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German Pages XXI, 255 [270] Year 2020
Forschungsgruppe Konsum und Verhalten
Sarah Kobel
Humorvolle Kommunikation bei Serviceversagen Eine empirische Analyse der Wirkung von Humor auf Konsumenten infolge aufgetretener Service-Fehler
Forschungsgruppe Konsum und Verhalten Reihe herausgegeben von Sigrid Bekmeier-Feuerhahn, Lüneburg, Deutschland Yasemin Boztug, Göttingen, Deutschland Sandra Diehl, Klagenfurt, Österreich Franz-Rudolf Esch, Oestrich-Winkel, Deutschland Claas Christian Germelmann, Bayreuth, Deutschland Andrea Gröppel-Klein, Saarbrücken, Deutschland Lutz Hildebrandt, Berlin, Deutschland Jörg Königstorfer, München, Deutschland Tobias Langner, Wuppertal, Deutschland Bruno Neibecker, Karlsruhe, Deutschland Maria Neumaier, Köln, Deutschland Thorsten Posselt, Leipzig, Deutschland Christian Schade, Berlin, Deutschland Martina Steul-Fischer, Erlangen-Nürnberg, Deutschland Dirk Temme, Wuppertal, Deutschland Ralf Terlutter, Klagenfurt, Österreich Volker Trommsdorff, Berlin, Deutschland
Die Forschungsgruppe „Konsum und Verhalten“, die von Professor Dr. Werner Kroeber-Riel begründet wurde, veröffentlicht ausgewählte Ergebnisse ihrer Arbeiten seit 1997 in dieser Reihe. Im Mittelpunkt steht das Entscheidungsverhalten von Abnehmern materieller und immaterieller Güter bzw. Dienstleistungen. Ziel dieser Schriftenreihe ist es, Entwicklungen in Theorie und Praxis aufzuzeigen und im internationalen Wettbewerb zur Diskussion zu stellen. Das Marketing wird damit zu einer Schnittstelle interdisziplinärer Forschung.
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12352
Sarah Kobel
Humorvolle Kommunikation bei Serviceversagen Eine empirische Analyse der Wirkung von Humor auf Konsumenten infolge aufgetretener Service-Fehler
Sarah Kobel Saarbrücken, Deutschland Dissertation Universität des Saarlandes, Saarbrücken, 2020
ISSN 2628-2038 ISSN 2628-2046 (electronic) Forschungsgruppe Konsum und Verhalten ISBN 978-3-658-31473-6 ISBN 978-3-658-31474-3 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31474-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Carina Reibold Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Geleitwort
In unserer heutigen Gesellschaft gehen wir in der Regel davon aus, dass eine Dienstleistung vom Anbieter fehlerfrei erbracht wird. Doch Menschen machen Fehler, insbesondere in stressreichen Situationen, wie sie oftmals in der Gastronomiebranche auftreten. Bestellungen werden vertauscht oder nicht schnell genug abgewickelt oder das Essen kann beispielsweise zu kalt oder überwürzt serviert werden. Um hierdurch verärgerte Kunden wieder zufriedenzustellen, können unterschiedliche Instrumente eingesetzt werden, wie eine aufrichtige Entschuldigung oder eine Entschädigung, wie zum Beispiel ein Getränk auf Kosten des Anbieters. Die ökonomischen Recovery-Maßnahmen sind jedoch mit zusätzlichen Kosten verbunden und können den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens schmälern. Es wird seitens des Dienstleistungsmanagements daher die Frage aufgeworfen, ob auch andere Maßnahmen die Kundenzufriedenheit wiederherstellen können. Diese Dissertationsschrift widmet sich der Frage, ob der Einsatz humorvoller Kommunikation eine erfolgversprechende Alternative zu einer ökonomischen Kompensation oder im Vergleich zu einer Entschuldigung darstellen kann. Genauer gesagt untersucht die Autorin, ob Humor befreiend wirkt, zu mehr Nachsicht hinsichtlich des Service-Fehlers führt und letztlich der Service-Anbieter in einem „gnädigeren“ Licht beurteilt wird. Grund für diese Annahmen liefern Erkenntnisse der Werbewirkungsforschung. Die Wirkung von Humor wurde hier ausführlich untersucht und es zeigt sich (unter bestimmten Voraussetzungen), dass Humor die Einstellung zur Werbung und zur Marke verbessern kann. Während sich Humor innerhalb der Werbewirkungsforschung somit seit langem als erfolgreiche Werbetechnik etabliert hat, liegen nach Recherche der Autorin im Bereich des Dienstleistungsmanagements erst sehr wenige Publikationen vor, die
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Geleitwort
sich mit der Wirkung von humorvoller Interaktion zwischen Service-Anbieter und Nachfrager, insbesondere bei Serviceversagen, beschäftigen. Die in dieser Dissertation erläuterten Studien helfen die Fragen zu klären, ob Humor auch in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument als Reaktion auf aufgetretene Service-Fehler positive Wirkungen entfalten und sich als ähnlich vielversprechende Alternative zu einer ökonomischen Kompensation qualifizieren kann. Die Autorin identifiziert eine durchaus bedeutsame Forschungslücke und trägt dazu bei, diese zu schließen: Welche psychologischen Prozesse werden durch den Einsatz humorvoller Kommunikation nach einem Serviceversagen beim Kunden ausgelöst und eignet sich damit Humor als Recovery-Maßnahme, auch im Vergleich zu anderen Instrumenten? Die Erkenntnisse hierzu sehr sorgfältig konzipierter Experimente zeigen wesentliche Stärken und Schwächen von Humor in kritischen Dienstleistungssituationen auf. Frau Dr. Kobel leistet mit ihrer Dissertation einen sehr wertvollen Beitrag, der sicherlich in Theorie und Praxis auf große Resonanz stoßen wird. Die Arbeit ist vor allem jenen wärmstens als Lektüre zu empfehlen, die mehr über die „Psychologie des Humors“ und dessen Wirkung bei Serviceversagen erfahren möchten. Univ.-Prof. Dr. Andrea Gröppel-Klein Inhaberin des Lehrstuhls für Marketing und Direktorin des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken entstanden. Sie wurde im Oktober 2019 an der Fakultät für Empirische Humanwissenschaften und Wirtschaftswissenschaft (Bereich Wirtschaftswissenschaft) der Universität des Saarlandes als Dissertationsschrift angenommen. In den Jahren der Promotion haben mich zahlreiche Personen begleitet. Sie alle haben zum erfolgreichen Abschluss dieses Projektes beigetragen, und dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. An erster Stelle möchte ich meine akademische Lehrerin und Betreuerin, Frau Univ.-Prof. Dr. Andrea Gröppel-Klein, nennen, die mich zu jeder Zeit in meiner wissenschaftlichen Arbeit unterstützt hat. Die durchaus kritischen Diskussionen haben stets wertvolle Impulse geliefert, die die Arbeit letztlich zu dem gemacht haben, was sie heute ist. Ein ganz herzliches Dankeschön möchte ich auch Herrn Univ.-Prof. Dr. Bastian Popp für seine Tätigkeit als Zweitgutachter, Herrn Univ.-Prof. Dr. Michael Olbrich für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission, sowie Herrn PD Dr. Martin Becker als Mitglied der Prüfungskommission aussprechen. Auch den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am IKV gilt ein besonderer Dank. Allen voran Frau Dr. Friederike Mesquita Batista, die mich vom ersten Augenblick an in meinem Promotionsvorhaben bestärkt hat und nicht nur eine ganz wunderbare Kollegin, sondern auch sehr gute Freundin war und ist, sowie Frau Annette Köhler, die jegliches Chaos überblickte und mit ihrer liebenswürdigen Art jeden noch so stressigen Arbeitstag angenehmer gemacht hat. Danke auch an Herrn M.Sc. Markus Freichel für die gute und angenehme Zusammenarbeit, an Frau Dr. Anja Spilski für Rat und Tat zu jeder Zeit, an Frau M. Sc. Claudia Franke, Frau M.Sc. Kenya Kirsch und Herrn Dipl.-Psych. Kevin Krause, an Frau
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Vorwort
Dr. Jennifer Helfgen, Frau M. Sc. Katja Pfeifer, Frau Dipl.-Psych. Stefanie Leick, Herrn M. Sc. Sören Gry sowie an alle studentischen Hilfskräfte, die mich im Rahmen meiner Promotion unterstützt haben. Danke auch an meine Kolleginnen Hannah, Anna, Lisa und Samira, die mich moralisch unterstützt haben, sowie ein großes Dankeschön an meinen Chef Roman für das Verständnis und die vollste Unterstützung in der Endphase meiner Promotion. Abschließend möchte ich mich ganz besonders bei den Menschen bedanken, die mir persönlich sehr nahestehen und mich auf meinem Weg zu jeder Zeit seelisch und moralisch unterstützt haben. Von Herzen Danke an meine Familie, insbesondere an meine Mama, die alle Höhen und Tiefen der Promotionszeit mit mir durchlebt hat, an meine Freunde, insbesondere Manu, Katja, Julia und Bernd, und im letzten Jahr der Promotion auch Virginia, Silke und ganz besonders auch Katrin. Danke, dass ihr da wart, seid und bleibt. Und ein ganz herzliches Dankeschön an alle die, die mich hin und wieder einfach einmal auf andere Gedanken gebracht haben. Rückblickend würde ich die Frage, ob ich die Entscheidung, zu promovieren, nochmal treffen würde, mit „ja“ beantworten. Ich habe in dieser Zeit nicht nur in fachlicher Hinsicht viel gewonnen. Ich bin menschlich gewachsen und habe auch viel über und für das Leben gelernt. Vor allem habe ich gelernt zu erkennen, welche Träume es wert sind, dass man sie niemals aufgibt, sondern alles dafür tut, dass sie wahr werden. Dr. Sarah Kobel
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Inhalte und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Humorvolle Kommunikation: Humor aus kommunikationstheoretischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Das Konstrukt Humor – Begriffsbestimmung und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Terminologie von Humor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Abgrenzung unterschiedlicher Arten von Humor . . . . . . . . 2.2 Konzeptualisierung von Humor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Humor als Gegenstand multidisziplinärer Forschung: ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Motivationen zur Nutzung und Funktionen von Humor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1 Humor auf individueller Ebene: Motivation zur Nutzung von Humor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Humor auf sozialer Ebene: Funktionen von Humor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3 Humor auf kommunikativer Ebene: Integration von Motivationen und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.4 Empirische Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument – Diskussion und Forschungslücke . . . . . . . . . . .
1 1 7 11 12 12 15 19 19 24 25 28
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Inhaltsverzeichnis
3 Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Anbieter und Konsument im Kontext von Service-Fehlern und Service-Recovery . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal auf Konsumenten infolge von Service-Fehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Service-Fehler und Service-Recovery . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Die Befreiungstheorie und ihr Erklärungsbeitrag für die Wirkung von Humor als potentielle Maßnahme der Service-Recovery . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.1 Die Befreiungstheorie: Ursprung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2 Das gegenwärtige Verständnis der Befreiungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3 Das Konstrukt der Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.4 Die befreiende Wirkung von Humor in einem Service-Fehler-Kontext . . . . . . . . . . . . . 3.2 Wirkung einer durch Humor induzierten Befreiung bei den Konsumenten auf deren Urteilsbildung im Kontext von Service-Fehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Einflussfaktoren auf die postulierte befreiende Wirkung von Humor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Einfluss des Geschlechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Die moderierende Wirkung der Schwere der Service-Fehler-Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.1 Erkenntnisse der Befreiungstheorie: Verstärkung der Wirkung von Humor auf die Befreiung mit zunehmender Schwere der Service-Fehler-Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2 Benign Violation Theory: Reduzierung der Wirkung von Humor auf die Befreiung mit zunehmender Schwere der Service-Fehler-Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Analyse der Effektivität des Einsatzes von Humor im Vergleich mit Entschuldigung und ökonomischer Kompensation als Maßnahmen der Service-Recovery . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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47 48
49 50 57 57 59
66 73 73 74
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Inhaltsverzeichnis
5 Zusammenfassung der theoretischen Überlegungen und Hypothesenüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Empirische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Methodischer Ansatz zur Erfassung der befreienden Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Überblick über die durchgeführten empirischen Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung zum Service-Anbieter via wahrgenommene Befreiung und Nachsicht der Konsumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Zielsetzung von Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Stimulusmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3.1 Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3.2 Stichprobe und Fallausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3.3 Operationalisierung und Dimensionierung der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.4 Durchführung und Ergebnisse der Manipulation Checks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.5 Ergebnisse von Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.5.1 Ergebnisse zum Einfluss des Humorgehalts einer Aussage auf die eintretende Befreiung bei den Rezipienten . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.5.2 Ergebnisse zum Einfluss des Humorgehalts einer Aussage auf die Einstellung zum Service-Anbieter via wahrgenommene Befreiung und Nachsicht der Konsumenten . . . . 6.3.6 Reliabilität und Validität der Ergebnisse von Studie 1 . . . 6.3.7 Diskussion der Ergebnisse von Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Studie 2: Messung der durch Humor induzierten wahrgenommenen Befreiung bei Konsumenten in einem Service-Fehler-Kontext in Abhängigkeit von der Schwere der Service-Fehler-Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Zielsetzung von Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Stimulusmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3.1 Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . .
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91 97
97 100
103 103 104 116 116 117 118 121 123
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124 133 136
139 139 140 144 144
XII
Inhaltsverzeichnis
6.4.3.2 Stichprobe und Fallausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3.3 Operationalisierung und Dimensionierung der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.4 Durchführung und Ergebnisse der Manipulation Checks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.5 Ergebnisse von Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.5.1 Ergebnisse zum Einfluss des Humorgehalts einer Aussage auf die Einstellung zum Service-Anbieter via wahrgenommene Befreiung und Nachsicht der Konsumenten in Abhängigkeit der Schwere der Service-Fehler-Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.5.2 Zusätzliche Ergebnisse: Replizierbarkeit der Ergebnisse aus Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.6 Reliabilität und Validität der Ergebnisse von Studie 2 . . . 6.4.7 Diskussion der Ergebnisse von Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Studie 3: Analyse der Wirkung von Humor im Vergleich zur Wirkung von Entschuldigung und ökonomischer Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Zielsetzung von Studie 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Stimulusmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3.1 Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3.2 Stichprobe und Fallausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3.3 Operationalisierung und Dimensionierung der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.4 Durchführung und Ergebnisse der Manipulation Checks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.5 Ergebnisse von Studie 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.5.1 Ergebnisse zur Wirkung von Humor im Vergleich zur Wirkung einer Entschuldigung bzw. einer ökonomischen Kompensation im Kontext von Service-Fehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.5.2 Zwischenfazit zu den Ergebnissen von Studie 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145 147 149 153
153 161 162 165
169 169 171 173 173 173 176 178 179
179 190
Inhaltsverzeichnis
6.5.5.2.1 Potentieller Erklärungsansatz für die nicht postulierten Ergebnisse aus Studie 3: die Gerechtigkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . 6.5.5.2.2 Potentieller Erklärungsansatz für die hypothesenkonträren Ergebnisse aus Studie 3: Intensität der Recovery-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . 6.5.5.3 Ergebnisse von Studie 3 unter Simulation hoher Intensitäten der Recovery-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.5.4 Zwischenfazit zu den Ergebnissen der Simulationsanalyse (Studie 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.6 Reliabilität und Validität der Ergebnisse von Studie 3 . . . 6.5.7 Diskussion der Ergebnisse von Studie 3 . . . . . . . . . . . . . . . 7 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Zusammenführung der theoretischen und empirischen Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Ausblick und weiterer Forschungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Diskussion der methodischen Limitationen der Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Ansätze für die zukünftige Humorforschung . . . . . . . . . . . 7.2.3 Ansätze für die zukünftige Service-Forschung . . . . . . . . . . 7.3 Handlungsempfehlungen für Service-Anbieter beim Auftreten von Service-Fehlern im Hinblick auf den Einsatz von Humor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
193
200
201 207 208 210 215 215 219 219 227 229
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Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
239
Abkürzungsverzeichnis
Abb. CI enth. f ff H Int. inv. KMO Komm. Komp. M MSA NEO n. s. s. S. SD SE sign. Tab. vgl. vs. WOM
Abbildung Konfidenzintervall (Confidence Interval) enthalten (und) die folgende Seite (und) die folgenden Seiten Hypothese Intensität invers formuliertes Item (inverted item) Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium Kommunalitäten Komponente Mittelwert (Mean Value) Maß der Stichprobeneignung (Measure of Sampling Adequacy) Neurotizismus-Extraversion-Offenheit für Erfahrungen (Neuroticism-Extraversion-Openness) nicht signifikant siehe Seite Standardabweichung (Standard Deviation) Standardfehler (Standard Error) signifikant Tabelle vergleiche versus Mund-zu-Mund-Kommunikation (Word of Mouth)
XV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1 Abb. 3.1 Abb. 3.2
Abb. 6.1 Abb. 6.2 Abb. 6.3 Abb. 6.4 Abb. 6.5 Abb. 6.6 Abb. 6.7 Abb. 6.8 Abb. 6.9 Abb. 6.10
Humor-Stile nach Martin et al. (2003) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postulierter Wirkmechanismus von Humor in einem Service-Fehler-Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postulierter Wirkmechanismus von Humor in einem Service-Fehler-Kontext unter Berücksichtigung der moderierenden Wirkung der Schwere der Service-Fehler-Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Impressionen vom Untersuchungsraum am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Visualisierung von Hypothese 1 (Teil 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . Visualisierung von Hypothese 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statistisches Modell der seriellen Mediationsanalyse mit zwei Mediatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphische Darstellung der Ergebnisse der Prüfung von Hypothese 1 (Studie 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Visualisierung von Hypothese 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statistisches Modell der moderierten seriellen Mediationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphische Darstellung der Ergebnisse der Moderationsanalyse (H2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphische Darstellung der Ergebnisse der Prüfung von Hypothese 2 (Studie 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Simple-Effekts-Analyse: durch Humor ausgelöste Befreiung in Situationen mit geringem vs. hohem Schweregrad (Studie 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 72
83 117 123 125 126 129 153 154 156 159
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Abb. 6.11 Abb. 6.12
Abb. 6.13 Abb. 6.14 Abb. 6.15 Abb. 6.16 Abb. 6.17
Abbildungsverzeichnis
Graphische Darstellung der Ergebnisse der Prüfung von Hypothese 1 (Studie 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statistisches Modell der seriellen Mediationsanalyse mit einer multikategorialen unabhängigen Variablen mit drei Faktorstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphische Darstellung der Ergebnisse der Prüfung von Hypothese 3 (Studie 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphische Darstellung der zusätzlichen Ergebnisse der Prüfung von Hypothese 3 (Studie 3) (zweite Chance) . . . . . . Graphische Darstellung der zusätzlichen Ergebnisse der Prüfung von Hypothese 3 (Studie 3) (WOM) . . . . . . . . . . . . . Darstellung der Mittelwerte der betrachteten abhängigen Variablen (Studie 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung der Mittelwerte der im Modell berücksichtigten Variablen (Simulationsanalyse) . . . . . . . . . . .
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181 183 188 190 192 207
Tabellenverzeichnis
Tab. 2.1 Tab. 2.2 Tab. 2.3 Tab. 2.4 Tab. 2.5 Tab. 3.1 Tab. 3.2 Tab. 3.3 Tab. 3.4
Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.
5.1 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5
Definitorische Abgrenzung unterschiedlicher Humor-Konstrukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkenntnisse der Entstehungstheorien hinsichtlich der sozialen Wirkungen von Humor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studien zur positiven Wirkung von Humor in einem Service-Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studien zur negativen Wirkung von Humor in einem Service-Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studien zu kontroversen Wirkungen von Humor in einem Service-Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studien zum Zusammenhang zwischen Humor und Befreiung (Auswahl, Teil 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studien zum Zusammenhang zwischen Humor und Befreiung (Auswahl, Teil 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studien zum Zusammenhang zwischen Humor und Befreiung (Auswahl, Teil 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung empirischer Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation im Rahmen von Service-Begegnungen . . . . . Überblick über die Hypothesen der vorliegenden Arbeit . . . . . Überblick über die durchgeführten Untersuchungen . . . . . . . . Eingesetztes Stimulusmaterial in Studie 1 (Vignette) . . . . . . . Zusammensetzung der Stichprobe (Studie 1) . . . . . . . . . . . . . . Überblick über die erhobenen Konstrukte (Studie 1) . . . . . . . . Zusammenfassung der Ergebnisse der seriellen Mediationsanalyse (H1) (Studie 1, n = 169) . . . . . . . . . . . . . .
16 33 35 36 40 53 54 54
61 95 102 105 119 120 128
XIX
XX
Tabellenverzeichnis
Tab. 6.6 Tab. 6.7 Tab. 6.8 Tab. 6.9 Tab. 6.10
Tab. 6.11 Tab. 6.12 Tab. 6.13
Tab. 6.14
Tab. 6.15 Tab. 6.16 Tab. 6.17
Tab. Tab. Tab. Tab.
6.18 6.19 6.20 6.21
Tab. 6.22 Tab. 6.23 Tab. 6.24 Tab. 6.25
Mittelwerte der im Modell integrierten Variablen je Bedingung (Studie 1, n = 169) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indirekte Effekte des Humorgehalts auf die Einstellung zum Restaurant (H1) (Studie 1, n = 169) . . . . . . . . . . . . . . . . . Reliabilität der Messung der Konstrukte (Studie 1) . . . . . . . . . Manipulation der Moderatorvariablen „Schwere der Service-Fehler-Situation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paarweise Vergleiche der drei Vignetten hinsichtlich des Ausmaßes an ausgelöster Verärgerung (Games-Howell-Prozedur) (Pretest 5, n = 173) . . . . . . . . . . . . Zusammensetzung der Stichprobe (Studie 2) . . . . . . . . . . . . . . Überblick über die erhobenen Konstrukte (Studie 2) . . . . . . . . Paarweise Vergleiche der drei Vignetten hinsichtlich des Ausmaßes an ausgelöster Verärgerung (Tukey-Prozedur) (Studie 2, n = 308) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingter Einfluss des Humorgehalts der Aussage auf die wahrgenommene Befreiung in Abhängigkeit der Schwere der Situation (Studie 2, n = 201) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der Ergebnisse der moderierten Mediationsanalyse (H2) (Studie 2, n = 201) . . . . . . . . . . . . . . Mittelwerte der im Modell integrierten Variablen je Bedingung (Studie 2, n = 201) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indirekte Effekte des Humorgehalts auf die Einstellung zum Restaurant im Rahmen der moderierten Mediationsanalyse (H2) (Studie 2, n = 201) . . . . . . . . . . . . . . Reliabilität der Messung der Konstrukte (Studie 2) . . . . . . . . . Zusammensetzung der Stichprobe (Studie 3) . . . . . . . . . . . . . . Überblick über die erhobenen Konstrukte (Studie 3) . . . . . . . . Indikator-Codierung der unabhängigen Variable „Art der Recovery-Maßnahme“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der Ergebnisse der seriellen Mediationsanalyse (H3) (Studie 3, n = 260) . . . . . . . . . . . . . . Indirekte Effekte der Recovery-Maßnahmen auf die Einstellung zum Restaurant (H3) (Studie 3, n = 260) . . . . . . . Mittelwerte der im Modell integrierten Variablen je Bedingung (Studie 3, n = 260) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indirekte Effekte der Recovery-Maßnahmen auf die Bereitschaft zur zweiten Chance (Studie 3, n = 260) . . . . . . .
130 130 136 141
143 147 148
151
155 158 159
160 165 175 177 181 182 184 185 189
Tabellenverzeichnis
Tab. 6.26 Tab. 6.27 Tab. 6.28 Tab. 6.29 Tab. 6.30 Tab. 6.31 Tab. 7.1
Indirekte Effekte der Recovery-Maßnahmen auf die WOM (Studie 3, n = 260) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelwerte der betrachteten abhängigen Variablen je Bedingung (Studie 3, n = 260) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über die Stichprobengröße im Rahmen der Simulationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikator-Codierung der unabhängigen Variable „Art der Recovery-Maßnahme“ (Simulation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelwerte der im Modell integrierten Variablen je Bedingung (Simulationsanalyse, n = 240) . . . . . . . . . . . . . . . . Reliabilität der Messung der Konstrukte (Studie 3) . . . . . . . . . Überblick über die Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
191 191 202 203 206 209 220
1
Einführung
1.1
Problemstellung
Die Qualität einer Dienstleistung stellt einen wesentlichen Einflussfaktor auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Dienstleistungsunternehmens dar (vgl. Woratschek, Horbel, Popp und Ströbel 2015, S. 99). Dienstleistungsanbieter sind daher bestrebt, die Austauschbeziehungen mit ihren Kunden stets optimal, das heißt frei von Fehlern, zu gestalten. Aufgrund der Tatsache aber, dass die Erstellung und Erbringung von Dienstleistungen meist menschliches Zutun erfordern (vgl. Varela-Neira, Vázquez-Casielles und Iglesias-Argülles 2008, S. 497), ist es selbst dem besten Anbieter nahezu unmöglich, den Kunden tatsächlich immer einen gänzlich reibungslosen Service zu garantieren (vgl. Fang, Luo und Jiang 2013, S. 341). Service-Fehler (Serviceversagen), das heißt tatsächliche oder vom Kunden nur als solche empfundene service-bezogene Probleme während der Service-Begegnung (vgl. Maxham III 2001, S. 11), stellen eine Bedrohung für Unternehmen der Dienstleistungsbranche dar. Erhalten Kunden nämlich keinen fehlerfreien Service, kann dies mit negativen Auswirkungen auf das Image des Unternehmens einhergehen. Negative Mund-zu-Mund-Kommunikation kann dazu führen, dass potentielle Interessenten aufgrund der berichteten negativen Erfahrungen von einer Inanspruchnahme der Dienstleitung (z. B. dem Besuch eines Restaurants) absehen. Hinzu kommt, dass sich negative Bewertungen heute über das Internet nicht nur rasant verbreiten können, sondern gleichzeitig auch eine weitaus größere Zahl an Konsumenten erreichen als persönliche Mund-zuMund-Kommunikation. Bei dem betroffenen Kunden selbst lösen Service-Fehler negative Emotionen wie Ärger, Enttäuschung, Bedauern oder Sorge aus (vgl. Mattila und Ro 2008, S. 92), die für das Unternehmen im schlimmsten Fall
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kobel, Humorvolle Kommunikation bei Serviceversagen, Forschungsgruppe Konsum und Verhalten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31474-3_1
1
2
1
Einführung
einen Verlust dieses Kunden bedeuten können. Die Notwendigkeit einer adäquaten Reaktion auf aufgetretene Service-Fehler seitens des Anbieters wird damit offensichtlich, um daraus entstehende finanzielle Schäden von dem Unternehmen abzuwenden. Die Tatsache, dass die Kosten zur Gewinnung neuer Kunden die Kosten zum Halten bestehender Kunden um ein Vielfaches übersteigen (vgl. Hart, Heskett und Sasser 1990, S. 149), untermauert diese Notwendigkeit. Hinzu kommt, dass sich die Branche insgesamt einer angespannten Ertragssituation entgegensieht (vgl. Dehoga Bundesverband 2019a). Zwar befindet sich das Gastgewerbe in Deutschland seit Jahren auf einem Wachstumskurs: Im Jahr 2018 verzeichnen Hotels und Restaurants ein Umsatzplus von (nominal) 3,2% im Vergleich zum Vorjahr (vgl. Dehoga Bundesverband 2019a). Dies entspricht einem Jahresumsatz (netto) von ca. 89,7 Milliarden Euro im Jahr 2018 (vgl. Dehoga Bundesverband 2019b). Zunehmende bürokratische Belastungen sowie steigende Betriebs- und Personalkosten aber gelten als Gefahren für das Wachstum und stellen die Unternehmen der Branche vor finanzielle Herausforderungen. Während diese Belastungen allerdings überwiegend politischer Natur und damit von den Unternehmen nur schwer zu beeinflussen sind, liegen die finanziellen Bedrohungen, die sich aufgrund von Service-Fehlern ergeben, im Verantwortungsbereich der Anbieter selbst und können damit als Stellschraube des wirtschaftlichen Erfolgs dienen. Die Wahl einer geeigneten Maßnahme als Reaktion auf aufgetretene ServiceFehler aber gestaltet sich in der Praxis schwierig. Zum einen sind Konsumenten generell zunehmend weniger tolerant gegenüber Service-Fehlern als solchen. Damit geht einher, dass auch die Ansprüche an die Reaktion seitens des Unternehmens stetig wachsen (vgl. Bambauer-Sachse und Rabeson 2015, S. 331). Zum anderen birgt eine misslungene Anstrengung des Unternehmens die Gefahr, die negativen Auswirkungen der aufgetretenen Service-Fehler noch zu verstärken (vgl. DeWitt, Nguyen und Marshall 2008, S. 269f). Eine erfolgreich unternommene Anstrengung des Service-Anbieters als Reaktion auf den Service-Fehler hingegen kann die Beziehung zum Kunden nicht nur retten, sondern sogar verbessern (vgl. Hart et al. 1990, S. 148) und ist damit von essentieller Bedeutung (vgl. Bolton und Mattila 2015, S. 141). Ihr wird die Fähigkeit zugesprochen, die Loyalität des Kunden gegenüber dem Unternehmen positiv zu beeinflussen (vgl. DeWitt et al. 2008, S. 269f). Roschk und Gelbrich (2014, S. 207) stellen heraus, dass das Anbieten ökonomischer Formen der Kompensation (z. B. Geld zurück, ein Preisnachlass, der Austausch eines Guts oder eine Neuerbringung der Dienstleistung wie beispielsweise die Neuzubereitung eines ungenießbaren Essens) als erfolgversprechend im Rahmen der Service-Recovery, d. h. in Reaktion auf aufgetretene Service-Probleme (vgl. Kelley und Davis 1994, S. 52), betrachtet werden
1.1 Problemstellung
3
kann. Jedoch stellt die Problematik, dass bei finanziellen Entschädigungen deren Höhe optimal gewählt werden muss (eine zu hohe Kompensation könnte negative Auswirkungen entfalten, z. B. Schuldgefühle bei den Konsumenten auslösen (vgl. Gelbrich und Roschk 2011, S. 43)), den Service-Anbieter vor Schwierigkeiten. Hinzu kommt, dass eine ökonomische Kompensation an sich einen finanziellen Aufwand für das Unternehmen darstellt – unabhängig davon, ob sie in Geldoder Sachmitteln erbracht wird. Dies bedeutet, dass die drohenden finanziellen Verluste des Unternehmens infolge von Service-Fehlern durch das Anbieten einer adäquaten Entschädigung zwar vermutlich abgewendet werden können; diese Entschädigung verursacht jedoch selbst finanziellen Aufwand, wenn sie in Form einer ökonomischen Kompensation besteht. In Anbetracht dessen stellt sich die Frage nach einer alternativen Maßnahme der Service-Recovery. Die Ansprüche, die an eine solche zu stellen sind, sind zweierlei: Damit das geschilderte Problem gelöst werden kann, muss die Maßnahme in ihrer Wirkung auf infolge von Service-Fehlern negativ gestimmte Konsumenten vergleichbar effektiv sein wie eine ökonomische Kompensation. Gleichzeitig sollte sie mit weniger Kosten für den Anbieter einhergehen. Die vorliegende Arbeit untersucht das Potential von Humor als eine solche Maßnahme. Humor geht, anders als eine ökonomische Entschädigung, nicht mit finanziellem Aufwand für das Unternehmen einher. Wenngleich der Einsatz von Humor in diesem Kontext zunächst paradox erscheinen mag, so können Humor vielfältige Funktionen zugeschrieben werden. Diese Erkenntnis gründet sich auf ein umfassendes wissenschaftliches Interesse an der Wirkung von Humor, der seit Jahrzehnten Gegenstand multidisziplinärer Forschung ist – von der Biologie über die Soziologie bis hin zur Psychologie und der Betriebswirtschaftslehre. Alleine im Bereich der Psychologie ist die Anzahl wissenschaftlicher Beiträge, die die Begriffe „Humor“ oder „Lachen“ im Titel tragen, von zwei (im Zeitraum 1900– 1909) über 22 (im Zeitraum 1950–1959) bis auf 464 (im Zeitraum 2010–2016) angestiegen (vgl. Martin und Ford 2018, S. 15). Im breiten Forschungsgebiet der Konsumentenverhaltensforschung liegt der stärkste Fokus zweifelsfrei auf der Erforschung der Wirkung von Humor in der Werbung. Hier hat sich Humor seit Jahrzehnten als Mittel etabliert, das „tatsächlich wirkt“ (Eisend und Kuß 2018, S. 349). Dem Einsatz von Humor wird hierbei unter anderem die Fähigkeit zugesprochen, die Einstellung zur Werbung sowie auch zur Marke zu verbessern (vgl. Weinberger und Gulas 1992, S. 44, 57; Eisend 2009, S. 197; Eisend und Kuß 2018, S. 352), negative Kognitionen bezüglich der Werbung zu verringern (vgl. Eisend 2011, S. 126), positive Emotionen bei den Konsumenten zu erzeugen und negative Emotionen zu reduzieren (vgl. Eisend 2009, S. 126; Eisend und
4
1
Einführung
Kuß 2018, S. 352). Es stellt sich die Frage, ob Humor auch in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument (als Reaktion auf aufgetretene Service-Fehler) ähnlich positive Wirkungen entfalten kann wie in der Werbung (d. h. im Rahmen der Massenkommunikation, vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2019, S. 542). Wäre dies zu bejahen, würde sich Humor als vielversprechende Maßnahme der Service-Recovery qualifizieren. Ob dies allerdings der Fall ist, ist – trotz des immensen Forschungsinteresses der letzten Jahrzehnte – zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus verschiedenen Gründen unklar. Von einer generellen Übertragbarkeit der Erkenntnisse zu Humor aus dem Bereich der Massen- auf den Bereich der persönlichen Kommunikation jedenfalls kann nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Söderlund, Oikarinen und Heikka (2017, S. 262) weisen darauf hin, dass sich das Gewicht, welches Humor im Gesamtkontext einnimmt, zwischen humorvoller Massenkommunikation (Humor nimmt hier meist eine dominante Rolle ein, sodass die Botschaft erst durch den Humor ihren Sinn erhält und ohne Humor für sich genommen keinen Bestand haben kann) und humorvoller persönlicher Kommunikation (Humor wird hier in die Interaktion integriert und ist damit von zahlreichen anderen Informationen umgeben) deutlich unterscheiden kann, sodass eine Vergleichbarkeit nicht zwangsläufig angenommen werden kann. Auch die Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation liefern keine eindeutigen Hinweise auf die Wirkung von Humor in Folge aufgetretener Service-Fehler. Ein vielversprechendes Potential von Humor ergibt sich zunächst grundsätzlich auf Basis der sogenannten Befreiungstheorie (vgl. Spencer 1860; Freud 1905, 1960). Diese postuliert, dass Humor eine befreiende im Sinne einer innere Anspannung auflösenden Wirkung entfalten kann (vgl. Meyer 2015, S. 15). Im Rahmen dieser Theorie verankerte Erkenntnisse zeigen, dass Humor beispielsweise dazu genutzt werden kann, bestehende Ängste aufzulösen oder Aggressionen abzubauen (vgl. z. B. Baron und Ball 1974; Campbell, Martin und Ward 2008) und so die negative emotionale Befindlichkeit des Rezipienten in eine positive zu transferieren (vgl. De Koning und Weiss 2002). Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund relevant, dass Service-Fehler, wie dargestellt, mit negativen Emotionen bei den betroffenen Konsumenten einhergehen, die es durch geeignete Maßnahmen aufzulösen gilt. Weiterhin kann es durch den Einsatz von Humor gelingen, Konversationen zu vereinfachen, indem Humor gegenseitige Feindseligkeiten zwischen den Parteien aufhebt (vgl. Morreall 1991, S. 371). Humor kann insgesamt als Instrument zur Minderung oder Lösung von Konflikten betrachtet werden (vgl. Hall 2013, S. 273; Warren, Barsky und McGraw 2018, S. 544). Die Frage nach dem Wie ist hierbei allerdings nicht geklärt. In
1.1 Problemstellung
5
der Forschung wird daher zunehmend die Forderung laut, den Wirkmechanismus von Humor in diesem Kontext zu untersuchen, um dessen Wirkung nicht nur abzubilden, sondern auch umfassend erklären zu können (vgl. Warren et al. 2018, S. 544). Entgegen der weit verbreiteten Annahme nämlich, dass Humor generell positiv wirkt (vgl. Warren et al. 2018, S. 529), kann er auch gegensätzliche Effekte entfalten (vgl. Söderlund und Oikarinen 2018, S. 61). So erfährt Humor in der Kommunikation die Bezeichnung als „zweischneidiges Schwert“ (vgl. Meyer 2000; Martin und Ford 2018, S. 280). Damit ist allerdings unklar, ob die positive Wirkung, die die Befreiungstheorie dem Einsatz von Humor grundsätzlich zuspricht, auch in einem Service-Fehler-Kontext realisiert werden kann. Die Forschung, die die Wirkung von Humor spezifisch im Rahmen der Interaktion zwischen Service-Anbieter und Konsument untersucht, steht noch am Anfang (vgl. Chiew, Mathies und Patterson 2019, S. 110). Diejenigen Studien, die derzeit in diesem Kontext existieren, weisen konträre Ergebnisse auf. Einige Studien sprechen Humor eine positive emotionale Wirkung in der Service-Interaktion zu. So kann dieser beispielsweise die Freude an der Interaktion mit dem ServiceAnbieter steigern (vgl. Chiew et al. 2019, S. 121). Andere Untersuchungen (z. B. Söderlund und Oikarinen 2018) hingegen weisen einen negativen Einfluss von Humor auf die emotionale Befindlichkeit der Rezipienten nach. Die Tatsache, dass in der Forschung derart konträre Ergebnisse hinsichtlich der Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation existieren, bekräftigt die Notwendigkeit, den zugrundeliegenden Wirkmechanismus von Humor in diesem Kontext intensiv zu untersuchen. Hinzu kommt, dass Humor in Service-Interaktionen zwar zunehmend wissenschaftliches Interesse erfährt. Als Reaktion auf Service-Fehler und damit als Maßnahme der Service-Recovery aber scheint Humor zum Zeitpunkt des Verfassens der vorliegenden Arbeit nicht empirisch untersucht, sodass speziell hier Unsicherheit hinsichtlich seiner Wirkung herrscht. Hieraus resultiert eine erste Forschungslücke, die die vorliegende Arbeit adressiert. Um diese zu schließen, wird nachfolgendes Forschungsziel formuliert: Es gilt zu überprüfen, ob eine positive emotionale Wirkung von Humor auf infolge von Service-Fehlern negativ gestimmte Konsumenten denkbar ist (und damit die Erkenntnisse der Befreiungstheorie auf den Service-Fehler-Kontext übertragbar sind) und ob darüber die Beurteilung der Situation positiv beeinflusst und negative Auswirkungen auf den Anbieter abgewendet werden können. Aufgrund der Gefahr, dass eine misslungene Recovery die negativen Effekte eines ServiceFehlers zu verstärken droht, sollte die Wirkung, die Humor in diesem Kontext entfaltet, einer umfassenden wissenschaftlichen Analyse unterzogen werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind hinsichtlich dieses Wirkmechanismus nahezu keine
6
1
Einführung
empirischen Erkenntnisse vorhanden, während gleichzeitig Forderungen nach dessen Identifikation laut werden (vgl. Mathies, Chiew und Kleinaltenkamp 2016, S. 138). Primär verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, diesbezüglich einen Erklärungsbeitrag für die Humor- sowie die Service-Forschung zu leisten. Dieser ist darin zu sehen, dass die auf Basis der Befreiungstheorie gewonnenen Erkenntnisse auf einen neuen Kontext übertragen werden und mit der potentiellen Eignung von Humor als Recovery-Maßnahme eine bislang unberücksichtigte Funktion von Humor empirisch untersucht wird. Ein grundlegendes Verständnis des Wirkmechanismus ist auch aus praktischer Perspektive essentiell. Es gilt die Frage zu beantworten, ob Humor infolge von Service-Fehlern eingesetzt werden kann, um emotional aufgebrachte Konsumenten in ihrer Befindlichkeit und schließlich Urteilsbildung positiv zu beeinflussen, oder ob Humor seine Wirkung in diesem Kontext verfehlt. Aufbauend auf den empirischen Untersuchungen zum grundlegenden Wirkmechanismus von Humor gilt es in einem zweiten Schritt, die identifizierte Wirkung von Humor mit bestehenden Maßnahmen der Service-Recovery zu vergleichen, um das Potential von Humor umfassend bewerten zu können. Wie dargestellt liegen keine Erkenntnisse dazu vor, wie Humor als Maßnahme der Service-Recovery wirkt. Insbesondere fehlt es damit auch an einem Vergleich dieser Wirkung mit bestehenden Maßnahmen, worin sich eine zweite Forschungslücke begründet, die diese Arbeit zu schließen bestrebt ist. Im Rahmen dieses Vergleichs rückt der Fokus von der in der Service-Literatur überwiegend betrachteten Gerechtigkeit der Kompensation auf die Analyse der Wirkung der Maßnahmen auf die emotionale Befindlichkeit der Konsumenten, die infolge von Service-Fehlern negative Emotionen verspüren. Auch in diesem Zusammenhang verfolgt die Arbeit das Ziel, einen Erkenntnisgewinn für die Humor- und Serviceforschung zu liefern. Für die Service-Praxis liegt die Relevanz in der Klärung der Frage, ob das ServicePersonal aufgrund von Service-Fehlern emotional aufgebrachten Konsumenten mit Humor begegnen sollte, oder ob andere Recovery-Maßnahmen zu bevorzugen wären, um eine bestmögliche Wirkung zu erzielen. Dies schließt die Klärung der Frage mit ein, ob Humor als erfolgversprechende Alternative zu einer ökonomischen Kompensation fungieren und damit eine finanzielle Entlastung für den Service-Anbieter darstellen kann. Die Vorgehensweise zur Klärung der skizzierten wissenschaftlichen sowie praktischen Fragestellungen wird in Abschnitt 1.2 geschildert.
1.2 Inhalte und Aufbau der Arbeit
1.2
7
Inhalte und Aufbau der Arbeit
In Kapitel 1 wurden die zentrale Problemstellung der Arbeit und die bestehenden Forschungslücken aufgezeigt sowie die formulierten Forschungsziele dargelegt. Kapitel 2 widmet sich einer umfassenden Beleuchtung der humorvollen Kommunikation. Hierbei wird zunächst ein einheitliches Begriffsverständnis von Humor geschaffen. Das Verständnis von Humor als Stimulus wird klar von weiteren bestehenden Begriffsverständnissen abgegrenzt, daneben werden unterschiedliche Arten von Humor skizziert. Nach einem einleitenden Überblick über das wissenschaftliche Interesse verschiedener Disziplinen an der Wirkung von Humor wird eine umfassende Konzeptualisierung des Konstrukts vorgenommen, um eine ganzheitliche Betrachtung der Funktionen von Humor in der persönlichen Kommunikation zu ermöglichen. Neben einer Betrachtung genereller Erkenntnisse werden insbesondere die Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in dem interessierenden Service-Kontext herangezogen und vor dem Hintergrund inkonsistenter Ergebnisse kritisch diskutiert. In Kapitel 3 wird das Ziel der Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus von Humor im Rahmen der Service-Recovery adressiert. Zunächst wird die Service-Begegnung als solche betrachtet und als sozialer Austauschprozess zwischen Anbieter und Konsument charakterisiert. Das Hauptaugenmerk in diesem Abschnitt liegt auf der Identifikation eines gut fundierten theoretischen Ansatzes, der die interessierende Wirkung von Humor erklären kann. Die auf Spencer (1860) und Freud (1905, 1960) zurückgehende Befreiungstheorie, eine der fundamentalen Humortheorien, wird vor dem Hintergrund ihres Erklärungsbeitrages zur Wirkung von Humor in einem Service-Fehler-Kontext beleuchtet. Das Konstrukt der Befreiung als solches wird aus heutiger Perspektive erläutert und eine potentiell befreiende Wirkung von Humor infolge aufgetretener ServiceFehler diskutiert. Mit Hilfe des Rosarote-Brille-Effekts soll darauf aufbauend erklärt werden, wie der auf Basis der Befreiungstheorie postulierte affektive Zustand der Konsumenten sich auf nachfolgende Beurteilungsdimensionen auswirkt. Betrachtet wird die Nachsichtigkeit der Konsumenten bei der Beurteilung der Service-Situation. Schließlich werden die Ausführungen um Erkenntnisse aus der Service-Forschung ergänzt, um die Wirkung auf die Einstellung zum Service-Anbieter vermuten und den Wirkmechanismus von Humor damit insgesamt beleuchten zu können. Die daraus abgeleitete Hypothese 1 trifft Annahmen über diesen Wirkmechanismus. Darauf aufbauend werden in einem nächsten Schritt mögliche Einflussfaktoren auf die in Hypothese 1 postulierte Wirkung von Humor betrachtet. Neben der Darstellung möglicher Einflüsse des Geschlechts, die der Annahme Rechnung trägt, dass Männer und Frauen Humor unterschiedlich
8
1
Einführung
wahrnehmen können, liegt der Fokus auf der Analyse, wie ein unterschiedlicher Schweregrad der aufgetretenen Service-Fehler die postulierte Wirkung von Humor auf die wahrgenommene Befreiung bei den Konsumenten beeinflusst. Mit der Benign Violation Theory wird eine neuere Humortheorie vorgestellt, die zur Erklärung dieses Einflusses herangezogen werden kann. Der Wirkung eines unterschiedlichen Schweregrads der Service-Fehler wird in Hypothese 2 Ausdruck verliehen. Die Hypothesen 1 und 2 treffen damit grundlegende Annahmen über den Wirkmechanismus, der Humor in einem Service-Fehler-Kontext zugrunde liegt. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird in Kapitel 4 schließlich ein Vergleich der postulierten Wirkung von Humor mit klassischen Maßnahmen der Service-Recovery vorgenommen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen eine Entschuldigung durch das Service-Personal sowie eine ökonomische Kompensation, welche vor dem Hintergrund einer möglichen befreienden Wirkung betrachtet werden. Hierbei wird das Hauptaugenmerk also auf die Frage gerichtet, wie sich Humor im Vergleich zu Entschuldigung und ökonomischer Kompensation auf die emotionale Befindlichkeit der Konsumenten und darüber schließlich auf nachfolgende Beurteilungsdimensionen auswirkt. Dieser Vergleich manifestiert sich in Hypothese 3, die auch der praktischen Relevanz der Arbeit Rechnung trägt. Durch den angestrebten Vergleich der Wirkung von Humor, Entschuldigung und ökonomischer Kompensation nämlich sollen wissenschaftliche Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche der Maßnahmen sich als effektivste Reaktion auf Service-Fehler erweist und darauf aufbauend, ob der finanzielle Aufwand für Unternehmen, der aus dem Anbieten einer ökonomischen Kompensation resultiert, durch den alternativen Einsatz von Humor minimiert werden kann. Kapitel 5 dient der Zusammenfassung der angestellten theoretischen Überlegungen und gibt einen Überblick über die aufgestellten Hypothesen der vorliegenden Arbeit. Kapitel 6 bildet den empirischen Teil der Arbeit. In einem ersten Schritt werden unterschiedliche methodische Ansätze zur Messung des Konstrukts der Befreiung diskutiert und schließlich eine basierend auf den theoretischen Annahmen entwickelte Skala zur verbalen Messung vorgestellt. Es werden neun Vorstudien präsentiert, die der Vorabüberprüfung der eingesetzten Skala sowie der Eignung des Stimulusmaterials dienen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Vorstellung der durchgeführten empirischen Untersuchungen und ihren Ergebnissen. Die Studien 1 und 2 zielen auf die Identifikation des generellen Wirkmechanismus von Humor in einem Service-Fehler-Kontext und vergleichen die Wirkung
1.2 Inhalte und Aufbau der Arbeit
9
von Humor mit einer neutralen Baseline. Sie dienen der Überprüfung der Hypothesen 1 und 2. Studie 3 vergleicht die Wirkung von Humor mit klassischen Recovery-Maßnahmen und dient der Überprüfung von Hypothese 3. Die Arbeit schließt mit Kapitel 7. Hier werden die theoretischen Annahmen mit den Ergebnissen der empirischen Untersuchungen zusammengeführt. Der Abschnitt beinhaltet eine Diskussion der Limitationen der durchgeführten Untersuchungen. Ferner bietet er eine umfassende Würdigung der gewonnenen Erkenntnisse und formuliert daran anknüpfend Implikationen für künftige Forschungsarbeiten sowie Handlungsempfehlungen für die Service-Praxis.
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Humorvolle Kommunikation: Humor aus kommunikationstheoretischer Perspektive
“Humor is one of the most effective forms of communication that humans employ, yet it is overlooked. Humor is such an essential ingredient in communication that it has been referred to as a lubricant for social life. Unfortunately, however, humor is generally not fully recognized as a critical tool for use in the professional setting.” (Dziegielewski et al. 2003, S. 75). Wenngleich diese Erkenntnis bereits mehr als 15 Jahre alt ist, so besitzt sie noch heute ihre Gültigkeit. Während Humor in verschiedensten Disziplinen seit Jahrzehnten Gegenstand empirischer Forschung ist, sind nur wenige Untersuchungen zur Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument existent (vgl. Söderlund et al. 2017, S. 260; Chiew et al. 2019, S. 110). Untersuchungen, die sich mit Humor in der interpersonellen Kommunikation generell beschäftigen, weisen hinsichtlich dessen Wirkung teils inkonsistente Ergebnisse auf. Dies ist nicht zuletzt auf existierende Unstimmigkeiten hinsichtlich Begriffsbestimmung, Abgrenzung und Konzeptualisierung von Humor zurückzuführen (vgl. z. B. Martin 2001, S. 505; Hall 2017, S. 306). In Abschnitt 2.1 soll zunächst eine Betrachtung unterschiedlicher Begriffsverständnisse von Humor (2.1.1) sowie unterschiedlicher Humor-Arten (2.1.2) erfolgen. In Abschnitt 2.2 wird Humor vor dem Hintergrund des bestehenden multidisziplinären Forschungsinteresses beleuchtet und seine Entstehung sowie insbesondere seine Funktionen in der Kommunikation diskutiert, um die notwendigen theoretischen Grundlagen für die vorliegende Arbeit zu schaffen und den Wirkmechanismus von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument analysieren zu können.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kobel, Humorvolle Kommunikation bei Serviceversagen, Forschungsgruppe Konsum und Verhalten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31474-3_2
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2
Humorvolle Kommunikation: Humor aus kommunikationstheoretischer …
2.1
Das Konstrukt Humor – Begriffsbestimmung und Abgrenzung
2.1.1
Terminologie von Humor
Humor ist ein Phänomen, das Omnipräsenz in den verschiedensten Lebensbereichen von Individuen besitzt. Er zeigt sich in vielfältigen Formen mit unterschiedlichsten Funktionen und Zielen: So werden Individuen über Massenmedien mit Humor konfrontiert, wenn beispielsweise Radiosendungen oder Werbespots im Fernsehen humorvoll gestaltet sind. Auch wird Humor von diversen Kommunikatoren (z. B. Politikern, Motivationstrainern oder religiösen Führern) bewusst in Reden eingesetzt (vgl. Meyer 2015, S. 15). Häufig aber entsteht Humor auch spontan bei der Interaktion mit anderen Personen (vgl. Martin und Ford 2018, S. 19): Individuen scherzen gemeinsam, jemand erzählt einen Witz, berichtet eine humorvolle Anekdote oder äußert eine humorvolle Bemerkung (vgl. Martin und Ford 2018, S. 1). Dieses Phänomen zeigt sich zum Beispiel unter Partnern, Freunden, Kollegen oder Geschäftspartnern, aber auch zwischen Lehrern und Schülern, Arzt und Patienten, oder sogar zwischen Fremden, die beispielsweise irgendwo gemeinsam in einer Schlange warten (vgl. Martin und Ford 2018, S. 19). Bereits im Jahr 1973 stellten Sternthal und Craig (1973, S. 13), unter Bezugnahme auf Sully (1902, S. 297), heraus, dass nur wenige Konstrukte existieren, mit deren Nutzung im täglichen Sprachgebrauch und im Leben generell Individuen derart vertraut sind, während es gleichzeitig an einer wissenschaftlich präzisen Definition fehlt. Trotz des umfassenden Forschungsinteresses (s. Abschnitt 2.2.1), das Humor erfährt, hat sich dies bis heute nicht geändert; noch immer fehlt es an einer einheitlichen Begriffsdefinition des Konstrukts Humor (vgl. MesmerMagnus, Glew und Viswesvaran 2012, S. 157). Stattdessen sind die existenten Definitionen vielfältig. So kann Humor beispielsweise definiert werden als “Any event shared by an agent (…) with another individual (…) that is intended to be amusing to the target and that the target perceives as an intentional act” (Cooper 2005, S. 766f). Gleichzeitig kann Humor aber auch als “(..) psychological response characterized by the positive emotion of amusement, the appraisal that something is funny, and the tendency to laugh” (Warren und McGraw 2016a, S. 407) charakterisiert werden. Während die erste Definition Humor als kommunikative Maßnahme (vgl. Lynch 2002, S. 423) und damit als Stimulus versteht (ebenso z. B. Martineau 1972, S. 114; Duncan 1984, S. 896; Lee und Kleiner 2005, S. 180; Robert und Yan 2007, S. 209), wird Humor in der zweiten Definition vielmehr als Ergebnis statt als Stimulus betrachtet (ebenfalls z. B. Romero und Cruthirds 2006, S. 59;
2.1 Das Konstrukt Humor – Begriffsbestimmung und Abgrenzung
13
McGraw und Warren 2010, S. 1141). Die Betrachtung von Humor als psychologischer Prozess, der mit der Kreation oder der Wahrnehmung von Humor als solchem einhergeht (vgl. Martin 2001, S. 505), legt das Verständnis von Humor als intervenierende Variable zugrunde. Anstelle einer klar abgegrenzten Definition herrscht damit ein breites Begriffsverständnis vor, “that represents anything that people say or do that others perceive as funny and tends to make them laugh, as well as the mental processes that go into both creating and perceiving such an amusing stimulus, and also the emotional response (…) involved in the enjoyment of it” (Martin und Ford 2018, S. 3). Wie aus den angeführten definitorischen Ansätzen zum Teil ersichtlich wird, kann Humor hierbei (1) in „vorgefertigter“ Art und Weise (z. B. in Form einer humorvollen Anekdote, die erinnert und weitergetragen wird, oder in Form eines klassischen Witzes) bestehen oder aber (2) spontan im Rahmen der Kommunikation zwischen Individuen zustande kommen und in verbaler oder non-verbaler Form vorliegen sowie (3) beabsichtigt oder zufällig entstehen (vgl. Martin 2007, S. 11). Teilweise wird Humor mit Sinn für Humor gleichgesetzt, obwohl die beiden Konstrukte unterschiedliche Aspekte des Humors betreffen (vgl. Mesmer-Magnus et al. 2012, S. 157). Auch Sinn für Humor wird auf unterschiedliche Weisen definiert (vgl. z. B. Martin 2001, S. 505; Mesmer-Magnus et al. 2012, S. 158). Überwiegend aber wird er als Persönlichkeitsvariable verstanden (vgl. Martin und Lefcourt 2004, S. 2; Mesmer-Magnus et al. 2012, S. 158), d. h. als stabiler, individueller Unterschied hinsichtlich der Tendenz, Dinge als humorvoll zu erachten oder Humor einzusetzen (vgl. Warren et al. 2018, S. 531), und ist damit konzeptionell von Humor zu trennen. Diese vielfältigen definitorischen Ansätze erschweren eine Klassifikation der Humor-Literatur und damit auch eine Analyse der Wirkungen von Humor in der interpersonellen Kommunikation. Warren et al. (2018, S. 530) fassen, ähnlich wie Martin (2007, S. 5), zusammen, dass Humor als „Dachbegriff“ für viele verwandte Konstrukte fungiert. Humor ist demnach “(1) a stimulus that elicits laughter and amusement (e.g., a joke); (2) a psychological state associated with laughter and amusement (e.g., a response to a joke); (3) the act of creating something funny (e.g., telling a joke); and (4) an individual difference in the tendency to laugh or to amuse others (i.e., a disposition to tell or laugh at jokes).” Die Autoren plädieren dafür, diese unterschiedlichen Facetten konzeptuell voneinander abzugrenzen, weshalb sie unterschiedliche Bezeichnungen wählen, sodass im Rahmen einer Untersuchung klar erkennbar wird, welche dieser konzeptuellen Aspekte von Humor im Fokus des Interesses steht. Auch Cooper (2008, S. 1089) legt nahe, dass in wissenschaftlichen Untersuchungen diejenige Definition von Humor zu wählen ist, die für die spezifische Untersuchung und deren zugrundeliegende
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2
Humorvolle Kommunikation: Humor aus kommunikationstheoretischer …
Fragestellung relevant ist. Dies trägt nicht nur zu einer Steigerung der Präzision des Begriffs „Humor“ und einer Vergleichbarkeit empirischer Erkenntnisse bei, sondern nimmt auch Einfluss auf die Operationalisierung von Humor im Rahmen unterschiedlicher Untersuchungen (vgl. Mesmer-Magnus et al. 2012, S. 156). Humor wird in der (interpersonellen) Kommunikation die Fähigkeit zugeschrieben, die Rezipienten zu beeinflussen (vgl. Meyer 2015, S. 7). Zur näheren Analyse dieser Fähigkeit bedarf es einer hinsichtlich des Untersuchungskontexts relevanten Begriffsbestimmung des Konstrukts. Im Rahmen dieser Arbeit ist es primäres Ziel, den Wirkmechanismus, der dem Einsatz von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument zugrunde liegt, zu identifizieren. Von Interesse ist dabei insbesondere die Fragestellung, ob Humor geeignet ist, den infolge von Service-Fehlern verstimmten Konsumenten zu besänftigen und ihn damit in der intendierten Weise positiv zu beeinflussen. Es ist damit ein Begriffsverständnis zu wählen, das Humor als Stimulus betrachtet, der durch das Service-Personal bewusst mit dieser Motivation eingesetzt wird und auf den Konsumenten als Rezipienten trifft. Das vorliegend relevante Verständnis von Humor bezieht sich damit auf Punkt (1) der Definition von Warren et al. (2018, S. 530). In Anlehnung an die bereits dargestellte Definition nach Cooper (2005, S. 766f) sowie an die vorgeschlagene Definition von Mathies et al. (2016, S. 141) und Chiew et al. (2019, S. 112) wird Humor folglich definiert als bewusst eingesetzte Kommunikationsform, die beabsichtigt, als amüsant wahrgenommen zu werden, und derer sich ein Kommunikator mit dem Ziel bedient, den Rezipienten positiv zu beeinflussen.
Die Bezeichnung von Humor als bewusste Kommunikationsform grenzt diesen von zufällig entstehendem Humor ab, der im Rahmen dieser Arbeit keine Berücksichtigung findet. Dem vorliegend interessierenden Humor liegt eine motivationale Komponente zugrunde, da mit seinem Einsatz ein bestimmtes Ziel seitens des Kommunikators verfolgt wird. Auch, wenn beispielsweise Freud (1928) oder Speck (1987) (anders z. B. Duncan 1984) ursprünglich für eine strikte Trennung dieser Begrifflichkeiten plädiert haben, so impliziert ein Zugrundelegen dieser Definition, dass auch Witze („jokes“, in Form von simplen, ungezwungenen Witzeleien oder in der klassischen Form kurzer, amüsanter Geschichten, die in einer Pointe enden und einen vorgefertigten Charakter aufweisen, vgl. Martin und Ford 2018, S. 20), Wortspiele („puns“, d. h. die Nutzung eines Ausdrucks, der eine gewisse Doppeldeutigkeit besitzt, vgl. Martin und Ford 2018, S. 22) und andere sprachliche humorvolle Elemente (für eine Übersicht siehe z. B. Long und
2.1 Das Konstrukt Humor – Begriffsbestimmung und Abgrenzung
15
Graesser (1988), die insgesamt elf verschiedene Humorformen identifizieren) vorliegend als Humor zu bezeichnen sind (vgl. z. B. Sternthal und Craig 1973, S. 13; Solomon 1996, S. 250; Wanzer et al. 2006, S. 180; Watson 2015, S. 409; Warren et al. 2018, S. 530). Tabelle 2.1 fasst die unterschiedlichen Konstrukte, die in der Literatur unter dem weitgefassten Dachbegriff Humor integriert werden, nochmals überblicksartig zusammen. Das vorliegend vertretene Begriffsverständnis ist hier in der ersten Spalte dargestellt.
2.1.2
Abgrenzung unterschiedlicher Arten von Humor
Neben der Definition des Begriffs existieren in der Literatur eine Vielzahl verschiedener Ansätze zur Klassifikation unterschiedlicher Arten von Humor (vgl. z. B. Speck 1990 für den Kontext von Werbung; Martin et al. 2003). Bei der Klassifikation von Martin et al. (2003) handelt es sich um einen viel zitierten Ansatz (vgl. Bippus, Dunbar und Liu 2012, S. 440), der zahlreichen Untersuchungen in der Humorforschung (z. B. Campbell et al. 2008; Kuiper und McHale 2009; Samson und Gross 2012; Robert, Dunne und Iun 2016) zugrunde gelegt wird. Die von Martin et al. (2003) entwickelten Humor-Stile beziehen sich auf individuelle Unterschiede in der Nutzung von Humor und lassen sich in einer 2x2Konzeptualisierung der Funktionen von Humor darstellen. Der Fokus dieser auf einer umfassenden Literaturarbeit basierenden Konzeptualisierung liegt auf den interpersonellen und den intrapsychischen Funktionen, die Humor im täglichen Leben entfalten kann (vgl. Martin et al. 2003, S. 51). Die erste Ebene im Rahmen dieser Konzeptualisierung unterscheidet danach, ob Humor (1) genutzt wird, um sich selbst positiv darzustellen oder (2) um die eigene Beziehung zu anderen zu verbessern. Die zweite Ebene unterteilt diese allgemeinen Funktionen von Humor danach, ob der eingesetzte Humor (a) eher harmlos und wohlwollend (d. h. tolerant und sich selbst sowie andere akzeptierend) ist, oder ob der eingesetzte Humor (b) vielmehr verletzende und (sich selbst oder die Beziehung zu anderen) schädigende Züge aufweist (vgl. Martin et al. 2003, S. 52). Hieraus ergeben sich vier verschiedene HumorStile, nämlich affiliativer Humor, selbst-erhöhender Humor, aggressiver Humor und selbst-herabwürdigender Humor. Während affiliativer und selbst-erhöhender Humor hierbei als positiver Humor charakterisiert werden, gelten aggressiver und selbst-herabwürdigender Humor als Formen negativen Humors (vgl. z. B. Martin 2007, S. 211; Samson und Gross 2012, S. 376). Abbildung 2.1 stellt die 2×2-Konzeptualisierung nach Martin et al. (2003) dar.
innerer psychologischer Prozess, der sowohl die Kreation humorvoller Stimuli erfassen kann, oder aber die Wahrnehmung und Verarbeitung solcher humorvoller Reize (vgl. Martin und Ford 2018, S. 3) „Dinge mit Humor nehmen“, z. B. Betrachtung negativer Bilder in einer humorvollen Art und Weise (vgl. Samson und Gross 2012); teilweise keine klare Abgrenzung zu dem Konstrukt „Sinn für Humor“ (vgl. z. B. Martin und Lefcourt 1983)
Stimuli wie z. B. Aussagen, Verhaltensweisen, Geräusche, Bilder, Videos o. Ä., die mit der Intention eingesetzt werden, lustig zu sein (vgl. Warren et al. 2018, S. 530) und den Rezipienten positiv zu beeinflussen (vgl. Chiew et al. 2019, S. 112)
z. B. humorvolle Werbespots (vgl. z. B. Speck 1987), verbale Witze des Service-Personals (vgl. z. B. Söderlund et al. 2017; Söderlund und Oikarinen 2018) oder humorvolle Äußerungen im Rahmen der Mitarbeiter-Kunden-Interaktion (vgl. Chiew et al. 2019)
z. B. die Reaktion auf eine humorvoll formulierte Beschwerde (vgl. z. B. McGraw, Warren und Kan 2015) oder die Reaktion auf humorvoll gestaltete Werbeplakate (vgl. z. B. Warren und McGraw 2016a)
Humor bezeichnet nicht den Stimulus als solchen, sondern die emotionale (z. B. Vergnügen), verhaltensbezogene (z. B. Lachen) und/oder kognitive (z. B. empfundene Witzigkeit) Reaktion auf einen Stimulus (vgl. Warren et al. 2018, S. 530)
Humor als Reaktion
z. B. Rolle des Sinns für Humor hinsichtlich der Auswirkung negativer Lebensereignisse auf die Stimmung (vgl. Martin und Lefcourt 1983) oder Einfluss des wahrgenommenen Sinns für Humor des Vorgesetzten auf die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit (vgl. z. B. Decker 1987)
Persönlichkeitsvariable: stabiler, individueller Unterschied hinsichtlich der Tendenz, Dinge als humorvoll zu erachten oder Humor einzusetzen (vgl. Warren et al. 2018, S. 531)
Sinn für Humor 2
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Martin und Ford 2018, S. 3 sowie Warren et al. 2018, S. 530f
Humor als mentaler Prozess
Humor als Stimulus
Tab. 2.1 Definitorische Abgrenzung unterschiedlicher Humor-Konstrukte
16 Humorvolle Kommunikation: Humor aus kommunikationstheoretischer …
2.1 Das Konstrukt Humor – Begriffsbestimmung und Abgrenzung
17
Positive Eigendarstellung Negativer Humor Positiver Humor
Aggressiver Humor
Selbsterhöhender Humor
schädigend
wohlwollend Selbstherabwürdigender Humor
Affiliativer Humor
Verbesserung der Beziehung zu anderen Abb. 2.1 Humor-Stile nach Martin et al. (2003). (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Martin et al. 2003, S. 51f; Martin 2007, S. 211)
Die Nutzung von Humor zur positiven Selbstdarstellung umfasst den aggressiven Humor sowie den selbst-erhöhenden Humor. • Aggressiver Humor beschreibt einen Humorstil, bei dem die Selbsterhöhung auf Kosten der Beziehung zu anderen stattfindet (vgl. Martin et al. 2003, S. 52). Aggressiver Humor bezeichnet feindseligen Humor, der darauf abzielt, das Selbst zu erhöhen, indem andere eine Abwertung erfahren. Hierzu zählen Sarkasmus, Sticheleien, Spott oder andere Formen der Herabwürdigung anderer (vgl. Martin et al. 2003, S. 54). • Selbst-erhöhender Humor beschreibt einen Humorstil, bei dem die Selbsterhöhung auf eine tolerante, den Rezipienten nicht schädigende Weise erfolgt (vgl. Martin et al. 2003, S. 52). Selbst-erhöhender Humor umfasst hierbei insbesondere eine generell humorvolle Sichtweise auf das Leben und die Tendenz, sich über Inkongruenzen des Lebens zu amüsieren (vgl. Martin et al. 2003, S. 52f).
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Humorvolle Kommunikation: Humor aus kommunikationstheoretischer …
Die Dimension der positiven Selbstdarstellung ist auf den Einsatz von Humor zum Schutz des Selbst beschränkt und umfasst damit die intrapsychischen Funktionen von Humor (vgl. Martin et al. 2003, S. 52). In der vorliegenden Arbeit aber ist nicht von Interesse, wie der Einsatz von Humor durch den Kommunikator auf dessen eigene Person wirkt, sondern es interessiert die Wirkung auf den Rezipienten. Die Dimension der Verbesserung der Beziehung zu anderen betrifft die interpersonellen Funktionen von Humor (vgl. Martin et al. 2003, S. 52). Sie stellt damit die im Rahmen der vorliegenden Arbeit relevante Dimension dar. Die Nutzung von Humor zur Verbesserung der Beziehung zu anderen umfasst den selbst-herabwürdigenden Humor sowie den affiliativen Humor. • Selbst-herabwürdigender Humor bezeichnet einen Humorstil, bei dem die Verbesserung der Beziehung zu anderen aus der Abwertung des Selbst resultiert (vgl. Martin et al. 2003, S. 52). Dieser Humor-Stil kann zur Verschleierung der eigenen, negativen Gefühle oder zur Meidung der Auseinandersetzung mit eigenen Problemen dienen, zielt jedoch insbesondere darauf, Anerkennung von anderen zu gewinnen, indem man sich selbst zum Zielobjekt des Humors macht (vgl. Martin et al. 2003, S. 54). Neben einer sich selbst stark selbst-verletzenden Form kann selbst-herabwürdigender Humor auch in einer milderen Form bestehen. Individuen bedienen sich bei Letzterem des Humors gegen sich selbst, z. B. in Form amüsanter Bemerkungen über die eigene Person, ohne jedoch ihre Selbstachtung zu verletzen (vgl. Martin et al. 2003, S. 53). • Affiliativer Humor zielt auf eine wohlwollende, selbst-akzeptierende Nutzung von Humor zur Verbesserung der Beziehungen zu anderen ab (vgl. Martin et al. 2003, S. 51). Dieser Humor-Stil umfasst witzige Geschichten und Spontanitäten mit dem Ziel, andere zu amüsieren (vgl. Martin et al. 2003, S. 53). Eine ausführliche Diskussion, welche Art des Humors in der vorliegenden Arbeit einzusetzen ist, um die interessierende Fragestellung bestmöglich untersuchen zu können, wird im Rahmen der Beschreibung des eingesetzten Stimulusmaterials und den entsprechenden Vorstudien (s. Abschnitt 6.3.2) vorgenommen.
2.2 Konzeptualisierung von Humor
2.2
Konzeptualisierung von Humor
2.2.1
Humor als Gegenstand multidisziplinärer Forschung: ein Überblick
19
Seit Jahrzehnten steht Humor im Interesse wissenschaftlicher Forschung. Unterschiedlichste Disziplinen untersuchen vielfältige Facetten der Wirkung von Humor in verschiedenen Bereichen. Die Grenzen sind teilweise fließend, eine Zuordnung von Erkenntnissen könnte auch zu anderen Disziplinen als vorliegend geschehen stattfinden. In der Psychologie interessieren in Bezug zu Humor stehende Persönlichkeitseigenschaften, z. B. im Hinblick auf das individuelle Nutzungsverhalten von Humor als Mittel, um mit belastenden Situationen umzugehen (humorvolles Coping1 , vgl. z. B. Martin und Lefcourt 1983; Martin et al. 1993; Nezlek und Derks 2001; Abel 2002; Samson und Gross 2012). Insbesondere aber sind in der psychologischen Humorforschung drei grundlegende Entstehungstheorien von Humor verankert, die das Verständnis hinsichtlich des Einsatzes und der Wirkung von Humor auf und in gesellschaftlichen und privaten Konversationen fördern. Basierend auf dem konzeptionellen Paper von Lynch (2002) dienen die Erkenntnisse zu Humor aus der Psychologie ganz grundlegend dazu zu erklären, weshalb Individuen Humor nutzen und weisen damit einen motivationalen Charakter auf. Gleichzeitig aber sind diese Theorien essentiell zur Bildung eines grundlegenden Verständnisses der Wirkung von Humor, die sich basierend auf der zugrundeliegenden motivationalen Zielsetzung des Kommunikators bei der Verwendung von Humor in der (interpersonellen) Kommunikation ergibt (vgl. Lynch 2002, S. 432; Meyer 2015, S. 13). Sie sind einer individuellen Ebene zuzuordnen, welche in Abschnitt 2.2.2.1 genauer dargestellt wird. Auch aus Perspektive der Soziologie besteht Interesse an der Wirkung von Humor. Die Soziologie betrachtet Humor vor dem Hintergrund seiner Funktionen in einem sozialen Kontext (vgl. Lynch 2002, S. 423). Im Fokus stehen insbesondere die übergeordneten Funktionen Identifikation und Differenzierung, die Humor entfalten kann (vgl. Lynch 2002, S. 423f; Hall 2013, S. 274). Diese finden in Abschnitt 2.2.2.2 der vorliegenden Arbeit Betrachtung.
1 Coping
ist definiert als „constantly changing cognitive and behavioral efforts to manage specific external and/or internal demands that are appraised as taxing or exceeding the resources of the person“ (Lazarus und Folkman 1984, S. 141). Humorvolles Coping betrachtet Humor als internen Prozess und damit nicht als Stimulus, weshalb humorvolles Coping nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist.
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2
Humorvolle Kommunikation: Humor aus kommunikationstheoretischer …
Daneben beschäftigen sich auch Forscher aus der Biologie und der Gesundheitsforschung im Allgemeinen mit der Wirkung von Humor. Studien zeigen beispielsweise, dass Lachen positive physiologische und biochemische Prozesse auslösen kann, die vor körperlichen Krankheiten schützen können (vgl. Fry 1994). Bedienen sich Ärzte ihren Patienten gegenüber einer humorvollen Kommunikation, steigert dies die Zufriedenheit mit der Arztvisite und kann (beim Einsatz selbst-herabwürdigenden Humors des Arztes) wahrgenommene Statusunterschiede zwischen Arzt und Patienten reduzieren sowie die Beziehung zwischen beiden verbessern (vgl. Sala, Krupat und Roter 2002, S. 278). Auch kann Humor die Emotionen der Eltern eines zu behandelnden Kindes positiv beeinflussen: Diese mögen den Arzt mehr und empfinden den Umgang mit ihm während der Behandlung des Kindes als angenehmer (auch dann, wenn vor dem Arztbesuch negative Emotionen seitens der Eltern bestehen) (vgl. Locke 1996). Im Kontext von Bildung wird der Fokus stark auf soziale Funktionen von Humor gelegt (vgl. Reddington und Waring 2015, S. 4). Humor durch das Lehrpersonal kann die Atmosphäre und darüber das effektive Lernen der Schüler (Steigerung der Aufmerksamkeit, Förderung von Kreativität, Verbesserung von Ergebnissen) positiv beeinflussen (vgl. z. B. Shade 1996; Wanzer und Frymier 1999; Southam und Schwartz 2004) oder die Zufriedenheit der Schüler mit der Konversation (infolge unangebrachter Kommunikationsformen des Lehrers) steigern (vgl. Sidelinger 2014, S. 298). Humor durch den Lehrer kann aber auch als unangebracht empfunden werden. Dies ist beispielsweise bei solchem Humor der Fall, der die Schüler, „Andere“ (z. B. religiöse oder kulturelle Gruppen) oder den Lehrer selbst herabwürdigt, weil dieser Humor als das Selbstkonzept und den Selbstwert des Herabgewürdigten verletzend gilt (vgl. Wanzer et al. 2006, S. 191f). Von Interesse ist auch die Anwendung von Humor durch die Schüler, zum Beispiel zur Minderung der Angst vor Fehlern bei der mündlichen Beteiligung im Fremdsprachenunterricht (vgl. z. B. van Dam 2002). Auch im Management-Kontext spielt die Erforschung von Humor eine nicht unbedeutende Rolle. Humor kann sowohl von Management- als auch von Mitarbeiterseite angewandt werden. Mesmer-Magnus et al. (2012, S. 155) stellen in ihrer Meta-Analyse heraus, dass Überschneidungen zur Betrachtung von Humor im Hinblick auf das persönliche Wohlergehen bestehen. Die Ergebnisse zeigen, dass Humor seitens der Mitarbeiter mit einer verbesserten Arbeitsleistung, einer gesteigerten Zufriedenheit, einem verbesserten Gruppenzusammenhalt sowie einer Verringerung von Burnouts und Kündigungen und einer Reduktion an Stress einhergeht. Humornutzung durch das Management resultiert unter anderem in eine verbesserte Arbeitsleistung der Angestellten, eine erhöhte Zufriedenheit mit dem
2.2 Konzeptualisierung von Humor
21
Supervisor und kann ebenfalls die Kündigungsrate senken. Auch bei Verhandlungen unter Geschäftspartnern kann Humor dazu dienen, die interpersonellen Beziehungen zur Gegenseite zu gestalten. Beim Bestehen von Unstimmigkeiten kann durch den Einsatz von Humor die Situation entspannt werden, indem vermittelt wird, dass ein kooperatives Vorgehen trotz bestehender Unstimmigkeiten möglich sei (vgl. Vuorela 2005, S. 116). Einen ganz wesentlichen Bereich im breiten Feld von Marketing und Konsumentenverhaltensforschung2 stellt die Betrachtung von Humor in der Werbung dar. Basierend auf zwei umfassenden Metaanalysen von Eisend (2009, 2011) zur Wirkung von Humor in der Werbung kann zusammengefasst werden, dass Humor überwiegend positive Wirkungen entfaltet. Zwar werden auch negative Wirkungen von Humor nachgewiesen. Dieser kann positive markenbezogene Kognitionen reduzieren (vgl. Eisend 2011, S. 1293 ) und damit von der eigentlichen Botschaft, die die Werbung vermitteln soll, ablenken (sogenannter „Vampir-Effekt“). Auch die Glaubwürdigkeit kann durch den Einsatz von Humor negativ beeinflusst werden (vgl. Eisend 2009, S. 197). Daneben aber zeigt sich insgesamt, dass der Einsatz von Humor unter anderem • die Einstellung zur Werbung (vgl. z. B. Weinberger und Gulas 1992, S. 44, 57; Eisend 2009, S. 197) • die Einstellung zur beworbenen Marke (vgl. z. B. Weinberger und Gulas 1992, S. 44, 57; Eisend 2009, S. 197) • die Aufmerksamkeit (vgl. z. B. Weinberger und Gulas 1992, S. 56; Eisend 2009, S. 197) • die Kaufabsicht (vgl. Eisend 2009, S. 197) sowie • die positiven Emotionen (vgl. Eisend 2009, S. 197; Eisend 2011, S. 126) der Rezipienten positiv beeinflussen kann. Daneben kann der Einsatz von Humor in der Werbung negative Emotionen bei den Rezipienten reduzieren (vgl. Eisend 2 Marketing
wird gemäß der Definition nach Kotler, Keller und Opresnik (2017, S.6) verstanden, nach welcher Marketing dazu dient, Austauschprozesse zwischen Unternehmen und Kunden zu gestalten, durch welche Individuen ihre Bedürfnisse befriedigen. Diese Definition kommt dem Begriff des Konsumentenverhaltens im weiteren Sinne gleich, welches das „Verhalten der Letztverbraucher von materiellen und immateriellen Gütern“ (Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2019, S. 4) umfasst, womit neben wirtschaftlichen Gütern auch Service-Leistungen eingeschlossen sind. 3 Humor beeinflusst die markenbezogenen Kognitionen hierbei nicht direkt (vgl. Eisend 2011, S. 123); Humor führt zu einem Anstieg positiver Emotionen, welche dann wiederum die positiven markenbezogenen Kognitionen reduzieren (vgl. Eisend 2011, S. 129).
22
2
Humorvolle Kommunikation: Humor aus kommunikationstheoretischer …
2009, S. 197; Eisend 2011, S. 126). Auch negative Kognitionen in Bezug auf die Werbung können durch den Einsatz von Humor reduziert werden (vgl. Eisend 2011, S. 123, 126), da dieser als Ablenkung von Gegenargumenten fungiert. Kein signifikanter Einfluss von Humor konnte im Hinblick auf die Einstellung zum Sender der Botschaft, auf das tatsächliche Kaufverhalten sowie auf die Erinnerung (an die Werbebotschaft oder an die beworbene Marke) festgestellt werden (vgl. Eisend 2009, S. 200; Eisend und Kuß 2018, S. 347). Die identifizierten Wirkungen von Humor aber sind von einer Reihe moderierender Faktoren4 abhängig. Beispielsweise kristallisiert sich die Intensität des Humors (d. h. die wahrgenommene Lustigkeit) als Moderator der Beziehung zwischen dem Einsatz von Humor und der Einstellung zur beworbenen Marke heraus: Die Intensität des Humors verstärkt die Wirkung auf die Einstellung zur Marke (vgl., auch für eine Übersicht über weitere Moderatoren, Eisend und Kuß 2018, S. 347ff). Neuere Studien weisen indes weitere negative Wirkungen von Humor nach. Unter bestimmten Bedingungen (z. B. wenn der Humor als äußert unangebracht empfunden wird, eine spezielle Gruppe wie z. B. die der Frauen durch den Humor angegriffen wird oder dann, wenn Humor Ablehnung statt Annäherung auslöst, weil er beispielsweise Ekel, Angst oder Schamgefühl hervorruft) kann Humor einen „Backfire-Effekt“ ausüben, d. h. sich negativ auf die Marke auswirken (vgl. Warren und McGraw 2016b). Im Rahmen der Werbung wird Humor seit Jahrzehnten erforscht. Die Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in der Werbung sind damit insgesamt umfassend und wissenschaftlich gut fundiert. Durch eine intensive Auseinandersetzung auch mit potentiellen Moderatoren liegen Erkenntnisse vor, wann und unter welchen Bedingungen Humor welche Wirkungen entfaltet. Wenngleich die Tatsache, dass Humor auch negativ wirken kann, dessen Natur als „zweischneidiges Schwert“ zu unterstreichen vermag, so ist der grundsätzliche Tenor hinsichtlich der Wirkung von Humor in der Werbung insgesamt positiv (vgl. Warren et al. 2018, S. 529). Eisend und Kuß (2018, S. 349) schlussfolgern, dass „Humor tatsächlich wirkt“, insbesondere mit Blick auf die Einstellung und die Förderung positiver Emotionen. Auch im Rahmen persönlicher Kommunikation zwischen Anbieter und Konsument findet die empirische Analyse der Wirkung von Humor zunehmend wissenschaftliches Interesse. Im Vergleich zur Werbung aber liegen in der persönlichen Kommunikation bislang deutlich weniger Erkenntnisse vor (vgl. Söderlund 4 Eine
Moderation liegt vor, wenn der Einfluss einer Variablen X auf eine Variable Y in seiner Größe, Richtung oder Stärke von einer Variablen W (Moderatorvariable) abhängt. W und X interagieren dabei in ihrem Einfluss auf Y (vgl. Hayes 2018, S. 220).
2.2 Konzeptualisierung von Humor
23
et al. 2017, S. 260). Da sowohl Werbung als auch die persönliche Kommunikation der Kommunikation mit dem Konsumenten dienen, scheint es auf den ersten Blick vielversprechend, die Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in der Werbung (und damit im Kontext einer Einweg-Kommunikation, vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2019, S. 542) auf den Kontext der persönlichen Kommunikation zu übertragen. Damit würde einhergehen, dass auch für den Einsatz von Humor in der Interaktion zwischen Service-Anbieter und Konsument von einer überwiegend positiven Wirkung auszugehen wäre. Söderlund et al. (2017, S. 262) aber sprechen sich gegen ein einfaches Übertragen der Erkenntnisse aus der Werbung auf den Kontext der persönlichen Kommunikation mit dem Konsumenten aus: Anders als bei humorvoller Werbung nämlich, in der Humor eine dominante Rolle einnehmen kann, ist dieser im Rahmen persönlicher Kommunikation vermutlich in den Kontext der Konversation gebettet, welcher sich aufgrund der vielfältig verfügbaren Informationen als deutlich weniger Humor-dominant herausstellen sollte. Tatsächlich weisen die im Kontext der persönlichen Interaktion zwischen Service-Anbieter und Konsument bestehenden Untersuchungen5 teilweise konträre Ergebnisse auf, was eine einfache Übertragbarkeit der Erkenntnisse der Werbung auf diesen Bereich ohne kritische Reflexion ebenfalls in Frage stellt. Humor sollte auch im Rahmen der persönlichen Kommunikation intensivere Betrachtung erfahren, um hier letztlich ähnlich gut fundierte Erkenntnisse wie im Rahmen der Werbung gewinnen und das Potential von Humor schließlich auch in einem Service-Kontext nutzen zu können. Dieser kurze Streifzug mit Blick durch die multidisziplinäre Brille verdeutlicht das intensive Interesse an Humor innerhalb der Forschung sowie die Vielfältigkeit der Funktionen, die Humor entfalten kann. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass dieses multidisziplinäre Interesse an Humor dazu führt, dass es an einer einheitlichen Betrachtungsweise des Konstrukts fehlt. Dies erschwert nicht nur die Vergleichbarkeit der existierenden Ergebnisse. Eine umfassende und systematische Betrachtung ist auch deshalb notwendig, um nicht Gefahr zu laufen, dass Humor negative Wirkungen entfaltet und dem kommunikativen Ziel seines Einsatzes damit zuwiderläuft. Dazu ist in einem ersten Schritt eine einheitliche Konzeptualisierung von Humor vorzunehmen. Lynch (2002, S. 424) postuliert, dass die Kommunikationstheorie zwischen Psychologie und Soziologie verankert sei, deren Erkenntnisse gemeinsam als Erklärungsgrundlage dafür herangezogen werden können, welche Wirkungen Humor in einem sozialen Kontext entfaltet. Anders als bei der 5 Die
in diesem Zusammenhang vorliegenden empirischen Erkenntnisse werden in Abschnitt 2.2.2.4 der vorliegenden Arbeit umfassend diskutiert.
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2
Humorvolle Kommunikation: Humor aus kommunikationstheoretischer …
Soziologie, die die Wirkungen von Humor in sozialen Konversationen auf einer Makro-Ebene betrachtet (vgl. Mathies et al. 2016, S. 138), liegt der Fokus der Kommunikationsforschung auf den Funktionen, die Humor in der Kommunikation zwischen Individuen oder Gruppen entfalten kann (vgl. Hall 2013, S. 274) und betrachtet damit eine kleinteiligere Ebene. Als eine der wichtigsten Funktionen von Humor gilt hierbei die Reduzierung von Spannung und Konflikten (vgl. Ziv 2010, S. 13). In Abschnitt 2.2.2 werden zunächst die allgemeinen Erkenntnisse aus der Psychologie und der Soziologie betrachtet und schließlich eine Integration beider Disziplinen vorgenommen, um eine umfassende Konzeptualisierung von Humor und damit ein theoretisches Fundament für die Bearbeitung der vorliegend interessierenden Fragestellung zu schaffen. Darauf aufbauend werden bestehende Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in der interpersonellen Kommunikation in einem Service-Kontext diskutiert.
2.2.2
Motivationen zur Nutzung und Funktionen von Humor
Die vorausgehenden Darstellungen verdeutlichen das multidisziplinäre Interesse an Humor. Dieser multidisziplinäre Charakter der Humorforschung aber hat zur Folge, dass, ähnlich wie bei der Definition des Konstrukts (s. Abschnitt 2.1.1), keine einheitliche Konzeptualisierung von Humor im Rahmen der Humorforschung existiert. Dies gründet sich überwiegend darauf, dass Forscher unterschiedlicher Disziplinen Humor vor dem Hintergrund ihrer eigenen theoretischen Sichtweisen und Annahmen betrachten und damit vielmehr zu einer verstärkten Konfusion statt zu einer kohärenten Akkumulation von Wissen beitragen (vgl. Martin 1998, S. 57). Damit wird jedoch erkennbar, dass eine klare Konzeptualisierung von Humor notwendig ist, um dessen Rolle im Rahmen persönlicher Kommunikation gezielt untersuchen zu können (vgl. Duncan, Smeltzer und Leap 1990, S. 256). Lynch (2002, S. 423) klassifiziert die Humorliteratur zunächst grundsätzlich nach zwei Gesichtspunkten. Er unterscheidet zwischen einer individuellen Ebene, bei der der Fokus auf der Frage liegt, warum Individuen Humor nutzen, und einer sozialen Ebene, die die Frage, wie Humor in einem sozialen Kontext wirkt, in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Während in der Humorforschung lange eine strikte Trennung zwischen diesen beiden Betrachtungsebenen herrschte (vgl. Lynch 2002, S. 424), erlaubt eine kommunikationstheoretische Betrachtung von Humor eine ganzheitliche Betrachtung existierender Erkenntnisse: Aufgrund der Tatsache, dass Humor in Abschnitt 2.1.1 als Stimulus definiert wurde, dessen
2.2 Konzeptualisierung von Humor
25
Wirkung im Rahmen interpersoneller Kommunikation im Service-Bereich untersucht werden soll, liegt das Hauptaugenmerk in der vorliegenden Arbeit klar auf den Funktionen, die Humor in einem sozialen Kontext und insbesondere beim Gesprächspartner entfalten kann. Diejenigen Erkenntnisse der Humorforschung, die die individuelle Ebene betreffen, fokussieren zwar nicht auf den sozialen Prozess in einer humorvollen Kommunikation als solchen (vgl. Cooper 2008, S. 1087). Nichtsdestotrotz können auch die Erkenntnisse der individuellen Ebene, insbesondere die dort verankerten Entstehungstheorien von Humor, einen wesentlichen Erklärungsbeitrag in diesem Kontext liefern (vgl. Meyer 2015, S. 13). Die sozialen Prozesse entstehen aus den individuellen Motivationen zur Nutzung von Humor (vgl. Lynch 2002, S. 432) und ergänzen diese damit in ihrem Erklärungsgehalt (vgl. Cooper 2008, S. 1087), weshalb beide Ebenen in dieser grundlegenden Zweiteilung bei der Konzeptualisierung von Humor in den Abschnitten 2.2.2.1 und 2.2.2.2 ausführlich betrachtet werden, bevor in Abschnitt 2.2.2.3 eine Integration der Erkenntnisse zu einer ganzheitlichen kommunikationstheoretischen Betrachtung erfolgt.
2.2.2.1 Humor auf individueller Ebene: Motivation zur Nutzung von Humor Wird zunächst derjenige Teil der Humorliteratur berücksichtigt, der die individuelle Perspektive betrachtet, steht primär die Frage nach der Motivation zur Nutzung von Humor durch Individuen im Mittelpunkt des Interesses (vgl. Lynch 2002, S. 423). Drei grundlegende Theorien, die sogenannten „Entstehungstheorien“, sind auf dieser Ebene verankert: Die Überlegenheitstheorie („Superiority Theory“), die Inkongruenztheorie („Incongruency Theory“) sowie die Befreiungstheorie („Relief Theory“) (vgl. Lynch 2002, S. 425; Meyer 2000, S. 312). Zwar ist eine Vielzahl an Humortheorien im Rahmen der Forschung existent; diese aber können alle in eine der drei genannten Theorien kategorisiert werden (vgl. Graham, Papa und Brooks 1992, S. 161). Diese drei klassischen Theorien fokussieren in ihrem Ursprung darauf, wie Humor entsteht (vgl. Meyer 2015, S. 9) und betrachten diesen damit – im Gegensatz zu der in der vorliegenden Arbeit vertretenen Sichtweise – als Resultat. Es sind grundsätzlich die Rezipienten einer humorvollen Botschaft, die darüber entscheiden, wie sie diese interpretieren und damit, welche Funktionen Humor tatsächlich entfaltet. Indem die klassischen Humortheorien aber intensive Einblicke darin gewähren, mit welchen Intentionen ein Individuum Humor nutzt, tragen sie zu einem gesteigerten Verständnis auch zur Wirkung humorvoller Stimuli in der interpersonellen Kommunikation bei (vgl. Lynch 2002, S. 425; Meyer 2015, S. 13), weshalb sie zwingend Berücksichtigung finden sollten (vgl. Meyer 2000, S. 311). Eine kommunikationstheoretische
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Betrachtungsweise von Humor (vgl. Lynch 2002; s. Abschnitt 2.2.2.3) erlaubt eine Integration der Erkenntnisse der individuellen Ebene in die Erklärung der Wirkung von Humor in einem sozialen Kontext. Da eine humorvolle Aussage gleichzeitig mehrere rhetorische Zwecke verfolgen kann, gilt zu berücksichtigen, dass eine solche vor dem Hintergrund mehrerer Humortheorien (und nicht eindeutig durch nur eine der dreien) erklärt werden kann. Entscheidend dafür, welche Theorie ausschlaggebend zur Erklärung herangezogen wird, ist vielmehr die „theoretische Brille“ des Forschers hinsichtlich der Erklärung der Wirkung von Humor im Rahmen der Kommunikation (vgl. Meyer 2000, S. 315). Die Überlegenheitstheorie Die Überlegenheitstheorie gilt als älteste Humortheorie und gründet sich in ihren Ursprüngen auf die Philosophen Platon und Aristoteles (vgl. Keith-Spiegel 1972, S. 7; Martin und Ford 2018, S. 47). Hobbes (1651, 1958, zitiert nach Heyd 1982, S. 286) prägt in diesem Zusammenhang den Begriff „Glory“, der dem Gefühl von Überlegenheit, Stolz und Selbstbehauptung entspricht. Humor im Sinne der Überlegenheitstheorie entsteht durch den auf Basis eines Vergleichs empfundenen Triumph über andere im Hinblick auf deren Unzulänglichkeiten (vgl. Graham et al. 1992, S. 162), was bedeutet, über andere zu lachen (vgl. Heyd 1982, S. 286). Insbesondere aggressiver Humor ist Bestandteil dieser Theorie (vgl. Meyer 2000, S. 314). Die bestehende Aggressivität wird in der Literatur aber überwiegend als spielerisch definiert, die nicht darauf gerichtet ist, tatsächlichen Schaden zu erzeugen. Auch ist nicht davon auszugehen, dass vor dem Hintergrund der Überlegenheitstheorie jede Form von Humor eine gewisse Aggressivität beinhalten muss (vgl. Martin und Ford 2018, S. 52). Die Überlegenheitstheorie schließt sowohl kognitive als auch affektive Veränderungen im Individuum mit ein, aus denen schließlich Humor entsteht (vgl. Morreall 1983, S. 38f). Über diese Erkenntnisse zur Entstehung und Wahrnehmung von Humor wird auf Basis dieser Theorie auch eine potentielle Funktion von Humor im Rahmen interpersoneller Kommunikation erkennbar: Humor kann dazu geeignet sein, andere Individuen oder Gruppen auszugrenzen und gleichzeitig die eigene Gruppe zu einen. Das Einheitsgefühl entsteht hierbei aus der empfundenen Überlegenheit gegenüber denjenigen, über die gelacht wird (vgl. Meyer 2000, S. 315). Die Inkongruenztheorie Die Inkongruenztheorie gilt als kognitiv-orientierte Humortheorie (vgl. Morreall 2009, S. 247) und basiert auf dem Erkennen einer Inkonsistenz zwischen der zu erwartenden, rein rationalen Natur eines Sachverhalts und seiner tatsächlichen Natur. Die Theorie basiert auf dem Wissen, dass menschliche Erfahrungen auf gelernte Muster zurückgehen. Das, was Individuen
2.2 Konzeptualisierung von Humor
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erfahren haben, dient also als Grundlage für die Beurteilung des Bevorstehenden. Inkongruenz liegt dann vor, wenn etwas von diesem Muster abweicht (vgl. Morreall 2009, S. 248). Humor entsteht gemäß dieser Theorie dann, wenn etwas beispielsweise als irrational, paradox, unlogisch oder unangemessen empfunden wird (vgl. Lynch 2002, S. 428) und gilt als Reaktion auf das Bestehen von Zweideutigkeiten in der Umwelt (vgl. Lynch 2002, S. 429). Schon Cicero (zitiert nach Morreall 2009, S. 248) postulierte in seinem Werk zur Rhetorik („On the Orator“), dass die gebräuchlichste Form eines Witzes diejenige sei, bei der wir eine Sache erwarten, jedoch eine andere gesagt wird. Humor kann hierbei in der interpersonellen Kommunikation die Funktion der Abgrenzung von anderen, die die Inkongruenz nicht aufdecken können, entfalten (vgl. Meyer 2000, S. 317). Die Befreiungstheorie Die Befreiungstheorie gilt als affektive Humortheorie (vgl. Morreall 1983, S. 38f). Sie geht in ihren Ursprüngen davon aus, dass Humor dann entsteht, wenn innere Anspannungen und die damit aufgebaute (physikalische) Energie ein Ventil finden, den menschlichen Körper zu verlassen (vgl. Meyer 2015, S. 13; Martin und Ford 2018, S. 39). Während auch diese Theorie ursprünglich also auf die Entstehung von Humor fokussierte und jenen dabei als Resultat einer Befreiung innerer Anspannung definiert, zeichnet sich ein Wandel der Befreiungstheorie und damit einhergehend eine Verschiebung der Perspektiven ab: Humor wird nichtmehr nur als intrapersonale Größe betrachtet, sondern zunehmend mit Blick auf seine sozialen Funktionen diskutiert (vgl. Martin und Ford 2018, S. 46). D. h., es interessieren nichtmehr nur die inneren psychischen Prozesse im Nutzer des Humors selbst, sondern insbesondere die Wirkung, die Humor auf den Rezipienten entfalten kann. Die Befreiungstheorie heute wird also vielmehr vor dem Hintergrund potentieller Funktionen von Humor definiert, und zwar in dem Sinne, dass ein humorvoller Stimulus (z. B. in Form eines Witzes) innere Anspannung oder Stress beim Rezipienten lösen und damit im Rahmen interpersoneller Kommunikation eine befreiende Wirkung beim Gesprächspartner entfalten kann (vgl. Lynch 2002, S. 427; Meyer 2015, S. 15)6 . Während diese Theorien für sich jeweils den Anspruch erheben, Humor und seine Entstehung in Gänze erklären zu können (vgl. Meyer 2000, S. 311), fokussieren sie jeweils stark auf ganz bestimmte Aspekte und sind damit unvollständig in ihrem Erklärungsgehalt (vgl. Graham et al. 1992, S. 162), d. h., sie sind nicht in der Lage, jegliche Entstehungsform von Humor tatsächlich in Gänze zu erklären (vgl. Bardon 2005, S. 475). Wie bereits dargestellt aber kommt es hierbei auf 6 Eine
Auseinandersetzung mit der Befreiungstheorie aus heutiger Perspektive erfolgt in Abschnitt 3.1.2.2.
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die „theoretische Brille“ des Forschers an (vgl. Meyer 2000, S. 315). Wenngleich diese Theorien Humor damit also nur im Hinblick auf bestimmte Aspekte intensiv beleuchten können, bilden sie das zentrale Fundament der Humorforschung und können in den jeweiligen Bereichen neben der Erklärung der Entstehung von Humor auch einen Erklärungsbeitrag zur Wirkung von Humor im Rahmen interpersoneller Kommunikation leisten. Zentrales Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den psychologischen Wirkmechanismus von Humor in einem Service-Fehler-Kontext zu identifizieren, in welchem Konsumenten regelmäßig negative Emotionen empfinden (vgl. z. B. Mattila und Ro 2008). Es gilt, den Konsumenten eine Erlösung von dieser inneren emotionalen Anspannung zu verschaffen, was die Erkenntnisse der Befreiungstheorie in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Der Erklärungsbeitrag dieser Theorie für die Funktionen von Humor in der interpersonellen Kommunikation wird in Abschnitt 3.1.2 vor dem Hintergrund des interessierenden Kontexts diskutiert. Zunächst aber wird in Abschnitt 2.2.2.2 die soziale Ebene erläutert, die das Fundament für eine funktionsorientierte Betrachtung von Humor schafft und gemeinsam mit den Erkenntnissen der individuellen Ebene als Basis einer kommunikationsorientierten Betrachtung dient (vgl. Lynch 2002, S. 431).
2.2.2.2 Humor auf sozialer Ebene: Funktionen von Humor Humor gilt als soziales Phänomen, das in nahezu allen Formen sozialer Interaktion vorkommt (vgl. Martin und Ford 2018, S. 3). Neben einer Betrachtung auf individueller Ebene (s. Abschnitt 2.2.2.1) kann eine Betrachtung von Humor damit insbesondere auch auf einer sozialen Ebene erfolgen. Dabei stehen nicht die Motivationen hinter dem Humor im Mittelpunkt, sondern die tatsächlichen Funktionen, die Humor in einem sozialen Kontext entfalten kann. Sowohl die Soziologie als auch die Kommunikationsforschung können einen Erklärungsbeitrag liefern, wie Humor in einem sozialen Kontext wirkt (vgl. Lynch 2002, S. 431). Die Perspektive der beiden Disziplinen aber unterscheidet sich: die soziologische Forschung stellt auf die breiten, allgemeineren Funktionen von Humor ab, während die kommunikationsorientierte Humorforschung den Fokus auf spezifischere kommunikative Funktionen von Humor legt. Die soziologische Perspektive bewegt sich damit auf einem Makro-Level (vgl. Lynch 2002, S. 431; Mathies et al. 2016, S. 138). Humor ist insbesondere im Kontext übergeordneter sozialer Aspekte (z. B. Ethnizität oder politische Konflikte) Gegenstand der soziologischen Forschung (vgl. Kuipers 2008, S. 361). Ebenfalls im Interesse soziologischer Humorforschung stehen die übergeordneten Humorfunktionen
2.2 Konzeptualisierung von Humor
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Identifikation und Differenzierung7 (vgl. Lynch 2002, S. 431) und damit dessen dualistische Natur8 in einem sozialen Kontext. Die theoretische Grundlage für die Ableitung dieser übergeordneten Funktionen von Humor geht auf Martineau (1972) zurück. Identifikation bedeutet, dass durch die Nutzung von Humor ein Gefühl der Zusammengehörigkeit geschaffen werden kann, beispielsweise indem sich ein Redner mit seinen Anhängern vereint oder der innere Zusammenhalt einer Gruppe gestärkt wird. Gleichzeitig aber entfaltet Humor dadurch auch eine Differenzierungsfunktion. Die Mitglieder dieser sozialen Gruppe grenzen sich von anderen Gruppen ab, die eben keine Kenntnisse über die Gruppeninterna besitzen (vgl. Lynch 2002, S. 434). Dies kann beispielsweise geschehen, indem die eigenen Sichtweisen denen der anderen gegenübergestellt werden (vgl. Meyer 2000, S. 318, 321). Über diese generellen Funktionen hinaus kann Humor sehr viel spezifischere Funktionen in einem sozialen Kontext entfalten. Diese werden nachfolgend dargestellt.
2.2.2.3 Humor auf kommunikativer Ebene: Integration von Motivationen und Funktionen Wie bereits dargelegt verfolgen sowohl die soziale Perspektive als auch eine kommunikationstheoretische Sichtweise das Ziel, die Funktionen von Humor zu beleuchten und zu erklären (vgl. Lynch 2002, S. 431). Während die soziale Perspektive auf den übergeordneten Funktionen der Identifikation/Differenzierung (beziehungsweise auch Kontrolle/Widerstand) abstellt und diese damit auf einer übergeordneten Makroebene betrachtet, erlaubt eine kommunikationstheoretische Betrachtung die Integration von Erkenntnissen der individuellen Ebene. Sie verfolgt das Ziel, ein tiefergehendes Verständnis sowohl der Intentionen als auch der Funktionen von Humor zu schaffen (vgl. Lynch 2002, S. 424, 430) und ermöglicht 7 Neben
der Identifikations- und Differenzierungsfunktion schreibt die Soziologie Humor eine Funktion der Kontrolle/des Widerstands zu. Demnach kann Humor dazu dienen, den Status Quo aufrecht zu erhalten, oder aber als „Sicherheitsventil“ und damit als Form des Widerstands agieren. Meyer (1997) definiert die Identifikations- und Differenzierungsfunktion von Humor als Kontrolle, Oldani (1988) hingegen als Widerstand. Humor fungiert jedoch häufig als Kontrolle und Widerstand gleichermaßen (vgl. Lynch 2002, S. 435), was die gegensätzlichen Sichtweisen in der Humorforschung erklären könnte. Für eine umfassende Darstellung der übergeordneten Funktionen, die Humor in der Soziologie zugeschrieben wird, sei auf Lynch (2002, S. 433ff) und die dort angeführten Quellen verwiesen. 8 Die dualistische Natur, die Humor in einem sozialen Kontext zugesprochen wird, gründet sich darauf, dass Humor immer dann, wenn er eine Wirkung in eine Richtung entfaltet, gleichzeitig auch die entgegengesetzte Wirkung entfalten kann (vgl. Lynch 2002, S. 433).
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es damit, spezifische soziale (kommunikative) Funktionen von Humor auf einer kleinteiligeren Ebene der persönlichen Kommunikation zu erklären (vgl. Lynch 2002, S. 431). Jede der Entstehungstheorien kann hierbei in unterschiedlichen Situationen grundsätzlich einen mehr oder weniger bedeutsamen Erklärungsbeitrag leisten (Meyer 2000, S. 316). So können die oben gemachten Ausführungen zur Identifikationsfunktion von Humor (s. Abschnitt 2.2.2.2) vor dem Hintergrund der vorliegend im Fokus stehenden Befreiungstheorie wie folgt erklärt werden: Gelingt es beispielsweise einem Redner, durch den Einsatz von Humor etwaige Besorgnis oder gegenüber seiner Person bestehende Feindseligkeiten zu reduzieren, das heißt also, derartige bestehende Spannungen bei den Rezipienten abzubauen, kann eine Identifikation der Rezipienten mit dem Kommunikator stattfinden (vgl. Meyer 2000, S. 318f; Meyer 2015, S. 15), da infolge der eingetretenen Befreiung zum Beispiel alle gemeinsam lachen können. Gleichzeitig kann die Identifikations- und Differenzierungsfunktion von Humor unter anderem mit Hilfe von Erkenntnissen der Inkongruenztheorie erklärt werden: Nur, wenn Rezipienten Abweichungen von bestimmten (gesellschaftlichen) Mustern feststellen und die Inkongruenz somit überhaupt erkennen können, wird diese als lustig empfunden. Davon abzugrenzen sind Rezipienten, die nicht in der Lage sind, die Verletzung der Muster und den daraus resultierenden Humor zu verstehen (vgl. Meyer 2000, S. 313f). Das Zugrundeliegen bestimmter Normen und Verhaltensmuster eint oder trennt die Gruppen. Auch die Überlegenheitstheorie liefert einen Erklärungsbeitrag hinsichtlich der Identifikations- und Differenzierungsfunktion von Humor. Werden Mitglieder einer Gruppe humorvoll herabgewürdigt, erfolgt eine Abgrenzung der Mitglieder der eigenen von jenen der anderen Gruppe (vgl. Meyer 2000, S. 321f). Diese Ausführungen verdeutlichen, inwieweit durch eine Integration der Entstehungstheorien ein Beitrag zur weiteren Beleuchtung der Funktionen von Humor geleistet werden kann (vgl. Lynch 2002, S. 435). Innerhalb dieses Forschungszweigs liegt der Fokus also auf dem Kontext, in welchem der Humor angewandt wird, und dabei insbesondere auch auf der Rolle, die die humorvolle Kommunikationsmaßnahme in diesem Kontext einnimmt (vgl. Lynch 2002, S. 430). Hierbei stehen auch unterschiedliche Funktionen diverser Humorarten9
9 Der
vorliegenden Arbeit wird die Typologie von Martin et al. (2003) zugrunde gelegt, die vier Arten von Humor unterscheidet: Affiliativer Humor, selbst-erhöhender Humor, aggressiver Humor und selbst-herabwürdigender Humor. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Typologie erfolgte in Abschnitt 2.1.2.
2.2 Konzeptualisierung von Humor
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im Blickpunkt des Interesses. In der Literatur existieren unterschiedlichste Kategorisierungen, welche Funktionen Humor in der interpersonellen Kommunikation zugeschrieben werden können. Foot (1986) stellt insgesamt sechs Funktionen heraus, die Humor in interpersonellen Beziehungen entfalten kann: (1) Mit Hilfe von Humor kann es gelingen, Informationen über andere zu gewinnen, (2) Humor kann dazu dienen, Informationen über sich selbst preiszugeben, (3) Humor entfaltet eine Möglichkeit zur Kontrolle10 , (4) mit Hilfe von Humor können Gefühle der Angst bewältigt werden, (5) mit Hilfe von Humor kann der Status Quo verändert oder zu dessen Erhalt beigetragen werden und schließlich kann Humor (6) als Maßnahme dienen, Gruppen zu steuern. Ziv (1984, 1988, zitiert nach Graham et al. 1992, S. 176f) identifiziert insgesamt vier Funktionen, von denen sich drei mit den Funktionen nach Foot (1986) decken: Humor kann (1) als Mittel fungieren, menschliche Bedürfnisse und Tabu-Themen in einer sozial angebrachten Art und Weise zum Ausdruck zu bringen, (2) unangebrachtes Verhalten kontrollieren und (3) als Mittel eingesetzt werden, Angst oder Verlegenheit zu reduzieren. Darüber hinaus identifiziert der Autor eine vierte Funktion: Humor kann als temporäres Gefühl der Freiheit gegenüber der Realität fungieren. Graham et al. (1992, S. 167f) identifizieren auf Basis einer umfassenden Literaturarbeit insgesamt 24 Funktionen, die Humor in einem sozialen Kontext einnehmen kann. Neben teilweisen Überschneidungen mit den bisher genannten Funktionen identifizieren die Autoren damit eine Vielzahl weiterer potentieller Funktionen. Humor bietet beispielsweise die Möglichkeit, mit ernsthaften Problemen umzugehen (humorvolles Coping). Auch werden Humor emotionsregulierende Funktionen im Hinblick auf das Gegenüber zugeschrieben, beispielsweise die verbale Entwaffnung aggressiver Gesprächspartner, die Reduzierung von Angst oder Langeweile, oder aber auch die Fähigkeit, anderen zur Entspannung und einem angenehmen Gefühl zu verhelfen oder deren Aggressionen zu reduzieren. Auf Basis einer explorativen Faktorenanalyse11 identifizieren die
10 Hier wird die Uneinheitlichkeit existierender Klassifizierungsansätze deutlich: Während beispielsweise Lynch (2002) Kontrolle als übergeordnete soziale Funktion klassifiziert, taucht diese bei Foot (1986) als spezifische Funktion in der interpersonellen Kommunikation auf. 11 Eine Explorative Faktorenanalyse ist ein multivariates Analyseverfahren, welches der Erkennung von Strukturen in großen Variablensets dient und die Daten auf Basis bestehender Korrelationen zwischen Variablen verdichtet. Gruppen hoch korrelierter Variablen werden hierbei als „Faktoren“ bezeichnet (vgl. Backhaus et al. 2018, S. 366).
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Autoren drei übergeordnete Funktionen12 , die Humor in der interpersonellen Kommunikation entfalten kann (vgl. Graham et al. 1992, S. 169): (1) „Positive Affect“: Humor wird eine pro-soziale Funktion zugeschrieben, beispielsweise, indem er einen spielerischen Zustand erzeugt und Situationen entschärfen kann. (2) „Expressiveness“: Humor fungiert als Maßnahme der Selbst-Offenbarung, indem er ermöglicht, Informationen über sich selbst und seine eigenen Gefühle preiszugeben. (3) „Negative Affect“: Humor kann ebenso auch eine anti-soziale Funktion einnehmen, beispielsweise, indem durch den Einsatz von Humor andere herabgewürdigt oder in ihre Schranken verwiesen werden. Die vorgenommene Darstellung der potentiellen Funktionen, die Humor in einem interpersonellen Kontext einnehmen kann, macht deutlich, wie eng die in Abschnitt 2.2.2.1 dargestellten Motivationen zur Nutzung von Humor und die resultierenden Funktionen, die Humor in einem sozialen Kontext entfaltet, miteinander verwoben sind (vgl. Lynch 2002, S. 432) und weshalb die Entstehungstheorien, trotz ihrer Verankerung auf der individuellen Ebene, wesentlich bei der Betrachtung der Wirkungen von Humor in der interpersonellen Kommunikation sind (vgl. Meyer 2000, S. 311; Martin, Rich und Gayle 2004, S. 209). Martin et al. (2004, S. 209) schreiben die dargestellten, von Graham et al. (1992, S. 169) identifizierten sozialen Funktionen von Humor den Entstehungstheorien zu: „Positive Affect“ geht demnach mit den Implikationen der Befreiungstheorie einher, „Expressiveness“ mit den Implikationen der Inkongruenztheorie13 und „Negative Affect“ schließlich mit den Implikationen der Überlegenheitstheorie. Tabelle 2.2 gibt einen Überblick über diese Zusammenführung, indem sie zusammenfasst, welche Einflussgrößen im Kontext der jeweiligen Entstehungstheorie für die Entstehung von Humor (als Resultat) verantwortlich sind und gleichzeitig aufzeigt, welche Erkenntnisse diese Entstehungstheorien für die Funktionen von Humor (als Stimulus) in sozialen Interaktionen liefern.
12 Diese
Drei-Faktor-Lösung basiert auf elf der insgesamt 24 identifizierten Funktionen. Zuordnung ergibt sich aus folgender Annahme: Die auf einer Inkongruenz basierende Zweideutigkeit einer humorvollen Äußerung kann dem Individuum dazu dienen, persönliche Informationen preiszugeben, die sonst schwierig (unangenehm) zu offenbaren wären oder deren Kommunikation auf eine nicht-humorvolle Art und Weise sozial unangebracht erscheinen würde (vgl. Graham et al. 1992, S. 175; Martin et al. 2004, S. 209). 13 Diese
2.2 Konzeptualisierung von Humor
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Tab. 2.2 Erkenntnisse der Entstehungstheorien hinsichtlich der sozialen Wirkungen von Humor Theorie
Einflussgrößen auf die Entstehung von Humor
Beitrag der Theorie zum Verständnis der Funktionen von Humor in sozialen Interaktionen
Überlegenheitstheorie Überlegenheit gegenüber anderen/ sich selbst (Fokus auf die Unzulänglichkeiten der anderen oder der eigenen)
Humor als Maßnahme, Opponenten zu kritisieren (anti-sozial) und sich abzugrenzen sowie die eigene Gruppe zu einen
Inkongruenztheorie
Abweichungen zwischen Erwartungen und Realität
Eröffnung neuer Perspektiven und Offenbarung des Selbst; Differenzierung von anderen Gruppen, Einung der eigenen Gruppe
Befreiungstheorie
Unangenehme Gefühle oder Situationen
Entfalten einer befreienden Wirkung („relaxing tensions“) im Rahmen von Kommunikationen in unangenehmen Situationen oder hinsichtlich kontroverser Themen; Identifikationsfunktion
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Meyer 2000, S. 316 sowie Cooper 2008, S. 1099
Es lässt sich damit festhalten, dass zu einer umfassenden Betrachtung der Funktionen, die ein humorvoller Stimulus im Rahmen der interpersonellen Kommunikation entfalten kann, auch die Erkenntnisse der Entstehungstheorien zu berücksichtigen sind (vgl. Lynch 2002, S. 440; Cooper 2008, S. 1087). Die Art der interpersonellen Kommunikation, die im Interesse der vorliegenden Arbeit steht, ist die Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument in einem Service-Fehler-Kontext. Generell liegen bislang nur wenige empirische Untersuchungen vor, die sich mit der Wirkung von Humor in Service-Interaktionen beschäftigen (vgl. Chiew et al. 2019, S. 110). Die Wirkung von Humor als Maßnahme der Service-Recovery scheint hierbei bislang nicht adressiert. In einem ersten Schritt werden im nachfolgenden Abschnitt 2.2.2.4 die bestehenden Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in Service-Interaktionen dargestellt und vor dem Hintergrund ihres Aussagegehalts für die vorliegende Arbeit kritisch diskutiert. Anschließend stellt Kapitel 3 den Service-Fehler-Kontext in den Mittelpunkt der Betrachtung und diskutiert die bestehenden Erkenntnisse, der Argumentation von Lynch (2002) folgend, aus kommunikationstheoretischer Perspektive, das heißt vorliegend: unter Erweiterung der Erkenntnisse der Befreiungstheorie.
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2.2.2.4 Empirische Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument – Diskussion und Forschungslücke Wie bereits dargestellt wird Humor im Kontext direkter, persönlicher Kommunikation zwischen (Service-)Anbieter und Konsument deutlich seltener einer wissenschaftlichen Betrachtung unterzogen als im Kontext der Werbung (vgl. Söderlund et al. 2017, S. 260; Chiew et al. 2019, S. 110). Gleichzeitig kursieren widersprüchliche Vermutungen hinsichtlich der Wirkung von Humor in einem Service-Kontext. Service-Begegnungen stellen soziale Austauschprozesse zwischen mindestens einem Service-Anbieter und mindestens einem Konsumenten dar (vgl. Bitner, Booms und Mohr 1994, S. 95). Humor wird hierbei, ohne dies auf empirische Belege zu stützen, teilweise als kommunikative Maßnahme erachtet, um den Kunden beruhigen und womöglich eine enge Beziehung zwischen Mitarbeiter und Kunde begründen zu können (vgl. Gremler und Gwinner 2000, S. 100). Dies geschieht, indem die Interaktion durch den Einsatz von Humor angenehmer gestaltet wird (vgl. Kim und Ok 2010, S. 51). Auch wird vermutet, dass der Einsatz von Humor durch den Service-Anbieter (je nach angewandter Humorart) die Nähe zwischen Anbieter und Konsument steigern und die Effektivität der Kommunikation seitens des Anbieters (infolge aufgetretener Probleme) erhöhen kann (vgl. Mathies et al. 2016, S. 148, 152). Chiew et al. (2019, S. 110) berichten von Anekdoten über die Zufriedenheit eines Kunden mit einem Restaurant, in welchem ein Service-Mitarbeiter einen Service-Fehler durch humorvolle Kommunikation in eine lustige Angelegenheit transformieren konnte. Im Gegensatz zu diesen angenommenen positiven Wirkungen von Humor wird teilweise aber auch die Auffassung vertreten, dass im Einsatz von Humor eine inadäquate Verhaltensweise des Service-Personals zu sehen sei: Werden Personen gebeten, Service-Fehler zu berichten, die sie selbst erfahren haben, klassifizieren sie den Einsatz von Humor durch das Service-Personal als einen solchen Service-Fehler (vgl. McColl-Kennedy und Sparks 2003, S. 257f). Neben diesen gegensätzlichen Ansichten weisen auch die Untersuchungen, die die Wirkung von Humor in einem Service-Kontext empirisch analysiert haben, kontroverse Ergebnisse auf. Wie bereits dargelegt, liegen in diesem Zusammenhang bislang nur wenig empirische Studien vor. Diese werden in den nachfolgenden Tabellen 2.3, 2.4 und 2.5 im Hinblick auf Untersuchungsgegenstand und Ergebnis umfassend skizziert.
2.2 Konzeptualisierung von Humor
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Untersuchungen, die eine positive Wirkung von Humor bescheinigen: Tab. 2.3 Studien zur positiven Wirkung von Humor in einem Service-Kontext Bergeron und Vachon (2008) Zentrale Fragestellung: Wie wirkt sich der wahrgenommene Sinn für Humor eines Finanzberaters aus Kundensicht [beurteilt anhand von zwei Statements: „Ist ein humorvolles Individuum“/„Machte einige Scherze, die mich zum Lachen gebracht haben“] auf die Beurteilung verschiedener beziehungsrelevanter Dimensionen aus? Komplettierung eines Fragebogens im Anschluss an ein tatsächliches Verkaufsgespräch (Beurteilung des Sinns für Humor des Finanzberaters auf Basis des Verkaufsgesprächs, Zustimmung zu den abhängigen Variablen) [n = 778] Zentrale Ergebnisse (vgl. Bergeron und Vachon 2008, S. 388f): Der wahrgenommene Sinn für Humor des Finanzberaters aus Kundensicht entfaltet einen negativen Einfluss auf das wahrgenommene Risiko der Kunden und wirkt sich positiv auf das Vertrauen der Kunden, die wahrgenommene Service-Qualität, die Zufriedenheit, die Kaufabsicht sowie die Bereitschaft zur positiven Mund-zu-Mund-Kommunikation aus. Humorart: nicht systematisch manipuliert (der Sinn für Humor des Finanzberaters wird auf Basis dessen tatsächlich eingesetzten Humors im Verkaufsgespräch von den Kunden beurteilt) abhängige Variablen: wahrgenommenes Risiko, Vertrauen, wahrgenommene Service-Qualität, Zufriedenheit, Kaufabsicht, Bereitschaft zur positiven Mund-zu-Mund-Kommunikation Setting: Feldstudie, Verkaufsgespräch in der Finanzdienstleistungsbranche Chiew et al. (2019) Zentrale Fragestellungen: Führt eine humorvolle Kommunikation [selbstbezogener Humor vs. auf andere bezogener Humor] durch Service-Mitarbeiter zu einer positiven Kundenerfahrung [Freude an der Interaktion, Zufriedenheit mit der Service-Begegnung]? Welche Humorart [auf sich selbst vs. auf andere gerichtet] hat den stärksten Einfluss? Welche Rolle spielt der Sinn für Humor der Konsumenten [Gefallen an Humor + Fähigkeit zum Einsatz von Humor] bei der Wahrnehmung des Humors des Service-Mitarbeiters? Welchen (moderierenden) Einfluss nimmt die emotionale Verfassung der Konsumenten vor der Service-Begegnung [gut vs. schlecht] auf die Beziehung zwischen Humor und positiver Kundenerfahrung? Zur Überprüfung wurden Probanden [n = 252] im Rahmen einer Feldstudie im Anschluss an die Service-Begegnung gebeten, einen Fragebogen zu komplettieren. Zentrale Ergebnisse (vgl. Chiew et al. 2019, S. 119ff): – Der Sinn für Humor der Probanden wirkt sich positiv auf die Wahrnehmung des (auf sich bzw. auf andere bezogenen) Humors des Service-Mitarbeiters sowie auf die Freude an der Interaktion aus. – Die Wahrnehmung von auf andere gerichteten (nicht aber von auf sich selbst gerichteten) Humors des Service-Mitarbeiters wirkt sich positiv auf die Freude an der Interaktion aus. – Der Einfluss von auf andere gerichtetem Humor auf die Freude an der Interaktion ist schwächer, wenn sich die Probanden vor der Service-Begegnung in einer guten (vs. schlechten) emotionalen Verfassung befinden. – Die Freude an der Interaktion hat einen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Service-Begegnung. Humorart: auf sich selbst vs. auf andere gerichtet; Sinn für Humor der Probanden (Konstrukt zweiter Ordnung, operationalisiert über Gefallen an Humor + Fähigkeit zum Einsatz von Humor) abhängige Variablen: Wahrnehmung des Humors, Freude an der Interaktion, Zufriedenheit mit der Service-Begegnung Moderator: emotionale Verfassung vor der Service-Begegnung (gut vs. schlecht) Setting: Feldstudie in einer Art Kiosk (Verkauf von Zeitungen, Grußkarten, Lottoscheinen etc.) in Sidney
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Untersuchungen, die eine negative Wirkung von Humor bescheinigen: Tab. 2.4 Studien zur negativen Wirkung von Humor in einem Service-Kontext Söderlund et al. (2017) Zentrale Fragestellung: Wie beeinflusst die Integration von Humor [in Form von verbalen Witzen] (vs. kein Humor) in ein persönliches Verkaufsgespräch, in welchem der Kunde Beratung sucht [schriftliche Vignette], die Zufriedenheit der Kunden [z. B. „Wie unzufrieden bzw. zufrieden sind Sie mit dem Geschäft“], die wahrgenommene Relevanz der Botschaft des Verkaufspersonals [gegensätzliche Adjektivpaare, z. B. „wenige Inhalte waren relevant – viele Inhalte waren relevant“] sowie die emotionale Befindlichkeit [gemessen über Gesichtsausdruck und Items (Studie 2) bzw. via Items: „Wie würden Sie Ihre Gefühle nach dem Besuch des Geschäfts beschreiben?“, z. B. traurig – fröhlich (Studie 3)] der Konsumenten? Inwieweit beeinflusst der inhaltliche Bezug (vorhanden vs. fehlend) des Witzes zum Inhalt des Verkaufsgesprächs die Beziehung zwischen Humor und Relevanz der Botschaft bzw. Humor und Zufriedenheit? Zentrale Ergebnisse: Studie 1 (Verkaufsgespräch in einem Geschäft für Sonnenbrillen, n = 97) (vgl. Söderlund et al. 2017, S. 265ff): Die Probanden lasen eine Vignette und sollten sich in eine Person hineinversetzen, die Beratung des Verkaufspersonals bezüglich Sonnenbrillen, insbesondere hinsichtlich der Unterschiedlichkeit billiger vs. teurer Brillen, sucht. – Die wahrgenommene Relevanz der Botschaft des Verkaufspersonals ist signifikant größer, wenn das Verkaufspersonal keinen Humor einsetzte, als wenn Humor (sowohl mit als auch ohne thematischen Bezug*) eingesetzt wurde. Humor mit und ohne inhaltlichen Bezug zum Verkaufsgespräch unterscheiden sich nicht signifikant in ihrer Wirkung auf die wahrgenommene Relevanz der Botschaft. – Die Zufriedenheit der Kunden ist signifikant höher ausgeprägt, wenn das Verkaufspersonal keinen Humor einsetzte, als wenn Humor (sowohl mit als auch ohne thematischen Bezug) eingesetzt wurde. Auch in Bezug auf die Zufriedenheit unterscheiden sich Humor mit und ohne thematischen Bezug nicht signifikant. – Eine Mediationsanalysea zeigt, dass der Einsatz von Humor (Zusammenfassung der beiden Humor-Bedingungen [mit und ohne thematischen Bezug] vs. kein Humor) die Zufriedenheit negativ über die wahrgenommene Relevanz der Botschaft beeinflusst. Ein signifikanter direkter Effekt von Humor (vs. kein Humor) auf die Zufriedenheit liegt hingegen nicht vor. Studie 2 (wie Studie 1, jedoch verkürzte Version der Vignetten, n = 30) (vgl. Söderlund et al. 2017, S. 268ff): Zielsetzung war, die Erkenntnisse aus Studie 1 zu erweitern: Die Autoren vermuten, dass Humor einen Einfluss auf die emotionale Befindlichkeit der Konsumenten nehmen kann und darüber schließlich die wahrgenommene Relevanz der Botschaft sowie die Zufriedenheit der Kunden beeinflussen könnte (vgl. Söderlund et al. 2017, S. 268). – Unabhängig davon, ob die emotionale Befindlichkeit über Gesichtserkennung oder mittels verbaler Skalen gemessen wurde, zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Bedingungen kein Humor, Humor mit thematischen Bezug und Humor ohne thematischen Bezug in ihrer Wirkung auf die emotionale Befindlichkeit. (Fortsetzung)
2.2 Konzeptualisierung von Humor
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Tab. 2.4 (Fortsetzung) Söderlund et al. (2017) Studie 3 (Verkaufsgespräch in einem Buchgeschäft; Humor vs. kein Humor b , n = 142) (vgl. Söderlund et al. 2017, S. 270ff): Die Probanden lasen eine Vignette und sollten sich in eine Person hineinversetzen, die ein Buch als Geschenk kaufen möchte und diesbezüglich Informationen von dem Verkäufer wünscht. – Die wahrgenommene Relevanz der Botschaft war signifikant geringer, wenn das Verkaufspersonal einen Witz in das Verkaufsgespräch integrierte, als wenn es keinen Humor integrierte. Auch die Zufriedenheit ist signifikant geringer ausgeprägt, wenn Humor eingesetzt wird, als wenn kein Humor eingesetzt wird. – Die positive emotionale Befindlichkeit der Kunden war in der humorvollen Bedingung tendenziell geringer als in der Bedingung ohne Humor (jedoch nicht signifikant). – Die wahrgenommene Relevanz der Botschaft mediiert erneut die Beziehung zwischen Humor (vs. kein Humor) und Zufriedenheit, der direkte Effekt ist dieses Mal ebenfalls signifikant (es liegt damit eine komplementäre Mediation vor, vgl. Zhao, Lynch Jr. und Chen 2010, S. 200; siehe hierzu ausführlich die Darstellungen in Abschnitt 6.3.5.2). * Setting 1: Verkaufsgespräch in einem Geschäft für Sonnenbrillen: – Witz mit inhaltlichem Bezug: „Wissen Sie, warum man Sonnenbrillen tragen sollte, wenn man jemandem einen Heiratsantrag macht? – Damit man sich nicht von der Schönheit des Partners blenden lässt.“ – Witz ohne inhaltlichen Bezug: „Wissen Sie, warum der Elefant grüne Socken trägt? – Weil seine roten in der Wäsche sind.“ In der „kein Humor“-Bedingung entfallen die jeweiligen Textpassagen Humorart: Witze (kein Humor vs. Humor ohne inhaltlichen Bezug vs. Humor mit inhaltlichem Bezug; in Studie 3: kein Humor vs. Humor) abhängige Variablen: Zufriedenheit, affektive Reaktion (positive emotionale Befindlichkeit) Mediator: wahrgenommene Relevanz der Botschaft Söderlund und Oikarinen (2018) Zielsetzung: Replikation der Studie von Söderlund et al. (2017) in Service-Situationen [schriftliche Vignetten] mit anderen Eigenschaften. Erweiterung der Erkenntnisse mit Blick auf folgende Aspekte: – Andere Service-Situationen: Statt Betrachtung der Vorverkaufsphase Fokus auf Situationen, in denen die Inanspruchnahme des Service bereits begonnen hat – Betrachtung verkürzter Szenarien ohne Fokus auf ein bestimmtes Thema statt Integration des Humors in eine lange Interaktion zwischen Anbieter und Kunde – Art des Humors: Studie 1 (wie Söderlund et al. 2017): Witze [Geschichten über Dritte], Studie 2: humorvolle Bemerkungen „zwischendurch“ [mehrere kurze Kommentare im Verlauf der Interaktion]; dies trägt der Problematik Rechnung, dass Humor in Söderlund et al. (2017) als losgelöstes Element in das informations-dominante Szenario integriert war, während nun ein Humor-dominanter Kontext angestrebt wird. Dadurch soll die Wirkung von Humor auf die emotionale Befindlichkeit abgebildet werden, indem Humor „prä-kognitiv“ wirkt und eine emotionale Reaktion erzeugt (vgl. Söderlund und Oikarinen 2018, S. 56) – Betrachtung des Konsums der Leistung in Gruppen statt im Rahmen einer Interaktion ausschließlich zwischen einer Verkaufsperson und einem Konsumenten (Fortsetzung)
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Tab. 2.4 (Fortsetzung) Söderlund et al. (2017) Zentrale Fragestellung: Vor dem Hintergrund dieser Modifikationen wird untersucht, inwieweit der Einsatz von Humor (vs. kein Humor) die wahrgenommene Relevanz der Botschaft des Service-Personals [gegensätzliche Adjektivpaare, z. B. „wenige Inhalte waren relevant – viele Inhalte waren relevant“], sowie darüber die Kundenzufriedenheit [z. B. „Wie unzufrieden bzw. zufrieden sind Sie mit dem Hotel“] reduziert. Neben der wahrgenommenen Relevanz wird auch die emotionale Befindlichkeit [„Wie würden Sie Ihre Gefühle in diesem Moment Ihres Hotelbesuchs beschreiben?“ negative Emotionen – positive Emotionen] als Mediator der Beziehung zwischen Humor (vs. kein Humor) und Zufriedenheit betrachtet. Studie 2 (Setting: Fitness-Kurs) betrachtet zudem den Einfluss von Humor (vs. kein Humor) auf den empfundenen Teamgeist [z. B. „Der Trainer schaffte ein ‚Wir sind ein Team‘-Gefühl“], die wahrgenommene Fürsorge durch den Mitarbeiter [z. B. „Der Trainer sorgte sich um die Bedürfnisse der Teilnehmer“] sowie die Korrelation dieser beiden Variablen mit der Zufriedenheit der Konsumenten. Zentrale Ergebnisse: Studie 1 (Setting: Hotel, n = 80) (vgl. Söderlund und Oikarinen 2018, S. 58ff): Konsumenten lesen ein Szenario und nehmen die Rolle eines Gastes ein, der in ein Hotel einchecken möchte. Der Empfangsmitarbeiter gibt einige Informationen zum Hotel und beantwortet Fragen des Gastes. In der humorvollen Bedingung erzählt er eine humorvolle Anekdote aus dem Hotel. – Die wahrgenommene Relevanz der Botschaft des Service-Mitarbeiters ist signifikant geringer, wenn dieser Humor (vs. kein Humor) in seine Ausführungen integriert. – Die Zufriedenheit ist beim Einsatz von Humor (vs. kein Humor) signifikant geringer. – Die wahrgenommene Relevanz der Botschaft mediiert die Beziehung zwischen Humor (vs. kein Humor) und Zufriedenheit. Humor (vs. kein Humor) beeinflusst die Zufriedenheit hierbei negativ via wahrgenommene Relevanz der Botschaft. Gleichzeitig ist der direkte Effekt von Humor (vs. kein Humor) auf die Zufriedenheit signifikant. – Wird Humor eingesetzt, ist die positive emotionale Befindlichkeit der Konsumenten signifikant geringer ausgeprägt, als wenn kein Humor eingesetzt wird. Die positive emotionale Befindlichkeit mediiert die Beziehung zwischen Humor (vs. kein Humor) und Zufriedenheit. Humor (vs. kein Humor) beeinflusst die Zufriedenheit hierbei negativ über die positive emotionale Befindlichkeit. Der direkte Effekt ist nicht signifikant. – Gleichzeitig können die Autoren zeigen, dass beide Variablen auch als hintereinandergeschaltete Mediatoren fungieren können. Der indirekte Einfluss von Humor (vs. kein Humor) auf die Zufriedenheit ist sowohl für die Kette Humor – em. Befindlichkeit – Relevanz – Zufriedenheit, als auch für die Kette Humor – Relevanz – em. Befindlichkeit – Zufriedenheit signifikant. Der erste indirekte Effekt ist jedoch, relativ zum zweiten betrachtet, stärker. Die Integration von Humor (in Form humorvoller Anekdoten, vs. kein Humor) in ein Gespräch zwischen Service-Mitarbeiter und Kunde reduziert die wahrgenommene Relevanz der Botschaft des Mitarbeiters, die positive emotionale Befindlichkeit und die Zufriedenheit der Kunden. Diese Ergebnisse sind konsistent mit den Ergebnissen von Söderlund et al. (2017), mit dem Unterschied, dass der negative Einfluss von Humor (vs. kein Humor) auf die emotionale Befindlichkeit signifikant ist. (Fortsetzung)
2.2 Konzeptualisierung von Humor
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Tab. 2.4 (Fortsetzung) Söderlund et al. (2017) Studie 2 (Setting: Fitness-Kurs, n = 88) (vgl. Söderlund und Oikarinen 2018, S. 60f): Konsumenten lesen ein Szenario, in welchem sie die Rolle eines Teilnehmers an einem Fitness-Kurs einnehmen. Ein Trainer erklärt Inhalte und Vorteile des Kurses. In der humorvollen Bedingung bediente sich der Trainer insgesamt fünfmal einer humorvollen Bemerkung [z. B. „Dies ist kein Übungskurs, es ist eine Beerdigung – unseres Fettes. Und wir alle sind dabei!“] – Sowohl die wahrgenommene Relevanz des Gesagten, als auch die Zufriedenheit der Konsumenten war in der humorvollen Bedingung signifikant geringer ausgeprägt als in der Bedingung ohne Humor. – Der negative Einfluss von Humor (vs. kein Humor) auf die Zufriedenheit wird von der wahrgenommenen Relevanz des Gesagten mediiert. Der direkte Effekt ist nicht signifikant. – Humor (vs. kein Humor) reduziert die positive emotionale Befindlichkeit der Konsumenten. Die positive emotionale Befindlichkeit fungiert zudem als Mediator der Beziehung zwischen Humor (vs. kein Humor) und Zufriedenheit. Der direkte Effekt ist nicht signifikant. – Der indirekte Effekt von Humor (vs. kein Humor) auf die Zufriedenheit via Relevanz und em. Befindlichkeit (sowie via em. Befindlichkeit und Relevanz) ist ebenfalls signifikant. Anders als in Studie 1 ist in Studie 2 jedoch der indirekte Effekt stärker ausgeprägt, der die Relevanz als ersten und die emotionale Befindlichkeit als zweiten Mediator berücksichtigt. – Der Einsatz von Humor (vs. kein Humor) steigert tendenziell den empfundenen Teamgeist. Die Unterschiede sind jedoch nicht signifikant. – Mit Blick auf die wahrgenommene Fürsorge des Trainers zeigten sich keine Unterschiede zwischen der Bedingung mit und ohne Humor. Humorart: humorvolle Anekdote (Studie 1), mehrfache humorvolle Bemerkungen (Studie 2), jeweils vs. kein Humor abhängige Variablen: Zufriedenheit; in Studie 2 zusätzlich wahrgenommener Teamgeist, wahrgenommene Fürsorge des Service-Personals Mediatoren: Relevanz der Botschaft, emotionale Befindlichkeit a Mediationsanalysen
beschäftigen sich mit der Frage, wie eine Variable X einen Einfluss auf eine Variable Y ausübt. Im Rahmen einer simplen Mediationsanalyse beeinflusst X Y über eine Variable M (Mediator). Der Einfluss von X auf Y ohne Berücksichtigung von M wird als direkter Effekt bezeichnet. Beeinflusst X Y via M, spricht man von dem indirekten Effekt (vgl. Hayes 2018, S. 78f) b Eine Unterscheidung zwischen Humor mit und ohne thematischen Bezug wurde, aufgrund nicht signifikanter Unterschiede in den Studien 1 und 2, in Studie 3 nicht mehr vorgenommen. In Studie 3 erfolgte allerdings eine zusätzliche Berücksichtigung des wahrgenommenen Sinns für Humor des Verkaufspersonals aus Konsumentensicht, jedoch zeigte sich hierbei kein signifikanter Unterschied zwischen den Bedingungen (mit vs. ohne Humor), sodass vorliegend auf eine Darstellung verzichtet wird
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Untersuchungen, die positive und negative Wirkungen von Humor bescheinigen: Tab. 2.5 Studien zu kontroversen Wirkungen von Humor in einem Service-Kontext Van Dolen, de Ruyter und Streukens (2008) Zielsetzung: Analyse der moderierenden Wirkung von Humor hinsichtlich des Zusammenspiels aus Prozess- und Ergebnisfehlern und der Beurteilung eines elektronischen Service-Prozesses durch den Konsumenten. Zentrale Fragestellung: Die Probanden [n = 241] wurden gebeten, in einem Online-Reiseportal einen Skiurlaub zu buchen; Welche positiven und negativen Effekte haben humorvolle Elemente auf der Website [Humor mit thematischem Bezug in Form eines animierten Bildes und eines „Witz des Tages“ mit thematischem Bezug vs. kein Humor, d. h. Integration eines nicht-humorvollen animierten Bildes und eines „Zitat des Tages“ auf der Webseite] infolge aufgetretener Probleme bei der Online-Buchung der Ski-Reise auf die Beurteilung [Spaß, z. B. „Der Besuch der Website hat mir Spaß bereitet“, Zufriedenheit mit dem Service-Prozess, z. B. „Ich bin zufrieden mit dem Besuch der Website“ und Verhaltensabsicht, z. B. Weiterempfehlung und Wiederbesuchsabsicht]? Zentrale Ergebnisse: (vgl. van Dolen et al. 2008, S. 171ff): – Verläuft der Prozess der Buchung reibungslos [d. h. funktionierende Hyperlinks, gut lesbarer Text sowie keine Probleme bei der Eingabe der Daten für die Buchung], das Ergebnis ist jedoch problembehaftet [Konsumenten erhalten eine Mitteilung, dass die Buchung nicht abgeschlossen werden konnte], dienen humorvolle Elemente auf der Website dazu, Spaß, Zufriedenheit und Verhaltensabsichten der Kunden positiv zu beeinflussen. – Sind hingegen sowohl der Ablauf [nicht funktionierende Hyperlinks, einfrierender Bildschirm, Text teilweise nicht lesbar und Probleme bei der Dateneingabe] als auch das Ergebnis fehlerhaft, resultieren humorvolle Elemente auf der Website in eine negativere Beurteilung des Online-Services (verglichen mit einer nicht-humorvollen Seite). Humorart: mit thematischem Bezug (Bild und Text) vs. kein Humor abhängige Variablen: Spaß, Zufriedenheit, Verhaltensabsicht Setting: Online-Reiseportal McGraw et al. (2015) (Fortsetzung)
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Tab. 2.5 (Fortsetzung) Van Dolen, de Ruyter und Streukens (2008) Zentrale Fragestellung: Inwiefern ist das humorvollea Formulieren einer Beschwerde [humorvoll vs. seriös, manipuliert über den Inhalt der Beschwerde oder bei identischer Formulierung der Beschwerde über ein Emoji (lachend vs. verärgert) sowie einen Hashtag (#lol vs. #ugh) am Ende der Beschwerde] förderlich beziehungsweise hinderlich für den Beschwerdesteller im Hinblick auf dessen Absichten? Zentrale Ergebnisse: Die Ergebnisse von insgesamt sechs durchgeführten Studien zeigen, dass eine humorvolle (verglichen mit einer seriösen) Beschwerde sowohl positive, als auch negative Wirkungen entfaltet (vgl. McGraw et al. 2015, S. 1167): Verglichen mit einer seriösen Beschwerde führt eine humorvolle Beschwerde zu folgenden Ergebnissen: – Den Rezipienten bereitet das Lesen der Beschwerde mehr Spaß [z. B. „Wie viel Spaß hat Ihnen das Lesen dieser Bewertung gemacht?“] – Die Einstellung gegenüber dem Verfasser der Beschwerde ist positiver [z. B. „Wie gerne mögen Sie die Person, die diese Beschwerde verfasst hat?“] – Die Beschwerde wird besser erinnert und die Bereitschaft, die Beschwerde in sozialen Netzwerken zu teilen (sofern die Beschwerde dort als Beitrag verfasst ist) ist signifikant höher. Gleichzeitig aber ist das humorvolle Formulieren einer Beschwerde hinderlich, – wenn der Beschwerdesteller beabsichtigt, eine schnelle Wiedergutmachung zu erhalten [z. B. „Wenn Sie Manager des Unternehmens wären, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie dem Beschwerdeführer eine Wiedergutmachung anbieten würden?“] – oder generell Mitgefühl generieren möchte [z. B. „Angenommen, ein Freund von Ihnen hätte diese Beschwerde verfasst, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie mit ihm mitfühlen würden?“], da humorvolle Beschwerden als spielerisch und damit als weniger ernst und dringlich empfunden werden. Humorart: humorvolle Beschwerde vs. seriöse Beschwerde abhängige Variablen: u. a. Spaß, Einstellung gegenüber dem Beschwerdeführer, Erinnerung, Bereitschaft, die Beschwerde in sozialen Netzwerken zu teilen, Chance auf schnelle Kompensation, Erzeugen von Mitgefühl Setting: Beschwerdeführung in sozialen Netzwerken (Facebook) oder via Online-Bewertungsportale (Yelp, Amazon) a Die
Autoren betrachten eine humorvolle vs. eine seriöse Beschwerde als Stimulus, definieren das Konstrukt Humor selbst aber als Resultat (vgl. McGraw et al. 2015, S. 1154). Eine Beschwerde ist demnach dann als humorvoll erachtet worden, wenn sie Humor in dem von den Autoren verstandenen Sinne erzeugt, also die positive Emotion der Erheiterung, die Wahrnehmung als „lustig“ sowie die Tendenz zum Lachen zu erzeugen vermag (vgl. McGraw et al. 2015, S. 155)
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Nicht nur, dass außer den dargestellten Untersuchungen bis dato nahezu keine empirischen Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in einem Service-Kontext vorliegen, macht die empirische Untersuchung der Thematik interessant und aus wissenschaftlicher Sicht relevant. Hinzu kommt, dass die bestehenden Erkenntnisse widersprüchlicher Natur sind. Sie zeigen einerseits, dass Humor im Rahmen einer Service-Begegnung die Gefahr negativer Wirkungen mit sich bringen kann. Andererseits sind auch positive Effekte zu verzeichnen. Unklar bleibt, wann welche Wirkung eintritt. Die oben gemachten Darstellungen lassen jedoch erste Annahmen treffen, worin sich die Uneinheitlichkeit der Ergebnisse begründen könnte. Zwar ist allen Studien gemein, dass sie die Wirkung eines humorvollen Stimulus in einem Service-Kontext untersuchen. Die Studien von van Dolen et al. (2008) sowie McGraw et al. (2015) aber untersuchen diese Wirkung nicht im Kontext einer persönlichen (face-to-face-)Kommunikation, sondern in einem Online-Kontext. Diejenigen Studien, die den Bereich der persönlichen Kommunikation betrachten, untersuchen die Wirkung von Humor hierbei in unterschiedlichen Branchen: im Finanzbereich (Bergeron und Vachon 2008), im weiten Feld des Einzelhandels (Söderlund et al. 2017; Chiew et al. 2019) sowie in der Hotel- und Fitnessbranche (Söderlund und Oikarinen 2018). Teilweise unterscheiden sich die betrachteten abhängigen Variablen, sodass unterschiedliche Wirkungen von Humor analysiert werden. Meist betreffen diese eine kognitive Dimension (z. B. Zufriedenheit), vereinzelt werden aber auch affektive Dimensionen betrachtet (z. B. emotionale Befindlichkeit). Auch der Zusammenhang, in dem Humor angewandt wird, unterscheidet sich zwischen den Studien. Während der Service-Mitarbeiter in der Studie von Chiew et al. (2019) mit seinen Kunden während der ServiceBegegnung humorvoll kommuniziert und auch der Finanzberater in der Studie von Bergeron und Vachon (2008) humorvolle Elemente in die Interaktion mit seinen Kunden integriert, wendet das Verkaufspersonal beispielsweise bei Söderlund et al. (2017) Humor bei Kunden an, die mit einem Informationsgesuch an das Verkaufspersonal herantreten. Zwar weist dieser Humor in einer der Bedingungen einen inhaltlichen Bezug zum Verkaufsgespräch auf. Die Intention hinter dem Einsatz von Humor in diesem Zusammenhang aber wirkt, insbesondere aus Kundensicht, womöglich schwer nachvollziehbar, da das Verkaufspersonal inmitten des Verkaufsgesprächs einen Witz (in Form einer kurzen Geschichte, vgl.
2.2 Konzeptualisierung von Humor
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Söderlund und Oikarinen 2018, S. 56) erzählt. Diese Problematik adressieren Söderlund und Oikarinen (2018), indem sie diesen Witz durch mehrere vereinzelte humorvolle Bemerkungen während der Interaktion ersetzen. Die Wirkung von Humor jedoch bleibt auch hierbei negativ. Insgesamt stehen die Ergebnisse der Studien von Söderlund et al. (2017) sowie Söderlund und Oikarinen (2018) damit im Widerspruch zu anderen Untersuchungen in diesem Kontext. Die Autoren weisen einen negativen Einfluss von Humor auf die Zufriedenheit der Kunden nach. Mit Blick auf die weniger betrachteten affektiven Reaktionen finden Söderlund et al. (2017) keinen signifikanten Effekt, Söderlund und Oikarinen (2018) weisen schließlich einen negativen Einfluss von Humor (vs. kein Humor) auf die emotionale Befindlichkeit der Rezipienten nach. Demgegenüber stehen die Untersuchung von Bergeron und Vachon (2008), die einen positiven Einfluss von Humor unter anderem auf die Zufriedenheit der Rezipienten zeigen, sowie von Chiew et al. (2019), die einen positiven Einfluss von Humor auf die affektive Dimension „Freude an der Interaktion“ abbilden können. Derartige Widersprüche hinsichtlich der Wirkung von Humor könnten auch aus der unterschiedlichen Konzeptualisierung von Humor in diesen Untersuchungen resultieren. Uneinheitlichkeit besteht bei den dargestellten Studien nämlich auch im Hinblick auf die Art des Humors, die vorgenommene Manipulation sowie die Messung: So nehmen Bergeron und Vachon (2008) keine systematische Manipulation des Humors vor, sondern betrachten den Sinn für Humor des Finanzberaters, den die Probanden auf Basis des tatsächlich angewandten Humors im Rahmen des Beratungsgesprächs beurteilten, als unabhängige Variable. Mangels systematischer Manipulation des eingesetzten Humors bleibt aber unklar, anhand welcher Kriterien die Beurteilung des Sinns für Humor vorgenommen wurde (vgl. Bergeron und Vachon 2008, S. 392). Hinzu kommt, dass der wahrgenommene Sinn für Humor, wie in Abschnitt 2.1.1 dargestellt, sich von einem humorvollen Stimulus als solchem konzeptionell unterscheidet, was eine Vergleichbarkeit der Studien zusätzlich erschwert, wenngleich diese Wahrnehmung auf Basis des tatsächlich eingesetzten Humors des Finanzberaters gefällt wird. Auch McGraw et al. (2015) betrachten keine spezifische Form des Humors. Söderlund et al. (2017) und Söderlund und Oikarinen (2018) nehmen eine Manipulation des eingesetzten Humors vor. Ebenso variieren auch Chiew et al. (2019, S. 112) den eingesetzten Humor systematisch: die Autoren unterscheiden zwischen Humor, der auf andere gerichtet ist, von solchem, der auf den Kommunikator (also den Service-Mitarbeiter) selbst gerichtet ist. Allerdings fassen die Autoren unter Humor, der auf das Selbst gerichtet ist, selbsterhöhenden Humor (Humor, der in einer positiven Weise das Selbst betrifft) und selbst-herabwürdigenden Humor (Humor, der das Selbst in einer negativen Weise
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Humorvolle Kommunikation: Humor aus kommunikationstheoretischer …
adressiert) zusammen. Die Tatsache, dass sich diese Humorarten in ihrer Wirkung unterscheiden können (s. Abschnitt 2.1.2), könnte das von den Autoren gefundene Ergebnis, dass der postulierte Effekt nur für den auf andere (nicht aber für den auf das Selbst) gerichteten Humor nachgewiesen werden konnte, erklären. Auch hinsichtlich der Messung zeigt sich eine gewisse Problematik: Anders als die gewählten Items zur Messung des auf andere bezogenen Humors enthalten die Items zur Messung selbstbezogenen Humors teilweise Wertungen (z. B. „Er lässt andere Scherze auf seine Kosten machen, und zwar mehr, als er es sollte“) (vgl. Chiew et al. 2019, S. 118). Es ist damit fraglich, ob sich die zwei betrachteten Humorarten tatsächlich in ihrer Wirkung unterscheiden, wie es die Ergebnisse der Studie suggerieren, oder ob sie sich auf die Unterschiedlichkeiten bei der Messung gründen. Über solche Limitationen einzelner Untersuchungen hinaus lässt sich insgesamt festhalten: Die vorgestellten empirischen Untersuchungen weisen Inkonsistenzen hinsichtlich Kontextbedingungen, Messungen und Konzeptualisierungen von Humor und den betrachteten Zielgrößen auf. Aufgrund dieser Uneinheitlichkeiten gestaltet es sich schwierig, einen Konsens hinsichtlich der Wirkung von Humor in einem Service-Kontext zu finden. Vielmehr ergibt sich aus dieser Unstimmigkeit heraus noch mehr die Notwendigkeit, den zugrundeliegenden Wirkmechanismus von Humor in einem Service(Fehler)-Kontext systematisch zu untersuchen. Denkbar wäre neben einer positiven Wirkung von Humor grundsätzlich auch, dass der Einsatz von Humor das ohnehin schon negative Gefühl der Konsumenten noch zusätzlich verstärkt (vgl. Söderlund und Oikarinen 2018, S. 62). Die oben dargestellten Studien erlauben nur bedingt einen Erkenntnisgewinn hinsichtlich dieser Fragestellung. Aus den gemachten Darstellungen ergibt sich damit eine große Forschungslücke, der sich die vorliegende Arbeit widmet. Die Ausführungen machen deutlich, dass Humor zwar ein multidisziplinäres Forschungsinteresse erfährt. Wissenschaftliche Forschung aber, die sich mit der Wirkung von Humor in einem Service-Kontext, und hierbei insbesondere der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument, widmet, ist zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit nur wenig existent. Diejenigen Ergebnisse, die vorliegen, unterscheiden sich in ihren Aussagen. Zudem wird stets der Service-Kontext vor dem Auftreten potentieller Service-Fehler betrachtet. Studien, die die Wirkung von Humor spezifisch in einem Service-Recovery-Kontext untersuchen, in welchem Service-Anbieter und Kunde persönlich miteinander interagieren, scheinen indes nicht vorhanden. Daraus resultiert ein fehlendes Verständnis, welche Wirkungen Humor als potentielle Maßnahme in Reaktion auf aufgetretene Probleme im Rahmen des Service (vgl. Kelley und Davis 1994, S. 52) entfalten kann. Gerade vor
2.2 Konzeptualisierung von Humor
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dem Hintergrund der Tatsache aber, dass durch auftretende Probleme im Service negative Emotionen seitens der Konsumenten entstehen (vgl. Mattila und Ro 2008) und die dargestellten Ergebnisse erkennen lassen, dass Humor positive emotionale Wirkungen entfalten kann, wird deutlich, dass diese Fragestellung sowohl aus wissenschaftlicher wie auch aus praktischer Sicht Relevanz besitzt. Einzig aus der Studie von Chiew et al. (2019, S. 121) ergibt sich ein erster Hinweis, dass Humor auch in bereits negativ aufgeladenen Service-Situationen eine erfolgversprechende Wirkung entfalten könnte. Ein Ergebnis der Autoren zeigt, dass der Einfluss von Humor auf die affektive Größe „Freude an der Interaktion“ stärker ist, wenn sich die Rezipienten zuvor in einer schlechten (vs. guten) Stimmung befinden. Eine sonstige Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist, wie bereits dargelegt, bis dato nicht bekannt. Unklar bleibt, worauf sich der Mangel an Beschäftigung mit dieser Fragestellung gründet. Vielleicht resultiert er aus einer Angst, Humor könnte ohnehin schon negativ gestimmte Konsumenten noch weiter verstimmen und die bereits angespannte Situation somit noch verschlimmern (vgl. Bippus 2003, S. 413). Denkbar wäre auch, dass der Einsatz von Humor in der persönlichen Kommunikation nach Auftreten eines Service-Fehlers als zu anspruchsvoll und praktisch nur schwer umsetzbar empfunden wird, während eine Entschuldigung oder das Anbieten einer ökonomischen Kompensation leichter vom Service-Personal trainiert und routiniert werden können. Unabhängig davon aber, was die Gründe für das Bestehen der Forschungslücken sind, machen die Darstellungen die Relevanz der Beschäftigung mit dieser Thematik offensichtlich. Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es damit primär, sich der skizzierten Forschungslücke zu widmen. Es gilt in einem ersten Schritt, den Wirkmechanismus von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Anbieter und Konsument aufzudecken und umfassend zu beleuchten. Diese Vorgehensweise schafft ein wesentliches Fundament, auf dem künftige Forschung weiter aufbauen und die zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit bestehende Forschungslücke weiter schließen kann. Abgestellt werden soll vorliegend auf die Situation, dass Konsumenten infolge problembehafteter Service-Begegnungen Ärger empfinden. Es wird analysiert, inwiefern der Einsatz von Humor die Konsumenten von dieser inneren Anspannung befreien kann. Nachfolgender Kapitel 3 beschäftigt sich unter Berücksichtigung der Entstehungstheorien mit der Frage, welche Funktionen Humor als kommunikative Maßnahme in diesem Kontext entfalten kann und welcher Wirkmechanismus dem Einsatz von Humor dabei zugrunde liegt.
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Anbieter und Konsument im Kontext von Service-Fehlern und Service-Recovery Zur Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus, der dem Einsatz von Humor als potentielle Recovery-Maßnahme in der persönlichen Kommunikation im Service-Bereich zugrunde liegt, wird zunächst, insbesondere vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der Befreiungstheorie, die wissenschaftlich bislang kaum adressierte Frage analysiert, welche Wirkung der Einsatz von Humor durch das Service-Personal auf die Konsumenten haben kann, die zuvor mit einer Service-Fehler-Situation konfrontiert worden sind. In einem zweiten Schritt wird diskutiert, inwieweit sich die beim Konsumenten eingetretene, durch Humor induzierte Wirkung auf nachfolgende Beurteilungsdimensionen auswirken kann (Abschnitt 3.2). Abschnitt 3.3 beschäftigt sich schließlich mit der Frage, ob das Geschlecht die Wirkung von Humor beeinflusst und inwieweit die Schwere der Service-Fehler-Situation einen Einfluss auf die Beziehung zwischen Humor und der eintretenden Wirkung nehmen kann.
3.1
Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal auf Konsumenten infolge von Service-Fehlern
Wie die Darstellungen in Abschnitt 2.2.2.3 gezeigt haben, werden Humor aus kommunikationstheoretischer Perspektive eine Vielzahl an Funktionen zugesprochen, die im Hinblick auf ihren Erklärungsgehalt um die Erkenntnisse der Entstehungstheorien (s. Abschnitt 2.2.2.1) ergänzt werden sollten. Diese umfassende Betrachtungsweise ist notwendig, um den interessierenden psychologischen Wirkmechanismus von Humor in der interpersonellen Kommunikation aufdecken zu können (vgl. Meyer 2000, S. 311; Meyer 2015, S. 13) und so einen © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kobel, Humorvolle Kommunikation bei Serviceversagen, Forschungsgruppe Konsum und Verhalten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31474-3_3
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
wesentlichen Beitrag für die Humorforschung zu leisten (vgl. Warren et al. 2018, S. 544). Vor diesem Hintergrund bildet Abschnitt 3.1.1 zunächst die Grundlagen zu Service-Fehlern und Service-Recovery ab. Anschließend wird in Abschnitt 3.1.2 diskutiert, weshalb die Befreiungstheorie diejenige Theorie darstellt, die den größten Erklärungsbeitrag zur Wirkung von Humor in dem interessierenden Kontext leistet und wie sie die Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal auf die Konsumenten infolge von Service-Fehlern erklären kann.
3.1.1
Service-Fehler und Service-Recovery
Service-Begegnungen sind, wie bereits dargestellt, soziale Austauschprozesse zwischen Service-Anbieter und Konsument (vgl. Bitner et al. 1994, S. 95). Aus Perspektive früherer Forschung, die sich mit Service-Qualität beschäftigte, sollten Service-Begegnungen bestenfalls ohne das Auftreten von Service-Fehlern verlaufen (vgl. z. B. Berry und Parasuraman 1992, S. 17). Zur Wiederholung: Service-Fehler sind definiert als jegliche Form wahrgenommener oder tatsächlicher Service-bezogener Probleme, die während der Service-Begegnung zwischen Anbieter und Konsument auftreten (vgl. Maxham III 2001, S. 11). In der ServicePraxis ist das Auftreten derartiger Fehler tatsächlich kaum vermeidbar (vgl. z. B. Hart et al. 1990, S. 148; Sengupta, Balaji und Krishnan 2015, S. 665), was nicht zuletzt auf die hohe menschliche Beteiligung bei der Erstellung und Bereitstellung des Service zurückzuführen ist (vgl. Varela-Neira et al. 2008, S. 497). In der Regel allerdings verspüren Konsumenten infolge aufgetretener Service-Fehler negative Emotionen wie Ärger, Enttäuschung, Bedauern oder Sorge (vgl. z. B. Mattila und Ro 2008). Ärger gilt hierbei als diejenige Emotion, die entsteht, wenn dem Service-Anbieter aus Sicht des Konsumenten die Schuld für das aufgetretene Problem zuzuschreiben ist (vgl. z. B. Menon und Dubé 2004, S. 230; Bonifield und Cole 2007, S. 87). Problematisch aus Sicht des Service-Anbieters ist hierbei, dass diese negativen Emotionen die Beziehung des Konsumenten zum Service-Anbieter negativ beeinflussen können, da Konsumenten sich in ServiceFehler-Situationen nicht selten entsprechend ihrer Emotionen verhalten. So ist es denkbar, dass Konsumenten ihren negativen Emotionen öffentlich Ausdruck verleihen (vgl. z. B. Chebat und Slusarczyk 2005, S. 665). Denkbar ist auch, dass sich Konsumenten bei Bekannten und Freunden negativ über den ServiceAnbieter äußern (vgl. z. B. Chelminski und Coulter 2011, S. 361), sodass diese von einer künftigen Inanspruchnahme des Service bei diesem Anbieter absehen, oder auch, dass die Service-Fehler in eine Beendigung der Beziehung des
3.1 Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal …
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betroffenen Konsumenten zum Service-Anbieter resultieren (vgl. z. B. Roos 1999, S. 68; McCollough, Berry und Yadav 2000, S. 121). Eine effektive Reaktion des Unternehmens auf Service-Fehler, d. h. eine erfolgreiche Service-Recovery (vgl. Kelley und Davis 1994, S. 52) ist unabdingbar, um die Situation zu entspannen und den Konsumenten zu besänftigen, um schließlich Schaden vom Unternehmen abwenden zu können (vgl. Smith und Bolton 2002, S. 5). Die vorliegende Arbeit untersucht, inwiefern Humor hierfür ein adäquates Mittel darstellen kann.
3.1.2
Die Befreiungstheorie und ihr Erklärungsbeitrag für die Wirkung von Humor als potentielle Maßnahme der Service-Recovery
Damit Humor als erfolgreiche Maßnahme der Service-Recovery fungieren kann, muss es gelingen, die negativ gestimmten Konsumenten durch den Einsatz von Humor zu besänftigen, oder anders ausgedrückt, bei diesen Konsumenten das positive Gefühl einer Befreiung von dieser inneren Anspannung zu erzeugen. In Abschnitt 2.2.2.3 wurde herausgearbeitet, dass Humor eine solche Funktion grundsätzlich entfalten kann. Diese wird gemäß der Klassifikation nach Graham et al. (1992, S. 167f) als „Positive Affect“ definiert. Humor wird hierbei eine pro-soziale Funktion zugeschrieben: Er kann soziale Beziehungen begründen bzw. fördern, einen spielerischen Modus bei den Kommunikationspartnern erzeugen und dazu dienen, Situationen zu entschärfen. Martin et al. (2004, S. 209) ziehen die Befreiungstheorie als relevante Theorie zur Erklärung dieser Funktionen heran. Diese schreibt Humor die Fähigkeit zu, ebendiese befreiende Wirkung („relaxing tensions“) beim Rezipienten im Rahmen von angespannten (Kommunikations-)Situationen zu entfalten. In der vorliegenden Arbeit ist es von Interesse zu analysieren, ob Humor auch infolge von Service-Fehlern dazu in der Lage ist. Generell wird Humor als „instrument of social influence1 “ (Kane, Suls und Tedeschi 1977, S. 13) und damit auch als wirksame Maßnahme im Umgang mit Konflikten in sozialen Interaktionen betrachtet. Gleichzeitig aber ist die Wirkung von Humor stark kontextabhängig (vgl. Meyer 2000, S. 316), sodass nicht unmittelbar davon ausgegangen werden kann, dass Humor diese Funktion auch in einem Service-Fehler-Kontext entfaltet. Zwar kann Humor in der persönlichen Kommunikation durchaus den Weg ebnen. Denkbar wäre aber auch, dass Humor Reibungen provoziert und einen bestehenden Konflikt verstärkt (vgl. Martineau 1972, zitiert nach Meyer 2000, S. 317), also nur noch mehr Öl in das ohnehin 1 Instrument
mit sozialer Wirkung (eigene Übersetzung)
50
3
Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
schon lodernde Feuer gießt (vgl. Söderlund und Oikarinen 2018, S. 62). Insbesondere in emotional aufgeladenen Situationen nämlich ist es nicht ungewöhnlich, dass Rezipienten die affektive Bedeutung einer Botschaft anders erfahren als vom Sender beabsichtigt (vgl. van Buren 2002, zitiert nach Bippus et al. 2012, S. 440). Chiew et al. (2019, S. 110) empfehlen der Service-Praxis daher, den Einsatz von Humor strategisch zu planen, um negative Auswirkungen auf das Unternehmen zu vermeiden. Eine solche Vorgehensweise aber bedarf einer Kenntnis der Wirkung, die Humor entfaltet. Wird eine positive Wirkung von Humor in einem konfliktären Kontext angenommen, wird in der Literatur zunehmend gefordert zu untersuchen, wie diese gelingen kann (vgl. Warren et al. 2018, S. 544). Wie dargestellt, vermag die Befreiungstheorie diese Funktion von Humor zu erklären. Sie wird im nachfolgenden Abschnitt ausführlicher behandelt und schließlich auf den interessierenden Service-Fehler-Kontext übertragen.
3.1.2.1 Die Befreiungstheorie: Ursprung und Entwicklung In Abschnitt 2.2.2.1 wurden die klassischen Humortheorien (Überlegenheits-, Inkongruenz-, Befreiungstheorie) vorgestellt und auf der individuellen Konzeptualisierungsebene von Humor verankert. Die Befreiungstheorie gilt als affektive Theorie (vgl. Morreall 1983, S. 38f) und geht davon aus, dass Humor zur Befreiung von inneren Anspannungen führt, also deren Entweichen ermöglicht (vgl. Martin et al. 2004, S. 209). Sie wurde als diejenige Theorie herausgestellt, die den theoretischen Rahmen der vorliegenden Arbeit bilden kann und wird nachfolgend vor dem Hintergrund ihres Erklärungsbeitrags zur Wirkung von Humor in einem Service-Fehler-Kontext beleuchtet. Ein klarer theoretischer Rahmen ist notwendig, da Untersuchungen zum Einsatz von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument bislang zu konträren Ergebnissen führten (s. Abschnitt 2.2.2.4), was neben uneinheitlichen Definitionen und Operationalisierungen auch auf eine fehlende Einheitlichkeit bei der Konzeptualisierung von Humor zurückgeführt werden kann. Die Befreiungstheorie nach Spencer In ihren Ursprüngen geht die Befreiungstheorie auf Spencer (1860) zurück. Innerhalb dieser Theorie stellen Emotionen Formen „nervöser Energien“ dar, die die motorischen Nervenzellen erregen und denen der Mensch durch bestimmte körperliche Bewegungen Ausdruck verleiht. Diese Energien müssen aus dem Körper entlassen werden. Lachen stellt eine Möglichkeit dar, wie dies geschehen kann. Diese ursprünglichste Form der Befreiungstheorie stellt damit auf die physiologischen Wirkungen ab, die Lachen auf den Körper entfaltet. Spencer basiert seine Theorie jedoch auf einem rudimentären, heute überholten Verständnis des
3.1 Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal …
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menschlichen Nervensystems und der menschlichen Physiologie (vgl. Martin und Ford 2018, S. 36f), sodass der Befreiungstheorie in dem von Spencer vertretenen Sinne heute ihre Gültigkeit abgesprochen wird. Die Befreiungstheorie nach Freud Trotz der theoretischen Arbeiten von Spencer (1860) wird die Befreiungstheorie vielfach Freud (1905, 1960) zugeschrieben (vgl. Cooper 2008, S. 1094). Dieser ging davon aus, dass Humor entsteht, wenn innere Anspannungen und die damit aufgebaute Energie ein Ventil finden, den menschlichen Körper zu verlassen (vgl. Meyer 2015, S. 13; Martin und Ford 2018, S. 39). Die Freud’sche Version der Befreiungstheorie basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch mehr oder weniger starke sexuelle und aggressive Triebe in sich trägt. Da sich Individuen sozialen und gesellschaftlichen Regeln untergeordnet sehen, werden diese Triebe weitestgehend unterdrückt, sodass das Individuum sich einem Konflikt ausgesetzt sieht. Humor2 in dem von Freud vertretenen Sinn stellt eine Art „Verteidigungsmechanismus“ dar, der es erlaubt, sich vor der sonst übergreifenden Angst, die sich 2 Der
Begriff „Humor“ wird in der vorliegenden Arbeit in dem in Abschnitt 2.1.1 dargelegten Sinne verstanden. Freud hingegen prägte ursprünglich ein anderes Begriffsverständnis. Er unterscheidet strikt zwischen drei verschiedenen Kategorien, die alle aus der Auflösung psychischer Energien durch Lachen resultieren (vgl. Martin und Ford 2018, S. 39ff): „Jokes“ (Witze), „Humor“ (Humor) und „The Comic“ (die Komik). Er verwendet Humor dabei in einem engen Sinne. Nach dieser Kategorisierung erlauben es Witze dem Individuum für einen Moment, das unerlaubte Vergnügen zu verspüren, das aus der Freisetzung sexueller oder aggressiver Impulse entsteht. Die Freude an Witzen resultiert daraus, dass psychologische Energie gespart wird, die sonst zur Unterdrückung sexueller oder aggressiver Impulse hätte aufgebracht werden müssen (vgl. Martin und Ford 2018, S. 39). Humor in dem engen, von Freud vertretenen Sinne, ist hierbei von Witzen zu unterscheiden. Er erlaubt es dem Individuum, schwierigen Situationen zu begegnen, ohne dabei von negativen Gefühlen übermannt zu werden (vgl. Martin und Ford 2018, S. 40). Humor gilt damit als Schutzmechanismus des Ego, die Realität zurückzuweisen und sich vor Leid zu schützen. Die Freude an Humor resultiert aus der ausgelösten Befreiung von der Energie, die mit den unangenehmen Emotionen einhergehen würde. Humor wird hierbei nicht klar als Stimulus betrachtet, was dieses Begriffsverständnis von dem der vorliegenden Arbeit abgrenzt. Allerdings erfährt Humor heute keine derart enge Betrachtung, sondern schließt vielmehr alle Lachen-erzeugenden Phänomene (d. h. auch Witze, Ironie u. ä.) mit ein (vgl. Martin und Ford 2018, S. 40), was eine klare Zuordnung von Humor als Stimulus erlaubt. Die dritte Kategorie, die Komik, umfasst den non-verbalen Ursprung der Erheiterung. Die mentale Energie, die zur Bildung einer Erwartung des Geschehens aufgewandt wird, verlässt den menschlichen Körper durch Lachen, wenn das erwartete Ereignis nicht (in dieser Weise) eintritt. Die von Freud vorgenommene Kategorisierung gilt als nicht mehr zeitgemäß, unter anderem deshalb, da keine Systematik ersichtlich sei, wie humorvolle Situationen in die Kategorien einzuordnen seien (vgl. Morreall 2009, S. 247). Für
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3
Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
aus diesem Konflikt ergibt, zu bewahren. Er gewährt die verbotene Freude am Ausbrechen unterdrückter sexueller und aggressiver Impulse (vgl. Cooper 2008, S. 1096; Martin und Ford 2018, S. 41). Martin und Ford (2018, S. 42) führen diverse empirische Studien an, die sich mit einer befreienden Wirkung von Humor vor dem Hintergrund der Freud’schen Befreiungstheorie befassen. Diese Untersuchungen verfolgten den Zweck, eine in der Befreiungstheorie verankerte Hypothese (die sog. Katharsishypothese3 ) zu testen. Diese besagt, dass die Konfrontation mit aggressivem bzw. sexuellem Humor4 zu einer Reduktion innerer Anspannung, d. h. bestehender Aggression bzw. sexueller Verhaltenstendenzen, führt (vgl. Martin und Ford 2018, S. 42). Zwar gilt die Hypothese heute als weitgehend empirisch widerlegt (vgl. z. B. Krahé 2007, S. 291). Vorliegend aber ist nicht die empirische Gültigkeit dieser Hypothese von Interesse, sondern der Erkenntnisgewinn, den die zu dieser Zeit durchgeführten Untersuchungen mit Blick auf die aggressiven Tendenzen der Probanden bieten. Aggression ist grundsätzlich als Verhalten definiert, das darauf ausgerichtet ist, ein anderes Lebewesen zu schädigen (vgl. Baron und Richardson 1994, S. 7). Häufig aber wird Aggression im Rahmen der wissenschaftlichen Literatur auch mit der Motivation, ein solches Verhalten zu zeigen, oder aber auch mit der Emotion Ärger gleichgesetzt, weshalb die empirischen Untersuchungen auch für die vorliegende Arbeit relevant und damit zu betrachten sind. Die von Martin und Ford (2018, S. 43) angeführten Untersuchungen also, die die Katharsishypothese testen, liefern damit auch generelle Erkenntnisse zur befreienden Wirkung von Humor und somit einen Beitrag für die vorliegende Arbeit. In Anlehnung an diese Auflistung werden einige viel zitierte Untersuchungen nachfolgend, gegliedert nach der zentralen Aussage, überblicksartig dargestellt (Tabellen 3.1, 3.2 und 3.3).
eine ausführliche Darstellung der Kategorien sei auf Freud (1905, 1960) sowie Martin und Ford (2018, S. 38ff) verwiesen. 3 Unter Katharsis wird eine Spannung reduzierende Wirkung verstanden (vgl. z. B. Singer 1968, S. 2; Baron und Ball 1974, S. 23). 4 Viele der Studien, die die Wirkung von Humor vor diesem Hintergrund untersuchen, verwenden nicht das enge Begriffsverständnis, das Freud bzgl. „Humor“ geprägt hat, sondern ziehen vielmehr seine Theorie über Witze (Jokes) als Erklärungsgrundlage heran (vgl. Martin und Ford 2018, S. 40). Damit geht einher, dass diese Studien Humor als Stimulus betrachten (anders als Freud im Rahmen seiner Theorie über Humor) und damit einen Erklärungsbeitrag für die vorliegende Arbeit leisten können.
3.1 Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal …
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Die Konfrontation mit aggressivem Humor reduziert aggressive Spannungen bzw. Verhalten(stendenzen): Tab. 3.1 Studien zum Zusammenhang zwischen Humor und Befreiung (Auswahl, Teil 1) Singer (1968)
Bei Probanden mit schwarzer Hautfarbe [n = 112], bei denen das Anhören einer Rede mit diskriminierenden und verachtenden Äußerungen gegenüber schwarzen Menschen starke Aggression erzeugte, führt die Konfrontation mit aggressivem Humor [in Form einer Rede eines schwarzen Comedians gegen Rassendiskriminierung, vs. neutraler Humor (gegen nukleare Zerstörung) vs. kein Humor (neu-trale Dokumentation)] zu einer Reduktion aggressiver Spannungen [operationalisiert über den vorherrschenden Gefühlszustand mit Fokus u. a. auf Aggression, Messung vor und nach Konfrontation mit dem Humor].
Leak (1974)
Probanden [n = 112], die von einem Versuchsleiter durch Beleidigung verärgert wurden, bewerten diesen Versuchsleiter weniger negativ [gemessen über Items, u. a. „Ich mag den Versuchsleiter“], wenn die Bewertung nach dem Lesen von aggressiven Witzen erfolgte, als wenn die Bewertung nach dem Lesen nicht-aggressiver Witze erfolgte.
Baron (1978a) Bei Probanden [n = 48], die durch negative und abwertende Bewertung durch eine zweite im Versuchsraum anwesende Person verärgert wurden, führte die Konfrontation mit ausbeuterischem sexuellem Humor [Cartoons mit sexuellen und Macht missbrauchenden Inhalten], nicht aber mit nicht-ausbeuterischem sexuellem Humor [Cartoons mit sexuellen, aber keinen Macht missbrauchenden Inhalten] oder neutralen Bildern zu einer Reduktion der Aggression [operationalisiert über die Dauer elektrischer Schocksa , die dem Aggressor zugefügt wurden]. a Hierbei
handelt es sich, was den Probanden nicht bekannt war, um einen ElektroschockSimulator. Für eine detailliertere Beschreibung sei auf Abschnitt 6.1 im Rahmen dieser Arbeit verwiesen
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
Die Konfrontation mit aggressivem Humor verstärkt aggressive Spannungen bzw. Verhalten(stendenzen): Tab. 3.2 Studien zum Zusammenhang zwischen Humor und Befreiung (Auswahl, Teil 2) Berkowitz (1970) Eine Bewerberin um die Leitung in einem Studentenwohnheim, die sich negativ über Frauen an der Universität geäußert hat [dies führte zu Verärgerung der Probandinnen], wurde von weiblichen Probanden [n = 80] signifikant negativer bewertet [mit Hilfe von Adjektiven (z. B. egoistisch, taktlos) und mit Blick auf die wahrgenommene Eignung für die Position (z. B. „Hätten Sie diese Person gerne als Leiterin in Ihrem Studentenwohnheim?“)], wenn die Probandinnen infolge der Äußerung mit aggressivem (vs. nicht aggressivem) Humor [Tonaufnahme aus dem Programm eines Comedians] konfrontiert wurden. Baron (1978b)
Probanden [n = 41], die durch negative und abwertende Bewertung durch eine zweite im Versuchsraum anwesende Person verärgert wurden, zeigten weniger aggressives Verhalten [operationalisiert über die Stärke an Elektroschocksa , die sie dem Aggressor zufügten], wenn sie zuvor mit Bildern mit nicht-aggressivem Humor statt mit neutralen Bildern [kein Humor] konfrontiert wurden. Probanden, die Bilder mit aggressivem Humor betrachteten, zeigten in der Folge ein aggressiveres Verhalten als Probanden, die die neutralen Bilder sahen.
a Hierbei
handelt es sich, was den Probanden nicht bekannt war, um einen ElektroschockSimulator. Für eine detailliertere Beschreibung sei auf Abschnitt 6.1 im Rahmen dieser Arbeit verwiesen
Die Konfrontation sowohl mit aggressivem als auch mit nicht-aggressivem Humor reduziert aggressive Spannungen/Verhalten(stendenzen): Tab. 3.3 Studien zum Zusammenhang zwischen Humor und Befreiung (Auswahl, Teil 3) Dworkin und Efran (1967)
Sowohl die Konfrontation mit aggressivem als auch mit nicht-aggressivem Humor [Tonaufnahme aus dem Programm verschiedener Comedians] führt bei Probanden [n = 50], die zuvor von einem Versuchsleiter verärgert wurden [indem er sie für einen im Rahmen des Experimentsa zu verfassenden autobiographischen Witz rüde kritisierte], zu einer signifikanten Reduktion aggressiver Spannungen [operationalisiert über den vorherrschenden Gefühlszustand mit Fokus u. a. auf Aggression, Messung vor und nach Konfrontation mit dem Humor]. (Fortsetzung)
3.1 Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal …
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Tab. 3.3 (Fortsetzung) Landy und Mettee Probanden [n = 69], die von einem Versuchsleiter durch (1969) Beleidigung verärgert wurden, bewerten diesen Versuchsleiter weniger negativ [u. a. „Wie gerne mögen Sie den Versuchsleiter persönlich?“], wenn die Bewertung nach dem Betrachten humorvoller Cartoons [sowohl aggressiver als auch nicht-aggressiver Humor] vorgenommen wird, als wenn die Bewertung nach der Betrachtung neutraler Bilder oder unmittelbar nach der verärgernden Handlung vorgenommen wird. Baron und Ball (1974)
[betrachten ausschließlich nicht-aggressiven Humor] Bei Probanden [n = 40], die u. a. durch negative Bewertung durch eine zweite Versuchsperson verärgert wurden, führte die Konfrontation mit nicht-aggressivem Humor [Cartoons; verglichen mit neutralen Bildern (kein Humor)], zu einer signifikanten Reduktion der Aggression [operationalisiert über die Dauer elektrischer Schocks, die dem Aggressor zugefügt wurden].
a Unter
einem Experiment wird ein „systematischer Beobachtungsvorgang“ verstanden, bei dem das „interessierende Phänomen [planmäßig] erzeugt sowie variiert wird“ (Sarris 1992, S. 129) (Manipulation einer oder mehrerer unabhängiger Variablen). Es werden gesetzmäßige Abhängigkeitsbeziehungen, also die Beziehung zwischen bestimmten Bedingungen und daraus resultierenden Ereignissen, untersucht (vgl. Spilski, Gröppel-Klein und Gierl 2018, S. 59f)
Wie bereits erwähnt ist die Gültigkeit der Katharsishypothese heute weitestgehend in Zweifel zu ziehen (vgl. Martin und Ford 2018, S. 45). Wie den Darstellungen entnommen werden kann, führen die Untersuchungen mit Blick auf das aggressive Verhalten/die aggressiven Verhaltenstendenzen der Probanden zu durchaus konträren Ergebnissen. Einige der Studien zeigen, dass aggressiver Humor aggressive Verhaltenstendenzen reduziert, andere, dass die Konfrontation mit aggressivem Humor die Aggression der Probanden sogar verstärken kann. Vorliegend aber interessiert nicht, ob bestehende Aggressionen speziell durch aggressiven Humor reduziert werden können. Die dargestellten Studien sollen vorliegend folglich nicht mit Blick auf die empirische Gültigkeit der Katharsishypothese betrachtet werden, sondern hinsichtlich ihres Erklärungsbeitrags zur befreienden Wirkung, die Humor entfaltet. Relevanter für die vorliegende Arbeit ist damit, ungeachtet der Gültigkeit der Katharsishypothese, die generelle Erkenntnis, dass (aggressiver wie auch nicht-aggressiver) Humor in der Lage zu sein scheint, eine von Aggression befreiende Wirkung entfalten zu können. In der Tatsache, dass im interessierenden Service-Fehler-Kontext Ärger diejenige Emotion ist, die Konsumenten infolge der aufgetretenen Probleme verspüren und die
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
es folglich zu lösen gilt, zeigt sich die Relevanz der Befreiungstheorie für die vorliegende Arbeit. Dass durch die skizzierten Untersuchungen allerdings nicht klar herausgestellt werden kann, wann Humor eine befreiende Wirkung entfaltet und wann er die bestehende Aggression zu verstärken droht, führen Martin und Ford (2018, S. 43) auf zwei zentrale Probleme der Freud’schen Theorie zurück: Es fehlt an einem präzisen Begriffsverständnis der befreienden Wirkung (Katharsis) von Humor (vgl. auch Leak 1974, S. 739); gleichzeitig bedarf es eines Messinstruments, um die Befreiung entsprechend dem zugrunde gelegten Begriffsverständnis direkt empirisch erfassen zu können5 . Tatsächlich wird auf die Befreiung in den dargestellten Studien eher implizit geschlossen (z. B. aus der Reduktion aggressiver Tendenzen gegenüber einem Aggressor nach Konfrontation mit Humor (z. B. Landy und Mettee 1969, S. 69f)). Teilweise wird sie über solche Skalen (z. B. über die Einstellung gegenüber dem Aggressor) direkt operationalisiert (z. B. Leak 1974, S. 737). Derartige Inkonsistenzen bei der Messung der Befreiung verwässern deren Bedeutung innerhalb der dargestellten Zusammenhänge. Insgesamt gelingt es auch der Befreiungstheorie in dem von Freud vertretenen Sinne nicht, vorliegend einen umfassenden Erklärungsbeitrag zur befreienden Wirkung von Humor zu liefern. Wie Spencers Version basiert auch die Freud’sche Version auf einem Modell, das nicht konsistent mit dem modernen Verständnis des menschlichen Nervensystems ist. Gleichwohl legen beide Theorien den Grundstein für die noch heute gültige zentrale Annahme, dass Humor eine Befreiung von innerer Anspannung entfalten kann (vgl. Martin und Ford 2018, S. 45f). Anders als im Rahmen der Freud’schen Theorie wird Humor aber nicht mehr vor dem Hintergrund seiner Entstehung betrachtet. Vielmehr stehen heute seine Funktionen im Mittelpunkt: beispielsweise die positiven Wirkungen von Humor im Kontext mentaler Gesundheit (vgl. Martin und Ford 2018, S. 46) oder eben die befreiende Wirkung von Humor auf den Rezipienten im Rahmen der Kommunikation (vgl. Meyer 2015, S. 15). Diese gilt es, auch in einem Service-Fehler-Kontext nachzuweisen sowie die potentiellen Folgen einer solchen Befreiung durch empirische Untersuchungen sichtbar zu machen. Zusammenfassend ergeben sich für die vorliegende Arbeit folgende Schlussfolgerungen aus den dargestellten Erkenntnissen: Zunächst gilt es, durch die Darstellung der Befreiungstheorie in dem heute vertretenen Sinne einen theoretischen Rahmen für die vorliegende Arbeit zu schaffen, der als Erklärungsgrundlage zur Vermutung einer befreienden Wirkung von Humor auch in dem interessierenden Kontext einer Service-Fehler-Situation herangezogen werden kann. Es 5 Bezüglich
der Messung der wahrgenommenen Befreiung in der vorliegenden Arbeit sei auf Abschnitt 6.1 verwiesen.
3.1 Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal …
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wurde klar herausgestellt, dass sich die innere Anspannung, die es zu lösen gilt, im zu betrachtenden Kontext in der Emotion „Ärger“ manifestiert. Damit die Humor grundsätzlich zugesprochene Fähigkeit, eine Befreiung von einer inneren Anspannung (in Form von Verärgerung) zu entfalten, in dem interessierenden Kontext abgebildet werden kann, bedarf es einer präzisen Definition des Konstrukts der Befreiung. In einem letzten Schritt gilt es dann, die Auswirkungen einer eingetretenen Befreiung weiter zu beleuchten, um dem Ziel einer Identifikation des vollständigen psychologischen Wirkmechanismus Rechnung zu tragen. Eine Forderung nach der Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus von Humor wird auch in der heutigen Forschung mit Blick auf dessen Konfliktlösungspotential laut (vgl. Warren et al. 2018, S. 544). Im Adressieren dieser Forderung manifestiert sich eine grundlegende Zielsetzung der vorliegenden Arbeit.
3.1.2.2 Das gegenwärtige Verständnis der Befreiungstheorie Anders als in ihrer ursprünglichen Fassung nach Spencer (1860) oder Freud (1905, 1960) liefert die Befreiungstheorie aus heutiger Perspektive einen wesentlichen Erklärungsbeitrag auch hinsichtlich der Funktionen, die Humor in sozialen Interaktionen entfalten kann (vgl. Graham 2010, S. 22; Meyer 2015, S. 15; Martin und Ford 2018, S. 46). Menschen nutzen Humor mit dem Ziel, andere zu unterhalten und/oder einen positiven emotionalen Zustand zu erzeugen (vgl. Graham et al. 1992, S. 175). Diese Funktion von Humor stützen Martin et al. (2004, S. 209) auf die Befreiungstheorie, die heute folglich vielmehr vor dem Hintergrund Relevanz besitzt, dass ein humorvoller Stimulus innere Anspannung beim Rezipienten auflösen, d. h. bei diesem eine befreiende Wirkung entfalten kann (vgl. Lynch 2002, S. 427; Meyer 2015, S. 15). Der folgende Abschnitt skizziert das Begriffsverständnis der Befreiung, das aus dieser Sichtweise resultiert.
3.1.2.3 Das Konstrukt der Befreiung Wie die Ausführungen in Abschnitt 3.1.2.1 verdeutlicht haben, existiert in der Literatur keine einheitliche Definition, wie das Konstrukt der Befreiung („Relief“) aus Perspektive der Befreiungstheorie zu verstehen ist. Gleichzeitig wurde vorliegend, vor dem Hintergrund kontroverser Ergebnisse, die Notwendigkeit eines klar definierten Begriffsverständnisses herausgestellt. Auch die Tatsache, dass die Befreiungstheorie heute insbesondere auch auf die Funktionen von Humor und dessen befreiende Wirkung auf den Gesprächspartner in der persönlichen Kommunikation abstellt, erfordert eine klare Definition des Begriffs, die es erlaubt, diesen Aspekt miteinzuschließen.
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
Aus emotionstheoretischer Perspektive hingegen ist das Konstrukt „Relief“ klar definiert. Es bezeichnet eine positive Emotion, die entsteht, wenn eine Strafe ausbleibt oder in weite Ferne rückt (vgl. Roseman 1991, S. 192), wenn also ein Aversion auslösendes Ereignis sicher verhindert wurde. Diese Definition basiert auf den kognitiv-orientierten Emotionstheorien („Appraisal-Theorien“). Diese gehen davon aus, dass Emotionen das Ergebnis einer kognitiven Interpretation/Bewertung („Appraisals“) eines Ereignisses sind (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2019, S. 99f). Es ist nicht das Ereignis an sich, das eine Emotion auslöst; erst die Beurteilung und Interpretation des Ereignisses resultiert in eine bestimmte Emotion (vgl. Roseman 1991, S. 162), in diesem Fall in jene der Erleichterung, weil die besagte, antizipierte Strafe ausbleibt. Die bislang gemachten Ausführungen zur Befreiungstheorie aber machen deutlich, dass das interessierende Konstrukt der Befreiung vorliegend nicht das Ergebnis einer kognitiven Beurteilung und Interpretation eines humorvollen Stimulus darstellt, sondern sich vielmehr als primär affektive Reaktion kennzeichnet (vgl. Morreall 1983, S. 38). Im Mittelpunkt der Betrachtung steht also ein Begriffsverständnis, das diese unmittelbare affektive Reaktion des Rezipienten bei Konfrontation mit einem humorvollen Stimulus umfasst, indem es die positive emotionale Befindlichkeit abbildet, die entsteht, wenn die angestaute Aktivierung entweicht. Bildlich gesprochen wäre Humor die Nadel, die einen prall gefüllten Ballon zum Platzen bringt, sodass die angestaute Luft schließlich entweichen („sich in Luft auflösen“) kann. Skizzieren ließe sich die affektive Wirkung auch durch eine Person, die, durch negative Emotionen eingeschnürt, „in Ketten liegt“, welche sie nach Konfrontation mit einem humorvollen Reiz zu sprengen vermag und frei ist. Wenngleich sich diese bildlichen Darstellungen einer wissenschaftlichen Grundlage entziehen, so dienen sie der Verdeutlichung, dass die Befreiung in dem vorliegend vertretenen Sinn eine primär affektive Reaktion darstellt, der kein kognitives Bewerten und Interpretierten vorausgeht, wie es die Appraisal-Theorien unterstellen. Das durch die Appraisal-Theorien geprägte Begriffsverständnis von „Relief“ ist daher nicht geeignet, das Konstrukt vor dem Hintergrund der Befreiungstheorie zu erklären und besitzt damit für die vorliegende Arbeit keine Relevanz. Im Rahmen der Befreiungstheorie war häufig Angst die betrachtete Emotion. Studien (z. B. Levine und Redlich 1955), die sich mit dieser Form der Befreiung beschäftigten, identifizieren diese hierbei meist über die Veränderung der empfundenen Angst vor und nach Konfrontation mit einem humorvollen Stimulus. Eine Begriffsauffassung aber, die nur diesen Zusammenhang erfasst, greift zu kurz, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass Humor auch eine befreiende Wirkung entfalten kann, wenn Ärger die vorherrschende Emotion darstellt (vgl.
3.1 Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal …
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Morreall 1991, S. 362; Martin 2007, S. 61). Vor dem Hintergrund, dass die innere Aktivierung, die es aufzulösen gilt, in Form verschiedener negativer Emotionen bestehen kann, beschreibt Shurcliff (1968, S. 363) die befreiende Wirkung von Humor als „sudden change from bad to good“, also als plötzliche Transformation eines negativen emotionalen Zustands in einen positiven. Er legt seiner Untersuchung das Begriffsverständnis der Befreiung (relief) „from a state of anticipated unpleasantness involving heightened arousal“ (Shurcliff 1968, S. 360), also der Beendigung eines unangenehmen inneren Zustands durch das Entweichen angestauter Aktivierung, zugrunde. Obwohl Shurcliff (1968) in seiner Untersuchung selbst die befreiende Wirkung von Humor bei zuvor induzierter Angst untersucht, ist das von ihm zugrunde gelegte Begriffsverständnis umfassend genug, um auch andere negative emotionale Befindlichkeiten wie Ärger miteinzuschließen, und eignet sich damit für die vorliegende Arbeit. Auch aus gegenwärtiger Perspektive wird Humor die Fähigkeit zugesprochen, innere Formen von durch gewisse Umstände erzeugtem Stress (bzw. die damit einhergehenden negativen Emotionen) beim Rezipienten aufzulösen (vgl. z. B. Meyer 2000, S. 312; Lynch 2002, S. 427; Martin et al. 2004, S. 209)6 . Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das Konstrukt der Befreiung nicht lediglich als bloße Reduktion bestehender negativer Emotionen zu verstehen ist, sondern vielmehr das Erzeugen einer positiven emotionalen Befindlichkeit ausdrückt. Humor erlaubt das Entweichen angestauter emotionaler Anspannung beim Rezipienten, womit dieser das positive Gefühl einer Befreiung erfährt (vgl. De Koning und Weiss 2002, S. 1). Diese Auffassung ist konsistent mit dem von Shurcliff (1968, S. 360) geprägten Begriffsverständnis und wird der Arbeit zugrunde gelegt.
3.1.2.4 Die befreiende Wirkung von Humor in einem Service-Fehler-Kontext Nachdem im vorausgegangenen Abschnitt 3.1.2.3 der Begriff der Befreiung im Kontext der Befreiungstheorie genauer spezifiziert worden ist, soll in diesem Abschnitt zusammenfassend aufgezeigt werden, wie Humor eine befreiende Wirkung auch in einem Service-Fehler-Kontext entfalten könnte. Eine Schwierigkeit
6 Die
Jag-Theory geht davon aus, dass Anspannungen durch bestimmte Ereignisse im Vorfeld entstanden sind und durch humorvolle Stimuli aufgelöst werden; die Boost-Theory nimmt an, dass der humorvolle Stimulus selbst eine Anspannung erzeugt, die er schließlich wieder auflöst (z. B. ein klassischer Witz, der eine innere Spannung erzeugt, bevor die „Punchline“ (Pointe) die Auflösung bietet) (vgl. Berlyne 1972, zitiert nach Meyer 2015, S. 13). Vorliegend steht eine befreiende Wirkung von Humor im Sinne der Jag-Theory im Fokus.
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3
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besteht hierbei darin, dass der Fokus im Rahmen der (psychologischen) Humorforschung lange Zeit auf den kognitiven und emotionalen Prozessen lag, die im Individuum stattfinden, wenn dieses selbst beispielsweise eine humorvolle Sicht auf bestimmte Dinge wählt. Auch heute noch beschäftigt sich ein Großteil der Untersuchungen zur stressreduzierenden (befreienden) Wirkung von Humor mit humorvollem Coping (vgl. z. B. Martin et al. 1993; Nezlek und Derks 2001; Samson und Gross 2012; Samson et al. 2014; für eine Übersicht s. auch Lefcourt und Thomas 1998, S. 180ff), d. h. mit der Frage, inwieweit Humor als Bewältigungsstrategie dient und die persönliche Nutzung von Humor eine kognitiv-affektive Rekonstruktion der Situation erlaubt, sodass diese als weniger bedrohlich empfunden wird (vgl. Abel 2002, S. 366). Hierbei aber fungiert Humor nicht als Stimulus, weshalb diese Perspektive in der vorliegenden Arbeit keine Berücksichtigung findet, womit jedoch ein Gros an existierenden Untersuchungen keinen Erklärungsbeitrag für die interessierende Fragestellung liefern kann. Die dargestellten, auf der ursprünglichen Form der Befreiungstheorie basierenden Erkenntnisse (s. Abschnitt 3.1.2.1) sprechen Humor grundsätzlich das Potential zur Entfaltung einer befreienden Wirkung zu. Dennoch lassen sich hieraus nicht uneingeschränkt Erkenntnisse für eine befreiende Wirkung von Humor im Kontext der interpersonellen Kommunikation zwischen ServiceAnbieter und Konsument infolge von Service-Fehlern formulieren. Viele der aufgeführten Studien betrachten zwar einen humorvollen Stimulus, jedoch nicht in der persönlichen Kommunikation. Diejenigen Untersuchungen, die tatsächlich auf die Wirkung eines humorvollen Stimulus in der persönlichen Kommunikation in einem Service-Kontext abstellen, erlauben wiederum keinen einheitlichen Erkenntnisgewinn. Tabelle 3.4 fasst die zentralen, durchaus konträren Ergebnisse der in Abschnitt 2.2.2.4 bereits ausführlich vorgestellten Untersuchungen aus diesem Bereich noch einmal überblicksartig zusammen. Ähnlich wie bei den Untersuchungen zur Katharsishypothese (s. Abschnitt 3.1.2.1) fehlt es auch bei den Studien zur Analyse der Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument an einer einheitlichen Systematik. Hinzu kommt, was die Tabelle gut verdeutlicht, dass überwiegend kognitive Komponenten als Zielvariablen betrachtet werden (z. B. Zufriedenheit), während für die vorliegende Arbeit jedoch affektive Reaktionen von Relevanz sind. Werden affektive Komponenten analysiert, sind die Ergebnisse widersprüchlich: Chiew et al. (2019) können einen positiven Einfluss von Humor auf die affektive Größe „Freude an der Interaktion“ nachweisen. Söderlund et al. (2017) finden keinen signifikanten Einfluss von Humor auf die emotionale Befindlichkeit, Söderlund und Oikarinen (2018) hingegen weisen einen negativen Zusammenhang nach. Dass sie in
3.1 Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal …
61
Tab. 3.4 Zusammenfassung empirischer Erkenntnisse zur Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation im Rahmen von Service-Begegnungen Autoren (Jahr)
Setting
Humorart
Wirkungen des eingesetzten Humors (Auswahl)
Bergeron und Vachon (2008)
Verkaufsgespräch in der Finanzbranche (Feldstudie)
Wahrgenommener Sinn für Humor des Finanzberaters
Wahrgenommenes Risiko (−), Vertrauen (+), Service-Qualität (+), Zufriedenheit (+), Kaufabsicht (+), positive Mund-zu-Mund-Kommunikation (+)
Söderlund et al. (2017)
Verkaufsgespräch (Geschäft für Sonnenbrillen bzw. Bücher)
Witze
Wahrgenommene Relevanz der Botschaft des Kommunikators (−), Zufriedenheit (−), emotionale Befindlichkeit (n. s.)
Söderlund und Oikarinen (2018)
Hotelempfang, Fitness-Kurs
Witze bzw. humorvolle Bemerkungen
Wahrgenommene Relevanz der Botschaft des Kommunikators (−), Zufriedenheit (−), emotionale Befindlichkeit (−)
Chiew et al. (2019)
Verkaufsgespräch an einem Kiosk (Feldstudie)
Auf andere bzw. auf sich selbst bezogener Humor
Freude an der Interaktion (+ für den auf andere gerichteten Humor); Einfluss schwächer, wenn sich die Rezipienten zuvor in einer guten (vs. schlechten) emotionalen Verfassung befinden
Anm.: (+) = positiver Einfluss von Humor auf die jeweilige Variable, (−) = negativer Einfluss von Humor auf die jeweilige Variable, n. s. = nicht signifikant
ihrer Replikationsstudie, nicht aber in ihrer ersten Untersuchung einen Einfluss von Humor auf die emotionale Befindlichkeit haben zeigen können, führen die Autoren unter anderem auf nachfolgende mögliche Ursachen zurück (vgl. Söderlund und Oikarinen 2018, S. 56f): In der ersten Studie war der Humor in eine umfangreiche Konversation zwischen Verkaufsmitarbeiter und Konsument eingebettet, die zahlreiche Informationen für den Konsumenten transportierte. Zudem stand der Humor in Form eines Witzes als isoliertes Element in diesem Gespräch. Anders als in dieser ersten Untersuchung konnte dann ein Einfluss von Humor auf die emotionale Befindlichkeit nachgewiesen werden, wenn die Interaktion verkürzt und damit insgesamt weniger informations-dominiert war. Sind Informationen weniger präsent und dominant, kommt dem Humor, relativ betrachtet, mehr Gewicht innerhalb der Konversation zu. Die Autoren
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
diskutieren, dass in solchen Situationen dann häufig eine affektive Reaktion zu erwarten sei, die meist positiver Natur ist und die entsteht, ohne dass der Humor vorher einer kognitiven Kontrolle unterzogen wird (vgl. Söderlund und Oikarinen 2018, S. 57). Auch für die vorliegende Arbeit wäre demnach eine affektive Wirkung von Humor anzunehmen: Das Auftreten von Service-Fehlern erzeugt, wie dargestellt, negative Emotionen, sodass die Situation insgesamt emotional aufgeladen und damit wenig informations-dominiert sein sollte. Ein Abschwächen oder Nivellieren einer affektiven Wirkung von Humor durch das Darbieten zu vieler Informationen (vgl. Söderlund et al. 2017, S. 274) scheint damit nicht zu vermuten. Der Humor wird vorliegend als reaktive Maßnahme auf Service-Fehler untersucht, ohne dass neben diesem weitere Informationen übermittelt werden. In ihrer Studie weisen Söderlund und Oikarinen (2018) allerdings einen negativen Einfluss von Humor auf die emotionale Befindlichkeit nach. Dies wiederum könnte eine erste Vermutung dahingehend begründen, dass Humor auch in einem Service-Fehler-Kontext eine negative Wirkung auf die emotionale Befindlichkeit der ohnehin schon verärgerten Konsumenten nehmen könnte. Dem gegenüber stehen die Erkenntnisse von Chiew et al. (2019), die zeigen, dass die Wirkung von Humor auf die affektive Komponente „Freude an der Interaktion“ stärker ist, wenn die emotionale Befindlichkeit der Rezipienten vor Konfrontation mit dem Humor schlecht (vs. gut) war. Demnach wäre zu vermuten, dass Humor auch in Service-Fehler-Situationen, die eine negative emotionale Befindlichkeit bei den Rezipienten erzeugen, eine positive affektive Wirkung entfalten könnte. Die dargestellten Untersuchungen resultieren also in unterschiedliche Vermutungen. Hinzu kommt, dass der Einsatz von Humor spezifisch als Maßnahme der Service-Recovery hierbei nicht untersucht worden ist. Aufgrund der Tatsache aber, dass die Studie von Chiew et al. (2019) die Wirkung von Humor auf Konsumenten in guter vs. schlechter emotionaler Verfassung betrachtet, scheint diese in ihrem Aussagegehalt bedeutsamer für die vorliegende Arbeit als die Untersuchung von Söderlund und Oikarinen (2018), die humorvolle Elemente in die Interaktion integrieren, ohne die emotionale Befindlichkeit der Probanden vor Konfrontation mit Humor zu berücksichtigen. Es kann vorliegend also, basierend auf den Erkenntnissen von Chiew et al. (2019) vermutet werden, dass Humor im Rahmen der Service-Recovery eine positive emotionale Wirkung bei verärgerten Konsumenten erzeugen kann7 . Eine befreiende Wirkung als solche aber wird im Rahmen dieser Studien nicht untersucht. 7 Dass
die Autoren diesen Effekt nur für den auf andere, nicht aber für den auf das Selbst gerichteten Humor nachweisen konnten (vgl. Chiew et al. 2019, S. 121), wurde in Abschnitt 2.2.2.4 vor dem Hintergrund möglicher Probleme bei der Messung diskutiert. Im
3.1 Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal …
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Dass die angenommene positive emotionale Wirkung aber in Form einer Befreiung bestehen kann, lassen Erkenntnisse vermuten, die die Wirkung von Humor in der interpersonellen Kommunikation generell beleuchten. Allgemein wird hier beispielsweise davon ausgegangen, dass Humor der Erreichung verschiedenster rhetorischer Zwecke dient (vgl. Meyer 2000, S. 311), so beispielsweise der Auflösung innerer Anspannungen wie Feindseligkeiten oder Unsicherheiten des Plenums gegenüber einem Redner oder gegenüber einer kontroversen Thematik (vgl. Meyer 2015, S. 15). Im Kontext interpersoneller Kommunikation dient Humor als „soziales Schmiermittel“ (Morreall 1991, S. 371). Auch, wenn er Probleme nicht von Grund auf beseitigen kann, so ist Humor in der Lage, Konversationen zu vereinfachen, bestehenden Ärger auflösen und damit zur Beendigung eines Konflikts beizutragen (vgl. Hall 2013, S. 273). In jüngerer Zeit wird Humor zunehmend vor dem Hintergrund solcher sozialen Funktionen diskutiert (vgl. Martin 2007, S. 42, 114; Martin und Ford 2018, S. 46), sodass sich die Annahme einer befreienden Wirkung von Humor in der Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument hierauf weiter stützen lassen könnte. Gerade die Fähigkeit, Konflikte zu beenden, zeigt ebenfalls, dass Humor in einer negativ geladenen Situation eine positive Wirkung entfalten kann. Weitere wissenschaftliche Erkenntnisse untermauern die Annahmen einer befreienden Wirkung von Humor in der persönlichen (Service-)Interaktion, von denen einige beispielhaft skizziert werden: In einer Studie von Bippus (2000, S. 365f) wurden die Probanden gebeten, ein Ereignis zu schildern, in welchem ein Freund der Probanden Humor eingesetzt hat, um sie zu besänftigen oder umgekehrt. Die Tatsache, dass es allen Probanden gelungen ist, ein solches Ereignis zu berichten, zeigt, dass Humor durch den Kommunikator generell eine befreiende Wirkung beim Rezipienten entfalten kann. Norrick und Spitz (2008, S. 1675f, 1681f) stellen auf Basis der Betrachtung dialogbasierter Daten zu Konfliktgesprächen fest, dass Humor häufig als „Friedensstifter“ fungiert, der die in Konfliktgesprächen bestehenden Feindseligkeit auflösen kann. Auch im Kontext zwischenmenschlicher romantischer Beziehungen finden sich Belege, die die Annahme einer befreienden Wirkung von Humor in der interpersonellen Kommunikation weiter untermauern. Humor wird hierbei verstanden als absichtlich eingesetzte Kommunikationsmaßnahme zur Erreichung eines spezifischen Beziehungsziels (vgl. Hall 2013, S. 274). Der Einsatz von Humor führt hierbei nicht automatisch zur Zufriedenheit des Partners mit der Beziehung (vgl. Rahmen der Diskussion um die vorliegend zu betrachtende Humorart (s. Abschnitt 6.3.2) wird dieses Ergebnis ebenfalls noch einmal thematisiert.
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
z. B. Barelds und Barelds-Dijkstra 2010; anders z. B. Ziv 1988). Diese fehlende Beziehung zwischen eingesetztem Humor und der Zufriedenheit mit der Beziehung führt Hall (2013, S. 276) darauf zurück, dass Humor zunächst kommunikative Verhaltensweisen (wie das Ausdrücken von Freude oder das Mildern von Konflikten) vereinfacht, über welche er die Beziehung zwischen den Interaktionspartnern schließlich positiv beeinflussen kann. Zwar wird die Wirkung von Humor hierbei nicht in einem negativen emotionalen Kontext betrachtet. Allerdings zeigt die geäußerte Vermutung, dass ein primärer Effekt von Humor in persönlichen Beziehungen in dessen Fähigkeit gesehen werden kann, positive Emotionen zu erzeugen (vgl. Hall 2013, S. 288). Da auch die dem Einsatz von Humor zugesprochene befreiende Wirkung vorliegend als positive emotionale Befindlichkeit charakterisiert ist (s. Abschnitt 3.1.2.3), liefert diese Erkenntnis einen Erklärungsbeitrag hinsichtlich dieser Funktion von Humor. Wird der Einsatz von Humor in Konfliktsituationen zwischen Partnern untersucht, zeigt sich beispielsweise, dass • der Einsatz von Humor im Rahmen von Problemdiskussionen als positiver Einflussfaktor auf die Stabilität der Ehe gilt, wenn es gelingt, durch den Humor die Herzschlagrate des Partners während des Streits zu senken (vgl. Gottman et al. 1998, S. 16)8 . • vom Partner eingesetzter Humor während eines Konfliktgesprächs positiv mit einer positiven emotionalen Befindlichkeit korreliert ist (vgl. Driver und Gottman 2004, S. 312). • der Einsatz von Humor in Konfliktgesprächen zwischen Partnern zu einer höher wahrgenommenen Lösung des Konflikts sowie einer Verminderung des empfundenen emotionalen Stresses führt: Individuen, deren Partner im Rahmen der Diskussion affiliativen Humor nutzten9 , gaben infolge an die Diskussion an, die Diskussion habe zur Lösung ihres Problems beigetragen. Selbige empfanden im Anschluss an die Diskussion weniger emotionalen Stress (definiert über Ärger (upset), Angst (anxious) und Stress (stressed)). Nutzten die Partner aggressiven Humor, wird die Diskussion als nicht hilfreich zur Lösung des Konflikts erachtet (vgl. Campbell et al. 2008, S. 49f). • Humor dem Gegenüber helfen kann, negative Gefühle zu überwinden; ist der Partner beispielsweise verärgert, kann Humor genutzt werden, um ihn dadurch positiv zu stimmen (vgl. De Koning und Weiss 2002, S. 11, 17). 8 Dieser
Effekt zeigte sich nur beim Einsatz von Humor durch die Frau. ist eine positive, wohlwollende Form von Humor zu verstehen, s. hierzu Abschnitt 2.1.2.
9 Darunter
3.1 Wirkung des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal …
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Wenngleich sich auch hierbei eine gewisse Schwierigkeit in der Tatsache begründet, dass aufgrund unterschiedlicher Verständnisse des Begriffs „Humor“ sowie unterschiedlicher Definitionen (und Operationalisierungen10 ) der eintretenden Befreiung in den skizzierten Untersuchungen insgesamt nur schwer eine einheitliche, allgemeingültige Aussage zur befreienden Wirkung von Humor abgeleitet werden kann, so bilden die dargestellten Untersuchungen doch ein wesentliches Fundament für die generelle Annahme, dass eine Art befreiende Wirkung im Rahmen interpersoneller Kommunikation auftreten kann. Aufbauend auf dieser befreienden Wirkung von Humor, die sich also in verschiedensten Bereichen der interpersonellen Kommunikation in einem angespannten Kontext gezeigt hat, kombiniert mit den ersten Erkenntnissen, dass Humor bei negativ gestimmten Konsumenten in einem Service-Kontext eine stärkere positive emotionale Wirkung entfalten kann als bei positiv gestimmten Konsumenten (vgl. Chiew et al. 2019, S. 121), wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Vermutung zugrunde gelegt, dass Humor auch in einem Service-Fehler/Service-Recovery-Kontext eine positive emotionale Wirkung im Sinne einer befreienden Wirkung auf Konsumenten entfalten kann. Dort nämlich ist davon auszugehen, dass bei den Konsumenten aufgrund der aufgetretenen Service-Fehler vor Konfrontation mit dem Humor eine negative emotionale Befindlichkeit (Verärgerung) besteht. Für die Befreiung wird das in Abschnitt 3.1.2.3 herausgestellte Begriffsverständnis herangezogen. Da bislang kaum empirische Erkenntnisse in diesem Bereich vorliegen, gerade diese aber in der Literatur gefordert werden, um erklären zu können, wie Humor als Maßnahme zur Entspannung von Konfliktsituationen wirkt (vgl. Warren et al. 2018, S. 544), wird als Vergleichsgröße im Rahmen der vorliegenden Arbeit zunächst, wie auch in diversen anderen Studien, die die Wirkung von Humor grundlegend untersuchen wollen (vgl. z. B. Szabo 2003), eine neutrale Aussage gewählt, die als Baseline fungiert. Eine neutrale Aussage wird vorliegend als eine solche Aussage bezeichnet, die weder als Humor wahrgenommen wird, noch als Entschuldigung oder ökonomische Kompensation, sodass von keiner kompensatorischen Wirkung dieser Aussage auszugehen ist und diese somit nicht als Maßnahme der Recovery fungiert. Dies ist der Erreichung des übergeordneten Ziels, den psychologischen Wirkmechanismus von Humor in einem Service-Fehler-Kontext zunächst grundlegend zu identifizieren, zuträglich11 , da die Wirkung von Humor auf diese Weise analysiert werden kann, ohne
10 Zur
Problematik der Messung der befreienden Wirkung s. Abschnitt 6.1. weitere Ausführungen zur Wahl einer neutralen Vergleichsgruppe sei auf die Ausführungen in Pretest 3b in Abschnitt 6.3.2 verwiesen. 11 Für
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
dass sie stets nur in Relation zu einer anderen Maßnahme der Recovery zu interpretieren ist. Wird die beschriebene befreiende Wirkung von Humor auch in einem Service-Kontext angenommen, ist im Vergleich zu einer neutralen Aussage folgende Beziehung zu vermuten, die sich im ersten Teil von Hypothese 1 manifestiert: H1 (Teil 1): Der Einsatz von Humor durch das Service-Personal infolge von Service-Fehlern führt, im Vergleich zu einer neutralen Aussage, zu einer stärker wahrgenommenen Befreiung seitens der Konsumenten.
3.2
Wirkung einer durch Humor induzierten Befreiung bei den Konsumenten auf deren Urteilsbildung im Kontext von Service-Fehlern
Im Rahmen von Abschnitt 3.1 wurde aufgezeigt, dass Humor als kommunikatives Mittel dient, welches eine befreiende Wirkung bei Rezipienten erzeugen kann. Es wurde die Vermutung aufgestellt, dass Humor diese Wirkung auch im Rahmen von Service-Begegnungen auf Konsumenten entfalten kann, wenn das ServicePersonal infolge aufgetretener Service-Fehler mit Humor agiert. Nun ist es von Interesse zu klären, wie sich eine durch Humor induzierte Befreiung auf weitere Beurteilungsdimensionen auswirken kann. Meyer (2015, S. 44) umschreibt hier generell, dass eine solche, infolge von Humor eingetretene Befreiung eine größere Toleranz für Fehler mit sich bringt. Auch Morreall (1991, S. 371) beschreibt am Beispiel streitender Personen, dass eine humorvolle Äußerung deren Ärger reduzieren und ihnen folglich ermöglichen kann, den Streit aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Beide Autoren thematisieren damit einen Einfluss der durch Humor induzierten Befreiung auf nachfolgende Beurteilungsdimensionen, stützten sich jedoch nicht auf empirische Quellen. Tatsächlich finden sich im Rahmen der Literatur nur vereinzelt Belege, die einen solchen Einfluss in der persönlichen Kommunikation ebenfalls vermuten lassen. So kann Humor • wie dargestellt, bei streitenden Paaren die Herzschlagrate des Partners senken (vgl. Gottman et al. 1998, S. 16), welcher die Probleme anschließend aus einer anderen Perspektive betrachten und sich auf deren Lösung fokussieren kann (vgl. Martin 2007, S. 304). • in einer Situation (bzw. über eine Situation) eine Befreiung erzeugen und darüber weitere Interaktionen zwischen den Kommunikatoren fördern (vgl. O’Donnell-Trujillo und Adams 1983, zitiert nach Meyer 2000, S. 312).
3.2 Wirkung einer durch Humor induzierten Befreiung bei den Konsumenten … 67
• in Arbeitsgruppen eine befreiende Wirkung bei (aufgrund von Leistungsdruck) angespannten Gruppenmitgliedern entfalten, sodass diese ihre Aufgabe schließlich erfrischt und neu fokussiert weiterführen können (vgl. Bales und Slater 1955, zitiert nach Robinson und Smith-Lovin 2001, S. 126f). Zwar ist damit zu erkennen, dass eine eingetretene Befreiung durch Humor die Wahrnehmung und Beurteilung der Rezipienten verändern kann. Aussagekräftige empirische Untersuchungen aber, die spezifisch diese Beziehung analysieren und einen (auch theoretisch fundierten) Erklärungsbeitrag liefern, weshalb Humor diese Funktionen entfaltet, scheinen bislang kaum vorhanden. Sie wären jedoch essentiell, um den zugrundeliegenden Wirkmechanismus von Humor umfassend beleuchten zu können. Die Basis für eine theoretische Fundierung könnte der sogenannte RosaroteBrille-Effekt (vgl. z. B. Schwarz und Clore 1983; Schwarz und Clore 1988; Schwarz 1990) bilden. Dieser besagt in seinen Grundzügen, dass der Gefühlszustand12 eines Individuums Einfluss auf nachfolgende Beurteilungen nehmen kann (vgl. Clore 1992, S. 134), und zwar derart, dass ein positiver Gefühlszustand das Erlebte in positiver Weise „einfärbt“ (vgl. Schwarz 1988, S. 148), also unter einem positiven (im Vergleich zu einem negativen) Gefühlszustand ein zu beurteilendes Objekt insgesamt positiver beurteilt wird (vgl. Schwarz und Clore 2007, S. 389). Die durch Humor induzierte Befreiung wird vorliegend als positive emotionale Befindlichkeit definiert (s. Abschnitt 3.1.2.3), sodass Erkenntnisse hinsichtlich des Einflusses der Befreiung auf die nachfolgende Beurteilung aus diesem Forschungsfeld gewonnen werden könnten. Der Rosarote-Brille-Effekt bezeichnet ein Phänomen, das jedem aus dem eigenen täglichen Leben bekannt sein dürfte (vgl. Schwarz 1988, S. 148): Es gibt Tage, an denen man aufsteht und sich rundherum gut fühlt. An solchen Tagen nimmt man seine Umwelt deutlich positiver wahr, alles wirkt angenehm und 12 Der der amerikanischen Literatur zugrundeliegende Begriff affect, der im Rahmen der Untersuchungen zum Rosarote-Brille-Effekt verwendet wird, wird vorliegend (in Anlehnung an Greifeneder, Bless und Pham 2011, S. 108) mit „Gefühlszustand“ bzw. „emotionaler Befindlichkeit“ umschrieben. In der Sozialpsychologie wird affect häufig als übergeordneter Begriff verwendet, der sowohl Emotionen (emotions) als auch Stimmungen (moods) umfasst, kann sich aber auch lediglich auf die Valenz (positiv versus negativ) beziehen (vgl. Schwarz und Clore 2007, S. 386; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2019, S. 96). Der vorliegend betrachtete Ansatz umfasst sowohl Stimmungen als auch Emotionen (vgl. Schwarz 2012, S. 290). Grundsätzlich kann zwischen den Begriffen „Emotion“ und „Stimmung“ differenziert werden. Diese Unterscheidung steht jedoch nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit. Für eine differenzierte Betrachtung der Begrifflichkeiten Emotion, Stimmung (und Gefühl) sei auf Kroeber-Riel und Gröppel-Klein (2019, S. 93ff) verwiesen.
68
3
Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
schön. Es gibt aber auch solche Tage, an denen man von einer gedrückten Stimmung begleitet wird – mit der Folge, dass alles vielmehr trist und grau anstatt angenehm und leicht wahrgenommen wird. Dieses Phänomen tritt auch auf, ohne dass sich, objektiv betrachtet, etwas Wesentliches an den tatsächlichen Lebensumständen verändert hat. Unabhängig davon, woraus die positive respektive negative Gefühlslage resultiert, färbt die rosarote beziehungsweise graue Brille das „Erleben des Gegebenen“ (Schwarz 1988, S. 148) in stimmungskongruenter Weise ein. Dinge werden also in einem ganz anderen Licht betrachtet und bewertet, abhängig davon, ob Menschen sich gut oder schlecht fühlen. Dieses Phänomen ist allerdings nicht nur aus dem täglichen Leben bekannt. Auch in der experimentellen Forschung konnte diese Alltagserfahrung vielfach empirisch bestätigt werden. Beispielsweise untersuchten Forgas und Moylan (1987) in einem für diesen Effekt bezeichnenden Experiment, wie sich die durch einen zuvor gesehenen Film induzierte Stimmung (fröhlich, traurig, aggressiv) auf die Beurteilung politischer Personen, zukünftiger Ereignisse, der Angemessenheit diverser Bestrafungsmethoden für rechtliche Vergehen und auf die Beurteilung der Zufriedenheit mit dem eigenen (privaten, sozialen und Arbeits-)Leben auswirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bewertungen positiver, optimistischer und nachsichtiger ausfallen, wenn Probanden sich infolge eines Films in einer fröhlichen Stimmung befanden, während sie negativer, pessimistischer und kritischer ausfallen, wenn Probanden sich aufgrund des zuvor gesehenen Films in einem traurigen oder aggressiven Gefühlszustand befanden (vgl. Forgas und Moylan 1987, S. 472). Wie bereits bei den Ereignissen aus dem alltäglichen Leben beschrieben, konnte also auch empirisch nachgewiesen werden, dass Personen ihre Bewertung kongruent zu der aktuell vorherrschenden Gefühlslage vornehmen. Schwarz (1988, S. 148) führt eine Reihe weiterer Studien an, die den Einfluss des vorherrschenden Gefühlszustands auf unterschiedliche Urteile untersucht haben, beispielsweise im Hinblick auf die Bewertung anderer Personen (vgl. Clore, Schwarz und Kirsch 1983) oder auf die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben (vgl. Schwarz und Clore 1983). Eine positive Gefühlslage führte auch hierbei zu positiveren Urteilen als eine negative Gefühlslage. Entgegen der Annahme, dass derartige Urteile rein rational gefällt werden, tritt viel häufiger eine „Tönung“ der Urteilsbildung durch den aktuellen Gefühlszustand auf (Forgas und Moylan 1987, S. 467; Clore et al. 1993, S. 79). Dieses Phänomen der stimmungskongruenten Bewertung eines Zielobjekts lässt sich grundsätzlich aus zwei verschiedenen Perspektiven erklären. Einerseits können Modelle herangezogen werden, die Einflüsse des aktuell vorherrschenden Gefühlszustands auf das Gedächtnis betrachten. Diese Modelle führen
3.2 Wirkung einer durch Humor induzierten Befreiung bei den Konsumenten … 69
die skizzierten Einflüsse auf eine erhöhte Abrufbarkeit stimmungskongruenter Gedächtnisinhalte zurück (vgl. z. B. Bower, 1981; Isen 1984). Auf der anderen Seite kann der skizzierte Effekt auch auf die Nutzung des aktuell vorherrschenden Gefühlszustands selbst als Urteilsgrundlage zurückgeführt werden (vgl. Schwarz 1988, S. 151), d. h., die zum Zeitpunkt der Urteilsbildung vorherrschende Gefühlslage als solche wäre für die stimmungskongruente Urteilstönung verantwortlich. Die Klärung dieser Frage war Gegenstand einer viel zitierten Untersuchung von Schwarz und Clore (1983). Intuitiv ging Schwarz bereits vor der Untersuchung davon aus, dass Dinge an guten Tagen positiver wahrgenommen werden, weil sich alles schlicht besser anfühlte, und nicht, weil eine selektive Erinnerung vergangener Ereignisse in stimmungskongruenter Valenz begünstigt wird (vgl. Schwarz 2012, S. 291). Im Rahmen des Experiments wurden Personen via Telefoninterview nach der Zufriedenheit mit ihrem eigenen Leben befragt. Die Ergebnisse zeigen: Personen, die an sonnigen Tagen befragt wurden und sich damit (aufgrund des Wetters) in einer positiveren Stimmung befanden, stuften die Zufriedenheit mit ihrem Leben signifikant höher ein als Personen, die an tristen, regnerischen Tagen befragt wurden und sich daher in einer eher negativen Stimmung befanden (vgl. Schwarz und Clore 1983, S. 519f). Damit ist es den Autoren gelungen nachzuweisen, dass die Probanden ihr Urteil kongruent zu ihrer aktuell vorherrschenden Gefühlslage fällen. Zudem konnten sie mit ihrer Untersuchung durch eine zusätzliche Manipulation13 empirische Belege dafür liefern, dass dieser
13 Die
Manipulation wurde wie folgt vorgenommen: Ein Teil der Versuchspersonen in dem beschriebenen Experiment wurde dazu veranlasst, ihren aktuellen Gefühlszustand auf das Wetter (und damit auf eine für die Beurteilung des Lebens irrelevante Variable) zurückzuführen. Hierzu fragte der Interviewer zu Beginn des Telefongesprächs, wie das Wetter an dem Ort sei, an dem sich die Person gerade befindet, um deren Aufmerksamkeit bewusst auf das Wetter zu lenken. Die Folge war, dass Personen, die bei schlechtem Wetter angerufen und deren Fokus bewusst auf dieses schlechte Wetter gelenkt worden war, berichteten, ebenso zufrieden mit ihrem Leben zu sein als Personen, die dieses Urteil bei gutem Wetter fällten (bei positiver emotionaler Verfassung tritt dieser Effekt nicht auf. Individuen, die sich in guter Stimmung befanden, wurden durch das Lenken der Aufmerksamkeit nicht beeinflusst (vgl. Schwarz 1988, S. 151)). Ein bewusstes Lenken der Aufmerksamkeit der Probanden auf das Wetter führt also dazu, dass die aktuelle (negative) Gefühlslage ihren Einfluss auf die Beurteilung der Lebenszufriedenheit verliert (vgl. Schwarz und Clore 1983, S. 520). Würde sich eine Beurteilung der Zufriedenheit mit dem Leben aus der leichteren Zugänglichkeit stimmungskongruenter Inhalte im Gedächtnis ergeben, so dürfte das Lenken der Aufmerksamkeit der Probanden auf das Wetter als eigentliche Ursache ihrer aktuellen Stimmung keinen Einfluss auf die Urteilsbildung nehmen. Die Tatsache aber, dass diese Manipulation zu einem Verlust der Wirkung der aktuellen (negativen) Gefühlslage auf die Urteilsbildung führt, lässt sich nur erklären, wenn
70
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
Effekt, wie von Schwarz intuitiv vermutet, auf der Nutzung der aktuellen emotionalen Verfassung selbst beruhen muss, die in die Beurteilung einfließt, und nicht auf dem Einfluss stimmungskongruenter Erinnerung. Das Heranziehen der aktuellen emotionalen Befindlichkeit als Beurteilungsgrundlage stellt eine Vereinfachung des Urteilsprozesses der Individuen dar. Hierbei gehen diese grundsätzlich automatisch davon aus, dass unter anderem der Gefühlszustand, in dem sie sich gerade befinden, unmittelbar mit dem verknüpft ist, was gerade im Fokus ihrer Aufmerksamkeit steht (d. h. mit dem Beurteilungsobjekt). Ein bewusstes Zuschreiben der aktuellen Gefühlslage zum Urteilsgegenstand ist gerade nicht vonnöten (vgl. Schwarz und Clore 2003, S. 299). Ein kognitives Prozessieren, ob die aktuelle emotionale Befindlichkeit mit dem Beurteilungsobjekt in Zusammenhang steht und daher Relevanz für die Beurteilung besitzt oder nicht, findet nicht statt (vgl. Schwarz und Clore 2007, S. 389). Anstatt in einen solchen umfassenden Such- und Bewertungsprozess einzutreten, bilden Konsumenten ihr Urteil folglich also häufig auf Basis ihrer zum Zeitpunkt der Urteilsbildung bestehenden emotionalen Verfassung (vgl. Schwarz 1983, S. 152; Schwarz und Bohner 1990, S. 170f), die damit selbst14 für die stimmungskongruente Urteilstönung verantwortlich ist (Schwarz 1988, S. 151). Die vorliegende Arbeit stützt sich auf diese Erkenntnisse. Zwar liegen speziell zur Wirkung einer durch Humor induzierten Befreiung von Konsumenten auf nachfolgende Beurteilungsdimensionen in einem Service-Fehler-Kontext bislang, zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit, keine der Autorin bekannten
anzunehmen ist, dass die emotionale Befindlichkeit selbst als Information in die Beurteilung eingeht (vgl. Schwarz 1988, S. 152). Diese Untersuchung ist bezeichnend für die von Schwarz und Clore (1983) entwickelte Feeling-as-Information-Theorie, in deren Rahmen der Rosarote-Brille-Effekt verankert werden kann. Diese Theorie hat hauptsächlich zum Gegenstand zu analysieren, unter welchen Umständen ein Heranziehen der aktuellen Gefühlslage zum Beurteilungszeitpunkt stattfindet und wann dieses ausbleibt, d. h., wann die Gefühlslage ihre diagnostische Wirkung verliert. Zwar ist es im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht von Interesse zu analysieren, unter welchen Bedingungen sich die Diagnostizität der Gefühlslage für die Urteilsbildung verändert. In ihrer ursprünglichsten Form aber – und hierin liegt die Relevanz für die vorliegende Arbeit – wurde sie entwickelt, um den Einfluss der aktuellen Gefühlslage auf die Urteilsbildung nachzuweisen und zu erklären (vgl. Schwarz 2012, S. 290). Tatsächlich ist den Autoren, wie die Skizzierung des Experiments verdeutlicht, genau dies gelungen. Sie konnten zeigen, dass Probanden in einer positiven emotionalen Verfassung angaben, signifikant zufriedener mit ihrem Leben zu sein als Probanden, die sich zum Zeitpunkt der Urteilsbildung in einer negativen emotionalen Verfassung befanden (vgl. Schwarz und Clore 1983, S. 519f). 14 Sofern keine offensichtliche externe Ursache für sie erkennbar ist (vgl. Schwarz 1988, S. 151).
3.2 Wirkung einer durch Humor induzierten Befreiung bei den Konsumenten … 71
empirischen Erkenntnisse vor. Es ist jedoch, basierend auf den gemachten Darstellungen, davon auszugehen, dass der aktuell vorherrschende Gefühlszustand selbst die nachfolgende Beurteilung „einfärbt“, und zwar kongruent zur Valenz der Gefühlslage. Auch Söderlund und Oikarinen (2018, S. 57f) führen aus, dass die Affect-as-Information-Theorie (vgl. z. B. Schwarz und Clore 1983, 1988; Schwarz 1990), in welcher der Rosarote-Brille-Effekt zu verankern ist (vgl. z. B. Schwarz 1988, S. 148; Clore 1992, S. 134), als Erklärungsgrundlage dienen kann, um die Wirkung von Humor auf nachfolgende Beurteilungsdimensionen abzubilden. Sie legen dar, dass ein positives Einfärben nachfolgender Beurteilungsdimensionen dann zu erwarten sei, wenn durch Humor unmittelbar eine positive affektive (präkognitive) Reaktion ausgelöst wird. Vorliegend wird mit der Befreiung eine solche positive, unmittelbare affektive Reaktion von Humor postuliert. Es lässt sich folglich vermuten, dass der Befreiung folgender positiver Einfluss auf nachfolgende Beurteilungen zugesprochen werden kann: Tritt infolge des Einsatzes von Humor durch das Service-Personal eine befreiende Wirkung bei den Konsumenten ein (verspüren die Konsumenten also das positive Gefühl der Auflösung ihrer inneren, in Form von Ärger bestehenden Anspannung), so führt diese positive emotionale Befindlichkeit zu einer positiveren Beurteilung der Fehler-Situation als solcher. In den Worten von Forgas und Moylan (1987, S. 472) würde dies bedeuten, dass Konsumenten der Fehler-Situation mit einer gesteigerten Nachsicht15 begegnen, worin sich auch die von Meyer (2015, S. 44) beschriebene gesteigerte (Fehler-) Toleranz widerspiegelt und theoretisch begründen lassen würde. Es ist damit – aufbauend auf der Annahme, dass der Einsatz von Humor (im Vergleich zu einer neutralen Aussage) eine stärkere befreiende Wirkung entfaltet – zu vermuten, dass diese eingetretene Befreiung die Beurteilung der Service-Fehler-Situation positiv beeinflusst, oder anders ausgedrückt: dass die Befreiung in eine nachsichtigere Beurteilung der Service-Fehler-Situation durch die Konsumenten resultiert. In der Service-Literatur ist schließlich anerkannt, dass Service-FehlerSituationen, die von den Konsumenten insgesamt milder und damit nachsichtiger beurteilt werden, zu einer positiveren Bewertung des Service-Anbieters führen
15 Nachsicht wird hierbei, in Anlehnung an McCullough, Fincham und Tsang (2003, S. 542), verstanden als Form der Toleranz gegenüber einem Verstoß.
72
3
Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
als Situationen, die als gravierend bewertet werden (vgl. z. B. Smith und Bolton 1998, S. 75; McCollough 2000, S. 439; Sengupta et al. 2015, S. 669).16 Daraus resultiert folgender Zusammenhang: Je nachsichtiger eine Situation im Kontext aufgetretener Service-Fehler von dem Konsumenten beurteilt wird, desto positiver ist die Einstellung zum Service-Anbieter. Damit lässt sich Hypothese 1 (deren erster Teil bereits in Abschnitt 3.1.2.4 abgeleitet wurde) in Gänze wie folgt formulieren: H1: Der Einsatz von Humor (vs. einer neutralen Aussage) durch das ServicePersonal beeinflusst die Einstellung zum Service-Anbieter positiv über die wahrgenommene Befreiung der Konsumenten und die daraus resultierende gesteigerte Nachsichtigkeit bei der Beurteilung der Service-Fehler-Situation. Der postulierte, zu testende Wirkmechanismus von Humor in einem ServiceFehler-Kontext kann damit wie folgt dargestellt werden (Abbildung 3.1):
Humorgehalt der Aussage (neutral vs. humorvoll)
+
wahrgenommene Befreiung
+
Nachsicht (positivere Beurteilung der Situation)
+
Einstellung zum ServiceAnbieter
Abb. 3.1 Postulierter Wirkmechanismus von Humor in einem Service-Fehler-Kontext. (Quelle: eigene Darstellung)
16 Statt dem Konstrukt der Einstellung wird im Rahmen der Service-Literatur häufig die kumulierte Zufriedenheit mit dem Anbieter als abhängige Variable betrachtet, die jedoch in vielen Fällen als einstellungs-äquivalentes Konstrukt definiert wird (vgl. z. B. Mattila 2004, S. 134). Einstellung wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit verstanden als „subjektiv wahrgenommene Eignung eines Gegenstandes zur Befriedigung einer Motivation“ (Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2019, S. 205). Die Einstellung ist hierbei überwiegend von einer emotionalen, das heißt positiven oder negativen Haltung gegenüber einem Meinungsgegenstand geprägt. Die affektiven Prozesse dominieren, dennoch umfasst das Konstrukt auch kognitive Vorgänge (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2019, S. 205).
3.3 Einflussfaktoren auf die postulierte befreiende Wirkung von Humor
3.3
Einflussfaktoren auf die postulierte befreiende Wirkung von Humor
3.3.1
Einfluss des Geschlechts
73
Untersuchungen, die sich mit der Thematik „Humor“ beschäftigen, betrachten häufig auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Neben Geschlechterunterschieden bei der Nutzung und der dabei zugrundeliegenden Motivation werden Unterschiede zwischen Männern und Frauen hierbei insbesondere auch hinsichtlich der Wahrnehmung und damit der Wirkung von Humor untersucht. Da es sich bei Humor um ein primär soziales Phänomen handelt (vgl. Martin und Ford 2018, S. 3) und gleichzeitig davon ausgegangen wird, dass soziale Erfahrungen von Männern und Frauen verschieden sind (Männer wurden sozialisiert, dominant zu sein, während von Frauen das Einnehmen einer fügsamen Rolle und der Feinfühligkeit gegenüber anderen erwartet wurde, vgl. Schwarz, Hoffmann und Hutter 2015, S. 75), wird vermutet, dass Männer und Frauen unterschiedliche Arten von Humor bevorzugen (vgl. z. B. Lundell 1993). Untersuchungen aber, die sich mit dieser Fragestellung beschäftigen, weisen inkonsistente Ergebnisse auf (vgl. Robinson und Smith-Lovin 2001, S. 128; Schwarz et al. 2015, S. 74). Einige Studien konnten beispielsweise nachweisen, dass Männer sexistischen Humor, das heißt Humor, der überwiegend Frauen herabwürdigt (vgl. Ford et al. 2008, S. 159), stärker bevorzugen als Frauen (vgl. z. B. Brodzinsky, Barnet und Aiello 1981, S. 561). Auch bevorzugen Männer aggressiven Humor stärker als Frauen, was sich in einer besseren Einstellung zur Werbung, zur Marke und auch im wahrgenommenen Humorgehalt äußern kann (vgl. Swani, Weinberger und Gulas 2013, S. 318). Basierend auf der Annahme, dass Frauen eine humorvolle, Frauen herabwürdigende Anzeige ohnehin negativ (nicht humorvoll) bewerten würden, untersuchten Warren und McGraw (2016b, S. 49) mit einer rein männlichen Stichprobe die Wirkung einer solchen Anzeige (diese zeigt einen Autounfall und den Slogan: „Jeder fährt gelegentlich wie eine Frau“) im Vergleich mit einer humorvollen Anzeige, die nicht speziell Frauen, sondern die Allgemeinheit herabwürdigt (diese zeigt das identische Bild des Autounfalls, jedoch den Slogan „Jeder fährt gelegentlich wie ein Idiot“). Beide Anzeigen wurden von den Männern als ähnlich humorvoll wahrgenommen, was die Vermutung unterstreichen könnte, dass Männer sexistischen (gegen Frauen gerichteten) Humor grundsätzlich lustig finden. Allerdings konnten die Autoren auch feststellen, dass die werbende Marke von den Männern in der Frauenherabwürdigenden Bedingung signifikant schlechter bewertet wurde als in der die Allgemeinheit herabwürdigenden Bedingung und
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
erstere signifikant mehr negative Emotionen bei den Probanden erzeugte, was wiederum gegen diese Vermutung sprechen könnte. Ältere Studien kamen teilweise auch zu dem Ergebnis, dass keine Geschlechtsunterschiede hinsichtlich des Gefallens sexistischen Humors vorliegen (vgl. z. B. Losco und Epstein 1975, S. 329; Moore, Griffiths und Payne 1987, S. 527). Eine Meta-Analyse von Eisend (2009), die 47 Untersuchungen der Jahre 1979–2003 umfasst, kam zu dem Ergebnis, dass insgesamt keine Geschlechtsunterschiede hinsichtlich der Beurteilung humorvoller Werbung existieren. Die Ergebnisse von Schwarz et al. (2015, S. 83) stützen das Ergebnis, dass kein genereller Geschlechtsunterschied bei der Beurteilung humorvoller Stimuli vorliegt, stellen jedoch fest, dass neben einigen geschlechtsunabhängigen Effekten auch signifikante Interaktionen zwischen Geschlecht und bestimmten Humortypen bestehen. Die Autoren schlussfolgern, dass Männer aggressiven, (andere) herabwürdigenden Humor präferieren, während Frauen Humorarten präferieren, die Empathie erfordern. Während einige Studien also zeigen, dass keine Geschlechtsunterschiede in der Wahrnehmung und Wirkung humorvoller Stimuli existieren, zeigen andere, dass das Geschlecht Einfluss auf die Wirkung von Humor (bzw. bestimmter Humortypen) auf verschiedenste Konstrukte haben kann. Zum Zeitpunkt des Verfassens der vorliegenden Arbeit sind keine Untersuchungen bekannt, die den Einfluss eines verbalen humorvollen Stimulus auf die wahrgenommene Befreiung seitens Männern und Frauen oder auf deren Nachsicht untersuchen (hinsichtlich Einstellung zur Marke sind, wie dargestellt, inkonsistente Ergebnisse zu finden). Dennoch lassen die vorliegenden Darstellungen nicht ausschließen, dass das Geschlecht einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Humor ausüben könnte. Um mögliche Ergebnisverzerrungen zu vermeiden, muss vorliegend kontrolliert werden, inwiefern das Geschlecht die Ergebnisse beeinflusst. Innerhalb der vorliegend durchgeführten Studien, die in den Abschnitten 6.3, 6.4 und 6.5 präsentiert werden, wurde daher mittels Konfundierungschecks überprüft, ob in der jeweils humorvollen Bedingung signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Beurteilung der betrachteten Konstrukte vorliegen.
3.3.2
Die moderierende Wirkung der Schwere der Service-Fehler-Situation
Der vorliegenden Arbeit liegt die Frage zugrunde, welchen Wirkmechanismus Humor in einem Service-Fehler-Kontext, in dem Konsumenten Verärgerung verspüren, entfalten kann. Hypothese 1 (Teil 1) postuliert, dass der Einsatz von
3.3 Einflussfaktoren auf die postulierte befreiende Wirkung von Humor
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Humor durch das Service-Personal zu einer stärker wahrgenommenen Befreiung seitens der Konsumenten führt als eine neutrale Aussage. Je nach Schweregrad der Service-Fehler17 aber, die sich in der Service-Situation ereignen, variiert das Ausmaß an negativen Emotionen, das die Konsumenten infolgedessen empfinden (vgl. z. B. Weun, Beatty und Jones 2004, S. 136). In Abhängigkeit vom Schweregrad der Fehler, die sich ereignen, könnte der Einfluss von Humor (verglichen mit einer neutralen Aussage) auf die wahrgenommene Befreiung der Konsumenten damit unterschiedlich ausgeprägt sein. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es folglich interessant zu analysieren, wie ein unterschiedliches Ausmaß des Schweregrads der Situation die Wirkung von Humor auf die wahrgenommene Befreiung beeinflusst, um tiefere Einblicke in den zugrundeliegenden Wirkmechanismus von Humor in einem Service-Fehler-Kontext zu gewinnen. Erkenntnisse darüber, wie unterschiedliche Ausprägungen des Schweregrads der Service-Fehler die befreiende Wirkung von Humor (vs. einer neutralen Aussage) zu beeinflussen vermögen, können auf Basis von Erkenntnissen der Befreiungstheorie (s. Abschnitt 3.1.2) oder basierend auf Erkenntnissen der sogenannten Benign Violation Theory (vgl. z. B. McGraw und Warren 2010; Warren und McGraw 2016a) gewonnen werden. Beide Theorien werden nachfolgend vor diesem Hintergrund diskutiert.
3.3.2.1 Erkenntnisse der Befreiungstheorie: Verstärkung der Wirkung von Humor auf die Befreiung mit zunehmender Schwere der Service-Fehler-Situation Im Rahmen der Studien, die sich auf die theoretische Grundlage der Befreiungstheorie stützen, wird davon ausgegangen, dass durch den Einsatz von Humor eine innere Anspannung gelöst wird, d. h. der Rezipient eine Befreiung von dieser Anspannung wahrnimmt. Dieser der Befreiungstheorie inhärente Grundgedanke suggeriert, jedenfalls implizit, dass umso mehr Anspannung aufgelöst werden kann, je mehr Anspannung vor der Konfrontation mit dem Humor besteht. Im Umkehrschluss aber bedeutet dies: besteht nur wenig innere Anspannung, so kann auch nur ein geringes Maß an Anspannung aufgelöst werden. Hieraus resultiert zunächst die Vermutung, dass die eintretende Befreiung umso größer sein müsste, je größer die innere Anspannung ist, die es aufzulösen gilt. Einen ersten Beleg, der diese Sichtweise stützen könnte, liefert die Untersuchung von Shurcliff (1968). In dieser Untersuchung wurden unterschiedliche Ausmaße an
17 Der Schweregrad von Service-Fehlern ist im Rahmen der Service-Literatur definiert als die Intensität eines Service-Problems (vgl. z. B. Weun et al. 2004, S. 135).
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
innerer Anspannung (operationalisiert über die Emotion Angst) bei den Probanden erzeugt, indem diesen mitgeteilt wurde, dass sie an einem Experiment aus der Biologie teilnehmen würden und hierbei gleich (a) eine Ratte halten müssten (geringe Angst-Bedingung), (b) eine Ratte halten müssten, bei der die Gefahr besteht, dass sie beißt (moderate Angst-Bedingung) oder (c) eine Blutprobe von einer Ratte entnehmen müssten, bei der die Gefahr besteht, dass sie beißt (starke Angst-Bedingung). Die Ergebnisse zeigen: Die eingetretene Befreiung bei Konfrontation mit dem humorvollen Stimulus (die Ratte, um die es im Experiment gehen sollte, stellte sich als Spielzeug-Ratte heraus) war umso größer, je größer die zuvor erzeugte innere Anspannung gewesen ist (vgl. Shurcliff 1968, S. 362). Probanden in der starken Angst-Bedingung berichteten demnach im Anschluss ein stärkeres Ausmaß an Heiterkeit als die Probanden der anderen Bedingungen. Die Ergebnisse der Studie von Shurcliff (1968) scheinen damit die Sichtweise zu untermauern, dass die befreiende Wirkung von Humor stärker ist, wenn das Ausmaß an zuvor bestehenden negativen Emotionen hoch (versus moderat/versus niedrig) ist. Ob eine Übertragbarkeit dieser grundlegenden Wirkung auf den ServiceFehler-Kontext aber ohne Weiteres möglich ist, ist hierbei in Frage zu stellen. Anders als in der Studie von Shrucliff (1968), in der Angst die vorherrschende Emotion war, empfinden Kunden in Service-Fehler-Situationen häufig Ärger. Zwar wurde in Abschnitt 3.1.2.1 herausgestellt, dass die befreiende Wirkung von Humor nicht auf die Emotion Angst beschränkt ist. Auch Ärger wird im Rahmen der Befreiungstheorie berücksichtigt, sodass es zunächst tatsächlich vielversprechend scheint, die Erkenntnisse dieser Studie auf den interessierenden Kontext zu übertragen. Es wäre demnach anzunehmen, dass die befreiende Wirkung von Humor nicht nur stärker ausgeprägt ist, wenn das Ausmaß an bestehender Angst bei den Rezipienten hoch (vs. moderat vs. gering) ist, sondern auch, wenn das Ausmaß an Verärgerung (und damit der Schweregrad der ServiceFehler-Situation, vgl. Weun et al. 2004, S. 136) hoch (vs. moderat vs. gering) ist. Notwendig für die Annahme der skizzierten Wirkungsrichtung wäre also die Annahme, dass sich Humor in Anbetracht eines unterschiedlichen Ausmaßes an bestehendem Ärger genauso (mit Blick auf die ausgelöste Befreiung) verhält wie in Abhängigkeit eines unterschiedlichen Ausmaßes an Angst. Bei den in Abschnitt 3.1.2.1 skizzierten Studien finden sich zwar solche (z. B. Singer 1968), die zeigen, dass eine Befreiung durch Humor grundsätzlich auch bei starkem Ausmaß an bestehender Aggression möglich ist. Allerdings konnten sich keine Untersuchungen finden lassen, die (wie Shurcliff (1968) für die Emotion Angst) tatsächlich die Wirkung von Humor auf Rezipienten mit unterschiedlichem Grad an Verärgerung untersuchen. Basierend auf der Befreiungstheorie könnte
3.3 Einflussfaktoren auf die postulierte befreiende Wirkung von Humor
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damit nur spekuliert werden, ob sich der beschriebene Effekt für die Verärgerung identisch zu dem der Angst ausgestaltet oder nicht. Würden die Annahmen der Befreiungstheorie (je mehr Anspannung, desto mehr Befreiung infolge des Einsatzes von Humor) für einen Service-Kontext angenommen, würde eine stets positive Wirkung von Humor unterstellt. Es könnte jedoch auch angenommen werden, dass Humor eine negativ aufgeladene Situation noch weiter verschlimmert, statt diese zu lösen (vgl. Söderlund und Oikarinen 2018, S. 62). Zwar wird eine befreiende Wirkung von Humor bislang nicht im Rahmen der ServiceLiteratur berücksichtigt. Diese Vermutung aber gründet sich auf die Erkenntnis, dass Konsumenten zunehmend eine immer geringere Toleranz gegenüber ServiceFehlern aufweisen, was es für Service-Anbieter zunehmend schwieriger macht, mit einer adäquaten Maßnahme zu reagieren (vgl. Bambauer-Sache und Rabeson 2015, S. 331). Gerade vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Ärger in ServiceFehler-Situationen entsteht, wenn der Anbieter für die Fehler verantwortlich gemacht wird, wäre damit in hochgradig schwerwiegenden Situationen denkbar, dass Humor nicht (mehr) ausreichen könnte, um bei den (infolge der Fehler stark verärgerten) Konsumenten noch eine befreiende Wirkung zu erzeugen. Studien aus dem Service-Kontext (vgl. z. B. McCollough et al. 2000; McCollough 2009) kommen zu dem Ergebnis, dass ein steigender Schweregrad der ServiceFehler gesteigerte Maßnahmen der Service-Recovery erfordert. Generell scheint die Effektivität eingesetzter Recovery-Maßnahmen damit geringer zu sein, wenn der Schweregrad der Situation steigt. Diese Wirkungsrichtung würde jener, die sich aus den Erkenntnissen der Befreiungstheorie ergeben würde, entgegenstehen. Insgesamt lässt sich damit auf Basis der Befreiungstheorie keine verlässliche Annahme zur Wirkung von Humor bei variierendem Ausmaß an Verärgerung und damit hinsichtlich einer moderierenden Wirkung des Schweregrads der ServiceFehler-Situation treffen. Während die Befreiungstheorie der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt wird, um eine befreiende Wirkung von Humor im Kontext der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument zu vermuten, scheint sie weniger geeignet, um Aussagen auch über die Veränderung dieser Wirkung von Humor in Abhängigkeit des Grads an Verärgerung der Rezipienten (und damit im Hinblick auf die Richtung des moderierenden Effekts der Schwere der Situation) formulieren zu können.
3.3.2.2 Benign Violation Theory: Reduzierung der Wirkung von Humor auf die Befreiung mit zunehmender Schwere der Service-Fehler-Situation Die in der Humorforschung verankerte Benign Violation Theory berücksichtigt die Wirkung unterschiedlicher Schweregrade von Verletzungen und untersucht,
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
wann Humor hierbei eine positive Wirkung (u. a. im Hinblick auf das Erzeugen positiver Emotionen) entfalten kann. Damit könnte sie einen Erklärungsbeitrag hinsichtlich der interessierenden Frage liefern, wie sich eine Verletzung, die sich über den Schweregrad der Service-Fehler-Situation ausdrückt, auf die Wirkung von Humor auswirken kann. Die Benign Violation Theory wurde in verschiedenen Bereichen angewandt, so zum Beispiel im Kontext von moralischen Normverletzungen (vgl. McGraw und Warren 2010), im Kontext humorvollen Beschwerens (vgl. McGraw et al. 2015) oder im Kontext werblicher Kommunikation (vgl. Warren und McGraw 2016b). Der Fokus der Theorie lag im Rahmen moralischer Normverletzungen insbesondere darauf zu erklären, wie Lachen und Amüsement grundsätzlich entstehen (vgl. McGraw und Warren 2010). Im Rahmen humorvollen Beschwerens interessierte die Frage, wie und wann das humorvolle Formulieren einer Beschwerde förderlich beziehungsweise hinderlich für den Verfasser der Beschwerde mit Blick auf die Erreichung seiner mit der Beschwerde angestrebten Ziele sein kann (vgl. McGraw et al. 2015). Im Kontext werblicher Kommunikation wird vor dem Hintergrund der Benign Violation Theory untersucht, wann der Einsatz eines humorvollen Werbestimulus förderlich und wann möglicherweise sogar schädlich für die beworbene Marke sein kann (vgl. Warren und McGraw 2016b). Hier liegt die Annahme zugrunde, dass der Einsatz humorvoller Werbung – selbst dann, wenn diese als lustig empfunden wird – nicht immer eine positive Wirkung entfalten muss (vgl. Warren und McGraw 2016b, S. 40). Die Benign Violation Theory vereint diverse Facetten grundlegender Humortheorien (s. Abschnitt 2.2.2.1) und basiert auf der Annahme, dass die Wahrnehmung einer Verletzung („violation“), die gleichzeitig als harmlos („benign“) empfunden wird, humorvolle von nicht-humorvollen Stimuli unterscheidet (vgl. Warren und McGraw 2016a, S. 407, 411). Es wird also postuliert, dass Humor nur dann förderlich und der Einsatz damit empfehlenswert sein kann, wenn gleichzeitig zwei Voraussetzungen erfüllt sind: (1) Es muss eine Verletzung („violation“) vorliegen. Verletzungen können in vielfältiger Form auftreten. Die wohl grundsätzlichste Art besteht in der Bedrohung des persönlichen Wohlbefindens durch physische Gewalt. Darüber hinaus können Verletzungen in Form von Bedrohungen der Identität oder im Hinblick darauf bestehen, dass etwas vor dem Hintergrund spezifischer Normen18 als schlecht oder falsch erachtet wird (vgl. Warren und McGraw 2016a, S. 410). Verletzungen werden definiert als Situationen oder Stimuli, 18 Normverletzungen können u. a. hinsichtlich kultureller (z. B. unangemessene Kleidung), sozialer (z. B. Blähungen), moralischer (z. B. Gräueltaten), gesprächsbezogener (z. B.
3.3 Einflussfaktoren auf die postulierte befreiende Wirkung von Humor
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die das Wohlbefinden einer Person, ihre Identität oder ihre normative Erwartungsstrukturen aus subjektiver Sicht bedrohen (Warren und McGraw 2016b, S. 42f). (2) Gleichzeitig (und nur dann kann Humor seine förderliche Wirkung entfalten) muss die Verletzung aus subjektiver Perspektive als harmlos beziehungsweise akzeptabel („benign“) eingestuft werden (vgl. Warren und McGraw 2016a, S. 411; Warren und McGraw 2016b, S. 43). Verletzungen in der skizzierten Form werden damit nicht per se als humorvoll empfunden. Bedrohliches oder als falsch Empfundenes geht vielmehr mit negativen Emotionen einher (vgl. z. B. Rozin et al. 1999, S. 575), sodass auch Verletzungen in dem oben beschriebenen Sinne in negative Emotionen wie beispielsweise Ärger, Angst, Ekel oder Verwirrung (vgl. Warren und McGraw 2016a, S. 410) resultieren. Für den Fall also, dass eine Verletzung vorliegt, die nicht gleichzeitig als harmlos oder akzeptabel eingestuft wird, wird eine nur wenig positive (oder sogar schädliche) Wirkung humorvoller Werbung erwartet. Dies setzt damit ein gleichzeitiges Auftreten scheinbar gegensätzlicher Bewertungen voraus: Nur dann, wenn beide der genannten Voraussetzungen erfüllt sind, wenn also eine Verletzung auftritt, die gleichzeitig als harmlos bzw. akzeptabel eingestuft wird, kann humorvolle Werbung erfolgreich sein19 . Ob Individuen Verletzungen als harmlos einstufen, hängt von der Bedrohung ab, die von ihnen ausgeht. Ein wesentlicher Faktor, den Warren und McGraw (2016b, S. 43f) im Rahmen dieser Einschätzung betrachten, ist der Schweregrad der Verletzung. Dabei handelt es sich um eine subjektive Beurteilungsgröße, die auf einem Kontinuum von „keine Verletzung“ über „milde Verletzung“ bis hin zu „starker Verletzung“ variiert. Sie spiegelt das Ausmaß, mit dem eine Verletzung das persönliche Wohlbefinden, die Identität oder die normativen Erwartungsstrukturen eines Individuums bedroht (Warren und McGraw 2016b, S. 44) und hängt davon ab, wie stark die Verletzung von der Vorstellung der Individuen abweicht, wie Dinge eigentlich sein sollten. Je stärker die Abweichung von diesem generell
Sarkasmus), linguistischer (z. B. Wortspiele) oder logischer Normen (z. B. Absurdes) vorliegen. 19 In der Forschung besteht eine grundsätzliche Diskussion hinsichtlich der Frage, ob Positivität und Negativität gleichzeitig auftreten können (vgl. z. B. Cacioppo und Berntson 1994; Larsen, McGraw und Cacioppo 2001; Rozin et al. 2013) oder ob ein gleichzeitiges Auftreten dieser gegensätzlichen Valenzen nicht möglich ist (vgl. z. B. Russel und Barrett 1999). Die Annahmen der Benign Violation Theory sind hierbei erstgenanntem Standpunkt zuzuordnen (vgl. Warren und McGraw 2016b, S. 42).
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erwarteten Zustand, desto größer der Schweregrad der Verletzung20 (vgl. Warren und McGraw 2016b, S. 43ff). Generell können sowohl milde als auch schwerwiegende Verletzungen als harmlos oder akzeptabel eingestuft werden, jedoch ist es bei milderen Verletzungen wahrscheinlicher, dass diese Perspektive eingenommen werden kann (vgl. Warren und McGraw 2016b, S. 44). In ihrer Studie konnten Warren und McGraw (2016b, S. 47) zeigen, dass sowohl eine Werbeanzeige mit einer milden Verletzung (d. h. geringe Abweichung von der Vorstellung der Konsumenten, wie die Werbung sein sollte) als auch eine Werbeanzeige mit einer schwerwiegenden Verletzung (d. h. starke Abweichung von der Vorstellung der Konsumenten, wie die Werbung sein sollte) als lustig wahrgenommen wurden (verglichen mit einer neutralen Bedingung). Jedoch erzeugte die Anzeige mit der schwerwiegenden Verletzung signifikant weniger positive emotionale Reaktionen bei den Probanden als die Anzeige mit der nur milden Verletzung. Diese Erkenntnisse der Benign Violation Theory gilt es nun auf den Kontext persönlicher Kommunikation im Service-Bereich zu übertragen, um Aussagen ableiten zu können, wie die Schwere der Service-Fehler-Situation die Beziehung zwischen Humor und der eintretenden Befreiung zu beeinflussen vermag. Die in diesem Abschnitt skizzierte Vielfältigkeit der Anwendungsbereiche der Benign Violation Theory legen die Vermutung nahe, dass eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse möglich ist. Die Benign Violation Theory postuliert, dass eine positive Wirkung (darunter das Erzeugen positiver Emotionen) infolge des Einsatzes von Humor nur dann entsteht, wenn eine Verletzung gleichzeitig auch als harmlos oder akzeptabel eingestuft wird. Übertragen auf den Einsatz von Humor unmittelbar nach Auftreten eines Service-Fehlers lässt sich hieraus folgende Schlussfolgerung ableiten: Die Verletzung besteht im vorliegenden Fall in
20 Neben der Definition des Schweregrads anhand der Abweichung von einem erwarteten Zustand kann die Schwere der Verletzung auch darüber definiert werden, ob die Verletzung sich gegen die Menschen allgemein (mild) oder gegen eine spezifische Person(engruppe) (schwerwiegend) richtet oder ob die Verletzung Annäherung (mild) oder Ablehnung (schwerwiegend) hervorruft (vgl. Warren und McGraw 2016b, S. 43). Diese Perspektiven sind in der vorliegenden Arbeit nicht von Interesse.
3.3 Einflussfaktoren auf die postulierte befreiende Wirkung von Humor
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Form des Auftretens von Service-Fehlern21 , die grundsätzlich als wahrgenommener Verlust seitens der Konsumenten verstanden werden können (vgl. Smith, Bolton und Wagner 1999, S. 357). Damit eine in die Service-Fehler-Situation integrierte humorvolle Äußerung durch das Service-Personal also eine positive Wirkung gemäß der Benign Violation Theory entfalten (d. h. positive Emotionen, vorliegend im Sinne einer Befreiung, erzeugen) kann, muss die Situation durch diese humorvolle Äußerung insgesamt als harmlos oder akzeptabel wahrgenommen werden können. Wann dies gelingt, kann durch die Schwere der Service-Fehler-Situation beeinflusst werden. Weiter oben in diesem Abschnitt wurde dargelegt, dass sich die Schwere der Verletzung darüber definiert, wie stark die tatsächliche Situation von einem grundsätzlich erwarteten Zustand (wie etwas sein sollte) abweicht. Je größer die Divergenz, desto stärker die Verletzung. Im Rahmen der Service-Fehler Literatur wird davon ausgegangen, dass Konsumenten in der Regel erwarten, dass ein Service reibungslos verläuft. „Kein Fehler“ fungiert damit als Referenzwert (vgl. Smith et al. 1999, S. 360) und spiegelt den Zustand, den Konsumenten grundsätzlich bei einer Service-Begegnung erwarten. Treten nun Service-Fehler im Rahmen der Service-Begegnung auf, liegt eine negative Abweichung von diesem erwarteten Zustand vor. Je stärker diese Abweichung, desto stärker der Schweregrad der Service-Fehler-Situation.22 21 Betrachtet
wird, inwiefern es gelingt, eine Service-Fehler-Situation, die die Verletzung im Sinne der Benign Violation Theory darstellt, durch eine humorvolle Äußerung des Service-Personals als akzeptabel erscheinen zu lassen – in Abhängigkeit ihres Schweregrads. Der Humor wird vorliegend als Maßnahme der Service-Recovery unmittelbar nach Auftreten der Service-Fehler eingesetzt. Er steht damit in seiner Natur in unmittelbarem Bezug zur Service-Fehler-Situation, sodass Situation und Humor untrennbar als Einheit zu betrachten sind. Die Voraussetzung, dass eine Verletzung vorliegt, die gleichzeitig als harmlos oder akzeptabel eingestuft wird, ist damit gegeben, sodass die Vermutungen hinsichtlich der potentiell moderierenden Wirkung des Schweregrads der Fehler-Situation auf Basis der Benign Violation Theory abgeleitet werden können. Es wird hingegen nicht die Perspektive eingenommen, dass die humorvolle Äußerung selbst eine Verletzung darstellt, beispielsweise aufgrund ihres Charakters eines Wortspiels (Verletzung linguistischer Normen), die nach Verstehen des Witzes (inhaltlich) als harmlos eingestuft wird. Diese Sichtweise wäre vor dem Hintergrund der Benign Violation Theory ebenfalls zu erklären, würde jedoch keinen Erklärungsgehalt hinsichtlich des Einflusses des Schweregrads der Situation liefern und ist damit für die vorliegende Arbeit nicht relevant. 22 Negative Abweichungen von diesem erwarteten Zustand und damit Verletzungen in dem definierten Sinne erzeugen negative Emotionen, darunter Ärger (vgl. Warren und McGraw 2016a, S. 410). Auch Service-Fehler erzeugen Ärger, sofern dem Service-Personal die Verantwortlichkeit für das Auftreten der Fehler zugeschrieben wird (vgl. z. B. Menon und Dubé 2004, S. 230). Die Schwere der Service-Fehler-Situation definiert sich damit über das Ausmaß an Ärger, das bei den Konsumenten entsteht.
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Identifikation des psychologischen Wirkmechanismus …
Basierend auf Erkenntnissen der Benign Violation Theory ist bekannt, dass sowohl milde als auch schwerwiegende Verletzungen grundsätzlich als harmlos beziehungsweise akzeptabel eingestuft werden können, jedoch ist es bei schwerwiegenden Verletzungen schwerer, diese Perspektive einzunehmen. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass Humor bei schwerwiegenden Verletzungen vermutlich weniger in positive Emotionen resultiert als bei milden Verletzungen. Es lässt sich damit vermuten, dass Humor in seiner Wirkung an Bedeutung verlieren könnte, wenn der Schweregrad der Situation zunimmt, was den Annahmen, die auf Basis der Befreiungstheorie (s. Abschnitt 3.3.2.1) abgeleitet werden könnten, entgegensteht. Basierend auf den Erkenntnissen der Studie von Warren und McGraw (2016b, S. 48) lässt sich damit die Vermutung aufstellen, dass auch in einem Service-Fehler-Kontext eine humorvolle Äußerung stärker in positive Emotionen (Befreiung) resultiert, je geringer die Schwere der Service-Fehler-Situation ist. Analog zu Hypothese 1 wird angenommen, dass eine stärker wahrgenommene Befreiung zu einer gesteigerten Nachsicht der Konsumenten führt, welche dann schließlich eine positive Wirkung auf die Einstellung zum Service-Anbieter entfaltet. Hieraus ergibt sich Hypothese H2: H2: Der Einsatz von Humor (vs. einer neutralen Aussage) durch das ServicePersonal beeinflusst die Einstellung zum Service-Anbieter positiv über die wahrgenommene Befreiung der Konsumenten und die daraus resultierende gesteigerte Nachsichtigkeit bei der Beurteilung der Service-Fehler-Situation. Die Beziehung zwischen Humor (vs. einer neutralen Aussage) und der wahrgenommenen Befreiung wird durch die Schwere der Service-FehlerSituation moderiert: Die wahrgenommene Befreiung ist stärker, wenn der Schweregrad der Situation gering (vs. moderat vs. hoch) ausgeprägt ist. Da sich, wie dargestellt, die Schwere der Verletzung auf einem Kontinuum bewegt, sollen im Rahmen der Hypothesenprüfung ein mildes, ein moderates sowie ein starkes Ausmaß des Schweregrads der Verletzung Berücksichtigung finden. Abbildung 3.2 visualisiert den postulierten Zusammenhang.
3.3 Einflussfaktoren auf die postulierte befreiende Wirkung von Humor
Schweregrad der Situation (niedrig vs. moderat vs. hoch)
Humorgehalt der Aussage (neutral vs. humorvoll)
wahrgenommene Befreiung
+
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Nachsicht (positivere Beurteilung der Situation)
+ Einstellung zum ServiceAnbieter
Abb. 3.2 Postulierter Wirkmechanismus von Humor in einem Service-Fehler-Kontext unter Berücksichtigung der moderierenden Wirkung der Schwere der Service-FehlerSituation. (Quelle: eigene Darstellung)
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Analyse der Effektivität des Einsatzes von Humor im Vergleich mit Entschuldigung und ökonomischer Kompensation als Maßnahmen der Service-Recovery Basierend auf der Befreiungstheorie sowie auf Erkenntnissen zur Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation wird in Hypothese 1 der vorliegenden Arbeit postuliert, dass Humor (verglichen mit einer neutralen Aussage) in der Lage ist, eine befreiende Wirkung bei Konsumenten zu entfalten, welche die Beurteilung der Service-Fehler-Situation und darüber schließlich die Einstellung zum Service-Anbieter positiv beeinflusst. Hypothese 1 bildet damit den vermuteten Wirkmechanismus von Humor in einer Service-Fehler-Situation ab. Hypothese 2 erweitert diesen um die potentiell moderierende Wirkung, die die Schwere der Service-Fehler-Situation auf die Beziehung zwischen Humor (vs. neutrale Aussage) und wahrgenommener Befreiung ausüben kann. Mit diesen fundamentalen Annahmen geht die Vermutung einher, dass Humor als Maßnahme der Service-Recovery fungieren kann. Um über die aus wissenschaftlicher Perspektive interessierende Frage nach der (psychologischen) Wirkung von Humor in diesem Kontext hinaus auch dessen praktische Relevanz stärker zu gewichten, soll in einem nächsten Schritt die postulierte Wirkung von Humor mit klassischen Maßnahmen der Service-Recovery verglichen werden. Als solche werden in der Literatur hauptsächlich (isoliert oder kombiniert) Formen der Entschuldigung und der ökonomischen Kompensation betrachtet (vgl. z. B. Smith et al. 1999; s. Bambauer-Sachse und Rabeson 2015, S. 331 für eine Übersicht), welche auch in der vorliegenden Arbeit Berücksichtigung finden sollen. Eine Entschuldigung gilt im Rahmen der Service-Recovery als eine Botschaft, die eine Anerkennung einer gewissen Schuld für negative Ereignisse beinhaltet und mit einem Ausdruck an Reue einhergehen kann (vgl. Roschk und Kaiser 2013, S. 295). Eine ökonomische Kompensation gilt als Maßnahme, die etwa in Form von Rabatten, Erstattungen, Gutscheinen, kostenlosen Gütern/Leistungen o. Ä. in Erscheinung tritt (vgl. Smith et al. 1999, S. 359). © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kobel, Humorvolle Kommunikation bei Serviceversagen, Forschungsgruppe Konsum und Verhalten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31474-3_4
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Analyse der Effektivität des Einsatzes von Humor …
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit liegen nahezu keine empirischen Erkenntnisse vor, die die Wirkung von Humor im Vergleich zu einer Entschuldigung beziehungsweise einer ökonomischen Kompensation in einem Service-Fehler-Kontext beleuchten. Es ist damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitestgehend unklar, wie sich diese Maßnahmen jeweils im Vergleich zum Einsatz von Humor verhalten. Hinzu kommt, dass im Rahmen der vorliegenden Arbeit mit der Befreiung als erstem Mediator im Wirkmodell von Humor eine affektive Variable betrachtet wird. Wenngleich Boshoff und Leong (1998, S. 42) im Rahmen des Diskussionsteils ihres Beitrags, der sich grundlegend mit der Bedeutung von Fehlerattribution, Handlungsbefähigung der Kundenkontaktmitarbeiter und Formen der Entschuldigung beschäftigt, deskriptiv ausführen, dass eine Entschuldigung zumindest in einem gewissen Maße eine Ärger reduzierende Wirkung entfalten könne, und auch Gelbrich und Roschk (2011, S. 39) darauf hinweisen, dass Service-Mitarbeiter internalisieren sollten, dass eine Entschuldigung durchaus eine deeskalierende Wirkung haben kann, so finden sich insgesamt nur wenig empirische Erkenntnisse, die die klassischen Maßnahmen der Service-Recovery tatsächlich auf eine potentiell befreiende Wirkung hin untersuchen. Die Service-Literatur stellt überwiegend die wahrgenommene Fairness, die nicht Gegenstand dieser Arbeit ist, in den Fokus der Untersuchungen (vgl. Casidy und Shin 2015, S. 104; für eine Übersicht s. Gelbrich und Roschk 2011). Im Kontext von Service-Begegnungen wird eine Entschuldigung meist vor dem Hintergrund analysiert, inwieweit sie die vom Konsumenten wahrgenommene Fairness hinsichtlich der Art und Weise, wie der Service-Anbieter infolge eines Service-Fehlers mit ihm als Kunde umgeht, beeinflussen kann. Bei der ökonomischen Kompensation wird häufig die wahrgenommene Fairness im Hinblick auf das Ergebnis der Recovery (vgl. z. B. Casidy und Shin 2015, S. 104; Mattila 2001, S. 584) analysiert. Um Humor insbesondere mit Blick auf die postulierte befreiende Wirkung mit klassischen Recovery-Maßnahmen vergleichen zu können, bedarf es einer Beurteilung der affektiven Wirkung dieser Maßnahmen. Emotionale Reaktionen scheinen im Rahmen der Service-Literatur allerdings im Hintergrund zu stehen (vgl. Lastner et al. 2016, S. 4278). Sie finden überwiegend hinsichtlich ihres Entstehens infolge von Service-Fehlern Beachtung (vgl. Lastner et al. 2016, S. 4278). Werden sie im Kontext der Service-Recovery berücksichtigt, wird häufig ihre mediierende Rolle in der Beziehung zwischen wahrgenommener Gerechtigkeit und Loyalität untersucht (vgl. z. B. Chebat und Slusarczyk 2005; DeWitt et al. 2008; del Río-Lanza, Vázquez-Casielles und Díaz-Martín 2009; Kuo und Wu 2012). Vázquez-Casielles, Iglesias und Varela-Neira (2012) hingegen untersuchen die Wirkung der Service-Recovery auf Zufriedenheit und Verhaltensintentionen
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(erneute Inanspruchnahme des Service, Weiterempfehlungsabsicht) und betrachten das Ausmaß an empfundenem Ärger als Mediator dieser Beziehungen. Schriftliche Vignetten schildern die Situation, dass Konsumenten einen Urlaub inklusive Flug gebucht haben, bei Ankunft am Flughaften aber darüber informiert werden, dass der Flug gecancelt wurde und erst am nächsten Tag stattfinden könne. Im Szenario ist der (nicht näher spezifizierte) Hinweis integriert, dass sich die Angestellten entschuldigen. Als Maßnahmen der Recovery werden eine ökonomische Entschädigung (20 % Rückerstattung des Preises vs. keine Entschädigung) sowie ein sozialer Vergleich (bei anderen Fluglinien würde ein Flug nicht am nächsten, sondern erst am übernächsten Tag angeboten vs. kein Vergleich) untersucht. Die Autoren können zeigen, dass sowohl ein sozialer Vergleich als auch eine ökonomische Kompensation einen signifikanten Einfluss auf den empfundenen Ärger der Probanden haben (vgl. Vázquez-Casielles et al. 2012, S. 96): Das Ausmaß an Ärger ist geringer, wenn ein sozialer Vergleich vorgenommen (vs. nicht vorgenommen) wird und wenn die Probanden eine Entschädigung (vs. keine Entschädigung) erhalten. Für die vorliegende Arbeit ergibt sich hieraus zunächst die Erkenntnis, dass eine ökonomische Entschädigung einen Einfluss auf das empfundene Ausmaß an Ärger bei den Probanden entfalten kann. Jedoch sind die Ergebnisse in ihrem Erklärungsgehalt für die vorliegende Arbeit aus folgenden Gründen kritisch zu betrachten: Aufgrund der Tatsache, dass eine Entschuldigung fest in das Szenario integriert ist (diese wird nicht systematisch manipuliert), kann keine klare Aussage getroffen werden, wie sich Entschuldigung und ökonomische Entschädigung getrennt voneinander auf die Verärgerung der Probanden auswirken. Andere Studien (z. B. Bonifield und Cole 2007, S. 95) können keinen Einfluss einer Entschuldigung auf die Verärgerung feststellen, sodass diese Frage zu klären bleibt. Zudem untersuchen die Autoren den empfundenen Ärger nach Konfrontation mit der angebotenen Recovery-Maßnahme, sodass unklar bleibt, inwieweit der Service-Fehler (Flug erst am nächsten Tag) bereits Verärgerung ausgelöst hat und inwieweit eine ökonomische Entschädigung damit tatsächlich eine Befreiung (in dem vorliegend verstandenen Sinn) von dieser womöglich bestehenden inneren Anspannung entfalten kann. Mögliche Erkenntnisse hinsichtlich einer emotionalen Wirkung einer Entschuldigung liefert eine Studie von Weiner et al. (1987). In vier Experimenten untersuchen die Autoren die Wirkung unterschiedlich gestalteter Entschuldigungen für das Nichteinhalten sozialer Vereinbarungen (z. B. Nichterscheinen zu einer Verabredung, Verspätung etc.). Als „gute“ Entschuldigungen werden solche klassifiziert, die auf externe Umstände zurückzuführen, nicht kontrollierbar und nicht beabsichtigt sind (z. B. eine Autopanne). „Schlechte“ Entschuldigungen hingegen sind solche, die in der Person selbst begründet liegen, kontrollierbar und
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beabsichtigt sind (z. B. keine Lust) (vgl. Weiner et al. 1987, S. 316, 320). Werden Probanden in die Situation versetzt, dass sie mit einer weiteren Person an einem Experiment teilnehmen sollen (Dauer: 5–10 Minuten), diese Person erscheint aber 15 Minuten zu spät zum Termin, so zeigt sich (vgl. Weiner et al. 1987, S. 320): Sowohl eine schlechte Entschuldigung dieser Person (z. B. sie habe auf dem Weg Freunde getroffen und gedacht, es sei nicht weiter schlimm, wenn sie etwas später käme) als auch gar keine Erklärung erzeugten signifikant mehr Verärgerung bei der wartenden Person als eine gute Entschuldigung (z. B. Verspätung aufgrund einer Klausur, jedoch sei die Person im Anschluss den ganzen Weg zum Experiment gerannt). Mit anderen Worten bedeutet dies, dass eine gute Entschuldigung weniger Ärger bei den Rezipienten erzeugt als eine schlechte oder keine Entschuldigung.1 Shapiro, Buttner und Barry (1994, S. 347) schlussfolgern hieraus, dass das Gefühl von Ärger, das durch ein Fehlverhalten anderer ausgelöst wurde, durch eine gute (vs. schlechte vs. keine) Entschuldigung gemildert werden könne. Ob und inwieweit eine Entschuldigung aber tatsächlich aus dem Fehlverhalten resultierenden Ärger reduziert (oder gar eine von diesem befreiende Wirkung entfaltet) oder vielmehr nur in ein unterschiedliches Ausmaß an Ärger resultiert, kann aus der Untersuchung von Weiner et al. (1987) nicht klar geschlussfolgert werden. Zudem lassen die Ergebnisse zwar erkennen, dass eine Entschuldigung eine emotionale Wirkung entfalten kann. Diese aber kann, wie die Ergebnisse zeigen, auch negativer Art sein, d. h. den Ärger erhöhen. Lee und Chung (2012) sowie Chung und Lee (2017) untersuchen die Wirkung von Entschuldigungen in Krisensituationen. Sind Krisensituationen durch einen Fehler eines Unternehmens entstanden und lösen sie Verärgerung bei der Bevölkerung aus, reduzieren Entschuldigungen den Ärger stärker2 , wenn das Unternehmen mit diesen die Verantwortlichkeit direkt (vs. nur passiv) auf sich nimmt (vgl. Lee und Chung 2012, S. 933) beziehungsweise, wenn die Entschuldigung auf die eigene Verantwortlichkeit (vs. auf Sympathie) zielt (vgl. Chung und Lee 2017, S. 13). Beide Studien liefern damit ein Indiz, dass eine Entschuldigung bestehenden Ärger zumindest reduzieren kann.
1 Hinsichtlich
der positiven Emotionen zeigen sich inkonsistente Ergebnisse: Während in einem der Experimente kein signifikanter Unterschied zwischen den Bedingungen auf die positiven Emotionen nachgewiesen werden konnte (vgl. Weiner et al. 1987, S. 320), konnten die Autoren in einem anderen Experiment zeigen, dass eine schlechte sowie keine Entschuldigung zu signifikant weniger positiven Emotionen führten als eine gute Entschuldigung (vgl. Weiner et al. 1987, S. 322). 2 Es wurde die Differenz der Mittelwerte der Verärgerung vor und nach Konfrontation mit der Entschuldigung gemessen (vgl. Lee und Chung 2012, S. 933).
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Weitere Belege für eine emotionale Wirkung von Entschuldigung und ökonomischer Kompensation finden sich in einem gänzlich anderen Kontext, nämlich in jenem von Vertrauensmissbrauch. Joskowicz-Jabloner und Leiser (2013) untersuchen, wie gut (u. a.) eine Entschuldigung und eine monetäre (Hyper)Kompensation geeignet sind, infolge von Vertrauensbrüchen entstandene negative Emotionen bei Individuen zu mildern. Vertrauensbrüche wurden in einem persönlichen (d. h. die Parteien haben einen gemeinsamen Hintergrund und es besteht ein generelles Vertrauen) und in einem sozialen Kontext (d. h. der Vertrauensbruch ereignet sich zwischen fremden Personen; das Vertrauen gründet sich auf einzelne Interaktionen und gesellschaftliche Normen) untersucht (vgl. JoskowiczJabloner und Leiser 2013, S. 1800). Die Probanden wurden gebeten anzugeben, in welchem Ausmaß die jeweiligen Maßnahmen aus ihrer Sicht in der Lage wären, die negativen Emotionen (darunter auch Ärger) der betroffenen Person zu reduzieren. Damit wurde nur das vermutete und nicht das tatsächliche Ausmaß dieser Fähigkeit erfasst. Dennoch lassen die Ergebnisse erkennen, dass sowohl einer Entschuldigung, als auch einer monetären Entschädigung eine Ärger reduzierende Wirkung zugesprochen wird. Eine Entschuldigung wird in einem privaten und in einem sozialen Kontext als Ärger mildernd eingestuft, wenngleich sich der Mittelwert des vermuteten Ausmaßes nur um den Skalenmittelwert bewegt. Monetäre (Hyper-) Kompensation führt insbesondere bei Vertrauensmissbrauch in einem sozialen Kontext zur Einschätzung, den entstandenen Ärger lindern zu können (vgl. Joskowicz-Jabloner und Leiser 2013, S. 1805). Da auch in dem in der vorliegenden Arbeit betrachteten Kontext der Service-Begegnung eher ein sozialer als ein privater Kontext vorliegt, liefert diese Untersuchung Hinweise, dass Entschuldigung und ökonomische Kompensation hier emotionale Effekte erzeugen können. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass Entschuldigung und ökonomische Kompensation grundsätzlich in der Lage scheinen, emotionale Wirkungen zu entfalten. Diese zeigen sich einerseits darin, dass bestimmte Formen der Entschuldigung ein unterschiedlich starkes Ausmaß an Ärger erzeugen können, was jedoch nicht unmittelbar zu einem Erkenntnisgewinn für die vorliegend interessierende Frage nach einer potentiell befreienden Wirkung dieser Maßnahmen führt. Daneben zeigt sich bzw. es wird sowohl einer Entschuldigung als auch einer ökonomischen Kompensation das Potential unterstellt, bestehenden Ärger reduzieren zu können. Eine bloße Reduktion negativer Emotionen aber ist nicht mit der affektiven Reaktion einer Befreiung, wie sie vorliegend verstanden wird, gleichzusetzen. Diese nämlich wird als positive emotionale Befindlichkeit definiert, was über eine reine Reduktion negativer Emotionen hinausgeht. Die Schlussfolgerung jedoch, dass die beiden Maßnahmen bestehenden Ärger nicht nur in seinem
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Ausmaß reduzieren, sondern eine solche unmittelbare affektive Reaktion beim Rezipienten induzieren, kann aus den dargestellten Erkenntnissen nicht gezogen werden. Es ist folglich nicht davon auszugehen, dass Entschuldigung und ökonomische Kompensation in eine Befreiung wie vorliegend definiert resultieren. Humorvolle Stimuli hingegen können eine unmittelbar positive emotionale Wirkung entfalten (vgl. Söderlund und Oikarinen 2018, S. 57). Mit Blick auf seine sozialen Funktionen wird vorliegend angenommen, dass der Einsatz von Humor auch in der Service-Interaktion die positive emotionale Befindlichkeit einer Befreiung erzeugt (s. Abschnitt 3.1.2.4). Aufgrund der starken theoretischen Grundlage der Befreiungstheorie (nach heutiger Auffassung) sowie aufbauend auf den im Rahmen der Arbeit skizzierten empirischen Erkenntnissen wird Humor im Hinblick auf die Fähigkeit, eine befreiende Wirkung beim Rezipienten zu entfalten, als im Vergleich zu Entschuldigung bzw. ökonomischer Kompensation überlegene Maßnahme eingestuft. Analog zu Hypothese 1 wird weiter vermutet, dass die Befreiung in eine gesteigerte Nachsicht der Konsumenten resultiert, welche wiederum die Einstellung zum Service-Anbieter positiv beeinflusst. Für den Vergleich zwischen Humor und Entschuldigung bzw. Humor und ökonomischer Entschädigung lässt sich folgende Hypothese formulieren: H3: Der Einsatz von Humor (vs. einer Entschuldigung bzw. einer ökonomischen Entschädigung) durch das Service-Personal beeinflusst die Einstellung zum Service-Anbieter positiv über die wahrgenommene Befreiung der Konsumenten und die daraus resultierende gesteigerte Nachsichtigkeit bei der Beurteilung der Service-Fehler-Situation.
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Zusammenfassung der theoretischen Überlegungen und Hypothesenüberblick
Während im Rahmen der Service-Forschung früher häufig die Notwendigkeit eines fehlerfreien Service herausgestellt wurde (vgl. z. B. Berry und Parasuraman 1992, S. 17; Bitner et al. 1994, S. 95), ist heute anerkannt, dass Service-Fehler, insbesondere aufgrund der überwiegend menschlichen Beteiligung bei der Erstellung/Ausführung des Service (vgl. Varela-Neira et al. 2008, S. 497) und der Erbringung meist im Beisein des Kunden (vgl. Michel 2001, S. 20), nahezu unvermeidbar sind. Service-Fehler aber erzeugen negative Emotionen seitens der betroffenen Konsumenten (vgl. Mattila und Ro 2008), welche sich in einem für das Unternehmen schädlichen Verhalten der Konsumenten niederschlagen können. Wesentlich für den Service-Anbieter ist es damit, im Fall des Auftretens von Service-Fehlern adäquat zu reagieren und eine effiziente Service-Recovery anzubieten (vgl. z. B. Hart et al. 1990, S. 148), um negative Auswirkungen aufgetretener Service-Fehler (wie etwa Imageschäden, den Verlust des Kunden oder das Ausbleiben neuer Kunden aufgrund negativer Weiterempfehlungen) auf das Unternehmen abzuwenden. Gerade dies gestaltet sich für Unternehmen in der Praxis aber zunehmend schwieriger (vgl. Weun et al. 2004, S. 136). Es gilt, den entstandenen negativen Emotionen der betroffenen Konsumenten entsprechend zu begegnen. Insgesamt sinkt die Toleranz der Konsumenten gegenüber ServiceFehlern stetig, was die Anforderungen an eine adäquate Recovery zunehmend erhöht (vgl. Bambauer-Sachse und Rabeson 2015, S. 331). Die wissenschaftliche Literatur wie auch die Service-Praxis berücksichtigen als Maßnahmen der Recovery hauptsächlich (isoliert oder kombiniert) Formen der Entschuldigung oder der ökonomischen Kompensation (s. Bambauer-Sachse und Rabeson 2015, S. 331 für eine Übersicht). Gerade das Anbieten ökonomischer Formen der Kompensation gilt als effektiv (vgl. Roschk und Gelbrich 2014), kann aber mit erheblichem finanziellem Aufwand für den Service-Anbieter verbunden sein. In Anbetracht © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kobel, Humorvolle Kommunikation bei Serviceversagen, Forschungsgruppe Konsum und Verhalten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31474-3_5
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Zusammenfassung der theoretischen Überlegungen ...
dieser Schwierigkeiten stellt sich die Frage, wie Service-Anbieter möglichst optimal auf Service-Fehler reagieren sollten. Wenngleich auch negative Effekte auftreten können, wird dem Einsatz von Humor in verschiedensten Disziplinen und Forschungskontexten vielfach eine positive (vgl. Warren et al. 2018, S. 529) affektive Wirkung zugesprochen, was Humor damit auch in einem Service-FehlerKontext eine vielversprechende Wirkung zutrauen lässt. Humor gilt als „soziales Schmiermittel“ (Morreall 1991, S. 371) und wird u. a. in Reden eingesetzt, um bestehende Anspannungen bei den Rezipienten zu lösen oder Feindseligkeiten zu reduzieren (vgl. z. B. Meyer 2000, S. 312; Meyer 2015, S. 15). Die Darstellungen in Abschnitt 3.1.2.1 der vorliegenden Arbeit verdeutlichen, dass Humor generell eine von Ärger befreiende Wirkung zugesprochen werden kann. Wenn es gelingt, diese Wirkung von Humor auch im Kontext von Service-Fehlern zu nutzen, d. h. wenn Humor auch in diesem Kontext einen positiven Einfluss auf die emotionale Befindlichkeit der Konsumenten nehmen würde, so könnte dieser eine kostenfreie und damit aus betriebswirtschaftlicher Perspektive attraktive Alternative zu ökonomischen Kompensationsformen wie z. B. einer finanziellen Entschädigung darstellen. Mangels umfassender empirischer Erkenntnisse zum Zeitpunkt des Verfassens der vorliegenden Arbeit erfordert die Beurteilung der Geeignetheit von Humor als Recovery-Maßnahme einerseits eine Analyse des psychologischen Wirkmechanismus von Humor in diesem in der Humorforschung kaum berücksichtigten Kontext. Zusätzlich dazu aber muss die sodann abgebildete Wirkung im Hinblick auf ihre Effektivität auch mit alternativen Recovery-Maßnahmen verglichen werden. Nur so kann die potentielle Eignung von Humor in diesem Zusammenhang umfassend beurteilt werden. Um sich zunächst der Frage nach dem generellen Wirkmechanismus von Humor theoretisch zu nähern, wurden in Abschnitt 2.2.2.1 wesentliche Humortheorien betrachtet und die Befreiungstheorie in dem heute vertretenen Sinne als theoretisches Fundament zugrunde gelegt. Als eine der klassischen Humortheorien kann diese Theorie dazu genutzt werden, die Wirkung von Humor im Rahmen der Kommunikation zu erklären (vgl. Meyer 2015, S. 13), indem sie ihm eine positive emotionale (im Sinne einer befreienden) Wirkung zuspricht. Darüber hinaus wurden wesentliche Erkenntnisse zu Humor aus verschiedenen Disziplinen, insbesondere der Kommunikationsforschung, betrachtet. Die Aufarbeitung dieser Beiträge führt vor Augen, dass Humor hier besonders umfassend im Rahmen der Werbung (und damit der einseitigen Massenkommunikation, vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2019, S. 542) betrachtet wird. Eine intensive Auseinandersetzung mit Humor erfolgt zudem in der Coping-Forschung, die Humor jedoch
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nicht als Stimulus, sondern als intervenierende Variable betrachtet und damit vorliegend keine Betrachtung findet. Die Aufarbeitung der Literatur hat aber auch gezeigt, dass Humor sich nicht nur auf die eigene emotionale Befindlichkeit, sondern auch auf die des Gegenübers auswirken kann. Diejenigen Untersuchungen, die sich auf die Wirkung von Humor als Stimulus in der interpersonellen Kommunikation beziehen, lassen positive wie negative Effekte erkennen. Insgesamt aber verzeichnen sie eine erste Tendenz, dass Humor eine positive emotionale Wirkung beim negativ gestimmten Gegenüber entfalten kann und stützen damit den Grundgedanken der Befreiungstheorie. Allerdings liefern diese Untersuchungen keine Einblicke dahingehend, wie sich diese positive emotionale Befindlichkeit auf nachfolgende Beurteilungsdimensionen auswirkt. Gleichzeitig wird die Forderung laut, den Wirkmechanismus von Humor zu identifizieren (vgl. Warren et al. 2018, S. 544). Die Erkenntnisse aus der Humorforschung alleine aber liefern keine abschließende Antwort auf die Frage, wie sich dieser Wirkmechanismus in Service-Fehler-Situationen ausgestaltet. Um die aus der Humorforschung gewonnenen Erkenntnisse mit Blick auf diese Frage erweitern zu können, bedient sich die vorliegende Arbeit der Erkenntnisse des in der Psychologie verankerten Rosarote-Brille-Effekts. Die befreiende Wirkung, die Humor zu entfalten vermag, wird vorliegend als positive emotionale Befindlichkeit definiert. Der Rosarote-Brille-Effekt suggeriert, dass Konsumenten, die sich in einem positiven emotionalen Zustand befinden, alles durch eine rosarote Brille betrachten, d. h., dass ihr Urteil hinsichtlich eines Bewertungsgegenstands kongruent zu dieser positiven emotionalen Befindlichkeit ebenfalls positiv und damit milder (nachsichtiger) ausfällt. Auf Basis dieses Effekts lässt sich eine infolge der durch Humor ausgelösten Befreiung positive (da stimmungskongruente) Beurteilung der Service-Situation vermuten, welche sich schließlich, basierend auf Erkenntnissen aus der Service-Forschung, positiv auf die Beurteilung des Service-Anbieters auswirken sollte. Das Zusammenspiel aus Befreiungstheorie, Rosarote-Brille-Effekt und grundlegenden Erkenntnissen aus der Service-Forschung also ermöglicht vorliegend das Abbilden des zu testenden Wirkmechanismus von Humor im Rahmen der Service-Recovery. In einem nächsten Schritt ist es von Interesse, dass in der Service-Praxis Fehler unterschiedlichen Schweregrads auftreten können. Um auch theoretische Annahmen dahingehend zu treffen, wie sich ein unterschiedlicher Schweregrad aufgetretener Service-Fehler auf die postulierte befreiende Wirkung von Humor auswirken und damit auch den Wirkmechanismus in seiner Gesamtheit beeinflussen kann, stellt vorliegende Arbeit auf die Benign Violation Theory (vgl. z. B. McGraw und Warren 2010; Warren und McGraw 2016a) ab. Basierend auf dieser Theorie wird vermutet, dass die befreiende Wirkung von Humor mit
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steigendem Schweregrad der Service-Fehler-Situation abnimmt. Grund für diese Vermutung ist die Annahme, dass eine Verletzungshandlung (welche eine von zwei notwendigen Voraussetzungen darstellt, damit ein humorvoller Stimulus eine positive Wirkung entfalten kann) dann eher als harmlos erscheint (hierbei handelt es sich um die zweite notwendige Voraussetzung), wenn sich die Verletzung milder (vs. schwerwiegender) gestaltet. Da sich eine Verletzung über die Abweichung des tatsächlichen Zustands (vorliegend der Service-Fehler-Situation) von dem eigentlich zu erwartenden Zustand (vorliegend der reibungslose Ablauf des Service) definiert, kommt ein schwerwiegender Service-Fehler einer schwerwiegenden Verletzung gleich. Eine schwerwiegende Verletzung aber kann, gemäß den Erkenntnissen dieser Theorie, nur schwerer als harmlos gesehen werden als eine milde Verletzung, und Humor hierbei somit auch weniger positive Emotionen erzeugen. Mit den auf Basis dieser umfassenden Erkenntnisse abgeleiteten Hypothesen 1 und 2 werden zunächst zentrale Annahmen hinsichtlich des Wirkmechanismus, der dem Einsatz von Humor in einem Service-Fehler-Kontext zugrunde liegt, formuliert. Hypothese 1 postuliert einen positiven indirekten Effekt von Humor auf die Einstellung zum Service-Anbieter via wahrgenommene Befreiung und gesteigerter Nachsicht. Hypothese 2 geht zusätzlich davon aus, dass hierbei der Einfluss von Humor auf die Befreiung mit steigendem Schweregrad der FehlerSituation abnimmt. Während die Hypothesen 1 und 2 die Wirkung von Humor zunächst grundsätzlich betrachten und damit im Vergleich zu einer neutralen Baseline untersuchen, fokussiert Hypothese 3 schließlich auf einen anderen Vergleich: Sie untersucht die identifizierte Wirkung von Humor im Vergleich zu einer Entschuldigung bzw. ökonomischen Kompensation, um letztlich die Effektivität des Einsatzes von Humor im Rahmen der Recovery beurteilen zu können. Dabei geht sie davon aus, dass Humor beiden genannten Maßnahmen mit Blick auf den in Hypothese 1 postulierten indirekten Effekt überlegen ist. Diese Vermutung wurde wie folgt begründet: Die Befreiungstheorie bildet ein starkes theoretisches Fundament, auf das die postulierte befreiende Wirkung von Humor gestützt werden kann. Entschuldigung und Entschädigung hingegen sind in der Forschung bislang hauptsächlich in Bezug auf kognitive Dimensionen (insb. Gerechtigkeit) untersucht worden (vgl. z. B. Wirtz und Mattila 2004). Zwar finden sich auch Untersuchungen zu affektiven Wirkungen dieser Maßnahmen (vgl. z. B. Vázquez-Casielles et al. 2012). In deren Mittelpunkt steht dann aber meist die Reduktion bestehender negativer Emotionen, was jedoch nicht dem vorliegend vertretenen Verständnis einer Befreiung entspricht. Die Befreiung wird als positive emotionale Befindlichkeit charakterisiert und grenzt sich damit von einer
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reinen Emotionsregulation ab. Ein theoretisches Fundament, das auch Entschuldigung und ökonomischer Kompensation eine solche zu Humor vergleichbare positive emotionale Wirkung zuschreiben würde, kann auf Basis der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht nachgewiesen werden. Eine Bestätigung von Hypothese 3 würde bedeuten, dass Humor als vielversprechende Alternative zu klassischen Maßnahmen der Service-Recovery eingesetzt werden könnte, was nicht nur das Repertoire an Recovery-Maßnahmen für Service-Anbieter erweitern, sondern auch mit ökonomischen Vorteilen für diese einhergehen würde, sofern Humor das Anbieten einer ökonomischen Kompensation adäquat ersetzen kann. Hypothese 3 trägt damit der praktischen Relevanz der vorliegenden Arbeit Rechnung. Tabelle 5.1 gibt einen Überblick über die drei Hypothesen der vorliegenden Arbeit. Tab. 5.1 Überblick über die Hypothesen der vorliegenden Arbeit Hypothesen H1
Der Einsatz von Humor (vs. einer neutralen Aussage) durch das Service-Personal beeinflusst die Einstellung zum Service-Anbieter positiv über die wahrgenommene Befreiung der Konsumenten und die daraus resultierende gesteigerte Nachsichtigkeit bei der Beurteilung der Service-Fehler-Situation.
H2
Der Einsatz von Humor (vs. einer neutralen Aussage) durch das Service-Personal beeinflusst die Einstellung zum Service-Anbieter positiv über die wahrgenommene Befreiung der Konsumenten und die daraus resultierende gesteigerte Nachsichtigkeit bei der Beurteilung der Service-Fehler-Situation. Die Beziehung zwischen Humor (vs. einer neutralen Aussage) und der wahrgenommenen Befreiung wird durch die Schwere der Service-Fehler-Situation moderiert: Die wahrgenommene Befreiung ist stärker, wenn der Schweregrad der Situation gering (vs. moderat vs. hoch) ausgeprägt ist.
H3
Der Einsatz von Humor (vs. einer Entschuldigung bzw. vs. einer ökonomischen Entschädigung) durch das Service-Personal beeinflusst die Einstellung zum Service-Anbieter positiv über die wahrgenommene Befreiung der Konsumenten und die daraus resultierende gesteigerte Nachsichtigkeit bei der Beurteilung der Service-Fehler-Situation.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird also ein zweiteiliges Vorgehen gewählt. Die Hypothesen 1 und 2 sind hierbei inhaltlich von Hypothese 3 abzugrenzen. Diese Zweiteilung ergibt sich aus der Tatsache, dass – mangels fundierter
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empirischer Erkenntnisse – nahezu kaum Informationen über den Wirkungsprozess von Humor vorliegen. Mit der Beleuchtung des psychologischen Prozesses, der infolge des Einsatzes von Humor im Rezipienten stattfindet (H1 und H2), leistet die vorliegende Arbeit in einem ersten Schritt wesentliche Beiträge für die Humorforschung: Die Befreiungstheorie wird vorliegend auf einen neuen Kontext übertragen und die bislang vermutete befreiende Wirkung von Humor in der interpersonellen Kommunikation (vgl. Meyer 2000, S. 312; Meyer 2015, S. 15) im Kontext von Service-Fehlern empirisch überprüft. Auch die Benign Violation Theory wird mit der interpersonellen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument infolge von Service-Fehlern auf einen neuen Gegenstandsbereich angewandt. Die vorliegende Arbeit trägt damit einerseits dazu bei, den Anwendungsbereich zweier zentraler Theorien der Humorforschung zu erweitern. Gleichzeitig wird mit dem Rosarote-Brille-Effekt ein psychologischer Effekt in das betrachtete Wirkungsmodell integriert, indem auf Basis dieses Effekts potentielle Auswirkungen einer durch Humor induzierten Befreiung abgebildet werden. Weiterhin erhebt die vorliegende Arbeit den Anspruch, auch einen Beitrag für die Service-Praxis zu leisten. Nachdem in einem ersten Schritt der Wirkungsprozess von Humor identifiziert und abgebildet worden ist, ist es möglich und notwendig, diesen in einem zweiten Schritt mit der Wirkung klassischer Maßnahmen der Service-Recovery zu vergleichen. Hypothese 3 fokussiert damit mehr die betriebswirtschaftliche Perspektive der vorliegenden Arbeit, da eine Eignung von Humor als Recovery-Instrument mit erheblichen Kosteneinsparungen für ServiceAnbieter einhergehen kann. Anders nämlich als eine ökonomische Kompensation ist der Einsatz von Humor nicht mit Kosten für den Service-Anbieter verbunden. Zur Überprüfung der Hypothesen wurden drei empirische Untersuchungen durchgeführt, die im nachfolgenden Kapitel 6 vorgestellt werden.
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Empirische Untersuchungen
6.1
Methodischer Ansatz zur Erfassung der befreienden Wirkung von Humor in der persönlichen Kommunikation zwischen Service-Anbieter und Konsument
Im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit wurde ausführlich diskutiert, dass Humor, basierend auf der Befreiungstheorie, die Fähigkeit zugesprochen wird, innere Anspannungen zu lösen, d. h., eine befreiende Wirkung beim Rezipienten zu entfalten (s. Abschnitt 3.1.2). Das in dieser Arbeit zugrunde gelegte Begriffsverständnis charakterisiert die Befreiung über die Beendigung eines unangenehmen Zustandes durch das Entweichen angestauter Aktivierung (Shurcliff 1968, S. 360). Diese stellt eine Transformation eines negativen in einen positiven emotionalen Zustand dar, sodass die Befreiung als positive emotionale Befindlichkeit definiert wird (s. Abschnitt 3.1.2.3). Eine Aufarbeitung wissenschaftlicher Literatur zu dieser Thematik hat gezeigt, dass das Auftreten einer durch Humor induzierten befreienden Wirkung in unterschiedlichen Kontexten untersucht wird, es jedoch gleichzeitig an einem einheitlich definierten Begriffsverständnis der „Befreiung“ fehlt. Dies geht mit Inkonsistenzen auch bei der Messung des Konstrukts einher. Die im Rahmen von Untersuchungen gewählten Messmethoden sind hierbei vielfältig und durchaus kritisch zu beurteilen.
Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/ 978-3-658-31474-3_6.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kobel, Humorvolle Kommunikation bei Serviceversagen, Forschungsgruppe Konsum und Verhalten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31474-3_6
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Empirische Untersuchungen
Teilweise (z. B. Baron und Ball 1974) wurde die Befreiung durch den Einsatz von Humor über die Dauer an elektrischen Schocks erfasst, die Versuchspersonen, welche vorab von einem Versuchsleiter bewusst verärgert wurden, genau diesem Versuchsleiter zufügen konnten. Ihnen stand hierfür ein Instrument mit zehn Schaltern zur Verfügung, mit denen elektrische Schocks unterschiedlicher Intensität ausgelöst werden konnten (vgl. Baron und Ball 1974, S. 25)1 . Zwar handelt es sich bei diesem Instrument um einen Simulator; die Probanden aber wurden hierüber nicht informiert (vgl. Buss 1961, S. 307). Der Einsatz einer derartigen Messmethode scheint nicht nur ungeeignet, um die durch Humor induzierte befreiende Wirkung, wie sie im Rahmen dieser Arbeit verstanden wird, zu erfassen, da hierbei aus der Reduktion bestehender Aggressivität bei Individuen auf die Befreiung geschlossen wird. Ein solcher Ansatz stellt sich daneben auch vor dem Hintergrund ethischer Gesichtspunkte als problematisch dar, sodass eine Anwendbarkeit in heutigen Studien nicht gegeben ist. Andere Untersuchungen (z. B. Dworkin und Efran 1967; Szabo 2003) bedienen sich Vorher-Nachher-Messungen der Gefühlslage der Probanden. Bei diesen Messungen wird wiederholt dieselbe abhängige Variable bei denselben Versuchspersonen zu zwei verschiedenen Zeitpunkten (vor und nach Konfrontation mit dem humorvollen Stimulus) gemessen. Vorher-Nachher-Messungen gehen allerdings mit einigen Schwächen einher. Beispielsweise können Übertragungseffekte (sog. „Carry over-Effekte“) auftreten, wenn die zweite Messung noch durch die erste beeinflusst wird. Das Erfassen derselben Aspekte in kurzem Zeitabstand kann zu Ermüdungseffekten bei den Probanden führen, was in eine Verzerrung der Daten resultiert (vgl. Shadish, Cook und Campbell 2002, S. 109). Auch besteht bei Vorher-NachherMessungen in dem betrachteten Sinne (die Probanden würden zunächst verärgert, das Ausmaß an Verärgerung würde erfasst, sie würden dann mit einem humorvollen Stimulus konfrontiert und würden schließlich erneut die bereits eingesetzte Skala zur Messung der Verärgerung komplettieren) die Gefahr, dass die Probanden den Zweck der Studie durch das Design erkennen, was mit der Gefahr hypothesenkonformen beziehungsweise -konträren Antwortverhaltens und damit ebenfalls einer Verzerrung der Ergebnisse einhergehen kann. Vor diesem Hintergrund scheint eine Vorher-Nachher-Messung zur Erfassung der wahrgenommenen Befreiung problematisch. Hinzu kommt, dass die Befreiung in der vorliegenden Arbeit nicht als bloße Reduktion der Verärgerung, sondern als positive emotionale Befindlichkeit verstanden wird, was mit einer Vorher-Nachher-Messung des empfundenen Ärgers nicht vollständig abgebildet werden kann. 1 Bei
dem eingesetzten Instrumentarium handelt es sich um eine sog. modifizierte „Buss aggression machine“. Für eine ausführliche Beschreibung kann u. a. auf Baron (1971, S. 517) verwiesen werden.
6.1 Methodischer Ansatz zur Erfassung der befreienden Wirkung …
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In diesem Zusammenhang sei neben den dargestellten Gründen, die die genannten Messmethoden für die vorliegende Arbeit als unbrauchbar klassifizieren, nochmals2 auf ein Problem vieler auf der Befreiungstheorie nach Freud (1905, 1960) basierenden Untersuchungen verwiesen: Diese (z. B. Landy und Mettee 1969, S. 69f) nutzen solche wie die dargestellten Messungen der aggressiven Verhaltenstendenzen der Probanden (etwa Reduktion aggressiver Tendenzen gegenüber einem Aggressor nach Konfrontation mit Humor), um daraus implizit auf eine durch Humor induzierte Befreiung zu schließen. Dies bedeutet aber, dass diese Messungen nicht die Befreiung als solche erfassen, sondern aufgrund der eingetretenen Wirkung hinsichtlich der aggressiven Verhaltenstendenzen eine Befreiung nur vermuten. Wiederum andere Studien im Rahmen der Humorforschung bedienen sich des Einsatzes verbaler Skalen, die die durch Humor induzierte Befreiung mittels klar formulierter Statements erfassen. So betrachten z. B. Campbell et al. (2008), inwiefern der Einsatz von Humor in Konfliktgesprächen die wahrgenommene Lösung des Problems beeinflusst. De Koning und Weiss (2002, S. 8; S. 17f) betrachten (u. a.) die Intensität (i. S. d. Häufigkeit) der Nutzung solchen Humors durch den Partner, der zur Auflösung von Spannungen während Konfliktgesprächen (z. B. „Mein Partner nutzt Humor, um die Spannung zu lösen, wenn wir streiten.“), zur Beruhigung der Situation (z. B. „Wenn ich aufgewühlt bin, versucht mein Partner, meine Gefühlslage durch den Einsatz von Humor zu beruhigen.“) oder zum Erzeugen einer positiven emotionalen Befindlichkeit (z. B. „Wenn mein Partner böse auf mich ist, kann ich seine Stimmung üblicherweise dadurch ändern, dass ich ihn zum Lachen bringe.“)3 dient. Die eingesetzten Items, die die potentiell befreiende Wirkung von Humor in Konfliktgesprächen zwischen Ehepartnern abbilden sollen, leiten die Autoren auf Basis der einschlägigen Literatur zu dieser Thematik ab (vgl. De Koning und Weiss 2002, S. 3). Zwar weicht die in der Studie eingenommene Perspektive von der Perspektive ab, die im Rahmen dieser Arbeit eingenommen wird, da vorliegend nicht die Intensität der Nutzung einer Humorart durch den Interaktionspartner, sondern das daraus resultierende Ausmaß an empfundener Befreiung interessiert. Dennoch kann die Studie als Vorlage dienen, um literaturbasiert eine verbale Skala zu entwickeln, die geeignet ist, die befreiende Wirkung abzubilden, die eine humorvolle Aussage des Service-Personals in einem Service-Fehler-Kontext auf den Rezipienten des Humors entfaltet. Die Befreiung soll in Anlehnung an das in Abschnitt 3.1.2.3 2 Eine
erste Diskussion der verwendeten Messmethoden wurde in Abschnitt 3.1.2.1 im Rahmen der Darstellung der entsprechenden Untersuchungen vorgenommen. 3 Eigene Übersetzungen der Originalstatements.
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Empirische Untersuchungen
dargelegte Begriffsverständnis gemessen werden. Eine Vorstellung der entwickelten Skala sowie eine Überprüfung ihrer Geeignetheit zur Messung des Konstrukts wird in Pretest 2a (s. Abschnitt 6.3.2) vorgenommen.
6.2
Überblick über die durchgeführten empirischen Untersuchungen
Im Rahmen dieser Arbeit wurden insgesamt drei empirische Untersuchungen durchgeführt, um die abgeleiteten Hypothesen zu testen. Alle Untersuchungen verwenden hierbei experimentelle Designs. Wie bereits dargelegt, wird unter einem Experiment ein „systematischer Beobachtungsvorgang“ verstanden, auf Basis dessen „das interessierende Phänomen [planmäßig] erzeugt und variiert wird“ (Sarris 1992, S. 129) (Manipulation einer oder mehrerer unabhängiger Variablen). Es werden gesetzmäßige Abhängigkeitsbeziehungen, also die Beziehung zwischen bestimmten Bedingungen und daraus resultierenden Ereignissen, untersucht (vgl. Spilski, Gröppel-Klein und Gierl 2018, S. 59f). Störfaktoren systematischer sowie unsystematischer Natur sollen weitestgehend eliminiert bzw. kontrolliert werden (vgl. Sarris und Reiß 2005, S. 30). Experimente sind somit dazu geeignet, den Einfluss eines humorvollen (vs. neutralen) Stimulus (bzw. vs. Entschuldigung und ökonomische Kompensation) auf nachgelagerte Variablen zu untersuchen und sind daher in der vorliegenden Arbeit einzusetzen. Mit Blick auf die methodische Vorgehensweise sind die drei Experimente identisch aufgebaut. Den Probanden wurde zunächst eine Vignette präsentiert, die beabsichtigte, Verärgerung zu erzeugen. Vignetten sind kurze, textuelle Beschreibungen von Personen, hypothetischen Situationen oder Ereignissen, in denen spezifische Aspekte, die aus Sicht des Forschers wesentlich sind, skizziert werden und die anschließend Handlungen oder Beurteilungen seitens der Probanden verlangen (vgl. GrØnhØj und Bech-Larsen 2010, S. 445). Es wurde stets eine Situation in einem Restaurant skizziert, in die sich die Teilnehmer hineinversetzen sollten. Am Ende der Vignette wurde den Teilnehmern eine humorvolle bzw. eine neutrale Aussage des Service-Personals präsentiert (Studien 1 und 2), welches die unabhängige Variable darstellt (Humorgehalt der Aussage: neutral vs. humorvoll). In Studie 3 wurden die Probanden am Ende der Vignette mit einer humorvollen Aussage, einer Entschuldigung oder dem Angebot einer ökonomischen Kompensation durch das Service-Personal konfrontiert, welches hier die unabhängige Variable darstellt (Art der Recovery: Humor vs. Entschuldigung vs. ökonomische Kompensation). Im Anschluss an die Vignette wurden die interessierenden Konstrukte (wahrgenommene Befreiung, Nachsicht, Einstellung zum Restaurant) sowie weitere studienrelevante
6.2 Überblick über die durchgeführten empirischen Untersuchungen
101
Variablen erfasst. Anhang 1 zeigt exemplarisch den in Studie 1 eingesetzte Fragebogen. In Studie 3 wurden zusätzlich Verhaltensintentionen (Bereitschaft zur zweiten Chance, Mund-zu-Mund-Kommunikation) gemessen. Die drei durchgeführten Untersuchungen bauen wie folgt aufeinander auf: • In Studie 1 wird überprüft, ob der in Hypothese 1 postulierte Wirkmechanismus von Humor empirisch nachgewiesen werden kann. Es wird untersucht, ob Humor die Einstellung zum Service-Anbieter positiv über die ausgelöste Befreiung und die daraus resultierende gesteigerte Nachsichtigkeit bei der Beurteilung der Situation beeinflussen kann. Da Studie 1 diesen Wirkmechanismus erstmals untersucht, um die grundlegende Wirkung von Humor in diesem Kontext abzubilden, dient zunächst eine neutrale Baseline als Vergleichsgröße. • Studie 2 zielt auf die Analyse des Einflusses der Schwere der Service-FehlerSituation auf die Beziehung zwischen Humor (vs. neutraler Aussage) und ausgelöster Befreiung in dem zuvor überprüften Wirkmodell. Während der Kern der eingesetzten Vignette identisch bleibt, ermöglicht eine systematische Variation einzelner inhaltlicher Aspekte eine Manipulation des Schweregrads der Service-Fehler-Situation, sodass deren potentiell moderierende Wirkung im Rahmen des Mediationsmodells, das in Hypothese 2 abgebildet wird, überprüft werden kann. Durch die Erweiterung des zugrundeliegenden Wirkungsmodells durch diesen potentiellen Moderator trägt Studie 2 insgesamt zu einem weiteren Erkenntnisgewinn im Hinblick auf den Wirkmechanismus von Humor in Service-Fehler-Situationen bei. • Studie 3 schließlich erweitert die überwiegend psychologische Perspektive auf die Wirkung von Humor in Service-Fehler-Situationen um eine betriebswirtschaftliche Sicht. Statt der Analyse des Wirkmechanismus von Humor als solchem zielt Studie 3 darauf ab, Humor hinsichtlich seiner Effektivität zur Beeinflussung der Einstellung (via Befreiung und Nachsicht) mit einer klassischen Entschuldigung sowie dem Angebot einer ökonomischen Kompensation zu vergleichen. Darüber hinaus werden in Studie 3 mit der Bereitschaft der Konsumenten, dem Service-Anbieter eine zweite Chance zu gewähren, sowie der Mund-zu-MundKommunikation zwei Variablen berücksichtigt, die es erlauben, den Einfluss von Humor (vs. Entschuldigung und vs. ökonomische Kompensation) auf Verhaltensintentionen der Konsumenten zu beurteilen. Tabelle 6.1 gibt einen Überblick über die durchgeführten empirischen Untersuchungen.
102
6
Empirische Untersuchungen
Tab. 6.1 Überblick über die durchgeführten Untersuchungen Untersuchungsinhalte: Studie 1 Überprüfung der befreienden Wirkung von Humor in einem Service-Fehler-Kontext, Überprüfung des Einflusses einer durch Humor induzierten Befreiung auf die Nachsicht der Konsumenten und darüber auf die Einstellung zum Service-Anbieter
Stichprobe
Pretest 1
Überprüfung des durch die Vignette ausgelösten Grads an Verärgerung
n = 50
Pretest 2
Überprüfung der Geeignetheit der Skala zur Messung der wahrgenommenen Befreiung Überprüfung der Geeignetheit des Einsatzes selbst-herabwürdigenden Humors
n = 50
Pretest 3
a. Überprüfung der Witzigkeit der humorvollen (vs. neutralen) Aussage b. Überprüfung der Neutralität der neutralen Aussage
n = 30 n = 24
Pretest 4
Überprüfung der Verständlichkeit der humorvollen Aussage
n = 24
Haupttest
H1: Befreiende Wirkung einer humorvollen (vs. neutralen) Aussage durch das Service-Personal bei den Konsumenten, deren Wirkung auf die Nachsicht der Konsumenten bei der Beurteilung der Service-Fehler-Situation sowie wiederum deren Wirkung auf die Einstellung zum Service-Anbieter
n = 169
Untersuchungsinhalte: Studie 2 Überprüfung der moderierenden Wirkung der Schwere der Service-Fehler-Situation
Stichprobe
Pretest 5
Überprüfung des durch die Vignetten ausgelösten Grads an Verärgerung
n = 173
Haupttest
H2: Moderierender Einfluss der Schwere der n = 308 Service-Fehler-Situation auf die befreiende (n = 201) Wirkung einer humorvollen (vs. neutralen) Aussage durch das Service-Personal bei den Konsumenten, Wirkung der wahrgenommenen Befreiung auf die Nachsicht der Konsumenten bei der Beurteilung der Service-Fehler-Situation sowie wiederum deren Wirkung auf die Einstellung zum Service-Anbieter (Fortsetzung)
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
103
Tab. 6.1 (Fortsetzung) Untersuchungsinhalte: Studie 3 Stichprobe Überprüfung der Wirkung von Humor versus klassische Maßnahmen der Service-Recovery (Entschuldigung, ökonomische Kompensation) Pretest 6
Überprüfung der wahrgenommenen Ehrlichkeit der Entschuldigung
n = 19
Pretest 7
Überprüfung der wahrgenommenen Angemessenheit der Kompensation
n = 18
Haupttest
H3: Befreiende Wirkung von Humor (vs. Entschuldigung beziehungsweise vs. ökonomische Kompensation), deren Wirkung auf die Nachsicht der Konsumenten bei der Beurteilung der Service-Fehler-Situation sowie wiederum deren Wirkung auf die Einstellung zum Service-Anbieter
n = 260
6.3
Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung zum Service-Anbieter via wahrgenommene Befreiung und Nachsicht der Konsumenten
6.3.1
Zielsetzung von Studie 1
Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, in einem ersten Schritt den grundlegenden Wirkmechanismus von Humor im Kontext fehlerhafter Service-Begegnungen aufzudecken. Damit sollen erste, fundamentale Erkenntnisse zur Wirkungsweise von Humor in diesem Zusammenhang gewonnen werden. • In Studie 1 soll hierbei zunächst grundlegend überprüft werden, ob Humor auch bei auftretenden Service-Fehlern die befreiende Wirkung entfalten kann, die ihm im Rahmen der Befreiungstheorie zugesprochen wird. Dieser grundlegende Zusammenhang ist im ersten Teil von Hypothese 1 abgebildet. • Darüber hinaus ist es Ziel von Studie 1, die Wirkung einer durch Humor ausgelösten Befreiung bei den Konsumenten auf weitere Beurteilungsdimensionen zu untersuchen, um den psychologischen Wirkmechanismus einer humorvollen Aussage weiter beleuchten zu können. Hypothese 1 postuliert, dass Humor, verglichen mit einer neutralen Aussage, die Einstellung zum Service-Anbieter positiv via wahrgenommene Befreiung und einer daraus resultierenden gesteigerten Nachsicht bei den Konsumenten beeinflusst.
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6
Empirische Untersuchungen
Studie 1 liegt ein einfaktorielles Zwischensubjekt-Design zugrunde, in welchem die beiden Faktorstufen des Experimentalfaktors Humorgehalt der Aussage (neutrale Aussage vs. humorvolle Aussage) hinsichtlich ihrer Wirkung verglichen werden sollen.
6.3.2
Stimulusmaterial
Als Stimulusmaterial in Studie 1 wurden Vignetten eingesetzt, in deren Rahmen der Humorgehalt der Aussage des Service-Personals systematisch manipuliert wurde (neutral vs. humorvoll). Wie bereits skizziert, wurde eine Situation in einem nicht näher spezifizierten Restaurant beschrieben, in welche sich die Probanden beim Lesen hineinversetzen sollten. Der Restaurant-Kontext wurde deshalb gewählt, da zu vermuten ist, dass es sich hierbei um einen realitätsnahen, den Konsumenten vertrauten Kontext handelt (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2019). Das Untersuchen der Fragestellungen in einem realen Servicekontext würde zu viele nicht kontrollierbare Störeinflüsse beinhalten, was die interne Validität der Studie, also die „Eindeutigkeit, mit der ein Untersuchungsgegenstand inhaltlich auf die Hypothese bezogen werden kann“ (Bortz und Döring 2006, S. 3), gefährden würde. Gerade die interne Validität ist bei der Analyse erster grundlegender Zusammenhänge jedoch von höchstem Interesse. Die Vignettentechnik stellt daher eine geeignete Methode dar, die gerade bei empirischen Untersuchungen im Service-Kontext häufig Einsatz findet (vgl. z. B. Smith et al. (1999) im Bereich Hotel und Restaurant, Mattila (2001; 2004), Mattila und Ro (2008) sowie Kim und Lee (2012) im Restaurant-Kontext; Strizhakova, Tsarenko und Ruth (2012) im Bereich Reparatur und Hotel). Die eingesetzte Vignette skizziert eine Verkettung von Service-Fehlern mit dem Ziel, dass ein Hineinversetzen in die Situation bei den Probanden ein gewisses Maß an Ärger hervorruft. Dies war notwendig, um die in Hypothese 1 postulierte befreiende Wirkung einer humorvollen (vs. neutralen) Aussage im Rahmen des Experiments zu untersuchen, da Service-Fehler (sofern die Schuld für deren Auftreten dem Anbieter zugeschrieben wird, vgl. z. B. Roseman 1991, S. 182; Bonifield und Cole 2007, S. 87) Ärger bei Konsumenten erzeugen. Die Vignette gestaltete sich wie folgt (Tabelle 6.2): Die Probanden wurden gebeten, sich die Situation aufmerksam durchzulesen und sich in diese hineinzuversetzen. Mit dem Verlust der aufgegebenen Bestellung sowie dem Nichtmehrvorhandensein des bestellten Gerichts wurden, in Anlehnung an das von Mattila und Ro (2008, S. 103) verwendete Szenario, klassische Service-Fehler (vgl. z. B. Hoffman, Kelley und Rotalsky 1995, S. 53; Smith et al.
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
105
Tab. 6.2 Eingesetztes Stimulusmaterial in Studie 1 (Vignette) Es ist Donnerstagvormittag und Sie versinken in Arbwc .eit. Umso mehr freuen Sie sich darauf, Ihre einstündige Mittagspause mit einem Freund beim Mittagstisch zu verbringen. Sie treffen sich in einem Lokal in der Innenstadt, bestellen dort Ihre Getränke und das Tagesessen und unterhalten sich. Doch selbst nach 30 Minuten, als Ihre Getränke längst ausgetrunken sind, lässt Ihr Essen auf sich warten, während zahlreiche Kellner ständig mit Essen für die anderen Tische an Ihnen vorbeigehen. Auf Ihr Handzeichen hin vertröstet man Sie damit, dass Sie bitte einen Augenblick warten müssten. In Anbetracht der Uhrzeit werden Sie langsam sehr unruhig. Als Ihre Bedienung dann endlich zu Ihnen an den Tisch kommt, ereignet sich folgendes Gespräch: Kellnerin:
Darf ich Ihnen vielleicht noch etwas zu trinken bringen?
Sie:
Nein, aber unser Essen! Wir warten schon eine halbe Ewigkeit. Und das in der Mittagszeit, wo man es doch ohnehin schon etwas eilig hat!
(Die Kellnerin entschuldigt sich kurz und geht in die Küche, um nach dem bestellten Essen zu fragen. Nach kurzer Zeit kommt sie wieder zurück). Kellnerin:
Da ist wohl ein Fehler passiert, Ihre Bestellung scheint irgendwie verloren gegangen zu sein. Ich müsste dann nochmals eine neue Bestellung aufnehmen… was hatten Sie denn gewählt?
Sie:
Zweimal das Tagesessen. Ich hoffe, das Warten lohnt sich wenigstens…
Kellnerin:
Oh, da muss ich Sie enttäuschen, das Tagesessen ist mittlerweile leider aus. Sie müssten bitte etwas von der regulären Speisekarte wählen. Aber schauen Sie in Ruhe, Sie müssen sich ohnehin noch gedulden, da die Küche vorher noch die größere Bestellung vom Nachbartisch bearbeitet, die ich gerade aufgenommen habe. Danach ist Ihr Essen an der Reihe.
1999, S. 370) in das Szenario der vorliegenden Untersuchung integriert. Zusätzlich wurden die Konsumenten damit konfrontiert, dass eine gerade aufgenommene Bestellung des größeren Nachbartischs zuerst bearbeitet wird (vgl. Mattila und Patterson 2004, S. 339), was für den Konsumenten mit einer längeren Wartezeit verbunden ist, während die Mittagspause ohnehin schon fortgeschritten ist. Die Auswahl eines Gerichts von der regulären Speisekarte geht zudem, wenn auch nicht explizit thematisiert, mit höheren Kosten für den Konsumenten einher, da Gerichte von der Mittagskarte gemeinhin zu einem günstigeren Preis angeboten werden als die Gerichte der regulären Speisekarte. Die Manipulation der unabhängigen Variable Humorgehalt der Aussage (neutral vs. humorvoll) sollte am Ende der Vignette erfolgen. In der neutralen Bedingung endete die Situation mit folgender Aussage der Kellnerin: „Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie etwas Neues ausgewählt haben.“ In der humorvollen Bedingung hingegen endete die Vignette mit folgender Aussage der Kellnerin:
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6
Empirische Untersuchungen
„Wenn Sie etwas Neues aus der Karte auswählen: Schnecken sind leider auch aus. Die mussten heute alle zum Arbeiten einspringen, wie Sie ja schon gemerkt haben.“ (lacht) Im Vorfeld zu Studie 1 wurden mehrere Pretests durchgeführt, um das Stimulusmaterial auf seine Eignung für den Einsatz in Studie 1 zu überprüfen. Pretest 1: Überprüfung des durch die Vignette ausgelösten Grads an Verärgerung Pretest 1 wurde zur Überprüfung durchgeführt, ob die geschilderte Vignette tatsächlich, wie beabsichtigt, Verärgerung bei den Probanden auslöst. 50 Studierende an der Universität des Saarlandes (66,0% weiblich, M Alter = 24,35 Jahre, SD = 3,133) wurden gebeten, die Vignette in der in Tabelle 6.2 dargestellten Form zu lesen, sich in die Situation hineinzuversetzen und anschließend anzugeben, wie stark sie eine Reihe von Emotionen beim Hineinversetzen in die Situation empfunden haben (siebenstufige Rating-Skala, 1 = überhaupt nicht bis 7 = sehr stark). Die Items zur Emotionsmessung stammen aus der Skala von Holbrook und Batra (1987, S. 411) zur Operationalisierung der übergeordneten Dimension „Ärger“ (Anger)4 . Dabei wurden die gewählten Items wie folgt übersetzt: verärgert (angry), genervt (irritated), wütend (enraged) und gereizt (mad). Im Anschluss an die durchgeführte Hauptkomponentenanalyse5 (s. Anhang 2) wurde auf Basis der extrahierten Faktoren ein ungewichteter additiver Index über die auf einen Faktor ladenden Items verärgert, genervt, wütend und gereizt gebildet, indem das arithmetische Mittel errechnet (Cronbach’s α = 0,917) und als Indexvariable „Ärger“ in die Berechnung einbezogen wurde. Das Ergebnis eines durchgeführten Einstichproben-t-Tests6 offenbart, dass der Mittelwert des ausgelösten Ärgers (M Ärger = 5,3650, SD = 1,4108) sich signifikant vom Skalenmittelwert 4 unterscheidet (t(49) = 6,842, p < 0,001). Die Vignette erzeugt damit Ärger bei den Probanden und kann folglich als Stimulusmaterial in Studie 1 verwendet werden.
4 Zusätzlich
wurden auch positive Emotionen gemessen, die der übergeordneten Dimension „Freude“ (Joy) entstammen (vgl. Holbrook und Batra 1987, S. 411). Diese dienen der Ablenkung vom Zweck der Untersuchung und finden bei der Auswertung keine weitere Beachtung. 5 Das Faktorextraktionsverfahren der Hauptkomponentenanalyse basiert auf der Annahme, dass die zu extrahierenden Faktoren die gesamte Varianz einer Ausgangsvariablen erklären können (vgl. Backhaus et al. 2018, S. 392). 6 Der Einstichproben-t-Test überprüft, ob der gewonnene Mittelwert sich von einem vorgegebenen Testwert (hier dem Skalenmittelwert 4) unterscheidet (vgl. Bühl 2016, S. 355).
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
107
Im Anschluss an die Überprüfung der Eignung der Vignette wurde die Skala zur Messung der Befreiung sowie die Manipulation der unabhängigen Variablen mit Hilfe von insgesamt fünf weiteren Pretests überprüft, die nachfolgend dargestellt werden. Pretest 2a: Überprüfung der Geeignetheit der Skala zur Messung der wahrgenommenen Befreiung Um empirisch überprüfen zu können, inwiefern vom Gesprächspartner eingesetzter Humor in eine wahrgenommene Befreiung beim Rezipienten resultiert, wurden nachfolgende Items zur Messung der wahrgenommenen Befreiung formuliert: (1) „Die Äußerung hat die Situation entspannt“, (2) „Ich habe diese Aussage der Kellnerin als befreiend empfunden“, (3) „Die Äußerung hat die Stimmung aufgelockert“, (4) „Die Äußerung hat die Situation entschärft“ und (5) „Die Äußerung hat die Stimmung verbessert“. Diese wurden in Anlehnung an die theoretischen Ausführungen zur Befreiungstheorie (s. Abschnitt 3.1.2) sowie insbesondere in Anlehnung an das in Abschnitt 3.1.2.3 zugrunde gelegte Begriffsverständnis, das dem Grundgedanken aus der wissenschaftlichen Literatur zur befreienden Wirkung von Humor in der interpersonellen Kommunikation (vgl. z. B. Lynch 2002, S. 431f; Meyer 2000, S. 312; Meyer 2015, S. 15) Rechnung trägt, entwickelt. Um zu überprüfen, ob diese Items zur Messung einer möglichen befreienden Wirkung von Humor herangezogen werden können, wurde ein Pretest mit 50 Studierenden der Universität des Saarlandes (62,0% weiblich, M Alter = 22,06 Jahre, SD = 2,427) durchgeführt. Den Probanden wurde zufallsbedingt die Vignette mit entweder der neutralen (n = 24) oder der humorvollen (n = 26) Aussage des Service-Personals am Ende vorgelegt. Sie wurden gebeten, sich die Vignette durchzulesen und sich in die geschilderte Situation hineinzuversetzen. Die Zustimmung der Probanden zu den entwickelten Items zur Messung der wahrgenommenen Befreiung durch die (neutrale respektive humorvolle) Aussage wurde mit Hilfe einer siebenstufigen Ratingskala (1 = stimme überhaupt nicht zu, 7 = stimme vollkommen zu) erfasst. Eine sodann durchgeführte Hauptkomponentenanalyse7 zeigt, dass alle fünf Items auf einen gemeinsamen Faktor laden, der insgesamt 84,793% an Varianz erklärt (Eigenwert = 4,240). Die Ergebnisse sind in Anhang 3 dargestellt. Die Gütekriterien der Hauptkomponentenanalyse können insgesamt als „ziemlich gut“ bewertet werden (KMO-Kriterium = 0,829, 7 De
Koning und Weiss (2002, S. 6) bedienten sich ebenfalls dieser Methode, um die Dimensionalität und Geeignetheit ihrer auf Basis der Literatur entwickelten Skala zu überprüfen.
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6
Empirische Untersuchungen
MSA-Werte der Items ≥ 0,766, vgl. Backhaus et al. 2018, S. 379). Im Anschluss an die durchgeführte Hauptkomponentenanalyse wurde auf Basis des extrahierten Faktors ein ungewichteter additiver Index über die auf diesen Faktor ladenden Items gebildet, indem das arithmetische Mittel errechnet wurde (Cronbach’s α = 0,953). Auch weisen alle fünf Items signifikante Korrelationen mit einem ebenfalls im Rahmen der Vorstudie operationalisierten Außenkriterium zur wahrgenommenen Befreiung auf8 , was für die Geeignetheit der Items zur Messung der wahrgenommenen Befreiung spricht. Pretest 2b: Überprüfung der Geeignetheit von selbst-herabwürdigendem Humor Bei der Manipulation der humorvollen Äußerung fiel die Wahl auf die Verwendung von selbst-herabwürdigendem Humor durch die Kellnerin. Die theoretische Geeignetheit dieser Humorart im Kontext negativer Service-Begegnungen lässt sich wie folgt begründen: In Abschnitt 2.1.2 wurde die Klassifikation von HumorArten nach Martin et al. (2003) vorgestellt. Im Rahmen dieser Klassifikation werden die unterschiedlichen Arten von Humor nach zwei Dimensionen kategorisiert, sodass eine 2×2-Matrix mit insgesamt vier Humor-Arten entsteht. Während die Dimension der positiven Selbstdarstellung hierbei die intrapsychischen Funktionen von Humor betrifft, liegt der Fokus bei der Dimension der Verbesserung der Beziehung zu anderen auf den interpersonellen Funktionen von Humor (vgl. Martin et al. 2003, S. 52), welche damit die im Rahmen der vorliegenden Arbeit relevante Dimension darstellt. Innerhalb dieser Dimension wird Humor in der dyadischen Beziehung vor dem Hintergrund seiner Funktionen zur Steigerung des Wohlbefindens des Rezipienten, zur Reduzierung von Konflikten sowie zur allgemeinen Stärkung der Beziehung betrachtet; im Kontext von Gruppen betrachtet diese Dimension unter anderem die Wirkung von Humor hinsichtlich der Verbesserung des Gruppenzusammenhalts oder der Schaffung einer angenehmen Atmosphäre (vgl. Martin et al. 2003, S. 52). Im Hinblick auf die vorliegend interessierende Fragestellung bezüglich der Geeignetheit bestimmter Humorarten zur Auflösung von Spannungen beim Rezipienten des Humors ist damit auf die Wirkung selbst-herabwürdigenden und affiliativen Humors zu fokussieren. Gemäß der in der Literatur verbreiteten Klassifikation dieser Humor-Stile ist, wie bereits dargelegt, selbst-herabwürdigender Humor als negativer, affiliativer Humor hingegen als positiver Humor zu kategorisieren. In der Literatur wird 8 Außenkriterium:
„Alles in allem hat die Aussage der Kellnerin am Ende die Spannung aus der Situation genommen“ (r Situation_entspannt = 0,950, p < 0,001; r befreiend_empfunden = 0,718, p < 0,001; r Stimmung_aufgelockert = 0,942, p < 0,001; r Situation_entschärft = 0,802, p < 0,001; r Stimmung_verbessert = 0,888, p < 0,001).
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
109
davon ausgegangen, dass negativer Humor negativ mit dem persönlichen Wohlbefinden eines Individuums korreliert, positiver Humor hingegen positiv (vgl. Martin et al. 2003, S. 71). Anders als bei Martin et al. (2003) aber ist vorliegend nicht die Frage von Interesse, wie sich die Nutzung dieser Humor-Stile auf das Individuum selbst auswirkt (vgl. Bippus et al. 2012, S. 440), sondern vielmehr, ob die Nutzung dieser Humorarten beim Rezipienten des Humors die angestrebte befreiende Wirkung entfalten kann. Beiden Humorarten wird generell die Fähigkeit zugesprochen, eine befreiende Wirkung beim Rezipienten erzeugen zu können (vgl. Martin et al. 2003, S. 52; Chiew et al. 2019, S. 112). Affiliativer Humor entfaltet diese Funktion, indem durch lockere Späße interpersonelle Spannungen reduziert werden können (vgl. Lefcourt 2001, zitiert nach Martin et al. 2003, S. 53). Selbst-herabwürdigendem Humor wird, insbesondere in der milderen, sich selbst weniger schädigenden Form, die Fähigkeit zugesprochen, den Rezipienten in eine entspannte Stimmung zu versetzen (vgl. Martin et al. 2003, S. 53). Damit scheinen grundsätzlich beide Humorarten geeignet. Häufig sogar verschwimmen die Grenzen zwischen beiden Humorarten; insbesondere in einer milderen Selbstherabwürdigung kann auch eine Form des affiliativen Humors gesehen werden (vgl. Martin et al. 2003, S. 53). Selbst-herabwürdigender Humor aber kann durch den Bezug zum Selbst dazu genutzt werden, eigene Schwächen beziehungsweise Fehler humorvoll zu thematisieren, bevor andere bezüglich dieser Fehler Kritik üben (vgl. Ziv 1984, S. 62, zitiert nach Hay 2000, S. 725; Sharkey, Park und Kim 2004, S. 384). Hieraus kann die Vermutung abgeleitet werden, dass diese Art des Humors auch für das Service-Personal dazu dienen kann, die aufgetretenen Fehler auf eine humorvolle Art und Weise zu adressieren und den Konsumenten damit zu besänftigen. Dieser Vermutung scheinen die von Chiew et al. (2019, S. 121) gewonnenen Ergebnisse entgegenzustehen. Die Autoren können nur für auf andere, nicht aber für den auf das Selbst gerichteten Humor zeigen, dass der Einsatz dessen zu einer größeren Freude an der Interaktion führt, wenn die Stimmung der Probanden vor Konfrontation mit dem Humor schlecht (vs. gut) war. In Abschnitt 2.2.2.4 wurden bereits Probleme bei der Messung diskutiert, die dieses Ergebnis beeinflussen könnten. Daneben gestaltet sich eine generelle Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf den vorliegenden Kontext aber insbesondere aus folgendem Grund schwierig: Während die Autoren zwar die Wirkung von Humor in Abhängigkeit der zuvor bestehenden emotionalen Befindlichkeit analysieren, interessiert vorliegend das Potential von Humor, eine befreiende Wirkung von negativen Emotionen (Ärger) zu entfalten, die durch die Service-Fehler-Situation, in der sich der Kunde gerade befindet, entstanden sind. Interessant ist damit zwar die von den Autoren gewonnene Erkenntnis, dass Humor prinzipiell eine stärkere affektive
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6
Empirische Untersuchungen
Wirkung entfalten kann, wenn die emotionale Befindlichkeit der Konsumenten schlecht (vs. gut) ist. Dass dies jedoch nur für auf andere gerichteten Humor gelten soll, ist vorliegend in Zweifel zu ziehen. In dem vorliegend betrachteten Kontext nämlich könnte selbst-herabwürdigender Humor in der Kommunikation zwischen Service-Personal und Konsument, wie dargestellt, vielmehr gerade deshalb erfolgversprechend mit Blick auf die emotionale (befreiende) Wirkung sein, weil der Service-Anbieter (sofern er die Verantwortlichkeit für das Auftreten der Service-Fehler trägt) mit dieser Form des Humors die eigenen Fehler thematisiert. Im Kontext der Kommunikation zwischen Managern und Angestellten stellten Smith und Powell (1988, zitiert nach Martin et al. 2004, S. 209) ebenso fest, dass der Einsatz selbst-herabwürdigenden Humors durch Manager eine befreiende Wirkung bei den Angestellten entfalten kann. Auch eröffnet die Nutzung selbst-herabwürdigenden Humors Rednern die Möglichkeit, sich auf Augenhöhe mit ihren Rezipienten zu begeben und so bestehende Anspannungen zu lösen (vgl. Chapel 1978, zitiert nach Meyer 2000, S. 318). Dies spricht ebenfalls dafür, dass im selbst-herabwürdigenden Humor eine für die vorliegende Arbeit geeignete Humorart gesehen werden kann. Zusätzlich zu diesen theoretischen Ausführungen wurde die Geeignetheit des selbst-herabwürdigenden Humors mit Hilfe eines Pretests überprüft. Affiliativer sowie aggressiver Humor fungierten hierbei als Vergleichsgrößen. Bei den Teilnehmern handelt es sich um die Stichprobe aus Pretest 2a. Die 26 der 50 Probanden, die die Vignette in der humorvollen Bedingung lasen, wurden gebeten, im Anschluss an das Komplettieren der Skala zur Messung der wahrgenommenen Befreiung ihre Zustimmung zu nachfolgenden, in Anlehnung an eine Studie von Bippus (2007, S. 112f) formulierten Statements anzugeben, mit denen die Geeignetheit der gewählten Humorart überprüft werden soll (1 = stimme überhaupt nicht zu, 7 = stimme vollkommen zu): „Ich finde es gut, dass die Kellnerin einen Witz über sich selbst, also auf ihre eigenen Kosten macht.“ (selbstherabwürdigender Humor, M = 4,2400, SD = 1,9638), „Ich hätte es gut gefunden, wenn die Kellnerin einen Witz über den Kunden (statt über sich selbst) gemacht hätte.“ (aggressiver Humor, M = 1,3600, SD = 0,7572) und „Ich hätte es gut gefunden, wenn die Kellnerin einen Witz gemacht hätte, der nichts mit der Situation zu tun hat.“ (affiliativer Humor, M = 3,8800, SD = 1,9434). Durchgeführte paarweise Vergleiche zeigen, dass selbst-herabwürdigender Humor (p < 0,001) sowie affiliativer Humor (p < 0,001) aggressivem Humor signifikant überlegen sind, sich selbst jedoch nicht signifikant voneinander unterscheiden (p > 0,9). Die Ergebnisse der paarweisen Vergleiche sind in Anhang 4 dargestellt. Die 24 Probanden, die mit der Vignette in der neutralen Bedingung konfrontiert waren, wurden gebeten sich vorzustellen, die Kellnerin hätte am Ende der
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
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Situation anstatt der neutralen Aussage einen Scherz gemacht, um die Stimmung aufzulockern. Die Probanden sollten angeben, wie dieser Scherz ihrer Meinung nach gestaltet sein sollte, indem sie eine von drei humorvollen Äußerungen der Kellnerin wählen: (1) „Die Kellnerin sollte einen Witz über sich selbst, also auf ihre eigenen Kosten machen, z. B.: ‚Und wenn Sie etwas Neues aus der Karte auswählen: Schnecken sind leider auch aus, die mussten heute alle zum Arbeiten einspringen, wie Sie ja schon gemerkt haben.‘ (lacht)“ (selbst-herabwürdigender Humor), (2) „Die Kellnerin sollte einen Witz machen, der nichts mit der Situation zu tun hat, z. B.: ‚Falls Ihnen die Entscheidung schwerfallen sollte…wissen Sie, welches Gericht aus unserer Karte sehr beliebt und das Lieblingsessen von Models ist? Unser Lauf-Steak.‘ (lacht)“ (affiliativer Humor), (3) „Die Kellnerin sollte einen Witz über den Kunden machen, z. B.: ‚Und wenn Sie etwas Neues aus der Karte auswählen: Miesmuscheln sind leider auch aus, die sind heute alle bei uns zu Gast und wollen den schon ausverkauften Mittagstisch bestellen.‘ (lacht)“ (aggressiver Humor). Die Ergebnisse zeigen, dass sich 70,8% der Probanden für den selbst-herabwürdigenden Humor entscheiden. 29,2% der Probanden bevorzugen den affiliativen Humor, während der aggressive Humor von keinem der Probanden favorisiert wurde. Wenngleich der Mittelwert hinsichtlich der Beurteilung des selbst-herabwürdigenden Humors nur bei M = 4,2400 liegt, kann aufgrund der theoretischen Erörterungen in Abschnitt 2.1.2 und im Rahmen dieses Abschnitts sowie auf Basis der Ergebnisse dieser Auswahlfrage der selbstherabwürdigende Humor als geeignete Humorart im Rahmen der vorliegenden Untersuchung befunden werden. Pretest 3a: Überprüfung der Witzigkeit der humorvollen (vs. neutralen) Aussage Mit einem weiteren Pretest sollte sichergestellt werden, dass sich die Bedingungen (neutral vs. humorvoll) in ihrer wahrgenommenen Witzigkeit unterscheiden. Der gewählte Humor kann allerdings nur im Kontext der Vignette verstanden werden, die jedoch so gestaltet ist, dass sie Verärgerung bei den Konsumenten hervorruft. 30 Studierenden der Universität des Saarlandes (63,3% weiblich, M Alter = 23,03 Jahre, SD = 2,173) wurde daher eine stark verkürzte Version der Vignette vorgelegt, die die negative Emotionen hervorrufenden Elemente weitestgehend ausklammert, um eine möglichst unverzerrte Überprüfung der Witzigkeit der Aussage vornehmen zu können9 . Jeweils 15 Personen beurteilten die neutrale bzw. die 9 Es
ist Donnerstagvormittag und Sie sind mit einem Freund zum Essen verabredet. Da an diesem Vormittag sehr viel Betrieb ist, geht im Restaurant alles ein wenig drunter und drüber und alles geht auch ein wenig langsamer als gewöhnlich. Zu allem Übel ist auch das Gericht, das Sie sich ausgesucht hatten, aus, sodass Sie sich etwas Anderes aus der Karte aussuchen. Die Kellnerin kommt an Ihren Tisch, um die neue Bestellung aufzunehmen.
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Empirische Untersuchungen
humorvolle Aussage der Kellnerin mittels gegensätzlicher Adjektivpaare (siebenstufiges Semantisches Differential: Ich finde die Aussage der Kellnerin: 1 = nicht amüsant, nicht lustig, nicht charmant, nicht zum Schmunzeln, nicht scherzhaft, nicht witzig; 7 = amüsant, lustig, charmant, zum Schmunzeln, scherzhaft, witzig) (in Anlehnung an Zhang 1996, S. 21)10 . Eine durchgeführte Hauptkomponentenanalyse (s. Anhang 5) zeigt, dass alle Items auf einen Faktor (Eigenwert: 4,725, Varianzerklärungsanteil: 78,742%) laden und die Gütekriterien der Hauptkomponentenanalyse als „ziemlich gut“ (vgl. Backhaus et al. 2018, S. 379) zu bezeichnen sind (KMO = 0,808, MSA-Werte der Items ≥ 0,710). Von den Items wurde das arithmetische Mittel errechnet, welches dann als Indexvariable „Witzigkeit der Aussage“ in die Analyse einging (α = 0,942). Die Ergebnisse des im Rahmen des Pretests durchgeführten t-Tests für unabhängige Stichproben11 zeigen, dass die humorvolle Aussage signifikant humorvoller wahrgenommen wird als die neutrale Aussage (M humorvolle_Aussage = 4,1000, SD = 1,2953 vs. M neutrale_Aussage = 2,2444, SD = 1,1833, t(28) = 4,096, p < 0,001). Wenngleich aber der Mittelwert der humorvollen Aussage jenen der neutralen Aussage übersteigt, bewegt er sich insgesamt nur im mittleren Bereich der Skala. Ein Grund hierfür könnte sein, dass Wortspielen (anders als beispielsweise Werbespots) aufgrund ihrer verbalen Natur teilweise die Fähigkeit abgesprochen wird, extrem hohe Werte hinsichtlich der wahrgenommenen Witzigkeit zu erzielen, da sie eher ein Stöhnen statt einem richtigen Lachen erzeugen (vgl. Oring 1992, S. 12). Im Rahmen der empirischen Humorforschung finden sich in diversen Studien ebenfalls nur gering bis moderat ausgeprägte Mittelwerte hinsichtlich des wahrgenommenen Humorgehalts (vgl. z. B. Lippman und Dunn 2000, S. 189; Warren und McGraw 2016b, S. 52). Näher liegt daher die Erklärung, dass derartige Mittelwerte aus der Tatsache resultieren, dass Humor mit einer hohen Subjektivität einhergeht. Jedes Individuum entscheidet im Moment der Wahrnehmung eines vermeintlich humorvollen Stimulus (bewusst Als Sie gerade noch einen Blick in die Speisekarte werfen, sagt sie zu Ihnen: [neutrale beziehungsweise humorvolle Aussage]. 10 Alle Items weisen signifikante Korrelationen mit einem ebenfalls operationalisierten Außenkriterium zur Messung der Witzigkeit der Aussage auf („Alles in allem finde ich die Aussage der Kellnerin überhaupt nicht humorvoll – humorvoll“): r nicht amüsant_amüsant = 0,763, p < 0,001; r nicht lustig_lustig = 0,717, p < 0,001; r nicht charmant_charmant = 0,776, p < 0,001; r nicht zum Schmunzeln_zum Schmunzeln = 0,735, p < 0,001; r nicht scherzhaft_scherzhaft = 0,746, p < 0,001; r nicht witzig_witzig = 0,737, p < 0,001. 11 Ein t-Test für unabhängige Stichproben findet dann Anwendung, wenn zwei Mittelwerte aus zwei verschiedenen Gruppen miteinander verglichen werden sollen (vgl. Field 2018, S. 445).
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
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oder unbewusst) darüber, ob es diesen als lustig bewertet oder nicht (vgl. Meyer 2015, S. 44). Im Mittel moderat ausgeprägte Werte gelten damit als realistisches Abbild der wahrgenommenen Witzigkeit, das über eine Vielzahl von Personen dargestellt wird (vgl. Lippman und Dunn 2000, S. 189). Cann, Calhoun and Banks (1997, S. 82f) plädieren für die Annahme, dass Humor dann, wenn er trotz als gering empfundener Lustigkeit in der Lage ist, den vermuteten Effekt zu entfalten, im Falle einer hoch eingestuften Lustigkeit sogar weitaus stärkere Effekte entfalten kann. Die Autoren betrachten eine gering wahrgenommene Lustigkeit des eingesetzten Humors damit sogar gewissermaßen als Stärke der Untersuchung, sollte sich der postulierte Einfluss von Humor empirisch nachweisen lassen. Auf Basis dieser Darstellungen wird die Manipulation des Humors in der vorliegenden Untersuchung als erfolgreich angesehen. Gleichzeitig kann der neutralen Aussage auf Basis des Ergebnisses eine gewisse Neutralität im Hinblick auf Humor zugesprochen werden, welches im Rahmen der Darstellungen zu Pretest 3b genauer thematisiert wird. Pretest 3b: Überprüfung der Neutralität der neutralen Aussage Im Rahmen empirischer Untersuchungen wird, wie auch in der vorliegenden Arbeit, die Wirkung eines interessierenden Einflussfaktors häufig mit einer neutralen Baseline verglichen. Gemäß des Dudens (2019b) bedeutet -neutral (Suffix), dass „die beschriebene Sache von etwas nicht betroffen, bestimmt ist, etwas nicht hat.“ Entsprechend dieses Begriffsverständnisses wird die Neutralität einer neutralen Vergleichsgruppe auch im Rahmen empirischer Untersuchungen meist im Hinblick auf den jeweiligen Einflussfaktor festgestellt. So untersuchen z. B. Saroglou, Buxant und Tilquin (2008), wie sich die Konfrontation der Probanden mit Videos (Inhalte: Humor, Wertschätzung der Natur oder Wunder der Geburt), die unterschiedliche positive Emotionen auslösen sollen, auf Religion und Spiritualität der Probanden auswirken. Als Vergleichsgruppe wird ein neutrales Video herangezogen. In einem Pretest wurde untersucht, ob sich die emotionalen Videos hinsichtlich emotionaler Intensität generell (1 = ich habe überhaupt keine Emotionen empfunden, 7 = ich habe sehr intensive Emotionen empfunden) sowie hinsichtlich der Intensität spezifischer Emotionen (z. B. Freude, Langeweile, Traurigkeit, 1 = Ich habe diese Emotion überhaupt nicht verspürt, 7 = Ich habe diese Emotion gänzlich verspürt) von dem neutralen Video unterscheiden (vgl. Saroglou et al. 2008, S. 168). Steht allein Humor mit seiner Wirkung im Fokus des Interesses, wird die Neutralität der Vergleichsgruppe auf ihren Humorgehalt hin überprüft. Ein Beispiel stellt die Untersuchung von Lebowitz et al. (2011) dar. Die Autoren untersuchen, wie sich der Einsatz von Humor auf den
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Empirische Untersuchungen
Gesundheitszustand von Erwachsenen auswirkt, die an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung leiden. Probanden wurden mit einem humorvollen Video konfrontiert, das hinsichtlich seiner Wirkung mit einem neutralen Video verglichen wurde. Im Rahmen ihres Manipulation Checks überprüften Lebowitz et al. (2011, S. 316) mithilfe der Frage „Wie lustig empfinden Sie das Video?“ (1 = überhaupt nicht lustig, 5 = sehr lustig), ob das humorvolle Video signifikant lustiger wahrgenommen wurde als das neutrale Video. Ähnlich verhält es sich auch in der vorliegenden Arbeit. Analysiert werden soll die Wirkung einer humorvollen Aussage in einem Service-Fehler-Kontext. Als Vergleichsgruppe soll eine neutrale Aussage des Service-Personals herangezogen werden, die bezüglich ihrer Neutralität folglich im Hinblick auf ihren Humorgehalt zu untersuchen ist. In Pretest 3a wurde diese Überprüfung vorgenommen und nachgewiesen, dass die humorvolle Aussage signifikant humorvoller wahrgenommen wird als die neutrale Aussage – oder anders ausgedrückt: dass die neutrale Aussage signifikant weniger humorvoll empfunden wird als die humorvolle Aussage. Basierend auf diesen Ergebnissen kann die Aussage im Hinblick auf den Humorgehalt als neutral betrachtet werden. Im vorliegend betrachteten Service-Fehler-Kontext ist es darüber hinaus aber auch notwendig, die Neutralität der Aussage im Hinblick auf eine mögliche Kompensationswirkung zu überprüfen. Insbesondere Entschuldigung und ökonomische Kompensation, etwa in Form von Rabatten oder Gutscheinen, zählen in der Praxis zu den gängigen Maßnahmen, die ein Service-Anbieter infolge aufgetretener Service-Fehler ergreift. Auch in der wissenschaftlichen Literatur erfahren diese beiden Formen der Kompensation ein umfassendes Interesse (vgl. z. B. BambauerSachse und Rabeson 2015, S. 331 für eine Übersicht.). Der neutralen Aussage sollte eine Neutralität auch hinsichtlich derartiger kompensatorischer Wirkungen zugesprochen werden können, um zu gewährleisten, dass die humorvolle Aussage tatsächlich mit einer neutralen Baseline verglichen wird, und nicht mit einer Form der Kompensation. Letzteres würde dem Ziel einer ersten, grundlegenden Analyse der Wirkung von Humor zur Identifikation seines Wirkmechanismus in einem Service-Fehler-Kontext zuwiderlaufen. Mit einem weiteren Pretest sollte sichergestellt werden, dass die neutrale Aussage auch eine Neutralität hinsichtlich einer kompensatorischen Wirkung aufweist. Zur Überprüfung wurde 24 Studierenden der Universität des Saarlandes (62,5% weiblich, M Alter = 21,79 Jahre, SD = 2,859) die Vignette in der verkürzten Version wie in Pretest 3a vorgelegt. Untersucht wurde die neutrale Bedingung, d. h., die kurze Variante der Vignette endet mit der Aussage „Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie etwas Neues ausgewählt haben.“ der Kellnerin. Die Probanden lasen im Anschluss, dass es in der Regel üblich sei, dass ein Kunde
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
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eine Entschädigung erhalte, wenn in einem Restaurant etwas schiefläuft. Ihnen wurde mitgeteilt, dass unter einer Entschädigung eine ökonomische Maßnahme der Wiedergutmachung verstanden wird, die in Rabatten, Erstattungen, Gutscheinen, kostenlosen Gütern/Leistungen oder ähnlichem bestehen kann (vgl. Smith et al. 1999, S. 359). Die Probanden wurden gebeten anzugeben, wie sehr sie der Aussage zustimmen, dass die Aussage der Kellnerin eine Entschädigung darstellt (1 = stimme überhaupt nicht zu, 7 = stimme vollkommen zu). Im Anschluss lasen die Probanden, dass es ebenfalls üblich sei, dass das Service-Personal sich bei dem Kunden entschuldigt, sofern etwas schiefgelaufen ist. Ihnen wurde mitgeteilt, dass eine Entschuldigung als eine Botschaft definiert wird, die eine Anerkennung einer Schuld für negative Ereignisse beinhaltet und die mit einem Ausdruck an Reue einhergehen kann (vgl. Roschk und Kaiser 2013, S. 295). Anschließend sollten die Probanden ihre Zustimmung zu dem Statement „Die Aussage der Kellnerin stellt eine Entschuldigung dar.“ angeben (1 = stimme überhaupt nicht zu, 7 = stimme vollkommen zu). Die Ergebnisse zeigen, dass die Probanden die neutrale Aussage weder als ökonomische Entschädigung wahrnehmen (M = 2,0833, SD = 1,4421, t(23) = −6,551, p < 0,001 im Vergleich zum Skalenmittelwert 4), noch, dass sie in ihr eine Entschuldigung sehen (M = 2,4583, SD = 1,5317, t(23) = −4,931, p < 0,001 im Vergleich zum Skalenmittelwert 4). Auch im Hinblick auf eine kompensatorische Wirkung kann die neutrale Aussage als neutral bezeichnet werden12 . Die Zustimmung der Probanden zu dem Statement „Ich finde, die Aussage der Kellnerin ist insgesamt sehr neutral gehalten“ (M = 4,8750, SD = 1,5965, t(23) = 2,685, p = 0,013 im Vergleich zum Skalenmittelwert 4) unterstreicht dieses Ergebnis. Die Aussage kann damit in der Hauptuntersuchung als neutrale Baseline herangezogen werden. Pretest 4: Überprüfung der Verständlichkeit der humorvollen Aussage In einem vierten Pretest sollte überprüft werden, ob der Humor durch die Probanden inhaltlich verstanden wird. Da der gewählte Humor überhaupt nur im Kontext verstanden werden kann, wurde n = 24 Probanden (66,7% weiblich, M Alter = 21,71 Jahre, SD = 2,774) an der Universität des Saarlandes erneut die verkürzte Version der Vignette, die bereits in Pretest 3a und 3b Anwendung fand, mit der humorvollen Äußerung der Kellnerin am Ende präsentiert. Nach dem Lesen der 12 Um auch die Neutralität in Bezug auf die humorvolle Aussage nochmals zu überprüfen, wurden die Probanden gebeten, ihre Zustimmung zu dem Statement „Die Kellnerin hat versucht, die Aussage humorvoll zu gestalten.“ anzugeben (1 = stimme überhaupt nicht zu, 7 = stimme vollkommen zu). Die Ergebnisse bestätigen erneut die Neutralität der neutralen Aussage in Bezug auf deren Humorgehalt (M = 2,4583, SD = 1,3825, t(23) = −5,463, p < 0,001 im Vergleich zum Skalenmittelwert 4).
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Empirische Untersuchungen
Vignette wurden die Probanden gebeten, den Humor in ihren eigenen Worten wiederzugeben. Zwei unabhängige Kodierer kategorisierten die Antworten der Probanden danach, ob das Wortspiel verstanden wurde oder nicht13 . 22 der 24 Teilnehmer (das entspricht 91,7% der Probanden) gaben den Sinn des Wortspiels korrekt wieder. Es ist damit davon auszugehen, dass der gewählte Humor für die Probanden gut verständlich ist. Die Pretests 2b, 3a und 3b und 4 bestätigen insgesamt die erfolgreiche Manipulation der unabhängigen Variable Humorgehalt der Aussage, sodass die dargestellte humorvolle Aussage sowie die präsentierte neutrale Aussage als solche im Rahmen von Studie 1 eingesetzt werden.
6.3.3
Methodisches Vorgehen
6.3.3.1 Durchführung der Untersuchung Die Untersuchung fand im Zeitraum vom 06. Oktober 2014 bis einschließlich 15. Oktober 2014 in Form eines Experiments am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes statt. Dort stand ein als Labor eingerichteter Raum zur Verfügung, der drei Arbeitsplätze, die mit Rechnern ausgestattet sind, bietet. Abbildung 6.1 gibt einen Eindruck von diesem Untersuchungsraum. Versuchsteilnehmer waren Studierende der Universität des Saarlandes, die von zwei Interviewerinnen auf dem Campus der Universität rekrutiert und bei Bereitschaft zur Teilnahme an der Studie in das Labor am Institut gebeten wurden. Dort wurden sie von dem Versuchsleiter begrüßt und über den Ablauf des Experiments informiert, welches als eine Untersuchung aus dem Gastronomiebereich angekündigt worden war. Den Probanden wurde mitgeteilt, dass sie einen Text über eine Situation in einem Restaurant sehen würden, den sie bitte zunächst aufmerksam lesen und anschließend einen Fragebogen dazu komplettieren sollten. Nach dieser Einweisung nahmen die Probanden an einem der drei bereitgestellten PCs Platz und konnten nach Einblenden einer kurzen schriftlichen Instruktion mit dem Lesen der Vignette beginnen. Um zu verhindern, dass die Probanden die Vignette nur flüchtig lesen oder überspringen, wurde der Weiter-Button für die ersten 30 Sekunden unterdrückt. Das Komplettieren des Fragebogens erfolgte anschließend ebenfalls eigenständig durch die Probanden am PC. 13 Die Intercoder-Reliabilität bezeichnet das Verhältnis der übereinstimmenden Kodierungen zweier Rater zur Gesamtzahl der Kodierungen (vgl. Kassarjian 1977, S. 14). In diesem Fall (Pretest 4) beträgt die Intercoder-Reliabilität 100%.
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
117
Abb. 6.1 Impressionen vom Untersuchungsraum am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung. (Quelle: eigene Aufnahme)
6.3.3.2 Stichprobe und Fallausschlüsse An Studie 1 nahmen insgesamt 181 Personen teil. 89 davon wurden mit der neutralen, 92 mit der humorvollen Äußerung der Kellnerin am Ende der Vignette konfrontiert. Sechs Personen wurden infolge der Analyse der freien Antworten zum Untersuchungszweck von der endgültigen Auswertung ausgeschlossen, da sie diesen offensichtlich erkannt haben. Zwei unabhängige Kodierer kategorisierten die Antworten der Probanden danach, ob der Zweck erkannt wurde oder nicht. Die Intercoder-Reliabilität lag bei 98,9%, Unstimmigkeiten wurden durch Diskussion gelöst. Die Antworten dieser Probanden sind in Anhang 6 aufgeführt. Da die in Studie 1 eingesetzte Vignette bereits im Vorfeld im Rahmen der Pretests eingesetzt worden war, wurde überprüft, ob die Probanden die Vignette vor Teilnahme an der Untersuchung gekannt haben. Fünf Probanden beantworteten die Frage nach der Kenntnis der Vignette mit ja und wurden aus der weiteren Analyse ausgeschlossen. Ferner wurden diejenigen Personen ausgeschlossen, die angaben, sich
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Empirische Untersuchungen
überhaupt nicht in die skizzierte Situation hineinversetzen zu können. Dies betraf in Studie 1 eine Versuchsperson. Insgesamt wurden damit zwölf Probanden aus der weiteren Analyse ausgeschlossen. Die final auszuwertende Stichprobe umfasst folglich 169 Probanden, von denen 87 auf die neutrale und 82 auf die humorvolle Bedingung entfallen. 96 Personen (56,8%) der finalen Stichprobe sind weiblich, 73 Personen (43,2%) männlich. Es handelt sich um Studierende im Alter von 18 bis 32 Jahren, der Mittelwert des Alters liegt bei M = 22,62 Jahren (SD = 2,442). Die beiden Experimentalgruppen unterscheiden sich nicht hinsichtlich Alter (t(166) = 0,324, p = 0,746) und Geschlecht (χ 2 (1, n = 169) = 2,025, p = 0,155). Auch sind keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der generellen Reizbarkeit der Probanden (t(167) = −0,527, p = 0,599) sowie deren Sinn für Humor14 (t(167) = 0,531, p = 0,596) zwischen den Gruppen zu erkennen. Die Reizbarkeit der Probanden umfasst die individuelle Tendenz, Ärger bzw. verwandte Stimmungen zu erleben (vgl. Ostendorf und Angleitner 2004, S. 39f). Sinn für Humor beschreibt die individuelle Tendenz, Dinge als humorvoll zu erachten (vgl. Warren et al. 2018, S. 531; s. Abschnitt 2.1.1). Da die eingesetzte Vignette beabsichtigt, Ärger bei den Probanden zu erzeugen, und in einer Bedingung eine humorvolle Äußerung beinhaltet, könnte eine Ungleichverteilung der Probanden mit diesen Persönlichkeitseigenschaften auf die Gruppen zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen, weshalb es sich empfiehlt, diese zu kontrollieren. Tabelle 6.3 gibt einen Überblick über die Zusammensetzung der Stichprobe aus Studie 1.
6.3.3.3 Operationalisierung und Dimensionierung der Variablen Die Manipulation der unabhängigen Variable Humorgehalt der Aussage (neutral vs. humorvoll) wurde bereits bei der Beschreibung des Stimulusmaterials 14 Die Reizbarkeit der Probanden stellt im Rahmen des NEO Persönlichkeitsinventars (vgl. Costa und McCrae 1992; deutsche Übersetzung nach Ostendorf und Angleitner 2004) neben Ängstlichkeit, Depression, sozialer Befangenheit, Impulsivität und Verletzlichkeit eine von insgesamt sechs Persönlichkeitsfacetten dar, die die übergeordnete Dimension des Neurotizismus umfasst. Neurotizismus beschreibt „Unterschiede zwischen emotionaler Robustheit (…) und emotionaler Empfindsamkeit“ (Berth und Goldschmidt 2006, S. 95). Die Reizbarkeit wurde mittels Zustimmung (1 = stimme überhaupt nicht zu, 7 = stimme vollkommen zu) zu den Items aus dem NEO Persönlichkeitsinventar (revidierte Fassung, N2) erfasst. Eine Abweichung von den im NEO Persönlichkeitsinventar verwendeten fünfstufigen Skalen ist im deutschen Raum durchaus möglich (vgl. z. B. Hahn, Gottschling und Spinath 2012). Eine durchgeführte Hauptkomponentenanalyse (s. Anhang 7) ergab jedoch eine Zweifaktor-Lösung. Von den vier Items, die auf den ersten Faktor laden, wurde das arithmetische Mittel errechnet und als Indexvariable „Reizbarkeit“ in die weiteren Berechnungen einbezogen (α = 0,790). Der Sinn für Humor wurde mit drei Statements erfasst, über die ein ungewichteter, additiver Index gebildet wurde (α = 0,828). Die Ergebnisse der Hauptkomponentenanalysen sind in Anhang 8 dargestellt.
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
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Tab. 6.3 Zusammensetzung der Stichprobe (Studie 1) Studie 1 Design
Einfaktorielles Zwischensubjekt-Design (Humorgehalt: neutral vs. humorvoll)
Stichprobenumfang
n = 181
n neutrale_Bedingung = 89 nhumorvolle_Bedingung = 92
Stichprobe
Studentische Stichprobe
Erhebungspersonen
1 Versuchsleiter
Ort der Durchführung
Labor des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes
Durchführung
Präsentation der Vignette am Bildschirm, danach Komplettieren eines Fragebogens durch die Probanden (ebenfalls am Computer)
Fallausschlüsse
n = 6 (wegen Erkennen des Untersuchungszwecks) n = 5 (wegen Kenntnis des Stimulusmaterials) n = 1 (wegen fehlender Fähigkeit, sich in die Situation hineinversetzen zu können)
Analysierte Stichprobe
n = 169
n neutrale_Bedingung = 87 nhumorvolle_Bedingung = 82
dargestellt. Folglich sei diesbezüglich auf die Ausführungen in Abschnitt 6.3.2 verwiesen. Nachfolgend wird eine Beschreibung der Operationalisierung der Mediatorvariablen sowie der abhängigen Variablen vorgenommen (s. Tabelle 6.4). Die Dimensionierung der Variablen wurde in Studie 1 mit Hilfe von Hauptkomponentenanalysen vorgenommen. Auf Basis der extrahierten Faktoren wurden anschließend ungewichtete additive Indizes gebildet, indem von den auf einen Faktor ladenden Variablen jeweils das arithmetische Mittel errechnet wurde, welches dann als Indexvariable des entsprechenden Faktors im Rahmen der Hypothesentests eingesetzt wurde. Die wahrgenommene Befreiung wurde mit den fünf Items „Die Äußerung hat die Situation entspannt.“, „Ich habe diese Aussage der Kellnerin als befreiend empfunden.“, „Die Äußerung hat die Stimmung aufgelockert.“, „Die Äußerung hat die Situation entschärft.“ und „Die Äußerung hat die Stimmung verbessert.“ gemessen. Mittels siebenstufiger Ratingskala wurde die Zustimmung der Probanden zu den Statements erfasst (1 = stimme überhaupt nicht zu, 7 = stimme vollkommen zu). Eine Hauptkomponentenanalyse zeigt, dass sich alle Items zu einem übergeordneten Faktor (Eigenwert: 4,027, Varianzerklärungsanteil:
120
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Empirische Untersuchungen
Tab. 6.4 Überblick über die erhobenen Konstrukte (Studie 1) Konstrukt (Anzahl der Items, Cronbach’s α)
Operationalisierung
Wahrgenommene Befreiung (5, α = 0,939)
Die Äußerung hat die Situation entspannt. Ich habe diese Aussage der Kellnerin als befreiend empfunden. Die Äußerung hat die Stimmung aufgelockert. Die Äußerung hat die Situation entschärft. Die Äußerung hat die Stimmung verbessert.
Nachsicht (4, α = 0,835) (alle Items invers codiert) (vgl. Roschk und Kaiser 2013, S. 301)
Ich finde, dass derartige Vorkommnisse absolut nicht zu vertreten sind. Solche Vorkommnisse sind für mich einfach unverzeihlich. Solche Vorkommnisse bereiten den Kunden jede Menge Unannehmlichkeiten. Hierbei handelt es sich um einen ganz gravierenden Fehler.
Einstellung zum Restaurant (5, α = 0,772) (vgl. Mattila 2004, S. 140)
Ich finde das Restaurant… • schlecht vs. gut • negativ vs. positiv • unsympathisch vs. sympathisch • nicht kompetent vs. kompetent • von niedriger Qualität vs. von hoher Qualität
80,548%) verdichten lassen (s. Anhang 9). Die Gütekriterien der Hauptkomponentenanalyse sind als „verdienstvoll“ zu bezeichnen (KMO = 0,885, MSA-Werten der Items ≥ 0,859, vgl. Backhaus et al. 2018, S. 379). Die Messung der Nachsicht, mit der Konsumenten die Service-Fehler-Situation beurteilen, erfolgte mit vier invers formulierten Items: „Ich finde, dass derartige Vorkommnisse absolut nicht zu vertreten sind.“, „Solche Vorkommnisse sind für mich einfach unverzeihlich.“, „Solche Vorkommnisse bereiten den Kunden jede Menge Unannehmlichkeiten.“ und „Hierbei handelt es sich um einen ganz gravierenden Fehler.“. Die Items wurden in Anlehnung an die Skala von Roschk und Kaiser (2013, S. 301) formuliert, die die Beurteilung der Fehler-Situation misst. Von Interesse ist vorliegend, ob eine objektiv gleiche Situation in Abhängigkeit der durch eine humorvolle (vs. neutrale) Aussage des Service-Personals eingetretenen Befreiung unterschiedlich beurteilt wird. Mit anderen Worten interessiert die Klärung der Frage, ob eine durch Humor induzierte Befreiung dazu führt, dass Konsumenten die Service-Fehler-Situation nachsichtiger beurteilen.
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
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Die Nachsicht der Konsumenten fungiert als Mediatorvariable, die in Abhängigkeit des Ausmaßes der eingetretenen Befreiung beeinflusst wird. Es wird vermutet, dass Konsumenten infolge der durch Humor induzierten positiven emotionalen Befindlichkeit (Befreiung) die Service-Fehler-Situation, kongruent zu dieser Befindlichkeit, positiver beurteilen, was einer gesteigerten Nachsichtigkeit bei der Beurteilung gleichkommt. Diese Vermutung basiert auf dem RosaroteBrille-Effekt (vgl. z. B. Schwarz und Clore 1983, 1988; Schwarz 1990, s. Abschnitt 3.2). Die Zustimmung der Probanden zu den vier invers formulierten Items wurde mittels einer siebenstufigen Ratingskala (1 = stimme überhaupt nicht zu, 7 = stimme vollkommen zu) erfasst. Eine Hauptkomponentenanalyse zeigt, dass sich alle Items zu einem übergeordneten Faktor (Eigenwert: 2,686, Varianzerklärungsanteil: 67,157%) verdichten lassen (s. Anhang 10). Die Gütekriterien der Hauptkomponentenanalyse sind als „ziemlich gut“ zu bezeichnen (KMOKriterium = 0,771, MSA-Werten der einzelnen Items ≥ 0,736, vgl. Backhaus et al. 2018, S. 379). Die Einstellung zum Restaurant wurde mittels Semantischer Differentiale mit den Polen 1 (schlecht, negativ, unsympathisch, nicht kompetent, von niedriger Qualität) und 7 (gut, positiv, sympathisch, kompetent, von hoher Qualität) operationalisiert. Die affektiven Item-Paare wurden in Anlehnung an Mattila (2004, S. 140) formuliert. Da vorliegend die Ansicht von Kroeber-Riel und GröppelKlein (2019, S. 205) vertreten wird, dass die Einstellung als ein primär von der emotionalen (positiven oder negativen) Haltung gegenüber einem Meinungsgegenstand geprägtes Konstrukt zu verstehen ist, das jedoch auch kognitive Elemente umfasst, wurde neben der affektiven auch die kognitive Komponente der Einstellung berücksichtigt. Folglich wurden die Item-Paare nicht kompetent – kompetent und von niedriger Qualität – von hoher Qualität ergänzt. Die Probanden wurden gebeten, das Restaurant anhand der fünf gegensätzlichen Adjektivpaare zu beurteilen. Eine Hauptkomponentenanalyse zeigt, dass sich alle Items auf einen übergeordneten Faktor (Eigenwert: 2,654, Varianzerklärungsanteil: 53,085%) verdichten lassen. Die Gütemaße sind als gut zu bewerten (KMO = 0,738, MSA-Werte aller Items ≥ 0,708, vgl. Backhaus et al. 2018, S. 379; s. Anhang 11).
6.3.4
Durchführung und Ergebnisse der Manipulation Checks
Um überprüfen zu können, ob die Manipulation der unabhängigen Variable erfolgreich war, das heißt die humorvolle Aussage humorvoller empfunden wird als die neutrale Aussage, sollten die Probanden die wahrgenommene Witzigkeit der
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Empirische Untersuchungen
Aussage der Kellnerin mit Hilfe gegensätzlicher Adjektivpaare beurteilen (siebenstufige Semantische Differentiale: Ich finde die Aussage der Kellnerin: 1 = nicht amüsant, nicht lustig, nicht charmant, nicht zum Schmunzeln, nicht scherzhaft, nicht witzig; 7 = amüsant, lustig, charmant, zum Schmunzeln, scherzhaft, witzig). Alle Items laden auf einen gemeinsamen Faktor (Eigenwert: 4,940, Varianzerklärungsanteil: 82,329%; s. Anhang 12) (α = 0,956), die Gütekriterien sind als „verdienstvoll“ zu bezeichnen (KMO-Wert = 0,896, MSA-Werte der Items ≥ 0,821, vgl. Backhaus et al. 2018, S. 379). Ein t-Test bei unabhängigen Stichproben zeigt, dass die humorvolle Aussage signifikant witziger empfunden wird als die neutrale Aussage und bestätigt damit die erfolgreiche Manipulation der unabhängigen Variablen (M humorvolle_Aussage = 3,7907, SD = 1,8548 vs. M neutrale_Aussage = 1,9674, SD = 0,8348, t(111,071) = −8,157, p < 0,001). Zur Operationalisierung der Emotion Ärger15 (sowie zur Ablenkung zusätzlich der Emotion Freude) wurden die entsprechenden Items aus der Skala von Holbrook und Batra (1987, S. 411) herangezogen. Die Items lassen sich auf zwei übergeordnete Faktoren verdichten (s. Anhang 13) (α Ärger = 0,839), die Gütekriterien sind als „ziemlich gut“ zu bewerten (KMO = 0,798, MSA-Werte der Items ≥ 0,739, vgl. Backhaus et al. 2018, S. 379)16 . Ein t-Test bei einer Stichprobe zeigt, dass die Vignette in der Lage ist, ein gewisses Ausmaß an Verärgerung bei den Konsumenten zu erzeugen (M Ärger = 5,3254, SD = 1,2511, t(168) = 13,772, p < 0,001, im Vergleich zum Skalenmittelwert 4). Der Mittelwert der empfundenen Verärgerung (M Ärger = 5,3254) entspricht zudem in etwa dem Mittelwert an Ärger, den dieselbe Vignette im Rahmen von Pretest 1 (s. Abschnitt 6.3.2) erzeugt hat (M Ärger = 5,3650), was die Geeignetheit der Vignette, Verärgerung bei den Probanden zu erzeugen, untermauert.
15 Wie dargestellt gilt Ärger als diejenige Emotion, die Konsumenten empfinden, wenn sie dem Service-Anbieter die Schuld für die Service-Fehler zuschreiben. Ob dies vorliegend der Fall ist, wurde mit Hilfe des Statements „Der Fehler liegt definitiv beim Restaurant.“ überprüft (1 = stimme überhaupt nicht zu, 7 = stimme vollkommen zu). Die Ergebnisse eines Einstichproben-t-Tests bestätigen die Fehlerzuschreibung (M = 5,8521, SD = 1,4946, t(168) = 16,109, p < 0,001). 16 Eine Ausnahme bildet der MSA-Wert des Items „zufrieden“, der bei 0,699 und damit marginal unterhalb der Grenze von 0,7 („ziemlich gut“) liegt. Da die positiven Emotionen vorliegend jedoch nur der Ablenkung dienen und inhaltlich keine Bedeutung besitzen, wird hierauf nicht näher eingegangen.
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
6.3.5
123
Ergebnisse von Studie 1
6.3.5.1 Ergebnisse zum Einfluss des Humorgehalts einer Aussage auf die eintretende Befreiung bei den Rezipienten Hypothese 1 (Teil 1) postuliert, dass der Einsatz von Humor (vs. einer neutralen Aussage) im Rahmen einer Situation, die negative Emotionen bei den Probanden erzeugt hat, eine befreiende Wirkung bei jenen Probanden entfaltet. Dieser grundlegende Zusammenhang ist in Abbildung 6.2 graphisch dargestellt.
Humorgehalt der Aussage (neutral vs. humorvoll)
+
Wahrgenommene Befreiung
Abb. 6.2 Visualisierung von Hypothese 1 (Teil 1). (Quelle: eigene Darstellung)
Zur Überprüfung des ersten Teils von Hypothese 1 wurde ein t-Test für unabhängige Stichproben gerechnet. Dabei wurde der Humorgehalt der Aussage (neutral vs. humorvoll) als unabhängige Variable und die befreiende Wirkung der Aussage als abhängige Variable in das Modell aufgenommen. Die Ergebnisse des t-Tests für unabhängige Stichproben zeigen, dass die humorvolle Aussage eine signifikant stärkere befreiende Wirkung entfaltet als eine neutrale Aussage (M humorvolle_Aussage = 3,4268, SD = 1,8110 vs. M neutrale_Aussage = 2,2713, SD = 1,0757, t(130,263) = −5,005, p < 0,001)17 . Grundsätzlich ist es ratsam, neben dem Signifikanzniveau auch Effektstärken zu berechnen (vgl. Field 2018, S. 113), da sich alleine auf Basis des Signifikanzniveaus keine verlässliche Aussage über die Bedeutung eines Effekts ableiten lässt. Effektstärken sind objektive, in der Regel standardisierte Größen, die die Relevanz eines Effekts ausdrücken (vgl. Field 2018, S. 113) und einen Vergleich von Effekten aus verschiedenen Untersuchungen ermöglichen. Zu den bekanntesten Effektstärken gehört Cohen’s d, welches (für den Vergleich zweier unabhängiger 17 Die Varianzen in den beiden Gruppen sind inhomogen, da der Levene-Test ein signifikantes Ergebnis aufweist (F = 34,243, p < 0,001). Zur Überprüfung der Mittelwertunterschiede wird daher die robuste Teststatistik der unteren Zeile des t-Tests herangezogen (vgl. Field 2018, S. 456).
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6
Empirische Untersuchungen
Gruppen) definiert ist als Differenz der Mittelwerte im Verhältnis zur aggregierten Standardabweichung (vgl. Cohen 2013, S. 245): d=
X¯ 1 − X¯ 2 Sp
Die aggregierte Standardabweichung S p (vgl. Field 2018, S. 115) wird hierbei verwendet, wenn die beiden zu vergleichenden Gruppen unterschiedliche Standardabweichungen aufweisen. Sie berechnet sich hierbei wie folgt: Sp =
(N1 − 1)S12 + (N2 − 1)S22 N1 + N2 − 2
Cohen (2013, S. 247) definiert einen Effekt als schwach, wenn d = 0,2, als moderat, wenn d = 0,5 und als stark, wenn d = 0,8 beträgt. Zur Beurteilung der Relevanz des gefundenen Effekts wurde vorliegend die Effektstärke berechnet. Gemäß der dargestellten Formel beträgt Cohen’s d = 0,7814. Dieser Wert besagt, dass der Einsatz von Humor (im Vergleich zu einer neutralen Aussage) die eintretende Befreiung um 0,7814 Standardabweichungen erhöht, was gemäß der Klassifikation nach Cohen (2013, S. 247) als moderater Effekt zu bezeichnen ist. Dem gefundenen Effekt kann damit eine gewisse Relevanz zugesprochen werden. Insgesamt bleibt zunächst also festzuhalten, dass die Ergebnisse den ersten Teil von Hypothese 1 stützen: Humor kann im Kontext von Service-Fehlern eine signifikant stärkere befreiende Wirkung bei verärgerten Konsumenten entfalten als eine neutrale Aussage des Service-Personals. Eine Betrachtung der Mittelwerte lässt allerdings erkennen, dass die eingetretene Befreiung auch in der humorvollen Bedingung, absolut betrachtet, eher schwach ausgeprägt ist (M = 3,4268, SD = 1,8110 auf einer siebenstufigen Ratingskala), sodass die Ergebnisse vor diesem Hintergrund zu relativieren sind. Darauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit intensiver eingegangen.
6.3.5.2 Ergebnisse zum Einfluss des Humorgehalts einer Aussage auf die Einstellung zum Service-Anbieter via wahrgenommene Befreiung und Nachsicht der Konsumenten Hypothese 1 postuliert, dass die durch Humor ausgelöste Befreiung bei den Konsumenten dazu führt, dass diese die aufgetretenen Service-Fehler mit einer
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
125
größeren Nachsicht beurteilen, was sich schließlich in einer positiveren Einstellung zum Service-Anbieter äußert. Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 6.3 graphisch dargestellt.
+ Humorgehalt der Aussage (neutral vs. humorvoll)
wahrgenommene Befreiung
Nachsicht
+
(positivere Beurteilung der Situation)
+ Einstellung zum ServiceAnbieter
Abb. 6.3 Visualisierung von Hypothese 1. (Quelle: eigene Darstellung)
Zur Überprüfung von Hypothese 1 wurde eine serielle multiple Mediationsanalyse unter Anwendung des SPSS Makros PROCESS (Modell 6) von Hayes (2018) durchgeführt. Serielle Mediationsanalysen finden dann Anwendung, wenn der Einfluss einer unabhängigen Variable X (Humorgehalt der Aussage) auf eine abhängige Variable Y (Einstellung zum Restaurant) analysiert werden soll, indem ein Prozess modelliert wird, in welchem X einen Mediator M1 (wahrgenommene Befreiung) bedingt, der wiederum einen zweiten Mediator M2 (Nachsicht der Konsumenten) bedingt, welcher sich schließlich auf eine abhängige Variable Y (Einstellung zum Restaurant) auswirkt. Serielle Mediationsanalysen sind insbesondere dazu geeignet, feingliedrige kausale Mediationsketten zu identifizieren, die die Beziehung zwischen einer unabhängigen und einer abhängigen Variablen erklären können (vgl. Demming, Jahn und Boztu˘g 2017, S. 79; Hayes 2018, S. 167f). Das der seriellen Mediationsanalyse (mit zwei Mediatoren) zugrundeliegende statistische Modell ist in Abbildung 6.4 dargestellt. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführten Mediationsanalysen zur Überprüfung der jeweiligen Hypothesen basieren auf dem Bootstrapping-Verfahren. Bei diesem Verfahren wird das zugrundeliegende Daten-Sample einer Untersuchung der Größe n (in Studie 1: n = 169) als Miniaturversion der Grundgesamtheit betrachtet und hierbei Zufallsstichproben mit Zurücklegen gezogen (vgl. Hayes 2018, S. 97f). Es wird empfohlen, mindestens 5.000
126
6
eM1 M1
a1 X
Empirische Untersuchungen
eM2 d21
a2
M2
b1
c'
b2
eY Y
Abb. 6.4 Statistisches Modell der seriellen Mediationsanalyse mit zwei Mediatoren. (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Hayes 2018, S. 169)
Bootstrap-Samples zu ziehen18 (vgl. Hayes 2018, S. 103). Im Rahmen von Mediationsanalysen dient das Bootstrapping-Verfahren dazu, den indirekten Effekt zu schätzen, und diese Schätzungen dienen als Grundlage zur Konstruktion eines Konfidenzintervalls für den indirekten Effekt. Aufgrund der Tatsache, dass beim Bootstrapping-Verfahren (anders als bei Verfahren der Mediationsanalyse, die eine Normalverteilung der im Modell berücksichtigten Variablen erfordern) keine Annahmen über die Form der Stichprobenverteilung des indirekten Effekts getroffen werden, sind Bootstrap-Konfidenzintervalle besser in der Lage, Unregelmäßigkeiten der Stichprobenverteilung des indirekten Effekts zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass Bootstrap-Konfidenzintervalle akkuratere Ergebnisse liefern (vgl. Hayes 2018, S. 98). Zur Prüfung von Hypothese 1 wurde der Humorgehalt der Aussage (0 = neutral, 1 = humorvoll) als unabhängige Variable (X) in das Modell aufgenommen. Die empfundene Befreiung (M1 ) sowie die Nachsicht der Konsumenten (M2 ) fungieren als Mediatorvariablen, die seriell hintereinandergeschaltet sind. Die Einstellung zum Restaurant19 stellt die abhängige Variable (Y) dar. Die beiden 18 In der vorliegenden Arbeit werden stets 5.000 Bootstrap-Samples gezogen. Diese Anzahl wird gemeinhin als ausreichend erachtet; einer Erhöhung der Anzahl an gezogenen Bootstrap-Samples wird ein nur geringfügiger Mehrwert zugesprochen (vgl. Hayes 2018, S. 103). 19 Bei den beiden Mediatorvariablen sowie der abhängigen Variable handelt es sich jeweils um ungewichtete, additive Indizes, die aus den fünf (wahrgenommene Befreiung, Einstellung) bzw. vier (Nachsicht) in Abschnitt 6.3.3.3 dargestellten Indikatoren gebildet wurden.
6.3 Studie 1: Messung der Wirkung von Humor auf die Einstellung …
127
Modelle zur Schätzung der Mediatorvariablen sind signifikant (Modell zur Schätzung der befreienden Wirkung der Aussage: F(1, 167) = 25,7778, p < 0,001; Modell zur Schätzung der Nachsicht der Konsumenten (F(2, 166) = 4,9928, p = 0,0078)), ebenso das Modell zur Schätzung der abhängigen Variablen Einstellung zum Restaurant (F(3, 165) = 18,4557, p < 0,001). Die Ergebnisse der seriellen Mediationsanalyse sind in Tabelle 6.5 zusammengefasst. Die Ergebnisse der multiplen seriellen Mediationsanalyse zeigen einen signifikanten positiven Einfluss des Humorgehalts (X) auf die wahrgenommene Befreiung (M1 ) (Pfad a1 : b = 1,1556, SE = 0,2276, t = 5,0772, p < 0,001). Eine humorvolle Aussage entfaltet demnach, im Vergleich zu einer neutralen Aussage, eine stärkere befreiende Wirkung bei den Konsumenten. Der signifikante positive Einfluss der wahrgenommenen Befreiung auf die Nachsicht der Konsumenten (M2 ) (Pfad d21 : b = 0,2245, SE = 0,0724, t = 3,1018, p = 0,0023) wiederum zeigt den folgenden Zusammenhang: Je stärker die wahrgenommene Befreiung, desto nachsichtiger sind die Konsumenten bei der Beurteilung der Service-FehlerSituation. Der Humorgehalt der Aussage (neutral vs. humorvoll) hingegen übt keinen signifikanten Einfluss auf die Nachsicht aus (Pfad a2 : b = −0,1309, SE = 0,2287, t = −0,5725, p = 0,5677). Die Nachsicht übt einen signifikanten positiven Einfluss auf die Einstellung zum Restaurant (Y) aus (Pfad b2 : b = 0,2452, SE = 0,0356, t = 6,8878, p < 0,001), was bedeutet: Je nachsichtiger die Konsumenten bei der Beurteilung der Situation sind, desto positiver ist letztlich ihre Einstellung zum Restaurant. Hingegen wird die Einstellung zum Restaurant weder von der wahrgenommenen Befreiung (Pfad b1 : b = 0,0275, SE = 0,0341, t = 0,8062, p = 0,4213), noch vom Humorgehalt der Aussage (Pfad c : b = 0,0654, SE = 0,1050, t = 0,6228, p = 0,5343) signifikant beeinflusst. Abbildung 6.5 visualisiert die Zusammenhänge. Die Mittelwerte der im Modell integrierten Variablen
1,1556 (0,2276)
–
–
Humorgehalt (0 = neutral, 1 = humorvoll)
Wahrgenommene Befreiung
Nachsicht
–
–
5,0772
14,3263
–
R2 = 0,0567 F(2, 166) = 4,9928 p = 0,0078
–
3,1018
−0,5725
−0,1309 (0,2287) 0,2245 (0,0724)
14,4416
3,1970 (0,2214)
–
0,0023
0,5677