt nach herrschender Ansicht das Vertragswerk auch bei Verstößen gegen die MaBV wirksam, wobei nur die gegen die zwingenden Vorschriften der MaBV im Einzelnen verstoßenden Vertragsbestimmungen unwirksam sind. Die Regelung des § 139 BGB, wonach bei Teil Unwirksamkeit von Verträgen im Zweifel anzunehmen ist, dass die Verträge insgesamt unwirksam sind, trifft hier deshalb nicht zu, weil davon auszugehen ist, dass jedenfalls der Auftraggeber den Vertrag auch dann geschlossen hätte, wenn von vornherein die zwingenden Vorschriften der MaBV beachtet worden wären. An die Stelle der unwirksamen Bestimmungen treten nunmehr die zwingenden Bestimmungen der MaBV.

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Überdies muss der Gewerbetreibende mit Schadensersatzansprüchen rechnen, wenn sein Auftraggeber durch die Verstöße gegen die MaBV Schäden erlitten hat und diese schuldhaft (also zumindest fahrlässig) von dem Gewerbetreibenden verursacht wurden. 7.1.3

Der Bauträgervertrag

Im Rahmen der vorstehend erörterten öffentlich-rechtlichen Vorschriften kann nunmehr die Baubetreuung mit dem Auftraggeber im Rahmen der grundgesetzlich garantierten Vertragsfreiheit (Art. 2 GG) zivilrechtlich vertraglich geregelt werden. Hier ist zunächst der Bauträgervertrag zu behandeln als der heute im Mittelpunkt der Baubetreuung im weiteren Sinne stehende Vertragstypus. Dagegen hat die Baubetreuung im engeren Sinne (Bauherrenmodelle), auf die unten unter 7.1.4 einzugehen sein wird, an wirtschaftlicher Bedeutung gegenüber ihrer Blütezeit in den siebziger Jahren verloren. 7.1.3.1

Begriff und Rechtsnatur des Bauträgervertrages

Der Begriff des Bauträgervertrages ist gesetzlich nicht definiert, obwohl das Gesetz (GewO, MaBV) diesen Begriff durchaus verwendet. Nicht nur in der immobilienrechtlichen Literatur, sondern auch in den Bereichen des Steuerrechts und der Bauwirtschaft spricht man vom Bauträger, allerdings häufig in unterschiedlicher Ausprägung. Dies liegt daran, dass das Verhältnis zwischen Bauträger und Erwerber von einer Vielzahl von rechtlichen Bestimmungen geprägt wird, die verschiedenen Vertragstypen entstammen. Damit stellt sich auch die Frage nach der Rechtsnatur des Bauträgervertrages, deren Beantwortung insbesondere Bedeutung hat für die Anwendung von gesetzlichen Vorschriften, die entweder zwingendes Recht sind oder die zur Anwendung gelangen, weil die Vertragsparteien keine eigenen vertraglichen Regelungen geschaffen haben. 7.1.3.1.1

Begriff

Wie schon dargestellt, ist der Bauträgervertrag unter dem Oberbegriff der Baubetreuung im weiteren Sinne einzuordnen. Auch er enthält Elemente der Baubetreuung, also der entgeltlichen Geschäftsbesorgung i. S. d. § 675 BGB. Dennoch unterscheidet sich der Bauträgervertrag nicht unerheblich von der Baubetreuung im engeren Sinne, wozu bereits § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GewO Anzeichen bietet. Während der Baubetreuer im engeren Sinne einen Bauherrn betreut und für ihn Verträge in fremdem Namen und auf fremde Rechnung abschließt, handelt der Bauträger grundsätzlich im eigenen Namen und i. d. R. auch für eigene Rechnung bei der Durchführung des Bauvorhabens. Während also der Baubetreuer im engeren Sinne dafür sorgt, dass Verträge zwischen dem Bauherrn und dem Bauunternehmen direkt abgeschlossen werden, schließt der Bauträger Verträge mit

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den am Bau Beteiligten im eigenen Namen ab. Denn der Bauträger errichtet ein Gebäude im eigenen Namen - i. d. R. auch auf eigenem Grundstück - und verpflichtet sich, Grundstück und Gebäude nach Fertigstellung an den Erwerber zu übertragen. Insofern besteht seitens des Erwerbers lediglich eine unmittelbare Rechtsbeziehung zu dem Bauträger und nicht zu den am Bau Beteiligten. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Bauträger bereits während der Bauphase Mittel des Erwerbers in Anspruch nimmt. Wenn der Bauträger sich das Entgelt erst Zug um Zug gegen Übergabe des Grundstücks und des auf diesem fertig gestellten Gebäudes zahlen lässt, handelt es sich um einen sog. „Vorratsbau". Während der Bauphase werden also insofern keine Mittel des Erwerbers in Anspruch genommen. Deshalb benötigt auch ein derartiger Bauträger nicht die besondere Gewerbeerlaubnis nach § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a GewO. Anders aber bei dem „Treuhandbau", bei dem der Bauträger bereits während der Bauphase finanzielle Mittel des Erwerbers erhält und diese also wie ein Treuhänder aufgrund der besonderen Bestimmung der MaBV zu verwalten hat. Hierfür benötigt der Bauträger die besondere Gewerbeerlaubnis nach § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a GewO. Beim Treuhandbau handelt es sich um die wesentliche Erscheinungsform der Bauträgerschaft. Der Vorratsbau kommt insbesondere bei Gewerbeobjekten vor. Bauträger ist demnach, wer gewerbsmäßig auf Grundstücken, die nicht dem Erwerber, sondern dem Bauträger selbst gehören, Gebäude im eigenen Namen errichtet und sich gleichzeitig verpflichtet, Grundstück und Gebäude an den Erwerber nach Fertigstellung des Gebäudes zu übertragen. Dies unterscheidet den Bauträger vom Baubetreuer im engeren Sinne, der für den Bauherrn Verträge in dessen Namen und auf dessen Rechnung abschließt und mit dem Bauherrn lediglich durch den Baubetreuungsvertrag verbunden ist. Baubetreuer im engeren Sinne ist also, wer gewerbsmäßig Bauvorhaben in fremdem Namen für fremde Rechnung vorbereitet und durchführt (vgl. auch § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b GewO). 7.1.3.1.2

Rechtsnatur des Bauträgervertrages

Da der Bauträger sich gegenüber dem Erwerber im Bauträgervertrag verpflichtet, diesem ein Grundstück zu übertragen, auf dem Grundstück ein Gebäude (oder eine Wohnung) zu errichten und dieses Gebäude nach Fertigstellung ebenfalls auf den Erwerber zu übertragen, handelt es sich bei dem Bauträgervertrag um einen gemischten Vertrag, der Elemente des Kaufvertrages, des Werkvertrages und der entgeltlichen Geschäftsbesorgung enthält. Dabei hat sich in der Praxis immer wieder die Frage gestellt, welchem Vertrags-

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typus der Bauträgervertrag unterliegen soll - etwa im Hinblick auf die Gewährleistungsrechte -, wenn die Parteien in dem Vertrag nichts ausdrücklich geregelt haben, oder welche zwingenden Gesichtspunkte eine Rolle spielen können, die sich aus dem einen oder anderen Vertragstypus ergeben mögen. Diese Frage spielt seit dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 eine geringere Rolle als zuvor, weil die Gewährleistungsregeln des Kauf- und des Werkvertragsrechts durch die Reform einander weitgehend angeglichen worden sind. So wäre ein Nachbesserungsanspruch des Erwerbers bei Baumängeln jetzt nicht mehr nur nach Werkvertragsrecht, sondern auch nach Kaufrecht gegeben. Ferner bestünden Schadensersatzansprüche für den Erwerber jeweils generell bei einer Pflichtverletzung. Schließlich sind jetzt die Gewährleistungsfristen mit fünf Jahren im Kauf- und im Werkvertragsrecht identisch. Der wichtigste verbleibende Unterschied zwischen dem Gewährleistungsrecht bei Kaufund bei Werkverträgen betrifft die Abgrenzimg zwischen dem Erfüllungs- und dem Gewährleistungsstadium: Während im Kaufrecht der Übergang von Erfüllungs- zu Gewährleistungsansprüchen schon mit der Übergabe erfolgt, sieht das Werkvertragsrecht als Schnittstelle ausdrücklich die Abnahme vor. Daher begänne die Verjährungsfrist nach Kaufrecht mit der Übergabe, nach Werkvertragsrecht aber erst mit der Abnahme des Bauwerks zu laufen. Ferner liegt das Wahlrecht zwischen den Formen der Nacherfüllung (Mängelbeseitigung oder Neuherstellung) im Kaufrecht beim Käufer (ErWerber), im Werkvertragsrecht hingegen beim Unternehmer (Bauträger). Außerdem sieht nur das Werkvertragsrecht einen Anspruch des Erwerbers auf Abschlagszahlungen vor. Wenn auch der Bauträgervertrag im Rahmen der Grundstücksübertragung kaufvertragliche Elemente enthält, so ist doch nicht zu verkennen, dass die Verpflichtung des Bauträgers zur Errichtung des Bauvorhabens im Mittelpunkt steht und deshalb die Anwendung des Werkvertragsrechts jedenfalls für diesen Bereich vorrangig ist. Die Rechtsprechung hat den Bauträgervertrag daher im Wesentlichen den Regelungen des Werkvertragsrechts unterstellt und allenfalls die Regelungen über die Übertragung des Grundstückes unter dem Gesichtspunkt des Kaufrechts betrachtet. Heute allerdings dringt die Ansicht immer mehr vor, dass der Bauträgervertrag insgesamt dem Werkvertragsrecht zu unterstellen ist und dass die einzelnen Elemente des Bauträgervertrages nicht rechtlich unterschiedlich oder getrennt voneinander behandelt werden können. So ist anerkannt, dass von dem Bauträgervertrag nur einheitlich zurückgetreten werden kann, nicht etwa nur von der Bauerrichtungsverpflichtung unter Beibehaltung des Rechts auf Übertragung des Grundstückes.

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In der Konsequenz bedeutet dies, dass auf den Bauträgervertrag das Gewährleistungsrecht des Werkvertragsrechts des BGB Anwendung findet und nur in ganz spezifischen Ausnahmefällen einmal hinsichtlich der Übertragimg des Grundstückes isoliertes Gewährleistungsrecht des Kaufrechts zur Anwendung gelangen kann. Innerhalb des Werkvertragsrechts ist der Bauträgervertrag als Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache zu charakterisieren i. S. d. § 651 Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Folge der Anwendbarkeit der wesentlichen Vorschriften des Werkvertragsrechts. 7.1.3.1.3

Abgrenzung von anderen Vertragstypen

Der Bauträgervertrag unterscheidet sich von dem typischen Generalunternehmervertrag dadurch, dass beim Generalunternehmervertrag der Bauherr den Unternehmer mit der Erstellung eines Bauvorhabens beauftragt. Der Bauherr trägt das typische Bauherrenrisiko, während der Generalunternehmer einzelne Gewerke an Subunternehmer vergeben kann. Die Erstellung des Bauvorhabens erfolgt auf der Grundlage der von dem Bauherrn oder seinem beauftragten Architekten gelieferten Planung. Für die Tätigkeit als Generalunternehmer ist eine Gewerbeerlaubnis nach § 34 c GewO nicht erforderlich. Der Bauträgervertrag unterscheidet sich auch vom Generalübernehmervertrag, der hier so verstanden werden soll, dass der Generalübernehmer neben der Stellung als Generalunternehmer auch noch die planerischen Tätigkeiten übernimmt (von manchen Autoren auch als „Totalunternehmer" bezeichnet). Auch der Generalübernehmer kann einzelne Gewerke, aber auch die Errichtung des Bauvorhabens insgesamt an Subunternehmer vergeben. Auch der Generalübernehmer benötigt nicht die Gewerbeerlaubnis nach § 34 c GewO. Während der Bauträger also selbst als Bauherr das Bauvorhaben errichtet oder durch Dritte errichten lässt, steht dem Generalübernehmer und Generalunternehmer immer der Bauherr gegenüber, der mit ihm den Bauvertrag schließt. 7.1.3.2

Abschluss des Bauträgervertrages

Beim Abschluss des Bauträgervertrages ist das strenge Formerfordernis der notariellen Beurkundung zu beachten. Weiterhin spielen hier die zivilrechtlichen Schutzvorschriften eine Rolle, die aus den Leitgedanken des Verbraucherschutzes entwickelt und als Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) mittlerweile Eingang in das BGB gefunden haben. Schließlich ist zu beachten, ob die Verdingungsordnung für

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Bauleistungen (VOB), insbesondere deren Teil B, von den Parteien an die Stelle des Werkvertragsrechts gesetzt werden kann. 7.1.3.2.1

Form

Gem. § 311b BGB ist die notarielle Beurkundung von Verträgen erforderlich, bei denen sich ein Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben. Da dies beim Bauträgervertrag der Fall ist, es sich darüber hinaus bei der Verpflichtung des Bauträgers zur Errichtung des Bauvorhabens selbst um einen untrennbaren Teil des damit verbundenen Grundstücksgeschäftes handelt, bedarf der Bauträgervertrag insgesamt der notariellen Beurkundung. Es handelt sich um ein einheitliches Geschäft, da der eine Teil (hier: Grundstücksübertragung) nicht ohne den anderen Teil (hier: Bauerrichtungsverpflichtung) abgeschlossen würde. Die Verpflichtung zur notariellen Beurkundung ist umfassend. Sie ergreift auch etwaige Vorverträge oder auch Anzahlungsvereinbarungen und selbstverständlich auch ein einseitiges Angebot eines Vertragsteils und dessen Annahme, die beide notariell beurkundet sein müssen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Erfordernis der Vollständigkeit der Beurkundung. Alle mit dem Grundstücksgeschäft zusammenhängenden Verpflichtungen müssen vollständig notariell beurkundet sein, wobei nicht alle Bestimmungen unbedingt in einer einzigen notariellen Urkunde zusammengefasst werden müssen, sondern sich auch in mehreren notariellen Urkunden befinden können. Sofern neben den Bestimmungen, die notariell beurkundet worden sind, noch sonstige mit dem Grundstücksgeschäft im Zusammenhang stehende Vereinbarungen ohne Beachtung der notariellen Beurkundungsform getroffen wurden, sind diese gem. § 125 BGB unwirksam. Daneben ist auch der notariell beurkundete Vertrag deshalb unwirksam, weil er nicht vollständig beurkundet war. Deshalb muss in der Praxis in jedem Einzelfall geprüft werden, ob mit dem Grundstücksgeschäft untrennbare weitere Vereinbarungen getroffen worden sind, die vielleicht ihrerseits isoliert nicht der Form der notariellen Beurkundung bedürften, diese aber nun doch gem. § 311b BGB einhalten müssen, weil das Grundstücksgeschäft nicht ohne diese weiteren Bestimmungen abgeschlossen worden wäre. Ein typischer Fall hierfür ist das sog. Sale-and-Lease-Back-Geschäft bei Grundstücken, bei denen dann auch der Mietvertrag oder Leasingvertrag notariell zu beurkunden ist. Das Vollständigkeitserfordernis der notariellen Beurkundung bei Grundstücksverträgen kann also in seiner Bedeutimg in der Praxis gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

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Soll der so beurkundete Bauträgervertrag in der Folge geändert werden, so ist nicht unumstritten, ob und inwieweit derartige Änderungen ihrerseits wiederum der notariellen Beurkundimg unterliegen. Wenn bereits die Auflassung, also die Einigimg über den Eigentumsübergang zwischen Veräußerer und Erwerber i. S. d. § 925 BGB erklärt wurde und die Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch erfolgt ist, soll jede Änderung des notariellen Vertrages formfrei möglich sein (Argument aus § 313 Satz 2 BGB). Nach wohl herrschender Meinimg soll auch dann eine Änderung des notariellen Vertrages formfrei möglich sein, wenn zwar die Auflassung schon in notarieller Urkunde erklärt, der Erwerber aber noch nicht als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Nach dieser Ansicht ist jedoch jede Änderung des notariellen Vertrages vor Erklärung der Auflassung formbedürftig. Nur eine Minderansicht vertritt die Meinung, dass vor Erklärung der Auflassung ein Formzwang nur besteht, wenn die Änderungen die Übereignungsverpflichtung, die Annahmeverpflichtung oder die Zahlungsverpflichtung betreffen. In der Praxis wird der Bauträgervertrag immer mehr dadurch gekennzeichnet, dass die wesentlichen Anlagen, auf die der Vertrag Bezug nimmt (ζ. B. Baubeschreibung, Planunterlagen, Baugenehmigung), in einer sog. Bezugsurkunde gem. § 13 a Beurkundungsgesetz zusammengefasst werden, auf die dann in dem Bauträgervertrag lediglich verwiesen wird. Es ist selbstverständlich, dass diese Bezugsurkunde dem Erwerber zur Verfügung gestellt und von diesem auch vor Beurkundung des Bauträgervertrages durchgesehen werden muss. Der Vorteil einer derartigen Bezugsurkunde besteht darin, dass bei einer Vielzahl gleicher Erwerbsvorgänge nicht in jedem Falle die Anlagen jedem Bauträgervertrag beigefügt und damit von dem beurkundenden Notar verlesen werden müssen. In der Bezugsurkunde kann auch bei der Veräußerung von Wohnungseigentum die Teilungserklärung, bei der Veräußerung eines Erbbaurechtes der Erbbaurechtsvertrag aufgenommen werden. 7.1.3.2.2

AGB-Prüfung

Im Zusammenhang mit dem immer stärker in den Vordergrund tretenden Schutzbedürfnis des Erwerbers einer Bauträgermaßnahme sind nun nicht nur öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber geschaffen worden, sondern auch nach den Leitgedanken des Verbraucherschutzes die Vorschriften zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) - nach der Schuldrechtsreform: §§ 305 ff. BGB - immer häufiger eingewandt worden, welche die Vertragsfreiheit bei der Verwen-

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dung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht unerheblich einschränken und dadurch denjenigen schützen, demgegenüber die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Verwendung finden sollen. Die AGB-Vorschriften gelten bei Individualvereinbarungen nicht, sondern nur, wenn Bestimmungen in einer „Vielzahl" von Fällen verwendet werden und damit Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. Gesetzes sind (§ 305 BGB). Allerdings hat die Rechtsprechung eine solche Vielzahl schon dann angenommen, wenn gleichartige Vertragsbestimmungen in drei oder mehr Fällen verwendet werden. Dies bedeutet, dass bei sehr vielen Bauträgermaßnahmen die AGB-Vorschriften zu berücksichtigen sind, da gleichartige Notarurkunden dann als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu charakterisieren sind. Derartige Bauträgerverträge sind, wenn sie mit privaten Erwerbern abgeschlossen werden, insbesondere auf folgende Bestimmungen zu prüfen: § 305c Abs. 1 BGB bestimmt, dass Klauseln nicht Vertragsbestandteil werden, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit ihnen nicht zu rechnen brauchte (Unwirksamkeit von überraschenden Klauseln). Gem. § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders (Unklarheiten zu Lasten des Verwenders). § 309 BGB enthält eine Aufzählung von Klauselverboten, die im Einzelnen zwingendes Recht beinhalten und entgegenstehende Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam werden lassen (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit). Darüber hinaus enthält auch § 308 BGB eine Liste mit Klauselverboten, durch die allerdings Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann unwirksam werden, wenn die Bewertung eine unangemessene Benachteiligung desjenigen zum Ergebnis hat, demgegenüber die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet werden (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit). Schließlich ist § 307 BGB zu beachten, wonach grundsätzlich Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Diese Generalklausel fängt also alle unangemessenen Bestimmungen auf und macht sie unwirksam, wenn die Bestimmungen nicht schon nach den vorangegangenen Prüfungsmaßstäben der §§ 305c Abs. 1 und 2, 308 und 309 BGB unwirksam sind. Es handelt sich bei § 307 BGB um eine typische Generalklausel.

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Sollen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, also die „Vielzahl" von gleichartigen Bauträgerverträgen gegenüber einem Unternehmer bei Ausübung seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts verwendet werden, finden allerdings die vorgenannten Vorschriften der §§ 308 und 309 BGB keine Anwendung (§ 310 Abs. 1 BGB). Dagegen bleibt der Prüfungsmaßstab von § 305c Abs. 1 und 2 sowie § 307 BGB auch gegenüber derartigen Personen erhalten. 7.1.3.2.3

Anwendbarkeit der VOB Teil Β

Die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) enthält in Teil Β Vertragsbestimmungen, die typischerweise zwischen Bauherr und Bauunternehmen gelten können. Es handelt sich rechtlich dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die ausdrücklich zwischen den Vertragsparteien zu vereinbaren sind. Insbesondere die Gewährleistungsregeln der VOB/Β und die Gewährleistungsfrist weichen von den Vorschriften des Werkvertragsrechts des BGB ab. Während in Verträgen über die Errichtung eines Bauwerkes häufig die VOB/Β vereinbart werden, stellt sich die Frage, ob dies auch für Bauträgerverträge gelten kann, bei denen der Erwerber deshalb besonders schützenswert ist, weil er noch nicht Eigentümer des Grundstückes ist, dennoch aber finanzielle Mittel bereits zur Errichtung des Bauvorhabens an den Bauträger zu entrichten hat. Die Rechtsprechung hat bislang jedenfalls deutlich gemacht, dass von dem Werkvertragsrecht des BGB abweichende Regelungen der VOB/Β hinsichtlich der Gewährleistung nicht Vertragsinhalt bei einem Bauträgervertrag werden können, sondern es insoweit bei dem Werkvertragsrecht des BGB bleibt. Ob dies auch zur Konsequenz hat, dass die VOB/B überhaupt nicht als Allgemeine Geschäftsbedingungen in dem Bauträgervertrag vereinbart werden können, hat die Rechtsprechung bisher offen gelassen. In der Konsequenz wird dies aber zu bejahen sein, weil die VOB/B als Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann nicht der Inhaltskontrolle der AGB-Vorschriften und damit der Gerichte unterliegen, wenn sie insgesamt, d. h. ohne Änderungen oder Abstriche vereinbart werden. Da die Rechtsprechimg aber in jedem Falle die Gewährleistungsrechte und -fristen dem Werkvertragsrecht des BGB zwingend unterstellen will, dürfte auch die übrige Anwendbarkeit der VOB/B im Bauträgervertrag ausgeschlossen sein. 7.1.3.3

Bestimmung des Vertragsgegenstandes

Vertragsgegenstand des Bauträgervertrages ist sowohl die Veräußerung eines Grundstückes an den Erwerber als auch die Verpflichtimg des Bauträgers zur Errichtung eines Bauvorhabens. Hierbei ist der genaue Gegenstand des Vertrages möglichst detailliert zu

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beschreiben. Hinsichtlich des Grundstückes kann allerdings auf das Grundbuch Bezug genommen werden, wenn ein dort verzeichnetes Flurstück veräußert werden soll. Wenn es sich allerdings dabei nur um ein Trennstück aus einem Flurstück handeln sollte und dies noch nicht vermessen ist, bedarf auch die Bezeichnung des Trennstückes einer genauen Charakterisierung durch Circa-Angabe der Grundstücksgröße und Beifügung eines Lageplans mit Einzeichnung der von den Parteien beabsichtigten Grundstücksgrenzen. Der Erwerber muss darauf achten, ob für die Teilung des Flurstückes einer Teilungsgenehmigung Hindernisse entgegenstehen könnten, was durch entsprechende Nachfragen bei dem für die Erteilung der Teilungsgenehmigung zuständigen Amt erfolgen sollte. Sofern Wohnungseigentum veräußert werden soll, ist die Bezugnahme auf die Teilungserklärimg und deren Bestimmungen erforderlich. Der Erwerber muss die Teilungserklärung inhaltlich zur Kenntnis nehmen, damit in dem Bauträgervertrag nicht ein Vertragsgegenstand beschrieben wird, der mit der Teilungserklärung nicht im Einklang steht. Das Gleiche gilt bei der Veräußerung eines Erbbaurechts für den Erbbaurechtsvertrag. Schließlich ist zu regeln, ob Zubehör zu dem Grundstück mit veräußert werden soll, was mangels einer besonderen Bestimmung gem. § 311c BGB der Fall wäre. Besondere Sorgfalt ist beim Bauträgervertrag jedoch auch auf die Beschreibung des zu errichtenden Gebäudes zu verwenden. Zumindest sollten eine Baubeschreibung, die Baupläne und ggf. die Baugenehmigung dem Bauträgervertrag entweder unmittelbar oder über den Weg einer Bezugsurkunde beigefügt werden. Wie detailliert die Baubeschreibimg im Einzelnen sein sollte, wird nur anhand des einzelnen Bauvorhabens entschieden werden können. Jedenfalls sollte aus der Baubeschreibung oder aus dem Bauträgervertrag selbst der Qualitätsstandard hervorgehen, nach dem sich das Bauwerk und seine einzelnen Teile richten sollen, selbst wenn die Baubeschreibung hierzu im Einzelfalle einmal nichts sagen sollte. Es ist deshalb sehr häufig zweckmäßig, hinsichtlich des Qualitätsstandards ein konkretes Referenzobjekt im Bauträgervertrag zu benennen. Im Hinblick auf die Beschreibungen des zu errichtenden Gebäudes sollte geklärt sein, welche Beschreibung Vorrang hat, falls Widersprüche auftreten. Hier könnte den Bauplänen die entscheidende Bedeutung beigemessen werden, wenn etwa die Baubeschreibung Widersprüche zu den Bauplänen enthalten sollte. Soweit allerdings Auflagen oder Bedingungen der Baugenehmigung die Baupläne wiederum ändern, muss es deutlich sein, dass derartige öffentlich-rechtliche Bestimmungen in jedem Falle den Vorrang haben müssen, selbst wenn die Planungen oder die Baubeschreibung diesen Auflagen und Bedingungen nicht im Einzelnen nachgekommen sein sollten.

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Die Beschreibung des Gegenstandes des Bauträgervertrages sollte schließlich auch etwaige Zusatzwünsche des Erwerbers enthalten, die bereits bei Vertragsabschluss mit dem Bauträger vereinbart sind. 7.1.3.4

Entgelt und Zahlung

Auf die Regelungen hinsichtlich des Entgelts und der Zahlungsmodalitäten ist deshalb besonderes Gewicht zu legen, weil der Bauträgervertrag sowohl die Übertragimg eines Grundstückes als auch eines zu errichtenden Gebäudes vorsieht, also mehrere Gegenleistungen, die mit dem Entgelt insgesamt vergütet werden sollen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Bauträger das Entgelt nicht erst bei Übertragung des Grundstückes und Gebäudes auf den Erwerber, sondern bereits vorher in Teilbeträgen sich versprechen lassen will. Schließlich sind Regelungen bei Zahlungsrückstand und auch Sicherungsrechte zu berücksichtigen. 7.1.3.4.1

Preis

I. d. R. wird zwischen dem Bauträger und dem Erwerber ein Festpreis für die Leistungen des Bauträgers vereinbart. Für den Bauträger hat eine solche Festpreisvereinbarung den Vorteil einer eindeutigen und dem Streit über Angemessenheit entzogenen Regelung. Weiterhin braucht der Bauträger in diesem Falle nicht gem. § 8 Abs. 2 MaBV nach Abschluss der Bauträgermaßnahme spezifisch Rechnung zu legen. Nachteilig für den Bauträger ist allerdings eine Festpreisvereinbarung dann, wenn sich während der Bauerrichtung erhebliche Lohn- oder Materialpreiserhöhungen ergeben, weil diese nicht an den Erwerber weitergegeben werden können. Zudem ist es bei einer Festpreisregelung zweckmäßig, zwischen den Parteien das Risiko von unerwarteten Störungen auf der Baustelle zu verteilen, etwa dann, wenn sich der Baugrund nicht als ausreichend tragfähig erweist oder durch nachbarrechtliche oder denkmalschützende Maßnahmen Verzögerungen bei der Durchführung des Bauvorhabens eintreten. Neben der Vereinbarung eines Festpreises kommt auch die Vereinbarung eines Pauschalpreises in Betracht, die häufig mit der Festpreisvereinbarung gekoppelt wird. Eine Pauschalpreisvereinbarung bedeutet, dass das Bauvorhaben schlüsselfertig und betriebsbereit herzustellen ist und dass dazu alle Maßnahmen gehören, die für die Erstellung eines derartigen schlüsselfertigen und betriebsbereiten Gebäudes notwendig sind, auch wenn sie nicht ausdrücklich in den vertraglichen Vereinbarungen, ζ. B. in der Baubeschreibimg, enthalten sind. Hier können sich allerdings Probleme dann ergeben, wenn

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der Qualitätsstandard der Ausstattung nicht oder nicht ausreichend beschrieben ist. Auch insofern empfiehlt sich die Vereinbarung eines Referenzobjektes. Während Erhöhungsklauseln hinsichtlich des Preises - etwa bei nach Vermessung festgestellter höherer Quadratmeterzahl des Grundstückes oder bei späteren, nicht schon bei Vertragsabschluss bekannten Zusatzwünschen des Erwerbers beim Bauvorhaben - unter gleichzeitiger Vereinbarung von angemessenen Maßstäben im Vertrage vorgesehen werden können, kommt es bei späteren Minderleistungen des Bauträgers häufig zu Konfliktsituationen im Hinblick auf eine angemessene Herabsetzung des vereinbarten Preises. Da der Bauträger i. d. R. nicht bereit sein wird, seine interne Kalkulation offen zu legen, kann der Erwerber auch nicht objektivierte Maßstäbe zur Preisminderung aus dem Vertragswerk selbst ermitteln. Insofern wird es sehr häufig der Einschaltung eines Sachverständigen bedürfen, der allerdings auch schon im Vertrage als Schiedsgutachter vorgesehen werden kann, um derartige Konflikte endgültig zu entscheiden. Ein solcher Schiedsgutachter kann auch dann zur Ermittlung eines angemessenen Mehrpreises vorgesehen werden, wenn der Erwerber nach Vertragsabschluss noch Sonderwünsche auf Mehrleistungen hat, die nur der Bauträger selbst im Rahmen der Errichtung des Bauvorhabens erfüllen kann und die später nicht mehr durch Dritte geleistet werden könnten. Hier könnte nämlich der Bauträger durch unangemessene Forderungen dem Erwerber erheblichen Schaden zufügen, weil der Erwerber auf die Leistung des Bauträgers angewiesen ist. Schließlich sollte i. S. steuerlicher Klarheit der Grundstückspreis von dem Bauerrichtungspreis gesondert ausgewiesen werden. Wenn auch die Steuerverwaltung nicht an eine derartige Aufteilung letztlich gebunden ist, so gibt diese doch einen Maßstab an, der i. d. R. nach Plausibilitätsprüfung übernommen werden kann. 7.1.3.4.2

Zahlungsmodalitäten

Beim Bauträgervertrag regelt § 3 Abs. 2 MaBV die einzelnen Zahlungsraten, von denen der Bauträger zu Ungunsten des Erwerbers nicht abweichen darf, wenn denn nicht zwischen Bauträger und Erwerber die Ausnahmevorschriften des § 7 Abs. 1 und 2 MaBV zum Zuge kommen. Unter der Voraussetzung dieser Ausnahmevorschriften kann allerdings zwischen Bauträger und Erwerber ein von den Regelungen des § 3 Abs. 2 MaBV abweichender Zahlungsplan als Anlage zum Bauträgervertrag vereinbart werden. Bei diesem Zahlungsplan sind die Fälligkeiten der Raten gem. dem Baufortschritt zu bestimmen. Die Fälligkeitsvoraussetzungen der einzelnen Raten sind möglichst detailliert zu beschreiben. Vorgesehen werden kann auch die Einschaltung eines Sachverständigen als Schiedsgutachter, der verbindlich für beide Parteien im Konfliktfalle zu entscheiden

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hat, ob die eine oder andere Rate, deren Bezahlung der Bauträger verlangt, tatsächlich schon fällig ist. Im Übrigen stellt die Verordnung über Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen (Hausbauverordnung) aus dem Jahr 2001 klar, dass Zahlungspläne, die der Makler- und Bauträgerverordnung genügen, auch nach Verschärfung der allgemeinen Anforderungen an Abschlagszahlungen (§ 632a BGB) zulässig sind. 7.1.3.4.3

Verzug des Erwerbers

Der Bauträgervertrag wird i. d. R. Bestimmungen darüber enthalten, mit welchen Verzugsfolgen der Erwerber zu rechnen hat, wenn er denn mit einer Teilleistung in Verzug geraten ist. Aber auch wenn der Bauträgervertrag hierüber nichts aussagt, gelten in jedem Falle die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 286 ff. BGB über die Folgen des Verzugs. Hierfür müssen die allgemeinen Verzugsvoraussetzungen (Fälligkeit, Nichtleistung trotz Mahnimg, Verschulden) gegeben sein. Verzugszins und Geltendmachung eines weiteren Verzögerungsschadens hat der Erwerber zu gegenwärtigen. Darüber hinaus bleibt dem Bauträger in jedem Falle das gesetzliche Recht, dem Erwerber eine angemessene Nachfrist zu setzen, nach deren fruchtlosem Ablauf der Bauträger zum Schadensersatz oder Rücktritt vom Vertrage berechtigt ist (§ 323 BGB). 7.1.3.4.4

Sicherungen für Zahlungsansprüche

Der Bauträger wird ein großes Interesse daran haben, sich möglichst im Hinblick auf seine Zahlungsansprüche gegenüber dem Erwerber zu sichern. Die in Grundstückskaufverträgen übliche Bestimmung, wonach sich der Erwerber der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft und beide Vertragsparteien den Notar bereits in der notariellen Urkunde anweisen, dem Verkäufer auch ohne Nachweis der Fälligkeit eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen, wird von der Rechtsprechung nunmehr in Bauträgerverträgen für unzulässig gehalten. Der Bundesgerichtshof sieht hierin eine Einschränkimg der Pflichten des Bauträgers gem. § 3 MaBV, die nicht mit § 12 MaBV im Einklang steht und deshalb unwirksam ist. Dabei spielt es nach der Rechtsprechimg keine Rolle, ob eine vollstreckbare Ausfertigung mit oder ohne Nachweis der Fälligkeit erteilt werden kann. Schon die bloße Zwangsvollstreckungsunterwerfung soll nach den neuesten Urteilen des Bundesgerichtshofes in Bauträgerverträgen unwirksam sein. Auch hierin zeigt sich die Tendenz der neuesten Rechtsprechung, immer stärker in Bauträgerverträgen den Schutz des Verbrauchers zu berücksichtigen.

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Wenn dagegen der Bauträger sich von dem Erwerber in dem Bauträgervertrag hinsichtlich seiner Zahlungsansprüche Sicherheiten, etwa in Form einer Bankbürgschaft oder durch auf anderen Grundstücken des Erwerbers bestellte Grundpfandrechte, versprechen lässt, so muss unter dem Gesichtspunkt der neuesten Rechtsprechimg des Bundesgerichtshofes zu der Zwangsvollstreckungsunterwerfungsklausel letztlich bezweifelt werden, ob nicht auch insofern die Rechte des Erwerbers aus § 3 MaBV zumindest erheblich beschränkt werden. Dies dürfte in jedem Falle dann gelten, wenn der Bauträger sich eine Bürgschaft „auf erstes Anfordern" versprechen lässt, weil der Bauträger diese Bürgschaft ohne weitere Nachweise jederzeit in Anspruch nehmen könnte. Wenn allerdings die Bürgschaft nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn auch die Hauptschuld fällig ist, dürfte gegen derartige Sicherungsmittel ein Bedenken i.S. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Zwangsvollstreckungsunterwerfungsklausel nicht erhoben werden können. Lässt sich der Bauträger bei Abschluss des Bauträgervertrages von dem Erwerber eine Finanzierungsbestätigung der Bank des Erwerbers übergeben mit dem Inhalt, dass die Bank die Finanzierung des Erwerbs für gesichert hält, erlangt der Bauträger zwar dadurch keine in unmittelbare Liquidität umwandelbare Sicherheit. Immerhin aber kann der Bauträger hieraus entnehmen, dass der Erwerber eine ordnungsgemäße Finanzierung des Erwerbs vorgenommen hat. Eine Sicherungshypothek nach § 648 BGB kommt für den Bauträger deshalb nicht in Betracht, weil er selbst Eigentümer des Grundstückes bis zur Übereignung an den Erwerber bleibt. Diese Übereignung findet ja erst mit der Übergabe des fertig gestellten Bauvorhabens an den Erwerber statt. Auch § 648a BGB, in dem die Bauhandwerkersicherung geregelt ist, findet auf den Bauträgervertrag keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift soll der Bauhandwerker einen Anspruch auf Sicherheit für Vorleistungen erhalten und das Zurückbehaltungsrecht ausüben können, wenn ihm keine Sicherheit geleistet wird. Für die Errichtung von Einfamilienhäusern ergibt sich die Nichtanwendbarkeit von § 648a BGB aus dessen Abs. 6 Nr. 2, im Übrigen, also bei Bauträgerverträgen über Eigentumswohnungen, aus einer einschränkenden Auslegung der Vorschrift, die nur den Schutz des auf fremdem Grund bauenden und vorleistenden Unternehmers bezweckt, nicht aber den Schutz des Bauträgers, der auf eigenem Grund baut.

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7.1.3.4.5

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Verjährung

Der Vergütungsanspruch des Bauträgers verjährt gem. § 196 BGB in zehn Jahren, wobei die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs beginnt (§ 200 BGB), also mit seiner Fälligkeit. Dementsprechend endet die Verjährungsfrist - anders als die regelmäßige, dreijährige Verjährungsfrist (§§ 195, 199 BGB) - auch nicht zum Jahresende. Beim Bauträgervertrag kommt es auch hinsichtlich der Verjährung auf die Fälligkeit der einzelnen Raten an. 7.1.3.5

Fertigstellung und Abnahme

Zu den Erfüllungspflichten des Bauträgers gehört insbesondere auch die rechtzeitige Fertigstellung. Mit der Abnahme geht der Bauträgervertrag von der Erfüllungs- in die Gewährleistungsphase über. 7.1.3.5.1

Fertigstellung

Im Bauträgervertrag ist der Fertigstellungstermin zu vereinbaren und für den Erwerber möglichst auch zu sichern. Ist kein Fertigstellungstermin vereinbart, ist dieser aus den Umständen des vereinbarten Bauvorhabens zu ermitteln. In der Praxis finden sich jedoch Bauträgerverträge ohne Vereinbarung eines Fertigstellungstermins äußerst selten. Die Sicherung des Fertigstellungstermins für den Erwerber erfolgt durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Insbesondere in Bauträgerverträgen mit einem gewerblichen Erwerber wird i. d. R. eine Vertragsstrafe für jeden Tag der nicht rechtzeitigen Fertigstellung vereinbart, deren Höhe der Erwerber nach dem zu erwartenden finanziellen Verlust bemessen wird. Dagegen wird üblicherweise eine Höchstgrenze der Vertragsstrafe von etwa 5 % des Entgelts für die Errichtimg des Bauvorhabens vereinbart. Die Vertragsstrafe ist auf die möglichen weitergehenden Schadensersatzansprüche des Erwerbers, die dieser sich i. d. R. vorbehält, anzurechnen. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe als unangemessen kommt unter Kaufleuten gem. § 348 HGB nicht in Betracht. Neben der Vereinbarung einer Vertragsstrafe wird jedenfalls der gewerbliche Erwerber eine Fertigstellungsgarantie durch die Hausbank des Bauträgers verlangen, die den Erwerber dagegen schützt, dass der Bauträger während der Errichtung des Bauvorhabens nicht mehr dazu in der Lage ist (etwa durch Insolvenz) und das Bauvorhaben durch einen Dritten vollendet werden muss, was immer mit Mehrkosten verbunden ist. Eine derartige Fertigstellungsgarantie wird üblicherweise i. H. v. 10 % des Entgelts für die Errichtung des Bauvorhabens akzeptiert, wenn es sich um eine gewerbliche Bauträgermaßnahme handelt.

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Daneben verbleiben dem Erwerber die Rechte aus dem Verzug des Bauträgers. Für die Voraussetzungen des Verzuges gelten die schon erwähnten §§ 286 ff. BGB. Der Bauträger muss also mit einer fälligen Leistung nach Mahnung des Erwerbers in Rückstand sein und diesen Rückstand auch verschuldet haben. Der Erwerber kann sodann seinen Verzugsschaden geltend machen. Auf den Verzugsschaden wird allerdings eine vereinbarte Vertragsstrafe anzurechnen sein. Weiterhin ist der Erwerber nach §§ 636, 326 BGB berechtigt, dem Bauträger im Falle des Verzuges des Bauträgers eine angemessene Nachfrist zu setzen. Sollte dann die Nachfrist fruchtlos verstrichen sein, ist der Erwerber zum Rücktritt vom Vertrage oder zur Geltendmachung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung berechtigt. Dieses Recht des Erwerbers kann nicht ausgeschlossen werden. Bei der Geltendmachung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung ist allerdings auch insofern eine etwaig bezahlte Vertragsstrafe anzurechnen. 7.1.3.5.2

Abnahme

Im Rahmen des auf den Bauträgervertrag anzuwendenden Werkvertragsrechts bestimmt die Abnahme gem. § 640 BGB die Schnittstelle zwischen Erfüllung und Gewährleistung. Mit der Abnahme wird das Bauwerk an den Erwerber übergeben. Dieser erklärt gleichzeitig i. d. R. mit der Abnahme, dass er das Werk - wenn auch möglicherweise unter Vorbehalten - als vertragsgerecht hergestellt anerkennt. Zwar ist eine besondere Form für die Abnahme nicht vorgesehen. Üblicherweise wird aber ein Abnahmeprotokoll erstellt und von dem Bauträger und dem Erwerber unterzeichnet, in dem der Erwerber auch Mängel vermerken kann, die von dem Bauträger noch zu beseitigen sind. Der Erwerber ist grundsätzlich zur Abnahme verpflichtet, wenn das Bauwerk vollständig hergestellt ist. Das Vorhandensein von lediglich für das Bauvorhaben unwesentlichen Mängeln berechtigt nach h. M. gem. § 242 BGB nicht zur Verweigerung der Abnahme. Durch die Abnahme wird auch die Gewährleistungsfrist in Gang gesetzt. Im Rahmen der Gewährleistung ist der Bauträger verpflichtet, die im Abnahmeprotokoll niedergelegten und von ihm anerkannten Mängel zu beseitigen. Der Bauträger hat, sofern der Bauträgervertrag nichts anderes bestimmt, keinen Anspruch auf Teilabnahmen durch den Erwerber. Häufig wird allerdings in Bauträgerverträgen die Zulässigkeit von Teilabnahmen vereinbart. Aus der Sicht des Erwerbers sollte in diesem Falle Gewicht darauf gelegt werden, dass die Gewährleistungsfrist erst einheit-

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lieh mit der letzten Teilabnahme für das gesamte Bauwerk zu laufen beginnt, um das Vertragsmanagement einfacher zu gestalten. Schließlich geht mit der Abnahme auch die Gefahr des zufälligen Unterganges des Bauwerkes auf den Erwerber über. Den Erwerber trifft insofern die Obliegenheit, das Bauwerk entsprechend gegen derartige Risiken zu versichern. 7.1.3.6

Sachmängelhaftung

Die Sachmängelhaftung im Bauträgervertrag richtet sich - wie dargelegt - nach dem Werkvertragsrecht des BGB. Somit finden die Vorschriften der §§ 633 ff. BGB Anwendung. Dabei wird hinsichtlich der Gewährleistung für Mängel im dem zu übertragenden Grundstück vielfach noch vertreten, dass insofern das kaufvertragliche Gewährleistungsrecht der §§ 437 ff. BGB anzuwenden sei. Dies widerspricht wiederum der neuesten Rechtsprechung, wonach der Bauträgervertrag einheitlich als Werkvertrag einzuordnen ist. Es dürfte deshalb davon auszugehen sein, dass die Rechtsprechung künftig auch auf Mängel des Grundstückes das Werkvertragsrecht anwenden wird, weil dies einheitlich für den gesamten Bauträgervertrag gilt. Für Mängel des Bauwerkes haftet der Bauträger nach §§ 633 ff. BGB. Er hat dem Erwerber das Bauwerk insbesondere frei von Sachmängeln zu verschaffen. Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart wurde, ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet und sonst - hilfsweise - sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und dabei die Beschaffenheit vergleichbarer Bauleistungen aufweist und der Besteller diese Beschaffenheit erwarten durfte. Im Falle eines Mangels stehen dem Erwerber die in § 634 BGB aufgeführten Mängelrechte zu. Zunächst ist der Bauträger zur Nacherfüllung (Nachbesserung) gem. §§ 634 Nr. 1, 635 BGB aufzufordern. Der Bauträger hat dann gem. § 635 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Wahl zwischen Mängelbeseitigung und Neuherstellung, wobei freilich für Leistungen des Bauträgers die Neuherstellung praktisch nicht in Betracht kommt. Kann der Erwerber Mängelbeseitigung verlangen, darf er gem. § 641 Abs. 3 BGB nach Abnahme des Bauwerkes einen angemessenen Teil der Vergütung einbehalten, und zwar mindestens das Dreifache der Mängelbeseitigungskosten (sog. Druckzuschlag). Erst wenn der Bauträger eine angemessene Frist zur Nachbesserung ungenutzt verstreichen lässt, kann der Erwerber auf die weiteren Mängelrechte zurückgreifen. Der Fristsetzung bedarf es gem. § 636 BGB nicht, wenn der Bauträger die Nacherfüllung verweigert oder wenn sie dem

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Erwerber nicht zumutbar oder fehlgeschlagen ist; von einem Fehlschlagen kann in der Regel nach einem zweiten erfolglosen Nacherfüllungsversuch ausgegangen werden. Nach fruchtlosem Ablauf der angemessenen Nachfrist kann der Erwerber gem. §§ 634 Nr. 2, 637 BGB den Mangel im Wege der Selbstvornahme (Ersatzvornahme) selbst beseitigen und dem Bauträger die entsprechenden Kosten als Aufwendungen in Rechnung stellen. Statt diese Kosten vorzuschießen, kann der Besteller vom Bauträger auch einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen verlangen. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis reger Gebrauch gemacht. Wenn dem Bauträger vergeblich Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben wurde, kann der Erwerber ferner gem. §§ 634 Nr. 3, 646,323,326 Abs. 5 BGB von dem Vertrag zurücktreten oder gem. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB die Vergütung des Bauträgers mindern. Während der Rücktritt wegen unwesentlicher Mängel gem. § 323 Abs. 5 BGB ausgeschlossen ist, gilt diese Bagatellgrenze bei der Minderung nicht. Wenn sich der Erwerber für die Minderung entscheidet, bestimmt sich deren Höhe in der Regel nach den Kosten für die Nachbesserung durch einen Dritten und einem Minderwert des Bauwerkes bei späterem Verkauf (sog. merkantiler Minderwert). Schließlich kann der Erwerber im Falle eines Mangels vom Bauträger gem. §§ 634 Nr. 4 BGB Schadensersatz verlangen. Dessen Höhe richtet sich nach den allgemeinen Regeln des BGB. Ein Haftungsausschluss ist dem Bauträger nur in äußerst begrenztem Umfang möglich. Anerkannt ist, dass der Bauträger sich nicht von jeglicher Haftung dadurch befreien kann, dass er seine eigenen Mängelrechte gegen seine Subunternehmer an den Erwerber abtritt (sog. Subsidiaritätsklausel). Die Rechtsprechung entlässt den Bauträger nicht aus seiner zumindest subsidiären Haftung, die immer dann eingreift, wenn der Erwerber aufgrund einer derartigen Abtretung gegenüber dem Subunternehmer - aus welchen Gründen auch immer - nicht zum Zuge käme. Der Erwerber kann dann immer auf den Bauträger zurückgreifen. Auch eine vertragliche Haftungsbeschränkung zwischen Bauträger und Erwerber in der Weise, dass das Rücktrittsrecht des Erwerbers bei Scheitern der Nacherfüllung ausgeschlossen wird, ist nach neuerer Rechtsprechung nicht möglich. Eine Abkürzimg der Verjährungsfristen für Mängelansprüche ist gem. § 309 Nr. 8 a ff BGB unwirksam, weil - wie dargelegt - die VOB/B in Bauträgerverträge nicht einbezogen werden können.

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7.1.3.7

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Kündigung

Das Werkvertragsrecht des BGB sieht in § 649 eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des Bestellers vor. Zwar muss der Besteller die vereinbarte Vergütung zahlen. Von dieser Vergütung ist jedoch dasjenige abzusetzen, was der Werkunternehmer an Aufwendungen erspart hat. Diese Vorschrift gilt nach der Rechtsprechung im Bauträgervertrag nicht. Der Bauträgervertrag bietet demnach als Dauerschuldverhältnis lediglich die Möglichkeit der nicht ausschließbaren Kündigung aus wichtigem Grunde nach der für Dauerschuldverhältnisse geltenden Vorschrift des § 314 BGB. Die Kündigung muss innerhalb einer angemessenen Frist ausgesprochen werden, nachdem der Besteller von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. 7.1.4

Baubetreuung und Bauherrenmodell

Neben dem Bauträgervertrag steht die Baubetreuung im engeren Sinne, bei der der Baubetreuer in fremdem Namen und auf fremde Rechnung, nämlich auf Namen und auf Rechnung des Bauherrn, handelt. Aus einer Zusammenfassung von mehreren Bauherren innerhalb eines Gesamtbauvorhabens entstanden insbesondere in den siebziger Jahren die sog. Bauherrenmodelle, die sich auch und gerade wegen der damit verbundenen steuerlichen Vorteile zu einem wesentlichen Bereich der Baubetreuung entwickelten. Heute ist infolge der Änderungen des Steuerrechts die Bedeutung der Bauherrenmodelle gesunken, wenn auch durchaus nicht verschwunden. Außerdem stehen die gerade nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu erfolgreichen geschlossenen Immobilienfonds der Baubetreuung und den Bauherrenmodellen nahe. 7.1.4.1

Entwicklung des Bauherrenmodells

Für die Entwicklung des Bauherrenmodells war im Wesentlichen das Steuerrecht verantwortlich, welches Steuervorteile für denjenigen bot, der als Bauherr und nicht als Erwerber eine Baumaßnahme übernahm. Dass dabei der Bauherr auch das Bauherrenrisiko zu übernehmen hatte, blieb häufig unberücksichtigt. Die wesentlichen Steuervorteile wurden darin gesehen, dass Werbungskosten in erheblichem Umfange für den Bauherrn sofort abzugsfähig waren. Aufgrund dieser hohen Werbungskosten und der sofortigen Abzugsfähigkeit konnte der Bauherr auch seine Steuervorauszahlungen sogleich herabsetzen lassen. Außerdem konnte der Bauherr nach den damals noch landesrechtlich geltenden Grunderwerbsteuergesetzen mit einer

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Grunderwerbsteuerbefreiung rechnen, die bei einer Grunderwerbsteuer i. H. v. damals 7 % erheblich ins Gewicht fiel. Schließlich hatte der Erwerber die Möglichkeit zum umsatzsteuerlichen Vorsteuerabzug nach Ausübung der entsprechenden Option. Der Bauherr vermietete dann das Vorhaben an einen gewerblichen Zwischenmieter, war allerdings an seine MwSt-Option für zehn Jahre gebunden. Häufig hatte der Bauherr nur die ihm gebotene Möglichkeit der Vorsteuererstattung der Baukosten im Auge, jedoch nicht die Bonität des gewerblichen Zwischenmieters und die Bindung des Bauherrn an die MwSt-Option für zehn Jahre. Diese steuerlichen Aspekte standen beherrschend im Vordergrund, so dass die Risiken, die mit der Bauherrenstellung verbunden waren, häufig nicht gesehen wurden. Durch die sofortige Abzugsfähigkeit der Werbungskosten wurden diese insbesondere im Hinblick auf die Entgelte für Baubetreuung, Finanzierung etc. so aufgebläht, dass sie einen großen Teil der steuerlichen Vorteile bereits zunichte machten. Zudem wurden dadurch die Objekte häufig so teuer, dass sie späterhin nur mit großen Abschlägen verkäuflich waren. Infolge des mit den überhöhten Werbungskosten betriebenen Missbrauchs wurde durch die Rechtsprechimg diese Möglichkeit erheblich begrenzt. Durch Einführung eines bundeseinheitlichen Grunderwerbsteuergesetzes wurden die Befreiungstatbestände weitgehend gestrichen und ein einheitlicher Steuersatz von 2 % eingeführt, der inzwischen auf 3,5 % angehoben wurde. Dieser Steuersatz ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auf den Gesamtaufwand und nicht nur auf den Grundstücksanteil zu entrichten. Die MwSt-Option wurde stark eingeschränkt, so dass die Einschaltung eines gewerblichen Zwischenmieters weitgehend obsolet wurde. Schließlich wurde auch die Möglichkeit zur sofortigen Herabsetzimg der Steuervorauszahlungen durch eine Änderung des § 37 EStG zum Nachteil des Bauherrn zeitlich hinausgeschoben. 7.1.4.2

Die Beteiligten

Bei allen Unterschieden der gebräuchlichen Bauherrenmodelle hat sich doch um die zentrale Figur des Bauherrn herum ein Kreis von weiteren Beteiligten als üblich herausgeschält. Derjenige, der die Bauherren zusammengeführt und somit die Initiative zur Gründung der Bauherrengemeinschaft entwickelt hat, wird als Initiator bezeichnet. Sehr häufig ist er mit demjenigen, der als Baubetreuer mit der Beratung und Abwicklung bei dem Vertrage befasst ist, also dem Baubetreuer, identisch. Der Baubetreuungsvertrag zwischen Bauherrn und Baubetreuer überlässt diesem die wirtschaftliche Beratung des

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Bauherrn, also insbesondere die Vorbereitung und Durchführung des Bauvorhabens, Vertragsabschlüsse mit den am Bau Beteiligten, Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen etc. Darüber hinaus kann der Baubetreuer auch finanzielle und technische Betreuungsleistungen erbringen. Der Baubetreuungsvertrag ist insoweit typischer Dienstvertrag mit entgeltlichem Geschäftsbesorgungscharakter. Der Baubetreuer bedarf der besonderen Gewerbeerlaubnis nach § 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b GewO. Üblicherweise gibt der Bauherr dem Baubetreuer Vollmachten zum Abschluss der Bauverträge, die der Baubetreuer im Namen des Bauherrn und auf dessen Rechnung abschließt. Neben dem Bauherrn und dem Baubetreuer/Initiator steht der Treuhänder, der die Vermögensinteressen des Bauherrn aufgrund eines zwischen ihm und dem Bauherrn abgeschlossenen Vertrages wahrzunehmen hat. Dabei wird unterschieden, ob es sich um einen sog. Kontotreuhänder handelt, der zu Lasten eines Kontos des Bauherrn Zahlungen an dessen Vertragspartner vornimmt, oder ob der Treuhänder die Eigenschaft eines sog. Basistreuhänders hat, der den Bauherrn im Wesentlichen bei allen im Rahmen des Bauvorhabens durchzuführenden Rechtsgeschäften vertritt. Je mehr Vollmachten der Treuhänder vom Bauherrn erhält, um so geringer wird entsprechend die Leistung des Baubetreuers, die sich häufig dann im Wesentlichen auf die Initiatoreigenschaft beschränkt. Der Treuhänder erlangte bei den typischen Bauherrenmodellen häufig eine derartige Position, dass er im Namen des Bauherrn das gesamte Bauvorhaben rechtlich und wirtschaftlich - allerdings im Namen und auf Rechnimg des Bauherrn - in Händen hatte. Der Treuhänder war allerdings auch verpflichtet, die nötige Sorgfalt walten zu lassen und insbesondere darauf zu achten, dass die veranschlagten Gesamtkosten nicht zu Lasten des Bauherrn überschritten wurden. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Treuhänder in einer Bauherrengemeinschaft für alle Bauherren tätig war, so wird deutlich, welch starke Stellung der Treuhänder im Rahmen der Bauherrenmodelle hatte, zumal er die Bauherren auch gegenüber der Finanzverwaltung vertrat. Die Kontakte zu der das Bauvorhaben finanzierenden Bank wurden i. d. R. bereits von dem Initiator geknüpft, während die eigentlichen Darlehensverträge dann von dem Treuhänder im Namen des Bauherrn mit der Bank abgeschlossen wurden. Als weitere Beteiligte waren - je nach Konstellation - anzutreffen der Grundstücksmakler, der Finanzierungsvermittler, die am Bau Beteiligten, ein Mietgarant, ein gewerblicher Zwischenmieter, der Verwalter von Wohnungseigentum sowie Steuerberater und Rechtsanwälte als Berater.

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Die Bauherren untereinander waren regelmäßig in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts organisiert, die sich bei einer Wohnungseigentumsmaßnahme nach Fertigstellung dann in eine Wohnungseigentümergemeinschaft umwandelte. 7.1.4.3

Haftung

Da Bauherrenmodelle i. d. R. auf der Grundlage von Prospekten vertrieben wurden, kommen die Grundsätze der Haftung in Betracht, die die Rechtsprechung für Prospekte bei Anlageentscheidungen allgemein, aber insbesondere auch für Prospekte beim Bauherrenmodell für Initiatoren und Treuhänder entwickelt hat. Die Rechtsprechung hat gefordert, dass die Prospekte inhaltlich richtig und vollständig sein müssen und den Anleger, also den künftigen Bauherrn, nicht durch unrichtige oder unvollständige Angaben zu einer Anlageentscheidung beeinflussen dürfen. Neben Initiator und Treuhänder können für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes auch solche Personen haften, die im Übrigen an der Gestaltung des Prospektes - etwa als Berater - mitgewirkt haben. Daneben kommt die Haftimg des Treuhänders selbstverständlich auch aus Pflichtverletzungen in Betracht, die er während seiner Treuhänderschaft gegenüber dem Bauherrn begeht. Gleiches gilt für den Baubetreuer/Initiator sowie für die übrigen mit dem Bauherrn vertraglich gebundenen Beteiligten. Sofern nicht die Verträge etwas anderes vorsahen, kam eine Haftung i. d. R. nur bei Verschulden in Betracht. Mehrere Beteiligte hafteten als Gesamtschuldner gegenüber dem Bauherrn. 7.1.4.4

Geschlossene Immobilienfonds

Während die Bauherrenmodelle aufgrund der Änderungen des Steuerrechts an Attraktivität verloren haben, sind die geschlossenen Immobilienfonds gerade in den ersten Jahren nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wieder in das Blickfeld des Anlegerinteresses geraten. Ein solcher geschlossener Immobilienfond wird i. d. R. in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft geführt, wobei die einzelnen Anleger entweder unmittelbare Kommanditisten werden oder sich an einer sog. Treuhandkommanditistin beteiligen. Die Anleger sind zwar nicht Bauherren - dies ist die Fondsgesellschaft selbst -, sind aber unmittelbar an dem Bauherrn beteiligt und als Personengesellschafter auch unmittelbare Adressaten der steuerlichen Konsequenz. Im Einzelnen regelt dies der sog. Bauherrenerlass (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 31.08.1990) unter dem Teil II über geschlossene Immobilienfonds.

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Auch bei dem geschlossenen Immobilienfond spielt der Treuhänder eine zentrale Rolle. Seine Rechte und Pflichten ähneln denen, die dem Treuhänder bei den Bauherrenmodellen oblagen. Der Treuhänder hat die Interessen der Anleger zu vertreten und wird häufig auch als Treuhandkommanditist im Handelsregister eingetragen, während die Anleger sich lediglich an dem Treuhandkommanditisten unterbeteiligen. Geschlossene Immobilienfonds erlebten ihre Blütezeit durch die Sonderabschreibungsmöglichkeiten in den neuen Bundesländern. Es ist aber davon auszugehen, dass sie als „indirekte" Immobilienanlagen auch weiterhin immer ihre Rolle als Anlageinstrument spielen werden, weil es Anleger geben wird, die diese Form der indirekten Beteiligung an Immobilien einer direkten Beteiligung vorziehen.

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Literaturverzeichnis zu Kapitel 7.1 Basty: Der Bauträgervertrag, 4. Aufl. Köln 2002 (mit Beiheft: Aktuelle Ergänzungen zur 4. Aufl.) Koeble: Rechtshandbuch Immobilien, Loseblattsammlung München Stand Juli 2004 Locher/Koeble: Baubetreuungs- und Bauträgerrecht, 4. Aufl. Düsseldorf 1985 Mareks: Makler- und Bauträgerverordnung, 7. Aufl. München 2003 Pause: Bauträgerkauf und Baumodelle, 4. Aufl. München 2004 Reithmam^Meichssner/von Heymann: Kauf vom Bauträger, 7. Aufl. Köln 1995

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7.2 Der Architekten- und Ingenieurvertrag Walter Jagenburg und Inge Jagenburg 7.2.1 Allgemeines

532

7.2.1.1 Rechtsnatur des Architekten-und Ingenieurvertrages

533

7.2.1.2 Abschluss des Architekten- und Ingenieurvertrages 7.2.1.2.1 Stufenweise Beauftragung 7.2.1.2.2 Vorzeitige Vertragsbeendigung

534 536 537

7.2.2 Vergütungsanspruch des Architekten/Ingenieurs

538

7.2.2.1 Die HOAI als Rechtsgrundlage für die Berechnung des Architektenund Ingenieurhonorars 539 7.2.2.2 Schriftliche Vereinbarung des Honorars im Rahmen der durch die HOAI festgesetzten Mindest- und Höchstsätze 7.2.2.2.1 Mindestsatzunterschreitung nur in Ausnahmefällen 7.2.2.2.2 Nachforderung des Mindestsatzhonorars 7.2.2.2.3 Bindung an die erteilte Honorarschlussrechnung

539 540 541 542

7.2.2.3 Berechnungsfaktoren für die Honorarberechnung im Einzelnen 7.2.2.3.1 Anrechenbare Kosten 7.2.2.3.2 Honorarzone 7.2.2.3.3 Honorarsatz 7.2.2.3.4 Leistungsbild

543 543 546 547 547

7.2.2.4 Fälligkeit des Honorars - Prüffähige Rechnung

548

7.2.2.5 Sicherung des Vergütungsanspruchs 7.2.2.5.1 Erbrachte Leistungen 7.2.2.5.2 Noch zu erbringende Leistungen

552 552 553

7.2.2.6 Verjährung des Vergütungsanspruchs

554

7.2.3 Urheberrecht des Architekten/ Ingenieurs

555

7.2.4 Leistungspflichten und Haftung des Architekten/Ingenieurs 7.2.4.1 Umfang der Einstandspflicht des Architekten/Ingenieurs

556 557

7.2.4.2 Die Mängelrechte des Auftraggebers 7.2.4.2.1 Nacherfüllungsanspruch 7.2.4.2.2 Schadensersatzanspruch

558 559 559

7.2.4.3 Verjährung der Mängelansprüche des Auftraggebers

559

7.2.4.4 Verletzung von Nebenpflichten 7.2.4.4.1 Falsche Beratung des Auftraggebers in Bezug auf die eigene Haftung 7.2.4.4.2 Organisationsverschulden

560

7.2.5 Einzelfälle der Haftung des Architekten/Ingenieurs 7.2.5.1 Planungsfehler 7.2.5.1.1 Fehler bei der Einschaltung von Sonderfachleuten 7.2.5.1.2 Technische Fehler

561 561 563 564 564 564

530

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7.2.5.1.3 Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften 7.2.5.1.4 Wirtschaftliche Fehler 7.2.5.2 Koordinierungsfehler

564 565 566

7.2.5.3 Bauaufsichtsfehler

566

7.2.5.4 Terminüberschreitungen

567

7.2.5.5 Kostenüberschreitungen 7.2.5.5.1 Kostenrahmen/Kostenlimit als Beschaffenheitsvereinbarung 7.2.5.5.2 Schaden und Schadensberechnung 7.2.5.5.3 Kein Versicherungsschutz im Kostenbereich 7.2.5.6 Haftungsbeschränkungen

567 568 569 570 570

7.2.6 Deliktshaftung des Architekten/ Ingenieurs

571

7.2.6.1 Verkehrssicherungspflicht

571

7.2.6.2 Eigentumsverletzung

572

7.2.6.3 Verjährung der Deliktshaftung

572

Literaturverzeichnis zu Kap. 7.2

574

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531

7.2 Der Architekten- und Ingenieurvertrag Inge Jagenburg und Walter Jagenburg Der Architekt hat eine Schlüsselstellung bei der Errichtung von Immobilien, weil er schon sehr früh mit dem Baugeschehen befasst wird und den Bauherrn/ Auftraggeber als einer der Ersten berät, oft schon bei der Auswahl und Beschaffung des Baugrundstücks. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nach Art. 10 § 3 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieurund Architektenleistungen vom 04.11.1971 (Artikelgesetz oder MRVG) die Koppelung von Grundstückskaufverträgen mit Ingenieur- und Architektenverträgen - so genannte Architektenbindung - unzulässig ist. Dieses Koppelungsverbot hat zur Folge, dass eine Vereinbarung, durch die der Erwerber eines Grundstücks sich im Zusammenhang mit dem Erwerb verpflichtet, bei der Planimg oder Ausführung eines Bauwerks auf dem Grundstück die Leistungen eines bestimmten Ingenieurs oder Architekten in Anspruch zu nehmen, unwirksam ist. Die Wirksamkeit des auf den Erwerb des Grundstücks gerichteten Vertrages bleibt davon jedoch unberührt; nur der im Zusammenhang mit einem solchen Grundstückskaufvertrag abgeschlossene Architekten- und/oder Ingenieurvertrag ist unwirksam. Hat der Architekt auf den nichtigen Vertrag bereits Leistungen erbracht und wurden diese Leistungen vom Auftraggeber verwertet, so hat der Architekt/Ingenieur aber einen Erstattungsanspruch gegen den Auftraggeber in Höhe der Mindestsätze der HOAI (BGH NJW1984,1035). Der Auftraggeber kann allerdings dagegenhalten, er hätte die Architektenleistungen von anderer Seite zu geringeren Kosten oder sogar kostenlos erhalten (OLG Hamm, BauR 1986, 711 = MDR1986,410). In diesem Fall erhält der Architekt lediglich die geringere bzw. gar keine Vergütung. Ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot liegt aber ζ. B. dann nicht vor, wenn der Veräußerer des Grundstücks den Architekten bereits rechtsverbindlich beauftragt hat und das Architektenhonorar lediglich einen Kalkulationsposten für den Kaufpreis darstellt, ohne dass der Erwerb des Grundstücks von der Übernahme der Planimg abhängig ist (KG BauR 2004, 385 = IBR 2004, 22; vgl. auch OLG Frankfurt NJW-RR 1995,1484 = IBR 1995,168 = OLGR 1995,2). Ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot liegt weiter nicht vor, wenn sich ein Grundstückserwerber verpflichtet, dem Verkäufer bereits bezahlte grundstücksbezogene Architektenleistungen zu erstatten, sofern die Verpflichtung des Erwerbers, nach den Plänen des Architekten zu bauen, nicht vereinbart wird (KG IBR 2004, 147). Entscheidend ist danach allein, ob eine Abhängigkeit zwischen Veräußerung des Grundstückes und Übernahme der Planung besteht; nur dann liegt ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot vor.

532

7 Errichtung von Immobilien

7.2.1

Allgemeines

Allgemein gilt: je früher der Architekt/Ingenieur konsultiert wird und je größer sein Einfluss auf die Entscheidungen des Bauherrn und Auftraggebers ist, desto wichtiger ist es, den Richtigen zu finden und eine nach Person und Fähigkeiten möglichst optimale Wahl zu treffen. Denn wenn schon im Frühstadium eines Bauvorhabens die Weichen falsch gestellt werden, ist das später kaum mehr zu korrigieren. Zwar kann durch geschickte Vertragsberatung und -gestaltung, die in jedem Fall in die Hände eines erfahrenen Baujuristen gehört, das Schlimmste verhütet werden. Insbesondere können dadurch mehr oder minder schmerz- und folgenlose „Ausstiegsmöglichkeiten" vorgesehen werden. Auch sie beseitigen oder reparieren aber nicht alle Folgen fehlerhafter Weichenstellungen. Unabhängig davon ist bei Groß- und Gewerbeimmobilien der Einfluss von Architekten und Ingenieuren als Berater und Betreuer des Bauherrn rückläufig. Denn die Investoren derartiger Großbauvorhaben wollen es, insbesondere bei Anlage- und Fondsprojekten, nicht mit einer Vielzahl von Baubeteiligten (Architekten, Ingenieuren und Baufirmen) zu tun haben. Sie erwarten, dass ihnen ein Grundstück mit schlüsselfertiger Bebauung, möglichst sogar einschließlich Vermarktung bzw. Vermietungsgarantien, sozusagen als „Paket" angeboten wird, das ihnen und ihren Anlegern eine gesicherte Rendite verspricht. Auf diese Nachfrage haben vor allem Projektentwickler und große Baufirmen reagiert und bieten entsprechende Konzepte an, oftmals einschließlich Finanzierung und Betrieb der fertigen Anlagen bis zum Ende ihrer steuerlichen Abschreibung. Auch die Banken beschränken sich nicht mehr auf die reine Baufinanzierung, sondern wirken im Rahmen so genannter Allfinanzkonzepte durch ihre Immobilientöchter an derartigen „Paketlösungen" mit (wegen weiterer Einzelheiten hierzu siehe Schulte/Bone-Winkel: Handbuch der Immobilien-Projektentwicklung, 2002). Architekt und Ingenieur als freiberufliche Berater und Betreuer des Bauherrn spielen in diesen Fällen nur noch die Rolle, die ihnen Projektentwickler und Großbaufirmen zuweisen bzw. übrig lassen. Sie dienen als Ideenlieferanten im Rahmen von Wettbewerben und Gutachterverfahren. Und auch sonst beschränkt sich ihre Aufgabe oft auf die bloße Planung. Denn für deren Umsetzung und Ausführung werden sie nicht mehr benötigt. Dafür haben Projektentwickler und Großbaufirmen selbst ausreichend qualifiziertes Personal - bis hin zu eigenen Planungsabteilungen, die in Konkurrenz zu freiberuflichen Architekten und Ingenieuren und an deren Stelle tätig werden. Für diese Fälle firmeneigener angestellter Architekten und Ingenieure gelten die nachfolgenden Ausführungen nicht.

7 Errichtung von Immobilien

7.2.1.1

533

Rechtsnatur des Architekten- und Ingenieurvertrages

Die Rechtsnatur des Architekten- und Ingenieurvertrages ist heute so gut wie unbestritten. Es handelt sich in den meisten Fällen um einen Werkvertrag i. S. der §§ 631 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das gilt sowohl bei der so genannten Vollarchitektur (BGH NJW1960,431 = BGHZ 31,224; BGH NJW 2000,133 = BauR 2000,128 = ZfBR 2000, 97) als auch dann, wenn der Architekt/Ingenieur nur die Planung oder nur die Bauleitung (Objektüberwachung) übernimmt. Eine derartige Trennung von Planung und Bauleitung ist in der Praxis nicht selten, weil nicht jeder gute Planer auch ein guter Bauleiter ist und umgekehrt. Vom Bauvertrag, der ebenfalls Werkvertrag ist, unterscheidet sich der Architekten- und Ingenieurvertrag dadurch, dass der Architekt/Ingenieur nicht das Bauwerk als körperliche Sache schuldet, sondern dessen mangelfreie und vertragsgerechte Entstehung als geistige Leistung. Insofern ist der Gegenstand des Werkvertrages in beiden Fällen ein anderer, beim Bauvertrag ist er das Bauwerk, beim Architekten- und Ingenieurvertrag das Architekten- bzw. Ingenieurwerk. Jedoch dienen beide Verträge demselben Ziel, weshalb Architekt/ Ingenieur und Bauunternehmer für die mangelfreie Erstellung des Bauwerks grundsätzlich als Gesamtschuldner haften. Die Einordnimg als Dienstvertrag, bei dem kein Erfolg, sondern nur eine Tätigkeit, also ein allgemeines Wirken geschuldet wird, kommt beim Architekten- und Ingenieurvertrag allenfalls dann in Betracht, wenn sie aufgrund eines Anstellungsverhältnisses oder im Rahmen eines so genannten Projektsteuerungsvertrages erfolgt. Zwar ist die Rechtsnatur des Projektsteuerungsvertrages umstritten (dazu ausführlich Eschenbruch, Recht der Projektsteuerung, 2. Aufl. 2002). Dies ist auf die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder und Vertragspflichten, die ein Projektsteuerer übernehmen kann, zurückzuführen. Zum Einen erfüllt der Projektsteuerer der Sache nach Bauherrenaufgaben, d. h. der Bauherr bedient sich seiner zur Erfüllung der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten gegenüber Architekten/Ingenieuren und Baufirmen, insbesondere seiner Informations- und Koordinierungspflichten. Insofern wird bei dieser Tätigkeit kein Erfolg geschuldet, denn den Erfolg des mangelfreien, vertragsgerechten Bauwerks schuldet nicht der Bauherr, ob mit oder ohne Projektsteuerer. Diesen Erfolg schulden allein Architekt/Ingenieur und Baufirmen. Gleichwohl wird zum Teil angenommen, dass der Projektsteuerungsvertrag ebenfalls Werkvertrag sei. Der Bundesgerichtshof hat früher einen "Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungselementen" angenommen (BGH NJW-RR 1995, 855 = BauR 1995, 572 = ZfBR 1995, 189; ebenso im Ergebnis OLG Düsseldorf, BauR 1999, 508 und NJW 1999, 3129 = BauR 1999,

534

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1049) und verlangte für die Einordnung als Werkvertrag den Nachweis der Vereinbarung werkvertraglicher Erfolgsverpflichtungen. In einer darauffolgenden Entscheidung hat der BGH sich dagegen für die Annahme eines Werkvertrages ausgesprochen (BGH NJW 1999, 3118 = BauR 1999,1317 = ZfBR 1999, 336), wobei es auch hier auf die Auslegung der konkreten vertraglichen Vereinbarung ankäme. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH (NJW 1999, 3118 = BauR 1999,1317 = ZfBR 1999, 336; BGH NJW 2002, 749 = BauR 2002, 315L = ZfBR 2002, 243) steht nunmehr fest, dass stets im Einzelfall zu prüfen ist, ob die tätigkeitsbezogenen oder die erfolgsorientierten Elemente des Vertrages überwiegen. Der Einsatz eines Projektsteuerers zusätzlich zu den mit Planimg und Bauleitung beauftragten Architekten und Ingenieuren hat sich insbesondere bei Großbauvorhaben zunehmend durchgesetzt, weil ein Bau-Auftraggeber oder Investor, der keine eigene Bauabteilung hat, zeitlich und fachlich kaum in der Lage ist, die Vielzahl der Entscheidungen, die ihm in Bezug auf Ausbaudetails sowie Sonderwünsche von Nutzern und Mietern obliegen, rechtzeitig und sachgerecht zu treffen. Gleiches gilt für die Koordinierung der Baubeteiligten sowie die Termin- und Kostenkontrolle. Allerdings gerät der Projektsteuerer bei seiner diesbezüglichen Tätigkeit, der technischwirtschaftlichen Betreuung des Auftraggebers, schnell in den Bereich unerlaubter Rechtsbesorgung, ζ. B. bei der Vertragsgestaltung, der Prüfung von Nachträgen und allen Tätigkeiten, die mit der Beantwortung von Rechtsfragen verbunden und deshalb Rechtsbesorgung sind. Diese ist aber nach dem Rechtsberatungsgesetz erlaubnispflichtig und im Wesentlichen den Anwälten vorbehalten. Deshalb ist eine rechtsbesorgende Tätigkeit durch Architekten, Ingenieure und Projektsteuerer nur in engen Grenzen als ergänzende Nebentätigkeit und Hilfsgeschäft neben der technisch-wirtschaftlichen Betreuung des Bauherrn zulässig (vgl. im einzelnen Kniffka, Seite 125 ff. = ZfBR 1994, 253 ff. und 1995,10 ff.; Heiermann, BauR 1996,48 ff.; Kapellmann, Seite 35 ff.). Da aber technisch-wirtschaftliche Fragen allenthalben eng mit Rechtsfragen verknüpft sind, ist bei größeren Bauvorhaben eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und Kooperation von Projektsteuerern und baurechtlich versierten Anwälten in der Form des technischjuristischen Projektmanagements heute unerlässlich. Die damit verbundenen Kosten wiegen die Nachteile späterer Streitigkeiten über Nachforderungen, Verzugs- und Schadensersatzansprüche sowie Mängel in der Regel auf. 7.2.1.2

Abschluss des Architekten- und Ingenieurvertrages

Der Abschluss des Architekten- und Ingenieurvertrages bedarf an sich keiner besonderen Form, kann also auch mündlich erfolgen. Eine Ausnahme gilt aber für Architekten-

7 Errichtung von Immobilien

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und Ingenieurverträge mit öffentlichen und kirchlichen Auftraggebern. Für sie ist nach den einschlägigen Vorschriften des Kommunal- bzw. KirchenVerwaltungsrechts Schriftform zwingend vorgeschrieben (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1988, 467 = BauR 1988, 742; OLG Frankfurt, NJW-RR 1989,1425 = BauR 1989,378L). Allerdings handelt es sich dabei nicht um Form Vorschriften i. S. d. § 126 BGB, sondern um Zuständigkeitsregelungen über die Vertretungsbefugnis i. S. der §§ 177 ff. BGB (so OLG Hamm, NJW-RR 1995,274 = BauR 1995,129 = ZfBR 1995,33). Unabhängig davon empfiehlt es sich auch in allen anderen Fällen, Architekten- und Ingenieurverträge schriftlich abzuschließen, damit Inhalt und Umfang der Beauftragimg klargestellt und Streitigkeiten darüber vermieden werden. Das gilt insbesondere für die Abgrenzung zur honorarfreien vorvertraglichen Akquisition. Denn nicht selten werden - vor allem bei größeren Bauvorhaben - Architekten zunächst auf eigenes Risiko tätig und machen Bebauungsvorschläge, um dadurch eine Beauftragung erst zu erreichen. Erfolgt diese dann nicht, wird oftmals versucht, mit der Begründung, dass die Tätigkeit eines Architekten - ebenso wie die eines Arztes oder Anwalts - grundsätzlich honorarpflichtig ist, die ursprünglich als unentgelüich gedachte akquisitorische Tätigkeit doch noch in Rechnung zu stellen. Grundsätzlich muss der Architekt, um Honorar verlangen zu können, den Auftrag und Auftragsumfang beweisen. Der alleinige Verweis auf die Vermutung einer stillschweigenden Vergütungsvereinbarung gem. § 632 Abs. 1 BGB reicht für den Beweis eines tatsächlichen Auftrages nicht aus. Denn diese Vermutung erstreckt sich nicht auf die Auftragserteilung selbst, sondern nur darauf, dass, sollte ein Vertrag zustande gekommen sein, dessen Ausführung auch entgeltlich erfolgen sollte (OLG Düsseldorf BauR 2003, 1251 = NZBau 2003, 442 = ZfBR 2003, 463L). Wenn der Bauherr jedoch weiß und zulässt/duldet, dass ein Architekt sich mit seinen Bauabsichten befasst oder klärt, wie ein von ihm in Aussicht genommenes Grundstück bebaut werden kann, kommt durchaus auch der konkludente Abschluss eines stillschweigenden Architektenvertrages in Betracht (vgl. OLG München/ Augsburg, NJW-RR 1996, 341 = BauR 1996, 417; OLG Koblenz, NJW-RR 1996,1045 = BauR 1996, 888; OLG Hamm IBR 2003,138). So bewegt sich die Tätigkeit eines Architekten nicht mehr im akquisitorischen vergütungsfreien Bereich, wenn sich der Bauherr die Planungsleistungen im Rahmen einer Bauvoranfrage nutzbar macht (OLG Saarbrücken, NJW-RR 1999,1035 = BauR 2000, 753; vgl. auch OLG Rostock, IBR 2002,371). Dementsprechend hat das OLG Hamm entschieden, dass die Grenze zwischen vergütungsfreier Akquisition und honorarpflichtiger Architektentätigkeit dort liegt, wo der Architekt absprachegemäß in die konkrete Planung übergeht (BauR 2001, 1466 = NZBau 2001,508 = ZfBR 2001,329).

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Streit besteht in diesen und anderen Fällen oft auch darüber, wie weit die (stillschweigende) Beauftragung des Architekten geht und welchen Inhalt bzw. Umfang der (konkludent) abgeschlossene Architektenvertrag hat. Eine Vermutung dafür, dass in einem solchen Fall das volle Leistungsbild des § 15 HOAI übertragen und ein Auftrag über die so genannte Vollarchitektur erteilt worden ist, gibt es zwar nicht (BGH NJW1980,122 = MDR1980, 223; OLG Hamm, BauR 1990, 636 = NJW-RR1990, 91; OLG München/ Augsburg a. a. O.). Trotzdem sollte, um Streit zu vermeiden, aber auch diese Frage geregelt werden. Das gilt um so mehr, als der Bauherr/ Auftraggeber es in der Hand hat und selbst bestimmen kann, wie weit und in welchem Umfang er den Architekten/ Ingenieur beauftragen will. Er braucht nicht gleich das volle Leistungsbild im Sinne der Vollarchitektur in Auftrag zu geben. Das sollte er schon deshalb nicht, weil er im Voraus gar nicht weiß, ob er mit dem Architekten zurecht kommt, ob die Baugenehmigung erteilt wird oder ob er nicht aus irgendwelchen anderen, unter Umständen auch persönlichen Gründen von dem Bauvorhaben Abstand nehmen muss. 7.2.1.2.1

Stufenweise Beauftragung

Um diesen Risiken zu begegnen und eine größere Flexibilität zu erreichen, empfiehlt sich in jedem Fall eine so genannte stufenweise Beauftragung, etwa wie folgt: Stufe 1

Grundlagenermittlung und Vorplanung (Leistungsphasen 1 und 2)

Stufe 2

Entwurfs- und Genehmigungsplanung (Leistungsphasen 3 und 4)

Stufe 3

Ausführungsplanung (Leistungsphase 5)

Stufe 4

Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe (Leistungsphasen 6 und 7)

Stufe 5

Objektüberwachung (Leistungsphase 8)

Stufe 6

Objektbetreuung (Leistungsphase 9).

Dann hat der Auftraggeber die Möglichkeit, die nächstfolgende Stufe erst zu beauftragen, wenn er die Leistungen der vorangegangenen Stufe geprüft und für gut befunden hat. Vor allem aber kann er die Zusammenarbeit mit dem Architekten/Ingenieur nach jeder Stufe beenden, ohne kündigen zu müssen und einen wichtigen Grund dafür zu benötigen, weil keine weitergehende vertragliche Bindung besteht. Das ist gerade bei Großbauvorhaben wichtig, wenn sich der Auftraggeber/Investor nach Erteilung der Baugenehmigimg entschließt, einen Generalunternehmer zu beauftragen und diesem auch die Ausführungsplanimg zu übertragen. Dann wird er in der Regel die Architektenleistungen der Leistungsphasen 5 - 7 nicht mehr in Anspruch nehmen wollen.

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Ob und inwieweit in einem solchen Fall auch auf eine Objektüberwachung durch den Architekten/Ingenieur verzichtet werden kann (Leistungsphase 8), ist eine andere Frage. Vielfach wiegt die Honorareinsparung, die dadurch in Höhe von 31 % des vollen Honorars möglich ist, die damit verbundenen Nachteile nicht auf. Denn der Generalunternehmer kann sich nicht selbst beaufsichtigen, sondern nur seine Subunternehmer. Bei einem starken Generalunternehmer, der für eine entsprechende Mängelgewährleistung gut ist, mag das vielleicht noch hinnehmbar sein. Trotzdem ist es selbst dann aber ärgerlich und lästig, wenn bei einem bereits in Bezug genommenen und/oder vermieteten Objekt während der Dauer der Gewährleistung eine Vielzahl von Mängeln beseitigt werden muss. Die von Architekten und Ingenieuren gern verwendeten Formularverträge, auch der Einheitsarchitektenvertrag der Bundesarchitektenkammer, der vor einiger Zeit aus anderen Gründen zurückgezogen worden ist, berücksichtigen die vorgenannten Interessen des Bauherrn nicht immer ausreichend. Insbesondere sehen sie keine stufenweise Beauftragimg vor, sondern gehen regelmäßig von einer Vollbeauftragung des Architekten/Ingenieurs aus, sei es, dass alle Leistungsphasen angekreuzt werden oder entsprechende Streichungen unterbleiben. 7.2.1.2.2

Vorzeitige Vertragsbeendigung

Wenn der Auftraggeber bei einer Vollbeauftragung im vorstehenden Sinne den Architekten· bzw. Ingenieurvertrag vorzeitig beenden will, ohne dass er einen wichtigen Grund zur Kündigung hat, drohen ihm weiter gehende Honoraransprüche des Architekten/Ingenieurs in erheblichem Umfang. Nach § 649 BGB kann der Auftraggeber den Werkvertrag zwar jederzeit - auch ohne wichtigen Grund - kündigen. Der Auftragnehmer hat dann aber Anspruch auf entgangenen Gewinn, wobei dieser Begriff insofern irreführend ist, als das Kündigungshonorar für die entfallenden, nicht mehr zur Ausführung kommenden Leistungen in erster Linie Kostendeckungsbeitrag ist und nur zu einem geringen Teil Gewinn enthält. Der Auftragnehmer behält nämlich in diesem Fall seinen vollen Vergütungsanspruch und braucht sich nur anrechnen bzw. abziehen zu lassen, was er durch die vorzeitige Vertragsbeendigung/ Kündigung tatsächlich erspart oder anderweitig erwirbt bzw. zu erwerben unterlässt. Dieser Abzug ist bislang in jahrzehntelanger Praxis mit 40 % pauschaliert worden, so dass der, Architekt/Ingenieur 60 % Kündigungshonorar/entgangenen Gewinn behielt. Der Bundesgerichtshof hat diese 60:40-Klausel inzwischen jedoch mehrfach für unwirksam erklärt und verlangt einen Einzelnachweis der ersparten Aufwendungen und des evtl. anderweitigen Verdienstes (seit BGH NJW1996,1751 = BauR 1996,412 = ZfBR 1996,

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200 ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BGH: NJW 1999, 418 = BauR 1999, 167 = ZfBR 1999, 95; NJW 2000, 653 = BauR 2000, 430 = ZfBR 2000, 118; vgl. für neuere PauschalFormulierungen aber auch OLG Düsseldorf NZBau 2002, 686 = BauR 2002,1583). Diese Rechtsprechung ist allerdings insofern zu einem „Bumerang" für die Bauherren geworden, als die Architekten/ Ingenieure i. d. R. leicht nachweisen können, dass ihre ersparten Aufwendungen kaum 5 bis 10 % betragen, weil die Büro-, Gehalts- und sonstigen Geschäftskosten weiterlaufen und Ersatzaufträge/ Füllaufträge nicht eingegangen sind, insbesondere keine solchen, die nur aufgrund der Kündigung angenommen werden konnten und sonst nicht hätten bearbeitet werden können. Das liegt bei der bekannt schlechten Auftragslage der meisten Architekten- und Ingenieurbüros nachgerade auf der Hand, weshalb dem Auftraggeber, der keine stufenweise Beauftragimg vorgenommen hat, bei vorzeitiger Vertragsbeendigung/Kündigung ohne wichtigen Grund Entschädigungsansprüche von 90 % und mehr drohen (vgl. dazu im Einzelnen Jagenburg, NJW 1997, 2277 ff., 2280/81). Auch dieses Problem lässt sich jedoch durch entsprechende Vertragsgestaltung regeln. Zwar kann der Anspruch auf entgangenen Gewinn nach § 649 BGB nicht völlig ausgeschlossen werden, weil er zum so genannten Kerngehalt des Gesetzes gehört (BGH NJW 1985, 631 = BauR 1985, 77 = ZfBR 1985, 37). Der Anspruch kann jedoch seitens des Bauherrn und Auftraggebers vertraglich beschränkt und auf 5 oder 10 % pauschaliert werden (BGH NJW-RR 1995, 749 = BauR 1995, 546 = ZfBR 1995, 199; OLG Koblenz NJW-RR 2000, 871 = BauR 2000,419 = NZBau 2000,514). 7.2.2

Vergütungsanspruch des Architektei^Ingenieurs

Entgegen dem ansonsten geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit ist das Honorar des Architekten/Ingenieurs regelmäßig nicht frei vereinbar. Das unterscheidet den Architekten/Ingenieur vom Werkunternehmer, der seinen Werklohn frei vereinbaren kann. Gleiches gilt für •

Generalunternehmer/Bauträger, die neben Bauleistungen auch Planungsleistungen erbringen, für deren Berechnung sie jedoch nicht an die HOAI gebunden sind (BGH NJW 1997, 2329 = BauR 1997, 677 = ZfBR 1997, 250; OLG Köln NJW-RR 2000, 611 = BauR 2000, 910 = NZBau 2000,205),



Projektentwickler, deren Leistungen erheblich von dem, einen Architektenvertrag prägenden, Werkerfolg abweichen (BGH NJW 1998, 1228 = BauR 1998, 193 = ZfBR 1998, 94; abw. OLG Oldenburg NJW-RR 2002, 747 = BauR 2002, 332 = NZBau 2002, 283),

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Projektsteuerer, die mit ihren Leistungen Bauherrenaufgaben erfüllen und von daher nicht - wie Architekten und Ingenieure - „Auftragnehmer" i. S. der HOAI sind. Das hat zur Folge, dass § 31 Abs. 2 HOAI, der für sie eine schriftliche Honorarvereinbarung bei Auftragserteilung vorschreibt, insoweit unwirksam ist (BGH NJW 1997, 1694 = BauR 1997,497 = ZfBR 1997,187).

7.2.2.1

Die HOAI als Rechtsgrundlage für die Berechnung des Architekten- und Ingenieurhonorars

Die Vergütimg von Architekten- und Ingenieurleistungen richtet sich grundsätzlich zwingend nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), derzeit in der Fassung vom 01.01.1996, zuletzt geändert durch Art. 5 Neuntes EuroEinführungsgesetz vom 10.11.2001. Das gilt jedenfalls für Architektenleistungen mit anrechenbaren Kosten bis rund 25,57 Mio. Euro (§ 16 Abs. 3 HOAI), für Ingenieurleistungen der Tragwerksplanung/Statik mit anrechenbaren Kosten bis rund 15,34 Mio. Euro (§ 65 Abs. 2 HOAI) und Ingenieurleistungen der Technischen Ausrüstung/ Haus- und Gebäudetechnik mit anrechenbaren Kosten bis rund 3,84 Mio. Euro (§ 74 Abs. 2 HOAI). Nur bei Großobjekten mit anrechenbaren Kosten von mehr als 25,57 Mio. Euro für das Architektenhonorar bzw. den entsprechenden anrechenbaren Kosten für die jeweiligen Ingenieurleistungen kann das Honorar frei vereinbart werden. 7.2.2.2

Schriftliche Vereinbarung des Honorars im Rahmen der durch die HOAI festgesetzten Mindest- und Höchstsätze

Abgesehen von vorgenannten Ausnahmen gilt die HOAI als zwingendes Preisrecht mit festgesetzten Mindest- und Höchstsätzen (von-bis-Sätzen), die grundsätzlich nicht unterbzw. überschritten werden dürfen. Ein über die Mindestsätze hinausgehendes Honorar, ζ. B. der Mittelsatz (+ 50 %), kann nach § 4 Abs. 1 HOAI nur wirksam vereinbart werden wenn dies schriftlich und bei Auftragserteilung geschieht. Schriftlich bedeutet dabei beiderseitige Schriftform in Sinne des § 126 Abs. 2 BGB, d. h. bei einem Vertrag muss die Unterzeichnimg der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden mehrere gleich lautende Vertragsurkunden erstellt, genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Ein Honorarangebot des Architekten, das der Auftraggeber durch gesondertes Schreiben annimmt und bestätigt, erfüllt diese Voraussetzungen nach der Rechtsprechung nicht. Allerdings ist auch insoweit vieles streitig.

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Sofern nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart ist, gelten nach § 4 Abs. 4 HOAI die jeweiligen Mindestsätze als vereinbart. Diese Mindestsatzfiktion gilt dann bis zur Fertigstellung des Bauvorhabens und kann auch durch eine nachträgliche schriftliche Vereinbarung nicht mehr abgeändert werden. Deshalb gelten die Mindestsätze selbst dann, wenn im Architekten-/Ingenieurvertrag etwas anderes schriftlich vereinbart ist (ζ. B. der Mittel-, Dreiviertel- oder Höchstsatz), der Architekt/Ingenieur im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aber bereits mit seiner Tätigkeit begonnen und schon honorarpflichtige Leistungen erbracht hat. Auch in diesem Fall ist die schriftliche Honorarvereinbarung nachträglich und nicht schon „bei Auftragserteilung" zustande gekommen. Deshalb lohnt es sich in der Praxis durchaus, die Daten der ersten Pläne etc. mit dem Datum des schriftlichen Vertrages zu vergleichen. Allerdings kann sich der Auftraggeber nach Treu und Glauben nicht auf eine fehlende schriftliche Vereinbarung höherer Sätze bei Auftragserteilung berufen, wenn der Architekt/Ingenieur vor Beginn seiner Tätigkeit einen schriftlichen Vertrag mit entsprechender Mittel- oder Höchstsatzvereinbarimg vorgelegt und der Auftraggeber diesen erst Wochen oder Monate später unterschrieben

hat.

Denn

aus

der

von

ihm

selbst

verursachten

verspäteten

Gegenzeichnung kann er nichts herleiten (OLG Köln, NJW-RR 1997, 405 = IBR 1997, 289). Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, vor allem bei Aufträgen der öffentlichen Hand, in denen die Schriftform von vornherein vereinbart bzw. grundsätzlich einzuhalten ist. Wird entgegen dieser Vereinbarung der Vertrag ohne Schriftform abgeschlossen, so ist der Vertrag im Ganzen gem. § 154 Abs. 2 BGB unwirksam. Erst mit Vertragsunterzeichnung kommt der Vertrag zustande, so dass auch noch in diesem Zeitpunkt eine über den Mindestsätzen liegende Honorarvereinbarung getroffen werden kann, da das Merkmal „bei Auftragserteilung" damit eingehalten wurde. 7.2.2.2.1

Mindestsatzunterschreitung nur in Ausnahmefällen

Aufgrund des starken Wettbewerbsdrucks und schlechter Auftragslage sind Architekten und Ingenieure, wie die Erfahrungen der Praxis zeigen, oftmals bereit, auch weit unter den Mindestsätzen tätig zu werden. Eine solche Honorarvereinbarung muss nach § 4 Abs. 2 HOAI jedoch ebenfalls schriftlich getroffen werden und ist außerdem nur „in Ausnahmefällen" zulässig. Wann diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Anerkannt ist, dass innerhalb von Familie und Verein (Architektenleistungen für das Clubhaus), aber auch in sozialen Härtefällen (Wiederaufbau eines abgebrannten Kindergartens durch eine Eltern-Initiative) keine Bindung an die HO AI-Mindestsätze besteht. Darüber hinaus ist eine Unterschreitung der Mindestsätze zulässig, „wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles unter Berücksichti-

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gung des Zwecks der Mindestsatzregelung ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen ist" (BGH NJW 1997, 2329 = BauR 1997, 677 = ZfBR 1997, 250; vgl. auch OLG Nürnberg NJW-RR 2003, 1326 = NZBau 2003, 686 = IBR 2001, 495; OLG Saarbrücken, IBR 2004, 210). Das kann hiernach ζ. B. der Fall sein bei mehrfacher Verwendung einer Planung und „bei engen Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher oder persönlicher Art", die das Vertragsverhältnis „deutlich von den üblichen Vertragsverhältnissen unterscheiden". Dafür genügt es jedoch nicht, wenn „sich im Laufe der geschäftlichen Zusammenarbeit der Vertragsparteien Umgangsformen entwickeln, die als freundschaftlich zu bezeichnen sind" (BGH NJW-RR 1997,1448 = BauR 1997,1062 = ZfBR 1997, 305; NJW-RR 1999,1108 = BauR 1999,1044 = ZfBR 1999, 272: Architekt als "Duzfreund" und Mitglied desselben Tennisvereins). 7.2.2.2.2

Nachforderung des Mindestsatzhonorars

Liegt kein Ausnahmefall vor, ist eine Honorarvereinbarung, die die Mindestsätze unterschreitet, grundsätzlich unwirksam, nicht jedoch der Architekten-/ Ingenieurvertrag als solches. Das hat zur Folge, dass der Architekt/Ingenieur das Differenzhonorar bis zu den Mindestsätzen nachfordern kann. Überhaupt sind - mit Ausnahme der Überschreitung der Höchstsätze, die eine Anpassimg an dieselben zur Folge hat - die Mindestsätze immer dann heranzuziehen, wenn eine andere Honorarvereinbarung getroffen wurde, diese aber unwirksam ist. Für den Bauherrn und Auftraggeber bedeutet dies oft eine unliebsame Überraschung, wenn er auf die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung unterhalb der Mindestsätze vertraut und nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda" geglaubt hat, dass der Architekt/Ingenieur sich daran halten müsse. Da die HOAI-Mindestsätze jedoch zwingendes Preisrecht sind, gehen sie grundsätzlich dem Gebot der Vertragstreue vor. Die fehlende Aufklärung des Architekten über die mögliche Unwirksamkeit einer Pauschalhonorarvereinbarung, die die Mindestsätze unterschreitet, begründet nach der Rechtsprechung (BGH NJW-RR 1997, 1448 = BauR 1997, 1062 = ZfBR 1997, 305) auch keinen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers gegen den Architekten aus vorvertraglicher Pflichtverletzung, etwa auf Ersatz des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen, weil der Auftraggeber mit einem anderen Architekten ebenfalls keine wirksame Vereinbarung hätte treffen können, die die Mindestsätze unterschreitet. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen ist ein nachträgliches „Hochrechnen" eines niedriger vereinbarten Honorars auf die Mindestsätze wegen widersprüchlichen Verhaltens

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des Architekten/Ingenieurs treuwidrig (BGH NJW 1997, 2329 = BauR 1997, 677 = ZfBR 1997,250). Das ist jedoch nur dann der Fall, •

wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung unterhalb der Mindestsätze vertraut hat,



wenn er darauf auch vertrauen durfte, also nicht bösgläubig war,



wenn er sich auf das niedrigere Honorar tatsächlich eingerichtet hat und



wenn ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann.

Dem lag der Sonderfall eines Bauträgers zugrunde, der behauptete, er habe das unter den Mindestsätzen liegende und damit unwirksame Pauschalhonorar des Architekten der Preiskalkulation für seine Eigentumswohnungen zugrunde gelegt. Diese seien inzwischen verkauft, so dass er die Nachforderung des Architekten nicht mehr an die Erwerber weitergeben könne. Gleichwohl hatte das Oberlandesgericht den Bauträger zur Nachzahlung verurteilt, denn bei einem Bauträger ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass er erkennt oder erkennen kann/muss, ob das Angebot eines Architekten die Mindestsätze unterschreitet. Zumeist wird er selbst dies sogar verlangt haben. Dann kann er sich aber nicht auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben berufen, wenn der Architekt später nach den Mindestsätzen abrechnet (OLG Celle, BauR 1997,883). Entsprechend hat der BGH dann entschieden (NJW 1998, 2672 = BauR 1998, 813 = ZfBR 1998, 239), dass der Auftragnehmer eines Architekten- oder Ingenieurvertrages, der ein Pauschalhonorar vereinbart hat, i. d. R. die Mindestsätze verlangen kann, wenn das Pauschalhonorar die Mindestsätze unterschreitet. Denn in diesem Fall ist der Auftragnehmer grundsätzlich berechtigt, das Mindestsatzhonorar nach § 10 Abs. 2 HOAI abzurechnen. 7.2.2.2.3

Bindung an die erteilte Honorarschlussrechnung

Ausgeschlossen ist eine Nachforderung durch „Hochrechnen" auf die Mindestsätze oder aus anderen Gründen erst dann, wenn der Architekt über das niedriger vereinbarte Honorar selbst Schlussrechnung gestellt hat und diese vom Auftraggeber bezahlt worden ist. Dann ist der Architekt/Ingenieur auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die von ihm erteilte Honorarschlussrechnung gebunden (BGH NJW 1993, 659 = BauR 1993, 236 = ZfBR 1993, 66). Denn wenn ein Architekt Schlussrechnung erteilt, liegt darin regelmäßig die Erklärung, dass er seine Leistung abschließend berechnet hat. Allerdings stellt auch dann eine Nachforderung zur Schlussrechnung nicht stets

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ein treuwidriges Verhalten nach § 242 BGB dar. Es müssen vielmehr in jedem Einzelfall die Interessen des Architekten und des Auftraggebers umfassend geprüft und gegeneinander abgewogen werden (vgl. auch OLG Saarbrücken, IBR 2004, 210). Dies deshalb, weil nicht jede Änderung einer Schlussrechnung des Architekten nach Treu und Glauben ein unzulässiges widersprüchliches Verhalten ist. So ist ein widersprüchliches Verhalten ζ. B. dann anzunehmen, wenn der Architekt dem Auftraggeber u. a. wegen dessen schweren Erkrankung finanziell entgegengekommen ist und er sich sodann auch deshalb auf die Unwirksamkeit beruft, weil er damit dessen „Undankbarkeit" sanktionieren möchte (OG Köln NJW-RR1999,1109 = BauR 1999, 788L = NZBau 2000,147L). Weiterhin ist der Architekt an seine Schlussrechnung dann gebunden, wenn er erstmals 3 Vi Jahre nach Erteilung der Schlussrechnung diese korrigieren will (OLG Hamm OLGR 1996, 232). Es kommt daher darauf an, ob auf Seiten des Auftraggebers ein schutzwürdiges Vertrauen begründet worden ist. Denn nicht jede Schlussrechnung eines Architekten begründet beim Auftraggeber ein solches Vertrauen und nicht jedes erwirkte Vertrauen ist schutzwürdig. Hierbei ist zu beachten, dass im Einzelfall auch ein auf dem Bausektor seit Jahrzehnten tätiges Wohnungsbauunternehmen als Auftraggeber nicht weniger schutzwürdig sein kann als andere, deren Erfahrung nicht vergleichbar ist (LG Bonn BauR 2004,1199L = IBR-online 2004,1106). Die Schutzwürdigkeit ist aber ζ. B. dann zu verneinen, wenn von Anfang an Streit über die Zahlungsverpflichtung aus der zunächst erteilten Schussrechnung besteht (OLG Koblenz BauR 2001,825). Eine Bindung des Architekten/Ingenieurs an seine Honorarschlussrechnung ist deshalb i. d. R. erst dann gegeben, wenn der Auftraggeber diese auch tatsächlich akzeptiert und bezahlt hat, weil sich erst daraus ergibt, dass er auf die Richtigkeit der Rechnung vertraut hat. 7.2.2.3

Berechnungsfaktoren für die Honorarberechnung im Einzelnen

Für die Honorarberechnung im Einzelnen sind folgende vier Berechnungsfaktoren maßgebend: 7.2.2.3.1

Anrechenbare Kosten

Diese sind - wie der Gegenstands- oder Streitwert für das Anwaltshonorar - der Ausgangspunkt für die Honorarberechnung des Architekten/ Ingenieurs und nicht identisch mit den Baukosten. Denn in den Baukosten sind ζ. B. auch die Baunebenkosten enthalten, insbesondere das Architekten- und Ingenieurhonorar selbst, das natürlich nicht zu den anrechenbaren Ko-

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sten zählt (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 HOAI). Gleiches gilt für die Kosten der öffentlichen Erschließung (Nr. 3), der nichtöffentlichen Erschließung, wenn der Architekt/Ingenieur sie weder plant noch überwacht (Nr. 4), und für die Kosten der Außenanlagen (Nr. 5), die nach § 18 HOAI grundsätzlich getrennt abzurechnen sind. Schließlich ist auch die auf die Baukosten entfallende Umsatzsteuer nicht Bestandteil der anrechenbaren Kosten (§ 9 Abs. 2 HOAI). Die anrechenbaren Kosten sind hiernach die um die nach § 10 Abs. 5 HOAI nicht anrechenbaren Beträge verminderten Netto-Baukosten. Sie sind, weil die HOAI Preisrecht ist, nicht frei vereinbar, sondern nach § 10 Abs. 2 HOAI „unter Zugrundelegung der Kostenermittlungsarten nach DIN 276 in der Fassung vom April 1981 ... zu ermitteln" (vgl. dazu Kap. 7.2.2.4). Bei der Ermittlung der anrechenbaren Kosten als Honorarbasis spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob und in welchem Umfang der Architekt/ Ingenieur für den betreffenden Bereich tatsächlich auch Leistungen erbracht hat. Das ist erst im Rahmen des so genannten Leistungsbildes von Bedeutung, auf das nachstehend eingegangen wird. Deshalb zählen zu den anrechenbaren Kosten z. B. auch Eigenleistungen des Auftraggebers, für die ortsübliche Preise anzusetzen sind (§ 10 Abs. 3 HOAI). Ebenso sind - wenn auch nicht voll, sondern mit den in § 10 Abs. 4 HOAI vorgesehenen Abstrichen - die Kosten für Installationen, zentrale Betriebstechnik und betriebliche Einbauten anrechenbar, selbst wenn zusätzlich zu dem Architekten ein Fachingenieur für Technische Ausrüstung (Heizung, Sanitär, Elektro etc.) beauftragt ist und der Architekt diese Leistungen weder geplant hat, noch überwacht. Dieser Regelung liegt der Umstand zugrunde, dass zu den Grundleistungen des Architekten/Ingenieurs unter anderem auch die Koordination mit anderweitigen Planungen, vor allem Fachplanungen von Sonderfachleuten, sowie deren Integration in seine Planung gehört. Der Umfang dieser Koordinations- und Integrationstätigkeit ist in verschiedenen Teilbereichen unterschiedlich, so dass eine differenzierende Honorarberechnung vorgenommen werden muss. In einigen Fällen sind daher Kosten der vom Architekten/Ingenieur nicht mitbetreuten Bereiche dennoch bei den anrechenbaren Kosten seiner Honorarberechnung mit zu berücksichtigen. Die Technische Ausrüstung beispielsweise,

die nicht vom

Architek-

ten/Ingenieur, sondern von Dritten geplant wird, verlangt auch vom Architekten/Ingenieur so umfangreiche Koordinations- und Integrationsleistungen innerhalb seiner Objektplanung, dass in die Berechnung seines Honorars die Kosten auch der Technischen Ausrüstung in angemessenem Umfang einbezogen werden müssen. Dementsprechend sind diese Kosten teilweise anrechenbar. Damit werden nicht fachplaneri-

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545

sehe Leistungen honoriert, sondern der in diesem Zusammenhang besondere Umfang der koordinierenden und integrierenden Tätigkeit (vgl. BGH: NJW-RR1994,1043 = BauR 1994, 654 = ZfBR 1994, 208; NJW 2005, 63 = BauR 2004,1963 = ZfBR 2005, 59). Dazu zählen aber nur solche Installationen und Einbauten, die dem Gebäude/Bauwerk dienen, nicht auch solche, die mit diesem selbst nichts zu tun haben, sondern dem jeweiligen Betrieb/Gewerbe dienen und in dem Gebäude/Bauwerk nur „untergebracht" sind, ζ. B. medizintechnische Installationen und Einbauten in einem Krankenhaus, brauereitechnische Installationen und Einbauten in einer Brauerei oder fernmeldetechnische Installationen und Einbauten bei einem Postgebäude (dazu BGH NJW-RR 1994,1043 = BauR 1994, 654 =ZfBR 1994, 208), dagegen können Kosten für das Umlegen und Verlegen von Gasleitungen bei einem Ausbau einer Autobahn nicht angerechnet werden (BGH NJW 2005, 63 = BauR 2004,1963 = ZfBR 2005,59). Dagegen ist nach § 10 Abs. 3 a HOAI bei den anrechenbaren Kosten die vorhandene Bausubstanz angemessen zu berücksichtigen, soweit sie technisch oder gestalterisch mitverarbeitet wird. Das ist vor allem bei Umbauten und Modernisierungen von Bedeutung, insbesondere bei der Altbausanierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen. Zusätzlich zu der anrechenbaren vorhandenen Bausubstanz kann in diesen Fällen außerdem nach § 24 HOAI ein Umbauzuschlag von 20 % berechnet werden, der auch dann gilt, wenn nichts oder kein höherer Zuschlag schriftlich vereinbart ist. Das Schriftformerfordernis des § 10 Abs. 3 a HOAI ist allerdings keine Voraussetzung für den Honoraranspruch des Architekten/Ingenieurs. Der Architekt/Ingenieur kann unter den Voraussetzungen des § 10 a Halbs. 1 HOAI auch dann, wenn eine schriftliche Vereinbarung scheitert, sein Honorar nach anrechenbaren Kosten berechnen, bei denen die vorhandene Bausubstanz angemessen berücksichtigt ist (BGH NJW 2003,1667 = BauR 2003, 745 = ZfBR 2003, 364). Ist aber eine schriftliche Vereinbarimg vorhanden, und haben die Vertragsparteien eine Bausumme als Beschaffenheit des geschuldeten Werkes vereinbart, so bildet diese Summe auch die Obergrenze der anrechenbaren Kosten für die Honorarberechnung (BGH NJW 2003, 593 = BauR 2003, 566 = ZfBR 2003, 359). Denn grundsätzlich werden die für die anrechenbaren Kosten des Objektes maßgeblichen Kosten durch den Vertragsgegenstand bestimmt und begrenzt (BGH NJW-RR 1999,1107 = BauR 1999, 1045 = ZfBR 1999, 312). Hat der Architekt/Ingenieur jedoch bei den Grundleistungen einzelner Leistungsphasen vorhandene Bausubstanz nicht technisch oder gestalterisch mitverarbeitet, kann er sie auch nicht bei den anrechenbaren Kosten berücksichtigen. Insoweit gilt für die HOAI kein Prinzip der aufwandsneutralen Anrechenbarkeit von Kosten (BGH, NJW 2003,1667 = BauR 2003,745 = ZfBR 2003,364).

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7 Errichtung von Immobilien

7.2.2.3.2

Honorarzone

Diese bestimmt den Schwierigkeitsgrad des Bauvorhabens. Dafür sind folgende Bewertungsmerkmale maßgebend: Einbindung in die Umgebung, Funktionsbereiche, gestalterische Anforderungen, Konstruktion, technische Ausrüstung und Ausbau, für die jeweils bestimmte Punkte vorgesehen sind, nach denen die Honorarzone im Einzelfall ermittelt werden kann (§ 11 HOAI). Honorarzone I

sehr geringe Anforderungen, geringe Anforderungen,

Honorarzone II

geringe Anforderungen

Honorarzone III

durchschnittliche Anforderungen,

Honorarzone IV

überdurchschnittliche Anforderungen,

Honorarzone V

sehr hohe Anforderungen.

§ 12 HOAI enthält dann eine Objektliste, in der anhand häufiger Beispielsfälle eine Zuordnung erfolgt ist, ζ. B. Honorarzone I

Behelfsbauten u. Α.,

Honorarzone II

Garagen und Parkhäuser,

Honorarzone III

Wohnhäuser u. Ä.,

Honorarzone IV

aufwendige Einfamilienhäuser und Bungalows, Brauereien, Schulen und Hochschulen, Hotels, Banken und Kaufhäuser, Krankenhäuser, Konzerthallen u. Α.,



Honorarzone V

Universitätskliniken und Forschungslabors, Rundfunk- und Fernsehstudios, aufwendige Theater- und Konzertgebäude.

Auch die Honorarzone ist nicht frei vereinbar, sondern muss entsprechend der HOAI ermittelt werden. Denn je höher die Honorarzone ist, desto höher ist auch das Honorar. Insbesondere die Vereinbarung einer zu niedrigen Honorarzone, die zu einer Unterschreitung der Mindestsätze der in Betracht kommenden zutreffenden Honorarzone führt, ist grundsätzlich nicht wirksam. Sollte eine Honorarzone vereinbart werden, so muss sie sich am durch die HOAI eröffneten Beurteilungsspielraum ausrichten (BGH NJW-RR 2004, 233 = BauR 2004,354 = ZfBR 2004, 251).

7 Errichtung von Immobilien

7.2.2.3.3

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Honorarsatz

Insoweit hängt die Höhe des Honorars davon ab, ob lediglich der Mindestsatz gilt oder der Mittel-, Dreiviertel- oder Höchstsatz wirksam vereinbart ist. 7.2.2.3.4

Leistungsbild

Aus den anrechenbaren Kosten, der Honorarzone und dem Honorarsatz ergibt sich nach den jeweiligen Honorartafeln, wie viel das volle Honorar bei vollem Leistimgsbild = 100 % Architekten- bzw. Ingenieurleistung beträgt. Dieses Honorar wird dann entsprechend dem Leistungsbild mit bestimmten Prozentsätzen den einzelnen Leistungsphasen zugeordnet, in § 15 HOAI für das Architektenhonorar (und entsprechend in § 64 für die Tragwerksplanung/Statik, in § 73 HOAI für die Technische Ausrüstung/Haus- und Gebäudetechnik). Für Architektenleistungen bei Gebäuden verteilt sich das volle Honorar wie folgt auf die einzelnen Leistungsphasen: Leistungsphase 1 - Grundlagenermittlung

3%

Leistungsphase 2 - Vorplanung

7%

Leistungsphase 3 - Entwurfsplanung

11 %

Leistungsphase 4 - Genehmigungsplanung

6%

Leistungsphase 5 - Ausführungsplanung

25%

Leistungsphase 6 - Vorbereitung der Vergabe

10%

Leistungsphase 7 - Mitwirkung bei der Vergabe

4%

Leistungsphase 8 - Objektüberwachung

31 %

Leistungsphase 9 - Objektbetreuung

3% 100%

Dazu kommen dann noch etwaige Zuschläge, ζ. B. der Umbauzuschlag bei Umbauten und Modernisierungen (§ 24 HOAI). Bei Vergabe an einen Generalunternehmer können für die Architektenleistungen ab Leistungsphase 6 ff. ggf. geringere Honorarprozentsätze vereinbart werden, weil der Architekt es dann insofern leichter/einfacher hat, als er es nur mit einem einzigen Unternehmer und nicht mit einer Vielzahl von Gewerken zu tun hat. Jedoch muss eine derartige Reduzierung der Leistungsprozentsätze vereinbart werden und gilt nicht automatisch nur deshalb, weil die Leistungen an einen Generalunternehmer statt an eine Vielzahl von Gewerken vergeben werden. Denn die Honorierung des Architekten/Ingenieurs ist

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7 Errichtung von Immobilien

grundsätzlich nicht zeit- und leistungsbezogen, sondern allein ergebnisorientiert (= erfolgsbezogen). 7.2.2.4

Fälligkeit des Honorars - Prüffähige Rechnung

Nach § 8 Abs. 1 HOAI wird das Honorar fällig, wenn die Leistung vertragsgemäß erbracht und eine prüffähige Honorarschlussrechnung überreicht worden ist. Dafür ist erforderlich, dass die vorgenannten Berechnungsfaktoren für das Honorar nachvollziehbar dargelegt sind: •

Anrechenbare Kosten,



Honorarzone,



Honorarsatz und



Leistungsbild.

Die anrechenbaren Kosten sind, wie schon erwähnt, nach § 10 Abs. 2 HOAI unter Zugrundelegung des Kostenermittlungsverfahrens nach DIN 276 in der Fassung von April 1981 darzulegen, obwohl seit Juni 1993 eine neue DIN 276 vorliegt. Diese ist für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten jedoch nicht maßgebend, ihre Verwendung als Grundlage der Honorarberechnung nach der Rechtsprechung sogar unzulässig und eine Architektenhonorarrechnung, der die neue DIN 276/1993 zugrunde liegt, deshalb i. d. R. nicht prüffähig (so BGH NJW1998,1064 = BauR 1998,354 = ZfBR 1998,149). Jedoch kann das im Einzelfall anders sein, wenn der Bauherr und Auftraggeber selbst so sach- und fachkundig ist, dass er auch Kostenermittlungen nach der neuen DIN 276/1993 ausreichend prüfen kann. Das gilt um so mehr, als es Zuordnungstabellen gibt, die die Kostengruppen der alten DIN 276/1981 denen der neuen DIN 276/1993 gegenüberstellen (vgl. ζ. B. Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, Anhang 3 S.1219 ff.). Ebenso ist es nicht erforderlich, für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten die Formulare der DIN 276 zu verwenden. Denn die Prüfbarkeit einer Architektenhonorarrechnung ist kein Selbstzweck. Die Anforderungen an sie ergeben sich vielmehr aus den Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers. Diese bestimmen und begrenzen Umfang und Differenzierung der für die Prüfbarkeit erforderlichen Angaben. Welche Anforderungen an eine prüffähige Rechnung zu stellen sind, hängt vom Einzelfall ab, insbesondere von den Kenntnissen und Fähigkeiten des Auftraggebers und seiner Hilfspersonen (BGH NJW 1998, 3123 = BauR 1998,1108 = ZfBR 1998, 299; NJW-RR 1999, 95 = BauR 1999, 63 = ZfBR 1999, 37). Der Auftraggeber kann sich daher nach Treu und

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Glauben nicht auf die fehlende Prüffähigkeit der Schlussrechnung berufen, wenn diese auch ohne die objektiv unverzichtbaren Angaben seinen Kontroll- und Informationsinteressen genügt. Allerdings ist der Auftraggeber nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen gegen die Prüffähigkeit der Schlussrechnung ausgeschlossen, die er nicht spätestens innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Rechnung vorgebracht hat (BGH NJW-RR 2004,445 = BauR 2004,316 = ZfBR 2004,262). Da die zu Anfang eines Bauvorhabens geschätzten Kosten in den seltensten Fällen mit den endgültigen Bau- und Herstellungskosten identisch sind, diese jedenfalls meist höher

und

selten

niedriger

sind,

enthält und unterscheidet

das

Kostenermitt-

lungsverfahren nach DIN 276/1981 vier verschiedene Kostenermittlungsarten, die sich so auch im Leistungsbild des Architekten in § 15 HOAI wiederfinden: •

Kostenschätzung Diese ist in der Leistungsphase 2 vorgesehen und als erste überschlägige Kostenermittlung, die in der Regel nur nach Kubikmeter umbautem Raum χ Einheitspreis erfolgt, noch relativ grob. Deshalb wird dem Architekten hier haftungsrechtlich auch ein Toleranzspielraum von ca. 30 % für schätzungsbedingte Schwankungen zugebilligt.



Kostenberechnung Sie ist Teil der Leistungsphase 3, wo schon vermasste l:100-Pläne vorliegen, und muss deshalb entsprechend genauere Berechnungen für die wichtigsten Gewerke von Rohbau und Ausbau enthalten. Aus diesem Grunde beträgt bei der Kostenberechnung haftungsrechtlich der Toleranzspielraum nur noch ca. 20 %.



Kostenanschlag Er ist in Leistungsphase 7 vorgesehen, nachdem die - meist aufgrund entsprechender Ausschreibung - eingeholten Angebote geprüft, in Form eines Preisspiegels gegenübergestellt sind und zu den einzelnen Gewerken ein Vergabevorschlag gemacht ist, welches von mehreren Angeboten für den Rohbau und die Ausbaugewerke das jeweils preisgünstigste bzw. annehmbarste ist. In diesem Sinne ist der Kostenanschlag das Ergebnis von Ausschreibung und Vergabe in Form der Stimme aller Angebote, zu denen nach dem Vergabevorschlag der Auftrag erteilt werden soll. Damit liegen - nach der Kostenschätzung und Kostenberechnung des Architekten nunmehr auch Unternehmerpreise vor, die erkennen lassen, was der Bau - im Vergleich zur Kostenschätzimg bzw. Kostenberechnung - tatsächlich kosten wird. Da

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hier nur noch die der Ausschreibung zugrunde liegenden Massen geschätzt sind oder auf der Ermittlung des Architekten beruhen, reduziert sich dessen Toleranzspielraum auf ca. 10 %. •

Kostenfeststellung Dies ist die in Leistungsphase 8 vorgesehene Zusammenstellung der endgültigen Herstellungskosten gemäß den Schlussrechnungen der ausführenden Firmen, wobei auch die Gründe für etwaige Abweichungen gegenüber dem Kostenanschlag darzulegen sind, wenn und soweit sich Mehr- un eroder Minderkosten ergeben haben. Zusätzlich sind alle vier Kostenermittlungsarten durch die Pflicht zu ständiger Kostenkontrolle und Kostenfortschreibung miteinander verbunden, damit der Auftraggeber jederzeit feststellen kann, ob die Baukosten im Rahmen bleiben bzw. wie sie sich entwickeln. Auch für die Honorarberechnung sind die verschiedenen Kostenermittlungsarten von Bedeutung, weil § 10 Abs. 2 HOAI zwingend vorschreibt, dass die Honorarabrechnung in drei Abschnitten erfolgen muss und jeder Abschnitt nach den für ihn maßgeblichen anrechenbaren Kosten abzurechnen ist:



Leistungsphasen 1 - 4 nach der Kostenberechnung, nur wenn der Auftrag lediglich die Leistungsphasen 1 und 2 umfasst oder vor Erbringung der Kostenberechnung in Leistungsphase 3 endet, ist die Kostenschätzung maßgebend;



Leistungsphasen 5 - 7 nach dem Kostenanschlag, nur wenn der Auftrag nicht so weit reicht oder vor Erstellung des Kostenanschlags in Leistungsphase 7 endet, kann auf die Kostenberechnung zurückgegriffen werden;



Leistungsphasen 8 und 9 nach der Kostenfeststellung, nur wenn der Auftrag die Leistungsphase 8 nicht umfasst oder vor der Kostenfeststellung endet, gelten die anrechenbaren Kosten des Kostenanschlags.

Auch diese dreigeteilte Honorarberechnung ist zwingend. Damit soll erreicht werden, dass für jeden Abschnitt die für ihn typischen/ maßgeblichen Kosten zugrunde gelegt werden. Beispiel: Nach der Kostenberechnimg des Architekten soll das Haus ca. 210.000 Euro kosten, laut Kostenanschlag liegen die Baukosten bereits bei 290.000 Euro und die Kostenfeststellung

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endet, weil Gründungsprobleme und Zusatzwünsche des Auftraggebers zu Mehrkosten geführt haben, schließlich bei 360.000 Euro. In einem solchen Fall kann der Architekt die Leistungsphasen 1 - 9 nicht einheitlich allein nach den endgültigen Herstellungskosten der Kostenfeststellung abrechnen, weil für die Leistungsphasen 1 - 4 die anrechenbaren Kosten gemäß Kostenberechnimg und für die Leistimgsphasen 5 - 7 die anrechenbaren Kosten gemäß Kostenanschlag niedriger waren. Deshalb sind die Leistungsphasen 1 - 4 und die Leistungsphasen 5 - 7 nach den niedrigeren Beträgen der für sie maßgeblichen Kostenermittlungsart abzurechnen, womit zugleich dem oft erhobenen Vorwurf, mancher Architekt treibe die Kosten bewusst in die Höhe, weil damit sein eigenes Honorar steigt, weitgehend der Boden entzogen ist. Nur im umgekehrten Fall, dass Kostenberechnung und Kostenanschlag höher lagen, kann der Architekt einheitlich nach dem niedrigeren Betrag der Kostenfeststellung abrechnen. Beispiel: Die Kostenberechnung für den Komfortbungalow mit Schwimmbad liegt bei 360.000 Euro. Da dies dem Bauherrn zu teuer ist, entfällt das Schwimmbad. Der Kostenanschlag liegt deshalb bei 290.000 Euro. Da auch dies dem Bauherrn noch zu viel ist, wird weiter „abgespeckt" und insgesamt einfacher gebaut, so dass die Herstellungskosten gemäß Kostenfeststellung schließlich bei 210.000 Euro enden. Hier wäre eine einheitliche Abrechnung nach der Kostenfeststellung erlaubt, weil sie nicht zum Nachteil des Bauherrn ist. Allerdings braucht sich in diesem Fall der Architekt darauf nicht einzulassen, sondern kann die Leistungsphasen 1 - 4 nach der höheren Kostenberechnung abrechnen und die Leistungsphasen 5 - 7 nach dem im Verhältnis zur Kostenfeststellung ebenfalls höheren Kostenanschlag. •

Abschlagszahlungen Nach § 8 Abs. 2 HOAI können Abschlagszahlungen in angemessenen zeitlichen Abständen für nachgewiesene Leistungen verlangt werden. Auch dafür ist aber eine prüffähige Abschlagsrechnung erforderlich, für die im Prinzip dieselben Grundsätze gelten, wie vorstehend für die Architekten-Honorarschlussrechnung dargelegt. Entgegen verbreiteter Annahme können Abschlagszahlungen nicht nur für vollständig abgeschlossene Leistungsphasen verlangt werden, sondern auch für halbfertige Leistungen innerhalb einer Leistungsphase. Das ist einleuchtend, weil der Architekt sonst für die gesamte Ausführungsplanung, die allein 25 % des Leistungsbildes ausmacht, vor vollständiger Fertigstellung keine Abschlagszahlungen verlangen

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könnte und für die Objektüberwachung, die 31 % des Leistungsbildes ausmacht, ebenfalls erst nach Baufertigstellung. Der neu eingeführte § 632 a BGB, der regelt, dass Unternehmer Abschlagszahlungen nur für in sich abgeschlossene Teile des Werkes verlangen kann, gilt insoweit hier nicht, da § 8 Abs. 2 HOAI als Spezialnorm der gesetzlichen Regelung des § 632 a BGB vorgeht. Für Planungsleistungen, die nach HOAI abgerechnet werden können, gilt daher alleine die Regelung des § 8 Abs. 2 HOAI. Die Höhe der Abschlagszahlung richtet sich alleine nach dem Stand der Leistungen, wofür der Architekt/ Ingenieur die volle Darlegungs- und Beweislast trägt. •

Nebenkosten Sie sind nach § 8 Abs. 3 HOAI auf Nachweis fällig, sofern nicht „bei Auftragserteilung" eine Pauschalierung schriftlich vereinbart worden ist.

7.2.2.5

Sicherung des Vergütungsanspruchs

Hinsichtlich der Absicherung des Honoraranspruchs des Architekten/ Ingenieurs, soweit keine Abschlagszahlungen erfolgt sind, ist zu unterscheiden: 7.2.2.5.1

Erbrachte Leistungen

Für sie gibt § 648 BGB auch dem Architekten/Ingenieur einen Anspruch auf Bewilligung einer im Grundbuch einzutragenden Bauhandwerkersicherungshypothek, allerdings nur, soweit nach seinen Plänen bereits gebaut worden ist. Denn nur dann ist davon auszugehen, dass sich dadurch der Wert des Baugrundstücks erhöht hat (vgl. hierzu im Einzelnen Kapitel 7.3.2.4.2). Bei einer nicht realisierten Planung („Schubladen-Planung") fehlt es daran. Wenn dagegen nach der Planung gebaut worden ist, kann für das dadurch verdiente, offene Honorar die Bewilligung einer Sicherungshypothek im Grundbuch verlangt und notfalls klageweise durchgesetzt werden. Doch besteht dann naturgemäß die Gefahr, dass ein Auftraggeber, der nicht zahlen will, das Baugrundstück weiter belastet. Deshalb wird in solchen Fällen üblicherweise gem. § 885 BGB verfahren und eine einstweilige Verfügung auf Vormerkung erwirkt, durch die der Anspruch auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek an nächstfreier Rangstelle vorgemerkt und das Grundbuch dadurch für weitere Belastungen blockiert wird. Trotzdem ist dies nur in seltenen Fällen ein wirksames Sicherungsmittel, denn zum einen kann dadurch eine Absicherung nur auf dem Baugrundstück erreicht werden, nicht

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auch auf anderen Grundstücken des Bauherrn und Auftraggebers. Zum anderen sind in der Regel und meist bis zur Grenze der Beleihbarkeit bereits vorrangige Baufinanzierungsmittel eingetragen. Außerdem besteht ein Anspruch auf Vormerkimg bzw. Bauhandwerkersicherungshypothek nur, wenn der Bauherr und Auftraggeber auch Eigentümer des Baugrundstücks ist, in der Regel also nicht, wenn der Auftraggeber ζ. B. eine GmbH ist, das Baugrundstück aber dem Geschäftsführer persönlich gehört. Hier ist die fehlende rechtliche Identität zwischen Auftraggeber und Grundstückseigentümer nur dann kein Hindernis, wenn die Auftraggeber-GmbH lediglich vorgeschoben ist und von dem Grundstückseigentümer, dem die baubedingte Werterhöhimg des Grundstücks zugute kommt, faktisch beherrscht wird. In solchen Fällen muss sich der Grundstückseigentümer trotz fehlender Identität nach den in § 242 BGB niedergelegten Grundsätzen von Treu und Glauben als Auftraggeber/Besteller behandeln lassen (BGH NJW 1988, 255 = BauR 1988, 88 = ZfBR 1988, 72; OLG Hamm, NJW-RR 1989,1105 = BauR 1990, 365; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993;851; KG, BauR 1999,921). Aber selbst dann bleibt, wie in allen anderen Fällen der Bauhandwerkersicherungshypothek bzw. Vormerkung der Nachteil, dass dadurch nur erbrachte Leistungen gesichert werden können, der Architekt also seinem verdienten Geld hinterherlaufen muss und dieses verliert, wenn der Auftraggeber insolvent wird. 7.2.2.5.2

Noch zu erbringende Leistungen

Dafür ist deshalb im Zuge der Insolvenzrechtsreform durch das so genannte Bauhandwerkersicherungsgesetz ab 01.05.1993 § 648 a BGB eingeführt worden (siehe hierzu im Einzelnen auch Kapitel 7.3.2.4.1), der auch dem Architekten/Ingenieur „für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen" Anspruch auf Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft oder Zahlungsversprechen eines Kreditinstitutes oder Kreditversicherers gibt, und zwar in Höhe des voraussichtlichen Vergütungsanspruchs. Die Kosten für diese Sicherheit muss aber bis zu einem Höchstsatz vor 2 % pro Jahr der Auftraggeber/Ingenieur tragen, der die Sicherheitsieistimg verlangt. Die Sicherheitsleistung selbst lässt sich allerdings nicht erzwingen. Vielmehr hat der Auftraggeber/Ingenieur nur die Möglichkeit, dem Auftraggeber zur Beibringung einer solchen Sicherheit eine Frist zu setzen „mit der Erklärung, dass er nach dem Ablauf der Frist seine Leistung verweigere". Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann er seine Arbeit einstellen und, wenn er sich ganz vom Vertrag lösen will, dem Auftraggeber eine weitere Frist setzen mit der Erklärung, dass er nach deren Ablauf den Vertrag kündige. Mit Ab-

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lauf dieser weiteren Frist gilt der Vertrag als aufgehoben, ohne dass es dazu noch einer besonderen Kündigungserklärung bedarf. Im Einzelnen ist noch manches streitig. Entschieden ist jedoch inzwischen, dass § 648 a BGB außer zukünftigen auch bereits erbrachte Leistungen sichert, solange diese noch nicht durch Abschlags- oder Vorauszahlungen abgegolten sind (OLG Karlsruhe NJW 1997, 263 = BauR 1996,556). Verlangt der Architekt/Ingenieur eine überhöhte Sicherheit, so kann der Auftraggeber dieses Verlangen nicht einfach ignorieren, er ist vielmehr zur Stellung einer „angemessenen" Sicherheit verpflichtet (OLG Düsseldorf, BauR 1999, 47). Des Weiteren hat das OLG Düsseldorf (BauR 2005,155L = IBR 2005,28) entschieden, dass auch der lediglich planende Architekt Sicherheit gem. § 648 a BGB verlangen kann, ohne dass seine Planungsleistungen in einem konkreten Bauerfolg oder sonst in einer Werterhöhung des Bauwerks Niederschlag gefunden haben müssen. Nach § 648 a Abs. 7 BGB sind diese Regelungen zwingend und können nicht abbedungen werden. Eine hiervon abweichende Vereinbarung ist unwirksam. 7.2.2.6

Verjährung des Vergütungsanspruchs

Für die Verjährung des Honoraranspruchs des Architekten/Ingenieurs gilt die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 eingeführte neue regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB n. F. von drei Jahren. Nach altem Recht galt entweder eine zweijährige Verjährungsfrist oder - falls der Architekt/Ingenieur Leistungen für den Gewerbebetrieb des Auftraggebers erbracht hat und selbst Kaufmann war - eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese Unterscheidung entfällt nunmehr. Es gilt insgesamt die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Die Verjährungsfrist beginnt entsprechend § 199 Abs. 1 BGB n. F. mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (Auftraggeber) von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Entstehung des Anspruches ist mit der Fälligkeit gleichzusetzen (BGH NJW 1990,1170 = BauR 1990, 95 = ZfBR 1990, 14), so dass hier § 8 HOAI zu beachten ist (vgl. oben unter Kapitel 7.2.2.4). Für Abschlagsforderungen gelten die vorgenannten Grundsätze entsprechend, d. h. Ansprüche auf Abschlagszahlungen verjähren selbstständig ebenfalls in drei Jahren ab dem Jahresende, in dem für sie eine prüfbare Abschlagsrechnung vorgelegt worden ist. Jedoch kann der Architekt/Ingenieur auch verjährte Abschlagsforderungen wieder in seine Honorarschlussrechnung einstellen und mit dieser erneut geltend machen, ohne

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dass die Verjährung der Abschlagsforderungen dem entgegensteht (BGH NJW1999, 713 = BauR 1999,267 = ZfBR 1999,98). 7.2.3

Urheberrecht des Architektei^Ingenieurs

Das Urheberrecht des Architekten/Ingenieurs an seiner Planung ist als Persönlichkeitsrecht als solches nicht übertragbar, wohl aber die Nutzungsbefugnis daran. Auch das ist deshalb ein Punkt, der unbedingt vertraglich geregelt werden sollte, insbesondere in den Fällen stufenweiser Beauftragung, wenn der Auftraggeber vor oder nach der Ausführungsplanung einen Generalunternehmer einschaltet, wie auch für den Fall vorzeitiger Beendigung des Architekten-/Ingenieurvertrages, aus welchen Gründen auch immer. Denn ohne vertragliche Übertragung der Nutzungsbefugnis bekommt der Auftraggeber sonst unter Umständen Probleme, wenn er ohne Hinzuziehung des Architekten/Ingenieurs nach dessen Plänen bauen will. Das gilt auch bei späteren Um- und Erweiterungsbauten. Im Einzelnen ist hier vieles ungeklärt und streitig (vgl. u. a. von Gamm, BauR 1982, 97 ff.; Prinz, Urheberrecht für Ingenieure und Architekten; Werner/Pastor, 10. Auflage, Rn. 1937 ff.). Nach einer Entscheidung des für Bausachen zuständigen VII. Zivilsenats des BGH (NJW 1975, 1165 = BauR 1975, 363) überträgt der mit den Leistimgsphasen 1 - 4, d. h. bis zur Baugenehmigung beauftragte Architekt dem Auftraggeber stillschweigend die Nutzungsbefugnis an den diesbezüglichen Leistungen, ohne über die ihm dafür zustehende Vergütimg hinaus ein Entgelt für die Verwendung seiner Pläne bei der Ausführung des Bauwerks durch den Auftraggeber verlangen zu können. Denn es ist gerade der Sinn und Zweck eines solcherart beschränkten Auftrags, dass der Auftraggeber nach der erwirkten Baugenehmigung bauen kann, ohne weiter an den Architekten gebunden zu sein. Schon das ist aber nicht unbestritten, und auch in allen anderen in Betracht kommenden Fällen ist im Zweifel keine stillschweigende Übertragung der Nutzungsbefugnis anzunehmen. Demgemäß hat der für Urheberrechtsfragen zuständige I. Zivilsenat des BGH entschieden (NJW 1984, 2818 = BauR 1984, 416 = ZfBR 1984,194), dass aus der Übernahme eines Einzelauftrags für die Leistungsphasen 1 und 2 zur Erstellung eines Vorentwurfs, d. h. bei bloßer Vorplanung regelmäßig noch nicht auf die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse insbesondere des Nachbaurechts, geschlossen werden kann (ebenso OLG Hamm NJW-RR 2000,191 = BauR 1999,1198). Entsprechendes gilt bei so genannter Vollarchitektur, weil der Architekt in diesem Fall davon ausgeht, an der

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Errichtung des Bauwerks nach seinen Plänen selbst mitzuwirken, und deshalb nicht stillschweigend irgendwelche Nutzungsbefugnisse auf den Auftraggeber überträgt. Nicht abschließend geklärt ist auch, wie weit der Urheberrechtsschutz für den Architekten/Ingenieur geht, wenn etwa trotz voller Beauftragung nach den bis zur Genehmigungsplanung fertig gestellten urheberrechtlich geschützten Plänen ohne den Architekten gebaut wird. Das OLG Köln hat in einem solchen Fall einen Schadensersatzanspruch in Höhe des üblichen Honorars bis zur Leistungsphase 8 zugesprochen (BauR 1991, 647= IBR 1991, 501). Das OLG München dagegen ist - wohl eher zutreffend - der Meinung, dass der Architekt nur bis zur Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) eine urheberrechtlich relevante schöpferische Leistung erbringt (NJW-RR 1995, 474 = OLGR 1995, 14 = IBR 1995, 213); ebenso OLG Nürnberg, NJW-RR 1998, 47 = BauR 1998, 168; OLG Jena, BauR 1999, 672 = IBR 1999, 328; OLG Hamm NJW-RR 2000,191 = BauR 1999, 1198). Soweit außerdem ein Abzug für ersparte Aufwendungen erfolgt, wird dieser in Anlehnung an die alte 60:40-Regelung bei gekündigten/vorzeitig beendeten Verträgen zumeist noch mit 40 % bemessen. Das ist in Anbetracht der dagegen gerichteten BGHRechtsprechung jedoch problematisch und deshalb auch dafür eine vertragliche Regelung dringend zu empfehlen (vgl. vorstehend Kap. 7.2.1.2 am Ende). Ein häufiger Streitpunkt bei Umbauten, Instandsetzungen und Sanierungen ist schließlich das urheberrechtliche Änderungsverbot. Dieses richtet sich aber nur gegen Veränderungen, die aus rein geschmacklichen Gründen vorgenommen werden und eine künstlerische Verschlechterung oder Verfälschung darstellen. Denn der Urheber einer Planung oder eines Bauwerks hat grundsätzlich ein Recht darauf, dass das von ihm geschaffene Werk, in dem seine individuelle künstlerische Schöpferkraft ihren Ausdruck gefunden hat, der Mit- und Nachwelt in seiner unveränderten individuellen Gestaltung zugänglich gemacht wird (BGH NJW 1999, 790 = BauR 1999, 272). Dagegen sind Änderungen, die aus technischen oder wirtschaftlich-kostenmäßigen Gründen erfolgen, prinzipiell zulässig, ζ. B. die Aufsattelung eines undichten Flachdachs zum Schutz gegen Feuchtigkeitsschäden (OLG Frankfurt, NJW-RR 1986, 546 = BauR 1986, 466; vgl. auch KG, KGR Berlin 1997, 3 = IBR 1997,113: Änderung eines geplanten gläsernen in einen gemauerten Aufzugsschacht). 7.2.4

Leistungspflichten und Haftung des Architekten/Ingenieurs

Die Leistungspflichten des Architekten und Ingenieurs ergeben sich nicht aus der HOAI. Als bloße Honorarordnung enthält diese keine normativen Leitbilder für den Inhalt

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von Architekten- und Ingenieurverträgen. Die in der HOAI geregelten „Leistungsbilder" sind lediglich Gebührentatbestände für die Berechnung des Honorars der Höhe nach (BGH NJW1997, 586 = BauR 1997,154 = ZfBR 1997, 74 und NJW1999,427 = BauR 1999, 187 = ZfBR 1999,92). Insbesondere beschränken sich die Leistungspflichten des Architekten/ Ingenieurs nicht auf die Leistungsbilder der HOAI, sondern gehen unter Umständen darüber hinaus lind umfassen alles, was zur Erreichung des werkvertraglich geschuldeten Erfolgs erforderlich ist. Denn was ein Architekt oder Ingenieur vertraglich schuldet, ergibt sich aus dem geschlossenen Vertrag, hier: aus dem Recht des Werkvertrages. Der Inhalt dieses Architekten-/Ingenieurvertrages ist nach allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Vertragsrechts durch Auslegung zu ermitteln (BGH wie vor). 7.2.4.1

Umfang der Einstandspflicht des Architekteiyingenieurs

Wofür der Architekt/Ingenieur letztendlich alles einstehen muss, ist eine Frage des Einzelfalles und von dem konkreten Inhalt des übernommenen Auftrags abhängig; dessen mangelfreie Erfüllung der Architekt/Ingenieur schuldet. Generell lässt sich sagen, dass es Aufgabe des Architekten/Ingenieurs ist, die Bauwünsche seines Auftraggebers zu ermitteln und so zu planen, dass dessen Zielvorstellungen in vollem Umfang verwirklicht werden können (BGH NJW-RR 1998, 668 = BauR 1998, 356 = ZfBR 1998,148). Dazu gehört auch eine frühzeitige Klärung des Kostenrahmens und der zur Verfügung stehenden Mittel einschließlich der Prüfung und Aufklärung des Auftraggebers, ob und inwieweit seine Bauwünsche damit vereinbar sind. Denn vielfach sind die Bauwünsche des Bauherrn größer als sein Budget. Der Architekt/ Ingenieur darf deshalb nicht einfach „darauf los planen" und dem Auftraggeber eine Planung liefern, die zwar seinen Bauwünschen entspricht, die vorhandenen finanziellen Mittel aber weit übersteigt. Aus diesem Grunde ist die Vereinbarkeit von Bauwünschen und Budget so früh wie möglich zu klären. Damit nicht später unvorhergesehene Mehrkosten entstehen, muss der Architekt/Ingenieur auch die Boden- und Grundwasserverhältnisse möglichst früh klären und die Einholung eines entsprechenden Bodengutachtens durch den Bauherrn veranlassen. Denn gerade Gründungsprobleme aufgrund ungünstiger Boden- und Grundwasserverhältnisse, aber auch Altlasten u. a. Kontaminationen, verursachen oft hohe Mehrkosten, etwa für Bodenaustausch und Tiefergründungen, Wasserhaltung und Grundwasserisolierung. Sie führen zu keiner Wertsteigerung des Bauwerks, machen

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dieses von vornherein unrentabel und müssen deshalb möglichst frühzeitig erkannt werden (dazu insbesondere Knopp, Absicherungsstrategien beim Grundstückskauf, NJW1992,2657 ff.). Aufgrund der werkvertraglichen Erfolgsbezogenheit des Architekten- und Ingenieurvertrages schuldet der Architekt/Ingenieur dem Auftraggeber grundsätzlich auch eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung (BGH NJW-RR 1999, 1105 = BauR 1999, 1195 = ZfBR 1999,315), und zwar eine solche, die in vollem Umfang dem Vertrag mit dem Auftraggeber entspricht. Auflagen der Genehmigungsbehörde, die eine vom Vertrag abweichende Bauausführung zur Folgen haben, begründen deshalb einen Mangel, wenn dadurch die Gebrauchsfähigkeit des Werkes beeinträchtigt wird (BGH NJW-RR 1998, 952 = BauR 1998, 579 = ZfBR 1998, 186). Gleiches gilt, wenn die Baugenehmigung zwar zunächst erteilt, später aber von Dritten erfolgreich angefochten wird (BGH NJW 1999, 2112 = BauR 1999, 934 = ZfBR 1999,202; OLG Hamm, NZBau 2000,434 = BauR 2000,918: Nichteeinhaltung der Abstandsflächen). Kann der Architekt/Ingenieur den geschuldeten Erfolg (dauerhafte Genehmigungsfähigkeit) nicht erbringen, so erhält er kein Honorar. Abweichendes können die Beteiligten im Rahmen der Privatautonomie selbstverständlich vereinbaren. Allerdings reicht nach Ansicht des BGH (NJW 2003, 287 = BauR 2002, 1872 = ZfBR 2003, 31) die bloße Kenntnis des Auftraggebers von Genehmigungsrisiken nicht als Grundlage für die Annahme aus, die Parteien hätten abweichend von dem schriftlichen Vertrag vereinbart, dass der Auftraggeber das Genehmigungsrisiko tragen solle. Weiterhin ist der Auftraggeber auch nicht verpflichtet, das vertragliche Leistungsprogramm auf das genehmigungsfähige Maß zu beschränken (BGH, a. a. O.). Aus diesem Grund muss der Architekt/Ingenieur die Genehmigungsfähigkeit des geplanten Bauvorhabens bereits im Stadium der Vorplanung der Leistungsphase 2 durch eine Bauvoranfrage klären, obwohl dies keine Grundleistung, sondern eine Besondere Leistimg ist, für die zusätzliches Honorar verlangt werden kann. Trotzdem ändert das nichts daran, dass der Architekt/Ingenieur diese Besondere Leistung auch dann, wenn der Auftraggeber dafür kein zusätzliches Honorar zu zahlen bereit ist, haftungsrechtlich erbringen muss, weil er, um den versprochenen Erfolg zu erreichen, nach dem Inhalt seines Vertrages nicht nur die Leistungen schuldet, die nach dem Leistungsbild des § 15 HOAI als Grundleistungen honoriert werden. 7.2.4.2

Die Mängelrechte des Auftraggebers

Welche Mängelrechte der Bauherr hat, wenn der Architekt/Ingenieur den werkvertraglich geschuldeten Erfolg nicht erbringt, ergibt sich grundsätzlich aus §§ 633 ff. BGB. Zum Mangelbegriff nach neuem Recht vgl. unten Kapitel 7.3.4.1.

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7.2.4.2.1

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Nacherfüllungsanspruch

Eine Nacherfüllung, wie sie vom Bauunternehmer bei Mängeln des Bauwerks nach neuem Recht (früher Nachbesserung) in erster Linie geschuldet wird, kommt beim Architektenwerk nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die Planung als solche nacherfüllungsfähig ist und sich noch nicht im Bauwerk verkörpert hat. Beispiel: Die fehlende Genehmigungsfähigkeit der Planung, ζ. B. im Falle eines Nachbareinspruchs, kann unter Umständen nacherfüllt

werden, ebenso können Fehler bei der

Rechnungsprüfung im Rahmen der Nacherfüllung korrigiert werden, solange noch keine Zahlung erfolgt ist. Wenn sich der Fehler dagegen bereits realisiert hat, nach der fehlerhaften Planung des Architekten/Ingenieurs gebaut worden ist und sich der Mangel des Architekten/ Ingenieurwerks als Baumangel im Bauwerk verkörpert hat, führt eine Nachbesserung/ Nacherfüllung des Planes zu nichts. 7.2.4.2.2

Schadensersatzanspruch

Wenn bereits ein Bauwerksmangel vorliegt, ist der Primärmangel des Architekten- bzw. Ingenieurwerks nicht mehr behebbar, die Beseitigung des darauf beruhenden Folgemangels am Bauwerk wird vom Architekten/Ingenieur dagegen nicht geschuldet, weil er insoweit nicht - wie der Bauunternehmer - Mängelbeseitigung in Natur als körperliche Leistung zu erbringen hat, sondern das mangelfreie Entstehen des Bauwerks als geistige Leistung schuldet. Deshalb steht dem Auftraggeber für Bauwerksmängel, die auf Mängeln des Architekten/Ingenieurwerks beruhen, grundsätzlich nur Schadensersatz in Geld zu (§§ 634, 280 ff. BGB n. F.). Dieser Anspruch setzt zwar Verschulden voraus, das regelmäßig aber gegeben ist. Jedoch bedarf es dafür keiner vorherigen Fristsetzung, weil keine vorrangige Mängelbeseitigung/Nacherfüllung in Betracht kam/geschuldet war. 7.2.4.3

Verjährung der Mängelansprüche des Auftraggebers

Die Mängelansprüche des Auftraggebers gegen den Architekten/Ingenieur verjähren nach § 634 a Abs. 1 Nr. 2, 2 BGB n. F. grundsätzlich in fünf Jahren, beginnend mit der Abnahme der letzten nach dem Vertrag geschuldeten Leistimg. Wenn sämtliche Architekten-/Ingenieurleistungen einschließlich der Leistungsphase 9 in Auftrag gegeben sind, beginnt diese Frist erst mit dem Ablauf der Gewährleistungs-

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fristen der bauausführenden Firmen, die üblicherweise ebenfalls mit fünf Jahren vereinbart werden. Das hat zur Folge, dass der Architekt/Ingenieur in diesen Fällen bis zu zehn Jahre nach Baufertigstellung haftet (vgl. insoweit KG NZBau 2004,337 = KGR Berlin 2004, 321 = IBR 2004, 436). Aus diesem Grund lehnen viele Architekten/Ingenieure die Übernahme der Leistungsphase 9 ab oder versuchen zu vereinbaren, dass die Verjährimg ihrer Leistungen für die Leistungsphasen 1 - 8 mit der Fertigstellung des Bauwerks beginnt und nur die der Leistungsphase 9 mit deren Beendigung, wie dies auch im früheren Einheitsarchitektenvertrag der Bundesarchitektenkammer vorgesehen war. Zu beachten ist bei Beauftragung der Leistungsphase 9 ebenfalls, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Verjährungsfrist für Mängelansprüche dann nicht zu laufen beginnt, wenn der Architekt/Ingenieur auf die Frage des Auftraggebers nach der Verantwortlichkeit für einen Mangel seine eigenen Planungs- oder Überwachungsfehler nicht zugibt. Denn der Architekt/Ingenieur hat als Sachverwalter des Bauherrn die Ursachen sichtbar gewordener Baumängel unverzüglich aufzuklären und den Auftraggeber ohne schuldhafte Verzögerung vom Ergebnis der Untersuchimg und der sich daraus ergebenden Rechtslage zu unterrichten. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Architekt von sich aus ungefragt zur Offenbarung auch der eigenen Fehler verpflichtet ist (vgl. u. a. BGH: NJW-RR1986,182 = BauR 1986,112; NJW-RR 2002,1531 = BauR 2002,1718 = ZfBR 2002, 769). Geschieht dies nicht, so kann er sich wegen der Verletzung dieser Aufklärungspflicht nicht auf den Verjährungseintritt hinsichtlich seines mangelhaften eigenen Werkes berufen. Eine formularmäßige Abkürzung der fünfjährigen Verjährungsfrist für die Mängelhaftung der Architekten und Ingenieure kommt regelmäßig nicht in Betracht, da eine solche gemäß AGB-Recht (§ 309 Nr. 8 Lit. b) ff) BGB n. F.) unwirksam ist. 7.2.4.4

Verletzung von Nebenpflichten

Neben dem Schadensersatzanspruch wegen Mängeln steht dem Auftraggeber gegen den Architekten/Ingenieur auch ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Nebenpflichten zu. Dieser ist durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nun auch über §§ 634 Nr. 4, 280 ff. BGB n. F. geregelt. Vor der Reform war dieser Anspruch gesetzlich nicht geregelt und die Nebenpflichtverletzung wurde als so genannte positive Vertragsverletzung behandelt. Sie hatte, abweichend vom vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Mängeln zur Folge, dass darauf gestützte Schadensersatzansprüche erst in 30 Jahren verjährten. Nach neuem Recht gilt nunmehr die einheitliche Verjährungsfrist von 5 Jahren nach § 634 a Abs. 1 Nr. 2,2 BGB n. F.

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In Ausnahmefällen, wenn die Pflichtverletzung nicht zu einem Mangel am Werk selbst führt, gilt aber die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB n. F., die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Auftraggeber/ Gläubiger von der Person des Schuldners und den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat und nicht vor Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F. endet. Da jedoch Pflichtverletzungen im wirtschaftlichen Bereich von der Rechtsprechung auch als Mangel der Gesamtleistung angesehen werden, verbleibt für diese Regelverjährungsfrist nur selten Raum (vgl. Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, Einl. Rn. 287, m. w. N.). Die Ausnahmen werden bisher in folgenden Fällen angenommen: 7.2.4.4.1

Falsche Beratung des Auftraggebers in Bezug auf die eigene Haftung

Zwar zählt an sich auch die richtige Beratimg des Auftraggebers zu den Hauptpflichten des Architekten/Ingenieurs. Ihre Verletzung fällt daher unter § 634 BGB n. F. und verjährt nach § 634 a BGB n. F. in fünf Jahren. Das gilt insbesondere für die Beratung des Auftraggebers in technischer und kostenmäßiger Hinsicht. Etwas anderes gilt aber, wenn der Architekt/Ingenieur bei Mängeln falsch berät und seine eigene Haftung für diese nicht in Betracht zieht, denn insoweit muss er den Auftraggeber ggf. auch gegen sich selbst beraten. Diese Beratungspflicht in Bezug auf die eigene Haftung ist eine Nebenpflicht, so dass bei deren Verletzimg eine andere Verjährungsfrist zum Zuge kommt als bei der Verletzung einer Hauptpflicht (a.A. OLG Düsseldorf NZBau 2004,454 = BauR 2004,1331, zur Revision zugelassen). Gleiches gilt für arglistiges Verschweigen von Mängeln an der eigenen Leistung (BGH BauR 2004,1476). Arglistiges Verschweigen liegt auch bereits dann vor, wenn der mit der Bauüberwachung beauftragte Architekt/ Ingenieur bei der Abnahme der Leistung verschweigt, dass er seine Aufgaben nicht wahrgenommen und keinerlei Kontrollen vorgenommen hat (BGH, a. a. O). 7.2.4.4.2

Organisationsverschulden

Dies ist ein von der Rechtsprechung entwickelter Auffangtatbestand für den Fall, dass arglistiges Verschweigen nicht nachgewiesen werden kann. Denn die Haftung für arglistiges Verschweigen setzt den Nachweis voraus, dass derjenige, der gegenüber dem Vertragspartner offenbarungspflichtig ist (und das ist nur das Führungspersonal bis hin zum Bauleiter, Vorarbeiter und Polier nicht dagegen der einzelne Arbeiter), vom Vorliegen von Mängeln positive Kenntnis hafte diese trotzdem

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nicht offenbart hat. Das ist jedoch fast nie zu beweisen. Vor der Schuldrechtsmodernisierung führte das zu einer 30-jährigen Verjährungsfrist. Seitdem gilt für solche Fälle die 3jährigen Verjährungsfrist gem. § 634 a Abs. 3 BGB n. F., die mit dem Ende des Jahres beginnt, in dem der Auftraggeber von dem Schaden, den der Architekt/Ingenieur durch sein Verhalten verursacht hat, Kenntnis erlangt. Diese Frist läuft jedoch nicht vor der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F. ab, weil es anderenfalls zu einer Verkürzung der Veijährung kommen könnte (§ 634 a Abs. 3 S. 2 BGB). Beispiel: In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen „Dachpfettenfall" (BGH NJW1992,1754 = BauR 1992, 500 = ZfBR 1992,168) waren die Fertigteile für die Dachpfetten/Dachbalken eines Hallendachs zu kurz hergestellt worden. Sie konnten deshalb nicht vollflächig auf dem umlaufenden Mauerwerk aufgelegt und insbesondere nicht in den dort vorgesehenen Dornen verankert werden. Die Arbeiter der Hallenbaufirma legten die Dachpfetten gleichwohl auf und schmierten die verbleibenden Lücken einschließlich der funktionslos freistehenden Auffangdorne, die die Fertigteile festhalten sollten, mit Mörtel zu. Nach mehr als zehn Jahren rutschten die Dachpfetten ab, weil sie auf den Rändern des umlaufenden Mauerwerks nicht ausreichend auflagen, und das gesamte Hallendach stürzte ein. Der Inhaber der Hallenbaufirma berief sich auf den Ablauf der normalen fünfjährigen Gewährleistungsfrist nach § 638 BGB a. F. und wies den Vorwurf arglistigen Verschweigens der Mängel zurück, weil er von der mangelhaften Arbeit seiner Leute keine Kenntnis gehabt hatte. Das ließ der Bundesgerichtshof jedoch nicht gelten und entschied, dass der Werkunternehmer, der ein Bauwerk arbeitsteilig herstellen lässt, die organisatorischen Voraussetzungen schaffen muss, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Bauwerk bei Ablieferung mangelfrei ist. Unterlässt er dies, so verjähren Gewährleistungsansprüche des Bestellers - wie bei arglistigem Verschweigen eines Mangels - erst nach 30 Jahren (nimmehr drei Jahre nach Kenntnis von Schaden und Schädiger, frühestens 5 Jahre nach Abnahme), wenn der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre, weil er derart auffällig war, dass er bei entsprechender Eigenüberwachung und Qualitätskontrolle der eigenen Leistungen schlechterdings nicht hätte verborgen bleiben können. Dieser Rechtsprechung sind inzwischen zahlreiche Instanzgerichte gefolgt: •

OLG Oldenburg, BauR 1995,105 = IBR1995,151: Mangelnde Betonüberdeckung der Bewehrung,

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OLG Köln, NJW-RR 1995,180 = BauR 1995,107: mangelnde Überdeckung von Estrichmatten,



OLG Stuttgart, BauR 1997,317 = IBR1997,234: unzureichende Betongüte von Spannbeton-Deckenplatten und



OLG Frankfurt/Kassel, NJW-RR 1999,24 = BauR 1999,283 L: Mängel eines Flachdaches.

Das OLG Celle (NJW-RR 1995,1486 = IBR 1996, 71) hat aufgrund dieser Rechtsprechung auch einen Architekten/Ingenieur wegen Organisationsverschuldens haftbar gemacht, weil er bei Anbringung einer abgehängten Decke, die später herunterfiel, in Verkennimg seiner Aufsichtspflichten angenommen hatte, dass es sich - entgegen dem, was dazu schon früher entschieden worden war (BGH NJW1971,1130) - dabei um handwerkliche Selbstverständlichkeiten handele, die keiner Kontrolle durch seinen Bauleiter bedurften. Der Architekt/Ingenieur habe deshalb den Einsatz seines Bauleiters nicht richtig organisiert, weil bei richtigem organisatorischen Einsatz des Bauleiters der Mangel im Zweifel entdeckt worden wäre. Das OLG Hamm (BauR 2002,1706) und das OLG Düsseldorf (NZBau 2004, 454 = BauR 2004, 1331) haben ebenfalls klargestellt, dass die Grundsätze des Organisationsverschuldens auch auf den Architekten-/Ingenieurvertrag anzuwenden sind. Ob die Haftung für Organisationsverschulden in dieser Weise auf den Architekten/Ingenieur übertragen werden kann, ist jedoch mehr als fraglich. Denn beim Bauunternehmer, für den das Organisationsverschulden entwickelt worden ist, geht es um die Überwachung der eigenen Arbeiten. Diese richtig zu organisieren, ist für ihn eine Nebenpflicht, deren Verletzimg eine positive Vertragsverletzung mit der Folge der regelmäßigen Verjährungsfrist darstellt. Für den Architekten/Ingenieur ist dagegen die ordnungsgemäße Objektüberwachung, wenn er auch mit der Leistungsphase 8 beauftragt ist, eine Hauptpflicht, deren Verletzung die normale, fünfjährige Verjährungsfrist zur Folge hat. (vgl. zum Ganzen ausführlich: Jagenburg, Organisationsverschulden oder normale Gewährleistung? Versuch einer Abgrenzung. Festschrift für Jack Mantscheff, 2000, Seite 107 ff.). 7.2.5

Einzelfälle der Haftung des Architektei^Ingenieurs

Die Haftung des Architekten/Ingenieurs im Einzelnen lässt sich in folgenden fünf Fallgruppen zusammenfassen (vgl. dazu ausführlich Bindhardt/Jagenburg, Die Haftung des Architekten, 8. Aufl., § 6: Einzelfälle der Verletzimg von Hauptpflichten).

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7.2.5.1

Planungsfehler

Diese unterteilen sich im Wesentlichen in folgende Einzelfälle: 7.2.5.1.1

Fehler bei der Einschaltung von Sonderfachleuten

Da der Architekt kein Fachmann für Bodenmechanik, Statik/Tragwerksplanung oder Haus- und Gebäudetechnik ist, muss er dafür sorgen, dass für diese Sondergebiete rechtzeitig, d. h. nicht zu früh und nicht zu spät („just in time") vom Bauherrn/ Auftraggeber entsprechende Fachingenieure beauftragt/ eingeschaltet werden. Beispiel: Wenn der Bodengutachter erst eingeschaltet wird, nachdem die Baugrube im Grundwasser steht, ist dies zu spät. Wenn dagegen der Statiker bereits beauftragt wird, ehe die Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens durch Bauvoranfrage und positiven Bauvorbescheid geklärt ist, kann dies verfrüht sein. 7.2.5.1.2

Technische Fehler

Dies sind die Planungsfehler im eigenüichen Sinne, wozu auch die Nichtplanung erforderlicher Details zählt, ζ. B. einer Feuchtraumisolierung, einer Treppe, eines Dachanschlusses u. Ä. 7.2.5.1.3

Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften

Dazu zählen insbesondere die Gebäudehöhen, Grenzabstände zum Nachbarn u. a. bauordnungsrechtlich vorgeschriebene Punkte (vgl. Bindhardt/Jagenburg, § 6 Rn. 64 ff.). Nach der Rechtsprechung ist der Architekt/ Ingenieur insoweit verpflichtet, in jedem Fall den „sicheren Weg" zu gehen und für eine zweifelsfrei genehmigungsfähige Planung zu sorgen. Wird die vorgelegte Planung nicht genehmigt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Architekt/Ingenieur den geschuldeten Erfolg nicht erbracht hat. Zum Widerspruch gegen die Ablehnung und erst recht zu einer anschließenden Klage auf Baugenehmigimg ist der Auftraggeber nur verpflichtet, wenn die Ablehnimg offenkundig rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft ist. Außerdem ist die Genehmigung nur dann vertragsgemäß, wenn sie den getroffenen Vereinbarungen und vereinbarten Vorgaben entspricht (vgl. auch Kap. 7.2.4.1). Denn der Architekt, der sich dazu verpflichtet hat, eine genehmigungsfähige Planung zu erstellen, schuldet eine dem Vertrag entsprechende genehmigungsfähige Planung. Auflagen der Genehmigungsbehörde, die auf eine vom Vertrag abweichende Bauausführung hinaus-

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laufen, begründen einen Mangel des Architektenwerks, wenn deshalb eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder der Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufgehoben oder gemindert ist (BGH NJWRR 1998, 952 = BauR 1998, 579 = ZfBR 1998,186). Ebenso hat ein Architekt, der eine genehmigungsfähige Planung übernommen hat, seine vertraglich zugesagte Leistung nicht erbracht, wenn die angestrebte Baugenehmigung zunächst zwar erteilt, später jedoch von einem Dritten, ζ. B. einem Nachbarn, erfolgreich angefochten worden ist (BGH NJW 1999, 2112 = BauR 1999, 934 = ZfBR 1999, 202; OLG Hamm, BauR 2000, 918: Nichteinhaltung der Abstandflächen). Oftmals werden in Gegenden, in denen der Grund und Boden besonders teuer ist, Grundstücke auf Wunsch des Eigentümers/Auftraggebers bewusst „überplant", um notfalls im Dispensweg eine größtmögliche Ausnutzung zu erreichen. In diesen Fällen tut der Architekt/Ingenieur gut daran, möglichst auch eine zweifelsfrei genehmigungsfähige Planung vorzulegen und sich von den Risiken der darüber hinausgehenden Planung, was deren Genehmigungsfähigkeit angeht, freistellen zu lassen, damit er bei Ablehnung der Baugenehmigung nicht in Anspruch genommen werden kann und sein Honorar verliert, was der Fall wäre, wenn die Planung infolge der fehlenden Genehmigungsfähigkeit für den Bauherrn und Auftraggeber wertlos ist und dieser sich nicht daran erinnern will, dass er selbst es war, der eine derart riskante Planung gewünscht hatte. 7.2.5.1.4

Wirtschaftliche Fehler

Anerkanntenmaßen schuldet der Architekt/Ingenieur nicht nur eine technisch fehlerfreie Planung, sondern auch eine solche, die wirtschaftlich-kostenmäßig fehlerfrei, d. h. zumindest vertretbar ist (vgl. Bindhardt/Jagenburg, § 6 Rn. 80 ff.). Das gilt auch dann, wenn kein bestimmter Kostenrahmen im Sinne eines Budgets oder Kostenlimits vereinbart war (vgl. Kap. 7.2.5.5). Denn ein Mangel des Architekten-/Ingenieurwerks kann auch dann vorliegen, wenn gemessen an der vertraglichen Leistungsverpflichtung übermäßiger Aufwand getrieben wird oder die geschuldete Optimierung der Nutzbarkeit eines Gebäudes, bspw. im Verhältnis Nutzfläche/Verkehrsfläche nicht erreicht wird. Vorgaben des Bauherrn sind insoweit selbst dann verbindlich, wenn sie erst im Laufe des Planungsprozesses gemacht werden (BGH NJW 1998,1064 = BauR 1998, 354 = ZfBR 1998,149). Beispiel: Bei einem Gebäude werden vom Architekten Decken und Wände stärker dimensioniert, als dies nach den getroffenen Vereinbarungen und der vorgesehenen Nutzimg des Ge-

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bäudes erforderlich ist. Oder der Statiker rechnet zu viele so genannte „Angsteisen" ein und sieht eine Bewehrungsstärke vor, die zu einer unnötigen Baustahl-Verteuerung führt. 7.2.5.2

Koordinierungsfehler

Sie sind rechtlich wie Planungsfehler zu behandeln und im Verhältnis zum Bauunternehmer dem Bauherrn/Auftraggeber selbst zuzurechnen, weil dieser dem Unternehmer nicht nur eine ordnungsgemäße Planung schuldet, sondern auch eine richtige Koordinierung der Arbeiten der einzelnen Gewerke. Insofern hat der Architekt/ Ingenieur eine ähnliche Aufgabe wie der Dirigent eines Orchesters: er muss die Einsätze geben und dafür sorgen, dass zur rechten Zeit das richtige Gewerk tätig wird, auch hier wieder „just in time" (vgl. Bindhardt/Jagenburg, § 6 Rn. 94 ff.). Beispiel: Der Architekt/ Ingenieur darf den Estrich nicht schon aufbringen lassen, ehe die auf der Rohbetondecke liegenden Leitungsrohre ausreichend isoliert sind, weil diese sonst korrodieren. Wenn der Architekt/ Ingenieur dagegen den Dachdecker erst kommen lässt, wenn es in das offen stehende Dach hineingeregnet hat, ist dies im Zweifel zu spät. 7.2.5.3

Bauaufsichtsfehler

Während der Bauherr und Auftraggeber dem Unternehmer eine ordnungsgemäße Planung und Koordinierung der Arbeiten schuldet und sich diesbezügliche Fehler des Architekten, der insoweit sein Erfüllungsgehilfe ist, deshalb zurechnen lassen muss (§§ 254, 278 BGB), hat der Unternehmer keinen Anspruch auf Beaufsichtigung, sondern muss die ihm übertragenen Arbeiten eigenverantwortlich erbringen. Wenn und soweit der Architekt/Ingenieur zur Bauaufsicht verpflichtet ist, mindert dies deshalb nicht die Haftung des Unternehmers. Beide - Bauunternehmer und Architekt/Ingenieur - haften dem Auftraggeber für Mängel am Bauwerk vielmehr als Gesamtschuldner, wenn der Architekt/ Ingenieur seine Bauaufsichtspflicht verletzt hat (vgl. hierzu auch Kapitel 7.3.4.2). Allerdings ist nicht jeder Baumangel automatisch auch ein Mangel des Architektenwerks im Sinne einer Verletzung der Bauaufsichtspflicht. Denn der Architekt/Ingenieur ist nicht verpflichtet, so genannte handwerkliche Selbstverständlichkeiten zu überwachen, und braucht auch nicht ständig auf der Baustelle präsent zu sein. Vielmehr genügt eine stichprobenartige Überwachung.

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Nur bei kritischen und schadensträchtigen Arbeiten besteht eine erhöhte Aufsichtspflicht. Zu diesen Einzelfällen mit „Signalwirkung", in denen beim Architekten/Ingenieur eine Warnlampe angehen muss, zählt die Rechtsprechung allerdings fast alles, von Ausschachtungs-, Bewehrungs- und Betonierarbeiten bis zum Dachstuhl und abgehängten Decken (vgl. dazu im Einzelnen Bindhardt/Jagenburg, § 6 Rn. 106 ff.). Hinzu kommt, dass die Gerichte insoweit aus der Sicht des Schadensfalles urteilen und bei einer derartigen ex-post-Betrachtung leicht zu dem Ergebnis kommen, dass der jeweilige Mangel hätte vermieden werden können, wenn der Architekt/Ingenieur auf der Baustelle gewesen wäre. Das gilt erst recht, wenn - wie nicht selten - beim Bauunternehmer nichts mehr zu holen ist, während der Architekt/Ingenieur für von ihm zu vertretende Baumängel haftpflichtversichert ist. Diese „Spekulation auf das versicherte Risiko" ist einer der Gründe für die zunehmende Inanspruchnahme von Architekten/Ingenieuren in Baumängelfällen. 7.2.5.4

Terminüberschreitungen

Eine Haftimg des Architekten/ Ingenieurs für Terminüberschreitungen ist in der Praxis selten, weil für die Leistungen des Architekten/Ingenieurs - anders als für die des Bauunternehmers - i. d. R. keine Vertragsfristen vereinbart werden. Jedoch muss der Architekt/Ingenieur, wenn er für die Leistungen des Bauunternehmers einen Bauzeitenplan erstellt hat, auch seine eigenen Leistungen danach ausrichten und die erforderlichen Pläne so rechtzeitig liefern, dass der Bauunternehmer den Bauzeitenplan einhalten kann (vgl. Bindhardt/Jagenburg, § 6 Rn. 161 ff.). Insofern ist auch der Architekt/Ingenieur an seinen eigenen Bauzeitenplan gebunden: so genannte Selbstbindung. Aus diesem Grunde kann eine verspätete Planlieferung durchaus zu einer Haftung des Architekten/ Ingenieurs für Terminüberschreitungen führen, für die er dann persönlich einstehen muss. Denn dafür besteht nach den Bedingungen für die Haftpflichtversicherung von Architekten und Ingenieuren kein Versicherungsschutz. 7.2.5.5

Kostenüberschreitungen

Wie schon erwähnt, muss die Leistung des Architekten/Ingenieurs nicht nur technisch fehlerlos, sondern auch wirtschaftlich-kostenmäßig einwandfrei sein. Denn der Architekt/Ingenieur „bewegt sich wirtschaftlich nicht im freien Raum" (Locher, Das private Baurecht, Rn. 272; Bindhardt/Jagenburg, § 6 Rn. 81 und 173). Deshalb muss der Architekt/Ingenieur schon im Rahmen der Leistungsphasen 1 und 2 - Grundlagenermittlung

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und Vorplanung - die dem Bauherrn für die Bauaufgabe zur Verfügung stehendem Mittel erfragen und klären, ob und ggf. welcher Kostenrahmen im Sinne eines Budgets oder Kostenlimits vorhanden ist (vgl. vorstehend 7.2.4.1). Weiter muss der Architekt/Ingenieur dem Bauherrn und Auftraggeber in jeder Phase des Bauvorhabens einen genauen Kostenüberblick geben und zu diesem Zweck die in den einzelnen Leistungsphasen vorgesehenen Kostenermittlungen nach DIN 276 vornehmen: •

in Leistimgsphase 2: Vorplanung

die Kostenschätzung,



in Leistungsphase 3: Entwurfsplanung

die Kostenberechnung,



in Leistungsphase 7: Mitwirkung bei der Vergabe

den Kostenanschlag,



in Leistungsphase 8: Objektüberwachung

die Kostenfeststellung.

Diese Kostenermittlungen sind nicht nur für eine prüffähige Berechnung des Honorars erforderlich (vorstehend 7.2.2.4). Sie gehören grundsätzlich auch zu den Leistungspflichten des Architekten/ Ingenieurs im Kostenbereich, ebenso wie die darauf beruhende

Pflicht

zur

Kostenkontrolle

und

Kostenfortschreibung.

Denn

der

Archi-

tekt/Ingenieur ist verpflichtet, den Bauherrn zu den Baukosten zu beraten und auf eintretende oder zu erwartende Kostensteigerungen hinzuweisen (BGH NJW-RR 1997, 1376 = BauR 1997,1067 = ZfBR 1998, 22). Eine an den Leistungsphasen des § 15 HOAI orientierte vertragliche Vereinbarung (Leistungsphasen 1 bis 9) begründet sogar im Regelfall, dass der Architekt die vereinbarten Arbeitsschritte, und damit auch die Kostenermittlungen, als Teilerfolge des geschuldeten Gesamterfolges schuldet, die grundsätzlich in den Leistimgsphasen erbracht werden müssen, denen sie in der HOAI zugeordnet sind (BGH NJW 2004, 2588 = BauR 2004, 1640 = ZfBR 2004, 781; BGH NZBau 2005,158 = IBR 2005, 96). Erfolgt dies nicht, ist das Werk des Architekten/Ingenieurs insoweit mangelhaft. 7.2.5.5.1

KostenrahmeiVKostenlimit als Beschaffenheitsvereinbarung

Von einer Baukostenüberschreitung kann, wie schon der Name sagt, nur gesprochen werden, wenn zwischen Bauherrn und Architekt/Ingenieur eine Kostengrenze ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart war. Dafür genügt es nicht, dass der Bauherr während der Vertragsverhandlungen seine diesbezüglichen Vorstellungen geäußert hat und über Kosten gesprochen

worden ist. Ein Kostenrahmen

als

Kostengren-

ze/Kostenlimit ist erst dann verbindlich und verpflichtend, wenn er als Beschaffen-

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heitsvereinbarung der Architekten-/ Ingenieurleistung Vertragsbestandteil geworden ist (BGH NJW-RR1997,850 = BauR 1997,494 = ZfBR 1997,195). In diesem Fall muss der Architekt/Ingenieur den Kostenrahmen einhalten und hat insoweit auch keinen Toleranzspielraum (BGH wie vor), wie er ihm ansonsten bei seinen Kostenermittlungen für schätzungsbedingte Schwankungen zur Seite steht (vorstehend Kap. 7.2.2.4): •

bei der Kostenschätzung in Leistungsphase 2

ca. 30 %,



bei der Kostenberechnung in Leistungsphase 3

ca. 20 %,



beim Kostenanschlag in Leistungsphase 7

ca. 10 %.

Fehlt es an einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der Baukosten und ist deshalb kein Kostenrahmen/Kostenlimit vereinbart, haftet der Architekt nur dann, wenn ein - gemessen an seiner Leistungsverpflichtung - übertriebener, übermäßiger Aufwand vorliegt (BGH NJW1998,1064 = BauR 1998,354 = ZfBR 1998,149). 7.2.5.5.2

Schaden und Schadensberechnung

Fehler bei der Kostenschätzung und Kostenberechnung führen vielfach noch nicht zu einer Baukostenüberschreitung, weil sie bis zum Kostenanschlag bzw. Baubeginn erkannt und durch kostenreduzierende Maßnahmen und sog. „Abspecken" ausgeglichen werden können. Eine Baukostenüberschreitung kommt meist erst in Betracht, wenn die den Kostenanschlag bildenden Auftrags-/Vergabesummen während der Bauzeit nicht eingehalten werden und dadurch der als Beschaffenheitsvereinbarung festgelegte Kostenrahmen gesprengt wird. Damit ist aber in vielen Fällen noch kein Schaden des Bauherrn gegeben, weil dieser für die Mehrkosten oft auch einen Mehrwert erhält, den er sich nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muss. Denn ob ein Schaden entstanden ist, ergibt sich erst aus der Gegenüberstellung der Aufwendunger^Kosten und des Wertes des dadurch geschaffenen Bauobjekts (BGH NJW 1970, 2018 = BauR 1970, 246; OLG Celle BauR 1998,1030 = OLGR 1998,158; OLG Koblenz NZBau 2002, 231). Dafür ist nach der Rechtsprechung des BGH der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend (BGH NJW-RR 1997, 402 = BauR 1997, 335 = ZfBR 1997,145; NJW-RR 1997, 850 = BauR 1997,494 = ZfBR 1997,195; OLG Koblenz, a. a. O.). Das ist insofern nicht einsehbar, als dadurch eine zwischenzeitliche Wertsteigerung, die dem Bauherrn so oder so zugeflossen wäre, schadensmindernd zugunsten des Architekten/Ingenieurs berücksichtigt wird. Für den Bauherrn und Auftraggeber sind deshalb

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Schadensersatzansprüche wegen Kostenüberschreitung im Endeffekt kaum zu realisieren. Denn selbst wenn zunächst und bei Prozessbeginn ein Schaden gegeben war, schmilzt dieser, wenn der Architekt/ Ingenieur nur lange genug prozessiert, bei zwischenzeitlicher Wertsteigerung des Objekts „wie Schnee in der Sonne". 7.2.5.5.3

Kein Versicherungsschutz im Kostenbereich

Außerdem sind Prozesse wegen Baukostenüberschreitung deshalb langwierig und schwierig, weil Architekten und Ingenieure dafür und für Fehler bei der Kostenermittlung - ebenso wie bei Terminüberschreitungen (vgl. 7.2.5.4) - keinen Versicherungsschutz haben. Sie haften also ggf. mit ihrem Privatvermögen und wehren sich entsprechend heftig. Wenn dagegen bei ihnen ohnehin nichts zu holen ist, hat der Bauherr aus einem weiteren Grund das Nachsehen. Nach allem kann gar nicht genug Wert darauf gelegt werden, dass der Architekt/Ingenieur seine Pflichten im Kostenbereich in allen Leistungsphasen, vor allem aber während der Bauzeit, peinlich genau erfüllt. Und der Bauherr sollte darauf achten, dass er ständig einen genauen Kostenüberblick hat und die Entwicklung der Baukosten im Griff behält. 7.2.5.6

Haftungsbeschränkungen

Vielfach ist in Architekten- und Ingenieurverträgen formularmäßig vorgesehen, dass sich die Haftung des Architekten/Ingenieurs auf die Versicherungs-Deckungssumme beschränkt. Ob eine solche Haftungsbeschränkimg der Inhaltskontrolle nach dem AGBRecht standhält, ist umstritten und bislang ungeklärt. Außerdem kann sie sich nur auf versicherte Schäden beziehen und nicht auch für Terminüberschreitungen und Fehler im Kostenbereich gelten, für die kein Versicherungsschutz besteht. Unabhängig davon sollte ein Bauherr, der sich auf eine solche Haftungsbeschränkimg einlässt, darauf achten, dass eine ausreichend hohe Versicherungssumme zur Verfügung steht, und notfalls auf dem Abschluss einer Exzedenten-Haftpflichtversicherung bestehen. Die früher übliche Vereinbarung, dass der Architekt/Ingenieur nur subsidiär und nachrangig haftet, wenn der Bauherr vom Bauunternehmer keinen Ersatz erlangen kann, verstößt dagegen eindeutig gegen § 309 Nr. 8 Lit. b) aa) BGB, der es verbietet die eigene Haftung von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig zu machen. Seitdem sind derartige Subsidiaritätsklauseln, mit denen zugleich die gesamtschuldne-

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rische Haftung von Architekt/Ingenieur und Bauunternehmer unterlaufen wurde, unwirksam. Ebenso unwirksam ist eine Verkürzung der fünfjährigen Verjährung der Gewährleistung des Architekten/Ingenieurs, etwa auf vier Jahre, wie sie nach § 13 Nr. 4 VOB/B für den Bauunternehmer gelten, wenn nichts anderes vereinbart ist. Denn die Verdingungsordnung für Bauleistungen - VOB/B - kann nicht für Architekten- und Ingenieurleistungen vereinbart werden, weshalb eine Verkürzung der fünfjährigen gesetzlichen Gewährleistungsfrist für diese Leistungen gegen § 309 Nr. 8 Lit. b) ff) BGB n. F. verstößt. 7.2.6

Deliktshaftung des Architekter^Ingenieurs

Neben der vorstehend skizzierten vertraglichen Haftung ist auch eine außervertragliche Haftung des Architekten/Ingenieurs aus unerlaubter Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB denkbar. Diese besteht nicht nur gegenüber dem Bauherrn und Auftraggeber, wenn er durch eine solche unerlaubte Handlung geschädigt wird, sondern gegenüber jedem Dritten, der dadurch Schaden erleidet. 7.2.6.1

Verkehrssicherungspflicht

Hierzu gehört insbesondere die Sicherung der Baustelle gegen Unfallgefahren, ζ. B. die Einzäunung des Baugeländes und der Baugrube, damit nicht spielende Kinder oder Besucher zu Schaden kommen. Beispiel: In dem so genannten Wendeltreppen-Fall (BGH NJW 1970, 2290 = BauR 1971, 64) war mehrere Jahre nach Baufertigstellung und Gebrauchsabnahme durch das Bauamt eine Besucherin auf einer Wendeltreppe gestürzt und verletzt worden, weil die Treppe laut Sachverständigengutachten „gegen so gut wie alle Regeln für den Treppenbau" errichtet worden war. Dafür wurde neben dem Bauunternehmer auch der Architekt verurteilt, weil er durch mangelnde Überwachung des Bauunternehmers seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte. Ebenso muss der Architekt/Ingenieur aber auch im Interesse der auf der Baustelle tätigen Arbeiter auf die Sicherheit von Gerüsten und darauf achten, dass Öffnungen abgedeckt und alle Stellen, an denen Absturzgefahr besteht, mit Notgeländern versehen sind (vgl. u. a. OLG Stuttgart, NJW-RR 2000, 752 = BauR 2000, 748).

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7.2.6.2

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Eigentumsverletzung

Außer Körper und Gesundheit, zu deren Schutz vor allem die Verkehrssicherungspflicht dient, schützen die §§ 823 ff. BGB das Eigentum (nicht dagegen das Vermögen). Deshalb kann es durch Planungs- und Bauaufsichtsfehler auch zu Schäden am Eigentum des Bauherrn oder Dritter kommen, für die dann deliktisch Ersatz zu leisten ist. So war es in einem vom BGH entschiedenen Fall aufgrund von Planungs- und Aufsichtsfehlern des Architekten, der bereits verstorben war, zehn Jahre nach Baufertigstellung zu Dachundichtigkeiten bei einem Warenhaus gekommen. Dieses war bereits mehrfach verkauft worden und auch die Mieter der einzelnen Läden hatten gewechselt. Aufgrund der Wasserschäden machten die derzeitigen Mieter dann Schadensersatzansprüche geltend, die an die Witwe des verstorbenen Architekten bzw. dessen Haftpflichtversicherung weitergegeben wurden. Mit Erfolg, denn der Bundesgerichtshof entschied, dass der Architekt gegenüber den Mietern für die Feuchtigkeitsschäden an ihren eingebrachten Sachen aus unerlaubter Handlung deliktisch einstandspflichtig war, weil er für diese Schäden wegen fehlerhafter Ausführungszeichnungen oder mangelhafter Bauaufsicht verantwortlich war (BGH NJW1987,1013 = BauR 1987,116 = ZfBR 1987, 75). Ebenso hat der Bundesgerichtshof einige Jahre später einen Architekten aufgrund von Kellerundichtigkeiten für Rostschäden an Maschinen verurteilt, die ein Mieter in dem Keller eingelagert hatte, weil aufgrund mangelnder Bauausführung, die der Architekt nicht ausreichend überwacht hatte, in den Keller Feuchtigkeit eingedrungen war (BGH NJW 1991,562 = BauR 1991,111 = ZfBR 1991,17). Denn: „Ein Architekt, der im Rahmen der ihm übertragenen Bauaufsicht die Ausführung gefahrträchtiger Isolierarbeiten pflichtwidrig nicht hinreichend überwacht, haftet einem Mieter deliktisch auf Schadensersatz, wenn eingebrachte Sachen des Mieters infolge der Mängel des Bauwerks zu Schaden kommen". Das OLG Köln entschied in einem späteren Fall (NJW 1995,156 = BauR 1994, 649), dass ein bauaufsichtführender Architekt deliktisch für Feuchtigkeitsschäden an einem Nachbargebäude haftet, die auf den Nichtanschluss eines Regenfallrohres an den Abwasserkanal herrühren, wenn er es unterlassen hat, die Arbeiten des mit der Rohrverlegung befassten Subunternehmers zu überwachen, obgleich sich hierfür Anlass bot. 7.2.6.3

Verjährung der Deliktshaftung

Die Dauer der Deliktshaftung des Architekten/Ingenieurs ist, wie die vorerwähnten Beispiele zeigen, insofern nahezu unbegrenzt, als sie nicht, wie die fünfjährige Verjährung der vertraglichen Mängelansprüche, schon mit der Abnahme beginnt (§ 634 a Abs. 1, 2

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BGB), hier der Abnahme des Architekten- bzw. Ingenieurwerks. Die Verjährung der deliktischen Schadensersatzansprüche beginnt vielmehr gem. § 199 BGB n. F. - ebenso wie die Verjährung der Schadensersatzansprüche aus Nebenpflichtverletzungen, die nicht zu einem Schaden am Werk selbst führen (vgl. oben Kapitel 7.2.4.4) - erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Auftraggeber/Gläubiger von der Person des Schuldners und den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat, also nicht vor Eintritt des Schadens, der viele Jahre später sein kann. Die deliktische Verjährungsfrist beträgt dann drei Jahre (§ 195 BGB n. F.), unabhängig davon 10 bzw. 30 Jahre in den Fällen des § 199 Abs. 3 BGB n. F.

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Literaturverzeichnis zu Kap. 7.2 Bindhardt/Tagenburg, W.: Die Haftung des Architekten, 8. Aufl. 1981 (Neuaufl. in Vorbereitung). Deutsche Gesellschaft für Baurecht e.V.: Seminar "Rechtliche Problemstellungen beim Projektmanagement" mit Beiträgen von Quack, Knipp, Schiel, Wendorf, Diederichsen, Scharnir und Kniffka, Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V., Band 23,1994. Eschenbruch: Recht der Projektsteuerung, 2. Aufl. 2002. von Gamm: Der Architekt und sein Werk - Möglichkeiten und Grenzen des Urheberrechts, BauR 1982,97 -121. Ganten/JagenburgflVlotzke: Kommentar zur VOB/B, Beck'scher VOB-Kommentar, 1997. Heiermann: Die Tätigkeit des Projektsteuerers unter dem Blickwinkel des Rechtsberatungsgesetzes, BauR 1996, 48 ff. Jagenburg, W.: Die Bindimg an die einmal erteilte Schlussrechnimg, BauR 1976,319 ff. Jagenburg, W.: Juristisches Projektmanagement - Bauvorbereitende und baubegleitende Rechtsberatung bei Projektentwicklung und Projektdurchführung, in: Schulte, K.W. (Hrsg.): Handbuch Immobilien-Projektentwicklung, 1996 S. 301 - 319. Jagenburg, W.: Die Entwicklung des Architekten- und Ingenieurrechts seit 1991/92, NJW 1995,1997 ff. Jagenburg, W.: Die Entwicklung des Architekten- und Ingenieurrechts seit 1995, NJW 1997,2277 ff. Jagenburg, W/Kesselring: Die Entwicklung des Architekten- und Ingenieurrechts seit 1997, NJW 1999, 2628 ff. Jagenburg, I. und W. /Sieber/Mantscheff.: Das private Baurecht im Spiegel der Rechtsprechung, 3. Aufl. 2000 Jagenburg, W.: Organisationsverschulden oder normale Gewährleistung? Versuch einer Abgrenzung. Festschrift für Jack Mantscheff, 2000, Seite 107 ff. Kapellmann (Hrsg.): Juristisches Projektmanagement bei Entwicklung und Realisierung von Bauprojekten, 1997.

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Kniffka: Die Zulässigkeit rechtsbesorgender Tätigkeiten durch Architekten, Ingenieure und Projektsteuerer in: Seminar "Rechtliche Problemstellungen beim Projektmanagement", Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. Band 23,1994 S. 125 ff. = ZfBR 1994,253 ff. und 1995,10 ff. Knipp: Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Projektsteuerung, in: Seminar "Rechtliche Problemstellungen beim Projektmanagement", Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V., Band 23,1994 S. 21 ff. Knopp: Absicherungsstrategien beim Grundstückskauf und betriebsinterne Vorsorge Praktische Hinweise im Zusammenhang mit dem (ungewollten) Erwerb von „Altund Neulasten", NJW1992,2657 ff. KorbioiVMantscheff/Vygen: Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), 6. Aufl. 2004. Locher: Das private Baurecht, 6. Aufl. 1996. Locher/Koebl^Frik: Kommentar zur HOAI, 8. Aufl. 2002. PotfyTDahlhoff/Kniffka: Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), 7. Aufl. 1996. Quack: Verträge über Projektmanagement, Projektentwicklung, Projektsteuerung, Nachtragsmanagement, Vertragsmanagement, Baubegleitende Rechtsberatung Neue Dienstleistungen am Bau in: Seminar "Rechtliche Problemstellungen beim Projektmanagement", Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. Band 23,1994 S. 7 ff. Prinz: Urheberrecht für Ingenieure und Architekten, 2001 Schmidt/Winzen: Handbuch der Sicherheiten am Bau, 2000. Schulte/Bone-Winkel (Hrsg.): Handbuch der Immobilien-Projektentwicklung, 2002. Werner/Pastor: Der Bauprozess, 11. Aufl. 2004. Weise: Sicherheiten am Bau, Praxishandbuch, 1999.

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Zeitschriften: BauR: Baurecht: Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht, Werner Verlag, Düsseldorf. IBR: Immobilien- und Baurecht, Zeitschrift, id-Verlags GmbH, Mannheim KG-Report Berlin: Schnelldienst zur Zivilrechtsprechung des Kammergerichts Berlin, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln MDR: Monatsschrift für deutsches Recht, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln. NJW: Neue juristische Wochenschrift, Verlag C.H. Beck, München und Frankfurt a.M. NJW-RR: NJW-Rechtsprechungsreport - Zivilrecht, Verlag C.H. Beck, München und Frankfurt a.M. NZBau: Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht, Verlag C.H. Beck, München und Frankfurt a.M. OLGR: OLG-Report, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln. ZfBR: Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht, Bauverlag, Wiesbaden

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7.3 Der Bauvertrag Inge Jagenburg 7.3.1 Allgemeines

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7.3.1.1 Vertragsinhalt und Rechtsnatur

580

7.3.1.2 Die Anwendung der VOB für den Baubereich 7.3.1.2.1 Die drei Teile der VOB 7.3.1.2.1.1 Teil A - Vergabe 7.3.1.2.1.2 Teil Β - Ausführung 7.3.1.2.1.3 Teil C - DIN-Normen (ATV) 7.3.1.2.2 VOB und AGB-Recht

582 583 583 586 587 588

7.3.2 Vergütungsbereich

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7.3.2.1 Die verschiedenen Vergütungsarten 7.3.2.1.1 Einheitspreis 7.3.2.1.2 Pauschalpreis 7.3.2.1.3 Stundenlohn 7.3.2.1.4 Selbstkostenerstattung

595 595 596 599 600

7.3.2.2 Nachforderungsmöglichkeiten

600

7.3.2.3 Fälligkeit der Vergütung 7.3.2.3.1 Abschlagszahlung 7.3.2.3.2 Schlusszahlung 7.3.2.3.3 Vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung

606 607 609 610

7.3.2.4 Sicherimg des Vergütungsanspruchs des Bauunternehmers 7.3.2.4.1 Bauhandwerkersicherungsgesetz ( § 648 a BGB ) 7.3.2.4.2 Bauhandwerkersicherungshypothek ( § 648 BGB )

612 613 614

7.3.2.5 Verjährung des Vergütungsanspruchs

616

7.3.2.6 Verwirkimg von Rückforderungsansprüchen des öffentlichen Auftraggebers

618

7.3.3 Abnahme der Bauleistung

619

7.3.3.1 Bedeutimg und Zeitpunkt der Abnahme

619

7.3.3.2 Abnahmeformen 7.3.3.2.1 Ausdrückliche Abnahme 7.3.3.2.2 Förmliche Abnahme 7.3.3.2.3 Fiktive Abnahme 7.3.3.2.4 Abnahme mit Fertigstellungsbescheinigung 7.3.3.2.5 Stillschweigende - konkludente - Abnahme

621 621 621 622 624 625

7.3.3.3 Abnahme unter Vorbehalt

626

7.3.3.4 Rechtsfolgen der Abnahme

627

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7.3.4 Ansprüche des Bauherrn wegen mangelhafter Bauleistung 7.3.4.1 Der Mangelbegriff 7.3.4.2 Mängelrechte des Bauherrn nach BGB und VOB 7.3.4.2.1 Ansprüche vor Abnahme 7.3.4.2.2 Ansprüche nach Abnahme 7.3.4.3 Verjährung der Mängelansprüche Literaturverzeichnis zu Kap. 7.3

628 630 633 639 641 643 649

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7.3 Der Bauvertrag Inge Jagenburg 7.3.1

Allgemeines

Der Bauvertrag unterliegt hinsichtlich seines Abschlusses und der inhaltlichen Gestaltung den allgemeinen Regelungen des Vertragsrechts nach BGB. Er bedarf keiner besonderen Form, kann also auch mündlich wirksam abgeschlossen werden. § 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A folgt diesem Grundsatz und stellt fest, dass mit ordnungsgemäßer - auch mündlicher - Erteilung des Zuschlags der Bauvertrag abgeschlossen ist, ohne dass es dazu einer schriftlichen Urkunde bedarf. Die schriftliche Vertragsurkunde dient lediglich Beweiszwecken. Allerdings kann für einen Bauvertrag die Schriftform vertraglich vereinbart werden, so bspw. für Nachtrags- und Zusatzaufträge oder Vertragsänderungen. Die Parteien können eine solche Schriftformklausel jederzeit stillschweigend wieder aufheben, so dass nachträgliche mündliche Vereinbarungen über Änderungen, Erweiterungen oder Ergänzungen des Vertrages jederzeit zulässig sind. Die Wirksamkeit einer mündlichen Vereinbarung hängt lediglich davon ab, ob die Parteien das nur mündlich Vereinbarte tatsächlich gewollt haben oder nicht (BGH BauR 1974,206). Bei Bauverträgen mit öffentlichen Auftraggebern ist zu beachten, dass nach den Gemeindeordnungen Verträge, soweit sie nicht zu den Geschäften der laufenden Verwaltung zählen, grundsätzlich der Schriftform bedürfen, also ein nur mündlich abgeschlossener Bauvertrag unwirksam ist (BGH BauR 1994, 363 = ZfBR 1994, 123; OLG Hamm ZfBR 1995, 33). Bauverträge, die mit einem Grundstückserwerbsvertrag in rechtlichem Zusammenhang stehen, bedürfen der notariellen Beurkundung (§ 311 b Abs. 1 BGB n. F./§ 313 BGB a. F.). Fehlt die gesetzlich vorgeschriebene Form, ist der Vertrag nichtig (§ 125 BGB) und löst keine Leistimgsverpflichtungen aus. Leistungen, die bereits erbracht sind, können wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangt werden. Ein rechtlicher Zusammenhang ist immer dann anzunehmen, wenn beide Verträge nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen und fallen" sollen (BGH: NJW 1981, 274 = BauR 1981, 67; BauR 1981, 282 = ZfBR 1981, 123; NJW 1994, 721 = BauR 1994, 239; NJW 2000, 951 = MDR 2000, 579 = ZIP 2000, 232; BauR 2003,1541 = NZBau 2002, 502 = ZfBR 2002, 777). Dies kann auf Bauträgerverträge und Fertighausverträge zutreffen, bei denen für Bauerrichtung und Grundstückserwerb gesonderte Urkunden erstellt werden. Für die Formbedürftigkeit genügt es, dass einer

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der Vertragspartner den Willen zur Verknüpfung erkennen lässt und der andere diesen Willen billigt oder zumindest hinnimmt, und es ist gleichgültig, ob die Vertragspartner der verschiedenen Verträge jeweils identisch sind oder nicht (BGH BauR 1985, 79 = ZfBR 1985, 81). Fertighausverträge sind auch dann formbedürftig, wenn der Fertighausanbieter weiß, dass der Besteller nicht nur wegen eines Hauses, sondern auch wegen eines Grundstücks zu ihm kommt und beides erwerben will (OLG Köln NJW-RR1996,1484 = BauR 1997,175L), oder wenn der Anbieter durch seine Werbung den Eindruck erweckt, er werde ein geeignetes Grundstück vermitteln, im Fertighausvertrag davon ausgegangen wird, ein solches Grundstück sei vorhanden und vom Anbieter auch ein entsprechender Grundstückskaufvertrag vorbereitet wird (OLG Hamm NJW-RR 1995, 1045 = BauR 1995, 705). Generalunternehmerverträge bedürfen der notariellen Beurkundung, wenn der Bauvertrag für ein ganz konkret bestimmtes, vom Bauherrn noch zu erwerbendes Grundstück geschlossen und damit die Leistungspflicht des Generalunternehmers auf dieses bestimmte Grundstück beschränkt wird, so dass ein einheitlicher Vertragswille angenommen werden kann (BGH NJW 1994, 721 = BauR 1994, 239; OLG Köln, ZfBR 2001,42 = IBR 2001,52). 7.3.1.1

Vertragsinhalt und Rechtsnatur

Der Bauvertrag regelt die Rechtsbeziehungen zwischen dem Bauherrn und dem Unternehmer und legt den Umfang der gegenseitigen Leistungspflichten fest. Für den Bauherrn steht dabei die eigenverantwortliche und erfolgreiche Errichtung des körperlichen Bauwerkes im Mittelpunkt der vertraglichen Verpflichtung des Unternehmers. Auf der anderen Seite stellt für den Unternehmer die Bezahlung des vereinbarten Werklohnes den Kern der vertraglichen Verpflichtung des Bauherrn dar. Dieser typische Bauvertrag, mit dem der Unternehmer die Herstellung eines Bauwerkes oder eines Teils davon auf dem Grundstück des Bauherrn verspricht, ist reiner Werkvertrag i. S. der §§ 631 ff. BGB. Die Tatsache, dass der Unternehmer i. d. R. alle Baumaterialien mitliefert, spielt für die Einstufung als Werkvertrag keine Rolle, weil die Materiallieferung im Verhältnis zur Arbeitsleistung in den Hintergrund tritt und darüber hinaus das Grundstück des Bestellers als Hauptsache anzusehen ist. Um einen Werkvertrag handelt es sich auch beim Generalunternehmervertrag, mit dem der Generalunternehmer dem Auftraggeber gegenüber die Ausführimg sämtlicher Werkleistungen für die Herstellung des Bauwerkes übernimmt, und beim Sub- oder Nachunternehmervertrag, mit dem der Generalunternehmer Teile dieser Gesamtleistung an andere Unternehmer weitervergibt.

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Weiterhin als Werkvertrag einzustufen ist der Fertighausvertrag, sofern der Unternehmer nicht nur die Lieferung der Fertigteile, sondern auch die Errichtung des Fertighauses übernimmt (BGH BauR 1980, 167; BGH NJW 1983,1491 = BauR 1983, 261= ZfBR 1983, 125; BGH NJW 1983,1489 = BauR 1983,266 = ZfBR 1983,128; BGH BauR 1986,694 (696)). Liefert er die Fertigteile nur auf der Baustelle an, liegt nicht Werkvertrag, sondern Kaufvertrag nach §§ 433 ff. BGB vor. Dies gilt auch für Verträge beim Fertigteile- und Montagebau (OLG Düsseldorf BauR 1982,164). Der Baubetreuungsvertrag ist ebenfalls ein Werkvertrag, wenn Vollbetreuung vorliegt, also vom Baubetreuer neben der organisatorischen und wirtschaftlichen Betreuung ein bestimmter Erfolg geschuldet wird. Der Baubetreuer übernimmt bei Vollbetreuung eigenverantwortlich auch Planung und Ausführung des Bauvorhabens (Locher, Das private Baurecht, 6. Aufl., Rn. 397). Liegt nur Teilbetreuung vor, bei der zwar neben der rein wirtschaftlichen Betreuung auch einzelne technische Leistungen hinzukommen können, bei der aber Planung und Errichtung des Bauwerkes selbst nicht geschuldet wird, ist das Rechtsverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem als Dienstvertrag zu qualifizieren. Die Rechtsnatur des Bauträgervertrages ist differenzierter zu sehen. Beim typischen Bauträgervertrag errichtet der Bauträger das Bauwerk auf eigenem Grundstück, im eigenen Namen und für fremde Rechnung. Der Erwerber erhält neben der das Bauvorhaben selbst betreffenden Leistung auch das Grundstück oder einen Teil davon übertragen. Es handelt sich deshalb i. d. R. um einen Vertrag eigener Art mit werk-, werklieferungsund kaufvertraglichen Elementen, der auch Teile einer Geschäftsbesorgung enthalten kann (BGH NJW 1986, 925 = BauR 1986, 208). Die frühere Rechtsprechung stellte wegen des Grundstückserwerbs den kaufvertraglichen Aspekt in den Vordergrund, insbesondere wenn die Bauleistung zum Zeitpunkt der Veräußerung an den Erwerber bereits fertig gestellt war. Seit 1972 jedoch hat der BGH in fortlaufender Rechtsprechung der Errichtungsverpflichtung des Bauträgers immer mehr Bedeutung beigemessen und so die werkvertragliche Komponente an die erste Stelle gesetzt. Der werkvertraglichen Mängelhaftung unterliegen inzwischen auch solche Bauträgerverträge, mit denen bereits seit längerer Zeit fertig gestellte Häuser oder Wohnungen erworben werden (BGH BauR 1982, 58; NJW 1982, 2243 = BauR 1982,493). Abzustellen ist allein auf die „Verpflichtung des Veräußerers zu mangelfreier Erstellung des Bauwerkes". Diese Verpflichtung muss nicht ausdrücklich im Vertrag erwähnt sein, es reicht vielmehr aus, dass sie aus „dem Zusammenhang der einzelnen Vertragsbestimmungen sowie aus den gesamten Umständen abzuleiten ist, die zum Vertragsschluss geführt haben". Wenn die Leistung des Bauträgers von vornherein für einen - evtl. auch noch zu findenden - Dritten erbracht wird und dieser das Haus oder die Wohnung als „neu" und damit als „für ihn errichtet" ent-

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gegennehmen soll, kommt es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses - ob vor oder nach Fertigstellung - nicht an (BGH NJW 1982, 2243 = BauR 1982, 493 = ZfBR 1982, 152). Werkvertragsrecht findet auch dann Anwendung, wenn der Bauträgervertrag als „Kaufvertrag" und die Parteien als „Käufer" und „Verkäufer" bezeichnet sind, weil die Bezeichnung für den Inhalt des Vertrages keinerlei Aussagekraft hat. Kaufrecht gilt nur, wenn sich eine Herstellungsverpflichtung aus dem Vertrag nicht entnehmen lässt, wie etwa bei Veräußerung von Wohnungseigentum nach Umwandlung eines vorhandenen Gebäudes ohne Umbau (BGH NJW 1989, 2534 = BauR 1990, 221; OLG Hamm NJW-RR 1989,1497). Modernisiert jedoch der Veräußerer als Bauträger einen Altbau, wandelt ihn in Eigentumswohnungen tun und veräußert diese, hat der Vertrag mit dem Erwerber nicht Kauf- sondern Werkvertragscharakter (BGH BauR 1987, 439 = ZfBR 1987,197; OLG Köln ZfBR 2000,336 = IBR 2000, 275). Der Bausatzvertrag für den Eigenbau von Wohnhäusern ist ein so genannter gemischter Vertrag. Er enthält mit der Verpflichtung zur Lieferimg genormter Bauteile kaufvertragliche, mit der Erstellung von Bauplänen, Bauzeichnungen und statischen Berechnungen sowie der Errichtung des Dachstuhls werkvertragliche und mit der Bauanleitung und Überwachung dienstvertragliche Elemente (BGH NJW 1981,453 = BauR 1981,190 = ZfBR 1981, 27; OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 379 = BauR 2003, 913). Bausatzverträge fallen weil keine Werkverträge - unter § 505 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F. (= ehem. § 2 Nr. 1 VerbrKrG) sofern der Erwerber nicht als Kaufmann in das Handelsregister eingetragen ist, und können deshalb auch widerrufen werden, mit der Folge, dass der gesamte Hausbauvertrag nicht zustande kommt (BGH NJW 1981, 453 = BauR 1981,190 = ZfBR 1981, 27; OLG Köln BauR 1995, 709). 7.3.1.2

Die Anwendung der VOB für den Baubereich

Das BGB, insbesondere das Werkvertragsrecht der §§ 631 ff. BGB, enthält nur allgemeine Regelungen und trägt den speziellen Anforderungen bei der Errichtung eines Bauwerkes in keiner Weise Rechnung. Deshalb wurde die „Verdingungsordnung für Bauleistungen" (VOB) geschaffen, die den Interessen der Auftraggeber- und der Auftragnehmerseite einen gerechten Ausgleich bieten sollte. Die neuere Fassimg mit der Gliederung in Teil A, Teil Β und Teil C beruht auf einer Überarbeitung der alten aus den 20er Jahren stammenden VOB durch den Deutschen Verdingungsausschuss (DVA). Die VOB enthält Bestimmungen über die Vergabe und Durchführung von Bauleistungen. Bauleistungen sind definiert (§ 1 VOB/A) als „Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird". Darunter fallen alle zur Herstellung, Instandhaltung oder Änderung einer baulichen Anlage zu

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montierenden Bauteile, insbesondere auch die Lieferung und Montage maschineller und elektrotechnischer Einrichtungen. Bei den damit angesprochenen Leistungen handelt es sich um bauhandwerkliche oder bauindustrielle Maßnahmen (BGH NJW 1973, 368 = BauR 1973, 110), nicht aber um Leistungen, wie sie etwa der Architekt, Ingenieur oder Sonderfachmann erbringt, auf deren Verträge die VOB keine Anwendung findet. Leistungen des Bauträgers sind nur hinsichtlich des Teils, der die Ausführung der Bauarbeiten selbst betrifft, Bauleistungen i. S. der VOB. Auf Dienstleistungen ist die VOB nicht anwendbar, weil sie sich lediglich auf erfolgsbezogene Tätigkeiten des Unternehmers bezieht. 7.3.1.2.1 7.3.1.2.1.1

Die drei Teile der VOB Teil A-Vergabe

Teil A der VOB beinhaltet die „Allgemeinen Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen" sowie Richtlinien für die Gestaltung von Bauverträgen. Der Regelungsgehalt umfasst somit den Bereich der Vertragsverhandlungen von der Ausschreibung bis zum endgültigen Abschluss des Bauvertrages (Zuschlag). Dem öffentlichen Auftraggeber ist die Anwendung der Vergabevorschriften der VOB/A für Bauaufträge bereits seit langem haushaltsrechtlich zwingend vorgeschrieben. Durch das am 01.01.1999 in Kraft getretene Vergaberechtsänderungsgesetz (= Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)) ist der Begriff des öffentlichen Auftraggebers i. S. d. Vergaberechts erheblich erweitert worden, so dass auch natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts darunter fallen, wenn sie bspw. •

zu dem Zweck gegründet worden sind, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen und die öffentliche Hand sie durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanziert oder über ihre Leistungen die Aufsicht ausübt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrates bestimmt hat,



auf dem Gebiet der Trinkwasser-, Energie- oder Verkehrsversorgung oder der Telekommunikation tätig sind und diese Tätigkeiten aufgrund von Rechten ausgeübt werden, die von einer Behörde gewährt worden sind, oder wenn die öffentliche Hand auf sie einen beherrschenden Einfluss ausüben kann,



für die Durchführung von Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtimg von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden mehr als 50 % der Kosten mit öffentlichen Mitteln finanzieren.

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Der normale private Bauherr ist nicht gehalten, die Vergabe einer Bauleistung nach den Vorschriften des Teils A der VOB vorzunehmen, der für ihn nur Empfehlungscharakter hat. Deshalb kann bei der Ausschreibung eines privaten Auftraggebers von der Geltung der VOB/ A nur ausgegangen werden, wenn die Anwendung von Teil A ausdrücklich oder nach den Umständen völlig eindeutig vereinbart worden ist (OLG Köln BauR 1994, 100). Ist dies nicht der Fall, richten sich die Vertragsverhandlungen nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB. Bezieht sich allerdings ein privater Auftraggeber bei der Bekanntmachung einer Ausschreibung ausdrücklich auf die VOB, hat er gegenüber den Bietern kraft Selbstbindung die Regeln der VOB/A einzuhalten (OLG Düsseldorf NJW-RR1993,1046 = BauR 1993,597). Nach der Einbeziehung der EG-Baukoordinierungsrichtlinie (Richtlinie des Rates 93/37/EWG v. 14. Juni 1993, ABI. Nr. L 199 v. 9. August 1993, geändert durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. Oktober 1997, ABI. Nr. L 328 v. 28. November 1997) und der EG-Sektorenrichtlinie (SKR) (Richtlinie des Rates 93/38/EWG v. 14. Juni 1993, ABl. Nr. L 199 v. 9. August 1993, geändert durch die Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. Februar, ABI. Nr. L 101 v. 1. April 1998) in die VOB/ A ist diese nunmehr in 4 Abschnitte gegliedert: Abschnitt 1 enthält die Basisparagrafen. Sie finden bei nationalen Vergaben Anwendung, d. h. bei denen der geschätzte Gesamtauftragswert für eine bauliche Anlage unter dem Schwellenwert von netto fünf Millionen Euro oder - bei losweiser Vergabe - unter netto einer Million Euro pro Los liegt. Abschnitt 2 enthält die Basisparagrafen mit zusätzlichen Bestimmungen nach der EGBaukoordinierungsrichtlinie (a-Paragrafen). Sie finden Anwendung auf Vergaben, die über dem Schwellenwert liegen und deshalb EU-weit auszuschreiben sind. Abschnitt 3 enthält die Basisparagrafen mit zusätzlichen Bestimmungen nach der EGSektorenrichtlinie (b-Paragrafen). Er gilt für öffentliche Auftraggeber im Bereich der Sektoren Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung. Hierzu zählen auch privatisierte Unternehmen der öffentlichen Hand und öffentliche Auftraggeber „im privaten Gewände", so ζ. B. die Deutsche Bahn AG beim Ausbau des Schienennetzes, weil sie damit eine vom Bund garantierte Gemeinschaftsaufgabe erfüllt (Vergabeüberwachungsausschuss des Bundes ZfBR 1996,271). Abschnitt 4 enthält Vergabebestimmungen nach der EG-Sektorenrichtlinie (VOB/A SKR) für private Auftraggeber, die auf den Sektoren Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung im Allgemeininteresse liegende Aufgaben wahrnehmen, ζ. B. Energieversorgungsunternehmen wie RWE oder DREWAG. Zwar beinhaltet die SKR noch den wei-

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teren Sektor Telekommunikation, doch wurde dieser Bereich durch die Neufassung der Vergabeverordnung (Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge - VgV - vom 9. Januar 2001 (BGBl. 1110), zuletzt geändert am 11. Februar 2003 (BGBl. 1168)) insgesamt von den Vergabebestimmungen freigestellt. Die neue Vergabeverordnung stellt weiterhin die zwingende Anwendung der Abschnitte 2 bis 4 der VOB/ A für über dem Schwellenwert liegende EG-weite Vergaben sicher. Einen klagbaren Anspruch auf Erteilung des Zuschlags gibt die VOB/A nicht. Mit der Erteilung des Zuschlags ist das Vergabeverfahren abgeschlossen. Auch bei einem Vergabeverstoß kann der einmal erteilte Zuschlag nicht rückgängig gemacht werden. Jedoch kann der zu Unrecht übergangene Bieter Schadensersatz verlangen, wenn er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen, wofür er darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH BauR 1993,214; OLG Celle NJWRR 1997, 662 = BauR 1996, 860 = ZfBR 1997, 40; OLG Köln BauR 1998, 118). Vor Zuschlagserteilung hat der Bieter, der bei einer über dem Schwellenwert liegenden, also EU-weiten Bauvergabe, einen Vergabeverstoß zu seinen Lasten befürchtet, die Möglichkeit, das Vergabe-Nachprüfungsverfahren (§§ 102 ff. GWG) in die Wege zu leiten. Zu diesem Zweck hat der öffentliche Auftraggeber nach § 13 VgV den Bietern, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, spätestens 14 Tage vor der beabsichtigten Zuschlagserteilung schriftlich den Grund hierfür und den Namen des Bieters mitzuteilen, der den Zuschlag erhalten soll. Mit diesem Nachprüfungsverfahren kann die Zuschlagserteilung hinausgeschoben werden. Der Bieter, der das Nachprüfungsverfahren jedoch rechtsmissbräuchlich in die Wege leitet, macht sich schadensersatzpflichtig ( § 125 GWG). Ein Rechtsmissbrauch liegt insbesondere vor, wenn die Aussetzung des Vergabeverfahrens erwirkt wurde •

durch vorsätzlich oder grob fahrlässig vorgetragene falsche Angaben,



mit dem Ziel, das Vergabeverfahren zu behindern oder Konkurrenten zu schädigen und



mit der Absicht, den Antrag später gegen Geld oder andere Vorteile zurückzunehmen.

Neben dem Nachprüfungsverfahren hat der Bieter einer EU-weiten Vergabe die Möglichkeit, gemäß § 126 GWB Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren zu verlangen, wenn der Auftraggeber gegen eine den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen hat und das Unternehmen ohne diesen Verstoß bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten, die aber durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt

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wurde. Daneben bleiben die allgemeinen Schadensersatzansprüche bei Verstößen gegen die Vorschriften der VOB/A bestehen, so insbesondere wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2,241 Abs. 2,280 BGB) oder der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (§§ 20, 33 GWB). Auf diese allgemeinen Schadensersatzansprüche sind dagegen Bieter einer unter dem Schwellenwert liegenden, also nationalen Vergabe beschränkt. Sie haben nicht die Möglichkeit des Nachprüfungsverfahrens oder des Schadensersatzes gem. § 126 GWB. 7.3.1.2.1.2

Teil Β - Ausführung

Teil Β der VOB umfasst die „Allgemeinen Vertragsbestimmungen für die Ausführung von Bauleistungen", also den Bereich ab Auftragserteilung über Baubeginn, Baudurchführung, Fertigstellung, Abnahme, Abrechnung und Zahlung bis hin zur Mängelhaftung. Soweit die VOB/Β im Einzelfall keine Regelung enthält, greift ergänzend das Werkvertragsrecht der §§ 631 ff. BGB. Umgekehrt sind grundlegende Bestimmungen der VOB/Β nach ihrem Sinngehalt über § 242 BGB oder im Wege der Vertragsauslegung von der Rechtsprechung auch bisher schon auf den BGB-Bauvertrag entsprechend angewendet worden. Dies betrifft bspw. •

die Verpflichtung zur Bereitstellung der Ausführungsunterlagen und weitere Mitwirkungspflichten des Auftraggebers entsprechend §§ 3 und 4 VOB/B,



die Haftung des Unternehmers bei Verletzimg der Prüf- und Hinweispflicht entsprechend §§ 4 Nr. 3/13 Nr. 3 VOB/B,



die Verlängerung der Ausführungsfristen bei Behinderungen entsprechend § 6 Nr. 2 VOB/B,



die Gewährung von Abschlagszahlungen an den Unternehmer bei Unzumutbarkeit seiner Vorleistungspflicht (BGH NJW 1985, 855; BGH NJW 1988, 55 = BauR 1987, 694 = ZfBR 1988,22) und



die prüffähige Abrechnung der Werklohnforderung des Unternehmers durch Vorlage von Aufmaß, Plänen und sonstigen weiteren Unterlagen entsprechend § 14 VOB/B.

Der Einfluss der auf die besonderen Bedürfnisse des Bauvertrages zugeschnittenen Bestimmungen der VOB/B auf das BGB-Bauvertragsrecht hat in den letzten Jahren auch Ausdruck in der Neugestaltung des BGB gefunden. So wurde zunächst durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I 330) in § 632 a BGB die generelle Pflicht zu Abschlagszahlungen festgelegt, mit §§ 640 Abs. 1 S. 3 und 641 a BGB eine besondere Abnahmefiktion eingeführt und in § 640 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt,

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dass die Abnahme vom Auftraggeber wegen nur unwesentlicher Mängel nicht verweigert werden kann. Der Bestand dieser Regelungen wurden durch das am 01.01.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (SchRModG - BGBl. I 3138) nicht verändert. Die VOB/B ist allerdings weder Gesetz noch Rechtsverordnimg, sondern Vertragsrecht (BGH NJW 1999, 3261) und bedarf deshalb zu ihrer Anwendung im Bauvertrag der besonderen vertraglichen Vereinbarung. Fehlt eine solche Vereinbarung, die formlos erfolgen kann, richtet sich der gesamte Bauvertrag nach dem BGB-Werkvertragsrecht, da für die Anwendung der VOB/B weder ein Handelsbrauch noch Gewohnheitsrecht besteht. Den öffentlichen Auftraggeber trifft allerdings kraft Dienstanweisung die Verpflichtung zur Anwendung der VOB/B in seinen Bauverträgen. 7.3.1.2.1.3

Teil C - DIN-Normen (ATV)

Teil C der VOB enthält die „Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen" (ATV) - auch als „DIN-Normen" bezeichnet. Diese sind nach § 1 Abs. 1 S. 2 VOB/B Bestandteil eines Bauvertrages, für den die Anwendung der VOB Teil Β vereinbart ist. Umgekehrt bedeutet die Vereinbarung der Anwendung der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen des Teils C auf einen Bauvertrag nicht zugleich auch eine Vereinbarung des Teils B. Allerdings finden die ATV auch ohne besondere Vereinbarung auf einen BGB-Bauvertrag insoweit Anwendung, als diese bei der Beurteilung der Frage heranzuziehen sind, ob die Bauleistung technisch mangelfrei ist und den anerkannten Regeln der Technik entspricht, zu deren Einhaltung der Unternehmer bei allen Bauarbeiten verpflichtet ist, gleichgültig, ob sich der Vertrag nach VOB oder BGB richtet. Zu den anerkannten Regeln der Technik gehören alle technischen Vorschriften, die theoretisch richtig sind und sich in der Praxis bewährt haben. Die ATV/DIN-Normen stellen damit nur einen Teil der anerkannten Regeln der Technik dar. Es kann auch vorkommen, dass eine DIN-Norm wegen der inzwischen erfolgten Weiterentwicklung der Technik und den damit verbundenen neuen Erkenntnissen nicht mehr zu den anerkannten Regeln der Technik gehört, sondern veraltet ist. Dass die entsprechende DIN dennoch zunächst unverändert weiter fortbesteht, liegt an dem meist recht langwierigen Verfahren, dem die Neufassung einer DIN unterliegt. So entsprachen ζ. B. die Mindestanforderungen an den Schallschutz der aus dem Jahre 1962 stammenden DIN 4109 bereits 1974 nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik, die endgültige Neufassung der DIN 4109 lag aber erst im November 1989, also 15 Jahre später, vor. Andererseits gibt es Fälle neuer Bautechnologien oder neuer Baustoffe, für die eine Normierung noch nicht erfolgt ist, eine DIN also noch gar nicht vorliegt. Dennoch gehören die neu vorliegenden techni-

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sehen Erkenntnisse, sofern sie theoretisch richtig sind tinci sich in der Praxis bewährt haben, zu den anerkannten Regeln der Technik, die der Unternehmer bei der Ausführung seiner Bauleistung zu beachten hat. In Teil C der VOB finden sich eine Vielzahl von DIN-Normen, die nach Gewerken gegliedert sind, beginnend mit der DIN 18300 - „Erdarbeiten" bis zur DIN 18451 "Gerüstbauarbeiten". Die vorgeschaltete DIN 18299 - „Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art" enthält grundlegende Regelungen für alle Gewerke, zu denen die spezielleren, auf das jeweilige Gewerk zugeschnittenen Regelungen in den DIN 18300 ff. jeweils ergänzend hinzutreten. Alle ATV/DIN-Normen der VOB/C sind untergliedert in: •

Ziffer 0: Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung,



Ziffer 1: Geltungsbereich,



Ziffer 2: Stoffe und Bauteile,



Ziffer 3: Ausführung,



Ziffer 4: Nebenleistungen, Besondere Leistungen,



Ziffer 5: Abrechnung.

Die Regelungen der Ziffer 1 bis 5 werden jeweils Bestandteil des entsprechenden Bauvertrages, die der Ziffer 0 hingegen nicht. Allerdings ist die Beachtung der darin enthaltenem Hinweise Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung, zu der der Auftraggeber nach § 9 VOB/A verpflichtet ist. 7.3.1.2.2

VOB und AGB-Recht

Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 (SchRModG) wurde das bis dahin geltende AGB-Gesetz (Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) gegenstandslos. Nunmehr regeln die neu gefassten §§ 305-310 BGB das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Vertragsbestimmungen der VOB/Β als „Vertragsmuster" sind „Allgemeine Geschäftsbedingungen" i. S. d. §§ 305 ff. BGB, denn sie sind für eine Vielzahl von Bauverträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei - der „Verwender" - einer anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Bauvertrages stellt (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Verwender die Vertragsbedingungen selbst vorformuliert, oder ob er auf anderweitig und/oder formularmäßig vorgefertigte zurückgreift, wie dies bei der VOB geschieht. „Verwender" beim Bauvertrag ist i. d. R. der Auftraggeber, da er die Vertragsbestimmungen mit den Angebotsunterlagen dem Auftragnehmer zur Verfügung stellt.

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Nach § 305 Abs. 2 BGB bedarf die VOB/B zu ihrer Geltung der Einbeziehung in den Vertrag, was nicht nur die Erwähnung im Vertrag als solches, sondern weiter voraussetzt, dass dem Vertragspartner des Verwenders in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis gegeben wird, was i. d. R. durch Beifügung des vollständigen Textes zu geschehen hat. Dies gilt auch für notariell beurkundete Verträge, ζ. B. beim Erwerb von Eigentumswohnungen oder Eigenheimen vom Bauträger. Gegenüber im Baugewerbe tätigen Vertragspartnern, die die VOB/B kennen müssen, reicht jedoch der Hinweis im Bauvertrag auf die Geltung der VOB/B aus (BGH NJW 1990,715 = BauR 1990,205 = ZfBR 1998, 69; BGH NJW-RR 1992 = BauR 1992, 503). Gleiches gilt, wenn der Vertragspartner des Verwenders durch einen Architekten oder einen im Baubereich bewanderten Treuhänder vertreten wird (OLG Hamm NJW-RR 1988,1366 = BauR 1989, 480; OLG Düsseldorf BauR 1993,508L). Das AGB-Recht privilegiert die VOB in §§ 308 Nr. 5 2. Halbsatz und 309 Nr. 8 Lit. b) ff) 2. Halbsatz BGB insoweit, als es die Anwendung der §§ 308 Nr. 5 1. Halbsatz (fingierte Erklärungen) und 309 Nr. 8 Lit b) ff) 1. Halbsatz BGB (Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen für Mängel) auf Verträge, denen die VOB zugrunde liegt, ausschließt, so dass die entsprechenden Bestimmungen in der VOB/B wie z. B. § 12 Nr. 5 (fiktive Abnahme) und § 13 Nr. 4 (verkürzte vierjährige Verjährungsfrist für Mängel bei Bauwerken) - nicht wegen Verstoß gegen das AGB-Recht unwirksam sind. Dies gilt - in Fortführung der hierzu vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 erlassenen Rechtsprechung (BGH BauR: 1983, 161; 1985, 77; 1987, 329 und 694; 1989, 461; 1990, 81 und 207; 1991, 210, 473 und 515L; 1995, 234; 1996, 378), die nunmehr im Gesetz selbst verankert wurde - jedoch nur dann, wenn die VOB/B im Bauvertrag „als Ganzes" vereinbart ist. Ist die VOB/B ohne wesentliche, in ihren Kerngehalt eingreifende Änderungen dem Bauvertrag zugrunde gelegt worden, stellt sie ein ausgewogenes Vertragswerk dar, welches „unterm Strich" einen einigermaßen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Bauherrn und denen des Unternehmers bietet. Das erklärt sich aus der Entstehung der VOB, bei der sowohl Vertreter der Auftraggeber- als auch der Auftragnehmerseite mitgewirkt haben. Damit unterscheidet sich die VOB von üblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die regelmäßig nur einseitig die Interessen des Verwenders berücksichtigen und diesem Vorteile im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung gegenüber seinem Vertragspartner verschaffen sollen. Durch Zusätzliche und Besondere Vertragsbedingungen oder auch durch Individualvereinbarungen kann es zu Abänderungen der beiderseitigen Pflichten, Rechte und/oder Risiken kommen, die zu einer Störung der Ausgewogenheit und damit dazu führen, dass die VOB/B nicht mehr „als Ganzes" vereinbart anzusehen ist (BGH NJW 2004, 1597 = BauR 2004, 668 = ZfBR 2004, 362). Der

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BGH hat ζ. B. in folgenden Vertragsklauseln einen den Interessenausgleich zwischen den Vertragspartnern wesentlich störenden Eingriff in den Kernbereich der VOB/B gesehen: •

die Klausel, dass entgegen § 16 VOB/B Abschlagszahlungen nur mit 90 % auszuzahlen sind, obwohl zusätzlich bei der Schlusszahlung eine Sicherheit von 5 % einbehalten werden kann (BGH BauR 1991,473 = NJW-RR1991, 727 = ZfBR 1991,199);



die Klausel, wonach der Auftraggeber unter Ausschluss der Rechte aus § 8 Nr. 1 VOB/B (Zahlung der vollen Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen) berechtigt ist, einzelne Leistungspositionen entfallen zu lassen (BGH BauR 1987, 694 = NJW 1988, 55 = ZfBR 1988, 22) oder wenn der Generalunternehmer seinem Subunternehmer gegenüber berechtigt sein soll, den Vertrag ohne die Folge des § 8 Nr. 1 VOB/B insgesamt zu kündigen, wenn die Weiterführung der Bauarbeiten vom Bauherrn untersagt wird (BGH BauR 1995,234 = NJW 1995,526 = ZfBR 1995,77);



die Klausel, dass die vertragsgemäß fertig gestellte Leistung des Subunternehmers erst dann als abgenommen gelten soll, wenn die Gesamtbauleistung des Generalunternehmers vom Bauherrn abgenommen worden ist (BGH BauR 1995, 234 = NJW 1995, 526 = ZfBR 1995, 77);



die Klausel, wonach die fiktive Abnahme nach § 12 Nr. 5 VOB/B, die Abnahme auf Verlangen des Auftragnehmers nach § 12 Nr. 1 VOB/B und Teilabnahmen nach § 12 Nr. 2 VOB/B ausgeschlossen sind (BGH BauR 1996, 378 = NJW 1996, 1346 = ZfBR 1996,196);



die Klausel in einem notariellen Vertrag, wonach sich der Erwerber eines noch zu errichtenden Hauses der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft und der Unternehmer berechtigt ist, sich ohne weitere Nachweise eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilen zu lassen (BGH BauR 2002, 83 = NJW 2002,138 = ZfBR 2002, 63);



die Klausel, die das Recht des Auftraggebers zu Entwurfsänderungen gem. § 1 Nr. § VOB/B einschränken und in denen das Kündigungsrecht gem. § 8 Nr. 1 VOB/B ausgeschlossen und die Abrechnung der erbrachten Leistungen nach Einheitspreisen bei berechtigter Kündigung vorgesehen wird, obwohl die Parteien einen Pauschalvertrag geschlossen haben (BGH BauR 2003,380 = NJW 2003,1321 = ZfBR 2003,248);



die Klausel, nach der jegliche Nachforderungen ausgeschlossen sind, wenn sie nicht auf schriftliche Zusatz- und Nachtragsaufträge des Auftraggebers beruhen, da dadurch nicht nur vertragliche, sondern auch eventuelle Ansprüche aus § 2 Nr. 8 II

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VOB/B sowie Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Bereicherung ausgeschlossen wären (BGH BauR 2004,488 = NJW 2004,502 = ZfBR 2004,258). Ist die VOB/B nicht „als Ganzes" vereinbart, fällt nicht nur die Privilegierung weg, sondern alle Bestimmungen der VOB/B unterliegen der isolierten Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht, mit der Folge, dass verschiedene Regelungen der VOB/B wegen Verstoß gegen § 307 BGB unwirksam sind, weil sie den Vertragspartner des Verwenders im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung unangemessen benachteiligen. Auch eine isolierte Vereinbarung einzelner, vom gesetzlichen Leitbild des BGB zugunsten des Verwenders abweichender Bestimmungen der VOB/B in einem Bauvertrag halten einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht nicht stand. Entsprechend § 306 Abs. 2 BGB richtet sich der Bauvertrag in diesen Punkten dann nach BGB. 7.3.2

Vergütungsbereich

Die Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung ist Hauptpflicht des Auftraggebers. Mehrere Auftraggeber - ζ. B. Eheleute oder Bauherrengemeinschaften - haften gesamtschuldnerisch für den Werklohn, so dass der Unternehmer nach seiner Wahl jeden von ihnen auf den vollen Werklohn in Anspruch nehmen kann. Eine Ausnahme bilden Wohnungseigentümergemeinschaften, deren Mitglieder für die Herstellungskosten der gemeinsamen Wohnungseigentumsanlage nur anteilig in Höhe ihres jeweiligen Miteigentumsanteils haften (BGH NJW 1979, 2101 = BauR 1979,440). Das gilt jedoch nicht für Kosten bei Reparatur- und Erhaltungsaufwand, hierfür haften die Wohnungseigentümer wieder gesamtschuldnerisch. Haben die Vertragsparteien keine Regelung über die Zahlung von Werklohn getroffen, gilt gem. § 632 Abs. 1 BGB eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, da beauftragte Bauleistungen grundsätzlich nicht kostenlos zu erwarten sind (BGH BauR 1987, 454 = ZfBR 1987, 187; Beck'scher VOB-Kommentar/W. Jagenburg, Β Vor § 2, Rn. 5). Erbringt der Unternehmer dagegen akquisitorische Leistungen um einen Auftrag zu erhalten, wie ζ. B. die Ausarbeitung eines Angebotes, kann er keine Vergütung beanspruchen, auch wenn er hierzu aufgefordert worden ist und dafür umfangreiche Projektierungsarbeiten erbringt, Ortsbesichtigungen vornimmt, Kosten ermittelt und Ausschreibungsunterlagen/Leistungsverzeichnisse oder Vorplanungen erstellt und der Auftrag anschließend einem Dritten erteilt wird (BGH BauR 1979, 509 = NJW 1979, 2202 = ZfBR 1979, 203; OLG Koblenz NJW-RR 1998, 813 = BauR 1998, 542; OLG Köln NJW 1998, 309 = BauR 1998, 408L; OLG Hamm BauR 2001,1466 = ZfBR 2001, 329; OLG Düsseldorf BauR 2003, 1251 = ZfBR 2003, 463L). Entsprechend sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmers unwirksam, nach denen für Angebote, die nicht zur

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Auftragserteilung führen, eine Bearbeitungsgebühr zu zahlen ist (BGH NJW 1982, 765). Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 hat diesen Grundsatz in § 632 Abs. 3 BGB aufgenommen. Bei gegenseitiger Nachbarschaftshilfe am Bau spricht die Lebenserfahrung für eine Unentgeltlichkeit der Leistung (OLG Köln NJW-RR 1994,1239) selbst, nicht jedoch auch für die dafür aufgewandten Materialien, die zu vergüten sind. Ist im Bauvertrag zwar eine Vergütung vorgesehen, aber deren Höhe nicht bestimmt, hat der Auftraggeber gem. § 632 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung zu zahlen. Beim VOBVertrag ist die übliche Vergütung nach Einheitspreisen zu berechnen (§ 5 Nr. 1 a VOB/A - § 2 Nr. 2 VOB/B), dies wird auch für den BGB-Bauvertrag zu gelten haben. Da die Ermittlung oft nicht einfach ist, muss sie ggf. von einem Sachverständigen vorgenommen werden. Bei Streit der Vertragsparteien über die im Vertrag vorgesehene Vergütung, hat der Unternehmer zu beweisen, welche Vergütungsart und welche Höhe der Vergütung vereinbart worden ist. Behauptet bspw. der Auftraggeber die Vereinbarung eines - niedrigeren - Pauschal-/Festpreises, muss der Unternehmer beweisen, dass eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden ist (BGH BauR 1975, 281; BGH BauR 1983, 366; BGH NJW-RR 1992, 848 = BauR 1992, 505; OLG Köln OLGR 2002, 94). Mit der vereinbarten Vergütung werden alle Leistungen abgegolten, die zur Erbringung der vertraglichen Leistung gehören. Deren Umfang ergibt sich in erster Linie aus der Baubeschreibung und dem Leistungsverzeichnis, weiterhin ggf. aus Besonderen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen, sowie aus Allgemeinen und Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen. Zum vertraglichen Leistungsumfang gehören auch die sich aus den ATV, Teil 4, ergebenden, nicht gesondert vergütungspflichtigen Nebenleistungen, wie ζ. B. Einrichten und Räumen der Baustelle, Vorhalten der Baustelleneinrichtung, Schuttbeseitigung und Baureinigung. Sofern diese Leistungen vergütet werden sollen, bedarf es einer gesonderten Vereinbarung im Vertrag. Häufig in Bauverträgen vorkommende Umlage-Klauseln über den pauschalen Abzug der Kosten für Strom, Wasser, Schuttbeseitigung und Bauwesenversicherung sind zulässig, wenn die Umlagen nur Leistungen betreffen, die dem Unternehmer als Nebenleistungen tatsächlich obliegen. Dies ist aber nur selten der Fall. In aller Regel soll der Unternehmer mit der Umlageklausel verpflichtet werden, die Kosten für allgemeine Baustellenversorgung und -reinigung prozentual anteilig im Verhältnis seiner Auftragssumme zu den Gesamtkosten der Baumaßnahme zu übernehmen. Derartige Klauseln sind in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers unwirksam (BGH NJW 2000, 3348 = BauR 2000,1756 = ZfBR 2000, 546). Die Umlagekosten können vom Unter-

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nehmer nur in der Höhe verlangt werden, in der ihm konkret Verbrauch und Verursachung nachgewiesen sind (OLG Stuttgart NJW-RR1998, 312 = BauR 1998, 409). Unwirksam sind auch Umlageklauseln, durch die sich der Auftraggeber das Recht einräumt, den Bauschutt des Unternehmers auf dessen Kosten durch Dritte beseitigen zu lassen, ohne dass dieser mit seiner Leistung in Verzug gekommen ist (OLG Koblenz BauR 1992, 635 = IBR1992,441). Der vereinbarte Vertragspreis ist grundsätzlich ein Bruttopreis, enthält somit auch die Mehrwertsteuer. Sie kann deshalb nur bei gesonderter vertraglicher Vereinbarung zusätzlich verlangt werden, wenn sie ζ. B. zusätzlich ausgewiesen ist (OLG Düsseldorf BauR 1972, 121; OLG Karlsruhe NJW 1972, 491). Dies gilt auch unter Kaufleuten, weil kein Handelsbrauch existiert, wonach bei Preisvereinbarungen zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Vertragspartnern die gesetzliche MwSt. stets zusätzlich zu zahlen ist (OLG Frankfurt BauR 1997,524L = IBR 1997,141). Handelt es sich bei dem Auftraggeber um ein Unternehmen, das selbst Bauleistungen erbringt (Haupt-/Generalunternehmer) und dafür Bauleistungen von Nach- bzw. Subunternehmern in Anspruch nimmt, geht seit 01.04.2004 die Steuerschuld auf diesen als Leistungsempfänger über, der die Mehrwertsteuer dann nicht an den Subunternehmer sondern unmittelbar an das Finanzamt zu zahlen hat (§ 13 b UStG, eingefügt durch das Haushaltsbegleitgesetz - HBeglG - vom 29.12.2003 - BGBl. 2003 I S. 68). Der Nach- bzw. Subunternehmer hat nur den Netto-Werklohn zu berechnen und in seine Rechnung den Hinweis „Gemäß § 13 b UStG geht die Scheuerschuld auf den Leistungsempfänger über" aufzunehmen. Die Regelung gilt auch dann, wenn der Haupt-/Generalunternehmer Baiileistungen für den nicht unternehmerischen - also seinen privaten - Bereich vom Nach-/ Subunternehmer erhält. Skontoabzüge müssen ebenfalls vertraglich vereinbart sein (OLG Stuttgart, BauR 1998, 798 = IBR 1998,192), da es auch in der Baubranche weder einen Handelsbrauch noch eine Verkehrssitte für einen Skontoabzug gibt (OLG Düsseldorf BauR 1992, 783 = IBR 1993, 7). SkontoVereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind zulässig, sofern sie sich im üblichen Rahmen halten. Eine wirksame Skontovereinbarung setzt voraus, dass klare, eindeutige und vollständige Regelungen getroffen sind: •

auf welche Zahlungen ein Abzug erfolgen darf,



in welcher Höhe Skontoabzüge möglich sind und



innerhalb welcher Fristen gezahlt sein muss, um Skonto abziehen zu können.

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Diesen Anforderungen genügt bspw. die Klausel „2 % Skonto bei Zahlung innerhalb 14 Tagen" nicht, weil damit weder festgelegt ist, wann die 14-Tage-Frist zu laufen beginnt, noch auf welche Zahlungen (Abschlagszahlungen und/oder Schlusszahlung) Skonto gewährt wird. Der Beginn der Skontofrist muss zudem vom Unternehmer herbeigeführt werden können und nicht im Belieben ζ. B. des Architekten stehen, weshalb eine Vereinbarung „bei Zahlung innerhalb von zehn Tagen nach Eingang der geprüften Rechnung beim Auftraggeber" nicht ausreicht (OLG Frankfurt NJW-RR1988,1485). Demgegenüber ist jedoch eine Klausel, die den Skontoabzug an die Einhaltung der VOB-Zahlungsfristen koppelt, zulässig (OLG Köln BauR 2003, 771 = NJW-RR 2003, 741; OLG Celle BauR 2004, 860 = NJW-RR 2004,1165). Bei fristgerechter Zahlung einer Abschlagsrechnung kann grundsätzlich der hierfür vereinbarte Skontobetrag abgezogen werden, auch wenn andere Abschlagszahlungen oder die Schlusszahlung verspätet geleistet werden (OLG Köln NJW-RR 1990, 525 = BauR 1990, 367; OLG Hamm BauR 1994, 774). Wird nur die Schlusszahlung, nicht aber vereinbarte Abschlagszahlungen pünktlich geleistet, kann Skonto nur vom Schlusszahlungsbetrag abgezogen werden (OLG München NJW-RR 1992, 790 = IBR 1992, 272). Bei einer Teilzahlung auf berechtigte Abschlags- oder Schlusszahlungsforderungen kann kein Skonto - auch nicht anteilig - abgezogen werden, weil der Unternehmer nur Skonto einräumen will, wenn die gesamte berechtigte Forderung pünktlich bezahlt wird. Ist eine Rechnung nicht prüffähig, setzt sie die Skontofrist nicht in Gang (OLG München ZfBR 1988,151), so dass dem Auftraggeber die Skontoabzugsmöglichkeit erhalten bleibt. Bei Überweisungen wird die Skontofrist gewahrt, wenn die Anweisung des Auftraggebers innerhalb der Frist bei seiner Bank eingeht und das Konto gedeckt ist, bei Scheckzahlungen genügt die rechtzeitige Absendung des Schecks (BGH NJW1998,1302 = BauR 1998, 398) an den Unternehmer, da es für die Einhaltung der Skontofrist auf den Zeitpunkt der Vornahme der Zahlungshandlung ankommt (OLG Düsseldorf NJW 2000,1877 = BauR 2000, 729). Bei einer Zahlung durch Wechsel kann kein Skontoabzug vorgenommen werden (OLG Hamm Betr. 1986, 2428), weil Skonto üblicherweise nur für Bar- oder zumindest Scheckzahlungen gewährt wird. Vom Skonto zu unterscheiden sind vertraglich vereinbarte Nachlässe, die der Unternehmer unabhängig von einer rechtzeitigen Zahlung durch den Auftraggeber auf die Vertragspreise gewährt.

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7.3.2.1

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Die verschiedenen Vergütungsarten

Im gesetzlichen Werkvertragsrecht des BGB gibt es keine bestimmten Vergütungsarten, § 631 BGB erwähnt nur die "vereinbarte Vergütung". Für den VOB-Bauvertrag sind in § 5 VOB/A die für die spätere Berechnung des Werklohnes maßgebenden Vertragstypen nach der Vergütungsart dargestellt, das sind •

der Einheitspreisvertrag,



der Pauschalpreisvertrag,



der Stundenlohnvertrag und



der Selbstkostenerstattungsvertrag.

Einheitspreisvertrag und Pauschalpreisvertrag sind Leistungsverträge, d. h. die zu zahlende Vergütung richtet sich nach der erbrachten Leistung. Demgegenüber sind Stundenlohnvertrag und Selbstkostenerstattungsvertrag Aufwandsverträge, bei denen sich die Vergütung unabhängig vom Umfang der erbrachten Leistung nach dem Aufwand des Unternehmers berechnet. Diese speziell für das Baugeschehen zugeschnittenen Vergütungsarten werden i. d. R. auch für den Bauvertrag nach BGB vereinbart, so dass sie dort ebenfalls Anwendung finden. In der Baupraxis wird häufig vom so genannten Festpreis gesprochen. Damit ist oft der Pauschalpreis gemeint. Die Angabe „notarieller Festpreis" in einer Immobilienwerbung ist ζ. B. nach BGH BauR 1990, 504 = NJW-RR 1990,1186 regelmäßig irreführend i. S. d. § 3 UWG und deshalb wettbewerbsrechtlich unzulässig. Tatsächlich ist jeder vertraglich vereinbarte Preis, gleichgültig ob Einheitspreis, Pauschalpreis oder Stundenlohn, ohne ausdrückliche anderweitige Vereinbarung ein Festpreis, d. h. unabänderlich und somit "fest". Ausnahmen vom vertraglichen Festpreis liegen nur vor, wenn bspw. Lohnund/oder Materialpreisgleitklauseln oder sonstige Preisanpassungsklauseln, ζ. B. für Bauzeitverlängerungen, im Bauvertrag vereinbart worden sind. 7.3.2.1.1

Einheitspreis

Der Einheitspreis ist der im Bauwesen übliche Preis und nach § 5 Nr. 1 a VOB/A die RegelVergütung, die vereinbart wird für „technisch und wirtschaftlich einheitliche Teilleistungen, deren Menge nach Maß, Gewicht oder Stückzahl vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen anzugeben ist". Diese Teilleistungen werden jeweils unter einer Position im Leistungsverzeichnis (LV) aufgeführt. Durch Multiplikation der Menge der Teilleistung mit dem Einheitspreis ergibt sich im Angebot der Positionspreis und durch Addition der Positionspreise der Angebotsendpreis. Wird der Unternehmer auf das An-

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gebot hin beauftragt, stellt der Angebotsendpreis die vorläufige Auftragssumme dar, denn vertraglicher Festpreis beim Einheitspreisvertrag ist ausschließlich der Einheitspreis der jeweiligen Position. Für den Auftraggeber stellt deshalb der Angebotsendpreis lediglich einen Anhaltspunkt dar, was die Leistung des Unternehmers voraussichtlich kosten wird. Die endgültige Vergütung wird gem. § 2 Nr. 2 VOB/B nach der Menge „der tatsächlich ausgeführten Leistung" berechnet, die nach Fertigstellung mit einem Aufmaß ermittelt wird, und nicht nach der Menge der angebotenen Leistung. Weichen die ausgeführten Mengen einzelner Positionen von der ausgeschriebenen/angebotenen Menge ab, ändert sich auch der Positionspreis und damit der Gesamtpreis. Das gilt jedoch nur für den Fall, dass sich die Mengen ohne jeden Eingriff quasi „von alleine" ändern, ζ. B. weil die Massen im LV ungenau ermittelt worden waren. § 2 Nr. 3 VOB/B sieht für den VOB-Bauvertrag in diesem Fall eine Preisanpassungsregelung vor, die beim BGB-Bauvertrag nicht gilt. Danach verbleibt es bei dem vertraglich vereinbarten Einheitspreis für eine Position nur, wenn die Massenänderung 10 % nicht übersteigt. Für eine über 10 % hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes ist auf Verlangen ein neuer Einheitspreis zu vereinbaren, der auf der Grundlage der Preiskalkulation für den bisherigen Einheitspreis der Position unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu erfolgen hat. Bei Massenüberschreitungen stellt i. d. R. der Auftraggeber das Preisanpassungsverlangen, weil der neue Einheitspreis in den allermeisten Fällen niedriger ist. Das liegt daran, dass die in den alten Einheitspreis einkalkulierten Gemeinkosten Fixkosten sind, die auf die ausgeschriebene Menge verteilt worden waren. Nunmehr verteilen sie sich auf eine größere Menge und sind damit pro Mengeneinheit niedriger anzusetzen. Unterschreiten die ausgeführten Massen einer Position die angebotenen Mengen um mehr als 10 %, so ist auf Verlangen - i. d. R. des Unternehmers - für die gesamte ausgeführte Menge ein höherer Einheitspreis zu bilden, falls der Unternehmer nicht durch Mehrmengen bei anderen Positionen oder in sonstiger Weise einen Ausgleich erhält. Der höhere Einheitspreis ist ebenfalls auf der Grundlage der alten Kalkulation zu bilden, jedoch sollen die nun auf eine geringere Menge zu verteilenden Gemeinkosten berücksichtigt werden. 7.3.2.1.2

Pauschalpreis

Der Pauschalpreis ist - anders als der Angebotsendpreis beim Einheitspreisvertrag - vertraglicher Festpreis. Mit der Vereinbarung einer Pauschalsumme für die vom Unter-

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nehmer zu erbringende Leistung steht die Gesamtvergütung fest. Ein Aufmaß der tatsächlich ausgeführten Leistungen findet nicht statt und es ist gleichgültig, ob bei einzelnen Positionen höhere oder geringere Mengen zur Ausführung gekommen sind. § 2 Nr. 3 VOB/B findet keine Anwendung, denn beim Pauschalpreis werden Preis und Leistung pauschaliert. Damit ist das Risiko des Unternehmers, insbesondere bei „schlampiger" Ausschreibung, erheblich. Nach der Rechtsprechung kalkuliert ein Unternehmer bei erkennbar lückenhaftem/unvollständigem Leistungsverzeichnis „ins Blaue", „frivol" und „spekulativ", wenn er nicht die Unklarheiten durch Rückfragen beim Auftraggeber beseitigt und/oder sich vor Abgabe seines Angebotes nach Einzelheiten der geplanten Bauausführung erkundigt (BGH NJW-RR 1987, 1306 = BauR 1987, 683; BGH NJW-RR 1988, 785 = BauR 1988,338; OLG Köln BauR 1991,615/618 = IBR1990,592; BGH NJW-RR 1992,1046 = BauR 1992, 759; BGH NJW 1994, 850 = BauR 1994, 236/238; OLG Dresden, BauR 2000, 1341 = NZBau 2000, 333; OLG Koblenz, NJW-RR 2001, 1671 = BauR 2001, 1442). Preisänderungen sind dann ausgeschlossen. § 5 Nr. 1 b VOB/ A bestimmt entsprechend, dass eine Pauschalpreisvereinbarung nur dann getroffen werden soll, wenn •

die Leistung nach Ausführungsart und Umfang genau bestimmt ist und



mit einer Änderung bei der Ausführung nicht zu rechnen ist.

Da mit dem Pauschalpreis alle im Vertrag vorgesehenen Leistungen, einschließlich der zur ordnungsgemäßen Erbringung notwendigen, abgegolten sind, ist es enorm wichtig, den vertraglichen Leistungsumfang - das "Bausoll" - vor Vertragsabschluss genau festzulegen und möglichst die Mengenangaben - evü. anhand von Plänen oder sonstigen Ausführungsunterlagen - zu überprüfen. Wird der Pauschalpreis durch Auf- oder Abrundung aus einem Angebotsendpreis gebildet, ist es außerdem wichtig, darauf zu achten, dass die Berechnung des Angebotsendpreises fehlerlos und richtig ist, weil eine Vergütungsanpassung später nicht stattfindet. Der BGH (NJW-RR 1995,1360 = BauR 1995, 842 = ZfBR 1995, 302) hat dies für einen Fall entschieden, wo die in einem Einheitspreisangebot enthaltende Position für Baustelleneinrichtung, die ca. 1/6 der Gesamtkosten ausmachte, versehentlich nicht mitaddiert und somit im Angebotsendpreis nicht enthalten war. Der Pauschalpreis wurde deshalb auch ohne Berücksichtigimg dieser Position gebildet und vertraglich vereinbart. Eine Preisanpassung stand dem Unternehmer nachträglich nicht zu. Zu unterscheiden sind: •

Detail-Pauschalvertrag und



Global- oder Total-Pauschalvertrag.

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Dem Detail-Pauschalvertrag liegt eine differenzierte Ermittlung des geschuldeten Leistungsumfangs mittels Leistungsverzeichnis, Plänen oder sonstigen Ausführungsunterlagen zugrunde. Der vom Unternehmer für den Pauschalpreis zu erbringende Leistungsumfang steht damit fest, und später etwa notwendig werdende Zusatzleistungen können als nicht vom Pauschalpreis erfasst genau definiert werden, mit der Folge, dass diese zusätzlich zu vergüten sind (OLG Brandenburg NJW-RR 2001,1673 = BauR 2001,465; BGH NJW-RR 2002, 740 = BauR 2002,787 = ZfBR 2002,465). Beim Global- oder Total-Pauschalvertrag steht das Leistungsziel (ζ. B. Errichtung eines Krankenhauses, einer Schule, einer Bibliothek) im Vordergrund, die zu erbringende Leistung wird nur grob mit globalen Elementen beschrieben, meist mit einer funktionalen Leistungsbeschreibimg. Oft übernimmt der Unternehmer hierbei auch die Planung, so dass die eigentliche Leistungsermittlung beim Auftragnehmer selbst liegt (vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf BauR 2001, 1103). Damit wird bewusst das Risiko der Leistungsermittlung und des Leistungsumfanges im Einzelnen auf den Auftragnehmer verlagert, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Unternehmer den Umfang der zu übernehmenden Leistung genau kennt oder zweifelsfrei ermitteln kann (BGH NJW1997,1772 = BauR 1997, 464). Andererseits hat der Auftragnehmer aber bei funktionaler Vergabe auch größere Freiheiten bei der Ausgestaltung der Leistungselemente, da der Erfolg seiner Leistung an der Funktionalität gemessen wird. Auch wenn der Unternehmer zunächst ein detailliertes Leistungsverzeichnis gefertigt hat, anschließend aber funktional vergeben worden ist, kommt dem früheren Angebot/ Leistungsverzeichnis „hinsichtlich des Umfangs der funktional beschriebenen Leistung keine entscheidende Bedeutung mehr zu" (BGH NJW 1997,1772 = BauR 1997,464). Beim gekündigten Pauschalpreis können Abrechnungsprobleme entstehen, weil der BGH in diesem Falle für eine prüffähige Abrechnung der Unternehmerleistung verlangt, dass der Auftragnehmer seine erbrachten Leistungen darlegt und von dem nichtausgeführten Teil abgrenzt, indem er „die Höhe seiner Vergütung nach dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Leistung zum Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung errechnet" (BGH NJW 1996, 3270 = BauR 1996, 846 und NJW 1997, 733 = BauR 1997, 304; BGH NJW-RR 1999, 960 = BauR 1999, 644 = ZfBR 1999, 211). Die Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen und deren Bewertimg muss dabei den Auftraggeber in die Lage versetzen, sich sachgerecht zu verteidigen (BGH NJW-RR 2002,1596 = BauR 2002,1588 = ZfBR 2002, 787; BGH NJW-RR 2002, 1532 = BauR 2002,1695 = ZfBR 2002, 789; BGH NJW-RR 2004,1385 = BauR 2004,1441 = ZfBR 2004, 687). Dabei kann ein detailliertes Leistungsverzeichnis, das der Bildung des Pauschalpreises als Grundlage gedient hat, ein Anhaltspunkt sein. Die nach dem Bauver-

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trag für einen erreichten Bautenstand vorgesehenen Raten können dagegen nicht für die Berechnung der Vergütung herangezogen werden, weil die Verknüpfung nicht zwingend bedeutet, dass die einzelnen Teilleistungen von den Vertragsparteien mit den ihnen zugeordneten Raten bewertet werden sollten (BGH BauR 1980, 356 = ZfBR 1980, 139; OLG Düsseldorf NJW-RR1992,1373 = BauR 1992, 813L; BGH NJW-RR1999, 960 = BauR 1999, 644 = ZfBR 1999, 211). Die Abrechnung ist sogar dann noch prüffähig, wenn der Unternehmer eine Leistung nicht in seinen Pauschalpreis einkalkuliert, weil er irrtümlich der Auffassung ist, sie sei nicht geschuldet, und er später keine Nachkalkulation vornimmt (BGH NJW-RR 2004,1385 = BauR 2004,1441 = ZfBR 2004,687). Der Pauschalvertrag wird auch vermehrt in den so genannten GMP-Verträgen (Garantierter Maximal-Preis) als Vertragsform gewählt. Dieser ist zwar weder in VOB noch BGB geregelt, gewinnt aber aufgrund des amerikanischen Einflusses auf die Branche auch hierzulande zunehmend an Bedeutung. Der GMP-Vertrag ist eine besondere Form des Generalunternehmervertrages, bei dem der Generalunternehmer vom Bauherrn bereits zu einem Zeitpunkt beauftragt wird, in dem die Bauplanung erst in geringem Umfang vorhanden ist. Der vereinbarte Höchstbetrag für die zu zahlende Vergütung der Bauleistungen besteht aus den direkten Kosten der Nachunternehmerleistungen, dem Pauschalpreis für die Bauleistungen des Generalunternehmers, einer Vergütung für dessen Planungs- und Regieleistungen sowie einer Bonusregelung. Die Vergütung ist zugunsten des Auftraggebers nach oben hin durch den garantierten Maximalpreis begrenzt; wird dieser unterschritten, so erhält der Auftragnehmer einen Bonus, der sich prozentual aus der Differenz zwischen kalkuliertem Maximalpreis und tatsächlichem Preis errechnet. Liegen die tatsächlichen Herstellungskosten allerdings über dem garantierten Maximalpreis, so trägt der Unternehmer hierfür das alleinige Risiko. Da es sich beim GMP-Vertrag in der Regel um einen Pauschalpreisvertrag handelt, kommen auch hier zusätzliche Vergütungen nur dann in Betracht, wenn und soweit das vom Unternehmer detailliert beschriebene Bausoll diese zusätzlich zu vergütenden Leistungen nicht enthält. 7.3.2.1.3

Stundenlohn

Im Stundenlohn sollen nur „Bauleistungen geringen Umfangs, die überwiegend Lohnkosten verursachen" (§ 5 Nr. 2 VOB/A) vergeben werden, bspw. das Stemmen von Schlitzen, Beiputzarbeiten, kleinere Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten etc. Beim Stundenlohnvertrag steht nicht der vom Unternehmer zu erbringende Leistungsumfang im Mittelpunkt, sondern der ihm entstehende Aufwand. Stundenlohnarbeiten werden nur vergütet, wenn sie als solche vor ihrem Beginn ausdrücklich vertraglich vereinbart

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werden (§ 2 Nr. 10 VOB/B), die Ausweisung von Stundenlohnsätzen in einem Leistungsverzeichnis reicht dazu nicht aus. Dadurch wird nur festgelegt, dass - falls Stundenlohnarbeiten später noch vereinbart werden sollten - ein bestimmter Stundensatz als vertraglich vereinbart gelten soll. Ebenso wenig reicht bloßes Dulden der Arbeiten und/oder die Unterzeichnung von Stundenlohnzetteln durch den Architekten oder Bauleiter aus; das damit verbundene Anerkenntnis betrifft nur Art und Umfang der in den Stundenlohnzetteln aufgeführten Leistungen des Unternehmers sowie das hierfür aufgewandte Material (BGH NJW-RR1995,80 = BauR 1994,760). Für die Vergütung von Stundenlohnarbeiten sieht die VOB/B in § 15 weitreichende Kontrollmechanismen für den Auftraggeber vor. So sind nach § 15 Nr. 3 VOB/B die Stundenlohnarbeiten vor Beginn der Ausführung vom Auftragnehmer anzuzeigen. Außerdem sind vom Unternehmer Stundenlohnzettel werktäglich oder wöchentlich über die geleisteten Arbeitsstunden und den dabei erforderlichen Aufwand für Material, Geräte, Fuhr- und Frachtleistungen sowie Sonderkosten einzureichen. Die von ihm unterzeichneten Stundenlohnzettel hat der Auftraggeber innerhalb von sechs Werktagen nach Zugang zurückzugeben, anderenfalls gelten sie ihrem Inhalt nach als anerkannt. 7.3.2.1.4

Selbstkostenerstattung

Selbstkostenerstattung soll nach § 5 VOB/A nur bei Bauleistungen größeren Umfangs und ausnahmsweise vertraglich vereinbart werden, wenn die Leistungen „vor der Vergabe nicht eindeutig und so erschöpfend bestimmt werden können, dass eine einwandfreie Preisermittlung möglich ist". Diese Vergütungsart ist mit einem enorm hohen Risiko für den Auftraggeber verbunden, weil der Aufwand des Unternehmers und damit die zu entrichtende Vergütung vorab überhaupt nicht überschaubar ist. In § 5 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A ist deshalb vorgeschrieben, dass bereits bei der Vergabe festgelegt werden muss, wie Löhne, Stoffe, Gerätevorhaltung u. a. Kosten einschließlich der Gemeinkosten zu vergüten sind und der Gewinn zu bemessen ist. Außerdem soll zum Leistungsvertrag (Einheitspreis oder Pauschalpreis) übergegangen werden, sobald während der Bauausführung eine einwandfreie Preisermittlung möglich ist (§ 5 Nr. 3 Abs. 3 VOB/ A). 7.3.2.2

Nachforderungsmöglichkeiten

Nachforderungsmöglichkeiten ergeben sich für den Unternehmer im Wesentlichen bei nachträglichen Leistungsänderungen und zusätzlichen Leistungen, wofür - im Gegensatz zum BGB-Werkvertragsrecht - die VOB/B in § 2 umfangreiche Regelungen trifft. Zunächst stellt § 2 Nr. 1 VOB/B klar, dass mit der vereinbarten Vergütung alles abgegolten ist, was nach

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der Leistungsbeschreibung,



den Besonderen Vertragsbedingungen (BVB),



den Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB),



den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen (ZTV),



den Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV VOB/C) und



der gewerblichen Verkehrssitte

zur vertraglichen Leistung gehört. Damit ist der vertragliche Leistungsumfang - das Bausoll - bestimmt. Ausgehend hiervon kann der Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen Nachtragsforderungen stellen, die ihm einen finanziellen Ausgleich dafür gewähren, dass er nach § 1 Nrn. 3 und 4 VOB/B •

vom Auftraggeber angeordnete Änderungen des Bauentwurfs akzeptieren muss und



auf Verlangen des Auftraggebers nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, mit auszuführen hat, ausgenommen sein Betrieb ist auf derartige Leistungen nicht eingerichtet.

Beim BGB-Vertrag ist der Unternehmer zu dererlei nicht verpflichtet, er kann die Erbringung einer geänderten Leistung genauso ablehnen wie die Ausführung zusätzlicher Leistungen, auch wenn diese zur Erbringimg der Vertragsleistung notwendig werden. § 2 VOB/B sieht folgende Möglichkeiten für Nachträge vor: •

der Auftraggeber übernimmt einen Teil der dem Unternehmer übertragenen Leistungen selbst (§ 2 Nr. 4 VOB/B),



durch Änderungen des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers ändern sich nachträglich die Preisgrundlagen für vertragliche Leistungen (§ 2 Nr. 5 VOB/B),



der Auftraggeber fordert Zusatzleistungen (§ 2 Nr. 6 VOB/B),



der Auftragnehmer erbringt Zusatzleistungen ohne Aufforderung durch den Auftraggeber (§ 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B) und



Freisanpassung beim Pauschalvertrag wegen gestörter Geschäftsgrundlage (§ 2 Nr. 7 VOB/B).

Die nachträgliche Herausnahme von einzelnen Leistungen stellt für den Unternehmer eine Teilkündigung dar, die beim Bauwerksvertrag dem Auftraggeber jederzeit ohne

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Grund möglich ist. Der Unternehmer hat jedoch für den nicht ausgeführten Teil der Leistung Anspruch auf die volle vereinbarte Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen (§ 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B - § 649 S. 2 BGB). Ersparte Aufwendungen sind solche, die der Unternehmer bei Ausführung der Arbeiten hätte machen müssen, durch die Herausnahme dieser Leistungen aber nicht mehr machen muss, wie ζ. B. Materialbeschaffung, Gerätekosten, Kippgebühren. Leistungsänderungen durch Änderungen des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers kommen im Baugeschehen häufig vor. Ändert sich dadurch die Preisgrundlage für eine vertragliche Leistung, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten der neuen Leistung zu vereinbaren. Die Vereinbarung soll möglichst vor Ausführung der geänderten Leistung getroffen werden. Bei der Bildung des neuen Preises sind die Kalkulationsgrundlagen für die vertraglich vereinbarten Preise beizubehalten, was auch heißt, dass etwaige Kalkulationsirrtümer „mitgeschleppt" werden müssen. Auch auf die vertraglichen Preise eingeräumte Nachlässe müssen bei dem neuen Preis gewährt werden (OLG Düsseldorf BauR 1993, 479; OLG Hamm NJW-RR1995,593 = BauR 1995,564). Als Leistungsänderungen kommen nicht nur reine Planungsänderungen und Änderungen der Leistimgsbeschreibung in Betracht, sondern alle Eingriffe aus dem Bereich des Auftraggebers, die sich auf die Art und Weise der Baudurchführung auswirken, wie ζ. B.



Anordnung eines tieferen Aushubs als ausgeschrieben, weil noch kein tragfähiger Boden erreicht war, zusätzlich wurde dadurch auch die Verfüllposition verändert; weil jetzt bei der größeren Tiefe und Menge eine lagenweise Verdichtung erforderlich war (OLG Düsseldorf BauR 1991, 219),



Änderung von Großflächenschalung zu aufwendigerer Kleinschalung (BGH BauR 1987, 683 = ZfBR 1987, 237), oder wenn durch spätere Vorlage der Detailplanung die vom Unternehmer kalkulierte und nach dem LV mögliche Mehrfachverwendimg von Schalung nicht mehr in Frage kommen kann (Vygen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, RN. 786),



andere als die vertraglich vorgesehene Verkehrsführung bei Straßenbauarbeiten infolge Anordnung der Straßenverkehrsbehörde (OLG Düsseldorf BauR 1996, 267),



Verschiebung des Baubeginns (OLG Köln NJW 1986, 71 = BauR 1986, 244L; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 730 = BauR 1996,115; OLG Braunschweig BauR 2001,1739) auf ausdrückliche Anordnung des Auftraggebers und

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Anordnungen von Überstunden, Nacht- und Sonntagsarbeit durch den Auftraggeber während der Bauausführung (OLG Frankfurt BauR 1999, 43), allerdings nur dann, wenn die Anordnung nicht etwa zur Aufholung eines Verzuges des Unternehmers erfolgt.

Mehrvergütungsansprüche wegen Leistungsänderung nach § 2 Nr. 5 VOB/B kommen nicht in Betracht, wenn es sich bei der Änderung um eine vom Unternehmer geschuldete Leistung handelt, wenn sie also vom vertraglichen Leistungsumfang erfasst wird, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die vertragliche Leistung nicht ohne die Leistungsänderung erfolgreich erbracht werden kann (BGH NJW-RR 1992, 1046 = BauR 1992, 759 = ZfBR 1992, 211). Hierbei spielt wieder der Gesichtspunkt eine Rolle, dass der Unternehmer für ihn erkennbare Unklarheiten oder Unvollständigkeiten des Leistungsverzeichnisses oder der Leistungsbeschreibimg vor Auftragserteilung aufklären muss, anderenfalls hat er etwaige Mehrkosten selbst zu tragen. Das Gleiche gilt, wenn es sich um bloße Erschwernisse innerhalb der geschuldeten Leistimg handelt, die lediglich die Art und Weise der Leistungsausführung betreffen, wie z. B. Arbeiten von Hand, weil schweres Gerät nicht eingesetzt werden kann (Beck'scher VOB-Kommentar/W. Jagenburg, Β § 2 Nr. 5, Rn. 11 u. 42). Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B ist immer, dass es sich bei den Änderungen um einseitige Maßnahmen des Auftraggebers handelt, die ihren Ausgangspunkt in seinem Risiko- und Verantwortungsbereich haben (BGH NJW 1985, 2475 = BauR 1985, 561; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 730 = BauR 1996,115). Die Anordnungen müssen zudem eindeutig als Anweisung an den Auftragnehmer und nicht nur als unverbindlich geäußerter Wunsch des Auftraggebers zu verstehen sein. Klauseln in Formularverträgen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, wonach Mehrvergütungsansprüche des Auftragnehmers nach § 2 Nr. 5 VOB/B ausgeschlossen oder erschwert werden, verstoßen gegen das AGB-Recht und sind unwirksam. Dies betrifft bspw. die Fälle, in denen der Mehrvergütungsanspruch von einem Nachtragsangebot, von einer zusätzlichen Vereinbarung oder vorherigen Ankündigung oder auch von einer schriftlichen Fixierung abhängen soll (OLG Celle BauR 1982, 381; OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 1149 = BauR 1986, 352; OLG Düsseldorf BauR 1998,409,41OL = BauR 1998,1023). Fordert der Auftraggeber Zusatzleistungen, also Leistungen, die im Bauvertrag nicht vorgesehen sind, hat der Unternehmer beim BGB-Bauvertrag grundsätzlich einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung, wenn er die zusätzliche Leistung erbringen will. Beim VOB/B-Vertrag ist er zur Ausführung verpflichtet, wenn die Zusatzleistung für die Aus-

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führung der vertraglichen Leistung notwendig ist (§ 1 Nr. 4 VOB/B). Jedoch ist nach § 2 Nr. 6 VOB/B seine Zusatzvergütung von einer Anspruchsvoraussetzung abhängig: der Auftragnehmer muss seinen Mehrvergütungsanspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung beginnt. Unterlässt er diese Ankündigung, hat er keinerlei Vergütungsansprüche für die zusätzlich geforderte Leistung (BGH BauR 1991, 210 = ZfBR 1991,101; OLG Stuttgart BauR 1994, 789; BGH NJW 1996, 2158 = BauR 1996, 542). Dabei ist es allerdings nicht erforderlich, dass der Unternehmer seine Mehrvergütungsforderung bereits der Höhe nach beziffert, es genügt, wenn er dem Auftraggeber ankündigt, dass er für die zusätzlich geforderte Leistung eine zusätzliche Vergütung beansprucht, denn die Ankündigungspflicht dient dem Schutz des Auftraggebers, er soll über drohende Kostensteigerungen rechtzeitig informiert werden, um entsprechend disponieren zu können. Die Mehrvergütungsankündigung bedarf keiner besonderen Form, kann also auch mündlich erfolgen, jedoch hat der Auftragnehmer dann keinen Beweis für die Erfüllung dieser wichtigen Vergütungsvoraussetzung, falls der Auftraggeber im Streitfall die Ankündigung bestreitet. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, die den Mehrvergütungsanspruch des § 2 Nr. 6 VOB/B von einer vorherigen schriftlichen Preisvereinbarung abhängig machen will, ist unwirksam (OLG Düsseldorf BauR 1989, 335 und BauR 1998,1023). Die Ermittlung der Vergütung für geforderte notwendige Zusatzleistungen erfolgt auf den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung (vgl. OLG Köln NJW-RR 2003, 667), wobei inzwischen eingetretene Kostensteigerungen zu berücksichtigen sind. Die Regelung des § 2 Nr. 6 VOB/B gilt nicht für selbstständige Zusatzaufträge i. S. v. Anschlussaufträgen. Derartige Anschlussarbeiten sind Leistungen i. S. d. § 1 Nr. 4 S. 2 VOB/B, die dem Unternehmer nur mit seiner Zustimmung übertragen werden können, weil sie für die Ausführung seiner vertraglichen Leistung nicht notwendig sind. Ζ. B.: •

der Auftraggeber fordert vom Unternehmer nach Abschluss des Bauvertrages die Errichtimg einer Musterfassade, obwohl im Bauvertrag eine solche nicht erwähnt war (OLG Düsseldorf BauR 1996,875);



dem Rohbauunternehmer werden später noch die Außenputz- und Ausbauarbeiten übertragen (OLG Düsseldorf BauR 1997,647).

In diesen Fällen steht dem Unternehmer für die übertragenen Arbeiten eine Vergütung zu, auch wenn er seinen Anspruch vor Ausführung nicht angekündigt hat.

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Eine Mehrvergütung steht dem Auftragnehmer nach § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B möglicherweise auch dann zu, wenn er Zusatzleistungen ohne Aufforderung durch den Auftraggeber erbringt. Nichtbeauftragte, vom Unternehmer eigenmächtig erbrachte Bauleistungen werden an sich weder beim BGB- noch beim VOB/B-Bauvertrag vergütet. § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B macht davon eine Ausnahme und spricht dem Unternehmer eine Vergütung wie für beauftragte Leistungen zu, wenn •

der Auftraggeber die Leistung nachträglich anerkennt oder



wenn die Leistung notwendig war, damit der Unternehmer seine vertragliche Leistung ordnungsgemäß erbringen konnte und dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprach und dem Auftraggeber oder seinem Architekten (OLG Hamm BauR 1978,146; a. A. OLG Düsseldorf BauR 2000, 1878 = NJW-RR 2001, 14) unverzüglich angezeigt worden ist.

Da der Unternehmer i. d. R. dem Auftraggeber keine unbeauftragten Leistungen „aufdrängen" will, erfasst § 2 Nr. 8 VOB/B zum einen die Fälle, in denen der Auftrag vom Architekten erteilt wird, der dazu ohne Sondervollmacht nicht bevollmächtigt ist, so dass die Leistung des Unternehmers „auftraglos" erbracht ist. Zum anderen sind hier die Fälle angesprochen, in denen der Unternehmer notwendige Zusatz- oder Vorarbeiten ohne ausdrücklichen Auftrag erbringt, ζ. B. die nichtausgeschriebene aber notwendige Unterspannbahn bei Dacheindeckungsarbeiten ausführt, und diese Arbeiten dem bauaufsichtsführenden Architekten anzeigt, so schnell ihm das zumutbar möglich ist (BGH BauR 1994, 625 = ZfBR 1994, 222). Das „mutmaßliche" Einverständnis des Auftraggebers wird in diesen Fällen unterstellt, wenn nicht objektive Gründe dagegensprechen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei den notwendigen Vorarbeiten um Nachbesserungsarbeiten der Vorunternehmerleistung handelt. Durch derartig eigenmächtiges Handeln des Unternehmers kann der Auftraggeber seinen Anspruch auf kostenlose Nachbesserung gegenüber dem Vorunternehmer verlieren. Preisanpassungen beim Pauschalvertrag nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 S. 2 VOB/B wegen gestörter Geschäftsgrundlage können ebenfalls zu einer Nachtragsforderung des Unternehmers führen. Zunächst allerdings ist davon auszugehen, dass der vertragliche Pauschalpreis unverändert und fest bleibt, auch wenn die Menge der ausgeführten Leistung von der vertraglich vorgesehenen abweicht. Nur wenn die Abweichung so erheblich ist, dass ein Festhalten am Vertragspreis zur Unzumutbarkeit (§ 242 BGB) führt, ist auf Verlangen ein Ausgleich zu schaffen (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2001, 803), was bei Leistungsminderung zu einer Herabsetzung (vgl. BGH BauR 2004, 78 = NJW-RR 2004, 305 = ZfBR 2004, 44), bei Leistungsmehrung jedoch zu einer Erhöhung des Pauschalpreises führt.

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Unzumutbarkeit liegt dann vor, wenn der Risikorahmen, den die Parteien bei Abschluss eines Pauschalpreisvertrages bewusst eingehen, gesprengt wird, wovon bei Überschreitung der Gesamtauftragssumme um 20 % (OLG Düsseldorf BauR 1995, 286L = OLGR 1995, 52 = IBR 1995, 507; OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 668; OLG Schleswig, BauR 2000,1201 = MDR 2000, 580) ausgegangen werden kann, was ebenso bei entsprechender Unterschreitung gilt. Letztendlich aber kommt es auf den Einzelfall an, so dass die Risikogrenze nicht starr auf Prozentpunkte festzulegen ist (BGH NJW-RR 1996, 401 = BauR 1996, 250). Verwirklicht sich in einer erheblichen Abweichung lediglich ein Risiko, das der Unternehmer nach dem Vertrag allein zu tragen hat, können keine Nachforderungen gestellt werden (OLG Düsseldorf BauR 1991, 774). § 2 Nr. 7 VOB/B betrifft im Wesentlichen nur Mehr- oder Mindermengen, die beim Pauschalpreisvertrag, im Gegensatz zum Einheitspreisvertrag nach § 2 Nr. 3 VOB/B, keine Preisänderungen zur Folge haben. Die übrigen Preisanpassungsregelungen nach § 2 Nrn. 4 , 5 und 6 VOB/B finden ohnehin auch auf den Pauschalpreis Anwendung. Entscheidend für einen Nachtrag des Unternehmers ist aber immer, dass der vom Pauschalpreis erfasste Leistungsumfang - das zugrunde liegende Bausoll - klar definiert werden kann. Ist dies ζ. B. durch nähere Angaben in einem Leistungsverzeichnis bestimmt, so lässt sich eindeutig feststellen, welche Leistungen zum Vertragspreis zu erbringen sind und welche darüber hinausgehen und gesondert zu vergüten sind. 7.3.2.3

Fälligkeit der Vergütung

Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütung beim Bauwerksvertrag ist die Abnahme. Das betrifft jedoch nur die Rest- oder Schlusszahlung, weil der Unternehmer auf seine vertragliche Vergütung schon während der Ausführung Abschlagszahlungen verlangen kann, für die die Abnahme seiner Leistung nicht erforderlich ist (BGH NJW 1979, 650 = BauR 1979,159 = ZfBR 1979, 66). Ist der Auftraggeber Unternehmer im Sinne des § 2 UStG oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts, kann der Auftragnehmer trotz Fälligkeit nur dann volle Auszahlung der ihm zustehenden Vergütung verlangen, wenn er eine Freistellungsbescheinigung seines Finanzamtes vorlegt. Anderenfalls ist der Auftraggeber nach § 48 b EStG - eingefügt durch Gesetz zur Eindämmimg illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30.08.2001 (BGBl. I S. 2267) - verpflichtet, von jeder Rechnimg für Bauleistungen des Unternehmers einen Einbehalt von 15 % des Auszahlungsbetrages abzuziehen und direkt an das für den Auftragnehmer zuständige Finanzamt abzuführen. Von dieser Regelung ist nur

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dann abzusehen, wenn der Werklohn des Auftragnehmers die Freigrenze von 5.000,— € pro Jahr nicht übersteigt. 7.3.2.3.1

Abschlagszahlung

Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 hatte der Unternehmer beim BGB-Vertrag das volle Vorleistungsrisiko, da Abschlagszahlungen, anders als beim VOB/B-Vertrag, im BGB nicht vorgesehen waren und dem Unternehmer solche von der Rechtsprechung nur bei Unzumutbarkeit seiner Vorleistungspflicht in Ausnahmefällen zugebilligt wurden (BGH NJW 1985, 855; BGH NJW 1988, 55 = BauR 1987, 694 = ZfBR 1988, 22). Es war deshalb bisher notwendig, dass Abschlagszahlungen im BGB-Bauvertrag ausdrücklich vereinbart wurden, damit der Unternehmer solche zu beanspruchen hatte. Nunmehr sieht auch das BGB durch den neu eingefügten § 632 a unter gewissen Voraussetzungen Abschlagszahlungen für den Unternehmer vor, die mit entsprechender Zahlungsaufforderung fällig werden. Mit § 641 Abs. 2 wurde die sog. Durchgriffsfälligkeit in das BGB eingeführt, die auch auf den VOB/B-Vertrag Anwendung findet. Danach wird die Vergütung des Unternehmers nach Fertigstellung seiner Gesamtleistung auch fällig, wenn sein Auftraggeber für diese Leistung von einem Dritten, dem er die Herstellung versprochen hat, eine Vergütung erhalten hat. Hat der Auftraggeber des Unternehmers von dem Dritten nur eine Abschlagszahlung erhalten, wird der Werklohn des Unternehmers entsprechend anteilig fällig. Diese Regelung betrifft ζ. B. Subunternehmer, deren Leistimg der Generalunternehmer seinem Auftraggeber schuldet und von dem er auch Zahlungen für das Werk des Subunternehmers erhält, aber auch Unternehmer, die für einen Bauträger Leistungen erbringen, die dieser den Erwerbern schuldet. Soweit der Auftraggeber des Unternehmers Zahlungen von dem Dritten erhalten hat, kann er keine Einwendungen mehr gegen den Zahlungsanspruch des Unternehmers erheben. Allerdings muss der Unternehmer Sicherheit leisten, falls sein Auftraggeber dem Dritten wegen möglicher Mängel der Leistimg eine Sicherheit geleistet hat. Beim VOB/B-Bauvertrag sind in § 16 Nr. 1 VOB/B Abschlagszahlungen ausdrücklich vorgesehen. Gemäß § 16 Nr. 1 Abs. 3, der durch die VOB 2002 geändert wurde, sind Ansprüche auf Abschlagszahlungen binnen 18 Werktagen nach Zugang der Aufstellung fällig. Doch nach wie vor gibt es noch entscheidende Unterschiede zwischen BGB- und VOB/B-Vertrag:

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Nach § 632 a BGB kann der Unternehmer nur Abschlagszahlungen verlangen für in sich abgeschlossene Teile des Werkes. Das sind in Anknüpfung an § 12 Nr. 2 VOB/B solche Teile, die für sich und unabhängig von anderen Leistungsteilen auf ihre Funktionstauglichkeit geprüft werden können. Sie müssen also von der Gesamtleistung funktional trennbar und unabhängig von den übrigen Leistungen selbstständig gebrauchsfähig sein. Diese Voraussetzimg wird sich deshalb nicht in der Weise auswirken, dass dem Unternehmer beim BGB-Vertrag häufig Abschlagszahlungen zustehen. Bspw. wird bei einer Putzerleistung für ein Gebäude im Zweifel erst bei Gesamtfertigstellung und nicht etwa stockwerkweise die Voraussetzung des § 632 a BGB erfüllt sein. Ebenso bei Rohbauleistungen für ein großes Gebäude oder für Reihenhäuser, die nicht Haus für Haus, sondern fortlaufend und gleitend erbracht werden. Es ist deshalb auch trotz des seit 2000 geltenden neuen § 632 a BGB davon auszugehen, dass Abschlagszahlungen beim BGBWerkvertrag i. d. R. schon aus diesem Grunde nur dann verlangt werden können, wenn sie vertraglich ausdrücklich vereinbart sind. Hinzu kommt, dass nach § 632 a S. 3 BGB ein Anspruch auf Abschlagszahlungen nur dann besteht, wenn dem Auftraggeber an den Teilen des Werkes, für die der Abschlag verlangt wird, Eigentum übertragen oder aber hierfür Sicherheit geleistet wird. Diese Voraussetzung kann nur erfüllt werden, wenn der Auftraggeber zugleich der Eigentümer des Grundstücks ist, auf dem das Bauwerk errichtet wird, da eingebaute Teile gem. § 946 BGB automatisch ins Eigentum des Grundstückseigentümers übergehen. Das bedeutet, dass ζ. B. der Subunternehmer beim BGB-Bauvertrag für Abschlagszahlungen immer Sicherheit leisten muss, denn nicht sein Auftraggeber, der Generalunternehmer, sondern dessen Auftraggeber ist der Grundstückseigentümer. Abschlagszahlungen beim VOB/B-Vertrag sind dem Unternehmer dagegen nach § 16 Nr. 1 VOB/B i. H. d. Wertes der vertragsgemäß erbrachten Leistung zu gewähren, wobei es sich bei der erbrachten Leistung nicht um „in sich abgeschlossene Teile" handeln muss, so dass der Unternehmer Abschlagszahlungen nach Baufortschritt verlangen und damit sein Vorleistungsrisiko erheblich verringern kann. Sicherheitsleistung für Abschlagszahlungen ist auch beim VOB/B-Vertrag vorgesehen, allerdings nur dann, wenn der Unternehmer Abschläge für eigens angefertigte und bereitgestellte Bauteile sowie für die auf der Baustelle angelieferten Stoffe und Bauteile erhalten möchte, also für noch nicht eingebaute Materialien und Bauteile, die noch nicht Eigentum des Auftraggebers oder des Grundstückseigentümers geworden sind. Während beim BGB-Vertrag für die Fälligkeit der Abschläge nach derzeitiger Rechtslage eine Rechnungsstellung nicht erforderlich ist, hat der Unternehmer beim VOB/B-

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Vertrag nur einen Anspruch, wenn er die Erbringung seiner Leistung, für die er einen Abschlag haben will, durch eine prüfbare Aufstellung nachweist. Abweichend von den Bestimmungen im BGB und der VOB/B werden in Bauverträgen zwischen den Parteien oft besondere Vereinbarungen für Abschlagszahlungen getroffen, so bspw. als Zahlungspläne für bestimmte Bauabschnitte oder in Bauträgerverträgen mit Erwerbern, in denen nach der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) feste Raten nach Baufortschritt vorgeschrieben sind. Liegen Mängel an der Leistung des Unternehmers vor, mindern sie beim VOB/BVertrag den „Wert der erbrachten Leistung" und damit in dieser Höhe auch den Anspruch auf Abschlagszahlung. Außerdem steht dem Auftraggeber ein Zurückbehaltungsrecht zu, das die Rechtsprechung bisher - auch bei Abschlagsforderungen des Unternehmers - mit dem Zwei- bis Dreifachen der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten angesetzt hat (BGH NJW 1981, 2801 = BauR 1981, 577; NJW 1982, 2494 = BauR 1982, 579; NJW 1984, 725 = BauR 1984, 166; NJW 1992, 1632 = BauR 1992, 401; OLG Hamm NJW-RR 1999, 528 = BauR 1999, 776). Nunmehr ist das Zurückbehaltungsrecht in § 641 Abs. 3 BGB so geregelt, dass der Auftraggeber nach der Abnahme die Zahlung der Vergütung wegen Mängeln i. H. v. mindestens dem dreifachen Betrag der Mängelbeseitigungskosten verweigern kann. 7.3.2.3.2

Schlusszahlung

Beim BGB-Vertrag ist für die Schlusszahlung keine besondere Regelung vorgesehen, diese ist nach den allgemeinen Grundsätzen des § 641 Abs. 1 S. 1 BGB bei der Abnahme zu leisten. Für den VOB/B-Vertrag gilt zusätzlich § 16 Nr. 3 VOB/B. Danach ist - nach erfolgter Abnahme - die Schlusszahlung fällig nach Prüfung und Feststellung der vom Unternehmer vorgelegten prüffähigen Schlussrechnung, spätestens zwei Monate nach Zugang der Rechnung beim Auftraggeber. Ohne Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung wird die Werklohnforderung nicht fällig (BGH: BauR 1970,116; NJW 1977, 2075L = BauR 1977, 354; BauR 1979, 342; NJW-RR 1990,1170 = BauR 1990, 605; OLG Celle BauR 1996, 264), das gilt sowohl für den Einheitspreis- als auch für den Pauschalpreisvertrag (OLG Celle BauR 1979, 433). Abschlagsrechnungen können ausnahmsweise in ihrer Gesamtheit als Schlussrechnimg genügen, wenn darin alle vom Unternehmer ausgeführten Leistungen enthalten sind und deshalb eine weitere Gesamtrechnung entbehrlich ist (OLG Hamm NJW-RR 1996,593).

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Für die Prüfbarkeit der Schlussrechnung verlangt § 14 VOB/B, dass der Unternehmer die Rechnung übersichtlich aufstellt, dabei die Reihenfolge der Posten aus dem Leistungsverzeichnis/Angebot einhält und die im Vertrag enthaltenen Bezeichnungen verwendet. Er hat insbesondere das zum Nachweis des Umfangs der erbrachten Leistung erforderliche Aufmaß beizufügen. Ist im Vertrag ein gemeinsames Aufmaß vereinbart, ist dieses vorzulegen. Verweigert der Auftraggeber die Mitwirkung am gemeinsamen Aufmaß, wird die Forderung des Auftragnehmers mit Vorlage seines - einseitigen - Aufmaßes fällig (BGH BauR 1979, 62). Das gemeinsame Aufmaß hat Bindungswirkung, d. h. die darin enthaltenen tatsächlichen Feststellungen gelten als anerkannt (OLG Hamm NJW-RR 1991,1496 = BauR 1992, 242; OLG Frankfurt BauR 2003, 269 (272)). „Ist es dem Auftragnehmer allerdings nicht mehr möglich, den Stand der von ihm bis zur Kündigung erbrachten Leistung durch ein Aufmaß zu ermitteln, weil der Auftraggeber das Aufmaß dadurch vereitelt hat, dass er das Bauvorhaben durch einen Drittunternehmer hat fertig stellen lassen, genügt der Auftragnehmer seiner Verpflichtung zur prüfbaren Abrechnung, wenn er alle ihm zur Verfügimg stehenden Umstände mitteilt, die Rückschlüsse auf den Stand der erbrachten Leistung ermöglichen (BGH NJW-RR 2004,1384 = BauR 2004,1443 = ZfBR 2004, 688)". Hat der Auftraggeber die Schlussrechnung des Unternehmers tatsächlich geprüft, kann er sich nicht mehr auf mangelnde Prüffähigkeit berufen. Im Übrigen ist die Prüffähigkeit der Unternehmerrechnung nach dem „Empfängerhorizont" zu beurteilen. Ist der Auftraggeber durch einen fachkundigen Architekten vertreten, genügt es, wenn die Rechnimg so aufgestellt ist, dass dieser sie prüfen kann (OLG München BauR 1993, 346; OLG Oldenburg BauR 1997,523L; BGH NJW 2002, 676 = BauR 2002,468 = ZfBR 2002, 248). Beim Pauschalpreisvertrag allerdings sind diese Maßstäbe nicht anzuwenden, es genügt, wenn der Unternehmer in der Schlussrechnung die Endsumme ausweist und bereits gezahlte Beträge abzieht, es sei denn, der Leistungsumfang hat sich geändert, der Unternehmer will Mehrforderungen stellen oder der Vertrag ist vorzeitig gekündigt worden (BGH BauR 1979, 525 = ZfBR 1979, 207; OLG Köln NJW-RR 1990, 1171 und BauR 1994, 413L), so dass es einer Abrechnung nach Aufmaß bedarf. 7.3.2.3.3

Vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung

Nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ist der Unternehmer mit Nachforderungen ausgeschlossen, wenn er die Schlusszahlung vorbehaltlos annimmt. Eine Schlusszahlung liegt vor, wenn der Auftraggeber eine Zahlung leistet und dabei zu erkennen gibt, dass weitere Zahlungen von ihm nicht zu erwarten sind, wobei er das Wort „Schlusszahlung" nicht

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zu erwähnen braucht (BGH BauR 1979, 525 = ZfBR 1979, 207; BGH NJW 1979, 2310; KG BauR 1973, 321; BGH NJW 1970, 706). Auch ein Verrechnungsscheck, der im Begleitschreiben als „Kontoausgleich" bezeichnet wird, oder eine Überweisung mit dem Vermerk „Restzahlung" stellt eine Schlusszahlung dar. Einer Schlusszahlung steht es deshalb nach § 16 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B auch gleich, wenn der Auftraggeber unter Hinweis auf geleistete Zahlungen weitere Zahlungen endgültig und schriftlich ablehnt. Das Gleiche gilt, wenn der Auftraggeber eine Verrechnung mit - möglicherweise sogar unberechtigten oder aus anderen Bauvorhaben stammenden - Gegenforderungen vornimmt, dies dem Unternehmer in einem Abrechnungsschreiben mitteilt und ihn auffordert, den angeblich zu seinen Gunsten verbleibenden Betrag an ihn, den Auftraggeber, zu überweisen bzw. zurückzuzahlen (BGH ZfBR 198,123; vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess 10. Auflage, Rn. 2299). Ist dem Unternehmer eine solche Schlusszahlung zugegangen, muss er innerhalb einer Frist von 24 Werktagen einen Vorbehalt erklären, wenn er über den gezahlten Betrag hinaus noch Forderungen geltend machen will. Der Vorbehalt kann auch gegenüber dem Architekten, der mit der Abrechnimg der Unternehmerleistung vom Auftraggeber betraut ist, erhoben werden. Er bedarf keiner besonderen Form, kann also auch mündlich erfolgen. Davon ist jedoch dringend abzuraten, weil der Unternehmer die Ausbringimg des Vorbehaltes beweisen muss, wenn der Auftraggeber diesen bestreitet. Hat der Unternehmer den Vorbehalt erhoben, muss er ihn innerhalb einer Frist von weiteren 24 Werktagen durch Vorlage einer prüfbaren Rechnung über die vorbehaltenen Forderungen oder, falls dies nicht möglich ist, in anderer Weise eingehend begründen, sonst wird der Vorbehalt hinfällig. Handelt es sich bei den Forderungen, die der Unternehmer noch stellen will, lediglich um Beträge, die bereits mit der Schlussrechnung prüffähig abgerechnet worden sind, die der Auftraggeber aber gekürzt hat, ist die Einreichung einer prüfbaren Rechnung zur Vorbehaltsbegründung nicht erforderlich (OLG Karlsruhe BauR 1989, 208; OLG München NJW-RR 1996, 1235 = BauR 1996, 871; BGH NJW-RR 1998, 954 = BauR 1998, 613). Unbedingt erforderlich aber ist es, ggf. bisher nicht abgerechnete Nachtragsforderungen, die der Unternehmer nicht verlieren will, innerhalb der Begründungsfrist prüfbar abzurechnen. Bei fehlendem oder mangels Begründung hinfälligem Vorbehalt verliert der Unternehmer alle weiteren Ansprüche, auch wenn diese sachlich gerechtfertigt gewesen wären. Dies gilt jedoch nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B nur dann, wenn der Auftraggeber den Unternehmer über die Schlusszahlung schriftlich unterrichtet und auf deren Ausschlusswirkung hingewiesen hat. Hierfür genügt der Passus „auf die Ausschlusswirkung des § 16 Nr. 3 VOB/B wird hingewiesen" nicht. Vielmehr ist erforderlich, dass der

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Auftraggeber den Auftragnehmer in einem Schreiben hinreichend deutlich vor Augen führt, dass er Nachforderungen nicht mehr durchsetzen kann, wenn er den Vorbehalt nicht fristgerecht erklärt und begründet (OLG Köln NJW-RR1994,1501 = BauR 1994,634; OLG Celle NJW-RR 1995, 915; OLG Köln NJW-RR 1997,213 = BauR 1997,320; BGH NJW 1999, 944 = BauR 1999, 396). Das gilt auch, wenn es sich bei dem Auftragnehmer um ein großes Bauunternehmen handelt, das eine Rechtsabteilung besitzt oder anwaltlich beraten ist. Der Anspruchsverlust betrifft alle noch offenen Forderungen des Auftragnehmers aus dem Bauvorhaben mit Ausnahme des Sicherheitseinbehalts, den der Auftragnehmer nach Ablauf der Verjährungsfrist für Mängel oder gegen Vorlage einer Mängelhaftungsbürgschaft trotz vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung noch ausgezahlt verlangen kann. Hat allerdings der Auftraggeber unter Hinweis auf höhere Gegenforderungen erklärt, dass er überhaupt nichts mehr zahlen werde, wird auch der Sicherheitseinbehalt von dem Anspruchsverlust erfasst (OLG Frankfurt BauR 1985,460). 7.3.2.4

Sicherung des Vergütungsanspruchs des Bauunternehmers

Die Sicherung seines Vergütungsanspruchs ist für den Auftragnehmer wichtig, weil er als Werkunternehmer vorleistungspflichtig ist, d. h. eine Vergütung erst beanspruchen kann, wenn und soweit er seine Leistung erbracht hat. Zwar mindert das Recht, Abschlagszahlungen zu verlangen, das Vorleistungsrisiko, jedoch ganz abdecken lässt es sich damit nicht, denn auch für Abschlagszahlungen ist Voraussetzimg, dass der Unternehmer die entsprechende Leistung, für die er Zahlung verlangt, zuvor erbracht hat. Zudem leistet der Unternehmer weiter vor, bis der Auftraggeber die gestellte Abschlagsrechnung bezahlt hat. Da die Bauhandwerkersicherungshypothek oft nur einen unzureichenden oder gar keinen Schutz vor einer Insolvenz des Auftraggebers bietet, sollte deshalb mit Einfügung des § 648 a in das BGB, dem so genannten Bauhandwerkersicherungsgesetz, dem Unternehmer ausreichende und effektive Sicherheit für seinen Werklohn verschafft werden. Das Gesetz zur Änderung des BGB vom 27. April 1993 (BGBL I S. 509) ist am 1. Mai 1993 in Kraft getreten und ist anzuwenden auf alle Verträge, die ab diesem Zeitpunkt geschlossen worden sind. Die Sicherheit nach § 648 a BGB steht dem Unternehmer allerdings nur wahlweise neben der Eintragimg einer Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 648 BGB zur Verfügimg, da eine Doppelsicherung ausgeschlossen sein soll.

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7.3.2.4.1

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Bauhandwerkersicherungsgesetz ( § 648 a BGB )

Nach dem Bauhandwerkersicherungsgesetz kann der Unternehmer eines Bauwerkes, einer Außenanlage oder eines Teils davon vom Auftraggeber Sicherheit verlangen für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen, und zwar in Höhe seines voraussichtlichen Vergütungsanspruchs, der sich aus dem Vertrag oder einem nachträglichen Zusatzauftrag ergibt. Von der Sicherheit werden zusätzlich auch Nebenforderungen erfasst, die mit 10 % der Vergütung, die gesichert werden soll, anzusetzen sind. Die Sicherheit kann auch für bereits erbrachte Leistungen verlangt werden, solange diese noch nicht durch Abschlags- oder Vorauszahlungen abgegolten sind (OLG Karlsruhe NJW 1997, 263 = BauR 1996, 556). Aufgetretene Mängel werden bei der Bemessung der Höhe der Sicherheit nicht berücksichtigt, solange der Unternehmer noch zur Nachbesserung berechtigt ist (OLG Karlsruhe NJW 1997, 263 = BauR 1996, 556). Insofern kann die Sicherheitsleistung nach § 648 a BGB auch noch nach der Abnahme verlangt werden (OLG Hamm NJW-RR 2003, 520 = BauR 2003, 902; OLG München BauR 2003, 899 = NZBau 2003, 676; OLG Brandenburg NJW-RR 2003,1527 = NZBau 2003, 678). Verlangt der Unternehmer eine überhöhte Sicherheit, so kann der Auftraggeber dieses Verlangen nicht einfach ignorieren, er ist vielmehr zur Stellung einer „angemessenen" Sicherheit verpflichtet (OLG Düsseldorf BauR 1999, 47). Die Kosten der Sicherheit hat der Unternehmer bis zur Höhe von 2 % pro Jahr zu tragen. Der Unternehmer kann dem Auftraggeber zur Sicherheitsleistung eine Frist setzen und erklären, dass er nach Ablauf der Frist seine Leistung verweigert. Stellt der Auftraggeber die Sicherheit - i. d. R. eine Bankbürgschaft - nicht, kann der Unternehmer seine Arbeiten einstellen. Der Auftragnehmer kann aber auch dem Auftraggeber eine Nachfrist setzen mit der ausdrücklichen Erklärung, dass er den Vertrag kündigen werde, wenn die Sicherheit nicht bis zum Ablauf der Nachfrist geleistet ist. Nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist gilt der Vertrag als aufgehoben. Der Unternehmer kann also wählen, ob er am Vertrag festhalten will oder nicht. Kündigt der Auftraggeber den Vertrag in zeitlichem Zusammenhang mit dem Sicherheitsverlangen, hat der Unternehmer einen Schadensersatzanspruch, ausgenommen der Auftraggeber kann belegen, dass die Kündigimg nicht erfolgt ist, um der Stellung der Sicherheit zu entgehen. Gem. § 648 a Abs. 5 S. 4 BGB wird vermutet, dass der Schaden des Unternehmers 5 % der Vergütung beträgt. Eine Sicherheit nach § 648 a BGB kann nicht vom öffentlichen Auftraggeber und auch nicht von einem privaten Auftraggeber verlangt werden, der die Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses mit oder ohne Einliegerwohnung

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ausführen lässt. Wird die Einfamilienhaus-Baumaßnahme allerdings von einem Baubetreuer, der über die Finanzierungsmittel verfügen darf, betreut, findet § 648 a BGB Anwendung. Die Vorschrift des § 648 a BGB kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden, und zwar weder in AGB noch durch Individualvertrag. Der Auftraggeber muss deshalb immer mit einem entsprechenden Sicherheitsverlangen des Auftragnehmers rechnen. Ob dieser allerdings gleich zu Anfang einer Vertragsbeziehung von seinem Recht Gebrauch machen will, erscheint fraglich, weil damit sicherlich das Verhältnis zum Auftraggeber getrübt wird. Die Inanspruchnahme wird deshalb auf Fälle beschränkt bleiben, in denen konkret eine Insolvenz des Auftraggebers zu befürchten ist, zumal der Unternehmer auch die Kosten der Sicherheit zu tragen hat. 7.3.2.4.2

Bauhandwerkersicherungshypothek ( § 648 BGB )

Die Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 648 BGB gibt dem Unternehmer nur eine nachträgliche Sicherungsmöglichkeit, weil Voraussetzimg ist, dass er seine Bauleistung, für die er die Sicherung verlangt, bereits erbracht hat, sie sichert also nicht sein Vorleistungsrisiko ab. Die Sicherung steht nach § 648 Abs. 1 S. 1 BGB dem Unternehmer „eines Bauwerkes" oder eines Teiles desselben zu, so dass sie bspw. für einen Unternehmer nicht in Frage kommt, der lediglich mit dem Abriss einer vorhandenen Bebauung beauftragt ist (OLG Bremen BauR 1995, 862). Da die Bauhandwerkersicherungshypothek das Grundstück belastet, ist für eine Anwendung des § 648 BGB im Wesentlichen darauf abzustellen, ob die Arbeiten des Unternehmers in irgendeiner Weise zur Wertsteigerung des Grundstücks führen (OLG Jena NJW-RR1999, 384 = BauR 1999,179; Werner/ Pastor, Der Bauprozess 10. Auflage, Rn. 203; beachte aber a. A. OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 18 = NZBau 2003, 615). Auch aus diesem Grunde kann die Sicherung nicht verlangt werden für vom Unternehmer hergestellte und angelieferte aber noch nicht eingebaute Bauteile und Baustoffe (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2003, 3140). Dagegen gehört die Ausschachtung der Baugrube zu den „Arbeiten am Bauwerk", so dass hierfür eine Vergütungssicherung nach § 648 BGB in Frage kommt (BGH NJW 1977,1146 = BauR 1977, 203 und NJW 1984, 168). Ebenso können in Einzelfällen auch Abbrucharbeiten nach § 648 BGB sicherungsfähig sein (OLG München IBR 2004, 678). Bei Umbau- und Reparaturarbeiten wird für die Möglichkeit einer Sicherung darauf abgestellt, ob die Arbeiten des Unternehmers zu wesentlichen Veränderungen des Bauwerkes führen und/ oder dem Bestand und der Erhaltung des Gebäudes dienen oder ob es sich nur um kleinere Reparatur* und Ausbesserungsarbeiten handelt, für die § 648 BGB keine Anwendung findet

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(BGH: BauR 1990, 351 = ZfBR 1990,182; NJW 1993, 3195 = BauR 1994,101; OLG München BauR 1992,631; OLG Hamm NJW-RR1995,213 = BauR 1995,240). Sind die Arbeiten des Unternehmers mit Mängeln behaftet, hat er nur Anspruch auf Eintragung einer Sicherungshypothek für den Anteil des Werklohns, der auf mangelfreie Leistungen entfällt (BGH BauR 1977,208; OLG Celle BauR 2001,1623), da nur diese einen Wertzuwachs für das Grundstück bedeuten. Der Anspruch auf Eintragung der Sicherungshypothek besteht nach § 648 BGB „am Baugrundstück des Bestellers". Die Sicherungsmöglichkeit besteht für den Unternehmer deshalb zum einen nur, wenn er die Arbeiten an dem Grundstück erbracht hat, auf dem er auch die Sicherheit eintragen lassen will und zum anderen vor allem nur dann, wenn sein Auftraggeber auch zugleich der Grundstückseigentümer ist. Steht das Grundstück im Eigentum eines Dritten, ζ. B. der Ehefrau des Auftraggebers oder ist der Auftraggeber eine GmbH, der Grundstückseigentümer aber der Geschäftsführer persönlich, scheidet die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek aus, weil die oftmals vorhandene - wirtschaftliche Identität zwischen Auftraggeber und Grundstückseigentümer nicht ausreicht, vielmehr eine rechtliche - formaljuristische - Identität vorhanden sein muss, damit § 648 BGB Anwendung finden kann (BGH NJW 1988, 255 = BauR 1988, 88 und ihm folgend: OLG Hamm NJW-RR 1989,1105 = BauR 1990,365; OLG Koblenz BauR 1993, 750; OLG Celle OLGR1997, 211; OLG Dresden BauR 1998,136; OLG Celle NJW 2000,1730 = BauR 2000,101; OLG Celle NJW-RR 2003,236 = BauR 2003,576). Bebaut der Unternehmer mehrere Grundstücke des Auftraggebers mit einem einheitlichen Bauwerk, kann er eine Gesamtsicherungshypothek an den Grundstücken beanspruchen (OLG Frankfurt NJW 1975, 785; OLG München NJW 1975,220). Bebaut er mehrere Grundstücke des Auftraggebers gleichzeitig mit mehreren Gebäuden, steht ihm an allen Grundstücken eine Sicherungshypothek in Höhe der Teilvergütung zu, die auf die jeweiligen Bauwerke auf den entsprechenden Grundstücken entfällt. Teilt der Auftraggeber das Baugrundstück nach Aufnahme der Arbeiten durch den Unternehmer in mehrere Teile auf, ζ. B. in Wohnungs- und Teileigentum, hat der Unternehmer einen Anspruch auf Eintragung einer Gesamthypothek in voller Höhe auf allen aus der Teilung hervorgegangenen Grundstücksteilen, also auf jedem Wohnungs- oder Teileigentum (OLG München NJW 1975, 220; OLG Celle BauR 1976, 365; OLG Frankfurt BauR 1995, 737 = NJW-RR 1995,1359; OLG Hamm NJW-RR 1999, 383 = BauR 1999, 407; BGH NJW 2000,1861 = NZBau 2000,286 = ZfBR 2000,329). Zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek kann der Unternehmer im Rahmen einer Einstweiligen Verfügung die Eintragung einer

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Vormerkung erwirken, die ihm die Rangstelle sichert. Anders ist i. d. R. der Sicherungszweck des § 648 BGB nicht zu erreichen, denn zur Eintragung der Belastung selbst ist die Einwilligung des Auftraggebers als Grundstückseigentümer erforderlich, die im Streitfall nicht zu erlangen sein wird. Die Einwilligung kann auch durch ein im Klageweg ergangenes Urteil ersetzt werden, jedoch würde dafür zu viel Zeit benötigt, in der der Auftraggeber das Grundstück entweder veräußern oder aber vorrangig belasten könnte, so dass der Unternehmer mit seiner Sicherungshypothek nicht mehr zum Zuge käme. In AGB des Auftraggebers kann § 648 BGB nicht ausgeschlossen werden, hierzu bedarf es einer Individualvereinbarung im Vertrag. Jedoch kann der Auftraggeber die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek dadurch verhindern, dass er anderweitig für die Werklohnforderung des Unternehmers Sicherheit leistet, ζ. B. durch Stellung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft. Mit einer solchen Bürgschaft kann er auch eine eingetragene Vormerkung oder eine bereits eingetragene Sicherungshypothek ablösen. 7.3.2.5

Verjährung des Vergütungsanspruchs

Da die VOB/B keine eigenen Regelungen für die Verjährung der Vergütungsforderungen enthält, gilt sowohl für den BGB- als auch für den VOB/ B-Bauvertrag die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 eingeführte neue regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB n. F.. Danach verjährt der Vergütungsanspruch des Unternehmers in drei Jahren. Nach neuem Recht entfällt damit die Regelung, dass statt der zweijährigen eine vierjährige Verjährungsfrist gilt, wenn die Leistung des Unternehmers für den Gewerbebetrieb des Auftraggebers erbracht wird. Auch hier ist nun die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gem. § 195 BGB n. F. maßgeblich. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB n. F. Beim BGB-Vertrag ist es in Literatur und Rechtsprechung umstritten und vom BGH auch noch nicht abschließend geklärt, ob die Fälligkeit der Vergütung neben der Abnahme auch von der Stellung einer prüffähigen Schlussrechnung abhängt, (ohne Rechnung: BGH NJW1981,814 = BauR 1981,199; OLG Celle NJW1986,327; OLG Stuttgart NJW-RR 1994,17 = BauR 1994,121; OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 755; OLG Hamm IBR 2001, 51; für Rechnung: OLG Frankfurt BauR 1997, 856; OLG Hamm BauR 1997, 656 = OLGR 1996, 113; OLG Celle, BauR 1997, 1052; OLG Saarbrücken BauR 2004, 1198L). Da der Unter-

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nehmer beim BGB-Vertrag den Beginn der Verjährung nach Ansicht des BGH aber nicht durch die verspätete Erteilung der Schlussrechnung hinausschieben kann, ist davon auszugehen, dass eine Entscheidung dahingehend erfolgen wird, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB n. F. ohne Rechnungsstellung am Schluss des Jahres, in dessen Verlauf die Abnahme erfolgt ist, beginnt. Um sicher zu gehen, ist dem Unternehmer aber anzuraten, auch dann prüfbar abzurechnen, wenn die VOB/B nicht vereinbart wurde. Beim VOB/B-Vertrag sind für die Fälligkeit drei Ereignisse erforderlich: •

Abnahme,



Stellung einer prüffähigen Schlussrechnung und



Prüfung derselben bzw. Ablauf von zwei Monaten.

Die Verjährungsfrist beginnt erst mit Schluss des Jahres, in dem alle drei Fälligkeitserfordernisse eingetreten sind. Fehlt beim VOB/B-Vertrag also eine Schlussrechnung, kann - anders als beim BGB-Bauvertrag - eine Verjährung der Vergütungsforderung nicht eintreten. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass das Recht, sich auf die Verjährung zu berufen, entsprechend § 242 BGB verwirkt ist. Das ist dann der Fall, wenn der Auftraggeber seine Verjährungseinrede längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Unternehmer aufgrund des Zeitablaufs und weiterer auf dem Verhalten des Auftraggebers beruhender Umstände darauf vertraut hat und darauf vertrauen durfte, dass der Auftraggeber seine Rechte auch in Zukunft nicht geltend machen wird (BGH BauR 2001, 784 = NJW 2001,1649 = ZfBR 2001,513; BGH BauR 2003,379 = NJW 2003,824 = ZfBR 2003,147). Der Anspruch auf Auszahlung des vom Auftraggeber einbehaltenen Sicherheitsbetrages verjährt in der Frist des § 195 BGB n. F., also ebenso wie die Vergütungsforderung, deren Teil er ja ist. Die Verjährungsfrist beginnt jedoch erst mit Schluss des Jahres, in dem der Sicherheitsbetrag auszuzahlen ist, d. h. mit Schluss des Jahres, in dem die Verjährungsfrist für Mängel abläuft oder - falls es eine anderslautende vertragliche Vereinbarung gibt - mit Schluss des Jahres, in dem vereinbarungsgemäß die Auszahlung fällig ist. Aufgrund der Rechtsänderungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 sind die Übergangsregelungen in Art. 229 § 6 EGBGB zu beachten. Danach gilt grundsätzlich das neue Verjährungsrecht auch für Altverträge, soweit der Anspruch noch nicht verjährt ist. Die alte Verjährungsfrist ist jedoch anzuwenden, soweit sie kürzer ist als die neue Frist. Danach bleibt es also für die Altverträge bei der kürzeren Verjährungsfrist von zwei Jahren aus § 196 Abs. 1 BGB a.F., weil sie kürzer ist als die neue dreijähri-

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ge Verjährungsfrist ab Kenntnis. Ist die neue Verjährungsfrist kürzer, so läuft diese für Altverträge ab dem 01.01.2002, wenn nicht die längere Frist nach altem Recht vorher abläuft. 7.3.2.6

Verwirkung von Rückforderungsansprüchen des öffentlichen Auftraggebers

Werklohnzahlungen des öffentlichen Auftraggebers stehen unter dem Vorbehalt der Rückforderung (BGH: BauR 1975, 424; NJW 1980, 880 = BauR 1980,180 = ZfBR 1980, 22; NJW-RR1992, 727 = BauR 1992,371; BauR 1992, 760; OLG Frankfurt NJW-RR1997,526 = BauR 1997, 323). Der RückZahlungsanspruch kann jedoch verwirkt sein, wenn •

seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und



besondere Umstände hinzutreten, die beim Unternehmer einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben, so dass die späte Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs gegen Treu und Glauben verstößt.

Beim RückZahlungsanspruch des öffentlichen Auftraggebers ist insoweit auf den Zeitpunkt der Schlusszahlung abzustellen, von dem an die Verwirkungsfrist läuft (BGH BauR 1982, 282). Wegen der allgemein bekannten "Langsamkeit" der Rechnungshöfe kommt eine Verwirkung immer nur nach dem Ablauf längerer Fristen in Betracht. So sind bspw. von der Rechtsprechung Fristen von drei Jahren nicht als ausreichend für eine Verwirkung erachtet worden, während eine Rückforderung nach mehr als sieben Jahren nach der Schlusszahlung als verwirkt angesehen werden kann (OLG Köln BauR 1979, 252). Aber auch das ist streitig, so sind ζ. B. etwas über sechs Jahre vom BGH (BauR 1980,180 = NJW 1980, 880 = ZfBR 1980, 22) und sieben Jahre vom OLG München (BauR 1982, 603) als für eine Verwirkung noch nicht ausreichend befunden worden. Teilweise wird auch darauf abgestellt, ob seit der Schlusszahlung die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Geschäftsbelege abgelaufen sind (LG Landshut BauR 2002,966 = NJW-RR 2002, 744). Bloße Untätigkeit des öffentlichen Auftraggebers führt zudem nicht zur Verwirkung, vielmehr müssen Ereignisse hinzukommen, die beim Unternehmer den Eindruck erwecken, Rückforderungen würden nicht mehr gestellt werden. Von einem Vertrauenstatbestand kann deshalb dann nicht gesprochen werden, wenn der öffentliche Auftraggeber immer wieder deutlich macht, dass er an seinem Rückforderungsverlangen festhält (BGH NJW 1980,880 = BauR 1980,180 = ZfBR 1980, 22). Ist der öffentliche Auftraggeber mangels eingetretener Verwirkung noch berechtigt, seine Rückforderung durchzusetzen, kann der Unternehmer gegen diesen Anspruch mit Vergütungsforderungen aufrechnen, die ihm zustanden, die er aber wegen eines vergesse-

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nen Vorbehaltes bei der Schlusszahlung nicht mehr realisieren konnte (BGH BauR 1982,499 = ZfBR 1982,202). 7.3.3

Abnahme der Bauleistung

Die Abnahme gilt als „Dreh- und Angelpunkt" des Bauvertrages (W. Jagenburg NJW 1974, 2265 und BauR 1980, 406), denn mit der Abnahme endet das Erfüllungsstadium und beginnt das Stadium der Mängelhaftung. Sie ist neben der Vergütungspflicht gem. § 640 Abs. 1 BGB vertragliche Hauptpflicht des Auftraggebers und kann selbstständig eingeklagt werden (BGH BauR 1996, 386 = NJW 1996, 1749). Allerdings kann der Auftragnehmer direkt Klage auf Zahlung seines restlichen Werklohnes erheben, denn in der Zahlungsklage ist - bei fehlender Abnahme - die Klage auf Abnahme mit enthalten (BGH NJW 1981,1448 = BauR 1981,284 = ZfBR 1981,139) Die Abnahme setzt voraus, dass die Werkleistung fertig erbracht - abnahmereif - ist, wobei geringfügige Mängel oder Restarbeiten dem nicht entgegenstehen. Der Auftraggeber kann die Abnahme verweigern, wenn das vom Unternehmer hergestellte Werk nicht dem Vertrag entspricht, insbesondere wenn es mit erheblichen Mängeln behaftet ist. Erklärt der Auftraggeber trotzdem die Abnahme, was ihm freisteht, so treten die Abnahmewirkungen ein und er kann sich später nicht mehr darauf berufen, dass er wegen der Mängel zur Abnahme nicht verpflichtet war. Eine Abnahme kann für die Gesamtleistung erfolgen; ist vertraglich vorgesehen, dass bestimmte Teile der Leistimg gesondert abzunehmen sind, kann der Unternehmer eine Teilabnahme verlangen, das Gleiche gilt gem. § 12 Nr. 2 VOB/B für in sich abgeschlossene Teile der Leistung, die auf Verlangen ebenfalls besonders abzunehmen sind. Die rechtsgeschäftliche Abnahme ist zu unterscheiden von der „technischen Abnahme", die der Architekt durchführt und bei der es sich lediglich um eine Vorbereitung der später vom Auftraggeber selbst durchzuführenden vertraglichen Abnahme gem. § 640 BGB bzw. § 12 VOB/B handelt, zu der der Architekt ohne besondere Vollmacht nicht berechtigt (OLG Düsseldorf BauR 1997,647) ist. 7.3.3.1

Bedeutung und Zeitpunkt der Abnahme

Mit der Abnahme billigt der Auftraggeber das vom Unternehmer hergestellte Werk und nimmt es als im Wesentlichen vertragsgerecht entgegen. Damit hat der Auftragnehmer seine vertragliche Leistungspflicht der Hauptsache nach erfüllt und ist nicht mehr vorleistungspflichtig.

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Nach den gesetzlichen Regelungen im BGB ist die ausdrückliche Abnahme sofort nach abnahmereifer Fertigstellung vom Auftraggeber vorzunehmen. Im Gegensatz zur VOB/B gibt es für den BGB-Bauvertrag damit keine besondere Abnahmefrist. Verlangt der Auftragnehmer beim VOB/B-Bauvertrag die Abnahme, so hat sie der Auftraggeber binnen 12 Werktagen vorzunehmen. Bei den übrigen Abnahmeformen nach BGB und VOB/B ist der Abnahmezeitpunkt von verschiedenen Voraussetzungen abhängig: •

förmliche Abnahme § 12 Nr. 4 VOB/B: nach Baubegehung mit Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls durch den Auftraggeber,



fiktive Abnahme § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B: 12 Werktage nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistimg,



fiktive Abnahme § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B: 6 Werktage nach Inbenutzungnahme,



fiktive Abnahme § 640 Abs. 1 S. 3 BGB: nach fruchtlosem Ablauf der vom Unternehmer gesetzten Frist und



fiktive Abnahme § 641 a BGB: bei Erteilung der Fertigstellungsbescheinigung durch den Gutachter.

Vertragliche Vereinbarungen, in denen der Zeitpunkt der Abnahme hinausgeschoben wird, sind in AGB des Auftraggebers in den meisten Fällen unwirksam, weil sie den Unternehmer, der nach vertragsgemäßer Fertigstellung seiner Leistung einen Anspruch auf Abnahme hat, im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung unangemessen benachteiligen. Das trifft bspw. dann zu, wenn die Abnahme von einer so genannten Mängelfreiheitsbescheinigung der Mieter oder Erwerber, die der Unternehmer beibringen soll, abhängig gemacht wird oder wenn die Abnahme der Subunternehmerleistung erst nach oder mit Abnahme der Generalunternehmerleistung durch den Bauherrn erfolgen soll (OLG Düsseldorf BauR 1984, 95L; BGH: NJW 1989, 1602 = BauR 1989, 322; BauR 1995, 234 = NJW1995, 526; BauR 1996, 378 = ZfBR 1996,196; NJW 1997, 394 = BauR 1997, 202). Ebenso unwirksam sind Klauseln, wonach die Abnahme der Unternehmerleistung auf den Zeitpunkt der Erteilung der öffentlich-rechtlichen Gebrauchsabnahme oder sonstiger behördlicher Bescheinigungen hinausgeschoben werden soll, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat. Bei unberechtigter Verweigerung der Abnahme, treten die Abnahmewirkungen zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der Auftraggeber die grundlose Abnahmeverweigerung erklärt hat (OLG Hamm NJW-RR1988,147; OLG Hamburg, BauR 2003,1590).

7 Errichtung von Immobilien

7.3.3.2

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Abnahmeformen

Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen (GZB) sah das BGB nur die ausdrückliche Abnahme des § 640 vor. Mit dem GZB ist nunmehr die fiktive Abnahmeform auch in das BGB aufgenommen worden, was durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 auch nicht verändert wurde. Allerdings regelt das BGB die fiktive Abnahme in anderer Form, als sie in der VOB/B geregelt ist. Die neuen BGB-Abnahmeformen gelten allerdings auch beim VOB/B-Bauvertrag, denn sie werden durch die Sonderregelungen der VOB/B nicht ausgeschlossen. 7.3.3.2.1

Ausdrückliche Abnahme

Die ausdrückliche Abnahme kommt sowohl beim BGB-Bauvertrag (§ 640) als auch beim VOB/B-Bauvertrag (§12 Nr. 1) zur Anwendung. Sie erfolgt durch eine vom Auftraggeber ausdrücklich abgegebene Erklärung und ist an keine Form gebunden, kann also auch mündlich erfolgen. 7.3.3.2.2

Förmliche Abnahme

Die förmliche Abnahme ist in § 12 Nr. 4 VOB/B vorgesehen, sie kann aber auch für den BGB-Bauvertrag vertraglich vereinbart werden. Eine förmliche Abnahme hat stattzufinden, wenn entweder der Auftraggeber oder der Auftragnehmer sie verlangen. Das Verlangen kann nur solange gestellt werden, bis die Abnahme noch nicht anderweitig - etwa ausdrücklich oder fiktiv - erfolgt ist. Ist die förmliche Abnahme allerdings im Bauvertrag vorgeschrieben, kann sie nur in förmlicher Weise erfolgen. Wenn der Auftraggeber in einem solchen Fall die förmliche Abnahme längere Zeit nicht vornimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist, weil der Unternehmer eine vertragsgerechte Leistung erbracht hat, gilt dies als Verzicht auf die vertraglich vorgesehene Abnahmeform, so dass die Abnahme auch fiktiv eintreten kann (BGH BauR 1977, 344; OLG Düsseldorf BauR 2000, 614L = OLGR 2000,6; OLG Karlsruhe BauR 2004,518 = NJW-RR 2004, 745). Zur Durchführung der förmlichen Abnahme ist eine Baubegehung erforderlich, zu der jede Partei auf ihre Kosten einen Sachverständigen hinzuziehen kann. Für den Auftraggeber ist dies i. d. R. der Architekt. Über das Ergebnis der Baubegehung ist ein schriftliches Abnahmeprotokoll anzufertigen, in das Mängel- und Vertragsstrafenvorbehalte sowie etwaige Einwendungen des Auftragnehmers aufzunehmen sind und das von beiden Parteien zu unterzeichnen ist. Die Unterschrift des Unternehmers bedeutet nicht, dass er die vom Auftraggeber gerügten Mängel oder die behauptete Vertragsstrafe anerkennt (BGH NJW 1987, 380 = BauR 1987, 92). Durch die Unterzeichnung wird nur bestä-

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tigt, dass der Auftraggeber die entsprechenden Vorbehalte gemacht hat. Ob diese berechtigt sind, bleibt ggf. einer späteren Auseinandersetzung zwischen den Parteien vorbehalten. Wenn der Auftraggeber das Protokoll nicht unmittelbar im Anschluss an die Baubegehung, aber noch in einem engen zeitlichen Zusammenhang damit unterzeichnet, kann er die Vorbehalte vor Leistung seiner Unterschrift noch in das Protokoll aufnehmen (BGH BauR 1974,206). Die förmliche Abnahme kann auch in Abwesenheit des Auftragnehmers stattfinden, wenn er zu einem vereinbarten oder ihm rechtzeitig mitgeteilten Abnahmetermin nicht erscheint. Dem Auftragnehmer wird dann lediglich das Ergebnis der Abnahme mitgeteilt (§ 12 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B), die Anfertigung eines Protokolls ist entbehrlich. Allerdings muss der Auftraggeber dem Auftragnehmer mit dem Ergebnis auch etwaige Mängel· oder/ und Vertragsstrafenvorbehalte mitteilen. 7.3.3.2.3

Fiktive Abnahme

Bei den fiktiven Abnahmeformen tritt die Abnahme regelmäßig - unabhängig vom Willen des Auftraggebers - innerhalb bestimmter Fristen ein, die von unterschiedlichen Ereignissen abhängig sind. Innerhalb dieser Fristen muss der Auftraggeber etwaige Mängel- und/oder Vertragsstrafenvorbehalte dem Auftragnehmer mitteilen, anderenfalls tritt die Abnahmewirkung vorbehaltlos ein. Ebenso muss der Auftraggeber - will er die Abnahme verweigern - diese Erklärung innerhalb der jeweiligen Fristen dem Auftragnehmer gegenüber abgeben, weil sonst die Leistung als abgenommen gilt. Fiktive Abnahmeregelungen enthält die VOB/B und seit 2000 auch das BGB. Diese sind: •

fiktive Abnahme nach § 12 Nr. 5 Abs.l VOB/B,



fiktive Abnahme nach § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/ Β und



fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 1 S. 3 BGB.

Die fiktiven Abnahmen nach § 12 Nr. 5 Abs. 1 und Abs. 2 VOB/B sind Abnahmeformen, die nur für den VOB/B-Bauvertrag gelten. Sie kommen zum Zuge, wenn keine der Parteien eine förmliche Abnahme verlangt. Das Abnahmeverlangen kann auch noch während des Laufes der Fristen des § 12 Nr. 5 VOB/B gestellt werden, eine fiktive Abnahme ist in diesem Fall dann ausgeschlossen. Nach § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B tritt die Abnahme mit Ablauf von 12 Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung ein, die Schriftform ist Voraussetzimg. Für den Fristbeginn kommt es auf den Eingang der Mitteilung beim Auftraggeber an. Geht die Mitteilung beim Architekten ein, setzt sie die Frist nur in Gang,

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wenn dieser zur Abnahme bevollmächtigt ist, was normalerweise nicht der Fall ist, vielmehr bedarf es dazu einer besonderen Vollmacht zur rechtsgeschäftlichen Abnahme. Eine ausdrückliche Erklärung, die Leistung sei fertig gestellt, ist nicht erforderlich, vielmehr genügt jede Mitteilung, aus der der Auftraggeber entnehmen kann, dass der Unternehmer seine Arbeiten beendet hat, wie ζ. B. die Übersendung der Schlussrechnung (BGH NJW 1972, 1280 = BauR 1972, 311; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1178 = BauR 1997, 842; OLG Celle BauR 1997, 844; OLG Koblenz OLGR1998, 305) oder die Mitteilung, die Baustelle sei geräumt (OLG Frankfurt BauR 1979,326). Hat der Auftraggeber die Leistung oder einen Teil der Leistung bestimmungsgemäß in Benutzung genommen, so gilt gem. § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B die Abnahme mit Ablauf von sechs Werktagen nach Inbenutzungnahme als erfolgt. Typische Fälle der Inbenutzungnahme sind der Bezug eines neu errichteten Bauwerkes (BGH NJW 1975, 1701 = BauR 1975, 344), auch wenn dies durch die Mieter des Auftraggebers geschieht, oder die Eröffnung einer Gaststätte oder eines Ladenlokals für den Geschäftsverkehr (Ingenstau/Korbion Β § 12 Nr. 5, Rn. 21). Weitere Beispiele für eine Inbenutzungnahme sind auch zu sehen in der Freigabe einer Brücke für den Verkehr, in der Inbetriebnahme eines Kraftwerkes oder der Aufnahme der Fabrikation (Ingenstau/Korbion, a. a. O.). Die Leistung eines Subunternehmers wird dadurch in Benutzung genommen, dass der Auftraggeber des Generalunternehmers die ihm von diesem zum Gebrauch überlassene Leistung nutzt (KG BauR 1973, 244). Die fiktive Abnahme tritt nicht ein, wenn der Auftraggeber die Leistung „unter dem Zwang der Verhältnisse" in Benutzung nimmt (BGH NJW 1975,1701 = BauR 1975, 344), also ζ. B. das neuerrichtete Einfamilienhaus bezieht, weil er aus seiner bisherigen gekündigten Wohnung ausziehen muss, was dem Unternehmer bekannt ist. Ebenso wenig führt die Benutzung von Teilen der baulichen Anlage nach § 12 Nr. 5 Abs. 2 S. 2 VOB/B zur fiktiven Abnahme, wenn diese zur Weiterführung der Arbeiten des Unternehmers notwendig ist. Nach § 640 Abs. 1 S. 3 BGB steht es der Abnahme gleich, wenn der Auftraggeber das vertragsgemäß hergestellte Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer gesetzten angemessenen Frist abnimmt. Angesichts dessen, dass der Auftraggeber beim BGBBauvertrag sofort nach vertragsgemäßer Fertigstellung zur Abnahme verpflichtet ist, dürfte eine kurze Frist von wenigen Werktagen als angemessen anzusehen sein. Bei Bauwerken gilt eine Frist von 12 Werktagen entsprechend § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B als angemessen. § 640 Abs. 1 S. 3 BGB enthält keine Bestimmung über die bei der Fristsetzimg einzuhaltende Form, so dass diese auch mündlich erfolgen kann.

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7.3.3.2.4

Abnahme mit Fertigstellungsbescheinigung

Das BGB kennt seit 2000 noch eine weitere Form der fiktiven Abnahme. § 641 a BGB regelt den Fall, wonach es der Abnahme gleichsteht, wenn dem Unternehmer von einem Gutachter eine Fertigstellungsbescheinigung erteilt wird, aus der hervorgeht, dass •

das Werk - oder Teile desselben - hergestellt ist und



dass es frei von Mängeln ist, die a) der Auftraggeber gegenüber dem Gutachter behauptet hat oder b) die für den Gutachter bei einer Besichtigung feststellbar sind.

Mit Ausstellung dieser Fertigstellungsbescheinigung wird die Abnahme fingiert. Wenn das in § 641 a Abs. 2 bis 4 BGB geregelte Verfahren nicht eingehalten wird, tritt die Abnahmewirkung nicht ein. Für die Ausstellung der Fertigstellungsbescheinigung kann Gutachter sein: •

ein Sachverständiger, auf den sich Auftraggeber und Auftragnehmer einigen oder



ein auf Antrag des Unternehmers von einer IHK, einer Handwerkskammer-, einer Architekten- oder Ingenieurkammer bestimmter öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger.

Einigen sich beide Parteien auf einen Sachverständigen, braucht dieser nicht öffentlich bestellt und vereidigt zu sein. Der Gutachter muss nach Abs. 2 S. 1 der Vorschrift vom Unternehmer beauftragt werden, der ihn somit auch zu bezahlen hat. Vom Sachverständigen ist mindestens ein Besichtigungstermin abzuhalten. Der Auftraggeber ist insoweit verpflichtet, die Untersuchung der Unternehmerleistung zu gestatten. Verweigert er diese, wird vermutet, dass die Unternehmerleistung vertragsgemäß hergestellt worden ist. Der Sachverständige hat dann die Fertigstellungsbescheinigung zu erteilen. Leider lässt diese Regelung völlig außer Acht, dass der Auftraggeber nur dann Einfluss auf die Gestattung der Untersuchung hat, wenn er auch der Bauwerkseigentümer ist. Möglicherweise bekommt damit der Subunternehmer eine Fertigstellungsbescheinigung, weil der Generalunternehmer die Untersuchimg der Leistimg wegen Untersagung durch den Bauherrn nicht gestatten konnte. Da die Fertigstellungsbescheinigung in einem späteren Prozess durch ein gerichtliches Gutachten widerlegt werden kann, ist dem Subunternehmer letztendlich damit nicht gedient. Die Beurteilung der Frage, ob die Unternehmerleistung mangelfrei ist, hat der Gutachter nach dem vom Unternehmer vorzulegenden schriftlichen Vertrag vorzunehmen. Die Erteilung einer Fertigstellungsbescheinigung kommt deshalb nicht in Frage, wenn der

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Werkvertrag mündlich geschlossen worden ist. Auch Vertragsänderungen darf der Gutachter nur berücksichtigen, wenn sie schriftlich vereinbart worden sind oder beide Parteien sie übereinstimmend dem Gutachter vortragen. Sind gerade mündlich erfolgte Vertragsänderungen - wie ζ. B. mündliche Anordnungen des Auftraggebers auf der Baustelle nach Erfüllung der Prüf- und Hinweispflicht durch den Auftragnehmer - entscheidend für die Frage, ob die Leistung mangelfrei ist oder nicht, und streiten sich die Parteien darüber, muss der Gutachter die Leistung des Unternehmers ohne Rücksicht darauf und allein nach dem ursprünglichen Vertrag beurteilen. Die aufgrund einer solchen „Begutachtung" ausgestellte Fertigstellungsbescheinigung ist dann ggf. völlig wertlos, weil sich die Sach- und Rechtslage im späteren Prozess ganz anders darstellt. Die Unternehmerleistung ist vom Gutachter darauf zu überprüfen, ob vom Auftraggeber gerügte Mängel oder solche vorliegen, die für den Gutachter bei der Besichtigung feststellbar sind. Die Untersuchung des Gutachters hat sich deshalb auf die vom Auftraggeber behaupteten Mängel und auf Mangelerscheinungen zu beschränken, die er bei der Besichtigung durch Augenschein erkennen konnte bzw. hätte erkennen müssen. Stellt der Gutachter darüber hinaus Untersuchungen an, verletzt er das Verfahren nach § 641 a BGB mit der Folge, dass keine Abnahmewirkung eintreten kann (Motzke NZBau 2000, 489 ff. (496)). Dem Auftraggeber ist vom Gutachter eine Abschrift der Fertigstellungsbescheinigung zu erteilen. Die Abnahmewirkung tritt mit Zugang der Bescheinigung beim Auftraggeber ein. 7.3.3.2.5

Stillschweigende - konkludente - Abnahme

Die stillschweigende Abnahme durch schlüssiges - konkludentes - Verhalten ist sowohl beim BGB- als auch beim VOB/B-Bauvertrag möglich. Sie setzt einen Abnahmewillen des Auftraggebers voraus, der unterstellt wird, wenn der Auftraggeber ein Verheilten zeigt, woraus der Unternehmer die Billigung seiner Leistung als vertragsgerecht entnehmen kann. Ein solches Verhalten kann bspw. darin bestehen, dass der Auftraggeber •

ohne Beanstandung in ein fertig gestelltes Haus einzieht und dieses dann auch beanstandungslos längere Zeit nutzt (OLG Celle NJW 1962, 494; BGH BauR 1985, 200 = ZfBR 1985, 71),



vorbehaltlos den restlichen Werklohn bezahlt (BGH BauR 1970, 48; OLG Köln BauR 1992, 514; BGH BauR 1994,103 = NJW-RR 1994, 373; OLG Karlsruhe IBR 2004, 630) und



den vollen Sicherheitsbetrag auszahlt (BGH NJW 1963,806).

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7.3.3.3

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Abnahme unter Vorbehalt

Bei der Abnahme bzw. innerhalb der Fristen, nach deren Ablauf die Abnahme gem. § 12 Nr. 5 VOB/B eintritt, hat der Auftraggeber wegen ihm bekannter Mängel oder wegen verwirkter Vertragsstrafen einen Vorbehalt auszubringen, anderenfalls verliert er seine Ansprüche. Bei der fiktiven Abnahmeform des § 640 Abs.l S. 3 ist ein Vorbehalt wegen bekannter Mängel zur Anspruchssicherung nicht erforderlich (OLG Celle BauR 2004, 134L = BauR 2004, 381L), wohl aber ein Vorbehalt wegen verwirkter Vertragsstrafen, der innerhalb der vom Unternehmer gesetzten Frist zu erklären ist. Die Regelung des § 641 a BGB bestimmt ebenfalls, dass der Auftraggeber einen Vorbehalt wegen bekannter Mängel nicht machen muss. Allerdings muss auch bei dieser Abnahmeform davon ausgegangen werden, dass Vorbehalte wegen verwirkter Vertragsstrafen erhoben werden müssen. Dabei ist allerdings der Zeitpunkt, weil nicht gesondert geregelt, problematisch, denn die Abnahmewirkung tritt mit Zugang der Fertigstellungsbescheinigung beim Auftraggeber ohne dessen Zutun ein, ohne dass diesem noch eine Frist für irgendwelche Erklärungen bleibt. Es müsste deshalb ausreichend sein, wenn der Auftraggeber seinen Vertragsstrafenvorbehalt vor Abnahmeeintritt dem Auftragnehmer mitteilt. Der Vorbehalt bedarf keiner besonderen Form, kann also auch mündlich erfolgen, was jedoch für den Auftraggeber riskant ist, weil er in diesem Falle kein Beweismittel für den rechtzeitig ausgebrachten Vorbehalt hat. Bei der förmlichen Abnahme müssen Vorbehalte ins Abnahmeprotokoll aufgenommen werden. Im Übrigen wird der Vorbehalt erst wirksam mit Eingang beim Auftragnehmer, so dass der Auftraggeber auf rechtzeitige Absendung achten muss. Ein Mängelvorbehalt ist nur erforderlich bei Mängeln, die dem Auftraggeber als solche bekannt sind. Mängel, die zwar vorhanden aber dem Auftraggeber nicht bekannt sind, braucht dieser sich nicht vorzubehalten, auch wenn er die Mängel ggf. hätte kennen müssen. Das Gleiche gilt, wenn der Auftraggeber zwar die Mangelerscheinungen kennt, diese aber nicht „als Mängel" realisiert. Der Auftraggeber verliert bei nicht rechtzeitigem oder überhaupt nicht ausgebrachtem Mängelvorbehalt sein Recht, vom Unternehmer Nacherfüllung (Mängelbeseitigung) zu verlangen oder die Mängel selbst auf Kosten des Unternehmers zu beseitigen oder vom Vertrag zurückzutreten oder die Vergütung zu mindern (§ 634 Nr. 1-3 BGB). Seine Ansprüche aus § 634 Nr. 4 BGB bzw. aus § 13 Nr. 7 VOB/B auf Schadensersatz, der auch die notwendigen Mängelbeseitigungskosten einschließen kann, bleiben ihm erhalten (BGH NJW1974,143 = BauR 1974,59; BGH NJW1980,1952 = BauR 1980,460).

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Mangels eines Vertragsstrafenvorbehaltes kann der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer eine an sich verwirkte Vertragsstrafe nicht mehr verlangen. Er ist jedoch nicht gehindert, seinen tatsächlichen Schaden, den er durch den Leistungsverzug des Unternehmers erlitten hat, diesem gegenüber geltend zu machen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Auftraggeber in diesem Falle seinen konkreten Schaden nachweist, was bei Inanspruchnahme einer Vertragsstrafe nicht erforderlich ist. 7.3.3.4

Rechtsfolgen der Abnahme

Mit der Abnahme der Unternehmerleistung treten die folgenden Wirkungen ein: •

Beginn der Verjährungsfrist für Mängelansprüche,



Fälligkeit des Vergütungsanspruchs,



Umkehr der Beweislast bei Mängeln,



Gefahrübergang und



Verlust nicht vorbehaltener Ansprüche.

Mit der Abnahme beginnt sowohl beim BGB- als auch beim VOB/B-Bauvertrag die Verjährungsfrist für Mängelansprüche. Sie beträgt bei Bauwerken für den BGB-Bauvertrag gem. § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB fünf Jahre und für den VOB/B-Vertrag gem. § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/ Β vier Jahre, bei Arbeiten am Grundstück für den VOB/B-Vertrag zwei Jahre. Bei fehlender Abnahme beginnt die Verjährung der Mängelansprüche mit der endgültigen Abnahmeverweigerung durch den Auftraggeber (BGH BauR 1974, 205). Für die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs ist beim VOB/B-Vertrag die Abnahme nur eine von drei Voraussetzungen, beim BGB-Vertrag dagegen alleinige. Beim vorzeitig beendeten Bauvertrag, ζ. B. durch Kündigung wird der Vergütungsanspruch des Unternehmers jedoch ohne Abnahme fällig (OLG Düsseldorf BauR 1978, 404 und BauR 1980, 276; BGH BauR 1987, 95 = ZfBR 1987, 38). Nach der Kündigung hat der Auftragnehmer aber einen Anspruch gegen den Auftraggeber auf Abnahme, wenn die von ihm bis zur Kündigung erbrachte Leistung die Voraussetzungen für die Abnahmepflicht des Auftraggebers erfüllt (BGH BauR 2003, 689 = NJW 2003,1450 = ZfBR 2003,352). Mit der Abnahme kehrt sich die Beweislast für Mängel um. Vor Abnahme hat der Unternehmer die Mangelfreiheit seiner Leistung, nach Abnahme hat der Auftraggeber die Mangelhaftigkeit der Unternehmerleistung zu beweisen. Diese Rechtsfolge ist insbesondere im Bauprozess von Bedeutung, wo derjenige den Sachverständigenvorschuss einzahlen muss, der wegen der Mängel beweispflichtig ist. Desgleichen ist die Beweislast dann wichtig, wenn sich wegen zwischenzeitlicher Mängelbeseitigungsmaßnahmen der

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ursprüngliche Zustand nicht mehr beweisen lässt. Dann ist derjenige im Nachteil, der die Beweislast trägt und beweisfällig bleibt. Die Gefahr des zufälligen Untergangs der Leistung trägt beim BGB-Vertrag vor Abnahme der Unternehmer, nach Abnahme der Auftraggeber. Beim VOB/B-Vertrag gilt insoweit die Sonderregelung des § 7 VOB/B, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die Vergütungsgefahr beim zufälligen Untergang für die erbrachten Leistungen vor Abnahme schon auf den Auftraggeber übergeht. „Zufälliger" Untergang bedeutet, dass er von keinem der beiden Vertragspartner zu vertreten ist, ggf. also von Dritten oder durch höhere Gewalt verursacht wurde. Schließlich verliert der Auftraggeber seine Ansprüche auf Nacherfüllung (Mängelbeseitigung), Ersatzvornahme, Rücktritt oder Minderung, wenn er sich bei der Abnahme ihm bekannte Mängel nicht vorbehält (außer bei der fiktiven Abnahme im BGB-Vertrag). Das Gleiche gilt bei vergessenen Vertragsstrafenvorbehalten, die verwirkte Vertragsstrafe kann nicht mehr verlangt werden. Ein vor Abnahme - oder danach - ausgebrachter Vorbehalt ist unbeachtlich. Das gilt sogar dann, wenn der Auftraggeber bereits vor der Abnahme mit dem Vertragsstrafenanspruch aufgerechnet hatte (BGH NJW 1983, 384 = BauR 1983, 77). 7.3.4

Ansprüche des Bauherrn wegen mangelhafter Bauleistung

Der Bauherr hat nach dem Bauvertrag einen Anspruch darauf, dass der Unternehmer das bestellte Werk entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen erfolgreich erstellt. Entspricht die Leistung des Unternehmers dem nicht, so haftet er hierfür. Entsprechende Ansprüche des Bauherrn sollen häufig in Bauverträgen, insbesondere in Bauträgerverträgen mit Erwerbern durch sog. Haftungsfreizeichnungsklauseln eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Nach § 639 BGB sind derartige Haftungsausschlüsse oder beschränkungen generell nichtig, wenn der Unternehmer einen Mangel arglistig verschweigt oder die vertragliche Beschaffenheit der Leistung, auch wenn die Haftimgsbeschränkung individualvertraglich ausgehandelt worden ist. In Individualverträgen sind weiterhin auch formelhafte Ausschlussklauseln, wie sie üblicherweise in Formularverträgen zu finden sind, nur eingeschränkt möglich. So ist beim Erwerb neu errichteter Eigentumswohnungen oder Häuser ein formelhafter Ausschluss der Mängelhaftung auch in einem notariellen Individualvertrag nur dann wirksam, wenn die Klausel mit den Erwerbern unter ausführlicher Belehrung durch den Notar oder den Bauträger über die einschneidenden Rechtsfolgen des Ausschlusses der Mängelhaftung eingehend erörtert worden ist (BGH: NJW 1982, 2243 = BauR 1982, 493;

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NJW1989, 2748 = BauR 1989, 597; NJW-RR 1990, 786 = BauR 1990, 466; NJW 2002, 511 = BauR 2002, 310). Dies gilt auch bei einem Erwerb von Eigentumswohnungen, die durch Umwandlung eines Altbaues geschaffen worden sind (BGH NJW 1989, 2748 = BauR 1989, 597). Eine formelhafte Freizeichnungsklausel, in der der Bauträger seine eigene Mängelhaftung gegenüber den Erwerbern ausschließt, diesen dafür aber seine Mängelansprüche gegen die ausführenden Firmen und/oder auch gegen den Architekten abtritt, ist nur insoweit wirksam, als der Erwerber aus den abgetretenen Rechten tatsächlich Mängelansprüche erlangen kann (BGH NJW 1974,1135 = BauR 1974, 278 und BauR 1979, 514 = ZfBR 1979, 235). Die Haftung des Bauträgers lebt bereits dann wieder voll auf, wenn er den Erwerbern nicht alle zur Anspruchsdurchsetzung erforderlichen Unterlagen und Auskünfte, wie ζ. B. eine Liste der Handwerker, die Verjährungsfristen für Mängel aller Gewerke (BGH: NJW 1984, 2094 = BauR 1984, 392; NJW 1984, 2573 = BauR 1984, 634; NJW-RR 1989, 467 = BauR 1989, 211), vertragliche Vereinbarungen, Leistungsbeschreibungen etc. zur Verfügung stellt. Das Gleiche gilt, wenn Ansprüche des Erwerbers gegen die bauausführenden Firmen scheitern (BGH BauR 1980, 71 = ZfBR 1980, 29), weil bspw. die Verjährungsfrist für Mängel der Handwerker abgelaufen ist. Die eigene Verjährungsfrist für Mängelansprüche gegen den Bauträger beginnt in diesen Fällen erst mit dem Zeitpunkt, in dem seine Eigenhaftimg wieder auflebt (BGH BauR 1981, 469), so dass sich seine Mängelhaftung letztendlich durch die Unwirksamkeit der Freizeichnungsklausel erheblich verlängert. Allgemein in Formularverträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verwenders - des Bauträgers bzw. Auftragnehmers - sind gem. § 309 Nr. 8 BGB Klauseln unwirksam, durch die •

Mängelansprüche insgesamt oder bezüglich einzelner Teile ausgeschlossen, auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig gemacht werden;



Mängelansprüche insgesamt oder bezüglich einzelner Teile auf ein Recht auf Nacherfüllung beschränkt werden, sofern dem Auftraggeber bzw. Erwerber nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung zu mindern;



die Verpflichtung des nacherfüllungspflichtigen Bauträgers bzw. Auftragnehmers ausgeschlossen oder beschränkt wird, die Aufwendungen zu tragen, die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlich werden, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeitsund Materialkosten;



der Bauträger bzw. Auftragnehmer die Beseitigung eines Mangels - Nacherfüllung von der vorherigen Zahlung des vollständigen Preises bzw. Werklohnes oder eines

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unter Berücksichtigung des Mangels unverhältnismäßig hohen Teils davon abhängig macht; •

der Bauträger bzw. Auftragnehmer dem Bauherrn bzw. Erwerber für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setzt, die kürzer ist als die gesetzliche Verjährungsfrist für Mängel;



die gesetzlichen Verjährungsfrist von fünf Jahren für Mängel verkürzt wird, ausgenommen, die VOB/B ist in den Vertrag „als Ganzes" einbezogen.

Von der normalen Mängelhaftung zu unterscheiden ist die Garantie. Der Begriff „Garantie" wurde im Baubereich bisher verschieden verwendet. So konnte zum einen damit die bloße Zusicherung einer Eigenschaft verbunden sein (§ 633 Abs. 1 BGB a.F. und § 13 Nr. 1 VOB/B), wie ζ. B. „garantiert frostbeständig", was keinen Unterschied zur normalen Mängelhaftung bewirkt (BGH NJW 1976, 43). Zum anderen konnte darüber hinausgehend gemeint sein, dass das Werk die zugesicherten Eigenschaften unbedingt aufweisen wird und der Auftragnehmer für den Fall des Fehlens dieser Eigenschaften auch ohne Verschulden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Hierbei handelt es sich um eine unselbstständige Garantie, die i. d. R. bei Verwendung des Begriffes „Garantie" vorliegt (OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 210; OLG Frankfurt OLGR 1996, 194). Mit einem selbstständigen Garantieversprechen übernimmt der Auftragnehmer dagegen die selbstständige Gewähr für einen über die vertragsgemäße Errichtung des Bauwerkes hinausgehenden, meist wirtschaftlichen Erfolg der Leistung. In diesem Falle ist die Haftung des Auftragnehmers erheblich erweitert. Bei Nichterfüllung seines Garantieversprechens haftet er unabhängig von einem Verschulden auf Erfüllung in Geld. Nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 wird nun der Begriff zugesicherte Eigenschaft im Gesetz (§ 633 Abs. 2 BGB n. F.) nicht mehr genannt. Nichtsdestotrotz wird der Begriff Garantie in § 639 BGB n. F. verwandt, wobei davon auszugehen ist, dass hierbei eine unselbstständige Garantie gemeint ist bzw. eine zugesicherte Eigenschaft nach altem Recht ausreicht. Daneben ist weiterhin eine selbstständige Garantieübernahme möglich. Liegt eine solche selbstständige Garantie vor, sind die §§ 633 ff. BGB nicht mehr anzuwenden.

7.3.4.1

Der Mangelbegriff

Zum Zeitpunkt der Abnahme hat das Werk des Unternehmers - die Leistung des Auftragnehmers - gem. § 633 Abs. 1 BGB/ § 13 Nr. 1 Satz 1 VOB/B frei von Sachmängeln zu sein. Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 wurde in § 633 Abs. 1 BGB zusätzlich eingeführt, dass die Leistung auch frei von Rechtsmängeln zu sein hat.

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Das Werk ist nach § 633 Abs. 3 BGB n. F. frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend machen können. Gemeint ist damit die Verpflichtimg zur lastenfreien Verschaffung des Eigentums. Hat der Besteller die Rechte im Vertrag übernommen, liegt ein Rechtsmangel nicht vor. Die Fertigstellungsbescheinigung in § 641 a BGB ist für die Frage der Erfüllung der Leistungspflicht insgesamt imbedeutend, so dass ihr Vorliegen nicht gleichzeitig auch die Lastenfreiheit indiziert (Thode, NZBau 2002,297 (303)). Die Leistung des Unternehmers ist frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Es kommt damit darauf an, welche Beschaffenheit die Parteien im Bauvertrag vereinbart haben. Die Beschaffenheit ergibt sich auch aus den Leistungsverzeichnissen, den Plänen und sonstigen Unterlagen, sofern sie Bestandteil des Bauvertrages sind. Als „vereinbarte Beschaffenheit" können beispielsweise auch in Betracht kommen: •

erhöhter Schall- oder Wärmeschutz,



die Einhaltung einer ganz bestimmten Maßgenauigkeit,



ein niedriger Energieverbrauch,



ein geringer Erhaltungsaufwand oder auch



ein bestimmter Mietertrag,

also Merkmale der Leistung, die nach bisherigem Recht unter dem Begriff „zugesicherte Eigenschaft" zu finden waren (vgl. zu den Beispielen: BGH: BauR 1997, 1032 = ZfBR 1997, 295; NJW 1981,45; NJW-RR 2002,522). Ist im Bauvertrag eine Beschaffenheit des herzustellenden Werkes nicht vereinbart worden, so ist die Leistung frei von Sachmängeln, wenn sie sich zum Zeitpunkt der Abnahme •

für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder



für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit hat, die - bei Werken gleicher Art üblich ist und - die der Auftraggeber nach der Art der Leistung erwarten kann.

Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Unternehmer ein anderes als das bestellte Werk herstellt (ζ. B. Parkett statt Holzpflaster oder Kunststeinboden statt Marmorboden).

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Da der Auftragnehmer als Werkunternehmer den Erfolg seiner Leistung schuldet, leistet er auch mangelhaft, wenn das Werk die bei Vertragsschluss ausdrücklich - oder auch stillschweigend - vereinbarte Beschaffenheit nicht aufweist, obwohl der Unternehmer die anerkannten Regeln der Technik eingehalten hat. Umgekehrt ist eine Bauwerkleistung auch dann mangelhaft, wenn sie zwar keinen erheblichen Fehler aufweist, aber nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit oder die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung ist nach dem subjektiven Willen der Vertragsparteien zu ermitteln. So benötigt beispielsweise ein „Hobbyraum", der als Übungsraum für eine Band genutzt werden soll, einen wesentlich höheren Schallschutz. Wenn diese besondere Verwendung Vertragsinhalt des Bauvertrages geworden ist, muss der Unternehmer seine Leistung danach ausrichten, auch wenn er einen erhöhten Schallschutz nicht ausdrücklich als Beschaffenheit vertraglich vereinbart hat. Die Vereinbarung einer besonderen Verwendung muss nicht ausdrücklich geschehen, sie kann auch stillschweigend - konkludent - erfolgen. Ob sich das Werk für die gewöhnliche Verwendung eignet, eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken gleicher Art üblich ist und die der Besteller - Auftraggeber somit erwarten konnte, ist dagegen nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Maßgeblich ist hierbei die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik, wodurch vom Unternehmer nicht nur die Berücksichtigung der DIN-Normen, sondern auch aller darüber hinaus vorhandenen technischen Richtlinien und Bestimmungen verlangt wird, wie bspw.: •

die DIN-Normen des Deutschen Instituts für Normung e.V. (vgl. OLG Frankfurt, BauR 2002,324 = OLGR 2001, 273; OLG Braunschweig BauR 2000,109),



die Bestimmungen des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW)



die von den Bauaufsichtsbehörden eingeführten technischen Baubestimmungen des



Deutschen Instituts für Normimg e.V.,



die VDE-Bestimrnungen (OLG Hamm BauR 1990,104),



die VDI-Bestimmungen,



die Einheitlichen Technischen Baubestimmungen (ETB) (OLG Köln BauR 1991, 759),



die Richtlinien des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton,



die Flachdachrichtlinien,



die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften und

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Verlege- oder sonstige Herstellerrichtlinien.

Sollen neue Bauweisen oder neue Baumaterialien zur Ausführung kommen, muss sich der Unternehmer darüber hinaus besonders über die neuesten Erkenntnisse informieren und zwar sowohl in der Fachpresse als auch bei sachkundigen Dritten. Dies gilt auch bei erhöht schadensanfälligen Werkleistungen (OLG Köln BauR 1997, 831 = OLGR 1997, 76). Weiterhin muss er die technische Entwicklung auf seinem Fachgebiet ständig verfolgen, so dass er über Neuerungen oder Änderungen rechtzeitig informiert ist und veraltete technische Regeln nicht mehr anwendet. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob der Unternehmer die anerkannten Regeln der Technik eingehalten hat oder nicht, ist der Zeitpunkt der Abnahme. Ändern sich die anerkannten Regeln der Technik während der Bauausführung, hat der Unternehmer seine Leistung nach den neuen Erkenntnissen auszurichten und bereits erbrachte Leistungen ggf. neu herzustellen. 7.3.4.2

Mängelrechte des Bauherrn nach BGB und VOB

Der Auftragnehmer ist zur Nacherfüllung (§§ 634/635 BGB) verpflichtet, d. h. er hat Mängel seiner Werkleistung zu beseitigen (§ 13 Nr. 5 VOB/B). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ihn an der Entstehung der Mängel ein Verschulden trifft oder nicht, weil der Werkunternehmer verschuldensunabhängig haftet. Dies trifft ζ. B. zu, wenn das vom Unternehmer eingekaufte Material fehlerhaft ist und es dadurch zu einem Mangel seiner Leistung kommt. Oder aber es treten Mängel auf, die der Unternehmer überhaupt nicht verhindern konnte, weil sich aufgrund späterer besserer Erkenntnisse die anerkannten Regeln der Technik geändert haben und das vom Unternehmer nach den zum Zeitpunkt der Herstellung geltenden anerkannten Regeln der Technik hergestellte Werk den neuen Erkenntnissen nicht mehr entspricht (BGH NJW1968, 43 und NJW1971, 92 = BauR 1971, 58; OLG Frankfurt BauR 1983,156; BGH NJW-RR1995,472 = BauR 1995, 230; OLG Hamm NJW-RR 1998,668 = BauR 1998,356). Setzt der Auftraggeber dem Unternehmer zur Nacherfüllung/ Mängelbeseitigung eine angemessene Frist und kommt der Unternehmer innerhalb dieser Frist seiner Verpflichtung nicht nach, kann der Auftraggeber die Mängel auf Kosten des Unternehmers selbst beseitigen bzw. beseitigen lassen. Nach § 13 Nr. 3 VOB/B ist der Auftragnehmer von Ansprüchen des Auftraggebers wegen mangelhafter Leistung befreit, wenn der Mangel zurückzuführen ist auf •

Mängel der Leistungsbeschreibung,

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falsche Anordnungen des Auftraggebers,



vom Auftraggeber gelieferte oder vorgeschriebene Stoffe oder Bauteile und



die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers,

vorausgesetzt, der Unternehmer ist seiner ihm insoweit nach § 4 Nr. 3 VOB/B obliegenden Prüf- und Hinweispflicht nachgekommen, die auch beim BGB-Bauvertrag Anwendung findet (BGH: NJW 1969, 838; BauR 1978, 54; BauR 1983, 70 = ZfBR 1983, 16; BauR 1987, 79 = ZfBR 1987,32; NJW-RR1989, 721 = BauR 1989,467; BGH BauR 1991, 79= NJW-RR1991,276 = ZfBR 1991,61; OLG Köln NJW-RR 1995,19 = OLGR1995,20). Die Prüf- und Hinweispflicht ist eine vertragliche Hauptpflicht des Unternehmers. In ihrem Rahmen hat er die vorgesehene Art der Ausführung, wozu neben den übrigen Ausführungsunterlagen auch die Leistungsbeschreibung, Anordnungen des Auftraggebers und vorgeschriebenes Material gehören, sowie die vom Auftraggeber gelieferten Baustoffe und Bauteile und die Leistungen der Vorunternehmer, auf denen er seine Leistung aufbauen muss, auf mögliche zu befürchtende Mängel zu überprüfen und diese dem Auftraggeber mitzuteilen. Die Prüf- und Hinweispflicht erstreckt sich damit auf die gesamte, seine Leistung tangierende Bauausführung einschließlich der Planung (BGH NJW 1973, 518). Allerdings ist der Unternehmer nur insoweit zur Überprüfung verpflichtet, als ihm dies nach der objektiv von ihm zu erwartenden Sachkenntnis möglich ist. So besteht insbesondere keine Verpflichtimg zur chemischen oder physikalischen Untersuchung eines Untergrundes, auf den der Unternehmer seine Leistung aufbringen soll oder zur Anstellung eigener technischer Versuche oder zur Materialprüfung durch Sachverständige (BGH: NJW 1973, 754 = BauR 1973, 188; BauR 1975, 420; BauR 1998, 397 = NJW-RR 1998, 738). Auch ein Estrichleger muss nicht prüfen, ob die Bodenplatte, auf der er seinen Estrich aufbringt, eine ausreichende Bewehrung hat (OLG Celle BauR 1996, 259). Wohl aber muss der Unternehmer, der einen Anstrich aufzubringen hat, prüfen, ob zunächst der Untergrund vorbehandelt werden muss (OLG Köln NJW-RR 1994, 533). Ebenso hat der Fliesenleger zu prüfen, ob der vorhandene Aufbau der Außenbalkonfläche die erforderliche Abdichtung gegen Niederschläge gewährleistet und als Grundlage für seine Arbeiten taugt (OLG Düsseldorf BauR 1994, 395 = NJW-RR 1994, 477 = BauR 1994, 280L). Auch hat ein Unternehmer, der Betonplatten auf einer Terrasse verlegt, den Auftraggeber darauf hinweisen, dass der Untergrund (hier: verfüllter Arbeitsraum neben der Außenwand des Hauses) unzureichend verdichtet ist und keine geeignete Grundlage für den Plattenbelag bietet, weil ein Absacken der Platten zu befürchten ist (OLG Köln NJW-RR 1995, 19 = OLGR 1995, 20). Wird vom Auftraggeber ein Teil des Leistungsumfangs nachträglich herausgenommen und kann mit dem verbliebenen Rest der vorgese-

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hene Erfolg der Unternehmerleistung nicht erreicht werden, so muss der Unternehmer ebenfalls auf Bedenken hinweisen (OLG Frankfurt BauR 1985, 448). Hat der Auftragnehmer auf Bedenken hingewiesen, ζ. B. auf die vorgesehene Art der Ausführung, und ist diese daraufhin geändert worden, muss er erneut prüfen, ob nach der nunmehr vorgenommenen Planung seine Leistung mangelfrei erstellt werden kann und eventuell den Auftraggeber erneut auf Bedenken hinweisen (BGH NJW 1974,188 = BauR 1974, 128). Der Unternehmer haftet nicht dafür, dass auf seine mangelfreie Werkleistung von einem Folgeunternehmer eine mangelhafte Bauleistung aufgebracht wird (BGH BauR 1983, 70 = NJW 1983, 875 = ZfBR 1983,16; OLG Köln BauR 1990, 729; OLG Oldenburg IBR 1995, 295 = OLGR 1995, 98). Er ist auch nicht verpflichtet, die Leistungen eines Folgeunternehmers daraufhin zu überprüfen, ob seine Leistung dafür geeignet ist. Im Rahmen der allgemeinen Leistungstreuepflicht, die den Zweck hat, den Auftraggeber vor Schäden zu schützen, ist der Unternehmer darüber hinaus zur Bedenkenanmeldung verpflichtet, wenn er tatsächlich erkannt hat oder für ihn ohne weiteres erkennbar ist, dass andere Arbeiten nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sind, selbst wenn seine eigene Leistung davon nicht berührt wird (BGH BauR 1983, 70 = NJW 1983, 875 = ZfBR 1983,16; OLG Köln BauR 1989, 377L; OLG Hamm NJW-RR 1989, 982 = BauR 1990, 731; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 214 = BauR 1995, 244). Die Bedenkenanmeldung muss hinreichend deutlich sein und die befürchteten nachteiligen Folgen konkret bezeichnen, wenn der Unternehmer von einer Mängelhaftung befreit sein will. Sie muss zudem unverzüglich, möglichst schon vor Beginn der Arbeiten erfolgen und außerdem schriftlich an den Auftraggeber gerichtet werden. Eine Mitteilung an den bauleitenden Architekten genügt nur, wenn dieser sich den Bedenken nicht verschließt (BGH: NJW 1973, 518 = BauR 1973,190; BauR 1978, 54; BauR 1978,139; BauR 1997, 301 = ZfBR 1997, 150; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 214 = BauR 1995, 244 und NJW-RR 1997, 274 = BauR 1997, 176L; OLG Oldenburg BauR 1998, 893L = OLGR 1998, 124), was aber der Fall sein kann, wenn sich die Bedenken des Unternehmers gerade gegen die Leistung des Architekten richten. Der Subunternehmer hat Bedenken dem Generalunternehmer als seinem Auftraggeber mitzuteilen. Ist die Leistung des Unternehmers mangelhaft, weil er seine Prüf- und Hinweispflicht wegen Fehlern der Vorleistung verletzt hat, hat er im Rahmen seiner Mängelhaftung nur seine eigene Bauleistung nachzubessern, eine Mängelbeseitigungspflicht hinsichtlich der von ihm nicht erkannten fehlerhaften Vorleistung besteht nicht (OLG Hamm NJWRR 1996, 273 = BauR 1995, 852; OLG München BauR 1996, 547; OLG Hamm NJW-RR 1998,163). Macht der Auftraggeber Kosten für die Mängelbeseitigung geltend, kann der Unternehmer auch nur mit den Kosten belastet werden, die auf seine mangelhafte Leis-

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tung entfallen. Allerdings hat er für die mangelhafte Vorleistung eventuelle Mehrkosten zu tragen, die dadurch entstanden sind, dass er nicht rechtzeitig Bedenken angemeldet hat und deshalb eine Mängelbeseitigung nicht früher erfolgen konnte. Das betrifft z. B. zwischenzeitlich eingetretene Preissteigerungen bei Material und Löhnen. Haften mehrere Auftragnehmer dem Auftraggeber wegen eines Mangels und besteht zwischen ihnen gem. § 421 BGB ein Gesamtschuldverhältnis, kann der Auftraggeber jeden Beteiligten in voller Höhe in Anspruch nehmen. Die Gesamtschuldner sind untereinander nach § 426 BGB zum Ausgleich verpflichtet, so dass der in Anspruch genommene Auftragnehmer bei den übrigen Gesamtschuldnern Rückgriff in Höhe der jeweils auf diese entfallenden „Verursachungsquote" nehmen kann. Ein Gesamtschuldverhältnis zwischen Auftragnehmern ist nur dann anzunehmen, wenn diese eine Zweckgemeinschaft bilden, um ein und dieselbe Bauleistung zu erbringen. Das ist bei einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) der Fall, nicht aber zwischen Generalund Subunternehmer, denn der Subunternehmer ist nicht Auftragnehmer des Bauherrn, er haftet diesem deshalb nicht. Vielmehr kann sich der Bauherr nur an seinen Vertragspartner, den Generalunternehmer, halten, dem wiederum sein Auftragnehmer, der Subunternehmer, haftet. Zwischen mehreren am Bauwerk beschäftigten Unternehmern besteht i. d. R. ebenfalls kein Gesamtschuldverhältnis, weil sie voneinander getrennte Bauleistungen erbringen, ohne dass zwischen ihnen eine zweckgerichtete Verbindung besteht (OLG Hamm BauR 1990, 643L = IBR 1990, 417). Dies trifft auch auf Vor- und Nachunternehmer zu, weil sie verschiedenartige Bauleistungen erbringen, die aufeinander aufbauen und zeitlich nacheinander geschuldet werden (BGH BauR 1975,130; OLG Hamm NJW-RR 1996, 273 = BauR 1995, 852; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 527 = BauR 1998, 199L). Ebenso verhält es sich, wenn der Nachunternehmer seine Prüf- und Hinweispflicht hinsichtlich der Vorunternehmerleistung verletzt und es deshalb zu einem Mangel kommt (BGH BauR 1975,130). Gesamtschuldnerschaft besteht jedoch zwischen Architekt und Bauunternehmer, wenn ein Mangel zurückzuführen ist auf •

primäre Ausführungsfehler des Unternehmers und Bauaufsichtspflichtverletzungen des bauleitenden Architekten (BGH: NJW 1965,1175; NJW 1969, 653; BauR 1971, 60; OLG Braunschweig BauR 1991,355; OLG Düsseldorf NJW-RR 1994,1240) oder



Planungsfehler des Architekten und darauf beruhende Ausführungsfehler des Unternehmers.

Beruht der Mangel auf einem primären Ausführungsfehler des Unternehmers und hat der Architekt lediglich seine Bauaufsichtspflicht verletzt, haftet der Unternehmer zum

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ganz überwiegenden Teil, denn er kann sich nicht darauf berufen, der Architekt habe ihn nicht genügend beaufsichtigt. Im Rahmen seiner Leistungsverpflichtung hat der Unternehmer den Erfolg des Werkes eigenverantwortlich herbeizuführen. Er kann im Innenausgleich deshalb vom Architekten auch nur einen geringen Anteil von ca. 10 % der Mängelbeseitigungskosten verlangen. Für Baumängel infolge von Planungsfehlern, die für den Unternehmer nicht feststellbar sind, haftet der Unternehmer nicht. Trifft den Unternehmer jedoch eine Verletzung seiner Prüf- und Hinweispflicht, ist er dem Auftraggeber nacherfüllungspflichtig. Im Falle der Inanspruchnahme des Unternehmers hat sich der Auftraggeber das Verschulden seines Architekten als seines Erfüllungsgehilfen zurechnen zu lassen, mit der Folge, dass der Unternehmer bereits im Außenverhältnis nur in Höhe seiner Quote haftet, denn der Auftraggeber ist im Rahmen des Bauvertrages verpflichtet, dem Unternehmer ordnungsgemäße Pläne zur Verfügung zu stellen. Wird vom Auftragnehmer Nacherfüllung verlangt, hat dieser gegen den Auftraggeber einen Zuschussanspruch, der der Höhe der überwiegenden quotenmäßigen Mithaftung des Auftraggebers entspricht (OLG Düsseldorf BauR 1979, 246; BGH BauR 1984, 395). Darüber hinaus kann der Unternehmer vor Beginn der Mängelbeseitigung i. H. d. vom Auftraggeber zu leistenden Zuschusses Sicherheitsleistung verlangen (BGH BauR 1985, 395 = ZfBR 1984,173; OLG Hamm BauR 1991, 756 und NJW-RR 1996, 272). Kommt der Auftraggeber diesem Verlangen nicht nach und lässt er die Mängel von einem Drittunternehmer beseitigen oder beseitigt er sie selbst, kann er die dafür aufgewendeten Kosten vom Auftragnehmer nicht ersetzt verlangen. Nimmt allerdings der Auftraggeber wegen der Mängel den Architekten auf Schadensersatz in Anspruch, kann dieser im Rahmen des gesamtschuldnerischen Ausgleiches vom Unternehmer dessen quotenmäßigen Anteil am Schaden verlangen. Auf diese Weise wird dem Unternehmer sein grundsätzliches Nacherfüllungsrecht legal entzogen. Dem Mängelbeseitigungs-/Nacherfüllungsanspruch des Auftraggebers auf der einen Seite entspricht das Nacherfüllungs-/Mängelbeseitigungsrecht des Unternehmers auf der anderen Seite. Dieses Recht des Werkunternehmers ist vorrangig. Erst wenn der Auftragnehmer sein Recht trotz Fristsetzung nicht ausübt (KG BauR 1990, 472 = NJW-RR 1990, 217 = ZfBR 1990,122), ist Raum für das Selbstbeseitigungsrecht des Auftraggebers bzw. die Mängelbeseitigung durch Dritte und den Anspruch auf Kostenersatz. Der Unternehmer ist auch frei in der Wahl der Nacherfüllungs- bzw. Mängelbeseitigungsmaßnahmen, die seinem fachmännischen Können überlassen bleiben müssen (BGH BauR 1998,123 =NJW 1998, 233 = ZfBR 1998, 77), denn er ist allein für den Erfolg seiner Leistung verantwortlich. Allerdings braucht der Auftraggeber eine fehlschlagende

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Nacherfüllung nicht hinzunehmen. Zu einer Ablehnung wegen Aussichtslosigkeit genügt noch nicht die Befürchtung des Misserfolges der Nacherfüllung. Vielmehr muss dem Auftragnehmer zunächst Gelegenheit gegeben werden, die Mängel erfolgreich zu beseitigen. I. d. R. ist davon auszugehen, dass mindestens zwei Nacherfüllungsversuche hingenommen werden müssen (BGH BauR 1982,493 = NJW1982,2243). Ist die Beseitigung des Mangels objektiv immöglich, scheidet eine Mangelbeseitigung aus, wobei regelmäßig technische und nicht etwa finanzielle Gesichtspunkte für die Annahme einer objektiven Unmöglichkeit ausschlaggebend sind (BGH BauR 1977, 203; OLG Düsseldorf: BauR 1982, 587; BauR 1984, 294; BauR 1993, 82; OLG Rostock BauR 1997, 654 = ZfBR 1997, 256). Erforderlich ist, dass kein Unternehmer die Mängel beseitigen kann. Der Auftragnehmer ist weiter berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordert (§§ 635 Abs. 3 BGB und 13 Nr. 6 VOB/B). Dabei kommt es nicht an auf das Verhältnis zwischen dem Werklohn, den der Unternehmer für die Leistung zu erhalten hat und den Kosten, die er für die Mängelbeseitigung aufwenden muss, sondern allein maßgebend ist das Verhältnis der Mängelbeseitigungskosten zu dem mit der Mängelbeseitigung erzielbaren Erfolg (BGH: BauR 1986, 93 = NJW 1986, 711 = NJW-RR1986, 319; NJW 1996, 3269 = BauR 1996, 858 = ZfBR 1996, 313; NJW-RR 1997, 1106 = BauR 1997, 638), wobei ein Missverhältnis dann anzunehmen ist, wenn einem objektiv geringen Interesse des Auftraggebers an einer völlig einwandfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb unangemessener Aufwand gegenübersteht (BGH NJW 1996,3269 = BauR 1996, 858 = ZfBR 1996, 313; BGH NJW-RR 2002, 661 = BauR 2002, 613 = ZfBR 2003, 345). Ist die Funktionsfähigkeit einer Werkleistung spürbar beeinträchtigt, kommt eine Verweigerung der Nacherfüllung wegen zu hoher Kosten keinesfalls in Betracht. UnVerhältnismäßigkeit kommt hauptsächlich bei so genannten optischen Mängeln in Betracht, wie etwa bei geringen Farbabweichungen (OLG Düsseldorf: BauR 1991, 749; BauR 1993, 733 = IBR 1994,190; NJWRR 1994, 342 = IBR 1994,152; BauR 1998,126 = NJW-RR 1997,1450; OLG Stuttgart BauR 1994, 519; OLG Frankfurt NJW-RR 1994,1340; OLG Celle: BauR 1996, 259; BauR 1998, 401 = IBR 1998, 299). Der Auftraggeber kann in diesen Fällen den Werklohn mindern (§§ 638 BGB, 13 Nr. 7 VOB/B). Der Minderungsbetrag ist nicht aufgrund der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu ermitteln, sondern er bemisst sich nach einem angemessenen Ausgleichsbetrag für den Wertverlust der Unternehmerleistung (OLG Stuttgart BauR 1994, 519) oder auch nach dem Grad der optischen Beeinträchtigimg (OLG Düsseldorf BauR 1999,498 = IBR 1999,211). Der Auftraggeber kann nur ausnahmsweise eine Nacherfüllunj^Mängelbeseitigung ablehnen, wenn diese für ihn unzumutbar ist. Unzumutbarkeit kann bspw. vorliegen

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bei schwerer Krankheit des Auftraggebers selbst oder eines Angehörigen, bei extrem starker Lärmbelästigung durch die Nacherfüllungsarbeiten, bei Stilllegung eines Gewerbebetriebes und dadurch eintretendem hohen Schaden oder auch bei bereits mehrfach durchgeführten erfolglosen Mängelbeseitigungsversuchen durch den Unternehmer. Wird der Bauvertrag vorzeitig, ζ. B. durch Kündigimg, beendet und weist die ausgeführte Bauleistung Mängel auf, bleibt der Auftragnehmer weiterhin zur Mängelbeseitigung/Nacherfüllung verpflichtet und berechtigt (BGH: BauR 1987, 689 = NJW1988,140 = ZfBR 1987, 238; BauR 1993, 469 = NJW 1993,1972 = ZfBR 1993,189; OLG Celle BauR 1995, 393; OLG Hamm NJW-RR 1995, 657 = BauR 1995, 397; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995,155; OLG Dresden NJW-RR 1998,882 = BauR 1998,787). 7.3.4.2.1

Ansprüche vor Abnahme

Auch bereits vor Abnahme hat der Auftraggeber gegen den Unternehmer sowohl beim BGB- als auch beim VOB/B-Bauvertrag einen Anspruch auf mangelfreie Erfüllung der vertraglichen Herstellungsverpflichtung. Bei Vorliegen eines Mangels kann der Auftraggeber deshalb beim BGB-Vertrag nach § 635 Neuherstellung der Leistung in einem vertragsgemäßen Zustand oder aber Mängelbeseitigung verlangen und dem Unternehmer hierzu eine angemessene Frist setzen. Die Frist muss allerdings so bemessen sein, dass sie nicht vor der vertraglichen Fertigstellungsfrist abläuft (anders als beim VOB/B-Vertrag, § 4 Nr. 7 S. 1 VOB/B). Eine zu kurz bemessene Frist setzt eine dem Einzelfall angepasste angemessene Frist in Lauf. Der Unternehmer hat grundsätzlich das Wahlrecht, ob er die Leistung neu herstellt oder nur nachbessert. Er muss jedoch den vertraglich geschuldeten Zustand herstellen. Ist dies nur durch Neuherstellung möglich, schuldet er auch diese. Stellt der Unternehmer innerhalb der Frist jedoch keine mangelfreie Leistung her, kann der Auftragnehmer entweder die Mängelbeseitigung selbst vornehmen bzw. von einem Drittunternehmer durchführen lassen und Ersatz der dafür aufgewendeten Kosten verlangen (§ 637 Abs. 1 BGB), vom Vertrag zurücktreten oder Minderung verlangen (§§ 634 Nr. 3, 638, 323 Abs. 1 BGB) sowie bei Verschulden Schadenersatz oder Aufwendungsersatz verlangen (§§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 3, 281, 284 BGB). Im Falle der Selbstvornahme bzw. Beseitigung der Mängel durch einen Dritten hat der Auftraggeber insoweit sowohl beim BGB-Vertrag als auch beim VOB/B-Vertrag einen Vorschussanspruch gegen den Auftragnehmer (§ 637 Abs. 3 BGB/ § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B). Dieser Anspruch besteht aber nur soweit die Mängelbeseitigungsarbeiten auch tatsächlich in überschaubarer Zeit ausgeführt werden können (OLG Nürnberg NJW-RR 2003,1601 = NZBau 2003, 614). Wählt der Auftraggeber als Mängelrecht die Gestaltungs-

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rechte Rücktritt oder Minderung, so ist der Nacherfüllungsanspruch und das Selbstvornahmerecht in der Folge ausgeschlossen. Beim VOB/B-Bauvertrag kann der Auftraggeber bei Vorliegen vertragswidriger Leistungen nach §§ 4 Nrn. 6 und 7, 8 Nr. 3 VOB/B vorgehen, der ihm bereits vor der Abnahme mehrere durchsetzbare Ansprüche gegen den Unternehmer gibt. Danach ist der Unternehmer verpflichtet, vertragswidrige Stoffe oder Bauteile auf Anordnung des Auftraggebers innerhalb einer von diesem gesetzten angemessenen Frist von der Baustelle zu entfernen, geschieht dies nicht, können sie auf Kosten des Auftragnehmers entfernt oder auf seine Rechnung veräußert werden. Die von der Baustelle entfernten Stoffe und Bauteile können auch auf Kosten des Unternehmers eingelagert werden. Nach Abschluss der Maßnahme ist der Auftraggeber wegen der ihm entstandenen Kosten zur Rechnungslegung gegenüber dem Unternehmer verpflichtet. Ist die hergestellte Leistimg mangelhaft, so trifft den Unternehmer nach § 4 Nr. 7 VOB/B die Verpflichtung zur Neuherstellung oder Mangelbeseitigung. Kommt der Unternehmer dieser Pflicht nicht nach, kann ihm der Auftragnehmer eine angemessene Frist hierzu setzen mit gleichzeitiger Kündigungsandrohung. Angemessenheit der Frist bedeutet, sie muss so bemessen sein, dass der Unternehmer bis zum Fristablauf die geforderte Maßnahme tatsächlich durchführen kann. Eine unangemessen kurze Frist verlängert sich automatisch auf die angemessene Zeit (OLG Celle BauR 1984, 409). Der Unternehmer muss jedoch unverzüglich mit der Mängelbeseitigung beginnen und kann sich nach Untätigkeit nicht darauf berufen, die gesetzte Frist sei unangemessen kurz gewesen. Nach fruchtlosem Fristablauf kann der Auftraggeber die angedrohte Kündigung nach § 8 Nr. 3 VOB/B schriftlich erklären. Die Kündigung tritt nicht schon automatisch mit dem Fristablauf ein und es ist auch nicht möglich, diese schon mit der Fristsetzimg zu verbinden (BGH BauR 1973, 319). Gem. § 8 Nr. 3 Abs.l S. 2 VOB/B kann die Kündigung auf einen in sich abgeschlossenen Teil der Leistung beschränkt werden. Nach erfolgter Kündigung kann der Auftraggeber Mängelbeseitigung und Restfertigstellung anderweitig durchführen lassen. Ohne vorherige Kündigung ist der Einsatz eines anderen Unternehmers auf Kosten des Auftragnehmers nicht möglich (BGH: NJW-RR1986,1148 = BauR 1986, 573; NJW-RR 1998, 235 = BauR 1997,1027 = ZfBR 1998, 31), allerdings ist bereits vor der Kündigung eine entsprechende Beauftragung möglich (BGH BauR 1977, 422). Der Auftraggeber kann in Höhe der voraussichtlichen Mehrkosten einen Vorschussanspruch geltend machen (BGH BauR 1989, 462), den er nach erfolgter Fertigstellung dem Unternehmer gegenüber abzurechnen hat. Dem Auftraggeber steht darüber hinaus ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, der ihm durch den Mangel weiter entstanden ist, wie ζ. B. Miet- und Nutzungsausfälle, Gutachterkosten oder auch entgangener Gewinn. Der Auftraggeber ist aber

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nicht verpflichtet, eine Kündigung auszusprechen. Er kann vielmehr den Unternehmer weiterarbeiten lassen, verliert damit aber zunächst sein Kündigungsrecht. Will er dem Unternehmer später doch noch den Auftrag entziehen, muss er erneut unter Kündigungsandrohung eine Frist zur Mängelbeseitigung setzen. 7.3.4.2.2

Ansprüche nach Abnahme

Nach erfolgter Abnahme stehen dem Auftraggeber die Mängelansprüche nach §§ 634 638 BGB und 13 Nrn. 5 - 7 VOB/B zu. Das gilt auch für Mängelbeseitigungsansprüche, die sich der Auftraggeber bei der Abnahme vorbehalten hat (BGH: BauR 1975,344; NJW 1982, 1524 = BauR 1982, 277). Auch nach der Abnahme ist das Nacherfüllungs- bzw. Mängelbeseitigungsrecht - und die Pflicht - des Unternehmers vorrangig. Erst wenn der Unternehmer einen gerügten Mangel trotz angemessener Fristsetzung nicht beseitigt, stehen dem Auftraggeber weitere Rechte zu. Bei der Aufforderung zur Mängelbeseitigung hat der Auftraggeber die Mängel hinreichend konkret zu bezeichnen, damit der Unternehmer zweifelsfrei erkennen kann, was im Einzelnen beanstandet wird. Dabei genügt es allerdings, wenn er die Mängelsymptome, also die äußerlichen Mängelerscheinungen genau beschreibt. Mit einer solchen Beschreibung sind dann alle möglichen Ursachen für dieses Erscheinungsbild gerügt (BGH: BauR 1987,84 = NJW 1987,381 = ZfBR 1987, 37; BauR 1987, 443 = NJW 1987, 798 = ZfBR 1987,188; BauR 1989, 79 = NJW 1989, 148 = ZfBR 1989, 28; BauR 1989, 81 = NJW -RR 1989, 208 = ZfBR 1989, 54; BauR 1989, 470 = NJW-RR1989, 667). Nach fruchtlosem Fristablauf kann der Auftraggeber die Mängel selbst oder durch einen Drittunternehmer im Wege der Ersatzvornahme beseitigen lassen und vom Auftragnehmer einen Vorschuss in Höhe der voraussichtlichen hierfür anfallenden Kosten (beim BGB-Vertrag in Höhe des Dreifachen der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten) verlangen, den er nach erfolgter Mängelbeseitigung abzurechnen hat. Bei der Auswahl des Drittunternehmers braucht der Auftraggeber nicht die billigste Firma auszuwählen, ausschlaggebend ist die Zuverlässigkeit und Fachkunde des Nachfolgeunternehmers. Ebenso ist der Auftraggeber berechtigt, bei mehreren Mängelbeseitigungsmöglichkeiten die sicherste Art in Anspruch zu nehmen, auch wenn diese nicht die billigste ist. Zu den Mängelbeseitigungskosten, die der nacherfüllungspflichtige Unternehmer zu erstatten hat, gehören auch alle Kosten, die zur Vorbereitung und Durchführung der Arbeiten erforderlich sind, wie z. B. Gutachterkosten zur Klärung von Art, Umfang und Ursachen der Mängel, Architektenkosten zur Ausschreibung und Beaufsichtigung der Mängelbeseitigungsarbeiten, sofern diese gesondert anfallen, sowie Kosten für Neben- und Folgearbeiten bei der Mängelbeseitigung selbst, wie etwa Kosten für die Freilegung der Schadensstelle oder anschließende

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Malerarbeiten. Entstehen jedoch im Rahmen der Mängelbeseitigung Kosten, die zur mangelfreien Herstellung ohnehin zusätzlich angefallen wären, sind diese Kosten vom Unternehmer als „Sowiesokosten" nicht zu erstatten. Beim VOB/B-Vertrag kann der Auftraggeber nach der Abnahme bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz nur unter den Voraussetzungen des § 13 Nr. 7 geltend machen. Dieser besteht neben dem Mängelbeseitigungsanspruch aus § 13 Nr. 5 VOB/B oder dem Minderungsanspruch aus § 13 Nr. 6 VOB/B. Dabei sind der kleine Schadensersatzanspruch nach § 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 1 VOB/B und der große Schadensersatzanspruch nach § 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 2 VOB/B zu unterscheiden. Gemeinsame Voraussetzung ist, dass es sich um einen wesentlichen Mangel handelt, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Wert oder die Tauglichkeit zum normalen oder zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch völlig aufgehoben ist. Liegt nur eine Wert- oder Tauglichkeitsminderung vor, kommt es auf die Schwere der Beeinträchtigung an. Maßstab ist, ob der Auftraggeber in diesen Fällen durch die Mängelbeseitigung oder Minderung einen einigermaßen gerechten Ausgleich erhält oder nicht. Der kleine Schadensersatzanspruch nach § 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 1 VOB/B ersetzt dem Auftraggeber den Schaden, der ihm nach erfolgter Nachbesserung oder Minderung an der baulichen Anlage selbst noch verbleibt. Davon werden auch Folgeschäden erfasst, die „eng und unmittelbar mit dem Werkmangel zusammenhängen" (Locher, Das private Baurecht, 6. Aufl., Rn. 168), ζ. B. Einnahmeverluste durch entgangene Nutzimg sowie zur Schadensminderung aufgewendete Werbungskosten (BGH NJWRR 1992, 788 = BauR 1992, 504), Regiekosten des Architekten, Zwischenfinanzierungskosten für die zu zahlenden Nachbesserungskosten, Sachverständigenkosten zur Untersuchung der Mängel (BGH BauR 1971, 51), Kosten für die Anmietung von Ersatzwohnraum für die Dauer der Mängelbeseitigung sowie einen technischen bzw. merkantilen Minderwert. Der große Schadensersatzanspruch erfasst noch darüber hinausgehende Schäden. Der Auftraggeber hat jedoch nur einen Anspruch, wenn der Mangel •

auf einem Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik beruht,



in dem Fehlen einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit besteht oder



soweit der Unternehmer den Schaden durch Versicherimg seiner gesetzlichen Haftpflicht gedeckt hat oder hätte decken können, wobei er auf außergewöhnliche Verhältnisse abgestellte Prämien oder Prämienzuschläge nicht hinnehmen muss.

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Mit dem großen Schadensersatzanspruch wird der Schaden geltend gemacht, der über den in § 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 1 VOB/B erfassten Schaden hinausgeht und der ursächlich auf einen Baumangel zurückzuführen ist. Im Gegensatz zum kleinen Schadensersatz ist hier jedoch der notwendige Zusammenhang zwischen Schaden und baulicher Anlage nicht erforderlich. Nach § 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 2 VOB/B kann daher jeder Schaden in vollem Umfang ersetzt verlangt werden, wenn er nur adäquat-ursächlich auf die Fehlleistung des Unternehmers oder seiner Erfüllungsgehilfen zurückzuführen ist, vorausgesetzt, er ist nicht durch die anderen Schadensersatzansprüche des § 13 Nr. 7 VOB/B abgedeckt. Beispiele hierfür sind: •

Gesundheitsschäden aus Verletzungen beim Sturz auf einer mangelhaften Treppe,



Brandschäden infolge mangelhafter Isolierung von Rauchgasrohren,



Schäden durch Bodenverseuchimg, die nach fehlerhafter Montage einzelner Rohrteile durch auslaufendes Öl verursacht worden sind,



Einbruchsschaden, der durch eine mangelhafte Überwachungsanlage verursacht ist und



Schäden an eingelagerten Gegenständen eines Mieters durch Feuchtigkeit infolge Undichtigkeiten am Dach.

Durch die VOB 2002 wurden die Absätze 1 und 2 des § 13 Nr. 7 VOB/B neu eingefügt. Danach wird gem. § 13 Nr. 7 Abs. 1 nun für bestimmte höchst persönliche Rechtsgüter und bei grobem Verschulden ein unbeschränkter Schadensersatzanspruch gewährt. Das Verschulden bezieht sich hierbei nur auf den Mangel und nicht auf den Schaden. Gem. § 13 Nr. 7 Abs. 2 haftet der Unternehmer für alle Schäden, die auf einen vorsätzlich oder grob fahrlässige verursachten Mangel zurückzuführen sind. 7.3.4.3

Verjährung der Mängelansprüche

Die Verjährung der Mängelansprüche beginnt mit der Abnahme der Unternehmerleistung, bei Abnahme in sich abgeschlossener Teile der Leistimg mit dieser. Sie richtet sich beim BGB-Vertrag nach § 634 a Abs. 1 BGB und beim VOB/B-Vertrag nach § 13 Nr. 4 Abs. 1 u. 2 VOB/B. Die Verjährung bedeutet nicht, dass die Ansprüche des Bauherrn nach Ablauf der Verjährungsfrist für Mängel nicht mehr bestehen, sie hat nur zur Folge, dass der Auftraggeber diese Ansprüche gegen den Unternehmer nicht mehr durchsetzen kann, wenn dieser sich durch Erhebung einer Einrede auf die Verjährung beruft. Nach Ablauf der Verjährungsfrist für Mängel kann der Auftraggeber deshalb mit seinen - verjährten - Ansprüchen noch gegen eventuelle Vergütungsansprüche des Unternehmers

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aufrechnen, wenn diese in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte (§ 215 BGB). Das heißt, die Ansprüche müssen in nichtverjährter Zeit vollwirksam und fällig gewesen sein, § 387 BGB. Da für die auf Zahlung gerichteten Mängelansprüche, wie Vorschuss, Aufwendungsersatz oder Schadensersatz, grundsätzlich der fruchtlose Ablauf einer angemessenen Frist Voraussetzung ist, kann demnach eine Aufrechnung mit verjährten Ansprüchen nur mit Ansprüchen solcher Mängel erfolgen, die bereits in nicht verjährter Zeit erkannt und gerügt worden sind. Ebenso kann der Auftraggeber trotz eines bereits verjährten Nacherfüllungsanspruches bei Mängeln noch die Zahlung der Vergütung in Höhe des mindest Dreifachen der Mängelbeseitigungskosten verweigern (§ 215 BGB). Bei diesem Zurückbehaltungsrecht ist eine Anzeige des Mangels zu nichtverjährter Zeit nicht erforderlich, da auch für den Nacherfüllungsanspruch eine Fristsetzung nicht Voraussetzung ist. Beim BGB-Vertrag beträgt die Verjährungsfrist für Mängel Arbeiten an Bauwerken fünf Jahre (§ 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Dies betrifft den Nacherfüllungsanspruch, den Anspruch auf Selbstvornahme und den Ersatz der diesbezüglich erforderlichen Aufwendungen, den Vorschussanspruch sowie den Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch. Da Minderungs- und Rücktrittsrecht nach neuem Recht als Gestaltungsrecht anzusehen sind, kommt bei diesen Ansprüchen eine Verjährung nicht in Betracht. Bei beiden Rechten ist aber § 218 BGB zu beachten, woraus folgt, dass sowohl die Minderung wie auch der Rücktritt ausgeschlossen sind, wenn der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Auftragnehmer sich hierauf beruft. Gem. § 634 a Abs. 1 Nr.l BGB gilt für Mängelanspruche bei einem Werk, dessen Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht, eine kürzere Verjährungsfrist von zwei Jahren. Dies betrifft vor allem auch Arbeiten, die zwar nicht an einem Bauwerk, aber an einem Grundstück erfolgen, bei denen nach altem Recht eine noch kürzere Verjährungsfrist von einem Jahr galt. Für seit dem 15.02.2003 geschlossene VOB/B-Vertrage beträgt die Verjährungsfrist für Mängel gem. § 13 Nr. 4 VOB/B •

bei Arbeiten an Bauwerken vier Jahre,



bei Arbeiten am Grundstück zwei Jahre,



bei vom Feuer berührten Teilen von Feuerungsanlagen zwei Jahre,



bei feuerberührten und abgasgedämmten Teilen von industriellen Feuerungsanlagen ein Jahr und

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bei maschinellen und elektrotechnischen/elektronischen Anlagen oder Teilen davon, bei denen die Wartung Einfluss auf die Sicherheit und Funktionsfähigkeit hat, zwei Jahre, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer die Wartung für die Dauer der Verjährungsfrist für Mängel nicht überträgt.

Bei Arbeiten an Bauwerken handelt es sich zunächst um Arbeiten, die die Herstellung eines Bauwerkes zum Inhalt haben. Daneben fallen aber auch alle weiteren Arbeiten darunter, die sich auf die Instandhaltung, Veränderung oder Beseitigung einer baulichen Anlage beziehen. Dazu gehören auch Reparaturarbeiten, wenn sie für die Erneuerung, die Erhaltung oder den Bestand des Bauwerkes von wesentlicher Bedeutimg sind. Die Verjährungsfrist für Mängel an Bauwerksarbeiten tritt aber auch ein bei beweglichen Sachen, die für ein bestimmtes Bauwerk individuell hergestellt werden (BGH: NJW 1979,158 = BauR 1979, 54; BauR 1980, 355; BauR 1990, 603 = ZfBR 1990, 222). Bei Arbeiten am Grundstück handelt es sich dagegen um bloße Arbeiten an Grund und Boden, ohne dass diese mit der Errichtung eines Bauwerkes in Zusammenhang stehen, wie ζ. B. reine Planierungsarbeiten oder sonstige Gartengestaltungsarbeiten. Ausschachtungsarbeiten zum Zweck der Errichtung eines Bauwerkes sind dagegen Arbeiten an Bauwerken. Andererseits sind Arbeiten am Grundstück auch Arbeiten für ein Gebäude auf einem Grundstück, die nicht der Erhaltung bzw. Substanzsicherung dienen, wie ζ. B. Anstreicherarbeiten, die reine Schönheitsreparaturen darstellen. Von diesen Verjährungsfristen für Mängel abweichende vertragliche Vereinbarungen sind möglich. Allerdings ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und vorformulierten Klauseln in Verbraucherverträgen gem. § 309 Nr. 8 Lit. b) ff) die Verkürzung von Verjährungsfristen für Mängel nicht möglich. Dies gilt nicht für Verträge, in denen die VOB/B „als Ganzes" vereinbart ist. Vertragliche Verlängerungen der Verjährungsfrist für Mängel sind dagegen zulässig (§ 202 Abs. 2 BGB). Lediglich eine unangemessene Verlängerung von Verjährungsfristen für Mängelansprüche in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam, § 307 BGB. Bei arglistigem Verschweigen von Mängeln durch den Auftragnehmer verjähren die diesbezüglichen Mängelansprüche nach § 634 a Abs. 3 S. 1 BGB in der gesetzlichen Regelfrist von 3 Jahren. Dies gilt auch beim VOB/B-Vertrag. Da diese Frist kürzer sein kann als die fünfjährige Verjährungsfrist (Fristbeginn zum Jahresende ab Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis) sieht das Gesetz vor, dass die Verjährimg nicht vor Ablauf der Fünfjahresfrist eintritt. Voraussetzung für die Annahme eines arglistigen Verschweigens ist, dass der Auftragnehmer den Mangel positiv kennt und ihn für den Bestand und die Benutzung des Bauwerkes erheblich hält. Die Absicht, dem Auftraggeber einen Schaden zuzufügen, ist nicht erforderlich. Den Unternehmer trifft dann eine Offenba-

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rungspflicht bei der Abnahme des Werkes. Oft jedoch verfügt der Unternehmer nicht über die entsprechende Mangelkenntnis, wohl aber sein Gehilfe. Arglistiges Verschweigen kommt deshalb in der Praxis überwiegend in Betracht, wenn die Hilfsperson, die für den Auftragnehmer die Abnahme durchführt, den Mangel kennt und ihn nicht offenbart, weil der Unternehmer sich deren Verschulden über § 278 BGB zurechnen lassen muss. Im Allgemeinen wird diese Hilfsperson derjenige sein, den der Unternehmer auf der Baustelle als seinen Bauleiter eingesetzt hat (BGH: NJW 1974, 553 = BauR 1974,130; BauR 1975, 419; BauR 1976, 131; OLG Karlsruhe BauR 1979, 335; OLG Köln BauR 1984, 525). Arglist liegt jedoch auch vor, wenn der Unternehmer das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit oder die Mangelfreiheit wider besseres Wissen aktiv behauptet (BGH BauR 1970, 244; OLG Köln NJW-RR 1995, 881). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass der Unternehmer bewusst die Folgen der vertragswidrigen Ausführung in Kauf genommen hat. Arglist verlangt auch keine Schädigungsabsicht oder einen eigenen Vorteil (BGH BauR 2002,1401 = NJW 2002, 2776 = ZfBR 2002, 680). Die regelmäßige Verjährungsfrist hat der BGH inzwischen auch dann eingenommen, wenn schwere Mängel bis zur Abnahme wegen Organisationsverschulden des Unternehmers nicht rechtzeitig entdeckt und offenbart worden sind (NJW 1992, 1754 = BauR 1992,500 = ZfBR 1992,168). Dazu hat er ausgeführt: "Der Werkunternehmer, der ein Bauwerk arbeitsteilig herstellen lässt, muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Bauwerk bei Ablieferimg mangelfrei ist. Unterlässt er dies, so verjähren Gewährleistungsansprüche des Bestellers - wie bei arglistigem Verschweigen eines Mangels - erst nach dreißig Jahren, wenn der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre". In Fällen von schweren Werkmängeln wird davon ausgegangen, dass diese ein deutliches Indiz für eine fehlende oder mangelhafte Organisation bei der Bauerrichtung sind (OLG Stuttgart BauR 1997, 317 = IBR 1997, 234). Diese Rechtsprechung ist weitergeführt und dahingehend erweitert worden, dass nicht nur ein gravierender Mangel an besonders wichtigen Gewerken, sondern auch ein besonders augenfälliger Mangel an weniger wichtigen Bauteilen den Schluss auf eine mangelhafte Organisation der Überwachung zulassen (OLG Oldenburg BauR 1995,105: der BGH hat die Revision gegen dieses Urteil nicht angenommen). Erneut ausgedehnt worden ist der Anwendungsbereich, indem auch bei Anhäufung offensichtlicher Mängel, die in ihrer Gesamtschau zu der Annahme führen müssen, eine mangelhafte Leistung liege vor, ein Indiz für eine fehlende oder mangelhafte Organisation beim Unternehmer zu sehen ist (OLG Köln NJW-RR 1995,180 = BauR 1995,107). Der Beweis, dass die Organisation der Baustelle nicht mangelhaft war, obliegt dem Unternehmer. Allerdings sind ihm Beweisschwierigkeiten, die

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auf den die vereinbarte Verjährungsfrist überschreitenden Zeitraum zurückzuführen sind, nicht anzulasten (OLG München NJW-RR1998,529 = BauR 1998,129). Der Lauf der Verjährungsfrist für Mängel kann gehemmt werden (§§ 203 ff. BGB). Des Weiteren kann die Verjährung aber auch wieder neu beginnen (§ 212 BGB). Bei der Hemmung wird der auf sie entfallende Zeitraum in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet, praktisch also an die Frist „drangehängt" (§ 209 BGB). Beim Neubeginn der Verjährung wird unter bestimmten Voraussetzungen die bisherige Verjährungsfrist beendet und es beginnt die Verjährungsfrist erneut in voller Länge zu laufen. Stehen Auftraggeber und Unternehmer noch in Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (§ 203 BGB). Dabei ist zu beachten, dass die Mängelrüge des Auftraggebers allein noch nicht, die Zusage der Prüfimg oder der Mängelbeseitigungsarbeiten durch den Unternehmer jedoch bereits zu einer Hemmung führt. Bereits beendete Verhandlungen können wieder aufgenommen werden. In diesem Fall tritt erneut Hemmung ein. Steht das Ende der Verhandlungen fest und läuft die restliche Verjährungsfrist weniger als drei Monate, sorgt die so genannte Ablaufhemmung dafür, dass dennoch vor drei Monaten keine Verjährimg eintritt. Weiterhin kann die Verjährung durch Verfahren gehemmt werden. Als Hemmungstatbestand kommen hier u. a. in Betracht (§ 204 Abs. 1 BGB): •

Klageerhebung,



Zustellung eines Mahnbescheids,



Aufrechnung im Prozess,



Zustellung der Streitverkündung,



Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens,



Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren,



Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens.

Die Hemmung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung des nach § 204 Abs. 1 eingeleiteten Verfahrens oder mit der anderweitigen Beendigung, § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB. Ein Neubeginn der Verjährung liegt im Wesentlichen in folgenden Fällen vor,

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7 Errichtung von Immobilien

wenn der Auftragnehmer dem Auftraggeber gegenüber den Mängelanspruch anerkennt.



ein derartiges Anerkenntnis kann in einer Mängelbeseitigung liegen, allerdings dann nicht, wenn die Mängelbeseitigung ausdrücklich nur „im Kulanzwege" oder „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" durchgeführt wird. Dann bleibt es bei der vertraglich vereinbarten oder gesetzlichen Verjährungsfrist, die jedoch zumindest während der Nacherfüllung gemäß § 203 BGB gehemmt ist. Die Verjährungsfrist beginnt neu im Fall eines Anerkenntnisses mit Beendigung der Nachbesserungsarbeiten. Denn durch die Mängelbeseitigung wird die Verjährung gleichzeitig gehemmt.



wenn eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.



beim VOB/B-Vertrag setzt die erste schriftliche Mängelrüge sowie die Abnahme der Mängelbeseitigungsleistung durch den Auftraggeber eine neue zweijährige Verjährungsfrist in Gang. Diese Tatbestände finden auf den BGB-Vertrag keine Anwendung. Die Besonderheit liegt außerdem darin, dass die neu in Gang gesetzte Verjährungsfrist, sollte die gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Verjährungsfrist noch länger als zwei Jahre laufen, nicht vor dieser abläuft, § 13 Nr. 5 Abs. Ί S. 2 und 3.

7 Errichtung von Immobilien

649

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7 Errichtung von Immobilien

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8 Baukreditsicherungsrecht

653

8 Baukreditsicherungsrecht Jürgen Kohler 8.1 Einführung

655

8.2 Gemeinsame Problematik und gemeinsamer Lösungsvorrat

656

8.2.1 Personalsicherheiten

656

8.2.1.1 Kategorien von Personalsicherheiten

656

8.2.1.2 Nachteile von Personalsicherheiten

657

8.2.2 Realsicherheiten

657

8.2.2.1 Kategorien von Realsicherheiten

657

8.2.2.2 Vor- und Nachteile von Realsicherheiten

658

8.3 Die Sicherung des Baugeldgebers 8.3.1 Die Hypothek

659 659

8.3.1.1 Wesen und Zweck

659

8.3.1.2 Begründung der Hypothek

662

8.3.1.3 Übertragung der Hypothek

664

8.3.1.4 Tilgung und Erlöschen oder Übergang der Hypothek

666

8.3.1.5 Verteidigung gegen die Hypothekenklage

668

8.3.2 Die (Sicherungs-)Grundschuld 8.3.2.1 Wesen und Zweck

670 670

8.3.2.2 Begründung der Grundschuld

672

8.3.2.3 Übertragung der Grundschuld

673

8.3.2.4 Tilgung und Erlöschen oder Übergang der Grundschuld

674

8.3.2.5 Verteidigung gegen die Grundschuldklage

675

8.3.3 Prozessuales zu den Grundpfandrechten

676

8.3.3.1 Erwerb von Grundpfandrechten

676

8.3.3.2 Durchsetzimg erworbener Grundpfandrechte

677

8.4 Die Sicherung des Vergütungsanspruchs des Bauwerksunternehmers

678

8.4.1 Problemstellung

678

8.4.2 Lösungsvorrat

679

8.4.3 (Quasi-) Normative Lösungen

680

8.4.3.1 Vorgezogene Fälligstellung

680

8.4.3.2 Bauwerkssicherungshypothek (§ 648 BGB)

683

8.4.3.3 Arrest (§916 ZPO)

686

654

8

Baukreditsicherungsrecht

8.4.3.4 Sicherheitsleistung - Leistungsverweigerungsrecht (§ 648a BGB)

686

8.4.3.5 Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen (GSB)

688

8.4.3.6 Zusammenfassung

690

8.4.4 Rechtsgeschäftliche Lösungen (außerhalb der VOB/ B)

690

8.4.4.1 Bürgschaftsvereinbarung

691

8.4.4.2 Forderungsabtretung

692

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8.1 Einführung Baukreditsicherungsrecht ist diejenige Rechtsmaterie, die sich mit der Sicherung des Zahlungsinteresses von Baubeteiligten befasst. Baubeteiligte im hier zu behandelnden Grundmodell sind im Verhältnis zum Bauherrn einerseits der Baugeldgeber und andererseits die Erbringer von materiellen oder geistigen Leistungen zur Errichtung eines Bauwerks, also die Bauwerksunternehmer im weiteren Sinne. Sowohl Baugeldgeber als auch Bauwerksunternehmer gewähren bauausführungsbezogen Kredit und haben deshalb gleichermaßen ein Interesse an Kreditsicherung, d. h. an der Sicherung ihres Zahlungsanspruchs gegen den Bauherrn. Für den Baugeldgeber, i. d. R. eine Bank im weiteren Sinne, ist die Tatsache der Kreditgewährung und damit das Interesse an Zahlungssicherung evident. Der Baugeldgeber gewährt darlehensweise eine Geldsumme, die über häufig beträchtliche Zeiträume hinweg meist in Raten und mit Zinsen zurückzuzahlen ist (Darlehen, § 488 BGB). Beim Bauwerksunternehmer, der i. d. R. aufgrund eines Werkvertrags (§ 631 BGB) tätig wird, verhält es sich in essenziellen Punkten nicht anders. Denn auch er leistet zunächst und aufgrund der werkvertragsspezifischen Fälligkeitsregelung (§ 641 BGB) vor in der Erwartung, zu einem späteren Zeitpunkt eine Geldleistung, seinen Werklohn, vom Bauherrn zu erhalten. Beide Baubeteiligten haben daher gemeinsam, dass sie Geldkredit gewähren, wenngleich i. d. R. die Zahlungsziele verschieden lang sind. Als einfache kreditierende Geldgläubiger tragen beide Baubeteiligte dasselbe Risiko bei Insolvenz des Bauherrn. Sowohl Darlehens- als auch Werklohnanspruch sind einfache, ungesicherte Insolvenzforderungen ohne eigenes Vollstreckungsprivileg. Sie werden, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wird, auf letztem Rang mit der Insolvenzquote erfüllt (§ 38 InsO). Praktisch drohen daher erhebliche Ausfälle. Das Bemühen beider Gläubigergruppen geht daher gleichermaßen dahin, ihre Position für den Insolvenzfall zu verbessern. Die hier unternommene Darstellung des Kreditsicherungsrechts bezweckt, den rechtstechnischen Rahmen dieses Bemühens, den rechtlichen Erfolg effektiver Kreditsicherung und seine Grenzen, die Kollisionsbereiche und die möglichen Kooperationsfelder zu beschreiben und die Rechtslage rechtspolitisch zu bewerten. Zunächst werden die Gemeinsamkeiten der Problematik und der Lösungsvorräte erörtert, quasi in der Art eines vor die Klammer gezogenen Allgemeinen Teils. Die Darstellung der Rechtslage des Baugeldgebers schließt sich an; dort ist nämlich nicht nur die Sachenrechtslage einfacher strukturiert, sondern die in diesem Regelungsbereich anzu-

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wendenden Rechtsfiguren - insbesondere die Hypothek - bieten zugleich auch eine Teillösung bei der Sicherung von Bauwerksunternehmern.

8.2 Gemeinsame Problematik und gemeinsamer Lösungsvorrat Baugeldgeber und Bauwerksunternehmer haben nicht nur die wirtschaftliche Ausgangslage gemeinsam, dass sie lediglich Gläubiger eines persönlichen Zahlungsanspruchs der Baugeldgeber aufgrund Darlehensvertrags (§ 488BGB), der Bauwerksunternehmer aufgrund Werkvertrags (§ 631 BGB) - ohne Insolvenzschutz sind und sie deshalb einen insolvenzbezogenen Sicherungsbedarf durch „Kreditverstärkung" haben. Vielmehr steht ihnen in abstracto grundsätzlich auch dasselbe rechtliche Instrumentarium zu dem Zweck zur Verfügung, ihre Aussicht auf Befriedigimg ihres Zahlungsanspruchs im Falle der Insolvenz des Bauherrn zu vergrößern. Als ein solcher Vorrat rechtlicher Lösungen zur Kreditverstärkung sind im Sinne einer ersten begrifflichen Kategorisierung - schlagwortartig so zu nennend - „Personalsicherheiten" und „Realsicherheiten" zu identifizieren und zu unterscheiden. 8.2.1 8.2.1.1

Fersonalsicherheiten Kategorien von Personalsicherheiten

Als „Personalsicherheiten" zu charakterisierende Sicherheiten zeichnen sich, modellhaft betrachtet, dadurch aus, dass neben den Schuldner der sicherungsbedürftigen Forderung (Hauptschuldner) mindestens eine weitere natürliche oder juristische Person tritt, die ihrerseits mit ihrem - soweit keine einschränkende Vereinbarung getroffen ist, ganzen Vermögen zusätzlich auf Erfüllung der Hauptschuld haftet. Der sichernde Vorteil besteht in diesen Fällen in der Gewinnung eines zweiten Schuldners und der diesem zugeordneten Haftimgsmasse, die erforderlichenfalls Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein kann. Der wichtigste Fall der Personalsicherheit ist die Bürgschaft (§ 765 BGB); deren Übernahme bedarf auf Seiten des Bürgen der Schriftform (§ 765 BGB), sofern nicht die Bürgschaftsübernahme für diesen ein Handelsgeschäft im Sinne des Handelsgesetzbuchs ist (§ 350 HGB). Dazu kommen insbesondere der Schuldbeitritt und die Garantie, welche zwar nicht eigens gesetzlich geregelt sind, aber wegen des Prinzips der Vertragsfreiheit grundsätzlich sogar formfrei zulässig sind. Auch die Abtretung einer dem Schuldner gegenüber einem Dritten zustehenden Forderimg zu Sicherungszwecken, also die söge-

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nannte Sicherungsabtretung bzw. Sicherungszession, gehören funktional in diese Sicherheitenkategorie. 8.2.1.2

Nachteile von Personalsicherheiten

Die Personalsicherheiten haben den Nachteil, dass auch diese für den Fall der Insolvenz des Dritten nur eine einfache Insolvenzforderung begründen. Überdies sind Dritte als Sicherungsgeber außerhalb des gewerblichen - und daher kostenträchtigen - Finanzdienstleistungsbereichs selten zur Übernahme der Kreditverstärkung bereit. 8.2.2 8.2.2.1

Realsicherheiten Kategorien von Realsicherheiten

Bei den schlagwortartig als „Realsicherheiten" zu kategorisierenden Sicherheiten handelt es sich um Sicherungen, bei denen der Sicherungseffekt in der im Verhältnis zu konkurrierenden Gläubigern privilegierten Zurverfügungstellung eines bestimmten Objekts als eines Zugriffs- und Verwertungsobjekts für den Fall der Nichterfüllung der gesicherten Forderung besteht. Die rechtlichen Formen der Realsicherheiten richten sich dabei nach der Art der als Realsicherungsmittel in Betracht gezogenen Objekte. Bei den Rechtsformen sind demgemäß folgende Gruppen zu bilden, deren überblicksweise Kenntnis bei der rechtlichen Lokalisierung der allgemein möglichen Kreditsicherungen im Gesamtsystem des Kreditsicherungsrechts hilft: •

Soll ein Grundstück oder ein grundstücksgleiches Recht, als welches insbesondere das Erbbaurecht und das Wohnungseigentum gilt, als Sicherungsobjekt dienen, kommen die sog. Grundpfandrechte in Betracht. Als Rechtsformen in dieser Kategorie sieht das deutsche Recht nach der Legalordnung primär die Hypothek (§§ 1113 ff. BGB) sowie die rechtlich als Annex zur Hypothek unter weitgehender Verweisung auf die Hypothek geregelte Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB) vor, wobei beim Baukreditsicherungsrecht die Grundschuldvariante der Rentenschuld (§§ 1199 ff. BGB) als praktisch unerheblich vernachlässigt werden kann.



Bei beweglichen Sachen als Sicherungsobjekt regelt das Bürgerliche Gesetzbuch eingehend das Mobiliarpfand (§§ 1204 ff. BGB), das sich aber in der Wirtschaftspraxis mangels Praktikabilität, insbesondere da das Gesetz vom Besitzpfand ausgeht (§§ 1205 ff. BGB), nicht durchgesetzt hat. An seiner Stelle hat sich, wirtschaftlich funktionsgleich, die Sicherungsübereignung unbestritten etabliert. Sie lässt sich vereinfachend charakterisieren als eine Mobiliarübereignung i. d. R. gemäß den §§ 929,

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939 BGB mit interner treuhänderischer Bindung des Sicherungsnehmers dahingehend, von dem ihm übereigneten Gut nur im Sicherungsfall, also bei Notleiden des gesicherten Kredits, durch Veräußerung und Erlöszueigung in Höhe des Sicherungsinteresses Gebrauch zu machen. •

Bei Rechten, insbesondere Forderungen hält das Bürgerliche Gesetzbuch die Rechtsbzw. Forderungsverpfändung (§§ 1273 ff. BGB) als Realsicherungsmittel vor. Diese ist jedoch in der Wirtschaftspraxis ebenfalls wegen ihrer geringen, namentlich durch die Pflicht zur Anzeige der Verpfändung an den Drittschuldner (§ 1280 BGB) bedingten, Praktikabilität sehr weitgehend durch die Sicherungsabtretung (§ 398 BGB) verdrängt. Bei dieser handelt es sich um eine Vollübertragung des als Sicherungsmittel dienenden Rechts bzw. der Forderung des Schuldners gegen einen Dritten, verbunden mit der treuhänderischen Abrede, von der Rechtsübertragung durch Geltendmachung des übertragenen Rechts bzw. der abgetretenen Forderung im Verhältnis zum Dritten erst im Sicherungsfall Gebrauch zu machen.

Bemerkenswert ist daher bei den Realsicherheiten, insgesamt betrachtet, dass sich die vom Gesetz vorgesehene Ordnung in der Wirtschaftspraxis nur bei den Grundpfandrechten durchgesetzt hat. 8.2.2.2

Vor- und Nachteile von Realsicherheiten

Die Realsicherheiten haben für den Insolvenzfall charakteristische, wenngleich je nach ihrer Art modifizierte Vorteile, die bei den Grundpfandrechten rechtlich und tatsächlich am deutlichsten ausgeprägt sind: •

Realsicherheiten bieten Insolvenzschutz, indem sie dem Berechtigten abgesonderte Befriedigung (§§ 49 ff. InsO) ermöglichen. Darunter ist das Recht zu verstehen, das betreffende Objekt in der Weise bevorzugt aus der Insolvenzmasse herauszunehmen, dass es unabhängig vom Insolvenzverfahren getrennt verwertet und der erzielte Erlös dem Berechtigten privilegiert zum Zweck der Erfüllung seines gesicherten Interesses zugewiesen wird. Dabei ermöglicht das Prinzip der festen Rangstelle eines jeden Sicherungsinhabers im Verhältnis zu anderen Sicherungsnehmern in Bezug auf dasselbe Objekt eine verlässliche Kalkulation der Verwertungsaussichten; insbesondere bei Grundstücken wird die auf diese Weise rechtlich geschaffene Kalkulationssicherheit auch in tatsächlicher Hinsicht durch die in der Regel hinreichend verlässliche Wertbeständigkeit von Grundstücken gewährleistet. Schließlich ist rechüich und tatsächlich von Vorteil, dass Zugriffssicherheit auch im Verhältnis zu Dritten gewährleistet ist, die in Rechtsbeziehimg zu dem Sicherungsobjekt treten. Realsicher-

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heiten sind nämlich, da sie als sog. dingliche Rechte dem Rechtsobjekt unmittelbar zugeordnet sind, rechtsnachfolgefest; dies bedeutet, dass sie das Rechtsobjekt unmittelbar belasten unabhängig davon, wer jeweils der Eigentümer bzw. Inhaber des belasteten Objekts ist. Darin liegt ein entscheidender Vorteil gegenüber den Personalsicherheiten. Bei diesen ist nämlich mit einem Veräußerungsgeschäft zugleich eine Sicherungseinbuße verbunden, weil das Ausscheiden eines Objekts aus dem Eigentum bzw. der Rechtsinhaberschaft des Schuldners grundsätzlich zum Nachteil seiner Gläubiger zugleich einen Enthaftungseffekt hat, indem es als ein mögliches Vollstreckungsobjekt für die Gläubiger des veräußernden Schuldners entfällt; Realsicherheiten hingegen, da objektbezogen, begleiten das belastete Objekt unabhängig von der Person seines Rechtsinhabers. •

Der Nachteil von Realsicherheiten besteht im Vergleich zu Personalsicherheiten darin, dass die Haftung auf den betroffenen konkreten Gegenstand beschränkt ist. Andere Vermögensgegenstände des Sicherungsgebers, wenn dieser - was nicht notwendigerweise der Fall ist - nicht zugleich der persönliche Schuldner ist, haften den Sicherungsnehmer kraft Realsicherheit nicht.

8.3 Die Sicherung des Baugeldgebers Baugeldgeber suchen ihre Sicherung für Bankkredite in aller Regel, indem sie sich zum Schutz ihres Darlehensrückzahlungsanspruchs und des Zinsanspruchs eine Realsicherheit im o. g. Sinne, meist an dem betreffenden Baugrundstück, bestellen lassen. Als Rechtsformen stehen Hypothek (§§ 1113 ff. BGB) und Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB) zur Verfügung. Beide haben sich hinsichtlich ihrer rechtlichen Ausgestaltung und praktischwirtschaftlich bewährt. Im Wirtschaftsleben dominiert aus noch darzulegenden Gründen die Grundschuld, die rechtstechnisch (§ 1192 BGB) weitgehend durch Verweisung auf das Hypothekenrecht geregelt ist. Das Gesetz geht hingegen normativ vom Primat der Hypothek aus, die zuerst und detaillierter im Gesetz ausgearbeitet ist. Dem Verständnis der Rechtslage dient es daher, trotz der geringeren praktischen Bedeutung zunächst die Hypothek zu erläutern. 8.3.1 8.3.1.1

Die Hypothek Wesen und Zweck

Wesen und Zweck der Hypothek sind ohne weiteres aus ihren normativen Voraussetzungen (§ 1113 BGB) zu erschließen. Die Hypothek ist danach definiert als eine Grund-

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stücksbelastung, die dem Berechtigten einen Anspruch auf Zahlung aus dem belasteten Grundstück zur Sicherung einer ihm zustehenden Forderung gibt. Aus dem Charakter der Hypothek als Belastung eines Grundstücks bzw. - genauer - des Grundeigentums, dem grundbuch- und sicherungstechnisch die sog. grundstücksgleichen Rechte wie namentlich Erbbaurecht und Wohnungseigentum gleichstehen, folgt zunächst, dass das Hypothekenrecht den allgemeinen Regeln über Grundstücksrechte (§§ 873 ff. BGB) unterworfen ist. Daraus ergeben sich vor allem bestimmte Minimalregeln für die Begründung, Änderung, Übertragung und Beendigimg von Hypotheken; diese teilt das Hypothekenrecht mit den sonstigen Liegenschaftsrechten. Auch wird hierdurch der sachbelastende dingliche Charakter der Hypothek deutlich; Hypotheken sind demgemäß „dingliche", d. h. ein bestimmtes Objekt als solches belastende und diesem ohne Rücksicht auf die Person des jeweiligen Grundstückseigentümers anhaftende, also rechtsnachfolgefeste Rechte. Gerade wegen dieser Wirksamkeitsbeständigkeit gegenüber Dritten müssen sie im Interesse des Rechtsverkehrs publik sein und können dank des Grundbuchsystems auch effektiv verlautbart werden. Wenn femer im § 1113 BGB von einem Anspruch auf Zahlung aus dem Grundstück die Rede ist, so ist dies praktisch nur verständlich, wenn diese Aussage im Lichte des § 1147 BGB interpretiert wird. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass die Hypothek einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gibt. Wie generell bei Ansprüchen, ist dieser erforderlichenfalls durch Erhebimg einer Klage vor einem Zivilgericht zum Zwecke des Erstreitens eines Urteils durchzusetzen, das seinerseits zugleich die Funktion eines Vollstreckungstitels, d. h. einer Grundlage für die Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens hat. Dabei tritt bei Grundpfandrechten an die Stelle des Urteils als Vollstreckungstitel als eigenständige Vollsteckungsgrundlage praktisch häufig die sog. Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, die - im Unterschied zur Hypothekenbestellung als solcher - der notariellen Beurkundung bedarf. Das sich an die Titelgewinnung anschließende Verfahren zur Durchführung der Zwangsvollstreckung richtet sich nach dem sog. ZVG, dem Gesetz über die Zwangsvollstreckung und Zwangsverwaltung. Der Grundpfandrechtsgläubiger kann danach zwischen Zwangsvollstreckung im Wege der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung wählen. Letzteres bedeutet praktisch, dass das betreffende Grundstück zwar nicht veräußert wird, aber dem Gesicherten die Erträge aus der Nutzung des Grundstücks im Rahmen seines Sicherungsinteresses zugewiesen werden. Wählt der Grundpfandrechtsgläubiger hingegen die Zwangsversteigerung, wird das Grundstück in dem im ZVG eingehend geregelten, stark formalisierten Verfahren durch Erteilung des Zuschlags an den meistbietenden Ersteigerer übereignet (§ 90 ZVG), während der vom Versteigerer zu zah-

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lende Preis an die Stelle des Grundstücks tritt und nach Abzug der Verfahrenskosten an die Grundpfandrechtsgläubiger, deren Rechte am Grundstück selbst nach Maßgabe der §§ 91 Abs. 1, 44 Abs. 1, 49 Abs. 1 ZVG mit dem Zuschlag erlöschen, ausgekehrt wird. Diese Erlösverteilung findet bei einer Mehrheit von beteiligten Grundpfandrechtsgläubigern nicht anteilig gleichmäßig oder proportional statt, sondern nach Rang (§ 10 ZVG) bis zur Vollverteilung des Erlöses; dabei richtet sich der Rang grundsätzlich nach dem Zeitpunkt des Entstehens der jeweiligen Grundstücksbelastung, den die Grundbucheintragung indiziert (§§ 879 ff. BGB). Übersteigt das Sicherungsinteresse den grundpfandrechtlich realisierten Sicherungserfolg, bleibt dem Gläubiger unbenommen, weiterhin Befriedigung aus der Forderung zu suchen, die jedoch nun ganz oder teilweise vorbehaltlich anderer vereinbarter Sicherungen eine ungesicherte ist. Übersteigt hingegen der Versteigerungserlös die Summe aller Sicherungsrechte, steht der Mehrerlös dem Grundstückseigentümer zu. Ferner definiert § 1113 BGB die Hypothek als ein Recht zur Sicherung einer Forderung. Damit ist mehr als nur die Beschreibung einer bloß wirtschaftlichen Zwecksetzung gemeint. Die Hypothek wird damit vielmehr als Recht und von Rechts wegen inhaltlich bestimmt durch die Sicherungsfunktion; in dieser den normativen Typus des Grundpfandrechtshypothek bestimmenden Verrechtlichung der Sicherungsfunktion liegt der an vielen Stellen praktisch und normativ zu Tage tretende Unterschied zur Grundschuld (vgl. § 1191 BGB). Man spricht von der „Akzessorietät" der Hypothek. Akzessorietät kann vereinfachend definiert werden als existenzielles und inhaltliches Geführtwerden des Sicherungsmittels, der Hypothek, durch die zu sichernde persönliche Forderung, hier durch den Darlehensanspruch. Die wirtschaftliche Aufgabe, eine Forderimg zu sichern, wird daher durch den Gedanken und das Prinzip des Akzessorietät unmittelbar zum bestimmenden Maß des Rechts selbst. Dies, d. h. die Wirkungsweise des Prinzips der Akzessorietät, wird besonders sichtbar bei der Übertragung (§ 1153 BGB), beim Entstehen und Erlöschen (§§ 1163,1177 BGB) der Hypothek. Das Prinzip der Akzessorietät macht überdies nicht nur nochmals deutlich, dass die gesicherte Forderung, d. h. im Zusammenhang mit der Baugeldsicherung regelmäßig ein Darlehensanspruch, rechtlich von dem sie sichernden Recht, hier der Hypothek, zu unterscheiden ist. Vielmehr folgt auch aus dem Prinzip der Akzessorietät, d. h. der normativen Steuerung von Bestand und Inhalt des Sicherungsrechts durch das gesicherte Recht, dass beide Rechte grundsätzlich demselben Gläubiger zustehen müssen, also Personenidentität auf der Aktivseite notwendig ist. Hingegen steht das Prinzip der Akzessorietät einer Personenverschiedenheit auf der Passivseite, also hinsichtlich der Person

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des Darlehensschuldners einerseits und des Eigentümers des grundpfandrechtlich belasteten und gemäß § 1147 BGB haftenden Grundstücks andererseits, nicht entgegen. 8.3.1.2

Begründung der Hypothek

Die Entstehung der Hypothek hängt von der Erfüllung allgemeiner liegenschaftsrechtlicher Voraussetzungen und Grundsätze ab, die sich aus dem Wesen der Hypothek als rechtsnachfolgefeste Grundstücksbelastung ergeben. Dazu treten zusätzlich Spezifika des Hypothekenrechts, dabei insbesondere solche, die aus der akzessorischen Natur der Hypothek folgen. Wie bei allen Liegenschaftsrechten (§ 873 BGB), erfordert die Hypothekenbestellung zunächst die Einigung zwischen dem künftigen Hypothekengläubiger und dem Eigentümer des zu belastenden Grundstücks über das Entstehen der Hypothek, wobei sich die Einigung namentlich außer auf die Person des Gläubigers auf das Hypothekenkapital, die Hypothekenzinsen und eventuelle Nebenleistungen (§ 1115 BGB) erstrecken muss. Diese Einigung ist in dem Sinne „abstrakt", dass sie nicht nur begrifflich von der nur schuldrechtlich, d. h. ausschließlich zwischen den beteiligten Personen als solchen wirkenden Einigung über die Verpflichtung zur Bestellung der Hypothek unterschieden werden muss. Vielmehr hängt grundsätzlich ihre Wirksamkeit auch nicht von der Existenz oder der Wirksamkeit einer die bloße Verpflichtung zur Hypothekenbestellung betreffenden Einigung ab; fehlt es an einer solchen wirksamen Verpflichtung, kann die an sich wirksame Hypothek lediglich bereicherungsrechtlich als Leistung ohne rechtlichen Grund (§ 812 Abs. 1 S. 1,1. Fall BGB) vom Besteller zurückgefordert werden. Hat sich der Hypothekenerwerber über die Hypothekenbestellung mit einer fälschlich im Grundbuch als Eigentümer des betreffenden Grundstücks eingetragenen Person über die Hypothekenbestellung geeinigt, kann die Hypothek dennoch gemäß § 892 BGB im Interesse des Schutzes des redlichen Rechtsverkehrs erworben werden, wenn der Erwerber weder wusste, dass die Grundbuchlage mit der wirklichen Rechtslage nicht übereinstimmt, noch ein Widerspruch gegen die Grundbuchlage im Grundbuch eingetragen war. Allgemeinen liegenschaftsrechtlichen Rechtsentstehungsregeln entspricht ferner der Zwang zur Eintragimg im Grundbuch (§ 873 BGB). Dies dient der Transparenz der grundstücksrechtlichen Verhältnisse, an der wegen der Wirkung dieser Rechte im Verhältnis zu Dritten und daher um des Verkehrsschutzes willen rechtspolitisch großes Interesses besteht. Die Eintragung vollzieht sich verfahrenstechnisch nach den Regeln der Grundbuchordnung (GBO). Zur Eintragung ist ein entsprechender Antrag des Eigentümers oder des Hypothekenerwerbers (§ 13 GBO) nötig, ferner die einseitige Eintragungsbewilligung des von der beantragten Eintragung Betroffenen - also grundsätzlich des

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Eigentümers - (§ 19 GBO), der in der Regel voreingetragen sein muss (§ 39 GBO); die Grundbucherklärungen bedürfen grundsätzlich der öffentlichen Beglaubigung (§29 GBO). Spezifisch grundpfandrechtlicher Natur ist das Erfordernis der Übergabe eines Grundpfandrechts-, hier also Hypothekenbriefs (§§ 1116 Abs. 1,1117 BGB); allerdings können die Beteiligten auch vertraglich die Erteilung eines solchen Briefes ausschließen (§1116 Abs. 2 BGB) und damit ein sog. Buchgrundpfandrecht vereinbaren. Bleibt es beim gesetzlichen Normalfall des Briefgrundpfandrechts, steht das Grundpfandrecht bis zur Übergabe des Briefs dem Grundeigentümer zu (§ 1163 Abs. 2 BGB), und zwar bei der Hypothek mit Rücksicht auf das Akzessorietätsprinzip begrifflich konsequent umgedeutet als eine Eigentümergrundschuld (§ 1177 Abs. 1 BGB analog), da es insoweit an der gesicherten Forderung fehlt. Hier zeigt sich erstmals eine für das Hypothekenrecht signifikante Rechtslage: Aus Gründen der Rangwahrung, die für das künftige Sicherungsinteresse des nächsten Hypothekengläubigers große Bedeutung hat, kann aus dem Umstand, dass mangels Briefübergabe eine Hypothek in seiner Person noch nicht entstanden ist, nicht die rechtliche Konsequenz gezogen werden, die Existenz eines Grundpfandrechts trotz entsprechender Einigung über dessen Entstehen und trotz entsprechender Eintragung im Grundbuch als vollständig nichtexistent zu behandeln. Statt dessen bietet sich an, das Grundpfandrecht schon als existent anzusehen, es aber derzeit dem Grundeigentümer als Rechtsinhaber zuzuordnen. Damit wird diesem Recht der Rang gewahrt. Aus dem spezifisch hypothekenrechtlichen Prinzip der Akzessorietät ist zu folgern, dass das Entstehen der gesicherten Forderung Voraussetzung für das Entstehen der Hypothek ist (§ 1113 BGB). Aus Gründen der Rangwahrung im Verhältnis zu Dritten kann jedoch aus dem Prinzip der Akzessorietät auch hier nicht der weitergehende Schluss gezogen werden, dass vor dem Entstehen der zu sichernden Forderung noch keinerlei grundpfandrechtliche Wirkungen eingetreten seien. Vielmehr kennt das Gesetz zwischen dem völligen Nichtbestehen eines Grundpfandrechts und dem Bestehen einer echten Hypothek ein drittes: dass das als Hypothek zugunsten des Gesicherten eingetragene Grundpfandrecht bis zum Entstehen der gesicherten Forderung dem Grundeigentümer zusteht (§ 1163 Abs. 1 S. 1 BGB) und dieses materiellrechtlich, ungeachtet der anderslautenden Grundbuchlage, mit Rücksicht auf das Fehlen der gesicherten Forderung und auf das Prinzip der Akzessorietät objektiv als sog. Eigentümergrundschuld zu verstehen ist (§ 1177 Abs. 1 BGB). Die Grundbuchlage ist also zwischenzeitlich objektiv falsch. Entsteht schließlich die gesicherte Forderung, indem das Darlehen ausgezahlt wird, wandelt sich die zwischenzeitliche Eigentümergrundschuld ohne weiteres unmittelbar im Aus-

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zahlungszeitpunkt in eine dem Sicherungsnehmer zustehende Hypothek; das Grundbuch gibt damit nun zugleich die wirkliche Rechtslage wieder. Das zwischenzeitliche Bestehen einer Eigentümergrundschuld hat auch praktische Bedeutung, weil sie sich zur Zwischenfinanzierung verwenden lässt. Bei einer Briefhypothek kann der Grundeigentümer diese an den Zwischenfinanzierer gemäß §§ 1192,1154 Abs. 1 BGB mit Übergabe des Hypothekenbriefs oder, wenn der Brief schon beim eingetragenen Schlussfinanzierer ist, gemäß §§ 1154 Abs. 1 S. 1,1117 Abs. 1 S. 2, 931 BGB zur Sicherung des Zwischenkredits übertragen. Bei der Buchhypothek ist dies hingegen mit Rücksicht auf die §§ 1192,1154 Abs. 3, 873 BGB nicht möglich, weil der Grundeigentümer als Inhaber der Eigentümergrundschuld im Grundbuch nicht eingetragen ist und daher die erforderliche grundbuchmäßige Übertragung auf den Zwischenfinanzierer am Voreintragungsgebot des § 39 GBO scheitert. Mit der Abtretung der Briefhypothek - richtigerweise: der Eigentümergrundschuld - zugunsten des Zwischenfinanzierers geht in der Regel die Abtretung des Darlehensauszahlungsanspruchs des Grundeigentümers gegen den Endfinanzierer einher, so dass dieser nach Anzeige der Abtretung den Darlehensbetrag unmittelbar dem Zwischenfinanzierer auszahlen kann, sich damit dessen Sicherungsinteresse erledigt und die Eigentümergrundschuld in der Person des Endfinanzierers zur Hypothek wird. 8.3.1.3

Übertragung der Hypothek

Die Hypothek ist grundsätzlich ein übertragbares Recht, allerdings nur nach Maßgabe der aus dem Prinzip der Akzessorietät folgenden Regeln. Aus dem akzessoritätsbedingten Primat der gesicherten Forderung ergibt sich, dass nicht die Hypothek, sondern nur die gesicherte Forderung übertragen werden kann; bei deren Übertragimg folgt die Hypothek als mitlaufendes Recht (§ 1153 BGB). Für die Hypothekenübertragung ist also grundsätzlich das allgemeine Recht der Forderungsübertragimg maßgeblich (§ 398 BGB), wobei dieses durch Besonderheiten des Hypothekenrechts modifiziert wird. Auf dieser Grundlage ergibt sich: Die Hypothek als akzessorisches Recht folgt der gesicherten Forderung (§ 1153 BGB), indem diese durch Einigung zwischen dem bisherigen und dem künftigen Forderungsinhaber über den Gläubigerwechsel abgetreten wird (§ 398 BGB). Dabei ist diese Abtretung in dem Sinne abstrakt, dass sie weder mit der bloßen Verpflichtung zur Forderungsübertragung gleichzusetzen ist, noch sie von der Existenz oder Wirksamkeit einer solchen bloß verpflichtenden Vereinbarung abhängt. Grundpfandrechtlich modifiziert wird die sonst allgemeinen Regeln folgende Abtretungsvereinbarung dadurch, dass die Abtretungserklärung des bisherigen Gläubigers in schriftlicher Form erteilt werden muss (§ 1154 Abs. 1 BGB) oder die Abtretung im

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Grundbuch einzutragen ist (§ 1154 Abs. 2 BGB), wobei letzteres bei Buchgrundpfandrechten als einzige Rechtsübertragungsform zugelassen ist (§ 1154 Abs. 3 BGB). Handelt es sich um ein Briefgrundpfandrecht, muss zu der schriftlichen Abtretungserklärung die Briefübergabe hinzutreten (§ 1154 Abs. 1 BGB). Auch wenn bei einem Briefgrundpfandrecht die privatschriftliche Erteilung der Abtretungserklärung genügt, empfiehlt sich doch gemäß § 1155 BGB die öffentliche Beglaubigung der Abtretungserklärung, weil eine derartig qualifizierte Kette von Abtretungserklärungen denselben Erwerbsschutz vermittelt, wie wenn die Zwischenerwerber durch jeweilige Eintragung der Abtretung im Grundbuch an dessen Gutglaubensschutzfunktion teilgenommen hätten. Auch im Abtretungswege ist der Erwerb einer fälschlich, d. h. von der wirklichen Rechtslage abweichend eingetragenen Hypothek durch einen in Bezug auf die verlautbarte Rechtslage Gutgläubigen. Besteht zwar die gesicherte Forderung zugunsten des abtretenden Gläubigers, ist jedoch die Hypothek als solche aus nicht forderungsbezogenen Gründen nicht wirksam in der Person des Gläubigers entstanden und dieser - mithin fälschlich - im Grundbuch als Hypothekengläubiger eingetragen, kann der Hypothekenerwerb zugunsten eines i. S. d. § 892 Abs. 1 BGB gutgläubigen Dritten mit der Forderungsabtretung stattfinden, wenn ein Widerspruch im Grundbuch nicht eingetragen war. Gleiches gilt gemäß §§ 1138,892 BGB, wenn die gesicherte Forderung als Gegenstand der Abtretung nicht besteht. Hier wird im Interesse des hypothekenbezogenen Gutglaubensschutzes, sofern nicht eine sogenannte Sicherungshypothek als Sonderform zur Sicherung des Eigentümerinteresses am Ausschluss eines gutgläubigen Hypothekenerwerbs durch Abtretung einer nicht existenten oder einredebehafteten Forderimg besonders vereinbart ist (§ 1184 BGB), zwecks Aufrechterhaltung des von dem Prinzip der Akzessorietät geprägten Funktionsbildes die Forderung zugunsten des gutgläubigen Hypothekenerwerbers abtretungshalber fingiert und damit rechtstechnisch der Hypothekenerwerb gemäß § 1153 BGB ermöglicht. § 1138 BGB fingiert die gesicherte Forderung allerdings nur beschränkt auf den Erwerb der Hypothek als solcher, ermöglicht aber nicht den Erwerb der nur begrenzt auf diesen Zweck fingierten Forderung; auf diese Weise entsteht eine Hypothek ohne gesicherte Forderung, so dass im Ergebnis eine Ausnahme vom strengen Grundsatz der Akzessorietät vorliegt. Ein solcher Fall gutgläubigen Hypothekenerwerbs kann, theoretisch betrachtet, häufig auftreten, weil aus dem Grundsatz der Akzessorietät der Hypothek folgt, dass objektiv eine Eigentümergrundschuld (§ 1177 BGB) besteht, soweit die Darlehens valuta noch nicht ausbezahlt wurde oder die Darlehensschuld bereits ganz oder teilweise zurückgezahlt ist (§ 1163 Abs. 1 BGB), obwohl das Grundbuch den Darlehensgläubiger als Hypo-

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thekengläubiger ausweist. Um den Grundeigentümer vor diesen Gefahren jedenfalls in der Phase bis zur Darlehensvalutierung zu schützen, gestattet § 1139 BGB dem Eigentümer bei einer Buchhypothek, binnen eines Monats nach Eintragung der Hypothek die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs mit rückwirkender Wirkung vereinfacht, nämlich ohne Eintragungsbewilligung des eingetragenen Hypothekars, zu betreiben. Bei der Briefhypothek kann der Grundeigentümer sich den gleichen Schutz dadurch verschaffen, dass er den Hypothekenbrief erst nach Valutierung übergibt (§ 1117 Abs. 1 BGB), so dass eine Abtretung zugunsten eines gutgläubigen Dritterwerbers an der Unmöglichkeit der dazu erforderlichen Übergabe des Hypothekenbriefs (§ 1154 Abs. 1 BGB) scheitert. 8.3.1.4

Tilgung und Erlöschen oder Übergang der Hypothek

Für das Verständnis des Hypothekenrechtes ist es unverzichtbar, neben dem Bestehen der Hypothek im eigentlichen Sinne, d. h. als einer einem Forderungsgläubiger zu Sicherungszwecken zustehenden Grundstücksbelastung, und dem vollständigen Erlöschen der Hypothek noch ein Drittes als rechtliche Möglichkeit einer Entwicklung der Hypothek in Betracht zu ziehen: Den Bestand der Hypothek als pfandrechtliche Grundstücksbelastung, aber in der Weise, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks selbst Inhaber des Grundpfandrechts wird; soweit der Hypothek alsdann eine gesicherte Forderung nicht zugrunde liegt, gilt sie aus Akzessorietätsgründen mangels Bestehens einer gesicherten Forderung konsequent als Eigentümergrundschuld (§ 1177 BGB). Diese rechtliche Lösung dient dazu, sachenrechtlich das Prinzip der festen Rangstelle zu sichern. Dies bedeutet, dass bei einer Mehrfachbelastung desselben Grundstücks gewährleistet ist, dass die Rangpositionen der anderen Grundstücksbelastungen sich nicht ohne weiteres - vorbehaltlich der Durchsetzung eines durch § 1179a BGB gewährten schuldrechtlichen Löschungsanspruchs nachrangiger Grundpfandgläubiger - infolge der rechtlichen Entwicklung der eingetragenen Hypothek ändert. Die Stabilisierung der jeweiligen Rangverhältnisse wiederum hat ihren wirtschaftlichen Sinn in dem in § 10 ZVG zutage tretenden Prinzip, dass Grundstücksbelastungen im Falle der Zwangsversteigerung des betroffenen Grundstücks nach Maßgabe ihres Ranges berücksichtigt werden und deshalb angestrebt werden muss, dass der wirtschaftliche Gehalt der jeweiligen Grundstücksbelastung stabil kalkulierbar bleibt. Die Geltung dieses Prinzips war schon beim Entstehen der Hypothek für den Fall feststellbar, dass die Hypothek zwar schon eingetragen war, jedoch die gesicherte Forderung noch nicht entstanden oder der Hypothekenbrief noch nicht übergeben war (vgl. Kap. 8.3.1.2).

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Ein Erlöschen der Hypothek zur Gänze hängt aus den genannten Gründen davon ab, dass sie als solche förmlich aufgehoben wird. § 875 BGB verlangt dazu die Aufgabeerklärung des Berechtigten sowie die Löschung im Grundbuch. Hingegen bewirkt nicht einmal die einfache Verzichtserklärung gemäß § 1168 BGB das Erlöschen der Hypothek; vielmehr geht sie auf den Grundstückseigentümer als neuen Inhaber über und wird in seiner Hand, da forderungsentkleidet, zur Eigentümergrundschuld. Die Tilgung des gesicherten Darlehens führt grundsätzlich nicht zum Erlöschen der Hypothek. Wenn und soweit der persönliche Schuldner die gesicherte Forderung tilgt, geht die Hypothek gemäß § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Grundeigentümer über und wird aus Akzessorietätsgründen, da nun keine gesicherte Forderung mehr besteht, in seiner Hand zur Eigentümergrundschuld, § 1177 Abs. 1 BGB. In diesem Fall können jedoch die Inhaber nachrangiger Grundpfandrechte gemäß § 1179a BGB von dem Grundeigentümer die nach § 875 BGB zu vollziehende Aufhebung der Eigentümergrundschuld verlangen. Es handelt sich um einen gesetzlichen, kraft Gesetzes vormerkungsgesicherten (§ 1179a Abs. 1 Satz 3 BGB) und daher mit Drittwirkung (§§ 883 Abs. 2, 888 Abs. 1 BGB) und Insolvenzschutz (§ 883 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 106 Abs. 1 InsO) ausgestatteten Anspruch schuldrechtlicher Natur, der die entstandene Eigentümergrundschuld erst dann zum Erlöschen bringt, wenn der Löschungsanspruch schließlich in sachenrechtlicher Form durchgesetzt ist. Dies führt allerdings im praktischen Ergebnis zur Beseitigung des Prinzips der festen Rangstelle, weil die nachrangigen Grundpfandgläubiger im Rang aufrücken, sobald die Aufhebung vollzogen ist. Rechtskonstruktiv und praktisch ist allerdings wesentlich, dass sich die Rangverbesserung mittels Aufhebung der Hypothek nicht selbsttätig von Rechts wegen mit der Tilgung der gesicherten Forderung vollzieht, sondern von den nachrangigen Grundpfandgläubigern lediglich schuldrechtlich verlangt werden kann und eines selbstständigen Verfügungsaktes des Grundeigentümers in seiner Eigenschaft als Grundschuldinhaber bedarf. Ist der Eigentümer des mit der Hypothek belasteten Grundstücks nicht zugleich Schuldner der hypothekarisch gesicherten Forderung und leistete er auf diese Zahlung, was ihm zur Bewahrung seiner Eigentümerposition der Hypotheken- und Forderungsgläubiger gemäß §§ 1142,268 BGB nicht verweigern kann, so geht die hypothekarisch gesicherte Forderung kraft Gesetzes gemäß § 1143 Abs. 1 BGB auf den vom persönlichen Schuldner verschiedenen Grundeigentümer über und mit ihr aus Akzessorietätsgründen gemäß § 1153 BGB bzw. §§ 412,401 BGB die diese Forderung sichernde Hypothek. Da die Hypothek weiterhin der Sicherung einer Forderimg dient, ist sie echte Hypothek in der Hand des Grundeigentümers (§ 1177 Abs. 2 BGB). Zahlt ein Dritter gemäß § 1150 BGB, der weder persönlicher Schuldner noch Eigentümer des hypothekarisch belasteten Grundstücks

668

8

Baukreditsicherungsrecht

ist, tritt dieselbe Rechtswirkung ein. Die gesicherte Forderung geht gemäß §§ 1150, 268 Abs. 3 BGB zu Rückgriffszwecken auf ihn über, und die Hypothek folgt akzessorisch gemäß § 1153 BGB bzw. §§ 412,401 BGB als echte Fremdhypothek. 8.3.1.5

Verteidigung gegen die Hypothekenklage

Wird ein Grundstückseigentümer hypothekenrechtlich gemäß § 1147 BGB auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen, so ist praktisch bedeutsam, in welcher Weise und mit welchem Erfolg er sich gegen diesen Anspruch verteidigen kann. Die Verteidigungsmittel und die anderen Erfolgsaussichten richten sich nach den vorgenannten materiellen Regeln des Hypothekenrechts. Sie sind im Folgenden übersichtsweise in einem Schema zusammengefasst, das das materielle Hypothekenrecht in seinem prozessualen Zusammenhang wiedergibt. Zum Verständnis der Verteidigungsmittel des Grundeigentümers sind dabei folgende drei Kategorisierungen erforderlich: •

Zunächst sind Einwendungen und sog. Einreden zu unterscheiden. Einwendungen sind Tatsachen zur Substantiierung einer Rechtsnorm, die geeignet sind, den geltend gemachten Anspruch von Rechts wegen von Anbeginn - sog. rechtshindernde Einwendungen - oder von einem späteren Zeitpunkt an - sog. rechtsvernichtende Einwendungen - auszuschließen. Einreden sind hingegen bloße Leistungsverweigerungsrechte, also Befugnisse, trotz materiellen Fortbestehens des geltend gemachten Anspruchs dessen Erfüllung auf Dauer - sog. peremptorische Einreden - oder zeitweise - sog. dilatorische Einreden - zu verweigern.



Im Hypothekenrecht ist sowohl bei den Einwendungen als auch bei den Einreden ferner danach zu differenzieren, ob diese die Hypothek immittelbar, d. h. deren eigentliche sachenrechtliche Seite im engeren Sinne betreffen, oder ob unmittelbar die gesicherte Forderung affiziert wird und daher aus Akzessorietätsgründen die Hypothek nur mittelbar mitbetroffen ist.



Schließlich ist wegen der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs der Hypothek durch einen Rechtsnachfolger des ersten eingetragenen Hypothekengläubigers danach zu unterscheiden, ob sich der in Anspruch genommene Grundeigentümer gegenüber dem ursprünglich eingetragenen Hypothekengläubiger oder gegenüber einem Rechtsnachfolger verteidigt.

Unter Berücksichtigung dieser Differenzierungen ergibt sich die folgende Übersicht der Verteidigungsmöglichkeiten, wobei wichtige praktische Beispiele dem Schema entnommen werden können:

8 Baukreditsicherungsrecht

^^.Verteidigungen

Einwendungen = unmittelbar rechtsausschließend

Einreden = Leistungsverweigerungsrecht

Beispiel:

Beispiel:

669

gegenüber

unmittelbar der

Mangel der dinglichen Einigung (§

Einrede der Stundung der

Hypothek

873 BGB) oder weiterer sachen-

Hypothekenhaftung

(dingliche Seite)

rechtlicher Erwerbsvoraussetzungen; ζ. B. Geschäftsunfähigkeit, fehlende Briefübergabe

1.

ursprünglicher

uneingeschränkt

uneingeschränkt

grundsätzlich ja, aber Einwen-

grundsätzlich ja (§ 1157 S. 1

dungsausschluss nach § 892 BGB

BGB), aber Einredeausschluss

möglich

gem. §§ 1157 S. 2,892 BGB

Hypothekengläubiger 2. Rechtsnachfolger

möglich der gesicherten Forderung

Beispiel:

Beispiel:

Forderung nicht entstanden oder

Einrede der Stundung der gesi-

erloschen

cherten Forderung Erweiterung: Anfechtbarkeit, Aufrechenbarkeit (§§ 1137,770 BGB)

1.

2.

ursprünglicher

uneingeschränkt, vgl. § 1163 BGB

uneingeschränkt, § 1137;

Hypothekengläu-

Ausnahme: Verjährung §§ 1137

biger

Abs. 1 S. 2 BGB

Rechtsnachfolger

grundsätzlich ja, aber Einwen-

grundsätzlich ja, aber Einrede-

dungsausschluss nach §§ 1138,892

ausschluss nach §§ 1138,892

BGB möglich (Fiktion der gesicher-

BGB möglich (Fortfall der Ein-

ten Forderung beschränkt auf den

reden beschränkt auf die Hypo-

Zweck des Hypothekenerwerbs);

thek); bei Sicherungshypothek,

bei Sicherungshypothek, §§ 1184 f.

§§ 1184 f. BGB, ist § 1138 BGB

BGB, ist § 1138 BGB unanwendbar

unanwendbar

Tabelle 7: Übersicht der Verteidigungsmöglichkeiten

670

8

8.3.2

Die (Sicherungs-)Grundschuld

8.3.2.1

Baukreditsicherungsrecht

Wesen und Zweck

In der Praxis überwiegt auch bei der Baugeldsicherung die Grundschuld als grundpfandrechtliches Sicherungsmittel eindeutig die Hypothek. Dies hat seinen Grund sowohl in der sehr weitgehenden funktionalen und rechtstechnischen Übereinstimmung mit der Hypothek, deren Vorteile sie daher teilt, als auch in spezifischen Unterschieden, die für den Sicherungsnehmer vorteilhaft sind. Übereinstimmung und Unterschiede im Verhältnis von Grundschuld und Hypothek werden schon beim Vergleich der Elementarvorschrift des Grundschuldrechts, § 1191 BGB, mit der Basisregel des Hypothekenrechts, § 1113 BGB, deutlich. Dabei zeigt sich als einziger charakteristischer Unterschied, dass bei der Grundschuld nicht wesensgemäß sachenrechtlich vorausgesetzt und gefordert wird, dass diese zur Sicherung einer Forderung dient; die Grundschuld ist in diesem Sinne „abstrakt". Die Grundschuld hat folglich mit der Hypothek insbesondere gemeinsam, dass sie als Belastung eines Grundstücks konzipiert ist. Auch sie untersteht damit den allgemeinen Regeln über Grundstücksrechte (§§ 873 ff. BGB), und sie stellt ein „dingliches", d. h. ein bestimmtes Objekt als solches belastendes Recht dar. Die Grundschuld ist grundsätzlich rechtsnachfolgefest im Verhältnis zu jedem künftigen Inhaber des belasteten Objekts und bedarf deshalb auch der Publizierung im Grundbuch. Ferner teilt die Grundschuld mit der Hypothek den Rechtsinhalt, einen Anspruch auf Zahlung aus dem Grundstück zu geben. Der praktische Inhalt dieses Anspruchs wird auch hier durch § 1147 BGB dahingehend interpretiert, dass der Inhaber des belasteten Rechts die Zwangsvollstreckung in dieses zu dulden habe; die prozessuale Durchsetzung entspricht grundsätzlich dem beim Hypothekenrecht Geltenden (vgl. Kap. 8.3.1.2). Der Verzicht, die Grundschuld von Gesetzes wegen als ein Recht zur Sicherung einer Forderung zu definieren, hat hingegen im Unterschied zur Hypothek die Folge, dass die Grundschuld als solche nicht akzessorisch ist. Diese Abstraktheit wirkt sich insbesondere beim Entstehen, bei der Übertragung und beim Erlöschen bzw. bei der Tilgung einer Forderung, zu deren Sicherung eine Grundschuld eingesetzt wird, dahingehend aus, dass die Grundschuld als solche mangels unmittelbaren rechtlichen Bezugs zu einer zu sichernden Forderung sachenrechtlich unberührt bleibt; insbesondere gelten grundsätzlich die § 1153,1163 Abs. 1 BGB nicht. Aus der fehlenden Akzessorietät ergibt sich nicht nur, dass von Rechts wegen eine Grundschuld zugunsten eines Dritten isoliert bestellt werden kann, um andere als Siehe-

8 Baukreditsicherungsrecht

671

rungszwecke zu erfüllen; dies kann beispielsweise zur Abwicklung von Erbauseinandersetzungen oder der Abfindimg bei gesellschaftsrechtlichen Reorganisationen dienen. Vielmehr kann der Eigentümer eines Grundstücks auch für sich selbst eine Grundschuld am eigenen Grundstück gemäß §§ 1196 f. BGB bestellen. Dies hat neben dem Vorteil der Rangwahrung im eigenen Interesse oder im Interesse eines späteren Gläubigers den Vorzug, dass bei einer Bestellung als Eigentümerbriefgrundschuld deren Übertragung außerhalb des Grundbuchs möglich ist und auf diese Weise die aktuelle Inhaberschaft der Grundschuld sowie das dahinterstehende Sicherungsinteresse nicht offenbart werden muss. In der Praxis überwiegen allerdings die Grundschulden zur Sicherung einer Forderung; die durch diesen Zweck charakterisierten Grundpfandrechte werden Sicherungsgrundschulden genannt. Hinsichtlich ihres praktischen Einsatzfeldes konkurrieren sie folglich mit der Hypothek. Die Dominanz der Sicherungsgrundschuld gegenüber der Hypothek in der Praxis hat gerade im Fehlen der Akzessorietät ihren wesentlichen Grund. Da die Grundschuld als solche von der gesicherten Forderung unabhängig ist, ist ihr Bestand für den Grundschuldgläubiger von weniger rechtlichen Voraussetzungen abhängig und daher materiellrechtlich sicherer und folglich prozessual leichter darzulegen. Vor allem passt sie sich wechselnden Kreditbedingungen, wie sie insbesondere bei Kontokorrentverhältnissen zur Sicherung von laufenden Geschäftskrediten vorkommt, durch ihre Abstraktheit ohne weiteres an. Schließlich ist es vorteilhaft, dass die Grundschuld als Recht, das die Zahlung einer bestimmten Geldsumme aus dem Grundstück gewährleistet, ohne weiteres eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ermöglicht. Für die Sicherungsgrundschuld ist charakteristisch, dass der Zweck, eine anderweit begründete Geldforderung zu sichern, anders als bei der Hypothek außerhalb der sachenrechtlichen und daher das Grundpfandrecht unmittelbar betreffenden Ebene erheblich ist; dieser Zweck hat nämlich bei ihr nur mittelbare, schuldrechtliche Wirkung zwischen den Beteiligten. Während bei der Hypothek der Sicherungszweck durch das Rechtsprinzip der Akzessorietät unmittelbar und von Rechts wegen zur Verbindung der Hypothek, des Sicherungsmittels, mit der gesicherten Forderung, also dem Sicherungsbedarf, führt, ohne dass es dazu weiterer Maßnahmen der Beteiligten bedarf, muss hier die rechtliche Verbundenheit von einerseits Sicherungsmittel, der Grundschuld, und andererseits Sicherungsbedarf, der zu sichernden Forderung, durch einen dritten Rechtsakt eigens vertraglich hergestellt werden. Dieses dritte rechtliche Instrument neben Grundschuld und gesicherter Forderung ist der Sicherungsvertrag, auch Sicherungszweckabrede oder ähnlich genannt, der bzw. die nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit (§§ 241 Abs. 1, 311

672

8 Baukreditsicherungsrecht

Abs. 1 BGB) formfrei zulässig ist und auch nicht explizit abgeschlossen werden muss. Gegenstand des Sicherungsvertrags als solchen ist es, durch Vertragsabrede den wirtschaftlichen Zweck der Grundschuld, eine Forderung zu sichern, in der Weise zum Gegenstand einer rechtlichen Regelung zwischen den Beteiligten zu machen, dass sich der Grundschuldinhaber schuldrechtlich, d. h. intern zwischen den Vertragsparteien wirkend, verpflichtet, von dem ihm nach den eigentlichen grundschuldrechtlichen Regelungen an sich ohne weiteres zustehenden Recht gemäß § 1147 BGB, die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu verlangen, nur in bestimmter, eingeschränkter Weise Gebrauch zu machen. Dazu gehört, die Grundschuld nur einzufordern, wenn die gesicherte Forderung nicht ordnungsgemäß getilgt wird, und die Grundschuld auf den Inhaber des belasteten Objekts oder einen von ihm benannten Dritten zu übertragen oder nach dessen Wahl löschen zu lassen, wenn sich der Sicherungszweck erledigt hat. Der Sicherungsvertrag bzw. die Sicherungszweckabrede ersetzt daher funktional als Inhalt einer Parteiverabredung die Wirkungen, die bei der Hypothek das Prinzip der Akzessorietät unmittelbar von Rechts wegen ohne zusätzliche Vereinbarung eintreten lässt. 8.3.2.2

Begründung der Grundschuld

Das Entstehen der Grundschuld folgt denselben Regeln wie das Hypothekenrecht, ist aber mangels Akzessorietät der Grundschuld einfacher. Gemäß § 873 BGB ist die Einigimg zwischen dem Inhaber des zu belastenden Rechts, also in der Regel dem Grundstückseigentümer, Wohnungseigentümer oder Erbbauberechtigten, und dem Erwerber der Grundschuld darüber nötig, dass die Grundschuld in einer bestimmten Höhe und ggf. einem bestimmten Zinssatz entstehe, und die nach den Regeln der Grundbuchordnung zu vollziehende Eintragung der Grundschuld im Grundbuch. Dies genügt für das Entstehen einer Grundschuld in der Hand eines Dritten, wenn die Beteiligten vertraglich eine Buchgrundschuld bestellt, also die Erteilung eines Grundschuldbriefes ausgeschlossen haben. Soll es hingegen beim gesetzlichen Normalfall der Briefgrundschuld bleiben, entsteht diese als Recht in der Hand des als Grundschuldgläubiger Eingetragenen gemäß §§ 1192,1163 Abs. 2 BGB erst mit Übergabe des Grundschuldbriefes an diesen; bis zu diesem Zeitpunkt handelt es sich um eine Eigentümergrundschuld. Auf das Entstehen der zu sichernden Forderung kommt es für das Entstehen einer echten Grundschuld nicht an; mangels Akzessorietät gibt es keinen Wirksamkeitsverbund zwischen Grundschuld und gesicherter Forderung. Aus dem Sicherungsvertrag ergibt sich jedoch, dass die Grundschuld von Anbeginn nicht geltend gemacht werden darf und ggf. auf den Eigentümer des belasteten Grundstücks zu übertragen oder zu löschen ist, wenn und soweit sich von Anbeginn herausstellt, dass die gesicherte Forderung nicht

8 Baukreditsicherungsrecht

673

entstehen kann. Vor allem ergibt sich aus dem Sicherungsvertrag, dass die Grundschuld nicht geltend gemacht werden kann, soweit und solange die gesicherte Forderung noch nicht entstanden ist oder aber der gesicherte Kredit ordnungsgemäß zurückgezahlt wird. 8.3.2.3

Übertragung der Grundschuld

Aus der Nichtakzessorietät der Grundschuld folgt, dass diese unabhängig von der Forderimg übertragen wird. Die Grundschuldübertragung geschieht gemäß §873 BGB durch Einigung über den Inhaberwechsel zwischen dem bisherigen Berechtigten und dem Erwerber; hat sich der Erwerber mit einem objektiv Nichtberechtigten geeinigt, der aber als Berechtigter im Grundbuch eingetragen ist, kann er gemäß § 892 BGB die Grundschuld vom Nichtberechtigten erwerben, wenn ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs nicht eingetragen und der Erwerber bezüglich der Berechtigung des fälschlich Eingetragenen gutgläubig war. Dabei muss der bisherige Inhaber der Grundschuld seine Übertragungserklärung in schriftlicher Form erteilen, §§ 1192, 1154 BGB, oder die Eintragimg des Gläubigerwechsels im Grundbuch herbeiführen; letzteres ist bei einer Buchgrundschuld zwingend. Bei einer Briefgrundschuld erfordert der Inhaberwechsel überdies die Übergabe des Grundschuldbriefs, §§ 1192,1154 BGB. Die gesicherte Forderung wird nach ihren eigenen Regeln übertragen, d. h. grundsätzlich gemäß § 398 BGB durch formfreie Einigimg zwischen ihrem bisherigen Inhaber und dem Erwerber über den Gläubigerwechsel. Mangels Akzessorietät ist sie nicht kraft Gesetzes mit der Grundschuld verbunden. Aus der wechselseitigen Unabhängigkeit von Grundschuld- und Forderungsübertragung kann daher das Problem der getrennten Rechtsübertragungen mit der Konsequenz folgen, dass eine materiell unberechtigte, da doppelte Inanspruchnahme einerseits aus der Grundschuld und andererseits aus der Forderung wegen desselben wirtschaftlichen Interesses droht. Dieses Risiko kann präventiv ausgeschlossen werden, indem sowohl die Wirksamkeit der Forderungs- wie der Grundschuldübertragung von der Zustimmung des jeweiligen Schuldners abhängig gemacht wird, § 399,2. Alt. BGB. Ist diese sog. Vinkulierung von Forderung oder Grundschuld unterblieben, ist dennoch eine Verteidigung gegen die Gefahr doppelter Inanspruchnahme möglich. Gegenüber dem neuen Gläubiger der gesicherten Forderung kann deren Schuldner gemäß § 404 BGB die ihm gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger zustehende Einwendung aus dem Sicherungsvertrag entgegenhalten, dem zu entnehmen ist, dass er die Leistung auf die Forderung verweigern darf, wenn nicht die Grundschuld Zug um Zug gegen die Begleichung der gesicherten Forderung aufgehoben oder auf ihn übertragen wird; insoweit gibt es, wie grundsätzlich im Recht der Forderungsabtretung, keinen Gutglaubensschutz zu-

674

8 Baukreditsicherungsrecht

gunsten des Neugläubigers. Im Verhältnis zum neuen Grundschuldinhaber kann der in Anspruch genommene Eigentümer gemäß §§ 1192,1157 BGB als Verteidigung die Einrede erheben, dass er gemäß Sicherungsvertrag auf die Grundschuld nur gegen Befreiung von der Forderung leisten müsse; insoweit kann jedoch gemäß den §§ 1192,1157 S. 2,892 BGB ein gutgläubig-einredebefreiter Grundschulderwerb in der Person des neuen Inhabers stattfinden. 8.3.2.4

Tilgung und Erlöschen oder Übergang der Grundschuld

Die Zahlung auf die Sicherungsgrundschuld oder die gesicherte Forderung löst wegen der Nichtakzessorietät der Grundschuld vom Hypothekenrecht abweichende Rechtsfolgen aus. Dabei kommt es darauf an, ob auf die Sicherungsgrundschuld oder auf die gesicherte Forderung gezahlt wird; dies wiederum hängt auch davon ab, ob Grundschuldschuldner und persönlicher Schuldner identisch oder personenverschieden sind. Zahlt der aus der Grundschuld als solcher verpflichtete Inhaber des belasteten Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts auf die Grundschuld, geht diese nach herrschender Ansicht analog § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB unmittelbar ipso iure auf ihn über. Wird hingegen auf die gesicherte Forderung gezahlt, entsteht aufgrund des Sicherungsvertrages lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung bzw. Aufhebung der Grundschuld, der der Erfüllung nach den sachenrechtlichen Regeln über die Grundschuldübertragung bzw. Grundschuldaufhebung bedarf. Es kommt daher darauf an, ob auf die Grundschuld oder auf die gesicherte Forderung geleistet wird. Dabei sind folgende Konstellationen zu unterscheiden: •

Sind persönlicher Schuldner und Grundschuldschuldner identisch, wird der Gegen-stand der Zahlung primär durch Parteivereinbarung bestimmt - meist wird Zahlung auf die Forderung vereinbart -; mangels einer solchen Vereinbarung kommt es sekundär auf die Zahlungsbestimmung des Schuldners an. Fehlt auch diese, gilt schließlich eine mehrfach differenzierte Lösung. Liegt eine Rahmenbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner in dem Sinne vor, dass die Grundschuld Sicherungszwecke für wechselnde Kredite in einer längeren Geschäftsbeziehung erfüllen soll, ist von der Zahlung auf die Forderung auszugehen, da die Grundschuld als Sicherungsrahmen in der Hand des Gläubigers bestehen bleiben soll. Liegt ein Anlagekredit vor, bei dem es um die Finanzierung eines bestimmten Objektes geht - so verhält es sich bei Baukrediten in der Regel -, kommt es wiederum darauf an, ob die Tilgung durch einen einmaligen Akt oder durch periodische Zahlung geschieht. Bei einmaliger Tilgung wird sowohl auf die Forderung als auch auf die Grundschuld gezahlt mit der Konsequenz, dass diese analog § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB dinglich auf den Inhaber des

S Baukreditsicherungsrecht

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mit der Grundschuld belasteten Grundstücks übergeht. Wird hingegen periodisch gezahlt, gelten die Zahlungen als solche auf die Forderung; je nach Regelung im Sicherungsvertrag ist daher die Grundschuld teilweise oder aber, wie in der Regel, erst nach vollständiger Tilgimg zu übertragen bzw. aufzuheben. •

Leistet der aus der Grundschuld Verpflichtete, der nicht mit dem Schuldner der gesicherten persönlichen Forderung identisch ist, zahlt er vorbehaltlich abweichender Parteivereinbarung oder seiner abweichenden Bestimmimg, was praktisch kaum vorkommt, auf die Grundschuld; die Grundschuld geht dann analog § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB auf ihn über. Die gesicherte Forderung folgt nicht kraft Gesetzes, da die Grundschuld abstrakt ist; statt dessen hat er gegen deren Inhaber einen Anspruch auf Abtretung aus der Sicherungsabrede.



Leistet der persönliche Schuldner, der nicht zugleich Grundschuldschuldner ist, so zahlt er grundsätzlich auf die gesicherte Forderung; diese erlischt gemäß § 362 Abs. 1 BGB. Damit entsteht aufgrund des Sicherungsvertrages je nach dem Maß der Forderungstilgung, jedenfalls vollständig erst mit gesamter Tilgung der gesicherten Forderung ein Anspruch auf Rückübertragung der Sicherungsgrundschuld, und zwar im Falle eines zwischenzeitlichen Schuldnerwechsels an den Partner des seinerzeitigen Sicherungsvertrags, wenn nicht der Rückübertragungsanspruch

anlässlich des

Schuldnerwechsels im Verhältnis zwischen bisherigem und neuem Schuldner abgetreten wurde. 8.3.2.5

Verteidigung gegen die Grundschuldklage

Für die Verteidigung gegen die Grundschuldklage gilt das zur Hypothek Ausgeführte sinngemäß (Vgl. Kap. 8.3.1.5), soweit sich nicht aus der Abstraktheit der Grundschuld und der Substituierung des Akzessorietätsprinzips durch den Sicherungsvertrag Abweichendes ergibt. Insbesondere gilt auch hier die Kategorisierung nach Einwendung und Einrede sowie danach, ob deren Vorbringen unmittelbar gegen die Grundschuld oder gegenüber die durch die Sicherungsgrundschuld gesicherte Forderimg gerichtet ist, ferner danach, ob die Verteidigungsmittel gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger oder einem Rechtsnachfolger geltend gemacht werden. Auf dieser Grundlage ergibt sich die folgende schematische Übersicht:

676

8 Baukreditsicherungsrecht

^^~-~~yerteidigungen

Einwendungen

Einreden

Beispiel:

Beispiel:

Mangel der dinglichen Ei-

Einrede der Stundung der

nigung (§ 873 BGB) oder

Hypothekenhaftung

gegenüber immittelbar der Grundschuld (dingliche Seite)

weiterer sachenrechtlicher Erwerbsvoraussetzungen; ζ. B. Geschäftsunfähigkeit, fehlende Briefübergabe 1. ursprünglicher

uneingeschränkt

uneingeschränkt

grundsätzlich ja, aber Ein-

grundsätzlich ja (§§ 1192,

wendungsausschluss nach

1157 S . l BGB), aber Ein-

§ 892 BGB möglich

redeausschluss gem.

Gläubiger 2. Rechtsnachfolger

§§ 1192,1157 S. 2,892 BGB möglich der gesicherten Forderung

Beispiel: NichtValutierung der zu sichernden Forderung, Schuldtilgung, mangelnde Fälligkeit der gesicherten Forderung. Einwendungen und Einreden sind aufgrund des Sicherungsvertrages Einreden gegen die Grundschuldhaftung; folglich gelten die auf Einreden unmittelbar gegenüber der Grundschuld anzuwendenden Regeln (§§ 1192,1157 BGB), s.o.

Tabelle 8: Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Grundschuldklage 8.3.3

Prozessuales zu den Grundpfandrechten

Die prozessualen Grundlagen und Folgen der Grundpfandrechte betreffen zum einen den Erwerb von Hypothek und Grundschuld, zum anderen die Durchsetzung der aus ihnen erwachsenen Ansprüche.

8 Baukreditsicherungsrecht

8.3.3.1

677

Erwerb von Grundpfandrechten

Hinsichtlich des Erwerbs von Grundpfandrechten kommt neben ihrer freiwilligen rechtsgeschäftlichen Gewährung nach den o.g. sachenrechtlichen Regeln der zwangsweise Erwerb in Betracht. Zunächst kann aus der schuldrechtlichen, formfrei wirksamen Vereinbarung, eine Hypothek oder Grundschuld zu bestellen, auf Erfüllung durch Vornahme des entsprechenden Verfügungsgeschäfts nach Maßgabe der hier dargestellten sachenrechtlichen Regeln geklagt werden. Soweit dazu die Abgabe von Willenserklärungen des Schuldners nach Maßgabe des § 873 BGB nötig ist, werden diese mit Rechtskraft des zu deren Abgabe verpflichtenden Urteils gemäß § 894 ZPO fingiert, so dass die erforderliche dingliche Einigung über das Entstehen des Grundpfandrechts und die Eintragungsbewilligung bewirkt werden. Gleiches gilt, wenn der Anspruch auf Bestellung eines Grundpfandrechts statt auf rechtsgeschäftlicher Vereinbarung darauf beruht, dass das Gesetz einen Anspruch auf eine Grundpfandrechtsbestellung gibt; wichtigster Fall ist der Anspruch auf Bestellung einer Sicherungshypothek zum Schutz von Bauwerkunternehmern gemäß § 648 BGB (dazu eingehend Kap. 8.4.3.2). Ferner kann eine Hypothek im Zuge der Vollstreckung einer Geldforderung als Zwangshypothek gemäß §867 ZPO erworben werden; mit deren Eintragung entsteht eine dem allgemeinen bürgerlichen Recht unterliegende Sicherungshypothek zur Sicherung der titulierten Forderung, auf deren Grundlage die Zwangsvollstreckung betrieben wurde. Schließlich kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherung eines Geldinteresses eine Arresthypothek gemäß §§ 916 ff. ZPO gerichtlich erwirkt und eingetragen werden, die als Sicherungshypothek ähnlich wie die Zwangshypothek der Sicherung des dem angeordneten Arrest zugrunde liegenden Geldanspruchs dient. 8.3.3.2

Durchsetzung erworbener Grundpfandrechte

Hinsichtlich der prozessualen Rechtsfolgen haben beide Grundpfandrechte zum Inhalt, dass eine auf diese gestützte Klage gemäß § 1147 BGB gleichermaßen zu einem Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung führt. Ein solcher kann unmittelbar rechtsgeschäftlich auch ohne Klage erreicht werden, wenn über das Grundpfandrecht eine vollstreckbare Urkunde gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO in notarieller Form ausgestellt wurde, die bei Weiterveräußerung des Belastungsgegenstands gemäß § 800 ZPO auch gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts wirken kann. Aufgrund eines der vorgenannten Titel findet die Einzelvollstreckung statt, wobei die Grundstücksbelastungen gemäß § 10 ZVG grundsätzlich nach Rang befriedigt werden. Der Rang bestimmt sich nach den §§ 879 ff. BGB. Hat das Grundpfandrecht einen Rang

678

8 Baukreditsicherungsrecht

vor dem Recht, aus dem die Versteigerung betrieben wird, so ist es grundsätzlich gemäß §§ 44 ff. ZVG im sogenannten geringsten Gebot zu berücksichtigen und wird vom Ersteher als fortwirkende Belastung unter Abzug von seinem Preisgebot übernommen. Ist hingegen die Belastung relativ zu dem Recht, aufgrund dessen die Versteigerung betrieben wird, nachrangig, erlischt es mit dem Zuschlag an den Ersteher als Grundstücksbelastung und setzt sich ranggleich am Erlös als Surrogat fort, aus welchem die Belastungen der Rangfolge gemäß an die jeweiligen Berechtigten auszuzahlen sind. Bleibt ein Erlösüberschuss, steht dieser dem bisherigen Eigentümer des Grundstücks zu; genügt der Erlös nicht zur Deckung der nachrangigen Grundstücksbelastungen, haftet der persönliche Schuldner in Höhe des Ausfalls fort. Im Insolvenzfall haben die Grundpfandrechtsgläubiger ein Recht auf abgesonderte Befriedigung gemäß § 49 InsO; sie können also die Grundstücksverwertung unabhängig vom Insolvenzverfahren betreiben. Soweit die Grundstücksverwertung das gesicherte Interesse nicht befriedigt, bleibt die Anmeldung des verbleibenden offenen Geldanspruchs als einfache Insolvenzforderung möglich.

8.4 Die Sicherung des Vergütungsanspruchs des Bauwerksunternehmers 8.4.1

Problemstellung

Der Zahlungsanspruch des Werkunternehmers verdient besonderen Schutz unmittelbar durch das Gesetz. Dafür sprechen nicht nur allgemeine unternehmenspolitische und damit auch arbeitspolitisch-soziale Gründe des Schutzes von Betrieben vor einer Insolvenz infolge von Schuldnerausfällen; eine solche Sicherung ist nämlich bei allen Unternehmen ein Anliegen, und dennoch überlässt das Recht die Sicherung in den meisten Fällen der privatautonomen Vereinbarung. Beim Werkunternehmer hingegen spricht für einen besonderen Schutz kraft Gesetzes auch das Gebot ausgleichender Gerechtigkeit. Mehrere Gründe sind dafür anzuführen: Beim Werkunternehmer ist im Vergleich zu anderen Gläubigern, insbesondere zu Verkäufern, vor allem das Besondere, dass das Gesetz selbst den Unternehmer zunächst ungewöhnlich schutzlos stellt: Indem die Werklohnfälligkeit von der Werkabnahme abhängig gemacht wird, wird nämlich der sonst bei Austauschverträgen geltende Grundsatz der Zug-um-Zug-Abwicklung (§ 320 BGB) durch eine Vorleistungspflicht des Unternehmers

(§ 641

BGB)

verdrängt;

rechtlich

betrachtet

beruht

dies

auf

der

Erfolgsbezogenheit des Werkvertrags, und unter praktisch-wertendem Gesichtspunkt darauf, dass dem Besteller zuvor die Prüfung der Werkqualität ermöglicht und ihm nicht das Risiko der Bauunternehmensinsolvenz aufgebürdet werden soll. Bis zur Abnahme,

8 Baukreditsicherungsrecht

679

d. h. der Billigung des Werks als im wesentlichen vertragsgerecht, hat aber der Unternehmer bereits erhebliche Aufwendungen investiert. Diese sind überdies dem Bodeneigentümer, in der Regel also dem Besteller, als Sachleistung durch die Rechtssätze über den gesetzlichen Eigentumsübergang durch Verbindung von beweglichen Sachen mit Grundstücken (§§ 946, 93 BGB) oder - bei Arbeitsleistungen - wegen der Natur der Sache nicht nur rechtlich bzw. praktisch unabänderlich durch das Faktum des Einbaus als sein Eigentum zugute gekommen. Vielmehr kann der vorleistende Unternehmer wegen derselben Rechtssätze über die Verbindung und wegen des Prinzips, dass das Eigentum an den Aufbauten vom Bodeneigentum grundsätzlich nicht getrennt werden kann, auch keine unmittelbare Sicherung an seinem Leistungsobjekt als solchem erwerben oder sich vorbehalten, obwohl das Objekt der Wertschöpfung im Bestellervermögen gegenständlich identifizierbar ist. Wegen dieser besonderen, von der üblichen zivilrechtlichen Lage abweichenden Konstellation verdient der Unternehmer Schutz bereits kraft Gesetzes, weil ihn das Gesetz selbst unausweichlich in ebendiese ungewöhnlich missliche Ausgangslage gebracht hat. 8.4.2

Lösungsvorrat

Der mithin rechtspolitisch gebotene Werkunternehmerschutz kraft Gesetzes lässt sich rechtskonstruktiv auf verschiedenen Wegen erreichen. Es bietet sich - schlagwortartig zusammengefasst - folgender Lösungsvorrat an: vorgezogene Fälligkeitsstellung der Werklohnförderung oder von Teilen davon, grundpfandrechtlicher Schutz mit Hilfe der zur Sicherung von Baugeldgebern bekannten Rechtsfiguren, oder Sicherung der Baukreditweiterleitung vom Baugeldgeber bis zum Werkunternehmer unter Vermeidung von Begünstigungen Dritter mittels des Baugeldes durch das Zahlungsverhalten des Bauherrn. Das Gesetz und auch die Praxis verwenden alle diese Sicherungsmittel. Sie sind historisch gewachsen, aber nicht - wie sie im Folgenden dargestellt werden - systematisch entwickelt. Folglich stehen die Sicherungsmodelle sich in der Regel wechselseitig unberührt lassend nebeneinander; sie bieten je eigene Vor- und Nachteile. Insgesamt ergibt sich das Bild einer heterogenen Gemengelage, bei dem erst die Zusammenschau aller rechtlichen Möglichkeiten die wirtschaftlichen Chancen für eine Werkunternehmersicherung, aber auch deren Grenzen deutlich macht. Bei Vorwegnahme einer Gesamtbewertung kann dabei festgestellt werden, dass der Schutz des Bauunternehmers rechtlich weniger vollkommen als die Sicherung der Baugeldgeber gelungen ist.

680

8

8.4.3

(Quasi-)Normative Lösungen

8.4.3.1

Baukreditsicherungsrecht

Vorgezogene Fälligsteilling

Gewissermaßen das direkte Mittel des Werkunternehmerschutzes ist die Modifizierung der in § 641 Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehenen Fälligkeitsstellung, die die primäre Ursache für die Überbürdimg des Insolvenzrisikos ist; positiv formuliert, die Lösung setzt bei der ratenweisen Zahlbarkeitsstellung nach Baufortschritt an. Damit wird der Vorleistungseffekt zum Vorteil des Bauwerkunternehmers verringert, wenngleich nicht beseitigt. § 641 Abs. 1 Satz 2 BGB ermöglicht seit alters eine Risikominimierung durch Vorziehen der Fälligkeitsstellung bei in sich abnahmefähigen abgeschlossenen Leistungsteilen, wenn Teilabnahme möglich und vereinbart ist und die Vergütung für die einzelnen Teile bestimmt ist. Allerdings überlässt es das Gesetz der Parteivereinbarung, Teilabnahmen vorzusehen. Nur ausnahmsweise kann, wenn eine Vereinbarung fehlt, eine Teilabnahme nach Treu und Glauben verlangt werden; so etwa, wenn der Besteller die Teilleistung in Gebrauch nimmt. Wird eine geschuldete Teilabnahme verweigert, gelten die Abnahmefiktionen bzw. -surrogate gemäß §§ 640 Abs. 1 Satz 2,3 und 641a BGB. § 632 a BGB, eingefügt im Jahr 2000, statuiert für den Fall, dass die Vertragsparteien keine der gesetzlichen Regelung vorgehende Teilvergütungsregelung getroffen haben, einen allgemeinen gesetzlichen Anspruch eines Werkunternehmers auf Abschlagszahlungen für in sich abgeschlossene Teile des Werkes, wenn die Werkleistung vertragsgemäß erbracht ist; dies gilt auch für die zur Werkleistung erforderlichen Stoffe oder Bauteile, die eigens angefertigt oder angeliefert sind. Anspruch auf Abschlagszahlung besteht allerdings nur, wenn dem Besteller Eigentum an den Teilen des Werkes, an den Stoffen oder Bauteilen übertragen oder Sicherheit hierfür geleistet wird. Zur Konkretisierung und Modifizierung dieser Regelung ermächtigt § 244 EGBGB das Bundesministerium der Justiz zum Erlass einer Rechtsverordnung, die Abschlagszahlungen bei Werkverträgen regelt, welche die Errichtung eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks zum Gegenstand haben.Die Rechtsverordnung kann insbesondere Regelungen darüber vorsehen, wie viele Abschläge vereinbart werden können, welche erbrachten Gewerke hierbei mit welchen Prozentsätzen der Gesamtbausumme angesetzt werden können, welcher Abschlag für eine in dem Vertrag enthaltene Verpflichtung zur Verschaffung des Eigentum angesetzt werden kann und welche Sicherheit dem Besteller hierfür zu leisten ist. Die 2001 erlassene Verordnung regelt jedoch lediglich, dass die Zahlungsregeln der Makler- und Bauträgerverordnung gelten, wenn der Vertrag neben

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der Bauwerksleistung die Verpflichtung zur Verschaffung des Eigentums oder eines Erbbaurechts zum Gegenstand hat. Im Übrigen hat der Verordnungsgeber von seiner Kompetenz keinen Gebrauch gemacht. Die Modalitäten der Abschlagszahlungen sind daher nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu konkretisieren. Die Höhe des jeweils geschuldeten Abschlags richtet sich dem gemäß primär nach der für die jeweilige vertragsgemäß erbrachte Teilleistung im Sinne von § 632a Satz 1 und 2 BGB vereinbarte Vergütung einschließlich der Mehrwertsteuer, bei Fehlen einer solchen Vereinbarung, etwa bei Vereinbarung eines Pauschalpreises, nach dem Wert der abzurechnenden Teilleistung in ihrem proportionalen Verhältnis zum Gesamtpreis des Bauvorhabens. Indem § 632a Satz 1 BGB die Vertragsmäßigkeit der erbrachten Teilleistungen zur Voraussetzung für einen Anspruch auf Abschlagszahlung macht, wird nahe gelegt, dass zwar in der Regel idealiter Abnahmefähigkeit i. S. d. § 640 Abs. 1 BGB in Bezug auf die abzurechnende Teilleistung gegeben ist. Aus der systematischen Stellung und in Abgrenzung zum Fall des § 641 Abs. 1 S. 2 BGB, ferner mit Rücksicht auf die Verwandtschaft zur Regelung des § 16 Nr. 1 VOB/B ist aber eine Abnahmefähigkeit oder gar eine Teilabnahme nicht vorauszusetzen. Das Erfordernis der Vertragsgemäßheit der Leistimg bezieht sich lediglich auf die Notwendigkeit, dass sich die geforderte Zahlung am Vertragsprogramm und an dessen Preisansätzen orientieren muss. Qualitätsmängel berechtigen den Besteller allerdings zur Leistungsverweigerung, wobei deren Umfang nicht geringer als bei Inanspruchnahme nach Abnahme einer mangelbehafteten Werkleistung sein kann. Einen Sicherungseffekt durch Vorziehen der Fälligkeitsstellung schafft insbesondere die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil Β in § 16. Die VOB ist zwar als eine allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen, die dem diesbezüglichen ABG-Gesetz unterliegt, und sie gilt deshalb zwar nur vertragsrechtlich; gerade als allgemeine Geschäftsbedingungen enthält die VOB jedoch materiell quasinormative Regelungen. Im Zusammenhang mit der Sicherung von Bauforderungen geht sie dabei über das allgemeine Zivilrecht insofern hinaus, als sie abgesehen von Abschlagszahlungen auch Vorauszahlungen thematisiert, die das allgemeine Werkvertragsrecht besonderer Vereinbarung überlässt, ohne sie im Gesetz überhaupt als Möglichkeit eigens zu erwähnen. § 16 Nr. 1 VOB/B sieht vor, dass der Unternehmer Abschlagszahlungen fordern kann. Vorausgesetzt werden nachgewiesene vertragliche (Teil-)leistungen, die insoweit voll tinter Einschluss der Mehrwertsteuer zu vergüten sind. Dabei heißt vertragliche Leistung so viel wie qualitätsgerechte Leistimg, anderenfalls wird nur Geld im Umfang der mangelfreien Leistung gegebenenfalls Zug um Zug gegen Mangelbeseitigung geschuldet; nachgewiesene Leistung erforderte eine prüfbare Abrechnung gemäß § 14 Nr. 1, 2

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VOB/B. Eine Abnahme ist im Gegensatz und in Abgrenzung zur Schlusszahlung bzw. Teilschlusszahlung (§ 16 Nr. 4 VOB/B) entbehrlich, der Unternehmer muss allerdings zur Werkfortführung bereit sein, und es dürfen keine einzubehaltenden Gegenforderungen bestehen (§ 16 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B). Fälligkeit tritt 18 Tage nach Vorlage der prüfbaren Aufstellung ein (§ 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B). Noch unternehmerfreundlicher, da den Vorleistungseffekt vermeidend, sind Vorauszahlungen nach § 16 Nr. 2 VOB/B. Die VOB/B erschwert sie wegen der Insolvenzgefahren für den Besteller, der hier in die Vorleistungsrolle gedrängt wird. Sie erfordern eine besondere Vereinbarimg. Bei Erbringung einer Vorauszahlung hat der Unternehmer diese zu verzinsen, gegebenenfalls auf Verlangen für sie Sicherheit nach Maßgabe von § 17 VOB/B zu leisten. Um den den Besteller treffenden Vorleistungseffekt gering zu halten, wird die Vorauszahlung auf die nächstfälligen Zahlungen angerechnet. Die Schlusszahlung nach § 16 Nr. 3 VOB/B hat mit der besonderen, vorbeugenden Sicherung des Unternehmers nichts zu tun, da sie die Abnahme bzw. abnahmefähige Herstellung des Werks wie bei § 641 Abs. 1 S. 1 BGB voraussetzt und auf endgültige Erledigung durch Endabrechnung zielt. Der Unternehmer wird durch die VOB/B gewissermaßen sogar weiter als nach BGB gefordert, weil zur Fälligkeit noch die Aufstellung und Einreichung einer prüfbaren Schlussrechnung nach § 14 VOB/B hinzukommt und dem Besteller Prüfungszeiten bis zu 2 Monaten, jedenfalls bis zur - möglichst schleunigen - Prüfung und Feststellung der erhobenen Forderungen, zugebilligt wird. Besonderheiten der Schlusszahlung gehören daher nicht zum hiesigen Thema. Sind vor Fertigstellung eines abnahmefähigen Baus Zahlungen zu leisten, so ist für den Sonderfall der Bauausführung durch einen Bauträger die Makler- und Bauträgerverordnung zu beachten. Diese bezweckt den Schutz des Bauherrn vor Insolvenzrisiken, die ihm bei übermäßigen Vorleistungen im Falle der Unternehmensinsolvenz drohen. Der Schutz soll gemäß §§ 3, 4 MaBV in erster Linie dadurch erreicht werden, dass der Erwerb des Baugrundstücks nebst Aufbauten durch Auflassungsvormerkung gesichert ist, dass ferner fest bestimmte Kaufpreisraten nur je zu näher beschriebenen Stadien der Bauausführung zahlbar sind, und dass schließlich das Gezahlte projektgebunden verwendet wird. Das Bemühen, das Kreditrisiko von Bauwerkunternehmern durch tunliches Vorziehen von Zahlungsfälligkeiten mittels Teilabnahmen oder Einführung von Abschlagszahlungsansprüchen zu minimieren, wird dadurch flankiert, dass Schuldnerverzug bei Geldforderungen erleichtert eintreten kann. Gemäß § 286 Abs. 3 BGB kommt der Schuldner einer Entgeltforderung nämlich unabhängig vom Normalfall, der eine Mah-

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niing des Gläubigers nach dem Eintritt der Fälligkeit erfordert (§ 286 Abs. 1 BGB), spätestens schon in Verzug, wenn der Schuldner nicht innerhalb von dreißig Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung zahlt und der Schuldner, wenn er Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist, auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Mit Verzugseintritt entsteht ein Anspruch auf Verzinsung der Geldschuld in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB), unbeschadet der Möglichkeit zur Geltendmachung weiterer Verzugsschäden (§ 288 Abs. 4 BGB; § 280 Abs. 1 und 2 BGB), die etwa durch die Inanspruchnahme von Kredit durch den Bauwerksunternehmer als Folge der Zahlungssäumnis seines Auftraggebers entstehen können. Dieses Haftungsrisiko soll den Auftraggeber dazu veranlassen, fällige Werklohnforderungen unverzüglich zu erfüllen und damit das Insolvenz- und Liquiditätsrisiko des Bauwerksunternehmers tatsächlich zu verringern. 8.4.3.2

Bauwerkssicherungshypothek (g 648 BGB)

Der vom Gesetz vorgezeichnete, historisch betrachtet älteste Sicherungsweg ist der grundpfandrechtliche des § 648 BGB, der auch beim VOB/B-Vertrag gangbar ist. Dieses Sicherungsverfahren leuchtet rechtlich und praktisch zunächst besonders ein, weil die Bestellung eines Grundpfandrechts an dem mit den Leistungen des Bauwerkunternehmers wertvoller gewordenen Baugrundstück als eine Form rechtlich zulässiger Sach- und Leistungsverfolgung

durch

den

Bauwerkunternehmer

erscheint.

Der

Bauwerk-

unternehmer kann nämlich gemäß § 648 BGB für seine Vertragsfordeningen eine Sicherungshypothek am Grundstück des Bestellers verlangen. Der Sicherungseffekt besteht wie beim entsprechenden Schutz der Baugeldgeber durch Grundpfandrechte darin, dass diese Hypothek gemäß § 1147 BGB ein Recht auf Duldung der nach dem ZVG durchzuführenden Zwangsversteigerung gibt, und dass sie, übrigens insoweit wegen § 883 Abs. 3 BGB auch schon die Hypothekenvormerkung, eine vom Rang bestimmte Teilhabe am Erlös im Fall einer Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks (§§ 10 ff. ZVG) bietet. § 648 BGB wirft allerdings, wie die Lektüre seiner Tatbestandsvoraussetzungen zeigt, zahlreiche materiellrechtliche Probleme auf, die hier zu skizzieren sind, um die Grenzen der Wirksamkeit dieses Sicherungsweges zu verdeutlichen. Vorausgesetzt ist nämlich ein Bauwerkvertrag zwischen dem zu schützenden Bauunternehmer und dem als Werkbesteller fungierenden Grundeigentümer. Daher gibt es in der Praxis schmerzliche Sicherungsausschlüsse.

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Auf der Aktivseite, also auf Seiten des Sicherungsnehmers, gilt dies insbesondere für den Subunternehmer, da dieser nur den Hauptunternehmer als Vertragspartner hat. Trotz direkter Vertragsbeziehung scheiden ferner reine Baustoffverkäufer aus, übrigens mangels gesetzlicher Vorleistungspflicht zu Recht; ebenso grundsätzlich reine Bauvorbereitungsleistungen, ζ. B. bloße Abbrucharbeiten, im Gegensatz zu Leistungen beispielsweise von Architekten, Ingenieuren und Sonderfachleuten, soweit und weil sich deren Arbeiten wertsteigernd im Objekt konkretisiert haben. Auf der Passivseite, also auf der des Sicherungspflichtigen, gibt es Schwierigkeiten beim Auseinanderfallen von Besteller und Grundeigentümer, ζ. B. beim Bau eines Ehegatten auf dem Grundstück des anderen, beim Bau einer juristischen Person auf einem Gesellschaftergrundstück, oder bei Bauten von Bauträgern auf Grundstücken im Eigentum ihrer Abnehmer. Bloß wirtschaftliche Identität zwischen Besteller und Grundeigentümer genügt grundsätzlich nicht. Ausnahmen macht die Rechtsprechung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur in engen Grenzen. So lässt sie Ausnahmen bei bauaufwendungsbedingt gesteigertem Nutzungswert des Grundstücks für den Eigentümer zu, wobei wirtschaftliche Identität aber nicht genügt. In der Literatur wird eine Ausweitung bei obligatorischer Mithaft des Grundstückseigentümers für Werkvertragsschulden, ζ. B. kraft Gesellschaftsrechts bei OHG und KG (§§ 128, 164 HGB), kraft Durchgriffshaftung bei juristischen Personen und bei Vermögensübernahme (§ 22 HGB) befürwortet, ferner aufgrund von Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) bei der dem Eigentümer zurechenbaren Veranlassimg des Eindrucks, der Werkbesteller sei der Grundeigentümer. Der Schutz umfasst nach dem Wortlaut des § 648 BGB Forderungen aus dem Vertrage, wobei weniger als Fälligkeit, nämlich das Entstehen im Sinne der Leistungserbringung genügt. Zu diesen Forderungen gehören insbesondere der Vergütungsanspruch und Verzugsschädenansprüche; bestritten ist die Anwendung auf Ansprüche aus schadensersatzfähiger Ablehnung der Vertragsausführung. Nicht hierher gehören außer Ansprüchen wegen ungerechtfertigter Bereicherung gemäß den §§ 812 ff. BGB Ansprüche auf Naturalleistung, auf Ersatz künftiger Prozesskosten oder Reugeldansprüche bei Vertragsauflösung. Liegen Werkmängel vor oder werden sie behauptet, lässt die Rechtsprechung - bei Dissens eines Teils der Literatur - die Sicherung nur im Umfang der mangelfreien Wertschöpfung zu, was praktisch zur Konsequenz hat, dass sich ein Streit über die Mangelfreiheit in die Auseinandersetzung um die Hypothekenbestellung gemäß § 648 BGB verlagert und so den Bauunternehmerschutz empfindlich verzögern kann. Mit § 648 BGB sind verfahrensrechtliche Fragen eng verknüpft, da die Regelung nicht unmittelbar zu einer Sicherheit führt. Die Vorschrift gewährt nämlich aus Rücksicht auf

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das liegenschaftsrechtliche Publizitätsprinzip und im Gegensatz zum Mobiliarpfandrecht des Unternehmers, der Leistungen an beweglichen Sachen erbringt (§ 647 BGB), keinesfalls eine Hypothek kraft Gesetzes. Vielmehr sieht die Norm nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek vor, der als solcher in der Insolvenz des Schuldners nicht sichert. Erfüllt der Besteller-Eigentümer den Anspruch nicht freiwillig, fragt sich, wie der Unternehmer seine Sicherheit im Zwangswege zügig, und zwar vor allem vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, erlangen kann. Die an sich mögliche Klage auf Hypothekenbestellung gemäß §§ 873, 1113 BGB durch entsprechende Einigung über die Hypothekenbestellung und Eintragung der Hypothek im Grundbuch ist in der Regel zu langwierig. Hier hilft die Hypothekenvormerkung, Zeit zu gewinnen. Sie ist ein materiellrechtliches Sicherungsmittel gemäß den §§ 883 888 BGB zum Schutz des Hypothekeneinräumungsanspruchs, das diesen mit Rechtsnachfolgefestigkeit im Falle von späteren Verfügungen des Eigentümers über das Grundstück (§§ 883 Abs. 2, 888 Abs. 1; 884 BGB), Rang- (883 Abs. 3 BGB) und Insolvenzschutz (§ 106 InsO) ausstattet. Prozessual kommt wesentlich hinzu, dass die Vormerkung aufgrund des besonderen bei Verweigerung der freiwilligen Einräumung auch einer Hypothekenvormerkung (§ 885 BGB) praktisch wichtigen - Verfahrens der einstweiligen Verfügung, einem Eilverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 935ff. ZPO, relativ zügig erworben werden kann. Beschleunigung der Entscheidung wird hier außer durch kurzfristige Terminierung, Eilzuständigkeit des Vorsitzenden bei Kollegialgerichten (§ 944 ZPO) und außerordentlicher Entscheidungskompetenz des - meist nahegelegenen - Amtsgerichts der belegenden Sache (§ 942 ZPO) insbesondere erreicht durch den - zwar wegen § 937 ZPO bedenklichen, aber häufigen - Verzicht auf mündliche Verhandlung und durch die an die Stelle der ordentlichen Beweisführung tretende Beschränkung auf bloße Glaubhaftmachung von Tatsachen, wobei die Versicherung an Eides Statt genügt (§§ 920 Abs. 2, 936, 294 ZPO) und die Rechtsgefährdung entgegen dem Grundsatz der §§ 920 Abs. 2, 936 ZPO bei der angestrebten Vormerkung ausnahmsweise gemäß § 885 Abs. 1 S. 2 BGB überhaupt nicht glaubhaft zu machen ist. Schließlich wirkt in der Vollstreckung beschleunigend, dass die Vormerkungseintragung von Amts wegen veranlaßt werden kann (§ 941 ZPO), und dass gemäß den §§ 929, 936 ZPO grundsätzlich auf Vollstreckungsklausel und vorherige Titelzustellung verzichtet wird. Der Unternehmerschutz ist trotz der Möglichkeit einer Vormerkung aufgrund einstweiliger Verfügung praktisch meist unzureichend. Dies folgt nicht nur aus den genannten materiellrechtlichen Schutzdefiziten, die bei bestimmten Personenkonstellationen auf Aktiv- und Passivseite oder bei behaupteten Werkmängeln zutage treten. Dies ist über-

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dies auch nicht nur prozessual der Fall, weil die herrschende Meinung die Vormerkung ebenso wie die Hypothekeneintragung gemäß § 648 Abs. 1 S. 2 BGB mit Rücksicht auf § 648 Abs. 1 S. 2 BGB von der vorherigen Erbringung einer Teilleistung abhängig macht, auch wenn an sich die §§ 916 Abs. 2, 936 ZPO einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung künftiger Ansprüche nicht entgegenstehen. Vor allem nämlich sind die Bauwerkunternehmer praktisch benachteiligt, weil die Baugeldgeber ihre Kredite schon vor Baubeginn bestrangig abzusichern pflegen; so kommt es trotz Bauwerkssicherungshypothek wegen der Rangnachteile oft zu Ausfällen in der Zwangsversteigerung. 8.4.3.3

Arrest (§ 916 ZPO)

Der sogenannte dingliche Arrest nach § 916 ZPO, der bei der Gefährdung der Vollstreckung wegen einer Geldforderung zulässig ist, führt ebenso wie die Bauwerkssicherungshypothek zu einem grundpfandrechtlichen Schutz, nämlich zur sogenannten Arresthypothek. Diese befriedigt das Sicherimgsinteresse nach den Regeln des Rechts der Sicherungshypothek, wenn die gesicherte Forderung schließlich im Hauptprozess festgestellt ist. Der dingliche Arrest hat den Vorteil, dass als Sicherungsobjekt nicht nur das Baugrundstück dienen kann (§§ 930 - 932 ZPO). Die praktische Bedeutung neben der Bauhandwerkersicherungshypothek ist jedoch eher gering. Das beruht nicht nur auf dem Erfordernis, die Anspruchsgefährdung, d. h. die Gefahr wesentlicher Erschwerung der künftigen Vollstreckung, glaubhaft zu machen. Vielmehr kommt dem dinglichen Arrest praktisch nur geringe Bedeutung zu, weil die drohende Insolvenz des Bauherrn oder die bevorstehende Veräußerimg des Baugrundstücks allein für seine Anordnung nicht ausreicht. Der Arrest kommt daher praktisch nur in Betracht, wenn die künftige Vollstreckung an unlauteren Machenschaften des Schuldners zu scheitern droht, etwa durch Vermögensverschiebungen oder durch seine Flucht. 8.4.3.4

Sicherheitsleistung - Leistungsverweigerungsrecht (§ 648a BGB)

Den Schwächen des § 648 BGB soll § 648 a BGB, eingefügt 1993 und ergänzt 2000, abhelfen. Das Ziel dieser Regelung, auch wenn dies dem Normtext nicht zu entnehmen ist, ist die mittelbare Inpflichtnahme der regelmäßig vorrangig abgesicherten Baugeldgeber zugunsten der Bauwerksunternehmer in der Weise, dass sie aus Eigeninteresse dafür sorgen, dass die Weiterleitung von Baugeldern von den Baugeldgebern zum Unternehmer sichergestellt wird. Eine Obliegenheit des Bauherrn zur Sicherheitsleistung, die in der Regel durch Bürgschaft oder Garantie der baugeldgebenden Bank gestellt wird, fördert nämlich gerade deren Interesse an der Überwachung des Geldflusses, um möglichst

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bei Insolvenz des Bauherrn nicht selbst von Bauwerkunternehmer aus der Bürgschaft oder Garantie in Anspruch genommen zu werden. Kern der Regelung in § 648 a BGB ist das Recht des Unternehmers, die von ihm zu erbringenden Vorleistungen zu verweigern, bis ihm der Besteller Sicherheit geleistet hat. Der Unternehmer kann den Besteller demgemäß zur Sicherheitsleistung unter Setzung einer Frist mit der Erklärung auffordern, dass er nach deren fruchtlosem Ablauf seine Leistung verweigere (§ 648 a Abs. 1 S. 1 BGB). Die Sicherheitsleistung schließt den Anspruch aus § 648 BGB aus (§ 648 a Abs. 4 BGB). Das Unterbleiben der Sicherheitsleistung begründet gemäß § 648 a Abs. 5 BGB über § 643 BGB ein Vertragskündigungsrecht des Unternehmers und führt zu Ansprüchen gemäß § 645 Abs. 1 BGB, also zu einem Anspruch auf Vergütung der erbrachten Teilleistungen und auf Aufwendungsersatz; außerdem kann der Unternehmer Ersatz vertrauensbedingter Schäden verlangen. Die Vorschrift verhilft im Gegensatz zu § 648 BGB zu einem wirkungsvollen Schutz vor den Gefahren der Vorleistung. Sie befreit insbesondere von der lästigen und langwierigen Notwendigkeit, die Sicherung nachträglich gerichtsförmig zu erwirken und Grundbucheintragungen herbeizuführen. Im übrigen führt sie bei Sicherheitsleistung durch Garantie oder Bürgschaft, welches in der Praxis die regelmäßigen Sicherungsformen sind, unmittelbar zu einem Geldanspruch statt nur zu einem Recht auf Durchführung der Immobiliarzwangsvollstreckung; vor allem werden damit auch jedwede Rangprobleme zwischen konkurrierenden Baubeteiligten vermieden. Nicht zuletzt lässt die Fassung der Vorschrift auch einen Subunternehmerschutz im Verhältnis zum Hauptunternehmer zu, weil das von der Sicherheitsleistung abhängige Leistungsverweigerungsrecht generell gegenüber dem Besteller eingeräumt ist und dabei im Unterschied zu § 648 BGB nicht auf das Vorhandensein eines Baugrundstücks des Bestellers Bezug genommen wird. Dennoch bleiben Schwächen, so dass der Schutz gemäß § 648 BGB seine praktische Bedeutung behält. § 648 a BGB gilt, abgesehen von dem unter dem Gesichtspunkt des Insovenzschutzes wenig kritischen Bereich der öffentlichen Bauauftraggeber, vor allem nicht beim Einfamilienhausbau (auch mit Einliegerwohnung) von natürlichen Personen, § 648 a Abs. 6 Nr. 2 BGB. Darüber hinaus dürften wohl manche Unternehmer wegen ihrer in § 648 a Abs. 3 S. 1 BGB vorgesehenen Belastung mit den normalen Kosten der Sicherheitsleistung von der Einforderung der Sicherheitsleistung Abstand nehmen. Vor allem aber ist nachteilig, dass § 648a BGB nur ein Leistungsverweigerungsrecht gewährt, während ein klagbarer Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht besteht. Zwar gestattet die Rechtsprechung dem Bauunternehmer, der schon eine Teilleistung erbracht hat,

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seine weitere Leistung trotz des insoweit irreführenden Normwortlauts davon abhängig zu machen, dass ihm eine Sicherheit gestellt wird, die umfänglich sowohl seine künftigen als auch seine schon erbrachten Leistungen deckt; dies gilt auch im Falle einer mangelhaften Werkleistung, wenn der Werkunternehmer den Mangel beheben kann und will, soweit nicht etwa der Werklohnanspruch durch Minderung oder Schadensersatzansprüche des Auftraggebers reduziert ist. Wer aber schon vollständig vorgeleistet hat, findet in § 648 a BGB keine Hilfe, da alsdann das als Druckmittel konzipierte Leistungsverweigerungsrecht naturgemäß versagt; dieser Gläubiger ist folglich insoweit auf § 648 BGB angewiesen. Überdies führt die Ausgestaltung als eines bloßen Zurückbehaltungsrechts mit Kündigungsbefugnis des Unternehmers mittelbar zu einer Vertragsgefährdungskompetenz des Bestellers. Diese ist umso bedenklicher, als das Scheitern des Vertrags infolge verweigerter Sicherheitsleistung gemäß § 648 a Abs. 5 BGB nur schwach sanktioniert ist und ein den entgangenen Gewinn umfassender Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des gesamten Vertrags verweigert wird. Der Vertrauensschaden wird zwar gemäß § 648 a Abs. 5 S. 3 BGB auf fünf Prozent der vertraglich bedungenen Vergütung pauschaliert, jedoch nur vermutungsweise, so dass der Besteller den Beweis eines geringeren Schadens erbringen kann. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erschütterung der Vermutung nicht hoch angesetzt werden, da die diesbezüglich relevanten Tatsachen in der Regel ausschließlich in der Sphäre des Unternehmers liegen, der daher vornehmlich allein zur Sachaufklärung imstande ist. 8.4.3.5

Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen (GSB)

Das Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen vom 1.6.1909 (GSB) teilt seine Schutzrichtung mit § 648 a BGB insofern, als beide Regelungen die Sicherstellung der Baugeldweiterleitung bezwecken. Das GSB hat allerdings eine eigene Schutztechnik, indem es statt beim Baugeldgeber beim Baugeldempfänger ansetzt. Es soll gewährleistet werden, dass ein Empfänger von Baugeld dieses an Bauherstellungsbeteiligte leitet. Der diesem Zweck dienende wesentliche Schutz der Regelung besteht darin, dass die Verletzung dieser in § 1 GSB aufgestellten und durch § 5 GSB strafbewehrten Pflicht ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist. Dadurch kann, und dies ist die wesentliche Schutzwirkung, im Ergebnis unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung, eine durchgriffsähnliche Schadensersatzhaftung erzielt werden, und zwar namentlich bei juristischen Personen eine persönliche Mithaftung etwa des Geschäftsführers als des zur Abwicklung des Geldflusses zuständigen Empfängers.

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Im Einzelnen hängt diese Haftung, die für leitende Mitarbeiter von Unternehmen als Bauherren persönlich riskant sein kann, von folgenden Voraussetzungen ab: •

Baugelder sind nach § 1 Abs. 3 GSB vor allem „Geldbeträge, die zum Zwecke der Bestreitung der Kosten eines Baues in der Weise gewährt werden, dass zur Sicherung der Ansprüche des Geldgebers eine Hypothek oder Grundschuld an dem zu bebauenden Grundstücke dient...". Dabei wird die genannte Zweckbestimmung bei Vereinbarung von Auszahlungen nach Baufortschritt vermutet.



Empfänger, d. h. Passivbeteiligter, ist jeder, dem die Baugelder aufgrund des Baugeldvertrags mit der entsprechenden Zweckbestimmung gewährt wurden; also ζ. B. der Bauherr als Darlehnsnehmer, der als Empfänger bezeichnete Treuhänder, bei juristischen Personen auch deren insoweit zuständigen Organe, bei Personalgesellschaften auch die insoweit geschäftsführungskompetenten Gesellschafter. Auch der Bauträger bei Bestellbau (BGH NJW 1986, 1105 f.) und der Hauptunternehmer im Verhältnis zum Subunternehmer (BGH NJW 1982, 1037 f.) sollen hierher gehören; dies ist jedoch zweifelhaft, da diese ihre Gelder in der Regel nicht aufgrund der vorbezeichneten vertraglichen Zwecksetzung erhalten.



Der Kreis der Begünstigten ist weit gezogen, da dazu nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GSB alle Personen gehören, die an der Herstellung eines Baues aufgrund eines Werk-, Dienstoder Lieferungsvertrags beteiligt sind, vorausgesetzt, sie haben zur Wertschöpfung durch Verwendung ihrer Leistungen im Bau beigetragen. Da auch

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rungsverträge erfasst sind, ist Eingrenzung nötig; Kriterium soll die Bezogenheit der Lieferung auf einen bestimmten Bau sein. Mangels Entbehrlichkeit einer Vertragsbeziehung mit dem Baugeldempfänger können auch Subunternehmer erfasst sein, doch erfordert der Ausschluss der Gefahr von Doppelbelastungen die Freistellung des Bauherrn, sobald er an den Hauptunternehmer geleistet hat. •

Verwendungspflicht - Ausnahmen von dieser in § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GSB für Zahlungen des Empfängers aus anderen Mitteln sowie für eigene Bauherstellungsleistungen in Höhe ihres halben Wertes - bedeutet Verbot der Zweckentfremdung, also nicht notwendigerweise Weiterleitung des konkret Erlangten nach zwischenzeitlicher Separation von eigenen Mitteln. Sanktioniert werden Weiterleitungen an Nicht-Baubeteiligte, imberechtigte Einbehalte, unterlassene Beitreibung von zugesagten Baugeldern und unterlassene Abwehr zweckwidriger Pfändungen.



Die Schadensersatzhaftung setzt allerdings die Erfüllung des strafrechtlichen Tatbestands von § 5 GSB voraus, also Vorsatz (BGH NJW 1982,1037 f.). Das gilt insbesondere für die Baugeldeigenschaft; ein Irrtum in dieser Hinsicht lässt den Vorsatz ent-

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fallen. Anderes gilt im Ergebnis bei Unkenntnis der Verwendungspflichten; da insoweit ein strafrechtlicher Verbotsirrtum vorliegt und dieser Irrtum wegen der Berufsbezogenheit der Pflicht in der Regel vermeidbar ist, bleibt die Strafbarkeit gemäß § 17 StGB unberüht (BGH NJW 1985, 134). Der Schadensersatz wird dem Umfang nach einerseits durch den Betrag der ausgefallenen Bauforderung und andererseits durch den Betrag des entfremdeten Baugeldes begrenzt. 8.4.3.6

Zusammenfassung

Die von § 641 BGB bzw. § 16 Nr. 3 VOB/B ausgehenden Gefahren für den Bauwerksunternehmer bestehen in seiner Vorleistungspflicht i. V. m. der technischen und rechtlichen Unmöglichkeit einer Rechtswahrung am eigenen Leistungsobjekt. Diese Gefahren sind in erster Linie durch Vorverlegung der Zahlungen auszuschließen; diese Mittel setzen vor allem § 632a BGB und § 16 Nr. 1 VOB/B ein. Darüber hinaus kommt ein Schutz durch pfandrechtsweise Verfolgung der werkleistungsbedingten Wertschöpfimg in das Bestellergrundstück in Betracht, § 648 BGB; ähnlich operiert der dingliche Arrest. Dieser Schutz ist unvollkommen; praktisch liegt dies vor allem an der wertausschöpfenden Vorbelastung des Baugrundstücks durch Grundpfandrechte von Baugeldgebern. Ziel neuerer gesetzgeberischer Bemühungen um Bauunternehmerschutz ist daher, die Weiterleitung von Baugeldern an die Unternehmer sicherzustellen; eine Zielsetzung, die schon das GSB von 1909 kennt, dessen praktische Bedeutung insbesondere im durchgriffsartigen, d. h. natürliche Personen hinter oder in einer juristischen Person treffenden Erfolg bei Bauten von juristischen Personen liegt. Diesem Ziel dient nun auch § 648a BGB, indem die Sicherheitenstellung im Ergebnis wohl gerade die baugeldgebenden Institute zur Überwachung des Geldflusses animiert; allerdings löst auch diese Norm die Schwierigkeiten nicht, wenn der Bauwerkunternehmer zunächst vorgeleistet hat oder er den Bauvertrag nicht von Anbeginn gefährden will. 8.4.4

Rechtsgeschäftliche Lösungen (außerhalb der VOB/B)

Die Schwächen des gesetzlichen Unternehmerschutzes und auch des § 16 VOB/B veranlassen in der Praxis häufig dazu, Sicherungen aufgrund besonderer Vereinbarungen zu treffen. Ein geeignetes Instrumentarium für dieses der Privatautonomie überlassene Verfahren bieten beispielsweise die §§ 232 ff. BGB, die bei gesetzlich vorgeschriebener Sicherheitsleistimg oder bei Vereinbarung einer solchen die Art und Weise der Sicherheitsleistung bestimmen, jedoch unbeschadet der Freiheit, vertraglich andere Formen der Sicherheitsleistung zu vereinbaren. In der Praxis kommen als private Regelungen insbe-

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sondere Bürgschaftsvereinbarungen und Forderungsabtretungen zugunsten des zu sichernden Werkunternehmers in Betracht. 8.4.4.1

Bürgschaftsvereinbarung

Als vereinbarte Sicherung empfiehlt sich in der Praxis insbesondere die - im Unterschied zur Regelung des § 648a BGB als solche klagbare - rechtsgeschäftlich eigens ausbedungene Verpflichtung zur Stellung einer Bürgschaft, ζ. B. seitens der baugeldgebenden Bank. Die Erfüllung dieser Verpflichtung durch Stellung einer Bürgschaft setzt einen Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger voraus, kann aber auch aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB), also namentlich zwischen dem Bürgen und dem Bauherrn, zustande kommen; Schriftlichkeit der Bürgschaftserklärung (§ 766 BGB) ist bei vollkaufmännischen Bürgen entbehrlich (§ 350 HGB). Gemäß § 765 BGB haftet der Bürge grundsätzlich, sofern nichts anderes vereinbart, unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen für die gesicherte fremde Schuld; der Bürgschaftsgläubiger hat allerdings bei Insolvenz des Bürgen kein Vorzugsrecht. Die Effektivität der Bürgschaft hängt wesentlich davon ab, ob die Bürgschaft dem Sicherungsgegenstand, d. h. bezüglich der zu sichernden Hauptforderung einschließlich ihrer eventuellen Nebenforderungen gegen den Bauherrn, ferner der Höhe und der Geltungsfrist nach angemessen begrenzt bzw. tunlichst unbegrenzt ist. Die für den Werkunternehmer vorteilhafte Übernahme der sogenannten selbstschuldnerischen Bürgschaft gemäß § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB bedeutet, dass die Einrede der Vorausklage, d. h. die Obliegenheit des Sicherungsnehmers zur vorrangigen Inanspruchnahme des Hauptschuldners, ausgeschlossen ist. Dies erleichtert prozessual die Durchsetzung der Bürgschaft und erlaubt Zeitgewinn. Effektivitätsgesichtspunkte insbesondere im Hinblick auf fälschlich behauptete werkmängelrechte, die grundsätzlich auch der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft entgegengehalten werden können (§§ 767f., 770 BGB), gelten aus Sicht des Bauwerkunternehmers für die Vereinbarimg einer sogenannten Bürgschaft auf erstes Anfordern. Bei dieser muss der Bürge - vorbehaltlich der Fälle unstreitigen oder ganz offenkundigen Bestehens von Einwendungen des Hauptschuldners - auf das bloße Verlangen des Gläubigers zahlen, weil zum Wesen dieser Bürgschaftsart gehört, dass sich der Bürge zunächst nicht, wie in der Regel gemäß den §§ 768, 770 BGB, zu seiner Verteidigung auf die Einwendungen und Einreden des Hauptschuldners, im Baurecht namentlich auf behauptete Baumängel, berufen kann. Der Bürge auf erstes Anfordern darf diese vielmehr erst im Rahmen einer Rückforderungsklage, die er gegen den Bürgschaftsgläubiger anstrengen muss, geltend machen. Allerdings lässt die Rechtsprechimg Bürgschaften auf erstes An-

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8 Baukreditsicherungsrecht

fordern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich nur zu, wenn sich Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften oder sonstige Unternehmen, in deren Geschäftsbereich derartige Bürgschaften üblich sind - dazu können etwa auch größere Bauunternehmungen zählen -, in dieser Weise verbürgen. Im Zahlungsfall kann der Bürge im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 774 BGB, bei dem die etwa bereits für den Unternehmer bestehenden Sicherungen mit übergehen (§ 401 BGB), beim Bauherrn Rückgriff nehmen. Ferner hat der Bürge aus seinem Rechtsverhältnis mit dem Schuldner Ersatzansprüche, und zwar in der Regel gemäß §§ 670 (675) BGB, da im Innenverhältnis zwischen Bürge und Hauptschuldner, d. h. dem Bauherrn, meist ein Geschäftsbesorgungsvertrag vorliegt. 8.4.4.2

Forderungsabtretung

Die Forderungsabtretung als Sicherungsmittel ist ein probates Verfahren, wenn ein Dritter, insbesondere der Baugeldgeber, tunlichst nicht aktiv in die Stellung der Sicherung einbezogen werden soll. Die gemäß § 398 BGB durch formfreie Einigung des Bauherrn mit dem Bauunternehmer über den Forderungsübergang vollziehbare Abtretung von Baukrediten bedarf anders als die Bürgschaft nicht der Mitwirkung der baugeldgebenden Bank, sofern die Abtretung der Baukreditforderung nicht in deren Vertrag mit dem Bauherrn wirksam gemäß § 399, 2. Alt. BGB in den Grenzen des § 354 a HGB ausgeschlossen wurde. Die Anzeige der Abtretung ist allerdings ratsam, um die befreiende Wirkung der Zahlung an den Altgläubiger gemäß § 407 Abs. 1 BGB und das Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners gegenüber dem Neugläubiger gemäß §410 BGB auszuschließen. Die Abtretung kann erfüllungshalber, d. h. praktisch unter Verstärkung des Werklohnanspruchs im Sinne der Zuwendung einer vorrangig auszuschöpfenden Befriedigungsmöglichkeit, oder - praktisch selten - an Erfüllungs Statt, d. h. unter Tilgung des Werklohnanspruchs stattfinden. Es kann sich auch um eine Sicherungsabtretung handeln, mit der Konsequenz, dass nur ein hilfsweises Zugriffsrecht für den Insolvenzfall besteht. Einwendungen und Einreden des Schuldners, die zur Zeit der Abtretung aufgrund seines Rechtsverhältnisses mit dem Altgläubiger begründet waren, kann der Schuldner der abgetretenen Forderung gemäß § 404 BGB auch dem Neugläubiger, d. h. dem Bauunternehmer, entgegenhalten. Grundsätzlich anders verhält es sich mit Einwendungen und Einreden aus dem Verhältnis von Alt- und Neugläubiger, ζ. B. bei Geltendmachung von Mängelrechten. Sie sind vom Schuldner der abgetretenen Forderung nur einzuwenden, wenn sie ausnahmsweise nach Maßgabe der Abtretungsvereinbarung zur Unwirksamkeit der Abtretung führen; darüber hinaus kann eine Verteidigung dar-

8 Baukreditsicherungsrecht

693

auf nur nach Ansicht einer Mindermeinung bei einer Sicherungsabtretung gestützt werden, etwa falls solches in entsprechenden Abreden zwischen Alt- und Neugläubiger festgelegt wurde. Der Sicherungserfolg der Abtretung der Ansprüche des Bauherrn gegen die ihm Kredit gewährende Bank besteht zunächst darin, dass der Zahlungsanspruch des Bauunternehmers aus dem Werkvertrag im Ergebnis insofern insolvenzfest sein kann, als der Bauunternehmer nun den in der Regel zahlungsfähigen Baugeldgeber in Anspruch nehmen kann. Bei Insolvenz des Bauherrn ist allerdings der Sicherungseffekt deutlich dadurch eingeschränkt, dass der Baugeldgeber dem Bauwerkunternehmer als neuem Gläubiger gemäß § 404 BGB alle ihm gegenüber seinem ursprünglichen Darlehensgläubiger, dem Bauauftraggeber, zustehenden Einwendungen und Einreden entgegenhalten kann, also auch die für den Fall seiner Insolvenz bestehenden Leistungsverweigerungund Kündigungsrechte aus diesem Rechtsverhältnis. Bürgschaft oder ihr ähnliche Rechtsformen wie Garantieübernahme oder Schuldbeitritt sind daher in der Regel als die zuverlässigeren Kreditsicherungsmittel anzusehen.

9 Besteuerung voti Immobilien

695

9 Besteuerung von Immobilien Jochen Sigloch, Hans G. Utech, Wilhelm Haarmann

9.1 Grundlagen der Besteuerung Jochen Sigloch

697

9.2 Steuerliche Behandlung von Immobilien Jochen Sigloch

871

9.3 Ausgewählte Probleme der Besteuerung von Immobilieninvestitionen Hans G. Utech

907

9.4 Besteuerung grenzüberschreitender Immobilieninvestitionen Wilhelm Haarmann

931

9 Besteuerung von Immobilien

697

9.1 Grundlagen der Besteuerung Jochen Sigloch 9.1.1 Allgemeine Grundlagen 9.1.1.1 Steuersystem in Deutschland 9.1.1.2 Staatsaufgaben 9.1.1.3 Funktionen und Besteuerungsgrundsätze 9.1.1.4 Rechtsquellen des Steuerrechts 9.1.1.5 Besteuerungsverfahren 9.1.1.5.1 Steuerermittlungsverfahren (§§ 134-154 AO) 9.1.1.5.2 Steuerfestsetzungs- und Steuerfeststellungsverfahren (§§ 155192 AO) 9.1.1.5.3 Steuererhebungsverfahren (§§ 218-248 AO) 9.1.1.5.4 Rechtsbehelfsverfahren (§§ 347-368 AO, 33-134 FGO). 9.1.1.5.5 Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigweitenverfahren (§§ 369-412 AO) 9.1.2 Grundfragen der Einkommensbesteuerung 9.1.2.1 Persönliche Steuerpflicht 9.1.2.2 Grundlagen der Einkommensteuer 9.1.2.2.1 Steuerliches Einkommen 9.1.2.2.2 Unterscheidung von Einkommenserzielungs- und Einkommensverwendungssphäre 9.1.2.2.3 Subsidiarität der Überschusseinkünfte 9.1.2.2.4 Prinzipien der Einkünfteermittlung 9.1.2.3 Bemessungsgrundlagen 9.1.2.3.1 Modelle der Einkünfteermittlung 9.1.2.3.2 Dualismus der Einkünfteermittlung 9.1.2.3.3 Veräußerungsgewinne 9.1.2.3.4 Verlustberücksichtigung und Liebhaberei 9.1.2.4 Tarif der Einkommensteuer 9.1.2.4.1 Tariftypen 9.1.2.4.2 Tarifstruktur der Einkommensteuer 9.1.2.4.3 Tarifentwicklung seit 1950 9.1.2.4.4 Solidaritätszuschlag 9.1.2.5 Veräußerungsgewinne („Capital Gains") 9.1.2.5.1 Überblick 9.1.2.5.2 Begünstigungen von Reinvestitionen 9.1.2.5.3 Betriebliche Veräußerungsgewinne 9.1.2.5.4 Private Veräußerungsgewinne 9.1.2.5.5 Veräußerungsgewinne aus wesentlichen Beteiligungen des Privatvermögens

701 701 703 704 709 711 711 712 713 713 714 714 714 717 717 719 720 720 722 722 723 731 732 734 734 735 739 740 743 743 743 745 750 752

698

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.2.6 Verlustkompensation im Ertragsteuerrecht 9.1.2.6.1 Verluste 9.1.2.6.2 Grundformen der Verlustkompensation 9.1.2.6.3 Innerperiodischer Verlustausgleich 9.1.2.6.4 Interperiodischer Verlustabzug 9.1.2.6.5 Steuermaßnahmen gegen Steuersparmodelle

753 753 754 755 758 761

9.1.2.7 Einkommensverwendung 9.1.2.7.1 Abgrenzungsfragen zwischen den Sphären der Einkommenserzielung und Einkommensverwendung 9.1.2.7.2 Sonderausgaben 9.1.2.7.3 Außergewöhnliche Belastungen

763 763 768 772

9.1.2.8 Einkommensteuer-Veranlagung, Ehegattensplitting und Kinderleistungsausgleich 9.1.2.8.1 Überblick 9.1.2.8.2 Ehegattensplitting 9.1.2.8.3 Kinderleistungsausgleich

773 773 773 775

9.1.3 Grundzüge der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer

778

9.1.3.1 Systeme der Unternehmensbesteuerung

778

9.1.3.2 Körperschaftsteuer 9.1.3.2.1 Steuersubjekt 9.1.3.2.2 Steuerobjekt und -bemessungsgrundlage 9.1.3.2.3 Steuertarif 9.1.3.2.4 Körperschaftsbesteuerung in Deutschland - historischer Rückblick 9.1.3.2.4.1 Überblick 9.1.3.2.4.2 Klassisches System (bis 1976) 9.1.3.2.4.3 Anrechnungsverfahren (1977-2000) 9.1.3.2.5 Halbeinkünfteverfahren 9.1.3.2.5.1 Grundstruktur 9.1.3.2.5.2 Progressionsvorbehalt 9.1.3.2.5.3 Halbabzug 9.1.3.2.5.4 Dividenden- und Veräußerungsgewinnbesteuerung auf KapG-Ebene 9.1.3.2.5.5 Auswirkungen des Systemwechsels

781 781 781 782

794 798

9.1.3.3 Gewerbesteuer 9.1.3.3.1 Überblick 9.1.3.3.2 Gewerbesteueranrechnung bei der Einkommensteuer 9.1.3.3.3 Kritik an der Gewerbesteuer

799 799 801 805

9.1.3.4 Einfluss der Ertragsteuern auf Unternehmensentscheidungen 9.1.3.4.1 Finanzierungsentscheidungen 9.1.3.4.2 Rechtsformentscheidungen

805 805 805

9.1.4 Grundzüge weiterer ausgewählter Steuerarten 9.1.4.1 Bewertungsgesetz 9.1.4.1.1 Aufbau und Geltungsbereich 9.1.4.1.2 Verfassungsrechtliche Vorgaben 9.1.4.1.3 Differenzierte Wertermittlung nach Vermögensarten

783 783 784 785 788 788 790 791

813 813 813 813 817

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.4.1.4 Anwendungsbereich der Grundbesitz-Einheitswerte 9.1.4.2 Vermögensteuer - Historischer Überblick

699

821 823

9.1.4.3 Exkurs: Stellungnahme zur „Vermögensteuer"

825

9.1.4.4 Grundsteuer

829

9.1.4.5 Grunderwerbsteuer

831

9.1.4.6 Umsatzsteuer 9.1.4.6.1 Überblick 9.1.4.6.2 Sachliche Steuerbefreiungen 9.1.4.6.3 Befreiungen ohne Vorsteuer-Abzug 9.1.4.6.4 Befreiungen mit Optionsmöglichkeit 9.1.4.6.5 Befreiungen mit Vorsteuer-Abzug 9.1.4.6.6 Besteuerungsverfahren

834 834 837 838 838 838 839

9.1.4.7 Erbschaftsteuer

840

9.1.5 Gesamtbelastung von Unternehmen

846

9.1.5.1 Überblick

846

9.1.5.2 Technisches Unternehmensteuersystem

853

9.1.5.3 Rechtsformabhängige Besteuerung 9.1.5.3.1 Überblick 9.1.5.3.2 Einzelunternehmung 9.1.5.3.3 Kapitalgesellschaft 9.1.5.3.4 Personengesellschaft 9.1.5.3.5 Zusammenfassendes Beispiel

855 855 856 856 857 861

9.1.5.4 Interpendenzen wichtiger Steuerarten

867

Literaturverzeichnis zu Kap. 9.1

869

9 Besteuerung von Immobilien

701

9.1 Grundlagen der Besteuerung Jochen Sigloch 9.1.1 9.1.1.1

Allgemeine Grundlagen Steuersystem in Deutschland

Steuern werden von öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen primär zur Finanzierung ihrer Ausgaben erhoben (Fiskalfunktion). Über diesen Fiskalzweck hinaus können Steuern auch für andere (Neben-)Zwecke - z. B. Förderung, Behinderung von Akteuren oder Handlungen, Umverteilung- eingesetzt werden (Lenkungsfunktion). Im modernen Steuerstaat hat nahezu jedes Handeln im Rahmen der Daseinsvorsorge einen steuerlichen Schatten. In einem Vielsteuersystem, wie es weltweit die Regel ist, löst dabei jedwede unternehmerische Tätigkeit in zahlreichen Steuerarten Steuerwirkungen Das Steuersystem ist auch in Deutschland als Vielsteuersystem aufgebaut. Es wird gegenwärtig von etwa 50 Steuerarten gebildet. Ein anschauliches Bild über die Bedeutung der einzelnen Steuerarten liefert die alljährlich publizierte „Steuerspirale" :

Steuerspirale 2003

Steuereinnahmen in Deutschland Kapitalertragsteuer insgesamt 442,2 Milliarden Euro

Kirchensteuer* g 090

darunter in Mio. Euro

9 001 . 9 658 Grundsteuer

Versicherungsteuer 8 870 Körperschaftsteuer 8 275

, 10 288 Solidaritátszuschlag

^

ι 14 094 Tabaksteuer

Zinsabschlag 7 632

Kfz-Steuer 7 336

Stromsteuer 6 531

24139 Gewerbesteuer

Gnjnderwerb- 4 800 (teuer φ

• 218 Hundesteuer • 230 Vermögensteuer

MineralölEinkommen- 4 568 Λ Steuer • Erbschaftsteuer 3 373 ' Zölle 2 877

» 1 Schankerlaubnissteuer • 1 Getränkesteuer • 1 Rennwettsteuer • 4 Kinosteuer • 25 Jagd- u. Fischereisteuer • 28 Zwischenerzeugnissteuei • 32 Totalisatorsteuer • 55 Zweitwohnungsteuer

• 2 5 1 Vergnügungsteuer 328 Feuerschutzsteuer ,

φ

Branntweinsteuer 2 204

1 829 Lotteriesteuer

980

432 Schaumweins»euer

786 Biersteuer

Kaffeesteuer * In der Gesamtsumme nicht enthalten

Abb. 21: Steuerspirale 2003 (NWB Nr. 23 v. 19.07.2004 S. 2156)

702

9 Besteuerung

von

Immobilien

Zum Steueraufkommen in Deutschland (2003 ca. 442 Mrd. €) tragen die direkten und indirekten Steuern derzeit etwa in einem Verhältnis von 52:48 bei. Den Löwenanteil des gesamten Steueraufkommens erbringen nur wenige Steuern, wobei den Ertragsteuern einerseits und der Umsatzsteuer andererseits eine zentrale Rolle zufällt. Trotz des offenkundig höheren Gewichts und starken Anstiegs der Lohnsteuer ist die Parole „Ab in den Lohnsteuerstaat" aus mehreren Gründen (statistische Zuordnungsmängel von Lohnsteuererstattungen zur veranlagten Einkommensteuer und Trend zur GmbH) tumbe Volksverdummung! Das Vielsteuersystem in Deutschland lässt sich auf unterschiedliche Weise ordnen: •

Die amtliche Steuerstatistik differenziert in Besitzsteuern (Personen- und Realsteuern), Verkehrsteuern sowie Verbrauchsteuern und Zölle.



Nach der Überwälzbarkeit lassen sich direkte und indirekte Steuern unterscheiden: Steuerarten

I

1

I

Direkte Steuern

I

I

1

Ertragsteuern • Körperschaftsteuer • Einkommensteuer - veranlagte Einkommensteuer

Indirekte Steuern

Substanzsteuern • Vermögensteuer der juristischen Person d) • Vermögensteuer der natürlichen Person

1

1

Verbrauchsteuern

• Umsatzsteuer

• auf Energie - Erdgassteuer - Mineralölsteuer

d)

- Stromsteuer ^ • auf

- Lohnsteuer - Kapitalertragsteuer - Zinsabschlagsteuer

• Gewerbeertrags teuer

I

Verkehrsteuern

Lebensmittel



Salzsteuerc)

-

Zuckersteuerc)

• auf Genußmittel • Grundsteuer • Gewerbekapitalsteuer

• Grunderwerbsteuer

- Biersteuer - Branntweinsteuer - Kaffeesteuer

e)

- Schaumweinsteuer

• Sonstige

- Tabaksteuer

- Feuerschutzsteuer Erbschafts teuer]

- Hundesteuer -

Kapitalverkehrsteuern —

Gesellschaftssteuer



Börsenumsatzsteuer*)

- Kraftfahrzeugsteuer - Rennwett- und Lotteriesteuer

-

Teesteuerc)

• auf sonstige Verbrauchsgüter -

Leuchtmittelsteuerc)

• kommunale Verbrauchsteuern - Gemeindegetränkesteuer - Vergnügungsteuer

- Spielbankenabgabe - Straßengüterverkehrsteuer - Versicherungsteuer -

Wechselsteue^

Abb. 22: Systematik der Steuerarten nach direkten und indirekten Steuern a)

Aufgehoben zum 1.1.1991

c)

Aufgehoben zum 1.1.1993

e)

b)

Aufgehoben zum 1.1.1992

d)

Nicht mehr erhoben ab 1.1.1997

*) Eingeführt zum 1.4.1999

Aufgehoben zum 1.1.1998

9 Besteuerung von Immobilien

703

Welchen Anteil einzelne Wirtschaftszweige (ζ. B. der Immobiliensektor, Finanzsektor) zu diesem Steueraufkommen beitragen, lässt sich nicht präzise ermitteln. Fest steht, dass für alle Sektoren - auch den Immobilien- und Finanzsektor - direkte wie indirekte Steuern von großer Bedeutung sein können. 9.1.1.2

Staatsaufgaben

Der Staat braucht zur Erfüllung der von ihm wahrgenommenen Aufgaben finanzielle Mittel. Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte (Bund, Länder und Gemeinden) werden vor allem durch Steuern und andere Abgaben sowie durch Kreditaufnahmen und weitere Einnahmen gedeckt: Einnahmen • Abgaben - Steuern - Beiträge - Gebühren

Öffentliche Haushalte

• Verteidigung Bund

Tab. 9: Öffentliche Haushalte - Einnahmen und

• Innere Sicherheit • Soziale Sicherheit

• Nettokreditaufnahme • Weitere Einnahmen - Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit - Münzeinnahmen - Sonstige

Ausgaben

Länder

Gemeinden

• Bildung, Wissenschaft, Forschung • Weitere Ausgaben

Ausgaben

Der Staat finanziert sich über •

Bundessteuern,



Ländersteuern und



Gemeindesteuern sowie



Gemeinschaftssteuern.

Dabei ist bei der Steueraufteilung zwischen den verschiedenen Steuergläubigern nicht selten ein bemerkenswertes „Schachern" um Steueranteile zu beobachten - bisweilen ausgelöst und verbunden mit Aufgabenumverteilungen mit unterschiedlichen Finanzierungszuständigkeiten.

704

9 Besteuerung voti Immobilien

Die Aufteilung d e r S t e u e r e i n n a h m e n

Lindersteuera Vermögensteuer E r b s c h a f t s teuer Grunderwerbsteuer Kraftfahrzeugsteuer Rennwett- und Lotteriesteuer Feuerschutzsteuer Biersteuer

Bundessteuern V e r s icherungssteuer Mineralölsteuer Tabaksteuer K a f f e s teuer Solidaritätszuschlag sonstige Bundessteuern

Eigene Einnahmen der E G Mehrwertsteuereigenmittel BSP-Eigenmittel Zolle

Gemeindesteuern Gewerbesteuer Grundsteuer VergnUgungsteuer Schankerlaubnissteuer J a g d - und Fischereisteuer Hundesteuer GemeindegetiHnkesteuer

Anmerkung: •> D i e Umsatzsteuer wird durch einen V o r w e g a b z u g zugunsten des B u n d e s von 5 , 6 3 % sowie einen weiteren A b z u g zugunsten der G e m e i n d e n von 2 . 0 8 % gemindert, die verbleibenden 9 2 , 2 9 % bilden 1 0 0 % der Verteilungsgrundlage

Abb. 23: Aufteilung der Steuereinnahmen 2005 (Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1994, Bonn 1994, S. 238 mit Anpassungen) Die gesamten Steuereinnahmen sind zwischen den Gebietskörperschaften so aufzuteilen, dass diese die ihnen durch die Verfassung zugewiesenen Aufgaben erfüllen können. Die Verteilung des Steueraufkommens ist im Grundgesetz festgelegt (Art. 106 GG) und wird in ergänzenden Bundesgesetzen geregelt. 9.1.1.3

Funktionen und Besteuerungsgrundsätze

Steuern dienen in erster Linie der Einnahmenerzielung für den Staat. Dabei darf die „Steuerschraube" nicht überdreht werden, d. h. die „Steuerlastquote muss in vertretbarem Rahmen" gehalten werden. Ferner ist eine als gerecht empfundene Verteilung der Steuerlast auf die Steuerbürger anzustreben. Daneben kann die Besteuerung auch Ordnungsfunktionen übernehmen. Hierbei ist zu beachten: •

Soweit Steuern keine Lenkungszwecke verfolgen, sollten sie dem Neutralitätspostulat genügen, d. h. möglichst wenig in die individuellen Entscheidungen der Zensiten eingreifen und damit Entscheidungsneutralität wahren.

9 Besteuerung von Immobilien



705

Die Besteuerung kann auch zu Lenkungszwecken unterschiedlicher Art eingesetzt werden (Steuerintervention), um volkswirtschaftlich erwünschte Ziele zu fördern oder unerwünschte Wirkungen zu beseitigen. Eine Lenkung durch Steuern bedarf stichhaltiger Begründungen und sollte nur zeitlich begrenzt eingesetzt werden.

Einen Überblick über die zentralen Funktionen der Besteuerung gibt die nachfolgende Abbildung: Funktionen der Besteuerung

Fiskalfunktion

Ordnungsfunktion

: Erzielung vonEinnahmen in ausreichender Höhe

mit Implikationen filr

Steuerlastquote

SteuerlastVerteilung "Steuergerechtigkeit"

= Setzung adäquater steuerlicher Rahmenbedingungen

Sicherstellung von (Entscheidungs-) Neutralität

Steuerinterventionen

(objektbezogene) Lenkungs ñinktion

Steueraufkommensaufteilung

Förderung erwünschter Aktivitäten

Erschwerung/ Verhinderung unerwünschter Aktivitäten

(subjektbezogene) (Um-) Verteilungsfunktion

Steuerminderbelastungen oder Tranfers

Steuermehrbelastungen oder Zusatzabgaben

Abb. 24: Funktionen der Besteuerung Die Funktionen der Besteuerung dienen als Orientierung und Leitlinien für die Entwicklung von allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen und konkreten Rechtssetzungen. Den - meist aus der Verfassung abgeleiteten - Besteuerungsgrundsätzen (vgl. Abb. 25) ist die Aufgabe zugewiesen, konkrete Regelungen auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassimg zu prüfen und sie ggf. als nicht verfassungskonform außer Kraft zu setzen. Im Rahmen der Besteuerungsprinzipien ist die „gerechte" Verteilung der Steuerlast auf die Steuerbürger von besonderem Interesse. Steuergerechtigkeit ist zwar unbestimmt, aber nicht unbestimmbar (Homburg (2005), S. 216): Steuergerechtigkeit gilt als umso mehr verwirklicht, je mehr den Prinzipien der Allgemeinheit, Gleichmäßigkeit und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Rechnung getragen ist (vgl. Abb. 26).

706

9 Besteuerung von Immobilien

Besteuerungsgrundsütze

Nebenbedingungen

im Rahmen der Fiskalfunktion

im Rahmen der (Wirtschafts-) Ordnungsfiinktion

Steuergerechtigkeit

• Allgemeinheit • Gleichmäßigkeit

Rechtsstaatlichkeit

• Gesetzmäßigkeit

• Leistungsfähigkeit

• Tatbestandsbestimmtheit

[· Sozialstaatlichkeit]

• Legalität • Verbot von Steuervereinbarungen > Rechtssicherheit • Tatbestandsbestimmtheit • Rückwirkungsverbot

verwaltungsökonomische Effizienz

Neutralitat • Vermeidung steuerbedingter Verzerrungen

• Einfachheit

Lenkungseignung

• Praktikabilität

• Flexibilität

• Durchsetzbarkeit • Billigkeit und Bequemlichkeit fìlr den Steuerpflichtigen und die Steuerverwaltung • Nachprüfbarkeit und Transparenz

(Um)Verteilungseignung • Verteilungsgerechtigkeit

• Zeitnähe

• Analogieverbot > Übermaßverbot > Rechtsschutz • Schutz des rechtlichen Gehörs • Wahrung des Steuergeheimnisses

Abb. 25: Besteuerungsgrundsätze Eines der zentralen Probleme einer an der Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung ist die Festlegung geeigneter Maßgrößen für die steuerliche Leistungsfähigkeit. Als Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit kommen grundsätzlich in Betracht •

das Einkommen,



das Vermögen und/ oder



der Konsum.

Geht man davon aus, dass das finanzielle Vermögen letztlich nur der (Bar-) Wert künftiger Einnahmenüberschüsse zuzüglich vorhandener Mittel ist, verbleiben noch die Indikatoren „Einkommen" oder „Konsum" als eigenständige Maßgrößen für steuerliche Leistungsfähigkeit. Im Englischen wird steuerliche Leistungsfähigkeit anschaulich als „ability to pay" (Steuerzahlfähigkeit) bezeichnet.

9 Besteuerung von Immobilien

707

Steuergerechtigkeit 1 Allgemeinheit

1 Leistungsfähigkeit

Gleichmäßigkeit

Steuererhebung • Gebot der unabhängig von Rasse, Religion, Gleichbehandlung Berufsstand von wirtschaftlich gleichen Sachverhalten • Verbot der willkürlichen Ungleichbehandlung

• Wessen Leistungsfähigkeit? Mögliche Steuersubjekte: Person-Ehegatten-Familie • Wie Leistungsfähigkeit messen? Mögliche Indikatoren·. Einkommen-Vermögen-Konsum • „Objektive" versus „subjektive" Leistungsfähigkeit? Mögliche Einkommensbegriffe·. ζ. B. Markteinkommen versus dispositives Einkommen • Höhe der Besteuerung Mögliche Tarifverläufe: lineare oder (direkt oder indirekt) progressive Tarife

Abb. 26:

Steuergerechtigkeit

Exkurs: Rückwirkungsproblematik Steuern dürfen nur auf der Grundlage von Gesetzen erhoben werden. Steuerliches Rückwirkungsverbot bedeutet, dass Steuergesetze keine Rückwirkung entfalten dürfen. Hierbei wird häufig zwischen •

„echter" Rückwirkung, die unzulässig ist, und



„unechter" Rückwirkung, die als zulässig erachtet wird,

unterschieden. Die Problematik der steuerlichen Rückwirkung kann man am Beispiel der bis Ende 2004 steuerlichen Privilegierung bestimmter Lebensversicherungen - sog. „steuerliches Zinsprivileg der Lebensversicherung" verdeutlichen:

Abb. 27: Typisierter Ansparverlauf

Kapitallebensversicherung

708

9 Besteuerung von Immobilien

Bei der Abschaffung dieses Zinsprivilegs waren - wie generell bei Steuergesetzänderungen - grundsätzlich folgende Alternativen gegeben: Änderung von Steuergesetzen

Geltung fur Neu- und Altverträge "Bestandsschutz vs. Flexibilität"

Wirkung von Anfang an ("ex tune")

Geltung nur für Neuverträge "Bestandsschutz "

Wirkung nur für die Zukunft ("ex nunc")

Abb. 28: Änderung von Steuergesetzen und Rückwirkungsverbot Rückwirkende Steuergesetze treten derzeit vermehrt auf. Exemplarisch sei auf die Neuregelung zur Besteuerung von privaten Veräußerungsgewinnen (früher: „Spekulationsgewinnen") verwiesen. Zu beachten ist folgender Ausgangspunkt: •

Grundsatzregelung: Die Veräußerung von Privatvermögen ist nach geltendem Recht grundsätzlich nicht steuerpflichtig.



Ausnahmeregelung: Bei privaten Veräußerungsgeschäften greift die Steuerpflicht ausnahmsweise ein, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung bestimmte „kurze" Fristen unterschritten werden. Diese Fristen wurden ab Veranlagungszeitraum 1999 verlängert: Regelung Bis 31.12.1998

ab 01. Januar 1999

Mobilien

6 Monate

12 Monate

Immobilien

2 Jahre

10 Jahre

Tab. 10: Veräußerungsfristen für private

Veräußerungsgeschäfte

Die durch das Steueränderungsgesetz 1999 eingeführte Verlängerung der früheren „Spekulationsfristen" für private Veräußerungsgewinne kann für Bestandsimmobilien zu Problemen der steuerlichen Rückwirkung führen.

9 Besteuerung von Immobilien

709

Folgende Fallgestaltungen sind zu betrachten: G r u n d f ä l l e " E r w e r b u n d V e r ä u ß e r u n g v o n I m m o b i l i e n im

ι I

A Β

ι 1

1 1

ι 1

I 1

ι 1

1

ι 1

C

Privatvermögen"

i

I 1 ι 1

D

ι 1

ι 1 Zeit

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Abb. 29: Grundfälle Erwerb-Veräußerung von Immobilien (X = Veräußerungszeitpunkt) Problematisch erscheint insbesondere Fall B. Strittig ist derzeit, ob aufgetretene Vermögenswertänderungen •

in Höhe der Differenz zwischen (fortgeführten) Anschaffungskosten und Veräußerungspreis voll zu besteuern sind (derzeitige Gesetzeslage),



nur in Höhe der Differenz zwischen Vermögenswert am 31. 12. 1998 und Veräußerungspreis erfasst werden - diese Lösung entspricht der 1970 getroffenen Regelung für Land- und Forstwirte, bei denen vor dem 1. Juli 1970 angeschaffter Grund und Boden ab 1970 erstmals in die Steuerpflicht einbezogen wurde (§ 55 EStG), - oder



überhaupt nicht besteuert werden.

Das Bundesverfassungsgericht ist angerufen, seine Entscheidimg steht noch aus. 9.1.1.4

Rechtsquellen des Steuerrechts

Konkrete Rechtsquellen für das Steuerrecht sind: •

Rechtsnormen mit Allgemeinverbindlichkeit,



Gerichtsentscheidungen mit Einzelfallbindung und



Verwaltungsanweisungen mit (nur) interner Bindung der Finanzverwaltung.

Allgemeine Verbindlichkeit für die Besteuerung haben zunächst nur die nationalen Steuergesetze und die diesen gleichgestellten Durchführungsverordnungen. Supranationale Regelungen schaffen keine eigenes Besteuerungsrecht, sondern dienen dazu, unerwünschte internationale Doppelbesteuerungen durch den Abschluss sog. „Doppelbe-

710

9 Besteuerung von Immobilien

steuerungsabkommen (DBA)" zu vermeiden. Diese Abkommen sollten eigentlich besser „ Doppelbesteuerungsvermeidungsabkommen" heißen. Rechtsnormen

völkerrechtliche Vereinbarungen

nationalstaatliche Gesetze

GrundlagenSteuergesetze • einseitige Regelungen «Abgabenordnung • bilaterale Abkommen «Bewertungsgesetz (Dopptelbesteuerungsabkommen (DBA)) > multilaterale Abkommen

EinzelSteuergesetze • EStG • KStG • UStG

->

Rechtsverordnungen aufgrund gesetzlicher Ermächtigungen

Durchführungsverordnungen • EStDV/LStDV • KStDV • UStDV

Abb. 30: Rechtsnormen Gerichtsentscheidungen entfalten nur Individualbindung, haben darüber hinaus aber auch Präzedenzwirkung für gleich gelagerte Fälle. Zu unterscheiden sind die beiden Instanzen „Finanzgerichte der Länder" und der „Bundesfinanzhof" mit Sitz in München. Den Verfassungsgerichten kommt die Aufgabe zu, konkrete Rechtssetzungen auf ihre Verfassungskonformität zu überprüfen. Das Bundesverfassungsgericht mit Sitz in Karlsruhe kommt in Deutschland zentrale Bedeutimg zu, doch ist nicht zu übersehen, dass der "Europäische Gerichtshof (EuGH)" mit Sitz in Luxemburg zunehmendes Gewicht bei der Beurteilung auch von Steuerrechtsnormen erlangt. Gerichtsentscheidungen

Einzelfall-Entscheidungen der Finanzgerichte

Finanzgerichte der Länder (FG)

Bundesfinanzhof (BFH/München)

Abb. 31: Gerichtsentscheidungen

Normenkontrollverfahren • Bundesverfassungsgericht (BVerfG/Karlsruhe) • Europäischer Gerichtshof (EuGH/Luxemburg)

9 Besteuerung von Immobilien

711

Die Verwaltungsanweisungen unterschiedlichster Provenienz haben die Aufgabe, einen gleichmäßigen Verwaltungsvollzug von Flensburg bis Berchtesgaden sicherzustellen. Verwaltungsanweisungen mit (nur) interner Verwaltungsbindung

Verlautbarungen der Finanzministerien

(Steuer-) Richtlinien Abb. 32:

BMF-Schreiben (Bundesministerium der F i n a n z e n )

A n w e i s u n g e n der Oberfinanzdirektion

LänderErlasse

OFD-Verfugungen

Verwaltungsamoeisungen

Dieser Anspruch kann allerdings wegen der unterschiedlichen Zuständigkeiten nicht als jederzeit gesichert gelten. 9.1.1.5

Besteuerungsverfahren

Das Besteuerungsverfahren lässt sich wie in Abb. 33 strukturieren. Das Besteuerungsverfahren setzt sich aus einer Reihe von Grund-Aktivitäten zusammen, die - unter gewissen Voraussetzungen - von zusätzlichen Aktivitäten überlagert werden können. Zu unterscheiden sind folgende Teilschritte des Besteuerungsverfahrens: 9.1.1.5.1

Steuerermittlungsverfahren (§§ 134-154 AO)

Im Steuerermittlungsverfahren werden Steuerpflichtiger und Besteuerungsgrundlage von Amts wegen ermittelt (§ 88 AO). Die Beteiligten sind - insbesondere in Gestalt der Pflicht zur Abgabe von Steueranmeldungen und -erklärungen und zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Aufzeichnungen - zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet (§ 90 AO). Mitwirkungspflichten greifen bisweilen auch gegenüber dritten, am Verfahren unbeteiligten Personen. Das allgemeine Steuerermittlungsverfahren wird in besonderen Fällen um ein •

besonderes Steuerermittlungsverfahren (Außenprüfung, Steuerfahndung, Steueraufsicht in Sonderfällen) sowie



Zwangsmaßnahmen bei Verstoß gegen die Erklärungs- und Anmeldungspflichten (Zwangsmittel, Verspätungszuschlag, Schätzung) ergänzt.

712

9 Besteuerung von

Immobilien

GrundAktivitäten

Phasen

Überlagernde Aktivitäten

Entstehen der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis

Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft

Ermittlungen des Finanzamts unter Mitwirkung des

Erfassung/Dokumentation der steuerpflichtigen Sachverhalte

Zwangsmaßnahmen:

(§ 38 AO)

• Zwangsmittel • Verspätungszuschlag • Schätzung Rechtsbehelfe:

Abgabe einer

• Einspruch

I

Steuerpflichtigen

• Klage Steueranmeldung

Steuererklärung

• Revision Steueraufsicht: • Außenprüfung • Steuerfahndung • Steueraufsicht in Sonderfällen 1 ι

Feststellung/ Festsetzung der Steuerschuld

Steuerbescheid

gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen

gesonderte Festsetzung von Steuermeßbeträgen

Zerlegung von Besteuerungsgrundlagen

Feststellungsbescheid (§§ 179 f AO)

Steuermeßbescheid (§§ 184 A O )

Zerlegungsbescheid (§§ 185 f f A O )

Steuerpflichtverletzungen: • Steuerstraftaten • Steuerordnungswidrigkeiten

Steuer beitreibung: Steuererhebung und Erlöschen der Steuerschuld

• Zahlung • Aufrechnung • Erlass • Verjährung

• Hinausschieben der Fälligkeit • Vollstreckung • Haftung

Abb. 33: Phasen des Besteuerungsverfahrens 9.1.1.5.2

Steuerfestsetzungs- und Steuerfeststellungsverfahren (§§ 155-192 AO)

Im Steuerfestsetzungs- und Steuerfeststellungsverfahren werden die gegen den Steuerschuldner entstandenen Steueransprüche in einem förmlichen Verfahren geltend gemacht und/ oder Besteuerungsgrundlagen festgestellt. Die Festsetzungen/ Feststellungen erfolgen in Bescheiden: •

Steuerbescheid, in dem sowohl die Steuerbemessungsgrundlagen als auch die Steuer selbst festgesetzt wird (ζ. B. ESt-Bescheid). Hierzu rechnen auch Bescheide, die die

9 Besteuerung von Immobilien

713

vollständige oder teilweise Freistellung von der Steuer (Freistellungsbescheide) oder die Vergütung von Steuern (Steuervergütungsbescheide) betreffen. •

Feststellungsbescheid, in dem aus Gründen der Einheitlichkeit der Besteuerung und der Verfahrensökonomie bestimmte Besteuerungsgrundlagen einheitlich für mehrere Steuerarten und/oder Personen festgestellt werden (ζ. B. Einheitswert-Bescheid).



Steuermessbescheid, in dem für Zwecke der Realsteuern Steuermessbeträge festgestellt werden (ζ. B. GewSt-Messbescheide).



Zerlegungsbescheid, der festgestellte Steuermessbeträge auf einzelne Belegenheitsgemeinden verteilt (ζ. B. GewSt-Zerlegungsbescheid). Feststellungs-, Zerlegungs- und Steuermessbescheide entfalten Bindungswirkung für die jeweiligen Folgebescheide.



Sonstigen Bescheide, ζ. B. Haftungsbescheide, Bescheide über Festsetzung von Zwangsgeld und Verspätungszuschlägen. Steuerermitthings- und Steuerfestsetzungs-/-feststellungsverfahren werden unter dem gemeinsamen Begriff „Veranlagungsverfahren" zusammengefasst. Für rechtswirksam erlassene, aber fehlerhafte Steuerbescheide u. a. Verwaltungsakte sieht die AO eine Reihe von Korrekturmöglichkeiten vor.

9.1.1.5.3

Steuererhebungsverfahren (§§ 218-248 AO)

Im Steuererhebungsverfahren sind geregelt •

die Geltendmachung der fälligen Steuerschuld,



deren Beitreibung (Vollstreckung, Haftung),



das Hinausschieben der Fälligkeit (Stundung, Zahlungsaufschub, Aussetzung der Vollziehung) sowie



das Erlöschen der Steuerschuld (Zahlung, Aufrechnung, Verjährung, Erlass).

9.1.1.5.4

Rechtsbehelfsverfahren (§§ 347-368 AO, 33-134 FGO).

Im Rechtsbehelfsverfahren wird dem Steuerpflichtigen auf •

außergerichtlichem Weg (Einspruch) und



gerichtlichem Weg (Klage, Revision)

Schutz vor rechtswidrigen Handlungsweisen der Finanzbehörden gewährt.

714

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.1.5.5

Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigweitenverfahren (§§ 369-412 AO)

Im Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigweitenverfahren werden Verstöße gegen Steuergesetze geahndet. 9.1.2

Grundfragen der Einkommensbesteuerung

9.1.2.1

Persönliche Steuerpflicht

Persönliche Einkommensteuerpflicht besteht für alle natürlichen Personen unabhängig von Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Rasse, Religion u. a. persönlichen Merkmalen. Sie beginnt mit der Vollendung der Geburt und endet mit dem Tod des Steuerpflichtigen. Bei der Bestimmung des Umfangs der persönlichen Steuerpflicht kommt dem Wohnsitz und dem gewöhnlichen Aufenthalt des Steuerpflichtigen besondere Bedeutung zu: •

Wohnsitz: Innehaben einer Wohnung u. U., die darauf schließen lassen, dass sie beibehalten und benutzt wird (§ 8 AO);



gewöhnlicher Aufenthalt: Aufhalten u. U., die erkennen lassen, dass nicht nur vorübergehendes Verweilen vorliegt (§ 9 AO).

Im Einzelnen gilt: (1)

Steuerpflichtige mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland unterliegen der unbeschränkten Steuerpflicht, die alle von ihnen erzielten Einkünfte umfasst („Welteinkommens-Prinzip").

(2)

Steuerpflichtige ohne Wohnsitz und ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland unterliegen der beschränkten Steuerpflicht, die nur bestimmte inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG umfasst („Territorialeinkommens-Prinzip").

(3)

Sonderformen bilden: a)

die „erweiterte" unbeschränkte Steuerpflicht, mit der sichergestellt werden soll, dass aus inländischen Kassen entlohnte öffentliche Bedienstete im Ausland ebenso wie inländische Bedienstete behandelt werden, und

b)

die „erweiterte" beschränkte Steuerpflicht, mit der für steuerlich motivierte Wohnsitz- und Aufenthaltswechsel in „Steueroasen" erhebliche steuerliche Hürden (etwa durch eine erfolgswirksame Auflösimg stiller Reserven) errichtet werden sollen.

9 Besteuerung von Immobilien

(4)

715

Im Rahmen der Welteinkommensbesteuerung kann es zu einer internationalen Doppelbesteuerung kommen; diese wird teilweise vermieden oder abgemildert durch a)

einseitige Maßnahmen (§ 34c EStG) • Anrechnimg ausländischer Steuern und • Abzug ausländischer Steuern;

b)

zweiseitige Maßnahmen in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) • Freistellung (i. d. R. mit Progressionsvorbehalt) • Anrechnung ausländischer Steuern. Einkommensteuerpflicht für natürliche Personen I

I

mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland

ohne Wohnsitz und ohne gewöhnlichem Aufenthalt im Inland

unbeschränkte Steuerp flicht (§ 1 I EStG)

"erweiterte" unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 II, III, la EStG)

beschränkte Steuerpflicht (§ 1 IV EStG)

• Öffentliche Bedienstete im Ausland, die Arbeitslohn aus einer inländischen Kasse beziehen (insb. Diplomaten) • (v.a) EU-Staatsangehörige, sofern ihr Einkommen nahezu ausschließlich im Inland verdient wird ("Grenzpendler") • und - unter gewissen Voraussetzungen deren Angehörige (Gewährung des Splittings!)

J alle Einkünfte (Welteinkommensprinzip)

Abb. 34: Persönliche Einkommensteuerpflicht

bestimmte inländische Einkünfte iSd § 49 EStG (Territorialeinkommensprinzip)

"erweiterte" beschränkte Steuerpflicht ( § 2 1 AStG) • in den letzten 10 Jahren als Deutscher S 5 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig • ansässig in ausländischem Gebiet ohne/mit niedrigerer Besteuerung • wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland

alle Einkünfte, die nicht ausländische Einkünfte iSd § 34 EStG sind und in der Summe 32.000 DM übersteigen, für die Dauer von 10 Jahren ab Beendigung der unbeschränkten Steuerp flicht

716

9 Besteuerung von Immobilien

Steuern auf das Einkommen werden im geltenden Recht in vielfältiger Weise erhoben: (1)

Das Einkommen natürlicher Personen unterliegt der Einkommensteuer. Die Einkommensteuer wird i. d. R. im Wege der „Veranlagung" in einem förmlichen Verfahren ermittelt und festgesetzt. Die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage folgt dabei dem Prinzip der Selbstdeklaration. In zwei wichtigen Fällen wird die Einkommensteuer nicht erst beim Steuerpflichtigen, sondern bereits an der Einkommensquelle im Wege des „Quellenabzugs" erhoben: •

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen der Quellensteuer „Lohnsteuer". Das Lohnsteuerabzugsverfahren ist eine vereinfachte Form der Berechnung der Einkommensteuer für Arbeitnehmer, die die überwiegende Mehrheit aller Einkommensteuerpflichtigen bilden.



Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen - auch soweit sie im Ergebnis anderen Einkunftsarten zugeordnet werden (Subsidiarität) - partiell der Quellensteuer in Form der „Kapitalertragsteuer" und der „Zinsabschlagsteuer". Damit soll die Erfassung der Einkünfte aus Kapitalvermögen sichergestellt werden.

(2)

Das

Einkommen

juristischer

Personen

unterliegt

einer

besonderen

Ein-

kommensteuer, der Körperschaftsteuer. Für die technische Durchführung der Körperschaftsbesteuerung können sehr unterschiedliche Systeme zur Anwendung kommen. In Deutschland wurde das klassische System der Doppelbesteuerung mit gespaltenem Steuersatz im Jahr 1977 durch das Vollanrechnungssystem abgelöst. Bei diesem System wurde die Körperschaftsteuer lediglich als vorweg bezahlte Einkommensteuer erhoben, die im Falle der Gewinnausschüttung auf die individuelle Einkommensteuer anzurechnen war. Im Jahr 2001 wurde ein Systemwechsel zum sog. Halbeinkünfteverfahren vollzogen, bei dem auf Ebene der Körperschaft eine definitive (hälftige) Körperschaftsteuer erhoben wird und im Ausschüttungsfall die Hälfte der Ausschüttungen mit individueller Einkommensteuer belastet wird. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer und Zinsabschlagsteuer sind im Falle der Veranlagung auf die Einkommensteuerschuld anzurechnen. Sie sind daher als Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer anzusehen.

9 Besteuerung von Immobilien

717

Besteuert wird das EINKOMMEN

natürlicher

juristischer

Personen

Personen

(4) Einkünfte aus

Einkünfte aus:

nichtselbständiger Arbeit

(1) Land-und

(5) Einkünfte aus

(definitive)

Kapitalvermögen

Körperschaftsteuer

Forstwirtschaft (2) Gewerbebetrieb (3) selbständiger Arbeit (6) Vermietung und

mit

ohne

mit

Quellenabzug

Quellenabzug

Quellenabzug

(lt. Tabelle)

Verpachtung

(pauschal § 43 EStG)

(7) sonstigen Einkünften iSd § 22 EStG

Lohnsteuer

Kapitalertragsteuer

bei Ausschüttung: Hälfte der Gewinnausschüttung

20% Kapitalertragsteuer

festzusetzende KSt

Wahlrecht/Pflicht zur Einbeziehung der Einkünfte Veranlagung

unter

Berücksichtigung der einbehaltenen Quellensteuern

Einkommensteuer

Veranlagung

Körperschaftsteuer

Abb. 35: Erhebungsformen der Besteuerung vom Einkommen 9.1.2.2 9.1.2.2.1

Grundlagen der Einkommensteuer Steuerliches Einkommen

Die Einkommensteuer ist eine „junge" Steuer. Erst im 19. Jahrhundert eingeführt besteuert die Einkommensteuer das von einer Person während einer Rechnungsperiode (Kalenderjahr) erzielte Einkommen. Was Einkommen sei, war und ist in der Theorie umstritten und weitgehend ungeklärt. Steuertechnisch wird das Einkommen synthetisch ermittelt als Addition der Einkünfte aus sieben verschiedenen Einkunftsarten. Die Summe der Einkünfte wird um gewisse Zu- und Abrechnungen korrigiert und um bestimmte Ausgaben der Verwendungssphäre gemindert. Vereinfacht ergibt sich das in Abbildung 34 dargestellte Ermittlungsschema. Zu dem Einkommensermittlungsschema sind einige Anmerkungen angezeigt.

718

9 Besteuerung von Immobilien



Zu unterscheiden sind die Einkommensermittlungssphäre (bis zum Gesamtbetrag der Einkünfte) und die anschließende Einkommensverwendungssphäre.



Im Rahmen der Einkommensermittlungssphäre werden die ersten drei Einkunftsarten (1-3) als sog. betriebliche Einkunftsarten, die Einkunftsarten (4-7) als sog. private Haushaltseinkunftsarten bezeichnet.



Zu den Haupteinkunftsarten rechnen die Einkunftsarten (1-4), die Einkunftsarten (57) sind (subsidiäre) Nebeneinkunftsarten. Einkünfte aus sieben Einkunftsarten: Gewinneinkunftsarten (Betriebsvermögen) (1) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (2) Einkünfte aus Gewerbebetrieb (3) Einkünfte aus selbstständiger Arbeit Überschusseinkunftsarten (Privatvermögen)

=

(4) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (5) Einkünfte aus Kapitalvermögen (6) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (7) sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 EStG • wiederkehrende Bezüge (Nr. 1) • Unterhaltsleistungen nach Realsplitting (Nr. la) • private Veräußerungsgeschäfte (Nr. 2) • gelegentliche Leistungen (Nr. 3) • Entschädigungen, Amtszulage etc. (Nr. 4) Summe der Einkünfte

Erwerbssphäre (Sphäre der Einkommenserzielung)

-¡. Zu-/ Abrechnungen =

Gesamtbetrag der Einkünfte

/

Verlustabzug ("neue" Verluste ab 1999) Sonderausgaben Außergewöhnliche Belastungen Verlustabzug ("alte" Verluste bis 1998)

/

Konsumsphäre (Sphäre der Einkommensverwendung)

=

Einkommen

./

Freibeträge

=

zu versteuerndes Einkommen

Tab. 11: Schema der steuerlichen

Einkommensermittlung

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.2.2.2

719

Unterscheidung von Einkommenserzielungs- und Einkommensverwendungssphäre

Von großer Bedeutung ist im Einkommensteuerrecht die Unterscheidung zwischen der Einkommenserzielungs- und der Einkommensverwendungssphäre. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass das Steuerrecht für die Erwerbssphäre und die Konsumsphäre ganz unterschiedliche steuerliche Regelungen trifft, aber der Mensch immer Erwerbs- und Konsumperson zugleich ist. Betriebliche/Berufliche Erwerbssphäre

Private Konsumsphäre

Grundsatz: Alle Einnahmen und Ausgaben sind steuerlich relevant

Grundsatz: Alle Einnahmen und Ausgaben sind steuerlich nicht relevant

Abb. 36: Doppelnatur des Menschen: Erwerbs- und Konsumperson

Grundsätzlich gelten für die Besteuerung der Erwerbs- und Konsumsphäre folgende Regelungen: •

In der Einkommenserzielungssphäre gilt grundsätzlich das Nettoprinzip. Ausgaben zur Erzielung von Einkünften - steuertechnisch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bezeichnet - sind daher steuerlich grundsätzlich abzugsfähig. Ausnahmen sind insbesondere in § 4 V EStG festgelegt und betreffen zumeist Ausgaben, die im Grenzbereich zur privaten Lebensführung anfallen.



Die Einkommensverwendung erfolgt grundsätzlich aus versteuertem Einkommen. Ausgaben im Bereich der Einkommensverwendung sind somit steuerrechtlich grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig (§ 12 EStG). Sie sind als Kosten der privaten Lebensführung steuerlich unbeachtlich. Ausnahmen hat der Gesetzgeber für bestimmte Sonderausgaben und für außergewöhnliche Belastungen zugelassen sowie für den interperiodischen Verlustabzug, dessen Notwendigkeit allerdings von manchen auch aus dem (lebenszeitbezogenen) Nettoprinzip abgeleitet wird.

720

9 Besteuerung von Immobilien

Ausgaben der Einkommenserzielung (§§ 4 , 9 EStG)

Einkommensverwendung (§§ 12,10 EStG)

Regel:

voll abzugsfähig

voll abzugsfähig

Ausnahme 2

Ausnahme 1

(nur) begrenzt abzugsfähig

begrenzt abzugsfähig

Ausnahme 1

Ausnahme 2

nicht abzugsfähig

nicht abzugsfähig

Regel

Tab. 12: Steuerliche Berücksichtigung von Ausgaben der Einkommenserzielung und Verwendung 9.1.2.2.3

Subsidiarität der Überschusseinkünfte

Eine bedeutsame Festlegung liegt darin, dass die Einkunftsarten (5) - (7) lediglich subsidiär zu den Einkunftsarten (1 - 4) sind, d. h. nur dann zum Zuge kommen, wenn die Einnahmen und Ausgaben nicht bereits innerhalb der Einkunftsarten (1) - (4) erfasst werden. Dies bedeutet, dass etwa Mieteinnahmen aus Mietobjekten des gewerblichen Betriebsvermögens Einnahmen aus Gewerbebetrieb darstellen; nur dann, wenn sich die Immobilie im Privatvermögen befindet, entstehen Einkünfte aus Vermietimg und Verpachtung. Eine Subsidiarität zweiter Ordnung ergibt sich insofern, als die Einkunftsart (5) subsidiär zur Einkunftsart (6) ist. Guthabenzinsen von (zwischenfinanzierten) Bausparverträgen, die zur Finanzierung eines Vermietungsobjekts eingesetzt sind, werden daher steuerlich unter den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfasst. 9.1.2.2.4

Prinzipien der Einkünfteermittlung

Im Rahmen der Einkünfteermittlung sind eine Reihe grundlegender Prinzipien zu beachten: (1) Nettoprinzip Das Nettoprinzip kann als das zentrale materielle Steuerprinzip bezeichnet werden und bedeutet, dass immer nur die Netto-Erlöse, also die Erlöse minus zuzuordnende Ausgaben dem steuerlichen Überschuss entsprechen. Das Nettoprinzip ist auch periodenübergreifend anzuwenden mit der Folge, dass der interperiodische Verlustausgleich nicht als Billigkeit („Gnade") zu verstehen ist, sondern logisch aus dem lebenszeitbezogenen Nettoprinzip folgt.

9 Besteuerung von Immobilien

721

(2) Prinzip der synthetischen Einkommensennittlung Das Prinzip der synthetischen Einkommensennittlung besagt, dass sich das zu versteuernde Einkommen aus der Addition verschiedener Einkünfte ergibt und - im Gegensatz zur Schedulenbesteuerung - ein einheitlicher Steuersatz Anwendung findet. (3) Prinzip der (Perioden-)Abschnittsbesteuerung Das Abschnittprinzip ist ein technisches Prinzip und legt fest, dass die Steuer periodenbezogen - d. h. etwa je Kalenderjahr - zu ermitteln ist (4) Prinzip der Unbeachtlichkeit der Kosten der privaten Lebensführung Kosten der privaten Lebensführung dürfen einkommenssteuerlich grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. (5) Prinzip der Nichtrelevanz der Angemessenheit von Erwerbsausgaben Eine Angemessenheitsprüfung zur Höhe der Erwerbsausgaben ist grundsätzlich nicht durchzuführen. (6) Prinzip der Nichtbesteuerung nicht erzielten Einnahmen Nicht erzielte Einnahmen sind steuerlich grundsätzlich nicht anzusetzen. Hier ist eine wichtige Ausnahme zu beachten: Die Vermietung von Wohneigentum zu Wohnzwecken muss ab VZ 2004 zu mindestens 56 % (bis VZ 2003 lediglich 50 %) der marktüblichen Miete erfolgen, sonst dürfen Werbungskosten nur anteilig angesetzt werden (§ 21 II EStG). Verhältnis Miete zur Marktmiete 100%

75%

56%

50 %

50%

(VZ 2004)

(VZ 2004)

40%

0%

Miete

+20

+15

+11,2

+10

+10

+8

+0

Kosten

-50

-50

-50

-50

-50

-50

-50

Überschuss vor Steu- -30 ern

-35

-38,8

-40

-40

-42

-50

steuerl. anerk. Kosten

(-50)

(-50)

(-50)

(-25)

(-50)

(-20)

(0)

steuerliches Ergebnis

(-30)

(-35)

(-38,8)

(-15)

(-40)

(-12)

(0)

Steuerzahlung (40 %)

+12

+14

+15,5

+6

+16

+4,8

0

Überschuss nach Steu- -18 ern

-21

-23,3

-34

-24

-37,2

-50

Tab. 13: Einkünfteermittlung

bei Vermietung

und

Verpachtung

722

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.2.3

Bemessungsgrundlagen

9.1.2.3.1

Modelle der Einkünfteermittlung

Von herausragender Bedeutung für die Einkommensbesteuerung ist die Tatsache, dass innerhalb der Einkommenserzielungssphäre

höchst unterschiedliche

Einkünfteer-

mittlungsmethoden zur Anwendung kommen können: •

Die Einkünfte der betrieblichen Einkunftsarten (1) - (3) sind als Gewinn zu ermitteln, der sich im Regelfall aus der Jahresbilanz oder - seltener - aus der Betriebseinnahmen- / Betriebsausgaben-Rechnung ergibt.



Die privaten Einkünfte (4) - (7) sind demgegenüber als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu errechnen. Methoden der Einkttnfteermittlung Gewinn-Einkünfte 1-3

Überschuss-Einkünfte (4-7)

Gewinn (§ 2 II Nr. 1 EStG)

Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 II Nr. 2 EStG)

Bestandsrechnung

Regel:

Stromrechnung

Ausnahme:

Regel:

Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben nach § 4 III EStG

Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten

Sonderregelungen

- Durchschnittssatz nach § 13a EStG für Land- und Forstwirte

- Pauschalbesteuerung nach § 21a EStG für selbstgenutzte Wohnung a>

Betriebsvermögensvergleich • nach § 5 EStG • nach § 4 I EStG

- Tonnagebesteuerung nach § 5a EStG für Seeschiffe - Schätzung nach § 162 AO

- Schätzung nach § 162 AO

Tab. 14: Methoden der Einkünfteermittlung a) Wegfall der Nutzungswertbesteuerung gemäß § 21a EStG nach dem 31.12.1986, Übergangsregelung für die Nutzungswertbesteuerung gemäß §21 II EStG bis 31.12.1998 Die Tatsache, dass der Gewinn im Regelfall im Rahmen einer Bestandsrechnung ermittelt wird, während die privaten Überschusseinkünfte im Rahmen einer Stromrechnung zu berechnen sind, ist nicht von entscheidender Bedeutung, da jeder Bestandsrechnung logisch eine Stromrechnung zugeordnet ist (und vice versa!).

9 Besteuerung voti Immobilien

723

Periodische Erfolgsermittlung

(1)

(2)

(3)

(4)

Gesamtvermögensbasierte Messung

Einzelvermögensbasierte Messung (z. B. Steuerbilanz § 5 EStG)

-

Zeitraumbezogene Stromrechnung

Unternehmenswert am Ende der Periode

Zahlungsmittelbestand und diskontierte künftige Zahlungen zum Ende der Periode

Unternehmenswert zu Anfang der Periode

Zahlungsmittelbestand und diskontierte künftige Zahlungen zum Anfang der Periode

±

Entnahmen/Einlagen

±

Entnahmen/Einlagen

=

Veränderung Unternehmenswert (= Erfolg)

=

Zahlungsmittel- und Barwertdifferenz künftiger Zahlungen (= Erfolg)

-

Endbestand Reinvermögen (Einzelgüter./ .Einzelschulden)

(durch Konventionen definierte) Erträge

Anfangsbestand Reinvermögen (Einzelgüter./ .Einzelschulden)

(durch Konventionen definierte) Aufwendungen

±

Entnahmen/ Einlagen

=

Veränderimg Reinvermögen (= Erfolg)

EinnahmenÜberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG

Zahlungsbasierte Messung

Stichtagsbezogene Bestandsrechnung

=

Endbestand/ Betriebsvermögen (= Anlagevermögen + Aktivdarlehen - Passivdarlehen + Zahlungsmittel) -

Anfangsbestand Vermögen (= Anlagevermögen + Aktivdarlehen - Passivdarlehen + Zahlungsmittel)

±

durchlaufende Posten

±

Entnahmen/Einlagen

=

Bestandsüberschuss

Ertragsüberschuss/ -unterdeckung (= Erfolg) Betriebseinnahmen (= laufende Einnahmen - Einzahlung Passivdarlehen - Tilgung Aktivdarlehen) Betriebsausgaben (= laufende Einnahmen - Auszahlung Anlagevermögen - Auszahlung Aktivdarlehen + Abschreibungen) durchlaufende Posten

* ±

Entnahmen/Einlagen

=

Einnahmenüberschuss Einzahlungen

Endbestand Zahlungsmittel

Auszahlungen

-

Anfangsbestand Zahlungsmittel

±

Entnahmen/Einlagen

±

Entnahmen/Einlagen

=

Veränderung Zahlungsmittel (= Erfolg)

=

Einzahlungsüberschuss/ -unterdeckung (= Erfolg)

Tab. 15: Erfolgsermittlung durch Bestandsgrößen oder korrespondierende Stromgrößen 9.1.2.3.2

Dualismus der Einkünfteermittlung

Von herausragender Bedeutung für die Einkommensbesteuerung ist die Tatsache, dass den verschiedenen Einkünfteermittlungsmodellen auch - nicht unmittelbar erkennbar unterschiedliche Einkommenstheorien zugrunde liegen:

724

9 Besteuerung voti Immobilien



Die Einkünfte der Einkunftsarten (1) - (3) sind als Gewinn zu ermitteln, der sich im Regelfall aus einem Vermögensvergleich (Jahresbilanz) oder - seltener - aus einer Betriebseinnahmen·/ Betriebsausgaben-Rechnung ergibt.



Die Einkünfte (4) - (7) sind demgegenüber als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu errechnen.

Die Unterschiede der Einkünfteermittlungsmodelle konkretisieren sich in zwei Punkten: (1) Totalerfolg Unterschiede bestehen im steuerlichen Totalerfolg. Im Bereich der betrieblichen Gewinnermittlungsmethoden sind Wertänderungen am ruhenden Vermögen steuerlich relevant, während dies im Bereich der privaten Überschussermittlungsmethoden nicht der Fall ist. Am Beispiel der Immobilienbesteuerung bedeutet dies, dass je nachdem, ob sich ein Grundstück oder Gebäude im Betriebsvermögen der Einkunftsarten (1) - (3) oder im Privatvermögen der Einkunftsart (5) Vermietung und Verpachtung befindet, die bei Veräußerung der Immobilie erzielten Gewinne grundsätzlich voll steuerpflichtig oder steuerlich irrelevant sind. (2) Erfolgsperiodisierung Unterschiede ergeben sich auch im Ausweis der steuerlichen Periodenerfolge. Die Periodenzuordnung erfolgt bei den betrieblichen Gewinn-Einkunftsarten im Rahmen des bilanziellen Vermögensvergleichs grundsätzlich nach dem wirtschaftlichen Entstehen oder dem Untergang von Vermögenswerten (Rechnungskategorien „Ertrag minus Aufwand"), wohingegen im Rahmen der privaten Überschuss-Einkunftsarten die Periodenzuordnung grundsätzlich nach dem Zu- oder Abfluss der Zahlungen (Rechnungskategorien „Einzahlungen minus Auszahlungen") vorgenommen wird. Periodenzuordnung von Einnahme!^Ausgaben

Tab. 16:

bei bilanzieller Gewinnermittlung:

bei Überschussermittlung:

i

i

nach wirtschaftlicher Entstehung von Ertrag und Aufwand

nach Zufluss/Abfluss von Zahlungen

Periodisierungskriterien

Totalerfolgsunterschiede und Periodisierungsdifferenzen sind das Ergebnis des Dualismus der Einkünfteermittlung.·

9 Besteuerung von Immobilien

\

Einkunfts- Betriebliche (Gewinn-) arten Einkunftsarten (1) Land- und Forstwirtschaft (2) Gewerbebetrieb (3) Selbstständige Arbeit Einkünfte- \ ermittlung \ \

Vermögensvergleich

Überschussrechnung

725

Private (Überschuss-) Einkunftsarten (4) Nichtselbstständige Arbeit (5) Kapitalvermögen (6) Vermietung und Verpachtung (7) Sonstige Einkünfte iSd § 2 2 E S t G

Regel: Betriebsvermögensvergleich ( § 4 1 oder § 5 E S t G )

Unterschiede in der Periodisierung

Ausnahme: Uberschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 III E S t G )

Regel: Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8, 9 EStG)

Unterschiede im Totalerfolg Abb. 36:

Dualismus

der

Einkünfteermittlung

Reinertragslehre t?

*

Reinvermögenszugangstheorie

Quellentheorie

regelmäßig fließende Überschüsse

regelmäßig fließende Überschüsse

• regelmäßige Einnahmen

• regelmäßige Einnahmen

• regelmäßige Ausgaben

• regelmäßige Ausgaben

außerordentliche, einmalige Überschüsse • außerordentliche Einnahmen

·/·

(„ Totalerfolgslücke

• außerordentliche Ausgaben Tab. 17: Gegenüberstellung

der

")

Einkommenstheorien

T o t a l e r f o l g s u n t e r s c h i e d e ergeben sich aus der unterschiedlichen steuerlichen Erfassung von Gewinnen u n d Verlusten a m Vermögensstamm: W ä h r e n d

Vermögensänderungen

a m r u h e n d e n V e r m ö g e n i m B e t r i e b s v e r m ö g e n in die Erfolgsermittlung e i n b e z o g e n w e r d e n , b l e i b e n sie b e i d e r Ü b e r s c h u s s e r m i t t l u n g i m P r i v a t v e r m ö g e n g r u n d s ä t z l i c h a u ß e r Ansatz. Wichtige Anwendungsfälle finden sich bei der Besteuerung v o n Aktien, anderen Geldanlagen u n d Immobilien i m Betriebs- oder P r i v a t v e r m ö g e n :

In beiden

Vermögens-

726

9 Besteuerung von Immobilien

Sphären werden die laufenden Einkünfte besteuert, aber nur im Betriebsvermögen werden auch Wertänderungen am Vermögensstamm steuerlich erfasst. Privatvermögen - Einkunftsarten ( 4 - 7 )

Betriebsvermögen - Einkunftsarten (1 - 3) laufende Erfolge

I

Regel: voll steuerpflichtig

Wertänderungen am Vermögensstamm

Wertänderungen am Vermögensstamm

laufende Überschüsse

Regel: voll steuerpflichtig

Regel: steuerfrei

Regel:

voU

steuerpflichtig Ausnahmen: Begünstigte Besteuerung besonderer betrieblicher Veräußerungsgewinne aus der Veräußerung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen (§§ 16,34 EStG) • „Fünftelungsregelung" • „halber durchschnittlicher Steuersatz (ab VZ 2004 56 %)

Tab. 18: Besteuerung

von

Ausnahmen: Besteuerung privater Veräußerungsgewinne innerhalb bestimmter Fristen (früher „Spekulationsgewinne" § 23 EStG) Besteuerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften oberhalb bestimmter Grenzen (früher „wesentliche Beteiligungen" $ 17 EStG))

Erfolgen

Periodisierungsunterschiede ergeben sich daraus, dass im Betriebsvermögen im Regelfall die Periodenzuordnung von Einnahmen und Ausgaben nach den Kategorien „Aufwand - Ertrag" erfolgt, während im Privatvermögen eine zahlungsorientierte Periodisierung nach „Zufluss - Abfluss" durchgeführt wird. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass Erträge und korrespondierende Ausgaben oder Aufwendungen und korrespondierende Einnahmen in unterschiedliche Perioden fallen müssen. Dies kann allerdings auftreten und kann ggf. bewusst gestaltet werden. Die Auswirkungen lassen sich an einem bewusst vereinfachten Vermietungsfall anschaulich darstellen: Beispiel: Ein privater Vermieter vermietet seine im Privatvermögen gehaltene Lagerhalle an einen gewerblichen, bilanzierungspflichtigen Unternehmer. Die Miete für Dezember 01 wird (a) Anfang Dezember 01 ordnungsgemäß bezahlt und (b) erst Mitte Januar 02 überwiesen. Im Rahmen dieses Mietverhältnisses ergeben sich folgende Konsequenzen:

9 Besteuerung von Immobilien

(1)

zeitliche Korrespondenz

Durchbrechung der zeitlichen Korrespondenz

tl

tl

t2

(Dezember Ol)

(Dezember 01)

(Mitte Januar 02)

-100

(-100)

• Steuerentlastung Privater Vermieter

+ 40

+ 40

• Mieteinnahme

+ 100

+ 100

-40

-40

• Steuerbelastung (3)

(b) Ausnahme:

Gewerblicher Mieter (Unternehmen) • Mietausgabe

(2)

(a) Regel:

727

-100

Fiskus • Steuern aus Mietausgabe U

-40

• Steuern aus Mieteinnahme Ρ

+ 40

-40 + 40

Tab. 19: Zeitliche Korrespondenz und -durchbrechung (s = 40%) Die im Fall (b) auftretende zeitliche Korrespondenzlücke schafft für die beteiligten Parteien eine „lohnende Steuerpause" - einen zinslosen Steuerkredit. Der führt zu einem Nettozinseffekt und bei sinkenden Steuersätzen zusätzlichen zu einem Steuersatzeffekt und bewirkt damit ökonomische Vorteile, die beide unter den Partnern aufgeteilt werden können: tl

t2

Fiskuszahlungen

-40

+40

Zahlungen an Vertragspartner (zinsloser Steuerkredit)

+40

-40

Anlage (i = 10 %)

-40

+40 +4

Anlageertrag

-1.60

Steuer auf Anlageertrag (40 %) Zahlungen nach Steuern an die Vertragspartner („Nettozinseffekt")

0

+ 2.40

Tab. 20: Einjähriger Nettozinseffekt Wichtige Anwendungsfälle für Periodisierungsunterschiede sind neben den Mietverhältnissen insbesondere bei Finanzierungsinstrumenten zu beobachten. Auch im Rahmen der Mitarbeitervergütung hat der Gedanke der Durchbrechung der steuerlichen Korrespondenz mittlerweile Einzug gehalten. Ausprägungen sind traditionell die immittelbare betriebliche Altersversorgung sowie die in der Praxis sehr verbreiteten Modelle mit aufgeschobener Gehaltszahlung (Gehaltsumwandlungen) - sog. „deferredcompensation-Modelle". Als „Musterbeispiel" - und gleichsam „Urahn" - für die angestrebte steuerpolitische Nutzung von Periodisierungs- und Totalerfolgsunterschieden im Finanzbereich kann die Null-Kupon-Anleihe dienen. Entwickelt in der Absicht, mit der Konstruktion einer aus-

728

9 Besteuerung von Immobilien

drücklich zinslosen Anleihe („Null-Zins-Anleihe") den „einmaligen Wertgewinn" steuerfrei vereinnahmen zu können, musste diese Idee für den Fall des Durchhaltens bis zur Fälligkeit bald aufgegeben werden, da der „Wertgewinn" als kumulierter Zinsbetrag interpretiert wurde. Als erfolgreich erwies sich der Zero-Bond allerdings bei der Nutzung von Periodisierungsdifferenzen: Mit der systemkonformen Erfassung der kumulierten Zinsen erst bei Zufluss beim Empfänger entsteht bei einer Emission durch ein Unternehmen mit Vermögensvergleich eine „lohnende Steuerpause" insoweit, als aus der korrekten Anwendung unterschiedlicher Periodisierungssystem die zeitliche Korrespondenz zwischen Aufwandsverrechnung und Ertragzurechnung durchbrochen wird und insoweit den beteiligten Vertragsparteien vom Fiskus ein zinsloser Steuerkredit zur Verfügung gestellt wird. Der zinslose Steuerkredit wird auch als „lohnende Steuerpause" bezeichnet. Ein stark vereinfachtes Modellbeispiel einer Nullkupon-Anleihe mit einer Emissionsrendite von 10 % und 3-jähriger Laufzeit verdeutlicht die „lohnende Steuerpause": ti Rechnerischer Kursverlauf (1)

(2)

(3)

Betrieblicher Emittent • Zahlung (vor Steuern) • Verbindlichkeit • Zinsaufwand • Steuerzahlung (s=50 %) • ZR nach Steuern Privater Anleger • Zahlung • Forderung • Zinsertrag • Steuerzahlung (s=50 %) • ZR nach Steuern Fiskuszahlungen • an Emittenten • vom Anleger

751

+ 751 [-751] + 751

ti

t2

ta

826

909

1.000

[-826] (-75) + 37,5 + 37,5

[- 909] (-83) +41,5 + 41,5

-1000 [-1000] (-91) +45,5 - 954,5

-751 [+ 751] [+826]

[+909]

-751 -37,5

-41,5

+ 1000 [+1000] (+249) -124,5 +875,5 -45,5 +124,5

Σ

Kosten/ Rendite 10%

(-249) +124,5

5 % 10 %

(+249) -124,5

5,25 %

-124,5 +124,5

Tab. 21: „Lohnende Steuerpause" beim Zero-Bond (ZR = Zahlungsreihe)

Beim „Durchhalten bis zu Endfälligkeit" gilt folgende Grundsatzregelung: •

Beim Emittenten ist der endfällig zu zahlende Zins laufend aufwandswirksam zu erfassen.



Beim privaten Anleger ist der kumulierte Zins (erst) beim Zufluss im Rückzahlungszeitpunkt in vollem Umfang einkommenssteuerlich zu erfassen.

9 Besteuerung von Immobilien

729

Die Wirkimg der zeitlich aufgeschobenen Zinsbesteuerung bei der Nullkupon-Anleihe zeigt sich bei einem direkten Vergleich zu einer Anleihe mit laufender Zinszahlung und Zinsbesteuerung, bei der aus Gründen der Vergleichbarkeit die laufende Reinvestition der Nettozinsbeträge zum gleichen Zinssatz unterstellt wird: Beispiel: Der Emissionsbetrag zweier 20-jähriger Anleihen - einer "NormaT'-Anleihe mit laufender Zinszahlung und Zinsbesteuerung von 10 % und einer endfällig ausbezahlten und besteuerten Nullkupon-Anleihe mit interner Rendite von 10 % - betrage im Emissionszeitpunkt 14.864,35 €. Der Steuersatz des Steuerpflichtigen beträgt konstant 50 %, die Zinserträge sind in vollem Umfang steuerpflichtig. Ein Endwertvergleich beider Anleihen zum Ende des Betrachtungszeitraums führt zu folgender Ergebnistabelle: Anleihe mit laufender Zinszahlung Ausgabebetrag

Nennbetrag

Nullkupon-Anleihe mit endfälliger Ausschüttung diskontierter Betrag

Rückzahlungsbetrag Zinssatz Zinsbesteuerung

Nennbetrag vorgegeben jährlicher Zinsertrag

Nennbetrag fiktiv zu errechnen (Emissionsrendite) endfälliger Zinsertrag

Emissionsbetrag 14.864,35 14.864,35 Rückzahlungsbetrag Gesamtrückzahlung vor Steuern 100.000,00 (Wiederanlage von Zinsen und Zinseszinsen) 10% Ertrag vor Steuern Steuerzahlung jährlich auf • Jahreszinsen • auf Zinsbetrag • bei 50 % Steuersatz Gesamtertrag nach Steuern Endvermögen nach Steuern Rendite nach Steuern Tab. 22: Zinszahlungs-Anleihe

• s χ Jahreszins 24.575,22 39.439,57 5% und Nullkupon-Anleihe

14.864,35 100.000,00 100.000,00

10% endfällig auf • 85.135,65 • 42.567,82 42.567,82 57.432,17 6,99% im Vergleich

Beim Zwischenverkauf vor Endfälligkeit ergibt sich seit der Neuregelung 1993 für den privaten Anleger bei einem Abweichen des rechnerischen Kursverlaufs (Emissionsrendite) vom tatsächlichen Kursverlauf (Marktrendite) ein faktisches Wahlrecht zwischen der Besteuerung der (ursprünglichen) Emissionsrendite und der (aktuellen) Marktrendite. Die skizzierte Wirkung beruht auf einem relativen, zinslosen Steuerkredit: Nimmt man die bilanzielle laufende Aufwandsverrechnung als Bezugspunkt, so wird der korrespondierende Ertrag beim Kapitalgeber nicht zeitgleich erfasst, sondern die Summe aller Erträge wird erst im späteren Zuflusszeitpunkt besteuert. Da insgesamt der gleiche Ertrag ent- und besteuert wird, ergibt sich - bei zeitlich invarianten Steuersätzen - "nur"

730

9 Besteuerung von Immobilien

ein zinsloser Steuerkredit, der allerdings - wie dargelegt - zur Minderung der effektiven Steuerlast beitragen kann. Im Beispielsfall wird der Steuerkeil von nominell 50 % beim Anleger auf 30 % gemindert unter der Annahme, dass der gesamte Steuervorteil dem Anleger zuwächst. Die Normal-Anleihe mit laufender Zinszahlung und Wiederanlage der Zinsen wächst bei 50 % Ertragsteuern auf einen Nettoendbetrag von 39.500 € an und erzielt damit eine Nettorendite von 5 %, während die Nullkupon-Anleihe einen Nettoendwert von ca. 57.500 € anwächst und damit eine Nettorendite von fast 7 % erreicht der normale Steuerkeil wird von 50 % auf 30 % reduziert. Die positive Vermögenswirkung des zinslosen Steuerkredits lässt sich am Beispiel einer vollständig fremdfinanzierten Aufzinsungsanleihe demonstrieren, wenn der jährliche Anleiheertrag genau den jährlichen Finanzierungskosten entspricht: Beispiel: Gegeben ist ein zweijähriger Bundesschatzbrief Typ Β („Aufzinsungstyp"). Der Ausgabebetrag beträgt 100, der Rückzahlungsbetrag 121. Die interne Rendite ist damit r = 10 %. Dieses Investment kann vollständig mit einem Kredit mit jährlicher Zinszahlung und endfälliger Tilgimg finanziert werden, wobei die Kreditzinsen i = 10 % betragen. Ist dieses Investment vor Steuern günstig? Lohnt es sich nach Steuern, wenn ein Steuersatz von s = 50 % unterstellt wird? to Investment-Zahlungsreihe • Investition/Rückzahlung • Zinsertrag Kredit-Zahlungsreihe (1) • Aufnahme/Tilgung • Zinsauszahlung Kredit-Zahlungsreihe (2) • Aufnahme/Tilgung • Zinsauszahlung Gesamt-Zahlungsreihe Tab. 23: Investment Bundesschatzbrief

ti -100

t2 0

+100 -10

0 Typ Β (vor

Steuern)

+100 +21 -100 -10

+10

-10 -1

0

0

9 Besteuerung non Immobilien

ti

to

731

te

Investment-Zahlungsreihe • Investition/Rückzahlung

-100

0

+100

• Zinsertrag

+21

• Steuerzahlung

-10,50

Kredit-Zahlungsreihe (1) • Aufnahme/Tilgung

+100

• Zinsauszahlung • Steuerzahlungen (s = 50 %)

-100 -10

-10

+5

+5

Kredit-Zahlungsreihe (2) +5

• Aufnahme/Tilgung

+0,25

• Steuerzahlung (s = 50 %) Gesamt-Zahlungsreihe

-5 -0,50

• Zinsauszahlung 0

0

+0,25

Tab. 24: Investment BundesschatzbriefTyp Β (nach Steuern) 9.1.2.3.3

Veräußerungsgewinne

Veräußerungserfolge werden wegen des Dualismus der Einkünfteermittlung je nach Zugehörigkeit des Veräußerungsguts zur Betriebs- oder Privatsphäre steuerlich unterschiedlich behandelt, wobei für bestimmte Veräußerungsgewinne im Einkommensteuerrecht Sonderregelungen getroffen sind: •

Veräußerungsgewinne des betrieblichen Bereichs unterliegen grundsätzlich der vollen Besteuerung. In besonderen Fällen der Veräußerung eines ganzen Betriebs oder Teilbetriebs sind gewisse steuerliche Erleichterungen vorgesehen.



Veräußerungsgewinne des Privatbereichs werden steuerlich grundsätzlich nicht erfasst. Nur im Ausnahmefall unterliegen private Veräußerungserfolge der Besteuerung nach §23 EStG, wenn Anschaffung und Veräußerimg innerhalb kurzer Zeit (früher: "Spekulationsfristen") erfolgen - bei Mobilien ein Jahr (bis VZ 1998 sechs Monate), bei Immobilien zehn Jahre (bis VZ 1998 2 Jahre). Seit 31. Juli 1995 gilt eine sog. Recapture - Regelung, mit der bisher vorgenommene Abschreibungen gleichsam nachgeholt und in den Veräußerungsgewinn einbezogen werden.



Veräußerungsgewinne von wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Anteile am Kapital der Gesellschaft > 10 v. H. (bis VZ 1998 25 v. H.)) werden steuerlich erfasst, auch wenn die Beteiligung im Privatvermögen geheilten wird (§17 EStG). Die „Wesentlichkeitsgrenze" wurde zum 1.1.2001 auf 1 % gesenkt.

732

9 Besteuerung von Immobilien

„Spekulationserfolge" bei Immobilien Anschaffung vor dem 31.07.1995 TDM 350

Veräußerungserlös Anschaffungs- oder Herstellungskosten ./. Abschreibungen = Restbuchwert

=

Beschaffung und Veräußerung nach dem 31.07.1995

200

TDM 350

Veräußerungserlös ./.

80 20

Anschaffungs-oder Herstellungskosten 200 ./. Abschreibungen 80 = Restbuchwert 120

Veräußerungskosten

20

Veräußerungserfolg

130

./.

120

Veräußerungskosten

20

Veräußerungserfolg

210

Tab. 25: Ermittlung des Spekulationserfolgs bei Immobilien

9.1.2.3.4

Verlustberücksichtigung und Liebhaberei

Aus der synthetischen Einkommensermittlung, die von der Summe der - nicht nur positiven! - Einkünfte ausgeht, ergibt sich innerhalb des Besteuerungszeitraums unmittelbar der sog. innerperiodische Verlustausgleich. Dies bedeutet, dass Verluste, die im Bereich der Einkünfteerzielung anfallen, grundsätzlich ausgleichsfähig sind. Ausgleichsfähige Verluste „neutralisieren" positive Einkünfte und führen damit zunächst zu relativen Steuerentlastungen. Allerdings ist zu beachten: Verluste ohne nachfolgende Gewinne sind im Regelfall nicht erstrebenswert! Der Verlustausgleich wird in bestimmten Fällen nicht oder nur eingeschränkt gewährt. Ärgerlich (und verfassungsmäßig wohl sehr zweifelhaft!) war die im Zeitraum 1999-2003 geltende vertikale Mindestbesteuerung beim vertikalen Verlustausgleich über die verschiedenen Einkunftsarten hinweg. Diese vertikale Mindestbesteuerung

wurde zum

Jahresende 2003 abgeschafft. Gleichzeitig wurde allerdings eine Mindestbesteuerung beim

interperiodischen

Verlustvortrag

eingeführt.

Ferner

gilt

bei

Haftungs-

beschränkungen die Begrenzung der Verlustzurechnung auf die Kapitaleinlage oder den erweiterten Haftungsbetrag (§ 15a EStG). Bedeutsam für die steuertechnische Zuordnung zur Sphäre der Einkommenserzielung ist, dass tatsächlich eine Einkommenserzielungsabsicht vorliegen muss. Einkommenserzielungsabsicht wird nur angenommen, wenn der (steuerliche) Totalgewinn vor Steuern positiv ist. Der Totalgewinn wird als Differenz zwischen allen steuerlich relevanten Einnahmen und Ausgaben ermittelt:

9 Besteuerung von Immobilien

Erwerbssphäre

733

7 Einkunftsarten

ra

Θ

ra ra

ra ra „Liebhaberei"

(Dauer-) Verluste

(Dauer-) Verluste

+

privates Hobby

kein steuerlicher Totalerfolg

Abb. 37: Schemadarstellung der Liebhaberei

Sofern eine (steuerrechtliche) Einkommenserzielungsabsicht nicht angenommen werden kann, wird die entsprechende Aktivität als „privates Hobby" oder „Liebhaberei" der Einkommensverwendung zugeordnet und ist damit steuerlich imbeachtlich. Dahinter steht die Überlegung, dass der Fiskus nur solche Ausgaben anerkennen will, die absehbar zu steuerlichen Einnahmenüberschüssen führen. Investitionen, insbesondere Immobilieninvestitionen, erreichen namentlich bei hoher Fremdfinanzierung erst nach vielen Jahren die „Gewinnzone". Diese Gegebenheit hat für bestimmte Fallgestaltungen (ζ. B. bei hoch fremdfinanzierten Kapitalanlagen oder beim sog. Mietkaufmodell) zur Anwendung des Rechtsinstituts der „Liebhaberei" geführt und es bestehen gewisse Tendenzen, dieses Rechtsinstitut extensiver anzuwenden. Die Problematik der „Liebhaberei" lässt sich mit einem sehr vereinfachten Fall des Aktienkaufs deutlich machen: Beispiel: Ein Investor erwirbt ein Aktienpaket mit vermutlich geringen Dividendenzahlungen, aber der Erwartung auf kräftige Kurssteigerungen. Das Aktienpaket wird zu 100 € gekauft, wirft einen jährlichen Bruttoertrag vor Fremdkapitalzinsen von 4 € ab und kann nach Ablauf von zwei Jahren - und damit nach Ablauf der privaten Veräußerungsfrist (früher: „Spekulationsfrist") - zum Preis von 106 € erkauft werden. Prüfen Sie, ob eine steuerliche „Liebhaberei" vorliegt, wenn von

734

9 Besteuerung von Immobilien

(a)

vollständiger Eigenkapitalfinanzierung oder

(b)

vollständiger Fremdkapitalfinanzierung mit laufender Zinszahlung von 6 % und endfälliger Tilgung

ausgegangen wird. Differenzieren Sie danach, ob die Anlage im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen getätigt wird. Für die Beurteilung liegt folgender Finanzplan vor:

(1)

Objekt-ZR

(2)

Überschuss

(3)

Fremdkapitalzahlungen

(4)

Objekt-ZR mit FK-ZR = Überschuss

QuellenTheorie

Totalerfolg mit Veräußerungsgewinn

Totalerfolg ohne Veräußerungsgewinn

Saldo

to

ti

-100

+4

+4

(+4)

(+4)

(+10)

+100

-6

-6

-100

-12

-12

0

-2

-2

+10

+6

-4

Tab. 26: Finanzplan Aktienkauf

tí"

ReinvermögenszugangsTheorie

t2

(ZR =

+110

+18

+8

+10

=

(+8)

(+10)

= (+18)

(+8)

=

-12

-12

=

+6

-4

+10

18

+8

Zahlungsreihe)

Lösung: (a)

Bei vollständiger Eigenfinanzierung werden ohne und mit Veräußerungsgewinn positive steuerliche Einkünfte erzielt, eine steuerliche Liebhaberei ist nicht gegeben.

(b)

Unter Berücksichtigung der Fremdfinanzierung wird mit Einbeziehung des Veräußerungsgewinns (bei den Gewinneinkunftsarten!) ein steuerlicher Totalgewinn erzielt, eine Liebhaberei ist nicht gegeben. Ohne Einbeziehung des Veräußerungsgewinns (bei den Überschusseinkünften) wird kein positiver steuerlicher Totalgewinn erzielt und es liegt steuerrechtlich „Liebhaberei" vor!

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.2.4 9.1.2.4.1

735

Tarif der Einkommensteuer Tariftypen

In der Realität vorherrschend sind ansteigende Steuertarife, bei denen die Höhe der Steuerschuld mit steigender Bemessungsgrundlage zunimmt. Man unterscheidet verschiedene ansteigende Tariftypen: Ansteigende Tariftypen 1

ι Stufentarif

Gesamtmengenstaffelung

ι

1

1 Formeltarif

Teilmengenstaffelung

1

I

Stufenbetragstarif

Stufendurchschnittssatztarif

Stufengrenzsatztarif

(1)

(2)

(3)

(4)

Abb. 38: Tariftypen mit ansteigender Steuerbelastung Tarife enthalten vielfach persönliche (Grundfreibetrag für das kulturelle Existenzminimum) und sachliche Freibeträge (ζ. B. Sparerfreibetrag). Dies hat folgende Konsequenz (vgl. Abb. 39): •

Der Einbau von Freibeträgen oder Freigrenzen führt selbst bei proportionalen Tarifen - gemessen am Durchschnittssteuersatzverlauf- zu einer indirekten Progression.



Im Falle direkt progressiver Tarife mit linearer Progression führt der Einbau von Freibeträgen zusätzlich zu einer indirekten Progression und damit zu einer Verstärkung der Gesamtprogression.

9.1.2.4.2

Tarifstruktur der Einkommensteuer

Nach der Entscheidung des BVerfG vom 25.9.1992 ist das kulturelle Existenzminimum (= im Sozialhilferecht anerkannter Mindestbedarf) steuerfrei zu stellen. Dieser Bedingung wurde in den Jahren 1993 -1995 mit einer Entlastungstabelle und erst mit der Neuregelung des § 32a EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 im Tarif direkt Rechnung getragen. Gleichzeitig wurde die zum Einkommensteuertarif 1990 erlassene Übergangsregelung des § 32d EStG aufgehoben.

736

9 Besteuerung von Immobilien

Tarifverlauf

Steuerschuld

DurchschnittsSteuersatz

τ = «Β) (1)

(2)

proportionaler (linearer) Tarif ohne Freibetrag/ ohne Freigrenze

τ

,

(4)

(5)

τ· T



-

dB

Τ'

Β

proportionaler (linearer) Tarif mit Freibetrag (FB)

τ

Β

Β τ·

t

I

proportionaler (linearer)Tarif mit Freigrenze (FG)

J

Β

FB

Β

Τ

(linear-) progressiver Tarif

(linear) progressiver Tarif mit Freibetrag

. I β

Χ FB

(3)

t

Grenzsteuersatz

Τ'|

FQ

Β

FO

FO

g

Τ

_

Β

Τ',

Β

Τ

Β

Τ',

Β

Abb. 39: Tarife ohne/mit Freibetrag oder

I I I J

^

Β

θ

Β

Freigrenze

Der aktuelle Einkommensteuertarif (VZ 2005) weist folgende Strukturmerkmale auf: Tarifzonen (nach HBeglG 2004)

zu versteuerndes

Steuerschuld-Formel

Einkommen (zvE) (€)

%

0 - 7.664

0%

1

Nullzone (Grundfreibetrag)

2

untere (linear-progressive) Progressionszone

7.665 -12.739

3

obere (linear-progressive) Progressionszone

12.740 - 52.151

4

(obere) Proportionalzone

·/·

E S t = (883,74 y + 1.500) y

15 % - 24 %

für y = (zvE - 7.664) : 10.000 ESt = (228,74 ζ + 2.397) ζ + 989

24%-42%

für ζ = (zvE - 12.739) : 10.000 ab 52.152

ESt = 0,42 χ - 7 . 9 1 4 für χ = zvE

Tab. 27:

Grenzsteuersatz (in %, gerundet)

Einkommensteuertarif2005

42%

9 Besteuerung von Immobilien

737

Anmerkung: „y" ist ein Zehntausendstel des 7664 Euro übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens, „z" ist ein Zehntausendstel des 12739 Euro übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens, „x" ist das auf einen vollen Euro-Betrag abgerundete zu versteuernde Einkommen. Der sich ergebende Steuerbetrag ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag abzurunden (§ 52 Abs. 41 EStG). Der Einkommensteuertarif 2005 weist •

einen Grundfreibetrag,



eine (zweiteilige) Zone direkter Progression und



eine obere Proportionalzone

auf. Kennlinien des Tarifs sind der Verlauf der Gesamtsteuerlast, des Durchschnittssatzes und des Grenzsteuersatzes: Die Gesamtsteuerlast an Einkommensteuer, die sich nach dem Einkommensteuertarif ergibt, ist in den Einkommensteuer-Tabellen (Grundtabelle für Ledige, Splittingtabelle für Verheiratete) ausgewiesen. Die Steuerlastkurve zeigt, welche gesamte Steuerlast auf das jeweilige zu versteuernde Einkommen entfällt. Mit Erreichen der Schwelle von 52.152 € (104.304 €), ab welcher der Spitzensteuersatz greift, bildet sie eine Parallele zur 42 %-Linie. Der Abstand zwischen der Steuerlastkurve und der 42 %-Linie verdeutlicht die durch den progressiven Tarif gegenüber einem durchgängig angewandten Spitzensteuersatz gewährte Entlastungswirkung. Die Kurve der Durchschnittssteuersätze ergibt sich, wenn man die Einkommensteuer durch das zu versteuernde Einkommen dividiert. Zunächst zeigt sich, dass der Durchschnittssteuersatz kontinuierlich ansteigt und sich bei sehr hohen zu versteuerndem Einkommen der 42 %-Spitzenbelastung asymptotisch nähert. Der Anstieg enthält neben der direkten Progression auch eine indirekte Progression derart, dass sich die Wirkung der Grundfreibeträge mit steigendem Einkommen immer mehr verflüchtigt (indirekte Progression). Die Durchschnittssteuerbelastung bleibt immer hinter der Grenzsteuerbelastung zurück; denn der Grenzsteuerbelastung sind nur die jeweils hinzukommenden Einkommensteile ausgesetzt, während die darunter liegenden Einkommensteile dem im Allgemeinen niedrigeren Grenzsteuersatz unterliegen oder im Bereich des Grundfreibetrags steuerfrei sind.

738

9 Besteuerung von Immobilien

Der Grenzsteuersatz (marginale Steuersatz) ist bei einem progressiven Steuertarif, wie er das deutsche Einkommensteuerrecht schon seit langem und wohl auch künftig kennzeichnet, von besonderer Bedeutung. Unter dem Grenzsteuersatz versteht man denjenigen - marginalen - Prozentsatz, mit dem eine bestimmte Einkommenserhöhung/-Verminderung steuerlich belastet/entlastet wird. Es geht also um die Antwort auf die Frage, mit welcher zusätzlichen Steuer jeder hinzukommende/ absetzbare EURO bzw. der letzte EURO des Einkommens belastet ist. Mathematisch gesehen bereitet die Ermittlung der Grenzsteuerbelastungskurve keine besondere Schwierigkeit. Nach § 32a EStG bestehen die Formeln für die Einkommensteuer aus einfachen algebraischen Gleichungen (Polynomen), die sich sehr einfach ableiten lassen (Differenziation). Die erste Ableitung der Steuerbelastungskurve führt zur Grenzsteuerbelastungskurve. Als Spitzensteuersatz bezeichnet man den höchsten Grenzsteuersatz eines Tarifs. —

Steuerlast ESt-Tarif2005 —

Steuerlast linearer Tarif 42% (ohne Grundfrefcetrag)

Bruttogewinn (TE)

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.2.4.3

739

Tarifentwicklung seit 1950

Die Tarifentwicklung ist in Deutschland durch eine sinkende Tendenz gekennzeichnet: Grenzsteuersätze bei der

Einkommensteuer

740

9 Besteuerung von Immobilien

zu v e r s t e u e r n d e s E i n k o m m e n TOM

Abb. 41: Entwicklung der Grenz- und

Durchschnittssteuersätze

Diese Tendenz hat sich im Zuge des internationalen Steuersatzwettbewerbs in jüngerer Zeit noch verstärkt, wobei zunächst noch Versuche vorherrschten, Steuersatzsenkungen durch (versteckte) Steuersatzerhöhungen im Tarif gegenzufinanzieren. Erst in jüngster Zeit müssen Steuersatzsenkungen ohne tarifäre Gegenfinanzierungen gewährt werden. Die Entwicklung des Einkommensteuertarifs zeigt die Abb. 42. 9.1.2.4.4

Solidaritätszuschlag

Für den Zeitraum vom 1.7.1991 bis 30.6.1992 war erstmals ein befristeter Solidaritätszuschlag zur Bewältigung der finanziellen Lasten in Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands erhoben worden. Mit dem „Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG)" vom 23.06.1993 (BGBl 1993 I S . 944) wurde ab dem VZ1995 erneut ein - nach dem Gesetzestext unbefristeter - Solidaritätszuschlag eingeführt (Zuschlagsteuer nach § 51a EStG, deren Aufkommen ausschließlich dem Bund zufließt). Der Solidaritätszuschlag wird als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer (§ 1 SolZG) von unbeschränkt und beschränkt Einkommensteuerpflichtigen bzw. Körperschaftsteuerpflichtigen erhoben (§ 2 SolZG). Der Zuschlag beträgt: •

vom 1.1.1995 bis 31.12.1997 7,5 v. H. der Bemessungsgrundlage,



vom 1.1.1998 bis auf weiteres 5,5 v. H. der Bemessungsgrundlage.

9 Besteuerung von Immobilien

G r e n z - u n d

D u r c h s c h n i t t s t e u e r b e l a s t u n g

T 1 9 9 8

/ Τ1

741

999

30

0

10

20

30

40

SO

60

70

30

90

Zu v e r s t e u e r n d e s E i n k o m m e n

G r e n z - u n d

in

D u r c h s c h n i t t s t e u e r b e l a s t u n g

100

110

120

130

TDM

T1 998

/ T 2 0 0 0

G r e n z b 1 98 Gr.T2000 Durchschn.T98 Du T2000 0

10

20

30

40

50

60

70

80

Zu v e rste u e r n d e s E i n k o m m e n

G r e n z - u n d

90 in

D u r c h s c h n itts te u e r b e l a s t u n g

100

110

120

130

TDM

T 1 9 9 8

I Τ 2 0 0 2

G r e n z b T98 Gr T2002 D u r c h s c h n T98 Du T2002 0

10

20

30

40

50

60

70

80

Zu v e rste u e r n d e s E i n k o m m e n

90 In

Abb. 42: Entwicklung des Einkommensteuertarifs 1999-2002

TDM

100

110

120

130

742

9 Besteuerung von Immobilien

Bemessungsgrundlagen sind: •

die Veranlagung festgesetzte ESt. bzw. KSt nach § 51a II EStG (§ 31 Nr. 1 SolZG)



die Vorauszahlungen zur ESt bzw. KSt ( § 3 1 Nr. 2 SolZG)



die Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn bzw. Lohnsteuer nach Lohnsteuerjahresausgleich gem. § 51a IIa EStG (§ 31 Nr. 3 SolZG)



die pauschalierte Lohnsteuer nach §§ 40 - 40b EStG (§ 31 Nr. 3 SolZG)



die Kapitalertragsteuer bzw. Zinsabschlagsteuer auf Kapitalerträge gem. §§ 43 - 44c EStG (§ 31 Nr. 5 SolZG)



der Steuerabzugsbetrag nach § 50a EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen (§31 Nr. 6 SolZG)

Bei der Erhebung des Solidaritätszuschlags sind eine Freigrenze und eine Härteklausel zu beachten: •

Der Solidaritätszuschlag wird erst erhoben, wenn die Bemessungsgrundlage bei Anwendung der Grundtabelle die Freigrenze von 972 € (bis VZ 2001 1.836 DM) und bei Anwendimg der Splittingtabelle die Freigrenze von 1.944 € (bis VZ 2001 3.672 DM) übersteigt (§ 3 III SolZG). Für Bemessungsgrundlagen oberhalb der obigen Freigrenzen beträgt der Solidaritätszuschlag 5,5 v. H. (bis VZ 1997 7,5 v. H.) der Bemessungsgrundlage, aber nicht mehr als 20 v. H. des Differenzbetrages zwischen Bemessungsgrundlage und Freigrenze (§ 4 S. 2 SolZG) (-> sog. „Gleitklausel" als Härteausgleich).

Personenkreis

kein Solidaritätszuschlag bei Bemessungsgrundlage

Gleitklausel bei Bemessungsgrundlage

bis

Solidaritätszuschlag i. Η. v. 5,5 % (7,5 %) bei Bemessungsgrundlage ab

Splittingtarif nach

1.944C

1.945-2.681 €

2.682 €

§ 32a V, VI EStG

(3.672 DM)

(3.673 - 5.065 DM)

(5.066 DM)

972 €

973-1.340 €

1.341 e

(1.836 DM)

(1.837 - 2.532 DM)

(2.533 DM)

andere Fälle

Tab. 28: Auswirkungen

von Freigrenze

und Härteklausel

des

SolZG

9 Besteuerung l'on Immobilien

9.1.2.5 9.1.2.5.1

743

Veräußerungsgewinne („Capital Gains") Überblick

Die Grundsatzregelung, Veräußerungsgewinne im Betriebsvermögen grundsätzlich vollständig und im Privatvermögen grundsätzlich nicht zu erfassen, wird in besonderen Ausnahmefällen durch Sonderregelungen durchbrochen. Einkommensteuer - Enverbssphäre I Gewinneinkunftsarten

Oberschusseiaku nftsarten (4-7) [Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten]

(1-3)

[Betriebsvermögensvergleich/ Gewinn- und Verlustrechnung] — I

I

betriebliche

"laufende"

"laufende"

private

Veräußerungsgewinne

Gewinne

Überschüsse

Veräußerungsgewinne

1 Regel: voll steuerpflichtig Ausnahme: Übertragung stiller Reserven auf Re investi tionsen nach § 6b EStG (für bestimmte, längerfristig gehaltene W i rt schafts gü ter)

V

Ausnahme: steuerbegünstigt bei Veräußerung von (Teil)Betrieben und Mituntemehmeranteilen

J Ausnahme: steuerpflichtig bei Veräußerung

voll steuerpflichtig

innerhalb bestimmter Fristen • M o b i l i e n ( I 2 Monate)

• bis 31.12.1998 Regel begünstigung (unbegrenz oft): 1/2 durchschnittlicher Steuersatz

• Immobilien (10 Jahre)

a

• ab 01.01.1999 Regelbegünstigung (unbgrenzt oft): " F ünftel ungsregelung"

ab 2003 geplant, aber nicht umgesetzt: generelle Besteuerung privater Veräußerungsgewinne

• ab 01.01.2001 bis 31.12.2003 Ausnahmebegünstigung (wahlweise, nur einmalig !):

I

1/2 durchschnittlicher Steuersatz

Ausnahme: Alt/äile (Erwerb vor 21.2.2003) Gewinn pauschal 10 % des Erlöses, aber Nachweis niedrigerer Gewinne zulässig

• ab 01.01.2004 Ausnahmebegünsti gung (wahlweise, nur einmalig!): 56 vH durchschnittlicher Steuersatz

Abb. 43: Besteuerung

9.1.2.5.2

Regel: steuerfrei

laufender und einmaliger

Regel: PauschaJbesteuerung 15 % mit Gewinnermittlung ohne Recapture-Regelung

Erfolge

Begünstigungen von Reinvestitionen

Langjährig gehaltene Anlagegüter weisen häufig hohe stille Reserven auf. Stille Reserven - auch als stille Rücklagen bezeichnet - werden als Differenz zwischen Zeitwert und Buchwert ermittelt und sind vor allem bei Grundstücken zu beobachten. Sie entstehen

744



9 Besteuerung von Immobilien

zwingend, wenn die Zeitwerte über die Obergrenze der (fortgeführten) Anschaffungskosten hinaus steigen,



zwangsläufig aus Schätzfehlern, wenn etwa die Nutzungsdauer zu gering eingeschätzt wurde, oder

freiwillig, wenn aus Anreizgründen überhöhte Abschreibungen gewährt werden. Stille Reserven sind bislang nicht ausgewiesene und folgerichtig auch nicht besteuerte Gewinne. Sie beinhalten daher eine „latente Steuerlast", die bei einer Veräußerung zur Zahlung fällig würde, und errichten daher eine Veräußerungsbarriere („lock-in-Effekt"). Derartige „Veräußerungsbremsen" erschweren oder verhindern notwendige Strukturveränderungen und Standortverlagerungen. Um dies zu vermeiden, wird unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eingeräumt, die bei einer Veräußerung realisierten Gewinne sofort auf Reinvestitionsgüter zu übertragen oder temporär in eine steuerfreie Rücklage nach § 6b EStG einzustellen und auf ein später beschafftes Reinvestitionsgut zu übertragen. Um zu vermeiden, dass ich die „Lebensdauer der stillen Reserven" durch die Übertragung verlängert, darf nur auf Reinvestitionsgüter mit gleicher oder kürzerer Nutzungsdauer übertragen werden:

Gewinne aus der Veräußerung langjährig gehaltener Anlagegüter (i. d. R. min. 6 Jahre)

Übertragung auf Reinvestitionsgüter im Jahr der Veräußerung (J) und dem Vorjahr (Vj), ggf. unter temporärer Rücklagenbildung Grund und Boden σ/ν»

Boden

+100

Aufwuchs auf Grund und Boden

+80

Gebäude

+60

Anteile an KapGim Eigentum von Personenunternehnen (bis max. 500 T€)

+40

-100

Aufwuchs auf Grund und Boden

Gebäude a) (J/VJ)

Anteile an KapG α)

(J/vj) -100

-100

-80

80

Abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter (J)

-60 40

40

40

Tab. 29: Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter (§ 6b EStG) a) Der Anschaffung oder Herstellung von Gebäuden steht ihre Erweiterung, ihr Ausbau oder ihr Umbau gleich. Die Übertragung ist in diesem Falle nur auf den Aufwand für Erweiterung, Aus- oder Umbau zulässig.

9 Besteuerung

745

von Immobilien

Die ökonomischen Auswirkungen der Neutralisierung von aufgedeckten Veräußerungsgewinnen kann durch Abbildung 62 verdeutlicht werden. Wiederum wird deutlich, dass die steuerliche Begünstigimg der Reinvestition darin besteht, dass bei zeitlich konstanten Steuersätzen „lediglich" eine temporäre Steuerstundung gewährt wird. Damit wird erreicht, dass unerwünschte steuerliche „Lock-inEffekte", die Strukturveränderungen behindern, abgebaut werden. Jahre 01

02

03

04

01-04

(1)

Laufender Gewinn (• Zahlungsüberschuss)

+100

+300

+300

+300

+1000

(2)

Veräußerungsgewinn aus Gebäudeveräußerung

+120

(3)

Neutralisierung des Veräußerungsgewinns durch steuerfreie Rücklage

(4)

Neutralisierungen durch Überschüsse auf Nachfolgegebäude

(5)

Gebäudeinvestition

-

(6)

Abschreibungen (3 Jahre)

-

(0)

(0)

(0)

-

(7)

Buchwert Gebäude

-

[0]

[0]

[0]

-

(8)

Steuerzahlungen^ = 50 %) • laufender Gewinn • Veräußerungsgewinn • Neutralisierung Gewinn

(-120)

-50

_

(-120)

(-120)

-120

-120

-150

-60

= gesamt

(10)

Zahlungsüberschuss nach Steuern Mit-ohne-Differenz („zinsloser Steuerkredit")

-500

-150

_ _

_ _

0

0

0

-60 +60 0

-50

-150

-150

-150

-500

+170

-30

+150

+150

+500

+60

-20

-20

-20

0

Tab. 30: Veräußerungsgewinn aus Grundstücksverkaufmit 9.1.2.5.3

-150

_

+60

• Gebäudeinvestition

(9)

+120

(+120)

Neutralisierungsmaßnahmen

Betriebliche Veräußerungsgewinne

(1) Begünstigung des halben durchschnittlichen Steuersatzes (bis 1998) Die gesetzlichen Regelungen zur Besteuerimg besonderer Gewinne aus der Veräußerung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen - sog. Veräußerungsgewinne - sind als „Begünstigungsregelungen" immer wieder gesetzlichen Änderungen unterworfen worden. Gravierende Rechtsänderungen ergaben sich jeweils zum Jahresbeginn 1999 und 2001.

746

9 Besteuerung von Immobilien

Bis Ende des Jahres 1998 galten für die Besteuerung dieser besonderen Veräußerungsgewinne die Begünstigungsregelungen der §§ 16,34 EStG: • •

In § 16 EStG wurden begrenzte Freibeträge für Veräußerungsgewinne eingeräumt. In § 34 EStG wurde für Veräußerungsgewinne die Anwendung des halben durchschnittlichen Steuersatzes gewährt.

Die - unbegrenzt anwendbare - Tarifbegünstigung wurde im Zusammenhang mit zeitlich vorgezogenen (Sonder-) Abschreibungen sehr häufig zur Steuergestaltung eingesetzt. Die Steuerentlastungswirkung des halben durchschnittlichen Steuersatzes soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Beispiel: Der ledige Unternehmer U hat im Jahr 1998 ein zu versteuerndes Einkommen von 170.000 DM. Darin enthalten ist ein Veräußerungsgewinn von 80.000 DM; die Freibetragsregelung des § 16 EStG wird nicht berücksichtigt. Einkommen Laufendes zu versteuerndes Ein-

90.000

Grundtabelle

Grund tabelle

Steuer-

1998 (1)

1998 (2)

Ermäßigung

26.207 (1)

26.207 (1)

kommen Veräußerungsgewinn

80.000

• volle Besteuerung

41.045 (3)

-

-

-

17.803 (2)

23.242

67.252 (2)

44.010 (3)

23.242

• halbe 0 Besteuerung Gesamteinkommen

170.000

Nebenrechnung: 0S =

6 7 2 5 2

169.992

=

39,5624(5)%

1/2 0 s = 19,7812 (5) %

Tab. 31: Begünstigte Veräußerungsgewinnbesteuerung nach dem „halben durchschnittlichen Steuersatz (Tarif1998) (2) Begünstigung durch Fünftelungsregelung (ab 1999) Die Steuerbegünstigung des halben durchschnittlichen Steuersatzes für betriebliche Veräußerungsgewinne wurde Ende 1998 abgeschafft und durch die sog. Fünftelungsregelung ersetzt. Die Begünstigimg der Fünftelungsregelung besteht darin, dass zur Ermittlung der Progression die außerordentlichen Einkünfte nur zu einem Fünftel einbezogen werden und der auf dieses Fünftel entfallene Steuermehrbetrag anschließend verfünffacht wird. Zu beachten ist, dass keine Verteilung des Veräußerungsgewinns auf 5 Jahre stattfindet, vielmehr wird die Begünstigung im Jahr der Veräußerung durch Anwendung der Fünftelungsregelung vollständig abgeschlossen.

9 Besteuerung von Immobilien

747

Führt man das obige Beispiel für das Jahr 1999 fort, so folgt: Normalregelung Einkommen

Steuerbetrag ohne Begünstigung

Progressionsminderungsregelung Rechnerisches Einkommen (DM)

Rechnerischer Steuerbetrag (DM)

Hochgerechneter Steuerbetrag (DM)

Laufendes zu versteuerndes Einkommen

90.000

26.164 (1)

90.000

26.164 (1)

26.164 (1)

Veräußerungsgewinn

80.000

41.045 (3)

1/5 = 16.000

7.592 (3)

x5 = 37.960 (2)

106.000

33.566 (2)

64.124 (3)

Gesamteinkommen

170.000

Steuerermäßigung

67.209 -

-

-

3.085

-

Tab. 32: Progressionsmilderung durch Fünftelungsregelung (Tarif 1999) Offenkundig hat die Fünftelungsregelung - selbst wenn man die TarifSenkung von 1998 auf 1999 mit berücksichtigt - gegenüber der Vorgängerregelung des halben durchschnittlichen Steuersatzes eine erheblich geringere Entlastungswirkung zur Folge. Bei Anwendimg der Fünftelungsregelung im Jahr 2005 ergibt sich folgende bescheidene Steuerentlastung: Normalregelung

Progressionsminderungsregelung

Einkommen

Steuerbetrag

Rechnerisches Einkommen (DM)

45.000

11.101 (1)

45.000

Veräußerungsgewinn

40.000

16.684 (3)

Gesamteinkommen

85.000

27.786 (2)

Laufendes zu versteuerndes Einkommen

Steuerermäßigung

-

-

Rechnerischer Steuerbetrag (DM) 11.102 (1)

11.102 (1)

3.244 (3)

χ 5 = 16.220 (2)

14.346 (2)

27.322 (3)

1/5= 8.000 53.000 -

Hochgerechneter Steuerbetrag (DM)

-

464

Tab. 33: Progressionsmilderung durch Fünftelungsregelung (Tarif2005) Die Frage, welche Steuerentlastung mit der Fünftelungsregelung verbunden ist, lässt sich an einem einfachen Modellfall veranschaulichen: Beispiel: Geplant sei die Veräußerung eines Gewerbebetriebs zum Jahresende. Der Veräußerungsgewinn betrage 300.000 €. Zu unterscheiden ist, ob im Jahr der Veräußerung weitere Einkünfte vorhanden sind oder nicht. •

Sind im Veräußerungsjahr bereits Einkünfte vorhanden, welche die Progressionszone bereits voll ausschöpfen, folgt aus der Fünftelungsregelung keinerlei Steuerentlastung:

748

9 Besteuerung von Immobilien

Abb. 44:Progressionsmilderung der „Fünftelungs"- Regelung - mit weiteren Einkünften •

Liegen im Jahre der Veräußerung keine weiteren Einkünfte vor, ergibt sich im Jahr 2005 für ein Fünftel des Veräußerungsgewinns infolge des progressiven Tarifs eine Entlastung von 7.914 €.

Abb. 45: Progressionsmilderung der „Fünftelungs"- Regelung - ohne weitere Einkünfte Durch die Anwendung der Fünftelungsregelung wird diese Progressionsentlastung verfünffacht, d. h. die Fünftelungsregelung führt zu einer zusätzlichen vierfachen tariflichen Progressionsentlastung und beträgt damit insgesamt 31.656 €. Die maximale Entlastungswirkung ist ohne weitere Einkünfte bei einem Veräußerungsgewinn von 260.760 € erreicht, höhere Veräußerungsgewinne führen zu keinen weiteren Progressionsvorteilen mehr:

9 Besteuerung von Immobilien

749

Die wesentlichen Aspekte der Fünftelvingsregelung bei besonderen betrieblichen Veräußerungsgewinnen lassen sich wie folgt zusammenfassen: (1) Ziel der Fünftelungsregelung Milderung der Progressionslast, die sich bei einem progressiven Tarif bei geballter Auflösung stiller Reserven im Rahmen einer (Teil)Betriebsveräußerung ergibt (2) Verfahrensschritte a) Ermittlung der Steuerlast auf das Normaleinkommen b) Ermittlung der Steuerlast auf das Normaleinkommen zuzüglich eines Fünftels des Veräußerungsgewinns c) Ermittlung der auf das Fünftel des Veräußerungsgewinns entfallenden Steuerlast durch Bildung der Steuerlastdifferenz d) Ermittlung der Steuerlast auf den Veräußerungsgewinn durch Verfünffachung der auf ein Fünftel des Veräußerungsgewinns entfallenden Steuerlast e) Addition der Steuerlast auf das Normaleinkommen und der rechnerischen Steuerlast auf den Veräußerungsgewinn (3) Entlastungswirkungen Die Fünftelungsregelung hat eine progressionsbedingte steuermindernde Wirkimg nur, soweit das rechnerische Fünftel des Veräußerungsgewinns zumindest teilweise in die Progressionszone fällt. (4) Gestaltungsempfehlungen Vor diesem Hintergrund muss angestrebt werden, den Veräußerungsgewinn möglichst in einem Jahr zu erzielen, in dem das Normaleinkommen gering ist. Zu erreichen ist dies bisweilen durch folgende Maßnahmen: a) Verlagerung des Veräußerungsgewinns in die „postaktive Phase", wenn dort geringes Normaleinkommen zu erwarten ist b) Senkung des Normaleinkommens (maximal bis Null!) durch Vorverlagerung von Aufwand oder Nachverlagerung von Ertrag c) In einem bestimmten Progressionsbereich kann es sich sogar empfehlen, steuerlich anerkannte Ausgaben ohne Hoffnung auf künftige Einzahlungserwartungen zu tätigen.

750

9 Besteuerung von Immobilien

(3) Neuregelung des halben durchschnittlichen Steuersatzes (ab 2001) Eine neuerliche Gesetzesänderung für besondere betriebliche Veräußerungsgewinne erfolgte zum 1.1. 2001, die 2004 nochmals modifiziert wurde. Regelbegünstigung bleibt die sog. „Fünftelungsregelung". Unter bestimmten Voraussetzungen kann aber statt der Fünftelungsregelung einmalig wieder die Ende 1998 abgeschaffte Regelung des halben durchschnittlichen Steuersatzes gewählt werden. Eine neuerliche Gesetzesänderung für besondere betriebliche Veräußerungsgewinne erfolgte zum 1.1. 2001: •

Regelbegünstigung bleibt die sog „Fünftelungsregelung".



Unter bestimmten Voraussetzungen (Vollendung des 55. Lebensjahrs oder dauernde Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn) konnte statt der Fünftelungsregelung einmalig und bis maximal 5 Mio. € (VZ 2001 10 Mio. DM) die frühere Regelung des halben durchschnittlichen Steuersatzes - mindestens Eingangssteuersatz - nach § 34 III EStG mit der Gewährung gewisser Freibeträge nach § 16 IV EStG gewählt werden. Nicht uninteressant sind die Begleitumstände für die Wiederbelebung dieser Vorschrift: Unmittelbar vor der entscheidenden Sitzung des Bundesrats am 14. Juli 2000 zur Verabschiedung der Neuordnimg des Körperschaftsteuersystems im Rahmen des Steuersenkungsgesetzes 2000 wurde als „Morgengabe für die BLänder" verpackt als „Mittelstandskomponente" die Regelung des halben durchschnittlichen Steuersatzes für besondere Veräußerungsgewinne unter bestimmten Bedingungen wieder eingeführt.



Seit dem 1.1. 2004 müssen die besonderen betrieblichen Veräußerungsgewinne statt bisher zur Hälfte nunmehr zu 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes - ab VZ 2005 mindestens jedoch zu 15 % (VZ 200416 %) - besteuert werden.

Beispiel: Führt man obiges Beispiel fort, dann ergibt sich für die Anwendung des halben durchschnittlichen Steuersatzes im Jahr 2005 die folgende Veräußerungsgewinnbesteuerung (Tab. 34). 9.1.2.5.4

Private Veräußerungsgewinne

Eine steuerliche Sonderbehandlung erfahren Erfolge, wenn sie bei Veräußerungen von Privatvermögen innerhalb sog. Spekulationsfristen erzielt werden.

9 Besteuerung von Immobilien

Einkommen Lfd. zu versteuerndes Einkommen

45.000

Veräußerungsgewinn

40.000

Grundtabelle

Grundtabelle

Steuer-

2005 (1)

2005 (2)

Ermäßigung

11.102 (1)

11.102 (1)

• volle Besteuerung

16.684 (3)

• halbe 0 Besteuerung Gesamteinkommen Nebenrechnung: 6

751

85.000 0s =

27.786 (2)

7.322 (2)

9.362

18.424 (3)

9.362

= 0,326894 = 32,6894% 85.000 0,56 - 0 s = 0,183061 = 18,3061 % 2 7 7 8 6

Tab. 34: Begünstigte Veräußerungsgewinnbesteuerung nach dem „halben durchschnittlichen Steuersatz" (Tarif2005) Im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 traten für solche Veräußerungsgeschäfte nach dem 31. 12. 1998 gravierende Änderungen im Vergleich zur vorherigen Rechtslage ein: •

Ersatz des Begriffs „Spekulationsgeschäft"

durch den des privaten Veräuße-

rungsgeschäfts, •

erhebliche Verlängerung der steuerauslösenden Fristen,



Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift und



Veränderung der Verlustberücksichtigung.

Eine Übergangsregelung wurde nicht geschaffen. Demnach sind auch Veräußerungen betroffen, für die nach der alten Regelung die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war. Von der Vorschrift des § 23 EStG erfasst werden nunmehr •

Grundstücke und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, bei denen Anschaffung und Veräußerung innerhalb von 10 Jahren erfolgen (bis 1998:2 Jahre),



Wertpapiere, bei einem Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung von nicht mehr als einem Jahr (bis 1998: sechs Monate),



Wirtschaftsgüter, bei denen der die Veräußerung früher erfolgt als der Erwerb, sowie (neu eingefügt)



Termingeschäfte einschließlich Zertifikate und Optionsscheine bei Erwerb des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung nicht größer als ein Jahr ist.

Für private Veräußerungsgewinne existiert eine Freigrenze von 511,99 € (999,99 DM).

752

9 Besteuerung von Immobilien

Führen private Veräußerungsgeschäfte zu Verlusten, so dürfen diese im Entstehungsjahr nur mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften desselben Jahres ausgeglichen werden. Darüber hinaus können sie nur entsprechende positive Einkünfte mindern, die im vorangegangenen und in folgenden Veranlagungszeiträumen bezogen werden. Ob die Einschränkimg der Verlustkompensation für private Veräußerungsgewinne überhaupt und nach der erheblichen Ausweitung der steuerrelevanten Fristen verfassungsrechtlich noch weiterhin Bestand haben kann, erscheint ernstlich zweifelhaft. Aufgrund des Fehlens von Übergangsregelungen im zeitlichen Anwendungsbereich der Gesetzesneufassung entfalten die Neuregelungen des § 23 EStG eine sog. Rückwirkung. Dies gilt einerseits für alle privaten Veräußerungsgeschäfte, für die nach der alten Regelung die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war, andererseits aber auch für Wertsteigerungen, die vor dem Ol. Ol. 1999 eingetreten sind und nach altem Recht nicht der Besteuerimg unterlagen. Es wird daher vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden sein, ob hinsichtlich der Neuregelung eine echte (grundsätzlich verfassungswidrige) oder eine unechte (verfassungsrechtlich zulässige) Rückwirkung vorliegt. Erste Bedenken hat der IX. Senat des BFH bereits geäußert (vgl. BFH-Beschluss v. 05. 03. 2001, Az. IX Β 90/00, in: DStR 2001, S. 481). 9.1.2.5.5

Veräußerungsgewinne aus wesentlichen Beteiligungen des Privatvermögens

Steuerpflichtig sind auch Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften bei bestimmter - früher „wesentlicher" - Beteiligung. Die Beteiligungshöhe, ab der eine Beteiligung als wesentlich geilt, wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 zum 01. 01. 1999 von 25 % auf 10 % gesenkt. Zum 01.01.2001 wurde die Grenze weiter auf 1 % gesenkt und folgerichtig auf das Adjektiv „wesentlich" verzichtet. Besteuerungssituation Beteiligungshöhe

größer gleich 25 %

bis VZ1998

VZ 1999 - 2000

ab VZ 2001

steuerpflichtig steuerpflichtig steuerpflichtig

größer gleich 10 % größer gleich 1 %

steuerfrei steuerfrei steuerfrei

Tab. 35: Entwicklung der Besteuerung „wesentliche Beteiligungen" an Kapitalgesellschaften

9 Besteuerung von Immobilien

753

Erfolgt die Veräußerung derartiger Beteiligungen innerhalb der "Spekulationsfrist", wird der Veräußerungsvorgang als privater Veräußerungsgewinn nach § 23 II S. 2 EStG besteuert. Die steuerliche Erfassung als privates Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 EStG hat damit Vorrang vor der Erfassung als Beteiligungsgewinn i. S. d. § 17 EStG. Damit stellt sich die Besteuerungssituation wie auf Abbildung 69 dar. 9.1.2.6 9.1.2.6.1

Verlustkompensation im Ertragsteuerrecht Verluste

„Verluste" sind das Pendant zu „Gewinnen" und es besteht kein Anlass, positive und negative Erfolge im Rahmen einer Erfolgsbesteuerung ungleich zu behandeln. Dies umso mehr, als eine Ungleichbehandlung „unsichere und schwankende Einkommen" über den Progressionsnachteil hinaus gegenüber „sicherem" Einkommen diskriminieren würde. von

V erä u ß eru η g Kapitalgesell chafts-B eteiligungen des Priva tverm ö g e n s

1

1

1 V eräußerung a u ß e r h a l b 12 M o n a tsfrist

V eräu ß eru η g i n n e r h a l b 12 M o n a t s f r i s t

ü H albeinkiinftebesteuerung g e m äß § 2 3 III iVm § 3 Ni. 40 j EStG und § 3 c II E S t G

ι Beteiligung

1 >1

%

IL H albeinkiinftebesteuerung gem äß § 1 7 E S t G ¡ V m § 3 Ν r. 4 0 c u n d § 3 II E S t G

Β eteiligung

ital£sellsdiafi bei Gewiimaissdtüttungmit Ppogressionsvabehah (25% KSt, GewSt mit 400% Hebesatz, ESt 2005) Personenuntemehmen (Einkcxmnefisteuertaif2005)

Abb. 62: Steuerbelastung bei Kapitalgesellschaften (2005)

Die im Gesetzentwurf zunächst geplante Einführung eines Progressionsvorbehalts gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 24, Abs. 2 Nr. 3 EStG-E sollte diese Tarifdehnung wieder rückgängig machen, indem er die zur Besteuerung herangezogenen „halben Gewinnausschüttungen" mit dem (durchschnittlichen) Steuersatz belegt, der sich bei Zugrundelegung der „vollen" Gewinnausschüttung ergeben würde. Irreführend erscheint daher die

791

9 Besteuerung von Immobilien

Behauptung, der Progressionsvorbehalt führe für Gewinnausschüttungen zu einer Verschärfung des Progressionsanstiegs und zu einem früheren Erreichen der Spitzensteuerbelastung. Mit Progressionsvorbehalt würde das Halbeinkünfteverfahren zum selben Ergebnis wie ein Halbsatzverfahren führen. 9.1.3.2.5.3

Halbabzug

Nach deutschem Steuerrecht gilt als allgemeine Grundsatzregelung: •

Die volle steuerliche Absetzbarkeit der Erwerbsaufwendungen ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn die korrespondierenden Erträge ebenfalls voll besteuert werden,



steuerfreie Erträge ziehen die Nichtabsetzbarkeit der Erwerbsausgaben nach sich (§ 3c EStG).

Scheinbar plausibel erscheint es vor diesem Hintergrund, in einem Halbeinkünfteverfahren, bei dem die Erträge nur zur Hälfte besteuert werden, korrespondierend nur den „Halbabzug" der Erwerbsaufwendungen zuzulassen (§ 3c Abs. 2 EStG). Volle Eigenfinanzierung Eigenmit Fremdfinanziefinanzierung rung auf Unternehmensebene

Eigenfinanzierung mit Fremdfinanzierung auf Eigentümerebene

(3a)

(2)

(1)

(3b)

Untemehmensebene (1)

+

Gewinn vor Zinsen 100

(2) (3)

./. Fremdkapitalzinsen

0 +

= Gewinn

+

+

100

100

-40

0

+

100 0 +

+ 60

100

+

100

100

(4)

./. KSt (25 %)

- 25

-15

-25

-25

(5)

= Gewinn nach KSt

+ 75

+ 45

+ 75

+ 75

+ 75

+ 45

+ 75

+ 75

Eigentümeiebene (6)

Ausschüttung (inkl. Kapitalertragsteuer)

-

(7)

Zinsen

0

-

+ 40

(8)

Einkommensteuer (50%)

-18,75

-11,25

-20

-8,75

-20

(9)

Ertrag nach Steuern

+ 56,25

+ 33,75

+ 20

+ 26,25

-43,75

-26,25

-20

-33,75

(11) Steuerbelastung (ivH)

43,75 %

43,75 %

50%

56,25%

(12) Gesamtsteuerbelastung (ivH)

43,75 %

(10) Steuerzahlungen

-40

46,25 %

Tab. 53: Steuerbelastung vor Eigen- und Fremdfinanzierung

+ 40

-70

+ 70

-1,25

-35

+ 20

+ 3,75

+ 35

-20

- 26,25

-35

50% 53,75 %

87,50 %

50% 61,25 %

792

9 Besteuerung von Immobilien

Diese „Logik" hält indes einer näheren Analyse nicht Stand. Vielmehr kann eine Beurteilung dieser Regelung nur vor dem jeweiligen Referenzpunkt erfolgen: •

Wer die Trennung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner für wirtschaftlich begründet hält und von jeweils getrennter steuerlicher Belastbarkeit ausgeht, für den ist der „Halbabzug" folgerichtig, er muss sich allerdings fragen lassen, warum man sich jeweils mit „halber" Besteuerimg begnügt und warum auf Unternehmensebene Aufwendungen nicht ebenfalls nur hälftig ansetzbar sind.



Geht man von der wirtschaftlichen Einheit von Kapitalgesellschaft und Eigentümer aus und stellt - wie dies in der Begründung zum Entwurf des Steuersenkungsgesetzes mehrfach betont wird - auf die Einmalbesteuerung der ökonomischen Ergebnisse ab, so ist ein Halbabzug völlig abwegig. Der Halbabzug diskriminiert diejenigen Investoren, bei denen für die Kapitalbeteiligung auf der privaten Ebene Aufwendungen - namentlich Finanzierungskosten - anfallen.

Das Halbeinkünfteverfahren will nach seiner Idee die Einmalbesteuerung dadurch sicherstellen, dass auf Unternehmensebene eine ermäßigte („halbe") definitive Vorwegbelastung erfolgt und diese Vorwegbelastung durch eine anschließende Halbbesteuerung auf Eigentümerebene ergänzt wird mit der Folge, dass insgesamt letztlich nur eine Einmalbesteuerung stattfindet. Dieses Verfahren setzt allerdings voraus, dass nur diejenigen Erfolgsteile, die auf Unternehmensebene halb vorwegbesteuert wurden, auf Eigentümerebene (halb) nachbesteuert werden. Soweit eine Vorwegbesteuerung auf Unternehmensebene noch nicht erfolgte, ist für eine nachfolgende Halbbesteuerung kein Raum, vielmehr muss hier die volle Besteuerung eingreifen! Für private Finanzierungskosten, die noch keiner (hälftigen) Vorwegentlastung unterlegen haben, bedeutet dies, dass auf Eigentümer-Ebene eine volle Entlastung sachgerecht ist. Ein Modellbeispiel macht die Diskriminierung durch den Halbabzug deutlich: Ein Investor verfügt über 10 T€ Eigenkapital und kann weitere 10 T€ Fremdkapital zum Zinssatz von 10 % aufnehmen. Er hat zwei lohnende Anlagemöglichkeiten: a) Aktien mit einer sicheren Jahresdividende von 20 % b) Anleihen mit einer sicheren Verzinsimg von 20 %. Der Investor entscheidet sich, beide Investitionen mit je 10 T€ durchzuführen. Ist es für die steuerliche Belastung unbeachtlich, welche Anlage er mit Eigenkapital finanziert?

9 Besteuerung von Immobilien

Unternehmensebene

I.

Ertrag

- Aufwand = Gewinn - F ,

„Vollabzug"

=

R,

-Fi

=

-20

=

80

-20

=

80

+20

-20

=

+55

-20

=

+55

+20

(-20) =

300

-200

=

100

+300

-200

=

100

- 75

+50

=

- 25

225

-150

=

+75

Ausschüttung

+225

-150

=

+75

steuerliches Ergebnis

(+112,50)

(- 75)

=

(+37,50) (-10)

Unternehmensebene Erfolgskomponenten KSt25% Ausschüttungspotenzial

Fremdkapitalgeber

Eigentümerebene „Halbabzug"

Ausgangssachverhalt

793

Rz

Fl, 2

II. Anteilseignerebene

=

(+27,50)

(+17,5)

(+20)

ESt50%

- 56,25

+ 37,50

=

-18,75

+5

=

-13,75

+10

=

- 8,75

-10

Ergebnis nach Steuern

+168,75

-112,50

=

56,25

-15

=

+41,25

-10

=

+46,25

+10

Tab. 54: Ergebniswirkungen

des Halbabzugs und

Vollabzugs

Je nachdem, wie die Anlagemöglichkeiten finanziert werden, ergibt sich folgender Gesamtertrag nach Steuern: Variante (a) Anleihe Fremdfinanzierung

Aktie Eigenfinanzierung Unternehmensebene Investorebene

Ertrag - KSt25 % = Ertrag nach KSt Einkünfte aus Kapitalvermögen - Zinsen = Einkünfte nach Zinsen zu versteuernde Einkünfte - ESt 50 % = Einkünfte nach Steuern = Gesamtertrag nach Steuern

Tab. 55: Gesamtertrag bei alternativer

Variante (b) Aktie Fremdfinanzierung

+ 2.000

+ 2.000

-500

-500

+ 1.500

+ 1.500

Anleihe Eigenfinanzierung

+1.500

+ 2.000

+ 1.500

+ 2.000

0

-1.000

-1.000

0

+1.500

+ 1.000

+ 500

+ 2.000

(+1.000)

(+250)

(+ 2.000)

(+ 750) -375

-500

-125

-1.000

+ 1.125

+ 500

+ 375

+ 1.000

+1.625 Finanzierung

+1.375

794

9 Besteuerung l'on Immobilien

Die Abweichung erklärt sich aus dem im Gesetz verankerten, ökonomisch unsinnigen Halbabzug: Da die Zinsen bei Variante (b) im Rahmen der Aktienfinanzierung nur zur Hälfte anerkannt werden, ergibt sich eine fehlende Steuerentlastung von (0,5 χ 1.000 χ 50 %) = 250. Dies entspricht exakt dem Unterschied im Gesamtertrag nach Steuern zwischen Variante (a) und (b): (1.625 -1.375 =) 250! 9.1.3.2.5.4

Dividenden- und Veräußerungsgewinnbesteuerung auf KapG-Ebene

Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung auf der (körperschaftsteuerlichen) Unternehmensebene sind folgende Regelungen getroffen: •

Dividenden, die auf körperschaftsteuerpflichtiger Unternehmensebene von der KapG A an die KapG Β bezahlt werden, sind steuerfrei ( § 8b Abs. 1 KStG). Diese Steuerfreiheit wird unabhängig von der Beteiligungsquote und von der Haltedauer der Beteiligung gewährt.



Veräußerungsgewinne (§ 8b Abs. 2 KStG) aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bleiben auf der körperschaftsteuerlichen Unternehmensebene steuerfrei. Veräußert die KapG Β ihre Beteiligung an der KapG A an die KapG C, so bleibt ein entstehender Veräußerungsgewinn steuerfrei, solange er bei der KapG Β thesauriert wird. Ebene

KapG A

KapG Β

KapG C / Per-

der KapG

sU/Privatperson

• Ausschüttung von Dividenden der KapG A an die KapG Β steuerfrei

• Veräußerung der KapG A-Anteile im Eigentum von KapG Β an die KapG C steuerfrei Ebene natürlicher Personen

Abb. 63: Steuerfreiheit von Dividendenausschüttungen und Anteilsverkäufen Besondere Aufmerksamkeit hat vor allem die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne auf Kapitalgesellschaftsebene gefunden. Begründet wird die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne damit, dass die Veräußerung des Anteils wirtschaftlich der Ausschüttung des vorhandenen Eigenkapitals (Nominalkapital und Rücklagen) und aller künftigen Ausschüttungen entspricht.

9 Besteuerung von Immobilien

795

Diese Überlegungen sind vor dem Hintergrund der verfolgten Leitidee der je hälftigen Besteuerung auf Körperschaftsteuerebene und Einkommensteuerebene folgerichtig. Zu beachten ist allerdings, dass nicht zwingend immer eine „Erste-Hälfte-Besteuerung auf Körperschaftsteuerebene" eintritt, die später durch eine „Zweite-Hälfte-Besteuerung auf Einkommensteuerebene" zur „Einmalbesteuerung" ergänzt wird. Soweit etwa stille Reserven zu einer Wertsteigerung der Anteile der Kapitalgesellschaft führen, entfällt temporär die „Erste-Hälfte-Besteuerung", solange die stillen Reserven dort nicht realisiert werden. Soweit die infolge der stillen Reserven eintretenden Wertsteigerungen der Anteile realisiert werden, bleiben diese auf Kapitalgesellschaftsebene steuerfrei. Zu beachten ist ferner, dass aufgrund der Steuerfreiheit der Dividenden und Veräußerungsgewinne auf Körperschaftsteuerebene nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung auch die zugehörigen Aufwendungen steuerfrei gestellt werden. Die Systemhaftigkeit dieser Steuerfreiheit von Dividenden und Veräußerungsgewinnen auf Ebene der Kapitalgesellschaften lässt sich mit einem weiteren einfachen Beispiel unter zusätzlicher Berücksichtigung der Gewerbesteuer verdeutlichen:

Unternehmens-Ebene A-GmbH Wirtschaftsgut (WG) Kasse ./. Körperschaftsteuer (KSt)

1000 100 25

75

Eigenkapital A (EKA) Gewinn ./. Körperschaftsteuer (KSt)

1075

1000 100 25

75 1075

Ausschüttung an Eigentümer A (natürliche Person)

-75

Anteilseigner-Ebene (natürliche Person) Eigentümer A: Ausschüttung ./. Einkommensteuer 50% auf Halbeinkünfte

75 18,75 56.25

Abb. 64: Gewinn bei der Α-GmbH und Ausschüttung an den Eigentümer A (Fall I)

796

9 Besteuerung von Immobilien

IMemehmens-Ebene ArGrrbH WG Kasse y.KSt

BOrbH Beteiligung A-GWbH Kasse

1000

1000 eka Gewinn 100 25 75 75 y.KSt

100 25

1075

1075

1000 75

1000

EKb Dividende -steuerfrei-

1075

1075

Ausschüttung an B-QrfcH Antalsdgper-Ebene (natürliche Iteon)

75

-75

Egertimrft Ausschütting

75

J. Bnkommensteuer50% aLfHalbeinkünfte

18,75 5625

Abb. 65: Gewinn bei der Α-GmbH und Ausschüttung über die B-GmbH an den Eigentümer Β (Fall II) l rtsrndwrens-Hbene AQrtH

BOitH

W3 1000 1000 Käse 100 Getum 100 /KSt _25 75 /KSt J5 75 1075

1075

AQrtH 1000(1075)

EKg 1000(1075)

1. Veriaifder AOiW-Betdligrg andieC-ChtHalsBwater Kasse

1000 1075 EXg VoäuOenngiGenim -steuerfrei- 75 1075 1075

AussdittmganEigrtltaerB ^rtdsößirllxtt (natüdiche Pasen)

Bwitier (zR CQitfj C-fasU, C-Ras)

BgotfknrK ^EScWttlllg J. Entomrasteuer 50% aufHälbemklHfc

Betefli^ng AQrtH

1075 1075

E*v

1075

1075

-75 75 18.75 5625

Abb. 66: Realisierter Gewinn bei der Α-GmbH, Gewinn aus Veräußerung der Beteiligung an A GmbH bei der B-GmbH und Ausschüttung an den Eigentümer Β (Fall III)

9 Besteuerung ι>οη Immobilien

797

Ltternehmem-Bxne AOrtH

BOitH

\Mj 1000(1100) B^ 1000(1100)

Btteäigng EK,, 1000(1075) QitHA 1000(1075) 1. VoteufBelaligi^anAQrbH andjeGOrtHalsEroaber Kasse

Aftfabeigmr-QHie (naurficteftreon)

1075 EKg 1000 VaäJfenngiGewim Ί -steuerfrei- 75 1075 1075 BgartimcrR Aissdatirig J. EmtornraSaja-50i/o aíHibeirkUnfe

&water (Z.B GChtti CftrsU Gftis) EKC 1075 Betefligiç AQitH 1075 1075

1075

75 J8J5 5&25

Abb. 67: Unrealisierter Gewinn bei der Α-GmbH, Gewinn aus der Veräußerung an Α-GmbH bei der B-GmbH und Ausschüttung an C-GtnbH (Fall IV) Die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen ist - wie auch das Beispiel zeigt - ambivalent: •

Zunächst scheint es sich um ein grandioses Steuergeschenk auf Unternehmensebene zu handeln, das deutliche Züge eines „Steuerparadieses auf Unternehmensebene" aufweist.



Auf den zweiten Blick handelt es sich bei diesem Steuergeschenk allerdings „nur" um eine temporäre zinslose Steuerstundimg, da die volle Nachholung der Besteuerung eintritt, wenn je daran gedacht würde, die stillen Reserven in Gewinnjahren zu mobilisieren und auszuschütten.

Die Regelung erweist sich somit als Aufforderung und gleichsam als Zwang, alles zu tun, um eine direkte Realisierung stiller Reserven und die Ausschüttung von durch Anteilsverkäufen realisierten Gewinnen zu vermeiden. Sie ist damit eine massive steuerliche Unterstützung der Konzentration in der Wirtschaft und wird zur verstärkten Entwicklung von Vermögensderivaten führen, die es erlauben, die „Gewinnschätze" ohne lästige steuerliche Nebenwirkungen zu heben. Nebenbei sei auch darauf hingewiesen, dass es bei sinkenden Anteilswerten - angesichts der bestehenden Hausse offenbar völlig aus dem Bewusstsein verdrängt - zu gravierenden Steuerbelasttingen kommen kann.

798

9 Besteuerung von Immobilien

Dem Steuersystem wird nicht selten der Vorwurf gemacht, es behindere durch steuerliche (Mehrfach)Belastungen

der Anpassungsprozesse die notwendigen Struktur-

veränderungen. In diesem Zusammenhang wurde die im StSenkG 2000 geplante Regelung zur Steuerbefreiung für Gewinne aus der Beteiligung an Kapitalgesellschaften bei der Ankündigung als unerwartetes Weihnachtsgeschenk begrüßt und löste damit ein wahres Kursfeuerwerk aus (vgl. ο. V., Eichel überrascht die Börse mit einem Weihnachtsgeschenk, Handelsblatt v. 24./25.12.1999, S. 31.). Betrachtet man dieses Geschenk näher, so zeigen sich ambivalente Wirkungen: •

Einerseits bleiben Gewinne aus Beteiligungsverkäufen auf Kapitalgesellschaftsebene steuerfrei mit den negativen Konsequenzen einer Steuerfreiheit, dass die häufig nicht unerheblichen Transaktionskosten nicht berücksichtigt werden können und auch für Verluste eine steuerliche Berücksichtigung ausgeschlossen ist.



Andererseits werden die auf Unternehmensebene temporär geschonten Veräußerungsgewinne im Falle der Ausschüttung der Beteiligungsgewinne wie auch im Falle der Auflösung und Ausschüttung der hinter den Beteiligungsgewinnen stehenden unversteuerten Wertzuwächse (ζ. B. stille Reserven) vollständig nachbesteuert.

9.1.3.2.5.5

Auswirkungen des Systemwechsels

Das geplante Verfahren hat den gravierenden Grundmangel, dass - ohne Not! - von einem kapitalmarktorientierten Besteuerungssystem auf ein Halb-Verfahren ohne erkennbar überzeugende Orientierung umgestellt wird. Neben den zu erwartenden und inzwischen eingetretenen Übergangsproblemen sind auch sachliche Denkfehler - etwa im Bereich der Berücksichtigung der privat getragenen Kosten - insbesondere von Finanzierungskosten - eingebaut. Vor allem fünf Auswirkungen erscheinen von Bedeutung: •

Veränderungen der Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften gegenüber dem geltenden Recht (sog „Gewinner-Verlierer-Bilanzen" bei Steuerreformen),



Einflüsse auf die Finanzierungspolitik der Unternehmen (sog Finanzierungs-Neutralität),



Einflüsse auf die Gewinnverwendungsentscheidungen (sog Gewinnverwendungs-Neutralität),



Wirkungen auf die strukturelle Flexibilität der Unternehmen und



Veränderungen der Steuerbelastung im Verhältnis zur Besteuerung von Personenunternehmen (sog Rechtsform-Neutralität).

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.3.3 9.1.3.3.1

799

Gewerbesteuer Überblick

Die Gewerbesteuer lässt sich durch folgende Merkmale kennzeichnen: (1)

Gewerbesteuerobjekt ist der Gewerbebetrieb im Inland.

(2)

Die Gewerbesteuer will als Realsteuer das Objekt Gewerbebetrieb im Inland in vollem Umfang steuerlich erfassen. Dabei sollen weder subjektive Elemente (ζ. B. Kapitalstruktur) die Gewerbesteuerlast vermindern, noch ausländische Komponenten einbezogen oder bereits durch Realsteuern (GewSt, GrSt) belastete Bestandteile nochmals durch eine weitere Realsteuer erfasst werden.

(3)

Diesem Zweck dienen die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen und Kürzungen, die gewährleisten sollen, dass c) die Art der Güterbeschaffung keine Auswirkung auf die Gewerbesteuer hat, d) keine Zweifachbelastung durch Realsteuern eintritt und e) ausländische Bemessungsgrundlagen nicht einbezogen werden.

(4)

Die mit den „Hinzurechnungen und Kürzungen" verfolgten Ziele werden nicht selten verfehlt. Ursache ist, dass derartige Hinzurechnungen und Kürzungen nicht selten inkonsistent vorgenommen werden und dann zu erheblichen Verzerrungen führen. Ein Musterbeispiel für steuerliche Verzerrungen bildet die Finanzierung von Unternehmen. Hier gelten folgende Regelungen: Finanzierungsbeschaffung Eigenkapital

kein Zinsabzug, daher: volle Belastung durch Gewerbesteuer Abb. 68: Gewerbesteuerbelastung

Fremdkapital langfristiges Fremdkapital (= Dauerschulden)

kurzfristiges Fremdkapital

Zinsabzug, aber hälftige Hinzurechnung daher: hälftige Belastung durch Gewerbesteuer

Zinsabzug und keine Hinzurechnung daher: keine Belastung durch Gewerbesteuer

von Eigen- und Fremdkapital

800

(5)

9 Besteuerung van Immobilien

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist seit dem 1.1.1998 nur der Gewerbeertrag, der aus dem Gewinn aus Gewerbebetrieb/ dem körperschaftsteuerpflichtigen Einkommen abzuleiten und ab VZ 2002 auf volle 50 € (bis VZ 2001 100 DM) nach unten abzurunden ist. Bis Ende 1997 war auch das aus dem Einheitswert des Betriebsvermögens abzuleitende Gewerbekapital zu berücksichtigen.

(6)

Durch Anwendimg der Steuermesszahlen • von 5 v. H. auf den Gewerbeertrag und •

(von 2 v. T. auf das Gewerbekapital)

erhält man die jeweiligen Steuermessbeträge, die zu einem einheitlichen Steuermessbetrag

zusammengefasst

und

ggf.

auf

die

verschiedenen

Bele-

genheitsgemeinden zerlegt werden. Für Gewerbebetriebe, die von natürlichen Personen oder Personengesellschaften betrieben werden, gilt ab Veranlagungsjahr 1993 unter Berücksichtigung des Freibetrags von 24.500 € (48.000 DM) eine gestaffelte Steuermesszahl für den Gewerbeertrag: für die ersten

12.000 € (24.000 DM):

1 v. H.

für die zweiten

12.000 € (24.000 DM):

2 v. H.

für die dritten

12.000 € (24.000 DM):

3 v. H.

für die vierten

12.000 € (24.000 DM):

4 v. H.

für übersteigende Bemessungsgrundlagen: Tab. 56: Steuermesszahlstaffelung

für

5 v. H.

Personenunternehmen

Die mit dem Stufengrenzsatz-Tarif verbundene Vorstellung einer mit steigendem Gewerbeertrag zunehmenden Leistungsfähigkeit ist mit dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer nicht vereinbar. (7)

Auf den einheitlichen - ggf. zerlegten - Steuermessbetrag wird der gemeindliche Hebesatz (2001: 330-490 v. H„ im Durchschnitt 2001 385 v. H.) angewendet, und man erhält die Gewerbesteuerschuld. Ab 2004 gilt ein Mindesthebesatz von 200 %.

(8)

Die Gewerbesteuerschuld ergibt sich als Produkt aus Bemessungsgrundlage χ Steuermesszahl χ Hebesatz. Nach dem allgemeinen Muster der Steuerschuldberechnung Bemessungsgrundlage χ Steuersatz = Steuerschuld könnte man damit das Produkt Steuermesszahl χ Hebesatz gleichsam als „Steuersatz" bezeichnen.

9 Besteuerung

von Immobilien

801

-'Steuersatz" Bemessungsgrundlage χ Meßzahl χ Hebesatz = Steuerschuld

Y

= Meßbetrag

'

Abb. 69: Ermittlung der Steuerschuld (9)

Die Gewerbesteuer ist bei ihrer eigenen Bemessungsgrundlage abziehbar. Die effektive Gewerbeertragsteuer-Belastung berechnet sich wegen der Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer bei sich selbst vereinfacht (ohne Berücksichtigung des Staffeltarifs bei PersG!) zu: GewESt = — · GewE l+s

(10) Die Gewerbesteuer ist auch im Rahmen der ESt/KSt als Betriebsausgabe abzugsfähig. (11) Die Gewerbekapitalsteuer war in den neuen Bundesländern bis einschließlich 1997 ausgesetzt. (12) Die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage „Gewerbeertrag" - bis 31.12.1997 auch „Gewerbekapital" - wird nach dem Schema in Abb. 70 ermittelt.

9.1.3.3.2

Gewerbesteueranrechnung bei der Einkommensteuer

Das im Jahr 2001 eingeführte Gewerbsteuer-Anrechnungsmodell für Personenunternehmen besteht darin, dass die betriebliche Gewerbesteuer in pauschaler Weise - nämlich in Höhe des 1,8-fachen des Gewerbesteuer-Messbetrags (§ 35 EStG) - auf die private Einkommensteuer angerechnet wird und zu einer Ermäßigimg der Einkommensteuer führt (vgl. Tab. 57). Bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 310 % (Nach der Begründimg des Referentenentwurfs des URefSenkG beträgt der „gewichtete durchschnittliche

Gewerbesteuer-

Hebesatz zur Zeit etwa 400 vom Hundert" (S. 136)) errechnet sich aus der Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer als Betriebsausgabe und aus der pauschalen Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer in Höhe des 1,8-fachen Gewerbesteuermessbetrags eine nahezu vollständige Eliminierung der Gewerbesteuerbelastung (ohne Solidaritäts-Zuschlag (SolZ)). Die Abb. 71 macht dies deutlich.

9 Besteuerung von Immobilien

802

Besteuerung nach dem Gewerbekapital (§§ 12 f GewStG) -bis VZ1997-

Besteuerung nach dem Gewerbeertrag (§§ 7 ff GewStG) Gewinn/Verlust

Einheitswert des Betriebsvermögens

* - Ausgangsgrößen

aus Gewerbebetrieb (EStG) oder Einkommen vor Verlustabzug (KStG) + Hinzurechnungen (insb)

* Hinzurechnungen (insb) • 50% der Dauerschulden abzgl Freibetrag 50.000 DM

• 50 % der Dauerschuldentgelte • 50 % der Miel-/ Pachtzinsen von nicht in Grund besitz bestehenden Anlagegütern (mit Ausnahmen!)

• Teilwert der gemieteten/gepachteten Νich t-Grundbes itz-Wirtschaftsgü ter (mit Ausnahmen!)

- Kürzungen (insb)

'

• Teilwert der vermieteten/verpachteten Wirtschaftsgüter

• Miet- und Pachtzinsen, soweit beim Pächter zugerechnet = (vorläufiger) Gewerbeertrag -

Kürzungen (insb) • Einheitswert des Grundbesitzes

• 1,2 % des Einheitswerts des Grundbesitzes

= (vorläufiges) Gewerbekapital

Gewerbeverlustabzug

- Freibetrag 24.500 €[48.000 DM] (nur Personenuntemehmen!)

- Freibetrag 120.000 DM

= Gewerbeertrag χ Steuermesszahl

»

Gewerbekapital χ Steuermesszahl 2 %·

3

Steuermessbetrag nach dem Gewerbekapital

1 - 5 % (EU, PersG) 5 % (KapG)

-

Steuermessbetrag nach dem Gewerbeertrag 1

1 einheitlicher Steuermessbetrag gg Í. Zerlegung auf Gemeinden χ Gemeinde-Hebesatz = Gewerbesteuerschuld

Abb. 70: Grundschema der

Gewerbesteuerermittlung Jahr 2001

m

Jahr 2005

Gewerblicher Gewinn (vor Steuern)

120

120

(2)

-

Gewerbeertragsteuer 16,67 % (400 % Hebesatz, ohne Freibetrag und Staffelungsregelung)

-20

-20

Ρ)

=

Gewerbliche Einkünfte

100

100

tarifliche Einkommensteuer

- 48,50

+

Steuerermäßigung nach § 35 EStG (1,8 χ 100 χ 5 %)

+ 9

Einkünfte nach Steuern

60,50

67

(7)

=

Steuerbelastung (absolut)

59,50

53

(8)

=

Steuersatz (bezogen auf 120)

(49,58 %)

(44,17 %)

(9)

=

Steuersatz (bezogen auf 100)

(59,50 %)

(53,00 %)

(4) (5) (6)

Tab. 57:

Spitzensteuerbelastung EStG (2001/2005)

eines Einzelunternehmens

-42 -39,50

+ 9

mit Steuerermäßigung

-33

nach § 35

9 Besteuerung von Immobilien

803

Mehr-/Minderbelastung (€)

6 000

200

Bruttogewinn ( T € )

250

P e r s o n e n u n t e m e h m e n ( E S t 2005, GewSt mit 3 0 0 % H e b e s a t z und p a u s c h a l e r A n r e c h n u n g ( 1 , 8 ) ) im Vergleich zur ESt —--•- P e r s o n e n u n t e m e h m e n (ESt 2 0 0 5 . GewSt mit 3 5 0 % H e b e s a t z und p a u s c h a l e r A n r e c h n u n g (1,8)) im Vergleich zur ESt P e r s o n e n u n t e m e h m e n (ESt 2005, GewSt mit 4 0 0 % H e b e s a t z und p a u s c h a l e r A n r e c h n u n g (1,8)) im Vergleich zur ESt P e r s o n e n u n t e m e h m e n ( E S t 2005, G e w S t mit 4 2 0 % H e b e s a t z und p a u s c h a l e r A n r e c h n u n g (1,8)) im Vergleich zur ESt P e r s o n e n u n t e m e h m e n (ESt 2 0 0 5 . GewSt mit 4 5 0 % H e b e s a t z und p a u s c h a l e r A n r e c h n u n g ( 1 , 8 ) ) im Vergleich zur ESt P e r s o n e n u n t e m e h m e n ( E S t 2005, GewSt mit 5 0 0 % H e b e s a t z und p a u s c h a l e r A n r e c h n u n g ( 1 , 8 ) ) im Vergleich zur ESt

Abb. 71: Mehr-/Minderbelastung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG bei gewerblichen nichtgewerblichen Einkünften (ESt-Tarif2005)

gegenüber

Es zeigt sich, dass abweichende Gewerbesteuerhebesätze allerdings bei Hebesätzen unter 310 % zu überhöhten und bei Hebesätzen über 310 % zu unzureichenden Steuerentlastungen führen. Die gewählte pragmatische Lösung offenbart bei näherer Betrachtung infolge ihrer technischen Umsetzung, die (1) die Existenz positiver gewerblicher Einkünfte und (2) das Bestehen einer tariflichen Einkommensteuerschuld voraussetzt, erhebliche Ungereimtheiten: •

Sind beide Voraussetzungen vollständig erfüllt, kann unabhängig von der Zahlung einer Gewerbesteuer unter Umständen - bei einem Hebesatz von null - eine Einkommensteuerermäßigung erlangt werden.



Sind die Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt, geht die Steuerermäßigung auch im Fall einer bezahlten Gewerbesteuer unter. Dies bedeutet, dass für Personenunternehmen künftig erhöhte Anforderungen an die Steuerbilanz- und Einkünfteermittlungspolitik gestellt werden in dem Sinne, dass unter allen Umständen positive gewerbliche Einkünfte und eine hinreichende Einkommensteuerschuld zum Ausweis kommen.

Für Personengesellschaften ist das Verfahren der Gewerbesteueranrechnung in der Weise durchzuführen, dass der Ermäßigungsbetrag nach § 35 EStG nach dem Verhältnis der Gewinnbeteiligung aufzuteilen ist:

804

9 Besteuerung von Immobilien

Gesellschafter Α, Β (1) (2)

(3)

=

Gewerblicher Gewinn AB (vor Steuern)

120

Gewerbeertragsteuer (16,67 %) (400 % Hebesatz, ohne Freibetrag und Staffelungsregelung)

-20

Gewerbliche Einkünfte gesamt

gewerbliche Einkünfte A (50 %)

Β (50 %)

(-10)

(-10)

100

• Geschäftsführergehalt A 60

- 60

60

• Gewinnanteile Α, Β

= 40

20

20

(4)

gewerbliche Einkünfte Α, Β

100

80

20

(5)

tarifliche Einkommensteuer 42 %

-42

-33,60

- 8,40

+9

+ 4,50

+ 4,50

40

(6)

+

Steuermäßigung nach § 35 EStG (1,8 χ GewSt - Messbetrag)

(7)

=

Einkünfte nach Steuern

+ 67,00

+ 50,90

+16,10

(8)

=

gesamte Steuerbelastung

-53,00

-39,10

- 13,90

(9)

=

Steuersatz (Basis 120/90/30)

Tab. 58:

Spitzensteuerbelastung EStG (2005)

(44,17 %)

einer Personengesellschaft

(43,44 %)

mit Steuerermäßigung

(46,33 %) nach § 35

Die gesetzlich umgesetzte Aufteilung nach dem Gewinnverteilungsschlüssel ist nicht ganz frei von Verzerrungen der Steuerbelastung der beteiligten Gesellschafter. Indes hätte die noch im Gesetzentwurf vorgesehene Aufteilungsregelung des Ermäßigungsbetrags im Verhältnis der gewerblichen Einkünfte (§ 35 EStG-E) zu mitunter schwer verständlichen Ergebnissen geführt: Gesellschafter Α, Β (1)

Gewerblicher Gewinn AB (vor Steuern)

120

(2)

Gewerbeertragsteuer (16,67 %) (400 % Hebesatz, ohne Freibetrag und Staffelungsregelung)

-20

(3)

=

(4)

A

gewerbliche Einkünfte Β

(-10)

(-10)

Gewerbliche Einkünfte gesamt

100

• Geschäftsführergehalt A 60

- 60

60

• Gewinnanteile Α, Β 40

= 40

20

20

gewerbliche Einkünfte Α, Β

100

80

20

tarifliche Einkommensteuer 42 %

-42

- 33,60

-8,40

(6)

+

Steuermäßigung nach § 35 EStG-E - modifizierte Version 1,8 -

+9

+ 7,20

+ 1,80

(7)

=

Einkünfte nach Steuern

+ 67,00

+ 53,60

+13,40

(8)

=

gesamte Steuerbelastung

-53,00

- 36,40

(9)

=

Steuersatz (Basis 120/90/30)

(44,17 %)

(40,44 %)

(5)

Tab. 59:

Spitzensteuerbelastung EStG-E

einer Personengesellschaft

mit Steuerermäßigung

16,40 (55,33 %) nach § 35

9 Besteuerung von Immobilien

805

Unschwer ist zu erkennen, dass diese Aufteilung des Ermäßigungsbetrags nach dem Verhältnis der gewerblichen Einkünfte zu gravierenden Verzerrungen und abwegigen Aufteilungen führen würde: Da die Gewerbeertragsteuer zu Lasten des Gewinns verbucht wird und daher von beiden Gesellschaftern entsprechend ihrem Gewinnverteilungsschlüssel getragen wird, muss auch der Ermäßigungsbetrag nach dem Gewinnverteilungsschlüssel verteilt werden. 9.1.3.3.3

Kritik an der Gewerbesteuer

Die Kritik an der Gewerbesteuer richtet sich insbesondere auf folgende Punkte: •

Sonderbelastung für gewerbliche Unternehmen,



Äquivalenzgedanke umstritten,



Abgrenzung der Gewerblichkeit umstritten,



Substanzsteuercharakter der früheren Gewerbekapitalsteuer (bis 1997) und - partiell auch der Gewerbeertragsteuer,



Verzerrungswirkungen der Gewerbesteuer (ζ. B. Finanzierungsentscheidungen, Rechtsformentscheidungen!) und



Ursache zahlreicher Sondergestaltungen und Rechtsstreitigkeiten.

9.1.3.4 9.1.3.4.1

Einfluss der Ertragsteuern auf Unternehmensentscheidungen Finanzierungsentscheidungen

Der verzerrende Einfluss der Gewerbesteuer auf die Finanzierungsentscheidung ist in Tab. 60 kurz dargestellt. 9.1.3.4.2

Rechtsformentscheidungen

Als vorrangiges Ziel der Unternehmenssteuerreform 1999/2000/2002 wurde auch die Rechtsformneutralität dargestellt. Es liegt auf der Hand, dass dieses Ziel mit der Anwendung des Körperschaftsteuersystems auf Personenunternehmen - dem „Optionsmodell".- hätte gleichsam automatisch erreicht werden können. Für das „Anrechnungsmodell" (Teilanrechnung der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer) wird dieses Ziel allerdings aus mehreren Gründen klar verfehlt.

806

9 Besteuerung von

Immobilien

Finanzierungsvarianten

100% EK GK-Gewirm FK-Zinsen EK-Gewinn

(3)

(2)

(1)

50% EK 50% FK (DS)

500

FK

500

W

100% FK (DS)

FK

500

0

-200

+500

+300

+200

+100

100 FK

FK

500

-400

+400

-too

+400

+100

gewerbesteuerliche Hinzurechnung 0

(+100)

(+200)

Gewerbeertrag

+500

(+400)

(+300)

GewESt (20 % h=500)

-100

-80

-60

-20

Gewinn (nach GewESt) (Einkommen)

+400

+220

40

(80)

KSt (25 %)

-100

-55

-10

-20

Gewinn nach KSt (Thesaurierung)

+300

+165

Ausschüttung

+300

+165

• 50 % FK (DS)-Zinsen =

=

=

=

-

(+200)

0 -

(+400)

+30 +30

-

+60

(+400)

+60

+200

Zinsen

(+100)

+400

+400

ESt • Halbeinkünfte (50 %)

-75

-41,25

• Zinsen 1

=

-7,50 -100

Einkommen nach ESt

+225

Summe Nettoeinkommen

+225

+123,7 5

+100

-15 -200

+22,50

+223,75

+200

-200 +200

+45

+222,50

245

Tab. 60: Steuerbelastung alternativer Finanzierungsformen bei einer KapG EK Eigenkapital GK Gesamtkapital FK Fremdkapital DS (gewerbesteuerliche) Dauerschulden Das „Anrechnungsmodell" stellt im Kern eine Fortführung der bisherigen Besteuerungsregeln der Personenunternehmen dar, die um die „Anrechnimg" der Gewerbeertragsteuer durch eine pauschale Ermäßigung der Einkommensteuer modifiziert sind. Im alten Recht bis 2000 bestanden zwischen der Besteuerung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften erhebliche Besteuerungsunterschiede, die im Wesentlichen auf folgende drei Ursachen zurückgingen: (1)

Unterschiede in der steuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen Eigentümern und Unternehmen,

(2)

unterschiedliche Berücksichtigung von Verlusten und

(3)

Unterschiede im Steuersatz von Interims-Körperschaftsteuer und Einkommensteuer.

9 Besteuerung von Immobilien

807

In diesen drei Punkten führt das neue Recht ab 2001 zu keiner Verbesserung, vielmehr werden die bestehenden Gräben eher noch vertieft: •

Die Anerkennung von Verträgen zwischen Unternehmen und ihren Eigentümern ist nach wie vor nur zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern möglich. Der im „Optionsmodell" für Personenunternehmen aufgezeigte Weg, zwischen Unternehmen und ihren Eigentümern grundsätzlich Verträge auf angemessener Basis und damit „Vertragsausschüttungen" zuzulassen oder gegebenenfalls steuerrechtlich zu fingieren, wurde im Anrechnungsmodell nicht genutzt. Damit verbleibt es beim bisherigen Zustand, dass Kapitalgesellschaften durch Vertragsgestaltungen mit ihren Gesellschaftern über ein erhebliches Steuergestaltungspotenzial verfügen, das Personenunternehmen vorenthalten bleibt. Dieses Gestaltungspotenzial beruht im wesentlichen auf dem Dualismus der Einkünfteermittlung, der als Dreh- und Angelpunkt schlechthin für steuerliche Gestaltungen gesehen werden kann. Hieraus resultieren erhebliche Steuerlastunterschiede zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften.



Im Bereich der Verlustberücksichtigung weist die Kapitalgesellschaft wegen des angewandten Trennprinzips gegenüber dem Personenunternehmen mit dessen Integrationsprinzip erhebliche Nachteile auf. Angesichts des bestehenden Trends, die Verlustberücksichtigung immer weiter einzuschränken, ist nicht damit zu rechnen, dass dieser im Sonderfall von Verlusten bestehende Nachteil der Kapitalgesellschaft in absehbarer Zeit beseitigt werden wird. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass dieser Nachteil

im

wesentlich

„nur"

die

mittelständischen

„Stand-Alone-

Kapitalgesellschaften" betrifft, während im Konzernverbund reichhaltige Möglichkeiten zur Verlustkompensation bestehen. •

Vom technischen System der Unternehmensbesteuerung her war die Besteuerimg der Kapitalgesellschaften

nach

dem

Vollanrechnungsverfahren

eine

Interims-

besteuerung, die im Vorgriff auf die spätere Einkommensbesteuerung durchgeführt wurde. Eine solche Interimsbesteuerung ist aus Sicherungsgründen und vor allem deshalb erforderlich, um die steuerliche Belastungsgleichstellung zum Personenunternehmen mit seinem integrativen Besteuerungssystem zu gewährleisten, da ohne Körperschaftsteuer auf Kapitalgesellschaftsebene eine steuerfreie Kapitalbildung möglich gewesen wäre. Solange diese Interimsbesteuerung auf der Höhe des Spitzensatzes der Einkommensteuer erfolgte, war damit zumindest keine Bevorzugung der Kapitalgesellschaft im Thesaurierungsbereich verbunden. Die seit 1990 zu beobachtende Absenkimg der Thesaurierungssätze bei Aufrechterhaltung oder geringerer Absenkung der Ein-

808

9 Besteuerung von Immobilien

kommensteuersätze führte zu einer zunehmenden Tarifspreizung, die schon in der Vergangenheit eine gewisse Bevorzugung der Gewinnthesaurierung auf Kapitalgesellschaftsebene bedeutete: Vollanrechnungssystem

Klass. System 1976 Körperschaftsteuer mit Gewerbesteuer

Tab. 61:

1990

1994

1999

2000

2001

2005

Thesaurierung % 40

% 40

%

25

59,15 %

63,34 % 58,34 % 54,17% 50

% 50

%

37,50 %

23,44 %

36

% 30

% 25

• KSt + GewESt

36,20 %

46,67 % 46,67 % 41,67 % 41,67 % 41,67 % 37,50 %

• ESt

56

• KSt

51

• KSt + GewESt

%

56

% 45

% 50

%

25

%

37,50 %

Ausschüttung • KSt

Einkommensteuer mit Gewerbesteuer

1977

Halbeinkünftesystem

. ESt* (mit

%

-

% 30

% 36

56 % -

53

%

-

53 % 47

% 30

%

53

% 51

% 48,50 %

% 45

% 43

%

25

%

37,50 % 42

%

-

-

49,58 %

44,17 %

Kappung) • ESt + GewESt

63,34 %

63,34 % 60,83 % 55,83 % 54,17 % 52,50 %

Entwicklung der Körperschaftsteuersätze und Tarifspreizung (Gewerbesteuerhebesatz 400 %)

Das neue Recht vollzog mit dem Halbeinkünfteverfahren nun insoweit eine völlige Kehrtwende, als einbehaltene Gewinne einem definitiven niedrigen Körperschaftsteuersatz unterliegen und Ausschüttungen mit einer zusätzlichen Ausschüttungssteuer belegt werden. Aufgrund dieser Strafsteuer ist davon auszugehen, dass Ausschüttungen künftig nach Möglichkeit vermieden werden und mit einer stärkeren Thesaurierung auf Kapitalgesellschaftsebene zu rechnen ist. Vor dem Hintergrund der im Jahr 2001 geltenden Tarife zeigt sich bei einem direkten Vergleich

von

Personenunternehmen

und

Kapitalgesellschaft

für

den

Thesau-

rierungsfall, dass wegen des Grundfreibetrags und der niedrigen Anfangsprogression in der Einkommensteuer Personenunternehmen steuerlich günstiger behandelt werden als Kapitalgesellschaften.

9 Besteuerung von Immobilien

809

Verbleibende Gewinndflerenz nach Steuern

Bruttojeninn (TE ) Abb. 72: Gewinne nach Steuern Geht man aber davon aus, dass der progressive Einkommensteuerbereich vielfach bereits durch andere, nicht gewerbliche Einkünfte genutzt wird, dann stellen sich thesaurierende Kapitalgesellschaften wegen der Tarifspreizung im Gewinnfall tarifmäßig stets günstiger als Personenunternehmen. Soweit Verluste nicht durch Gestaltungen auf Unternehmensebene ausgeglichen werden können, weist das Personenunternehmen aufgrund der (begrenzten) innerperiodischen Verlustkompensation mit anderen Einkünften steuerliche Vorzüge auf. Im Ausschüttungsfall verbleibt es bei Personenunternehmen beim kombinierten, ermäßigten Einkommen-Gewerbesteuertarif, während bei Kapitalgesellschaften für Gewinnausschüttungen eine zusätzliche Ausschüttungssteuer anfällt. Insgesamt ergeben sich für Ausschüttungen erhebliche Zusatzbelastungen, die in der Spitze die Höchstbelastung der Personenunternehmen übersteigen können. Die Spreizung der Steuersätze kann damit aktuell als ein weiteres konstitutives Element für die Besteuerungsunterschiede von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften gesehen werden. Ob diese Spreizung einen Druck auf die Senkung der Steuersätze für Personengesellschaften oder auf die Anhebung des Körperschaftsteuersatzes ausübt, wird die künftige Entwicklung weisen.

810

9 Besteuerung ι>οη Immobilien

Grenzsteuersatz

Bruttogewinn (T€) Kapitalgesellschaft bei Thesaurierung(25% K S t , GewSt mit 4 0 0 % Hebesatz) Kapitalgesellschaft bei Gewinnausschüttung ohne Propessionsvortwhalt ( 2 3 % K S t , GewSl mit 4 0 0 % Hebesalz, ESt 2005 Personenuntemehmen ( E S 2005, otate G e w S t ) Personenunternehmen (ESt 200S, GewSt mit 4 0 0 % Hebesalz und pauschaler Anrechungl 1.8))

Abb. 73: Vergleich der Steuerbelastung bei PersU und KapG (2005)

Angesichts der schon beschlossenen Tarifänderungen für die Jahre 2004 (Die ursprünglich bereits für VZ 2003 vorgesehene Tarifsenkung auf 47 % wurde durch das Flutopfersolidaritätsgesetz v. 19.9.2002 auf VZ 2004 verschoben.) und 2005 (Einkommensteuerspitzensatz 47 % und 42 %) sind Belastungsänderungen im Rahmen der Rechtsformwahl bereits absehbar (vgl. Tab. 62). Nichtgewerbliche Personenunternehmen

1.

Einkommen-steuer (ESt)

2.

Körperschaftsteuer (KSt) • Thesaurierung • Ausschüttung mit max. ESt

3.

Kombinierte Steuersätze2)

3.1

ESt/GewEStf>> mit Anrechnung

Gewerbliche Personenunternehmen

2001

2005

2001

2005

48,50 %

42 %

48,50 %

42 %

(Gewerbliche) Kapitalgesellschaften 2001

2005 —





25 %

25 %





43,19 %

40,75 %

49,58 %

44,17 %



9 Besteuerung von Immobilien

3.2

811

KSt/GewESt

• Thesaurierung • Ausschüttung mit max. ESt



17,50 %

37,50 %



52,66 %

50,62 %

Tab. 62: Steuerlastunterschiede zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften a) Der Hebesatz für die Gewerbeertragsteuer (GewESt) beträgt 400 % b) Für die Ermittlung der kombinierten Steuersätze wurde Oereinfachend von der Übereinstimmung von Gewinn und Gewerbeertrag ausgegangen. Bei einem (statischen) Steuerbelastungsvergleich zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften zeigt sich folgendes Bild: Grundstruktur der Unternehmensbesteuerung nach Rechtsformen 1 Personenunternehmen (Transparenzprinzip) 1 ohne GewSt

1

1 Kapitalgesellschaften (Trennprinzip)

(3)

1

(1)

mit GewSt bis VZ 2001 (2)

(1)

(2)

(3)

I. Unternehmensebene Gewinn

120

120

120

-

-20

-20

+ 100

+ 100

./. GewSt (h=400%) =

Gewinn nach GewSt

./.

KSt25%

=

Gewinn nach KSt

+ 120

25 Gewinn-

II. Eigentümerebene Einkünfte ./. ESt 42% (43%) +

GewStAnrechnung

=

Einkünfte nach Steuern

1r

1r

+ 120 - 50,40 -

+ 100 -42 +9

Ausschüttung

75 I ψ + 75 -15,75

-33



bei ESt 42 %

+ 69,60

+ 67

59,25



bei ESt 4 5 %

+ 66

+ 64

58,13



bei ESt 5 0 %

+ 60

+ 59

+ 56,25

Tab. 63: Grundstrukturen der Unternehmensbesteuerung (Spitzensteuersatz) (1) Personenunternehmen ohne Gewerbesteuer (2) Personenunternehmen mit Gewerbesteuer und -anrechnung (ab VZ 2001) (3) Kapitalgesellschaften (ab VZ 2001)

812

9 Besteuerung von Immobilien

Die Gewerbesteuer wird bestimmt durch den Gewerbeertrag, die Messzahl (5 %) und den Hebesatz (ζ. B. 500 %). Das Produkt aus Gewerbeertrag und Messzahl heißt Messbetrag. Die Gewerbesteueranrechnung der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer erfolgt seit 2001 pauschal in Höhe des 1,8-fachen des Gewerbesteuermessbetrags (ζ. B. 1,8 χ (100 χ 5 %) = 9). Der

steuerliche

Vorteilsvergleich

zwischen

Personenunternehmen

und

Kapital-

gesellschaft wird zusätzlich modifiziert durch die - derzeit nur bei Kapitalgesellschaften bestehende - Möglichkeit, steuerlich anerkannt Verträge mit angemessener Vergütung zwischen Gesellschaftern

und ihrer Gesellschaft zu schließen. Diese Vertrags-

beziehungen können zu einer Verlagerung der Einkünfte auf andere Einkunftsarten eingesetzt werden und bieten auch die Chance für „deferred payments" (zeitlich aufgeschobene Vergütungen). Beispiel: Die steuerlichen Auswirkungen lassen sich an einem vereinfachten Modellbeispiel - Ausgangsgewinn 120, gemeindlicher Gewerbesteuerhebesatz von 400 %, Vertragsvergütung Geschäftsführergehalt 90 und persönlicher Einkommensteuersatz 50 % - anschaulich darstellen: Personenunternehmen ohne mit GewSt GewSt + 120 + 120

Erfolg vor GewSt ./. Vertragsvergütungen Erfolg nach Vertragsvergütungen ./.GewSt 16,6% = Erfolg nach GewSt + 120 ./. KSt25% = Erfolg nach GewSt/KSt = Einkommen + 120 ./. ESt42% - 50,40 -42 + GewSt-Anrechnung +9 = Einkommen nach Steuern • bei ESt 42% (2005) + 69,60

-20 + 100

+ 100 -33

Kapitalgesellschaften ohne mit Vertragsbeziehungen Vertragsbeziehungen + 120 120 0 + 120 -20 + 100 -25 75 + 75 -15,75

+ 30 -5 + 25 -6,25 18,75 + 18,75 L ». -3,94

+90 - 37,80

+ 52,20 ' S

+ 67

+ 59,25

+14,81

• bei ESt45% (2004)

66

64

58,13

^ 14,53

67,01 1

49,50

• bei ESt 50%

60

59

56,25

14,06

64,03 1

45

59,06

Tab. 64: Steuerbelastung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.4

813

Grundzüge weiterer ausgewählter Steuerarten

9.1.4.1 9.1.4.1.1

Bewertungsgesetz Aufbau und Geltungsbereich

Als steuerliches „Rahmengesetz für die Bewertung" diente das Bewertungsgesetz (BewG) ursprünglich wohl dem Zweck, den Wert unterschiedlicher Güter für möglichst viele Steuerarten nach einheitlichen Maßstäben zu bestimmen. Da das Einkommensteuerrecht frühzeitig eigene Bewertungsmaßstäbe normierte, beschränkte sich der Geltungsbereich des Bewertungsgesetzes vor allem auf die sog. Substanzsteuern. Auch dort ist die Allgemeinverbindlichkeit für mehrere Steuerarten dadurch zunehmend verloren gegangen, dass manche Steuerarten abgeschafft wurden oder nicht mehr erhoben werden und dass für andere Steuerarten aus verfassungsrechtlichen Erwägungen eine neuartige Bewertung eingeführt werden musste. Aufbau und Geltungsbereich des derzeit geltenden Bewertungsgesetzes werden durch die Abb. 74 verdeutlicht.

9.1.4.1.2

Verfassungsrechtliche Vorgaben

Traditionell werden die Vermögensteuer und die Grundsteuer (sowie die Gewerbekapitalsteuer) als Substanzsteuern bezeichnet, obwohl sie historisch Vorläufer der allgemeinen Einkommensteuer waren und als Sollertragsteuern ausgeprägt waren. Gemeinsam ist diesen Steuerarten, dass sie bislang für die Besteuerung von Immobilien auf einen einheitlichen Steuerwert, den sog. Einheitswert, zurückgreifen. Der Einheitswert ist nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes für den Grundbesitz in Zeitabständen von 6 Jahren allgemein festzustellen (§ 21 BewG). Die letzte Hauptfeststellung wurde allerdings zum 01.01.1964 durchgeführt mit der Folge, dass die geltenden Einheitswerte nur noch wenig Realitätsbezug aufweisen.

814

9 Besteuerung von Immobilien

Aufbau und Geltungsbereich des Bewertungsgesetzes

Erster Teil §§ 1-16

Zweiter Teil

Dritter Teil

§§ 17-150

§§ 151-152

Allgemeine Bewertungsvorschriften

Besondere Bewertungsvorschriften

Schlussbestimmungen

1. Abschnitt Einheitsbewertung

2. Abschnitt Sondervorschriften und Ermächtigungen

3. Abschnitt Vorschriften für die Bewertung von Vermögen in dem in

4. Abschnitt Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz

Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiete Alle Vermögensarten

A. Allgemeines B . Land-und forstwirtschaftliches Vermögen C. Grundvermögen D. Betriebsvermögen

alle Steuerarten, soweit - der Zweite Teil des BewG oder - Einzelsteuergesetze keine Sonderregelungen enthalten

(- VSt) -GrSt -GewSt - GrESt - ErbSt

A. Land-und forstwirtschaftliches Vermögen B . Grundvermögen C. Betriebsvermögen

A. Allgemeines B . Land- und forstwirtschaftliches Vermögen C. Grundvermögen

(- VSt) - GewSt

-GrSt -GewSt

- ErbStG

- ErbSt - GrESt

Abb. 74: Aufbau und Geltungsbereich des Bewertungsgesetzes

Wegen der lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkte liegen die steuerrechtlichen Einheitswerte weit unter den Verkehrswerten (vgl. Tab. 65). Das Missverhältnis der steuerlichen Werte für Nominalvermögen einerseits und Grundbesitz andererseits hat im Bereich der Substanzsteuern und insbesondere der Vermögensbesteuerung

und

der

Erbschaftsbesteuerung

sungsbeschwerden geführt (vgl. Tab. 66).

immer

wieder

zu

Verfas-

9 Besteuerung von Immobilien

815

Verhältnis von Einheitswerten zu Verkehrswerten Troll (1986) in: Blick durch die Wirtschaft Nr. 189 v. 2.10.1986, S. 4 f. 1. Land- und Forstwirtschaft - Landwirtschaft - Intensivkulturen - Forstwirtschaft

1,5 % 15% 0,4 %

(keine Angabe) (keine Angabe) (keine Angabe)

5%

8,95 %

(keine Angabe)

12,68 % 12,49 %

2. Unbebaute Grundstücke 3. Im Ertragswertverfahren bewertete Grundstücke - Eigentumswohnungen - Einfamilienhäuser - Altbauten - Nachkriegsbauten - Zweifamilienhäuser - Altbauten - Nachkriegsbauten - Mietwohngrundstücke - Altbauten - Nachkriegsbauten - Geschäftsgrundstücke - Mischgrundstücke - < 50 % betriebliche Nutzung - > 50 % betriebliche Nutzung 4. Im Sachwertverfahren bewertete Grundstücke - Eigentumswohnungen - Einfamilienhäuser - Zweifamilienhäuser - Mietwohngrundstücke - Geschäftsgrundstücke - Mischgrundstücke - < 50 % betriebliche Nutzimg - > 50 % betriebliche Nutzung

Kaufpreisuntersuchung der Bundesregierung (1992) in: Jakob, Rechtsgutachten 1992, S. 65

15% 20 % 15% 20%

11,67 %

11,50 %

15% 20% 25%

15,23 %

(keine Angabe) (keine Angabe)

13,11 % 14,83 %

(keine Angabe) 30% 30% (keine Angabe) 30%

13,21 20,58 25,51 15,56 20,60

(keine Angabe) (keine Angabe)

16,81 % 19,01 %

% % % % %

Tab. 65: Verhältnis von Einheitswert und Verkehrswert

Die unrealistischen Einheitswerte führten mit dem Vermögen- und dem Erbschaftsteuerbeschluss des Bundesverfassungsgericht jeweils vom 22. Juni 1995 zu zwei richtunggebenden Entscheidungen: •

Der Vermögensteuer-Beschluss 1995 hat den derzeitigen Zustand der „Nichterhebung der Vermögensteuer" ausgelöst.



Der Erbschaftsteuer-Beschluss 1995 hat zu tiefgreifenden Bewertungsänderungen für Grundbesitz im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer geführt.

816

9 Besteuerung von Immobilien

Nominalguter

Grundbesitz -alt-

Grundsteuer

Vermögensteiler

gemeiner Wert • Nennwert • Barwert • Kurswert • Schätzverfahren (z. B.j "Stuttgarter Verfahren"

Erbschaft- und Schenkungsteuer

gemeiner Wert • Nennwert • Barwert • Kurswert • Schätzverfahren (ζ. B.) "Stuttgarter Verfahren"

-neu-

gemeiner Wert ermittelt mit Schätzoerfahren • Ertragswertverfahren • Sachwertverfahren = Einheitswerte 1964

gemeiner Wert mit Schätzverfahren ermittelt • Ertragswertverfahren • Sachwertverfahren = Einheitswerte 1964

gemeiner Wert ermittelt mit Schätzverfahren • Ertragswertverfahren • Sachwertuerfahren - Einheitswerte 1964 χ 1.4

nicht mehr erhoben ab 1.1.1997

gemeiner Wert ermittelt mit Schätzverfahren • Ertragswertverfahren • Sachwertverfahren = Einheitswert 1964 χ 1,4

Bedarfsbewertung mit vereinfachter Ertragswertermittlung

Tab. 66: Bemessungsgrundlagen fiir Substanzsteuern Die beiden Beschlüsse werden wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung nachfolgend wiedergegeben: „Vermögensteuer-Beschluss" 1.

Bestimmt der Gesetzgeber für das gesamte steuerpflichtige Vermögen einen einheitlichen Steuersatz, so kann eine gleichmäßige Besteuerung nur in den Bemessungsgrundlagen der je für sich zu bewertenden wirtschaftlichen Einheiten gesichert werden. Die Bemessungsgrundlage muss deshalb auf die Ertragsfähigkeit der wirtschaftlichen Einheiten sachgerecht bezogen sein und deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden.

2.

Die verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung des Vermögens durch Einkommen· und Vermögensteuer begrenzen den steuerlichen Zugriff auf die Ertragsfähigkeit des Vermögens. An dieser Grenze der Gesamtbelastung des Vermögens haben sich die gleichheitsrechtlich gebotenen Differenzierungen auszurichten.

3.

Die Vermögensteuer darf zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt.

9 Besteuerung von Immobilien

4.

817

Unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung des Vermögens muss der Steuergesetzgeber jedenfalls die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung gegen eine Sollertragsteuer abschirmen.

5.

Soweit Vermögensteuerpflichtige sich innerhalb ihrer Ehe oder Familie auf eine gemeinsame - erhöhte - ökonomische Grundlage individueller Lebensgestaltung einrichten durften, gebietet der Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG, dass der Vermögensteuergesetzgeber die Kontinuität dieses Ehe- und Familiengutes achtet. (BVerfG v. 22.Juni 1995 - 2 BvL 37/91 - BStBl. 1995 II 655)

„Erbschaftsteuer-Beschluss" 1.

Entscheidet sich der Gesetzgeber bei der Erbschaftsteuer für eine gesonderte Bewertimg der zu besteuernden Güter, so muss er die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig umsetzen und die Steuerpflichtigen - ungeachtet verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen - gleichmäßig belasten.

2.

Der Spielraum für den steuerlichen Zugriff auf den Erwerb von Todes wegen findet seine Grenze dort, wo die Steuerpflicht den Erwerber übermäßig belastet und die ihm zugewachsenen Vermögenswerte grundlegend beeinträchtigt.

3.

Die Ausgestaltung und Bemessung der Erbschaftsteuer muss den grundlegenden Gehalt der Erbrechtsgarantie wahren, zu dem die Testierfreiheit und das Prinzip des Verwandtenerbrechts gehören; sie darf Sinn und Funktion des Erbrechts als Rechtseinrichtung und Individualgrundrecht nicht zunichte oder wertlos machen. (BVerfG v. 22.6.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. 1995 II 671)

9.1.4.1.3

Differenzierte Wertermittlung nach Vermögensarten

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts führten zu einer Änderung des Bewertungsgesetzes. Das Bewertungsgesetz unterscheidet in seiner Neufassung drei Vermögensarten (§ 18 BewG), für die mit unterschiedlichen Wertmaßstäben jeweils ein Gesamtwert, der sog. Einheitswert, zu ermitteln ist (vgl. Tab. 67). Der Einheitswert ist kein eigenständiger Wertmaßstab, sondern ein für eine wirtschaftliche Einheit für mehrere Steuerarten und ggf. mehrere Steuerpflichtige einheitlich geltender technischer Gesamtwert. Die zur Ermittlung des Einheitswerts anzuwendenden Wertmaßstäbe sind der Ertragswert, der gemeine Wert und die Steuerbilanzwerte.

818

9 Besteuerung von Immobilien

Vermögensart

zu ermittelnder Gesamtwert

anzuwendende Wertart

(1)

Land- und forstwirtschaftliches Vermögen (§§ 33 bis 67, § 31 BewG)

Einheitswert

Ertragswert

(2)

Grundvermögen (§§ 68 bis 94, § 31 BewG)

Einheitswert

gemeiner Wert ermittelt z. Zt. im • Ertragswertverfahren • Sachwertverfahren

(3)

Betriebsvermögen (§§ 95 bis 109, § 31 BewG)

Einheitswert

Steuerbilanzwert und andere Wertmaßstäbe

Tab. 67: Einheitswertermittlung bei verschiedenen Vermögensarten Das land- und forstwirtschaftliche Vermögen umfasst alle Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind. Die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist der Betrieb der Landund Forstwirtschaft (§ 33 BewG). Zum Grundvermögen gehören nach § 68 I BewG (1)

der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör,

(2)

das Erbbaurecht,

(3)

das Wohnungseigentum, Teileigentum sowie das Wohnungserbbaurecht und Teilerbbaurecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz,

soweit es sich nicht um land- und forstwirtschaftliches Vermögen (§ 33 BewG) oder um Betriebsvermögen (§ 99 BewG) handelt. Jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens bildet ein Grundstück i. S. d. BewG (§ 701 BewG). Das Betriebsvermögen umfasst alle Teile eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 15 I und II des EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören (§ 951 BewG). Die Ermittlung der Einheitswerte für bebaute Grundstücke - geregelt in §§ 74-94 BewG erfolgt je nach Grundstücksart nach zwei unterschiedlichen Verfahren, dem Ertragswertverfahren und dem Sachwertverfahren.

9 Besteuerung von Immobilien

Nach dem Ertragswertverfahren ergibt sich folgende Vorgehensweise: Jahresrohmiete (§ 79 BewG)

Vervielfältiger (§ 80 BewG)

(1) Vermietete Wohnungen (§ 791 BewG): Tatsächliche Jahresmiete (Wertverhältnisse 1.1.1964) + Umlagen/Gebühren/Sonstige Leistungen = Zwischensumme + Zuschlag für Schönheitsreparaturen 3-5 % (Abschn. 22 I BewR Gr) = Zwischensumme + Zuschlag bei GrSt-Vergünstigung 12 % (§ 79 III BewG) = Summe Vergleich mit üblicher Miete (§ 79 II Nr. 2 BewG) = Maßgebende Jahresrohmiete (2) Eigengenutzte, ungenutzte, zu vorübergehendem Gebrauch unentgeltlich oder verbilligt Uberlassene Wohnungen (§ 79 II Nr. 1 BewG) Übliche Miete (Wertverhältnisse 1.1.1964)

(1) Regelmäßiger Vervielfältiger (§ 801, Anlagen 3 - 8 BewG) bestimmt durch • Grundstücksart • Bauart und Bauausführung • Baujahr • Einwohnerzahl der Lagegemeinde (im Zeitpunkt 1.1.1964) (2) Abweichende Vervielfältiger • besondere wirtschaftliche Verhältnisse der Gemeinde (§ 80 II BewG) • wesentliche Verlängerung oder Verkürzung der Lebensdauer des Gebäudes (§ 80 III BewG) • Gebäude oder Gebäudeteilen verschiedener Bauart oder verschiedenen Alters (§ 80IV BewG)

Jahresrohmiete χ Vervielfältiger = ±

Grundstückswert vor Korrekturen Ermäßigung oder Erhöhung bei außergewöhnliche GrSt-Belastung bis 10 % (§ 81 BewG)

= ±

Zwischenwert Ermäßigung oder Erhöhung in Einzelfällen (§ 82 BewG) ζ. T. begrenzt auf 30 % des Zwischenwerts - Ermäßigung wegen • Beeinträchtigung durch Lärm, Rauch, Gerüche • Baumängel und Bauschäden • Notwendigkeit baldigen Abbruchs + Erhöhung wegen • übergroßer nichtbebauter Fläche • Nutzung zu Reklamezwecken

=

Grundstückswert Abrundung auf volle 100 DM (§ 30 Nr. 1 BewG) Einheitswert Vergleich mit Mindestwert (§ 77 BewG)

=

Abb. 75: Einheitswertermittlung

im Ertragswertverfahren (§§ 78-82 BewG)

819

820

9 Besteuerung von Immobilien

Nach dem Sachwertverfahren ist wie folgt vorzugehen: Gebäudewert (§ 85-88 BewG)

Bodenwert unbebaut (§ 84 BewG)

χ

m^-Preis (Wertverhältnisse 1.1.1964) Fläche Bodenwert

Wert der Außenanlagen (§ 88 BewG)

m 3 -Preis (Wertverhältnisse 1.1.1964) Raummeter = -

= ±

m^-Preis / Preis je lfd Meter (Anlage 17 BewR Gr) m 2 / l f d Meter

Normalherstellungswert des Gebäudes Abschläge wegen (§§ 86,87 BewG) • Alters (falls vor 1964 gebaut) • Baumängeln • Schäden Sachwert des Gebäudes Ermäßigungen oder Erhöhungen in Einzelfällen (§ 88 BewG)

= -

= ±

- Ermäßigungen wegen • Lage des Grundstücks • unorganischem Aufbau • wirtschaf tlicher Überalterung + Erhöhimg wegen Nutzung zu Reklamezwecken =

Wert des Gebäudes

Normalherstellungswert der Außenanlagen Abschläge wegen (§§ 89 i. V. m. 86,87 BewG) • Alters • Baumängeln • Schäden Sachwert der Außenanlage Ermäßigungen oder Erhöhungen in Einzelfällen (§ 88 BewG) - Ermäßigungen wegen • Lage des Grundstücks • unorganischem Aufbau • wirtschaftlicher Überalterung + Erhöhung wegen Nutzung zu Reklamezwecken

=

Wert der Außenanlagen

Τ

Bodenwert Wert des Gebäudes Wert der Außenanlagen Ausgangswert Angleichung an den gemeinen Wert durch Anwendimg von Wertzahlen (§ 90 BewG) (Minderung des Ausgangswerts um 15-50 %) Grundstückswert Abrundung auf volle 100 DM (§ 30 Nr. 1 BewG) Einheitswert Vergleich mit Mindestwert (§ 77 BewG)

Abb. 76: Einheitswertermittlung

im Sachwertverfahren

(§§ 83-90 BeivG)

Im Regelfall dürfte das Sachwertverfahren im Vergleich zum Ertragswertverfahren zu höheren Einheitswerten führen. Die Einheitswerte für den Grundbesitz sind in Zeitabständen von je sechs Jahren im Rahmen einer Hauptfeststellung allgemein festzustellen (§ 21 BewG). Entgegen dieser gesetzlichen Vorgabe liegen die Hauptfeststellungszeitpunkte lange zurück:

9 Besteuerung von Immobilien



821

In den alten Bundesländern sind die Einheitswerte letztmals zum 1.1.1964 im Rahmen einer Hauptfeststellung festgestellt worden.



In den neuen Bundesländern ist die letzte Hauptfeststellung der Einheitswerte zum 1.1.1935 erfolgt.

9.1.4.1.4

Anwendungsbereich der Grundbesitz-Einheitswerte

Nach alter Rechtslage bis 31.12.1996 wurde die Tatsache der sehr niedrigen Einheitswerte für Zwecke der Besteuerung im Rahmen der Gewerbesteuer, der Grunderwerbsteuer sowie der Erbschaft- und Schenkungsteuer durch einen Einheitswertzuschlag berücksichtigt: •

In den alten Bundesländern war der Einheitswert des Grundbesitzes mit Ausnahme des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens durchgängig mit 140 % anzusetzen (§ 121a BewG).



In den neuen Bundesländern waren Mietwohngrundstücke mit 100 %, Geschäftsgrundstücke mit 400 %, unbebaute Grundstücke mit 600 % und gemischtgenutzte Grundstücke, Einfamilienhäuser und sonstige bebaute Grundstücke mit 250 % des Einheitswerts anzusetzen (§ 133 BewG).

Für die Grundsteuer war und ist ein Zuschlag nicht vorzunehmen. Nach neuer Rechtslage seit 1.1.1997 sind die bewertungsrechtlichen Einheitswerte nur noch für die Gewerbekapitalsteuer (nur bis 31.12.1997) und die Grundsteuer relevant. Für die Erbschaft- und Schenkimgsteuer ist rückwirkend ab 1.1.1996 eine eigenständige Bedarfsbewertung im konkreten Erbschaft- oder Schenkungsteuerfall vorzunehmen. Dabei gilt: •

Unbebaute Grundstücke sind mit qm-Preisen zu bewerten. Der Wert bestimmt sich nach der Fläche und dem um 20 % ermäßigten Bodenrichtwert zum Stichtag 1.1.1996. Ein niedrigerer gemeiner Wert ist anzusetzen (§145 BewG). Unter unbebauten Grundstücken versteht das Gesetz:

822

9 Besteuerung von Immobilien

Unbebaute Grundstücke

keine nutzbaren Gebäude

zur Nutzung vorgesehene Gebäude befinden sich im Bau

- d.h. Gebäude ist nicht bezugsfertig

- d.h. mit Abgrabungen oder Einbringung von Baustoffen wurde begonnen

Gebäude können keiner oder nur unbedeutender Nutzung zugeführt werden - Jahresmiete/übliche Miete < 1 v.H. des Grundstückswerts - bei Zerstörung/Wertverfall - bebaute Fläche eingeschossiger Gebäude nicht größer als 25 qm

Abb. 77: Unbebaute Grundstücke •

Bebaute Grundstücke werden gemäß § 146 BewG regelmäßig nach einem vereinfachten Ertragswertverfahren bewertet: durchschnittliche Jahresnettokaltmiete

x

12'5

Wertminderung für Alter ·/· - 0,5 % je Jahr, max. 25 % -

Der Wert des bebauten Grundstücks ist das 12,5fache der für dieses im Durchschnitt der letzten drei Jahre erzielten Jahresmiete, vermindert um die Wertminderung wegen Alters des Gebäudes. Dabei gelten folgende Festlegungen: (1)

Jahresmiete ist das Gesamtentgelt, das die Mieter (Pächter) für die Nutzung der bebauten Grundstücke aufgrund vertraglicher Vereinbarungen für den Zeitraum von 12 Monaten zu zahlen haben oder die ortsübliche Miete.

(2)

Als Wertminderung sind für jedes vollendete Jahr seit Bezugsfertigkeit jährlich 0,5 % des ermittelten Werts, insgesamt aber höchstens 25 % abzusetzen. Betriebskosten sind nicht einzubeziehen.

(3)

Der für ein bebautes Grundstück anzusetzende Wert darf nicht niedriger sein, als der Wert, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück zu bewerten wäre.

(4)

Für Grundstücke, die ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden und nicht mehr als zwei Wohnungen umfassen, wird ein Zuschlag von 20 v. H. vorgenommen.

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.4.2

823

Vermögensteuer - Historischer Überblick

Mangels einer verfassungsgemäßen Novellierung der Vermögensbesteuerung kann die Vermögensteuer nach der Vermögensteuer-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 seit dem 1.1.1997 nicht mehr erhoben werden. Gleichwohl sei ein historischer Überblick erlaubt: (1) Die Vermögensteuer war von ihrer Konzeption eine Sollertragsteuer und galt als Vorläuferin einer allgemeinen Einkommensteuer. (2) Die Vermögensteuer wurde als Ergänzungssteuer zur Einkommensteuer ("Einkommensergänzungssteuer auf fundiertes Einkommen") begründet. (3) Die Vermögensteuer erfasste als Bemessungsgrundlage die nach unterschiedlichen Methoden ermittelten Vermögensbestände aus vormals vier Vermögensarten des BewG. (4) Die zugeordneten Schulden wurden nur bei der Vermögensart „Betriebsvermögen" direkt abgezogen, die übrigen Schulden wurden vom Rohvermögen in Abzug gebracht. (5) Das Gesamtvermögen wurde um eventuelle Freibeträge vermindert und man erhielt die Steuerbemessungsgrundlage „steuerpflichtiges Vermögen". (6) Im Rahmen der Vermögensteuer erfolgte eine Haushalts-Veranlagung. (7) Der Steuersatz für die Vermögensteuer betrug für natürliche Personen 0,5 v. H. des steuerpflichtigen Vermögens und für juristische Personen 0,6 v. H. des steuerpflichtigen Vermögens. Ab 1995 galt ein nach Vermögensarten gegliederter Steuertarif: •

Steuersatz von 1 v. H. für das Grundvermögen und das sonstige Vermögen (ohne die im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen) ("nicht begünstigtes Vermögen").



Steuersatz von 0,5 v. H. für land- und forstwirtschaftliches Vermögen, das Betriebsvermögen und die Beteiligungen im Privatvermögen ("begünstigtes Vermögen").



Der Steuersatz für juristische Personen betrug 0,6 v. H.

(8) Das Vermögen juristischer Personen unterlag selbstständig der Vermögensteuer ("Doppelbelastung" der Kapitalgesellschaften durch Vermögensteuer).

824

9 Besteuerung von Immobilien

(9) Die Vermögensteuer wurde bis Ende 1996 in den neuen Bundesländern nicht erhoben. (10) Die Vermögensteuer kann aufgrund der BVerfG-Entscheidung vom 22.6.1995 seit dem 1.1.1997 allgemein nicht mehr erhoben werden, da eine verfassungskonforme, die Gleichbehandlung der Vermögensarten sichernde Bewertung, nicht gesetzlich verankert wurde. (11) Die Vermögensteuer ist international nur selten anzutreffen: Natürliche Personen Persönliche Freibetrag· Steuersätze "

Staaten

Nationale Währung

€S|

Absetzbar bei Einkommensteuer

Jurist!sehe Personen Absetzbar Steuerbei KörperS i t z e *> schaftSteuer

EU-Staaten 80 €

Finnland

bis 185.000« 185.000« Ober 185.000 « allgemein

185.000

720.000

n7K„u °·75ν Η·

bis 0,72 Mio. € keine Freibeträge l.e.S.; steuerfrei ν η κ ?·Ι«ί2ί°« bis 1.16 Mio. € 720.000 « (vgl. von 1,16 Mio. € Spalte 2 und51 bis 2.30 Mio. € Anmerkung

1 nn ν Η 1 ·°°νΗ· 1 ™ „ M 1.JOV.H.

152 «Abzug von bis 3.60 Mio.« der Steuerschuld von 3,60 Mio. € bis 6,90 Mio.« je Kind unter 18

0,9 v.H. 0 v.H.

Frankreich

5) e

>

0.55 v.H.

1 · € bis 15,00 Mio.« Uber 15.00 Mio. «

0,5 v.H.

Luxemburg

1,5 v.H.

Schweden

0,2 v.H. Spanien "

von 2 30 Mio

U,J v.M. „K u 1

'

. , 1

M

1 7 >, H ' , . H • 2,5 v.H.

bis 167.129.45«" von 167.129,45« b j j 334 252,88 « von 334.252,88 « bis 668 499,75« von 668.499.75« bis 1.336.999.51 « von 1.338.999,51 « bis 2.873.999,01 € von 2.873.999,01 € bis 5.347 998,03 € von 5.347.998,03 « bis 10.695.996,08 € Ober 10.695 998,08 €

2.500 € allgemein 2.500 « Ehegatte 2.500 «je Kind 1.0 Mio. SEK allgemein 1.5 Mio. SEK Ehegatten

nein 4Ï

-

-

0.5 v.H.

auf Körper· schaftsteuer anrechenbar

nein 41

152

2.500 2.500 2.500 108.866,05 163.299.08

108.182,18« allgemein

108.182,18

216.384.38« Ehegatten

216.364,36

nein nein

0,15 v.T. für andere Juristische Personen als Kapitalgesellschaften

entfällt

nein 41

A n d e r e Staaten Schweiz 6) (Beispiel Zürich)

Kantons· und Gemeindesteuer 0 v.H. bis 66.000 sfr 68.000 sfr bzw. 0111V H von 88.000 s(r 138.000 s f r " bis 272.000 sfr 0 222 V H von 272.000 sfr ' bis 612.000 sfr 0 333 V H von 612.000 sfr u.jjjv.m. b i s 1., 55.000 sfr 0 444 V H ' .... H 0.555 v.H. 0,888 v.H.

von 1.155.000 sfr bis 1.971.000 sfr von 1.971.000 sfr b ( l 2.786.000 sfr Ober 2.788.000 sfr

43.939,00 87.878,00

nein

Kantone - und Gemeindesteuern allgemein 0.3405 v.H. Holdinggesellschaften 0.0881 v.H.

Abb. 78: Vermögensteuern 2003für natürliche und juristische Personen (Quelle: Bundesministerium der Finanzen: Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich, Ausgabe 2003, S. 35-36)



9 Besteuerung von Immobilien

825

Anmerkung: In Belgien, Dänemark, D^jty^lanij, Qpççhgnland, Irjaoö, M 8 Ü , den Niederlanden, Osterreiçh. Portugal und dem V e r i t y )

KOfijgnsiçh gibt es keine allgemeine

Verroögensteuer. Auch in den EU-Beitrittsstaaten Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowenien, der Slowakei, Tschechien, Ungarn und Zypern (griechischspr. Teil) werden keine allgemeinen Vermögenstauern erhoben. In den USA und ganada werden auf Ebene der Gliedstaaten und Gemeinden verschiedenartige "property taxes" erhoben. Dabei handelt es sich aber nicht um Vermögensteuem im deutschen Sinne, sondern um der Grundsteuer ähnliche Steuern. In Japan gibt es eine kommunale Roh vermögensteuer.

1)

Ohne etwaige Sondersteuersätze

2)

Ohne Sonderfreibeträge, z. B. für Alter, Invalidität und bestimmte Vermögensarten

3)

Umsatzsteuerumrechnungskurs Juli 2003

4)

Jedoch Plafond: Finnland für Einkommen- und Vermögensteuer sowie Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zusammen 70 v. H. des zu versteuernden Einkommens, Frankreich für Einkommen- und Vermögensteuer zusammen 85 v. H. des Bruttoeinkommens des Vorjahres; Spanien für Einkommen- und Vermögensteuer zusammen 60 % des zu versteuernden Einkommens

5)

Betriebsvermögen, Kunstwerke und Antiquitäten sind steuerfrei

6)

Progressive Teilmengenstaffelung

7)

Sofern keine anderen Regelungen durch die autonomen Regionen

8)

68.000 sfr (43.939,00 €) für Ledige; bei Eheleuten und Alleinstehenden mit Kind/-ern erhöht sich die „Nullzone" im Tarif auf 136.000 sfr (87.878,00 €); dementsprechend erhöht sich die Teilmengenstaffelung des Tarif um jeweils 68.000 sfr bis auf 2.854.000 sfr (1.844.145,77 €)

9.1.4.3

Exkurs: Stellungnahme zur „Vermögensteuer"

(1) Die Vermögensteuer ist der historische Vorläufer der heutigen Einkommensteuer, die erstmals zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Ergänzungssteuer zur Vermögensteuer eingeführt wurde. Im weiteren Verlauf entwickelte sich die Einkommensteuer als die zentrale Steuer, der Vermögensteuer wurde lediglich eine Ergänzungsfunktion als „Zusatz-Einkommensteuer auf (Vermögens-) fundiertes Einkommen" zugedacht. (2) Die Vermögensteuer ist von ihrer Konzeption eine „Soll-Ertragsteuer", die Einkommensteuer hingegen stellt sich als "Ist-Ertragsteuer" dar.

826

9 Besteuerung von Immobilien

Beide Steuern zielen damit im Kern auf die Besteuerimg des identischen Vermögensertrags ab. (3) Vermögensteuer und Einkommensteuer führen bei entsprechender Ausgestaltung bei Kapitaleinkommen und bei Arbeitseinkommen! - zum gleichen steuerlichen Belastungsergebnis. Voraussetzung hierfür sind •

ertragsabhängige Vermögensbewertung (Ertragswertermittlung) und



eine geeignete Steuersatzgestaltung (sv = i χ SE).

Ein vereinfachtes Beispiel mag dies verdeutlichen: Beispiel: Ein Anlageobjekt wirft einen dauerhaften ("ewigen") jährlichen Überschuss von 10 ab. Bei einer Marktkapitalisierung mit 10 % ergibt sich der entsprechende Vermögenswert zu (— =) 100. 0.1

Eine jährliche Einkommensteuer von 10 % fuhrt zur identischen Steuerbelastung wie eine jährliche Vermögensteuer von 1 %. Beispiel 1 1

to

Ertragsteuer [10 %]

2

Erträge

3

Vermögen

4

Vermögensteuer [1 %]

ti

t2

h

t.

-1

-1

-1

-1

10

10

10

10

-1

-1

-1

-1

100

Bei einem Marktkapitalisierungszins von 10 % führt seine 10 %ige Ertragsteuer zu derselben steuerlichen Belastung wie eine 1 %ige Vermögensteuer. (4) Vermögensteuer und Einkommensteuer führen auch zur gleichen Steuerbelastung, wenn bei ertragsabhängiger Bewertung des Vermögens und identischer (Markt-)Bewertungsdiskontierung die Renditen des investierten Kapitals verschiedener Vermögensarten unterschiedlich hoch sind. Diese Aussage wird durch Beispiel 2 im Vergleich zu Beispiel 1 exemplarisch belegt: Beispiel 2 1

Ertragsteuer [10 %]

2

Erträge

3

Vermögen

4

Vermögensteuer [1 %]

ti

t2

t3

t,

-

-0,5

-0,5

- 0,5

-0,5

-

5

5

5

5

-0,5

-0,5

-0,5

-0,5



50 -

9 Besteuerung

von Immobilien

827

(5) Vermögensteuer und Einkommensteuer führen indessen zu ungleichen Steuerbelastungen, wenn die Wertfeststellung unabhängig von den Erträgen erfolgt: Beispiel 3 1

Ertragsteuer [10 %]

2

Erträge

3

„Vermögen"

4

Vermögensteuer [1 %]

to

100

ti

t2

t3

t.

-0,5

-0,5

-0,5

-0,5

5

5

5

5

-

-

-1

-1

-1

-1

(6) Die Vermögensteuer ist damit bei ertragsunabhängiger Bewertung offenkundig extrem renditeabhängig: • Bei steigenden Vermögensrenditen sinkt die ertragsbezogene Vermögensteuerbelastung. • Bei sinkenden Vermögensrenditen steigt die ertragsbezogene Vermögensteuerbelastung. • Bei geringen Renditen und Verlusten kann es zu ertragsbezogenen Steuersätzen von 100 % und mehr und damit zu einer konfiskatorischen und substanzzehrenden Vermögensbesteuerung kommen. StnwMwiim 1

StaKtMuditfaitkVS» *m Í*

1,4% 71.4% 66,7% US 62,3% 1,6% 1,«S 33,6% SBESföQE Γ-í'ftSaiHKMtR eSgSSSäuXm v% 40,0% 3% 33J% 4% 23,0% vi"V* 6% 16,7% 7% 14,3% 12,5% 1% 9% 11,1% SSBKKffBH ÄBF&ÜQSM 11% 9,1% 12% υ% 7,7% 13% 14% 7,1% 6,7% 13% 16% 6,3% 17% 3,9% U% 3,6% 19% MX

Abb. 79: Ertragsbelastung durch eine Vermögensteuer von 1 %

828

9 Besteuerung von Immobilien

(7) Vermögensteuer und Ertragsteuer besteuern denselben Ertrag. Die Vermögensteuer ist nicht per se verfassungswidrig (nur als Soll-Ertrag-Steuer ökonomisch unsinnig!). Bei Einhaltung des „Halbteilungsgrundsatzes" könnte eine Alleineinkommensteuer oder eine Alleinvermögensteuer die Funktion der Einkommensbesteuerimg übernehmen. Auch ein komplementäres Nebeneinander von Einkommen· und Vermögensteuer ist denkbar. Bei moderaten Steuersätzen könnten beide Steuern nebeneinander erhoben werden, ohne den „Halbteilungsgrundsatz" des Bundesverfassungsgerichts zu verletzen. 100 %

η "

at

_ _

Vermogcn-

Einkommen-

steuer

steuer '

0 %

Abb. 80: Komplementarität von Einkommen- und

100 %

Vermögensteuer

Die gegenwärtige Höhe der Einkommensteuersätze mit einem Spitzensteuersatz von derzeit 53 % bei der Einkommensteuer - Sondersteuern noch nicht berücksichtigt schließt allerdings eine zusätzliche Vermögensteuer im Regelfall aus. (8) Die Vermögensteuer als Form der Ertragsbesteuerung ist bei zutreffender Anwendung ein erhebungstechnisch sehr teurer (Um-) Weg und mit erheblichen Prognosefehlern behaftet: • Für die Ermittlung des Vermögenswerts ist die Kenntnis aller künftigen Erträge Voraussetzimg. • Prognosefehler bei der Schätzimg künftiger Erträge führen zu einer fehlerhaften Besteuerung, die ex post kaum korrigierbar ist. Die Einkommensteuer würde die tatsächlichen Erträge im Zeitpunkt ihres Anfalls besteuern, die Einkommensteuer ist damit weit weniger prognoseabhängig. (9) Eine doppelte Vermögensteuer für Kapitalgesellschaften mit den Bemessungsgrundlagen •

„Einheitswert der Kapitalgesellschaft" und



„ (Gemeiner) Wert der Anteile"

ist wirtschaftlich nicht begründbar.

9 Besteuerung von Immobilien

829

(10) Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass die Vermögensbesteuerung - und zumal eine doppelte Vermögensbesteuerung bei Kapitalgesellschaften - sich zunehmend als deutscher Sonderweg ins ökonomische Abseits darstellt. Als Ergebnis ist festzuhalten: •

Das Einkommen kann zeitgemäß durch eine Ist-Ertragsteuer steuerlich erfasst werden, möglich ist auch die Form der Soll-Ertragsbesteuerung (etwa in Form einer Vermögensteuer). Ist- und Soll-Ertragsteuern wollen den „tatsächlichen" Ertrag erfassen.



Die Vermögensteuer

ist eine erhebungstechnisch

sehr aufwendige

Umweg-

Ertragsteuer. •

Die Vermögensteuer kann nicht hinreichend flexibel auf Ist-Ertragsschwankungen reagieren und greift auch bei sinkender Rendite und im Verlustfalle.



Die Vermögensteuer trägt dem fundamentalen Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit allenfalls zufällig Rechnung.



Die Vermögensteuer stellt sich international weitgehend als Zusatzsteuer dar.

Aufgrund ihrer konzeptionellen Mängel und der verursachten Verzerrungen ist die Vermögensteuer als „Soll-Ertragsteuer" strikt abzulehnen. 9.1.4.4 (1)

Grundsteuer

Die Grundsteuer ist wie die Gewerbesteuer eine Realsteuer. Ihr Aufkommen steht den Gemeinden zu, die ein entsprechendes Hebesatzrecht besitzen und für die sie eine bedeutsame Einnahmequelle darstellt.

(2)

Die Grundsteuer trifft zunächst den Eigentümer des Grundbesitzes (Zurechnung bei der Feststellung des Einheitswertes), allerdings zählt sie bei Wohnungen zu den Nebenkosten, die der Hauseigentümer auf die Mieter umlegen darf.

(3)

Ihrem Charakter nach stellt die Grundsteuer - wie die Vermögensteuer - eine Substanz- oder Sollertragsteuer dar.

(4)

Steuergegenstand der Grundsteuer ist der Grundbesitz im Sinne des Bewertungsgesetzes (§ 191 Nr. 1 BewG): •

Land- und forstwirtschaftliche Betriebe,



Grundstücke (des Grundvermögens) und



Betriebsgrundstücke.

830

(5)

9 Besteuerung von Immobilien

Die Grundsteuer bemisst sich nach dem bewertungsrechtlich ermittelten Einheitswert des Steuergegenstands, d. h. •

ohne die Erhöhung um 40 v. H. gem. § 121a BewG (die Erhöhung gilt nicht für die Grundsteuer) und



ohne die Kürzung gem. § 117a BewG im Betriebsvermögen (die Kürzung galt nur für die Vermögensteuer).

(6)

Der „Steuertarif" bei der Grundsteuer als Gemeindesteuer wird durch die beiden Komponenten Steuermesszahl und Hebesatz (§13 GrStG) gebildet:

, ^^ = "Steuersatz"

Bemessungsgrundlage χ Messzahl χ Hebesatz = Steuerschuld

V

J

Y

= Messbetrag

Abb. 81: Komponenten der Steuerschuldberechnung (7)

Die Steuerschuld wird nach folgendem Schema ermittelt: Bemessungsgrundlage χ

Steuermesszahl (differenziert nach Objekten §§ 14,15 GrStG) • Land-und Forstwirtschaft

6 , 0 %o

• Zweifamilienhäuser

3,1 %o

• Einfamilienhäuser - bis 38.346,89 €

E H W

- übersteigender Betrag • sonst = χ

2,6

%o

3 , 5 %o 3,5

%o

Steuermessbetrag Hebesatz (von Gemeinde festgelegt § 25 GrStG) • Hebesatz A: Land- und Forstwirtschaft • Hebesatz B: Grundstücke

=

Steuerschuld (§ 27 GrStG)

Tab. 68: Ermittlung der Grundsteuerschuld (8)

Steuerschuldner der Grundsteuer ist derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet wird. Eine Grundsteuer-Erklärung wird nicht abgegeben; die Grundsteuer-Veranlagung folgt vielmehr unmittelbar aus dem Einheitswert-Feststellungsverfahren.

9 Besteuerung von Immobilien

(9)

831

Die Grundsteuer ist im Betriebsvermögen und im ertragbringenden Privatvermögen (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) gemäß dem Nettoprinzip im Rahmen der Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig.

(10) Auch die Grundsteuer ist eine Soll-Ertragsteuer und es gelten grundsätzlich die gleichen Einwände gegen die Erhebung der Grundsteuer neben der Einkommensteuer wie im Falle der Vermögensteuer. Die Ertragsbelastung durch Grundsteuer hängt von der Rendite des Objekts ab. Nimmt man vereinfachend einen „Grundsteuersteuersatz" von 1 % an, so ergeben sich abhängig von den Renditen folgende Ertragsbelastungen durch die Grundsteuer: Rendite

„Grundsteuersatz"

Ertragsbelastung durch Grundsteuer

(1) (2)

1%

1%

100 %

4%

1%

25 %

(3)

5%

1%

20%

(4)

10%

1%

10%

(5)

20%

1%

5%

Tab. 69: Ertragsbezogene Belastung durch die Grundsteuer

Derzeit allerdings tragen die (noch) sehr geringen Einheitswerte (nur ca. 20-30 % der Verkehrswerte) und die Tatsache der bisweilen möglichen Überwälzung im Rahmen laufender Mietverhältnisse dazu bei, dass die Ertragsbelastung durch die Grundsteuer als nicht belastend empfunden wird. 9.1.4.5 (1)

Grunderwerbsteuer

Steuerpflichtige Vorgänge sind die Übertragung von Grundstücken. Die Grunderwerbsteuerpflicht knüpft dabei in erster Linie an den Kaufvertrag an, in dem sich der Eigentümer verpflichtet, das Eigentum an dem ihm gehörenden Grundstück auf den Erwerber zu übertragen. Neben diesem Haupttatbestand regelt das Gesetz zahlreiche Nebentatbestände (§ 11 Nr. 2-7 GrEStG) und Ersatztatbestände (§ 1 II, III GrEStG).

(2)

Steuerschuldner sind die am Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen. Im Regelfall trägt der Erwerber die Grunderwerbsteuer.

832

(3)

9 Besteuerung von Immobilien

Die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bemisst sich in erster Linie nach dem Wert der Gegenleistung. Ist eine solche nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, ist hilfsweise der auch für die Erbschaftsbesteuerung zu ermittelnde (Bedarfs-) Wert des Grundstücks maßgeblich.

(4)

Der Steuersatz ist zum 1.1.1997 von 2 % auf 3,5 % der Bemessungsgrundlage erhöht worden. Zuvor war er im Rahmen der „Großen Reform 1982" bei gleichzeitiger umfassender Abschaffung von Befreiungstatbeständen („Verbreiterimg der Bemessungsgrundlage" ) von 7 % auf 2 % gesenkt worden.

(5)

Sonderregelungen sind für folgende Fälle zu beachten: •

Erwerb von unbebauten Grundstücken mit Bebauungsabsicht Beim Erwerb von Grundstücken in Bebauungsabsicht werden von der Rechtsprechung in Anwendimg der sog. „Einheitstheorie" regelmäßig auch die künftigen Herstellungskosten in die Bemessungsgrundlage

der Grund-

erwerbsteuer einbezogen. Dabei ist es unbeachtlich, ob ein einheitliches Vertragswerk gegeben ist oder mehrere Verträge vorliegen, die wirtschaftlich betrachtet als einheitliches Vertragswerk zu würdigen sind. Neuerdings ist diese Sachbehandlung wieder umstritten: Das FG Niedersachsen lehnt die Einbeziehung der künftigen Baukosten in die Grunderwerbsteuer zumindest dann ab, wenn künftig für die Umsatzsteuer optiert wird, da in diesem Fall beide Verkehrsteuern - die Grunderwerbsteuer und die Umsatzsteuer - erhoben würden. •

Anteilserwerb von Grundbesitz haltenden Gesellschaften Zur grunderwerbsteuerlichen Behandlung der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften, die Grundbesitz halten, ist eine umfangreiche Erlassregelung getroffen worden. Ein steuerpflichtiger Erwerb wird nunmehr vor allem durch die Übertragung von mehr als 95 v. H. der Anteile am Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft ausgelöst. Die Vereinigung aller Anteile an einer Kapitalgesellschaft „in einer Hand" löst ebenso eine Grunderwerbsteuerpflicht aus, wie die Übertragung aller Anteile an einer Gesellschaft (§ 1 III GrEStG).

(6)

Die Grunderwerbsteuer hat Auswirkungen bei anderen Steuern. Steuerinterdependenzen bestehen bei:

9 Besteuerung von Immobilien

833



Ertragsteuern und Grunderwerbsteuer



Die Grunderwerbsteuer rechnet zu den Anschaffungsnebenkosten des Grundstücks

(Boden und Gebäude), keine sofort abzugsfähigen

Werbungs-

kosten/Betriebsausgaben dar. •

Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer



Gemäß § 4 Nr. 9a UStG sind grunderwerbsteuerbare Vorgänge von der Umsatzsteuer befreit.



Wird auf die Umsatzsteuerbefreiung verzichtet, ergeben sich gegenseitige Beeinflussungen: Umsatzsteuer: Die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer besteht aus dem Nettokaufpreis der Grundstücke sowie der Hälfte der Grunderwerbsteuer, selbst dann, wenn der Erwerber die volle Grunderwerbsteuer übernimmt. Die hälftige Grunderwerbsteuer ist so zu berechnen, als ob die Umsatzsteuer nicht vorläge (A149 VII UStR) Grunderwerbsteuer: Im Erlasswege wird als Vereinfachungsregelung festgelegt, dass der Nettowert des Grundstücks zuzüglich Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlage gilt.

Beispiel Es wird ein Kaufvertrag zum Erwerb eines Grundstücks zum Preis von 100.000 € vereinbart. Auf die Umsatzsteuerbefreiung wird verzichtet. Es ergeben sich folgende Steuerwirkungen: Umsatzsteuer Bemessungsgrundlage

Kaufpreis

100.000

Grunderwerbsteuer (1/2 100.000 x 3,5%) Umsatzsteuer Tab. 70: Interdependenz

Grunderwerbsteuer

1.750

Kaufpreis Umsatzsteuer auf Kaufpreis

16.000

zwischen Umsatz- und

100.000 16.000 116.000

Grunderwerbsteuer

834

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.4.6

Umsatzsteuer

9.1.4.6.1 (1)

Überblick

Die Umsatzsteuer will Lieferungen und Leistungen an den inländischen Letztverbraucher der Besteuerung unterwerfen.

(2)

Die Ausgestaltung der Umsatzbesteuerung kann in vielfältiger Weise erfolgen. Nach der Anzahl der Erhebungsstufen lassen sich unterscheiden: •

Einphasen-Umsatzsteuer,



Mehrphasen- Umsatzsteuer und



Allphasen- Umsatzsteuer.

Nach der Bemessungsgrundlage ist zu differenzieren zwischen: •

Brutto- Umsatzsteuer und



Netto- Umsatzsteuer in den Varianten mit Vorumsatzabzugsverfahren oder mit Vorsteuerabzugsverfahren.

(3)

In Deutschland wurde bis 1967 eine Brutto-Allphasen-Umsatzsteuer auf jeder Unternehmensstufe mit einem Regelsteuersatz von 4 % erhoben: Unternehmensbereich U1

Konsument

U2

U3

Κ

Unternehmensebene • Einkauf •

Wertschöpfung

Δ 1.100



Umsatz

= 1.000

• Umsatzsteuer 4 % •

Rechnungsbetrag

+ 1.040

+ 3.161,60

Δ 2.000

Δ 2.000

= 3.040

= 5.161,60

+ 40

+121,60

+ 206,46

= 1.040

= 3.161,60

= 5.368,06

+ 40

+121,60

+ 206,46

+ 5.368,06

-

Fiskusebene •

Umsatzsteuer

Tab. 71: Brutto-Allphasen-Umsatzsteuer

(bis 1967)

Diese Brutto-Allphasen-Umsatzsteuer führte zu einer Mehrfachbesteuerung der Wertschöpfung und einer Besteuerung der Steuer:

9 Besteuerung von Immobilien

Wertschöpfung

Umsatzsteuer (1)

Summe

U2 Δ 2.000

U1 Δ 1.000 + 40

U3 Δ 2.000

+ 40

USt auf USt

Δ 5.000

+ 40

1,60

+ 120

1,60

+ 3,20

1,60

+ 1,60

0,06 Umsatzsteuer (2)

+ 80

+ 0,06

80

USt auf USt

+ 160

+ 3,20

Umsatzsteuer (3)

+ 3,20

80

Summe

121,60

+ 40

835

80 368,06

206,46

Tab. 72: Kumulativwirkung der Brutto-Allphasen-Umsatzsteuer Bei einer einstufigen Unternehmenskette hätte die Umsatzsteuerbelastung bei einem Steuersatz von 4 % auf die unternehmerische Wertschöpfung von 5.000 € insgesamt nur 200 € betragen. Die Brutto-Allphasen-Umsatzsteuer wurde daher wegen ihrer konzentrativen Wirkung als verfassungswidrig beurteilt und musste Ende 1967 aufgegeben werden. (4)

Seit 1968 wird in Deutschland eine Netto-Allphasen-USt mit sofortigem Vorsteuerabzug erhoben. Diese Form der Umsatzsteuer ist dadurch gekennzeichnet, dass •

der Unternehmer die Umsatzsteuer durch die Einrechnimg in den Preis auf den nachfolgenden Unternehmer oder Endverbraucher überwälzt,



die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer beim nachfolgenden Unternehmer infolge der ihm gewährten Möglichkeit des Vorsteuerabzugs erfolgsneutral wirkt und



letztlich lediglich der Endverbraucher mit Umsatzsteuer belastet bleibt, weil diesem kein Vorsteuerabzug zusteht. U2

U1 Unternehmensebene

Fiskusebene

+1.000

-1.000 + 3.000

->

U3

- >

Κ

- 3.000

+ 5.000

- 5.000 -500

+ 100

-100

+ 300

-300

+ 500

-100

+ 10

-30

+ 300

-500

-

+ 500

-

+ 300

+ 100 -100

-300

Tab. 73: Netto-Allphasen-Umsatzsteuer mit Vorsteuer-Abzug (5)

Steuersubjekte der Umsatzsteuer sind grundsätzlich Unternehmer, soweit sie im Rahmen ihres Unternehmens Umsätze tätigen.

836

(6)

9 Besteuerung von Immobilien

Der Umsatzsteuer unterliegen als Steuertatbestände •

Lieferungen,



Sonstige Leistungen,



Eigenverbrauch,



Gesellschafterverbrauch (Die Tatbestände des Eigen- und des Gesellschafterverbrauchs wurden durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 aufgehoben und größtenteils unter die Steuertatbestände der Lieferung oder sonstigen Leistung subsumiert.),

(7)



Einfuhr und



innergemeinschaftlicher Erwerb.

Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer bildet grundsätzlich das Entgelt (§ 101 UStG). Insbesondere bei unentgeltlichen oder teilentgeltlichen Leistungen sowie bei der Einfuhr finden Ersatzwerte Anwendung.

(8)

Als Steuertarife finden Anwendung: •

ein Regelsteuersatz in Höhe von 16 v. H. (§ 121 UStG),



ein ermäßigter Steuersatz in Höhe von 7 v. H. (§ 12 II UStG) sowie



spezifische Durchschnittssätze bei nicht Buchführungspflichtigen (§§ 23,23a, 24 UStG).

(9)

Die Ermittlung der Umsatzsteuer erfolgt vereinfacht nach folgendem Schema: Umsatzsteuerbeträge Vorsteuerbeträge =

=

Unterschiedsbetrag Vorauszahlungen laut Voranmeldungen Abschlusszahlung/ Erstattung

Abb. 82: Schema der Umsatzsteuer-Ermittlung (10) Besondere Besteuerungsformen sind: •

die Durchschnittsbesteuerung für nicht Buchführungspflichtige (§§ 23, 23a, 24 UStG),



die Differenzbesteuerung bei

9 Besteuerung van Immobilien

837

- Reiseleistungen (§ 25 UStG), - Kraftfahrzeugen (§ 25a UStG) und - Wiederverkäufen (ab 1995), •

die Besteuerung von Kleinunternehmern (§ 19a UStG),



die Besteuerung von „Ich-AGs".

9.1.4.6.2

Sachliche Steuerbefreiungen

Ein steuerbarer Umsatz führt dann zu keiner Steuerpflicht, wenn das Gesetz eine Steuerbefreiung vorsieht. Im Hinblick auf die Umsatzsteuerpflicht sowie den aus den Vorlieferungen möglichen Vorsteuerabzug sind folgende Gruppen von Steuerbefreiungen zu unterscheiden: Steuerbare Umsätze (§ 1 UStG)

1

1

1

(idR) steuerpflichtig

steuerfrei (§ 4 UStG)

1

1

1

(idR) ohne VorSt-Abzug (§ 15 II Nr. 1 UStG)

1

1

mit VorSt-Abzug (§ 15 III UStG)

1

(idR) stets steuerfrei

(§ 9 UStG) Verzicht auf Steuerbefreiung ?

1

1

1

nein

ja

USt-Pflicht VorSt-Abzug

a

u 1

= Befreiungen ohne VorSt-Abzug

Abb. 83:

USt-Pflicht VorSt-Abzug

VorSt-Abzug

u

u

1I

1

= Befreiungen mit Optionsmöglichkeit

Steuerbare Umsätze und Befreiungen

Drei Gruppen sachlicher Steuerbefreiungen sind zu unterscheiden:

-

= Befreiungen mit VoiSt-Abzug

838

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.4.6.3

Befreiungen ohne Vorsteuer-Abzug

Bei Leistungen, die von ihrer Art her typischerweise unmittelbar an Letztverbraucher getätigt werden, führen Befreiungen von der USt in aller Regel zu einem Verbot des Vorsteuer-Abzugs. Beispiele: •

Umsätze als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler (§ 4 Nr. 11 UStG) und



Umsätze als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme und ähnliche Tätigkeiten (§ 4 Nr. 14 UStG).

9.1.4.6.4

Befreiungen mit Optionsmöglichkeit

Bei steuerfreien Leistungen, die sowohl gegenüber dem Letztverbraucher als auch innerhalb der Unternehmerkette erbracht werden können, hat der Gesetzgeber in den Fällen, in denen Leistungen an Unternehmer für deren Unternehmen ausgeführt werden, in § 9 UStG eine Optionsmöglichkeit geschaffen: Demnach steht es dem Unternehmer frei, den ursprünglich steuerfreien Umsatz als steuerpflichtig zu behandeln und im Gegenzug Vorsteuern aus den Vorleistungen gegenzurechnen. Beispiele: •

Umsätze aus Kredit-, Einlagen- und Wertpapiergeschäften (§ 4 Nr. 8a, d und e UStG) und



Umsätze aus der Veräußerung von Grundstücken (§ 4 Nr. 9a UStG) und aus der Vennietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12a UStG). Dabei ist die Einschränkung in § 9 II UStG zu beachten.

9.1.4.6.5

Befreiungen mit Vorsteuer-Abzug

Steuerfreie Umsätze, die gleichwohl zum Vorsteuer-Abzug berechtigen, sind •

Ausfuhrlieferungen und



innergemeinschaftliche Lieferungen.

Damit wird sichergestellt, dass lediglich der Konsum im Inland der Umsatzbesteuerung unterliegt.

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.4.6.6

839

Besteuerungsverfahren

Die Umsatzsteuer ist eine Veranlagungssteuer. Der Steuerpflichtige hat nach Ablauf eines jeden Kalenderjahres (Besteuerungszeitraum gem. § 161 Satz 2 UStG) eine Umsatzsteuer-Erklärung abzugeben (§ 18 III UStG). Dabei gilt das Prinzip der Selbstveranlagung: Die Abschlusszahlung/Erstattung ist vom Steuerpflichtigen nach folgendem Schema selbst zu berechnen (sog Steueranmeldung als Sonderform der Steuererklärung, § 18 III UStG): steuerpflichtige

abzugsfähige

Umsätze

Vorumsätze

'

—•

Umsatzsteuerbeträge ./. Vorsteuerbeträge =

Unterschiedsbetrag

./. Vorauszahlungen =

Abschlusszahlung/ Erstattung

Abb. 84: Schema der Umsatzsteuer-Erklärung Ein gesonderter Umsatzsteuerbescheid ergeht i. d. R. nicht. Abschlusszahlungen sind innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung beim Finanzamt fällig (§ 18 IV UStG). Die Mehrzahl der Unternehmer hat neben der Jahreserklärung zur Durchführung einer zeitnahen Umsatzbesteuerung sog Umsatzsteuer-Voranmeldungen abzugeben. Für die Voranmeldungszeiträume werden Umsatzsteuer-Vorauszahlungen erhoben oder Erstattungen geleistet, die durch den Steuerpflichtigen wie bei der Jahreserklärung selbst zu berechnen sind (§ 181 UStG). Voranmeldungszeitraum ist i. d. R. der Kalendermonat (§ 18 I S. 1 UStG). Beträgt die Zahllast für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 6.136 €, ist das Kalendervierteljahr Voranmeldungszeitraum. Beträgt die Zahllast weniger als 512 €, ist i. d. R. nur eine Jahreserklärung abzugeben. Die Abgabe der Voranmeldung und die Zahlung fälliger Beträge hat i. d. R. bis zum 10. Tag des Folgemonats zu erfolgen (§ 18 I S. 1 und 5 UStG). Auf Antrag kann gegen Leistung einer Sondervorauszahlung (§ 47 UStDV) eine Dauerfristverlängerung um einen Monat gewährt werden (§ 46 UStDV).

840

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.4.7 (1)

Erbschaftsteuer

Die Erbschaftsteuer kann grundsätzlich als •

Nachlasssteuer (beim Erblasser) oder



Erbanfallsteuer (bei den Erben)

ausgestaltet werden. In Deutschland wird derzeit eine Erbanfallsteuer erhoben. (2)

(3)

Steuerpflichtige Vorgänge sind insbesondere •

Erwerbe von Todes wegen

(§11 Nr. 1 ErbStG)



Schenkungen unter Lebenden

(§11 Nr. 2 ErbStG)



Zweckzuwendungen



(fiktive) Vermögensübergänge bei sog Familienstiftungen ( § 1 1 Nr. 4 ErbStG)

( § 1 1 Nr. 3 ErbStG)

Persönliche Steuerpflicht entsteht bei steuerpflichtigen Vorgängen, wenn •

die Vermögensübertragung von Inländern ausgeht oder an Inländer erfolgt (= unbeschränkte Steuerpflicht) (§ 21 Nr. 1 ErbStG) oder



der Vermögensanfall in Inlandsvermögen besteht (= beschränkte Steuerpflicht)

(4)

(§ 21 Nr. 3 ErbStG)

Besteuert wird der steuerpflichtige Erwerb, der sich wie folgt berechnet: Bruttowert des Erwerbs - Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 V Nr. 1-3 ErbStG) • Erblasserschulden • Erbanfallschulden (Vermächtnisse, Auflagen, Pflichtteile, Erbersatzansprüche) • Erbanfallschulden (Bestattungs- und Erbabwicklungskosten) = Bereicherung des Erwerbers -

Steuerbefreiungen • Zugewinnausgleich • Sachliche Steuerbefreiungen • Persönliche Steuerbefreiungen

= Steuerpflichtiger Erwerb Tab. 74:

Ermittlung des steuerpflichtigen

Erwerbs

(§ 5 ErbStG) (§ 13 ErbStG) (§§ 16 ErbStG)

9 Besteuerung von Immobilien

(5)

841

Für den Bereich des Erbschaftsteuergesetzes ergaben sich durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996 rückwirkend zum 1.1.1996 einschneidende Veränderungen. Um den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen, ist Grundbesitz gegenüber bisherigem Recht zeitnäher zu bewerten. Im Rahmen der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer gilt: •

Die Wertermittlung erfolgt für den einzelnen Veranlagungsfall (Bedarfsbewertung, §§ 138 ff BewG).



Unbebaute Grundstücke sind mit qm-Preisen zu bewerten. Ihr Wert bestimmt sich nach ihrer Fläche und den um 20 % ermäßigten Bodenrichtwerten zum Stichtag 1.1.1996. Ein niedrigerer gemeiner Wert ist anzusetzen (§ 145 BewG).



Bebaute Grundstücke werden gemäß § 146 BewG regelmäßig nach einem vereinfachten Ertragswertverfahren bewertet: durchschnittliche x Jahresnettokaltmiete

12,5 ./.

Wertminderung für Alter - 0,5 % je Jahr, max. 25 % -

Der Wert des bebauten Grundstücks ist das 12,5fache der für dieses im Durchschnitt der letzten drei Jahre erzielten Jahresmiete, vermindert um die Wertminderung wegen Alters des Gebäudes. Jahresmiete ist das Gesamtentgelt, das die Mieter (Pächter) für die Nutzung der bebauten Grundstücke aufgrund vertraglicher Vereinbarungen für den Zeitraum von 12 Monaten zu zahlen haben oder die ortsübliche Miete. Als Wertminderung sind für jedes vollendete Jahr seit Bezugsfertigkeit jährlich 0,5 % des ermittelten Werts, insgesamt aber höchstens 25 % abzusetzen. Betriebskosten sind nicht einzubeziehen. Auf die für die Bedarfs-Bewertung unbebauter und bebauter Grundstücke herausgegebenen Erlasse wird verwiesen. (6)

Der Erbschaftsteuertarif ist durch eine dreifache Progression gekennzeichnet: •

Die Freibeträge sind abhängig von der Steuerklasse,



der Steuersatz ist abhängig von der Steuerklasse und



der Steuersatz ist zusätzlich abhängig von der Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs.

Der Erbschaftsteuertarif (§ 19 ErbStG) ist direkt progressiv ausgestaltet. Daneben ergibt sich eine indirekte Progression durch persönliche Freibeträge ( § 1 6 ErbStG), die auch von den Steuerklassen (§ 15 ErbStG) abhängen.

842

9 Besteuerung von Immobilien

Durch das Jahressteuergesetz 1997 erfolgte mit Wirkung zum 1.1.1996 eine Anhebung der persönlichen Freibeträge (Ehegatte 307.000 € (600.000 DM) und Kinder 205.000 € (400.000DM), eine Verringerung der Zahl der Steuerklassen (frühere Steuerklassen I und II wurden zusammengefasst) und eine Senkung der Steuersätze. Steuerklasse

Erwerber

Freibeträge €

I

II

DM

• Ehegatte

307.000

600.000

• Kinder und Stiefkinder 3 )

205.000

400.000

• Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder

51.200

100.000

• Eltern und Voreltern bei Erwerb von Todes wegen

51.200

100.000

10.300

20.000

5.200

10.000

• Eltern und Voreltern; sofern nicht Steuerklasse I • Geschwister • Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern • Stiefeltern • Schwiegerkinder • Schwiegereltern • geschiedener Ehegatte

III

• alle übrigen Erwerber

Tab. 75: Steuerklassen und Freibeträge > Ebenso Kinder verstorbener Kinder

a

Bei beschränkter Steuerpflicht beträgt der Freibetrag 1.100 € (2.000 DM) (§ 16 II EStG). Der Ehegatte erhält beim Erwerb von Todes wegen zusätzlich einen Versorgungsfreibetrag von 256.000 € (500.000 DM), der tun die nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Versorgungsbezüge gekürzt wird (§ 171 ErbStG). Kinder erhalten bei Erwerb von Todes wegen ebenfalls einen zusätzlichen Versorgungsfreibetrag, der vom Alter der Kinder abhängig ist (§ 17 II ErbStG). Beim Tarif handelt es sich um einen sog Stufendurchschnittssatztarif, dessen Stufenübergänge jedoch durch § 19 III ErbStG (Stufenausgleich) abgemildert werden.

9 Besteuerung von Immobilien

Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis einschließlich Euro ( Deutsche Mark) (DM)

Vomhundertsatz in der Steuerklasse I

II

52.000

(100.000)

7

12

17

256.000

(500.000)

11

17

23 29



843

III

512.000

(1.000.000)

15

22

5.113.000

(10.000.000)

19

27

35

12.783.000

(25.000.000)

23

32

41

25.565.000

(50.000.000)

27

37

47

über 25.565.000

(über 50.000.000)

30

40

50

Tab. 76: Steuertarif des ErbStG Zur Abmilderung der Stufenübergänge des Stufendurchschnittssatztarifs ist in § 19 III ErbStG folgende Regelung getroffen: „(3) Der Unterschied zwischen der Steuer, die sich bei Anwendung des Absatzes 1 ergibt, und der Steuer, die sich berechnen würde, wenn der Erwerb die letztvorhergehende Wertgrenze nicht überstiegen hätte, wird nur insoweit erhoben, als er a)

bei einem Steuersatz bis zu 30 vom Hundert aus der Hälfte,

b)

bei einem Steuersatz über 30 vom Hundert aus drei Vierteln des die Wertgrenze übersteigenden Betrags gedeckt werden kann."

In grafischer Darstellung lässt sich der Erbschaftsteuertarif ab 2002 wie folgt veranschaulichen:

Seuerlast in €

zu verteuernde Bereichenng(Mio. 6 ) ErbSt-Tarif a e t ï r k l a s s e 1 (Ehepartner)

ErbSI-Tarif Steuerklasse 2

Abb. 85: Erbschaftsteuerlastkurven je Steuerklasse

E r b S - T a r i f Steuerklasse 3

844

9 Besteuerung von Immobilien

Qenzsteieratz

5

10

15

Ertfi-Tarif Steuerklasse 1 (Ehepartner) Abb. 86:

(7)

Grenzsteuersätze

20 Ertfi-Tarif Steiiiklasse 2

25

30 35 zu versteuernd; Bsreicheang (Mio. €) EitS-Tarif Stellasse 3

nach Steuerklassen

Steuerliche Begünstigungen gelten für bestimmte Vermögensarten:: •

Für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und wesentliche Beteiligungen (mehr als 25 %) an Kapitalgesellschaften gelten Besonderheiten:



-

Besteuerung stets nach Steuerklasse I

-

Freibetrag 225.000 € (bis 2003 noch 256 T€)

-

Ansatz des übersteigenden Betrags nur zu 65 % (bis 2003 noch 60 %)

Beim Erwerb von Betriebsvermögen, von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und von Anteilen an Kapitalgesellschaften greift unter bestimmten Voraussetzungen eine Tarifbegrenzung die die Steuerbelastung in Höhe der Steuerklasse I festlegt (§ 19a ErbStG).

(8)

Innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Todestag des Erblassers erhaltene Vermögensvorteile (ζ. B. Schenkungen) werden zur Vermeidung von Umgehungen mit dem Erwerb von Todes wegen zusammengerechnet (§ 14 ErbStG). Durch ein Splitten des Erbes ζ. B. im Wege vorerbschaftlicher Schenkungen könnten Freibeträge mehrfach genutzt und damit erhebliche Progressionsvorteile erzielt werden.

9 Besteuerung von Immobilien

845

Um solchen Steuervermeidungshandlungen entgegenzuwirken, werden mehrere innerhalb von 10 Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten zu erheben gewesen wäre (§ 141 ErbStG). Beispiel: Es liegen folgende Schenkungen vom Vater an den Sohn vor: (1) im Kj. 01

400.000 €

und (2a) im Kj. 10

250.000 € (Alternative A)

oder (2b) im Kj. 11

250.000 € (Alternative B)

Die Steuerschuld wird wie folgt ermittelt: Jahr Erwerb +

Alternative A t = 10

t = 01 400.000

Alternative Β t = 11

250.000

steuerpflichtiger Erwerb früherer Jahre

250.000

400.000

=

Gesamterwerb

400.000

650.000

250.000

-

Freibetrag

205.000

205.000

205.000

195.000

445.000

45.000

11%

15 %

7%

21.450

66.750

3.150

=

steuerpflichtiger Erwerb

X

Steuersatz

=

Steuer

-

Steuer früherer Erwerbe

=

verbleibende Steuer

0 21.450

./.

21.450

0

45.300

3.150

Tab. 77: Beispiel zur Berücksichtigung früherer Eriuerbe Alternative B:

Alternative A: in 01

21.450

in 01

21.450

in 10

66.750

in 11

3.150

insgesamt

66.750

insgesamt

24.600

Tab. 78: Vergleich der steuerlichen Behandlung der Alternativen (9)

In den letzten Jahren hat das Erbschaft- und Schenkimgsteueraufkommen massiv zugenommen. Aufgrund des hohen Gestaltungspotenzials zur Steuerminimierung

846

9 Besteuerung von Immobilien

gewinnt die Erbschaft- und Schenkungsteuer auch für die Steuerplanung zunehmend an Bedeutung. kommen in

Erbschaft

Mio
GrSt

"Einni hmen"

"Ausj aben"

(4) Nichtselbstständige Arbeit - ( A » (5) Kapitalvermögen

[VSt]"> -

(6) Vermietung und Verpachtung

[VSt]a> GrSt

(7) Sonstige Einkünfte - iSd § 22 EStG

(VSt)" -

- Juristische Person -

Abb. 88: Organisationsform und Besteuerung a) Nicht mehr erhoben seit 1.1.1997 b) Aufgehoben zum 1.1.1998 In Unternehmen schließen Menschen ihre Arbeitskraft und ihr Kapital zustimmen, um durch die Produktion und/ oder den Handel mit knappen Gütern Gewinne zu erzielen. Durch einen solchen Zusammenschluss und die Geschäftstätigkeit entstehen vielfältige Beziehungen zwischen Menschen innerhalb des Unternehmens und mit der Unternehmensumwelt: •

Im Innenverhältnis bestehen zwischen den Eigentümern Aufteilungsprobleme: Es ist zu regeln, wem die Leitung des Unternehmens zusteht (Geschäftsführung) und wie ein laufender Erfolg (d. h. ein Gewinn oder Verlust) unter den Eigentümern aufgeteilt werden soll (Gewinnverteilung).



Betreffend das Außenverhältnis zwischen Unternehmen und Geschäftspartnern sind die Vertretung und die Haftung zu klären. „Vertretung" meint dabei die Befugnis, stellvertretend für das Unternehmen und damit die anderen Eigentümer Verträge abschließen zu dürfen. Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht müssen nicht übereinstimmen! Unter „Haftung" wird die Verpflichtung verstanden, für Verluste einstehen zu müssen und Forderungen Dritter an das Unternehmen notfalls mit dem Privatvermögen zu begleichen.

848

9 Besteuerung von Immobilien

Bei Unternehmensgründungen könnten nun die Eigentümer die im Innen- und Außenverhältnis zu klärenden Aspekte jeweils unternehmensspezifisch regeln. Die Existenz von Rechtsformen ist deshalb keineswegs Voraussetzung für die Entstehung von Unternehmen. In einer Welt ohne Rechtsformen würde das Wirtschaftsgeschehen jedoch sehr unübersichtlich. Deshalb gibt der Gesetzgeber Grundtypen rechtlicher

Organi-

sationsregeln für Unternehmen - die Unternehmensrechtsformen - vor. Die Einführung der „Rechtsform" als Institution bewirkt: •

Zum einen wird Unsicherheit reduziert, die bei wirtschaftlichem Handeln immer besteht. Dies wird dadurch erreicht, dass für alle Unternehmen Beziehungen eindeutig und allgemein verbindlich per Gesetz geregelt werden. Dadurch werden Handlungsabläufe überschaubarer und planbarer.



Zum anderen kann eine Verringerung der Transaktionskosten durch Vorgabe allgemein gültiger, standardisierter Rechtsformregelungen erreicht werden.

Die im Innen- und Außenverhältnis von Unternehmen auftretenden Probleme sind allgemeiner Art und treten in allen Ländern der Welt auf, in denen gewirtschaftet wird. Deshalb existieren Rechtsformen - soweit ersichdich - in allen Ländern der Welt. Bei der Festlegung von Rechtsformgrundtypen hat der Gesetzgeber dem Verhältnis von „Eigentum, Herrschaft und Haftung" entscheidende Bedeutung beigemessen. Die folgenden beiden Unternehmensleitbilder sind daraus entstanden: (1)

In personengeprägten Unternehmen haben die Eigentümer als Unternehmer im klassischen Sinne eine dominante Stellung inne. Die Unternehmer-Eigentümer leiten und vertreten ihr Unternehmen, müssen deshalb aber auch für ihre Handlungen einstehen und für anfallende Verluste unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen haften (Selbstorganschaft). Es besteht also eine enge Verbindung zwischen Unternehmens- und Privatvermögen. Aus der Unternehmerinitiative und den damit einhergehenden Chancen ergibt sich bei personengeprägten Unternehmen unmittelbar die Pflicht, auch das Unternehmerrisiko zu übernehmen.

(2)

In kapitalgeprägten Unternehmen übernehmen die Eigentümer zunächst nur die Rolle von Kapitalgebern. Typisch für Kapitalgesellschaften ist, dass die Eigentümer ihre Haftung auf ein von ihnen bereitgestelltes, festes Eigenkapital beschränken. Durch diese klare Trennung zwischen Unternehmensvermögen und Privatvermögen nimmt die persönliche Verbundenheit der Eigentümer mit ihrem Unternehmen tendenziell ab, das Unter-

9 Besteuerung von Immobilien

849

nehmen wird zu einem Objekt der Kapitalanlage. Deshalb sind die Eigentümer nicht mehr zur Leitung und Vertretung des Unternehmens befugt. Die Eigentümer dürfen ein Leitungsgremium bestimmen, dem Eigentümer und/ oder Nichteigentümer angehören können (Fremdorganschaft). Es kommt zu einer rechtlichen Verselbstständigung des Unternehmens als juristische Person (Körperschaft). Die Körperschaft handelt selbst durch ihre Organe und haftet nur mit ihrem Vermögen. Den Zusammenhang zwischen Eigentum, Herrschaft und Haftung sowie die grundsätzlichen Unterschiede zwischen personen- und kapitalgeprägten Unternehmen verdeutlicht nochmals Abbildung 159. Mögliche rechtliche Organisationsformen des Tätigwerdens sind nachfolgend wiedergegeben (vgl. Abb. 89 und 90). In der geltenden Rechtsordnung stehen einer wirtschaftenden Unternehmung unterschiedliche Unternehmensrechtsformen zur Verfügung, unter denen nach dem Grundsatz der Vertragsautonomie i. d. R. Wahlfreiheit besteht (Typenfreiheit). Als Rechtsformgrundtypen lassen sich Einzelunternehmung, Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft unterscheiden: In der geltenden Rechtsordnung stehen einer wirtschaftenden Unternehmimg unterschiedliche Unternehmensrechtsformen zur Verfügung, unter denen nach dem Grundsatz der Vertragsautonomie i. d. R. Wahlfreiheit besteht (Typenfreiheit). Als Rechtsformgrundtypen lassen sich Einzelunternehmung, Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft unterscheiden (vgl. Abb. 91). Juristische Personen

Natürliche Personen Rechtsßrtnliche Organisation

keine rechtsförmliche Organisation

EinzelUnternehmung

PersG

Grad der rechtlichen Trennung

Abb. 89: Rechtliche

Unternehmens-Organisationsformen

KapG

Stiftung

850

9 Besteuerung voti

Immobilien

Grundtypen von Unternehmensrechtsformen

ι

I Personenunternehmen

Γ

J_

Kapitalgesellschaft

Ί

Einzelunternehmung

Personengesellschaft

"Unternehmer"

"UnternehmerGesellschafter"

Unternehmensebene

Eigentümerebene

Mitgliederkreis und -einbindung

"Kapital anlegerGesellschafter"

• Nur ein Mitglied

Kleiner Mitgliederkreis

Großer Mitgliederkreis

Persönliche Mitarbeit

Persönliche Mitarbeit

(Oft) keine persönliche Mitarbeit

Kapitaleinlage nicht zwingend erforderlich Existenz des Unternehmens abhängig vom Einzeluntemehmer Zwingende Auflösung der Einzeluntemehmung beim Tod des Einzeluntemehmers

Kapitaleinlage nicht zwingend erforderlich Existenz der Gesellschaft abhängig von den (Gründungs-) Gesellschaftern Keine zwingende Auflösung der Gesellschaft bei Tod oder Ausscheiden eines Mitglieds

Kapitaleinlage zwingend erforderlich Existenz der Unternehmung unabhängig von den (Gründlings-) Gesellschaftern Auf freien Eintritt und Austritt der Mitglieder angelegt

Leitungsbefugnis

Einzelunternehmer

Mehrere Unternehmer „Selbstorganschaft" Einstimmigkeitsprinzip bei Gesellschafterbeschlüssen

Leitungsorgan „Fremdorganschaft" Mehrheitsprinzip bei Gesellschaf terbeschlüssen

Vertretungsmacht

Einzeluntemehmer

Einzelvertretung

Leitungsorgan, Gesamtvertretung

Haftung

„ Unternehmerperson" Unternehmungsvermögen und Privatvermögen des Einzeluntemehmers

Gesamthandsgemeinschaft Gesellschaftsvermögen mit persönlicher Haftung der Mitgüeder

Juristische Person Gesellschaftsvermögen ohne persönliche Haftung der Mitglieder

Abb. 90:

Gesetzliche Grundtypen von

Unternehmensrechtsformen

9 Besteuerung von Immobilien

851

Rechtsformen der Unternehmen

Rechtsformen des privaten Rechts

Personenunternehmen

Einzelunternehmung

Personengesellschaften

körperschaftlich organisierte Unternehmen

Kapitalgesellschaften

-GmbH -GbR -AG -OHG -KGaA -KG - Partnerschaftsgesellschaft - stille Gesellschaft

sonstige Körperschaften

Rechtsformen des öffentlichen Rechts

Zusammenfassung von Vermögenswerten

Stiftung

- Wirtschaftlicher Verein - (Eingetragene) Genossenschaft - Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG)

verwaltungslosgelöste Rechtsformen mit eigener Rechtspersönlichkeit - Körperschaften - Anstalten - (Rechtsfähige) Stiftungen

verwaltungsintegrierte Rechtsformen ohne eigene Rechtspersönlichkeit - Regiebetriebe - Sondervermögen nach § 26 BHO - Autonome Wirtschaftseinheiten

Mischformen - GmbH (AG) & Co. KG - Stiftung & Co. KG - GmbH (AG) & Still - GmbH & Co. KGaA - Doppelgesellschaft Abb. 91:

Systematik privatrechtlicher

Unternehmensrechtsformen

Eine originäre Statistik über die Verbreitung aller Rechtsformen existiert nicht. Hilfsweise kann die regelmäßig erstellte Umsatzsteuerstatistik herangezogen werden. Die Verbreitung der einzelnen Rechtsformen stellt sich nach der Umsatzsteuer-Statistik wie folgt dar:

852

9 Besteuerung von Immobilien

Unternehmen* nach Rechtsfonnen nnd Umsatzgröfienklassen 2002 Umsatzgrößenklassen Nr. ^ \ U m s a t z g r ö ß e n -

Alle Rechtsformen Anzahl

in %

Einzelun teilnehmen Anzahl

in %

OHG / KG b Anzahl

in %

GmbH Anzahl

AG / KGaA

in %

Anzahl

in %

Übrige c Anzahl

in %

von E u r o \ ^ klasse bis unter Euro 1. 16.617 -

Anzahl

50.000 in % 2. 50.000 -

Anzahl

100.000 in % 3. 100.000-

Anzahl

500.000 in % 4. 500.000-

Anzahl

2 Mio in % 5. 2 Mio -

Anzahl 5 Mio in %

6. 5 Mio

Anzahl 10 Mio in %

7. 10 Mio -

Anzahl

25 Mio in % 8. 25 Mio -

Anzahl

50 Mio in % 9. 50 Mio -

Anzahl

100 Mio in % 10. > 100 Mio

Anzahl in %

Insgesamt (2002) Anzahl in % Insgesamt (2001) Anzahl in % Insgesamt (2000) Anzahl in % Insgesamt (1999) Anzahl in % Insgesamt (1996) Anzahl in % Insgesamt (1990) Anzahl

804.626

27,5%

578.390

19,8%

100,0% 1.013.779

34,6%

100,0% 369.325

12,6% 3,1%

100,0% 32.958

1,1% 0,7% 0,3%

3.956

0,1%

34,3% 128.274

69,1%

12,7%

159.787

7,8%

21.702 4.429

0,1% 100,0%

100,0%

67.460

1,1%

24.548 11.567

14,8%

8.637

34,5%

3.414

18,2%

1.783

6,6%

25 0,001%

1.631 41,2%

2.041.441

100,0% 371.554

69,8%

12,7%

37,5%

132.854 40.869

3,1%

14.977

29,3%

9.013

9,0%

3.072

3,3%

1.553

2,0%

1.449

0,7%

452.688

0,3%

451.262

858 530 493 292 243

0,3%

511

11,8%

7.248

13.255

7,3%

7.604 2.959 1.455

6,8%

1.226

4,0%

596

3,4%

316

7,1%

1,1% 0,6%

340

0,6%

8,6% 100,0%

53.639

100,0%

1,8%

100,0% 368.604

69,9%

12,6%

15,4%

0,2%

1,8%

2.909.150

2.040.713

364.967

446.797

5.526

51.147

100,0%

52.475

100,0%

70,1%

12,5%

15,4%

0,2%

1,8%

2.886.268

2.037.230

357.009

438.085

3.139

49.993

100,0%

70,6%

12,4%

15,2%

0,1%

1,7%

2.762.925

1.971.181

328.432

413.344

2.445

47.523

100,0%

71,3%

11,9%

15,0%

0,1%

1,7%

2.103.974

1.545.264

258.513

263.341

1.717

35.139

100,0%

73,4%

12,3%

12,5%

0,1%

1,7%

1.305,445

210.335

140.977

1.764

30.169

Insgesamt (1972) Anzahl

1.622,408

1.349,818

164.509

40.097

2.273

65.711

Insgesamt (1962) Anzahl

1.644,713

1.395,855

90.247

24.161

2.374

132.076

Anzahl

2.870,805

2.631,479

64.372

23.470

2.823

148.661

Tab. 79:

2,3%

8,0%

1.688,690

Insgesamt (1950)J

2,7%

7,8%

Insgesamt (1980) Anzahl

in %

5,5%

5,8%

2.041.786

6.856

14,2%

4,4%

0,2% 100,0%

24,7%

3,3%

12,9% 100,0%

16,1%

2,1%

6,1%

15,5% 100,0%

22,4%

3,8%

36,6% 100,0%

1.620

8.658

1,3%

2,3%

39,1% 0,4%

22,8%

1,6%

40,2% 0,5%

1.655

32,1%

1,5%

0,9%

42,9% 0,9%

6,5%

0,4%

45,4% 2,3%

471

17.230 2,1%

0,16%

44,9%

44,9%

0,6%

169.667

7,9%

0,08%

36,0%

44,7%

77 0,004%

9,4%

16,7%

41,1%

264 0,013%

42.431

575 0,07%

7,3%

35,1%

1.621 0,079%

8,1%

4,6%

27,0% 0,2%

36.803

100,0%

2.920.983

100,0%

18,6%

18,3%

1,9%

100,0% 2.926.570

700.928

3,5%

100,0%

55.051 9,5%

7,7%

100,0% 3.972

23,1%

81,6%

13,4%

100,0% 7.638

471.779

69.189 8,6%

23,9%

100,0% 20.990

33,4%

43,3%

100,0% 90.936

680.829 84,6%

100,0%

Unternehmen nach Rechtsformen und Umsatzgrößenklassen (Quelle: Umsatzsteuerstatistik 2002, Statistisches Bundesamt Wiesbaden, http://www.destatis.de/download/d/fist/fistdow03.xls (Stand: 25.08.2004)). a Nur Steuerpflichtige mit Jahresumsätzen ab 16.617 Euro. Bei Regelbesteuerten ohne Umsatzsteuer. b Einschließlich Gesellschaften des bürgerlichen Rechts u. ä. und GmbH & Co. KG. c Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Unternehmen gewerblicher Art des öffentlichen Rechts, Versicherungsvereine, sonstige juristische Personen des privaten Rechts, nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckoermögen, Gebietskörperschaften, öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften, ausländische Rechtsformen. ä In den Zahlen für 1950 sind ca. 600.000 landwirtschaftliche Unternehmen eingeschlossen, die in den Folgejahren nicht mehr enthalten sind.

9 Besteuerung von Immobilien

9.1.5.2

853

Technisches Unternehmensteuersystem

Unter technischen Systemen der Unternehmensbesteuerung sollen hier Verfahren und Regelungen verstanden werden, die der mehr oder weniger starken organisatorischen und rechtlichen Trennung von Unternehmen und Eigentümern im technischen Verfahrensablauf Rechnung tragen. Für die Unternehmensbesteuerung muss zunächst eine politische Grundsatzentscheidung zwischen personaler oder institutionaler Unternehmensbesteuerung getroffen werden. Die nachfolgende Abbildung versucht, die möglichen Lösungen schematisch darzustellen: U n t e r n e h m e n s E b e n e

P e r s o n a l e B e s t e u e r u n g

£ Ζ w is c h e η fo γ m e n

E i g e n t ü m e r E b e n e

T r a o s p a r e n z p r i n z i p (1)

£

(2)

Ζ w ¡sehenfo r m en

(3)

3 Jahre in Besitz

(3)

Erwerb mit Abbruchabsicht • Gebäude á 3 Jahre in Besitz (widerlegbare Vermutung) • nachweislicher Erwerb in Abbruchabsicht

(Ausnahme bei Gebäuden des Privatvermögens: Hinweis H 33a EStR) Restbuchwert und Abbruchkosten

Restbuchwert

= Anschaffungskosten des Grundstücks, falls kein enger wirtschaftlicher Zusammenhang mit Neubau

= Anschaffungskosten des Grundstücks

oder = Herstellungskosten des Neubaus, falls Abbruch mit Neubau in Zusammenhang steht

Abbruchkosten = Anschaffungskosten des Grundstücks oder = Herstellungskosten des Neubaus, falls Abbruch mit Neubau in Zusammenhang steht

Tab. 89: Abbruch voti Gebäuden (2)

Beim Abriss von Gebäuden oder Gebäudeteilen, die der Steuerpflichtige •

nachweislich in Abbruchabsicht erworben hat oder



erst seit kurzer Zeit - d. h. weniger als drei Jahre - in Besitz hat,

sind die Abbruchkosten und ein eventueller Restbuchwert den Anschaffungskosten des Grundstücks oder - falls der Abbruch in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Wirtschaftsguts steht - den Herstellungskosten dieses Wirtschaftsguts zuzurechnen. Eine sofortige Verrechnung als Betriebsausgaben/ Werbungskosten scheidet hingegen aus. War das Altgebäude im Erwerbszeitpunkt objektiv wertlos, so ist dessen Restbuchwert nur den Anschaffungskosten des Grundstücks zuzuordnen. 9.2.2.2

Offene Streitfragen bei der Einkünftezuordnung

Im Rahmen der synthetischen Einkommensermittlung (Gesamtbetrag der Einkünfte) ist die Zuordnung bestimmter Aktivitäten zu einer konkreten Einkunftsart von großer Bedeutung, da gilt: •

Sofern eine Erwerbsaktivität keiner der sieben Einkunftsarten zugeordnet werden kann, liegen keine steuerbaren Einkünfte vor.

9 Besteuerung von Immobilien



887

Je nach Einordnung in die verschiedenen Einkunftsarten ergeben sich unterschiedliche Einkünfteermittlungsmethoden, die Erhebimg der Zusatzsteuer „Gewerbesteuer" für die Einkunftsart (2), unterschiedliche Freigrenzen, Freibeträge und weitere einkunftsartenspezifische Sonderregelungen. Insoweit kann man von einer faktischen Schedulenbesteuerung sprechen. Dabei unterliegt die Einkunftsart (2) „Einkünfte aus Gewerbebetrieb" dem strengsten steuerlichen Zugriff.

9.2.2.2.1

Private oder betriebliche Immobiliennutzung?

Von herausragender steuerrechtlicher Bedeutung ist die Frage, ob Immobilieninvestitionen dem betrieblichen oder privaten Bereich zugeordnet werden: •

Betriebliche Immobilieninvestitionen unterliegen mit den laufenden Mietentgelten und den Wertgewinnen der Besteuerung. Soweit eine Zuordnung zu den „Einkünften aus Gewerbebetrieb" erfolgt, können sich zusätzlich Gewerbesteuerfolgen ergeben.



Private Immobilieninvestitionen führen i. d. R. zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; steuerlich erfasst werden nur die Mietentgelte, nicht aber die Wertgewinne (Ausnahme: private Veräußerungsgewinne („Spekulationsgeschäfte") i. S. d. § 23 EStG innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren).

a)

Abgrenzung Vermögensverwaltung und gewerbliche Vermietungstätigkeit

Probleme der Einkünftezuordnung können bereits bei der laufenden Nutzimg im Rahmen der Vermietung oder Verpachtung von Grundbesitz auftreten. Zwar wird i. d. R. steuerrechtlich eine private Vermietung und Verpachtung anzunehmen sein, doch kann bei Vorliegen der Merkmale eines Gewerbebetriebs in Sonderfällen einkommensteuerrechtlich eine gewerbliche Vermietungstätigkeit gegeben sein. Ob eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, ist nach § 15 II EStG zu beurteilen: „Eine selbstständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen ist. Eine durch die Betätigung verursachte Minderung der Steuern vom Einkommen ist kein Gewinn i. S. d. Satzes 1. Ein Gewerbebetrieb liegt, wenn seine Voraussetzungen im übrigen gegeben sind, auch dann vor, wenn die Gewinnerzielungsabsicht nur ein Nebenzweck ist."

(Hervorhebungen eingefügt)

888

9 Besteuerung von Immobilien

Gewerbliche Vermietung ist demnach immer anzunehmen, wenn die Vermietung gewerbsmäßig (ζ. B. Hotels) erfolgt, kurzfristiges Vermieten eine nachhaltige Betätigung am wirtschaftlichen Verkehr erfolgt oder bei langfristiger Vermietung gewerbliche Zusatzleistungen (Reinigungsdienst, Nachtdienst etc.) erbracht werden. b)

Abgrenzung zum gewerblichen Grundstückshandel

Ein Sonderproblem stellt die Abgrenzung zwischen (privater) Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel dar. Die Abgrenzung wird nach bestimmten Beweisanzeichen vorgenommen, von denen •

die Besitz- (und Vorbesitz-) zeit,



die Zahl der innerhalb kurzer Zeit verkauften Objekte,



die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen

von zentraler Bedeutung sind (Zu Einzelheiten vgl. BMF-Schreiben vom 26. März 2004, BStBl. 20041, S. 434.). Zahl der Objekte Besitzzeit des Objekts

^ ^

(1)

Besitzzeit i 10 Jahre

(2)

Besitzzeit 5 Jahre bis 10 Jahre

Zahl i 3 („Normal"-)Objekte Veräußerung innerhalb von 5 Jahren ab Erwerb/Errichtung erheblicher Modernisierung

Veräußerung ist stets private Vermögensverwaltung Veräußerung ist grundsätzlich private Vermögensverwaltung Ausnahme: Merkmale sprechen für Gewerblichkeit z. B.:

(3)

Zahl > 3 („Normal"-)Objekte Veräußerung innerhalb von 5 Jahren ab Erwerb/Errichtung erheblicher Modernisierung

• Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr

Besitzzeit £ 5 Jahre (enger zeitlicher Zusammenhang)



Baureifmachung

Veräußerung ist grundsätzlich gewerblicher Grundstückshandel, falls besondere Umstände für Veräußerungsabsicht sprechen (Veräußerungsabsicht ist nachzuweisen) Vermutung des gewerblichen Grundstückshandels (Veräußerungsabsicht wird vermutet eingeschränkt widerlegbar)

Tab. 90: Abgrenzung private Vermögensverwaltung und geiverblicher Grundstückshandel Probleme bereitet die Objektabgrenzung: •

Ein-/ Zweifamilienhäuser/ Eigentumswohnungen sind als ein Objekt anzusehen.



Anteile an Immobiliengesellschaften gelten als ein Objekt, Anteile unter 10 % bleiben i. d. R. außer Betracht.



Ob Großobjekte (ζ. B. Mehrfamilienhäuser, Hotels u. a.) als ein Objekt oder mehrere Objekte zählen, ist nicht eindeutig geklärt.

9 Besteuerung von Immobilien

9.2.2.2.2

889

Liebhaberei bei Vennietung und Verpachtung

Bedeutsam für die steuertechnische Zuordnung zur Sphäre der Einkommenserzielung ist, dass tatsächlich eine Einkommenserzielungsabsicht vorliegen muss. Eine Einkommenserzielungsabsicht wird angenommen, wenn der Totalgewinn vor Steuern positiv ist. Der Totalgewinn wird als Differenz zwischen allen steuerlich relevanten Einnahmen und Ausgaben - die Finanzierungskosten eingeschlossen - ermittelt. Sofern eine (steuerrechtliche) Einkommenserzielungsabsicht nicht angenommen werden kann, wird die entsprechende Aktivität als „Hobby" oder „Liebhaberei" der Einkommensverwendimg zugeordnet und ist damit steuerlich unbeachtlich. Dahinter steht die Überlegung, dass der Fiskus nur solche Ausgaben anerkennen will, die absehbar zu steuerlichen Einnahmenüberschüssen führen. Immobilieninvestitionen erreichen namentlich bei hoher Fremdfinanzierung erst nach Jahren die „Gewinnzone". Diese Gegebenheit hat für bestimmte Fallgestaltungen (ζ. B. beim sog. Mietkaufmodell) zur Anwendung des Rechtsinstituts der „Liebhaberei" geführt und es bestehen gewisse Tendenzen, dieses Rechtsinstitut im Bereich Vermietung und Verpachtung generell anzuwenden. Eine vorläufige Klärung dieser Streitfrage hat hier das BMF-Schreiben vom 23. Juli 1992 herbeigeführt: Danach wird derzeit Liebhaberei bei Vermietung und Verpachtung im Normalfall, wenn keine anderen Indizien vorliegen, erst angenommen, wenn über einem Zeitraum von 100 Jahren ein positiver steuerlicher Totalgewinn nicht erreicht wird. Die Problematik der „Liebhaberei" lässt sich an nachfolgenden zwei Beispielen veranschaulichen: Beispiel 1: Angenommen wird, ein Vermietungsobjekt wird zu 100 T€ gekauft, erwirtschaftet nach Abzug der laufenden Betriebskosten (vor Abschreibungen und Fremdkapitalzinsen) einen Ertrag von 4 T€ und kann nach Ablauf von zwei Jahren - hier vereinfachend statt der 10 Jahre als „Spekulationsfrist" unterstellt - zum Preis von 106 T€ verkauft werden. Prüfen Sie ob eine Liebhaberei vorliegt, wenn angenommen wird, das Objekt werde (1)

vollständig mit Eigenkapital finanziert oder

(2)

vollständig mit Fremdkapital mit laufender Zinszahlung von 6 % und endfälliger Tilgung finanziert.

890

9 Besteuerung von Immobilien

Es ergeben sich folgende Finanzpläne: ti

to

(1) Objekt-ZR

t2

+4

+4

(2) Abschreibungen

(-2)

(-2)

(3) Überschuss

(+2)

(+2)

(+10)

-6

-6

-100

(-4)

(-4)

(+10)

(-8)

-2

-2

+6

-4

-100

(4) FK-ZR

+100

(5) Überschuss nach FK-ZR (6) Objekt-ZR nach FK-ZR Tab. 91:

0

Totalerfolg mit Veräußerungsgewinn

Totalerfolg ohne Veräußerungsgewinn

t2*

+106

+8

(+4) -12

+8

+6

=

14

H)

(+4)

=

0

(+10)

=

(+4) + -12

(+14) -12

=

(-8) +

(+10) =

-4

+6

(+2)

=

+2

Finanzplan Beispiel 1 Objekt-ZR FK-ZR

Objektzahlungsreihe Kreditzahlungsreihe

Beispiel 2: Angenommen wird, ein Vermietungsobjekt erwirtschafte nach Abzug der laufenden Betriebskosten (vor Abschreibungen und Fremdkapitalzinsen) einen Ertrag von 4 %. Nach Ablauf von wiederum vereinfacht als „Spekulationsfrist" angenommenen 2 Jahren sei es möglich, das Vermietungsobjekt wieder zum ursprünglichen Beschaffungspreis von 100 T€ zu verkaufen. In Abhängigkeit von den Annahmen zur Besteuerung des Veräußerungsgewinns - der hier nur in der Nachholung zuvor durchgeführter Abschreibungen besteht - ergeben sich unterschiedlich Renditen nach Steuern: Alternative Veräußerungsgewinn-Besteuerung VoU-Besteuerung tl

t) (1)

Obj-ZR vor Steuern

(2)

StB

(3)

StZ (50%)

(4)

Obj-ZR (1) nach Steuern

(5)

Normal-AfA (50J/2%)

(6)

VÄ(1)