Hoseastudien: Redaktionskritische Untersuchungen zur Genese des Hoseabuches 9783666530777, 3525530773, 9783525530771


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German Pages [312] Year 2006

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Hoseastudien: Redaktionskritische Untersuchungen zur Genese des Hoseabuches
 9783666530777, 3525530773, 9783525530771

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Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Dietrich-Alex Koch, Matthias Köckert, Christopher Tuckett und Steven McKenzie

Band 213

Vandenhoeck & Ruprecht

Susanne Rudnig-Zelt

Hoseastudien Redaktionskritische Untersuchungen zur Genese des Hoseabuches

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 10: 3-525-53077-3 ISBN 13: 978-3-525-53077-1

© 2006, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2004/2005 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie geringfügig überarbeitet. Eine solche Arbeit wäre ohne Unterstützung nicht zu leisten. Besonders zu danken habe ich meinen Eltern, Dres. med. Gertrud und J oachim Zelt, sowie meinem Mann, Herrn Privatdozenten Dr. Thilo Rudnig. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Meine Eltern haben mir nicht nur das Studium der Theologie ermöglicht, sondern schon lange davor die Neugier auf theologische Fragen geweckt und gefördert. Mein Mann hat meinen theologischen Werdegang seit Studienbeginn hilfreich begleitet und mich für die alttestamentliche Exegese begeistert. Er stand mir jederzeit für Fragen und Diskussionen zur Verfügung. Manche gute Anregung, geht auf ihn zurück. Ein sehr herzlicher Dank geht an meinen Betreuer, Herrn Prof. Dr. Karl-Friedrich Pohlmann. Er hat nicht nur das Erstgutachten erstellt, sondern sich als echter Doktorvater und Freund erwiesen. Nicht zuletzt hat er mich für die Fragestellung "Prophet und Prophetenbuch" gewonnen. Herrn Prof. Dr. Rainer Albertz danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Er hat an meiner Arbeit mit freundlichem Interesse und konstruktiver Kritik Anteil genommen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Uwe Becker, bei dem ich seit Oktober 2004 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig bin, für seine freundschaftliche Begleitung und mannigfache Unterstützung. Ohne die ausgezeichneten Arbeitsbedingungen in Jena, die er gewährleistet, wäre die zügige Fertigstellung des Manuskripts nicht möglich gewesen. Zu danken habe ich außerdem Herrn Prof. Dr. Christoph Levin für seine Förderung und die vielen anregenden Diskussionen in München. Gemeinsam mit Herrn Privatdozenten Dr. Reinhard Achenbach hat er es mir ermöglicht, als Hebräischtutorin zu arbeiten. Dafür sei auch Reinhard Achenbach herzlich gedankt. Ihm und den anderen Münchner Doktoranden und Habilitanden danke ich ferner für die vielen Gespräche innerhalb und außerhalb des Doktorandenkolloquiums. Hier denke ich besonders an Herrn Privatdozenten Dr. Martin Arneth und an Herrn Dr. Reinhard Müller. Der gleiche Dank geht an die Mitglieder des Jenaer Doktorandenkolloquiums, vor allem Herrn Prof. Dr. Jürgen van Oorschot, Herrn Privatdozenten Dr. Alexander A. Fischer und Herrn Dr. Michael Rohde.

6

Vorwort

Ich danke der Studienstiftung des Deutschen Volkes für ein Promotionsstipendium sowie für ein Stipendium während meiner Studienzeit. Herrn Prof. Dr. Matthias Köckert und Herrn Prof. Dr. Dietrich-Alex Koch danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe "Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments". Für Unterstützung beim Druckkostenzuschuß möchte ich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland herzlich danken. Herr stud. theol. Rambn Seliger war beim Lesen der Korrekturen behilflich. Nicht zuletzt danke ich den Mitarbeiterinnen des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht, Frau Eva Jain, Frau Tina Bruns und Frau Renate Hartog für die gute Zusammenarbeit. Der gleiche Dank geht an die Praktikantin Frau Lydia Cyriax. Göttingen und Jena, im Februar 2006

Susanne Rudnig-Zelt

Inhalt 1. Einleitung

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2. Zur Buchgenese des Hoseabuches: Ein Überblick über Modelle und Methoden 2.1 Die Forschung des 19. Jh. 2.2 Die Literarkritik des frühen 20. Jh. 2.3 Das Schülermodell 2.4 Das holistische Modell 2.5 Das Schichtenmodell 2.5.1 Die frühen Schichtenmodelle 2.5.2 Die Schichtenmodelle seit den 80er Jahren 2.6 Fazit

15 15 18 20 28 32 32 35 42

3. Methodische Erwägungen und Folgerungen

44

4. Israel und Ephraim Buchinterne Diskussionen im Hos-Buch 4.1 Ephraim 4.2 Israel 4.2.1 "Israel" als Staatsbezeichnung 4.2.2 Institutionen, Orts- und Landschaftsnamen 4.2.3 "Israel" in Verbindung mit Hinweisen auf Geschichtsereignisse 4.2.4 Aussagen über "Israel" im Horizont des Gesamtvolkes 4.2.5 Zwischenfazit und weitere Überlegungen 4.3 Die Ephraimbildworte 4.4 Fazit 5. Die Abfolge der buchinternen Diskussionen in Hos 1-3 5.1 Hos 3 5.1.1 Der König David (Hos 3,5) 5.1.2 Hos 3,1-4 5.2 Hos 2 5.2.1 Hos 2,1-3 5.2.2 Hos 2,4-25 und die "Abfall-Umkehr"-Thematik

48 49 55 57 57 63 65 66 68 71 73 73 73 75 77 77 79

8

Inhalt

5.3 Hos 1 5.3.1 Hos 1,2b-9 5.3.2 Die Jesree1-Texte (Hos 1,5; 2,2; 2,23f) 5.4 Fazit 6. Die älteste Einleitung des Hos-Buches 6.1 Hos 1,1 und 1,2a 6.2 Hos 5,lf 6.2.1 Die Schichtung von Hos 5,lf 6.2.2 Die Zusätze in Hos 5,lf 6.3 Hos 4,1-3 6.3.1 Die Schichtung von Hos 4,1-3 6.3.2 Die Datierung von Hos 4,labcx.2a 6.3.3 Hos 4,2b.3 als Nachträge zu Hos 4,labcx.2a 6.4 Fazit 7. Die Überschrift Hos 5,1 * und die dazugehörige anonyme Spruchsammlung 7.1 Hos 6,8-7,3 7.1.1 Die Forschungslage 7.1.2 Hos 6,9 und 7,3 als Grundbestand von Hos 6,8-7,3 7.1.3 Zum Alter und zum theologischen Hintergrund von Hos 6,9; 7,3 7.2 Die weitere Wachstumsgeschichte von Hos 6,8-7,3 7.2.1 "Samariapolemik": Hos 6,8.10b; 7,la'~ 7.2.2 Eschatologisierende Zusätze: Hos 6,l1a; 7,lb 7.2.3 Verschärfte "Samariapolemik": Hos 6,l1b; 7,lacx (,?~,rtJ''? ,~t1':::l) 7.2.4 Hos 7,lacx (,?~,rtJ''? ,~t1':::l) im Zusammenhang mit den übrigen Aussagen über ein Heilen Jahwes im Hos-Buch 7.2.5 ,Junge" und "jüngste Samariapolemik" und Samaritanisches Schisma 7.3 Hos 5,8-14 7.3.1 Die Forschungslage 7.3.2 Hos 5,8-14 - Analyse 7.3.3 Hos 5,10a 7.3.4 Hos 5,9b.12-14; 5,15; 6,1-3 "Abfall-Umkehr"-Texte in Hos 4-14 7.3.5 Samaria als Fremdvolk: Hos 5,8.9a 7.3.6 Eine Chance für Samaria? - Hos 5,l1a.11b

85 85 95 98 100 101 108 108 117 120 120 124 130 132

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154 156 157 159 162 165 167 173 175

Inhalt

7.4 "Priesterkritische" Texte im Hos-Buch 7.4.1 Hos 5,1*.10a; 6,4b.9; 7,3 als sog. "priesterkritische" Texte 7.4.2 Das Verhältnis von Hos 5,1*; 6,4b zu Hos 5,10a 7.4.3 Propheten als Opfer - Hos 9,8 7.4.4 Jahwes strafendes Eingreifen - Hos 5,10b; 6,10a; 7,2 7.4.5 Kultkritik im Hos-Buch Die Entstehung von Hos 4 7.4.6 Hos 10,1-4 Unterschiedliche Stimmen zum Verlust des Königs 7.4.7 Die "priesterkritisch" redigierte Textfolge und ihre Parallelen in anderen alten Bestandteilen des Zwölfprophetenbuches 7.5 Fazit

9

178 178 178 179 184 186 200

206 208

8. Hos 6,9; 7,3-7 - Der chaotische Bäcker 8.1 Die Forschungslage 8.2 Analyse 8.2.1 Hinweise auf Nachträge in Hos 7,3-7 8.2.2 Hos 7,4 8.2.3 Hos 7,5a 8.2.4 Hos 7,5b 8.2.5 Hos 7,7b 8.3 Fazit 8.4 Die Schichtung von Hos 6,9; 7,3-7.8b im Überblick

212 214 216 216 219 224 226 226 228

9. Die Anfänge des Hos-Buches 9.1 Analyse zu Hos 7,8-12 9.2 Hos 7,10 9.2.1 Hos 7,10a 9.2.2 Hos 7,10b 9.3 Hos 7,8 9.3.1 Hos 7,8b 9.3.2 Hos 7,8b und Jes 28,lacx.b*.3 Zwei Bildworte gegen Ephraim 9.3.3 Hos 7,8a 9.4 Hos 7,9 9.4.1 Hintergrund und Verständnis von Hos 7,9a und 9b 9.4.2 Entstehung und Datierung von Hos 7,9a und 9b 9.5 Hos 7,11

231 231 233 233 235 238 239

230

240 243 244 244 246 248

10

Inhalt

9.5.1 Hos 7,lla 9.5.2 Hos 7,llb 9.5.3 Hos 12,2b als Pendant zu Hos 7,llb 9.6 Hos 7,12 und verwandte Texte 9.7 Fazit 9.8 Die Schichtung von Hos 7,8-12 im Überblick

249 250 252 253 257 259

10. Ergebnisse - Die Genese des Hos-Buches 10.1 Älteste Texte 10.2 Sammlungen und erste Kommentare 10.3 Die "priesterkritische" Bearbeitungsphase 10.4 Die Einschaltung ins Zwölfprophetenbuch 10.5 Die "Abfall-Umkehr"-Texte 10.6 "Samariapolemik" und andere späte Zusätze 10.7 Zum Beschluß 10.8 Überblick: Das Wachstum des Hos-Buches

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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

279

Bibelstellenregister (in Auswahl)

305

1. Einleitung In den gängigen Einleitungen und Lexikonartikeln wird das Hoseabuch 1 als ein Prophetenbuch eingestuft, das in seinem Kern auf die Sprüche des Propheten Hosea ben Beeri zurückgeht. Dieser Prophet sei ein Bewohner des Nordreichs Israel gewesen. Seine Sprüche, die einen Großteil des jetzigen Hos-Buches ausmachten, beträfen diesen Staat und seien in den letzten Jahrzehnten vor dessen Untergang 722 v.Chr. entstanden. Diese Auffassung wäre aber nur zu halten, wenn die Überlieferung des Buches den Propheten eindeutig als Angehörigen des Nordreichs gekennzeichnet hätte. Das ist jedoch nirgends der Fall. Auch müßte eine größere Anzahl von Texten des Hos-Buches ihren theologiegeschichtlichen Hintergrund in der Zeit vor 722 v.Chr. haben. Auch dies trifft nicht zu. Das Buch erwähnt weder Hoseas Auftrittsort noch seine Herkunft. Seit dem 19. Jh. werden trotzdem im wesentlichen folgende Argumente dafür, daß Hosea aus dem Norden kommt, vertreten: 2 Man behauptet zunächst, daß sich das Buch nur mit Orten aus dem Norden beschäftige, und zwar besonders Samaria und Bethel, während Jerusalem niemals genannt werde. Doch diese Perspektive ist zu einseitig. Schon früh in der Forschungsgeschichte werden offensichtliche Erwähnungen Judas registriert, die der Erklärung bedürfen (z.B. 1,7; 4,15; 6,l1a). Dazu kommen benjaminitische Orte (Mizpa in 5,1; Gibea und Rama 5,8), die politisch zum Südreichjuda gehörten, und schließlich sogar der Jerusalemer Tempel (z.B. 8,1; 9,4.15).3 Sodann will man im Hos-Buch ein präzises Wissen über politische Vorgänge im Norden finden. Prüft man jedoch die Texte im einzelnen, so erweisen sie sich als "masterfully obscure" und "tantalizingly allusive".4 Sie bieten keine Informationen, die einem Zeugen aus nächster Nähe vorbehalten gewesen wären oder beziehen sich nicht zwingend auf Ereignisse in der Geschichte des Nordreichs. Hos 7,7b spricht beispielsweise davon, daß Könige fallen. Von der Formulierung des Verses her könnte man durchaus an das Ende Zedekias und Josias von Juda denken.

1 Im folgenden bezeichnet "Hosea" den historischen Propheten, während mit "Hos" oder "Hos-Buch" auf das Buch verwiesen wird. Das gleiche gilt vice versa für andere Propheten. 2 So z.B. A. Wünsche, Prophet Hosea, Vff; K. Marti, KHC 13,2; J.L. Mays, Hosea, H; J. Jeremias, Hoseabuch, 587. 3 S.u., 4.2.2. 4 F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 35.

12

Einleitung

Zuletzt gilt der oft schwer erschließbare Sprachgebrauch des Buches als Spur eines Nordreichdialekts. 5 Allerdings kann Macintosh keine Hinweise auf Elemente der Nordreichsprache finden, wie sie von zeitgenössischen epigraphischen Zeugnissen bekannt sind. Er ermittelt in Hos letztendlich eine Sprachform, die, abgesehen von Eigenprägungen, dem judäischen Sprachgebrauch erstaunlich nahesteht. 6 Was den theologiegeschichtlichen Hintergrund betrifft, gibt es im HosBuch eine Fülle von Texten, die eine spätere zeitliche und theologiegeschichtliche Verortung erfordern als die zweite Hälfte des 8. Jh. Dies betrifft von der Forschung als zentral eingestufte Aspekte des Buches, z.B. die distanziert-kritische Betrachtung des kultischen Betriebs.l So verbinden Hos 4,7; 8,l1a; 10,1 den Begriff :l,8/:-T:l, Hiphil mit Altären oder Priestern. Der Vorwurf einer Vielzahl von Priestern und Altären ist erst vom Gebot der Kultzentralisation her verständlich, so daß diese Stellen an die entsprechende dtn. Forderung denken lassen. Es gibt dagegen keine Hinweise auf eine Kultzentralisation im 8. Jh. Folglich spiegeln diese Hos-Texte frühestens die Zeit während und nach der josianischen Reform. Auch die Rede von Baalen (plur.! Vgl. Hos 2,15.19; 11,2) hat im Alten Testament nur dtr. und jüngere Äquivalente, z.B. Jdc 2,11; 3,7; 10,6; I Sam 7,4; I Reg 18,18; II Chr 17,3; 28,2. Ferner setzt diese Kritik an der Baalsverehrung (vgl. auch Hos 2,10; 13,1) das Erste Gebot voraus, also eine theologische Entwicklung der Zeit nach dem Untergang Jerusalems 587. 9 Alle Versuche, hier einen Zwischenschritt in der theologischen Reflexion zwischen unreflektiertem Synkretismus und Monolatrie zur veranschlagen,10 nach der "Baal" in Hos als Chiffre für einen verfehlten Jahwekult steht, führen nicht zu einer plausiblen theologiegeschichtlichen Verortung der Texte. Nach Jeremias bietet Hos die maximale Abstraktion des Begriffes "Baal".l1 Dann aber fällt auf, daß die Deuteronomisten den Begriff viel

5 So z.B. H.S. Nyberg, Studien, 12; W. Rudolph, KAT nil, 20f; ].L. Mays, Hosea, 5. 6 A.A. Macintosh, lee, LIIIff; so auch F.I. Andersen/D.N. Freedrnan, AncB 24, 67. Einige Beispiele, die Macintosh für den Niederschlag eines Nordreichdialektes hält, stellen keinen grammatischen Sonderfall dar, sondern eine Anspielung auf jüngere Texte, so beispielsweise C'l1lr in 1,2b (A.A. Macintosh, lee, LVI). S.u., 5.3.1. 7 Vgl. z.B. R. Albertz, Religionsgeschichte Israels, 97ff; R.G. Kratz, Erkenntnis Gottes, 21ff. 8 Das C:11:l in Hos 4,7 kann man als Nomen :11 oder als Inf.cs. von :1:11 auffassen, so mit W. Rudolph, KAT 1311, 98. 9 So mit]. Pakkala, Intolerant Monolatry, 224ff; E. Aurelius, Ursprung, 4ff. Selbst wenn man mit älteren Fassungen des Ersten Gebots rechnet, gehören diese in die nachhoseanische Zeit (z.B. R. Albertz, Ort des Monotheismus, 78.86; L. Schwienhorst-Schönberger, Das Bundesbuch, 316fQ. 10 So z.B. R.G. Kratz, Erkenntnis Gottes, 11ff, zu weiteren Positionen mit dieser Stoßrichtung vgl. H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 9ff. 11 ]. ]eremias, Der Begriff "Ba'al", 444ff.

Einleitung

13

konkreter einsetzen. Die Texte über Baal in Hos müssen also jünger sein als entsprechende dtr. Aussagen. Nicht zuletzt wird neuerdings hinterfragt, ob die literarische Gattung "Prophetenbuch", überhaupt vor der Katastrophe von 587 v.ehr. entwikkelt war. t2 Jedenfalls spiegelt der jetzige Aufbau des Hos-Buches ein fortgeschrittenes Entwicklungsstadium dieser Gattung, beispielsweise, was den wiederholten Weg vom Unheil zum Heil betrifft, der im Buch vollzogen wird (Hos 1,1-2,25; 3,1-5; 4,1-6,3; 6,4-11,11; 12,1-14,9). Nach allem ist schwer sicherzustellen, daß das Hos-Buch Sprüche enthält, die eindeutig aus der Perspektive eines Nordreichpropheten vor 722 gesprochen worden sind. Vielmehr ist unübersehbar, daß große Textanteile erst nach 722 erstellt wurden. Sind sie nach dem Untergang des Nordreichs verfaßt, müssen sie im Südreich entstanden sein. Das bedeutet, daß zumindest ein großer Teil von Hos, wenn nicht sogar das gesamte Buch, aus Juda stammen dürfte. Für eine Herkunft des Hos-Buches aus dem Süden spricht, daß Juda in diesem Buch weniger kritisch beurteilt wird. 13 Eine gewisse Bevorzugung Judas drückt sich nicht nur in nachgetragenen Einzelversen wie 1,7 aus, der nach allgemeinem Konsens zu einer judäischen Bearbeitung gehört. Juda wird vielmehr gezielt aus den radikalsten Anklagen des Buches herausgehalten. Zwar gibt es auch Texte, die Juda scharf kritisieren (z.B. 5,12f); aber allein Ephraim, d.h. dem Norden, wird vorgeworfen, daß seine Bevölkerung das Heilshandeln Jahwes ignoriere (z.B. 7,13-16; 11,3b). In ihrer Zuspitzung auf Ephraim implizieren die entsprechenden Texte, daß für eine entsprechende Kritik an Juda kein Anlaß besteht. Nach allem ist die Frage nach Herkunft, Alter und Genese des HosBuches sowie nach den ältesten Texten neu und unvoreingenommen aufzurollen. Zu Beginn soll ein ausführlicher Forschungsbericht (2) dazu dienen, umfassend über den Stand der Forschung zu informieren und weitere offene Einzelfragen vorzustellen. Aus diesem Forschungsbericht ergeben sich Konsequenzen für das methodische Vorgehen, die im folgenden Kapitel vorgestellt werden (3). Als Einstieg in die Untersuchung des Buches soll die Frage geklärt werden, in welchen Texten von Hos 4-14 jeweils welche Teilgröße des Volkes (Nord oder Süd oder beide) Ziel von Kritik und Heilszusagen ist (4). Es wird sich ergeben, daß in Hos 4-14 Geschick und Verhalten des Gesamtvolkes in Nord und Süd genauso intensiv diskutiert 12 Zur Entwicklung der Gattung .Prophetenbuch" im Zusammenhang mit Versuchen, die Katastrophe von 587 zu bewältigen vgl. K.-F. Pohlmann, Erwägungen, 337ff. 13 So bereits Maurer Mitte des 19. Jh. (zitiert nach A. Wünsche, Prophet Hosea, VI).

14

Einleitung

werden wie die Geschichte des Nordens allein. Es liegen sogar etliche Texte vor, die sich nur mit judäischen Problemen befassen (z.B. 5,10; 8,1-3*; 12,3_5).14 Die Auseinandersetzung mit dem Norden edolgt oft unter Verwendung des spezifisch judäischen Begriffes "Ephraim" (z.B. Jes 7,2.5.8f; 9,8; 11,13;Jer 7,15; 31,9; Sach 9,10.13) , d.h. aus einer judäischen Perspektive heraus. Dies spricht für die Vermutung, daß diese Texte in Hos nicht aus dem Norden stammen. Anschließend folgen die entsprechenden Untersuchungen für Hos 1-3 (5), wobei gleichzeitig die drei Kapitel in Bezug auf Schichtung und zeitliche Verortung analysiert werden. In diesem Arbeitsschritt werden die Berichte über den Propheten Hosea (Hos 1; 3) bezüglich ihres Quellenwerts als Nachrichten über sein Leben unter die Lupe genommen. Es wird sich herausstellen, daß Hos 1-3 erst spät vor Hos 4-14 verankert wurden. Lediglich Hos 1,1 oder 1,2a könnten bereits einen älteren Bestand in Hos 4-14 eingeleitet haben. In Kapitel 6 geht es um die Beantwortung der Frage, ob die Überschriften Hos 1,1 oder 1,2a oder 4,1-3 oder 5,lf ursprünglich Hos 4-14 eingeführt haben. Außerdem werden ihre Entstehungszeit und der theologiegeschichtliche Hintergrund geklärt. Im Anschluß daran soll aufgedeckt werden, welche Texte auf die älteste dieser Überschriften ursprünglich folgten (7). Schrittweise führt von da aus der Weg zurück zu den ältesten Texten im Hos-Buch (8; 9). Ein Schlußkapitel (10) stellt das Wachstum des Hos-Buches von den Anfängen bis zu den jüngsten Zusätzen im Zusammenhang dar. Das Hos-Buch enthält ohne Frage eine Fülle theologischer Spitzentexte. Theologische Aussagen wie in Hos 11 über Jahwes unendliche Liebe zu Israel haben im Alten Testament nicht ihresgleichen. In der alttestamentlichen Wissenschaft hat das Buch insofern einen wichtigen Stellenwert, als man häufig mit Verweis auf Hosea und seine Verkündigung in der zweiten Hälfte des 8. Jh. v.ehr. auch das hohe Alter wichtiger Theologumena wie des Ersten Gebots zu belegen versucht hat. Der Prophet Hosea wird in diesem Zusammenhang als Vorläufer des Deuteronomiums bewertet. 15 Doch ist fraglich, ob man damit dem Hos-Buch und seinen Texten gerecht wird. Eine so hoch reflektierte Theologie erklärt sich besser als Summe der Gotteserfahrung Israels in der Spätzeit.

14 S.u., 4.2.2; 7.3.3 und 7.4.5.3. 15 Vgl. z.B. H.W. Wolff, BK.AT 14/1, XXVIf; R. Smend, Entstehung, 80f.171; J. Jeremias, Hoseabueh, 594; T. Naumann, Hoseas Erben, 1M.

2. Zur Buchgenese des Hoseabuches:

Ein Überblick über Modelle und Methoden Diese Übersicht über Forschungspositionen der letzten einhundertfünfzig Jahre widmet sich vorrangig Modellen der Buchgenese. Es fällt auf, wie stark die Hos-Forschung bis heute trotz einiger kritischer Impulse an der zeitlichen und inhaltlichen Nähe von Prophet und Buch festhält.

2.1 Die Forschung des 19. Jh. In der Forschung des 19. Jh. wird das Hos-Buch als nahezu einheitliches Werk gesehen. Es besteht Konsens darüber, daß das Buch von vornherein schriftlich vorlag, und daß der Prophet selbst als Verfasser gelten muß. Keil behauptet in Übereinstimmung mit den meisten seiner Zeitgenossen, der Prophet fasse in dem Buch als alter Mensch die Hauptgedanken aus seinen Reden zusammen, und erstelle sozusagen eine Quintessenz seines Wirkens. 1 Die Parallele zum Ezechielbild dieser Zeit, nach dem Ezechiel im Alter als Gesetzgeber und Seelsorger sein Buch schreibt, fällt ins Auge. 2 Solchen Vorgaben entsprechend, neigt die Forschung wenig dazu, sekundäre Zusätze auszuscheiden. Dennoch muß sie bereits in dieser frühen Phase für einige Schwierigkeiten, Aporien und Widersprüche des Buches eine Lösung finden. In erster Linie fallen in Hos, und besonders in den Reden c. 2; 4-14 die abrupten Wechsel hinsichtlich Sprecher, Stil und Thema auf. Dies wird damals durch den Charakter und das Erleben des Propheten Hosea erklärt. Er erleide das Unheils geschick Israels inwendig mit, reiße in innerer Erregung seine Gedanken nur knapp an und könne auf heilvolle Töne nicht verzichten. Stärkere Spannungen (z.B. die Heilsworte in Hos 2,1-3 im Gegensatz zu den Gerichtsansagen und Schuldaufweisen 1,9; 2,4-15) löst man gerne durch Textumstellungen auf. Hitzig nimmt beispielsweise an,

1 C.F. Keil, BC 3,4, 16f; G.S. Preiss, Vatkes Historisch-kritische Einleitung, 674; H. Ewald, Propheten, 125; A. Wünsche, der Prophet Hosea, XXXIVf. Ewald beobachtet in Hos etwas tiefere Brüche, aus denen er folgert, daß der Prophet seine Arbeit am Buch gelegentlich unterbrochen hat (propheten, 128). 2 K.-F. Pohlmann, Ezechiel, 86ff.

16

Porschungsbericht

daß I-Ios 2,1-3 ursprünglich hinter dem Heilswort 2,25 stand. 3 Es bleiben jedoch Brüche im Buch, die eine ausführlichere Nachfrage erfordern. Diese betrifft die Judabezüge in Hos (z.B. 1,7)4 und die Überschrift (1,1). Hos 1,1 wird von vielen damaligen Forschern nicht als zuverlässige Angabe eingeschätzt. Schon der lange Zeitraum von 90 Jahren Prophetenwirken, der kaum zur damaligen und heutigen Lebenserwartung paßt, fordert zu kritischen Überlegungen heraus sowie zu Versuchen, diesen Zeitraum anhand der Anspielungen in den Texten einzugrenzen. Keil errechnet zwar eine Wirksamkeit von 60-65 Jahren für Hosea, gerät aber mit dieser Position gegen Ende des 19. Jh. zunehmend in die Isolation. Immer mehr Forscher finden in den Texten gegen ihn Hinweise für ein kürzeres Wirken. Wünsche beschränkt beispielsweise den Wirkungszeitraum des Propheten auf die Zeit zwischen der Regierung Jerobeams 11. (Hos 1,4) bis zum Tribut des Menahem an Tiglatpileser III. (Hos 10,6f). In der Diskussion über den Wirkungszeitraum des Propheten Hosea wird zunächst meist für die Zeit zwischen den letzten Jahren Jerobeams 11. und dem syrisch-ephraimitischen Krieg plädiert. 5 Erst Alts Vorstoß von 1919 wird hier für eine Verschiebung in etwas jüngere Zeit sorgen, so daß das Wirken Hoseas kurz vor dem Untergang Samarias 722 geendet haben sol1. 6 Diese Position hält sich bis in die Gegenwart. Weiteren Anstoß erregt die Tatsache, daß Hos 1,1 Jerobeam 11. als einzigen Nordreichkönig neben vier Südreichkönigen aufführt, obwohl Hosea als Bewohner des Nordreichs gesehen wird. Auch die Ähnlichkeit von Hos 1,1 und Jes 1,1 wird erkannt. Deshalb betrachtet Wünsche die gesamte Überschrift als unecht. Hitzig veranschlagt in Hos 1,1f deutliche Nachträge.

3 K.·P. Pohlmann, Ezechiel, 86ff; C.F. Keil, BC 3,4, 15; A. Wünsche, Der Prophet Hosea, XXVIIff; H. Ewald, Propheten, 122f. Die Annahme eines leidenschaftlichen Propheten Hosea, dessen Temperament eine sprunghafte Redeweise bedinge, spielt noch für die Vertreter der Literarkritik von der Jahrhundertwende bis in die Zwischenkriegszeit eine Rolle, z.B. Wellhausen, Israelitische und jüdische Geschichte, 113ff; A. van Hoonacker, Petits Prophetes, 6f; T.H. Robinson, HAT 14, 2f; E. Sellin, KAT 12, 9f. Diese Tradition bleibt in der angelsächsischen Exegese lebendig Mays, Hosea, Hf; A.A. Macintosh, ICe, LXIIIf~, nachdem sie im deutschsprachigen Raum durch die Skepsis von Rudolph weitgehend zurückgedrängt wurde (KAT 13/1, 22f~. Die Textumstellung zur Auflösung von Spannungen bleibt ebenfalls in Gebrauch. Wellhausen versetzt beispielsweise 9,16 direkt hinter 9,11 (Kleine Propheten, 17). Erst seit den 20er Jahren gerät dieses Mittel außer Gebrauch, weil nun die grundsätzliche Zuverlässigkeit des masoretischen Textes vertreten wird. 4 H. Ewald, Propheten, 118ff; C.F. Keil, BC 3,4,7ff; ebenso A. Kuenen, Einleitung, 311. 5 A. Kuenen, Einleitung, 312ff; K. Marti, KHC 13, 3f, der allerdings nicht mit einem Wirken Hoseas zur Zeit Jerobeams H. rechnet; W. Nowack, HK 3/4, 3ff; J. Wellhausen, Kleine Propheten,96f. 6 Zu Alts Hypothese im einzelnen s.u., 7.3.1.

a.L.

Die Forschung des 19. Jh.

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Diese Skepsis gegenüber der Echtheit von Hos 1,1 setzt sich durch. Hos 1,1 gilt bei fast allen Forschern des 19. Jh. als zumindest teilweise unecht. 7 Die Forschung bis ca. 1900 ist von der selbstverständlichen Erwartung geprägt, im Hos-Buch unmittelbar auf den Propheten Hosea und seine Botschaft zu stoßen. Inhaltliche Spannungen, beispielsweise zwischen Heils- und Unheilsworten, beeinträchtigen dieses Zutrauen kaum. Allerdings registriert die Forschung erstmals Texte, die schlecht mit einem Propheten aus dem Nordreich vereinbar sind oder seine zeitliche Verortung erschweren. Auf diese Weise zeigt sich in der weitgehend vorkritischen Diskussion dieser Epoche eine kritische Unterströmung. Zwar wird nur im Fall von Hos 1,1 ein Text für sekundär erklärt. Es werden aber bereits Fragen angerissen, die die künftige Forschung beschäftigen werden, beispielsweise die Frage nach der hoseanischen Herkunft der Judastellen. Eine noch kritischere Haltung manifestiert sich in zwei Alternativansätzen: Graetz und Day. Graetz schreibt im Jahr 1875 Hos 4-14 einem anderen Propheten zu als Hos 1-3, so daß erstmals weite Teile des Buches als nichthoseanisch gelten. Hos 1-3 sei noch zur Zeit Jerobeams 11. entstanden, und Hosea ben Beeri habe diesen Buchteil verfaßt. Hos 4-14 dagegen stamme von einem unbekannten Propheten aus den letzten Jahren des Nordreichs. Graetz begründet dies mit inhaltlichen und stilistischen Unterschieden. So deckten beide Buchabschnitte unterschiedliche Vergehen auf. In Hos 1-3 gehe es nur um kultischen Abfall, in Hos 4-14 um Mißbräuche in allen Lebensbereichen. 8 Graetz beobachtet damit erstmals die Differenzen zwischen Hos 1-3 und Hos 4-14 und zieht literarkritische Konsequenzen. In dieser Radikalität ist ihm zwar kein weiterer Forscher gefolgt, aber die Frage, wie sich Hos 1-3 und Hos 4-14 zueinander verhalten, bestimmt die Forschungsdiskussion bis in die 80er Jahre. 9 Days Ansatz von 1909/10 unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von denen seiner Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolger. Erstens hält er das Buch nicht für die Summe der Einsichten eines Prophetenlebens und einer langen Predigttätigkeit, sondern für einen Traktat, der in einem Zuge entstanden sei. Zweitens rechnet er nicht mit sekundärem Gut und betrachtet sowohl Heilsworte als auch Judastellen als ursprünglich. Selbst die Überschrift erscheint ihm nicht als Nachtrag. Diese Haltung hängt mit seiner Datierung des Buches zusammen. Er verortet das Hoseabuch in der

7 F. Hitzig, KEH, M; C.F. Keil, BC 3,4 7ff; A. Wünsche, Der Prophet Hosea, IXff; H. Ewald, Propheten, 117.128f. 8 H. Graetz, Geschichte, 85ff.l92ff. 9 S.u., 22ff zu jüngeren Lösungsvorschlägen und deren Schwierigkeiten.

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persischen Zeit und bewertet das Buch als die pseudepigraphe Abhandlung eines Patrioten und Reformers, der seine auswandernden Zeitgenossen und die Gola davon überzeugen wollte, im Lande zu bleiben und J ahwe allein zu verehren. Dabei stehe der Verfasser von Hos unter dtr. Einfluß. Was die Unschärfe der Überschrift betrifft, erklärt sie sich nach Day aus ihrem rückblickenden Charakter und der Absicht, den Propheten, und sei es nur vage, in einer bestimmten Epoche unterzubringen. Deshalb erwähne der Verfasser besonders markante Herrschergestalten der Vergangenheit, wie z.B. Jerobeam 11. und Hiskia. Es komme ihm hauptsächlich darauf an, keine Verantwortlichen für die Zustände im Lande aus seiner eigenen Zeit zu nennen, um sich selbst nicht zu gefährden. lc • Day kann seine Spätdatierung fundiert begründen. Er beruft sich darauf, daß II Reg keinen Propheten namens Hosea erwähne, was angesichts des Interesses der Reg-Bücher an prophetischen Untergangsansagen auffalle. Noch wichtiger sind Days theologiegeschichtliche Beobachtungen. So erkennt er späte Parallelen für den Gebrauch von lI1J:::l im Sinne von "Händler" (Hos 12,8; Jes 23,8; Zeph 1,11; Sach 14,21; Hi 40,30) und stellt eine Reihe von Berührungen mit dtr. Theologie fest, die größtenteils bis heute diskutiert werden. 11 Besonders Days Auffassungen zu 1,2; 4,1.6 und 13,4-6 haben sich in der gegenwärtigen Diskussion bewährt. 12 Utzschneider hat im Jahr 2002 eine mit Days Position vergleichbare Pseudepigraphiethese für Hos 5,8-6,6 vorgestellt. 13 So ist Day ein besonders eindrückliches Beispiel dafür, daß die Forschung des 19. Jh. trotz ihrer oft vorkritischen Sichtweisen viele Ansatzpunkte der späteren Nachfrage vorweggenommen hat.

2.2 Die Literarkritik des frühen 20. Jh. Bereits im 19. Jh. zeichnet sich deutlich die Schwierigkeit ab, die Hos-Texte historisch zu verorten und sie auf eine Prophetenfigur aus dem 8. Jh. zurückzuführen. Diese Fragestellungen werden im frühen 20. Jh. zum Ausgangspunkt kritischer Nachfrage. Es wird jedoch anders als im 19. Jh. immer gebräuchlicher, bei deutlichen Spannungen und Disgruenzen mit 10 E. Day, Book of Hosea, 106ff. 11 Day nennt z.B. den Begriff l"PW (Hos 9,10; Dtn 29,16; I Reg 11,5.7; II Reg 23,13), '::1 (Hos 7,14; Dtn 9,12; 11,16; 17,20) und ;,,~ bezogen auf Jahwe (Hos 14,1; Dtn 1,26.43; 9,7.23). Dtr. sei die AlleinverehrungJahwes (z.B. Hos 13,4; Dtn 5,7; 7,9), ebenso die Befürchtung oder Erfahrung, das Volk könne Jahwe vergessen (z.B. Hos 4,1.6; 6,6; Dtn 6,12; 8,11; 9,23). Auch die Sicht des Abfalls als Hurerei gehöre in die dtr. Sphäre (z.B. Hos 1,2; Ex 34,25; Dtn 31,36; Jdc 2,17; 8,27.33). Vgl. E. Day, Book of Hosea, 112ff. 12 S.u., 2.5.2. 13 H. Utzschneider, Situation, 92ff.

"'0'

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späteren Zusätzen zu rechnen. Programmatisch nimmt dazu Marti 1904 Stellung: "Auch die Sammlung der Reden Hoseas ist nämlich nicht intakt und unvermehrt geblieben, sondern es sind an dieselbe da und dort fremde Elemente geringen und grösseren Umgangs angefügt worden, und viel wichtiger als die Zerteilung des Buches ist die gen aue Ausscheidung der ursprünglichen und sekundären Elemente. ,,14 Besonders Heilsworte und JudasteIlen werden als mögliche Nachträge diskutiert. Bezüglich der Judaerwähnungen vertritt Marti ihren grundsätzlichen Nachtragscharakter, weil sich das Wirken des Propheten allein auf das Nordreich beziehe. Seesemann und Nowack stimmen ihm zu. Die übrigen Forscher bevorzugen eine Entscheidung von Fall zu Fall. Wellhausen nimmt sogar sein früheres, grundsätzliches Votum gegen die JudasteIlen zurück. 15 Großer Konsens besteht darüber, daß die Judatexte 1,7; 6,l1a; 8,14 nicht auf Hosea zurückgehen. Sogar van Hoonacker hält 1,7 und 8,14 für verdächtig. Hos 1,1 gilt durchweg als nichthoseanisch. Auch 4,15 wird mehrheitlich dem Propheten abgesprochen. Was die Heilsworte betrifft, betonen die meisten Exegeten dieser Zeit, daß der Gedanke von J ahwes tiefer Liebe zu seinem Volk und seine eigene mitfühlende Natur bei Hosea verhinderten, daß er die Gerechtigkeit J ahwes so streng wie Amos auffasse. Sie halten aber nur wenige ausgeprägte Heilsworte für hoseanisch. Marti weist darauf hin, daß sie sämtlich das Exil voraussetzten und kompositionell die Abfolge der Unheilsworte störten oder sie inhaltlich abschwächten. 16 Wieder besteht in Bezug auf einige Worte eine große Übereinstimmung. Alle Exegeten werten 14,2-10 als einen jüngeren Nachtrag, ebenso wird 2,1-3 von fast allen nicht mehr hinter 2,25 gestellt, sondern als jüngerer Text identifiziert. Fast niemand spricht sich für die Echtheit des vollständigen 3,5 aus. Doch im Bereich von Hos 2,4-25 beispielsweise besteht kein solcher Konsens. Zusätzlich zu 2,1-3 sehen etwa Duhm und Marti 2,15b-25 als Nachträge, Wellhausen nur 2,18. Die Meinungen zu 5,15-6,3.5b und 11,8-11 sind ebenso unterschiedlich. Während Nowack und Marti die erste Texteinheit für einen späteren Einschub erklären, beläßt Wellhausen sie als hoseanisch. Wellhausen und No·

14 K. Marti, KHC 13, H. A. van Hoonacker, Petits Prophetes, Xf, äußert sich jedoch kritisch gegenüber dieser neuen Bereitschaft, Texte späteren Redaktoren zuzuschreiben. Zwar will er eine Schichtung in den Büchern des Dodekapropheton keinesfalls abstreiten, aber er befürchtet Mißbräuche und Übertreibung. Wo es keine klaren Indizien für einen Nachtrag gebe, müsse den Angaben der Überschrift gefolgt werden. 15 J. Wellhausen, Kleine Propheten, 99; A. Kuenen, Einleitung, 221H; K. Marti, KHC 13, 10f; O. Seesemann, Israel und Juda, 19H; W. Nowack, HK 3/4,10. 16 K. Marti, KHC 13,9; W. Nowack, HK 3/4, Sf; J. Weil hausen, Israelitische und jüdische Geschichte, 114H. Zögernd hier nur A. van Hoonacker, Petits Prophetes, 7.

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wack sprechen sich gegen die Hoseanizität von 11,8(b)-11 aus; Marti und Duhm halten nur 11,10f für jünger. 17 Insgesamt kann die Forschung des frühen 20. Jh. zeigen, daß der Anteil von Nachträgen in Hos erheblich höher liegt, als ihre Vorgänger im 19. Jh. erwartet hatten. Was die Entstehungsgeschichte des Hos-Buches betrifft, bleibt die Forschung der Jahrhundertwende trotz dieser zukunftsweisenden Tendenzen dem vorkritischen 19. Jh. zu stark verbunden. Die Alternativthesen von Graetz und Day zur Buchentstehung werden ohne Begründung übergangen. Der Prophet gilt bei Marti nach wie vor als derjenige, der seine Worte selbst schriftlich zusammengestellt hat. Nach 722 sei das Buch durch Nordreichflüchtlinge ins Südreich gelangt, wo es besonders nachexilisch weiterbearbeitet worden sei. Diese Zusätze seien punktuell von vielen verschiedenen Händen eingearbeitet worden. 18 Die Erkenntnis, daß in Hos etliche Texte aus sprachlichen und stilistischen Gründen nicht vom Propheten Hosea, sondern von späteren Händen stammen, führt also nicht zu einer grundsätzlich neuen Sicht der Buchentstehung. Es besteht noch kaum Interesse an den Verfassern der Nachträge. Erst Willi·Plein wird 1972 programmatisch ihre Aufwertung einleiten.

2.3 Das Schülermodell Das Schülermode1l 19 dominiert die Diskussion über die Entstehung des Hos-Buches von den 20er bis in die 80er Jahre. Kennzeichnend für dieses Modell sind zwei gegenläufige Tendenzen, eine bewahrende und eine kritische. Als "kritisch" kann bezeichnet werden, daß die Bedeutung redaktioneller Arbeit für die jetzige Buchgestalt von Hos in diesen sechzig Jahren immer klarer herausgearbeitet wird. Als "bewahrend" wird bewertet, daß trotz allem von einem großen Grundbestand des Hos-Buches ausgegangen wird. Dieser Grundbestand sei sehr bald nach dem Wirken des Propheten entstanden und bewahre dessen Botschaft nahezu authentisch. Diese Prä-

17 B. Duhm, Anmerkungen, 18ff.36.42; K. Marti, KHC 13, 9f; W. Nowack, HK 3/4, 9f; A. van Hoonacker, Petits Prophetes, 9f; J. Wellhausen, Kleine Propheten, 99ff.115f.127f.133f. 18 K. Marti, KHC 13, 10f. Nowack geht etwas weiter als Marti, indem er verneint, daß Hosea selbst für die Komposition der Worte in Hos 1-3 und Hos 4-14 verantwortlich zeichnet. Dagegen sprächen sowohl das Fehlen einer planvollen inhaltlichen oder chronologischen Anordnung als auch die Tatsache, daß in einigen Kapiteln Redefragmente eingebettet worden seien (z.B. 6,5; 7,3.8; 9,7.10.15; 12,11-13). Nähere Aussagen, wer diese Zusammenstellung vorgenommen hat, macht Nowack nicht (HK 3/4, 9f). 19 Diese Bezeichnung wird gewählt, weil Prophetenschüler als Tradenten der Hoseaworte für dieses Modell eine entscheidende Rolle spielen.

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misse steht für eine Haltung, aus der heraus nur wenige Texte als Nachträge eingestuft werden. Bis in die 60er Jahre wird zunächst das Modell Martis übernommen und modifiziert. Diese Modifikationen betreffen primär die Menge der sekundären Anteile und die Bestimmung der Sammler. Auf den ersten Blick wirkt hier manches wie ein Rückschritt hinter die Positionen von 1900. 20 Seit Sellins Kommentar von 1929 21 gelten die Heilsworte und die Mehrzahl der Judastellen wieder als hoseanisch, so daß die Spannung zwischen Unheilsbotschaft und Heilsworten eingeebnet wird. Auf der anderen Seite zeigen sich Fortschritte, was die genaue Bestimmung der Sammler und vor allem die Erkenntnis von deren Selbständigkeit gegenüber dem Propheten betrifft. Als Sammler identifiziert Sellin erstmals Schüler des Propheten, eine in der Zukunft einflußreiche Hypothese. Für Rudolph ist der Redaktor sogar Judäer, so daß er nicht unbedingt persönlichen Kontakt zum Propheten hatte. 22 Nach Marti ist Wolf! 1961 der erste, der ein grundlegend neues Erklärungsmodell für die Entstehung von Hos entwickelt. In diesem neuen Modell sollen die Schwierigkeiten des Hos-Buches konsequent formgeschichtlich bewältigt werden. Die zahlreichen Brüche insbesondere in Hos 4-14 sollen dadurch erklärt werden, daß dieser Textabschnitt nach einer bestimmten Gattung gestaltet ist. Dies ist die Au/trittsskizze oder kerygmatische Einheit. In diesen Auftrittsskizzen werde der Verlauf eines prophetischen Auftretens quasi protokolliert. Liege in einer solchen Einheit ein inhaltlicher oder sprachlicher Bruch vor, so erkläre er sich im Rahmen dieses Auftritts. Beispielsweise werde die Reaktion der Hörer direkt zitiert (z.B. 9,7), oder der Prophet müsse sofort auf ihre Gegenargumente eingehen (z.B. 7,3-7).23 Diese Auftritte hätten die Anhänger Hoseas festgehalten. Bei ihnen handle es sich um eine levitische Oppositionsgemeinschaft gegen das

20 Eine ähnliche Entwicklung manifestiert sich in der Jer-Forschung, vgl. S. Herrmann, EdF 271, 63ff; O. Kaiser, Grundriß Bd. 2, 69f. 21 Zwar ist die erste Auflage von Sellins Kommentar 1922 erschienen, aber erst in der zweiten Auflage von 1929 hat er seine endgültigen Thesen entwickelt. 22 Es gibt laut Sellin in Hos zwei judäische Redaktionen. Eine dritte Redaktion korrigiere im Sinne des Monotheismus. Sellin beurteilt nur wenige Stellen als größere Glossen: 1,7; 2,10bß; 4,3b.9; 7,10; 9,laß; 12,6; 14,laß.10 (KAT 12, 18ft). Zu Rudolphs Position s. KAT 13/1, 25ff. Robinson rechnet mit zwei Spruchsammlungen (Hos 2; 4-14), in denen aber die Worte Hoseas nur fragmentarisch erhalten seien. Deshalb hätten die Sammler die prophetischen Einleitungsformeln wie die Gottesspruchformel vermieden. Ein Redaktor habe vor diese beiden Sammlungen die Erzählungen 1 und 3 gesetzt (HAT 14, 1t). Der Kommentar von Mays folgt in den Grundlinien der Konzeption von Marti, Rudolph und Sellin. 23 H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 158.20H.

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"offizielle Israel"24 des Nordreiches und insbesondere gegen dessen Kult. Diese Oppositionsgemeinschaft sei ein Vorläufer der dtn. Bewegung. Alle drei Sammlungen von Hoseaworten (Hos 1-3; 4-11; 12-14) seien in diesem Umkreis überliefert worden. 25 Nachdem die drei Sammlungen nach 722 in das Land Juda gelangt seien, habe man sie in diesen dtn.-dtr. Kreisen durch Einzelzusätze weiterbearbeitet. 26 Wann genau die drei Überlieferungsblöcke (Hos 1-3; 4-11; 12-14) vereinigt wurden, bleibt in Woljfs Modell unklar. Vermutlich sei es durch eine dtr. Endredaktion geschehen, die auch 1,1 eingetragen habe. Die Sprache von 1,1 verweise auf dtr. Bearbeiter einer vorexilischen Prophetenbuchreihe, die vielleicht schon im 6. Jh. tätig gewesen seien. 27 In Woljfs Ansatz werden sowohl die kritische als auch die bewahrende Tendenz des Schülermodells deutlich. Was die bewahrende Tendenz betrifft, so bietet bei Wolf! das jetzige Hos-Buch einen nahezu unmittelbaren Einblick in das Wirken des Propheten. Die Nähe des Buches zum prophetischen Sprechakt steigert sich gegenüber Rudolph und Sellin sogar erheblich. Doch können m.E. die Brüche in Hos nicht durch die Hypothese von Auftrittsskizzen erklärt werden. Im Hos-Text wird in keiner Weise angedeutet, daß hier Mitschriften von Prophetenauftritten vorliegen. Die Gegner oder Zuhörer des Propheten, die nach Wolf! immer wieder zitiert werden, werden nirgends erwähnt. Deshalb hat sich Woljfs Modell in der Forschungsdiskussion nicht durchsetzen können. 28

24 H.W. Wolff, Heimat, 243ff. Tatsächlich ist die Kritik am Kult und am Kultestablishment das Anliegen einer wichtigen Konglomeratschicht in Hos, der "priesterkritischen" Texte. Ihr sind große Anteile des Texte zuzuweisen, die Wolff als Hinweise auf diese Oppositionsgemeinschaft auswertet z.B. 6,4b; 9,7f*; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 233ff; S.u., 10.3. 25 H.W. Wolff, BK.AT 14/1, XXIIIff. 26 Es gibt in dieser Phase einige kleinere Zusätze (z.B. 8,14; 11,10). Andere frühe Zusätze erläutern nach Wolff Hoseaworte, indem sie in ihrer Nähe ähnliche Worte zitieren (4,9; 6,10b; 7,10a). Wolff ist der einzige Exeget, der diese Zitat·Verse innerhalb von Hos beschreibt. Wolff rechnet für die Folgezeit mit zwei judäischen Redaktionen, die sich in ihrer Einschätzung Judas widersprechen. Eine erste judäische Redaktion ergänze Heilseschatologie (z.B. 1,7 und den Verweis auf David und das Ende der Tage in 3,5). Ein spätere Redaktion in Juda lehne diese positive Haltung entschieden ab und wende Hoseas Drohungen uneingeschränkt auf Juda an (4,5bß; die Ergänzung von "Juda" in 4,15; 5,5bß; 6,l1a). Vgl. dazu H.W. Wolff, BK.AT 14/1, XXVIIf. 27 H.W. Wolff, BK.AT 14/1, XXVIf. Eventuell geht auch 14,10 auf diese Redaktoren zurück. Zur Bedeutung von 1,1, um das Hos-Buches in eine werdende Prophetenbuchsammlung, das spätere Dodekapropheton zu integrieren s.u., 106f. 28 Allein Balz-Cochois stimmt ihm uneingeschränkt zu (Gomer, 40). Pfeiffer macht dagegen auf ein methodisches Problem in Wolffs Ansatz aufmerksam. Der formgeschichtliche Zugang greife erst, wenn die Einheitlichkeit eines Textes geprüft und bestätigt worden sei, s. Heiligtum von Bethel, 16f. Gegen die Annahme von Auftrittsskizzen s. auch 1. Will i-PIe in, Vorformen, 247.

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Paradoxerweise gewinnen bei Woljf die Prophetenschüler an Gewicht, und zwar allein deshalb, weil sie Hoseas Auftritte "mitschreiben". Hier zeigt sich der kritische Zug des Schülermodells. Nicht zufällig bestimmt Woljferstmals präzise die theologische Ausrichtung der Schüler. Allerdings leuchtet nicht ein, weshalb sich so gewichtige Theologen wie die Vorläufer des Dtn und des Deuteronomismus im Blick auf die Hos-Worte derart passiv verhalten. Man darf nicht übersehen, daß vergleichbare Redaktoren in Jer oder im DtrG sehr viel prägnantere, eigene Spuren hinterlassen. Woljfs Vorstellung der Prophetenschüler als "Protokollanten" ist nicht haltbar und wird in der folgenden Diskussion bald modifiziert. Sodann sind die großen Unterschiede zwischen Hos 1-3 und Hos 4-14 eindeutig Indizien eines sehr viel disparateren Textwachstums in Hos, als die Exegeten im Rahmen des Schülermodells annehmen. Ihre Bemühungen, diese Differenzen zu erklären, führen deshalb in Aporien. So versucht man seit Wolff, Sellin und Rudolph das Problem durch die Hypothese von Teilsammlungen zu lösen. Die Frage, wieso ein und derselbe dtn.ldtr. Trägerkreis so lange getrennte Sammlungen weitergibt und nicht verbindet, kann aber nicht beantwortet werden. Ein weiteres Problem zeigt sich darin, daß viele Anhänger des Modells annehmen, daß von denselben Tradenten früh Wechsel bezüge zwischen Hosea- und Amosworten erstellt wurden. 29 Diese Tradenten hätten demnach die Worte verschiedener Propheten gezielt miteinander in Zusammenhang gebracht, aber gleichzeitig die Worte einund desselben Propheten in völlig separaten Sammlungen tradiert. Das überzeugt nicht. Die Genese des Hoseabuches spielt sich auch nach Willi·Plein größtenteils im Kreis des Propheten und seiner Schüler ab, verläuft aber komplexer als die Verschriftung und Tradierung von Auftrittskizzen. 3o Der Komplexität des Materials versucht sie durch die Annahme vieler kleiner Sammlungen gerecht zu werden (1,2-3,4; 5,8-6,6; 4,1-5,7 und 6,7-9,9; 9,10-11,9; 12,1-15*, 13,1-14,9'~). Diese Sammlungen seien teils mündlich (z.B. 4,1-5,7; 6,7-9,9) teils schriftlich (z.B. 1,2-3,4) entstanden. In einigen Sammlungen beginne die Sammeltätigkeit zu Lebzeiten des Propheten (z.B. 5,8-6,6), andere wie 9,10-11,9 seien dagegen erst nach 722 in Juda zusammengestellt worden. Die letzten Sammlungen 12,1-15* und 13,1-14,9* seien dort zur Zeit Manasses entstanden. Den Schüler- und Sammlerkreis verortet WilliPlein aufgrund von Hos 4,15 in der Nähe der Amostradenten. 31 Die An-

29 Z.B.J.Jeremias, Interrelationship, 173ff.185f; I. Willi-Plein, Vorformen, 251; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, XXVIf. 30 I. Willi-Plein, Vorformen, 247f. 31 I. Willi-Plein, Vorformen, 241ff.251.

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nahme so vieler kleiner Sammlungen, die in einem relativ geschlossenen Trägerkreis existierten, ist aber nicht plausibel. Willi-Plein kann nicht erklären, warum diese vielen Sammlungen nicht von Anfang an zusammengefaßt wurden, wenn ihre Träger zueinander in Kontakt standen. Willi-Plein beobachtet, wie es seit ca. 1900 Konsens ist, eine große Anzahl sekundärer Erwähnungen Judas, nämlich 1,7; 4,15; 5,5; 6,l1a; 8,14; 10,11; 12,1 und 12,3. Wichtiger für den weiteren Verlauf der Forschung ist, daß sie eine große Gruppe von späten Nachträgen erkennt, die stark von außerhoseanischem Textgut im Alten Testament beeinflußt ist (z.B. Hos 2,1-3; 3,5; 4,16; 5,15b-6,3; 7,10; vermutlich 8,14; 11,10f; 12,6; 12,7 und 14,3f). Willi-Plein hat jedoch längst nicht alle entsprechenden Texte eruiert. So wird in Bezug auf Hos 2,4-25 die Frage nach den Parallelen in Jer 3 und Ez 16; 23 gar nicht erst gestellt. Willi-Pleins Ergebnisse sind weiterhin durch ein Datierungsverfahren beeinträchtigt, das von Anspielungen der Texte auf historische Ereignisse ausgeht. Diese sind aber in Hos sehr unspezifisch. 32 Der bewahrende Zug des Schülermodells wirkt sich also bei WilliPlein insofern aus, als bei weitem nicht alles jüngere Textgut als solches identifiziert wird. Auf der anderen Seite gibt es in Willi-Pleins Ansatz deutliche kritische Züge; zu nennen ist hier besonders ihre Wertschätzung der späten Zusätze als legitime Exegese und Uminterpretation der älteren Prophetenworte. Willi-Plein wertet außer den Redaktoren auch die Sammler auf. Sie erkennt erstmals, daß der jetzige Aufbau von Hos durch diese Sammler bestimmt wird. Sie schrieben nicht einfach Verkündigungshandeln mit wie nach WolfJs Ansatz, sondern stellten selbst Spruchfolgen zusammen. Damit ist deutlich, daß die Sammler über die Komposition der Worte deren Rezeption durch die Leser beeinflußten. 33 Genau mit der Frage nach dem Einfluß der ersten Sammler auf die jetzige Gestalt des Hos-Buches, setzt Jeremias 1979 an und entwickelt das bis heute gängige Modell der Hos-Genese. 34 Noch stärker als Willi-Plein hebt er hervor, daß die Tradenten von Anfang an das von ihnen überlieferte Textgut bearbeiteten und somit auch veränderten. Schon die ersten Sammler - man spricht besser von Erstredaktoren - hätten so stark in die ihnen vorliegenden Prophetensprüche eingegriffen, daß diese in Hos 4-14 nicht mehr isoliert werden könnten. Die Erstredaktoren, die Jeremias näher als Schüler des historischen Hosea bestimmt, spitzten die Hoseaworte zu

32 1. Willi-Plein, Vorformen, 117ff. Zur Datierung von 2,4-25 S.u., 5.2.2. 33 1. Willi-Plein, Vorformen, 248f. 34 E. Zenger, Das Buch Hosea, 475f. Auch außerhalb der Hos-Exegese hat Jeremias' Sicht der Redaktoren Anklang gefunden, so z.B. bei M.E. Biddle, Redaction History, 202.

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und kürzten sie sogar. 35 Sie deuteten Hoseas Worte als von Jahwe bestätigt. Ihre Spruchkomposition habe sich von vornherein an judäische Adressaten gerichtet und sei bald nach 722 niedergeschrieben worden. 36 Folglich hat der Prophet nach Jeremias auf die Bucherstellung keinen entscheidenden Einfluß mehr. Hier zeigt sich eine stark kritische Tendenz. Die für das Schülermodell typische bewahrende Haltung spielt bei Jeremias insofern eine Rolle, als diese Erstredaktoren ohne zureichende Begründung in engste zeitliche und theologische Nähe zum Propheten gerückt werden. Jeremias identifiziert die Redaktoren voreilig mit Prophetenschülern. Nur so kann er eine frühe Erstverschriftung des Buches behaupten. Unklar bleibt auch, wie Jeremias zu der Gewißheit kommt, daß Hos hauptsächlich von einem einzigen Redaktorenkreis, den Prophetenschülern, bearbeitet wurde, und nicht von einer Abfolge verschiedener Trägerkreise. Die Spannungen und Brüche im vorliegenden Text werden so nicht berücksichtigt. Auch ist die Annahme von Prophetenschülern nicht unproblematisch. Abgesehen von den Elisasagen, in denen die Schüler nichts mit einer Lehrtätigkeit des Propheten zu tun haben, werden Prophetenschüler nur in Jes 8,16 erwähnt. Dieser Vers ist kaum für das Leben des historischen Propheten Jesaja auszuwerten,37 wie dies für Propheten erzählungen im allgemeinen gilt. 38 Was die späteren Zusätze betrifft, die nach der Arbeit der Schüler von Jüngeren ergänzt wurden, handelt es sich nach Jeremias hauptsächlich um Aktualisierungen für judäische Leser (z.B. 4,10.15; 5,5bß; 6,10-11a; 7,10; 8,lb.6a.14; 9,4b; 10,15a; 11,5b.6b.10; 12,lb.2ay.3a*.5a".6; 13,2aßbcx). Diese Judaergänzungen seien von zahlreichen außerhoseanischen Texten und theologischen Konzeptionen des Alten Testaments beeinflußt. So gebe es markante Berührungen mit Amosworten (Hos 4,15; 7,10; 8,14; 11,10; 12,6).39 Auch klängen beispielsweise Jer und Ez in 4,10; 6,10f und 7,10 an; 35 Vgl. beispielhaft J. Jeremias, Hosea 4-7, 6lff. 36 Hos 12-14 als Worte aus der Spätzeit des Propheten nehmen eine gewisse Sonderstellung in der Spruchüberlieferung ein, wurden aber wohl nicht getrennt überliefert. Dagegen entstand nach Jeremias die Sammlung Hos 1-3 in nachexilischer Zeit. Trotzdem befänden sich hier Anteile, die hoseanisches Gut enthielten (1 "; 2,4-17). Jeremias will dadurch, daß es in Hos 4-14 keine Zusätze in der Art von 2,1-4.23-25 gebe, beweisen, daß beide Sammlungen zur Zeit ihrer Entstehung noch getrennt vorlagen (Hoseabuch, 592). Jeremias' Einschätzung wird sich jedoch als nicht zutreffend erweisen. Hos 2,23-25 und beispielsweise Hos 5,15-6,3 gehen auf eine Schicht zurück, nämlich die "Abfall-Umkehr"-Texte, s.u., 10.5. 37 So auch O. Kaiser, ATD 17, 19lf; U. Becker, Jesaja, 116f. 38 Zum Problem der Prophetenschüler vgl. auch E.S. Gerstenberger, "Gemeindebildung", 47f; M. Nissinen, Prophetie, 23; T. Collins, Mantle, 28 und O. Kaiser, Grundriß Bd. 2, 22. 39 In jüngerer Zeit hat Jeremias seine Sicht der Zusätze, die im Stil Am ähneln, revidiert. Er sieht nun hinter ihnen die Prophetenschüler, die in Juda eine isolierte Lesart des schon existenten Hos-Buches ohne Am verhindern wollten. Gleichzeitig unterbänden die Zusätze nach Am in Hos

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Forschungsbericht

8,lb und 10,15a bedienten sich dtr., 8,6a.14a und 13,2aßba deuterojesajanischer Begrifflichkeit. Ferner zeuge 9,4b vom Einfluß priesterlicher Kreise. 1,7; 2,20.23-25; 4,3; 6,l1b und 11,10 spiegelten Impulse der Spätzeitprophetie auf dem Weg zur Apokalyptik wider. 40 Allerdings werden von Jeremias wie von Willi-Plein längst nicht alle Texte als sekundär ausgesondert, die von später Theologie beeinflußt sind. Die Annahme liegt nahe, daß Jeremias bei der Ermittlung jüngerer Zusätze zu einseitig das inhaltliche Kriterium "Aktualisierungen für judäische Leser" einsetzt. Jeremias' These hat die folgende Diskussion geprägt. Einige Exegeten haben sich explizit Jeremias angeschlossen. 41 Wie Jeremias unterschätzen sie das Ausmaß später Ergänzungen in Hos. Insbesondere ist hier Naumanns Untersuchung von Hos 4-14 aus dem Jahr 1991 zu nennen. Naumann will Willi-Pleins Aufwertung der Zusätze und ihr Interesse an deren Kontextwirkung weiterentwickeln; allerdings steht ihm seine Zurückhaltung im Weg, Hinweise auf eine späte Genese entsprechend auszuwerten. 42 Letztlich werden wieder schwerpunktmäßig Judaergänzungen als sekundär bestimmt, die in vorexilischer Zeit im Mittelpunkt des redaktionellen Interesses gestanden haben sollen (4,5aß; 4,15; 5,5bß; 6,l1a; 8,14; 10,11; 12,lb.3). Außerdem stammten 7,10 und die Komposition 14,2-9 aus dieser Zeit. Daraus schließt Naumann, daß vorexilisch wenig Interesse am Ausbau der hoseanischen Heilsbotschaft bestanden habe. Nach 587 würden 4,3; 6,l1b (nlJW J1W); 9,4b; 11,10; 12,lb.6; 14,4b.l0 ins Buch eingearbeitet. Auffälligerweise gibt es laut Naumann nur einen dtr. Zusatz in Hos, nämlich 8,lb, so daß die Deuteronomisten sich hier sehr zurückgehalten hätten. 43 Mit dieser Position kann er die deutlichen Berührungen von Hos mit dtr. Themen kaum erklären. 44 Darüber hinaus unterschätzt Naumann die

4,15 und 8,14, daß die judäischen Leser als Nichtbetroffene das Hos-Buch aus historischer Distanz läsen (Interrelationship, 173ff). 40 J. Jeremias, Hoseabueh, 591ff. Verglichen mit Willi-Pleins offenem Blick für die vielfältigen Intentionen späterer Zusätze geht J eremias einseitiger vor, indem er nur J udaaktualisierungen annimmt. Jeremias berücksichtigt zu Unrecht das Phänomen der späten, musivischen Passagen nicht. 41 In jüngster Zeit haben sowohl Jeremias selbst als auch Schart und Nogalski begonnen, ausgehend von J eremias' Modell die Genese des Zwölfprophetenbuches als ganzem zu ermitteln. Zu diesen Ansätzen s. S. Rudnig-Zelt, Genese, 358ff. 42 So führt Naumann, Hoseas Erben, 18ff, eine ganze Reihe von Gründen auf, die eigentlich für eine frühestens exilische Herkunft von Hos 4,1-3 sprechen, aber schreibt 4,lf doch wieder den Prophetenschülern zu. Die Parallele Jer 7,9 bleibt unerwähnt. 43 T. Naumann, Hoseas Erben, 9ff. 44 S.o. 12f. Andere Nachfolger Jeremias' gehen davon aus, daß in Hos sehr viel mehr dtr. Zusätze vorliegen. A. Schart, Entstehung, 169ff, nimmt hier z.B. eine regelrechte D-Redaktion an.

Das Schülermodell

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inhaltlichen Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Zusätzen, die es rechtfertigen, über Einzelzusätze hinaus Schichtungen anzunehmen. 45 Emmerson 46 kommt in ihrer Arbeit von 1984 im Gegensatz zu Jeremias und seinen Nachfolgern zu einer völlig neuen Einschätzung der Frage, welche Inhalte in den hoseanischen Kernbestand gehören. Sie spricht dem Nordreichkern von Hos die Heilsworte und die Judaerwähnungen zu. Dagegen stehe hinter der Polemik gegen Nordreichkultorte eine judäische, exilische Perspektive. Der historische Hosea kritisiere nicht die Orte als solche, sondern nur die dort praktizierten Mißbräuche. Hier nimmt Em· merson, ohne dies explizit zu sagen und von der Forschung kaum registriert, einen bedeutenden Perspektivwechsel vor. Sie erklärt die Vorwürfe gegen die Kultorte erstmals nicht mit tatsächlichen Verfehlungen, sondern mit einer theologischen Auseinandersetzung über den Norden, die in Juda stattfindet. 47 Fazit: Im Schülermodell ist eine kritische und eine bewahrende Tendenz festzustellen. Was die kritische Tendenz betrifft, wird immer klarer gesehen, daß nicht der Prophet die jetzige Gestalt von Hos geprägt hat, sondern jüngere Tradenten. Deren Vorgehen wird immer stärker nicht nur als Verschriftung und Tradierung von Prophetenworten und -reden, sondern als Redaktion dieses Textguts beschrieben. Die eigenen theologischen Ansichten der Tradenten gewinnen so an Gewicht, wobei die Bedeutung von Dissens und Widerspruch sowohl innerhalb dieses Kreises als auch gegenüber dem Propheten nicht ausreichend berücksichtigt wird. Auch werden die ersten Tradenten voreilig mit Prophetenschülern gleichgesetzt. Was die bewahrende Tendenz betrifft, konzentriert sich das Interesse zu Unrecht auf die Erstredaktoren oder -verschrifter. Fast der gesamte Textbestand gilt ohne zureichende Begründung als Teil der von den Schülern erstellten ersten Fassung von Hos. Ein Zusatzcharakter wird nur für Texte erwogen, die unmöglich von Hosea oder seinen Schülern stammen

45 T. Naumann, Hoseas Erben, 10f. 46 Zu Recht lehnt Emmerson grundsätzlich ab, Nachträge anhand eines vorausgesetzten Bildes des Propheten und seiner Verkündigung auszusondern. Alternativ schlägt sie zwei Krite· rien vor, um Nachträge zu ermitteln: 1) ihre mangelnde syntaktische Integration und 2) daß sie eine historische Situation voraussetzen, die mit der Zeit Hoseas nicht vereinbar ist (G. Emmer· son, Israelite Prophet, 156f). Das zweite Kriterium führt zur crux der bisherigen Forschung, nämlich daß nur Stellen als potentiell jüngere Texte diskutiert werden, die keinesfalls vom historischen Hosea stammen können. Obendrein verfährt Emmerson in der Anwendung des Prinzips so zurückhaltend, daß sie nicht einmal prüft, ob 11,11 das Exil voraussetzt (Israelite Prophet, 42). Die gleiche Zurückhaltung wirkt sich für das erste Prinzip aus, so daß Emmerson den Personwechsel zwischen 2,16f und 18 nicht beachtet (Israelite Prophet, 25f). 47 G. Emmerson, Israelite Prophet, 159ff.

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können. 48 Folglich bleiben die Kriterien, um Nachträge zu ermitteln, im Schülermodell größtenteils abhängig von einem vorausgesetzten und ungeprüften Bild Hoseas und seiner Verkündigung. 49 Damit hält das Schülermodell an der Vorgabe des vorkritischen 19. Jh. fest, im Hos-Buch seien Hoseas Worte nahezu unmittelbar zugänglich, ohne diese Vorgabe zu beweisen. Nicht zuletzt müssen die meisten Vertreter des Schülermodells die getrennte Entwicklung mehrerer Sammlungen (Hos 1-3; 4-11; 12-14) behaupten, um den Textdifferenzen Genüge zu tun. Dies ist aber in einem engen Schülerkreis, für den keine größeren internen Konflikte veranschlagt werden, nicht plausibel. Es sind für die Genese von Hos außer dem Schülermodell eine Reihe abweichender Modelle entwickelt worden. In ihnen wird der Beitrag der Prophetenschüler zur Buchentstehung deutlich geringer eingeschätzt. Diese Alternativmodelle sind im Folgenden zu sichten.

2.4 Das holistische Modell Der in der alttestamentlichen Wissenschaft verbreitete Trend zu holistischen Modellen,50 wirkt sich auch auf die Hos-Exegese aus. Man geht in diesen Modellen von einer weitgehend einheitlichen Endgestalt des Textes aus. Doch zwingen die großen Brüche und Spannungen in Hos dazu, doch mit Wachstumsprozessen des Textes zu rechnen. Diese werden meist in eine Zeit mündlicher Überlieferung vor der Verschriftung des Buches verlegt. Ein Vorläufer der heutigen holistischen Modelle ist der Ansatz Nybergs aus den 30er Jahren. Hier wird von einer einheitlichen Endgestalt des HosBuches ausgegangen. Nybergs Ansicht nach wurden alle biblischen Bücher bis in die nachexilische Zeit mündlich tradiert und dann erst verschriftet. Folglich gehen Differenzen und Widersprüche auf Verschiebungen in der mündlichen Überlieferungszeit zurück, und die ipsissima verba des Propheten lassen sich aufgrund des kontinuierlichen Prozesses von Weitergabe und 48 So auch M. Nissinen, Prophetie, 23ff. 49 Hängt es mit diesen mangelhaft ausgebildeten Nachtragskriterien zusammen, daß innerhalb des Schülermodells trotz großer Übereinstimmung über die Grundzüge der Buchentstehung nur wenig Konsens darüber zustandekommt, welche Texte nachgetragen sind? Der Konsens reicht nicht weiter als bis zu den "Klassikern" der nachhoseanischen Texte: 1,7; 2,1-3; 4,15; 8,14; 11,10. Auch was die Datierung von Nachträgen betrifft, findet man große Unterschiede. So hält Wolff 11,10 für sehr alt, Jeremias für sehr jung (vgl. jeweils ihre Kommentare z.5t.). 50 So z.B. der großen Kommentar Greenbergs für Ez (s. K.-F. Pohlmann, Ezechiel, 89f) oder der Ansatz Holladays für Jer (s. 5. Herrmann, EdF 271, 115ff).

Das holistische Modell

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Neuinterpretation nicht mehr ermitteln. Was die Entstehung von Hos betrifft, behält Nyberg die Unterscheidung von Hos 1-3 und Hos 4-14 bei. Die Textgruppe Hos 1-3 biete Traditionen, die auf den Hoseakreis zurückgingen, Hos 4-14 enthalte Gedichte des Propheten, die ein Sammler nach Stichwortanschlüssen zusammengestellt habe. In Jerusalem sei es zu einer deutlichen Umformung des Materials gekommen, weil es eschatologisch gedeutet worden sei. Spuren davon ließen sich in beiden Buchteilen nachweisen, z.B. in 3,5 und 6,11. Nyberg geht in zwei Aspekten weiter als die meisten Vertreter des Schülermodells. Sein Modell schafft mehr Raum für in sich nicht kongruentes Textwachstum im Lauf der Entstehungsgeschichte. Nyberg gelingt es so, früher als zeitgenössische literarkritische Ansätze den tiefen Einfluß der Tradenten auf ihre Texte festzuhalten. Er erkennt, daß biblische Texte in der Regel nicht das Werk eines Autors, sondern das Werk theologischer Kreise und Schulen sind. Dieser Verzicht auf einen abendländischen Autorenbegriff behält seine Gültigkeit. 51 Auf der anderen Seite gilt die jetzige Textform uneingeschränkt als einheitlich, da sie ja Nybergs Meinung nach geschlossen in der Spätzeit verschriftet wurde. Nybergs Sicht der Arbeit der Verschrifter setzt jedoch voraus, daß es gelang, den Text mündlich so weit zu fixieren, daß sie ihn wie diktiert festhalten konnten. Diese These überzeugt nicht. Nybergs Parallele aus dem heutigen Orient, nämlich die Koranrezitation aus dem Gedächtnis, leuchtet nicht ein. Immerhin handelt es sich bei dem Koran um einen schriftlich vorliegenden Text, der nach seiner Verschriftung auswendig gelernt wurde. Kreative Interpretationsvorgänge, von denen Nyberg für die alttestamentliche mündliche Überlieferung ausgeht, sind hier von vornherein nicht zulässig. 52 Die Frage, welchen Einfluß die Tradenten auf die Gestalt der Hos-Texte haben, bleibt in der Zeit nach Nyberg umstritten. Utzschneider setzt 1980 wie Nyberg vor der Verschriftung eine Phase mündlicher Tradierung und Umbildung an, nur daß diese seiner Meinung nach sehr viel kürzer ist. Er nimmt an, daß die Reden in Hos ihre Gestalt in erster Linie Hoseas Lehrhaus verdanken, so daß die ipsissima vax kaum erkennbar ist. 53 Schon hier

51 G .A. Yee, Composition, 41ff versucht, einen solchen Autorenbegriff für den Endredaktor wieder einzuführen, weil er nicht als bloßer Sammler arbeite, sondern den Text schöpferisch gestalte. Jedoch beachtet sie nicht, daß es sich bei dem Endredaktor in den allermeisten Fällen nicht um ein Individuum, sondern um einen Redaktorenkreis handeln dürfte. 52 H.S. Nyberg, Studien, 7f. Vgl. G.A. Yee, Composition, 37f zu Ergebnissen der Folkloreforschung, die Nybergs Ansatz entgegen stehen. Außerdem macht Willi-Plein zu Recht geltend, daß eine völlig fixierte Überlieferung als literarisch gelten muß, selbst wenn ihr Medium kein Buch, sondern das Gedächtnis bildet (Vorformen, 2, Anm. 7). 53 H. Utzschneider, Prophet vor dem Ende, 237f.

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wird Nybergs Einsicht in das disparate Wachstum des Buches zu sehr relativiert. Noch weiter gehen in dieser Relativierung Andersen und Freedman. Beide veranschlagen keine in sich uneinheitliche Phase mündlichen Textwachstums mehr, sondern behaupten, die Worte seien bald wortgetreu aufgezeichnet worden. Diese weitere Relativierung hängt mit dem Postulat zusammen, der Text von Hos sei einheitlich, "essentially the work of a single person".54 Dieses Postulat führt bei Andersen und Freedman in Aporien und Widersprüche. So rechnen sie bald damit, Schüler hätten die Worte Hoseas bewahrt, bald damit, daß Buch sei das Werk eines einzigen Autors. 55 Macintosh setzt in seinem Kommentar aus dem Jahr 1997 diese Relativierung Nybergs fort. Er veranschlagt nicht einmal mehr die Beteiligung von Prophetenschülern an der Buchgenese, sondern kehrt zur Position des 19. Jh. zurück, der Prophet habe selbst nach seinem Rückzug aus der öffentl~chen Tätigkeit seine Reden verschriftet. 56 Doch können so die Spannungen und Widersprüche im Hos-Text nicht erklärt werden. Vielmehr kommt es zu wenig überzeugenden Versuchen, diese literarischen Brüche einzuebnen. Letztlich berufen sich diese Versuche wie die vorkritischen Positionen des 19. Jh. auf Persönlichkeit und Erleben des Propheten. So kann Macintosh nur von einer "massive unity"57 in Hos ausgehen, weil er sogar Person wechsel als ein Ergebnis von Hoseas Meditationstätigkeit ansieht. 58 Weil aber im Buch weder vom Charakter des Propheten noch von seinen Erfahrungen wie Meditationen die Rede ist, bleibt ein solches Vorgehen im günstigsten Fall hochgradig hypothetisch. Eine derart streng holistische Sicht der Hos-Genese wie bei Andersen, Freedman und Macintosh leuchtet also nicht ein. Deshalb überrascht nicht, daß die These, Hos sei das Werk eines einzigen Autors, längst nicht von allen jüngeren holistisch orientierten Exegeten vertreten wird. Der holistische Ansatz hat seit den späten 80er Jahren einen großen Aufschwung erfahren durch Arbeiten, die sich dem Metapherngebrauch im Hoseabuch zuwenden (Seifert, Eidevall, Nwaoru, Baumann, Trotter, Keefe). Was ihre Sicht der Buchgenese betrifft, so richten sich diese Ansätze immer wieder nach dem Schülermodell oder blenden Datierungsund Schichtungsprobleme aus und untersuchen den Zustand des Textes in

54 F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 59. 55 F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 52.59. 56 A.A. Macintosh, lee, LXIX. So auch in jüngster Zeit W. Gisin, Netzwerk, 8f. Allerdings geht Gisin noch radikaler vor als Macintosh. Während Macintosh einzelnen Zusätze zugesteht (Iee, LXVff), lehnt Gisin diese Möglichkeit grundsätzlich ab. 57 A.A. Macintosh, lee, LXX. 58 A.A. Macintosh, lee, LXIII. Ähnlich auch W. Gisin, Netzwerk, 21.45, wobei sich Gisin insbesondere auf im Gedächtnis des Propheten ablaufende Prozesse beruft.

Das holistische Modell

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seiner fertigen Fassung. Nur wenige betrachten die Texte fast unterschiedslos als hoseanisch. Bei Seifert gerät der Text sehr ausgeprägt zu einem homogenen Ganzen. Sie unterschätzt interne Entwicklungen, beispielsweise bezüglich der Aussagen, daß Gott heilt (Hos 5,13; 6,1; 7,1; 11,3; 14,5).59 Tratter bestreitet nicht die Existenz von Wachstumsschichten, trägt diesem Sachverhalt aber in keiner Weise Rechnung. Er setzt lediglich voraus, daß eine Endgestalt von Hos in persischer Zeit vorlag, eine Datierung, die angesichts der hochentwickelten Anspielungstechnik des Buches diese Endgestalt zu früh ansetzen dürfte. Am weitesten geht in dieser Hinsicht EidevalI, der Hos 4-14 als gezielte, literarische Komposition betrachtet. Dies schließe eine Vorgeschichte mit durchaus disparaten Wachstumsvorgängen nicht aus, jedoch gehe die Endredaktion auf einen Autor zurück. Das Verhältnis von vielschichtigem Wachstum und einheitlicher Endkomposition bleibt bei Eidevall ungeklärt. Baumann rechnet immerhin mit der Möglichkeit, daß die Ehemetapher aus Hos 1-3 in späteren Kapiteln korrigiert wurde, ohne dies jedoch an den Texten näher auszuführen. 60 Fazit: Gegenüber den literarkritischen Ansätzen bis in die 60er Jahre ist die Wertschätzung der Endversion in der holistischen Methode zu begrüßen. Denn damit rückt die heutige Textform zu Recht als bewußt gestaltete Größe in den Blick, um deren Verständnis es sich zu bemühen gilt. Dieser Aspekt des holistischen Lektüremodells ist in der gesamten exegetischen Diskussion positiv aufgenommen worden. 61 Allerdings gehen die Anhänger des holistischen Ansatzes zu weit, wenn sie die Endgestalt auf eine einheitliche gestaltende Hand zurückführen. Dagegen sprechen nicht zu übersehende Spannungen und Bruchlinien im Text. Diese sind am ehesten als Folgen einer Wachstumsgeschichte erklärbar, sind also Indizien für die Existenz älterer Buchversionen. Sofern sich im holistischen Modell der Blick nur auf die Endversion des Buches konzentriert, bleibt die reiche, vielgestaltige Vorgeschichte und damit die eigentliche Tiefendimensionen der Texte verschlossen.

59 Zu diesem Motiv und seiner Entwicklung im Laufe der Buchgeschichte. s.u., 7.2.4. 60 B. Seifert, Metaphorisches Reden, 250ff; G. Baumann, Liebe und Gewalt, 6lf; G. EidevalI, Grapes, 8ff; J.M. Trotter, Reading Hosea, 9ff.38f. 61 So auch z.B. J. Jeremias, Hosea 4-7, 64ff; G.A. Yee, Composition, 43ff; O.H. Steck, Prophetenbücher, 7ff.

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2.5 Das Schichtenmodell Nach dem Schichtenmodell sind die Hos-Texte in einem langen, schriftlichen Prozeß gewachsen, an dem viele Hände beteiligt waren. 62 Zu diesem Modell gehören etwa die Untersuchungen von Levin, Yee, Nissinen, Wak· ker, Pfeiffer und die Vorüberlegungen von Kratz. Alle diese Ansätze gehen redaktionskritisch vor. Nun wird erstmals das Wachstum des Hos-Buches in einer späteren Zeit als dem 8. Jh. untersucht. Daraus folgt, daß erstmals der Beitrag von Redaktoren zum Buch gesehen wird, die schon aufgrund der zeitlichen Distanz zum historischen Hosea nicht mehr als seine Schüler gelten können. Allerdings sind hier immer noch starke Inkonsequenzen zu beobachten. Nach wie vor werden zu viele Texte als hoseanisch betrachtet und die Nachtragsschichten generell zu früh datiert.

2.5.1 Die frühen Schichtenmodelle Obwohl das Schichtenmodell seit den 80er Jahren eine Blütezeit erlebt, reichen seine Wurzeln weiter in die Vergangenheit zurück.· Erstmals vertreten hat es Riessler 1911, ein zweites Mal geht Wolfe 1935 in dieser Weise vor. Nach Riesslers Meinung bilden Jahwereden in der 3. Person den von Hosea selbst niedergeschriebenen Grundstock (z.B. 4,6-9.11.13; 5,3.8.1lf; 6,7f.l0; 7,lf.7f.11-16; 8,1-10; 9,10-16). Dazu kamen als erstes vorexilische Erweiterungen in der Art von Jeremia (z.B. 1,2-4.6.8f; 4,1-3.15; 5,lf; 6,4-6), danach tröstende eschatologische Texte (z.B. 1,6f; 3,5; 4,10.14-16.19; 5,15; 6,1-3). Eine weitere Schicht ergänze Erläuterungen aller Art (z.B. 1,5; 4,3f.6.9f, 5,4-7.10.13; 6,3.10; 9,2-4.6.9. 14f.17); noch später kämen punktuelle Glossen dazu (so z.B. 1,7; 2,4). Dennoch kann Riessler große Teile des Materials letztlich auf den Propheten zurückführen, indem er behauptet, die Ergänzer schöpften aus Parallelsammlungen. 63 Dagegen löst Wolfe in seiner Untersuchung des gesamten Zwölfprophetenbuches die späteren Schichten aus ihrer Verbindung mit dem Propheten. Er betont, daß der Textanteil der Redaktoren im Zwölfprophetenbuch größer ist als die Textmenge, die auf den jeweiligen Propheten zurückgeht.

62 Die Bezeichnung dieser Gruppe von Forschungsansätzen als .Schichtenmodell" kann sich auf Wolfe berufen, der seinen Vorschlag zur Genese des Zwälfprophetenbuches als .the strata hypothesis" (Editing, 91) bezeichnet. Da dieser Terminus das Wesentliche an dem Modell einfängt, soll er hier verwendet werden. 63 P. Riessler, Zwälfprophetenbuch, 4ff.

Das Schichtenmodell

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Alles in allem erkennt Wolfe im Dodekapropheton 13 Schichten von Ergänzungen, von denen etwa die Hälfte auch in Hos vorkommt. Die ersten Zusätze in Hos bringe der judaistische Hosearedaktor zur Zeit Manasses ein (z.B. 4,9b; 4,10b; 4,12bß; 5,5bß; 6,l1a; 8,14; 9,laßb; 9,3a; 9,17; 12,lb; 12,3; 13,9; 14,laß). Sein Anliegen sei es, nach der Exilierung der Nordreichbewohner für J erusalemer Leser klarzustellen, welchen abscheulichen Charakter der Abfall im Norden hatte. Da die Judastellen in Hos 1-3 jünger seien, lägen dem Redaktor nur Hos 4-14 vor. 64 Wolfe hat hier als erster und bisher einziger in der Forschung erkannt, daß es eine prominente Gruppe von Texten gibt, welche die Nordreichpolemik des vorliegenden Buches verstärkt. 65 Zur Zeit Josias werde die Arbeit an Hos durch den "Anti-Höhenkult-Redaktor" fortgesetzt, der bereits die Kultzentralisation kenne (4,15.19b; 8,11-13a; 9,4f; 10,lb-2.4bß.8a"; 12,12,,).66 Der nächste Bearbeitungsgang, der sich in Hos auswirke, setze spätexilisch ein. Mit ihm wolle man nach der Katastrophe neue Hoffnung vermitteln und orientiere sich dabei an Deutero-Jes und Ez, außerdem an Sach 8. Die Aussagen dieser Schicht hätten universalistische Züge. In Hos fänden sie sich besonders in Hos 1-3, z.B. 2,16-3,5. Da der zuständige Redaktor erstmals in Hos 1-3 und Hos 4-14 arbeite, könne er die beiden Sammlungen verbunden haben. In 4ff gehörten z.B. 5,15-6,3; 6,l1bß-7,laa; 11,8-11; 12,7; 14,2-4aa.5a.6-8 zu diesem Wachstumsabschnitt. 67 Die folgenden Nachtragsschichten in Hos seien kürzer. Ein eschatologischer Redaktor ergänze um 300 v.Chr. 1,5.7aßb; 2,18.20.23f und 4,3. 68 Etwa gleichzeitig mit dem eschatologischen Redaktor arbeite ein Ergänzer, der Polemik gegen Götzenbilder erstelle. Er verfasse Hos 2,10bß; 4,17.19a; 5,l1b; 8,4b-5aa.5b-7a; 9,10b; 10,5.6a.10; 11,2.7; 12,2a.12aa 2 ; 13,1f; 14,4aß.9. 69 Der "Götzenbildredaktor" weiche von der Grundschicht ab, indem er die dortige Kritik an heidnischen Kulten durch Kritik an illegitimen Kultbildern ergänze. Eine besondere Rolle spiele dabei das sog. Kalb von Samaria, das Wolfe als einziger Hos-Forscher einer Bearbeitung zuschreibt. Die Vorstellung eines solchen Kultbildes wurde nach Wolfe aus Haß gegen Samaria entwickelt, wie er sich nach dem samaritanischen Schisma herausbildete. Daß Animositäten gegen Samaria ein wichtiges

64 R.E. Wolfe, Editing, 9lf. 65 S.u., 10.6. 66 R.E. Wolfe, Editing, 92f. 67 R.E. Wolfe, Editing, 93ff. 68 R.E. Wolfe, Editing, 105ff. 69 In Bezug auf einige der Texte, die von Götzenbildern (C'::l~ll) sprechen, geht Pfeiffer bezüglich ihres Nachtragscharakters mit Wolfe (Heiligtum von Bethel, 159ff).

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movens für das Wachstum von Hos darstellen, hat Wolfe erstmals gesehen. Wacker stimmt ihm hierin zu. 70 Der Psalmenredaktor (275-250 v.ehr) habe in Hos nur wenige Zusätze eingearbeitet: 4,11.12ba.14b; 14,10. 71 Im 3. Jh. sei das Hos-Buch im Zwölfprophetenbuch einer Endredaktion unterzogen worden, die frühe Schriftgelehrte durchführten (z.B. 1,1-2a; 8,lf.13; 9,7b-9; 11,5; 12,4.5f.8f10f.13f; 13,4-6; 13,10b). Auf dieser Ebene finde eine großflächige Auseinandersetzung sowohl mit dem Pentateuch als auch mit dem DtrG statt. Spätere Schriftgelehrte trügen noch kleine Glossen ein, die teilweise in der LXX fehlten. In Hos erfolge durch sie z.B. die Änderung von Bethel zu 1'~ n':J (5,8; 4,15; 10,5).72 Wolfes Ansatz zeigt deutlich, welche entscheidende Bedeutung Überarbeitungsprozesse für die jetzige Gestalt des Hos-Buches haben. Viele Theologumena, die er erstmals nicht mehr der Grundschicht des Buches zuordnet, werden sich in der vorliegenden Untersuchung als deutlich nachhoseanisch erweisen. Dies gilt für die Bezüge zum Pentateuch, für die Götzenpolemik und die Kritik an der Vermehrung der Altäre, die von Deutero-Jes beeinflußten Heilsworte, die eschatologischen Zusätze und vor allem für die nachträgliche Verstärkung der Samariapolemik. 73 Daß Wolfes Darstellung manchmal sehr thetisch wirkt, entwertet sie nicht per se. 74 Zu kritisieren ist, daß Wolfe seine Schichten zu früh datiert sowie zu heterogenes Material einer Schicht zuweist. Die frühen Schichtenmodelle unterscheiden sich von den Ansätzen im Bereich des Schülermodells durch eine präzisere Bestimmung der Redaktorenkreise, wobei die Prophetenschüler zugunsten späterer Kreise in den Hintergrund geraten. Es wird aber nicht hinterfragt, daß die Prophetensprüche des historischen Hosea den Ausgangspunkt der Buchgenese bilden. Diese Prämisse wird das Schichtenmodell zwar bis ans Ende des 20. Jh. prägen, aber immer weniger Textgut wird in der Folgezeit als hoseanisch angesehen.

70 M.-T. Wacker, Figurationen, 328f. S.u., 10.6. 71 R.E. Wolfe, Editing, 112ff. 72 R.E. Wolfe, Editing, 115ff. 73 S.u., 10.5f. 74 Wolfes thetisches Vorgehen kritisieren u.a. A. Schart, Entstehung, 7f; J. Nogalski, Precursors, 5f und H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 19f. Dies mag damit zusammenhängen, daß Wolfe seine Dissertation aufgrund des Naziregimes nicht wie geplant als BZAW veröffentlichen konnte, sondern nur eine Kurzfassung erstellen durfte (A. Schart, Entstehung, 6, Anm. 28). G.A. Yee, Composition, 6 steht stellvertretend für eine Kritik, die an Wolfe die große Menge von Zusatzschichten moniert. Sie dürfte einer Rezeption von Wolfes Ansatz lange im Weg gestanden haben.

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2.5.2 Die Schichtenmodelle seit den 80er Jahren Seit Mitte der 80er Jahre wird immer klarer herausgearbeitet, daß sich große und theologisch profilierte Anteile von Hos jüngeren Ergänzern verdanken. So beschränkt Yee in ihrer Arbeit aus dem Jahr 1987 das ursprüngliche hoseanische Material auf einige Logien in 2,4"-14,1. Diese ältesten Texte kritisierten die Führungsstände des Nordreichs (5,1-2a; 6,8f.10; 7,1-3".7), v.a. ihre Schaukelpolitik (z.B. 7,8-11.13-15"; 8,8-10; 9,11-13.16; 12,la.2; 13,15), und gingen auf die Zeit des syrisch-ephraimitischen Krieges zurück. Diese Schaukelpolitik gelte als Hurerei und werde besonders von einer Gruppe von korrupten Priestern am Hof verübt (c. 6,r; 7,3.5.6f).75 Der betrügerische Jakob (12,3f.8f.13) und die hurerische, aber bestrafte Rachel (z.B. 2,7b.12; 4,4,r.5b.12ba; 5,3) würden als Eltern des törichten Sohnes Ephraim (13,13) dargestellt. 76 Nach dem Fall Samarias seien die Worte als von J ahwe bestätigt gesammelt worden. Der zuständige Sammler stelle ihnen 1~' voran und füge einige kleinere Ergänzungen in 2 ein (2,4aß.6-7a.18aß.b.21-22a). So entwickele er die Ehemetapher für das Verhältnis zwischen J ahwe und seinem Volk. 77 Der erste Redaktor, R1, sei stark durch dtr. Theologie beeinflußt. Dies führe zu seinem Interesse am richtigen Kult und an der Kultzentralisation. So polemisiere er gegen Wallfahrten zu Nordreichheiligtümern (4,15; 9,15; 10,15). Während der Prophet Hosea noch Schaukelpolitik als Hurerei bezeichnet habe, prädiziere Rl den Fremdgötterkult in dieser Weise (z.B. 2,10a.l1.13-15a; 5,6f; 8,5aß.b.6,r.11; 9,1.5; 10,1-8). Er verfolge ihn geschichtstheologisch bis zum Baal-Peor zurück (9,10). Ebenso spiele er in 4,2f auf die Tora an und beschäftige sich mit Bundes- und Gesetzestheologie (4,6b; 6,4.6f; 8,1-3.1H; 10,4). Mitunter integriere er Juda in sein ablehnendes Urteil gegen das Nordreich (5,5bß; 6,l1a). Aus seiner judäischen Sicht heraus erschienen die Könige des Nordens illegitim (8,4f). Von Propheten habe er keine hohe Meinung (4,5.13b; 9,7). Nach Yee, die dem Blockmo-

75 Zur Bedeutung dieser Beobachtungen s.u., 228f. 76 G.A. Yee, Composition, 260ff.305ff.315ff. Problematisch ist an der Identifikation der angeklagten Mutter in 2,4ff* mit Rache!, daß anders als in Jer 31,15 ihr Name nicht erwähnt wird. Weiter gibt es keine Texte, die Rachel und Jakob als Eltern des Kindes aus 13,13 bezeichnen. 77 G.A. Yee, Composition, 307f.316.

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deW8 zur Entstehung von DtrG folgt, gehört Rl in die Nähe derer, die dessen Erstform zur Zeit J osias erstellen. 79 Auch der zweite Redaktor, R2, arbeite unter dtr. Einfluß, doch habe er anders als Rl die Erfahrung des Exils hinter sich. R2 habe die meisten Texte in Hos verfaßt. Als einziger erstelle er zwei geschlossene Kapitel (3; 11) sowie außerdem Hos 14 mit Ausnahme des Hoseaverses 14,1. R2 gebrauche häufig Wortspiele, um seine Vorlage umzuinterpretieren (1,5; 2,1.25; 5,13b). Gerade seine Texte seien so heterogen, daß es schwerfalle, sie thematisch zusammenzufassen. Seine entscheidende Leistung liege im Erstellen einer Buchgliederung (Hos 1-3; 4-11 und 12-14). Zu diesem Zweck füge er c. 3 ein und rahme 2,4ff* durch 2,2f und 2,25. Er strukturiere das vorliegende Material vorzugsweise als eine Abfolge von Abwendung von J ahwe und Rückkehr zu ihm (2,10b.15b-18aa.19.22b-25; 4,6a.7-12a.12bß-13a.14.16b. 17b). R2 sehe den Bund zwischen Jahwe und Israel in kosmischen Dimensionen (z.B. 2,20.23f; 8,7). Um zeitliche Bezüge zwischen Hosea und dem DtrG herzustellen, verfasse dieser Redaktor 1,1, ebenso 14,10. Abgesehen von diesen großflächigen Umprägungen des überlieferten Materials, setze er vielfältige thematische Schwerpunkte. Er beschreibe das Exil als Rückkehr nach Ägypten in die Sklaverei, wo Gott seinen Sohn trotz allem nicht verlassen werde (7,16; 8,13; 9,2-4.6; 13,14). Die Erzelternjakob und Rachel erführen durch R2 eine Rehabilitierung gegenüber der ursprünglichen hoseanischen Tradition (12,5-7.10-12.14). Mit 7,4 bewerte R2 die politischen Intrigen der Hoseatexte als Hurerei in Form von Verehrung fremder Götter. Es gebe Stücke von R2, die sich gegen die Verehrung von Bildern aussprächen (z.B. 8,4b-5aa.6 [ohne die ersten beiden Worte].13f; 13,1-3). Propheten und andere politische und kultische Führer würden positiver bewertet als in den hoseanischen Passagen (3,5; 9,8). Gelegentlich werde Juda bevorzugt (1,6bß-7; 12,b).80 Yee schlägt erstmals für Hos systematische dtr. Redaktionen vor. Der Prophet Hosea wird nicht mehr als Vorläufer des Deuteronomismus eingestuft, und es zeigt sich eindeutig, daß im Verhältnis von Hos-Texten und ihren dtr. Parallelen diese Parallelen als Vorbild fungieren. Ein großer Vorzug von Yees Ansatz liegt darin, daß sie eine zeitliche Koordination mit

78 Das sog. Blockmodell zum DtrG wurde hauptsächlich von Cross entwickelt. Nach diesem Modell stand am Anfang des DtrG ein zur Zeit Josias erstelltes Geschichtswerk, das bis II Reg 23,25a reichte (DtrGl). Die übrigen Kapitel seien in exilischer Zeit dazu gefügt worden. Mit gewissen Abweichungen vertreten es auch Provan und Weippert. Vgl. O. Kaiser, Grundriß Bd. 1,125. 79 G .A. Yee, Composition, 262ff.308f. 80 G.A. Yee, Composition, 51ff.131ff.309ff; M. Nissinen, Prophetie, 28ff; M.-T. Wacker, Figurationen, laff; O. Kaiser, Grundriß Bd. 2, 110ff.

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dem DtrG anstrebt. Allerdings wirkt sich hier negativ aus, daß Yee mit dem Blockmodell einem Modell für die Genese des DtrG folgt, in dem die Komplexität von dessen Wachstum unterschätzt und die Entstehung des Werkes zu früh angesetzt wird; dies ist eine Tatsache, die besonders für R2 zu Schwierigkeiten führt. Die Konzeption von kosmischer Zerstörung (Hos 4,3) und kosmischem Bund weist z.B. tatsächlich in eine sehr viel spätere Zeit als die Exilszeit. Auch R1 betrifft dieses Problem der zu frühen Datierung. Man muß feststellen, daß Yee die von ihr eruierten Paralleltexte nicht konsequent für die Datierung auswertet. Stammt Hos 4,2 (R1) beispielsweise aus einer ähnlichen Hand wie das C-Stück Jer 7, 9f, so kann der Vers in Hos kaum vorexilisch sein. BI Ein zweites Problem ist, daß Yee zu heterogene und zu großflächige Schichten annimmt. B2 Die größten Verdienste von Nissinens 1991 erschienener Untersuchung zu Hos 4 und 11 liegen in ihren methodischen Überlegungen. Nissinen setzt sich grundsätzlich mit dem Verhältnis von Prophet und Prophetenbuch auseinander und sorgt in zahlreichen Fragen für Klärung. Zu Recht hält er fest, daß es kein methodisches Instrumentarium gibt, um biblische Verfasser zu identifizieren, und daß oft eine jüngere Tradition die Texte einer bestimmten Person als Verfasser zuschreibt, ohne viel über den tatsächlichen Autor aussagen zu können. Zwar enthalte Hos in c.1 und 3 vielleicht Traditionen von einem Propheten Hosea, der wohl auch gelebt habe. Denn daß es im Buch Worte dieses Propheten gebe, könne man nicht einfach ausschließen. Aber die Spruchreihen in Hos 2 und 4-14 seien anonym und deshalb sei es ein Vorurteil, ihre Grundschicht mit Prophetenworten gleichzusetzen. Zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung wählt Nissinen die cA und 11 wegen ihrer Randlage in der Komposition 4-11. Nissinen behauptet, daß die ältesten Texte in diesem Bereich Klagen über den Untergang des Nordreichs seien (4,la.2b mit ':l.3a bis i1:l; 11,1.3aAaa.b.Sa).B3 Doch kann diese Lösung weder literarkritisch B4 noch religionsgeschichtlich noch theologiegeschichtlich überzeugen. Religionsgeschichtlich ist fragwürdig, daß Nissinen den grundsätzlich profanen Charakter der Totenklage und der Unter81 G.A. Yee, Composition, 268ff. 82 So auch M.-T. Wacker, Figurationen, 11; M. Nissinen, Prophetie, 30f; H. Pfeiffer, Heilig. tum von Bethel, 20. 83 M. Nissinen, Prophetie, 134ff. 84 Zu den Problemen, die sich ergeben, wenn man diese postulierte Grundschicht von 4,1-3 so früh datiert s.u., 6.3.2.1. Nissinens Sicht von Hos 11,1 wird von Loretz und Pfeiffer widersprochen. Pfeiffer rechnet in 11 nicht mit einem vorexilischen Grundbestand. Zwar habe Nissinen richtig gesehen, daß im Hintergrund die Vorstellung einer den König nährenden Gottheit stehe, doch deren Bezug auf das Volk setze ein Ende des Königtums voraus (Heiligtum von Bethel, 186ff). Zur Kritik von Loretz s. ders., Exodus, 327ff und u., 7.3.6.

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gangstrauer nicht berücksichtigt.85 Denn die von Nissinen rekonstruierten Klagen, v.a. 11,1-5*, sind hochtheologische Texte. Von der Theologiegeschichte Israels her spricht gegen Nissinens These, daß in J er noch für die exilische Zeit völlig profane, ja orientierungslose Klagetexte nachgewiesen sind, die Jahwe nicht einmal erwähnen. 86 Die erste Redaktion von Hos thematisiert nach Nissinen hauptsächlich Untergangstrauer um den Fall des Nordreichs 722 v.ehr. Sie gliedere ihr Material durch imperativische Aufrufe (4,1; 5,1; 5,8; 8,1; 9,1) und Geschichtsrückblicke (9,10; 10,1; 11,1-4). Sie sei kurz nach 722 vorgenommen worden und ihr Sitz im Leben seien eventuell öffentliche Klagefeiern. Unter ihren Vorlagen befänden sich wahrscheinlich echte Prophetensprüche (zumindest 11,1-4*, vielleicht auch 4,1-3*). Die verantwortlichen Redaktoren hätten außerdem 4,3a; 5,15-6,3; 7,8f; 8,7f; 9,3-6.11; 10,5-8; 11,5f verfaßt. 4,1 diene als Einleitung, 11,11 als Abschlußformel. Das Hos-Buch wurde nach Nissinen erst in frühnachexilischer Zeit durch eine von dtr. Bundestheologie geprägte Redaktion weiterbearbeitet. Sie trage den Oberbegriff des Rechtsstreits ein (J" in 4,1 und 12,3) und richte sich besonders gegen die Priester, denen Bundesbruch und Übertretung des Ersten Gebots vorgeworfen werde. Das könne auf Konflikte zwischen dtr. Kreisen und heimgekehrten Priestern hindeuten. Außer 4,2*.3b-9* gehörten mindesten 6,4-7; 8,lb.4; 12,1-3; 13,4-8 zu dieser Redaktion. Vielleicht habe der Redaktor auch Hos 1-3'~ eingebracht, wofür 1,9 und 2,4-25 sprechen könnten. Die dritte Schicht im Buch befasse sich mit Heilseschatologie. Man könne sie mindestens in 1,7; 2,1-3.16-25; 5,1-5; 11,8-11*; 14,2-9 greifen. Doch lasse sich schon nicht mehr eindeutig von einer Redaktion sprechen, weil Form und Thematik der Texte weit auseinander gingen. Folglich sei nicht davon auszugehen, daß Hos eine richtige Endredaktion erfahren habe. Viele Zusätze in Hos verdankten sich punktuellen Fortschreibungen (z.B. 4,3aj3b.5.15f.19.17f; 11,10).87 Nissinen entwickelt erstmals eine Alternativthese zur bisherigen Prämisse, daß hoseanische Prophetenworte den Ausgangspunkt für die Buchgeschichte von Hos bildeten. Dennoch bleibt die Grundschicht, die er für das Buch vorschlägt, literarkritisch und theologie geschichtlich problematisch. So ergeben sich zahlreiche Bedenken gegen ein hohes Alter der Geschichtstheologie in 11,1-4 und deutliche Vorbehalte gegen die von Nissinen behauptete Grundschicht von 4,1-3. Außerdem wird das inhaltliche Kriterium "Untergangstrauer" bei Nissinen zu unscharf definiert und ange85 Vgl. M. Krieg, Todesbilder 443ff; K.-F. Pohlmann, Ezechielstudien, 190ff. 86 Vgl. C. Levin, Verheißung, 153ff; K. Schmid, Buchgestalten, 330ff. 87 M. Nissinen, Prophetie, 336ff.

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wandt. 88 In seiner dtr. Schicht hat Nissinen zwar wichtige Motive späterer Anteile in Hos gesehen: die Kritik an Priestern und das Gedenken an Jahwes Geschichtstaten. Nissinen weist zu viele Texte dtr. Redaktoren zu und verfährt dabei zu undifferenziert. So unterscheidet er nicht ausreichend zwischen Texten, die mit einem Geschichtsrückblick argumentieren (z.B. 13,4-8), und Texten, wo er keine Rolle spielt (z.B. 6,4-6). Dennoch ist Nissinen weit weniger zurückhaltend als Yee, Hos-Texte deutlich später zu datieren als ins 8. Jh. v.ehr.; dies ist ein Trend, der sich bei Wacker weiter fortsetzen wird. Den Schwerpunkt von Wackers Analyse aus dem Jahr 1996 bildet Hos 1-3. Ihre Einsichten in die Entstehungsgeschichte von Hos legen eine kleinteiligere Entwicklung mit mehr Schichten als bei Yee und Nissinen nahe, die insgesamt später in der nachexilischen Zeit zu verorten ist. Zugleich geht sie im Gegensatz zur bisherigen Forschung davon aus, daß einige frühnachexilische Heilsworte in Hos älter seien als viele dem Norden/Samaria gegenüber kritische Texte. Die Kritik am Norden verortet sie erstmals in den Auseinandersetzungen zwischen Juda und Samaria seit der Nehemiazeit. Was die Ursprünge des Hoseabuches betrifft, äußert sie sich zurückhaltend. Bezüglich Hos 1-3, lägen die ältesten, spätvorexilischen Texte in 1,2b".3.4.6.8f und 2,4a.7b.10a.lla (ohne die ersten beiden Worte). Hos 1" habe überlieferungsgeschichtliche Vorläufer, und 2~' habe einzelne, ältere Zitate aufgenommen, so z.B. die Rede der Frau in 2,7b. 89 Hos p' könne eine Sammlung mit Klagen über das untergegangene Nordreich eröffnet haben. Das werdende Buch habe zunächst im Zeichen einer frühnachexilischen Komposition gestanden, die von der Begnadigung Ephraims spreche (1,6b.7aa bis Cl'r1!7W1;'1; 2,16-25"; 11,8f; 13,12-14; 14,5_9,,).90 Hier manifestiere sich der Einfluß Deutero-Jes' sowohl im Interesse am Erbarmen Jahwes als auch an der Rehabilitierung einer Frau. Einer weiteren Heilsredaktion aus der fortgeschrittenen nachexilischen Zeit gehörten 1,5a.7b; 2,20.23f; 4,3aßb; 11,10f an. 91 Mit der Einfügung von Hos 3" habe das Buch 88 Dies betrifft besonders seine Einstufung von 5,15-6,3 als Untergangsklage, M. Nissinen, Prophetie, 339f. Hier berücksichtigt Nissinen nicht, daß es bezüglich dieser Verse seit Marti viele Voten für eine frühestens exilische Datierung gibt (vgl. z.B. K. Marti, KHC 13,52; I. Willi·Plein, Vorformen, 146ff; G.A. Yee, Composition, 145fD. S. auch U., 7.2.4 und 7.3.4. 89 M.·T. Wacker, Figurationen, 189ff. 90 Hos 14 sei in sich noch einmal um V.2-4 erweitert worden. Das Stück sei jünger als die Jesaja·Apokalypse und sei in persisch. hellenistischer Zeit entstanden (M ..T. Wacker, Figuratio· nen,252D· 91 Weitere Nachtragstexte gestalten nach Wacker Hos 1f neu auf den Zusammenhang mit Hos 3 hin. Sie sind von einem Prophetenverständnis der exilisch·nachexilischen Zeit beeinflußt: Hos 1,2a; 1,2b ab dem ersten 0'l1lt; 2,6.7a. Vgl. M.·T. Wacker, Figurationen, 240ff.

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einen samariakritischen Akzent erhalten, dem später judäische Selbstkritik beigeordnet worden sei. In die Richtung von Selbstkritik könne die Vorstellung von einer sexuellen Abstinenzphase in c. 3 deuten. Hos 6,7-7,2; 13,2f; 13,15-14,1 verträten in Hos 4-14 eine samariakritische Position. Eine letzte, kosmisch bestimmte Heilsschicht, insbesondere 2,1-3, entwerfe eine Zukunft, in der Juda und Samaria friedlich miteinander lebten. 92 Wacker gelingt eine deutlich differenziertere Einschätzung der redaktionellen Prozesse in Hos als Nissinen und Yee. Obwohl auch sie einige Texte zu früh datiert, wird bei ihr zum ersten Mal klar, daß große Teile von Hos spät entstanden sind. In diesen späten Schichten erkennt sie mit Recht äußerst kontroverse Diskussionsprozesse. Das Hin und Her zwischen Samariapolemik und Selbstkritik, das sie als erste beobachtet, ist dafür charakteristisch. 93 Wacker gibt erstmals nicht nur die Hypothese eines hoseanischen Grundbestandes für die von ihr untersuchten Texte auf, sondern sie kann dort gar keinen Text aus dem Nordreich ermitteln. Bestätigt sich ihre Erkenntnis an weiteren Texten, so ist Hos ein Prophetenbuch aus Juda, das höchstens die Fiktion transportiert, aus dem Nordreich zu stammen. 94 Pfeiffer hat 1997 die jüngste Untersuchung des Hos-Buches nach dem Schichtenmodell unternommen. Anders als Wacker und Nissinen wählt er die Texte für seine Recherche nach thematischen Gesichtspunkten aus und beschäftigt sich mit Texten, die sich mit dem Kult in Bethel auseinandersetzen. Dies betrifft nicht allein Texte, die Bethel erwähnen, sondern auch Passagen über Elemente dieses Kultes, die Pfeiffer als essentiell beurteilt, nämlich das Stierbild und die Exodustheologie (2,16f; 4,15; 8,5f; 8,13b; 9,3; 10,5f; 1l,1.5a.10f; 12; 13,2; 13,4a). Diese breite Textbasis aus dem gesamten Buch erscheint gegenüber Wacker und Nissinen als vorteilhaft. Trotz seiner vielversprechenden Vorgaben wirken Pfeiffers Ergebnisse, verglichen mit Yee, Wacker und Nissinen, in mancher Hinsicht wie ein Rückschritt. Insbesondere Nissinens richtige Erkenntnis, daß die Grundschicht nicht automatisch als Prophetenspruch zu bestimmen ist, wird zu Unrecht nicht berücksichtigt. Pfeiffer bezeichnet den ermittelten Grundbestand immer wieder als hoseanischen Prophetenspruch, ohne dies an hand von sprachlich-formalen Kriterien zu begründen. 95 Auch verzichtet er bei der Datierung dieser Sprüche ins 8. Jh. auf eine gen aue Prüfung der inner-

92 M.-T. Wacker, Figurationen, 22lff.328f. 93 S.u., 10.6. 94 Eine judäische Herkunft des gesamten Buches folgt ebenso aus den Pseudepigraphiethesen von Utzschneider und Day (s.o., 17f). 95 Vgl. z.B. H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 172f.176.182.

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alttestamentlichen Parallelen. 96 Auf diese Weise gelangt Pfeif/er zu einem sehr breiten Textbestand, den er auf den Propheten Hosea zurückführt. Dieser Bestand umfaßt Hos 5,12; 7,3-7.11; 8,5aa.6b.l1.13aaba; 9,laab. 2.3b-4a; 9,15\ 10,lf.5-6a"; 12,10; 13,4a.5.9-10a.l1.12-14aba.15b. Nach Pfeif/er ist das zentrale Anliegen des historischen Hosea weder eine Alleinverehrung J ahwes noch die Forderung einer bildlosen J ahweverehrung. Er kündige lediglich den Untergang des Stierbildes an und stehe so auf einer Linie mit Am 9,1 und Mi 3,9-12, also der gebräuchlichen Untergangsansage gegen Kultorte in der Zeit kurz vor dem assyrischen Einfall. Der Staatskult als solcher sei für Hosea verwerflich, weil er versuche, J ahwe als Exodusgott auf ein entsprechendes, heilvolles Handeln in der Gegenwart festzulegen. 97 Anstelle dessen entscheide das Verhalten des Volkes und des Königs über ihr künftiges Geschick. Zwar ist sehr sinnvoll, die These aufzugeben, Hosea sei Verfechter des Monotheismus und des Bilderverbots gewesen. Aber Hosea wird von Pfeif/er mutatis mutandis als ein Verkünder des ethischen Monotheismus im Sinne Wellhausens gesehen, insofern der Prophet behauptet, daß das Ethos über das Ergehen entscheidet. 98 Eine solche Konzeption setzt jedoch die exilisch-nachexilische Theologie des Bundes- und Toragehorsams voraus. Nicht zuletzt beruht Pfeif/ers These auf einer Frühdatierung der Exodusbelege in Hos 13, gegen die Nissinen berechtigte Bedenken äußert, die Pfeif/er nicht widerlegt. 99 Pfeif/er schreibt den ersten Hoseaschülern und -tradenten recht wenig Text zu (z.B. 8,4a.b; 8,13bß; 11,5b). Dagegen hätten vielfältige exilische und jüngere Redaktoren einen großen Teil des nachgetragenen Materials verfaßt. Pfeif/er erwähnt hier hauptsächlich zwei Gruppen. Dies sind zunächst dtr. inspirierte Kreise. Sie kritisierten den gesamten israelitischen Kultus als Hinwendung zu fremden Göttern (z.B. 8,lb; 9,lb und c. 11). Die zweite Gruppe exilischer Theologen setze sich in ihren Texten mit der Bedeutung auseinander, die Bethel für die im Land gebliebenen Judäer als Kultort gehabt habe (vgl. Sach 7,2f). Hierher gehörten 12,3-5.7-11.13f. Danach seien nachexilische Bilderpolemik (Hos 8,6a; 13,2aa2ßb + 2aa 1.3; 14,4) und

96 So fehlen bei seiner Untersuchung des Weinstockbildes in 10,lf ein Vergleich mit Ez 15; 17; 19 und der Nachweis, daß Hos 10,lf älter ist (H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 105). 97 Für die Verbindung von Staatskult und Exodus kann Pfeiffer nur II Reg 12,28b anführen. Die Frage nach dem Quellengehalt des Textes ist äußerst heikel (so mit E. Würthwein, ATD 1111, 16lfD, und Pfeiffers Analyse (Heiligtum von Bethel, 26fD überzeugt an dieser Stelle nicht. Eine Frühdatierung von Am 9,1 und Mi 3,9-12, die Pfeiffer voraussetzt, ist alles andere als evident. S.u., 112f und J. Jeremias, Tradition und Redaktion, 148ff zu Mi 3,9-12. Zu Am 9,1-4 vgl. U. Becker, Fürbitte, 147. 98 J. Wellhausen, Israelitische Geschichte, 108ff. 99 Vgl. M. Nissinen, Prophetie, 154ff.

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eine Amos-/Zwölfprophetenbuch-Redaktion (Hos 4,15) festzustellen. 100 Anders als nach Jeremias, Nogalski und Schart wird nach Pfeif/er Hos erst spät im Zwölfprophetenbuch verankert, woraus folgt, daß diese Verankerung nur wenig Einfluß auf die Buchgenese hat. lol Ein großer Nachteil von Pfeif/ers Ansatz besteht darin, daß er der Frage zu wenig Aufmerksamkeit widmet, welche Buchgestalt die jeweiligen Redaktoren angestrebt haben und ob sie ihre Überlieferung auch durch Komposition und gezielte Zufügung von Schlüsseltexten gestaltet haben. l02

2.6 Fazit Der Überblick über die Forschung der letzten 150 Jahre insgesamt läßt erkennen, daß jedes Erklärungsmodell einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis des Hos-Buches erbracht hat. Im Rahmen des Schülermodells kommt insbesondere Jeremias zu dem Ergebnis, daß die Texte von vornherein in schriftlicher Form vorlagen und daß deren Komposition wesentlich für ihre Aussage ist. Die holistische Methode hat gezeigt, daß die Gesamtkomposition für das Verständnis einzelner Texte und Textgruppen mit zu beachten ist. Im Schichtenmodell wird inzwischen beiden Sachverhalten (von vornherein verschrifteten Texten und ihrer Stellung in der Gesamtkomposition des Buches) auf dem Wege der redaktionskritischen Methode Rechnung getragen. Wie oben beobachtet, besteht im Schülermo· deli die Gefahr, daß aus Systemzwang den Prophetenschülern das meiste Textgut zugeschrieben wird, obwohl diese Schüler nur hypothetisch postuliert werden können. Das Schichtenmodell kann eine solche Gefahr vermeiden. Anders als beim holistischen Modell können mit Hilfe der redaktionskritischen Methode Spannungen und Brüche im Text erklärt werden. Damit zeichnet sich ab, daß man mit der zu Schichtenmodellen führenden redaktionskritischen Methode am ehesten den komplizierten Textverhält100 H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 65ff.105ff.138ff.172ff.182ff.209ff. 101 Zur prinzipiellen Richtigkeit von Pfeiffers Annahme s.u., 10.4. 102 Damit mag zusammenhängen, daß Pfeiffer immer wieder jüngere Schichten eruiert, ohne sie einer Wachstumsphase des Gesamtbuches zuzuweisen, so z.B. 2,16f.25 und den Grundbestand von c. 11 (Heiligtum von Bethel, 197ff). Das Problem betrifft bereits Pfeiffers ausgedehnte Grundschicht. Er fragt nicht, in welcher Form diese ältesten Worte überliefert wurden. Zwar rechnet Pfeiffer für Hos 8 damit, daß Propheten worte nachträglich in eine Komposition der Tradenten eingepaßt wurden und folgt in dieser Frage grundsätzlich Jeremias, doch fehlt ein buchübergreifendes Wachstumsmodell (H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 138ff). Auch für Hos 13 nimmt Pfeiffer eine solche Komposition an, die in diesem Fall aus Einzelworten besteht, also aus ganz anderem Material als in c. 8 (H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 172ff). Pfeiffer begrün. det diese Differenz nicht.

Fazit

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nissen im Hos-Buch gerecht werden kann. Sie wird in den folgenden Untersuchungen dementsprechend eine entscheidende Rolle spielen. Zudem ist festzuhalten, daß das Schichtenmodell zwar in unterschiedlichen Ausformungen vorliegt, aber in wichtigen Punkten dennoch ähnliche Ergebnisse erzielt wurden. Trotz der Divergenzen zwischen den beiden Buchteilen Hos 1-3 und Hos 4-14, beispielsweise was die tragende Rolle der Familiengeschichte des Propheten für Hos 1-3 betrifft, die in Hos 4-14 überhaupt nicht zum Zuge kommt, ließen sich Anhaltspunkte für ein gemeinsames Wachstum feststellen. l03 Ferner liegen inzwischen für eine ganze Reihe von Texten zahlreiche und eindeutige Indizien vor, die ihre nachhoseanische Herkunft belegen, auch wenn für kaum einen Text in der Frage genauer Verortung Konsens besteht. Man wird nach dem jetzigen Stand der Forschung zugestehen müssen, daß Hos 2-3, mindestens Hos 4,3.15-17.19b; 6,4-7, größere Anteile von Hos 8 und 10 (v.a. 8,1f), bei weitem das meiste aus Hos 11; 13; 14 und der "Jakobsmidrasch" aus Hos 12 frühestens aus der Exilszeit stammen können. Daraus ergibt sich, daß alte Texte vor allem in Hos 1; 5-7 und 9104 gesucht werden sollten. Außerdem ist im Schichtenmodell wohl zu Recht weithin unumstritten, daß die Polemik gegen Fremdgötterkult und Götzenbilder kein altes Anliegen im Buch darstellt. Für die richtige Einschätzung der Hos-Texte dürfte künftig wichtig sein, die von Wacker aufgeworfene Frage zu beachten, welchen Einfluß spätere Auseinandersetzungen zwischen J erusalem und Samaria auf die Genese von Hos haben. Wie dieser Forschungsüberblick deutlich machen konnte, geht man in allen Lektüremodellen bis in die Gegenwart davon aus, daß am Anfang der Buchgenese Sprüche des Propheten Hosea aus dem 8. Jh. standen. Diese Prämisse wurde nicht hinterfragt. Sofern es gelang, zwischen jüngeren Bearbeitungen und Zusätzen und älterem Textgut zu unterscheiden, setzte man ohne weitere Prüfung die ermittelten ältesten Bestände mit den Worten des Propheten gleich oder datierte sie zumindest ins 8. Jh. Die Möglichkeit, daß am Anfang von Hos keine Prophetenworte, sondern anders geartetes Spruchgut vorlag, wurde nicht berücksichtigt. Für die weitere Forschung am Hos-Buch ist es methodisch geboten, eine solche ungeprüften Voraussetzungen zu vermeiden und die Texte deshalb unabhängig von der Annahme eines prophetischen Autors aus dem 8. Jh. zu analysieren.

103 S.o., 39ff zu den entsprechenden Resultaten bei Wacker und Pfeiffer. 104 Dem entspricht der Vorschlag von Kratz, alte Hoseatexte besonders in 4-9" zu suchen (Erkenntnis Gottes, 19).

3. Methodische Erwägungen und Folgerungen Die folgenden Untersuchungen werden redaktionskritisch verfahren; dabei werden die methodischen Impulse und weiterführenden Erkenntnisse aus den oben vorgestellten Interpretationsmodellen "Schülermodell" und "holistisches Modell" mit berücksichtigt. Ziel der redaktionskritischen Arbeit ist, die Genese des Buches und die redaktionellen Bearbeitungen (Textschichten), die dazu Entscheidendes beitragen, zu rekonstruieren. Dies impliziert folgendes Vorgehen: Zuerst werden aufgrund literarkritischer Beobachtungen die Bruchlinien im Text festgehalten und der Grundbestand erschlossen. Im Anschluß daran ist der Frage nachzugehen, ob die nachgetragenen Textstücke zu einer Redaktionsschicht gehören oder ob sie Einzelzusätze darstellen. Nun ist zu klären, ob der erschlossene älteste Bestand zu den ältesten Texten im Buch zu rechnen ist oder ob er selbst einen Nachtrag dazu darstellt und möglicherweise zu einer Gruppe von solchen Nachträgen zählt. Zuletzt sollen die ältesten Texte, Zusätze sowie Schichten von Zusätzen durch inneralttestamentliche Textvergleiche in den Verlauf der alttestamentlichen Theologiegeschichte eingeordnet werden. Die Aufgabe, im Hos-Buch als Zusätze erkannte Textanteile zu Schichten zu ordnen, erscheint allerdings als ein Unterfangen, das bisher nicht zu Übereinstimmung in den Ergebnissen geführt hat. Das zeigen die Bemühungen bei Wolfe, Yee, Nissinen, Wacker und Pfeiffer. Hier führt möglicherweise Levins für Jer erstelltes Modell weiter. Er geht dort von sog. Redaktionstendenzen aus, d.h. von Texten, die zwar von verschiedenen Redaktoren verfaßt wurden, aber doch eine gemeinsame buchprägende Absicht vertreten.! Das bedeutet für das Hos-Buch, daß darin nicht unbedingt mit einheitlichen Redaktionsschichten wie den C-Reden in J er2 oder den AmDoxologien zu rechnen ist. Anstelle dessen muß man die Möglichkeit sukzessiver Nachträge in Betracht ziehen, deren lose literarische Zusammenhänge sich an gemeinsamen Aussageanliegen festmachen lassen. 3 Außerdem wird man in Hos auch immer wieder mit unabhängigen Einzelzusätzen konfrontiert.

1 C. Levin, Verheißung, 63ff. 2 Zu diesem Begriff vgl. O. Kaiser, Grundriß Bd. 2, 69ff. 3 Eine solche Gruppe von Nachträgen aus verschiedenen Händen, aber mit gemeinsamer Tendenz wird im Folgenden als Konglomeratschicht bezeichnet.

Folgerungen

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In der Hos-Forschung wurde bisher eine zeitliche Verortung der Grundbestände, Einzelzusätze und Schichten nach historischen Anspielungen bevorzugt, was insofern vor Probleme stellt, als die Hos-Texte fast nirgends eindeutige, zeitgeschichtliche Angaben enthalten. Oft läßt sich nicht klar entscheiden, ob eine Aussage auf Polemik beruht oder ob sie Informationen über ein Geschehen enthält. Selbst wenn sich ein Text sicher als zeitgeschichtliche Anspielung erweisen läßt, kann man von dieser Anspielung weder auf die Zeitgenossenschaft eines Textes schließen noch darauf, daß er in allen Entwicklungsstadien eine zeitgeschichtliche Anspielung sein wollte. 4 Insgesamt ergibt sich, daß zeitgeschichtliche Anspielungen höchstens gemeinsam mit anderen Kriterien für eine Textdatierung geeignet sind. Man kommt zu einer sichereren Datierung, wenn man die Voraussetzungen eines Textes in der alttestamentlichen theologischen Diskussion herausarbeitet, beispielsweise, ob ein Text das Erste Gebot kennt oder nicht. Ein zweiter wesentlicher Gesichtspunkt ist der Sprachgebrauch. Welche anderen Texte aus welcher Zeit kennen beispielweise einen Höraufruf in der Art von Hos 4,la? Läßt sich für die jeweilige Floskel eine Entwicklung rekonstruieren und wo kommt der Hos-Text in dieser Entwicklungsgeschichte zu stehen?5 Kriterien für solche Textvergleiche wurden bisher in der Forschung kaum grundsätzlich reflektiert, obwohl sie teilweise schon lange verwendet werden. Im Folgenden wird Albertz' Hinweis eine wichtige Rolle spielen, daß die alttestamentlichen Überlieferungen einen "gefrorenen Dialog" von theologischen Voten aus verschiedenen Zeiten bewahrt haben, den es wieder "in eine lebendige, theologische Auseinandersetzung unterschiedlicher Gruppen und Parteiungen zurückzuübersetzen"6 gilt. Ziel ist es, über vergleichende Gegenüberstellungen von thematisch und theologisch verwandten Texten deren Beziehungsgeflecht zu durchleuchten und den fortlaufenden Diskurs, der sich in solchen Texten niedergeschlagen hat, in seiner zeitlichen Abfolge zu rekonstruieren. Nicht zuletzt muß hier auch der sozialgeschichtliche Hintergrund der jeweiligen Redaktoren beachtet werden. Es wird sich zeigen, daß es eine Reihen von Merkmalen gibt, die erlauben, jüngere und ältere Beiträge zu einer theologischen Debatte im Alten Testament auseinanderzuhalten.

4 Angesichts dieser Schwierigkeiten nimmt es nicht wunder, daß an einem Datierungsverfahren nach zeitgeschichtlichen Anspielungen in jüngster Zeit verstärkt gezweifelt wird, so H. Graf Reventlow, Zeitgeschichtliche Exegese, 1SSf; B. Becking, Hellenistic Period, 83ff; R.P. Carroll, Jewgreek, 93f. S Für dieses Datierungsverfahren plädiert auch M. Nissinen, Prophetie, 72ff. 6 R. Albertz, Religionsgeschichte, 31.

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Folgerungen

Für die Erhebung der zeitlichen Abfolge eines inneralttestamentlichen Diskurses und damit die Unterscheidung zwischen älteren und jüngeren Texteinheiten sind folgen. de Beobachtungen wichtig: Jüngere Texte sind häufig daran erkennbar, daß sie sich nur mit Anspielungen und geprägten Wendungen begnügen, weil vorgegebene Texte das Thema schon eingeführt haben. So genügt in jüngeren Texten zum Beispiel der Vorwurf, das Volk hure (z.B. Hos 4,12; 6,10b; 9,1).7 Dieser kann sogar in der 2.sing.masc. formuliert werden (Hos 9,1). Dagegen ist es für ältere Texte (z.B. Jer 3,6-10; Ez 16; 23) charakteristisch, daß sie erzählerisch mit ausführlichen Hinweisen auf Eheschließung und Ehebruch den Sachverhalt "Hurerei" als solchen erst einmal klarstellen 8 müssen. Für das höhere Alter dieser Texte spricht außerdem, daß hier noch ;'JI für falsche Bündnispolitik (z.B. Ez 16,26-29; 23,12-27) oder für Abfall von Jahwe (z.B. Ez 16,17; 23,37-39) stehen kann. In den jüngeren Texten wird allein die Abtrünnigkeit von Jahwe als Huren gekennzeichnet, z.B. Hos 4,12; 9,1. Andererseits zeichnet jüngere Texte oft die Neigung aus, ein theologisches Thema so vollständig wie möglich zu behandeln und alle bereits anderweitig vorliegenden Aussagen dazu zu berücksichtigen. Diese Aussagen werden jedoch nicht mehr vollständig dargestellt und erläutert. Man spielt nur noch mit einigen Stich worten auf sie an. Im Blick auf dieses Phänomen spricht Willi·Plein von "Musivstil".9 In der Spätzeit entsteht immer mehr das Bedürfnis, bereits kanonische Texte anhand von anderen kanonischen Texten zu interpretieren, obwohl sie aus verschiedenen Bü· chern stammen. Es kommt zu intertextueller Exegese. 10 Eine These, die im Denken einer Gemeinschaft fest integriert ist, läuft Gefahr, sich abzunutzen. Auf solche Abstumpfungseffekte reagieren jüngere Texte, die die vertraute Aussage übertreibend ausbauen. Reflexionsniveau und Problembewußtsein steigen im Lauf der Entwicklung einer theologischen Konzeption stetig an. Je jünger eine Aussage zu einem theologischen Thema ist, desto stärker wird sie i.d.R. die vorangegangene Diskussion berücksichtigen.!! Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen älteren und jüngeren Texten speziell für Prophetenbücher schlägt neuerdings Carrolls in der Nachfolge Hälschers vor. Er nimmt an, daß ursprüngliche Prophetenworte eine poetische Form auf· weisen, während jüngere Zusätze Prosa verwenden. Allerdings übersieht auch

7 S.u., 5.2.2; 7.2.1 und 7.4.5.3 zu Einzelheiten in der relativen Chronologie dieser Texte. 8 Eine solche erläuternde Klarstellung war im Blick auf Texte erforderlich, in denen:llI nicht Ehebruch bedeutet, sondern die tiefstmögliche Erniedrigung einer Frau (Lev 21,13ff). Möglicher. weise hat Jes 1,21 ("Ach, wie ist zur Hure geworden die treue Stadt ... ") ursprünglich den Sinn gehabt, daß Jerusalem in der Klage als erniedrigte, d.h. vergewaltigte Frau (analog Am 7,17) gekennzeichnet ist, vgl. auch K.·F. Pohlmann, Ezechielstudien, 213ff. 9 1. Willi·Plein, Vorformen, 245. 10 Vgl. auch 1. Willi·Plein, Vorformen, Hf zu den Methoden rabbinischer Exegese, die sich u.U. als hilfreich erweisen, um diese buchübergreifende Auslegung zu verstehen. 11 Vgl. K.·F. Pohlmann, Ezechielstudien, 137ff.249ff zu Beispielen für solche Entwicklungen.

Folgerungen

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Carroll nicht, daß es poetische Zusätze geben kann. 12 Man benötigt also bereits weitere Kriterien, um zwischen primärer und sekundärer Poesie differenzieren zu können.

Als Einstieg für unsere Untersuchungen zur Genese des Hos-Buch eignet sich besonders die Frage nach den Adressaten der im Hos-Buch breit und mannigfaltig ausgeführten Vorwürfe über Mißstände im Volk (Israel, Ephraim oder Juda). Es wird sich herausstellen, daß im Hos-Buch nicht primär das Nordreich anklagt ist, wie das die Forschung bisher in der Regel wahrgenommen hat; ganz im Gegenteil ist festzuhalten, daß sich eine große und wichtige Gruppe von Texten an ein Gesamtisrael richtet. Es sind sogar Aussagen zu beachten, die Juda allein beschuldigen. Dieses Phänomen kann man nicht, wie in der bisherigen Forschung gebräuchlich, allein dadurch erklären, daß hier vorliegendes Textgut aus dem Norden für judäische Leser aktualisiert worden sei. 13 Denn zu viele Texte beschuldigen das ganze Volk oder gar Juda allein. Aufgrund solcher Beobachtungen ist vielmehr damit zu rechnen, daß sich im Hos-Buch wie in anderen Propheten büchern auch kontrovers geführte Diskussionen widerspiegeln. Gelingt es, diese Diskussionsgänge genauer zu erfassen, ist eine wichtige Ausgangsbasis erreicht, um ein zeitliches Nacheinander und damit die Stadien der Buchgenese zu rekonstruieren.

12 G. Hölscher, Hesekiel, 26.43ff; R.P. Carroll, Chaos to Covenant, 11ff; T. Collins, Mande, 26ff.60f übernimmt die Prämisse der poetischen Form ohne weitere Begründung. 13 Zu entsprechenden Hypothesen s. z.B. 0., 2.2. und 2.3.

4. Israel und Ephraim Buchinterne Diskussionen im Hos-Buch Zwar scheinen sich die meisten Texte im Hos-Buch auf den Norden! zu beziehen (z.B. 1,4; 8,5f; 10,5f; 13,1-3; 14,1). Doch enthält das Buch auch Texte, deren Aussagen sich an den Norden und gleichzeitig an Juda richten (beispielsweise 5,12-14; 6,4-7; 8,14); stellenweise steht Juda sogar allein im Zentrum (z.B. 5,10a; 8,1-3 2; 12,3-5). Die Implikationen, die mit diesem Sachverhalt verbunden sind, hat die bisherige Forschung kaum wahrgenommen. Es stellt sich nämlich die Frage, welche dieser drei Größen in den Texten vor Augen steht, in denen die Zuordnung der Adressaten nicht eindeutig ist. 3 Dazu kommt, daß man die Vieldeutigkeit der Bezeichnungen für staatliche Einheiten in Betracht ziehen muß. Dies gilt vor allem für "Israel". Wegen der oben gesammelten starken Verdachtsmomente, daß große Teile von Hos nicht von einem Nordreichpropheten des 8. Jh. verfaßt wurden, darf dieser Terminus nicht mehr von vornherein entsprechend seiner Bedeutung im 8. Jh. v.ehr. als Bezeichnung für das Nordreich aufgefaßt werden. De facta vollzieht dies die Forschung schon für "Israel"-Belege, die sich eindeutig nicht auf den Norden beziehen können (z.B. 5,9b; 11,1).4 Für das Am-Buch hat Becker diese Problematik erstmals konsequent berücksich1 Wo im folgenden der Begriff Nordreich steht, bezieht er sich auf den Staat Israel vor 722 v.Chr. Wo dagegen vom Norden die Rede ist, sind über diesen Staat hinaus dessen Nachfolger einbezogen, also die assyrischen und persischen Provinzen auf seinem Gebiet. Hier geht es um die Region und ihre Einwohner, unabhängig von der zeitlicher Verortung des Textes und der staatlichen Organisation, die dieses Gebiet in der Zeit hatte, auf die der Text abzielt. Analog wird mit dem Begriff "Süden" in Bezug auf Juda verfahren. Von "Südreich" ist die Rede für die Zeit vor 587 v.Chr. 2 Zur Ausrichtung von 8,1-3 auf Juda s.u., 4.2.2. 3 Eine ähnliche Problematik zeigt sich in Texten, die die Angeschuldigten nur in der 3. masc.plur. erwähnen (z.B. 7,3-7). Ebenfalls eher vage Identifikationen der "Täter" enthalten Abschnitte, die zwar den Tatort erwähnen, aber nicht die Herkunftsorte der "Täter" (z.B. 6,9). 4,6b-14 schließlich redet von Priestern, ohne anzugeben, ob diese aus dem Norden oder aus dem Süden stammen. Man darf also festhalten, daß viele Hos-Texte, was die Zuordnung der Beschuldigten zum Norden/Süden betrifft, weitaus offener für Interpretationen sind, als die bisherige Forschung dies gesehen hat. 4 Vgl. W. Rudolph, KAT 13/1, 127f.; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 143f; J.L. Mays, Hosea, 89; J. Jeremias, ATD 24/1, 81; F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 407; H.-J. Zobel, Art. "~,ro" Sp. 992; 1. Rost, Israel, 106. O. Seesemann, Israel und Juda, 19ff, zieht für 4,1; 5,9; 13,1 den Fall in Erwägung, daß "Israel" Juda bezeichnet. Er lehnt diese Möglichkeit für alle drei Stellen ab, ohne daß ihm für 13,1 eine Deutung gelingt.

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tigt und behauptet, daß außerhalb von Am 3-6 "Israel" meistens das Gesamtvolk bedeute. 5 Es ist daher nicht nur in den eindeutigen Fällen, in denen es von der Textlogik her keine Nordreichsbezeichnung sein kann, sondern generell zu prüfen, ob nicht auch sonst das gesamte J ahwevolk oder Juda im Blick steht. Es ist keineswegs zulässig, wie in der älteren Forschung üblich, ausgehend von einigen klar definierten Israelstellen in Hos, die "Israel" mit dem ehemaligen Nordreich gleichsetzen, alle übrigen Israelstellen entsprechend einzustufen. 6 Um zu Ergebnissen zu kommen, die für die weitere Forschung als Diskussionsgrundlage dienen können, muß für die jeweiligen Israel-Belege nach Indizien gesucht werden, die anzeigen, auf welchen Bevölkerungsteil oder welchen Teilbereich sich die entsprechenden Texte beziehen. Auch "Ephraim", der zweite Begriff, der in Hos 4-14 für den Norden verwendet wird, ist nicht unproblematisch. Hier ist vor allem die Frage zu klären, warum in Hos 4-14 nicht durchgehend vom Norden als '~'W' oder '~'W' n'::l die Rede ist, sondern warum plötzlich diese neue Nordreichsbezeichnung auftaucht. Angesichts der Tatsache, daß Ephraim sonst schwerpunktmäßig in Jes belegt ist (z.B. Jes 7,2.5.8f.17; 9,8.20; 11,13; 28,1.3), ist aufzuhellen, inwieweit der Gebrauch von "Ephraim" ein Indiz dafür darstellt, daß die Auseinandersetzung mit dem Norden in den entsprechenden Hos-Texten aus judäischer Perspektive erfolgte. Wir setzen mit Sondierungen zu den beiden Begriffen "Israel" und "Ephraim" in Hos 4-14 ein. Die entsprechende Analyse von Hos 1-3 muß in einem separaten Kapitel (c. 5) erfolgen, da dort der Begriff "Ephraim" nicht belegt ist. Folglich ergibt sich bezüglich der Kennzeichnung der Adressaten als der Norden oder auch als der Süden oder aber das gesamte Volk für Hos 1-3 ein ganz anderes Bild als für Hos 4-14.

4.1 Ephraim Daß die Termini, die sich in Hos 4-14 auf den Norden beziehen, wechseln, bleibt selbst bei einer kursorischen Lektüre kaum verborgen. Man hat den Eindruck, daß fast willkürlich bald "Ephraim", bald "Israel" verwendet wird. 7 Gelegentlich stehen beide Termini parallel (5,3bis; 5,5bcx; 6,10b; 10,6;

5 U. Becker, Prophet als Fürbitter, 156. 6 So beispielsweise O. Seeseman, Israel und Juda, 26ff. 7 "Ephraim" allein steht in 4,17; 5,9a.11; 7,8ff; 8,9b.11; 9,3.8.11ff; 10,l1a; 11,3.9; 12,2.9a.15; 13,1; 13,12; 14,9; "Israel" allein findet sich in 4,1.16; 5,1.5a.9b; 7,1.10; 8,2f.6.8; 9,1.7.10; 10,1.8f. 15b; 11,1; 12,14; 13,1.9; 14,2.6.

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11,8; 12,la). Es stellt sich die Frage, aus welchem Grund in Hos 4-14 immer wieder für den Norden neben "Israel" die Bezeichnung "Ephraim" auftaucht. Der bisherigen Forschung ist nicht gelungen, die Hintergründe für diese Kennzeichnung des Nordreichs bzw. des späteren Nordbereichs aufzudecken. Alt hat die Frage, wann und aus welchen Gründen "Ephraim" vom Namen einer Landschaft zu einer Bezeichnung für das gesamte "Nordreich" wurde, damit beantwortet, daß das Wort nach 733 v.Chr. für den Rumpfstaat geprägt worden sei, der nach den assyrischen Gebietsabtrennungen verblieben sei. 8 Seine These trifft bei genauerem Hinsehen nicht zu. Zahlreiche Texte im Alten Testament vollziehen keinen entsprechenden Wechsel in der Begrifflichkeit (z.B. 11 Reg), und Jes 7,1-9 bezeichnet sogar das Nordreich als "Ephraim", obwohl die Handlung vor 733 spielt. 9 Häufig beschreibt "Ephraim" den gesamten Norden, ohne daß der entsprechende Text eine zeitliche Festlegung auf einen bestimmten Abschnitt seiner Geschichte intendiert (z.B. Jes 7,17; Jer 7,15; 31,9.18ff; Hos 8,11; 9,8; 11,3; 12,9; 12,15).10 Auch die Texte, die Zukunftshoffnungen artikulieren Ger 31,9.18ff; Ez 37,15-20; Sach 9,13; 10,7), beziehen sich ganz eindeutig niemals auf einen Rumpfstaat, sondern auf den gesamten Norden. In Hos haben unter den Texten, die "Ephraim" verwenden, besonders die Geschichtsrückblicke (11,3; 13,1) und die Aussagen über das grundsätzliche Verhalten Ephraims (8,11; 12,9; 12,15) eine längere Zeit im Auge als die 11 Jahre zwischen 733 und dem Untergang 722 v.Chr. Das selbstgefällige, reiche Ephraim aus Hos 12,9 paßt kaum in diese krisenhafte Zeit. Die Feststellung in 7,8a.11b, daß sich Ephraim töricht gegenüber Fremden verhalte, hat nicht nur die Ereignisse der letzten 11 Jahre des Nordreichs vor Augen. Das gilt auch für Aussagen in Hos, die Götzenbilder und illegitime Jahwebilder betreffen (Hos 4,17; 14,9).11 Kein Hos-Text mit "Ephraim" als Kennzeichnung des Nordens liefert einen unmißverständlichen Hinweis, daß die inkriminierten Zustände mit den Gebietsverlusten von 733 zu tun haben. Alts Überlegung, daß die Namensänderung von "Israel" zu "Ephraim" mit den assyrischen Eroberungen 733/34 zusammenhängen könnte, bewährt sich also für Hos und für das Alte Testament insgesamt nicht. Zu oft verbinden sich mit "Ephraim" Reflexionen, die weit über eine Beschrei8 A. Alt, KS TI, 176. 319, Anm. 1. L. Rost, Israel, 10Sff teilt diese These. 9 Budde hat Kritik an Alts These aufgrund vonJes 7,1-9 erstmals 1934 geäußert (vgl. dazu A. Alt, KS II, 176.319; mit Budde W. Rudolph, KAT 13/1, 122). 10 Typisch ist hier Jes 7,17, der Rückblick auf die Reichstrennung. 11 Dem Norden wird generell unterstellt, seit der Reichstrennung illegitimen Jahwekult zu pflegen, vgl. I Reg 12,28ff.

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bung der Lage von 733 hinausgehen und die gesamte Geschichte und Zukunft des Nordens berücksichtigen. Zwar können vorexilische Belege erhalten sein (z.B. Jes 28,1_4*12; Hos 7,8b.lla), doch weisen auch sie nicht zwingend auf territoriale Veränderungen als Hintergrund und Motiv der Begriffsbildung hin. Wolf! und Jeremias bewegen sich in ihren Kommentaren im Großen und Ganzen auf der Linie Alts. Sie sehen aber als Grund der Rede von "Ephraim" anstelle von "Israel" zusätzlich inhaltliche und theologische Differenzierungen. Beide behaupten, daß "Israel" nach dem syrisch-ephraimitischen Krieg das Nordreich als Jahwevolk ins Auge fassen soll, "Ephraim" aber seine konkrete, schuldhafte Existenz und seine Mikrostaatlichkeit. "Israel" beschreibe den Idealzustand, "Ephraim" das Scheitern daran. Allerdings sehen beide, daß sich nicht alle "Ephraim"-Belege in Hos so erklären lassen. Deshalb rechnen sie mit abweichenden Verwendungen von "Ephraim". In seiner Frühzeitverkündigung vor dem Krieg (c. 4), benutzt Hosea nach Wolf! "Ephraim" für die Landschaft. Für Jeremias stehen in 4,1-5,7 als einem Text aus der prophetischen Frühzeit "Ephraim" und "Israel" synonym für das Nordreich als Ganzes. 13 Aber auch diese Erklärung erweist sich als nicht ausreichend. In Jeremias' Kommentar bleibt in zahlreichen Fällen ungeklärt, wieso "Ephraim" als Nordreichsbezeichnung auftaucht. In den entsprechenden Stellen spielen weder besondere theologische Nuancen eine Rolle noch stammt der entsprechende Beleg aus der Frühzeit Hoseas (z.B. 8,11; 11,3ff; 12,15; 13, 12f). Jeremias rechnet hier jeweils letztendlich damit, daß "Ephraim" genau wie "Israel" das Nordreich allgemein benenne,14 und widerspricht so seinen eigenen Thesen. Ganz abgesehen von solchen Inkonsistenzen stellt sich wie überall in der Prophetenforschung die grundsätzliche Frage, ob man solche Divergenzen im Sprachgebrauch mit Hilfe von Verweisen auf unterschiedliche Verkündigungsphasen auflösen darf. 15

12 Zum Grundbestand von Jes 28,1-4 S.u., 9.3.2. 13 H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 144.212; J. Jeremias, Am 24/1, 17.81, Anm. 14,82.97.123. Diese These favorisieren auch H. Utzschneider, Prophet vor dem Ende, 129ff und A.A. Macintosh, ICC, 200. 14 J. Jeremias, Am 24/1, 110.134.141ff.157f.165f. Diesem Vorgehen entspricht die Haltung der älteren Forschung. Wellhausen, Nowack, Sellin, Robinson und Rudolph behandeln die Worte "Israel" und "Ephraim" als bedeutungsgleich für das gesamte Nordreich, ohne die Frage im einzelnen zu diskutieren. Seesemann meint einen willkürlichen Wechsel zwischen "Ephraim" und .Israel" erkennen zu können und schließt daraus, daß "Israel" automatisch das Nordreich bedeutet (Israel und Juda, 18). 15 Vgl. dazu die Hinweise von U. Becker, Jesaja, 11; K.-F. Pohlmann, Am 22/1, 40f; R.P. Carroll, Jeremiah, 34ff.

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Israel und Ephraim

Die These Wolffs und Jeremias', daß "Israel" den Soll-Zustand und "Ephraim" den Ist-Zustand mit seinen politischen Aktivitäten abdeckt, paßt nicht dazu, daß das Wort "Ephraim" anders als "Israel" nie mit politischen Größen wie dem Königtum in Verbindung gebracht wird. 16 Es läßt sich zeigen, daß "Ephraim" und "Israel" in Hos nicht für unterschiedlich nuancierte Aussagen über das Nordreich benutzt werden. 17 Einige Passagen formulieren den gleichen Sachverhalt einmal mit "Israel" und einmal mit "Ephraim" (Vermehrung der Altäre Hos 8,11 und 10,1). Geschichtsrückblicke gibt es sowohl mit "Israel" (Hos 9,10; 11,1) als auch mit "Ephraim" (Hos 11,3; 13,1). Die Bezeichnung "Ephraim" vermittelt also in Hos keine spezielle Bewertung des Nordens, die nicht mit dem "Israel"-Begriff zu erzielen wäre. Da die bisherige Forschung die Frage nicht beantworten kann, warum ein historischer Hosea oder seine Schüler nicht durchgehend von "Israel" und 'K1W' n'J sprechen, soll im Folgenden im Blick auf Geschichte und Verwendungsweise des Begriffes "Ephraim" genauer untersucht werden, warum "Ephraim" als Bezeichnung des Nordens eingesetzt wurde. "Ephraim" bedeutet ursprünglich eine Landschaft, das Gebirge Ephraim zwischen Bethel und der J esreelebene. Dieser Landschaftsname ist auf die dort ansässigen Menschen übergegangen, so daß der Begriff eine Menschengruppe innerhalb des (ehemaligen) Nordreichs oder einen Stamm benennen kann. 18 Insgesamt dominiert aber die Bedeutung als Landschaft unter den Belegen von "Ephraim" im Alten Testament. 19 Gerade Texte, die eine ältere Überlieferung bewahrt haben können, bevorzugen eine Bedeutung von "Ephraim" als Landschaft (z.B. Jdc 4,5; II Sam 2,9; I Reg 4,8; 12,25). Dies weckt gewisse Zweifel gegenüber der These, daß "Ephraim" in vorstaatlicher Zeit einen Stamm bezeichnete. 2o 16 S.u.,53. 17 Auf dieses Ergebnis, nämlich daß "Ephraim" als Nordreichsbezeichnung keine speziellen Botschaften transportiert, laufen auch die Analysen von 1. Willi·Plein, Vorformen, 316ff hinaus. 18 Insbesondere in II Sam 2,9 changiert der Begriff zwischen Landschaftsbezeichnung und Bezeichnung der Bewohner. 19 Z.B. Dtn 34,2; Jos 19,50; Jdc 2,9; 3,27; 4,5; 10,1; 12,15; 17,1; 18,2; 19,1.16; I Sam 1,1; 9,4; II Sam 20,21; I Reg 4,8; 12,25; II Reg 5,22; Jer 4,15; 31,6; 50,19; üb 19; I Chr 6,52; II Chr 13,4. 20 Man kann vermuten, daß die Rede von "Ephraim" als Stamm sich nachexilischen Kon· struktionen auf dem Weg zu einem Zwölfstämmesystem verdankt. Wie auch Noth einräumt, fehlen vorexilische Belege für das Zwölfstämmesystem (vgl. M. Noth, System, 3ff.122ff; so auch R.G. Kratz, Komposition, 110ff.28lff). Zu älteren Stimmen, die das Zwölfstämmesystem für fiktiv halten, s. M. Noth, System, 30.39ff. Neuerdings hat C. Levin, System, 117ff diese These zu Recht wiederbelebt. Was den Stamm Ephraim betrifft, so könnte lediglich Jdc 5,14 einen älteren Beleg für die Existenz dieses Stammes bewahrt haben, doch steht eine frühe Datierung des Deboraliedes nicht mehr unbestritten fest. Zu Indizien für eine deutlich spätere Abfassung dieses Textes vgl. M. Waltisberg, Alter der Sprache, 226ff.

Ephraim

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Die Verwendung von "Ephraim" im Alten Testament zeigt charakteristische Besonderheiten. Staatliche Institutionen oder andere organisatorische Einheiten werden nie mit "Ephraim" in Verbindung gebracht. Nirgends tritt im AT ein König von Ephraim auf, wohingegen das Königtum mit der Teilgröße Samaria verbunden stehen kann (z.B. I Reg 21,1; II Reg 1,3; Hos 10,7). Genauso wenig begegnet die Rede von Fürsten/Obersten (C'1W) oder Ältesten (c'~pr) Ephraims. Daraus folgt, daß der Begriff "Ephraim" nicht auf die konkrete Staatlichkeit des Nordens bezogen ist. Außerdem ist klar, daß "Ephraim" keinesfalls mit dem Süden in Verbindung gebracht werden kann; "Ephraim" markiert eindeutig den Norden. Texte, die diesen Terminus verwenden, schließen anders als Texte mit "Israel" jede Verwechslung mit "Juda" oder dem gesamten Jahwevolk aus. Kein Leser kann auf die Idee kommen, beispielsweise Jer 31,18ff als Text über die Umkehr Judas zu lesen. Daraus folgt, daß "Ephraim" der ideale Terminus ist, um aus judäischer Perspektive unmißverständlich das Nordreich zu bezeichnen. Dies gilt vor allem, nachdem "Israel" als Bezeichnung des Gottesvolkes auch von Juda in Anspruch genommen wurde. War nämlich aus judäischer Sicht nach dem Untergang des Nordreichs 722 der "Israel"-Begriff nur noch auf Jerusalem und Juda bzw. das eigentliche J ahwevolk anwendbar, so war bereits in vorexilischer Zeit eine Ersatzbezeichnung für den Norden erforderlich. Für diese These spricht, daß eine solche Verwendung der Begriffe "Israel" und "Ephraim" die Klarheit der Aussage sicherte: "Israel" war das von Juda repräsentierte Gottesvolk, "Ephraim" die Bevölkerung des Nordens. Auf diese Weise läßt sich der Wechsel zwischen "Ephraim" und "Israel" in Hos auf unterschiedliche Aussageintentionen zurückführen. Wo "Ephraim" verwendet wird, soll ganz eindeutig vom Norden gehandelt werden. Wo "Israel" gebraucht wird, kann es um den Norden (z.B. Hos 8,6), um Juda (z.B. Hos 8,1-3) oder um Norden und Süden gemeinsam gehen (z.B. Hos 5,1).21 Der Vorgang, daß anstelle der Kennzeichnung des Nordens mit "Israel" ein Ersatzbegriff geprägt werden mußte, läßt sich in Ez deutlich beobachten. Dort dominiert "Israel" als Bezeichnung für das Jahwevolk. Für den Süden charakteristische Bezeichnungen wie "Juda" oder "Jerusalem" treten zurück. Zimmerli will daraus folgern, daß in Ez über ein Gesamtisrael verhandelt wird. Er sieht richtig, daß der "Israel"-Begriff in Ez die historisch gewachsene Definition auf einen Volksteil, nämlich den Norden, verloren hat. 22 Es ist allerdings zu fragen, ob es nicht sogar zu einer Festlegung dieses Begriffes auf ein Gottesvolk Israel ohne den Norden gekommen 21 Zu Hos 8,1-3 und zu Hos 5,1 s.u., 4.2.2. 22 W. Zimmerli, Israel, 79ff.

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ist. 23 Ez 8-11 spricht von "Israel" und "Haus Israel" in einem Kontext, der sich mit dem Kult am Jerusalemer Tempel beschäftigt (so z.B. Ez 8,6.11.12). Das Buch spielt im Zusammenhang mit dem Wort "Israel" auf den Zion (Ez 20,40) und den judäischen König an (Ez 21,30). Die Geschichtsrückblicke schließlich reden zwar sehr umfassend von "Israel", ignorieren aber die Ereignisse von 722, indem sie nur eine Zerstreuung berücksichtigen (Ez 20,5ff; 36,16ff). Also ist für die verantwortlichen Redaktoren in Ez "Nordreichgeschichte" nicht "Israelgeschichte". Damit ist der Norden implizit ausgegrenzt. Ist im Ez-Buch explizit vom einstigen Nordreich die Rede, so läßt sich jeweils eine deutliche Tendenz feststellen, den Begriff "Israel" zu vermeiden. 24 So kennzeichnet "Joseph" in Ez 37,16ff den Norden, und in Ez 16,46ff wird er durch "Samaria" repräsentiert. Ez 23,1-10 verzichtet auf jede Benennung der älteren Schwester als "lsrael".25 Für das Aufkommen und vor allem für die weite Verbreitung von "Ephraim" als Bezeichnung für den Norden, läßt sich also als plausibler Hintergrund erschließen: bereits J udäer der Zeit nach 722, aber auch die judäische exilisch-nachexilische Gemeinde, die den "Israel"-Begriff für sich vereinnahmt haben und daher den Bezug auf das ehemalige Nordreich und das zeitgenössische Samaria ausschließen wollen, benötigen einen eindeutigen Ersatzbegriff. Sie können das ehemalige Nordreich nicht mehr "Israel" nennen. Für diese These spricht der Gebrauch von "Ephraim" und "Manasse" in ehr. Zwar hat es den Anschein, als seien lediglich zwei Stämme und ihre Territorien gemeint, und gelegentlich erscheint "Ephraim" auch in diesem Sinne (z.B. I ehr 12,31; 11 ehr 30,10.18; 34,6). Doch stehen "Ephraim" (und "Manasse") des öfteren pars pro toto für das gesamte (einstige) Nordreich (z.B. 11 ehr 15,9; 25,7.10; 28,12; 30,1; 31,1; 34,9). Besonders in 11 ehr 25,7 und 28,12 bedeutet "Ephraim" schlicht das ganze damalige Nordreich. Der Gebrauch von "Ephraim" in Sach weist in die gleiche Richtung (Sach 9,10.13; 10,7). Die Eigenart, daß "Ephraim" niemals im Zusammenhang mit politischen Institutionen steht, ist also dadurch bedingt, daß die Bezeichnung "Ephraim" nach 722 als Kennzeichnung des Nordens eingesetzt wurde, nachdem das Nordreich nicht mehr als selbständige politische Einheit existierte.

23 W. Zimmerli, Israel, 88ff. Auch L. Rost, Israel, lllf nimmt an, daß .Israel" in Ez durchgehend für Juda benutzt wird, mit Ausnahme von Ez 27,17. 24 W. Zimmerli, Israel, 8lf. Er weist nach, daß Israel als Bezeichnung des Nordens parallel zu Juda nur in Nachträgen auftritt. 25 W. Zimmerli, Israel, 83; ders., BK.AT 1312, 1258ff; K.-F. Pohlmann, ATD 22/1, 13ff; ders., ATD 22/2, 342.

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Daß im Hos-Buch die Verwendung des Etiketts "Ephraim" für den Norden mit Anliegen judäischer Theologen zusammenhängt, bestätigt der zweite Schwerpunkt von Ephraimbelegen im Alten Testament außerhalb von Hos, nämlich das J es-Buch, sowie alle weiteren Belege in der prophetischen Literatur. Hier erscheint der Begriff "Ephraim" bis hin zum SachBuch, um den Zustand des Nordens oder das Verhältnis von Nord und Süd oder ihrer beide heilvolle Zukunft zu beschreiben (so z.B.Jes 7,1-9; 9,8-20; 11,13; Jer 31,9.18ff; Ez 37,16-20; Sach 9,10; 9,13; 10,7). In all diesen Texten sind eindeutig judäische Sichtweisen festgehalten. Aufgrund dieser Überlegungen ist für das Hos-Buch davon auszugehen, daß zumindest für weitaus größere Textanteile als bisher angenommen eine Abfassung im Bereich Juda/J erusalem zu veranschlagen ist. 26

4.2 Israel Der Begriff "Israel" wird zum einen bis in die Zeit des ChrG für das Nordreich (z.B. II Chr 13,18; 15,9; 17,1; 17,4)27 und zum anderen für das Jahwevolk als Ganzes verwandt. Die bisherige Forschung diskutiert besonders über den Zeitpunkt, von dem ab "Israel" nicht mehr nur für das Nordreich, sondern für das Gesamtvolk verwendet wurde. Nach der Auffassung von Alt geschah das erst, nachdem das Nordreich als Träger des Namens untergegangen war. 28 Zobel dagegen versucht, die Anwendung eines umfassenden Israelbegriffs schon in der vorstaatlichen Zeit zu belegen. Er verweist auf zahlreiche Texte im DtrG, in denen mit "Israel" eine größere Gruppe als das spätere Nordreich umschrieben ist. Allerdings wäre in Betracht zu ziehen, daß sich hier der

26 Daß im Hos-Buch nirgends vom Zion die Rede ist, spricht nicht gegen eine Herkunft von großen Anteilen des Buches aus Juda, denn das Mal-Buch zeigt ein ähnliches Bild. In diesem judäischen Werk ist nirgends explizit vom Zion die Rede, und Juda und Jerusalem kommen nur in sekundären Partien vor (L. Rost, Israel, 114f). 27 Vgl. H.-J. Zobel, Art . .,~.,tzI" Sp. 994ff. 28 A. Alt, KS Ir, 319. So auch L. Rost, Israel, lf.l02ff; J.A. Soggin, Einführung, 164; 1. Finkeistein/N.A. Silberman, The Bible unearthed, 44. 149ff. Rost folgt Alts Position jedoch nicht konsequent, da er annimmt, daß der Prophet Hosea "Israel" bereits vor 722 als Name für das Volk seit dem Exodus und der Frühzeit benutzt (Israel, 10Sf). Zwar hat Davies mit seiner These (Search, 18ff.87ff), im Hintergrund der biblischen Rede von "Israel" stehe letztlich die Identitätsfindung der gelehrten Jerusalerner Elite in der Perserzeit, Wesentliches erkannt. Doch seine Beurteilung des gesamten biblischen Israelbildes als unklar, idealisierend und sogar ideologisierend (Search, S2ff) ist zu einseitig. Hier muß stärker zwischen den einzelnen Textbereichen differenziert werden. So ist etwa im Bereich der Moseerzählungen sehr viel eher mit der Beschwörung eines Idealisraels zu rechnen als in weiten Teilen von Reg.

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Sprachgebrauch der Entstehungszeit von DtrG 1ll der exilisch-nachexilischen Zeit widerspiegeln kann. 29 In jedem Fall verliert der Begriff spätestens nach 722 den exklusiven Bezug auf das Nordreich; er kann sich sowohl auf den Norden vor und nach seinem staatlichen Untergang als auch auf das Gesamtvolk beziehen. 30 Für viele nachexilischen Texte 3! muß man sogar annehmen, daß darin "Israel" für das ehemalige Süd reich steht. 32 Auch für Hos darf man angesichts dieser Texte nicht von vornherein die Frage ausklammern, ob ein "Israel" in diesem Buch als Umschreibung Judas fungieren kann (z.B. Hos 8,1_3).33 Die Exegese muß also dringend Maßstäbe ermitteln, um zu bestimmen, an welche Volksgruppe sich ein Israeltext in Hos richtet. Die Datierung ist ein wichtiges Indiz, mit dessen Hilfe man über die Bedeutung eines "Israel"-Beleges entscheiden kann. Stammt dieser Beleg aus der Zeit nach dem Untergang des Nordreichs 722, so ist es eher davon auszugehen, daß "Israel" für das ganze Volk oder für Juda verwendet wird. Viele Hos-Texte beziehen sich auf andere vorgegebene alttestamentliche Texte, so z.B. Hos 13,10 auf I Sam 8,6-8. Wenn diese außerhoseanischen Texte eindeutig vom Norden oder vom Süden oder vom ganzen Volk sprechen, wirft dies ein Licht auf den entsprechenden Hos-Text, sofern dieser keine Korrektur an der vorgegebenen Position anbringt. Diese beiden Indizien, Datierung und der Vergleich mit Bezugstexten, reichen allerdings nicht aus. Wie der Befund in ehr zeigt, kann noch in sehr jungen Texten "Israel" allein den Norden vor und nach 722 bezeichnen. 34 Ferner ist zu beachten, daß ein Bezugstext auch nicht immer eindeutige Angaben enthält. Deshalb sind weitere inhaltliche Kriterien unverzichtbar. Sie erwachsen aus dem Gebrauch von "Israel" im jeweiligen Hos-Vers. Worauf zu achten ist, wird im Folgenden an einigen Beispielen skizziert. 29 H.-J. Zobel, Art. ?~.,tv" Sp. 994ff. Zur Frage nach altem Textgut im DtrG s. R.G. Kratz, Komposition, 161H; O. Kaiser, Studien zur Literaturgeschichte, 129H.165ff; W. Dietrich/T. Naumann, EdF 287, 138ff.198ff. Gegen eine frühe Datierung des Deboralieds, das »Israel" in einer umfassenden Bedeutung verwendet, wurden in jüngster Zeit von Waltisberg schwerwiegende Bedenken erhoben (Alter der Sprache, 226ff). 30 H.-J. Zobel, Art. ?~.,tv" Sp. 1008ff beschreibt diese Entwicklung, aber er unterschätzt ihr Ausmaß. Er übersieht nämlich, daß die Exulantenschaft, die in exil ischen und nachexilischen Texten als Jsrael" qualifiziert wird, sich de facta nur aus Abkömmlingen des ehemaligen Südreichs zusammensetzt. 31 Vgl. z.B. Jes 40,27; 41,8; 41,14; 42,24; 43,1.22; 44,1.21.23; 45,4; 46,3; 48,lf; Ez 8,11; 11,15; 12,6; 24,21; 35,15; 44,12. 32 Sogar für Texte mit »Israel", die tatsächlich aus der Zeit vor 722 stammen, wirkt sich die Vieldeutigkeit aus, indem sie von ihren späteren Lesern auf drei Weisen rezipiert werden können. Sie können sie auf den Norden oder auf den Süden oder auf das ganze Volk hin ausdeuten. 33 L. Rost, Israel, 28f. Zu Hos 8,1-3, S.u., 4.2.2. 34 H.-J. Zobel, Art. ?~.,tv" Sp. 1009f.

Israel

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4.2.1 "Israel" als Staats bezeichnung Die Verwendung von ,~,t!l' n'J (Hos 5,1; 6,10; 12,1) erlaubt keineswegs die Folgerung, daß der entsprechende Vers vom Norden vor und nach 722 handelt. Eine Durchsicht der anderen Prophetenbücher vor allem in ihren exilisch-nachexilischen Anteilen führt zu folgendem Befund: im Jer-Buch wird ,~,t!l' n'J nur verwendet, wenn parallel dazu vom "Haus Juda" die Rede ist (z.B. Jer 3,18; 5,11; 11,10; 13,11; 31,27). Über die Israelbelege in 2,4; 5,15 und 10,1 kann man streiten; in Jer 18,6; 23,8; 31,33 ist eindeutig Juda oder das Gesamtvolk gemeint. In Ez steht der Ausdruck überwiegend für Juda oder die judäische Gola (z.B. 5,4; 8,11; 11,5.15; 12,6.9.10; 13,5; 17,2; 24,21; 36,17ff; 37,11; 43,7; 45,17bis). Sichtet man Jes, so dominieren Deutungen auf Juda oder das Gesamtvolk (8,14; 14,2; 46,3; 63,7).35 Damit erweist sich die Rede vom "Haus Israel" als fast ebenso mehrdeutig wie die Rede von "Israel" allein. Worauf sich "Haus Israel" bezieht, kann folglich analog wie im Fall von "Israel" erst über die Datierung des Textes oder mit Hilfe weiterer Informationen des Kontextes geklärt werden.

4.2.2 Institutionen, Orts· und Landscha/tsnamen Die Bedeutung von "Israel" läßt sich in den Fällen klarer erschließen, in denen der Begriff in Verbindung mit Namen von Orten oder Heilsgütern oder Institutionen belegt ist. Das heißt: Wenn der Verfasser36 eines HosTextes zusätzlich zu "Israel" andere Orte, Institutionen oder Heilsgüter aus dem Bereich des Nordens erwähnt, hat er den Norden vor oder nach 722 vor Augen. Das gleiche gilt für Juda: stehen Namen aus Juda mit "Israel" zusammen, so ist der Süden gemeint; und wenn Namen aus beiden Reichen gemeinsam mit "Israel" vorkommen, bezeichnet "Israel" das Gesamtvolk. 37 Allerdings lassen sich nicht alle Ortsnamen klar einem Teilreich zuordnen. Ein Ortsname kann zu mehreren Ortslagen passen,38 oder die Ortslage eines Namens kann noch ungeklärt sein. Ferner muß man den Grenzverlauf zwischen Nord und Süd zur Entstehungszeit des Textes 35 In Jes bezeichnet nur in 5,7 "Haus Israel" eindeutig den Norden. Jes 8,14 bietet eine ausgesprochen interessante Formulierung für die beiden Teilreiche: "~"W' 'n:l 'lW. Dies zeigt, wie stark sich "~"W' n':l für Juda bereits eingeschliffen hat. 36 Wo im Folgenden von "der Verfasser" oder "der Redaktor" die Rede ist, ist nicht ausgeschlossen, daß eigentlich ein Redaktorenkreis hinter dem jeweiligen Texte steht. 37 L. Rost, Israel, 26f, weist ebenfalls auf die definierende Wirkung von Ortsnamen hin. 38 Dies betrifft z.B. das in Hos 5,1 erwähnte Mizpa, s.u., 62.

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berücksichtigen. Dies betrifft besonders Orte im benjaminitischen Gebiet und hier an erster Stelle Bethel. Bethe1 gehört wahrscheinlich seit der Josiazeit zum judäischen Gebiet. 39 Für seine große Bedeutung in der Exilszeit und frühen Nachexilszeit gibt es starke archäologische Indizien. 40 Exkurs: Zur Bedeutung Bethels Bezüglich Bethels älterer Geschichte ist die Beweislage unsicher. Die These von einem Staatsheiligtum in Bethel stützt sich hauptsächlich auf I Reg 12,29. Der Vers läßt sich nur sehr schwer aus dem dtr. Gefüge I Reg 12,26-29 herauslösen. 41 Selbst wenn man dem Bericht einen gewissen historischen Gehalt zuerkennt, berichtet er einfach von der Gründung von Heiligtümern, nicht von Staats heiligtümern. Was den Folgekontext in I und 11 Reg betrifft, der die Geschichte der beiden Reiche berichtet, so fällt auf, daß Bethel in seiner Funktion als Kultort niemals den Schauplatz für bedeutende politische Ereignisse abgibt, wie beispielsweise Jesreel für die Jehurevolution (II Reg 9f). Das wäre für ein Staatsheiligtum jedoch zu erwarten. Bethel bildet nur 11 Reg 2,23 den Ort der Handlung für eine Elisasage, ohne daß sein Status als Kultzentrum eine Rolle spielt. 42 Alle übrigen Erwähnungen von Bethel stehen verbunden mit dtr. theologischen Anliegen wie Jahwegehorsam und insbesondere Kultzentralisation (I Reg 13,1-5.10ff; 11 Reg 10,29; 23,4. 15ff). Allenfalls für I Reg 13 läßt sich vielleicht ein älterer Kern rekonstruieren, aber es fragt sich, ob das dtr. Anliegen des Jahwegehorsams diesen Text nicht völlig durchdringt und in eine jüngere Zeit verweist. Folgt man Würthwein in der Rekonstruktion eines vordtr. Kerns (I Reg 13,1.2"4*.6; 13,11".12-15.19.23-31"), so gilt hier Bethel nicht als Staatsheiligtum, sondern als ein Kultort unter anderen. Hierin könnte eine zutreffende historische Reminiszenz liegen, denn Am 3,14; 4,4; 5,5f bestätigen diesen Eindruck. Amazja als Priester von Bethel (Am 7,10-17) stellt einfach den Priester eines Heilig-

39 Zu den Eroberungen Josias und ihrer Problematik vgl. H. Donner, Geschichte des Volkes Israel, 348ff; J.A. Soggin, Einführung, 174f; I. Finkelstein/N.A. Silberman, The Bible unearthed, 347ff. 40 R. Albertz, Religionsgeschichte, 579; E. Stern, Archeology, 321ff; I. Finkelstein/N.A. Silberman, The Bible unearthed, 307. 41 E. Würthwein, ATD 11/1, 161ff; ATD 11/2,460 bestimmt den betreffenden Text als geschlossen dtr. Seiner Ansicht nach pervertieren die Dtr. eine ursprüngliche Kultätiologie, falls hier überhaupt Reste einer älteren Überlieferung erhalten sind. Zwar erkennt Würthwein, daß sich die Dtr. hier mit dem Bethel ihrer eigenen Zeit auseinandersetzen, aber er fragt nicht konsequent, welche Auswirkungen dieses Interesse auf den Sachgehalt ihrer Aussagen hat. Nur für Dan stellt er eine Historizität des Status als Reichsheiligtum ernsthaft in Frage. H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 26ff, versucht einen alten Bestand in I Reg 12,26ff zu retten, scheitert aber an dessen unauflöslicher Verknüpfung mit dtr. Gut. Die Stele von Keli~in, die er als altorientalische Parallele zu I Reg 12,26ff einbezieht, nennt vor der Gründung des Heiligtums den Ort, nicht zuerst die Herstellung von Kultbildern wie I Reg 12. 42 11 Reg 2,2f, wo Elia auf dem Weg zu seiner Entrückung mit Elisa durch Bethel kommt, ist ein nachdtr. Nachtrag, so mit E. Würthwein, ATD 1112, 273ff.

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turns wie viele andere dar. Selbst wenn man hier an einer frühen Datierung oder einem alten Überlieferungskern festhält, kann man nicht übersehen, daß der Vers über Bethel als Staatsheiligtum (7,13) aus dem Kontext herausfällt. Man könnte die kurze Erzählung problemlos ohne 7,13 lesen. Der Vers klappt gegenüber 7,12 nach. Er ist eine Dublette zu V.12; Am 7,12 fordert, daß Amos das gesamte Nordreich verlassen muß, 7,13 trägt demgegenüber ein Detail nach, nämlich das Verbot, in Bethel aufzutreten. Außerdem hält 7,10 die Worte des Propheten grundsätzlich für anstößig, nicht nur in Bethel. Auch 7,16 rechnet mit einem generellen Redeverbot im Nordreich. 43 Am 7,13 trägt also den besonderen Status Bethels nach. Bethel könnte demnach in der Zeit der zwei Reiche zwar ein wichtiger Kultort gewesen sein, aber wohl kaum ein Staatsheiligtum.44 Der archäologische Befund bestätigt die Sichtweise, daß Bethel vor 722 höchstens ein Kultort im Norden unter anderen war. Bethel gelangte erst nach der assyrischen Zeit und besonders in der Exilszeit zu Reichtum und Bedeutung. Die Kultstätte Jerobeams 1. dagegen läßt sich nicht nachweisen. 45 Sofern man die entsprechenden Texte im DtrG (z.B. I Reg 13; 11 Reg 23,15ff) mit dem Göttinger Modell in der Exilszeit verortet, zeigen sie eine intensive Diskussion über den Kult in Bethel in dieser Zeit. Offensichtlich stellte sich in dieser Zeit verstärkt die Frage, wie ein Kultort Bethel theologisch bewertet werden mußte. Für Hos folgt daraus, daß eine innerjudäische Betheldebatte seit der Exilszeit als ein mindestens ebenso plausibler Hintergrund für die dortige Auseinandersetzung mit dem Kult in Bethel zu veranschlagen ist wie Polemik gegen ein Heiligtum in Bethel vor 722. Besonders nahe liegt eine Verbindung mit exilisch-nachexilischer Bethelkritik in Texten wie Hos 8,5f; 10,5f46 und 12,3_5.47 Die Erwähnung von Bethel eignet sich also kaum, um einen Israeltext in Hos auf den Norden vor 722 zu beziehen. Dies gilt auch für Hos 5,8. 48 43 S. E. Würthwein, ATD 11/1, 166ff zu I Reg 13. Für Am 3,14 besteht der Verdacht, daß der Vers dtr. Einfluß aufgenommen hat. Die Vielzahl von Altären dürfte vor der Kultzentralisation kaum einen wichtigen Kritikpunkt bilden. Am 5,5f vermeidet in V.6 in der gleichen Weise wie Ez 37,16ff den Israelnamen für das (ehemalige) Nordreich, indem er vom Haus Joseph spricht. Das erregt einen gewissen Verdacht gegen eine amosische Herkunft von Am 5,5f. Lediglich 4,4 kann ein älteres Zeugnis für Kult in Bethel darstellen. Zum Nachtragscharakter von Am 7,10-17 und darin wiederum V.12f s. auch C. Levin, Amos und Jerobeam 1., 255ff. 44 Es scheint möglich, daß an diesem Kultort ein Stierbild eine Rolle spielte, so daß die jüngeren Texte über den Kult in Bethel eine zutreffende Erinnerung bewahren. Neben der Vorstellung von Bethel als Reichsheiligtum existiert die Überlieferung, daß Bethel Ursprung und Zentrum des Kults der N ordreichbevölkerung nach 722 darstellt (II Reg 17,28). Interessanterweise kommt der Priester, der die Neuankömmlinge nach n Reg 17,28 unterweist, nicht aus dem ehemaligen Staatsheiligtum Bethel, sondern aus Samaria. Es hat den Anschein, daß der Verfasser von n Reg 17,28 nicht von einer Tradition von Bethel als Staatsheiligtum wußte. 45 J.L. Kelso, Art. Bethel, 194; O. Keel, Bildsymbolik, 101; E. Stern, Archeology, 32H.346. 46 So mit R.E. Woolfe, Editing, 109ff; anders H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 10 Hf. 47 S. H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 68ff zu einer entsprechenden Datierung von Hos 12, die allerdings noch zu früh ist (s.u., 7.4.5.3 zu Hos 12). 48 S.u., 7.3.5.

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Eindeutig der Norden vor und nach 722 ist dagegen in den Fällen in Hos 4-14 gemeint, wo "Israel" parallel zu "Ephraim" genannt ist (5,3bis; 5,5ba.; 6,10b; 10,6; 11,8; 12,la).49 In 8,1-3 taucht im Zusammenhang mit Israel :11:1' n'::l auf. In der Regel ist damit der Jerusalemer Tempel bezeichnet. 50 Davon ausgehend müßte sich 8,1-3 auf Jerusalem und Juda beziehen. Nun steht dieser Begriff an einer Stelle (8,la), die von der Forschung nahezu einhellig dem Nordreichpropheten Hosea zugeschrieben wird. 51 Daß sich ein solcher Nordreichprophet über den Jerusalemer Tempel äußerte, wäre sehr auffällig. Deshalb rechnet die Forschung hier meist mit einer Bedeutung von :11:1' n'::l als Jahwes Land. 52 Eine ganze Reihe von Gründen spricht aber dagegen, von der üblichen Bedeutung dieses Terminus abzugehen. Denn in einem Vers, der einen gängigen Begriff in einem ungewöhnlichen Sinne gebraucht, müßte dieser Bedeutungswechsel in irgendeiner Form signalisiert werden, um Mißverständnissen vorzubeugen. Hos 8,la enthält kein solches Signal. Der Vers ist sehr gut verständlich, wenn hier mit :11:1' n'::l der Jerusalemer Tempel vor Augen steht. Falls hier an das Land Jahwes gedacht wäre, müßte man Gründe dafür anführen können, warum nicht entsprechend formuliert wurde (z.B. :11:1' r'~ Hos 9,3, mit Suffix z.B. Jer 2,7; Joel2,18; Ps 85,2; :11:1' n~,~ Jes 14,2). Auch die Versionen liefern keine Hinweise, daß "Haus Jahwes" in Hos 8,la das Land bedeuten könnte. Die LXX z.B. 49 Zwei weitere Stellen, an denen .Israel" den Norden beschreibt, sind 10,15b und 8,5f. In 10,15b zeigt der Titel .,~,ttJ' 1"~, daß es um das (einstige) Nordreich gehen soll, denn er wird abgesehen von David und Salomo nur für Nordreichmonarchen benutzt. Hos 8,6 läßt sich zuordnen, indem 8,5 das Kalb eindeutig mit Samaria in Verbindung bringt und 8,6 diejenigen als .Israel" bezeichnet, die das Kalb machen (min auctoris). Das Kalb und seine .Macher" gehören also zweifellos in den Norden vor oder nach 722. 50 Zur üblichen Übersetzung als Jerusalerner Tempel s. E. Jenni, Art. n':I, Sp. 310 und HAL, 119. Die inschriftlichen Bezeugungen von il1i1' n':1 beziehen sich stets auf ein Heiligtum und insbesondere auf den Jerusalemer Tempel, s. E. Stern, Archeology, 20Hf. Dies bestätigt, daß eine andere Auffassung des Terminus vollkommen ungebräuchlich war. 51 Z.B. W.R. Harper, ICC, 308f; W. Rudolph, KAT 13/1, 16H; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 170ff; A.A. Macintosh, ICC, 292f. J. Jeremias, ATD 24/1, 104 nimmt an, daß Hoseas Schüler hier auf ein Wort ihres Meisters knapp anspielen. Nur K. Marti, KHC 13, 64f und G.A. Yee, Composition, 288f halten 8,1 insgesamt für einen Nachtrag. Nach Yee stammt er von dem dtr. Rl. 52 Als erster äußert wohl Rosenmüller 1812 diesen Vorschlag sowohl für Hos 8,1 als auch für Hos 9,8.15 undJer 12,7 (prophetae Minores, 246). Rosenmüllers Vorschlag folgen u.a. F. Hitzig, KEH, 38; J. Wellhausen, Kleine Propheten, 120; J. Ridderbos, Kleine Propheten, 85; W.R. Harper, ICC, 308; H.S. Nyberg, Studien, 62; W. Rudolph, KAT 13/1, 162; J.L. Mays, Hosea, 115f; F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 486; A. Schart, Entstehung, 220; A.A. Macintosh, ICC, 29Hf. Andererseits gehen P. Riessler, Zwölfprophetenbuch, 37f; B. Duhm, Anmerkungen, 27; H. Frey, Gedichte Hoseas, 67 und G.A. Emmerson, Structure, 708f von einem Tempel aus. Wegen 8,5f lokalisiert Emmerson (Structure, 708~ den Tempel in Bethel. Auch Frey denkt an den Tempel von Bethel oder Samaria. Der Targum und G.A. Yee, Composition, 288f rechnen mit dem Jerusalerner Tempel. T.H. Robinson, HAT 14,30, und Ackroyd (vgl. G.I. Emmerson, Structure, 700) schlagen vor, anstelle von i11:"1' n':1 hier .,~,ttJ' n':1 zu lesen.

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bestätigt ohne Einschränkung MT (e1l: o'iK:ov KDpiou), ebenso der Targum (KW1p~ n'::l), obwohl er Hos 8,1 ansonsten stark umschreibend wiedergibt. 53 Die sonstigen alttestamentlichen Belegstellen, die angeführt werden, um eine Auffassung von ;'1;" n'::l als Land Jahwes zu belegen, sind Hos 9,8.15;54 Jer 12,7 und Sach 9,8. Insbesondere Jer 12,7a wird gerne angeführt, um die Bedeutung als "Land J ahwes" zu begründen, steht 'n'::l hier doch parallel zu 'n'?m. Bei einer genaueren Analyse von J er 12,7 ergibt sich jedoch, daß hier kein Beleg für 'n'::l = "mein Land" (bzw. ;'1;" n'::l = "Land J ahwes") vorliegt. Die These, ;'1;" n'::l kennzeichne das Land J ahwes, läßt sich folglich nicht mehr halten. Exkurs: Jer 12,7 als Jahwes Preisgabe des Tempels Zuerst ist hier zu bedenken, daß sich Jahwes :1?m durchaus auf den Zion mit dem Tempel beschränken kann (Ex 15,17; Ps 79,1).55 Zweitens muß der ursprüngliche Kontext von J er 12,7 a berücksichtigt werden. Es ist nicht zu übersehen, daß die erste Konfession Ger 11,18-12,6) Texte unterbricht, die ein 'r1'::l verhandeln, nämlich 11,15-17 und 12,7a. InJer 11,15 und in 12,7b ist zudem von einem "Liebling" Jahwes die Rede. 56 11,15 scheint in Jahwerede auf die Schuld des "Lieblings" anzuspielen, 12,7b gibt in Jahwerede die Entscheidung Jahwes wieder, den "Liebling" preiszugeben. Der ursprüngliche Zusammenhang beider Stellen ist so evident, daß die Konfession sich von daher eindeutig als nachträglich eingearbeitet erweist. 11,15 spielt mit dem Stichwort 'r1'::l klar erkennbar auf den Tempelkult in Jerusalem an. Der Vers beklagt einen Kult im Tempel (W1p 1W::l) ohne innere Erneuerung und ist in Jahwerede formuliert. Die Jahwerede 12,7a stellt eine einleuchtende Fortsetzung dar. Wegen dieses oberflächlichen Kultes gibt Jahwe seinen Tempel auf. Die Abfolge von Schuldaufweis und Entscheidung, den geliebten Gegenstand aufzugeben, wird identisch für Jahwes "Liebling" und für seinen Tempel durchgespielt. Dies macht zusätzlich deutlich, daß 'r1'::l in 11,15 und 12,7 dieselbe Größe bezeichnen muß. Deshalb ist Jer 12,7 nicht geeignet, um eine Verwendung von :11:1' r1'::l als "Jahwes Land" nachzuweisen.

53 Die mittelalterlichen, jüdischen Exegeten halten ebenso wie Hieronymus an der Bedeutung von "Haus Jahwes" als "Jerusalerner Tempel" fest (vgl. A.A. Macintosh, lCC, 292). 54 Zwar steht auch in Hos 9,4 ~,~, n':l, aber der Kontext ist so evident am Kult interessiert, daß die Formulierung von der Forschung als Hinweis auf den Jerusalemer Tempel gewertet wird. Allerdings läßt sich so eine hose an ische Herkunft des Verses nicht mehr vertreten, vgl. H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 199f; J. Jeremias, ATD 24/1, 112f.116. So wird nolens volens bereits die Brüchigkeit der Hypothese deutlich, es könne mit "Haus J ahwes" das Land gemeint sein. 55 Vgl. auch G. Wanke, Art. ~"nJ, Sp. 58. 56 12,7b redet von einem 'rDlll m11' und 11,15a von '1'1' (vgl. auch HAL, 373 und App. BHS).

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Weitere Belege, die Wolff dafür anführt, daß mit il1il' n'J in Hos meist das "Land J ahwes" gemeint ist, erweisen sich ebenfalls als nicht stichhaltig. Der Hinweis auf die assyrische Bezeichnung des Nordreichs als "Haus Omri" überzeugt deswegen nicht, weil hier auf eine Herrscherdynastie, aber nicht auf eine Gottheit Bezug genommen ist, um einen Vasallenstaat zu benennen. Als zweiten Fall erwähnt Wolff die Namen von asiatischen Stadtstaaten in ägyptischen Listen, z.B. Beth-Anat, Beth-Dagon und Beth-Horon. 57 Man darf nicht übersehen, daß es sich hier anders als beim Flächenland Israel/Juda um Stadtstaaten handelt. Nach allem ist klar: 8,1 denkt an den Jerusalemer Tempel und kündigt einen Feindeinfall gegen ihn an. 58 Das "Israel" in Hos 5,lb bezieht sich auf das Volk in Nord und Süd. Das geht aus der Nennung der Ortsnamen klar hervor. Der Vers als Ganzer wirft Priestern, Königshaus und Ln~,w' n'J vor, mit Fallen in Mizpa59 und am Tabor vergleichbar zu sein. Während der Tabor eindeutig im Norden liegt, erwähnt das Alte Testament drei Orte mit dem Namen Mizpa, auf die sich Hos 5,1 beziehen könnte. So stellt sich die Frage, ob das Mizpa im Ostjordanland Odc 10,17; 11,11.34), das Mizpa am Hermon Oos 11,3.8) oder das Mizpa in Benjamin (I Reg 15,22; Ir Reg 25,23ff; Jer 40,7ff; 41) in Hos 5,1 gemeint ist. Die beiden erstgenannten Mizpa werden außerhalb von J os und J dc nirgends erwähnt. Sie spielen also für die Geschichte des Nordreichs keine Rolle. Mizpa in Benjamin ist dagegen zweifellos der bekannteste Ort dieses Namens im Alten Testament. Wegen der Bekanntheit und historischen Bedeutung von Mizpa/Benjamin (vgl. z.B. Jdc 20f; I Sam 7,5ff; 10,17; Ir Reg 25,23ff; Jer 40Q, ist sehr wahrscheinlich, daß sich Hos 5,1 auf diesen Ort bezieht. Dies wird mehrheitlich in der Forschung vertreten, ohne allerdings zu sehen, daß damit Juda in die Anklage von 5,1 einbezogen ist. 60 Mizpa/Benjamin dient nämlich seit seiner Eroberung durch Asa von Juda (I Reg 15,22) als judäische Grenzfestung. Die Nennung von Mizpa und Tabor in Hos 5,1 bedeutet also, daß hier eine Anklage gegen Nord und Süd vorliegt.

57 H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 176. 58 Zu der Deutung von 1Wl:l als Bild für eine Invasion s. H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 176; W. Rudolph, KAT nil, 16lf; J. Jeremias, ATD 24/1,104; A.A. Macintosh, lee, 292. 59 Die LXX korrigiert Mizpa zu O'K01tto. (Hügel), gefolgt von Aquila und Vulgata, um diese Bezugnahme auf einen judäischen Ort zu vermeiden. Auch der Targum bevorzugt eine umschreibende Deutung ":I"nll~", .für eure Lehrer"). Die Forschung bevorzugt fast geschlossen MT (s. die Kommentare z.St.). 60 J. Jeremias, ATD 24/1, 75; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 124; A.A. Macintosh, lee, 177; L. Rost, Israel, 26. Dagegen legt sich K. Rudolph, KAT nil, 119 nicht auf Mizpa in Benjamin oder Mizpa im Ostjordanland fest. S. Herrmann, Art. Mizpa, Sp. 1228, spricht sich für Mizpa im Ostjordanland aus. W.R. Harper, lee, 269 und F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 385, plädieren für MizpaiGiiead.

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Die Durchsicht der Verse, die "Israel" gemeinsam mit einem Landschaftsoder Ortsnamen oder einer Institution verwenden, bestätigt folglich, daß "Israel" in Hos in dreierlei Bedeutungen verwendet wird. Eine ganze Reihe von Belegen läßt sich mit Hilfe des zweiten Begriffs "Ephraim" sicher auf den Norden beziehen: Hos 5,3bis; 5,5ba.; 6,10b; 10,6; 11,8; 12,la. Durch die Angabe der Ortsnamen und Institutionen verweisen auch Hos 8,6 und 10,15b auf den Norden. In einem Fall bezeichnet "Israel" Juda, weil der Kontext auf den Jerusalemer Tempel anspielt (8,la). Für Hos 5,1 wird anhand der Ortsnamen klar, daß "Haus Israel" in diesem Vers das Volk in Nord und Süd bedeutet.

4.2.3 Jsrael" in Verbindung mit Hinweisen aufGeschichtsereignisse Ein Hos-Vers, der Geschichtsereignisse erwähnt oder auf sie anspielt, kann ein zweites Kriterium enthalten, um zu entscheiden, worauf sich "Israel" bezieht. Der zeitliche und räumliche Ort des Ereignisses in der Geschichte Israels zeigt indirekt, welche Größe die entsprechenden Verfasser als "Israel" bezeichnen. Das ist in der Hos-Forschung unumstritten. Die meisten unmißverständlichen Andeutungen in Hos verweisen auf die Vor- und Frühgeschichte Israels (Exodus, Wüstenwanderung, Landnahme). Behandelt ein Text Vorgänge in dieser Zeit vor der Reichstrennung, so benennt "Israel" den Norden mit dem Süden zusammen, also Israel als Gesamtvolk. Deshalb erscheint eine Ausrichtung auf das ganze Volk für die Exodustexte in Hos (9,10; 11,1; 12,14) auf jeden Fall plausibe1. 61 Hos 9,9 und 10,9 berufen sich auf die Tage Gibeas. Ob man bei diesem Stichwort an die Herkunft Sauls denkt oder an die Ereignisse aus Jdc 19-21, so spielen die monierten Ereignisse doch auf jeden Fall vor der Reichstrennung. Daher geht es hier kaum darum, den Norden allein so zu etikettieren. Beide Texte betreffen also das Gesamtvolk. Hos-Texte, die Ereignisse aus der Geschichte eines Teilbereiches aufgreifen, sind selten. Das einzige wirklich eindeutige Beispiel Hos 1,4 bezieht sich mit '~l1,r' ,~, auf den Norden. 62 Hos 4,16, das Bild der störrischen Kuh Israel, die Jahwe in der Weite weidet, dürfte auf den Untergang Jerusalems 587 v.ehr. Bezug nehmen, also nur auf Juda. 63

61 So auch H.-J. Zobel, Art . .,~,rtI\ Sp. 992. 62 S.u., 87.9lff zu einer eingehenden Analyse von 1,4. 63 H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 161, der seine Vermutung, daß sich 4,16 mit den Ereignissen von 587 auseinandersetzt, mit Verweis auf den Gerichtsterminus :111, (erst seit Jer belegt; H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 161, Anm. 346) absichert.

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Israel und Ephraim

Hos 13,9-11 erwecken mit dem Themen "König" und "Untergang" den Anschein, auf konkrete Ereignisse anzuspielen. Der Leser fragt sich, ob hier der Untergang des Nordens 722 und die Gefangennahme Hosea ben Elas gemeint ist oder der Fall Jerusalems 587 und das Geschick des letzten Königs Zedekia. Gegen eine Zusammenfassung der beiden Katastrophen spricht, daß Hos 13,9-11 den König im Sing. abhandelt, also kaum den gefangenen Hosea ben Ela und den ermordeten Zedekia gemeinsam ansprechen kann. Es ist erwägenswert, hier von einer grundsätzlich theologischen Reflexion über das Königtum auszugehen. Für den Halbvers 13,10b gibt es nämlich einen Bezugstext in I Sam 8,6_8. 64 Dieser Text beschäftigt sich mit dem Königtum Sauls, blickt aber zugleich grundsätzlich auf das Königtum als solches; dementsprechend befassen sich die dtr. Autoren hier ebenfalls mit dem Stellenwert des judäischen Königtums. 65 Bekanntlich steht bis in exilisch-nachexilischer Zeit zur Diskussion, ob eine Restauration der Davididenherrschaft anzustreben ist (vgl. z.B. Ez 43,7b-9; 45,8f.17-25; 46, 16_18;66 Jer 22,30; 23,5f; 33,14-26). Über diesen Bezugstext I Sam 8,6-8 dürften auch Hos 13,9-11 dieser Diskussion über eine davidische Restauration zuzuweisen sein. Hier liegt also ein weiterer Beleg dafür vor, daß das Hos-Buch Stellungnahmen zu judäischen Problemlagen enthält. Einerseits häufen sich also in Hos Hinweise auf die Geschichte Israels als Gesamtvolk vor der Reichstrennung, und in 13,9-11 klingen sogar Problemstellungen der exilisch-nachexilischen Zeit an. Andererseits liegt allein in 1,4 eine unmißverständlich auf das Nordreich Israel vor 733 zielende Notiz vor. Dieser Befund ist mehr als erstaunlich in einem Buch, das zu seinen größten Teilen aus einer Zeit stammen soll, als das Nordreich noch existierte. Er bestätigt die Vermutung,67 daß große Teile von Hos sehr viel später entstanden sind und daß die entsprechenden Verfasser mit Hilfe von Anspielungen auf die Frühgeschichte statements zum Status von Gesamtisrael in Nord und Süd plazieren wollen. Sie operieren mit Anspielungen

64 lOb wird gelegentlich als Nachtrag eingestuft (vgl. App. BHS). Dagegen spricht aber, daß sich innerhalb von V.10 kein Bruch feststellen läßt. König und Richter erscheinen parallel, und beide werden im Folgenden näher beschrieben. V.ll setzt eindeutig lOb fort, indem er die Forderung nach einem König aufgreift. Gegen einen Nachtrag in lOb votieren auch J. Jeremias, ATD 24/1, 164f; W. Rudolph, KAT 13/1, 244f; H.W. Wolff, BK.AT 14/1,295; 1. Willi-Plein, Vorformen, 224f. Rudolph und Wolff weisen sogar auf die Verbindung zu I Sam 8,6-8 hin, wobei Wolff hier eine ältere Tradition hinter I Sam 8,6-8 veranschlagen muß. 65 V. Fritz, ZBK 9, 57ff; R.G. Kratz, Komposition, 177f; W. Dietrich/T. Naumann, EdF 287, 16ff und R. Müller, Königtum, 130ff. 66 T. Rudnig, Heilig und Profan, 190ff.232ff.32lf. 67 S.o., 13.

Israel

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auf Traditionen über ein Gesamtisrael, wie sie in exilisch-nachexilischer Zeit ausgeprägt waren. 68 Dies läßt sich für etliche der angesprochenen Texte im einzelnen nachweisen. Es mehren sich die Zweifel, daß das Exodusmotiv, auf das in Hos 9,10; 11,1; 12,14 angespielt wird, vor 722 seine endgültige Ausformung erhielt. Vor diesem Datum sind allenfalls Einzelerinnerungen zu veranschlagen; aber diese Hos-Texte setzen keine Einzelerinnerungen voraus, sondern die erst in späterer Zeit entwickelte Vorstellung, daß Israel als ganzes aus Ägypten auszog. 69 Gerade der Gedanke einer Erwählung Israels in der Wüste (Hos 9,10) entspricht dem Anliegen exilisch-nachexilischer Theologie, eine Identität dieses Volkes jenseits der natürlichen Lebensbedingungen im Lande festzuschreiben. 70 Zusätzlich setzt Hos 12,14 eine Auffassung von Mose als Prophet voraus, wie sie sich erst in der dtr. Theologie herausgebildet haben dürfte (Dtn 18,15-22).71 Hos 9,10 mit der Behauptung eines Abfalls zum Baal Peor bezieht sich aufNum 25,1-5. Dies ist ein junger Text. 72 Ältere Zeugnisse für diese Begebenheit gibt es nicht (vgl. sonst Dtn 4,3; Ps 106,28). Ohne die Erzählung Num 25,1-5 ist Hos 9,10 nicht nachvollziehbar. Unabhängig davon verweist der Sprachgebrauch von Hos 9,10 auf die nachexilische Zeit. 73

4.2.4 Aussagen über "Israel" im Horizont des Gesamtvolkes Hos 5,9b; 8,8; 9,1; 9,7a; 14,6 sind gleichsam "Panoramablicke" auf das ganze Volk in Nord und Süd. Hos 14,6-8 repräsentiert die gesamtisraelitischen Hoffnungen der nachexilischen Zeit, denn es ist nirgends eine Eingrenzung 68 Auch nach R.G. Kratz, Erkenntnis Gottes, 23 sind Verweise auf Exodus und Vätergeschichte in Hos nachgetragen, aber in einer viel früheren Zeit, nämlich schon nach 722, um die damalige Identitätskrise zu bewältigen. Dagegen spricht, daß die entsprechenden Texte theologische Reflexionsarbeit an den Traditionen voraussetzen, wie sie erst für die exilisch-nachexilische Zeit nachweisbar ist. 69 Zur Entstehung des Theologumenons vom Exodus in seiner jetzigen Form in der Zeit nach 722 s. J.A. Soggin, Einführung, 92ff; 1. Finkeistein/N.A. Silberman, The Bible unearthed, 48ff; R.G. Kratz, Komposition, 294ff. 70 Vgl. R.G. Kratz, Komposition, 294. 71 Zu einer Bewertung von Ex 3f, wo die Berufung des Mose Züge einer Prophetenberufung hat, als dtn.-dtr. beeinflußt s. H.H. Schmid, Der sogenannte Jahwist, 19ff. 72 So mit R.G. Kratz, Komposition, 111f. 73 Der Begriff y'ptc erscheint in Reg nur für das Motiv eines Götzendienstes Salomos (I Reg 11,5.7; II Reg 23,13.24); mit Würthwein sind hier dtr. Notizen zu finden (ATD 11/1, 131ff; ders., ATD 11/2, 452ff). Ansonsten verweist der Begriff, wo er wie in Hos 9,10 in Zusammenhang mit Abfall zu fremden Göttern gebraucht wird, in den Bereich von Jer und Ez oder sogar noch jüngerer Literatur (z.B. Dtn 29,16; Jes 66,3; Jer 4,1; 7,30; Ez 20,7f; Dan 11,31; 12,11; II ehr 15,8). Dasselbe gilt für 11l Niphal (sonst nur Lev 22,2; Ez 14,7; Sach 7,3).

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Israel und Ephraim

auf eine Teilgröße innerhalb des Gottesvolkes erkennbar. Die Verse Hos 14,6-8 stehen in einem Textbereich, in dem die gemeinsame Ursprungsgeschichte der beiden Größen Israel und Juda eine zentrale Rolle spielt (c. 13, vor allem 13,4-6), so daß in c. 14 an eine exklusive Ausrichtung, sei es auf den Norden, sei es auf den Süden, kaum gedacht sein kann. 74 Geht man nicht von vornherein von einer vorexilischen Datierung aus, so beziehen sich 8,8; 9,1 treffend auf die Lage in Nord und Süd nach dem gänzlichen Verlust ihrer U nabhängigkeit. 75 Für Hos 9,7a ist sinnvollerweise davon auszugehen, daß die Aufforderung an Israel, an die Tage der Heimsuchung und die Tage der Vergeltung zu denken, nicht nur den Norden angeht. Schließlich liegen in dieser Vershälfte deutliche Hinweise auf eine späte Genese vor, z.B. die Begriffe :1'P::J:1 ,~, und C?W:1 ,~\76

4.2.5 Zwischen/azit und weitere Überlegungen

Wenn man sich dem Sachverhalt stellt, daß die Bedeutung des Wortes "Israel" in Hos keineswegs durch eine vorausgesetzte, frühe Datierung festliegt, gewinnen die entsprechenden Aussagen in Hos 4-14 ein neues, breiteres Profil. Die Texte müssen als eine kontroverse Diskussion über die Frage bewertet werden, welcher Teil "Israels" sich verschuldet hat; sie sind nicht von der Intention her konzipiert, nur den Norden zu verurteilen. Die Zahl der Texte, die eine Schuld des ganzen Jahwevolkes in Nord und Süd oder sogar Judas allein vertreten, ist nämlich viel umfangreicher als die Forschung bisher gesehen hat. Man kann auch nicht mehr davon ausgehen, daß eine Verurteilung Judas nur in einzelnen Zusätzen anklingt (z.B. 5,5bß; 6,l1a).

74 14,9 versucht, eine Beschränkung auf den Norden im nachhinein anzubringen, indem der Vers dezidiert lediglich von Ephraim redet. Der Rückblick auf vergangenes Verschulden in 14,9 klappt deutlich nach (so de facta auch J. Jeremias, ATD 24/1, 173), so daß hier ein Nachtrag vorliegt. T. Naumann, Hoseas Erben, 142 und T.H. Robinson, HAT 14,54, bestimmen 14,9 als versprengtes Hoseawort, das die Redaktoren an dieser Stellen eingeordnet haben, und reagieren so auf die Unebenheiten an dieser Stelle. Auch 14,la mit dem Hinweis auf Samaria in der 3.fem.sing. ist hier nachgetragen, denn der Kontext verwendet entweder "Ephraim" und die 3.masc.plur. (13,15) oder die 2.masc.sing. oder plur. (14,2f); vgl dazu auch die Überlegungen von B. Duhm, Anmerkungen, 42; M.-T. Wacker, Figurationen, 251. 75 In Hos 9,1 zeigt bereits die singuläre Fassung des Hurereimotivs mit einem masc. Subjekt, daß der Vers in die Spätphase der Argumentation mit Hurerei gehört; so erinnert es nur noch entfernt an das ursprüngliche Bild von Jahwes untreuer Ehefrau. Von daher ist eine vorexilische Datierung kaum wahrscheinlich. S. auch u., 5.2.2. 76 o,rv steht außer in Hos 9,7a nur noch in Jes 34,8 und Mi 7,3. Zum übrigen Belegmaterial für eine späte Herkunft von Hos 9,7a s.u., 7.2.2.

Israel

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In 8,la befaßt sich ein Vers, der zur Grundschicht von 8,1-3 gehört,77 mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels. 13,9-11 diskutiert den grundsätzlichen Wert der Monarchie im Kontext eines judäischen Nachdenkens über die Berechtigung einer davidischen Restauration (z.B. Jer 33,14-26). Und nicht nur Hos 5,12-14; 6,4-7; 8,14 behaupten, daß das ganze Volk Schuld auf sich lädt; außer ihnen beschäftigen sich 5,1; 5,9b; 8,8; 9,lf; 9,7a; 9,9; 9,10; 10,9; 11,1; 12,14; 14,6-8 mit Verfehlung und Heilshoffnung des ganzen Volkes. Im Bereich dieser Texte zeichnet sich das Profil einer Schicht in Hos 4-14 ab, deren Anliegen es ist, Jahwes Heilstaten in der gemeinsamen Geschichte von Nord und Süd in Erinnerung zu rufen, und zugleich die gegenwärtige Gefährdung und Hoffnung von Nord und Süd zu thematisieren {5,9b; 9,lf.l0; 12,14; 14,6-8).78 Man erkennt aber auch Textanteile, die keine derart inklusive Sicht einer gemeinsamen Heilshoffnung vertreten, sondern sie abwehren. Hos 6,10b gehört zu einer ganzen Gruppe von Texten, die "Ephraim" und "Israel" nebeneinander benutzen (5,3bis; 5,5ba.{9 6,10b; 10,6; 11,8; 12,la). Diese Verse sind jeweils in einem klaren Parallelismus membrorum konzipiert, in dem "Israel" und "Ephraim" als Synonym gelten. Bisher wurde in der Forschung übersehen, daß diese synonymen Parallelismen in definitorischer Absicht verwendet werden: Israel (= Ephraim) bezieht sich so eindeutig auf den Norden vor/nach 722. 80 Da die betreffenden Aussagen mehrheitlich in der Nähe von Texten plaziert sind, die sich an den Norden, wie an den Süden richten, sollen auf diese Weise die bislang gegen Nord und Süd erhobenen Vorwürfe verstärkt und exklusiv auf den Norden konzentriert werden. 81 Noch jüngere Zusätze betonen, daß der Norden vom künftigen Heil ausgeschlossen sein wird. In diesen Texten werden auf raffinierte Weise 77 S.u.,184. 78 Zu dieser Schicht S.u., 5.2.2; 7.3.4; 7.4.5.3 und 10.5. 79 Die Verhältnisse in 5,5aba sind kompliziert. Der Vers dürfte in sich gewachsen sein, denn der Sprachgebrauch wechselt von .Israel" in 5a zu .Ephraim" und .Israel" in 5ba und von Sing. in 5a zu Plur. in 5ba. Der Vorschlag aus App. BHS, in 5ba Israel auszulassen und den Abschnitt zu Sing. zu korrigieren, stellt eine glättende Konjektur dar. Er erfordert zu viele Eingriffe in den Text. Dennoch vertreten sie J. Jeremias, ATD 24/1, 73; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 119. Es ist plausibler, in 5ba und 5bß Zusätze zu 5a zu sehen. 80 So andeutungsweise immerhin auch L. Rost, Israel, 2M. 81 Zu diesen Texten, s.u., 7.2.1; 7.2.5; 7.3.5 und 10.6. Sie werden im Folgenden als "junge Samariapolemik" bezeichnet. Zu 11,8, der nicht der .jungen Samariapolemik" angehört, aber deren Sprachgebrauch aufgreift und abwandelt, s.u., 7.3.6. Wo immer im Folgenden .Samariapolemik" oder .samariapolemisch" in Anführungszeichen steht, bedeutet dies, daß ein so bezeichneter Text zur .jungen Samariapolemik" oder zur eng verwandten Zusatzgruppe der .jüngsten Samariapolemik" gehört. Zur Benennung dieser .Samariapolemik" als .jung" und "jüngste", s.u., 154, Anm. 94.

68

Israel und Ephraim

Heilsaussagen für Norden und Süden dem Norden abgesprochen. So erwartet Hos 6,1-3 eine gemeinsame Umkehr von Norden und Süden, Ephraim und Juda. Hos 5,4 stellt dagegen im nachhinein klar, daß diese künftige Umkehr keinesfalls Ephraim zuzutrauen ist, denn: "ihre (Sc. Israels=Ephraims [5,3]) Taten erlauben 82 nicht, daß sie umkehren zu ihrem Gott (5,4a)." In Hos 6,1 bekennen Juda und Ephraim zusammen, daß Jahwe sie heilen wird. Hos 11,3b widerspricht dem nachträglich: "Und nicht wissen sie (Sc. Ephraim [11,3a]), daß ich (Sc. Jahwe) sie geheilt habe."83 Hos 12,la soll 12,3-14 korrigieren. Mit dem Thema "Jakob der Betrüger" steht ursprünglich Juda im Blickpunkt (12,3).84 12,la stellt sicher, daß das Folgende (VA "Betrug") charakteristisch für den verlogenen Norden ist. Die merkwürdigen Textverhältnisse im Hos-Buch sind also häufig das Ergebnis kontrovers geführter Diskussionen über die Frage, ob ein Gesamtisrael oder allein der Norden in der entsprechenden Passage angesprochen werden soll. Den gen auen Bezug des "Israel"-Begriffs erst über die Kontextaussagen anzugeben, wie das in den besprochenen Hos-Texten geschieht, ist im Alten Testament kein Einzelfall. Im ChrG ist ein analoger Befund zu verzeichnen, denn in diesem Werk ist "Israel" in allen drei aufgezeigten Bedeutungsnuancen eingesetzt, als Norden, Süden und Gesamtvolk. Was "Israel" jeweils bedeutet, bestimmt in Chr ebenfalls der Kontext. 85 Außerhalb von Chr wurde dieser Sachverhalt in der Forschung bisher unterschätzt; abgesehen vom Hos-Buch lassen sich auch für Jer alle drei Bedeutungen von "Israel" nachweisen. 4.3 Die Ephraimbildworte

Die knappe Übersicht über Hos-Texte mit "Israel" und "Ephraim" hat ergeben, daß hier in der Mehrzahl der Fälle eine komplexe, eher junge Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte stattfindet, die bereits ein hohes Maß an theologischer Reflexion voraussetzt. Daß aber auch sehr altes Textgut verarbeitet ist, soll im Folgenden dargelegt werden. Auffällig sind im Hos-Buch mehrere Bildworte, die keine oder kaum theologische Reflexion enthalten: 86

82 Zu dieser Übersetzung von" 1m vgl. HAL, 693. 83 Zu dieser Gruppe von Zusätzen, s.u., 7.2.3; 9.2.2 und 10.6. Sie werden im Folgenden "jüngste Samariapolemik" genannt. 84 Für den "J akobsmidrasch" (12,3fQ ist 12,3, der die Identifikation von Jakob mit Juda herstellt, unverzichtbar, s.u., 7.4.5.3. 12,la ist Teil der "jungen Samariapolemik" s.o., 67. 85 S. dazu H.G.M. Williamson, Israel, 87ff. 86 Ein Großteil dieser Bildworte gehört zu den ältesten Texten im Hos-Buch, S.u., 10.1.

Die Ephraimbildworte

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7,8b: Ephraim wurde ein Brotfladen, der nicht umgedreht wurde. 7,l1a: Und Ephraim wurde wie eine Taube, verführbar ohne Verstand. 87 9,l1a: Ephraim ist wie ein Vogel, seine88 Herrlichkeit fliegt dahin. 89 9,13a*: Ephraim - zur Palme ist es gepflanzt auf einer Wiese/o 9,16aß: ihre Wurzel (sc. Ephraims, vgl. 9,l1a) ist verwelkt, Frucht bringen sie nicht. 91 10,l1aa.: Aber Ephraim war eine gelehrige Jungkuh, die liebte92 zu dreschen. 12,2aa.: Ephraim weidet Wind und verfolgt den ganzen Tag Ostwind. 93 13,12f: Eingewickelt ist die Schuld Ephraims, aufbewahrt ist seine Sünde. Immer wieder kamen Geburtsschmerzen für ihn, aber er ist ein unverständiges Kind. Denn in der Zeit trat er nicht in den Muttermund. 13,15aba.: 94 Denn er gedeiht zwischen Riedgras, und der Ostwind kommt.

In allen diesen Bildworten ist der Begriff "Ephraim" verwendet. Außer lO,l1a (die gelehrige Jungkuh) sehen sie alle Ephraim als schwache, beklagenswerte oder depravierte Größe: Ein Brotfladen, der verkohlt ist (7,8b), weil er nicht rechtzeitig gewendet wurde, taugt nicht mehr zum Essen. Eine Taube, die sich verführen läßt, fällt bald dem Jäger zum Opfer (7,l1a). Den

87 Zu 7,8b.11a im einzelnen s.u., 9.1; 9.3 und 9.5.1. 88 Suffix der 3.masc.plur. wie in 9,16aJ3; es handelt sich um eine constructio ad sensum (vgl. GK §145b). 89 So auch A.A. Macintosh, ICC, 365; ähnlich J. Jeremias, ATD 24/1, 119. 90 Zur Übersetzung .Palme" für s. W. Rudolph, KAT 13/1, 182f; J. Jeremias, ATD 24/1, 119. Die beiden Worte 'n'~, 'w~~ sind nachgetragen, da eine Rede in der 1.sing.com. im Kontext aus dem Rahmen fällt (zu Brüchen an dieser Stelle vgl. auch App. BHS; K. Marti, KHC 13, 76f). Der Nachtrag hat die Aufgabe, den Vers nach der Einfügung von 9,10 an die dortige Jahwerede anzugleichen. 91 9,16aa (.Geschlagen ist Ephraim") ist nachgetragen. Dies zeigt der Tempuswechsel von Perfekt in V.16aa zu Imperfekt in 16aJ3. Auff:illig ist außerdem, daß 9,16aJ3 im Parallelismus membrorum formuliert ist, 9,16aa nicht. Da zwischen 9,13a* und 16aJ3 keine weiteren alten Bildworte erkennbar sind, schloß sich 9,16aJ3 einmal unmittelbar an 9,13a* an und bildete die Fortsetzung des Bildes von der Palme. Ohne 9,16aJ3 fehlt dem Palmenbild aus 9,13a* die Pointe. Zur Vermutung eines literarischen Zusammenhanges zwischen Hos 9,11 und 9,16 vgl. schon J. Wellhausen, Kleine Propheten, 124. 92 'compaginis beim st.cs., vgl. GK § 90 k.l. In V.11aJ3 findet ein unvermittelter Personwechsel in die 1.com.sing. statt, und zugleich wird die partizipiale Redeweise in 11aa durch ein Perfekt abgelöst. Deshalb ist dieser Abschnitt nachgetragen. 93 Die letzten drei Worte aus 12,2a sind später eingearbeitet worden, weil sie die Schilderung von Ephraims Verhalten verallgemeinern und werten. Die Rede wechselt von der Partizipialkonstruktion in V.2aa zum Imperfekt, und betont so über 2aa hinaus ein Andauern des monierten Verhaltens. 94 Mit App. BHS ist in 13,15 ,n~, Riedgras zu lesen, so auch J. J eremias, ATD 24/1, 160 und die meisten.

,,:1

70

Israel und Ephraim

Wind zu weiden (12,2),95 ist kein Vergehen gegen J ahwe, sondern Dummheit. Einer Palme, die selbst in einer wasserreichen Aue keine Frucht bringt, ist nicht zu helfen (9, Ba':'. 16aß). Die dahinfliegende Herrlichkeit Ephraims (9,l1a) beweist seine Schwäche. Das Bildwort über das Riedgras (13,15"), das der Ostwind verdorren läßt, erinnert an Klageworte. 96 Ein Verschulden Ephraims oder seine J ahwebeziehung spielt in diesen Bildworten nicht die geringste Rolle. Auch seine Geschichte wird nicht beleuchtet. Thematisiert sind allein Ephraims Torheit und Nutzlosigkeit. 97 Diesen Worten ist weiterhin gemeinsam, daß die verwendeten Bilder sonst im Alten Testament keine Rolle spielen: ~in Brotfladen (7,8b) erscheint nirgends sonst als Bild für den Zustand des Volkes, ebensowenig das Bild von der törichten Taube (7,l1a). Die Bilder sollen Ephraims desolate Lage in spöttischer Weise charakterisieren. Es ist daher zu vermuten, daß diese Bildworte eine Schicht darstellen oder zumindest eine Gruppe eng verwandter Texte aus einer ähnlichen Zeit und einem ähnlichen Milieu bilden. 98 Diese Hos-Bildworte entstanden in Juda in der Zeit kurz nach 722, also im gleichen Zeitraum wie der einzige vergleichbare Text im Alten Testament, Jes 28,1_4".99 Es spiegelt sich darin die judäische Reaktion auf die 95 Zwar erscheint das »Nachlaufen hinter Nichtigem" des öfteren in der Polemik gegen Fremdgötterverehrung, aber nicht in Verbindung mit ;"1111 (weiden). Der übertragene Gebrauch »Weiden" in Hos 12,2 scheint aus dem weisheitlichen Bereich zu stammen Ges 44,20; Ps 37,3; Prov 15,14). Eng verwandt wirkt Jes 44,20, wo ein Unkluger Staub weidet. Der Vers argumentiert weisheitlich und ähnlich untheologisch wie Hos 12,2. 96 Ein ähnliches Motiv steht in Ez 19,12. Dort geht es um den Weinstock, der durch den Ostwind verwelkt (so auch Ez 17,10). In all diesen Fällen bewirkt Ostwind den unverständlichen, grundlosen, Niedergang einer einstmals herrlichen Größe. Die Zweifel Wackers am hohen Alter der jetzigen Textfolge 13,15-14,1 bedeuten nicht, daß das Bildwort 13,15abo: auch jung ist (Figurationen, 252). 97 Jahwe erscheint höchstens ganz implizit im Kontext der Bildworte über Begriffe wie »Sünde" (13,12). Es gibt aber Hinweise, daß die entsprechenden Verse mit ihrer indirekten Theologisierung nicht von vornherein mit den Bildworten zusammen gehörten, sondern erst eine Ergänzung bilden. So erhält 13,12f beispielsweise zwar durch die Rede von 1111 und n~t!ln in 13,12 eine theologische Note, aber es fällt auf, daß V.13 bo: eine eigene Begründung anführt, warum das Kind nicht rechtzeitig am Muttermund erscheint: O:ln ~., 1=1 ~1;"1. V.13 erwähnt den Gesichtspunkt der Sündhaftigkeit überhaupt nicht, sondern nur den des Unverstandes. Allerdings sind weder V.13 noch 15abo: ohne V.12 verständlich, weil ihnen ohne diesen Vers das Subjekt »Ephraim" fehlt. In 13,12f.15abo: wurden also alte Bildworte in einen jüngeren Kontext eingebunden, ohne daß man die diesem Kontext vorliegenden Bildworte noch vollständig rekonstruieren könnte. 98 Im einzelnen ist hier zwischen Bildworten und deren etwas jüngeren Kommentierungen zu differenzieren, s.u., 8.2.2; 9.4.2 und 10.H. Hos 12,2ao: und 13,12f dürften zu den Kommentierungen zu rechnen sein, weil sie nicht mehr nur die elende Lage Ephraims bildhaft auf den Punkt bringen, sondern sie mit der Torheit Ephraims begründen. 99 Zum Grundbestand vonJes 28,1-4 sowie zu dessen Datierung und zum Verhältnis zu Hos 7,8b S.u., 9.3.2. S. dort auch zu weiteren Argumenten für das hohe Alter der Hos-Bildworte.

Fazit

71

politischen Ereignisse im Norden wider. Die politischen Fehleinschätzungen und die daraus resultierende Niederlage des Nordens boten zum einen Anlaß zu solchen spöttischen Aussagen. Zum anderen dürften diese Bildworte als Warnung gedacht sein, in Juda nicht dieselben Fehler zu begehen. Wie in Jes 28,1-4'~ so wird auch in den Hos-Bildworten völlig untheologisch argumentiert. Das Scheitern des Nordens wird nicht mit dessen mangelndem Gehorsam gegenüber J ahwe begründet. Nicht nur die Originalität dieser Bildworte in Hos und das fehlende Interesse an theologischen Fragen (wie z.B. Gehorsam gegenüber Jahwe) spricht für ihr hohes Alter; auch der Sachverhalt, daß für diese Bilder keine inneralttestamentlichen Bezugnahmen nachweisbar sind, führt in diese Richtung. Für die Mehrheit der jüngeren Hos-Texte ist nämlich eine breite literarische Vernetzung mit dem alttestamentlichen Schrifttum charakteristisch (vgl z.B. 9,10; 12,14),100 so daß sich am Vorliegen solcher Vernetzungen alte und junge Anteile in Hos unterscheiden lassen. Zwar haben sich in der bisherigen Untersuchung Indizien dafür ausmachen lassen, daß in Hos sehr viel mehr jüngere Texte vorliegen, als das bisher für möglich gehalten wurde. Die Beobachtungen an den Ephraimbildworten warnen jedoch davor, vorschnell davon auszugehen, daß in Hos überhaupt kein vorexilisches Gut bewahrt wurde.

4.4 Fazit

Die Verwendung der zwei so unterschiedlichen Begriffe "Ephraim" und "Israel" in Hos 4-14 hat also auf vielerlei Weise mit der Buchgeschichte zu tun. Erstens ist festzuhalten: "Ephraim" kann nur den Norden (vor und nach 722) bezeichnen, "Israel" dagegen wird in Hos in dreierlei Bedeutungen eingesetzt. Es kann sich auf den Norden (z.B. 4,15; 5,3; 12,1), auf den Süden (z.B. 8,la) und auch auf das Gesamtvolk (z.B. 9,10; 11,1) beziehen. Zweitens ergibt sich, daß in Hos 4-14 die Aussagen über den Norden und den Süden sowie über ihre jeweilige Schuld vor J ahwe stark divergieren. Einige Texte belasten den Norden, andere den Süden und wieder andere "Israel" als Gesamtvolk im Norden und Süden. Sukzessive versuchen je jüngere Texte, bereits vorliegendes Material in ihrem Sinne zu 101 . . deuten bzw. umzulllterpretleren.

100 S.o., 65. 101 Zu detaillierten Analysen solcher redaktionellen Prozesse vgl. in erster Linie U., c. 7.

72

Israel und Ephraim

Läßt sich angesichts dieser sämtlichen Teilgrößen Israels gegenüber kritischen Haltung der Hos-Redaktoren noch ausmachen, auf der Seite welcher Gruppierung sie selbst standen? Passagen, die eine der beiden Teilgrößen Israels positiv hervorheben, fehlen in Hos generell, abgesehen von späten "Juda"-Nachträgen in der Art von 1,7; 4,15a. Daraus folgt aber keinesfalls, daß die Redaktoren unparteiisch sind. Sie erwarten von ihren Lesern einen Schluß e negativa. Die Fundamentalvorwürfe gegen den Norden, die Juda nicht einbeziehen, signalisieren dem Leser, daß dort das Verhältnis zu J ahwe noch weitaus mehr gestört ist als in Juda; folglich äußert sich darin eine judäische Stimme. Diese indirekte Art parteiischer Auf- und Abwertung von Volksteilen in Hos ist kein Sonderfall im AT. Man denke nur an ehr, wo Juda, obwohl kritisch beleuchtet, dennoch bevorzugt wird, indem die Geschichte des Nordreichs einfach ausgeblendet wird. Nach diesem ersten Überblick über Bearbeitungstendenzen in Hos 4-14 stellt sich die Frage, ob man auch in Hos 1-3 Ähnliches beobachten kann.

5. Die Abfolge der buchinternen Diskussionen in Hos 1-3 Hos 1-3 hat besondere Bedeutung als Erzählteil des Hos-Buches. Allein in Hos 1 und 3 wird etwas über Ereignisse im Leben des Propheten Hosea mitgeteilt. Diese Angaben sind nun dahingehend zu überprüfen, ob sie auf Wissen über den Propheten beruhen oder ob sie in erster Linie dazu dienen, prophetentheologische Anliegen Späterer zu transportieren. Darüber hinaus muß aufgedeckt werden, welche Stoß richtung die Texte in Hos 1-3 haben. Wird hier über den Norden, den Süden oder beide gemeinsam diskutiert? Im Folgenden werden die einzelnen Abschnitte von Hos 1-3 dahingehend untersucht. Anschließend wird die zeitliche Abfolge der Voten bezüglich des Norden, des Süden und beider zusammen behandelt. Dabei ist zu klären, ob in Hos 1-3 wie in Hos 4-14 Texte über ein Gesamtisrael aus Norden und Süden im nachhinein zu einer Verurteilung des Nordens allein umgepolt werden. Zugleich ist zu prüfen, ob es in Hos Redaktionsschichten gibt, die in Hos 1-3 und Hos 4-14 nachweisbar sind. Als Einstieg in diese Fragestellung eignet sich besonders Hos 3,5. Es soll hier geklärt werden, auf welchen Bevölkerungsteil sich die Aussage bezieht, daß die "Israeliten" gleichermaßen J ahwe als ihren Gott und David als ihren König suchen.

5.1 Hos 3 5.1.1 Der König David (Hos 3,5) Hos 3,5 erwartet hoffnungsvoll, daß das Volk in ferner Zukunft sowohl Jahwe als auch seinen König David sucht. 1 Der Vers setzt Umkehr zu

1 Viele Exegeten behaupten, daß D:l''''~ '1' nK1 in Hos 3,5 nachträglich ergänzt worden sei, so z.B. J. Wellhausen, Kleine Propheten, 105; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 70ff; J. Jeremias, ATD 24/1, 57; A.A. Macintosh, lCC, 108ff. Doch fehlen hier klare sprachliche Hinweise auf einen Bruch im Textverlauf, und theologisch-inhaltlich wechseln die Konzeptionen nicht. Ferner ist in 3,5b nicht allein von einer Umkehr zu Jahwe die Rede. Hinter dem von Jahwe geschenkten Segen (1:l1!!l) in 3,5b verbirgt sich auch der von ihm verliehene davidische König. Gegen die Annahme von Nachträgen in Hos 3,5 s. z.B. B. Duhm, Anmerkungen, 20; K. Marti, KHC 13, 38; F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 307; I. Willi-Plein, Vorformen, 125f; G.I. Emmerson, lsraelite Prophet, 10Hf und G.A. Yee, Composition, 57ff.

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Buchinterne Diskussionen

Jahwe mit Akzeptanz der Davididen gleich. Implizit schließt dies eine Orientierung auf J erusalem als Sitz des Königs David ein. Diese Erwartung, daß es letztendlich zu einer Umkehr in Richtung Jerusalem und auf die Davididen kommen wird, zielt auf den Norden. Dies zeigt sich daran, daß in Hos 3,5 auf 11 Sam 3,17, einen Text über den Norden, angespielt wird. Außer in Hos 3,5 wird nur in 11 Sam 3,17 die Formulierung WpJ Piel mit dem Objekt " , im Sinne einer Loyalität gegenüber David und seiner Dynastie verwendet. Dort berichtet Abner, daß die Ältesten Israels, das heißt des Nordens, David als König ('1?~) wünschen (wpJ Piel). Die enge Berührung zwischen 11 Sam 3,17 und Hos 3,5 läßt sich nur so erklären, daß der für Hos 3,5 zuständige Verfasser die Formulierung von 11 Sam 3,17 bewußt aufgegriffen hat. Dem Verfasser von Hos 3,5 war offensichtlich daran gelegen, die Umkehr zu Jahwe mit einer Anspielung auf die damalige Orientierung des Nordens auf das davidische Königtum zu verbinden. Das war in der jetzt vorliegenden Formulierung Hos 3,5 möglich, weil mit WpJ Piel die "Umkehr zu Jahwe" gemeint war, vgl. z.B. Dtn 4,29; Jer 29,13; 11 Chr 7,14. Die Anspielung auf 11 Sam 3,17 inklusive Kontext signalisiert deutlich, daß hier wie einst in der Frühzeit des Königtums die Entscheidung des Nordens für einen davidischen König erhofft wird. Hos 3,5 stammt keinesfalls aus dem 8. Jh. v.Chr. Sein Vorbild, 11 Sam 3,17, stellt einen frühestens exilischen Nachtrag innerhalb der sog. Thronfolgegeschichte dar. 2 Als Nachtrag zu Hos 3,1-4 ist Hos 3,5 sogar noch bedeutend jünger. Dieser Nachtragscharakter von 3,5 wird in der Forschung seit ca. 1900 vertreten. 3 Er ist insbesondere an dem Anschluß von 3,5 mit ,m~ zu erkennen. 4 Da sich Hos 3,1-4 als nachchr. erweisen wird,s muß Hos 3,5 noch jünger sein. In Hos 3,5 artikuliert sich also eine Hoffnung auf Umorientierung und Umkehr Samarias nach Jerusalem zur Zeit des sog. Samaritanischen Schismas.

2 Veijola rechnet mit DtrH, vgl. ders., Ewige Dynastie, 60ff. Aufgrund der Tatsache, daß II Sam 3,17-20 die V.21 und 12 nachträglich ausmalt, kann man eine spätere Datierung erwägen. Emmerson erkennt, daß Hos 3,5 von II Sam 3,17 abhängt, beurteilt den Sam-Vers jedoch fälschlich als alte Tradition, s. dies., Israelite Prophet, 103f. 3 So auch z.B. B. Duhm, Anmerkungen, 20. Dagegen geht G.A. Yee, Composition, 57 mit K. Marti, KHC 13, 34ff und G. Hölscher, Profeten, 428 davon aus, daß das Kapitel als in sich einheitlicher Nachtrag konzipiert wurde. Zu den Brüchen in Hos 3,1-4 und eventuellen Nachträgen in diesem Bereich vgl. auch L. Ruppert, Beobachtungen, 174; M.-T. Wacker, Figurationen, 214. 4 Zu beachten ist zusätzlich der Wechsel von ,,~ in 3,4 zu C:l'~ " , in 3,5, der eine unterschiedliche Konzeption von Königtum anzeigt. 5 S.u.,75f.

Hos 3

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Da 3,5 deutlich als Nachtrag zu Hos 3,1-4 einzustufen ist, muß nun geklärt werden, welches Aussageanliegen 3,1-4 vor der Entstehung von 3,5 verfolgten. Vorläufig kann nur gesagt werden, daß 3,5 einen heilvollen Akzent zugunsten Samarias nachträgt.

5.1.2 Hos 3,1-4

Hos 3,1-4 setzt das Verhalten und Geschick der ?~,rt), 'J:::l (3,1.4) in Analogie zu Verhalten und Geschick einer Frau Hoseas. Zur Klärung der Frage, ob mit ?~,rt), 'J:::l der Norden, der Süden oder das ganze Jahwevolk bezeichnet wird, ist Folgendes zu beachten: Hos 3 setzt Hos 1 voraus. 6 Die Abhängigkeit von Hos 3,1-4 von Hos 1 ist zunächst daran zu erkennen, daß Hos 3,1 mit '1V auf die Ereignisse von Hos 1 Bezug nimmt. Zudem konzentriert sich Hos 3,1-4 auf eine Fragestellung, die Hos 1 übergeht: wie kann die Beziehung eines Mannes zu einer C'J1JT nrt)~ (1,2b) aussehen? Hos 3,3 empfiehlt eine Phase der Isolierung, während der ältere Text in 1,3 ohne Aufschub Eheschließung, Schwangerschaft und die Geburt eines Sohnes vermerkt. Da sich Hos 1,2b-6 auf den Norden bezieht/ hat folglich auch Hos 3,1-4 in der Abhängigkeit von 1,2b-6 den Norden vor Augen. 8 Auch an dem Motiv der "Karenzzeit" Israels in Hos 3,4 wird deutlich, daß sich der Abschnitt gegen den Norden richtet. Zusammen mit C':::l, C'~\ "Israel" und einer Aufzählung der Defizite taucht dieses Motiv außer Hos 3,4 nur noch in II Chr 15,3 auf. In II Chr 15,3 ist davon die Rede, daß Israel auf die Attribute einer geglückten Jahwebeziehung verzichten muß: einen wahren Gott, einen lehrenden Priester9 und die Tora. Die Frage nach dem legitimen Priestertum spielt in der judäischen Polemik gegen den Norden eine entscheidende

6 So auch K. Marti, KHC 13,33f; G. Hölscher, Profeten, 426ff; G.A. Yee, Composition, 58ff; C. Levin, Verheißung, 239f; M-T. Wacker, Figurationen, 217f. Dagegen J. Wellhausen, Kleine Propheten, 104. Er spricht sich gegen einen Nachtragscharakter für Hos 3 aus, weil dann auch Hos 2 sekundär sein müsse, was ihm bedenklich erscheint. Implizit gibt Wellhausen damit zu, daß es keine wirklichen Argumente für die Authentizität von Hos 3 gibt. 7 S.u., 94. 8 Zugleich wird so deutlich, daß Hos 3,1-4 keine von Hos 1 unabhängigen Informationen über das Leben des Propheten Hosea enthält. Als Quelle für dessen Biographie ist Hos 3,1-4 somit nicht geeignet. S. bereits G .A. Yee, Composition, 57f gegen die These, die Abfassung von Hos 3,1-4 in der l.com.sing. beweise die Hoseanizität des Textes. 9 Es spricht nicht gegen die folgenden Überlegungen, daß die LXX den Priester ausläßt, da sie an dieser Stelle einige Auslassungen hat, die Benzinger auf Unachtsamkeit zurückführt (KHC 20,

102).

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Rolle. Der Vorwurf, der Norden setze nichtlevitische Priester ein, bildet einen zentralen Bestandteil schon des dtr. Theologumenons von der sog. Sünde Jerobeams (I Reg 12,31f; 13,33). Die ehr hebt besonders hervor, daß die Priester und Leviten Jerobeam den Rücken kehren und zu Rehabeam übersiedeln (II ehr 11,13-15). Abija wirft in seiner Rede Jerobeam und dem Nordreich vor, dort habe man die Jahwepriester, die Aaroniden und Leviten, vertrieben und besitze nun Priester wie die Völker (II ehr 13,9). Jeder, der wolle, könne Priester werden für C';"K K'. Für die Verfasser von ehr herrscht also im Nordreich für lange Zeit ein totaler Mangel an legitimen Priestern, und es gibt keine Gottesverehrung. Von daher bezieht sich 11 ehr 15,3 nach dem eigenen chr. Kontext eindeutig auf den Norden. lo Daß Hos 3,1-4 das in 11 ehr 15,3 entwickelte Motiv einer "Karenzzeit" für den Norden ins Hos-Buch einbringt, also jünger ist als 11 ehr 15,3,11 ergibt sich aus Folgendem: Hos 3,4 enthält die ausführlichere Aufzählung von fehlenden Gütern, so daß er als nachträgliche Ausweitung einzustufen ist; der Hos-Vers steigert die Vorwürfe, indem von zweifelhaften Kultgeräten die Rede ist; der Vers wirkt wegen der Kultgeräte, die in den Richterund Königsgeschichten öfters erwähnt werden, stärker historisierend als 11 ehr 15,3. Nach allem ist Hos 3,4 als eine in nachchr., d.h. in hellenistischer Zeit erstellte Aussage gegen Samaria zu beurteilen. 12 Hos 3,4 ist als Deutung der Zeichenhandlung von der Isolation der untreuen Frau Hoseas (3,3) in Hos 3 unentbehrlich und gehört zum Grundbestand von Hos 3,1-4. So wie 3,1 das ehebrecherische Verhalten der Frau mit dem Götzendienst der Söhne Israel gleichsetzt, so muß auch ihre Isolation eine Parallele im Geschick der Söhne Israel haben. Andernfalls fehlt der Zeichenhandlung ihre Pointe. 13 Also beschäftigt sich Hos 3,1-4 insgesamt mit dem Norden. Da Hos 3,1-3 nicht älter sein kann als 3,4, ist die gesamte Textfolge in hellenistischer Zeit abgefaßt worden. Hos 3,1-4 enthält eine gewisse Polemik gegen Samaria. Hier werden Heilshoffnungen für den Norden zunächst suspendiert. Dies wird daran deutlich, daß der Abschnitt gezielt als Wiederholung von Hos 1 konzipiert ist (s. das in 3,1). Das heißt: so wie in Hos 1 die erste Ehe des Propheten

,,11

10 So deutet bereits der Targum diese Stelle, vgl. E.1. CurtislA.A. Madsen, lCC, 384. 11 Gegen S. Japhet, Chronic1es, 719. 12 Zu der Frage, ob und inwiefern hier das Samaritanische Schisma im Hintergrund steht, S.u., 7.2.5. Für die Spätdatierung von 3,1-4 spricht außerdem, daß die Rede von "~1rtJ' 'l::l innerhalb von Hos ein später Sprachgebrauch ist. Sie kommt noch in 2,2f vor, und diese Verse sind nach allgemeinem Forschungskonsens seit der letzten Jahrhundertwende ein nachexilischer Zusatz. Außerdem erscheint sie in 4,la. Zu dessen nachexilischer Herkunft s.u., 6.3.2.1. 13 So auch 1. Ruppert, Beobachtungen, 209. Anders dagegen M.-T. Wacker, Figurationen, 215ff. Hos 3,4 schließt aber mit Hilfe der Phrase 0'::11 O'~' und des Verbs ::IrtJ' deutlich an 3,3 an.

Hos2

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mit einer Frau, die den Norden repräsentiert/ 4 scheitert, so hat auch der zweite Versuch nach Hos 3,3f keinen unmittelbaren Erfolg. Der Norden scheint hier vorläufig für eine heilvolle Zukunft auszufallen. Jahwes beständige Liebe, wie sie 3,1 betont, kommt vorerst nicht zum Ziel. Hos 3,1-4 ist somit gezielt als Gegentext zu Hos 1l,1-4'~.8a15 konzipiert, der wie kein zweiter Abschnitt in Hos die bleibende Bindung J ahwes an den Norden behauptet. 16 Hos 3,5 widerspricht wiederum dieser "Samariapolemik"17 in 3,1-4. Er stellt gegen sie klar, daß auf eine Umkehr Samarias am Ende der Zeiten doch noch zu hoffen ist. 18 Diese Abfolge von "Samariapolemik" und ihrer Relativierung wird sich als charakteristisch für späte Wachstumsstadien von Hos erweisen. 19

5.2 Hos 2 5.2.1 Hos 2,1-3

In der Forschung ist weitgehend unstrittig, daß Hos 2,1-3 erst nachträglich zwischen 1,9 und 2,4 eingearbeitet wurde. 20 Dieser kurze Abschnitt bringt Heilshoffnungen für das ganze Volk in Nord und Süd ein. Er ist allerdings nicht aus einem Guß. Das signalisiert schon der unterschiedliche Gebrauch von '?Kirt)' 'JJ in 2,1 ('?KiW' 'JJ als das Gesamtvolk) und in 2,2 ('?KiW' 'JJ als Bewohner des Nordens gegenüber den i1i1i1' 'JJ). 14 S.u., 94. Marti hat behauptet, daß die Frau aus Hos 3 das "Nordreich" , und Gomer in Hos 1 Juda repräsentiere (KHC 13,34). Ein umgekehrtes Verhältnis, also Gomer als Nordreich und die Frau in Hos 3 als Südreich, veranschlagen Hieronymus (K. Marti, KHC 13,34) und A. Schart, Entstehung, 170f. Schart übersieht jedoch die Anspielung auf Ir Chr 15,3, die eine Deutung von Hos 3,1-4 auf Juda ausschließt. 15 Zu diesem Grundbestand und seinem theologischen Anliegen s.u., 7.3.6. 16 Zusätze, die wie Hos 3,1-4 dem Norden eine baldige Heilsperspektive absprechen und ihn sehr negativ bewerten, sind auch in Hos 4-14 nachweisbar, z.B. 7,laa; 1l,3b, S.u., 7.2.3. Sie werden im Folgenden als »jüngste Samariapolemik" bezeichnet; im Hintergrund steht eine J erusalemer Sichtweise, die Samaria z.Zt. des sog. Samaritanischen Schismas äußerst kritisch gegenübersteht. 17 Wo im Folgenden wie hier "Samariapolemik" oder "samariapolemisch" in Anführungszei· chen steht, bedeutet dies, daß der entsprechende Text sich als Zusatz der "jungen" oder »jüngsten Samariapolemik" erweisen wird. S. auch 0., 67, Anm. 81 und 77, Anm. 16. 18 In Hos 4-14 finden sich Nachträge, die Hos 3,5 entsprechen, z.B. Hos 14,5. Sie werden künftig als späte Heilstheologie etikettiert, s.u., 7.2.4 und 9.2.2. 19 S.u., 10.6. 20 S.o., 2.2 zur Entstehung dieser These um 1900. Sie hat sich seitdem in der Hos-Forschung durchgesetzt, vgl. die Kommentare z.St. Die nachhoseanische Herkunft von 2,1-3 ist ebenfalls allgemein anerkannt. Nur W. Rudolph, KAT 13/1, 56 und H.W. WolH, BK.AT 14/1, 28H rechnen noch damit, daß die Redaktoren hier echte Hoseaworte einarbeiten.

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Es läßt sich zeigen, daß 2,1-3 sukzessive entstanden sind und auf verschiedene Hände zurückgehen. Hos 2,1 ist der älteste Vers in 2,1-3. Zu 2,3: Der kurze Abschnitt 2,1-3 reagiert auf Hos 1 und hebt die dortige Unheilsansage auf. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Unheilsnamen der beiden jüngsten Prophetenkinder, Lo-Ruchama (1,6) und Lo-Ammi (1,8f). Diese Unheilsnamen werden in 2,1b und 3 zu Heilsnamen umgewandelt. Da 2,3 nach 2,1b die Umbenennung für Lo-Ammi wiederholt, liegt hier eine Dublette vor. Hos 2,3 fällt zusätzlich in seinem Kontext aus dem Rahmen, indem er anstelle des dort gebräuchlichen Perfectum consecutivum einen Imperativ 2.masc.plur verwendet. Der Vers ist also nachgetragen. Zu 2,H: Auch sie stammen nicht aus einer Hand. Auf den nicht übereinstimmenden Gebrauch von '?Ki~' 'J:::l wurde bereits hingewiesen. Zudem spielt die Frage, ob Israel in der Heilszeit staatlich organisiert ist und einen König hat, nur für 2,2 eine Rolle. Für den Verfasser von 2,1a stellt sie sich gar nicht. Der Verfasser von 2,2 will dagegen mit inK ~Ki festlegen, daß der neue König kein Davidide ist. Innerhalb von 2,1 gibt es keine Indizien dafür, daß der Vers uneinheitlich ist. Zwar fällt das doppelte ;";'1 am Beginn der beiden Vershälften auf, aber ansonsten lassen sich keine sprachlichen Brüche feststellen. Zudem verbindet beide Vershälften eine Vorliebe für passivische Formulierungen im Niphal. 21 In 2,2 ist jedoch der abschließende '~-Satz (2,2b) mit seinem Verweis auf den" T ag Jesreels" nachgetragen, weil er den sonst im Vers vorherrschende Parallellismus membrorum aufgibt. Zudem vollzieht 2,2b durch den Hinweis auf den großen Tag Jesreels eine Eschatologisierung der Heilsereignisse; davon ist in 2,2a keine Rede. Denn Y:::lp Niphal bezieht sich in der Mehrzahl der Belege nicht auf die endzeitliche Sammlung des Volkes, sondern auf die Versammlung von Menschen zu einer gemeinsamen Aktion (z.B. I Sam 7,6; Esr 10,1.7). Demnach wurde zuerst 2,1 konzipiert, denn dieser Vers sollte ein klares Gegengewicht zur Unheilsprophetie in Hos markieren. Das leistet deutlich das ;";'1 zu Beginn von 2,1, denn dadurch ist klargestellt, daß das folgende Heilswort in die Zukunft weist, das Unheil aus Hos 1 aber auf Gegenwart und Vergangenheit anspielt. 2,2a und 2,3 wurden nachträglich an 2,1 angeschlossen, wobei die Übereinstimmung im Tempus (Perfectum consecutivum) dafür spricht, daß in 2,2a der ältere Nachtrag vorliegt. Nach 2,3 wurde 2,2b ergänzt, um klarzustellen, daß diese heilvollen Entwicklungen erst am Ende der Zeiten zu erwarten sind.

In jedem Fall hat der Nachtragsvers 2,2a ein Gesamtisrael vor Augen, wie man dem Nebeneinander von 'Kitll' 'J:::l und ;"';" 'J:::l entnehmen kann. Aber auch schon der ältere 2,1 hat eine gesamtisraelitische Perspektive. Dies läßt sich daran erkennen, daß der Vers gerade den Kindernamen aus Hos 1

21 Anders Wacker, die nur 2,1b für einen Nachtrag hält (Figurationen, 19M).

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aufgreift und umdeutet, der mit Lo-Ammi 22 auf ein Gesamtisrael zielt. In dem gegenüber 2,2a noch einmal jüngeren Nachtrag 2,3 wird diese Perspektive fortgesetzt. Durch den Imperativ der 2.masc.plur. werden nämlich die Leser direkt angeredet, und angesichts der anerkannt späten Genese der Verses müssen diese Leser Judäer sein. Außerdem erscheint ein zweites Mal der Kindername Lo-Ammi, der das Gesamtvolk in Nord und Süd betrifft. Da im Hos-Buch nur in Hos 2,2a und 3,5 über einen Herrscher der Heilszeit in Israel gehandelt wird, liegt ein Vergleich dieser bei den Textstellen nahe. Laut 2,2a ist dieser Herrscher ein ,m~ W~'. Dies impliziert aus judäischer Sicht einen Verzicht auf eine Restitution der davidischen Dynastie. Dieser Verzicht ermöglicht, einen für Nord und Süd gleichermaßen akzeptablen Monarchen einzusetzen. Dagegen erwartet 3,5 gerade für die Heilszeit eine Umkehr des Nordens zu "ihrem König David" (3,5); hier werden die Ansprüche der Davididen in Erinnerung gerufen. Hos 2,2a ist der ältere der beiden Texte, da Hos 3,5 die Offenheit von 2,2a für einen nichtdavidischen König nachträglich einschränkt. Zudem steht Hos 3,5 als Nachtrag in einem ehr. beeinflußten Kontext (3,1_4),23 während 2,1, an den 2,2a nachträglich angeschlossen wurde, noch keine Einflüsse von Chr zeigt. Für diese relative Chronologie der beiden Textstücke spricht auch, daß 3,5 die hoffnungsvolle Zukunft erst am Ende der Zeiten erwartet (C1'~'i1 n',n~J ... lJW' ,n~), was für 2,2a keine Rolle spielt. Durch diese "Verschiebung der Heilszeit" kann der Verfasser von 3,5 die weitere Entwicklung berücksichtigen. Er kann so darauf reagieren, daß eine Umkehr des Nordens zu den Davididen nicht für seine unmittelbare Gegenwart zu erwarten ist. Auf diese Weise kann Hos 3,5 "samariapolemisehe" Texte wie 3,1-4 relativieren. In Hos 2,2a besteht dazu noch keine Notwendigkeit. Somit repräsentiert Hos 2,2a ein älteres Stadium der Heilstexte in Hos als 3,5. 24

5.2.2 Hos 2,4-25 und die "Abfall-Umkehr"·Thematik Da sich Hos 3,1-4 als später Nachtrag aus hellenistischer Zeit erwiesen hat und Hos 2,1-3 nicht als ursprünglicher Verbindungstext zwischen Hos 1 und Hos 4-14 einzustufen ist, dürfte zuvor Hos 2,4-25 als Überleitungstext fungiert haben. Durch diese buchkonzeptionell bedeutsame Stellung zwischen Hos 1 und Hos 4-14 wirkte 2,4-25 als Leseanleitung für beide Text22 S.u., 94f. 23 S.o., 75f. 24 S.u., 10.6.

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folgen. Denn Hos 2,4-25 nahm so zum einen zur "Familiengeschichte Hoseas" in Hos 1 Stellung und bereitete zum anderen auf c. 4-14 vor. Hinter Hos 1 muß 2,4-25 als nachträgliche Deutung der Erzählung von der Ehe des Propheten sowie von seinen drei Kindern mit Unheilsnamen eingestuft werden. Hos 2,4-25 setzt voraus, daß der Leser mit der Konstellation aus Hos 1 (eine ehebrecherische Frau, ihre Kinder und ihr Gatte) vertraut ist. 25 Die Bezeichnung der Frau als "eure Mutter" in 2,4aa ist nur sinnvoll, wenn der Leser aus seiner Kenntnis von Hos 1 heraus weiß, daß die Frau Kinder hat. Der Vorwurf aus 1,2b, die Frau sei eine C'J1JT nrD~, muß bereits gefallen sein, denn sonst wird nirgends ein Verhalten der Frau erwähnt, das rechtfertigt, warum J ahwe in 2,4a den Rechtsstreit mit ihr eröffnet. Erkennbar ist schließlich, daß sich 2,4aß auf 1,9 zurück bezieht und diesen Vers nachahmt. 26 Die Ausführungen in 2,4-25 knüpfen offensichtlich an die Feststellung in 1,2b an, das Land hure von J ahwe weg. Da dort ungeklärt ist, wie Jahwe als der "legitime Ehemann" des Landes darauf reagiert, wi1l2,4ff diesen Punkt klären. Gleichzeitig soll (vgl. 2,7) die Untreue der Ehefrau näher erläutert werden, indem notiert wird, daß die Ehefrau und Mutter J ahwe als den wahren Spender der Landesgaben vergessen habe und anstelle dessen ihren Liebhabern nachgelaufen sei. Ähnlich wie von 1,2b hängt 2,4aa literarisch von Hos 4,lba ab, dem zentralen Einleitungsvers für Hos 4-14; denn 2,4aa hat von 4,lba das Stichwort :::l'1 übernommen. 27 2,4a insgesamt ist für 2,4-25 als Exposition unentbehrlich, da ohne diese Aussagen in 2,4a die weiteren Ausführungen nicht nachvollziehbar sind. Der Leser muß wissen, daß der Frau die Lossagung Jahwes droht. Ohne die entsprechenden Aussagen 2,4aß wird nicht klar, daß J ahwe in der Rolle des Ehemanns der Frau als Sprecher der folgenden Rede anzusehen ist. Somit ist 2,4a in jedem Fall zum Kernbestand der möglicherweise sukzessiv gewachsenen Textfolge 2,4-25 zu rechnen. 28 Die 25 So auch C. Levin, Verheißung, 239ff; M.-T. Wacker, Figurationen, 253ff; H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 210f. 26 So mit C. Levin, Verheißung, 239; G.A. Yee, Composition, 105ff; M.-T. Wacker, Figurationen, 198. 27 So auch C. Levin, Verheißung, 239ff; H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 211. Die Verwendung von ::1" für eine Ehescheidung ist nämlich im Alten Testament nirgends sonst belegt. Sie erklärt sich folglich nur daraus, daß Hos 2,4a auf den in Hos 4,lba. vorgegebenen Sprachgebrauch Rücksicht nimmt. Nissinen sieht die Abhängigkeitsverhältnisse umgekehrt, so daß 2,4 den Begriff ::1" für 4,1 liefere (prophetie, 152), kann hierfür aber keine Argumente nennen. Gegen die These, Hos 2,4 zitiere ein Scheidungsformular, s. G.A. Yee, Composition, 105ff; M. Schulz-Rauch, Hosea und Jeremia, 159. 28 So auch H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 210. S. dazu auch M. Schulz-Rauch, Hosea und Jeremia, 159. Daß laut Yee und Wacker der ':l-Satz in Hos 2,4aJ3, der 1,9 imitiert, nachgetragen sei (Composition, 105ff; Figurationen 198), ist kaum wahrscheinlich; vielmehr dürften 2,4b.5a, die der Frau die Chance einräumen, ihre Hurerei zu beenden, sekundär angefügt worden sein.

Hos2

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doppelte Abhängigkeit von Hos 2,4a sowohl von 1,9 als auch von 4,lb zeigt, daß mindestens ein Grundbestand von 2,4-25 gezielt als Überleitung zwischen Hos 1 und Hos 4-14 konzipiert wurde. Folglich ist 2,4-25 jünger sowohl als c. 1 als auch 4,lb und eventuell weitere Passagen in Hos 4-14. Da sich bereits ein Grundbestand von Hos 1 als nachexilisch erweisen wird/ 9 muß auch Hos 2,4-25 ein Text aus der Zeit nach 587 sein. 3D Die Funktion von 2,4-25 als Leseanleitung vor Hos 4-14" wird noch klarer, wenn man auf zwei für die Argumentation in 2,4-25 wichtige Begriffe und das damit beabsichtigte Aussageziel achtet und zugleich wahrnimmt, daß diese Begriffe in Hos 4-14 in Nachtragsversen aufgenommen sind. a) In 2,4-6.7; 4,12; 9,1 wird ilJT im Sinne von Kultvergehen bzw. Fremdgötterverehrung verwendet. Während diese Texte durch ilJT die Abwendung von J ahwe charakterisieren, rückt ilJT in 4, 10a.13 b.14aa; 7,4aa Hurerei in sexueller Hinsicht als soziales Vergehen vor Augen, ohne daß die Frage der Einstellung zu Jahwe dabei eine Rolle spielt. Da die Kennzeichnung der Fremdgötterverehrung 'als "Hurerei" und die entsprechenden Aussagen in 2,4-6.7; 4,12; 9,1 eine theologisch deutlich fortgeschrittene Reflexionsebene signalisieren, sind diese Texte jünger als die in 4,10a13b.14aa; 7,4aa. In c. 4-14 wird man folglich 4,12; 9,1 als 2,4-25 berücksichtigende Nachträge einstufen müssen. 3 ! b) In 2,10 bedeutet 11'~ "Wissen um Jahwes Geschichtstaten und um Jahwe als den Spender der Gaben des Landes". Das ist auch in 6,3 der Fall; es muß sich in 6,3 um einen Nachtragstext handeln, denn ältere Texte in Hos 4-14 verbinden 11'~ als Wissen um Jahwe mit Toragehorsam (4,lbß.6b; 6,6). Es gibt also deutliche Indizien, daß ausgehend von Hos 2,4-25 Überarbeitungen in Hos 4-14 vorgenommen wurden. 32 Da davon auszugehen ist, daß 2,4-25 die Aussagerichtung des Vorausgehenden (Hos 1) wie des ursprünglich anschließenden Kontextes (Hos 4-14) nachträglich zu beeinflussen sucht, ist es wichtig, die Frage zu klären, ob 2,4-25 den Norden oder den Süden oder ein Gesamtisrael vor Augen hat. Ein erster Anhaltspunkt dafür, daß 2,4-25 von einem Gesamtisrael handelt, ist dem Hinweis auf die Mutter in 2,4 zu entnehmen; hier ist auffällig, daß anders als in Paralleltexten wie Jer 3,6-10; Ez 16; 23 darauf

29 S.u.,5.3.1. 30 Dafür sprechen zusätzlich die Einflüsse ezechielischer Formulierungen in Hos 2,4-25, vgl. H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 21lf; M.-T. Wacker, Figurationen, 254ff. 31 Dies wird sich z.B. u., 7.4.5.1, in einer Analyse von 4,6b-14 bestätigen, die zeigen kann, daß 4,12 in seinem Kontext nachgetragen ist. 32 Vgl. auch R.G. Kratz, Erkenntnis Gottes, 7ff zu diesen zwei verschiedenen Begriffen von Gotteserkenntnis in Hos. Anders H.W. Wolff, Wissen, 188ff. Zu Hos 5,12-14; 5,15-6,3 S.u., 7.3.4.

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verzichtet wird, die Frau mit einem bestimmten Volksteil gleichzusetzen. 33 Wie auch in Jer 3,1-5 geht es hier offensichtlich darum, mit dem Bild der mißlungenen Ehe J ahwes das Verhältnis Gesamtisraels zu seinem Gott zu bewerten. In Hos 2,4-25 wird die Frage nach der Zukunft von Jahwes Ehefrau behandelt, ohne einen Hinweis darauf zu geben, daß diese Darstellung nicht auf ganz Israel, sondern nur auf eine Teilgröße zielt. Käme es den Verfassern auf eine solche Zuspitzung an, wäre eine Klarstellung aber unverzichtbar. Denn es handelt sich um eine Frage, die spätestens nach 587 das Volk in Nord und Süd gleichermaßen betrifft. Da keine explizite Einschränkung erfolgt, muß man davon ausgehen, daß in Hos 2,4-25 das Geschick des ganzen Volkes betrachtet wird. Der dritte Anhaltspunkt für die Annahme, daß in Hos 2,4-25 über ein Gesamtisrael diskutiert wird, besteht darin, daß bereits die literarischen Vorbilder des unverzichtbaren 2,4a ein Gesamtisrael vor Augen haben (1,9 und 4,lb).34 1,9 redet seine Leser direkt in der 2.masc.plur. an. Da der Vers wegen seiner späten Abfassung aus Juda stammt, rechnet er zwar mit judäischen Lesern, die er direkt anspricht, bezieht aber wegen des dem Norden gegenüber kritischen Kontexts in Hos 1 gerade auch den Norden ein. Jahwes Absicht, sich von seinem Volk loszusagen, betrifft hier also Nord und Süd. 35 Auch 4,lb als zweites Vorbild für 2,4a richtet sich an das ganze Volk. 36 Da 2,4a sich nicht gegen 1,9; 4,lb abgrenzt, bleibt er bei der gleichen Aussagerichtung gegen das Gesamtvolk. Die Frage nach der Zukunft des Volkes in Nord und Süd bestimmt Hos 2,4-25 in allen Stadien seines komplexen Wachstums. Der gesamte Abschnitt ist eine äußerst kleinteilig angereicherte Textfolge, deren Grundbestand/Ursprungstext kaum noch sicher zu eruieren ist. Man kann lediglich sagen, daß 2,4a.7ba für die weiteren Aussagen unverzichtbar sind und deshalb zu seinen ältesten Anteilen gehören müssen. Es läßt sich jedoch kein Vers erschließen, der bruchlos an 2,7ba anschließt. 37 Rechnet man mit 7bß als Fortsetzung, so stört die ausgedehnte Partizpialkonstruktion. Ein solcher Grundtext über Landesprodukte, die die Frau fälschlich von ihren Liebhabern erwartet, müßte mit V.ll abgeschlossen werden, wo J ahwe die

33 Ez 16,3ff z.B. will Jerusalem jegliche Sonderstellung absprechen, vgl. K.·F. Pohlmann, ATD 24/1, 223. 34 S.o., 80f und u., 94f.123. 35 So auch M.-T. Wacker, Figurationen, 248. 36 S.u.,6.3.l. 37 Zu Versuchen, in 2,4-25 einen Grundbestand zu ermitteln s. z.B. G.A. Yee, Composition, 105ff; L. Ruppert, Erwägungen, 209ff; M.-T. Wacker, Figurationen, 207ff.245ff. Die Grundbestände, die sie jeweils eruieren, bleiben in sich theologisch und sprachlich uneinheitlich.

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vorgänge zu veranschlagen sind, die beide Buchteile c. 1-3 und c. 4-14 betreffen. Dabei wirkte 2,4-25 prägend auf c. 4-14 ein. 41 Dafür, daß es in Hos 4-14 Fortschreibungen gibt, die mit 2,4-25 in Verbindung stehen, lassen sich weitere Indizien nennen. Es erscheinen in Hos 4-14 an zwei Stellen plötzlich Suffixe der 3.fem.sing. (4,18; 9,2), in deren Kontext keine Frau erwähnt wird. Sie können nur auf die Frau aus 2,4-25 bezogen werden. 42 Weiterhin schließen sich folgende Texte in Hos 4-14 eng an 2,4-25 an: Hos 9 diskutiert wie Hos 2 die ausbleibende Fruchtbarkeit im Jahwevolk und greift auf die Frühzeit zurück (z.B. 2,16; 9,10). Das VernichtungsurteiI2,12-15 findet ein Echo in 9,15. In beiden Fällen ist ein Ende des Tempelkultes impliziert (2,13; 9,15aß). Die Erwähnung Gilgals als Ort der Frühgeschichte sowie der Hinweis auf den Jerusalemer Tempel43 weist 9,15 als einen Text über das Jahwevolk in Nord und Süd insgesamt aus. Hos 2,4-25 und die verwandten Zusätze in c. 4-14 {vgl. noch 5,12-6,3; 12,3-7t4 verbindet das ausgeprägte Interesse an einem Geschichtsverlauf mit den Stadien oder Teilstadien: "Landnahme" - "Abfall im Land" "Umkehr". Sowohl für 2,4-25 als auch für c. 4-14 war der gleiche Sachverhalt zu beobachten, daß jeweils Einzelzusätze mit einem gemeinsamen theologischen Grundinteresse eine Rolle spielen (vgl. 2,4-25 als rollingcorpus). Deshalb kann man von einer übergreifenden Konglomeratschicht bestehend aus 2,4-25 und den entsprechenden Anteilen in c. 4-14 sprechen. Eine Konglomeratschicht ist eine Schicht, an deren Erstellung mehrere Hände beteiligt waren, die jedoch durch die gemeinsame Theologie und Tendenz der Verfasser zusammengehalten wird. 45 Da für 2,4-25 die Thematik "Abfall-Umkehr" prägend ist und diese Textfolge zugleich wegen ihrer buchkonzeptionell bedeutsamen Position als Programmtext zwischen Hos 1 und Hos 4-14 fungiert, wird im Folgenden für 2,4-25 und die Textanteile 41 Wacker veranschlagt solche Hos 1-3 und 4-14 gemeinsamen Wachstumsprozesse bereits bei den Passagen, die eine Restitution erwarten. Tatsächlich ist die Restitution ein wichtiges Thema dieser Texte, doch erweist sich Wackers frühnachexilische Datierung als zu früh (M.-T. Wacker, Figurationen, 245ff; so auch H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 202ff). Sie entspricht nicht der Abhängigkeit der Aussage 2,4a von 1,9 und 4,1ba, da beide jünger sind als die frühnachexilische Zeit (s.u., 95 und 6.3.2.2). 42 So auch H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 181; ders., Zechen und Lieben, 504. Allerdings ist von diesen nur 9,2 der gleichen Konglomeratschicht wie 2,4-25 zuzuweisen, denn nur hier erscheint der charakteristische Blick auf Nord und Süd gemeinsam. 4,18 ist deutlich jünger als 2,4-25 und 9,2. 43 Zum Verständnis von 9,15aß als Anspielung auf den Jerusalemer Tempel s.o., 61. 44 Zu diesen Texten s.u., 7.3.4 und 7.4.5.3. 45 Auch die Bearbeitungsstendenzen, die Levin für Jer veranschlagt, stammen von mehreren Händen und sind durch die gemeinsame Tendenz und Theologie ihrer Verfasser verbunden (Verheißung, 65ff). Vgl. ähnlich Albertz, s.o., 45.

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der in c. 4-14 sondierten Konglomeratschicht 46 die Bezeichnung "AbfallUmkehrcc-Texte gewählt.

5.3 Hos 1 5.3.1. Hos 1,2b-9 Oben konnte gezeigt werden,47 daß 2,4-25 ursprünglich direkt im Anschluß an 1,2b-9 und in Aufnahme dortiger Themen sukzessiv konzipiert wurde. Zu klären bleibt, ob die das Gesamtvolk betreffenden Aussagen in 2,4-25 auf der Linie von Hos 1,2b-9 liegen oder Korrekturen vornehmen sollen. Ferner ist der Frage nachzugehen, ob in Hos 1,2b-9 als Vorbild für Hos 3,1-4 zuverlässige Informationen über das Leben des Propheten Hosea erhalten sind. Der Fremdbericht in Hos 1,2b-9 berichtet von der Heirat des Propheten Hosea mit Gomer bat Diblaim und anschließend von den drei Kindern, die aus dieser Ehe hervorgegangen sind. Die Eheschließung erfolgt im Auftrag Jahwes, stellt also eine Zeichenhandlung dar. Alle drei Kinder tragen Unheilsnamen, die einerseits die Schuld des Volkes (1,4) beinhalten und andererseits Jahwes Abwendung von seinem Volk signalisieren (1,6.8f). Es ist nicht deutlich, ob diese Schuld und der drohende Abbruch der Gottesbeziehung eine Teilgröße oder ganz Israel betreffen. Die Analyse der Erzählung kann zunächst von den Überschriften 1,1 und 2a absehen, weil diese in erster Linie als Überschriften für Hos als Ganzes fungieren und erst in zweiter Linie die folgende Erzählung einleiten. Dementsprechend wird Hos 1,1.2a erst später im Zusammenhang mit der Fragestellung untersucht, welche literarischen Prozesse für die Gestaltung vorgegebenen Materials in Hos als Propheten buch zu veranschlagen sind_ 48 1,2b-9 ist formal sehr einheitlich gestaltet. Auf eine Redeeinleitung in Prosa folgt viermal eine J ahwerede im Qinametrum mit Anweisungen an den Propheten (V.2bA.6.9abcx.).49

46 Diese Anteile in Hos 4-14 umfassen: Hos 4,9.12; 5,5a.9b.12-14; 5,15; 6,1-3; 6,5a; 9,lf. 10.15; 12,3-7.11.13f; 14,2-4.6-8. 47 Vgl. 5.2.1 und 5.2.2. 48 S.u., 6.1. 49 So auch C. Levin, Verheißung, 235; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 10. Dagegen W. Rudolph, KAT 13/1, 39.

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Die Forschung geht dementsprechend davon aus, daß 1,2b-9 nur wenige Nachträge enthält. 50 Der Grundbestand des Kapitels wird von einer überwiegenden Mehrheit als ein Werk der Hoseaschüler eingestuft. 51 Seit den 80er Jahren ist diese These nicht mehr unbestritten. Levin geht davon aus, daß nicht die Hoseaschüler, sondern judäische Theologen Hos 1'< aus einer Anti-Nordreichperspektive heraus verfaßt haben, hält aber an einer vorexilischen Datierung zur Zeit des syrisch-ephraimitischen Krieges fest. Wacker nimmt an, daß ein Grundbestand von Hos 1'< erst in spätvorexilischer oder exilischer Zeit erstellt wurde. 52 V.7 ist mit der überwiegenden Mehrheit der Forschung als Nachtrag einzustufen. 53 Er fällt im Kontext durch seine prosaische Form aus dem Rahmen. Außerdem wird als Gegenstück zu ?K1W' n':l nK aus 1,6 hier ;,.,1;" n':l nKl gezielt am Versanfang positioniert, eine in Hos 1 singuläre Inversion. In V.5 hat die Forschung zu Recht einen weiteren Nachtrag veranschlagt.54 Obwohl der Vers durch die Verwendung des Qinametrums auf den Grundbestand von Hos 1 abgestimmt ist, zeigt die Einleitung mit Kl;';' Cl':l ;";'1, daß ein jüngerer Kommentar vorliegt. Nicht zuletzt wechselt die Bedeutung von "Jesreel" gegenüber 1,4. Jesreel ist in 1,4 der Ort der Schuld, hier der Ort des Gerichts. Auch Hos 1,8f sind sekundär. 55 Die letzte Jahwerede, V.9, vollzieht gegenüber den übrigen Jahwereden in Hos 1 einen Personwechsel, indem die Leser direkt in der 2.masc.plur. angesprochen werden, nicht mehr nur der Prophet. Das Volk wird so in 1,9 unmittelbar als Hörer einbezogen. Das ist sonst in Hos 1 nicht der Fall; das Volk ist dort in keiner Weise beteiligt. Die Begründung des Unheils namens für das dritte und letzte Kind in dieser Jahwerede (1,9) verwendet anders als V.4.6 keinen Verbalsatz mit

50 S. die Kommentare z.St. 51 Vgl. z.B. H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 10ff; 1. Willi-Plein, Vorformen, 116; J. Jeremias, ATD 24/1, 28ff. Modifikationen dieser These vertreten Schart und Yee. A. Schart, Entstehung, 116ff rechnet in Hos 1 mit einem Werk der Tradenten, die die Überlieferung von Am und Hos auf einer Rolle zusammengestellt haben. Auch für Yee ist der Verfasser von c. 1* ein Sammler der Hoseaworte (C), der um 722 tätig war, vgl. Composition, 103f.307f. Dagegen wollen W. Rudolph, KAT 13/1, 39 und A.A. Macintosh, ICC, 9 selbst eine hoseanisehe Verfasserschaft für c. 1 nicht ausschließen. 52 C. Levin, Verheißung, 237ff; M.-T. Wacker, Figurationen, 259. AuchJ. Vermeylen, Osee, 202ff verortet den Verfasser von Hos 1* in Juda in der Zeit zwischen 722 und 587. 53 S.o., 19ff. G.A. Emmerson, Israelite Prophet, 88ff, vermutet in 1,7 ein versprengtes Hoseawort, übersieht aber die Anspielungen auf jesajanisches Gut im Vers. 54 Vgl. die Kommentare z.St. Zur Hypothese, 1,5 sei ein isoliertes Hoseawort, das hier redaktionell verankert worden sei, s. W. Rudolph, KAT 13/1, 52f; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 20f und 1. Willi-Plein, Vorformen, 116f. Dagegen aber mit Recht J. Jeremias, ATD 24/1, 34; G.A. Yee, Composition, 64ff; C. Levin, Verheißung, 235 und M.-T. Wacker, Figurationen, 226f. 55 Zur Intention dieses Nachtrags s.u., 94f.

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Jahwe als Subjekt, sondern beginnt mit einen Nominalsatz, in dem das angeredete Volk Subjekt ist. Außerdem folgt der Name Lo-Ammi dem Muster des Namens Lo-Ruchama, steigert aber die Aussage dieses Namens. Während "Lo-Ruchama" nur die Zuwendung Jahwes zu seinem Volk negiert, soll "Lo-Ammi" signalisieren, daß J ahwe sich grundsätzlich von seinem Volk abgewendet hat. Hier handelt es sich um eine verschärfende Wiederaufnahme. V.8 als Bericht von der Geburt des jüngsten Sohns sowie als Überleitung zur Jahwerede V.9, fällt dadurch auf, daß er deutlich von der Einführung der Jahwerede in V.6 abweicht. Während beim Übergang von Jesreel zu LoRuchama eine Tendenz zur Verknappung zu beobachten ist, ist die Einleitung für Lo-Ammi ausführlicher als die für Lo-Ruchama. 56 Nur in V.8 wird die Entwöhnung des älteren Kindes als Voraussetzung einer neuen Geburt berichtet, und nur hier fällt noch einmal der Name dieses älteren Kindes. Der Grundbestand von Hos 1,2b-9 ist nach allem in 1,2b-4.6 enthalten. Hier finden sich keine weiteren Indizien für Nachträge. Die Einheitlichkeit von 1,4 ist in der Forschung nahezu Konsens. 57 Ohne 4bß kündigte 4 lediglich eine Heimsuchung für das Haus Jehu an,58 ohne diese Heimsuchung in irgendeiner Weise zu konkretisieren. Es würde so überhaupt nicht klar, worin die Heimsuchung gegen Jehus Haus bestehen solp9 Hos 1,4 dürfte somit nie ohne 4bß existiert haben; der Verfasser hat offensichtlich am Versende eine gewisse metrische Unstimmigkeit in Kauf genommen. Auch in V.6 ist am Ende das Qinametrum gestört. Der Grund dafür ist, daß V.6 wie V.2b Wert auf das Stilmittel der figura etymologica legt. 60

56 So H.W. Wolff, BK.AT 14/1,9; C. Levin, Verheißung, 235, die jedoch übersehen, daß die Verknappungstendenz nach V.6 nicht durchgehalten wird. 57 Anders einzig C. Levin, Verheißung, 235. 58 Im Text ist nicht davon die Rede, daß in einem ersten Strafakt das Haus J ehus untergeht, dann in einem zweiten das Königreich Israel, wie dies J. Wellhausen, Kleine Propheten, 98; K. Marti, KHC 13, 17; W.R. Harper, ICC, 212; W. Nowack, HK 3/4,14; W. Rudolph, KAT 13/1, 52; J. Jeremias, ATD 24/1, 31; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 20; A.A. Macintosh, ICC, 18 vermuten. 59 Dies entspricht nicht dem üblichen Sprachgebrauch von 'n) ip.l. Die Texte, die mit ipEl J ahwes Strafe ankündigen, liefern in aller Regel Hinweise auf das genaue Strafhandeln (z.B. Jes 24,2lff; 27,1; Jer 11,22; 21,14; 23,33f; 27,8; 29,32; 44,13; 46,25f; 51,44; Zeph 1,12ff) oder reißen es mindestens durch einen Wehruf an Ger 23,1f). 60 Levins Annahme, daß das Metrum in V.6 durch Nachträge im Zusammenhang mit der Entstehung von V.7 gestört sei (Verheißung, 235; so auch K. Marti, KHC 13, 19; B. Duhm, Anmerkungen, 18; G.A. Yee, Composition, 66ff), überzeugt nicht, weil Levin diese Nachträge nicht mehr im einzelnen ermitteln kann und weil so kein metrisch einleuchtender Grundbestand von 1,6 rekonstruiert werden kann.

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Für V.2b könnte man darauf verweisen, daß die hier erwähnte Hurenmentalität der Frau Hoseas im Folgekontext keine Rolle spielt und Hosea keine Hurenkinder nimmt, sondern mit der Frau eigene Kinder zeugt. Wollte man wegen dieser Spannungen zu den folgenden Aussagen in 1,3f und 6 sekundäre Einträge in V.2b annehmen, so steht dem entgegen, daß das Qinametrum für die einheitliche Abfassung spricht und daraufhin keine dieser Aussagen fehlen darf. 61 Der Grundbestand von Hos 1 (1,2b-4.6) handelte nach allem von zwei Kindern, einem Sohn und einer Tochter. Der jüngste Sohn ist nachgetragen (1,8f). Hoseas Frau ist von Anfang an als "Frau von Buhlerei" gekennzeichnet und versinnbildlicht den Abfall des Volkes. Daß man 1,2b als einheitlich konzipiert einstufen muß, hat einschneidende Konsequenzen für die Datierung dieses Grundbestandes von Hos 1 (1,2b-4.6). Vers 1,2b zeigt nämlich eindeutig nachexilische Theologie und nachexilischen Sprachgebrauch. Denn die These, das Land hure weg von Jahwe, setzt bereits das Erste Gebot voraus. 62 Der Terminus t:J~mT wird erst in nachexilischer Zeit im dtr. Bereich geprägt. 63 Eine Verbindung von ;'JT mit r1K als Subjekt oder den Präpositionen l~ oder ~1nK und ;,,;,~ hat nur späte Parallelen. 64 Hos 1,2b-4.6 ist also als eine in nachexilischer Zeit konzipierte Textfolge einzustufen. Zu Hintergrund und Intention von Hos 1,1.2b-4.6 im einzelnen: Zu klären bleibt, was mit t:J~J'JT nWK (1,2b) gemeint ist. In der Forschungs- und Auslegungsgeschichte zu Hos 1 wurden zwar von der Alten Kirche bis zur 61 Nachträge in 1,2 veranschlagen W. Rudolph, KAT 13/1, 47ff; H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 210; J. Jeremias, ATD 24/1, 24ff; M. Schulz-Rauch, Hosea und Jeremia, 153, Anm. 1; M.T. Wacker, Figurationen, 240ff. G. Hölscher, Profeten, 424f, hält den ganzen V.2 für einen Nachtrag. Allerdings fehlt dann die Aufforderung Jahwes an den Propheten zu heiraten, ohne die c. 1 keine Zeichenhandlung darstellt (so auch H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 8). 62 Zu dessen Entstehung in der exilisch-nachexilischen Zeit vgl. z.B. C. Levin, Dekalog am Sinai, 169ff; J. Pakkala, Intolerant Monolatry, 224ff; E. Aurelius, Ursprung, 4ff. 63 Die weiteren Belege von l:I'l'l1 in Hos sind durchweg jünger als 1,2b, weil sie den "AbfallUmkehr"-Texten (2,4.6; 4,12; s.o., 81ff und u., 7.4.5.3) und jüngeren Texten (5,4; s.u., 9.2.2) angehören. Außerhalb von Hos ist das Wort in Gen 38,24; TI Reg 9,22; Ez 23,11.29; Nah 3,4 belegt. Würthwein hat II Reg 9,22 zu Recht als dtr. Nachtrag bestimmt (ATD 11/2, 332). Nah 3,4 kombiniert wie II Reg 9,22 den Vorwurf von Hurerei und Zauberei (~w:J), so daß hier ein Einfluß des dtr. II Reg 9,22 zu veranschlagen ist. Für eine späte Datierung von Gen 38,24 vgl. R. Sm end, Entstehung, 87f; C. Levin, J ahwist, 271; R.G. Kratz, Komposition, 281ff. Im Formelwerk von Gen 38 zeigen sich dtr. Einflüsse (zu V.7.10 vgl. z.B. Dtn 4,25; Jdc 3,7; I Reg 11,6; 14,22; 16,25; II Reg 17,2; Jer 7,30). Ez 23,11.29 gehören nicht zu den ältesten Anteilen des Kapitels, so auch W. Zimmerli, BK.AT 13/1, 536ff; K.-F. Pohlmann, ATD 22/2, 336ff. 64 ,!lT mit dem Subjekt r'~ findet man nur in Lev 19,29,:m verbunden mit 1~ und Jahwe bzw. I:I'''''~ nur in Hos 4,12; 9,1; Ps 73,27 und ',n~ zusammen mit ",,,, nur in Num 14,43; Jos 22,16.18.23.29; I Sam 12,20; II Reg 17,21; Zeph 1,6; II ehr 25,27; 34,33. Die beiden Worte "l1 und ',m~ erscheinen nur in Lev 17,7; 20,5f; Num 15,39; Jdc 8,27; Ez 16,34 gemeinsam. So auch J. Jeremias, ATD 24/1, 26f.

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Psychoanalyse eine Fülle von Vorschlägen zu diesem Problem gemacht. Allerdings ist das jeweilige Belegmaterial nicht beweiskräftig. Nimmt man beispielsweise bestimmte kanaanäische Initiationsriten an, in denen jedes Mädchen seine Jungfräulichkeit der Gottheit opfern mußte, so gibt es dafür inner- und außerhoseanisch keinerlei Belege. 65 Die Rede von C':I1:1T nWK in Hos 1,2b ist als Verarbeitung folgender Traditionen zu erklären: Jerusalem bzw. Samaria oder auch Israel und Juda werden des öfteren als Ehefrau J ahwes dargestellt, die ihrem Mann untreu wird, z.B. Jer 3; Ez 16; 23. Zwischen Hos 1,2b und Ez 23 bestehen sprachliche Berührungen, denn dort ist in V.11 und 29 von den C':I1:1T der beiden Schwestern Ohola und Oholiba die Rede. Es ist deutlich, daß Hos 1,2b jünger ist als Ez 16; 23. In Ez 23 sind noch Stufen einer älteren Verwendung des Vergleichs des Volkes mit einer Hure erkennbar. Ursprünglich kritisierte das Schlagwort "Hurerei" den unklugen Wechsel der Bündnispartner; diese Sichtweise ist in den älteren Anteilen von Ez 23,llff',66 noch deutlich zu sehen. In Hos 1,2b dagegen spielt nur noch die jüngere Redeweise "Abfall von Jahwe als Hurerei" eine Rolle. Zudem lassen sich weder in Ez 16 noch in Ez 23 Einflüsse von Hos 1~' her feststellen, denn den Kindern der Frauen67 kommt keine symbolische Bedeutung für den Zustand oder das Verhalten des Volkes zu, wie das bei Jesreel und Lo-Ruchama der Fall ist. Die Rede von der C':I1:1T nWK in Hos 1,2b dient also dazu, Gomer als eine Frau wie J erusalem in Ez 16 und Ohola und Oholiba in Ez 23 (Endversion) zu charakterisieren, die zugunsten fremder Götter J ahwe untreu wird. 68 Dieses Bild von Jahwes hurerischer Frau Israel ist in Hos 1,2b-4.6 mit einem zweiten Motiv kombiniert. Weil der Prophet die Rolle J ahwes als Ehemann der hurerischen Frau übernimmt, klingt eine Gruppe von Texten mit an, in denen die Ehe oder Ehelosigkeit eines Propheten zum Ausdruck seiner Unheilsbotschaft wird Ger 16,1-4; Ez 24). In Hos 1,2b-4.6 ist das Motiv der Prophetenehe im Vergleich zu Jer 16 und Ez 24 schon weiter65 Zum Verlauf der Diskussion im einzelnen s. W. Rudolph, KAT 13/1, 39ff; H. BalzCochois, Gomer, 60ff. Gegen die Hypothese eines kanaanäischen Initiationsritus vgl. W. Rudolph, KAT 13/1, 24f; H. Balz-Cochois, 63f. Auch Lev 19,29 bestätigt die Vorstellung eines kanaanäischen Initiationsritus unter Einschluß von Kultprostitution nicht. Gerstenberger hat anstelle dessen gezeigt, daß der Vers von Ez 16; 23 ausgeht und zu strikter Treue gegenüber J ahwes auffordert. Er hebt ausdrücklich hervor, daß über orgiastische Bräuche im kanaanäischen Kult nur Nachrichten aus nicht unproblematischen Quellen wie Herodot und Josephus vorliegen (ATD 6, 253). 66 Vgl. dazu im einzelnen, K.-F. Pohlmann, ATD 22/2, 336ff. 67 Die Kinder von Ohola und Oholiba (z.B. Ez 23,10.36ff.47) interessieren in Ez 23 nur als Opfer des Gerichts (z.B. V. 47) oder als Objekte des Götzenopfers (V.36ff; so auch die Kinder Jerusalems in Ez 16,21.36). 68 Möglicherweise sind auch Assoziationen an Zauberpraktiken beabsichtigt, denn in II Reg 9,22; Nah 3,4 steht C'l1lf mit diesem Vorwurf verbunden, vgl. o. 88, Anm. 63.

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entwickelt; denn hier wird der Prophetengattin auch noch allegorisch für das Volk die Rolle als untreue Ehepartnerin J ahwes zugeschrieben. Die Konzeption von Hos 1,2b-4.6 blickt also auf Texte wie Jer 16,1-4 und Ez 24 zurück. Ein weiteres literarisches Vorbild von Hos 1,2b-4.6 ist Jes 8,1-4. Der Text berichtet von der Geburt eines J esajasohnes mit einem Namen, der die Botschaft des Vaters J esaja auf den Punkt bringt. Das Motiv des Prophetenkindes, dessen Namen die prophetische Ansage seines Vaters wiedergibt,69 ist im Alten Testament nur in J es 8,1-4 und in Hos 1 in das Strukturschema von (Heirat), Geburt und Benennung70 gefaßt. Angesichts dieser Gemeinsamkeiten (Strukturschema und Unheilsname) ist eine literarische Abhängigkeit offensichtlich. 71 J es 8 ist die ältere Fassung, weil in J es 8,4 anders als in Hos 1 die kindliche Entwicklung des Sohnes und das Eintreffen des Gerichts schlüssig verknüpft werden und so das Motiv origineller verwendet wird. 72 Hos 1,2b-4.6 berücksichtigt also ganz unterschiedliche Theologumena aus verschiedenen Zeiten; der Verfasser kennt Texte, in denen jeweils Ehe und Kinder eines Propheten symbolische Bedeutung haben. Er setzt ferner Texte voraus, in denen das Verhalten des Volkes einer untreuen Ehefrau J ahwes entspricht. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Doppelfunktion von Hoseas Frau Gomer: sie ist gleichzeitig die Mutter seiner Kinder wie die Prophetin aus Jes 8,1-4 und eine "Frau von Buhlerei" wie beispielsweise Oholiba (Ez 23,29). Im Rückblick auf diese Texte konzipiert der zuständige Verfasser Hos 1,2b-4.6 als eine paradigmatische Darstellung von Leben und Leid eines Propheten. Aufgrund der eindeutig prophetentheologischen Prägung von Hos 1,2b-4.673 ist es unmöglich, daraus auf Ereignisse

69 Der Name Immanuel aus Jes 7,14 läßt sich nicht in dieser Weise verstehen. Der Name dient nicht zur Beschreibung der Heils-oder Unheilszeit, die auf das Volk zukommt. Für den Jesajasohn Schear-Jaschub Ges 7,3) ist keine Geburtserzählung überliefert, so daß ein Vergleich mit Hos 1,2b-4.6 nicht in Frage kommt. 70 Vgl. z.B. Gen 21,2f; 29,32-35; 30,5-8.17-20.23f; 38,3f; I Sam 1,20; 4,19-21; Jes 8,3; Hos 1,3f.6.8f; I Chr 7,23; Rt 4,13-17. 71 So auch C. Levin, Verheißung, 23M. 72 So richtig C. Levin, Verheißung, 237. Ähnlich auch J. Vermeylen, Osee, 200H. 73 So auch T. Collins, Mantle, 149.

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im Leben des historischen Propheten Hosea zurückzuschließen. 74 Die gesamte Textfolge ist vielmehr in nachexilischer Zeit verfaßt worden. Das bestätigt das in Hos 1,4 zu beobachtende Reflexionsniveau. Zudem läßt sich anhand von 1,4 das geschichtstheologische Profil von 1,2b-4.6 verdeutlichen. Zwar ähnelt Hos 1,3f der alten Zeichenhandlung Jes 8,1-4 (v.a. 8,3f), aber gegenüber diesem Jes-Text aus der assyrischen Zeit75 hat sich die theologische Reflexion in Hos 1,4 signifikant weiterentwickelt. Das wird daran deutlich, wie das Unheils geschehen gegen den Norden motiviert wird. In Hos 1,4 wird der Untergang des Nordens mit dessen Vergehen begründet, während in Jes 8,4 kein Verschulden als Grund für den Untergang Samarias und Damaskus' genannt wird. Zweitens gilt in Hos 1,4 eindeutig J ahwe als derjenige, der den Untergang herbeiführt, während J es 8,4 menschliche Feinde in dieser Rolle sieht. Auf der Stufe von J es 8,4 (ein Untergang durch menschliche Feinde und ohne ein vorangegangenes Verschulden) bewegen sich noch exilische Klagetexte in Jer, so z.B. 8,18.19a. 20-22; 13,18f. 76 Indem in Hos 1,4 Jahwe selbst den Untergang herbeiführt und dieser Untergang als Strafe für Blutschuld gilt, hat der Text also die Stufe dieser exilischen Klagen hinter sich gelassen. Sein Verfasser setzt mindestens eine Reflexionsebene nach der Art der 2.fem.sing.-Schicht inJer voraus. 77 Genauso wie diese Texte Judas Untergang als von J ahwe bewirkte Strafe für dessen Schuld beurteilen, so wird in Hos 1,4 der Untergang des N ordens dargestellt. Indem J ahwe den drohenden Untergang des Nordens vorher Hosea mitteilt, ist klar, daß J ahwe diesen Untergang steuert. Diese Vorstellung, daß Jahwe den Untergang seines schuldigen Volkes selbst gezielt herbeiführt, ist frühnachexilische Theologie. Hos 1,2b-4.6 kann auch aus diesem Grund nicht vorexilisch sein. Diese Überlegung bestätigt eine Sichtung der Stellen, wo ebenfalls der Untergang des Gottesvolkes mit seiner Blutschuld (t:J'~') begründet wird. Diese Parallelen befinden sich hauptsächlich in Ez (Ez 7,23; 9,9; 16,36; 22,2;

74 Auch der Name von Hoseas Frau, Gomer bat Diblaim, ist keine Reminiszenz an den Namen der Frau des historischen Hosea ben Beeri. Es ist nämlich auffällig, daß ein Gomer in Ez 38,6 im Heer des Gog aus Magog auftritt sowie als Sohn des Japhet (Gen lO,2f; I ehr 1,5f). Offensichtlich verwenden die Verfasser von Hos 1,2b-4.6 einen typischen Fremdvolknamen, um so Gomer als Frau ausländischer Herkunft zu charakterisieren. Dies erinnert an Ez 16,3, wo die ausländischen Vorfahren der hurerischen Frau Jerusalem hervorgehoben werden. Zur Bildung von Prophetenerzählung aufgrund des biographischen Interesses der exilisch·nachexilischen Rezipienten s. auch E.S. Gerstenberger, "Gemeindebildung", 49f. 75 Die jesajanische Herkunft von Jes 8,1-4 ist in der Forschung nahezu unbestritten, vgl. J. Vermeylen, Isale, 245ff; U. Becker, Jesaja, 94ff. Dagegen O. Kaiser, ATD 17, 174ff. 76 Vgl. dazu auch K. Schmid, Buchgestalten, 330ff. 77 Zu den 2.sing.fem ..Texten s. K. Schmid, Buchgestalten, 336ff.

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24,6.9; Mi 3,10-12;78 7,2; Nah 3,1; Hab 2,8.12.17).79 In Hos 1,4 wird also die nach 587 entwickelte Vorstellung, daß Jerusalem wegen seiner Blutschuld untergehen mußte, auf das ehemalige Nordreich angewandt. 80 Nach allem ist bereits klar, daß Hos 1,2b-4.6 aus einer judäischen Perspektive heraus verfaßt wurde. Dies läßt sich durch eine weitere Überlegung erhärten. Hos 1,4 erwähnt die ?K171r' '~', die Jahwe am Haus Jehus heimsuchen will. Man soll offensichtlich an das blutige Geschehen der Jehu-Revolution denken, als der siegreiche Usurpator Jehu ausgehend von J esreel zahlreiche Morde veranlaßt. Diesen Morden fallen nach dem Zeugnis von 11 Reg 10 völlig heterogene Gruppen zum Opfer: neben Ahabs Angehörigen (10,1-11) und Baalsverehrern aus dem ganzen Nordreich (10,18-27) auch 42 Davididen (10,12-14), die Brüder des Ahasja, den Jehuanhänger tödlich verletzt hatten (9,27). Im Gegensatz zu der positiven Einschätzung Jehus in 11 Reg 10,16.28-31 fällt Hos 1,4 ein negatives Urteil über seine Taten. Die bisherige Forschung hat sich schwer getan, diese widersprüchlichen Bewertungen von Jehus Vorgehen miteinander zu koordinieren. Da Jehu die Unterstützung dezidierter Jahweverehrer wie Jonadab ben Rekab genießt (11 Reg 10,15f), erschien kaum nachvollziehbar, daß ihn der J ahweprophet Hosea verwirft. 81 Die unterschiedlichen Stimmen zur Jehurevolution wirken weniger widersprüchlich, wenn man bedenkt, daß unter den Opfern nicht nur Baalsanhänger sind, deren Verwerflichkeit für einen J ahwepropheten und für späte Redaktoren außer Frage steht, sondern eine große Anzahl von Angehörigen der davidischen Dynastie. Es ist daher damit zu rechnen, daß Anhänger der Davididen in Hos 1,4 ihre Stimme gegen den Mord an Mitgliedern der Dynastie erheben. 82 Diese pro-davidische Perspektive zeigt neben der späten Her-

78 Zur nachexilischen Datierung der Endgestalt dieser Textfolge, die erst den Untergang des Zions (3,12) auf Blutschuld (3,10) zurückführt, s.u., 112f. 79 Gegen A. Schart, Entstehung, 118 lassen sich jedoch keine signifikanten Bezüge zu Am 3,2 aufzeigen. 80 Mit J. Jeremias, ATD 24/1, 30f, kann man annehmen, daß die Blutschuld Jesreels in Hos 1,4 zugleich paradigmatisch für das Verhalten der Nordreichkänige insgesamt steht. 81 Vgl. z.B. J. Wellhausen, Kleine Propheten, 97f; J. Jeremias, ATD 24/1, 30f; H.W. WolH, BK.AT 14/1, 19f; A.A. Macintosh, lCC, 17. 82 C. Levin, Verheißung, 239 hat erstmals diese Deutungsmäglichkeit erkannt. Aus der Sicht von Anhängern der Davididen sind die Folgen der Jehu-Revolution für ihre Dynastie einschneidend. Bleibt man bei der biblischen Darstellung (Il Reg 9-11), hat der Aderlaß Athalja das Verbrechen erleichtert, andere Thronprätendenten blutig auszuschalten (Il Reg 11). Es gibt allerdings sogar Gründe, nicht ihr, sondern allein Jehu den Tod der davidischen Prinzen zuzuschreiben, so daß sich Athaljas Regentschaft der Notlage der Dynastie verdankt, die über keine Prätendenten im passenden Alter mehr verfügte. So C. Levin, Athalja, 83ff; R.G. Kratz, Komposition, 17lf.

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kunft des Textes, daß man es mit einem Verfasser aus Juda zu tun hat, der an einer Schuldgeschichte des Nordens arbeitet. Der Verfasser von Hos 1,2b-4.6 als später judäischer Theologe, der die Texte über eine Katastrophe des Volkes wegen Blutschuld vor Augen hat,83 wollte aufdecken, daß auch das Nordreich aufgrund eines solchen Vergehens untergegangen ist. Er erinnert an die J esreeltaten J ehus und kommt so zu einem anderen Urteil als die Verfasser der dtr. Ausführungen in 11 Reg 10,10-31. 84 Die Verwendung von cm Piel in 1,6 hat ebenfalls ihren Hintergrund in der exilisch-nachexilischen Theologie. 85 Die Verbindung von ~O' Hiphil und cn1 Piel ist zwar sonst nirgends im Alten Testament belegt, aber etliche exilisch-nachexilische Texte thematisieren mit ~O' Hiphil, daß J ahwe seine Zuwendung einstellt (z.B. Jos 7,12; 23,12f; Jdc 2,21; 10,13; Ps 77,8; Thr 4,16). In der 1.com.sing. verbunden mit der Partikel "lJ und der Negation K? wie in Hos 1,6 steht ~O' Hiphil nur in Am 7,8; 8,2, also innerhalb des Visionszyklus des Am-Buches. Deswegen und weil der Visionszyklus in Am theologisch und sprachlich origineller ist als Hos 1,2b-4.6, fungieren Am 7,8; 8,2 als Vorbild für Hos 1,6. 86 Mit dem Bezug auf Am 7,8; 8,2 wird deutlich, daß dem Norden nach Hos 1,687 ein ebenso erbarmungsloses Gericht droht wie dem Volk in Nord und Süd nach Am 7,8; 8,2. 88 83 Vgl. dazu 0., 9lf. 84 S. dazu E. Würthwein, ATD 11,2, 324ff. 85 Z.B. Ex 33,19bis; Dtn 30,3; I Reg 8,50; Jes 14,1; 27,11; 49,10.13.15; 54,8.10; 55,7; 60,10; Jer 12,15; 13,14; 30,18; 31,20bis; 33,26; 42,12; 50,42; Ez 39,25; Mi 7,19; vgl. H.J. Stoebe, Art. om, Sp. 766f. Die fraglichen Hos-Stellen (vgl. 1,6-8; 2,3.6.25; 14,4) müssen ebenfalls in dieser späten Zeit verortet werden; denn nirgends muß der entsprechende Sprachgebrauch neu eingeführt werden. Dies bestätigt z.B. die Beobachtung Scharts, daß Hos 1,6 nicht erläutern muß, warum das Volk überha~pt Jahwes Erbarmen benötigt (ders., EntstehuIlg, 119). 86 Ahnlich auch J. Vermeylen, Osee, 197ff. Im Ubrigen läßt sich innerhalb von Am ein literarisches Vorbild für 7,8; 8,2 ermitteln: das Klagelied Am 5,2. Während 5,2 den Fall der Jungfrau Israel nicht auf J ahwe zurückführt, stellt der Visionszyklus klar, daß das Unglück durch Jahwes Entscheidung bedingt ist, sich nicht mehr zu erbarmen, und verwendet dafür die gleiche Formulierung: "]0' Hiphil zusammen mit ~,. Anders U. Becker, Prophet als Fürbitter, 156ff. 87 Für den zweiten ':l-Satz in 1,6 wird häufig angenommen, daß er nicht als Gerichtsankündigung gedacht sei, indem man die figura etymologica von ~r!ll mit' als "vergeben" übersetzt, so der Targum; HAL, 685; F. Stolz, Art. ~r!ll, Sp. 114; J. Wellhausen, Kleine Propheten, 10; J.W. Dyk, Verbanning, 72f; M.-T. Wacker, Figurationen, 45f. Diese Annahme scheitert daran, daß er die figura etymologica nicht erklären kann. Denn das ':l müßte als ein ein konditionales ':l übersetzt werden: "wenn ich ihnen überhaupt vergebe". Es ergäbe sich eine Aussage über Jahwes paradoxes Handeln, der die figura etymologica nicht entspricht, so auch H.S. Nyberg, Studien, 21. Deshalb muß ~r!ll im Sinne von "rauben, wegtragen" übersetzt und das 0;" als Ersatz für ein Akkusativobjekt betrachtet werden, so mit Peschitta; W. Rudolph, KAT 13/1, 38; A.A. Macintosh, ICC, 2lf; Joüon-Muraoka, §125k. Diese Lösung ist schon wegen ihrer Einfachheit vorzuziehen. Zugleich ist so deutlich, daß die figura etymologica eingeführt wird, um dieses Rauben J ahwes zu betonen. Zur Widerlegung anderer Hypothesen s. J.W. Dyk, Verbanning, 67ff. 88 So mit U. Becker, Prophet als Fürbitter, 156.

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Die knappe Prophetenerzählung Hos 1,2b-4.6 ist also auch stark geschichtstheologisch aufgeladen. Die Frage, warum das Nordreich 722 untergegangen ist, wird unter Rückgriff auf ein breites Spektrum theologischer Aussagen beantwortet. Theologumena, die ursprünglich zur Bewältigung des Unterganges Judas 587 entwickelt wurden, werden nun auf den Norden angewandt. Die Theologenkreise hinter Hos 1,2b-4.6 setzen die geschichtstheologischen Diskussionen aus DtrG fort und bauen sie aus. Sie erklären den Untergang des nördlichen Teilstaats (1,4) in der Art eines vaticinium ex eventu als erbarmungsloses Gericht Jahwes (1,6) wegen der mit dem Namen J esreel verbundenen Blutschuld. Mit dem Bericht von Hoseas Ehe und Kindern wird sichergestellt, daß der drohende Untergang des Nordreichs rechtzeitig dem Propheten Hosea angesagt war. Eindeutig tadelt Hos 1,2b-4.6 primär den Norden; allerdings soll die Schuld Judas nicht völlig ausgeblendet sein, denn Hos 1,2b mit dem Verweis auf die Hurerei des Landes impliziert die Untreue von Nord und Süd. Sowohl das Interesse an Propheten, das sich in Hos 1,2b-4.6 durch die Berücksichtigung zahlreicher Texte über Ehe und Kinder eines Propheten ausdrückt, als auch an Geschichtsätiologiel-theologie ist charakteristisch für den Deuteronomismus. Man kann deshalb Hos 1,2b-4.6 mit Nachwirkungen dtr. Theologie in Verbindung sehen. Wie bereits vermerkt, können Hos 1,2b-4.6 keine Nachrichten über das Leben des Propheten Hosea entnommen werden. Alle Hoseas Person betreffenden Aussagen sind zustandegekommen, indem Motive und Texte über das Leben von Propheten aus anderen Büchern aufgegriffen und kombiniert wurden. Vermutlich waren dem Verfasser von Hos 1,2b-4.6 lediglich Name und prophetisches Wirken eines Hosea ben Beeri bekannt. Diese Gestalt will er einem Jesaja, Jeremia und Ezechiel gleichrangig beiordnen. Um das zu erreichen, wird dargelegt, daß die Hoseagestalt das gleiche wie diese erlebt hat. Wie Jesaja hat Hosea nach Hos 1,2b-4.6 Kinder mit Unheilsnamen, und wie bei Jeremia und Ezechiel hat seine Ehe eine besondere Bedeutung. Im Grundbestand von Hos 1 ist zwar von 1,2b her implizit schon berücksichtigt, daß sich nicht allein der Norden, sondern auch der Süden gegenüber J ahwe untreu verhalten hat; allerding soll besonders der Norden in den Blick gerückt werden. Durch den Zusatz 1,8f wird nun wiederum deutlicher der Süden mit berücksichtigt. Die direkte Anrede in der 2.masc.plur bezieht die Leser, die in dieser späten Zeit Judäer sein müssen, unmittelbar ein. Für eine Aussage über das ganze Gottesvolk in Nord und Süd spricht weiterhin in 1,9 die Rede von '~)J89 sowie die Anspielung auf die 89 So U. Becker, Prophet als Fürbitter, 156 für Am 7,8; 8,2.

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Bundestheologie 90 und auf Ex 3,14. 91 Diese Diktion kann ohne explizite Hinweise nicht auf einen Teilbereich des J ahwevolkes, wie z.B. das ehemalige Nordreich, gemünzt sein. Hos 1,9 bildet, wie bereits gesehen,92 die Vorlage für Hos 2,4a. Das Anliegen von 2,4-25, das Geschick des Gesamtvolkes zu diskutieren, ist auch schon in 1,9 deutlich erkennbar. Wie der spätere Abschnitt 2,4-25 setzt sich ebenso 1,9 mit der Frühgeschichte Israels auseinander: in 9b klingt deutlich Ex 3,14 an. Deshalb entstand auch dieser Vers im Rahmen der "Abfall-Umkehr"-Texte, dürfte etwas älter sein als deren Programmtext 2,4-25.

5.3.2 DieJesreel-Texte (Hos 1,5; 2,2; 2,23f) Während sich 2,1-3 und 2,4-25 mit dem Geschick von Nord und Süd gemeinsam beschäftigen, gilt in c. 3 alles Interesse Samaria. Hos 1 wiederum beschuldigt zwar schwerpunktmäßig den Norden, sieht aber auch Untreue gegen Jahwe im ganzen Land, also in Nord und Süd (1,2b). So bleibt zu klären, welches Aussageanliegen die Texte, die sich schon durch den Begriff "Jesreel" eindeutig auf den Norden beziehen (1,5; 2,2b; 2,24), in ihrem Kontext verfolgen. Zu 2,2b: 93 Hos 1,5 verbindet den Namen "Jesreel" mit einem Jahwegericht, 2,2b mit einer eschatologischen Heilswende. Beide Texte haben Nachtragscharakter. 94 Der "-Satz mit der Nennung des J esreeltages in Hos 90 1,9 insgesamt und zwar mit dem Namen von Hoseas jüngstem Sohn sowie mit der Aussage 1,9ba spielt auf die Israelhälfte der Bundesformel an und setzt sie so voraus. Es ist deutlich, daß die Theologie hinter der Bundesformel und die Formel selbst an den Beginn der nachexilischen Zeit gehören, so R. Rendtorff, Die "Bundesformel", 64ff; C. Levin, Verheißung, 129ff; E. Aurelius, Ursprung, 4ff. Auch R. Rendtorff, Die "Bundesformel" , 58, Anm. 19 weist auf Parallelen zwischen Hos 1,9 und späten prophetischen Texten hin und nennt die Stelle die einzige mögliche Ausnahme unter den ansonsten dtr. oder späteren Bundesformeln bei den Propheten, R. Rendtorff, Die "Bundesformel", 71ff. Als Ausnahme leuchtet Hos 1,9 nicht ein, weil der Text weder markant von den jüngeren Parallelen abweicht noch eine neue Konzeption erkennbar einführt. Ob 1,9 auch die J ahwehälfte der Bundesformel negiert, ist in der Forschung umstritten, da dies ohne Konjektur nicht aus dem Text hervorgeht, vgl. App. BHS; pro Konjektur z.B. J. Wellhausen, Kleine Propheten, 99; C. Levin, Verheißung, 238. Dagegen verzichten J. Jeremias, ATD 24/1, 25ff; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 6ff; W. Rudolph, KAT 13/1, 37ff; A.A. Macintosh, ICC, 26ff; R. Skoralick, Gottes Güte, 155 zu Recht auf diese Konjektur. 91 So auch H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 6ff;J. Jeremias, ATD 24/1, 25ff; A.A. Macintosh, ICC, 26ff; R. Skoralick, Gottes Güte, 155. Auch Ex 3,14 ist jüngere Geschichtstheologie (z.B. C. Levin, Der Jahwist, 326ff; O. Kaiser, Grundriß Bd. 1, 72ff; E. Zenger, Bücher der Tora, 113). 92 S.o., 79ff. 93 Vgl. bereits 0., 78 zu 2,2. 94 Zum Zusatzcharakter von 1,5 s.o., 86.

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2,2b setzt 1,5 voraus. Ohne 1,5 wäre er unverständlich, denn erst von 1,5 her ist klar, daß der Jesreeltag ein Eingreifen Jahwes in die Geschichte bedeutet. 2,2b ist innerhalb von 2,2 nachgetragen, denn er klappt gegenüber 2,2a nach und bringt zusätzlich die heilvolle Umdeutung des ersten Kindernamens J esreel, obwohl anders als in 2,1 in 2,2a Unheilsnamen der Hoseakinder keine Rolle spielen. Gegenüber 2,2a bewirkt 2,2b eine deutliche Eschatologisierung, indem die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der beiden Teilbereiche auf einen Tag verschoben wird, der an den Terminus ;'11;'1' C11' erinnert. 95 Auf diese Weise rückt die Hoffnung auf Wiedervereinigung, die für 2,2a durchaus in der Geschichte realisierbar schien, zeitlich in weite Ferne. Der für 2b zuständige Verfasser knüpft offensichtlich an "jenen Tag" in 2,23 und die folgenden Aussagen an, die in 24b und 25aa den Jesreelnamen als Aussage über Jahwes Heilshandeln am Gesamtvolk auslegen (V.25a: "Ich, Jahwe, säe es ... ").96 Von daher gab es für den Verfasser auch kein Problem, diesen Namen einer Nordregion in einem Kontext nachzutragen, der sich mit dem J ahwevolk als ganzem befaßt. Zu 1,5: Yee behauptet, daß Hos 1,5 Teil einer heilvollen Uminterpretation von Hos 1 durch den exilischen Redaktor R2 (1,5; 1,7; 2,1) bilde. 97 Diese Sicht überzeugt nicht. Hier geht es vielmehr um Jahwes Gericht gegen den Norden. Zwar kennt das Alte Testament die Vorstellung, daß Jahwe durch das Zerbrechen von Waffen dauerhaften Frieden schafft (Ps 46,10; 76,4; Hos 2,20). Auf der anderen Seite kann es Verwirrung und Niederlage für Menschen bedeuten, wenn J ahwe ihren Bogen zerbricht er 49,35; Ps 37,15).98 In Hos 1,5 spricht alles für eine Deutung in Richtung Gericht. Wenn Jahwe für den Frieden Waffen zerstört, zerbricht er nicht einen Bogen, sondern Waffen aller Art (z.B. Hos 2,20: ;'1~n'?~1 J1m rlWp1); niemals wird der Bogen einer konkreten Größe zerbrochen, sondern jeder Bogen. Der Gebrauch von 1JW im Qal ist für Texte charakteristisch, in denen das Zerbrechen des Bogens Unheil bedeutet, vgl. sonst nur Jer 49,35. 99 Von den Parallelen Jer 49,35ff und Ps 37,15 her muß man an ein Gericht gegen Gottlose (C1'IiW1) oder wie gegen ein Fremdvolk denken. Im jetzigen Kontext, der klar den Norden verurteilt (1,4), läuft 1,5 darauf

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95 Vgl. zu diesem in Büchern des Zwälfprophetenbuchs häufigen eschatologischen Terminus z.B. Joell,15; 2,1; Am 5,18; üb 15; Zeph 1,7.14. 96 Eine vergleichbare Aussage liegt Jer 31,27 vor: "Siehe Tage kommen - Spruch Jahwes, da säe ich das Haus Israel und das Haus Juda, Samen von Menschen und Samen von Vieh." 97 G.A. Yee, Composition, 64ff. 98 In Jer 49,35ff mündet das Zerbrechen des Bogens in Elams Untergang (V.37) oder zumindest seine Zerstreuung (V.36). 99 Der einzige Heilstext mit "1JW Qal, Hos 2,20, ist als jüngere, gezielte Uminterpretation von 1,5 zu bestimmen.

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hinaus, daß der Norden wie ein Fremdvolk gerichtet werden soll. Der Verfasser stuft also den Norden als Fremdvolk ein, das jeden Anspruch verloren hat, Teil des J ahwevolkes zu sein. In der gleichen Weise geht Hos 5,8 vor. lOO Hier stößt man also auf Spuren einer weiteren Gruppe von Zusätzen in Hos 1-3 und Hos 4-14, die Begriffe und Traditionen aus dem Bereich der Fremdvölkerworte gegen den Norden aufbieten und ihm so den Status als Jahwevolk absprechen. Der Zusatz Hos 1,5 verstärkt zugleich die Aussagetendenz der ihm vorgegebenen V.4 und 6, Jahwes Abkehr vom Norden. lOl Zu "Jesreel" in 2,23f: Die beiden Verse bilden einen Teil der Anhäufung von Zusätzen (2,18-25) innerhalb des konglomerathaft gewachsenen "Abfall-Umkehr"-Textes Hos 2,4-25. Hos 2,23f greift das Stichwort ;"'T~I1 auf, das in 2,17b die Antwort der Frau aufJahwes Werben bezeichnet hatte, und kehrt es um zu einem Wirken Jahwes für neue Fruchtbarkeit im Lande. lo2 J ahwe "antwortet" in 2,23f dem Himmel, der "antwortet" der Erde, und die Erde "antwortet" Getreide, Most und Öl. Diese "antworten" ihrerseits Jesreel. Da der Ortsname Jesreel auf den Norden weist, steht Jesreel für die dortigen Bewohner. 2,23f beabsichtigen eine Klarstellung von 2,16.17b.25. lo3 Diese Verse beinhalten, daß die Frau, die umkehrt, Nord und Süd gemeinsam verkörpert, aber dies wird nicht explizit gesagt. 2,23f machen ausdrücklich klar, daß das neue Heil auch dem Norden neue Fruchtbarkeit bringt. Diese Sympathie für den Norden artikuliert sich ähnlich in dem relativ jungen Abschnitt über Ephraim in Hos 11,1-4'~.8a.l04 Die Redaktoren, die den Norden dezidiert ins Heil Jahwes einbeziehen wollen, bringen demnach die entsprechenden Texte gleichermaßen in beide Buchteile Hos 1-3 und Hos 4-14 ein.

100 S.u.,7.3.5. 101 Die diversen Zusätzen dieser Art erweisen sich als »junge Samariapolemik"; vgl. dazu Einzelheiten u., 10.6. 102 So mit J. Jeremias, ATD 24/1, 5lf; e. Levin, Verheißung, 24lf. Die Zusammenstellung ,,,~,(,,), rv,,'n(,,), ll'~') begegnet sehr oft in dtr. Texten und Texten, die sich am dtr. Sprach. gebrauch orientieren: z.B. Dtn 7,13; 11,14; 12,17; 14,23; 18,4; 28,51, außerdem Neh 13,5.12; II ehr 32,28. II ehr 31,5 hat zusätzlich rv~,. Von daher dürfte Hos 2,23f die dtr. Theologie der Landgabe mit der Vorstellung kombinieren, daß die F rau positiv auf J ahwes Überreden reagiert. Anspielungen auf einen hieros gamos liegen hier fern. 103 Zu diesem Grundbestand von Hos 2,16ff vgl. e. Levin, Verheißung, 24lf. Zu Hos 2,4-25 als Text über das ganze Jahwevolk s.o., 5.2.2. 104 S.u., 7.3.6 und 10.6.

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5.4 Fazit

Die bisherigen Beobachtungen und Erwägungen lassen folgende Rückschlüsse auf die zeitliche Abfassung der unterschiedlichen Texte in Hos 1-3 zu. Für Hos 1 konnte als Grundschicht 1,2b-4.6 ermittelt werden. Dieser Grundbestand von Hos 1 ist der Ursprungstext von Hos 1-3. Der Verfasser von Hos 1,2b-4.6 betreibt unter dem Einfluß von DtrG Geschichtstheologie und greift dabei besonders auf Jes- und Ez-Texte sowie auf Am zurück. 105 Man kann also Hos 1,2b-4.6 in der fortgeschrittenen, nachexilischen Zeit ansetzen. Diese Textfolge wurde dann zuerst durch eine in 2,4-25 erkennbare Konglomeratschicht, die "Abfall-Umkehr"-Texte, erweitert,I06 in deren Rahmen auch Hos 1,8f entstand. Gegen Hos 1,2b-4.6 mit der Behauptung, daß der Schwerpunkt der Schuld im Norden zu suchen ist, sollen die "Abfall-Umkehr"-Texte klarstellen, daß Nord und Süd gemeinsam im Kulturland von Jahwe abgefallen sind. lo7 Die Frage, welche Zukunftsperspektive sie nach ihrem Abfall haben, wird im Rahmen der "Abfall-Umkehr"-Texte kontrovers diskutiert. In 2,12-15 sowie in 1,8f wird fest gehalten, daß Jahwe wegen dieser Verfehlung die Beziehung zu seinem Volk beenden werde. Diese Verwerfung wird aber alsbald wieder relativiert mit dem Hinweis, daß Nord und Süd in einer Notlage ihre Schuld einsähen und zu Jahwe zurückkehrten (2,8f.16f), ja daß Jahwe selbst dem Volk die Fähigkeit zur Umkehr schenke (z.B. 2,19-22). Gegen diese Sicht der Dinge in 2,4-25 wendet sich 3,1-4; hier werden die Heilshoffnungen für den Norden negiert. Das wird daran deutlich, daß der Abschnitt gezielt als Wiederholung von Hos 1,2b-4.6 konzipiert ist (s. das 'U7 in 3,1). Das heißt: So wie in Hos 1 die erste Ehe des Propheten mit einer Frau, die den Norden repräsentiert, scheitert, so hat auch der zweite Versuch nach Hos 3,3f keinen Erfolg. Der Norden gilt zumindest vorläufig als hoffnungsloser Fall. Da Hos 3,1-4 erst in nachchr. Zeit verfaßt wurde/os dürfte diese Polemik zur Zeit des sog. Samaritanischen Schismas auf den Norden, d.h. die sich verselbständigende Gemeinde der Samaritaner, zielen. 109

105 106 107 108 109 werden

Zu Einzelheiten s.o., 88ff. Zu den "Abfall-Umkehr"-Texten in Hos 4-14 S.u., 7.3.4 und 7.4.5.3. Vgl. o. besonders 82ff. Vgl. zu Einzelheiten 0., 5.1.2. Texte mit dieser Tendenz sind auch in Hos 4-14 nachweisbar, s.u., 7.2.3f und 9.2.2. Sie als "jüngste Samariapolemik" bezeichnet.

Fazit

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Zuletzt wird Hos 3,5 eingearbeitet. In diesem Vers wird nach 3,1-4 klargestellt, daß Samaria zur Umkehr zu Jahwe fähig ist, selbst wenn es erst am Ende der Zeiten dazu kommt. 110 Mit dem Nachweis der späten Entstehung von Hos 1,2b-4.6 und der weiteren Textentwicklungen 1l1 wird die in der bisherigen Forschung gängige These einer in Hos 1-3 enthaltenen ursprünglich eigenständigen Hoseaüberlieferung hinfällig. Dem Verfasser dieser Textfolge standen nirgends historische Informationen über einen Propheten Hosea in dem ihm vorliegenden älteren Buchteil zur Verfügung. Er konzipiert die Textfolge (1,2b-4.6) in prophetenbuchkonzeptioneller Absicht und zwar, um sie ihm bereits vorliegenden anonymen prophetischen Redeeinheiten als eine Prophetenlegende vorzuschalten (Name und Lebensumstände des Propheten).112 Diese älteren, anonymen prophetischen Redeeinheiten dürften im Bereich von Hos 4-14 noch erhalten sein. Zu klären bleibt, ob dem Verfasser von 1,2b-4.6 der in 1,1 und 1,2a eingeführte Hoseaname schon vorgegeben war. Es ist zu bedenken, daß der jetzige Beginn von 1,2b-4.6 im Narrativ als Einleitung für ein Prophetenbuch unüblich ist. Deshalb ist zu erwarten, daß dem Verfasser von 1,2b-4.6 eine der Überschriften (1,1 oder 1,2a) vorlag oder daß er selbst eine von ihnen verfaßt hat. Falls sich herausstellen sollte, daß 1,1 oder 1,2a erst aus der Hand des Verfassers von 1,2b-4.6 stammen und nicht älter sind, muß man daraus schließen, daß alle Teile des Hos-Buches, die dem Verfasser von 1,2b-4.6 vorgegeben waren, bis zur Abfassung dieses Textes anonym tradiert wurden.

110 Zu vergleichbaren Zusätzen in Hos 4-14 S.u., 10.6. 111 Zu den sog. Jesreeltexten 1,5; 2,2; 2,23f vgl. 0., 5.3.2. 112 Vgl. zu weiteren Einzelheiten u., 6.4.

6. Die älteste Einleitung des Hos-Buches In diesem Kapitel geht es zum einen um die Frage, zu welcher Zeit und durch welche Trägerkreise eine erste Gestaltung zum Prophetenbuch erfolgte. Für eine solche Erstgestalt ist eine Überschrift bzw. Einleitung essentiell, die das Folgende als prophetisches Wort identifizierbar macht. Lassen sich Alter und theologischer Hintergrund dieser ältesten Prophetenbucheinleitung bestimmen, so ergeben sich daraus Anhaltspunkte für Rückschlüsse auf möglicherweise vorgegebene Textfolgen und weiter, unter welchen Umständen eine Stilisierung von Hos als Prophetenbuch erfolgte. Auf der Suche nach der ältesten Prophetenbuchüberschrift in Hos sind 1,1 und 1,2a sowie die beiden Höraufrufe 5,lf und 4,1-3 zu berücksichtigen, weil diese Texte das jeweils Folgende als prophetisches Wort ausweisen können. Sowohl 1,1 als auch 1,2a markieren das Folgende eindeutig als Prophetenbuch, weil sie den Namen einer Person nennen, an die das Wort J ahwes ergeht. Daraufhin ist diese Person als Prophet gekennzeichnet. Hos 1,1 entspricht außerdem einer für das Dodekapropheton geläufigen Überschriftform (vgl. Joel 1,1; Mi 1,la; Zeph 1,1). Hos 4,1-3 und 5,lf machen durch die Verwendung des Höraufrufes klar, daß im Folgenden ein Prophet spricht. Wo nämlich wie in Hos 4,la aufgefordert wird: ;'1;" 1J1 1l)~rt), folgt fast immer eine prophetische Rede, z.B. I Reg 22,19; 11 Reg 7,1; J es 1, 10; J er 2,4; 17,20; Ez 6,3. Dasselbe gilt für l'1~r 1l)~rt) in Hos 5,1 1 (s. z.B. Jes 48,1.16; 51,21; Jer 5,21; Am 8,4; Mi 3,9).2 Zum anderen geht es im Folgenden darum, zu klären, ob die Textüberlieferung von Anfang an mit dem Namen eines Propheten Hosea verbunden war oder ob es zuvor ein anonymes Überlieferungsstadium gab. Bilden 1,1 oder 1,2a die ursprüngliche Überschrift von Hos, so wurde das "Buch" von Anfang an unter Hoseas Namen überliefert. Ist dagegen 5,lf oder 4,1-3 die älteste Überschrift, wurde das "Buch" zunächst als anonyme Prophetenrede tradiert.

1 Vgl. noch J oel 1,2f. Dort wird nKl umw sogar als Bucheinleitung gebraucht. 2 Hos 4,1-3 und 5,lf, die die folgenden Worte als von Jahwe autorisierte Prophetenworte kennzeichnen, haben ein höheres kompositionelles Gewicht als die ansonsten in Hos 4-14 belegten imperativischen Aufrufe Hos 5,8; 8,1; 9,1. Anders als diese Aufrufe wirken Hos 4,1-3 und 5,lf über den unmittelbaren Folgekontext hinaus. Während beispielsweise Hos 8,1 einen Abschnitt einleitet, der mit dem nächsten deutlichen Einleitungssignal Hos 9,1 endet, führen 4,1-3 oder 5,lf in den gesamten Folgekontext bis Hos 14 ein. Denn bis dorthin hat alles als Wort J ahwes zu gelten.

Hos 1,1 und 1,2a

101

Zwar wurde der Fremdbericht Hos 1 in seinem Grundbestand {1,2b-4.6)3 als nachexilischer Text erkannt; dies schließt aber nicht aus, daß eine der Überschriften (1,1 oder 1,2a) für diesen Fremdbericht und darüber hinaus für Hos als ganzes älter ist und ursprünglich unmittelbar vor einem Grundbestand von Hos 4-14 stand. Eine Untersuchung dieser beiden Verse soll feststellen, ob Hos 1,1 oder 1,2a als originale Einleitung bzw. Überschrift für ein erstes Prophetenbuch Hos 4-14* in Frage kommt.

6.1 Ros 1,1 und 1,2a 1,1: Das Wort J ahwes, das erging an Hosea, den Sohn Beeris in den Tagen des U ssia, Jotharn, Ahas, Hiskia, Könige von Juda, und in den Tagen Jerobeams ben Joaschs, König von Israel. 1,2a: Anfang, daß J ahwe durch Hosea sprach: 4 1,2bcx: Und Jahwe sprach zu Hosea: 5

Da in der Forschung gelegentlich die Position vertreten wird, daß 1,2a die im Vergleich zu 1,1 ältere Prophetenbucheinleitung darstellt, 6 soll zunächst Hos 1,2a untersucht werden. Zur Frage nach Alter und Hintergrund von 1,2a: 1,2a enthält zwar alle wichtigen Informationen, die der Leser eines Prophetenbuches benötigt, nämlich den Namen des Propheten und seine Legitimation durch Jahwe. 7 3 Zu diesem Grundbestand s.o., 5.3.1. 4 ,:l, ist als Perfekt Piel vokalisiert (GK §52 0; H.S. Nyberg, Studien, 21; W.R. Harper, ICC, 206f; l. Willi-Plein, Vorformen, 116; F.l. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24,153; A.A. Macintosh, ICC, 7), und nicht als Inf.cs. GK nennt weitere Beispiele für einen st.cs. mit Perfekt Piel als nomen rectum, auch im Gebrauch als Zeitangabe (GK, § 130d, Joüon-Muraoka § 129p). Eine nominale Vokalisation von ,:l, kommt nicht in Frage, da das Nomen ,:l, nirgends mit der Präposition:l für den Vermittler der Rede belegt ist. Zwar geben die Versionen das Wort ,:l, als Nomen wieder, doch steht dahinter nicht zwingend eine abweichende hebräische Vorlage. Die Versionen könnten ebensogut MT glatter wiedergeben und an 1,1 angleichen (so auch W. Rudolph, KAT 13/1, 37). Aquila bestätigt MT. Willi-Plein undRudolph sehen ,:l, als Prädikat eines asyndetischen Relativsatzes. Allerdings stellt sich dann die Frage, wieso ;,'mn im st.cs. steht. 5 Dieser Vers wird in der Übersetzung mit aufgeführt, um den Dublettencharakter von 1,2a zu 1,2bcx zu illustrieren. 6 R.G. Kratz, Erkenntnis Gottes, 19 sieht in 1,2a die älteste Überschrift von Hos insgesamt, während H.W. WoHf, BK.AT 14/1, lf, W. Rudolph, KAT 13/1, 36 diese älteste Überschrift nur auf c. 1-3 beziehen. G.A. Yee, Composition, 56 bewertet 1,2a als Überschrift des Sammlers für seine Erzählung in c.l, die älter sei als 1,1, aber jünger als 2,4-12*. 7 So auch A. Schart, Entstehung, 33f. In üb la; Nah 1,1; Hab 1,1 bildet eine mit Hos 1,2a vergleichbare Überschrift eine ausreichende Einleitung. Diese Verse enthalten über Hos 1,2a hinaus lediglich die Stichworte 11rn und/oder KrtJ~ als Information, um klarzustellen, daß es um prophetische Rede geht. Für Sach 9,1 reicht KrtJ~ ohne jeden Zusatz als Überschrift, also auch ohne Prophetennamen.

102

Die älteste Einleitung

Aber gegen die These ,,1,2a als ältere Überschrift" ist einzuwenden, daß 1,2a vom Sprachgebrauch her gar keine Überschrift sein kann; denn das Wort ;,'?nn, das aus 1,2a nicht herausgelöst werden kann, ist lediglich eine Zeitangabe. In diesem Sinne ist ;,'?nn stets gebraucht. 8 Zudem kann 1,2a nicht gleichzeitig zum Fremdbericht Hos 1,2b-4.6 entstanden sein. Für den Nachtragscharakter von 1,2a sprechen folgende Beobachtungen: Die Zeitangabe 1,2a ist überflüssig. 9 Denn es ist anzunehmen, daß zu Beginn eines Propheten buches auch vom Beginn des Wirkens eines Propheten die Rede ist. Ferner bildet 1,2a mit 1,2ba eine Dublette. 1,2ba nennt Hosea als Adressaten J ahwes; in einer auf 1,2a abgestimmten Fortsetzung wäre für 1,2ba aber ein '~'?K 1~K~' zu erwarten. IO Da in dem Grundbestand von Hos 1 (V.1,2b-4.6) das Reden Jahwes stets mit 1~K wiedergegeben wird (VA.6), ist 1,2ba in diesen Grundbestand gut integriert, während 1,2a (1:11 Piel) sprachlich aus dem Rahmen fällt. Auch unter dem Aspekt der in 1,2a erkennbaren Prophetentheo1ogie erweist sich dieser Halbvers als sekundär im Blick auf den Grundbestand von Hos (1,2b-4.6). Für die zweierlei Formulierungen des Redens Jahwes zum Propheten, einma1:1 1:11 in 1,2a und ferner '?K 1~K in 1,2bA, sind unterschiedliche Auffassungen vom prophetischen Wirken zu veranschlagen. 1:11 Piel mit :1 betont die Rolle des Propheten als Vermittler des Jahwewortes an das Volk (vgl. z.B. Num 12,6.8; II Sam 23,2; I Reg 22,28; Hab 2,1). Das paßt nicht zu Hos 1,2b-4.6, da hier kein Wert darauf gelegt wird, daß Hosea die Botschaft an das Volk weitergibt. Vielmehr wird eine Zeichenhand1ung beschrieben, die sich als eine "familieninterne Angelegen'111 helt'''b a spIe t. Hos 1,2a setzt Reflexionen über Propheten und Prophetie voraus, die eindeutig jünger sind als 1,2b-4.6. Die engste Parallele ist I Reg 22,28

8 So auch A.A. Macintosh, ICC, 9f. 9 So auch A.A. Macintosh, ICC, 9f. Dies spricht auch gegen Überlegungen, 1,2a stelle klar, daß die Heirat Hoseas und der Beginn seiner Prophetentätigkeit zusammenfielen oder daß er nun als Prophet eingesetzt werde, wie sie z.B. W.R. Harper, ICC, 207; F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 153 vertreten. 10 Daß die Abfolge 1,1-2ba überfüllt (so G.A. Yee, Composition, 56) oder gar "awkward" (W.R. Harper, ICC, 207) sei, wird in der Forschung seit dem 19. Jh. erkannt. Vor allem die Forschung des 19. und frühen 20. Jh. hat durch Textausscheidungen versucht, einen glatteren Text zu gewinnen (W.R. Harper, ICC, 206; F.E. Hitzig, KEH, 6f). Andersen und Freedman suchen zwar Argumente gegen eine Dublette zwischen 1,2a und 2ba, aber sie finden nur ein einziges Beispiel für eine solche Häufung von Namen in Prosa, Gen 21,1(AncB 24, 155f). Die Einheitlichkeit von Gen 21,1 ist aber ihrerseits zweifelhaft G. Wellhausen, Composition, 18). 11 Auch F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 154 machen auf diese Unstimmigkeit aufmerksam, ohne jedoch literarkritische Schlüsse zu ziehen.

Hos 1,1 und 1,2a

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('::1 i11i1' 1::1' ~?).12 Die Geschichte von Micha ben Jimla (I Reg 22,5-28) wird seit den 80er Jahren in die nachexilische Zeit datiert 13 und gilt damit zu Recht als prophetentheologisch später Text. 14 Hintergrund für die Konzipierung von 1,2a als Nachtrag war die Absicht, sicherzustellen, daß die beiden Ehegeschichten Hoseas als Abfolge von zwei Vorgängen gelesen wurden. Denn indem durch den Zusatz 1,2a die Ehe aus Hos 1 als Anfang von Hoseas Wirken deklariert wird, geht der Leser für 3,1-4 von einer zweiten, späteren Ehegeschichte aus. Auf 1,2a abgestimmt ist das '111 in 3,1, das sich auf Hos 1 zurückbezieht und damit nochmals hervorhebt, daß in 3,1-4 von einer weiteren Ehe die Rede ist. 15 Daß sich das zeitliche Nacheinander der Ehegeschichten in den beiden Kapiteln aufgrund von Hos 1,2a und 3,1 ergibt, deutet darauf hin, daß 1,2a und 3,1-4 aus ein und derselben Hand stammen. 16 Die Frau aus Hos 3,1-4 repräsentiert den Nordent das gilt auch für Gomer in Hos 1 (vgl. 1,4.6). Liest man Hos 1 einschließlich 1,2a und 3,1-4 nacheinander, so soll diese Abfolge der Symbolhandlungen des Propheten dem Leser die wiederholten und vergeblichen Bemühungen J ahwes um den Norden belegen. Am Ende kommt heraus, daß Samaria isoliert dasteht (3,4).18 So gelesen enthalten Hos 1 und 3,1-4 zusammen eine scharfe Polemik gegen den Norden. Vergleichbare Aussagen finden sich auch im Bereich von Hos 4-14 (z.B. 7,1 in der Endgestalt; 7,13-16; 1l,3b). Das durch den Zusatz 1,2a erweiterte c. 1 kann zusammen mit Hos 3,1-4 gleichsam als Programmtext für diese im Bereich von Hos 4-14 sehr späte Gruppe von Zusätzen aufgefaßt werden. 19 Da sich 1,2a als Nachtrag erwiesen hat und somit als originale Einleitung zu 1,2b-4.6 ausfällt, und da diese Textfolge zu Beginn eines Propheten12 An allen übrigen Stellen außer Hos 1,2a und I Reg 22,28, wo von einem:1 1:11 J ahwes zu dem Propheten die Rede ist (z.B. Num 12,6.8; II Sam 23,2; Hab 2,1), erfolgt Jahwes Reden im Rahmen einer Vision, eines Traums oder durch die m1. 13 Z.B. E. Würthwein, ATD 11/2, 253ff; R.G. Kratz, Komposition, 190ff. 14 Für diese Einschätzung spricht u.a. die Stilisierung des Micha als abgelehnter Unheilsprophet, vgl. I Reg 22,24ff. 15 Die zahlreichen Versuche der Forschung, eine zeitliche Abfolge von Hoseas Ehe, Scheidung und Wiederverheiratung zu rekonstruieren, belegen, daß diese Redaktion erfolgreich war; s. dazu z.B. J. Wellhausen, Israelitische und jüdische Geschichte, 114ff; M.-T. Wacker, Figurationen, 106ff; W. Rudolph, KAT 13/1, 86ff; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, XIIf. 16 So auch M.-T. Wacker, Figurationen, 240f. 17 S.0.,5.1.2. 18 Gomer gilt für den Verfasser von 1,2a; 3,1-4 als im Gericht untergegangen, so daß eine neue Frau für 3,1-4 das ehemalige Nordreich vertreten muß. 3,1 mit seiner genauen Beschreibung des Verhaltens der ehebrüchigen Frau fungiert zugleich als sekundäre Erklärung für die schwer verständliche 0'l1ll ntliK aus 1,2b. 19 Diese Textgruppe wird im Folgenden als "jüngste Samariapolemik" bezeichnet. S. auch U., 7.2.3.

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Die älteste Einleitung

buches nicht mit einem Narrativ (1~~" in 1,2b) einsetzen kann,z° bleibt zu prüfen, ob 1,1 der ursprüngliche Einsatz gewesen sein kann. Zur Frage nach Alter und theologischem Hintergrund von 1,1: In der Forschung herrscht Konsens über eine deutlich nachhoseanische Entstehung dieser Buchüberschrift. 21 Gegen Datierungsvorschläge, nach denen Hos 1,1 trotzdem noch vorexilisch sein könnte,22 sprechen mehrere Beobachtungen: Hos 1,1 zeigt ein sehr viel höheres Reflexionsniveau als Bucheinleitungen, deren vorexilische Herkunft in der Forschung berechtigterweise erwogen wird. Solche Einleitungen lauten beispielsweise "Worte des Amos aus Tekoa, die er über Israel schaute zwei Jahre vor dem Erdbeben" (Am 1,1 oder "Schauung J esajas, des Sohnes des Amoz, die er über Juda und Jerusalem schaute in den Tagen der Könige von Juda, Ussia, Jotam, Ahas und Hiskia" Ges 1,1).24 Während diese Überschriften Jahwe gar nicht erwähnen, stellt Hos 1,1 von vornherein klar, daß Jahwe die folgenden Worte autorisiert ("Wort Jahwes, das geschah zu Hosea ... "). Dies ist auf eine Weiterentwicklung in der Prophetentheologie zurückzuführen. Denn darin wird offensichtlich der in exilischer Zeit massiv einsetzenden Prophetenkritik (z.B. Jer 14,13-16; Ez 13,3-16; Mi 2,6f; 3,5) Rechnung getragen. 25 Gegen Texte wie Jer 28,15; 29,9.31 soll durch diese neue Form der Propheten buch überschrift festgelegt werden, daß hier ein Prophet auf Befehl J ahwes redet, nicht aus eigenem Antrieb. 26 Der literarische Befund in Jer 1,1-3 bestätigt diese Überlegungen. In Jer 1,1-3 wird zu einer älteren Buchüberschrift Jer 1,la (';-'1'~1' '1::l1), die nur den Namen des Propheten

*Y3

20 Ein Prophetenbuch oder eine Wortsammlung mit einem Narrativ wie 1,2ba als Einleitung ist analogielos. Zwar beginnt inJon 1,1 ein Prophetenbuch im Narrativ, doch handelt es sich um die Wortereignisformel, wie sie aus Jer und Ez bereits bekannt ist und dort des öfteren als Redenüberschrift dient, In Mi 3,1 leitet nach der Endgestalt des Kapitels ein isoliertes ,t:l~, die folgende Rede ein, der Vers stand aber wohl nie am Buchanfang und gilt meist als redaktionell, so H,W. Wolff, BK.AT, 14/4,64. Jeremias, ATD 24/1, 24ff undJ. Vermeylen, Osee, 196 nehmen trotzdem an, daß ein älterer Bestand von Hos mit 1,2ba, also im Narrativ, begonnen habe und übergehen die Problematik eines solchen Buchanfangs, 21 Vgl. die Kommentare z,St, 22 So insbesondere W, Rudolph, KAT 13/1, 35f; F,1. Andersen/D,N, Freedman, AncB 24, 147, Auch der Vorschlag von H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 1ff und 1. Willi-Plein, Vorformen, 115, Hos 1,1 sei exilisch, liegt zeitlich zu früh. Jeremias muß seine ursprüngliche Hypothese eines alten Kerns in Hos 1,1 (ATD 24/1, 24) angesichts der Sachlage aufgeben und den Vers ingesamt spätdatieren (Hoseabuch, 592), 23 Zu diesem Grundbestand und seiner vorexilischen Herkunft vgl. J. Jeremias, A TD 24/2, Hf, So auch A. Schart, Entstehung, SOff. 24 U. Becker, Jesaja, 169 nimmt an, daß eine ältere Überschrift in dem nachexilischen Vers Jes 1,1 aufgegangen ist. DagegenJ. Vermeylen, Isa'ie, 39ff, der Jes 1,1 als exilisch und dtr. einstuft, 25 S,u" 7.1.3 und 7.4.1. . 26 So auch W. Thiel, Jeremia 1-25, 51.

Hos 1,1 und 1,2a

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erwähnt, frühestens in exilischer Zeit Jer 1,2 mit der Autorisation durch Jahwe ergänzt. 27 Der Gebrauch der Wortereignisformel in Hos 1,1 deutet zudem daraufhin, daß hier dtr. Einflüsse wirksam wurden. 28 Die Verteilung der Wortereignisformel im Alten Testament zeigt nämlich, daß sie im Bereich von Jer, Ez und vielleicht auch Sach 29 entwickelt und von dtr. und jüngeren Redaktorengruppen im übrigen Alten Testament verbreitet wurde. 30 Charakteristisch für Hos 1,1 ist, daß das entscheidende Geschehen, das Ergehen des Wortes J ahwes, durch einen Relativsatz wiedergegeben wird. Dies ist eine späte Fassung der Wortereignisformel, weil sich Vergleichbares nur in den Überschriften der von Mowinckel so genannten C-Reden in J er3! findet Ger 7,1; 11,1; 18,1; 21,1; 30,1; 32,1; 34,1.8; 35,1; 40,1). Diese Nähe zu diesen C-Reden bestätigt, daß sich in Hos 1,1 dtr. Einflüsse auswirken und der Vers jung ist. Vergleicht man Hos 1,1 mit Prophetenbuchüberschriften, in denen die Wortereignisformel in einer anderen Fassung eingesetzt wird Gon 1,1; Hag 1,1; Sach 1,1), so ist evident, daß Hos 1,1 jünger sein muß. In Jon 1,1; Hag 1,1 und Sach 1,1 wird die Wortereignisformel in einer Fassung verwendet, wie sie sonst im Buchinneren zur Einleitung neuer Abschnitte steht (vgl. z.B. Jer 27,1; 29,30; 33,19.23; 36,1; Ez 26,1). In Hos 1,1 dagegen wird eine Gestalt der Wortereignisformel gebraucht, die eigens zur Einleitung eines Prophetenbuches entwickelt wurde (vgl. auchJoel1,1; Mi 1,la; Zeph 1,1).32 Diese spezielle Variante der Wortereignisformel zur Bucheinleitung stellt gegenüber Jon 1,1; Hag 1,1 und Sach 1,1 eine Weiterentwicklung dar.

27 So auch W. Thiel, Jeremia 1-25, 51. 28 So auch H.W. Wolff, BK. AT 14/1, lff; G.A. Yee, Composition, 5M; T. Collins, Mantle, 62; A. Schart, Entstehung, 44ff. 29 Z.B.Jer 1,4.11.13; 16,1; 26,1; 27,1; Ez 1,3; 6,1; 12,1.8.17.21.26; 20,lf; 23,1; 24,1; Sach 1,1.7; 4,8; 7,1.4.8. 30 Im Pentateuch wird die Wortereignisformel allein für Abraham benutzt (Gen 15,1), im DtrG erscheint sie nur für Samuel (I Sam 15,10), Natan (II Sam 7,4), Gad (II Sam 24,11), Salomo (I Reg 6,11), einen ungenannten Propheten (I Reg 13,20), Jehu ben Hanani (I Reg 16,1), Elia (I Reg 17,2.8.; 18,1; 21,17.28) und Jesaja (II Reg 20,4), nicht aber in den Elisasagen. Sie wird also nur im Zusammenhang mit Gestalten gebraucht, die für die Deuteronomisten eine besondere Würde haben, und fehlt im alten Sagenmaterial. Zu einer Untersuchung der Reg-Stellen und ihrer Bewertung als dtr. oder jünger vgl. E. Würthwein, ATD 11/1 und ATD 11/2 z.St. In Jes beschränkt sich der Gebrauch der Wortereignisformel ganz auf die Jesajalegenden Ges 38,4 vgl. auch Ir Reg 20,4). Zu deren größtenteils später Entstehung vgl. O. Kaiser, ATD 18, 29lf; E. Würthwein, ATD 11/2, 413ff; U. Becker, Jesaja, 220ff. 31 Zum Begriff vgl. S. Mowinckel, Composition, 3lf. 32 Zum Verhältnis von Hos 1,1 zu Mi l,la; Zeph 1,1 S.u., 10M.

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Die älteste Einleitung

Hos 1,1 steht daher nicht am Anfang, sondern am Ende eines Prozesses, in dem die Wortereignisformel von der internen Buchgliederung (vgl. so in Jer; Ez; Sach) zur Buchüberschrift fortentwickelt wurde. Da 1,1 sich als dtr. beeinflußt erwiesen hat (vgl. insbesondere die Nähe zu den sog. C-Reden in J er) und sich für Hos 1,2b-4.6 ergeben hat, daß hier das geschichtstheologische Anliegen aus DtrG weitergedacht ist, dürften 1,1 und 1,2b-4.6 von derselben dtr. Hand verfaßt worden sein. Dafür spricht auch, daß sich Hos 1,1 am Am-Buch orientiert, wie das bereits für Hos 1,6 zu beobachten war (vgl. Am 7,7f; 8,1f). Hos 1,1 ahmt mit der Erwähnung des Nordreichkönigs Jerobeam Am 1,1 nach. Es handelt sich um die einzige Nennung eines Nordreichkönigs in den Prophetenbuchüberschriften überhaupt. Allein das Am-Buch ist darauf abgestimmt; immerhin wird ein J erobeam in Am 7,7f.ll wieder erwähnt. 33 Über Am 1,1 hinaus werden in Hos 1,1 weitere Prophetenbuchüberschriften berücksichtigt. Bezüglich der judäischen Könige in Hos 1,1 hat bereits Hitzig gezeigt, daß diese Könige aus J es 1,1 übernommen sind. 34 Ihm ist zuzustimmen. Indem neben dem Nordreichkönig aus Am 1,1 die Südreichkönige ausJes 1,1 benannt sind, wird der Synchronismus in Hos 1,1 in sich völlig unstimmig und als Information über die Zeitspanne eines Prophetenwirkens unsinnig. 35 Denn aufgrund der Erwähnung der judäischen Könige bis hin zu Hiskia müßte man aus 1,1 eine viel zu lange, nämlich sechzig bis neunzig Jahre dauernde, Wirksamkeit für den Propheten Hosea annehmen. Eine solche Unstimmigkeit kann nur durch die wortgetreue Übernahme literarischer Vorbilder erklärt werden. Dieses Verfahren ist auch der Grund dafür, daß in Hos 1,1 nicht alle Nordreichkönige genannt sind, die in der Zeit zwischen Ussia und Hiskia von Juda regiert haben. Hinter Hos 1,1 steht die Absicht, einen Propheten Hosea als Zeitgenossen von Amos und Jesaja zu präsentieren. Das Anliegen von Hos 1,1.2b-4.6 läßt sich insgesamt noch klarer bestimmen, wenn man berücksichtigt, daß Mi 1,la36 und Zeph 1,1 neben Am 1,1 undJes 1,1 das dritte literarische Vorbild für Hos 1,1 darstellen. Hos 1,1 bietet die gleiche Fassung der Wortereignisformel wie Mi 1,la und Zeph

33 Ähnlich I. Willi·Plein,Vorformen, 115f, die annimmt, daß Am 1,1 zumindest insofern als Vorbild für Hos 1,1 fungiert hat, als von Am 1,1 her geschlossen wurde, daß auch Hosea zur Zeit Jerobeams II. wirkte. 34 F. Hitzig, KEH, 6, vgl. ähnliche Erwägungen bei F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 149. 35 Zu den Aporien einer historischen Auswertung von Hos 1,1 s. auch M.-T. Wacker, Figurationen, 222ff. 36 Zum Nachtragscharakter von Mi 1,1b vgl. auch K. Marti, KHC 13,265 und W. Nowack, HK 3/4, 200.

Hos 1,1 und 1,2a

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1,1. Allerdings kann Hos 1,1 entgegen der bisherigen Forschungsauffassung nicht von der gleichen Hand stammen, die auch Mi 1,la; Zeph 1,1 konzipiert hatt das ergibt sich aus den gravierenden Unterschieden, die zwischen Mi 1,la; Zeph 1,1 auf der einen Seite und Hos 1,1 auf der anderen Seite bestehen: Hos 1,1 hat einen Synchronismus von Nord- und Südreichkönigen; Mi 1,la; Zeph 1,1 erwähnen aber nur judäische Herrscher. Während also die Perspektive in Mi 1,la; Zeph 1,1 ganz auf Juda gerichtet ist, wird in Hos 1,1 die Geschichte beider Teilreiche in Nord und Süd berücksichtigt. Hos 1,1 verwendet zudem anders als Mi 1,la; Zeph 1,1 wortgetreu Textelernente aus anderen Prophetenbüchern. 38 Dies zeugt von einem sehr viel stärkeren prophetentheologischen Interesse in Hos 1,1 sowie von einer ausgeprägteren Berücksichtigung der kanonischen Geltung der bereits vorliegenden prophetischen Literatur. Somit ist festzuhalten: Hos 1,1 wurde unter Berücksichtung anderer Prophetenbuchüberschriften, nämlich Jes 1,1; Am 1,1; Mi 1,la und Zeph 1,1 zu dem Zweck konzipiert, um das Hos-Buch in eine bereits vorgegebene Prophetenbuchsammlung zu integrieren bzw. einer solchen Sammlung vorzuschalten. Daß Hos nachträglich vor das werdende Zwölfprophetenbuch gestellt wurde, erklärt, warum sich das Buch so schlecht in die chronologische Abfolge der Prophetenfiguren einreiht, die zumindest von einigen der für diese Buchsammlung verantwortlichen Redaktoren angestrebt wurde. 39 Die Intention des Verfassers von Hos 1,1 war zunächst nicht, das Buch einem Nordreichpropheten zuzuordnen, sondern klarzustellen, daß die Botschaft in Hos Nord und Süd angeht. 40 Hätte er das Buch einem Nordreichpropheten zuschreiben wollen, so hätte er nach dem Vorbild der Überschriften für judäische Propheten (z.B. Jes 1,1;Jer 1,1-3; Mi 1,la; Zeph 1,1) allein nach den Nordreichkönigen datieren müssen. Nach allem ist davon auszugehen, daß weder Hos 1,1 noch 1,2a als alte, möglicherweise sogar vorexilische Buchüberschrift entstanden. Weil nur 1,1 37 So z.B. T. Collins, Mantle, 62f; J. Nogalski, Precursors, 278ff; A. Schart, Entstehung, 39ff und mit berechtigten methodischen Vorbehalten R. Albertz, Exilszeit, 164ff; ders., Exile, 237ff. 38 Zwar kann man erwägen, inwieweit Zeph 1,1 von Jer 1,2 abhängig ist, da die dortige Erwähnung von J osia mit dessen Vatersnamen identisch ist. Zeph 1,1 verhält sich aber auf jeden Fall sehr viel freier gegenüber seinem Vorbild als Hos 1,1, da er nicht wie Jer 1,2 anschließend eine exakte Jahreszahl nennt. Gegen die Hypothese von E. Bosshard-Nepustil, Rezeptionen, 342f, daß Zeph 1,1 eine Imitation von Hos 1,1; Mi 1,1 darstelle, ist einzuwenden, daß in Zeph 1,1 keine Einflüsse aus Hos 1,1 nachweisbar sind, da dort kein Synchronismus vorkommt. 39 Nach der fast durchgehend für das Dodekapropheton bezeugten Buchfolge (vgl. E. Ben Zvi, Twelve Prophetie Books, 134, Anm. 24) steht nicht die Sammlung der ältesten Prophetenfigur (Amos) an der Spitze des Zwölfprophetenbuchs, sondern die der zweitältesten: Hosea. 40 So auch M.-T. Wacker, Figurationen, 222f.

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Die älteste Einleitung

und 1,2a außerhalb der Berichte Hos 1 und Hos 3 den Namen des Propheten nennen, ist aus ihrer deutlich nachexilischen Entstehung zu schließen, daß zuvor ein älteres "Prophetenbuch" bis in diese Zeit anonym überliefert wurde. 41 Da Hos 1,1.2b-4.6 zugleich der älteste Text in Hos 1-3 ist,42 ist evident, daß Textanteile dieses älteren "Buches" oder dieser älteren Sammlung nur in Hos 4-14 liegen können. Fragt man nun weiter, wie man sich die Einleitung zu einer solchen älteren Buchfassung oder Wortsammlung in Hos 4-14 vorstellen soll, so kommen nur Hos 4,1-3 und 5,lf in Betracht. Wie oben gesehen,43 sind sie die einzigen Texte in Hos 4-14, die als Buchüberschrift fungieren können. Eine der beiden Höraufforderungen, Hos 4,1-3 oder 5,lf, muß jünger, also nachgetragen, sein. Ihr Nebeneinander hat dublettenhafte Züge, weil beide zum Hören aufrufen und beide die folgenden Reden bis c. 14 einleiten. 44 Andererseits bestehen zwischen beiden Überschriften inhaltliche Differenzen. 4,1 richtet sich an die gesamte Bevölkerung des Landes, 5,1* dagegen nur an die Führungsschichten in Kult und Politik. 5,1 wirft den Beschuldigten Heimtücke vor, 4,2a Verstöße gegen den Dekalog. 45 Im Folgenden sind Hos 4,1-3 und 5,lf genauer zu analysieren, um entscheiden zu können, welcher Text die ursprüngliche Einleitung zu einer im jetzigen Komplex Hos 4-14 aufgegangenen, älteren, anonymen Sammlung darstellt.

6.2 Hos 5,1[ 6.2.1 Die Schichtung von Hos 5,1[ 5,1: 46 Hört dies, ihr Priester, und merkt auf, Haus Israel, und Haus des Königs, hört hin, denn euch gilt das Urteil!47

41 Die These, daß die werdenden Prophetenbücher zunächst anonym überliefert wurden, vertreten auch E.S. Gerstenberger, .Gemeindebildung", 48f und T. Collins, Mantle, 26ff. 42 S.o., 5.4. 43 S.o., 100f. 44 Die große Ähnlichkeit zwischen Hos 4,1-3 und 5,lf wurde in der Forschung schon oft beobachtet, vgl. E. Sellin, KAT 12, 62; F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24,318ff. 45 S.u.,6.3.2.3. 46 Die u. rekonstruierte Ursprungsform von 5,lf wird hier durch Kursivdruck kenntlich gemacht. 47 Zur Übersetzung von 5,2 s.u., 6.2.2.

Has 5,lf

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Denn ihr seid ein Klappnetz für Mizpa48 geworden und ein ausgespanntes Fangnetz aufdem Tabor! 5,2: Und eine Fanggrube in Schittim machten sie tief. Aber ich bin eine Züchtigung für sie alle. 49

Weder die Einheitlichkeit noch die hoseanische Herkunft von Hos 5,lf ist von der überwältigenden Mehrheit der bisherigen Forschung in Frage gestellt worden. Vielmehr gilt 5,lf fast durchgehend als "in sich abgeschlossener, kunstvoll gestalteter Prophetenspruch".50 Diese Sicht der Forschung ist aber nicht zutreffend. 5,lf zeigen deutliche Wachstumsspuren. Zunächst sind 5,1 und 5,2 klar auf verschiedene Hände zurückzuführen. Aufgrund der Gattung von 5,1, einer Höraufforderung, ist mit Prophetenrede zu rechnen. 51 In 5,2b erscheint dagegen eine Ich-Rede Jahwes. Während für 5,1 in seinem Grundbestand ein Parallelismus membrorum bestimmend ist, ist das in 5,2 nicht der Fall. Zwar sind in 5,2 beide Vershälften ungefähr gleich lang (15 - 12 Konsonanten), aber inhaltlich sind ihre Aussagen völlig disparat. Während 5,2a den Schuldaufweis aus 5,lb nachträglich ausmalt, behauptet 5,2b ein pädagogisches Handeln Jahwes. Ferner findet ab 5,2a ein Personwechsel in die 3.masc.plur statt; denn 5,1 ist in der 2.masc.plur. abgefaßt. 52 Da 5,2a und 5,2b völlig zusammenhangslos nebeneinander stehen, stammen auch diese beiden Vershälften aus zwei verschiedenen Händen. In 5,1 für sich betrachtet ist deutlich erkennbar, daß sich die drei Worte 'K1rzr n'J 1J'rDPil1 zwischen den ursprünglichen Chiasmus von 5,laa. (1~'TKil 'l'~il n'J 1 C'~il~il nKT 111~rD) schieben;53 dazu kommt, daß die 48 Die LXX gibt dieses Nomen als crKomcl, Hügel wieder. In dieser umschreibenden Wiedergabe folgen ihr die antiken Übersetzungen, jedoch hält die Forschung seit 1900 mit großer Mehrheit an MT fest. LXX will durch ihre Änderung den Hinweis auf MizpaiBenjamin und eine judäische Verwicklung in die Anklage tilgen s.o., 62. 49 S.u., 6.2.2 zur Übersetzung von 5,2. 50 So T. Naumann, Hoseas Erben, 42. Weitere Vertreter dieser Position sind H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 119ff; W. Rudolph, KAT 13/1, 118ff; J. Jeremias, ATD 24/1, 74; 1. Willi-Plein, Vorformen, 139f;J.L. Mays, Hosea, 79; D. Stuart, WBC 31, 89; A.A. Macintosh, ICC, 175; G.A. Yee, Composition, 276ff. . 51 So auch G.A. Yee, Composition, 171 für 5,2b. 52 Die LXX überliefert in 5,2b ein Pronomen der 2.plur.; doch glättet sie hier insgesamt, indem sie auch ,o,~, Züchtigung, als muliemt]c; wiedergibt und das Wort so besser auf die Person Jahwes zuschneidet. Für die Zuverlässigkeit der LXX-Fassung mit uJlcöv sprechen sich P. Riessler, Zwölfprophetenbuch, 26, Anm. 1; K. Budde, Falscher und rechter Jahwedienst, 4; K. Marti, KHC 13,47; 1. Willi-Plein, Vorformen, 141 aus; dagegen F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24,380.389. 53 Andersen und Freedman setzen den Chiasmus zwischen .Haus Israel" und .Haus des Königs" an (AncB 24, 384f). Sie berücksichtigen nicht, daß .Priester" und .Königshaus" als Anreden für soziale Eliten aufeinander bezogen sind, während .Haus Israel" das Gesamtvolk

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Die älteste Einleitung

Größe "Haus Israel" sich in den Kontext von 5,1 nicht einfügt, da der Ausdruck anders als "Priester" und "Königshaus" keine soziale Gruppe bezeichnet, sondern das Gesamtvolk. 54 Allerdings liegt die Lösung nicht in einer Konjektur, indem man z.B. n'::l durch 'K'::lJ oder '1rD ersetzt oder '::lrD voranstellt; mit Riessler ist von einem späteren Zusatz auszugehen. 55 Folglich bleibt als Grundbestand von 5,laa ein Bikolon mit Anrede an Priester und Königshaus. Auch von den zwei ':::l-Sätzen in 5,laß und 5,lb ist einer nachgetragen. Dafür spricht nicht nur, daß die beiden Kausalsätze in keiner Weise miteinander verbunden werden, sondern auch der stilistische Unterschied zwischen ihnen. In 5,lb wird breiter formuliert als in 5,laß und ein Bikolon mit on";"! als double duty56 verwendet. Dieser Halbvers enthält ein Bildwort, das die Angesprochenen mit Klappnetz und Fangnetz vergleicht. Dagegen ist 5,laß äußerst knapp und ohne Bilder abgefaßt. Beide ':::l-Sätze sind auf 5,laa* (ohne 'K1rD' n'::l '::l'rDP;"!') als Einleitung angewiesen, da sie als Nebensätze von ihm als Hauptsatz abhängen und ihre Rede in der 2.masc.plur. vorausgehende Informationen über die Angesprochenen impliziert. Fragt man, welcher ':::l-Satz die ursprüngliche Fortsetzung der Höraufforderung in 5,laa~· bildet, so fällt wegen der Übereinstimmungen im metrischen Aufbau die Entscheidung eindeutig für 5,lb. Trotz kleinerer Unterschiede - 5,laa* hat kein double duty und ist chiastisch aufgebaut - sind beide Halbverse je ein Bikolon. Die drei Worte in 5,laß sind dagegen als Zusatz anzusehen; denn sie passen weder metrisch noch stilistisch zu 5,laa*. Die knappe Formulierung in 5,laß stößt sich mit der detaillierten Höraufforderung in 5,laa*. Als Grundbestand von Hos 5,1* ergibt sich somit:

bezeichnet und somit nicht in den Kontext von 5,la paßt. Ihre Versuche, das Gesamtvolk - denn so fassen sie "Haus Israel" richtig auf - mit der Rechtspflege in Verbindung zu bringen, zeigen unwillkürlich den literarischen Bruch in 5,laa.. M. Nissinen, Prophetie, 148, Anm. 41 äußert selbst Zweifel an seiner Kolometrie, die ohne Textausscheidungen zu einem Trikolon und einem Monokolon führt. Er hält für möglich, daß das ursprüngliche Nebeneinander von Priestern und Königshaus nachträglich durch "Haus Israel" ergänzt wurde. 54 Vgl. so schon W. Rudolph, KAT 13/1,116. 55 P. Riessler, Zwölfprophetenbuch, 27. Zu den in der Forschung vorgeschlagenen Konjekturen s. W. Rudolph, KAT 13/1, 116. Budde und Harper nehmen "Haus Israel" heraus, was nicht ausreicht, da auch das Verb den Chiasmus stört (W.R. Harper, ICC, 267; K. Budde, Falscher und rechter Jahwedienst, 2f). 56 Der Begriff double duty oder Doppelfunktion bezeichnet ein Wort, das zwar nur in einem Kolon (zu diesem Begriff s. M. Nissinen, Prophetie, 59) erscheint, aber in einem oder mehreren benachbarten Kola eine syntaktische Funktion wahrnimmt (M. Nissinen, Prophetie, 61).

Hos 5,lf

111 lJ'IKil l?~il l"I':::l 1 t:l'Jil:::l,' l"IKI 1l)~W

'1:::ll"l ?l) ilW1':J l"IW'1 il:J~~? t:ll"l"il n:J ':::l57

Mit den beiden Ortsnamen Mizpa58 und Tabor soll offensichtlich zu Beginn der Textfolgen in Hos 5-14" ein gesamtisraelitischer Horizont abgesteckt werden. Nicht nur im Norden, sondern auch im Süden treiben die angesprochenen Eliten ihr Unwesen gegenüber der jeweiligen Bevölkerung. Das Verhalten der Beschuldigten gleicht in seiner Heimtücke Jagdfallen, die ja auch vor der Beute verborgen bleiben. 59 Der Vergleich der Beschuldigten in 5,lb mit verschiedenen Arten von Fallen aus Netzen ist auf die Psalmensprache zurückzuführen. 60 Dort läßt sich das Motiv, daß dem Beter das Fangnetz seiner Feinde (r1~i) droht, in vielerlei Abwandlungen beobachten (z.B. Ps 9,16; 10,9; 25,15; 31,5; 35,7f; 57,7; 140,6; Hi 18,8). Das Netz steht dort zwar stets als Bild für Heimtücke, aber niemals werden die Täter unmittelbar mit dem Netz identifiziert wie in Hos 5,1 *. Ein ähnlicher Befund ergibt sich für das Klappnetz (n:J). Wieder werden wie im Fall von r1~i in den Klageliedern des einzelnen (z.B. Jer 18,22; Ps 69,23; 91,3; 119,110; 124,7; 140,6; 141,9; 142,4; Hi 18,9) die Feinde nicht mit dem n:J gleichgesetzt. Hos 5,1" hat also den Sprachgebrauch der Klagepsalmen aufgegriffen und weiterentwickelt, um zu illustrieren, daß die Bevölkerung vergleichbar mit dem verfolgten Beter der Klagepsalmen als hilfloses Opfer der Mächtigen zu bewerten ist. Da diese Psalmen mit Sicherheit aus dem J erusalem der exilisch-nachexilischen Zeit stammen, ist der entsprechende Sprachgebrauch in Hos 5,1" ebenfalls ein Beleg dafür, daß eine Abfassung im ehemaligen Nordreich, d.h. durch den Propheten Hosea, nicht in Frage kommt. Die Verbindung des Höraufrufes m~r 11t.J~ mit lfK Hiphil ist nur in Hos 5,lao:':' (ohne '?Ki~' r1':l ':l'~Pi11) belegt. Sofern in der Forschung nach Vergleichsmaterial für den Höraufruf aus Hos 5, 1ao: * gesucht wird, werden gerne die prophetischen Höraufrufe mit dem Imperativ von 11t.J~ aus Am (Am 3,1; 4,1f; 5,1) herangezogen. 61 Allerdings ist bei Vergleichen zu be ach57 Dieser Textbestand wird im Folgenden als 5,l" bezeichnet. 58 Zur Begründung, daß von Mizpa in Benjamin auszugehen ist, vgl. 0.,4.2.2. Dieses Mizpa gehört seit der Königszeit politisch zu Juda (vgl. l Reg 15,22; s. auch 0., 4.2.2). Eine vorübergehende Zugehörigkeit zum Nordreich, wie sie Rudolph annimmt (KAT 13/1, 119), ist nirgends belegt. 59 So auch H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 124f. Es besteht allerdings kein Anlaß, mit Wolff das Hintergehen der Bevölkerung durch die Oberschicht nur im kultischen Bereich zu sehen, so auch z.B. T.H. Robinson, HAT 14,22; J. Jeremias, ATD 24/1, 75; H.-D. Neef, Heilstraditionen, 220ff. 60 So auch J. Jeremias, ATD 24/1, 74f; H.-D. Neef, Heilstraditionen, 216; A.A. Macintosh, lCC, 176; E. Bons, NSK.AT 23/1, 81. 61 So z.B. K. Budde, Falscher und rechter Jahwedienst, 3; A. Schart, Entstehung, 141ff.

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Die älteste Einleitung

ten, daß es innerhalb der Aufrufe mit I1~rD in den Propheten büchern große inhaltliche und theologische Differenzen gibt. Diese bestehen insbesondere darin, inwiefern die Aufrufe ausdrücklich darauf hinweisen, daß nun J ahwerede folgt (vgl. Am 3,1; 4,2). Auch in der Darstellung der Adressaten gibt es große Unterschiede. Einige Höraufrufe bezeichnen ihre Adressaten klar als bestimmte Gruppe (z.B. Jer 7,1f), andere richten sich ganz allgemein an das Volk (z.B. Jer 11,lf; Am 5,1). Da beides, Bezeichnung der Adressaten und Markierung als J ahwerede, große Auswirkungen darauf hat, wie der Folgekontext zu lesen ist, kann man für die Verortung eines Höraufrufs in der Entwicklungsgeschichte dieser Form der Redeeinleitung nur Beispiele vergleichen, die in beidem übereinstimmen. Somit ist Hos 5,1 für diese Fragestellung nur mit Höraufrufen vergleichbar, die ebenfalls nKT an I1~rD anschließen und darauf verzichten, ausdrücklich J ahweworte einzuführen. Ein Vergleich von Hos 5,1'~ mit Am 3,1; 4,1; 5,1 ist wegen dieser Unterschiede nicht angebracht. Die Verbindung von I1~rD mit femininem Demonstrativpronomen wie in Hos 5,laa* wurde nach der überwiegenden Mehrheit der Belege erst in exilisch-nachexilischer Zeit verwendet. Dies betrifft besonders die Prophetenbücher (vgl. Jes 47,8; 48,1; 48,16; 51,21; Jer 5,21; Joel1,2; Am 8,4; Mi 3,9). Von diesen Belegen in Prophetenbüchern sind allein Mi 3,9 und Am 8,4 für einen Vergleich mit Hos 5,1 * geeignet; denn nur sie befassen sich ebenfalls mit Kritik an Führungsschichten. 62 Folgende Unterschiede zu Hos 5,1 * fallen auf: Am 8,4; Mi 3,9 beschreiben die Verbrechen im Partzipialstil, eine Eigenart, die in Hos 5,1 * nicht vorkommt. Mi 3,9 vermittelt ein eher pauschales Bild der Anführer, während Hos 5,1 * diese klar Tempel und Palast zuordnet. Auch Am 8,4-6 ist stärker an einer genauen Beschreibung der Verbrechen interessiert als an der gesellschaftlichen Stellung der Täter. Daß Hos 5,1 * von Mi 3,9 und Am 8,4 literarisch abhängig ist, ist angesichts dieser Differenzen unwahrscheinlich. Gemeinsamkeiten in Sprache und Anliegen reichen jedoch aus, um ein gemeinsames, theologisches Abfassungsmilieu für solche Höraufrufe vorauszusetzen. Zur Frage der zeitlichen Verortung dieses "Milieus": Am 8,4 ist in der Forschung als nachträgliche Erweiterung des Visionszyklus (7,1-9; 8,1f) anerkannt. 63 Zudem wurden für die nachexilische Entstehung von Am 8,3-14 insgesamt in jüngster Zeit stichhaltige Argumente vorgelegt. 64 Die

62 Joe11,2 redet zwar auch zuerst eine Führungsschicht an (die Ältesten), wendet sich dann aber sofort an alle Bewohner des Landes. Inhalt der folgenden Rede ist nicht Sozialkritik, sondern drohendes Unheil. 63 So z.B. H.W. Wolff, BK.AT 14/2, 372ff; O. Kaiser, Grundriß Bd. 2, 121ff. 64 S. dazu C. Levin, Amosbuch, 271ff.

Hos 5,lf

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sicherlich komplexen Wachstumsprozesse innerhalb von Mi 3 sind dagegen noch nahezu ungeklärt. 65 Daß Mi 3,9a fast vollständig mit Mi 3,la übereinstimmt, wird in der Forschung schon lange beobachtet. 66 Nicht gesehen wurde aber, daß diese Dublettenhaftigkeit von Mi 3,9a ein Wachstumsindiz darstellt. Da nämlich der Adressatenkreis, die Oberschicht des Volkes, innerhalb von Mi 3 nicht wechselt, ist der erneute Höraufruf Mi 3,9a nach Mi 3,la überflüssig. Daraus ergibt sich, daß Mi 3,9 wahrscheinlich als Einleitung einer nachträglichen Kommentierung von Mi 3,1-8 entstanden ist. 67 Zugunsten dieser These kann angeführt werden, daß Mi 3,9b die rhetorische Frage Mi 3,lb nach der Zuständigkeit für das Recht nachträglich in einen Schuldaufweis umformt und damit eine zusätzliche Schärfe einbringt. In Am 8,4; Mi 3,9 ist die Absicht erkennbar, vorliegende Aussagen durch Sozialkritik zu ergänzen. So wird mit Am 8,4-6 in den älteren Visionszyklus (7,1-9; 8,1f) eine zusätzliche sozialkritische Begründung für den Untergang von Nord und Süd eingefügt. 68 Mi 3 enthält ein Stück über die Propheten (3,5.6a),69 das ein in sich abgeschlossenes begründetes Drohwort gegen eine klar bestimmte Gruppe bildet. Es unterscheidet sich deutlich von den allgemeinen Anklagen gegen alle Führungsschichten in 3,1-4.9-12. Mi 3,11aß faßt den Vorwurf der Bestechlichkeit gegen Propheten aus 3,5 zusammen und übernimmt das Stichwort cop aus 3,6a. Deshalb besteht für Mi 3,9ff der Verdacht, daß hier u.a. mit Rückgriff auf Mi 3,5.6a ein älteres Wort (Zion mit Blut bauen; Mi 3,10a) zu einer sozialkritischen Anklage gegen sämtliche Führungskreise ausgebaut wurde. Die Redeeinleitung mit l.)~rl) und m~T wurde also verwendet, um ältere Texte sozialkritisch zu aktualisieren. Da diese älteren Bestände die Auseinandersetzung mit dem UntergangJerusalems oder beider Teilreiche widerspiegeln, datieren diese Aktualisierungen in die nachexilische Zeit.

65 Soweit die Forschung innerhalb von Mi 3 Wachstumsprozesse veranschlagt, werden meist in Mi 3,1-8 Zusätze vermutet; vgl. O. Kaiser, Grundriß Bd. 2, 132f. Dagegen aber in jüngster Zeit J. Jeremias, Tradition und Redaktion, 146ff, der in Mi 3,5-8 den ältesten Kern von Mi 3 sieht. 66 Vgl. H.W. Wolff, BK. AT 14/4, 62; J. Jeremias, Gerichtsworte, 353; R. Kessler, Micha, 147. 67 So auch J. Jeremias, Tradition und Redaktion, 146ff. In diese Richtung weisen auch die Beobachtungen von R. Kessler, Micha, 146ff. 68 Zu dieser Einschätzung s. zu Recht U. Becker, Prophet als Fürbitter, 156. 69 Der Personwechsel zwischen Mi 3,5 in der 3.masc.plur. und Mi 3,6a in der 2.masc.plur. ist angesichts der sonstigen stilistischen Übereinstimmung zwischen Mi 3,5 und 3,6a und der U nverzichtbarkeit von Mi 3,6a zur Einleitung des Schuldaufweises als rhetorisches Stilmittel zu deuten, wie dies auch sonst in der Forschung vertreten wird, s. die Kommentare z.st. Mi 3,6b.7f kommentieren das Drohwort gegen die Propheten glossenhaft weiter. V.6b ist eine Dublette zu 6a.

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Die älteste Einleitung

Für Hos 5, 1~- ist über Am 8,4; Mi 3,9 hinaus als ein weiteres literarisches VorbildJer 21,11f zu veranschlagen: :1'1:1' ,,~ n':l'1 :11:1' 1:l' :11:1'

1~K

111~W

:1::l '1' n':l

[ ... ] PW111 ,,~ ,m 1"~:11 t!lElW~ 1P:l' 1J"

Von diesem Vorbild her erklärt sich in Hos 5,1" der Gebrauch von l'~;' rl'J im Sinne einer Personengruppe, der königlichen Dynastie. 70 Die Verwandtschaft zwischen Hos 5,1'f und Jer 21,11f kann nur durch ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis erklärt werden. lI Wie in Hos 5,l'f geht es in J er 21, 11f um Sozialkritik. J er 21,11 enthält wie Hos 5,1* eine imperativische Höraufforderung mit l)~t!). Hos 5,1'f geht über Jer 21,11f hinaus, indem neben der königlichen Dynastie auch die Priesterschaft in die Anklage einbezogen wird. 72 Außerdem wird in Hos 5,1" eine entscheidende Änderung gegenüber dem Vorbild Jer 21,11 vorgenommen. Die nähere Bestimmung des Königshauses durch ;'''';'' fehlt, und stattdessen wird l'~ determiniert verwendet. Auf diese Weise ist die explizite judäische Zentrierung von Jer 21,11 aufgegeben. Die offene Formulierung Hos 5,1 \ die sich weder auf eine bestimmte Königsfamilie noch auf deren Verortung in Nord oder Süd festlegt, läßt sich zwar auf sämtliche Dynastien anwenden, doch ist nicht auszuschließen, daß die entsprechenden Redaktoren damit verschlüsselt auf die Davididen anspielen. 73 Die Abhängigkeit von J er 21,11 bestätigt die Datierung von Hos 5,1'f in die frühnachexilischen Zeit; denn es handelt sich bei 21,11 mit Schmid um eine ältere Überschrift der Königsspruchsammlung,l4 die Teil eines älteren, in exilischer Zeit konzipierten Prophetenbuches war. 75

70 Für Jer 21,11 ist diese Bedeutung sicher, da 21,12 die Anrede mit i1i n'::l fortführt. InJer 22,6 ist die Verwendung von ;'i1;" l"~ n'::l für die Dynastie ein weiteres Mal belegt. So auch B. Duhm, KHC 11, 17lff für die Endgestalt von 22,6f. Mit Thiel und Duhm ist 21,llf als Vorbild für den Prosatext 22,lff anzusehen ryI. Thiel, Jeremia, 238ff; B. Duhm, KHC 11, 172f). 71 Auch F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 384f erkennen den Bezug zu Jer 21,11 und 22,6. 72 Dagegen finden sich keine Spuren der Bilder aus Jer 22,6 in Hos 5,1", so daß dieser Vers nicht als Vorbild fungiert hat. 73 Zugleich zeigt diese unpräzise Beschreibung von Dynastien eine Distanz gegenüber dem Königtum, die sich am besten dadurch erklären läßt, daß der Verfasser von 5,1 " in einer Zeit lebt, in der kein Königtum mehr besteht. 74 So auch W. Thiel, Jeremia 1-25, 238. 75 Vgl. zu Einzelheiten K. Schmid, Buchgestalten, 203f.212ff, der annimmt, daß dieses Buch mit Hilfe des Lamed inscripitionis gegliedert war, vgl. Jer 21,11; 23,9; 46,2; 48,1; 49,7; 49,23.

Hos 5,lf

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Hos 5,1" ist also Teil einer frühperserzeitlichen Textfolge, deren Verfasser sich an sozialkritischen Texten aus anderen Prophetenbüchern (Am 8,4; Mi 3,9; Jer 21,11f) orientiert. Möglicherweise spiegelt sich in der Erwähnung Mizpas/Benjamin in Hos 5,1':- die große Bedeutung dieses Ortes als politisches Zentrum der exilischen und frühen nachexilischen Zeit,76 so daß im Vers sogar auf die Zustände dieser Zeit Bezug genommen wird. Die Rede von "Haus des Königs" in Hos 5,1" spielt eventuell auf die Aktivitäten von Angehörigen des ehemaligen Herrscherhauses in der Zeit nach 587 an. 77 Wenn Hos 5,1':- so auf Davididen abzielt, die nicht als König herrschen, erklärt sich auch, warum im Vers nicht schlicht vom König die Rede ist. Innerhoseanisch führt Hos 5,1" eine Debatte über Abkömmlinge des Königshauses und Priester. Vorwürfe an die Adresse des l?~:-T n~J wie in Hos 5,1" spielen jedoch in Hos 5-14 sonst keine Rolle, während das Thema "Verlust des Königtums" oder der Wert des Königtums aus unterschiedlichen Blickwinkeln kommentiert wird. 78 Nur 1,4 rechnet noch mit einem Verschulden eines Königshauses, nämlich der Jehudynastie: "Nenne ihn (sc. den ersten Sohn Hoseas) Jesreel, denn noch eine kleine Weile, dann suche ich die Blutschuld J esreels am Haus Jehu heim, und ich mache ein Ende mit dem Königtum des Hauses Israel" (Hos 1,4). Daß in Hos ebenfalls nur an diesen Stellen (1,4; 5, l") von Königsdynastien die Rede ist/9 ist ein weiteres Indiz für ein bewußt gestaltetes Beziehungsgeflecht zwischen 1,4 und 5,1". Hos 1,4 muß als vorgeschaltete Nachinterpretation von 5,l" begriffen 76 Der von den BabyIoniern eingesetzte Gedalja nutzte Mizpa als Verwaltungszentrum (T er 401), wahrscheinlich weil in Juda v.a. die Region Benjamin durch den Einfall der BabyIonier nicht völlig zerstört worden ist. In Mizpa sind neu errichtete, große Gebäude aus babylonischer Zeit archäologisch nachweisbar, möglicherweise Verwaltungsgebäude (E. Stern, Archeology, 32lf1). Wegen der großen Bedeutung Mizpas in exilischer Zeit wird in der Forschung immer wieder vermutet, daß hier die älteste Fassung des DtrG entstand (s. R. Smend, Entstehung, 125). 77 Indizien für solche Aktivitäten sind der Bericht von der Ermordung des von den BabyIoniern eingesetzten Gedalja durch Ismael "von königlicher Herkunft" (Ter 41,1-3), aber auch die leitende Rolle des Davididen Serubbabel (vgl. I ehr 3,19) bei der Heimkehr der Exulanten und beim Tempelbau (s. dazu A.H.J. Gunneweg, Geschichte Israels, 136ff; R. Albertz, Religionsgeschichte Israels, 470f1). Daß Hos 5,1 * gerade Priester und Königshaus parallel anklagt, spielt möglicherweise auf die Zusammenarbeit von Serubbabel mit Priester kreisen beim Wiederaufbau des Tempels an (vgl. Sach 4,14; 6,9ff; A.H.J. Gunneweg, Geschichte Israels, 136f1). Da Serubbabel Exilsheimkehrer ist und wohl auch die Mehrheit der ihn unterstützenden Priester (so mit A.H.J. Gunneweg, Geschichte Israels, 136f1), könnte Hos 5,1 * implizit die Rückkehrer aus der Gola kritisieren. 78 S.u.,7.4.6.1. 79 So auch A.A. Macintosh, lee, 176. Wo in Hos noch einmal von einer Gruppe von Königen die Rede ist (13,11), interessieren sie nicht als Mitglieder einer Dynastie, sondern in geschichtstheologischer Hinsicht als Abfolge von gescheiterten Regenten. Zu 1,4 als Teil des Grundbestandes von Hos 1 (V.1,1.2b-4.6) s.o., 5.3.1.

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werden. Die sehr allgemein gehaltene Rede vom l'~il n':l in Hos 5,1" wird in 1,4 im voraus durch das K1il' n':l zugleich erläutert und konkretisiert. Indem ferner in 1,4 das Stichwort t:l'~1 eingeführt wird, wird hier schon eine Umpolung von 5,1" beabsichtigt. Denn da 1,4 auf die Morde an Davididen im Verlauf der Jehurevolution anspielt 80 und so die Davididen als Opfer wertet, ist l'~il n':l in 5,1" von 1,4 her gelesen nur noch auf Nordreichdynastien zu beziehen. Die Kritik an den Oberschichten in Nord und Süd in 5,1 * nimmt der Leser im nachhinein als ausschließliche Kritik an den Oberschichten des Nordens wahr. Im weiteren Kontext von 5,p'81 sind Spuren eines ähnlich argumentierenden älteren sozialkritischen Bestandes noch deutlich erkennbar. Es handelt sich zwar um Verse, die aufgrund des starken Textwachstums in der Spätzeit jetzt in großem Abstand zu 5,1" zu lesen sind,82 aber ihr gemeinsames Profil ist unverkennbar: Indem Hos 5,10a die Latifundienbildung der judäischen Oberen anprangert,83 agiert demnach diese Elitegruppe genauso heimtückisch wie die mit Netz und Falle verglichenen Priester und Angehörige des Königshauses in 5, 1~-. Der Vorwurf mangelnder 10n in 6,4b paßt ebenfalls zur Anklage von 5,P'. Hos 6,9 schließlich behauptet, daß die Priester an der Straße nach Sichern lauern, d.h. sich gleichfalls hinterlistig verhalten. 84 Der Vers verfolgt also wie 5,1" Priesterkritik. Alles spricht somit dafür, Hos 5,1':- als Einleitung einer älteren, sozialkritischen Textfolge im Bereich Hos 5-14" zu bewerten. 85 Jedenfalls 80 S.o., 5.3.1. 81 Nissinen rechnet mit 5,1.8 als Grundbestand von Hos 5,1-8 (prophetie, 148fQ. Beide Verse zusammen sollen seiner Ansicht nach zu der Klagefeier aufrufen, die sich ab 5,15 artikuliert. Zwar kann sich Nissinen darauf berufen, daß in beiden Aufrufen geographische Namen vorkommen und daß beide im Imperativ der 2.masc.plur. abgefaßt sind. Beim genaueren Hinsehen überwiegen jedoch die Unterschiede zwischen 5,1 und 5,8. Hos 5,8 ist im Qinametrum abgefaßt, nicht aber 5,1. Beide Verse hängen von völlig unterschiedlichen Vorstellungskomplexen und stark differerierenden außerhoseanischen, alttestamentlichen Texten ab. Insbesondere unterschätzt Nissinen den Einfluß später Jahwekriegskonzeptionen auf 5,8; S.u., 7.3.5. 82 Zur Spätdatierung von Hos 5,3-7 S.u., 136, Anm. 7; zu Hos 5,8-14; 5,15; 6,1-3 S.u., 7.3.2 und 7.3.4; zu 6,4a.6 s.u., 136, Anm. 7 und 7.4.5.2; zu Hos 6,7;6,8 S.u. 137, Anm. 9 und 7.1.2. 83 S.u., 7.3.3. 84 Eine Fortsetzung der Priesterpolemik aus 6,9 von anderer Hand ist im folgenden Kontext (7,3.4aa.5a.7aßb) zu sondieren. Die Priester aus 6,9 fungieren als Subjekt dieser in der 3.masc.plur. abgefaßten Texte, so auch G.A. Yee, Composition, 258 und F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 447f.455. Insbesondere 7,3 und 5a befassen sich ebenfalls mit einem hinterhältigen Verhalten der Priester. S.u. 8.3. 85 S. dazu u., 7.4.5.1. Man kann gegen diese These nicht damit argumentieren, daß sich das nKT in Hos 5,1 * auf 4,1 zurückbeziehe (so S. Grätz, Vergebliche Suche, 208Q. Schließlich wird auch in Joel 1,2 eine Höraufforderung mit Demonstrativpronomen verwendet, ohne daß sich diese auf eine ausführlichere, voranstehende Höraufforderung beziehen könnte. A. Schart, Entstehung, 172, rekonstruiert für Hos 4,1 eine Fassung als Höraufforderung mit Demonstrativpronomen, so daß auch er in einer solchen Einleitung für Hos 4-14 kein Problem sieht.

Hos 5,lf

117

ist Hos 5,1" deutlich älter als Hos 1-3 samt der darin enthaltenen Buchüberschrift 1,1 und dem Nachtrag 1,2a.

6.2.2 Die Zusätze in Hos 5,1/

Wie bereits vermerkt, sind in 5,1 der Versteil 5,1aß und die drei Worte '~'W' n'::1 1::1'WP;'1 sowie 5,2a und 5,2b insgesamt nachgetragen. 5,2a und 2b gehen auf unterschiedliche Hände zurück. Da 5,2b J ahwe als denjenigen präsentiert, der sein Volk züchtigt und diese Sicht noch von anderen Versen vertreten wird (7,12; 10,10), wird 5,2b unten im Zusammenhang mit diesen Versen behandelt. 86 Für den ersten Nachtrag, den kurzen '~-Satz 5,1aß ist zu klären, ob ~ElW~;' c~, bedeutet, daß die Angesprochenen das Urteil trifft oder daß sie für das Recht verantwortlich sind. Eine Durchsicht der Belege im Alten Testament, wo ~ElW~ im Nominalsatz mit suffigiertem' verwendet ist, ergibt: auf diese Weise soll ausgedrückt werden, daß ein Rechtssatz oder Gerichtsurteil Anwendung findet (z.B. Dtn 19,6; 21,17; Jer 26,11.16; 32,7f; Ez 21,32). Hos 5,1aß ist erkennbar von diesem Sprachgebrauch beeinflußt und muß entsprechend verstanden werden. Textstellen, die dagegen die Verantwortung von Menschen für das Recht beschreiben, sind durchgehend als Verbalsatz formuliert, beispielsweise mit 1m (z.B. Ps 72,1) oder 11,' {z.B. Mi 3,1).87 Der Glossator des Zusatzes Hos 5,1aß dürfte davon angeregt sein, daß in den sozialkritischen Paralleltexten zu Hos 5,1" (z.B. Jer 21,11f) immer wieder das Stichwort ~ElW~ erscheint, woraufhin er sich zu einer Bemerkung über Jahwes längst ergangenes Urteil veranlaßt sieht. Da es in Hos keine vergleichbaren Aussagen über ~ElW~ gibt, liegt eine Einzelbemerkung vor. '~'W' n'::1 im Nachtrag von 5,1aa läßt sich nicht als Pendant zu "Königshaus" und "Priesterschaft" auffassen;88 denn ein analoger Gebrauch von '~'W' n'::1 ist im Alten Testament sonst nirgends nachweisbar. Vielmehr ist 86 S.u., 9.6. 87 So auch z.B. E.F.C. Rosenmüller, Prophetae Minores, 168; A. Wünsche, Prophet Hosea, 195; J. Wellhausen, Kleine Propheten, 112; K. Marti, KHC 13,46; W.R. Harper, ICC, 269; W. Rudolph, KAT 13/1, 119; G.A. Yee, Composition, 171; M. Nissinen, Prophetie, 148. H.-D. Neef, Heilstraditionen, 21Sf nimmt an, daß beide Deutungsmöglichkeiten, Urteil und Zuständigkeit für das Recht, in 5,laß anklingen sollen, so auch 1. Willi-Plein, Vorformen, 140; F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 384f; H. Donner, Israel, 44. Doch entspricht dies nicht der Beleglage im Alten Testament. 88 Zu den wichtigsten Vorschlägen, s.o., 109f. Vgl. auch die Debatte zwischen Sellin und Budde, ob es hier um eine Volksversammlung gehen könne, s. E. Sellin, KAT 12 ,63 und K. Budde, Falscher und rechter Jahwedienst, 3.

118

Die älteste Einleitung

"Haus Israel" als Bezeichnung des Gesamtvolkes in Nord und Süd aufzufassen. 89 Anliegen des kurzen Nachtrags ist also, in 5,1 zusätzlich das ganze Volk in die Sozialkritik an Priestern und Abkömmlingen des Königshauses einzubeziehen. Aufgrund dieser inklusiven Israelperspektive steht dieser Zusatz zumindest in enger Verbindung mit den Verfassern der "Abfall-Umkehr"-Texte. 9o Zwar läßt sich die Zugehörigkeit des kleinen Zusatzes zu dieser Kompositschicht nicht mit letzter Sicherheit entscheiden, da wegen seiner Kürze charakteristische Anliegen dieser Textschicht (z.B. Rückblick auf die Frühgeschichte) nicht zur Sprache kommen konnten. Weil es aber gerade für die "Abfall-Umkehr"-Texte entscheidend darauf ankommt, das ganze J ahwevolk und nicht nur eine Gruppe dieses Volkes zur Verantwortung zu ziehen, was der Tendenz von 'n~,w' n'J 1J'Wpil genau entspricht, ist eine Zuordnung zu dieser Konglomeratschicht die wahrscheinlichste Lösung. 5,2a ist wegen Textverderbnis kaum übersetzbar. Man kann nur ein Hiphil von P~li, "tief machen", identifizieren. Die Buchstabenfolge mw ist im Alten Testament und in den anderen semitischen Sprachen nirgends belegt; ilmnw ließe sich allenfalls als Inf.cs zu mnw, "schlachten" deuten/ 1 was im Zusammenhang mit P~li Hiphil keinen Sinn ergibt. Die antiken Übersetzungen sind Interpretationen des schwierigen Textes und bieten keine Alternative zu MT. 92 Mit der überwältigenden Mehrheit der Forschung wird man ilmnw zu nnw korrigieren und nnw als Nomen "Fallgrube" vokalisieren. 93 Der so rekonstruierte 5,2a setzt 5,1 b glossenhaft in der Weise fort, daß noch einmal die sozialen Vergehen mit Jagdgeräten verglichen werden (die Fanggrube in 5,2a und Klappnetz und Fangnetz in 5,lb). Da auch LXX und Peschitta von einer Fortsetzung der Jagdmotivik in 5,2a ausgehen, bestätigen sie indirekt diese Textrekonstruktion. Die Textverderbnis in MT ist zustandegekommen, weil spätere Schreiber hier einen Hinweis auf illegitime Opfer einbringen wollten und bewußt mfür n schrie-

89 So auch W. Rudolph, KAT 13/1, 116. Aufgrund der nachexilischen Entstehung ist ohnehin unwahrscheinlich, daß "Haus Israel" hier auf das Nordreich zielt (s.o., 4.2 und 4.2.1). Wegen der beiden Ortsnamen Mizpa und Tabor in 5,lb, die dem kurzen Nachtrag vorlagen, ist eine solche Bedeutung sogar auszuschließen. 90 5.0.,5.2.2 und u., 7.4.5.3. Zu weiteren "Abfall-Umkehr"-Texten in Hos 5 S.u., 7.3.4. 91 Vgl. HAL, 1226.1353f; GK § 64a. 92 Zu den antiken Übersetzungen s. A.A. Macintosh, ICC, 18lf und W. Rudolph, KAT 13/1, 116. 93 So auch z.B. J. Wellhausen, Kleine Propheten, 113; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 119f; W. Rudolph, KAT 13/1, 116; I. Willi-Plein, Vorformen, 140f; J. Jeremias, ATD 24/1, 73; G.A. Yee, Composition, 273f.

Hos 5,lf

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ben. 94 Der Targum hat in seiner Fassung von Hos 5,2a eine Erinnerung an diese Deutungstradition bewahrt. Die unverständliche Buchstabenfolge t:l'~W muß zum Ortsnamen t:l'~Wi1 wiederhergestellt werden, wie das die Mehrheit der Forschung vertritt. 95 Diese Konjektur läßt sich mit Verweis auf Hos 9,9 absichern, wo ebenfalls ein Ortsname, Gibea, in Verbindung mit P~l1 Hiphil steht. Für diese Konjektur spricht weiterhin, daß 5,2a erkennbar eine 5,1b ausbauende Tendenz vertritt (vgl. die Erwähnung einer zusätzlichen Falle). Dies erfordert die Nennung eines weiteren Ortsnamens. t:l'~Wi1 steht im Accusativus loci, so daß eine Ergänzung von ::l überflüssig ist. 5,2a hat also einmal gelautet: 1P'~11i1 t:l'~Wi1 nnW1; und eine Fanggrube in Sittim machten sie tief. Der für 5,2a zuständige Glossator dürfte von Hos 9,10 beeinflußt sein; dort ist festgehalten, daß schon bald nach der Erwählung Israels der Abfall zum Baal Peor erfolgt sein soll; nach Num 25,1 fand dieser Abfall in Sittim statt. 96 Vor diesem Hintergrund liegt es für den Glossator nahe, die Orte Mizpa und Tabor im ihm vorliegenden 5,1b zusätzlich als Orte des Abfalls aufzufassen und Sittim als Ort eines weiteren Abfalls einzubeziehen. Zugleich wird das Motiv der hinterlistig gestellten Fallen aus dem älteren 5,1b in 5,2a glossenhaft ausgeweitet. Zwischen/azit: Der Höraufruf Hos 5,1" ("Hört dies, ihr Priester, und Haus des Königs, hört hin, denn ihr wart ein Klappnetz für Mizpa und ausgespanntes Fangnetz auf dem Tabor") ist älter als alle Texte aus Hos 1-3; er kommt somit als eine Überschrift in Frage, mit der die Textfolgen in Hos 5-14" vor der Entstehung von Hos 1-3 (und Hos 4) eingeleitet wurden. Damit stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis der Höraufruf in 5,P zu dem in 4,1-3 steht. Daß zwei so ähnliche Höraufforderungen 97 so dicht hintereinander stehen, dürfte damit zusammenhängen, daß eine jüngere die vorgegebene umzuinterpretieren sucht.

94 So auch I. Willi-Plein, Vorformen, 141, doch führt sie diese Veränderung nicht auf eine bewußte Interpretation, sondern auf einen Hörfehler oder aberratio occuli zurück. F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 386f bringen eine Fülle von Belegen von ~mv, die deutlich machen, welche Assoziationen die Abschreiber durch ihre bewußte Textänderung erreichen konnten. Das Verb weist auf verabscheuungswürdige Kultbräuche hin, insbesondere Kinderopfer. 95 Vgl. App. BHS; die Kommentare z.St.; J. Lindbiom, Hosea, 75; I. Willi-Plein, Vorformen, 140f; H.D. Neef, Heilstraditionen, 211; M. Nissinen, Prophetie, 148. Die Versuche inbesondere von E. Sellin, KAT 12, 63f und F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 380ff, zu alternativen Lösungen zu kommen, bleiben unbefriedigend. 96 So auch H.D. Neef, Heilstraditionen, 225. Zu Sittim vgl. noch Jos 2,1; 3,1; Joel4,18; Mi 6,5. 97 Sellin macht auf die inhaltlichen Ähnlichkeiten zwischen 5,1-7 und 4,1-3 aufmerksam (KAT 12, 62). Ähnlich F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 381.

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Die älteste Einleitung

6.3 Hos 4,1-3 6.3.1 Die Schichtung von Hos 4,1-3 4,1: Hört das Wort Jahwes, ihr Söhne Israels, denn einen Rechtsstreit hat Jahwe mit den Bewohnern des Landes. 98 Denn es gibt keine Treue, keine Solidarität und keine Kenntnis Gottes im Land. 4,2: Sie schwören und verleugnen und morden und stehlen und brechen die Ehe. 99 (Falsches Schwören und Verleugnen und Morden und Stehlen)100 haben sich ausgebreitet 101 und Blutschuld reichte an Blutschuld heran. 4,3: Darum trauert die Erde, und verkümmern alle, die auf ihr wohnen, zusammen mit Wildtieren und Vögeln des Himmels - ja, selbst die Fische des Meeres werden weggenommen.

Sowohl Hoseanizität als auch Einheitlichkeit von Hos 4,1-3 sind in der Forschung häufig hinterfragt worden. 102 Seit Jeremias hat sich durchgesetzt, daß der Abschnitt frühestens auf die Prophetenschüler zurückgeht. Einige datieren den Grundbestand sogar noch später, nämlich in der Zeit Josias (Yee) oder Manasses (Cardellini). Nissinen beurteilt große Teile des Textes,

98 Die u. rekonstruierte Ursprungsform von 4,1-3 wird hier durch Kursivdruck kenntlich gemacht. 99 Die fünf Inf.abs. sind als Ersatz für finite Verben in einem Tempus historicum aufzufassen (vgl. GK § 113 ff). Zur Wiedergabe von .,.,~ als "schwören" s.u., 127. So auch K. Marti, KHC 13, 39;J. Wellhausen, Kleine Propheten, 12; W. Nowack, HK 3/4, 30; T.H. Robinson, HAT 14, 18; W.R. Harper, ICC, 251. 100 Der Ergänzer hinter 4,2b faßt die Inf.abs. nominal auf, s. auch u., 122. 101 Die LXX liest anschließend an Y'1;J zusätzlich Eltt 1:ii~ yii~, was einem hebräischen Äquivalent von Y'1~:l entspräche. Zwar käme ein Ausfall durch Homoioteleuton in Betracht, so H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 81; W. Rudolph, KAT 13/1,96; M. Nissinen, Prophetie, 94, doch scheint LXX hier ohne großen Erfolg den ungewöhnlichen Gebrauch von Y'1;J zu entschärfen, so auch A.A. Macintosh, ICC, 131. LXX nimmt so außerdem eine Angleichung an den ebenfalls sekundären 4,lbJ) vor, der mit Y'1~:l schließt. Mit MT hier auch J. Jeremias, ATD 24/1, 59; H.S. Nyberg, Studien, 24; H. Mölle, Ende der Priester, 259; A.A. Macintosh, ICC, 129ff. 102 Vgl. die Kommentare Z.St. Eine hoseanisehe Herkunft der gesamten Passage als einheitlicher Text vertreten nur W. Rudolph, KAT 13/1, 98ff; I. Willi-Plein, Vorformen, 129f; H.D. Neef, Heilstraditionen, 194.206ff; A.A. Macintosh, ICC, 127ff; F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 331ff. Allerdings bemerken Andersen und Freedman, daß in 4,1-3 "more of the features of classical prophecy" (F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB, 332) vorkommen. Für eine Einheitlichkeit von Hos 4,1-3 tritt neuerdings S. Grätz, Vergebliche Suche, 202 ein, jedoch mit völlig unzureichender Begründung.

Hos 4,1-3

121

nämlich beide '~-Sätze bis auf das erste ,~ und die Inf-abs.-Reihe in 4,2a, als spätexilisch. l03 Tatsächlich findet man in dem kurzen Abschnitt eine Reihe von Brüchen. Sowohl das Vorkommen zweier '~-Sätze (4,lb)104 als auch die lexikalisch und metrisch problematische Fortsetzung der Inf.abs. aus 4,2a in 4,2b zeigen, daß 4,lf nicht aus einem Guß ist. Der Schuldaufweis in 4,lbß bildet eine Dublette zu 4,2a und dürfte jünger sein, da er auf einem höheren Reflexionsniveau argumentiert. 4,3 unterscheidet sich metrisch und terminologisch wiederum stark von 4,lf. Für den Nachtragscharakter von 4,3 plädiert deshalb auch die Mehrheit der Forschung. los Während Wolf! 4,la als nachgetragenen Höraufruf eines Redaktors verorten wollte, auf den er auch 1,1 zurückführt,106 ist davon auszugehen, daß dieser Halbvers zum Grundbestand der Einheit zu rechnen ist. Denn dieser Hauptsatz ist als Einleitung der folgenden '~-Sätze unentbehrlich. Charakteristisch für 4,la ist die Verwendung des Gottesnamens i11il' und des Qinametrums. l07 Vor allem ersteres findet sich ebenfalls in dem ersten '~-Satz (4,lba),108 nicht aber im zweiten (4,lbß). Daß dieser vom Gottesnamen il1il' zu C'il'n~ wechselt, läßt sich keinesfalls auf die Verwendung geprägter Wendungen zurückführen, da C'il'~ nI11 nur selten belegt ist (nur Hos 4,lbß und 6,6).109 Damit erweist sich 4,lba als Fortsetzung des in 4,la begonnenen Grundbestandes,llo und 4,lbß als Nachtrag. lll

103 J. Jeremias, Hos 4-7,57; H. Mölle, Ende der Priester, 265ff; G.A. Yee, Composition, 267ff; M. Nissinen, Prophetie, 128ff; 1. Cardellini, Strukturanalyse, 269; A. Schart, Entstehung, 17lf. 104 So auch M. Nissinen, Prophetie, 90; R.E. Wolfe, Editing, 91. Sogar Andersen und Freedman erkennen an, daß der Schuldaufweis von V.1bß-2 von Brüchen geprägt ist, die die Interpretation erschweren {AncB 24, 333}. 105 Vgl. z.B. K. Marti, KHC 13,39; K. Budde, Hosea's Strafrede, 283; W. Nowack, HK 3/4, 30; G.A. Yee, Composition, 143; R.E. Wolfe, Editing, 105; J. Jeremias, A1D 24/1, 62f; ders., Hos 4-7, 57, Anm. 7; T. Naumann, Hoseas Erben, 18ff, H. Mölle, Ende der Priester, 264f. 106 H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 8lf. H. Boecker, Redeformen, 152f korrigiert Wolffs Lösung, indem er zusätzlich das ':I aus 4,lba: herausnehmen will. Doch fehlen für diese Entscheidung die literarischen Indizien innerhalb von 4,lba:. 107 Nissinen achtet bei seiner Analyse von 4,1-3 nur auf Parallelismen und übersieht so das literarkritische Indiz .Qinametrum" (prophetie, 90ff). 108 Die gewisse Unebenheit im Qinametrum hängt damit zusammen, daß Hos 4,lba Mi 6,2 zitiert {s.u., 6.3.2.2}. 109 Zu der Beziehung von Hos 4,lbß zu 6,6 S.u., 197. 110 Nissinen hält den gesamten Satz 4,lba bis auf das einleitende ':I für einen Zusatz (M. Nissinen, Prophetie, 9lff). Er kann nur damit argumentieren, daß ::1" und '::11 eine doppelte Deutekategorie darstellten. Doch reicht dies für eine literarkritische Entscheidung nicht aus. Nissinen kann außerdem nicht begründen, wieso das ':I nicht mit in den Nachtrag gehört, wenn der ganze übrige Satz nachgetragen ist. 111 So auch M. Nissinen, Prophetie, 91.

122

Die älteste Einleitung

Dieser Grundbestand wird in 4,2a fortgeführt, denn hier begegnet wieder die Qina. ll2 Außerdem bezieht sich 4,2a auf das J'1-Thema aus 4,lba, indem n~1 und ~Kj wie in Rechtssachen üblich im Qal verwendet werden. ll3 4,2a illustriert so den Rechtsstreit aus 4,lba. 4,2b dagegen ist nachgetragen. Der Halbvers läßt sich weder als Qina lesen noch metrisch gliedern. Die verantwortliche Hand versucht, 4,2 insgesamt zu einem Bikolon umzuformen, indem 4,2a mit dem ersten Verb das erste Kolon bildet und der Rest von 4,2b das zweite. 114 Die Inf. aus 4,2a fungieren in dieser erweiterten Fassung von 4,2 als Subjekt zu '~1El.llS Das Verb r'1El ist lexikalisch aber kaum stimmig auf die Inf. in 4,2a bezogen. Dies bestätigt den Nachtragscharakter von 4,2b. Auch die Verbindung von l)Jj mit t:l'~' ist problematisch. Die Verbreitung von Untaten wird nirgends sonst mit r'1El Qal 116 oder l)Jj Qal ll7 angezeigt. Die Annäherung an einen Parallelismus membrorum, die der Nachtrag in 4,2b vollzieht, hat erklärende Funktion. Die Vergehen von 4,2a sollen mit Blutschuld, t:l'~', gleichgesetzt und in ihrer Schwere gesteigert werden. Hos 4,2b spielt so auf Hos 1,4 an. Der sukzessive angewachsene Vers 4,3 118 ist insgesamt mit der Mehrheit der Forschung als Nachtrag zu bestimmen. 119 Er paßt weder metrisch noch thematisch zu den alten Anteilen von 4,lf (4,laba.2a). 4,3aaß ist nicht im Qinametrum verfaßt, obwohl nun die Trauer ('?JK) des Landes dargestellt 112 So auch M. Nissinen, Prophetie, 93; C. Levin, Verheißung, 92. 113 Zu ~~l Qal s. z.B. Ex 20,14; Lev 20,10; Dtn 5,18; Ez 16,38 und 23,45. Für n~i Qal s. z.B. Ex 20,13; Num 35,11-30; Dtn 4,42; 5,17; 19,3-6; 22,26; Jos 20,3-9. 114 Die große Differenz der Konsonantenzahl in diesen zwei Kola (23-14) bestätigt, daß 4,2 nicht aus einem Guß ist; zu diesem literarkritischen Indiz vgl. O. Loretz/1. Kottsieper, Colometry, 44f; M. Nissinen, Prophetie, 59.69ff. Die Wachstumsprozesse in 4,2 wirken sich insofern aus, als eine Übersetzung des kompletten Verses schwerfällt. K. Marti, KHC 13,39; W. Nowack, HK 3/4, 30 konjizieren aus fiEl einen weiteren lnf.abs, was aus methodischen Gründen nicht zulässig ist. Zu Vorschlägen zum Verständnis eines isolierten '~iEl vgl. H.S. Nyberg, Studien, 24 und A.A. Macintosh, ICC, 130. 115 So auch K. Budde, Hosea's Strafreden, 282; W. Rudolph, KAT 13/1,96; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 81; 1. Cardellini, Strukturanalyse, 26M; H. Mölle, Ende der Priester, 263; A.A. Macintosh, ICC, 129. 116 Von den beiden Belegen für einen solchen übertragenen Gebrauch von fiEl, die WilliPIe in anführt (Vorformen, 130), erweist sich nur II Chr 31,5 als stichhaltig, da sich Hi 1,10 ebenfalls auf Viehbesitz bezieht. Dies zeigt, daß ein metaphorischer Gebrauch von l'iEl in die sehr späte Zeit gehören muß. Der Targum faßt l'iEl entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch als Ausbreiten von Menschen auf und gibt es als l'lJ l'i,m wieder. 117 HAL,631.914. 118 So auch App. BHS; E. Sellin, KAT 12, 52. W. Rudolph, KAT 13/1, lOH und T. Naumann, Hoseas Erben, 24f erwägen die Möglichkeit von Nachträgen in 4,3, und H. Mölle, Ende der Priester, 265 will eine sukzessive Entstehung von V.3 nicht ausschließen. 119 Vgl. z.B. K. Marti, KHC 13, 39; K. Budde, Hosea's Strafrede, 283; W. Nowack, HK 3/4, 30; G.A. Yee, Composition, 143; R.E. Wolfe, Editing, 105; J. Jeremias, ATD 24/1, 62f; ders., Hosea 4-7, 57, Anm. 7; T. Naumann, Hoseas Erben, 18ff, H. MöHe, Ende der Priester, 264f.

Hos 4,1-3

123

wird. Stattdessen bietet 4,3aaß einen Parallelismus membrorum. Durch die Betonung der leidenden Natur nehmen die Aussagen in 4,3 innerhalb von Hos 4-14 eine Sonderstellung ein,12O die unmißverständlich auf ihren Nachtragscharakter schließen läßt. 121 Der Grundbestand von 4,1-3 besteht also aus 4,laba.2a: ein Höraufruf an das Volk eröffnet Jahwes Rechtsstreit gegen das Volk (4,laba), und eine Reihe von Infinitiven bringt die Konkretion (4,2a). Der Höraufruf richtet sich mit 'KiW' 'JJ 122 an das gesamte Volk in Nord und Süd. Zwar könnte man den Begriff 'KiW' 'JJ auch nur auf die Judäer beziehen. Aber das folgende fiK;'1 'JW1' macht deutlich, daß über die Israeliten in Nord und Süd hinaus sogar an sämtliche Bewohner des Landes zu denken ist. 123 Sowohl in 5,1'~ ("Hört, ihr Priester, und Haus des Königs, hört·hin, denn ihr seid ein Klappnetz geworden für Mizpa und ein ausgespanntes Fangnetz auf dem Tabor!") als auch in 4,laba.2a ist Juda mitangesprochen. Trotzdem hat Hos 4,laba soziologisch einen weiteren Horizont als 5,1'~. Nicht nur, daß der Vers über Königshaus und Dynastie (5, 1'~) hinaus alle Israeliten einbezieht, er weist auch über die Grenzen Israels hinaus. Dieses Verfahren, den Kreis der Betroffenen gegenüber 5,P' auszuweiten, spricht dafür, daß 4, lf'~ gegenüber 5, 1~' der jüngere Text ist. Einzugehen ist noch auf die alttestamentlichen Texte, auf die 4,laba.2a Bezug nimmt: es bleibt zu klären, ob diese jünger oder älter sind als die Bezugstexte von 5,1'~.

120 Erst in Hos 6,3 ist l"K wieder belegt, jedoch in einem ganz anderen Sinne, nämlich als "Erdboden". Die übrigen Belege von l"K in Hos 4ff (9,3; 13,5; 11,11) beziehen sich auf geschieht. liehe Stationen des Volkes Israel: Jahwes Land (9,3), die Diaspora in Assur (11,11) und die Wüste (13,5). Mölle spricht von einem "urgeschichtlichen" und "schöpfungstheologischen" (Ende der Priester, 264) Charakter von V.3, was den Gegensatz zu Hos 4-14 insgesamt untermauert. 121 Überdies zeigt 4,3 einen sehr späten Sprachgebrauch. Der Einfluß apokalyptischer Texte auf dieses Textstück macht deutlich, daß 4,3 ein kosmisches Unheil erwartet (s.u., 131f). 122 Auf der einen Seite wird der Begriff gerne verwendet, um das gesamte Volk in Nord und Süd anzusprechen, insbesondere im Pentateuch und im Zusammenhang der Exodus- und Landnahmetradition (z.B. Ex 13,2f; Num 8,17.19; Dtn 1,3; Jos 3,1.9; 5,3; 7,1; 12,6f; Jdc 1,1; 3,5; 20 [außer Benjamin]; I Sam 7,4; II Sam 7,6; I Reg 6,1; 8,9; 9,21; 11,2; II Reg 16,3; 17,8; 21,9; Jes 27,12; Jer 16,14f; Am 2,11; Neh 8,14.17; 13,2; II Chr 8,8; 28,3; 30,6). Auf der anderen Seite kann der Begriff allein die Nordreichbewohner (z.B. I Reg 20,15; II Reg 13,5; 17,7; Jes 17,3; II Chr 13,12.16; 31,6) oder die Judäer oder sogar nur die judäische Gola umschreiben (z.B. Jes 66,20 [?]; Ez 2,3; 6,5; 44,9; Esr 6,21). Zur Mehrdeutigkeit von "Israel" und den Möglichkeiten, die jeweils mit diesem Begriff angesprochene Größe zu identifizieren s.o., 4.2 und 4.2.1ff. 123 Vgl. z.B. Gen 13,7; 36,20; Ex 23,31; Num 32,17; Jos 2,9; 13,21; Jdc 1,33; II Sam 5,6; Neh 9,24. Eine kosmische Bedeutung dieser Wendung im Sinne von "Bewohner der Welt" kommt für Hos 4,1 * nicht in Betracht, denn es gibt im Alten Testament nur sehr wenige Fälle, wo dieses Verständnis bedacht werden muß Ges 24,6.17; 26,21; Jer 25,30). Diese Belege gehören in späte apokalyptisierende Kontexte. Davon fehlt in Hos 4,1 * jede Spur.

124

Die älteste Einleitung

6.3.2 Die Datierung von Hos 4,laba,2a

6.3.2.1 Die Höraufforderung (Hos 4,la) Eine Höraufforderung in der Form ;'1;" 1::l1 117~tl.I mit folgender Anrede der Beschuldigten wie in Hos 4,la ist nicht vor Jer und Ez belegt. 124 Deshalb kann Hos 4,la nicht aus der Zeit vor dem historischen Jeremia stammen. Wie in Hos 4,la wird nur noch in Jer 2,4 durch den Höraufruf ;'1;" 1::l1 117~tl.I ein größerer Adressatenkreis angesprochen und ein größerer Buchabschnitt eingeleitet er 2_25).125 Folgende Beobachtungen zu Berührungen und Unterschieden zwischen beiden Texten sprechen dafür, daß sich Hos 4,la an Jer 2,4 orientiert: Die dort Angesprochenen ::lp17' n'::l und 'K1tl.1' n'::l mn5ltl.l~ '~werden in Hos 4,la durch den umfassenden Begriff 'K1tl.1' '~::l zusammengefaßt. Ferner wird im Folgekontext von Hos 4,la durch die gleiche Hand ein recht junges Motiv eingebracht, das in Jer 2,4 noch fehlt. So wird in 4,lba auf den ::l '1 J ahwes verwiesen. 126 Die einfache Höraufforderung aus J er 2,4 wird so weiterentwickelt. Jer 2,4, das Vorbild von Hos 4,1, ist als Dublette zu Jer 2,1 ein Nachtrag in einem Text,127 dessen Anfänge kaum vor 587 v.ehr. zu sehen sind. 128 Daraus ergibt sich, daß auch Hos 4,la erst in nachexilischer Zeit entstanden sein kann. Die zeitliche Einordnung der Texte, die Hos 4,lba und 4,2a voraussetzen, wird diese Einschätzung bestätigen.

a

124 Z.B. Jer 2,4; 7,2; 17,20; 19,3; 21,11; 22,2 (Imperativ 2.masc.sing.); 29,20; 31,10; 34,4 (Imperativ 2.masc.sing.); 42,15; Ez 6,3; 13,2; 25,3; 34,7.9; 36,1.4; 37,4. Die Belege in Proto-Jes (1,10; 28,14) sind selten und gelten längst nicht mehr unumstritten als alt. Ob man daraus schließen kann, die Höraufforderung habe sich von freien Formen (z.B. Am 3,1; 4,1) zu dieser stereotypen Gestalt entwickelt (so z.B. H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 82; T. Naumann, Hoseas Erben, 20f; 1. Cardellini, Strukturanalyse, 260Q, scheint jedoch fraglich. Es hat sich nämlich gezeigt, daß eine freie Fassung der Höraufforderung, nämlich lI~rD mit n~r, nur nachexilisch belegt ist (s.o., 112Q. 125 Die übrigen Höraufrufe der Form ;";" ,:n (n~) 'lI~ro oder 'lI~rD mit folgendem Relativsatz, die nicht eine Gruppe innerhalb des Volkes, sondern das ganze Volk ansprechen (vgl. Jes 1,10; Jer 10,1; 22,29 [Imperativ 2.fem.sing.l; Am 3,1), führen nur kurze Abschnitte ein. 126 Vgl. zum ::1" Jahwes als junges Motiv u., 6.3.2.2. 127 Gegen eine Authentizität vonJer 2,4-13 äußert bereits Duhm Bedenken (zitiert nach W. Thiel, Jeremia 1-25, 80). Anders R. Albertz, Jer 2-6, 27f. 128 So mit C. Levin, Verheißung, 152ff; K.-F. Pohlmann, Ferne Gottes, 115ff; K. Schmid, Buchgestalten, 335ff.

Hos 4,1-3

125

6.3.2.2 Jahwes Rechtsstreit (Hos 4,lba) Die für Hos 4,lba charakteristische Formulierung illil" J'1 ':J findet sich außer in Hos 12,3 129 nur noch zweimal im Alten Testament, und zwar in Jer 25,31 130 und in Mi 6,2. 131 Der Mi-Vers steht in nächster Nähe zu Hos 4,lba. Nur an diesen beiden Stellen wird Oll illil" J'1 ':J durch den Imperativ 2.masc.plur. von l)~rt) eingeleitet (Hos 4,la; Mi 6,2a). Die enge Beziehung zwischen Mi 6,2 und Hos 4,laba ist durch literarische Abhängigkeit erklärbar. Formgeschichtliche Ursachen wie eine Gattung "Rechtsstreit" kommen nicht in Frage, da l)~rt) mit anschließendem Verweis auf J'1 ansonsten nirgends belegt ist. Mi 6,2 fungiert in diesem Abhängigkeitsverhältnis als Vorbild; denn Hos 4,laba bewegt sich verglichen mit Mi 6,2 auf einem höheren Reflexionsniveau, indem der Text sämtliche Bewohner des Landes Israel ohne Rücksicht auf ethnische Unterschiede einbezieht (f1Kil 'Jrt)1'). Mi 6,2 beschäftigt sich dagegen allein mit dem J ahwevolk (1~l)). J er 25,31 geht wiederum über Hos 4,1 hinaus, indem hier die Völker weltweit einbezogen werden. Die oben vorgeschlagene nachexilische Genese von Hos 4,laba ist hiermit bestätigt. Hos 4,lba wirkt fast wie ein Zitat von Mi 6,2. Eine vergleichbare Aufnahme von Texten des Dodekapropheton findet sich in Hos sonst nur in Hos 1,1.2b-4.6. 132 Das deutet darauf hin,133 daß Hos 1,1.2b-4.6 und Hos 4, lf,f gemeinsam eine Redaktionsschicht in Hos bilden. Dafür spricht ferner, daß in beiden Abschnitten zentrale Aussagen im Qinametrum wiedergeben werden. Wie Hos 1,1.2b-4.6 dient somit auch Hos 4,lf'f dazu, das werdende Hos-Buch am Kopf des späteren Zwölfprophetenbuches zu verankern. Diese Verankerung wird durch Zitate und Textanspielungen sichergestellt. 129 Hos 12,3 hängt von 4,1ba ab (s.u., 7.4.5.3). Außerdem fällt eine Parallele zu Jer 25,31; Hos 4,1aba und Mi 6,2 in der Damaskusschrift auf (CD I,2). 130 Die späte Herkunft dieses Verses ist unumstritten, s. W. Thiel, Jeremia 1-25, 262ff; O. Kaiser, Grundriß Bd. 2, 79. 131 Das Thema des Rechtsstreits J ahwes mit seinem Volk ist im Alten Testament außerdem nur in wenigen späten Texten belegt Ges 3,13LXX; 27,8; 57,16; Jer 2,9; vgl. auch CD I,2). Für seine These, der Rechtsstreit J ahwes gegen Menschen sei in der Prophetie seit Amos geläufig, muß Gemser äußerst heterogene Texte heranziehen, als deren Hintergrund der Rechtsstreit oft alles andere als evident ist (B. Gemser, Pattern, 129ff). So fehlen z.B. in Am 1,3-2,3 die entsprechenden Begriffe. Nicht zuletzt ist unverkennbar, daß dieses Theologumenon Konzeptionen wie die Bundestheologie voraussetzt (so auch z.B. K. Nielsen, Prosecutor, 34.74ff), die vorexilisch noch nicht bekannt waren (so mit E. Aurelius, Ursprung, 4ff). 132 Dort nimmt Hos 1,1 auf Am 1,1; Mi 1,1a; Zeph 1,1 Bezug (s.o., 6.1) und Hos 1,6 auf Am 7,8; 8,2 (s.o., 5.3.1). 133 Zu weiteren Gründen für die Zusammengehörigkeit von Hos 1,1.2b-4.6 und 4,1aba.2a in einer Schicht S.u., 130.

126

Die älteste Einleitung

6.3.2.3 Die Anklage (Hos 4,2a) Die fünf Inf.abs. aus Hos 4,2a sind engstens sowohl auf den Dekalog als auch auf andere Texte in Hos bezogen. Diesen Textbezügen und ihren Hintergründen ist im Folgenden nachzugehen. Exkurs: Die Forschungslage bezüglich des Verhältnisses von Hos 4,2a zum Dekalog Zwischen Hos 4,2a und dem Dekalog (Ex 20,1-17; Dtn 5,1-21) einerseits undJer 7,9 andererseits bestehen eindeutige sprachliche Bezüge. Hos 4,2a enthält drei Inf.abs, die zugleich als drei Prohibitive in Ex 20,13-15 und Dtn 5,17-19 vorkommen (n~1; JJJ; ~KJ). Die Reihenfolge der drei Verben stimmt in beiden Dekalogfassungen überein, ist aber eine andere als in Hos 4,2a. Außerdem erscheinen die drei Verben wiederum als Inf.abs. in Jer 7,9, jedoch in einer anderen Abfolge als in Hos 4,2a und dem Dekalog. 134 Die gängige Auffassung bezüglich des Verhältnisses von Hos 4,2a zum Dekalog geht davon aus, daß der historische Hosea als Verfasser ihn kennt. 135Auf der anderen Seite gibt es seit ca. 1900 Positionen, die den Hos-Text als Vorbild für den späteren Dekalog einschätzen (Marti, Levin und HOSsjeld).136 Eine Alternativthese, die die Dekalogbezüge in Hos 4,1-3 weniger in den Mittelpunkt stellt, hat Jeremias formuliert. Er erkennt, daß diese Verben im Inf.abs. im Folgekontext (v.a. 6,7ff; 7,1f) von Hos 4,2a ihr Gegenstück haben; es würden also absichtlich Verben ausgewählt, die im Folgekontext noch einmal vorkommen, um diesen Kontext einzuleiten. Mit seiner Position hat Jeremias die anschließende Diskussion geprägt. 137 Erst in jüngerer Zeit hat Nissinen die These erneuert, daß Hos 4,2a vom Dekalog abhängt, daraufhin aber für eine nachhoseanische Herkunft plädiert. 138 Somit kann das Verhältnis von Hos 4,2a zum Dekalog kaum als abschließend geklärt betrachtet werden.

134 Zu den Variationen in der Abfolge der drei Verben s. J. Jeremias, ATD 24/1, 62, Anm. 4. Von den sechs möglichen Anordnungen der drei Verben sind fünf belegt, wenn man die griechische Überlieferung einbezieht. üb man daraus schließen kann, daß eine Dreierreihe dieser Gebote lange Zeit für sich bestand, scheint dennoch fraglich, da die Gebote der Definition durch weitere Gesetzestexte bedürfen (s.u., 127ff). 135 So E. Sellin, KAT 12, 54; W. Rudolph, KAT 13/1, 101; A. Alt, KS I, 333; E. Bons, NSK.AT 23/1, 69; A.A. Macintosh, ICC, 130f; H.-D. Neef, Heilstraditionen, 207f. Doch bleibt hier umstritten, ob der Dekalog Hosea bereits schriftlich vorlag. J. Wellhausen, Kleine Propheten, 109, bezweifelt eher, daß Hosea den Dekalog gekannt haben könnte. Jeremias erwägt für Hos und für den Dekalog eine Herkunft der drei gemeinsamen Verben aus dem alt israelitischen Recht, gewissermaßen aus den Vorformen des späteren Dekalogs (ATD 24/1, 62f). 136 K. Marti, KHC 13,39; C. Levin, Dekalog am Sinai, 63f; F.L. Hossfeld, Dekalog, 276ff; mit ihnen S. Grätz, Vergebliche Suche, 201. 137 J. Jeremias, Hosea 4-7, 57; T. Naumann, Hoseas Erben, 19ff. So bereits H. Schulz, Todesrecht, 7f, Anm. 7. 138 M. Nissinen, Prophetie, 92f.129ff.152ff.

128

Die älteste Einleitung

Auch die Wurzeln ~KJ, n~, und wn:::l sind in Hos 6,9; 7,3.4aa (= C'!lKJ~ C,:::l) in einer ursprünglich zusammenhängenden Textfolge belegt.145 Nur durch den Bezug auf diese Passage wird klar, daß wn:::l und ~KJ in Hos 4,2a wie i"l'K auf soziale Vergehen unter Menschen abzielen, nicht auf ein Fehlverhalten gegenüber Jahwe. Daß in Hos 4,2a genau diese Inf. aus dem vorgegebenen Textgut isoliert werden, ist darauf zurückzuführen, daß hier Gesetzestexten und v.a. dem Dekalog Rechnung getragen werden soll. So spielt wn:::l in Hos 4,2a auf Lev S,21f; 19,11 sowie auf das Verbot des Falschzeugnisses in Ex 20,16 an. 146 ~KJ und n~, beziehen sich auf die Deka10gprohibitive Ex 20,13f; Dtn S,17f und weitere Gesetzestexte, nämlich Lev 20,10; Num 3S,11ff; Dtn 4,41-43; 19,4-6. Das bestätigt folgende Beobachtung: im Fall von ~KJ und n~, kommt es um dieser Anspielung auf Dekalog und Gesetze willen zu einem Stammformenwechsel in Hos 4,2a gegenüber der Vorlage Hos 6,9; 7,4aa. In Hos 6,9; 7,4aa steht wie für Sozialkritik üblich das Piel. 147 Dagegen wird in Hos 4,2a das Qal gebraucht, das dem Sprachgebrauch in Dekalog und Gesetzestexten entspricht und das außerhalb des Pentateuchs nur in Stücken erscheint, die diese Gesetzestexte voraussetzen. 148 Käme es in Hos 4,2a nur auf eine Zusammenfassung der Verkündigung aus Hos 4-14* an, wäre das Piel von ~KJ und n~, zu erwarten. Der Übergang zu Qal erklärt sich nur äus einem etablierten Rechtssprachgebrauch, dessen Aufnahme im Blick auf das Stichwort ~" in Hos 4,lba nahe lag. Nach allem ist deutlich geworden, daß die Inf.abs. in Hos 4,2a den Dekalog voraussetzen; Hos 4,2a kann keinesfalls ein Vorläufer bzw. eine Vorstufe des Dekalogs sein. Exkurs: Hos 4,2a und Jer 7,9 Hos 4,2a führt das Prinzip der Objektlosigkeit der Inf. konsequenter aus als Jer 7,9 und als der Dekalog. Darin liegt eine Weiterentwicklung der Konzeption. Außerdem ist Jer 7,9 durch ein He interrogativum deutlich besser in die Syntax seines Kontexts integriert. Hos 4,2a setzt dagegen voraus, daß der Leser mit Inf.-Reihen im Schuldauf-

145 S.u., 8.3. Lediglich :llJ fehlt hier noch, vgl. u., 142. 146 So mit H.-D. Neef, Heilstraditionen, 199. 147 ~Kl: z.B. Jer 9,1; 29,23; Ez 23,37; Mal 3,5; Ps 50,18; n~,: z.B. Jes 1,21; Ps 94,6. 148 Die Qal-Belege von ~Kl oder n~, außerhalb des rechtlichen Gebiets sind jung: I Reg 21,19; Jer 3,9; 5,7; 7,9; Ez 16,38; 23,45; Hi 24,15; Prov 6,32. In Ez 16; 23 taucht ~Kl Qal erst dann auf, als es um das Recht der Ehebrecherinnen geht. Hi 24,14f dürfte von Hos 4,2a oder vom Dekalog abhängen, denn es erscheinen auch :llJ und n~, im Qal. Der gleiche Verdacht besteht für Jer 5,7, weil hier den Söhnen falsches Schwören und Ehebruch nachgesagt wird. Allerdings wird hier das falsche Schwören begrifflich klar definiert (C'ii'K K':J Niphal17:JtzI), da anders als in Hos 4,2a kein Zwang besteht, auf die vorhandene Terminologie des Buches Rücksicht zu nehmen. Zu Jer 3,6-11 als Nachtrag vgl. W. McKane, Poetry and Prose, 223ff; K. Schmid, Buchgestalten, 284f. Zu I Reg 21,19 s. E. Würthwein, ATD 11/2, 251ff. Zu Jer 7,9, s.u., 128f.

Hos 4,1-3

129

weis bereits vertraut ist, weil er Texte wie Jer 7,9 und 23,14 kennt, so daß er ohne die Einführung durch eine Präposition oder Konjunktion versteht, daß die Inf. in Hos 4,2a den Schuldaufweis darstellen. 149 Nicht zuletzt bietet in Jer 7,1 die Höraufforderung die ältere Form, da sie keinen Buchabschnitt, sondern nur eine prophetische Äußerung einleitet. 150 Aus all dem ist zu folgern, daß Hos 4,2a jünger ist als Jer 7,9. 151 Gegen diese These kann man nicht damit argumentieren, daß in Hos 4,2a anders als in Jer 7,9 das Erste Gebot noch nicht bekannt sei, da beim Vorwurf des Fluchens in Hos 4,2a das Verbot des Namensmißbrauchs mitschwingt, das das Erste Gebot voraussetzt. Daß die Wurzeln für einen Schuldaufweis im Inf.abs bis in die prophetische Sozialkritik zurückreichen, läßt sich an Jer 23,14 wahrnehmen, da in diesem älteren sozialkritischen Text zwei der Vorwürfe (Lügen und Ehebrechen) bereits als Inf.abs. auftauchen, auch wenn "Lügen" hier anders formuliert ist.

Der pauschale Vorwurf des Diebstahls in Hos 4,2a setzt lediglich Gesetzestexte (z.B. Ex 21,16; 22,6-12) und den entsprechenden Dekalogprohibitiv voraus (Ex 20,15; Dtn 5,19). Zwar ist auch in Hos 7,lb von einem Dieb die Rede, doch kommt es hier nicht auf die Verwerflichkeit des Diebstahls an, sondern auf eine Illustration der chaotischen Lage, die vermutlich auf Jahwes Gericht zurückzuführen ist. 152 Dies ist eine Problematik, die in Hos 4,2a keine Rolle spielt. Offensichtlich wurde dieser Inf.abs. in Hos 4,2a angeführt, damit der Vers der Reihe von drei objektlosen Prohibitiven im Dekalog voll entspricht. Es ist also davon auszugehen, daß Gesetzestexte - die sich nicht auf das Dtn beschränken - für Hos 4,2a normative Geltung beanspruchen. An ihnen wird das Verhalten Israels gemessen. Deshalb werden in den fünf Inf.abs in Hos 4,2a Begriffe ausgewählt, die fast alle im vorliegenden Material vorkommen und jeweils einem Verbot des Dekalogs entsprechen. Die vorgegebenen Schuldaufweise (Hos 6,9; 7,3.4aa; 10,4a) werden so zusammengefaßt und als Verstoß gegen den Dekalog gewertet. Auf dieser Linie liegt die Beobachtung Neefs, daß Hos 4,2a besondere Schärfe gewinnt, indem hier Verstöße gegen Jahwes ausdrückliches Gebot angeprangert

149 Auch die Beobachtungen, die Andersen und Freedman bei einem Vergleich von Hos 4,1-3 undJer 7 sammeln, sprechen dafür, daßJer 7,9 älter ist, vgl. F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 333f. 150 S.o., 6.3.2.1. Sogar die Wurzel)'1!! erscheint in Jer 7,11, d.h. im Folgekontext von 7,9, in einer etwas gängigeren Form als in dem Nachtrag Hos 4,2b, nämlich als )"1!!, Räuber, vgl. auch HAL,911. 151 Anders C. Levin, Verheißung, 9lf. 152 S.u.,7.1.2.

130

Die älteste Einleitung

werden. 153 Da Hos 4,2a, wie oben gesehen, zum Grundbestand von Hos 4, lf ( = 4, 1aba.2a) gehört, ist diese Gesetzestreue entscheidend für die theologiegeschichtliche Verortung dieses Grundbestandes. Wegen der Schlüsselrolle des Gesetzes muß man den theologischen Standpunkt von Hos 4,laba.2a als spätdtr. bezeichnen. 154 Ein weiteres Indiz dafür ist der dtr. Mi 6,2 als entscheidender Einflußtext für Hos 4,lba. 155 Bereits Wolf! waren die starken Gemeinsamkeiten zwischen Hos 4,lf" und Hos 1,1 aufgefallen, und er hatte auf die Herkunft beider aus einer dtr. Hand geschlossen. 156 Ihm ist mutatis mutandis rechtzugeben. Die Schicht ist allerdings umfangreicher, da sie nicht nur Hos 1,1, sondern 1,1.2b-4.6 umfaßt. Sie ist auch jünger als Wolf! annahm, denn Hos 4,laba.2a und Hos 1,1.2b-4.6 sind von spätdtr. Theologie geprägt. 157 Die aus Hos 1,1.2b-4.6 sowie aus Hos 4,lf~c bestehende Schicht gestaltet das werdende Hos-Buch als Prophetenbuch. Auf Hos 1,1.2b-4.6 als Erzählteil folgt in Hos 4,lf* die Überleitung zum Redeteil (Hos 4-14*).158

6.3.3 Hos 4,2b.3 als Nachträge zu Hos 4,laba.2a

Das Ziel der beiden Zusätze Hos 4,2b und 4,3 ist es, den ihnen vorliegenden Text Hos 4,1.2a 159 umzuinterpretieren. Die Tendenzen, nach denen diese Uminterpretation jeweils erfolgt, sind in beiden Fällen typisch für späte Nachträge in Hos. Aus diesem Grund müssen diese sekundären Anteile hier besprochen werden. Zwar ist der Vorwurf der Blutschuld (Hos 4,2b) im Alten Testament insgesamt weit verbreitet, in Hos jedoch erscheint t:n nur in 6,8, t:l't.~, nur

153 H.-D. Neef, Heilstraditionen, 208. 154 K. Schmid, Buchgestalten, 346ff hat darauf hingewiesen, daß Gebotsgehorsam ein essentielles Kriterium darstellt, um dtr. Texte von solchen zu unterscheiden, die lediglich dtr. Floskeln verwenden. Hos 4,lf* entspricht diesem Kriterium. 155 Zu einer theologiegeschichtlichen Verortung von Hos 4,lf* als dtr. vgl. auch Nissinen, Prophetie, 152ff.204ff für 4,lba ohne ':l und 4,2a. Nissinen datiert allerdings frühnachexilisch, und das ist zu früh. Eine zu frühe Datierung ist auch Yee vorzuwerfen, die 4,lf für dtr. hält, und dem vorexilischen R1 zuschreibt (Composition, 267f). 156 Vgl. BK.AT 14/1, 82f. Wolff hebt hervor, daß nur an diesen beiden Stellen in Hos von ;'1;" ,~, die Rede ist. 157 Vgl. dazu 0., 94. 158 S. dazu auch U., 10.4. 159 Hos 4,lbß war zeitlich bereits vor den Zusätzen Hos 4,2b.3 ergänzt worden. Dieser Versteil bietet eine höher reflektierte Interpretation der Inf.abs aus Hos 4,2a, die aber von ihrer Tendenz her mit der Tendenz des Grundbestandes Hos 4,laba.2a übereinstimmt. Deshalb dürfte die Einschaltung von 4,lbß im Sinne einer Konglomeratschicht durch dieselben Trägerkreise erfolgt sein, auf die auch der Grundbestand zurückgeht.

131

Hos 4,1-3

in 1,4; 4,2b und 12,15. Charakteristisch für alle diese Stellen ist eine schwerpunktmäßige oder gar exklusive Anklage gegen den Norden. 160 Der älteste Beleg für C'~' in Hos ist in 1,4 zu finden. Sowohl4,2b als auch 12,15 gehen von Hos 1,4 aus; denn gegenüber Hos 1,4 zeigen sich Fortschritte in der Reflexion. Für 1,4 ist Blutschuld ein konkretes Vergehen, die Morde an den Davididen im Zusammenhang mit der Jehu-Revolution. 161 Die Verfasser von 4,2b und 12,15 verallgemeinern dies. 12,15 stellt im Anschluß an 12,14, der ja mit dem Exodus ein gesamtisraelitisches Thema angeschnitten hat, klar, daß Jahwe die entscheidende Schuld, die Blutschuld, nur Ephraim auferlegt. Hos 4,2b vollzieht dieselbe Einschränkung gegenüber 4,1.2a. Während dort eindeutig sowohl der Norden als auch der Süden angesprochen sind (vgl. das Stichwort "Bewohner des Landes"), soll der Leser durch 4,2b an die Blutschuld von J esreel, an der Juda nicht beteiligt war, erinnert werden, so daß zumindest die schweren Vergehen aus 4,2a sowie die folgenden Anklagen in 4,6-14 allein den Norden betreffen. 162 Der Verfasser von 4,2b kann die Anklage gegen das ganze Volk in 4, 1.2a zwar nicht aufheben, aber doch auf den Norden zuspitzen. Aus dieser Uminterpretation läßt sich schließen, daß 4,2b zusammen mit 12,15 zur großen Gruppe der Zusätze gehört, deren Verfasser das damalige Hos-Buch wieder auf eine exklusive Kritik am Norden fokussieren wollen. 163 In 4,3 lassen sich Einflüsse des Jer-Buches feststellen, wie sich an der Wurzel 'JK erkennen läßt. Diese Wurzel ist nämlich im Qal und mit dem Subjekt f1K:1 fast nur in Jer belegt (4,28; 12,4; 23,10; sonst nur Jes 24,4).164 Von diesen Belegen stehen Hos 4,3 besondersJer 4,28 und 23,10 nahe; denn (4,28) oder der Verweis auf Trauer erfolgt auch dort entweder durch nKr durch 'J!I~ (23,10), was dem P in Hos 4,3 entspricht. Da die Jer-Texte anders als:1J JrzJ1' in Hos 4,3 die Menschen noch nicht in die Trauer einbeziehen, sind sie als ältere Vorbilder von Hos 4,3 zu bestimmen. Erhel-

,::1

'l)

'l)

160 Zu Hos 6,8 S.u., 7.2.1. 161 Vgl. dazu 0., 92f. 162 Zugleich leistet der Begriff D'~' eine Zusammenfassung der Vorwürfe aus 4,1-3, so mit H.-D. Neef, Heilstraditionen, 204. 163 Es handelt sich um die Ergänzungen der .jungen Samariapolemik", s.o., 4.2.5 und U., 7.2.3f; 10.6. 164 InJes 24,4.7; 33,9; Jer 12,11; Jer 14,2; Joell,10; Am 1,2 changiert ":lI~ zwischen .trauern" und .vertrocknen", so daß Assoziationen an eine Dürrekatastrophe in Betracht kommen. Allerdings erscheint es unzulässig, das Verb in seiner Bedeutung auf Dürreperioden einzuschränken und politische Ereignisse, die Trauer hervorrufen, nicht einzubeziehen, da für eine gewöhnliche Dürre Termini wie rD::I' zur Verfügung stehen (Vgl. HAL, 367f; so auch M. Nissinen, Prophetie, 97). Aus diesem Grund ist es nicht unproblematisch, Hos 4,3 wie T. Naumann, Hoseas Erben, 22ff; J. Jeremias, A TD 24/1, 62f aus dem kultprophetischen Repertoire der Dürreklage zu deuten. Die Verben verweisen von vornherein auf einen viel weiteren Horizont und lassen sich nicht auf .Dürre" einschränken.

132

Die älteste Einleitung

lend sind die Paralleltexte, die wie Hos 4,3 das Partizip von :ltD' verbunden mit :l und einem Suffix 3.fem.sing., bezogen auf l"'K verwenden: Jes 24,6; Jer 50,3; Am 8,8; 9,5; Nah 1,5; denn diese Formulierung ist charakteristisch für Texte über kosmisches Unheil. Die Verbindung von ':lK und '~K (pulal) mit Subjekt l"'K findet sich bevorzugt in späten, apokalyptisierenden Texten Q"es 24,4; 33,9).165 Also bestehen deutliche Gemeinsamkeiten zwischen Hos 4,3aa.ß und Jes 24,4.6. In Hos 4,3 wird somit ein spätes, apokalyptisierendes Vokabular gebraucht. Mit Hilfe dieses Vokabulars werden die GerichtstexteJer 4,28; 23,10 über die Ereignisse von 587 v.ehr. im Lande, die hier ebenfalls als Vorbild dienen, universalisiert und auf die Endereignisse bezogen. 166 Schon durch die universalen Ausmaße der Katastrophe ist klar, daß sie Nord und Süd betrifft, daß Juda also ins Gericht einbezogen ist. Eine vergleichbare Position artikuliert sich in Hos 6,l1a. 167

6.4 Fazit Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, daß die Buchüberschrift Hos1,1 nicht von dem Fremdbericht Hos 1,2b-4.6 zu trennen ist. Die Textfolge Hos 1,1.2b-4.6, der Kern des Kapitels, soll die Texte in Hos 4-14* mit einer Prophetenlegende einleiten. 168 In Hos 1,1.2b-4.6 sind prophetentheologische Topoi, in denen die Lebenssituation eines Propheten als Mittel seiner Verkündigung wichtig ist (vgl. so auch Jes 8,1-4; Jer 16; Ez 24), mit der dtr. Bewertung der Übertretung des Ersten Gebots als Hurerei (Hos 1,2b) kombiniert. Hier liegt eindeutig ein Produkt schriftgelehrter Theologie vor. Die theologische Argumentation dieser Textschicht ist folgende: Sie will festhalten, daß zum einen die Botschaft von Hos alle Menschen im Land (Nord und Süd) betrifft (1,1.2b), daß aber zum anderen von einem Schwerpunkt von Schuld und Gericht im Norden auszugehen ist (1,4.6). Damit folgt Hos 1,1.2b-4.6 der Konzeption des DtrG, in dem zwar auch Judas Versäumnisse bezüglich der Kultzentralisation angeklagt werden, 165 Die enge Beziehung von Hos 4,3aa zu Jes 24,4-13 beobachten auch H. Mölle, Ende der Priester, 265; J. Jeremias, ATD 24/1, 62f und T. Naumann, Hoseas Erben, 23, wobei Naumann Hos 4,3 für älter als Jes 24 hält, aber doch in jedem Fall für nachjeremianisch. 166 Über die Tiere in Hos 4,3ay.b werden Bezüge zu einem weiteren Gerichtstext hergestellt, der schon wegen seines kosmischen Ausmaßes apokalyptisch genannt werden muß: Zeph 1,2. Auch nach Jer 12,4 kommen die Tiere im Gericht um, wobei anders als in Hos 4,3ay.b ~'11 und m~ilJ genannt werden. S. dazu auch H. Mölle, Ende der Priester, 265, Anm. 32. 167 S.u., 7.2.2. 168 Vgl. 0.,5.3.1 zu den Anspielungen auf Texte des Dodekaprophetons in Hos 1*. Diese legen nahe, daß mit Hos 1* zugleich die Verankerung in einer werdenden Sammlung von Prophetenbüchern (dem späteren Zwölfprophetenbuch) intendiert war.

Fazit

133

aber besonders das noch größere Verschulden des Nordens auf diesem Gebiet in Form der Sünde Jerobeams hervorgehoben wird. Man wird also Hos 1,1,2b-4.6 als spätdtr. einstufen müssen. Im Blick auf dieses Ergebnis ist für die Frage nach der Historizität eines Hosea ben Beeri Folgendes festzuhalten: Es läßt sich nicht bestreiten, aber auch nicht wirklich sicherstellen, daß ein solcher Hosea als Autor für Ursprungstexte des Hos-Buches in Frage kommt. In Analogie zu Jon 1,1 kann man annehmen, daß es Kenntnisse von einem gewissen Hosea ben Beeri gegeben hat. Denn die dortige Prophetenfigur J ona ben Amittai ist auch andern Orts belegt (II Reg 14,25). Die Gestalt Bileams, die sowohl im Alten Testament (Num 22-24) als auch als Sprecher der Bileaminschrift von Deir Allah vorkommt, zeigt, daß sehr unterschiedliche Sprüche einer berühmten Gestalt (nachträglich) in den Mund gelegt werden konnten. Die anonym umlaufende deuterojesajanische Sammlung stellt insofern einen Parallelfall zu entsprechenden Prozessen in Hos dar, als eine ursprünglich anonyme selbständige Spruchsammlung im nachhinein an das Protojes-Buch angeschlossen und so zu Worten Jesajas deklariert wurde. 169 Man konnte also, um Propheten büchern eine Überschrift zu verleihen und sie mit einer bekannten Persönlichkeit in Verbindung zu bringen, auf im alttestamentlichen Textgut oder auf andere Weise erhaltene Erwähnungen von Propheten zurückgreifen. Festzuhalten ist in jedem Fall, daß aus Hos 1,1 keinesfalls die Herkunft dieser Gestalt aus dem Norden zu folgern ist. 170 Vielmehr deutet alles darauf hin, daß der Leser an einen judäischen Propheten denken soll, da auch im Folgenden alle Texte und Textschichten aus judäischer Perspektive formuliert sind.

Im Zusammenhang mit der Vorschaltung von Hos 1,1.2b-4.6 ist auch die Einschaltung des Höraufrufes Hos 4,laba.2a zu sehen. Dieser Höraufruf dient als gezielte Überleitung von der kurzen Prophetenerzählung 1,1.2b-4.6 zum Redeteil Hos 4-14*. Vor der Konzipierung von Hos 1,1.2b-4.6 existierte lediglich eine anonyme Spruchsammlung, die durch den Höraufruf 5,1* ("Hört dies, ihr Priester und Haus des Königs, hört hin, denn ihr seid ein Klappnetz für Mizpa geworden und ein ausgespanntes Fangnetz auf dem T abor!") eingeleitet wurde. Phasen solcher anonymen Überlieferung von Text/olgen lassen sich auch sonst im Alten Testament nachweisen. Es sei noch einmal an das Beispiel Deuterojesaja erinnert. Hier wird durch einen anonymen Visionsbericht es

a

169 Zur ursprünglichen Selbständigkeit der deuterojesajanischen Sammlung s. auch o. Kaiser, Grundriß Bd. 2, 49.52ff. 170 S.o., 107.

134

Die älteste Einleitung

40,1-8) alles weitere als prophetisch gekennzeichnet. l7l Damit war an sich schon garantiert, daß die Leser das Folgende als prophetische Worte wahrnahmen. Es mußten anfänglich keineswegs immer Prophetennamen eingesetzt werden. Daß mit der Existenz zunächst anonym tradierter Prophetenwortsammlungen gerechnet werden darf, bestätigen auch altorientalische Parallelen. 172 "Wie im antiken Gemeinschaftsleben üblich, sind Prophetentexte wohl zunächst ganz anonym entstanden und erst sekundär in namentlich bezeichneten Sammlungen zusammengefaßt worden. ,,173 Nach allem ist davon auszugehen, daß eine ältere Spruchsammlung zunächst bis in fortgeschrittene nachexilische Zeit anonym überliefert wurde, wie dies auch für Deuterojesaja zu veranschlagen ist. Nachdem nun Hos 5,1'< als Einleitung einer wie auch immer gearteten älteren Sammlung ermittelt wurde, ist nun nach deren Konturen im einzelnen zu fragen. Es muß deshalb eruiert werden, welche Texte ursprünglich auf Hos 5,P folgten.

171 Möglicherweise hatten beispielsweise auch der Höraufruf in Mi 3,1 und der Weheruf Zeph 3,1 eine ähnliche Funktion, denn daß die Überschrift in beiden Büchern spät vorgeschaltet wurde, ist Konsens, s.o., 6.1. 172 In den Maribriefen treten die jeweiligen Propheten des öfteren namenlos als "ein Mann", "eine Frau", "eine Sprecherin" oder "ein Ekstatiker" auf (TUAT 2, 84ff). Die gelehrte babylo. nische Prophetie mit ihren charakteristischen vaticinia ex eventu verzichtet durchgehend auf die Erwähnung von Prophetennamen (TUAT 2, 65ff). Zwar ist in der assyrischen Prophetie die Nennung des Prophetennamens in Spruchsammlungen weit verbreitet (vgl. TUAT 2, 56ff; S. Parpola, Assyrian Prophecies, LXIIff), aber es gibt doch Ausnahmen, die nicht auf Textverlust durch Zerstörung der Tontafeln zurückzuführen sind (z.B. S. Parpola, Assyrian Prophecies, LXIIff und 40). In nichtprophetischen Gattungen mit Erwähnung von Propheten spielt der Name häufig gar keine Rolle (M. Nissinen, References, 169f). Im Westen kann man als Beleg dafür, daß Prophetensprüche ohne einen Prophetennamen bewahrt werden konnten, zusätzlich die Inschrift Zakars von Hamat anführen (vgl. TUAT 1, 626f). I Reg 13,1-10 enthält einen durch ein Wunderzeichen beglaubigten Prophetenspruch, ohne daß der prophetische Sprecher namentlich bezeichnet würde. 173 E.S. Gerstenberger, "Gemeindebildung" , 48f.

7. Die Überschrift Hos 5,Pund die dazugehörige anonyme Spruchsammlung Der Grundbestand von Hos 1 (1,2b-4.6) hat sich einschließlich der Überschrift 1,1 als Produkt einer spätdtr. Redaktion und somit als nachexilischer Text erwiesen. Da nur aus diesen Aussagen! hervorgeht, daß alles Folgende die Worte des Propheten Hosea darstellt, folgt daraus, daß eine Vorstufe bis in nachexilische Zeit anonym überliefert wurde. Dieses ältere Textgut war, wie oben dargelegt, durch den Höraufruf 5,1"2 als Prophetenrede gekennzeichnet. Für die Suche nach der unmittelbaren Fortsetzung von 5,1~' kommt der gesamte Bereich Hos 5,1-7,16 in Betracht, weil weder zwischen c. 5 und 6 noch zwischen c. 6 und 7 ein klarer kompositioneller Schnitt liegt. Insbesondere c. 6 hat weder eine eigene Einleitung noch einen eigenen Schluß. 3 Erst der neue Imperativ 8,1 bedeutet einen gewissen Abschluß. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, daß die durch 5, 1~, eingeleiteten Texte in einer früheren Fassung von Hos 5-7 beispielweise innerhalb von c. 6 fortgesetzt wurden. Da es in Hos 7 Spuren ältester Texte gibt (z.B. 7,8b.11a),4 ist dieses Kapitel mit einzubeziehen. Es ist allerdings auch damit zu rechnen, daß weiteres älteres Textgut in Hos 8-14" mit der Überschrift 5,1" abgedeckt war. Für Hos 5,1-7,16 ergibt die Suche, daß sich nur 6,4b direkt und problemlos an 5,1" anschließen läßt. Allein dieser Halbvers entspricht 5,1':' stilistisch und theologisch. Hos 6,4b lautet: "Und eure Solidarität (,on) ist wie 1 Zu dem noch jüngeren Nachtrag 1,2a s.o., 6.1. 2 5,1* enthält folgenden Textbestand: "Hört dies, ihr Priester und Haus des Königs, hört hin, denn ihr seid ein Klappnetz für Mizpa geworden und ein ausgespanntes Fangnetz auf dem Tabor!" 3 6,1-3 schließt sich an 5,15 an und expliziert die dort erhoffte Umkehr. Die LXX verstärkt diese Tendenz, indern sie V.15b zu 6,1 zählt und "l::yoV'tEs ergänzt. C. 5 geht also unmittelbar in c. 6 über. 6,10 wirkt wie ein Schlußfazit zu den Vorwürfen aus 6,4ff, auf das ein Drohwort zu erwarten wäre. Dieses Drohwort erscheint aber frühestens in 7,2, also bereits im nächsten Kapitel. 7,3 setzt sogar die Vorwürfe aus 6,9 fort und stimmt stilistisch stark mit 6,9 überein. Zwischen Hos 6 und Hos 7 gibt es also keine Grenze, so auch H.W. WoIH, BK.AT 14/1, 136; J. Jeremias, ATD 24/1, 92. Festzuhalten ist, daß Hos 5,1-7 keine eigenständige Einheit bilden, wie die Mehrheit der Forschung annimmt, s. die Kommentare z.St. Vielmehr sind 5,1-7 offensichtlich im Zusammenhang von Hos 5-7 insgesamt gewachsen. Dieses Wachstum zeigt sich an den beiden Zitatrahmen 5,3b; 6,10b sowie 5,5a; 7,10a. Nicht zuletzt wurde Hos 5,8, der scheinbar eine neue Prophetenrede einleitet, erst sehr spät ergänzt, s.u., 7.3.5. 4 S.o., 4.3.

136

Die Überschrift Hos 5,1 *

die Morgenwolke, wie der Tau, der früh vergeht." 5,1'~ und 6,4b sind beide in der Anrede in der 2.masc.plur. und im Parallelismus membrorum abgefaßt, und es werden jeweils bildhafte Vergleiche verwendet, um die Schuld der Angeklagten zu verdeutlichen. In 6,4b wird wie in 5,1" sozialkritisch argumentiert,5 denn das Stichwort ,on bezieht sich meistens auf ein sozial angemessenes Verhalten unter Menschen. 6 Beide Verse sind so aufeinander abgestimmt, daß sie auf ein und denselben Autor zurückgehen. Der große Abstand zwischen 5,1~' und 6,4b in der jetzigen Gestalt von Hos 5,1-7,16 ist durch das reichhaltige Wachstum in diesem Textbereich bis in die Spätzeit hinein bedingt.7 Hos 5,1" und 6,4b im Zusammenhang widmen sich der Sozialkritik an Oberschichten. Weitere Texte mit dieser Tendenz finden sich in Hos 5ff. So bietet Hos 6,9 eine scharfe Priesterkritik. In 7,3 ist von einer weiteren Oberschichtgruppe, den C'1W, die Rede; diese stehen wiederum in Hos 5,10a im Mittelpunkt der Kritik. Die meisten Vorwürfe in diesen Texten setzen ein heimtückisches Verhalten der Beschuldigten voraus; das korrespondiert mit 5,1", wo die Angeschuldigten im Bildvergleich ebenfalls als heimtückisch charakterisiert sind. Auch beschreibt 6,9 wie 5,1" den Aktionsradius der Täter, indem der Namen des Ortes genannt wird, in dessen Umkreis sie ihr Unwesen treiben. So wie 5,1'~ durch die Erwähnung Mizpas Juda einbezieht, so werden in 5,10a die ;"';" '1W verurteilt. Trotz dieser deutlichen Gemeinsamkeiten und Berührungen können 5,10a; 6,9; 7,3 nicht aus der gleichen Hand stammen, die 5,1"; 6,4b verfaßt hat. Zwischen 5,10a; 6,9; 7,3 und 5,1"; 6,4b sind nämlich deutlich stilistische Unterschiede zu beobachten. So sind 5,10a; 6,9; 7,3 in der 3. masc. plur. verfaßt. Das Stilmittel der Bildrede wird dort nicht verwendet. An5 Zur Begründung des sozialkritischen Aussageprofils von 5,1 * s.o., 6.2.1. 6 Z.B. Gen 21,23; 40,14; 47,29; Jos 2, 12ff; I Sam 15,6; 20,8ff; II Sam 2,5; 9,1; 10,2; I Reg 2,7; 20,31; Sach 7,9; Prov 11,17; 19,22; 20,6.28. In diesem Sinne deuten auch K. Marti, KHC 13,55f; W. Nowack, HK 3/4, 42f die Aussage aus Hos 6,4b. 7 Zu Hos 5,2 als Nachtrag zu Hos 5,1", s.o., 6.2.1. Hos 5,3 und 5,4 werden sich als Ergänzungen aus dem Bereich der "samariapolemischen" Nachtragsschichten erweisen (s.u., 7.2.1 und 9.2.2); Hos 5,5 in seinem Grundbestand und 5,9b sind ein "Abfall-Umkehr"-Text (s.u., 9.2.1 und 7.3.4). Durch seine These, daß der Kult am Rückzug Jahwes scheitert, setzt 5,6 Aussagen wie Hos 5,15 und 6,6 voraus. Diese sind aber erst eine geraume Zeit nach 5,1 * entstanden (s.u., 7.3.4 und 7.4.5.2). 5,7 spielt auf der einen Seite auf 6,7 an (~ 1l~), auf der anderen Seite auf Hos H. Die C'1r C'l~ erinnern an die C'l1lr 'l~ in Hos 2,6; vgl. auch 1,2b. Hos 5,7 muß deshalb jünger sein als Hos H. Außerdem setzen Hos 5,6f durch ihre Verwendung der 3.masc.plur. mindestens Hos 5,2 voraus, wenn nicht sogar den jüngeren Hos 5,3 oder 5,5. Zuletzt sind Hos 5,8.9a als "samariapolemische" Zusätze zu bestimmen (s.u., 7.3.5). Zu 5,15-6,3 S.u., 7.2.4 und 7.3.2. Hos 6,4a entstand als gezielte Überleitung zwischen den sehr jungen Heilsworten in 6,1-3 und dem älteren Folgekontext 6,4bff", wo hauptsächlich Schuldaufweise präsentiert werden. Außerdem verwendet 6,4a wie nur sehr junge Anteile von Hos 5,1-7,16 (5,3; 6,11a) die 2.masc.plur. für ein ganzes Volk.

Die Überschrift Hos 5,1 *

137

stelle des Parallelismus membrorum in 5,1"; 6,4b erscheint in 5,10a; 6,9; 7,3 das Qinametrum. Es ist also von unterschiedlichen Stimmen auszugehen, die eine gemeinsame, oberschichtkritische Tendenz verfolgen. Die entsprechenden Texte stellen eine Konglomeratschicht dar, die sowohl über 5,1 \ 6,4b als auch 5,10a; 6,9; 7,3 in einem langsamen, kleinteiligen Textwachstum gewachsen ist. Zum Verlauf dieses Wachstums im Bereich dieser sozialkritischen Konglomeratschicht in Hos läßt sich vorerst Folgendes sagen: 5,1':' wirkt systematisierend, indem der Vers vorliegendes Textgut gezielt als prophetische Rede gestaltet. 6,4b zeigt verglichen mit 6,9; 7,3 ein höheres Reflexionsstadium. Während 6,9; 7,3 konkrete Verbrechen beschreiben, benennt 6,4b grundsätzlich flüchtige Solidarität als Ursache von unsozialem Verhalten. Deshalb ist anzunehmen, daß 5,1"; 6,4b im Rahmen derselben Konglomeratschicht etwas später, weil systematisierend, eingearbeitet wurden als 6,9; 7,3. 8 Im Folgenden sind nun die Konturen der sozialkritischen Konglomeratschicht in Hos in großen Zügen zu umreißen. Allerdings kann dabei das kleinteilige und komplexe Textwachstum im Bereich dieser Konglomeratschicht nicht unberücksichtigt bleiben. Deshalb sind in einem ersten Schritt wichtige Bestandteile der Konglomeratschicht zu bestimmen. Erst in einem zweiten Schritt kann ihr zeitliches Nacheinander eruiert werden. Auf der Suche nach Anteilen der sozialkritischen Konglomeratschicht sind nun zunächst 6,9; 7,3 und 5,10a in ihrem Kontext zu analysieren: 6,8-7,3 9 und 5,8_14. 10 Um dabei die sozialkritischen Textanteile in ihren gewachsenen Kontexten zu begreifen, ist jeweils das Wachstum dieser Texte insgesamt zu untersuchen. Auf diese Weise kann zusätzlich das Wachstum von Hos in der Spätzeit noch klarer erfaßt werden. Da in 6,8-7,3 größere und bedeutendere Anteile der sozialkritischen Fassung von Hos 5-7 vorlie8 Zum Verhältnis von 5,10a zu 5,l"; 6,4b S.u., 7.4.2. 9 7,3 scheint zwar die Einheit 7,3-7 zu eröffnen, ist aber durch sein Qinametrum in ihr ein Fremdkörper. Dieses Metrum verbindet aber 7,3 mit 6,9, so daß es einleuchtet, beide Verse im Zusammenhang zu betrachten. 6,7 gehört nicht mehr zu der Einheit 6,8ff. Zwar halten einige Exegeten 6,7 für die Einleitung von 6,8-7,3 (1. Willi-Plein, Vorformen, 151; J. Jeremias, ATD 24/1,92; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 154; A.A. Macintosh, ICC, 237ff), aber die sprachliche Form spricht gegen diese These. Die 3.masc.plur. in 6,7 bezieht sich auf die in 6,4a erwähnten Israel und Juda (constructio ad sensum), so daß 6,7 mit dem späten Nachtrag 6,4a verbunden stehen muß. 6,8 und 6,9 nennen dagegen neue Subjekte, nämlich die Bewohner Gileads und die Priester. Sie schließen sich also nicht mehr an 6,4a an, so daß hier etwas Neues beginnt. So auch B. Duhm, Anmerkungen, 23f; W. Rudolph, KAT 13/1, 140ff; F.l. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 426ff; M.-T. Wacker, Figurationen, 235ff. 10 Zu 5,8 als Einleitung dieser Textfolge s.u., 7.3.2. 5,14 bildet den Abschluß, weil 5,15 mit seiner Rede vom Rückzug Jahwes bis zur Einsicht Israels bereits 5,12-14 im nachhinein interpretiert, s. auch u., 172.

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Die Überschrift Hos 5,1*

gen als in 5,8-14 wird die Analyse mit diesen sieben Versen 6,8-7,3 beginnen. Im Anschluß an die Analyse von Hos 5,8-14 wird die Suche nach den Anteilen der sozialkritischen Konglomeratschicht auf weitere Textfolgen, u.a. 9,8 und 10,1-4, ausgedehnt.

7.1 Hos 6,8-7,3 11 6,8: Gilead ist eine Stadt der Übeltäter, bespurt von Blut.!2 6,9: Und wie das Lauern!) eines Räubers 2) ist die Gemeinschafe) der Priester,13

sie morden an der Straße Richtung Sichem4), ja!4 sie tun Schandtat. 6,10: Im Haus Israel habe ich Gräßliches!5 gesehen, dort!6 hat Ephraim Buhlerei, verunreinigt ist Israel. 6,11: Und auch dir, Juda, hat er (sc. Jahwe) die Ernte!) festgesetzt 2), wenn ich das Geschick meines Volkes wende3). 7,1: Wenn ich Israel heile, dann wird die Sünde Ephraims aufgedeckt und die übergroße Bosheit!7 Samarias, denn sie tun Lüge. Und während der Dieb kommt, macht draußen die Räuberbande einen Überfall. 7,2: Sie aber bedenken nicht, daß ich all ihrer Bosheit gedenke.!8 Nun umgeben sie ihre Taten, sie sind vor mein Angesicht gekommen. 7,3: Mit ihrer Bosheit erfreuen sie einen König, mit ihren Lügen Obere.!9

11 Die hochgestellten Ziffern mit Klammern in der folgenden Übersetzung beziehen sich auf die im Anschluß an die Übersetzung folgenden .Ausführlichen Anmerkungen zur Übersetzung." 12 Hier liegt ein denominiertes Adjektiv des Nomens :lplI vor, vgl. HAL, 825f; GB, 163; W. Rudolph, KAT 13/1, 143; J. Jeremias, ATD 24/1, 89. 13 Für Auffassung als Nominalsatz vgl. auch H.S. Nyberg, Studien, 44 und 1. Willi-Plein, Vorformen, 15l. 14 Deiktisches ':l mit W.R. Harper, ICC, 290; A. Wünsche, Prophet Hosea, 264; I. WilliPlein, Vorformen, 153; A.A. Macintosh, ICC, 242. 15 Lies Q're, da das K'tib unverständlich ist und viele Manuskripte des Masoretischen Textes das Q're bestätigen. So auch z.B. HAL, 1494f; K. Marti, KHC 13, 58; W. Rudolph, KAT 13/1, 143; M.-T. Wacker, Figurationen, 236. 16 Das CrD bezieht sich auf .Haus Israel" in 6,10a, so bereits A. Wünsche, Prophet Hosea, 265. Zu Überlegungen, CrD temporal aufzufassen, s. H.S. Nyberg, Studien, 44. Der Verfasser von 6,10b kann das .Haus Israel" in 6,10a fälschlich als Ortsbezeichnung für das Nordreich auffassen, weil der Terminus in diesem Sinne gebräuchlich ist. 17 Mit HAL, 1177 wird mll' als Plural der Steigerung wiedergegeben. 18 Zu dieser Wiedergabe vgl. W. Rudolph, KAT 13/1, 141ff; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 132ff; J. Jeremias, ATD 24/1, 90. 19 Zu dieser Übersetzung s.u., 158, Anm. 116.

Hos 6,8-7,3

139

Ausführliche Anmerkungen zur Übersetzung: 6,8: In der älteren Forschung wird vorgeschlagen, Gilead durch Gilgal zu ersetzen (T.K. Cheyne, Critica biblica, 123; K. Budde, 6,7-7,2, 122f), weil Gilead keine Stadt, sondern eine Landschaft ist. Ein solcher Eingriff in den Text ebnet ein, daß hier eine geographischen Unschärfe vorliegt (so auch W. Rudolph, KAT 13/1, 142), die durch die späte Entstehung bedingt ist. 6,9: 1) Das' in '~n~, fungiert lediglich als mater lectionis (GK § 23 1). Es liegt ein Inf.cs Piel vor, obwohl die Form einem Inf.abs näher steht, so mit H.S. Nyberg, Studien, 43; F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 441; A.A. Macintosh, ICC, 242. Anders wollen hier K. Budde, 6,7-7,2, 123f und K. Marti, KHC 13, 57f, ausgehend von LXX (expUljJav), eine Wurzel ~:m ansetzen. Allerdings bestätigt der Beginn der LXX-Fassung (iaxu,> aou, hebräisch Tm), ihren Vorschlag nicht, da der Konsonantenbestand fast MT entspricht, so daß LXX hier versucht, MT zu deuten, so auch 1. Willi-Plein, Vorformen, 152; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 135. MT ist beizubehalten. Da ;,~n in der Regel verwendet wird, um das Harren auf Gott auszudrücken, illustriert diese Wortwahl die Verworfenheit der Priester. Ihr scheinbar frommes Warten ist in Wirklichkeit ein Lauern. 2) W'~ vor t:I'",J wird in der Forschung gelegentlich als Objekt zu ;,~n gezogen, da die Wendung t:I',,,J W'~ für einen Räuber ungebräuchlich ist, so z.B. A.A. Macintosh, ICC, 241f. Der Sprachgebrauch von Hos 6,9 ist jedoch insgesamt so unkonventionell, daß dies nicht dagegen spricht, W'~ als nomen regens zu t:I',,,J zu lesen. So auch W. Rudolph, KAT 13/1, 142. 3) Zur Etymologie des Wortes ,:m vgl. H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 156. 4) Mit A. Wünsche, Prophet Hosea, 263 dient l" als wegbestimmender Akkusativ, so auch H.S. Nyberg, Studien, 44; W. Rudolph, KAT 13/1, 141ff; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 131ff; 1. Willi-Plein, Vorformen, 152f. Anders als bei der Annahme eines durch ein Verb unterbrochenen st.cs. (so z.B. J. Jeremias, ATD 24/1, 89; F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 435; A.A. Macintosh, ICC, 242) muß auf diese Weise für Hos 6,9 keine Ausnahme von zentralen Regeln hebräischer Syntax postuliert werden. 6,10: J. Wellhausen, Kleine Propheten, 117; K. Budde, 6,7-7,2, 125; K. Marti, KHC 13, 58; W.R. Harper, ICC, 290 haben hier'~ n':::l anstelle von "Haus Israel" konjiziert. Weil MT jedoch sinnvoll übersetzt werden kann, ist diese Konjektur abzulehnen, so auch W. Rudolph, KAT 13/1, 143; D. Stuart, WBC 31, 112; T. Naumann, Hoseas Erben, 5I. 6,11: 1) ":::p "Ernte" muß hier bildhaft gemeint sein, denn im Umkreis von 6,11 ist nirgends von landwirtschaftlichen Vorgängen die Rede. Eine solche bildhafte Verwendung ist sehr selten und nur in Bezug auf Gerichtsereignisse belegt (z.B. Jes 17,5; Jer 50,16; 51,33; Joel 4,13), so daß sich auch Hos 6,11 auf das Jahwegericht beziehen muß, so auch A. Wünsche, Prophet Hosea, 267f; J. Jeremias, ATD 24/1, 94; T. Naumann, Hoseas Erben, 52; 1. Willi-Plein Vorformen, 154; G.A. Yee, Composi-

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Die Überschrift Hos 5,1'c

tion, 179. Lediglich W. Rudolph, KAT 13/1, 144 beharrt darauf, daß 6,lla wegen des Zusammenhangs mit 6,llb etwas für Juda Positives aussagen müsse. Er erwägt deshalb sogar eine Textänderung in K'~P "Erwachen" die sich am Konsonantenbestand des Targums orientiert. 2) Mit MT muß hier eine 3.masc.sing. Perfekt von n'w gelesen werden. Die LXX schlägt dagegen äpxou vor, was hebräisch einem Imperativ 2.masc.sing von n'w entspräche. MT ist vorzuziehen, denn die LXX-Version ist wenig sinnvoll. Ob man "Ernte" übertragen als Gerichtsgeschehen oder wörtlich auffaßt, so kann sie doch kein Mensch für sich setzen, und wie das Suffix an 'i zeigt, müßte die LXX den Imperativ an Juda richten, also eine Menschengruppe. Da "Ernte" auf das Jahwegericht anspielt, muß J ahwe das Subjekt für nw in MT bilden, so mit G.A. Yee, Composition, 280f; A.A. Macintosh, ICC, 247f. 3) Für die Wendung m~w ~'w werden zwei Bedeutungen diskutiert, entweder "die Gefangenschaft wenden" oder "das Geschick wenden". Die Übersetzung "das Geschick wenden" entspricht der Verwendung der Phrase am besten und hat sich entsprechend in der Forschung durchgesetzt, z.B. HAL, 1289ff; T. N aumann, Hoseas Erben, 55f; zu einem Alternativvorschlag s. 1. Willi-Plein, Wiedererwägung, 55f. Wie in den übrigen Belegen der Phrase mit dem Inf.cs von ~'w und~, nämlich Jer 31,23; Zeph 3,20; Ps 14,7 parallel 53,7, zu erkennen ist, fungiert der Beleg in Hos 6,llb als Zeitangabe für das heilvolle, eschatologische Geschehen.

7.1.1 Die Forschungslage Auch über Hos 6,8-7,3 besteht in der Forschung weitgehend Konsens bezüglich der sekundären Anteile. Hos 6,11 und die Inf.-Konstruktion in 7,laa (?K1W'? 'KEl1:J) gelten bei nahezu allen Exegeten als Nachträge; auch V.l0 wird als Zusatz diskutiert. 20 Es besteht darüber hinaus Übereinstimmung, daß der Grundbestand auf den Propheten Hosea zurückgeht 21 oder 20 Die bisher profilierteste Lösung für das Wachstum von Hos 6,10-7,1 bietet Jeremias, der 6,10-11a; 6,llb und 7,laa als drei sukzessiv entstandene Zusätze veranschlagt (ATD 24/1, 94). Laut Budde gibt es innerhalb von 6,7-7,2 keine nichthoseanischen Zusätze. Um diese These durchführen zu können, muß er jedoch erheblich in den Text eingreifen und z.B. in 6,lla ;"';" zu m;,' ändern, (6,7-7,2, 125f). 21 Werden die Texte als Hoseaworte aufgefaßt, versteht man sie in der Regel als Andeutung von Untaten und Ereignissen, die Hoseas Zeitgenossen noch bekannt waren. Über sie sei aber nichts Genaueres überliefert, so daß sie nicht rekonstruiert werden könnten, so u.a. H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 155ff; ]. Jeremias, ATD 24/1, 92f; W. Rudolph, KAT 13/1, 144f; G.A. Yee, Composition 282;].L. Mays, Hosea, 99; E. Bons, NSK.AT 23/1, 94ff. Bereits Calvin vertritt diese Deutung von Hos 6,8ff (nach A. Wünsche, Prophet Hosea, 261). Eine solche Argumentation ist zirkulär. Man setzt voraus, daß die Texte ins 8. Jh. gehören und bezieht sie deshalb auf unbekannte Ereignisse dieser Zeit. Beziehungen der Verse zu jüngeren Texten oder späteren historischen Entwicklungen werden nicht geprüft.

Hos 6,8-7,3

141

doch zumindest zu den ältesten Texten im Buch gerechnet werden muß. 22 Erst Wacker hat diese herkömmlichen Positionen in Frage gestellt. Sie veranschlagt in c. 6 zwar ältere Texte, und zwar 6,8.9 (ohne den '~-Satz); 7,1b. Aber diese seien kein alter Grundbestand von Hos 6,8-7,3. Vielmehr seien sie Zitate außerhoseanischer, älterer Texte, die erst im Rahmen eines jeremianisch inspirierten, nachexilischen Kontextes, nämlich 6,10; 7,1a (ohne die Inf.-Konstruktion und den '~-Satz); 7,2, in Hos eingearbeitet worden seien. Dieser nachexilische Bestand (6,8.9[ohne den '~-Satz].10; 7,1a [ohne die Inf.-Konstruktion und den '~-Satz]; 7,2) sei sekundär durch 6,1l-7,1ao: erweitert worden. 23 Wenn in Hos 6,8-7,3 tatsächlich entsprechend Wackers These alte außerhoseanische Texte als Zitate mit Hilfe jüngerer Stücke in Hos verankert wären, so müßten diese jüngeren Verse als Rahmen am Anfang und am Ende des Zitierten stehen, um die Verklammerung zu leisten. 24 Die von Wacker postulierten jüngeren Anteile befinden sich jedoch in der Mitte des Abschnittes (6,10-7,2"). Eine solche Positionierung spricht dafür, daß diese jüngeren Anteile als Nachträge in einem vorgegebenen älteren Kontext einzustufen sind. Zudem liegen bereits Indizien vor, daß die ältesten Textelemente von Hos 6,8-7,3 Teil eines größeren sozialkritischen Grundbestandes in Hos 5-14" sind. 25

7.1.2 Hos 6,9 und 7,3 als Grundbestand von Hos 6,8-7,3

Als charakteristisch für Hos 6,8-7,3 fallen die Qinaverse (6,8.9.10b; 7,la [ohne die ersten beiden Worte und ohne den '~-Satz]; 7,3) auf;26 Kennzeichen der Jahwe- oder Prophetenrede fehlen hier. 27 Thematisch konzentrieren sich die Qinaverse auf den Schuldaufweis. Da in Hos 6,lla und den beiden Inf.-Konstruktionen 6,llb; 7,lao: weder das Qinametrum noch die Argumentationsebene des Schuldaufweises eine

22 Für ein hohes Alter des Grundbestandes von Hos 6,8-7,3 plädieren auch kritischere Untersuchungen, vgl. G.A. Yee, Composition, 278ff; M. Nissinen, Prophetie, 150f. 23 M.-T. Wacker, Figurationen, 238. Leider nimmt sie nicht zur zeitlichen Verortung dieser älteren Zitate Stellung. 24 Dies ist nach Nissinens These so in Hos 4,11-14 der Fall. Dort werden die zitierten Texte durch das jüngere Gut gerahmt, das sie in den Kontext einarbeitet (prophetie, 110f~. 25 S.o., 136f. 26 So auch K. Budde, 6,7-7,2, 119, der allerdings immer wieder unzulässigerweise durch Eingriffe in den Text weitere Qinaverse herzustellen sucht (z.B. K. Budde, 6,7-7,2, 12lf.128f~. 27 Anders K. Budde, 6,7-7,2, 119, der hier von 6,7b her Jahwerede annimmt. 6,7 gehört jedoch nicht zu 6,8-7,3, sondern zum vorherigen Abschnitt 6,4-7, s.o., 137, Anm. 9.

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Die Überschrift Hos 5,1"

Rolle spielen, sind diese Aussagen als Nachträge einzustufen. 28 In 6,l1a, der Ansage der Ernte für Juda, bestätigt auch der Einsatz mit OJ1 diese Einschätzung. Beide Inf.-Konstruktionen (6,l1b; 7,laa) sind in Jahwerede gehalten, was in einem Text, der weder als Jahwe- noch als Prophetenrede eingeführt und von Qinaversen geprägt ist, aus dem Rahmen fällt. Auch der kurze '~-Satz in 7,lay stört das Qinametrum, und bildet so ebenfalls eine Glosse, die den Schuldaufweis durch den Begriff ,pW ergänzt. Ebenfalls als Nachtrag ist mit Jeremias 6, 10a zu beurteilen;29 der Halbvers ist in Jahwerede formuliert. Es geht hier nicht um einen Schuldaufweis, sondern um die Reaktion Jahwes auf Verschulden. Außerdem ist 6,10a nicht im Qinametrum abgefaßt. 7,2 ist gleichfalls als sekundär einzustufen; er unterscheidet sich durch das abweichende Metrum und den Gebrauch der Jahwerede von den Qinaversen. Wie 6,10a ist der Vers besonders an Jahwes Reaktion auf die Untaten interessiert: J ahwe stellt klar, daß er der Verbrechen des Volkes gedenkt. 30 Hos 7,lb ist offensichtlich nicht als Schuldaufweis gedacht, sondern schildert mit Verweis auf das Verhalten des Diebes und der Räuberbanden chaotische Zustände. 3 ! Der Vers stellt auch keine Qinazeile dar. Solche Zustände können im Zusammenhang mit von Jahwe herbeigeführten Unheilssituationen (vgl. Jer 18,22), ja sogar mit seinem Gerichtshandeln stehen Ger 49,9; Ob 5). Dagegen wird das ungehinderte Vorgehen von Dieben niemals im Alten Testament im Kontext von Abläufen beim Untergang eines Staates32 erwähnt. Spielt 7,lb somit auf die Vorgänge während J ahwes Gericht an, so soll er die sekundär eingetragene Gerichtsankündigung 6,l1a (Erntegericht) ausdeuten. 33 Demnach lassen sich alle Verse in 6,8-7,3, die das Qinametrum stören (6,10a.lla.llb und 7,laa.1ay sowie 7,lb und 7,2),34 als Nachträge verstehen.

28 So auch die Mehrheit der Forschung, s.o., 7.1.1. 29 J. Jeremias, ATD 24/1, 94. 30 Daß sich zwischen 7,2 und 7,3 eine Stichwortverbindung durch :1111 mit Suffix der 3. masc.plur. beobachten läßt, vgl. z.B. J. Jeremias, ATD 24/1, 95; G.A. Yee, Composition, 285; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 158, ist damit zu erklären, daß die Verfasser von 7,2 das Stichwort aus dem älteren 7,3 entnehmen. Nur 7,3 liefert die Details, wo und in welcher Form das Böse auftritt, die 7,2 für seine zusammenfassende Rede voraussetzt. 7,1a" greift dann in noch späterer Zeit wieder auf das Stichwort :1111 zurück und steigert es durch Verwendung des Plur. 31 So auch die Mehrheit der Forschung, z.B. W.R. Harper, lCC, 293. 32 So die in der Forschung am weitesten verbreitete Deutung dieses Abschnitts, vgl. die Kommentare z.St. 33 Der Verfasser des Zusatzes 7,1b übernimmt zusätzlich den Begriff aus 6,9. 34 Zur Datierung und Herkunft dieser Nachträge s.u., 7.2 und 7.4.4.

",J

Hos 6,8-7,3

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Allerdings wirkt auch die Abfolge der Qinaverse (6,8.9.10b; 7,1a'~.3) keinesfalls wie ein einheitlich konzipierter Text. Zunächst fällt in Hos 6,9; 7,3 im Vergleich zu 6,8.10b; 7,1a':' eine schlichtere Beweisführung auf, denn 6,8.10b; 7,1a'~ weiten den Kreis der Beschuldigten erheblich aus und rechnen mit einer kollektiven Verschuldung der gesamten Bevölkerung des Nordens. Dagegen klagen 6,9; 7,3 nur eine kleine Oberschichtgruppe, die Priester, an. Während die Vorwürfe in 6,9; 7,3 durchaus originell und konkret klingen, sind die Anklagen aus 6,8.10b; 7,1a':' pauschalisierend. Die Beschuldigungen aus 6,8.10b; 7,1a'~ setzen weitergehende theologische Reflexionen voraus als die von 6,9 und 7,3. Die Wendung 11K "lJEl z.B. wird als eingeführter Begriff vorausgesetzt, der dem Leser geläufig ist. In Hos 6,9; 7,3 spielen dagegen theologische Begriffsbildungen keine Rolle. Weiterhin ist folgende Beobachtung wichtig: Mit dem Anprangern der Untaten in 7,3, nämlich einen König und hohe Beamte mit Bösem zu erfreuen, ist vorausgesetzt, daß die Beschuldigten Zugang zu dieser gesellschaftlichen Elite haben. Liest man aber 7,3 in seinem jetzigen Kontext, so müßten Ephraim und Samaria aus 7,1a':' als Subjekt/Täter fungieren. Das ergibt keinen Sinn. Es ist völlig undenkbar, daß ganz Ephraim und Samaria (7,1a'~) derart zum unmittelbaren Umfeld von König und hohen Beamten gehören, wie dies 7,3 voraussetzt. 35 6,9 dagegen enthält ein Subjekt, nämlich die Priester, das sinnvoll auf die Verben in der 3.masc.plur. in 7,3 bezogen werden kann. Priester haben Zugang zum König und zur Verwaltungsspitze. Dies spricht dafür, daß 6,9 und 7,3 einmal unmittelbar hintereinander standen. Sie sind der Grundbestand von Hos 6,8-7,3. Aufgrund ihrer stilistischen Gemeinsamkeiten, insbesondere ihrer im Kontext singulären Originalität, sind 6,9 und 7,3 auf diesselbe Hand zurückzuführen. 6,9; 7,3 bilden den Grundbestand von 6,8-7,3;36 Hos 6,8.10b; 7,1a'~ sind als weitere Zusätze einzustufen.

7.1.3 Zum Alter und zum theologischen Hintergrund von Hos 6,9; 7,3

Zunächst wäre zu klären, worauf Hos 6,9 im einzelnen hinaus will. Hier geht es offensichtlich nicht nur darum, die Priester des Mordes zu bezichtigen; denn es ist auffällig, daß diese Morde gerade an der Straße nach Sichern stattfinden. Jeremias faßt die Aussage so auf, daß es sich um Versuche han-

35 So auch W. Rudolph, KAT 13/1, 148f. 36 Das einleitende' in 6,9 spricht nicht dagegen, daß hier ein älterer Bestand beginnt. Es stellt den Anschluß an den vorhergehenden 6,4b aus der gleichen Konglomeratschicht (s.o., 135ff) sicher.

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Die Überschrift Hos 5,1 *

delt, Pilger und Asylsuchende (Jos 20,7) vom Besuch Sichems abzuhalten. 37 Über Jeremias hinausgehend, ist Hos 6,9 allerdings so zu verstehen, daß die Priester jeglichen Kontaktversuch mit Sichem38 gewaltsam zu unterbinden suchen. Denn der Vers ist so formuliert, daß jeder, der die Straße nach Sichern benutzt, den Mordanschlägen ausgesetzt ist. Vor Augen stehen können hier nicht Aktionen Sichemitischer Priester, da sie so ihre eigene Existenzgrundlage gefährden würden. Es muß vielmehr von Kreisen die Rede sein, die jede Art von Kontakten nach Sichern, d.h. in den Norden, ablehnen. Sichern steht hier pars pro toto für den Norden (vgl. auch Sir 50,26). Eine derart radikale Ablehnung des Nordens überhaupt ist im Alten Testament v.a. für Jerusalemer Kreise bezeugt (z.B. II Reg 17,24-41; Esr 4,1-5). Deshalb ist anzunehmen, daß Hos 6,9 die J erusalemer Priesterschaft (vgl. die Formulierung O'J;"1~ 1:Jn) im Blick hat, die Kontakte zu Einwohnern des Nordens brutal zu beenden sucht. Ihre Opfer sind Kreise, die Beziehungen zum Norden weiterhin für wichtig halten. Es ist davon auszugehen, daß diese aus dem Bewußtsein einer bleibenden Zusammengehörigkeit von Nord und Süd heraus hande1n. 39 Indizien für eine Datierung von Hos 6,9 liefert möglicherweise der Begriff ;"1~r in dem '~-Satz ("denn sie tun Schandtat"),40 der insbesondere in Ez und auch im Heiligkeitsgesetz sehr häufig verwendet wird (z.B. Lev 18,17; 19,29; 20,14; Ez 16,43; 23,21.27.35).41 Schon dieser Sprachgebrauch spricht dafür, daß Hos 6,9 nicht vorexilisch formuliert ist. Ferner fällt die große Nähe zwischen Hos 6,9 und Ez 22,9 ins Auge. Denn außer Hos 6,9 und Ps 26,10 ist nur noch in Ez 22,9 von ;"1~r im engeren Zusammenhang mit Mordtaten die Rede. 42 Daß zudem im gesamten Alten Testament allein

37 J. Jeremias, ATD 24/1, 94; zu ähnlichen Überlegungen s. H.W. Wolff, BK.AT, 156. 38 Hier ist nicht notwendig an Sichern als Kultort und Zentrum der Frühzeit gedacht, auch wenn Erinnerungen an diese Bedeutung des Ortes mitschwingen können (vgl. z.B. Gen 12,6; Jos 24; I Reg 12). Vielmehr steht Sichern hier wie auch in Sir 50,26 für den Norden allgemein. Wenn Jer 41,5 die Menschen aus dem Norden, die nach der Katastrophe von 587 trauernd zu den Ruinen des Tempels pilgern, als "Männer von Sichern, von Silo und von Samaria" bezeichnet, deutet sich wohl ein Gebrauch von Sichern = Norden wie in Hos 6,9; Sir 50,26 bereits an. 39 Vgl. weitere Erwägungen u., 7.4.3. 40 M.-T. Wacker, Figurationen, 238 hält das kurze Stück für nachgetragen, ohne die daraus folgenden metrischen Konsequenzen zu bedenken; der Viertelvers darf nicht aus dem Texte herausgelöst werden, sonst bliebe ein dreihebiges Qinafragment übrig. 41 Mit wenigen möglichen Ausnahmen (z.B. Prov 10,23) wird der Begriff hauptsächlich in exilisch-nachexilischer Zeit verwendet. 42 Man kann hier noch Jdc 20,6 erwähnen, da die Schändung der Nebenfrau des Leviten zu ihrem Tod führt, also eine Bluttat impliziert. Für die Datierung von Hos 6,9 ergeben sich durch J dc 20,6 insofern wenig neue Aspekte, als auch dieser Text wegen seiner Bezüge zu sonstigen Erzählungen nicht mehr als vorexilisch bezeichnet werden kann (so mit R.G. Kratz, Komposition, 203f).

Hos 6,8-7,3

145

in Ez 22,9 und Hos 6,9 die Verbindung von il~r und ilrDl1 in einem sozialkritischen Kontext belegt ist, zeigt eine nähere Verwandtschaft zwischen diesen beiden Texten an. In Hos 6,9 ist gegenüber Ez 22,9 die Anklage erheblich gesteigert; hier gelten nicht mehr "~, 'rDJK als Schuldige wie in Ez 22,9, sondern Priester. Ferner ist nicht von Blutvergießen allgemein die Rede (0' 1!1rD in Ez 22,9), sondern von heimtückischen Morden. Die recht allgemein gehaltenen sozialkritischen Vorwürfe in Ez 22,9 zielen in Hos 6,9 ausschließlich auf die Priester. Im Blick auf die terminologischen Berührungen zwischen Hos 6,9 und Ez 22,9 ist also davon auszugehen, daß der Hos-Text nicht vor der Mitte des 6. Jh. formuliert worden sein dürfte. 43 Damit ist zugleich deutlich, daß 6,9 aus judäischer Perspektive verfaßt ist. Wie oben bereits vermerkt, muß 7,3 ursprünglich als direkte Weiterführung von 6,9 aufgefaßt werden. Nachdem Hos 6,9 betont hat, daß alle, die eine Verbindung von Nord und Süd aufrechterhalten wollen, unter den Priestern zu leiden haben, wird jetzt klargestellt, daß die Priester auch der politischen Führung gegenüber verantwortungslos agieren. Der Vorwurf, mit ihrer Bosheit einen König zu erfreuen, ist keineswegs lediglich auf vorexilische Verhältnisse zu beziehen. Es ist ebenso vorstellbar, daß damit Unaufrichtigkeit gegenüber dem persischen Großkönig angedeutet werden soll. Es fällt ja auf, daß in gar keiner Weise sichergestellt wird, daß in Hos 7,3 an den eigenen König gedacht ist. Denn entsprechende Suffixe oder nomina recta fehlen. 44 Zur Intention von Hos 6,9; 7,3 ist außerdem zu beachten: Die Radikalität der hier geäußerten Priesterkritik ist im Alten Testament einmalig. Nirgends sonst wird Priestern gegenüber eine direkte Mordanklage erhoben. In der Regel betrifft Kritik an den Priestern im übrigen Alten Testament Vergehen, die mit ihrer Priestertätigkeit zusammenhängen. 45 Auch werden Priester üblich erweise im Rahmen einer Aufzählung von Oberschichtgruppen angeschuldigt, nicht wie in Hos 6,9; 7,3 für sich genommen und herausgehoben. 46 In der schwierigen Frage, welche Kreise hinter der speziell gegen die Priester erhobenen Kritik in Hos 6,9; 7,3 stehen, führen folgende Erwägun43 Selbst wenn man Ez 22,9 (vgl. auch die weiteren ;'n~r-Belege z.B. in Ez 16,43; 23,21.27.35) auf den historischen Ezechiel zurückführte, wäre dieser Text kaum vor 587 rezipierbar. 44 In dieselbe Richtung gehen die Überlegungen von F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24,454. Zu einem vergleichbar offenen Sprachgebrauch für einen Großkänig vgl. z.B. Jes 19,4; 57,9; Ez 17,16. 45 Vgl. z.B. Jer 5,31; Ez 22,26; Hos 4,7f.l0a; Mi 3,11; Zeph 3,4; Mall,6ff. Zu Hos 4,7f.l0a s.u., 7.4.5.1. 46 So die Mehrheit der priesterkritischen statements im Alten Testament, z.B. Jes 28,7; Jer 2,8; 5,31; 6,13 parallel 8,10; 23,11; 26,8.11; 32,32; 34,19; Mi 3,11; Zeph 3,4.

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Die Überschrift Hos 5,1 *

gen weiter: Merkwürdigerweise werden im gesamten Hos-Buch nirgends die Propheten mit Vorwürfen be1astet. 47 Das ist umso auffälliger, als man sonst eine breite, prophetenkritische Strömung in nachexilischen, theologischen Diskussionen in den Prophetenbüchern wahrnehmen kann (z.B. J er 6,13fparalle18,10f; 14,13-16; 23,13-15.16f; 27,9-11. 14f. 1648 ; 29,8f; 37,19; Ez 13,3-16; 22,28; Mi 2,6f; 3,5; Sach 13,2-6; Thr 2,14). Im Rückgriff auf Beobachtungen Wolffs, daß im Hos-Buch Propheten "gut wegkommen",49 liegt die Annahme nahe, daß an der Gestaltung des Hos-Buches Kreise beteiligt waren, die als prophetenfreundlich gelten müssen und sich in einer Frontstellung gegenüber der Priesterschaft sehen. Diese Frontstellung könnte den Hintergrund auch der Aussagen in Hos 6,9; 7,3 bilden. Hier werden besonders verwerfliche Verhaltensweisen der Priester vor Augen gestellt. Hos 6,9 bezieht sich auf Praktiken der auf J erus.15 Allerdings klärt sie nicht, ob innerhalb von VA sekundäre Textanteile eingetragen sind. Falls nur diese zwei Worte nachgetragen sein sollten, könnte im Rest durchaus altes Textgut erhalten sein. Für diese Möglichkeit spricht, daß die Backmotivik von 7,4 (vgl. die Termini technici r~n; p~J; w,,) ein zweites Mal in 7,8b (Ephraim als nicht gewendeter Brotfladen) eine Rolle spielt und somit im näheren Kontext vorausgesetzt ist. Da sich die im Umfeld von 7,4 unbestritten feststellbaren starken Spannungen nicht lösen lassen, indem man den sperrigen V.4 als Nachtrag herausnimmt, ist zu prüfen, ob man nicht gerade in diesem Vers auf Aussageelemente stößt, die als deutliche Indizien für eine ältere Vorgeschichte von 7,3-7 gelten müssen.

12 Vgl. dazu Rudolphs vergebliche Versuche, die Deutung von 7,3 an die Königsmordhypothese anzugleichen (KAT 13/1, 148). 13 S. z.B. J. Jeremias, ATD 24/1, 95ff; G.A. Yee, Composition, 285; T. Naumann, Hoseas Erben, 58; A.A. Macintosh, lCC, 256. 14 K. Marti, KHC 13, 59f; J. Wellhausen, Kleine Propheten, 118; B. Duhm, Anmerkungen, 25; W. Nowack, HK 3/4, 45; P. Riessler, Zwölfprophetenbuch, 32ff; W. Harper, lCC, 295f. Anders Nyberg, der die Ursprünglichkeit von 7,5 bestreitet (Studien, 49). 15 G.A. Yee, Composition, 180f.

216

Der chaotische Bäcker

8.2 Analyse 8.2.1 Hinweise au/Nachträge in Hos 7,3-7

Mit der 3.masc.plur. in 7,3 ist klar, daß hier von den in 6,9 erwähnten Priestern die Rede ist. 16 Beide Verse entstanden im Rahmen des "priesterkritischen" Konglomerats. Sie zeichnen sich besonders durch sozialkritische Vorwürfe aus. Einige Anteile von 7,3-7 entsprechen dieser Linie durch die weitere Verwendung der 3.masc.plur. und sozialkritische Argumentation, soz.B. 7,5a und auch 7,4aa ("sie sind alle Ehebrecher"). Dies belegt, daß das "priesterkritische" Konglomerat nach der Entstehung von 6,9; 7,3 in 7,3-7 durch weitere Textstücke fortgesetzt wird. 17 Nicht mit dieser Linie vereinbaren lassen sich dagegen 7,4aßb.5b.6.7aa. Hier handelt es sich um Aussagen, die entweder den "priesterkritischen" Texten vorgegeben waren oder die nach ihnen angebracht wurden. Während wie in 6,9; 7,3 auch in 7,4aa ("Sie sind alle Ehebrecher") Vergehen der Priester benannt werden, kann der Rest von 7,4a nicht mehr als Sozialkritik an Priestern aufgefaßt werden. Zuerst ist davon die Rede, daß eine fern. Gestalt "wie ein Ofen" brennt, dann wird von einem Bäcker berichtet, der zwischen dem Teigkneten und der Säuerung des Teiges aufhört, den Ofen zu schüren. Während sich 7,5a wieder auf die angeklagten Priester aus 6,9 bezieht und ihnen zur Last legt, daß sie anläßlich eines Festes ("Tag unseres Königs!") die Oberen betrunken machen, stellt 7,5b in der 3.masc.sing. eine Größe bzw. eine Person vor Augen, die "ihre Hand den Schwätzern reichte". 7,6a ist wieder in der 3.masc.plur. formuliert und handelt von Personen, die sich heimtückisch verhalten (CJ1KJ CJ': "ihr Herz ist in ihrem Hinterhalt"). V.6bMT rückt noch einmal der Bäcker in den Blick: er schläft die ganze Nacht, aber am Morgen "brennt er". 7,7 geht wieder zur pluralischen Rede über: die Angeklagten sind erhitzt wie der

16 S.o., 7.1.2. Dagegen hat J. Wellhausen, Kleine Propheten, 117f vorgeschlagen, für 7,3ff mit den gleichen Angeklagten zu rechnen wie in 8,4; 8,10, so auch K. Marti, KHC 13, 59; W. Nowack, HK 3/4, 45; E. Sellin, KAT 12, 58f; T.H. Gaster, Hosea, 78. Der Vorschlag führt jedoch nicht weiter, so auch die jüngere Forschung, z.B. F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 454. Auch in 8,4 und 8,10 werden lediglich Verben, Suffixe und Pronomen in der 3.masc.plur. benutzt, d.h. es wird nicht klargestellt, gegen wen sich die Anklage richtet. Außerdem nimmt Wellhausen eine weitere Konjektur vor, um den Zusammenhang zwischen 7,3 und 8,4.10 klarzustellen. Er will in 7,3 anstelle von n~~ Piel n~~ Qallesen, um die Verbindung zu 8,10 zu verstärken. Selbst für 8,10 ist diese Lesart abzulehnen, denn sie wird nur von der LXX bezeugt. MT liest dagegen K~~ und ist als lectia difficiliar zu betrachten. 17 Auch G.A. Yee, Composition, 285 undF.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 447f.455 gehen davon aus, daß in den Abschnitte in der 3.masc. plur. in Hos 7,3-7 die Priester als Subjekt fungieren. Nach Yee enthält der Grundbestand von Hos 7,3-7 Priesterkritik.

Analyse

217

Ofen und »fressen ihre Richter" (7,7a). 7,7b beklagt, daß man selbst nach dem Fall aller seiner Könige Jahwe nicht anruft. Um zu klären, wie das Wachstum dieser konfusen Abfolge 7,3-7 im einzelnen verlaufen sein könnte, soll nun sondiert werden, welche Textanteile als die jüngeren anzusehen sind. Zu 7,3: Feststeht bereits, daß 6,9 und 7,3 »priesterkritische" Zusätze darstellen; 6,9 beschreibt die Untaten der Priester gegenüber allen, die Kontakte zum Norden unterhalten wollen, 7,3 die betrügerische Mentalität der Priester. Daß diese »priesterkritischen" Aussagen nicht die älteste Stufe in der Genese von 7,3-7 darstellen, ergibt sich aus folgenden Beobachtungen: Hos 7,4b.Sb verhalten sich gegenüber 6,9; 7,3 ausgesprochen sperrig. Der in 7,4b genannte Bäcker l8 paßt in gar keiner Weise zu der in 6,9; 7,3 eingeleiteten Kritik an Priestern. 19 Ferner klingt in 7,4b.5b nirgends Sozialkritisches an. Auch die singularische Rede in 7,Sb ist nicht auf 6,9; 7,3 abgestimmt; sie zeigt allerdings an, daß hier die Spur eines älteren Textbestandes vorliegt, dessen Aussagen im Singular abgefaßt waren und im Bereich von 7,4f überarbeitet vorliegen. Zu 7,7: Für 7,7b als Zusatz spricht der deutliche Sprecherwechsel. Die in sich uneinheitlichen Anklagen 7,3-7 behalten trotz ihrer zahlreichen Unterschiede bis 7,7a die Rede eines nicht näher definierten menschlichen Sprechers bei. Erst 7,7b (vgl. ~'n~) geht in die Jahwerede über. 20 Zudem ist zu beobachten, daß 7,7b gleichsam als Rahmenvers die vorher benannten Untaten (so z.B. 6,9; 7,3) als Fehlverhalten letztlich gegen J ahwe auffaßt. 21 In diesem bündelnden Charakter von 7,7b liegt zum einen ein stilistischer Unterschied gegenüber 7,S.7aß vor, die neue Details über das Verschulden aufzählen. Zum anderen wechselt in 7,7b die Argumentationsebene: Während in 7,3.S.7aß diejenigen im Zentrum stehen, die den Oberen, Richtern oder dem König Schaden zufügen, hat 7,7b diejenigen vor Augen, die aus dem Fall der Könige nicht die Lehre ziehen, daß nun die Hinwendung zu Jahwe angesagt ist. 22 Daraus folgt, daß 7,7b jünger als 7,3.5.7aß sein muß. 18 Zum Textbestand von 7,4b S.u., 221f. 19 Der Erklärungsversuch von F .1. Andersen/D.N. F reedman, AncB 24, 451ff kann an dieser Unvereinbarkeit von 7,3 und 7,4b nichts ändern. Sie vermuten, daß der Bäcker in 7,4b auf das Oberhaupt der Priester anspielt. Dem steht entgegen, daß iI:JK hier indeterminiert verwendet wird. In 7,4b selbst fehlt jeder Hinweis, daß die Rede vom Bäcker eigentlich auf einen Oberpriester zielt. Außerdem können Andersen und Freedman nicht erklären, was dieser Vergleich des Bäckers mit dem Oberpriester bezweckt. 20 Zu der auffällig isolierten Jahwerede in 7,7b s. auch F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24,460. 21 Vgl. ähnlich J. Jeremias, ATD 24/1, 95. 22 Das Suffix der 3.masc.plur. an:l bezeichnet ebenso wie das entsprechende Suffix an c'~"tl die Täter, nicht die Könige, weil dies dem Sprachgebrauch des Verses und der Einheit 7,3-7 entspricht.

218

Der chaotische Bäcker

Dafür spricht auch, daß sich 7,7b als Enjambement23 deutlich besser metrisch gliedern läßt als 7,4-7a. Daß 7,7a nicht aus einem Guß ist, hat die bisherige Forschung übersehen. Hier liegt ein deutlicher Bruch zwischen 7,7aa und 7,7aß vor: es fällt sofort auf, daß das Bild von Ofen und Hitze (7,7aa) in 7aß keine Rolle spielt. Der Vorwurf aus 7,7aß ("und sie fressen ihre Richter") ist sozialkritisch orientiert; in 7,7aa klingt davon nichts an. Da sich 7,7aa und 7,7aß klar unterscheiden, dürfte der Halbvers nicht von derselben Hand formuliert sein. 7,7aa kann keinesfalls zum Grundbestand von Hos 7,3-7 gehören. Die Determination von 1'Jl1 indiziert, daß 7,4a vorausgesetzt wird. 7,4a ist aber, wie wir zeigen können, in dieser Textfolge als Nachtrag einzustufen. 24 Ferner spielt 7,7aa mit ,~n' auf das Stichwort ;,~n in 7,5a an. 25 Demnach dürfte 7,7aa als Zusatz in der Absicht angebracht worden sein, zwischen dem Ofenbild in 7,4a und der Sozialkritik der "priesterkritischen" Texte zu vermitteln. Das Bild vom brennenden Ofen 7,4aß wird so umgedeutet, daß es nun das Seelenleben der Täter illustriert. Es handelt sich um eine Glosse; denn Zusätze ähnlicher Art sind außerhalb von Hos 7,3-7 nicht nachweisbar. 7,7aß weist eindeutig das Profil der "priesterkritischen" Zusätze auf. Es wird mit dem Verweis auf Vergehen gegen Richter wie in 7,3 (Unrecht gegen König und Obere) und in 9,8 (Heimtücke gegen Propheten) sozialkritisch argumentiert. 7,7aß ist wie Hos 6,9; 7,3 in der 3.masc.plur. formuliert. Zu Hos 7,6: Hos 7,6a und 7,6b gehen auf unterschiedliche Hände zurück. Hos 7,6a beschäftigt sich wie 7,7aa mit dem Erhitztsein der Missetäter. Hier liegt eine mit 7,7aa vergleichbare Einzelglosse vor. Wie in dem verwandten 7,7aa wird durch die Determination von 1'Jl1:J ("wie der Ofen") auf 7,4a Bezug genommen. 26 Die merkwürdige Aussage in 7,6b rückt wieder den Bäcker aus Hos 7,4b ins Bild. Er soll, nachdem er nachts ahnungslos geschlafen hat, schon am nächsten Morgen dem Strafgericht verfallen sein. Das aus 7,4a übernommene Verb 111J steht hier wie in zahlreichen Gerichtstexten,27 zumal in Ver23 Zum Begriff Enjambement vgl. M. Nissinen, Prophetie, 62. 24 S.u., 8.2.2. 25 So auch F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 460. Zusätzlich übernimmt 7,7aa das cl'" aus dem "priesterkritischen" 7,4aa. 26 W. Rudolph, KAT 13/1, 148 und 1. Willi-Plein, Vorformen, 158, wollen C:!, "ln:l in 7,6a als Glosse von V.4 her aus dem Text nehmen. Dagegen spricht, daß auf diese Weise das Qinametrum in der Vershälfte zerstört wird. 27 Vgl. z.B. Jes 1,31; 6,13; 10,17; 30,33; 34,9; 42,25; Ez 21,4; Nah 2,14; Mal 3,19; Ps 83,15; 106,18; Thr 2,3.

Analyse

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bindung mit :1J:1? "Flamme" (vgl. z.B. Jes 10,17; Ps 83,15; 106,18) oder sogar :1J:1? rl)~::l "wie eine Feuerflamme" (vgl. Thr 2,3), für ein Gerichtsgeschehen. Hos 7,6b ist in der fortgeschrittenen nachexilischen Zeit entstanden. Dafür spricht die Verwandtschaft mit Jes 1,31. In beiden Texten wird das Gericht so dargestellt, daß eine herausgehobene Figur brennt, der Starke in Jes 1,31 und der Bäcker in Hos 7,6b. Hos 7,6b muß der jüngere Text sein, da er die in Jes 1,31 entwickelte Vorstellung auf den Bäcker aus Hos 7,4b anwendet. 28 Hos 7,6b gehört wie 7,lb29 zum Konglomerat der eschatologisierenden Texte. Beide konzentrieren sich auf Details eines Gerichtstags. Hos 7,lb deutet mit dem Verweis auf den Dieb das Chaos in der Zeit des Gerichts an, Hos 7,6b will das plötzliche Hereinbrechen des Gerichts verdeutlichen. Nach allem ist davon auszugehen, daß die unübersehbaren Verständnisprobleme dieser Textfolge 7,3-7 mit sukzessiv angebrachten Nachträgen und Uminterpretationen zusammenhängen: Hos 7,3.7aß ist im Rahmen des "priesterkritischen" Konglomerats entstanden; 7,6b ist als eschatologisierender Zusatz einzustufen; 7,6a.7aa sind Glossen. 3o Folglich bleiben nach diesen Überlegungen für die Suche nach einem Grundbestand in 7,3-7 nur noch die Aussagen in VA und 5, also genau in den Versen, in denen sich sprachliche Schwierigkeiten häufen.

8.2.2 Ras 7,4 Wie bereits erwähnt, ist Hos 7,4 nicht aus einem Guß. Die ersten beiden Worte von Hos 7,4 (C'~~J~ C?::l=7,4aa) sind als nachgetragen daran erkennbar, daß ihre pluralische Redeweise nicht der Fortsetzung dieses Verses entspricht, die spätestens in der zweiten Vershälfte im Sing. formuliert ist. Dann wirkt der Vorwurf des Ehebruchs inhaltlich nicht auf das Folgende abgestimmt, v.a. nicht auf die Rede vom nachlässigen Bäcker (7,4b).31 7,4aa, zumal im Zusammenhang mit 7,3 gelesen, ist deutlich wie 7,3 ein "priesterkritischer" Zusatz. Ein Nebeneinander von Lüge und Ehebruch wie in der Abfolge 7,3Aaa gehört bereits zum Repertoire älterer propheti-

28 Eine späte Entstehung von Jes 1,29-31 ist evident, s. U. Becker, Jesaja, 192ff. Auch die Überlegungen von H. Barth, Jesaja-Worte, 292, Anm. 441aufen eindeutig auf eine späte Herkunft von J es 1,29-31 hinaus. 29 S.o., 7.2.2. 30 S.u., 8.2.5 zur Datierung und Verortung von 7,7b. 31 Auch K. Marti, KHC 13,59 hält die ersten beiden Worte aus 7,4 für einen Nachtrag.

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Der chaotische Bäcker

scher Sozialkritik (vgl. z.B. Jer 9,1-2a; 23,14).32 Die "priesterkritischen" Texte in Hos stehen unter deren Einfluß. Zudem ist der Vorwurf des Ehebruchs in Hos in "priesterkritischen" Texten geläufig. So beschreiben die "priesterkritischen" Hos 4,10a.13b.14a Ehebruch in priesterlichen Familien. Auch in dem "priesterkritischen" Hos 6,9 dürfte ;,~r sexuelle Vergehen der Priester anzeigen. 33 Hos 7,4aa (O~!lKJ~ O?:l) zitiert wörtlich Jer 9,1, da nur dort ein Partizip Piel von ~KJ noch einmal mit ?:l und einem Suffix der 3.masc.plur. vorkommt. 34 In J er 9,1 gehört der Vorwurf des Ehebruchs zum Grundbestand einer Klage (9,1-2a), die in der zweiten Hälfte des 6. Jh. entstanden ist. 35 Wie Hos 6,9 (vgl. dessen Vorbild Ez 22,9) nimmt somit auch Hos 7,4aa auf sozialkritisches Textgut aus exilisch-nachexilischer Zeit Bezug. In 7,4aß bereitet die Wortfolge ;'!lK~ ;'1lJ:l 1,m '~:l wegen des anscheinend auf das masc. 1,m bezogenen fern. Partizips ;'1lJ:l sowie der merkwürdigen Lesart ;'!lK~ große Schwierigkeiten. Man meint, diesen Schwierigkeiten entgehen zu können, indem man der von Oort 1890 vorgeschlagenen Wortaufteilung gegenüber der von MT den Vorzug gibt (0;' 1lJ:l 1'Jl1 m:l) und ;'!lK als Bestandteil der zweiten Vershälfte wertet. 36 Allerdings bleibt 32 Zu einem alten Textbestand in Jer 23,9ff s. K. Schmid, Buchgestalten, 203ff; W. Thiel, Jeremia 1-25, 249ff. Die bisherige Forschung hat den Einfluß des geprägten Motivs "Lüge und Ehebruch" auf Hos 7,3Aaa übersehen. Einige Exegeten schlagen sogar Konjekturen vor, weil die Rede vom Ehebruch den sozialkritischen Duktus von 7,3-7 störe, so z.B. A. Wünsche, Prophet Hosea, 279 zu der Konjektur von Michaelis, der ersten in der Forschungsgeschichte; J. Jeremias, ATD 24/1, 90; W. Rudolph, KAT 13/1, 147; T.H. Robinson, HAT 14,26; S.M. Paul, Oven, 115f. Dies ist methodisch nicht zu rechtfertigen. Deshalb belassen H.W. Wolff BK.AT 14/1, 135ff; J.1. Mays, Hosea, 105; W. Kuhnigk, Nordwestsemitische Studien, 91; 1. Willi-Plein, Vorformen, 156 und A.A. Macintosh, lCC, 257 mit Recht MT. 33 S.o., 144f. 34 Jer 9,1 muß der ältere Text sein und als Vorbild fungieren. Schließlich ist der Vorwurf des Ehebruchs in Jer 9,1 besser integriert als in Hos 7,4, denn dort folgt sofort ein Hinweis auf Treulosigkeit ('l::l). Die enge Berührung zwischen Hos 7,4aa und Jer 9,1 wird auch von W. Kuhnigk, Nordwestsemitische Studien, 91; J.1. Mays, Hosea, 105 und A.A. Macintosh, lCC, 275 beobachtet, allerdings ohne daß sie literarkritische Schlüsse ziehen. 35 Jer 9,1-2a steht auf der gleichen Reflexionsebene wie die 2.fem.sing.-Schicht in Jer, die in der spätexilischen-frühnachexilischen Zeit nach einer theologischen Begründung für den geschehenen Untergang J erusalems sucht, vgl. K. Schmid, Buchgestalten, 330ff; C. Levin, Verheißung, 153f. 36 Vgl. H. Oort, Hozea, 487f. So auch z.B. J. Wellhausen, Kleine Propheten, 118; B. Duhm, Anmerkungen, 25; K. Marti, KHC 13, 59; J.1. Mays, Hosea, 103ff; W. Kuhnigk, Nordwestsemitische Studien, 90f; T.H. Robinson, HAT 14, 26; W. Rudolph, KAT 13/1, 147; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 135; 1. Willi-Plein, Vorformen, 157; J. Jeremias, ATD 24/1, 90; F.l. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 455f. Nyberg und Macintosh halten dagegen an MT fest. Sie versuchen, eine Alternative zu der Deutung als Partizip fern. für ;',1I::l zu finden. Nyberg tritt für eine Endung ,,-ah" am masc. Partizip ein, wie es sie ähnlich im Äthiopischen gibt, allerdings im st.cs., vgl. Studien, 51. Diese Lösung überzeugt hauptsächlich deshalb nicht, weil in Hos 7,4 ein st.abs. vorliegt. Macintosh hält das auslautende ,,-ah" für eine paragogische Endung, vgl. lCC, 257.

Analyse

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der Sinn der durch diese Konjektur gewonnenen Wortfolge weiterhin merkwürdig. Jeremias übersetzt: "Sie gleichen einem brennenden Ofen, dessen Bäcker das Schüren einstellt" und Wolf!: "Sie sind wie ein Ofen, der ohne Bäcker brennt."37 Außerdem ist zu berücksichtigen, daß die MTWortaufteilung von der LXX und den Versionen bestätigt wird. Daher ist zu prüfen, ob nicht unter Beibehaltung von MT eine bessere Lösung möglich ist. Die vermeintlichen Inkongruenzen der MT-Lesart lösen sich, sofern man erkennt, daß il'V:l (fern.) sich gar nicht auf "m beziehen muß. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich das fern. Partizip auf eine entsprechende fern. Größe im näheren Kontext bezieht; das läßt sich in der Tat zeigen. In 7,la* wird betont Samaria in den Blick gerückt; auf diese Stadt bezogen wird die fern. Form il'V:l sowie die gesamte Wortfolge nachvollziehbar: wie ein Ofen (Holz) verbrennt (vgl. Ps 21,10), so wird die Stadt im Gericht verbrennen. 38 Daß Assoziationen an ein Läuterungsgericht im Hintergrund stehen, belegen besonders Mal 3,19 und Ps 21,10. Diese Gerichtsanzeige durch il'V:l "m ,~~ kommt nicht überraschend, weil bereits in Hos 6,lla von einem Gericht (Erntegericht) die Rede ist. 7,4aß soll Samaria explizit in das eschatologische Gericht einbeziehen. Das 1~ vor ilEl~ ist wohl als 1~ des Ausgangspunkts (vgl. ähnlich Ps 37,23; Hi 24,1) gedacht,39 auf dieses Weise sollte die eschatologisierende Aussage vom brennenden Ofen mit der in 7,4b vorgegebenen Beschreibung des Bäckers in Verbindung gebracht werden. Die bisherigen Analysen und Erwägungen führen nach Abzug der jüngeren Textanteile in Hos 7,4 auf folgenden Grundbestand: 1n~~n '11 p~~ rzI'''~ "11~ m~rzI' ;'D~

("Ein Bäcker, der aufhärt zu schüren vom Kneten des Teigs bis zu seiner Durchsäuerung.")

Die masoretische Versaufteilung (vgl. den Atnach hinter ilEl~) ist also in Übereinstimmung mit der übrigen Forschung hier zu korrigieren. 4o Der Bäcker ist das Subjekt der folgenden Aussage. Setzt man als Grundbestand von Hos 7,4 den Versteil7,4b einschließlich ilEl~ und ohne 1~ an, so wird auch nachvollziehbar, daß alle weiteren Textanteile Versuche darstellen, diese Aussage zu interpretieren und zu integrieDagegen spricht, daß diese Endungen sonst "-i" oder "-u" lauten und bevorzugt im st.cs. auftreten, s. GK, § 90k. 37 J. Jeremias, ATD 24/1, 90; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 133. 38 Zu den Belegen von 111::l als Gerichtsgeschehen s.o., 218f. 39 GK §12lf; vgl. ähnlich A.A. Macintosh, lCC 257. 40 Vgl. die Kommentare z.St.

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ren. Der "priesterkritische" 7,4aa bemüht dazu die Assonanz von ~KJ und i1::JK. 41 Der eschatologisierende 7,4aß führt im Blick auf die Aussage von 7,4b den '1m als Bild für das Gericht ein und verklammert es über das l~ des Ausgangspunkt mit dem Wort vom Bäcker. Der in 7,4b erhaltene älteste Bestandteil dieser Textfolge beschreibt eine chaotische Berufsausübung. Das Vorgehen dieses Bäckers widerspricht der normalen und sinnvollen zeitlichen Koordination von Teigkneten, Säuerung des Teiges und Anheizen des Backofens. Im Alten Orient und im vorindustriellen Syrien-Palästina backt man grundsätzlich in der heißen Asche oder in der Glut, ob man nun in einem Tannur, einer anderen Ofenform oder ohne alles Backgerät auf einem Stein in der Asche backt. Es dauert einige Stunden, bis das Feuer den Tannur so weit erhitzt hat, daß der Ofen zum Backen bereit ist. Deshalb heizt man den Ofen am frühen Morgen an, während das Brot noch säuert. 42 Man kann also nicht während der Säuerung pausieren wie der Bäcker in Hos 7,4b, sondern muß dann anheizen und schüren. 43 Noch schwerer wiegt eine zweite Unsinnigkeit. Die Verwendung von n::lrl.l impliziert, daß der Bäcker den Ofen vorher, also vor dem Kneten, geschürt hat. Ein Bäcker, der zu diesem Zeitpunkt feuert, verschwendet mühsam gesammeltes oder teuer eingekauftes Brennmaterial, denn so ist der Ofen nach dem Säuern, also zum Zeitpunkt des Backens, erkaltet. Hos 7,4b zielt also auf eine unsinnige Vergeudung der eigenen Ressourcen durch den Bäcker ab. 44 Zunächst könnte man 7,4b als ein eigenständiges Bildwort auffassen. Es läßt sich jedoch zeigen, daß hier schon eine weitergehende Reflexion zu einem älteren vorgegebenen Text vorliegt. Der Verfasser von 7,4b knüpft offensichtlich an das in 7,8b vorgegebene Bildwort an, das Ephraim mit

41 So auch G.A. Yee, Composition, 181; A.A. Macintosh, ICC, 257. 42 Vgl. G. Dalman, Arbeit und Sitte 4, 29ff. 43 Auch ohne 7,4a ist sicher, daß der Bäcker aus 7,4b einen Tannur benutzt, weil andere Backöfen bis in mischnische Zeit für Palästina kaum bezeugt sind, so mit G. Dalman, Arbeit und Sitte 4, 80ff. 44 Als erster hat Wünsche erkannt, daß 7,4b auf ein widersinnig-chaotisches Verhalten verweist: "Wer in aller Welt zündet den Backofen an, wenn noch nicht die aller geringsten Vorkehrungen für das Backen getroffen sind?" (prophet Hosea, 281). Auch Andersen und Freedman sehen, daß es in 7,4 um ein tadelnswertes Betragen des Bäckers geht und daß er vom korrekten Backvorgang abweicht. Ihr Vorschlag, dem Bäcker mangelnde Wachsamkeit vorzuwerfen, geht in die richtige Richtung, vgl. AncB 24, 449ff. Die sonstige Vorschläge der Forschung zur Deutung von Hos 7,4b (z.B. G. Dalman, Arbeit und Sitte 4, 96f; W. Rudolph, KAT 13/1, 149; ].L. Mays, Hosea, 105f; LWilli-Plein, Vorformen, 157) laufen ebenfalls auf ein unsinniges Verhalten des Bäckers hinaus. Auch nach ihnen wird der Ofen zu früh geheizt. Dalman, Rudolph und Mays müssen von einer Pause während des Heizens, einem Ruhen des Ofens, ausgehen, was nur als Fehlverhalten des Bäckers erklärt werden kann.

Analyse

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einem verbrannten Brotfladen vergleicht;45 ihm geht es darum, die Hintergründe für das Geschick Ephraims (verbrannter Brotfladen) aufzudecken. Insofern ist 7,4b ein Bildwortkommentar. Hos 7,4b spielt genauso wie 7,8b auf Fehler beim Backen an. 46 Während sich 7,8b nicht für denjenigen interessiert, durch dessen mangelnde Aufmerksamkeit der Fladen verkohlt, steht für 7,4b der Bäcker im Zentrum des Interesses. Es geht in 7,4b nicht mehr wie in 8b um einen miserablen Zustand des Brotfladens, sondern um die Gründe dafür: berufliche Inkompetenz des Bäckers. Zugleich ist evident, daß Hos 7,4b ursprünglich in unmittelbarer Nähe zu Hos 7,8b angebracht worden sein muß, da sich Hos 7,6f bereits als nachexilische Zusätze erwiesen haben. 47 Es ist also ein ursprünglicher enger Textzusammenhang Hos 7,4b.8b zu veranschlagen. Wie in Hos 9,13a':·. 16aß; 10,3a; 10,748 ist auch hier die Spur einer alten, kommentierten Bildwortsammlung greifbar. Da Hos 7,8b Ephraim als ein mißratenes Objekt vor Augen stellt, zielt auch Hos 7,4b zunächst pointiert auf Ephraim ab. 49 7,4b ist gewiß vorexilisch, da der Vers keine theologischen Reflexionen über den Verlust der Staatlichkeit voraussetzt. Der Halbvers dürfte sich kurz nach 722 mit dem gerade geschehenen Untergang des Nordens befassen. Die Verwendung von "Ephraim" im vorgegebenen älteren Bildwort Hos 7,8b zeigt, daß hier aus judäischer Sicht gesprochen wird. "Ephraim" ist ein Ersatzbegriff für die alte Nordreichbezeichnung "Israel". Ein solcher Ersatzbegriff mußte erst geprägt werden, als "Israel" nach 722 von Juda als Benennung des Gottesvolkes übernommen worden war. 50 Hos 7,4b erklärt den Untergang des Nordens damit, daß er seine Ressourcen verschwendet hat. Man kann dies auf die Aufwendungen für eine letztlich erfolglose Bündnispolitik beziehen, wie beispielsweise das Werben von Hosea ben Ela von Israel um Ägypten (vgl. z.B. 11 Reg 17,4).

45 S.o. 4.3 und u. 9.3.2. 46 7,8b geht von der Technik des Brotbackens in heißer Asche aus, denn der Begriff :1l11 wird für das Ergebnis dieses Verfahren benutzt (vgl. HAL, 740). Die Bäckerin - dies ist eine nomadische Backtechnik, und bei den Nomaden ist Backen Frauensache - muß dabei den Fladen je nach Hitze des Steins, auf dem sie backt, früher oder später einmal umdrehen. Vergißt die Bäckerin das Wenden, verkohlt der Fladen und wird ungenießbar. Zu weiteren Einzelheiten s. G. Dalman, Arbeit und Sitte 4, 29ff. 47 S.o., 8.2.1. 48 Vgl. dazu 0., 7.4.6.1. 49 Möglicherweise ist ein ursprünglich zu Beginn von 7,4b vor :1!lK verankertes Ephraim ausgefallen, als der "priesterkritische" 7,4aCl. ("sie sind alle Ehebrecher") ergänzt wurde. 50 5.0.,4.1. Für eine Entstehung der alten Bildworte nach 722 spricht außerdem, daß eines dieser Bildworte, Hos 10,7, auf den Untergang des Nordreichkönigs anspielt.

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Der chaotische Bäcker

8.2.3 Hos 7,5a Hos 7,5 insgesamt ist völlig inkongruent. Hos 7,5b kann wegen der Formulierung in der 3.masc.sing. nicht die ursprüngliche Fortsetzung von 7,5a sein. Alle bisherigen Versuche, in der ersten Vershälfte Hos 7,5a ein Subjekt zu finden, auf das sich 7,5b bezieht, können nicht überzeugen. Der König aus 7,5a kommt als Subjekt dieser sing. Rede nicht in Betracht, ist von ihm doch lediglich in einem Ausruf die Rede. Wolf! und ]eremias rechnen mit dem Wein aus 7,5a als Subjekt, so daß" für die Gewalt des Weines stünde. Dieser Vorschlag leuchtet jedoch deswegen nicht ein, weil " im Sinne von "Kraft" bzw. "Gewalt" nur für Menschen, insbesondere in kriegerischen Kontexten, ihre Organe, beispielsweise die Zunge, oder für Tiere belegt ist, nicht aber für Gegenstände wie Wein verwendet wird. Wellhausen gibt 7,5b sogar als unrettbar korrupt auf. 51 7,5a für sich genommen ist durchaus verständlich. Die ersten beiden Worte in 7,5a (1~~'~ Cl,Y2 sind als wörtliche Rede der Gruppe aufzufassen, von der in 7,5a weiter berichtet wird, daß sie C'1tl.l (= Obere) schwächen/schlaff machen. 53 Der Numeruswechsel zwischen 7,5acx. in der 1.com.plur. und 3.masc.plur. in 7,5aß geht also in Ordnung. Die Erwähnung des Weins macht klar, daß 7,5a auf ein Fest Bezug nimmt. Dieses Fest wird als" Tag unseres Königs" bezeichnet. Daraufhin stellt sich die Frage, von welchem König die Rede ist, dessen Fest gefeiert wird. 1'~ mit Suffix kann den eigenen König einer Gruppe bezeichnen. 54 In der Forschung wird entsprechend eine Deutung von 7,5a als Anspielung auf ein Königsfest bevorzugt. 55 Doch führt diese Auffassung von 7,5a in 51 HAL, 396ff; J. Jeremias, ATD 24/1, 89ff; J. Wellhausen, Kleine Propheten, 118. Gegen Jeremias' Vorschlag plädieren F.1. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 449. 52 Für eine Änderung des Suffixes an 1"~ in die 3.masc.plur. votieren B. Duhm, Anmerkungen, 25; 1. Willi-Plein, Vorformen, 157; J. Jeremias, ATD 24/1, 90ff; H.W. WoIff, BK.AT 14/1, 135; W. Rudolph, KAT nil, 146ff; E. Sellin, KAT 12, 57f. Dagegen bleiben J. Wellhausen, Kleine Propheten, 118; K. Marti, KHC 13,60; W.R. Harper, lCC, 296; H.S. Nyberg, Studien, 50; F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 447ff; G.A. Yee, Composition, 282ff; A.A. Macintosh, lCC, 259 beim Suffix der 1.com.plur. Wellhausen, Nyberg und Yee wollen komplett am MT festhalten. Die von MT abweichenden Fassungen der Peschitta (ohne Suffix) und des Targum (1';':l"~ l';""V '~'l~') sind Versuche, MT zu erklären bzw. die Vershälften aufeinander abzustimmen. Zur Textüberlieferung vgl. auch A.A. Macintosh, lCC, 262. 53 Vgl. in diesem Sinne Prov 13,12. 54 Z.B. Num 24,7; Dtn 7,24; 28,36; Jos 6,2; 10,28ff; I Sam 8,18.20; II Sam 19,44; Jes 7,16; 8,21; Jer 25,18; 32,32; 44,17.21; 46,25; Ez 27,35; 32,10.29; 43,7.9; Am 1,15; Sach 11,6; Ps 89,19; Koh 10,16f; Dan 9,6; Neh 9,32.34. 55 J. Ridderbos, Kleine Profeten, 81; J. Jeremias, ATD 24/1, 95; W. Rudolph, KAT nil, 149 und H. Utzschneider, Prophet vor dem Ende, 84 legen sich nicht im einzelnen fest, um welchen Festtag es geht. H.W. WoIff, BK.AT 14/1, 159 nimmt an, daß es sich hier um die Krönung Hosea

Analyse

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Schwierigkeiten, da die Verbindung von C1' und iJ'~ im Sinne eines solchen Königsfestes im Alten Testament sonst nirgends belegt ist. Die übrigen Texte, die von Krönungen oder Königssalbungen berichten (z.B. II Sam 5,1-3; I Reg 1,32-40; II Reg 11,9-16), benennen solche Feste nicht mit iJ'~:1 C1' oder 1J~'~C1' oder beispielsweise '1' C1'; auch andere Königsfeste werden niemals so bezeichnet. Sollte lediglich ein Gelage mit dem König vor Augen stehen, ist die gewichtige Bezeichnung" Tag unseres Königs" übertrieben. Da sich demnach 1J~'~ C1' nicht auf eine Festlichkeit mit dem König im Mittelpunkt beziehen kann, ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß 1J~'~ auf Jahwe anspielt und folglich hier an ein Jahwefest gedacht ist;56 iJ'~ mit Suffix als Titel Jahwes ist durchaus geläufig. 57 Bestimmte Psalmen belegen den kultischen Jubel über J ahwe als König (vgl. z.B. Ps 47,7; 149,2).58 Jedenfalls ist das Fest als solches offensichtlich legitim. Es werden nur die Auswüchse an Trunkenheit verurteilt. Hos 7,5a ist eindeutig dem "priesterkritischen" Konglomerat zuzuordnen. Denn hier steht, wie auch schon in Hos 4,7f die Pervertierung einer Kultveranstaltung vor Augen. Da 7,5a auf der Linie der "priesterkritischen" Aussagen 6,9; 7,3.4aa liegt, sind wie in 6,9 auch in Hos 7,5a die Priester als Subjekt zu veranschlagen. 59 Interessant ist, daß hier den Priestern nicht der Vorwurf von Alkoholgenuß im Kult gemacht wird (vgl. das entsprechende Verbot Lev 10,9; Ez 44,21), sondern daß sie beschuldigt werden, andere, die C"W, betrunken zu machen. Daß die Trunkenheit v.a. von Führungsschichten negativ bewertet wird, läßt sich mit Verweis auf z.B. Jes 5,llf.22; 56,9-12; Am 6,6; Prov 4,17; 31,4f absichern. Deshalb ist auch die Verleitung zum übermäßigen Trinken abzulehnen (vgl. auch II Sam 11,13; Jer 51,7; Hab 2,15).

ben Elas handelt. Seine Argumentation mit dem Verweis auf das Stichwort n~tD in 7,3 verkennt, daß in 7,3 vom Erfreuen (pie!!) des Königs die Rede ist, wogegen in den Texten, in denen es um Freude am Krönungstag geht, sachgemäß das Qal benutzt wird, vgl. I Sam 11,15; I Reg 1,40.45; II Reg 11,14. Oder es steht ein Nomen, z.B. Jes 9,2; I Chr 29,22. Die Freude bei der Krönung soll nicht den König erfreuen, sondern das Volk freut sich und feiert, vgl. E. Ruprecht, Art. n~rD, Sp. 829f. 56 Auch F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 457 bedenken diese Möglichkeit. 57 Vgl. z.B. I Sam 12,12; Jes 33,22; 43,15; Mi 2,13 (so mit J. Wellhausen, Kleine Propheten, 140; W. Nowack, HK 3/4,213); Ps 5,3; 44,5; 47,7Q); 68,25; 74,12; 149,2(!). 58 Ps 47 belegt, daß in nachexilischer Zeit entsprechende Veranstaltungen mit Jubel stattfanden; vgl. Spieckermanns frühestens exilische Datierung von Ps 47; Heilsgegenwart, 18lf, Anm. 5. Zur Vorstellung von Jahwe als König nach 587 vgl. z.B. auchJes 44,6; Sach 14,16. 59 So auch G.A. Yee, Composition, 285; F.I. AndersenlD.N. Freedman, AncB 24, 447f.455.

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Der chaotische Bäcker

8.2.4 Hos 7,5b

Hos 7,5b muß ursprünglich Bestandteil von Aussagen gewesen sein, die ebenfalls in der 3.masc.sing. formuliert waren. Im nächsten Kontext ist das in 7,4b der Fall: "Ein Bäcker, der aufhört zu schüren vom Kneten des Teigs bis zu seiner Durchsäuerung. ,,60 Da 7,5a bereits als "priesterkritische" Ergänzung erkannt wurde, bildete 7,5b ursprünglich die direkte Weiterführung zu 7,4b. Im Anschluß an 7,4b ist 7,5b bestens verständlich. Im Zusammenhang behaupten 7,4b.5b nämlich, daß der Bäcker, anstatt auf eine vernünftige Nutzung seiner Holzvorräte zu achten und den Backvorgang planvoll zu organisieren, sich lieber mit leichtfertigen Schwätzern zusammentut. 61 Mit Hos 7,5b hinter 7,4b will der Autor verdeutlichen: Ephraim hat sich nicht nur planlos verhalten, sondern sich auch noch auf völlig zweifelhafte Größen (= Schwätzer) eingelassen. Als in frühnachexilischer Zeit der "priesterkritische" 7,5a ergänzt wurde, ging dieser ursprüngliche Zusammenhang 7,4b.5b verloren. Hinter 7,5a wirkt 7,5b jetzt nahezu unverständlich. Die Frage, inwiefern sich eine "priesterkritische" Hand gerade hinter 7,4b und vor 5b zur Aussage 7,5a veranlaßt sah, ist schwierig zu beantworten. Immerhin könnte der Autor von 5a im Blick auf das Stichwort "Schwätzer" in 7,5b analog zu Prov 20,1 den Mißbrauch des Weins assoziiert haben. Hos 7,5b ist zusammen mit 7,4b als Vorauskommentar zu dem älteren Bildwort Hos 7,8b zu bewerten. 62 Solche Kommentare resultieren aus der Suche nach der Ursache für Ephraims schlechten Zustand. In 7,4b.5b wird Ephraims Torheit und sein Leichtsinn für sein trauriges Schicksal verantwortlich gemacht. 63 Das Urteil über Ephraim in 7,4b.5b ist vorexilisch formuliert.

8.2.5 Hos 7,7b

Gegen die herkömmliche Deutung von Hos 7,7b auf die zahlreichen Königsmorde im Nordreich kurz vor dessen U ntergang64 ist einzuwenden, daß die Wurzel 'nJ:J nur selten für die Kennzeichnung von Mord benutzt wird. 60 Zur Rekonstruktion der ursprünglichen Fassung von 7,4b vgl. 0., 8.2.2. 61 Vgl. zur Übersetzung "er reichte seine Hand den Schwätzern" HAL, 610 und LXX. 62 S.o., 222f. 63 Vgl. ähnlich auch den weiteren Kommentarvers Hos 7,9, s.U., 9.4. 64 Vgl. z.B. A. Wünsche, Prophet Hosea, 298; W. Rudolph, KAT 13/1, 149; J. Jeremias, ATD 24/1, 96f; H.W. Wolff, BK.AT 14/1,160; G.A. Yee, Composition, 285; A.A. Macintosh, lCC, 265.

Analyse

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Dagegen bezeichnet '?::JJ des öfteren das Fallen im Krieg. 65 Im Blick darauf, daß hier davon die Rede ist, daß "alle ihre Könige" zu Fall kommen, ist '?::JJ hier so wie z.B. auch in II Reg 14,10; Jes 3,8; 8,15; 21,9; Jer 51,8 zu verstehen. Da es weder für die Könige des Nordreichs noch für die des Südreichs zutrifft, daß sie im Krieg gefallen sind, ist hier analog zu den eben genannten Stellen schlicht gemeint, daß sie gescheitert sind und das Königtum am Ende ist. 7,7b steht deutlich den Aussagen in 10,3b nahe. In 7,7bß ergeht wie in 10,3ba der Vorwurf der Mißachtung Jahwes. So wie in 10,3bß zugleich die Geringschätzung des Königs/des Königtums deutlich ist, stellt der Verfasser mit 7,7b fest, daß man den Verlust des Königtums schlicht hinnimmt, ohne sich in dieser Sache an Jahwe zu wenden. Auch dies impliziert eine Verachtung des Königtums. Die Legitimität des Königtum steht für Hos 7,7b und 10,3b außer Frage. Aufgrund der engen Berührungen mit 10,3b ist Hos 7,7b dem "priesterkritischen" Konglomerat zuzuweisen. Es liegt nahe, daß auch hier die erhobenen Vorwürfe sich an die Priester richten. Hos 7,7b wurde im Rahmen des "priesterkritischen" Konglomerats relativ spät verankert; denn die Verwendung der Jahwerede wie in Hos 7,7b wird in "priesterkritischen" Texten erst mit der im Rahmen des "priesterkritischen" Konglomerats späten Einschaltung von Hos 4,7f.l0a.13.14a gebräuchlich. 66 Zudem zeigt der Halbvers Einflüsse jüngerer Theologie, als dies in Hos 6,9; 7,3.4aa.5a der Fall ist; denn Hos 7,7b scheint bereits das dtr. Richterschema vorauszusetzen. Nach diesem Schema besinnt sich das Volk immer wieder, wenn es in Not gerät, auf seinen bislang vergessenen Gott Jahwe und schreit zu ihm (vgl. z.B. Jdc 2,11-16.18f; 3,7_11).67 Erst vor dem Hintergrund dieses dtr. Schemas ist Hos 7,7b in seiner vollen Aussageabsicht verständlich. Die in Hos 7,7b Beschuldigten erscheinen also als so halsstarrig, daß nicht einmal der Verlust des Königtums für sie einen ausreichenden Grund darstellt, zu J ahwe umzukehren. Sie verhalten sich

65 Vgl. HAL, 670f. Allenfalls für I Sam 18,25 könnte man über die Übersetzung "ermorden lassen" diskutieren. Das Verb ';Jl erscheint hier jedoch im Hiphil (Qal in Hos 7,7b), und die Bedeutung "ermorden lassen" läßt sich nur schwer als faktitive Ableitung der Qal-Bedeutung "fallen" auffassen. HAL, 670f bevorzugt die Übersetzung "zu Fall bringen", ohne eine Übersetzung "ermorden lassen" auch nur in Betracht zu ziehen. 66 S.o., 7.4.5.1. 67 Inp kann als Äquivalent für pl1r/pl1:! stehen, so auch c.L. Labuschagne, Art. K1p, Sp. 673. In Jer 3,4 erscheint ebenfalls K1p als Terminus für die erneute Zuwendung der Frau Israel zu Jahwe, nachdem sie von ihm weggehurt ist. Möglicherweise steht auch in diesem Text das dtr. Richterschema im Hintergrund. De facta laufen die Überlegungen von F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 460f auf diese Beziehung von Hos 7,7b zu dtr. Texten hinaus. Sie heben vor allem Hos 4,1 und 6,7 als vergleichbare Aussagen in Hos hervor, und beide sind dtr. beeinflußt (zu 4,1 s.o., 6.3.2.1f; zu 6,7 s. G.A. Yee, Composition, 280).

228

Der chaotische Bäcker

demnach in den Augen des Verfasser von Hos 7,7b verwerflicher als das wankelmütige Volk der Richterzeit. 68

8.3 Fazit Somit kann nach allem festgehalten werden, daß mit der Aufhellung der Wachstumsgeschichte der Textfolge 6,9; 7,3_769 auch die Verständnisprobleme der bislang undurchsichtigen Verse 7,4b und Sb gelöst sind. Als Kern der Textfolge 6,9; 7,3-7 ließ sich 7,4b einschließlich ~!JK ("Ein Bäcker, der aufhört zu schüren vom Kneten des Teigs bis zu seiner Durchsäuerung") ausmachen. 70 7,Sb ("er reichte seine Hand den Schwätzern") bildet die direkte Fortsetzung von 7,4b. Insgesamt handelt es sich um eine bildhafte Kommentierung zu einem bereits vorgegebenen älteren Bildwort 7,8b ("Ephraim wurde ein Brotfladen, der nicht umgedreht wurde"), in dem die desolate Situation Ephraims illustriert wurde. Die nachgetragene Kommentierung 7,4b.Sb will die Frage nach den Ursachen der Lage Ephraims wie folgt beantworten: so töricht wie ein Bäcker, der sein Feuerholz vergeudet, und so leichtsinnig wie einer, der sich mit Schwätzern einläßt, hat sich Ephraim verhalten. Die bisherigen Verständnisprobleme im Blick auf 7,4b.Sb lassen sich also dadurch erklären, daß die Aussagen in ihrem jetzigen Kontext nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zusammenhang stehen. Liest man 7,Sb ohne den Nachtrag 7,Sa direkt im Anschluß an 7,4b, so liegt seine Aussageabsicht ganz auf der Linie von 7,4b und ist gut nachvollziehbar: Ephraim hat sich nicht nur in der Situation vor 722 "chaotisch" verhalten, sondern sich auch auf völlig vage und unsichere Hilfszusagen verlassen. 7i Die nächste Gruppe von Zusätzen in der 3.masc.plur. überwuchert die vorgegebenen Bildwortkommentare in der 3.masc.sing. Es handelt sich um frühnachexilische Nachträge aus der "priesterkritischen er Bearbeitungsphase: 6,9; 7,3; 7,4acx; 7,Sa; 7,7aß. In all diesen Versen stellen die Priester das Subjekt. Die ersten "priesterkritischen" Anmerkungen liegen in 6,9; 7,3 vor. Alles andere ist ein allmählich angewachsenes Konglomerat von Zusätzen.

68 Die somit in Hos 7,7b; 10,3b erkennbare positive Haltung des Autors zum Königtum spielt im DtrG in bestimmten Textpassagen eine wichtige Rolle. Zur königsfreundlichen Haltung von DtrH beispielsweise s. R. Smend, Entstehung, li8f. Zu Jdc 17,6, einem jüngeren königsfreundlichen Text, s. R.G. Kratz, Komposition, 203f. 69 Zur Begründung dieser Textfolge s.o., 7.1.2. 70 Zur Begründung dieser Wiedergabe von 7,4b vgl. 0., 22lf. 71 Möglicherweise stehen hier außenpolitische Manöver vor Augen, wie sie in II Reg 17,3f angedeutet werden.

Fazit

229

Deutlich erkennbar ist die Beeinflussung des "priesterkritischen" Konglomerats durch sozialkritische Texte aus anderen Prophetenbüchern Ger 9,1; Ez 22). Ausgehend von 6,9 wird dargestellt, wie schädlich sich das verantwortungslose Tun der Priester auswirkt. 7,7b wird noch im Rahmen dieser Bearbeitungsphase, aber später als 6,9; 7,3.4aa..5a.7aß eingebaut. Hier machen sich dtr. Einflüsse bemerkbar. Der Halbvers 7,7b setzt das zyklische Muster von Abfall und Schreien zu J ahwe aus J dc voraus; seine königsfreundliche Haltung ähnelt etlichen Texten aus dem DtrG, so z.B. Jdc 17,6; I Sam 10,24. Ferner sind in Hos 7,3-7 Zusätze aus der Gruppe der eschatologisierenden Nachträge nachweisbar. Wie Hos 7,lb malen sie ein Gerichtsszenario aus, das bereits durch den eschatologisierenden Zusatz 6,l1a {Ernte gericht) angekündigt wurde. 72 Die Ergänzung 7,4aß73 sieht im vorgegebenen Thema "Backen und Heizen" einen Hinweis auf die Art des Strafgerichts. 7,4aß setzt bereits die in 7,la*74 nachgetragene "junge Samariapolemik" voraus, und soll klarstellen, daß neben Juda (6,l1a) auch Samaria vom Gericht betroffen ist. "m in 7,4aß wird assoziativ zum Anknüpfungspunkt für den zweiten eschatologisierenden Nachtrag, 7,6b. 75 Dieser macht deutlich, daß der Bäcker aus 7,4b ins Gericht muß und daß das Gericht plötzlich über ihn hereinbricht. Noch später versucht der Verfasser von 7,6a.7aa., offensichtlich noch einmal eine bessere Abstimmung auf die älteren "priesterkritischen" Aussagen zu erreichen, indem er die Täter nicht mehr als "brennend" wie in den eschatologisierenden Zusätzen, sondern als "erhitzt" darstellt. 76 Dieses Erhitztsein soll die Bosheit der Angeschuldigten veranschaulichen. Da sich sonst keine vergleichbaren Zusätze finden, liegen hier Einzelglossen vor.

72 73 74 7.2.1. 75 76

5.0.,7.2.2. Zu Einzelheiten vgl. 0., 220ff. Ohne die einleitenden lnf.-Konstruktion und den ':l-Satz (s.o., 7.1.2). Zu 7,la* s. auch Vgl. zu Einzelheiten 0., 218f. Zu Einzelheiten vgl. 0., 218f.

230

Der chaotische Bäcker

8.4 Die Schichtung von Hos 6,9; 7,3-7.8b im Überblick

Ältestes Bildwort: vorexilischer Bildwortwortkommentar zu dem älteren Bildwort Hos 7,8b : "priesterkritische" Überarbeitung: eschatologisierende Zusätze: Einzelglossen:

7,8b 7,4b. 775b 6,9; 7,3.4aa.5a.7aß.7b 7,4aß(einschließlich 1~). 6b 7,6a.7aa

6,9: Und wie das Lauern der Räuberbande ist die Gemeinschaft der Priester, sie morden an der Straße nach Sichern, ja sie tun Schandtat. l8 7,3: Mit ihrer Bosheit erfreuen sie einen König und mit ihren Lügen Obere. 7,4: Sie sind alle Ehebrecher - wie ein Backofen brennt es (Sc. Samaria, vgl. 7,1) von einem Bäcker her,79 der aufhört zu schüren vom Kneten des Teigs bis zu seiner Durchsäuerung. 7,5: "Tag unseres Königs!" Sie machten Obere schlaff, erhitzt von Wein. Er reichte seine Hand den Schwätzern. 7,6: Denn sie traten heran wie der Backofen, ihr Herz war in ihrem Hinterhalt.

Die ganze Nacht schläft ihr Bäcker. am Morgen brennt dieser wie eine Feuerflamme.

7,7: Sie alle werden heiß wie der Backofen, und sie fressen ihre Richter. Alle ihre Könige sind gefallen, aber keiner unter ihnen ruft mich an. 7,8b: Ephraim wurde ein Brotfladen, der nicht umgedreht wurde.

77 Einschließlich ;'1!lK, aber ohne das später ergänzte 1~. S. dazu auch 0., 221. 78 Zu den später eingeschalteten Versen 6,10-7,2 vgl. 0., 7.1.2. 79 Möglicherweise ist ein ursprünglich zu Beginn von 7,4b vor ;'1!lK verankertes Ephraim ausgefallen, als der "priesterkritische" 7,4aa ("sie sind alle Ehebrecher") ergänzt wurde.

9. Die Anfänge des Hos-Buches Die Untersuchungen zu Hos 7,3-7 haben gezeigt, daß 7,4b.5b als ältestes Textgut einzustufen ist. Es handelt sich um einen Bildwortkommentar, der das Bildwort in 7,8b voraussetzt und dieses kommentieren soll. Im Folgenden soll mittels einer Analyse zu 7,8-12 überprüft werden, welche Textanteile hier außer 7,8b zum ältesten Textgut zu rechnen sind, um dann nach den Trägerkreisen und ihrem theologiegeschichtlichen Umfeld fragen zu können.

9.1 Analyse zu Hos 7,8-12 1 7,8: Ephraim ist unter den Völkern, er vermischt sich. 2 Ephraim wurde ein Brotfladen, der nicht umgedreht wurde. 7,9: Fremde aßen seine Kraft, und er merkt es nicht. Sogar graues Haar hat sich über ihn gestreut,] und er merkt es nicht. 7,10: Und die Anmaßung Israels zeugte gegen es. Und sie sind nicht umgekehrt zu Jahwe, ihrem Gott, und sie haben ihn nicht gesucht - trotz alledem. 7,11: Und Ephraim wurde wie eine Taube, verführbar ohne Verstand. Ägypten riefen sie, nach Assur liefen sie.

1 Die Versionen weichen in 7,8-12 anders als in 7,3-7 kaum von MT ab, was damit zu· sammenhängen muß, daß der Text deutlich besser verständlich ist und weniger philologische Probleme aufwirft. Dies bestätigt die These, daß den Versionen im großen und ganzen kein anderer oder gar besserer Text vorlag als MT, so auch H. Utzschneider, Prophet vor dem Ende, 8lf. Ihre Abweichungen sind zu großem Teil Interpretationsversuche, für die in 7,8-12 kein Bedarf besteht. 2 ",,:1 Hitpolei ist ein Hapax legomenon. In der älteren Forschung werden für dieses Verb Konjekturen diskutiert, die v.a. 7,8a und 8b untereinander besser vernetzen sollen. Zu einer Begründung der vorliegenden Übersetzung s.u., 238f. 3 p1r Qal ist vor allem für das Sprengen von Blut an einen Altar belegt, aber auch für das Streuen beispielsweise von Asche oder Saatgut (Ex 9,8.10; Jes 28,25; Ez 10,2; Hi 2,12; II Chr 34,4). Es bereitet nicht geringe Probleme, dieses Verb mit dem Subjekt :1:1'tD, graues Haar, zu verbinden. Man muß entweder konjizieren und das Verb in eine passive Stammform umwandeln (passiv Qal oder Pual; so F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 467; T.H. Robinson, HAT 14,28; K. Marti, KHC 13,61; W. Nowack, HK 3/4,47) oder von einem intransitiven Qal ausgehen, das sonst nirgends belegt ist, so W. Rudolph, KAT 13/1, 151; A.A. Macintosh, ICC 270f. Zu dem Vorschlag Blaus, hier vom arabischen zaraqa vrn auszugehen, vgl. J. Blau, Untersuchungen, 341; HAL, 272; H.W. Wolff, BK. AT 14/1, 136. In jüngster Zeit wird dieser Vorschlag zu Recht abgelehnt, s. Macintosh, z.St. Es ist am plausibelsten, hier von einem intransitiven Qal auszugehen, da so jeder Eingriff in den Text entfällt.

232

Die Anfange des Hos-Buches

7,12: Sobald sie laufen, breite ich über sie mein Netz. Wie den Vogel des Himmels hole ich sie herunter, ich züchtige sie,4 wie es Kunde in ihrer Gemeinde ist.

Die Abgrenzung von 7,8-12 bereitet keine Schwierigkeiten. 7,8 am Anfang vollzieht gegenüber 7,7b einen mehrfachen Neuansatz. Der Vers formuliert anders als 7,7b nicht in der 3.masc.plur., sondern in der 3.masc.sing. Das neue Subjekt, Ephraim, steht markant am Versanfang, und 7,8a bietet anstelle des Perfekts in 7,7b das Imperfekt. Der Wehruf in 7,13 fungiert als Einleitung zur nächsten Redeeinheit, so daß 7,8-12 auch nach hinten klar abgegrenzt sind. 7,8-12 ist kein einheitlicher Text. In der Forschung herrscht über den Nachtragscharakter von 7,10b nahezu Konsens. 5 Tatsächlich hebt sich diese Vershälfte durch ihren Parallelismus membrorum und die Rede über J ahwe in der 3.masc.sing. besonders deutlich vom Kontext ab. Aber 7,10b ist nicht der einzige Nachtrag. Denn während 7,8f.ll wie 7,3-7a weder als Propheten- noch als Jahwerede stilisiert sind, ist 7,12 als Jahwerede konzipiert und gibt sich somit als spätere Ergänzung zu erkennen. 6 Ferner fällt 7,10a insofern aus dem Rahmen, als sich diese kurze Zeile klar vom Qinametrum des Kontextes {7,8f.llar unterscheidet und vor allem anstelle von "Ephraim" (7,8.11a) hier "Israel" als Subjekt eingesetzt ist. Da in Hos 7,10 beide Vershälften als Nachtrag zu bewerten sind, soll im Folgenden zunächst geklärt werden, wie beide in der Wachstumsgeschichte des Hos-Buches zu verorten sind.

4 Zur Übersetzung des Verbs wurden im Laufe der Forschungsgeschichte mehrere Möglichkeiten vorgeschlagen, aber die LXX (1tCx.tlleuO"co) bestätigt MT. Hier ist wie in Hos 10,10 Piel zu vokalisieren, so mit H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 136.• Züchtigen" ist hier eher positiv im Sinne von .unterweisen" zu verstehen. 5 Z.B. P. Riessler, Zwölfprophetenbuch, 35; K. Marti, KHC 13,62; 1. Willi-Plein, Vorformen, 159; J. Jeremias, Hosea 4-7,65; G.A. Yee, Composition, 182f. Erste entsprechende Überlegungen stammen von Redslob (1842, vgl. A. Wünsche, Prophet Hosea, 308). Nur wenige halten an der Hoseanizität von 7,10b fest, so z.B. W. Rudolph, KAT 13/1,151; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 161; A.A. Macintosh, ICC, 272f. 6 Zu 7,12 s. auch u., 9.6. 7 Anders H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 139, der das Qinametrum für V.8f.JOb veranschlagt.

Hos 7,10

233

9.2 Hos 7,10 7,10: Und die Anmaßung Israels zeugte gegen es, Und sie sind nicht umgekehrt zu Jahwe, ihrem Gott, und sie haben ihn nicht gesucht - trotz alledem.

Daß 7,10a und lOb nicht aus einer Hand stammen, ist offensichtlich. Zwischen ihnen findet ein Numeruswechsel zwischen Sing. in 7,10a und Plur. in 7,10b statt, verbunden mit einem Subjektwechsel. In 7,10a ist die "Anmaßung Israels" Subjekt, in 7,10b das Volk. 7,10b hebt sich, wie bereits vermerkt, von 7,10a durch seine Formulierung im Parallelismus membrarum deutlich ab. Beide Halbverse bewegen sich auf unterschiedlichen Reflexionsebenen. Indem in 7,10b aufIsraels Verweigerung der Umkehr zu Jahwe verwiesen wird, ist die sog. dtr. Umkehrtheologie vorausgesetzt. In 7,10a wird dagegen lediglich die "Anmaßung"/der Hochmut Israels getadelt, ohne weitere theologische Folgerungen. 7,10a muß früher als 7,10b eingearbeitet worden sein; denn ein Anschluß der Formulierungen von 7,10b mit den Verben in der 3.masc.plur. unmittelbar hinter 7,9 ist deswegen nicht anzunehmen, weil es zu Verwechslungen mit dem pluralischen Subjekt aus 7,9, den Cl'1r, geführt hätte. Daraufhin wäre dann in 7,10b deren fehlende Umkehr thematisiert worden. Folglich setzt 7,10b zweifellos 7,10a voraus.

9.2.1 Hos 7,10a 7,10a behauptet, die Anmaßung Israels habe gegen es gezeugt. Der Halbvers hat in 5,5a ein genaues Pendant, so daß hier ein Zitatverhältnis vorliegt. Da 7,10a besser in seinen Kontext eingebunden ist, ist er als "Original" zu bestimmen, während 5,5a die jüngere "Kopie" darstellt. Diese bessere Einbindung in den Kontext wird daran deutlich, daß 7,9.11a und 7,10a auf einer vergleichbaren Reflexionsebene argumentieren. In 7,9.11a wird Ephraims schlechter Zustand auf seine Torheit zurückgeführt. Mit dem Verweis auf "Torheit" kommt die Argumentation wie in 7,10a ("Anmaßung") ohne theologische Bewertungen aus. Dagegen ist 5,5a mit seiner untheologischen Argumentation in 5,1-7 ein Fremdkörper. Selbst der älteste Bestandteil dieses Abschnitts, die "priesterkritische" Überschrift 5,1" ("Hört dies, ihr Priester und Haus des Königs, hört hin, denn ihr seid ein Klappnetz für Mizpa geworden und ein aufgespanntes Fangnetz auf dem

234

Die Anfänge des Hos-Buches

Tabor!"),s setzt eine deutlich weiter fortgeschrittene theologische Reflexion voraus. 9 7,10a gehört wie Hos 7,4b.5b; 10,3a zu den Kommentierungen vorgegebener Bildworte, wobei diese Kommentare noch vor der "priesterkritischen" Bearbeitungsphase eingebracht wurden. Der Kommentarcharakter ist besonders daran erkennbar, daß 7,10a die bildhafte Aussage über den schlechten Zustand Ephraims (7,8b) voraussetzt und die Begründung dafür mit dem Vorwurf "Anmaßung" nachliefert. Für die Zugehörigkeit von 7,10a zu diesen vor-"priesterkritischen" Kommentaren spricht außerdem die Verwendung der 3.masc.sing. wie in 7,4b.5b, während die späteren "priesterkritischen" Zusätze in der 3.masc.plur. formuliert sind (6,9; 7,3.4aa..5a.7aß). Wie in 7,4b.5b spielen auch in 7,10a theologische Erwägungen keine Rolle. Diese Kommentierungstätigkeit an älteren Bildworten dürfte in der Zeit unmittelbar nach 722 (z.B. 7,4b.5b) eingesetzt haben, läßt sich aber bis in die Zeit um 587 verfolgen. 7,10a ist zu einer jungen Phase dieser Kommentierungen zu rechnen. Wie ein Vergleich von 7,4b.5b und 7,10a deutlich macht, dürften diese sukzessiven Kommentierungen mit je weiterführenden Reflexionen verbunden gewesen sein, mit denen je neuen Erfahrungen und Fragestellungen Rechnung getragen wurde. Der gezielte terminologische Wechsel zu "Israel", den Hos 7,10a im Unterschied zu dem älteren Bildwortkommentar 7,4b.5b vollzieht, zeigt, daß nicht mehr allein der Norden (Ephraim) vor Augen steht, sondern daß Juda in die Kritik einbezogen werden soll. Der Grund dafür sind die Ereignisse von 587, durch die Juda in eine ähnliche desolate Lage geriet wie vor ihm Ephraim. Für dem Untergang beider Teilreiche wird jetzt die gleiche Ursache veranschlagt, nämlich Hochmut und Anmaßung (vgl. auch z.B. Jer 13,9; Ez 19,11).10 Hos 7,10a ist also als ein exilischer Bildwortkommentar zu bestimmen. Die Kommentierung alter Bildworte in Hos begann demnach in vorexilischer Zeit (7,4b.5b) und wurde bis in exilische Zeit fortgesetzt (7,10a). Somit lassen sich seit der Entstehung der ältesten Bildworte um 722 (z.B. 7,8b; 9,13a'~.16aß; 10,7)11 über ihre Kommentierungen bis in die exilische

8 S.o., 6.2.1 und 136, Anm. 7. 9 Anders die Mehrheitsmeinung der Forschung, nach der 5,5aa Vorbild für 7,10a wäre, so z.B. W. Rudolph, KAT 13/1,151; I. Willi-Plein, Vorformen, 159; J.L. Mays, Hosea, 109; G.A. Yee, Composition, 182; T. Naumann, Hoseas Erben, 59f. Macintosh hält hier sogar für beide Stellen an einer hoseanischen Herkunft fest, vgl. ICC, 272f. Zu 5,5a und zur Stellung dieser Aussage im jetzigen Kontext, s.u., 235. 10 Vgl. zum Verweis auf Hochmut und Anmaßung als Begründung von Katastrophen die Erwägungen von K.-F. Pohlmann, Ezechiel, ATD 22/1, 38.288. 11 S. dazu 0., 4.3; 7.4.6.1 und 8.2.2.

Hos 7,10

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Zeit sowie über die Erweiterungen der "priesterkritischen" Schicht (z.B. 5,1 *; 6,4b.9; 7,3.4aa..5a) in frühnachexilischer Zeit kontinuierlich literarisch produktive Tradierungsprozesse erheben. In den Arbeiten der bisherigen Forschung wird gerade in dieser Hinsicht zu wenig beachtet, daß jede These zur Entstehung von Hos zeigen können muß, inwiefern eine gewisse Kontinuität der Bearbeitung über die Zeiten hinweg an den Texten abzulesen ist. In den gängigen Modellen nimmt man dagegen enorme Zeitlükken in Kauf, indem man nach der Tätigkeit der Hoseaschüler um 700 erst wieder mit exilischen Bearbeitungen rechnet. 12 Da das bevorzugte Schriftmaterial in Juda und Israel der vergängliche Papyrus war, ist davon auszugehen, daß ältestes Textgut nur deswegen erhalten bleiben und tradiert werden konnte, weil eine Art öffentlicher Diskurs über die jeweilige Lage zu permanenten Aktualisierungen der Texte provozierte. Dieser permanente Aktualisierungsprozeß sollte in den Texten nachweisbar sein. Wie oben bereits vermerkt, wird die Aussage 7,10a in 5,5a zitiert. 5,5a ist ein Bestandteil der "Abfall-Umkehr"-Texte. Der zuständige Verfasser versteht den vorgegebenen 7,10a als geeignete Aussage, um das zentrale Anliegen der "Abfall-Umkehr"-Text, nämlich den Schuldaufweis gegen Nord und Süd, zu verdeutlichen und zitiert ihn aus diesem Grund. 13 Folglich bildet 5,5a zusammen mit 7,10a eine Art Rahmen um 5,10-7,9*, um damit sicherzustellen, daß anders als in dem "priesterkritischen" 5,10, in dem speziell die judäischen Beamten beschuldigt sind, und anders als in den alten Bildworten (z.B. 7,8b), die allein den Norden kritisieren, das gesamte Israel gleichermaßen schuldig ist.

9.2.2 Hos 7,10b 7,10b muß deutlich jünger sein als 7,10a. 14 Bereits Robinson und Willi-Plein haben auf die zahlreichen außerhoseanischen Paralleltexte zu 7,10b hingewiesen, in denen ebenfalls behauptet wird, daß das Volk die Umkehr verweigert (vgl. z.B. Am 4,6ff; Zeph 1,6). Willi-Plein rechnet wegen dieser Bezüge mit einem späten Musivstil in Hos 7,10b. 15 Zusätzliche Parallelen bestätigen ihr Urteil. Das nKT ':lJ am Ende von 7,10bß liest man so auch in Ps 78,32 undJer 3,10; diese beiden Verse thematisieren ebenfalls, daß eine

12 S. z.B: J. Jeremias, Hoseabuch, 593ff; M. Nissinen, Prophetie, 339ff. 13 Erst der .samariapolemische" Nachtrag 5,5aß hebt diese Ausrichtung von 5aa. auf, indem er .Israel" und .Ephraim" gleichsetzt (s.o., 4.2.2). 14 Vgl. dazu bereits 0., 233. 15 T.H. Robinson, HAT 14, 29; I. Willi-Plein, Vorformen, 159.

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Die Anfänge des Hos-Buches

reuevolle Reaktion auf J ahwes Gerichte ausbleibt. Anders als in J er 3,10; Ps 78,32 wird in Hos 7,10 das n~T ?~J jedoch nicht konkretisiert. Es wird nicht durch den Kontext klar, ob es sich auf vergangene Verfehlungen wie in Jer 3,10 oder auf Strafhandeln Jahwes wie in Ps 78,32 bezieht. Da Hos 7,10b daher auf einen bereits geprägten, festen Sprachgebrauch zurückgreift, ist er erheblich jünger. 16 Hos 7,10b erweist sich als Anteil der "jüngsten Samariapolemik".17 Wie für diese Zusätze charakteristisch, werden Heilsoptionen dem Norden abgesprochen, die vorher im Rahmen der "Abfall-Umkehr"-Texte auf das ganze Volk bezogen ins Buch eingearbeitet worden waren. Mit der Feststellung, das Volk verweigere die Umkehr, negiert 7,10b den vorangehenden "Abfall-Umkehr"-Text Hos 5,15, wo eine Umkehr des Volkes als Reaktion auf seine Notlage (c;,? '~J) erwartet wird. IB Der sprachliche Vergleich von 5,15 und 7,10b (vgl. 5,15: 'J!J lrDpJl und 7,10: 1:1rDpJ ~?1) bestätigt, daß 7,10b die jüngere Aussage ist. In 7,10b wird gegenüber 5,15 deutlich vereinfacht und gestrafft formuliert. Denn während nach 5,15 Jahwe zuerst in sein Heiligtum ('~1p~)19 zurückkehrt, übergeht der Verfasser von 7,10b die Rückkehr Jahwes und verwendet das Stichwort JlrD aus 5,15 anstelle dessen im Sinne seines umkehrtheologischen Aussageanliegens. Objekt für rDpJ Piel in 7,10b ist nicht Jahwes Angesicht ('J!J) wie in 5,15, sondern Jahwe direkt. Während in 5,15 konkret auf Schuld (CrD~) und Katastrophe (,~) verwiesen ist, klingt in 7,10b allein in dem vagen n~T ?~J an, weswegen Israel umkehren sollte. 7,10b ist folglich jünger als 5,15 und als Gegentext zu diesem Vers formuliert. Wie alle "Abfall-Umkehr"-Texte entstand auch 5,15 im Umkreis von ehr. 20 Hos 7,10b ist noch jünger und dürfte deshalb in hellenistischer Zeit entstanden sein. Exkurs: Zu weiteren Textanteilen der "jüngsten Samariapolemik" Neben 7,lOb lassen sich im Hos-Buch weitere Zusätze nachweisen, die im Zusammenhang mit der "jüngsten Samariapolemik" stehen und Hos 5,15 negieren. Dazu gehört Hos 11,5b; denn auch nach diesem Halbvers weigert sich Ephraim umzukehren. 21 In 5,4 wird ebenfalls behauptet, daß eine Umkehr unmöglich ist, hier mit der 16 Die Zuschreibung von 7,10b an Hoseatradenten (vgl. z.B. T. Naumann, Hoesas Erben, 61) kann angesichts dieser manifesten Berührungen mit späten Texten nicht überzeugen. J eremias rechnet zwar mit einer exilischen Herkunft des Halbverses (Hoseabuch, 592), hält aber so immer noch an einer zu frühen Datierung fest. 17 S.o., 7.2.4. 18 S.o., 7.3.4. 19 Damit ist ganz eindeutig nach Belegen wie z.B. I Reg 8,29f.35; Jer 7,3.6f; 17,12; Mi 1,2; Ez 43,7 der Jerusalemer Tempel gemeint. 20 Vgl. dazu bereits die Ausführungen 0., 7.2.4 und 7.3.4. 21 Zu 11,5b als Nachtrag zu dem Grundbestand Hos 11,1-4*.8a s.o., 7.3.6.

Hos 7,10

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Begründung, daß die Taten der Betroffenen das nicht zuließen. Die Bestreitung der Umkehrmöglichkeit und des Umkehrwillens in 5,4; 7,10b; 11,5b wird ihrerseits vom Verfasser von 3,5 zurückgewiesen;22 er setzt auf eine künftige Umkehr des Nordens, allerdings erst am Ende der Zeiten (C'~'" rl',n~J ... ,n~). Es ist also von einer buchinternen Diskussion auszugehen, die in den sukzessive eingetragenen Versen 5,15, danach 5,4; 7,10b; 11,5b und zuletzt 3,5 erkennbar wird. Dies bestätigen zudem sprachliche Übereinstimmungen. Die Verben J 1W und WpJ Piel sind in Hos nur noch in 3,5 und 5,15 verwendet; C''''~ mit Suffix der 3.masc.plur. steht in 7,10b; 5,4 und 3,5. 23 Die Beiträge zu dieser buch internen Diskussion verteilen sich auf unterschiedliche Konglomeratschichten. Den Anfang macht der "Abfall-Umkehr"-Text 5,15. Darauf folgen drei Zusätze der "jüngsten Samariapolemik" (5,4; 7,10b; 11,5b). Am Ende steht ein Zusatz später Heilstheologie (3,5), für die das Heil für Israel unter Ausschluß des Nordens undenkbar ist. Daß Hos 5,4; 7,10b der "jüngsten Samariapolemik" zuzuweisen sind, wird ferner daran deutlich, daß sie nicht J udas Umkehr ausschließen, sondern nur die Ephraims. Hos 5,4 ist gezielt in einem Kontext plaziert, der allein Samaria verurteilt (5,3a).24 Liest man den "Abfall-Umkehr"-Text Hos 5,15 nach der jüngeren Ergänzung 5,3f im vorausgehenden Kontext, so ist Juda nicht tangiert, also weiterhin zur Umkehr fähig; dagegen gilt Ephraim als aussichtsloser Fall. Es wird also in 5,4 nicht die Umkehrtheologie als solche bestritten, sondern nur eine Auffassung, die Wert auf eine Umkehr von Nord und Süd gemeinsam legt. Diese Wirkung verstärkt sich, weil 5,4 und 7,10b gemeinsam eine Art Rahmung um die "Abfall-Umkehr"-Texte Hos 5,15; 6,1-3 bilden. Vergleichbare buchinterne Diskussionen sind, wie bereits vermerkt, auf Jahwes Heilen bezogen, festzustellen. Im Bereich der "Abfall-Umkehr"-Texte wird die Auffassung vertreten, daß Jahwe das Volk heilt (Hos 6,1); diese Sicht wird von Texten der "jüngsten Samariapolemik" korrigiert, indem ihre Verfasser behaupten, der Norden könne von diesem Heilen nicht profitieren (der gezielt vorgeschaltete Nachtrag Hos 7,laa vor 7,la": "Wenn ich Israel heile, dann wird die Sünde Ephraims aufgedeckt und die übergroße Bosheit Samarias. ") und ignoriere es (Hos 11,3b). Diese Position wiederum erfährt in einem Beitrag später Heilstheologie (Hos 14,5) eine Korrektur, indem dort Jahwes Heilen für das Volk in Nord und Süd in Aussicht gestellt wird. Hos 14,5 reagiert auf ihm vorliegende negative Stimmen (z.B. 11,3b)

22 So auch T. Naumann, Hoseas Erben, 61. 23 tl';,'n~ mit Suffix der 3.masc.plur. ist ansonsten nur noch in Hos 1,7 und 4,12 belegt. 1,7 ist innerhalb von c. 1 nachgetragen (s.o., 5.3.1), und 4,12 gehört zu den Zusätzen im Rahmen der "Abfall-Umkehr"-Texte in c. 4 (s.o., 7.4.5.3). Innerhalb von Hos ist tl';,'?K mit Suffix der 3.masc.plur. also ein später Sprachgebrauch. Es wird nicht vor der Erstellung der "AbfallUmkehr"-Texte verwendet. 24 Dasselbe gilt für Hos 11,5b. Er wurde planmäßig in einen Text eingearbeitet, der Jahwes Bindung an Ephraim betont, sich also ebenfalls auf Ephraim konzentriert, s.o., 7.3.6.

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Die AnHinge des Hos-Buches

mit der Klarstellung, daß J ahwes Heilen bei der Mentalität des Volkes ansetzen muß und stellt so sicher, daß, anders als in 11,3b behauptet, sein Heilen doch zum Zuge kommt. 25 Für beide Diskussionen zum Thema "Heilen Jahwes" und "Umkehr des Volkes" ist charakteristisch, daß jeweils ein Vers (5,15; 6,1) aus dem Bereich der "AbfallUmkehr"-Texte als Auslöser fungiert und so schließlich die "Abfall-Umkehr"-Texte insgesamt kontroverse, späte Diskussionen in Hos provozieren. Das Wachstum des Hos-Buches nach Entstehung der "Abfall-Umkehr"-Texte resultiert großenteils daraus, daß deren These, nach der sich Nord und Süd gemeinsam verschuldet haben, aber auch auf ein gemeinsames Heil hoffen können, immer wieder neu in Frage gestellt wird. So ist die "jüngste Samariapolemik" bestrebt, dem Norden jede Heilshoffnung abzusprechen, während sie an einem künftigen neuen Heil für Juda festhält. 26 Noch jüngere heilstheologische Zusätze heben diese Einschränkung wieder auf. Sie versuchen, erneut ein Heil für den Norden zusammen mit dem Süden zu denken.

9.3Hos 7,8 7,8: Ephraim ist unter den Völkern, er vermischt sich. Ephraim wurde ein Brotfladen, der nicht umgedreht wurde.

Das Bild in V.8b soll den Zustand und den Wert Ephraims verdeutlichen: Ephraim ist ein in heißer Glut gebackener Brotfladen, den man nicht umgedreht hat. Während in 8b nichts über die Gründe für diesen Zustand verlautet, enthält 8a eine kritische Bemerkung über das Verhalten Ephraims: Ephraim wahrt keinen Abstand zu den Fremdvölkern. 8a stellt demnach im voraus klar, daß Ephraim durch eigene Schuld in diese schlechte Lage geraten ist. Eine solche Textfolge ist ungewöhnlich; die Regelabfolge im Blick auf den Einsatz von Bildworten sieht die Erläuterung im Anschluß an das Bild vor. Weiterhin auffällig ist, daß 8a nicht die bildhaft vorgestellte Lage erläutert, sondern bereits die Frage nach den Hintergründen für die desolate Situation Ephraims beantworten Will. 27 Insofern fehlt auch ein 25 S.o. 7.2.4. 26 Die "junge Samariapolemik" (s.o., 7.2.1) setzt am gemeinsamen Schuldaufweis der "AbfallUmkehr"-Texte gegen Norden und Süden an. Sie versucht, ihn planmäßig auf den Norden zu beschränken. 27 Die ältere Forschung hat diese Unstimmigkeiten zwischen Hos 7,8a und 8b erkannt und darauf reagiert, indem sie anstelle von .,.,~ HitpoleI ein anderes Verb konjiziert (;,"~, "~l), so daß in 7,8a nicht mehr Vermischung, sondern Degeneration thematisiert wird, was besser zum Bild in 7,8b paßt (K. Marti, KHe 13, 61; B. Duhm, Anmerkungen, 26). Mit dieser Konjektur bleibt aber unklar, wieso in 7,8a die Völker erwähnt werden.

Hos 7,8

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wirkliches Tertium comparationis zwischen beiden Aussagen. 28 Diese Divergenzen zusammen mit der doppelten Nennung Ephraims 29 weisen eindeutig darauf hin, daß 7,8 nicht aus einem Guß ist. 30 7,8b ist die ältere, vorgegebene Aussage, 7,8a ist später vorgeschaltet worden. Da 7,8b selbst das Subjekt "Ephraim" nennt, ist der Halbvers zudem ohne den vorhergehenden 7,8a verständlich. Das spricht zusätzlich dafür, daß 7,8b älter ist. Eine weitere Beobachtungen bestätigt diese Einschätzung. Möglicherweise wurde der Verfasser von 7,8a wegen der Thematik des Brotbackens assoziativ dazu angeregt, hier das Verb '?'?J Hitpolel einzusetzen. Denn es wird im Qal häufig für die Zubereitung von Opfern aus Brot oder Weizengries benutzt. 7,8b dagegen nimmt in keiner Weise auf die Völkerthematik aus 7,8a Bezug.

9.3.1 Hos 7,8b

Das Bild spielt auf die Technik des Brotbackens in heißer Asche an, deren Ergebnis in der Regel ;-Ul1 genannt wird. 3! Das Bildwort 7,8b konstatiert einfach, daß Ephraim einem Brotfladen gleicht, den man beim Backen nicht umgedreht hat und der folglich, weil verbrannt, als völlig verdorben zu bewerten ist. Abgesehen davon, daß wie bereits gezeigt, der Begriff "Ephraim" als Subjekt in Hos 7,8b für eine judäische Herkunft der entsprechenden Texte spricht,32 ist die judäische Sicht von Hos 7,8b auch dar an zu erkennen, daß hier in abwertender Weise von Ephraim die Rede ist. Diese Abwertung Ephraims in Hos 7,8b ist im Alten Testament kein Einzelfall. In Jes 28,1-4 ist ein weiteres Ephraimbildwort belegt, das ebenfalls aus Juda stammt. Hier wird Ephraim mit einer Krone (;-"'~11)33 verglichen, deren Status ("prächtige Krone") durch trunkene Amtsträger gefährdet ist und die letztendlich zertreten wird Ges 28,3).

28 Vgl. A.A. Macintosh, lCC, 269. 29 Andersen und Freedman versuchen vergeblich, eine Begründung für das doppelte Ephraim zu finden: Betonung am Beginn einer Einheit (AncB 24, 463): 30 Ähnlich F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 463ff, die in 7,8 zwei getrennte Sprüche veranschlagen. 31 HAL, 740; G. Dalman, Arbeit und Sitte 4, 29ff. Vgl. dazu bereits 0., 222f. 32 S.o., 4.l. 33 Diese Übersetzung von ;"~11 entspricht der üblichen Verwendung des Wortes, vgl. HAL, 771.

240

Die Anfänge des Hos-Buches

9.3.2 Hos 7,8b und fes 28,laab'f.3 - Zwei Bildworte gegen Ephraim

In den Bildworten, Hos 7,8b undJes 28,1-4'f, geht es darum, Ephraim über die Gleichsetzung mit einem verkohlten Brotfladen und einer zertretenen Krone als verdorben und wertlos zu kennzeichnen. Dabei sind offensichtlich keine theologischen Abwägungen im Spiel. Hos 7,8b legt lediglich Wert auf die bildhafte Illustration der verkorksten Situation Ephraims. Dabei dürfte noch mitschwingen, daß die Verantwortlichen für Ephraim unsachgemäß und schlampig agierten wie eben jene, die ein Fladenbrot nicht rechtzeitig wenden. NachJes 28,1-4'f ist Ephraim insbesondere durch die Trunkenheit seiner Anführer geschwächt. Es ist wohl auf ihr unverantwortliches Handeln zurückzuführen, daß die prächtige Krone Ephraims nicht gerettet, sondern zertreten wird. Diese Beobachtungen deuten auf eine Konzipierung dieser beiden Bildworte im selben Milieu und in derselben Zeit hin. Der kurze Abschnitt Jes 28,1-4 ist nicht aus einem Guß. V.2 und V.3 beschreiben dublettenhaft das Ende der Krone. V.3 schildert ihre Zerstörung durch Zertreten, V.2 durch einen HagelsturmJahwes. V.2 bezieht so Jahwe in die Überlegungen ein, und steigert die Dramatik des Untergangs. Beides, Theologisierung und Steigerung, sind Nachtragsindizien, so daß V.2 nicht zum Grundbestand von Jes 28,1-4 gehören kann. 34 Innerhalb von Jes 28,1 ist mit Becker die Erwähnung der welken Blume (laß) als Nachtrag herauszunehmen;35 denn diese Blume ist in V.l ein Fremdkörper, da eine ii1t!lI] an kaum einem anderen alttestamentlichen Beleg als aus Blumen gewunden vorgestellt wird. Vielmehr bezeichnet das Wort eine goldene Krone, vgl. z.B. II Sam 12,30; Sach 6,11.14. 36 Mit dieser Überlegung erweist sich zugleich VA als Nachtrag, weil der Vers auf die welke Blume Bezug nimmt. Dort ist zusätzlich die Einleitung mit iin'iil verdächtig. In V.lb ist 1" '~1'?ii eine Glosse. 37 Als Grundbestand von Jes 34 Ist V.2 ein Nachtrag, so entfallen die Argumente, die Kaiser (s. ATD 18, 189f) für eine Spätdatierung von J es 28,1-4 anführt, so auch J. Vermeylen, Isaie, 385f. Die redaktionelle Zuordnung von V.2 ist meines Erachtens Becker gelungen. Er stellt fest, daß hier eine buchübergreifende Schicht vorliege, in deren Rahmen Jahwes Gericht als Hagelsturm oder Wasserfluten visualisiert und Juda ausdrücklich in das Gericht einbezogen werde. Die Schicht zeige sich außerdem in Jes 28, 7a.11.13*.14*.15-16aa.17b-18 sowie in 6,9.11 und 8,5a-8.17. Becker datiert sie jedoch zu früh, nämlich in der frühnachexilischen Zeit (Tesaja, 227ff). Vermeylens hellenistische Datierung leuchtet dagegen ein, s. J. Vermeylen, Isaie, 386ff. 35 U. Becker, Jesaja, 227. Beckers Überlegung, den Nachtrag von Jes 40,7f her zu deuten, überzeugt, weil die Begriffe ?:ll und 1"'::1 sonst nirgends im AT gemeinsam stehen. 36 Der Relativsatz in 28,lb bezieht sich nur auf die Krone, ohne die Blume zu berücksichtigen. 37 Sowohl Kaiser und Vermeylen als auch Becker rechnen mit einer weiteren Glosse in 28,lb, vgl. O. Kaiser, ATD 18, 189;J. Vermeylen, Isaie, 386; U. Becker, Jesaja, 227. Becker und Vermey-

Hos 7,8

241

28,1-4 bleibt also ein kurzer Wehruf (V.laab [ohne 1" '~";'].3), der der Krone Ephraims den Untergang ankündigt. Zur Datierung von Jes 28,laab'~.3 ist zu beachten, daß für den Verfasser von Jes 28,laab':·.3 die Jahweverehrung in Samaria kein Problem oder Kritikpunkt darstellt. Jes 28,laab'~.3 ist also in einer Zeit entstanden, in der Theologumena wie die Kultzentralisation und die daraus resultierende Vorstellung, der Norden verstoße seit Jerobeam 1. gegen dieses Gebot J ahwes (die sog. "Sünde J erobeams") noch keine Rolle spielten. Wie in den ältesten Klagetexten in Jer, die kurz nach 587 entstanden (z.B. 4,29; 6,1; 8,18.19a.20-23),38 bleibt in Jes 28,P'.3 völlig offen, wer den Untergang Samarias verursacht. Das Unheil wird nicht als von Jahwe gesandt und gesteuert beurteilt. Von der Erfahrung, daß man 150 Jahre später das Schicksal Samarias teilen mußte, klingt im Text nirgends etwas an. Daher ist ohne jeden Zweifel von einer vorexilischen Entstehung von J es 28,laab'~.3 auszugehen. 39 Da sich Hos 7,8b eng mit Jes 28,1'~.3 berührt, ist dieser Halbvers ebenfalls vor 587 entstanden. 40 Hos 7,8b wurde nach dem Untergang des Nordreichs 722 verfaßt. Denn die Verwendung von "Ephraim" als Nordreichterminus setzt voraus, daß die ursprüngliche Staatsbezeichnung des Nordreichs, Israel, inzwischen zur Bezeichnung des Gottesvolkes umgedeutet und von Juda übernommen worden war. Diese Entwicklung ist erst nach dem Verlust der Staatlichkeit im Norden anzusetzen. 41 Hos 7,8b reagiert also auf das doppelte Fiasko des Nordens 734 und 722. Die spöttische Depravierung von geschlagenen Gegnern durch Bildworte, die sie als völlig depotenziert präsentieren, ist für die assyrische Zeit auch außerhalb Judas belegt. In assyrischen Texten werden nämlich ähnlich herabsetzende Bilder wie in Hos 7,8b benutzt, um die Niederlage von Gegnern zu beschreiben. So wird Hiskia von Juda in

len halten dort 1" ,~"., für einen Nachtrag, Kaiser tl'mttl K'l. Tatsächlich bilden beide Elemente alternative Ergänzung zu dem nomen regens ttlK1 in Form von zwei unterschiedlichen nomina recta. Beläßt man beide im Text, so ist die Anbindung von ,~"., an tl'l~ttI problematisch, da tl'mttl im st.abs. steht. Die Lösung Beckers und Vermeylens ist vorzuziehen. Dafür spricht der Befund in V.4. Die Verfasser dieses Verses greifen auf das Sprachmaterial aus V.l zurück, und sie kennen den Relativsatz in 1b nur in einer Fassung ohne 1" ,~".,. 38 K. Schmid, Buchgestalten, 330ff. 39 So die Mehrheit der J es-Spezialisten, die überwiegend auch für jesajanische Herkunft plädieren, vgl. z.B. J. Vermeylen, Isa'je, 385f; U. Becker, Jesaja, 226ff; anders O. Kaiser, ATD 18, 188ff. 40 Ob diese Worte von Propheten geäußert wurden, läßt sich nicht mehr ganz sicher klären. Sie werden an ihrem jetzigen Ort durch den Kontext zu Prophetenworten umfunktioniert er es 6; 8*; Hos 5,1 ''). In den Worten selbst weist nichts auf einen prophetischen Sprecher hin, weder eine Botenformel noch eine Höraufforderung. 41 5.0.,4.1.

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Die Anfänge des Hos-Buches

dem Annalenberichts Sargons 11. über den Feldzug von 701 bildhaft als Käfigvogel stilisiert (vgl. Hos 9,lla).42 Implizit stellt Hos 7,8b zudem eine Warnung vor anti-assyrischen Aufständen dar. Das Bildwort läuft zum einen darauf hinaus, daß Samaria nach 722 völlig am Ende ist. Zum anderen wird durch Hos 7,8b deutlich, daß auch Juda eine kümmerliche, wertlose Existenz wie ein verkohlter Brotfladen droht, wenn sich dieser Staat wie Samaria auf anti-assyrische Aktionen einläßt. Man kann daraus schließen, daß die Trägerkreise von Aussprüchen wie Hos 7,8b zu den Befürwortern einer klugen Unterwerfungspolitik in Juda gehörten. Wie bereits vermerkt, enthält Hos weitere Bildworte, die wie 7,8b in herabsetzender Weise den desolaten Zustand des Nordens ansprechen, ohne eine Ursache zu nennen und ohne theologisch zu werten: Hos 7,lla; 9,lla.13a~'.16aß; 10,7; 13,15aba. 43 In 7,8b.lla lassen sich typische stilistische Merkmale dieser alten Bildworte erkennen: auf ein einleitendes "Ephraim" folgt unmittelbar das Bild. Lediglich die Kopula oder ~ dienen als Überleitung. Die Bilder sind partizipial formuliert. Das trifft auch für Hos 9,13a':zu; dieses Muster "Ephraim zusammen mit einem partizipialen Bild" wandeln Hos 9,lla und 10,7 geringfügig ab. 44 Auch Hos 10,7 reagiert bereits auf die Ereignisse von 722, indem hier der König von Samaria mit einem abgerissenen Zweig auf dem Wasser verglichen wird. Die in diesen Worten implizit enthaltenen Warnungen vor den politischen Fehlern, die zum Untergang des Nordens führten, sowie die abwertende Einstellung gegenüber dem Norden deuten auf eine Entstehung und Sammlung solcher Worte im Bereich J erusalemer Hofkreise, die sich damit gegen anti-assyrische Experimente aussprachen. Diese Sammlung alter Ephraimbildworte repräsentiert das älteste Textgut des späteren Hos-

42 Vgl. TUAT 1, 389. Dieses Bild tritt häufiger auf, so auch TUAT 1, 372f.376.395f. Weitere solche Bilder umschreiben die Gegner als gefangene Fische (TUAT 1, 386.395f) oder als Mungo (TUAT 1, 372f) oder als durstige Onagerstute (TUAT 1, 377) oder als zitternd wie die Wurzel einer Pflanze am Flußufer (TUAT 1,387). Ein weiteres Beispiel für Bildworte im Alten Testament, die auf die Schwäche einen fremdem Macht zielen, bieten Jes 36,6; Ez 29,6; hier wird Ägypten mit einem Rohrstab verglichen. 43 S.o., 4.3. 44 In 9,lla wird das Bild ebenfalls mit ~ direkt an "Ephraim" angeschlossen, aber anstelle des Partizips erscheint ein Imperfekt. Diese Abweichung von der Form hat inhaltliche Gründe. In Hos 9,lla kommt es auf die durative Bedeutung des Imperfekts an: wie der Vogel fliegt Ephraims Herrlichkeit dahin. In 10,7 wird vor dem mit ~ auf den König bezogenen Bild klargestellt, daß Samaria vernichtet ist (;,~, III, so mit HAL, 216; J. Jeremias, ATD 24/1, 127, Anm. 8; zur Vokalisation vgl. App. BHS und 0.,203, Anm. 321).

Hos 7,8

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Buches. Alle weiteren Texte im Buch erklären sich als Resultate weitergehender Reflexionen, die neue theologische Fragestellungen beleuchten. 45 Was die Komposition der Einzelsprüche betrifft, so wurden die Sprüche in der alten Sammlung in Hos einfach aneinandergereiht. 46 Das ist nicht außergewöhnlich; die königszeitlichen Weisheitsspruchsammlungen, z.B. Prov 25-27; 28f, verfahren ähnlich. Auch hier werden Worte des öfteren nach thematischer Verwandtschaft hintereinander angeordnet, und es fehlen Überleitungsformeln. Im übrigen werden auch in diesen Weisheitssprüchen für ein bestimmtes Aussageanliegen spöttische Bildworte eingesetzt.

9.3.3 Hos 7,8a 7,8a muß sehr viel jünger sein als 7,8b. Sein Thema, die Vermischung des Nordens unter die Völker, ist Gegenstand frühestens spätvorexilischer und eher jüngerer Diskussionen. Daß Israel Abstand von den Völkern wahrt, wird im dtr. Bereich erst in späten Schichten gefordert (vgl. z.B. Dtn 7,1-5; Jos 23,7; Jdc 2,2; meist DtrN nach dem Göttinger Modell).47 Ein weiterer Grundsatztext mit dieser Stoßrichtung liegt in J er 2 vor. Selbst wenn man den Text dem historischen Jeremia zuschreibt, was kaum plausibel erscheint, stammt er aus der Josiazeit. Erst in nachexilischer Zeit erfährt man von Aktionen, die die Trennung zwischen Israel und den Völkern durchsetzen, beispielsweise die Auflösung von Mischehen Mal 2,10ff; Neh 13,23ff; Esr 9. 48 Hos 7,8a schaltet sich also in die nachexilischen Debatten darüber ein, ob ein Kontakt Israels mit den Nachbarvölkern sinnvoll und legitim ist. Interessanterweise wird in Hos 7,8a nicht begründet, warum Kontakte mit den Völkern negativ zu bewerten sind. Der zuständige Verfasser setzt

45 Für Jes rekonstruiert Becker ähnlich eine Sammlung von Fremdvölkerworten gegen den Norden und andere Nachbarn Judas: Jes 6*; 8,1.3f.16f; 17,lb.3*; 18,lf*; 20,3f*; 28,laab*.3, vgl. U. Becker, Jesaja, 228.280ff. 46 Dies ist daran erkennbar, daß die jüngeren Kommentare zu diesen Bildworten offensichtlich in solche Reihungen eingeschaltet wurden, s. z.B. 10,3a zwischen 9,13a*.16aß und 10,7, s.o., 7.4.6.1. 47 R. Smend, Entstehung, 114ff. 48 Der sogenannte Verfassungsentwurf des Ezechiel verbietet die Präsenz von Fremden im Tempel (Ez 44,6-10). Die Anwesenheit von Fremden im Heiligtum bedeutet für den diasporaorientierten Grundbestand dieses Abschnitts Bundesbruch. Hintergrund dieses in sich mehrschichtigen Textes sind die Maßnahmen der N ehemiazeit gegen Fremde, so daß der dort skizzierte Konflikt mit der Räumung der Kammer des Tobia (Neh 13,4-9) verglichen werden kann. Vgl. T. Rudnig, Heilig und Profan, 204ff.

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Die Anfänge des Hos-Buches

voraus, daß dem Leser die entsprechende Begründung geläufig ist. 49 Auch dies spricht für eine Herkunft von Hos 7,8a aus einer Zeit, als Judas Sonderstellung und Absonderung von allem Fremden theologisch "herrschende Meinung" geworden war. Der Halbvers gehört auch deshalb deutlich in die nachexilische Zeit. 50 Auffälligerweise unterstellt 7,8a nur dem Norden ("Ephraim") die Vermischung unter die Völker. Dies entspricht der Tendenz der "jungen samariapolemischen" Zusätze (z.B. 6,8.10b; 7,la" [ohne die einleitende Inf.Konstruktion und den ':J-Satz]),51 die überall in Hos den vorliegenden Text so umpolen, daß Samaria allein oder doch hauptsächlich beschuldigt wird. Hos 7,8a gehört zu diesem Zusatzkonglomerat. Hos 7,8a spricht Samaria noch nicht ab, Teil des Jahwevolkes zu sein. Daher ist seine Aussage noch nicht der "jüngsten", erheblich verschärften "Samariapolemik" zuzuordnen. 7,8a setzt voraus, daß das Vermischungsverbot für Samaria ebenso gilt wie für Jerusalem. Die Haltung von Hos 7,8a deckt sich mit der von jenen ehr. Texten, die großen Wert darauf legen, daß Samaria immer wieder zur Teilnahme an der J erusalemer Gemeinde und zur Befolgung von J ahwes Geboten aufgefordert wird, z.B. Esr 6,21; II ehr 15,9; 19,4; 30.

9.4Hos 7,9 9.4.1 Hintergrund und Verständnis von Hos 7,9a und 9b 7,9: Fremde aßen seine (sc. Ephraims) Kraft, und er merkt es nicht, sogar graues Haar hat sich über ihn gestreut,52 und er merkt es nicht.

Hos 7,9 wird in der exegetischen Diskussion durchwegs als Auseinandersetzung mit den Versuchen des Nordens aufgefaßt, ausländische Bündnispart-

49 Wenn J eremias in seiner Kommentierung davon spricht, 7,8a thematisiere die Gefährdung der Identität des Nordens als Gottesvolk durch seine Vermischung unter die Völker (ATD 24/1, 97), so setzt auch er, wie von den zuständigen Redaktoren intendiert, die entsprechende Begründung voraus. Im Text ist von einer solchen Gefährdung nicht die Rede. 50 Auch die Verwendung der Wurzel für die Völkerthematik spricht für eine späte Datierung. Sie setzt Gen 11,7.9 voraus, wo das Verb die Verwirrung der Sprachen beschreibt. Diese Verse gehören mit Levin zu Nachträgen innerhalb von Gen 11, s. C. Levin, Jahwist, 129ff. Sie sind nachjawistisch, gehören also sicher in die nachexilische Zeit. 51 S.o., 7.2.l. 52 Zu dieser Übersetzung s.o., 231, Anm. 3.

,,:1

Hos 7,9

245

ner zu gewinnen. 53 Dementsprechend stehen seit der altkirchlichen Exegese Überlegungen im Zentrum der Auslegung von Hos 7,9, auf welche historische Situation sich der Text bezieht. 54 Es stellt sich aber die Frage, ob V.9 überhaupt eine Anspielung auf das Werben um Verbündete darstellt. Der Versteil 7,9a behauptet, daß Fremde (c',r) die Kraft oder das Vermögen (n:J) einer 3.masc.sing., nämlich Ephraim,55 aufgegessen haben. 56 Diese Aussage wird herkömmlich als direkte historische Feststellung in dem Sinne verstanden, daß ausländische Bündnispartner oder Besatzer die wirtschaftliche Kraft des Nordens, insbesondere seine Ernteerträge, ausplündern. Gegen diese bisherige "kollektive" Deutung von 7,9a im Sinne einer Aussage über das Ergehen des Nordens insgesamt spricht jedoch eindeutig die Verwendung und der Bedeutungsgehalt von n:J. Der Begriff wird niemals auf die ökonomische Potenz eines Volkes oder auf seine landwirtschaftlichen Erträge57 bezogen. n:J im Alten Testament meint in der Regel Kraft oder Vermögen eines Individuums. 58 Ein angemessenes Verständnis von Hos 7,9a muß also davon ausgehen, daß hier ein Individuum, nämlich der Mann Ephraim, im Mittelpunkt steht, daß also Hos 7,9a bildliche Rede ist. Das Bild hebt darauf ab, daß dieser Mann Ephraim, ohne es zu wissen, zuläßt, daß sein Besitz von Fremden aufgezehrt wird. Daß Auswärtige das Vermögen eines Privatmannes an sich reißen, ist ein im Alten Testament durchaus bekanntes Bedrohungsszenario (vgl. Ps 109,11; Prov 5,9f: "damit du nicht anderen deine Ehre gibst und deine Jahre einem Grausamen; damit sich nicht Fremde sättigen von deinem Vermögen, und deine sauer erworbenen Güter ins Haus eines Fremden gelangen."). In Hos 7,9a ist also von einem Mann Ephraim die Rede, der sich leichtfertig auf Unbekannte ein53 Diese Deutung ist in der Forschung bis in die Gegenwart nicht hinterfragt worden. Sie vertritt z.B. J. Jeremias, AID 24/1, 97f; R.G. Kratz, Erkenntnis Gottes, 4ff; W. Rudolph, KAT 13/1, 153f; G.A. Yee, Composition, 286. Zu 7,4 s.o., 8.2.3. 54 S. z.B. Rosenmüller, Prophetae Minores, 234f; A. Wünsche, Prophet Hosea, 305ff; K. Marti, KHC 13,61; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 161; J. Jeremias, AID 24/1, 97f. Hieronymus, Osee, 75f spricht interessanterweise von den Ausbeutern als Assyrern oder Chaldäern. 55 S.u.,247. 56 HAL, 446f. 57 Zwar erscheint n:l an zwei Stellen für die Erträge des Erdbodens, Gen 4,12 und Hi 31,39. Allerdings steht das Wort dort anders als in Hos 7,9a mit einem Suffix der 3.fem.sing., das sich auf den Ackerboden bezieht. Dies zeigt, daß es sich um eine außergewöhnliche Verwendung von n:l handelt, die eigens klargestellt werden muß. Da in Hos 7,9a keine solche KlarsteIlung erfolgt, darf auch keine solche ungewöhnliche Bedeutung von n:l angenommen werden. 58 n:l wird in der Regel einem einzelnen zugeordnet (z.B. Jos 14,11; Jdc 16,17; Jes 10,13; 44,12; Am 2,14; Ps 22,16; Dan 10,8; I Chr 29,2; TI Chr 13,20; 22,9) oder Jahwe (z.B. Ex 15,6; 32,11; Num 14,17; Dtn 9,29; Jes 40,26; Jer 27,5; Ps 111,6; Hi 37,23). Auch F.I. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 467, bemerken, daß' ein herkömmlich gedeuteter Hos 7,9a nicht zu der sonstigen Verwendung von n:l paßt.

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Die Anfänge des Hos-Buches

läßt, die ihn überlisten und sein Vermögen verbrauchen. Der zuständige Verfasser will einfach auf Leichtsinn und Dummheit Ephraims hinaus. Nach der zweiten Vershälfte von Hos 7,9 hat Ephraim graue Haare (i1J'W) bekommen, ohne es zu merken. Für 7,9b hat sich in Forschung und Bibellektüre die Deutung eingebürgert, daß der alte Mann Ephraim seine Schwäche ignoriert. Dieses Verständnis von Hos 7,9b leuchtet nicht ein. Die Exegeten setzen "Alter" und "Schwäche" gleich, ohne daß das aus dem Text hervorgeht. 59 So weisen Andersen und Freedman auf das Problem hin, daß ein hohes Alter in Israel eigentlich großes Ansehen bedeutet (vgl. dazu auch Hi 12,12).60 i1J'W, graues Haar, ist im Alten Testament ein sehr positiver Begriff, z.B. Lev 19,32; Prov 16,31. Schwäche und Gebrechen des Alters werden nie mit dem Begriff i1J'W thematisiert. Impliziert i1J'W im gebräuchlichen Sinne eine positive, ehrbare Position in der Gesellschaft,61 erkennt man die tatsächliche Aussage von Hos 7,9b. Die Pointe des Halbverses ist, daß sich der Mann Ephraim merkwürdig verhält, indem er sein eigenes achtbares Alter ignoriert und sich nicht altersentsprechend verhält. 62 Das bedeutet: es geht hier nicht darum, anzudeuten, daß er als Alter seine Kräfte überschätzen könnte. Das "Nichtwissen" (lJ,' K'?) in Hos 7,9a und b signalisiert, daß sich der Mann Ephraim wie ein Narr verhält; von einer Verweigerung theologischer Einsichten ist hier nicht die Rede. 63

9.4.2 Entstehung und Datierung von Hos 7,9a und 9b

Hos 7,9a und 9b dürften in einem Zuge entstanden sein. Die Wiederholung von lJ,' K'? K1i11 (7,9aß) in 7,9bß ist ein Stilmittel, kein Hinweis auf Textwachstum. Auch t:lJ (7,9b) ist hier kein Indiz für einen Nachtrag, weil die Verwendung dieser Konjunktion dem Argumentationsgang entspricht. t:lJ 59 So z.B. W.R. Harper, lee, 302; W. Rudolph, KAT 13/1, 154; A.A. Macintosh, lee, 271. 60 F.l. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 467. Dennoch löst ihre abweichende Übersetzung von "::l'rD als "Schimmel" das Problem nicht, sondern gleicht nur die Spannung zwischen herkömmlicher Deutung von 7,9b als Beschreibung von Schwäche und dem positiven Begriff "::l 'rD "graues Haar" aus. 61 Vgl. H.W. Wolff, Anthropologie, 185f. 62 Zu der Forderung, daß sich Alte und Junge ihrem Alter entsprechend verhalten sollen vgl. z.B. Prov 20,29. 63 Insofern hat R.G. Kratz, Erkenntnis Gottes, 5f, richtig erkannt, daß hier lli' noch nichts mit Gotteserkenntnis zu tun hat. Er irrt sich jedoch darin, daß er 7,8f auf bündnispolitische Fragen bezieht und annimmt, die richtige Erkenntnis bestünde darin, einzusehen, daß Jahwe auf Seiten der Assyrer sein eigenes Volk vernichtet. Zu einer Sicht von Hos 7,9 als Verweigerung, die eigene schlechte Lage realistisch zu erkennen, s. auch W. Rudolph, KAT nil, 154; A.A. Macintosh, lee, 271f; als Verblendung s. J. Jeremias, ATD 24/1, 98.

Hos 7,9

247

zeigt eine Steigerung an ("auch", "sogar").64 7,9b verschärft die Aussage von 7,9a: Ephraim erkennt nicht nur nicht, daß man ihn ausnutzt; er verkennt nach 7,9b auch, daß er mit seinem Verhalten seiner eigenen Position als ehrbarer Alter nicht gerecht wird. 7,9 bezieht sich durch die Verwendung des selbständigen Personalpronomens der 3.masc.sing. auf die Erwähnung Ephraims in 7,8b zurück, kann aber nicht von derselben Hand wie 7,8b konzipiert worden sein. Das Thema von 7,8a "Vermischung unter die Völker" spielt für 7,9 überhaupt keine Rolle; der erste Halbvers (7,8a) ist in 7,9 noch nicht vorausgesetzt. Anders als 7,8a setzt 7,9 keine theologischen Reflexionen voraus. 7,9 ist also viel älter als 7,8a. Hos 7,9 liest sich nach allem analog zu Hos 7,4b.5b; lO,3a als ein weiterer, alter Bildwortkommentar. Während in den alten Bildworten vom Brotfladen (Hos 7,8b) sowie vom dahinfliegenden Vogel (Hos 9,lla) und von der vertrocknenden Palme (Hos 9,13a'~.16aß) Ephraims Unheils geschick illustriert wird, stellt 7,9 im unmittelbaren Anschluß an das Bildwort in 7,8b Ephraim als Person65 so vor, daß nun die Hintergründe für den Untergang Ephraims deutlich gemacht werden. Wie der Bildwortkommentar Hos lO,3a66 schließt sich auch 7,9 unmittelbar an ein vorliegendes altes Bildwort (Hos 7,8b; 9,13a*.16aß) an und setzt dessen Subjekt voraus. Besonders eindrücklich ist die Übereinstimmung von 7,9 mit dem Kommentar Hos 7,4b.5b: "Ein Bäcker, der aufhört zu schüren vom Kneten des Teigs bis zu seiner Durchsäuerung, reichte seine Hand den Schwätzern."67 Beide Bildwortkommentare sind in der 3.masc.sing. abgefaßt, und in beiden wird Ephraim als männliche Figur dargestellt. Beide begründen Ephraims Scheitern mit seiner Torheit und Inkompetenz. Deshalb dürften Hos 7,4b.5b und 7,9 auf ein und denselben Verfasser (oder Verfasserkreis) zurückgehen. Wie Hos 7,4b.5b wurde also auch Hos 7,9 nach 722 formuliert. Spätere Erfahrungen, wie der Untergang Judas 587, spielen noch keine Rolle. Daß bereits jüngere theologische Diskurse (wie z.B. dtr. Theologumena) mitbedacht wären, ist in keiner Weise zu erkennen. Die Argumentation in Hos 7,4b.5b.9 und anderen Bildwortkommentaren spiegelt weisheitliches Denken wider. 68 Das weisheitliche Gedankengut und das Interesse an aktuellen, politischen Entwicklungen läßt auf Kreise 64 Vgl. HAL, 187f. 65 So auch W.R. Harper, ICC, 302. 66 S.o., 7.4.6.1. 67 S.o., 8.2.2 und 8.2.4. 68 Nichtwissen als Ursache von Unglück wird in weisheitlichen Texten, beispielsweise in Prov 4,19; 7,23; 23,35, thematisiert. Der Betrunkene aus Prov 23,35 verhält sich analog zu Ephraim in Hos 7,9, indem er nicht merkt, daß er verprügelt wird.

248

Die Anfänge des Hos-Buches

am judäischen Königshof als Verfasser der Kommentarverse schließen. Die Sammlung der alten Bildworte, ihre Verschriftung und Kommentierung dürften also in ein und demselben Trägerkreis, judäischen Hofbeamten, erfolgt sein. Möglicherweise handelt es sich um eine Richtung, die Judas Chancen, das assyrische Joch abzuschütteln, als unrealistisch einschätzt. 69 Für die vorexilische Datierung von Hos 7,4b.5b.9 und für die Bestimmung ihrer Trägerkreise sprechen ferner folgende Beobachtungen. In dem DtrG vorgegebenen alten Texten (z.B. I Reg 15,17-22; II Reg 16,5-9*; 17,3f)70 ist noch deutlich erkennbar, daß hier ohne theologische Reflexionen ein geschicktes Taktieren der Könige gegenüber den Großmächten gewürdigt wird. So schildert II Reg 16,5-9~' Ahas von Juda als klugen Politiker, der durch rechtzeitige Unterwerfung unter Assur bewirkt, daß seine Feinde vernichtet werden. Theologische Wertungen spielen hier noch gar keine Rolle. Das gleiche Muster taucht in I Reg 15,17-22 auf. Indem sich Asa von Juda mit den Aramäern verbündet und sie überredet, ihr Bündnis mit Israel aufzukündigen, kann er sich retten und seinem Feind Israel schaden. 71 Implizit behaupten diese Texte, daß Juda die klügere Politik macht, indem es die aramäische oder assyrische Dominanz akzeptiert und ausnützt. Das Gegenteil, nämlich wie mangelnde Einsicht in das außenpolitische Kräfteverhältnis ins Verderben führt, karrikiert Hos 7,4b.5b.9 im Blick auf Ephraim.

9.5 Hos 7,11 7,11: Und Ephraim wurde wie eine Taube, verführbar ohne Verstand. Ägypten riefen sie, nach Assur liefen sie.

In Hos 7,11 fällt der Personwechsel zwischen 11a und 11b auf sowie, daß zwischen beiden Vershälften keine gezielte Verknüpfung durch eine Konjunktion o.ä. vorliegt. Ferner ist der exakte Parallelismus membrorum in 11b zu beachten, während in 11a ein Enjambement vorliegt. 72 7,11a formuliert im Narrativ, 7,l1b geht ins Perfekt über, ohne daß grammatikalische Indikationen vorliegen, die Erzählkette zu unterbrechen, beispielsweise 69 Vgl. die Konstellation kurz vor 587. Nach Jer 27*; 37,l1ff; 38 gab es in dieser Zeit vergleichbare Gruppen, die den Aufstand gegen Babel nicht mittrugen und dem Vorwurf des Abfalls zu den Chaldäern ausgesetzt waren. 70 S. dazu auch E. Würthwein, ATD 11/1, 186ff; ders., ATD 11/2, 388.393f. 71 So auch E. Würthwein, ATD 1111, 188; ders. ATD 1112, 388. 72 Zu dem Bikolon in 7,l1b s. auch F.l. Andersen/D.N. Freedman, AncB 24, 463f. Der Personwechsel zwischen 7,lla und llb wird dagegen ansonsten in der Forschung übersehen.

249

Hos 7,11

indem ein Umstandssatz nachträglich Informationen über Hintergründe des Geschehens einbringt oder vorzeitig geschehene Handlungen berichtet werden. 11b kann auch kein Umstandssatz sein. Dagegen spricht der asyndetische Anschluß. 73 Deshalb ist wie in Hos 7,8 davon auszugehen, daß 11a als Bildwort und 11b als darauf bezogene Interpretation von zwei verschiedenen Händen verfaßt wurden.

9.5.1 Ros 7,11a Das Bildwort 7,l1a soll für sich sprechen. Die Aussage über die Taube impliziert, daß die Taube gefährdet ist, wenn jeder sie als unverständige verleiten/verführen kann (;-rn::!) kann. Eine dumme Taube wäre allzuschnell bereit, ihre Verstecke zu verlassen und fiele bald Jägern zum Opfer. 74 Die Aussagen in Hos 7,l1a erinnern an Prov 7,23. Hier ist von einem Vogel die Rede, der "zur Falle eilt, und nicht erkennt, daß es um sein Leben geht." Das Bild von einer Taube ohne Verstand ist im Alten Testament einmalig. Andererseits erscheint in Prov häufig die Beschreibung eines Toren als ,on, "fehlend an Verstand", also "ohne Verstand" (Prov 6,32; 7,7; 9,4; 9,16; 10,13; 11,12; 12,11; 17,18; 24,30; Koh 10,3). Es liegt nahe, l'~ in Hos 7,l1a in die Nähe dieser Belege zu rücken und als eine Vereinfachung dieser Formulierung zu sehen. Die Wurzel ;-rn::! erscheint im Piel in Prov 1,10; 16,29; 24,28. Hos 7,l1a steht also unter weisheitlichem Einfluß. Wie das alte Bildwort 7,8b enthält lla einen spöttisch-depravierenden Aspekt. Hos 7,l1a ist eng mit dem alten Bildwort 7,8b verwandt. Beide Verse sind sehr ähnlich aufgebaut: beide verwenden den Sing. und ein Vergangenheitstempus. Wie 7,8b bildet 11a eine Qinazeile. Die Differenz zwischen dem Perfekt in 7,8b und dem Narrativ in 7,l1a ist so erklärbar, daß ';-r'1 als kompositionelle Verknüpfung der beiden Worte dient. 75 7,11a ist deshalb hinter 7,8b im Rahmen der ältesten Bildwortsammlung zu verorten. Für die Zugehörigkeit von 7,l1a zu den ältesten Bildworten spricht ferner, daß das Bild eines Vogels zur Illustration der Orientierungslosigkeit Ephraims in einem weiteren alten Bildwort, Hos 9,l1a, verwendet ist. Außerdem sei

J'

J'

73 Joüon·Muraoka, §118d. 74 Macintosh möchte zusätzlich darauf verweisen: • That the dove is associated in the Song of Songs also with love (e.g. 5.2) may suggest that here the state approaches Egypt and Assur with the easy optimism of a loose woman (cf. Ezek 23)"(ICC, 274). 75 So auch T. Naumann, Hoseas Erben, 59; 1. Willi·Plein, Vorformen, 160.

250

Die Anfänge des Hos-Buches

noch einmal an die oben veranschlagten assyrischen Parallelen erinnert (z.B- der Vergleich von Hiskia von Juda mit einem Käfigvogel).76

9.5.2 Ras 7,11b

7,llb betont in auffälliger Weise das gleichzeitige Werben um die Bündnispartner Assur und Ägypten. Folgende Überlegungen ergeben, daß Hos 7,llb Produkt nachexilischer Reflexion ist: Hos 7,llb hat keine realen außenpolitischen Entscheidungsmöglichkeiten vor Augen. Die Situation eines gleichzeitigen Werbens um beide Großmächte ist irreal. Im Lauf der Geschichte Israels und Judas kommt es stets nacheinander zum Werben um zwei Großmächte, niemals gleichzeitig. Meist erscheint dabei Ägypten als erstrebenswerter Partner, während man sich von der östlichen Großmacht AssuriBabylon abwendet. II Reg 17,4 beispielsweise beschreibt eine Verschwörung des letzten Nordreichkönigs Hosea ben Ela, der sich um 725 an Ägypten wendet und keinen Tribut nach Assyrien sendet. Dieser König will aber nicht Assur und Ägypten zugleich als Verbündete, ohne sich zu entscheiden, sondern er wendet sich von Assur ab, um zu Ägypten überzulaufen. Auch unter J ojakim und Zedekia ca. 150 Jahre später geht es darum, sich mit Ägypten neu zu verbünden und die Bindung an die östliche Großmacht AssuriBabylon zu lösen. Daher handelt es sich in Hos 7,llb um ein nachexilisches Fazit im theologisch reflektierten Rückblick auf die außenpolitischen Abläufe bis 587. Daß die Nennung von Assur nicht als eindeutiges Indiz dafür zu bewerten ist, daß die assyrische Zeit vor Augen steht, geht daraus hervor, daß Assur des öfteren in späten Texten als Chiffre für eine jüngere östliche Großmacht verwendet wird, vgl. z.B. Jes 19,23-25; Mi 5,4f; 7,12; Esr 6,22. Ein Nebeneinander von zwei annähernd gleich starken Großmächten ergibt sich erst in den letzten Jahren Judas, nicht in assyrischer Zeit. Erst jetzt kann Juda zwischen Ägypten und den Neubabyioniern taktieren. Ägypten tritt in dieser Zeit ungleich stärker auf als während der antiassyrischen Aufstände. 77 So gerät Juda nach dem Tod Josias 609 vorübergehend unter ägyptische Kontrolle. Eine vergleichbare Konstellation ergibt sich in hellenistischer Zeit. Nun wird Palästina zum Zankapfel zwischen den an Macht ebenbürtigen Seleukiden und Ptolemäern. 78 Man kann aufgrund dieser außenpolitischen Konstellationen erklären, warum erst die Texte, die 76 S.o., 242, Anm. 42. 77 H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 140f; A.H.J. Gunneweg, Geschichte Israels, 112ff. 78 A.H.J. Gunneweg, Geschichte Israels, 122ff.155ff.

Hos 7,11

251

sich mit den Ursachen des Untergangs Judas 587 auseinandersetzen, Aussagen formulieren, nach denen das Volk gleichzeitig um Assur und Ägypten buhlt. In Ez 16 und 23 wird in großer Nähe zur historischen Realität behauptet, Israel und Juda ließen sich im Lauf einer langfristigen Fehlentwicklung erst mit Ägypten, dann mit Assur ein (Ägypten: Ez 16,26; 23,3; Assur: Ez 16,28; 23,5). Auch Jer 2,36 spricht noch davon, daß Juda erst an Assur, dann an Ägypten zuschanden wird. Erst in einem weiteren Reflexionsschritt entsteht die Vorstellung eines gleichzeitigen Bemühens um beide Großmächte, wie sie schließlich in Jer 2,18; Thr 5,6 formuliert ist. 79 Diese Texte sind folglich jünger alsJer 2,36; Ez 16; 23. Wiederum jünger als Jer 2,18; Thr 5,6 sind Hos 7,llb; 12,2b;80 denn in Thr 5,6 wird die gleichzeitige Berücksichtigung Ägyptens und Assurs als Sinnbild der verzweifelten Lage Jerusalems und nicht als Verschulden dargestellt. Hos 7,llb und 12,2b rücken dagegen das Schuldhafte dieses Verhaltens in den Blick. Dies ist gegenüber Thr 5,6 ein Ergebnis weiterer theologischer Reflexion. Ferner ist die Notlage der Belagerung durch die Babyionier vor dem Fall Jerusalems 587, die in Thr 5,6 noch deutlich präsent ist, in Hos 7,llb; 12,2b schon völlig in den Hintergrund getreten. In J er 2,18 wird das Laufen zu den Bündnispartnern im Bild des Weges zu ihnen wiedergegeben. In Hos 7,llb wird dieser Sprachgebrauch verkürzt und vereinfacht, indem lediglich das Verb l';' verwendet wird. Hos 7,llb hat neben Jer 2,18; Thr 5,6 auch ein innerhoseanisches Vorbild. Weill';' in Verbindung mit Assur nur in Hos 5,13 und 7,llb belegt ist, ist 7,llb auch von dem "Abfall-Umkehr"-Text Hos 5,13 81 beeinflußt. Das Werben um nur einen Bündnispartner, wie Assur in 5,13, ist gegenüber dem Doppelspiel zwischen zweien die ältere Vorstellung. Das in 5,13 schwer verständliche :11' l,~82 bleibt unberücksichtigt. Hos 7,llb läßt sich als ein Zusatz im Rahmen des Konglomerat der "jungen Samariapolemik" einstufen. Wie charakteristisch für diese Nachträge werden vorliegende Schuldaufweise (wie der "Abfall-Umkehr"-Text Hos 5,13) auf den Norden als Schuldigen bezogen. 83 Wegen des Kontextes

79 Während in Ez 16; 23 das Motiv noch fest verknüpft ist mit dem Motiv der hurerischen Ehefrau Jahwes, verflüchtigt sich diese Frauengestalt zusehends. In Jer 2 ist von ihr immerhin noch die 2.fem.sing. präsent, in Hos spielt auch dieses Merkmal keine Rolle mehr. Dies bestätigt, daß Hos 7,llb; 12,2b jünger sind als Jer 2,18.36. 80 Zu Hos 12,2b S.u., 9.5.3. 81 S.o., 7.3.4. 82 Vgl. zu Einzelheiten 0., 159. 83 Deswegen bleibt auch das "Juda" von 5,13 in 7,llb unberücksichtigt. Zur "jungen Samariapolemik" s.o., 7.2.1.

252

Die Anfänge des Hos-Buches

(7,8f.lla) ist evident, daß sich der Vorwurf der Schaukelpolitik in Hos 7,l1b nur auf Ephraim bezieht. Juda wird also durch 7,l1b indirekt entlastet. Denn Hos 7,l1b soll klarstellen, daß es im Norden das gleiche Verschulden gibt, das inJer 2,18; Thr 5,6 Juda vorgeworfen wurde. So wird die Schuld Judas relativiert. Ein Theologumenon, das nach dem Zeugnis der oben genannten Belegstellen zunächst entwickelt wurde, um den Untergangjudas 587 zu erklären, wird hier nachträglich in "samariapolemischer" Absicht auf den Norden übertragen.

9.5.3 Hos 12,2b als Pendant zu Hos 7,11b Der bereits genannte Hos 12,2b entstand im Rahmen des Konglomerats "junge Samariapolemik". Hos 12,2b erwähnt ein Bündnis mit Assur (n',~ m:l) und Öltransporte nach Ägypten (,~, Hophal). Der Halbvers ist durch die Verfremdung von kultischem und theologischem Vokabular geprägt, wie an diesen beiden Formulierungen ersichtlich wird. ,~, dient im Hiphil und Hophal u.a. für das Bringen von Gaben für Jahwe Oes 18,7; Zeph 3,10; Ps 76,12). Die Formulierung n',~ m:l wird sonst nirgends im Blick auf Assur als Bündnispartner eingesetzt. Zwar wird n',~ m:l auch für ein Bündnis mit einer fremden Großmacht oder einem Fremdvolk (z.B. Gen 21,27; Ex 34,12; Jos 9,6ff; I Reg 5,26; 20,34; Ez 17,13) verwendet, doch ist angesichts des viel häufigeren Gebrauchs für J ahwes Bund84 hier eine Verfremdung eines theologischen Begriffs zu vermuten. Auch für Hos 7,11 b ist diese Übertragung von Termini aus der Beschreibung der Beziehung zu J ahwe daran ersichtlich, daß von einem Rufen Ägyptens (~,p) die Rede ist. Dieses Verb ist für das Werben um Verbündete so ungebräuchlich, daß Labuschagne für Hos 7,l1b sogar eine Sonderbedeutung "zum Heeresdienst einberufen" vorschlägt.85 Da ~'P andererseits sehr häufig das Anrufen J ahwes kennzeichnet,86 dürfte die Verwendung in Hos 7,l1b als eine ge zielte Anspielung auf diesen Sprachgebrauch gedacht sein. Hos 7,l1b und 12,2b suggerieren also, daß der Norden den beiden Großmächte Assur und Ägypten eine Hochschätzung entgegenbringt, wie sie allein J ahwe gebührt. Weil beide Halbverse gleichermaßen theologisch besetzte Begriffe verfremdet gebrauchen, dürften sie von einer Hand formuliert sein. Weitere

84 Z.B. Gen 9,11; 15,18; Ex 34,27; Dtn 4,23; 5,2f; 28,69; 29,13; Jos 25,24; II Reg 17,35; 23,3; Jes 55,3; Jer 11,10; 31,31-34; 32,40; Ez 34,25; 37,26; Hos 2,20; Ps 50,5; 89,4; Esr 10,3; II Chr 29,10. 85 C.J. Labuschagne, Art. ~'P, Sp. 670ff. 86 Z.B. Dtn 15,9; Jdc 16,28; I Sam 12,17f; I Reg 8,43.52; Jes 55,6; Ps 17,6; 31,18; 86,7.

Hos 7,12 und verwandte Texte

253

Gemeinsamkeiten bestätigen dies. Beide Aussagen sind im Parallelismus membrarum konzipiert. Beide Zusätze 87 sind auf gleiche Weise in der Nähe von Ephraimbildworten/deren Kommentierungen plaziert (7,l1a; 12, 2aa).88 Innerhalb des mehrstufigen Konglomerats der "jungen Samariapolemik" läßt sich also für zwei Aussagesätze eruieren, daß es um Zusätze aus ein und derselben Hand handelt. Über einen Vergleich der theologischen Reflexionsstufen läßt sich zeigen, daß 7,8a, ebenfalls ein "junger samariapolemischer" Zusatz in der Textfolge 7,8-12, etwas jünger ist als 7,l1b; 12,2b. Die Reflexion von 7,8a bewegt sich auf einem höheren Niveau, denn hier geht es darum, daß Samaria nicht mehr in der Lage ist, sich abgesondert als J ahwevolk zu bewähren. In 7,l1b; 12,2b ist nichts anderes beabsichtigt als weitere Polemik gegen den Norden. So dürften in Hos 7,l1b; 12,2b die Anfänge der "jungen Samariapolemik" greifbar sein.

9.6 Ras 7,12 und verwandte Texte 7,12: Sobald sie laufen, breite ich über sie mein Netz. Wie den Vogel des Himmels hole ich sie herunter; ich züchtige sie, wie es Kunde in ihrer Gemeinde ist. 89

Hos 7,12 legt im Anschluß an 7,l1b (,~", ,w~~) dar, wie Jahwe auf Samarias Werben um Assur und Ägypten reagieren wird: er wird das Volk wie einen Vogelschwarm mit seinem Netz vom Himmel herunterholen. Der Vers ist in sich einheitlich. 90 Die ersten beiden Worte ,~", 'w~~ sind unentbehrlich, da anders nicht deutlich wird, daß sich das Volk in einer hektischen Bewegung befindet, auf die Jahwe mit seinem Netz reagiert. 91 7,12b setzt die Rede im Imperfekt der l.com.sing. fort. Sein asyndetischer Anschluß ist kein Nachtragsindiz. 92 87 Das unterschiedliche Tempus (perfekt in 7,llb; Imperfekt in 12,2b) spricht nicht gegen gemeinsame Autorschaft, da es sich nach dem jeweiligen Kontext richtet (partizipien in 12,2a" und Narrativ in 7,lla). 88 Zu der Glosse in 12,2aß vgl. App. BHS und J. Jeremias, ATD 24/1, 148; H.W. Wolff, BK. AT 14/1, 266f; H. Pfeiffer, Heiligtum von Bethel, 69. 89 Zur Begründung dieser Übersetzung im einzelnen s.u., 255. 90 Zur schwierigen Vershälfte 7,12b s.u., 255. 91 B. Duhm, Anmerkungen, 26, befürwortet zwar die Ausscheidung der beiden Worte, räumt aber ein, daß ohne sie C""K in 7,12aß unverständlich wird. Es gibt keinen Grund, hinter diesen beiden Worte mit E. Sellin, KAT 12, 82, ein "Assur" zu ergänzen. Gegen beide Vorschläge auch J. Jeremias, ATD 24/1, 91; H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 133ff; G.A. Yee, Composition, 184. 92 So auch G.A. Yee, Composition, 184. Yee führt 7,12 insgesamt auf R2 zurück.

254

Die Anfänge des Hos-Buches

7,12 führt eindeutig 7,l1b weiter. Ganz abgesehen von den ersten beiden Worten aus 7,12, die auf das '~';'1 "w~ am Ende von 7,l1b Bezug nehmen, ist die Verwendung der 3.masc.plur. in 7,12 ohne 7,l1b nicht nachvollziehbar. 93 Dennoch stammen 7,l1b und 7,12 nicht aus einer Hand. Da anders als 7,11 b in 7,12 eine Rede J ahwes in der l.com.sing. formuliert ist und der knappe Parallelismus membrorum aus 7,l1b in keiner Weise dem breit formulierten in 7,12 ähnelt, ist 7,12 als Nachtrag zu 11b zu werten. Dafür spricht auch, daß das Tempus vom Perfekt in 7,l1b zum Imperfekt in 7,12 wechselt. 94 Ferner argumentiert 7,12 auf einer ganz anderen Ebene; denn im Unterschied zu 7,11 b steht in 7,12 nicht der Schuldaufweis im Mittelpunkt, sondern die Frage, wie Jahwe auf das Verschulden reagieren wird. Daraus folgt, daß in 7,12 ein Nachtrag vorliegt, der 7,l1b kommentiert. 95 Da sich das Bild von der Gefangennahme im Netz für das unheilvolle Geschick des Volkes außerhalb von Hos 7,12 nur in Ez (Ez 12,13; 17,20; 19,8; 32,3) findet, dürfte Hos 7,12 in seiner Formulierung von diesen EzStellen abhängig sein. 96 Das machen die sprachlichen Berührungen mit Ez deutlich. 97 Ein Vergleich der Formulierungen läßt erkennen, daß Ez 32,3 und Hos 7,12 die beiden anderen Verse Ez 12,13 und 17,20 vereinfachen und somit jünger sind als diese. Diese Vereinfachung erfolgt, indem in Ez 32,3 und Hos 7,12 WEln Niphal sowie der Hinweis auf das Fortbringen und den Exilsort anders als in Ez 12,13; 17,20 wegfällt. Gleichzeitig stellt Hos 7,12 eine Steigerung und Verallgemeinerung gegenüber den Ez-Stellen dar, da ein ganzes Volk ohne Unterschiede ins Netz geraten soll, nicht mehr

93 Wollte 7,12 schildern, wie die Taube aus 7,l1a eingefangen wird, wäre eine 3.fem.sing. zwingend erforderlich. 94 Durch diesen Wechsel ins Imperfekt zeigt 7,12, daß Jahwe immer wieder mit Züchtigung auf Schaukelpolitik reagieren wird. 95 7,12 greift nicht nur auf 7,l1b zurück, sondern bezieht sich auch auf das alte Bildwort 7,l1a. Das in 7,l1a enthaltene alte Bildwort, das Ephraim mit einer törichten Taube gleichsetzt, erklärt, wieso Jahwes Züchtigung in 7,12 als Fangen eines Vogels dargestellt wird. Der Sprachgebrauch von 7,l1a wird in 7,12 an geläufige Formulierungen angeglichen und vereinfacht. Aus der "~ ilnUI m1' wird ein C'~rvil ~111, vgl. z.B. Gen 1,26; 2,19; 6,7; 7,3; 9,2; Dtn 28,26; I Reg 14,11; Jer 4,25; Zeph 1,3; Hi 35,11; Koh 10,20. C'~rvil "l111 erscheint nicht noch einmal im Zusammenhang mit Jahwes Gericht, so daß sich dieser Sprachgebrauch nur aus der Abhängigkeit von 7,l1a erklärt. So auch}. Jeremias, ATD 24/1, 98f. 96 Außerhalb von Ez treten nrv1 und rv1:1 nur noch in Ps 140,6 und Thr 1,13 zusammen auf. Anders als in Hos 7,12 und den Ez-Stellen werfen in Ps 140,6 die Feinde des Beters das Netz. Thr 1,13 handelt zwar auch von einem Gericht J ahwes, unterscheidet sich aber von den Ez- und HosBelegen durch den Sprachgebrauch. Während an den Ez-Stellen und in Hos 7,12 die Präposition verwendet wird, steht hier ,. In Thr 1,13 ist anders als an diesen Stellen von Jahwe in der 3.masc.sing. die Rede. Für einen unmittelbaren Vergleich mit Hos 7,12 kommt der Vers wegen dieser Differenzen nicht in Frage. 97 An diesen Ez-Stellen folgt wie in Hos 7,12 auf die Wurzel rv1:1 die Präposition Allerdings haben nur Ez 12,13; 17,20; 32,3 und Hos 7,12 Jahwe in der l.com.sing als Subjekt.

J,

'll

'l .

Hos 7,12 und verwandte Texte

255

nur der K'WJ und seine Truppen (Ez 12,13; 17,20) oder der Pharao (Ez 32,3). Hos ist nach allem nachexilisch zu datieren. 98 Mit dieser späten Datierung entfallen zahlreiche lexikalische Probleme in Hos 7,12b. Gegen die bisherigen Deutungsversuche der Forschung wird hier nicht das Bild von J ahwe als Vogelfänger fortgesetzt, sondern es wird thematisiert, wie J ahwe seine Gemeinde züchtigt. 99 In der bisherigen Exegese war in 7,12b der späte Terminus ;'111 für "Gemeinde"lOo Anlaß zu Textänderungen oder zu Versuchen, ;'111 in einem anderen Sinne zu übersetzen. IOI Aufgrund der Annahme, daß das Bild von J ahwe als Vogelfänger und seiner Beute in 7,12b fortgesetzt werde, wurde ;'111 als "Schwarm" aufgefaßt. lo2 Dagegen spricht jedoch der sonstige Sprachgebrauch von ;'111. Wo das Wort einen Schwarm von Tieren, z.B. Bienen adc 14,8), bezeichnet, stellt ein nomen rectum klar, woraus der Schwarm besteht. Dasselbe gilt, wenn das Wort eine anders geartete Gruppe von Menschen, beispielsweise eine Rotte von Übeltätern (Ps 22,17) kennzeichnet. lo3 Da hier kein solches nomen rectum erscheint, muß ;'111 als "Gemeinde" übersetzt werden. Die Verbform t:l10'K bestätigt, daß in 7,12b nicht mehr von Jahwe als Vogelfänger die Rede ist. Gegen die Konjekturvorschläge der Forschung lO4 ist festzuhalten, daß die LXX (nat8Eucrco) die Wurzel 10' liest. Hier ist wie in Hos 10,10 ein Piel zu vokalisieren und "züchtigen" zu übersetzen. !Os Dann muß l1~W in seiner üblichen Bedeutung wiedergegeben werden: "Kunde". Deshalb lautet 7,12b: "ich züchtige sie, wie es Kunde in ihrer Gemeinde ist". 106 Durch 7,12b wird die Tendenz von 7,12 als ganzem klar. Der Halbvers soll ausschließen, daß das Volk durch J ahwes Vorgehen vernichtet wird. Das Einfangen des eilig laufenden Volkes geschieht zum Zweck seiner belehrenden Züchtigung. 98 K.-F. Pohlmann, ATD 22/1, 33ff, bestimmt Ez 17,20 als golaorientiert, W. Zimmerli, BK. AT 13/1, 384ff rechnet in 17,11-21 mit einem Werk der Ezechielschule. Beides zeigt die nachexilische Entstehung des von Ez 17,20 abhängigen Hos 7,12. Ez 12,13 ist jünger als 17,20, was man u.a. der historisierenden Anspielung auf die Blendung Zedekias entnehmen kann. 99 Dieses Züchtigen Jahwes erfolgt in belehrender Absicht, ist also letztlich als Zuwendung Jahwes an das Volk zu bewerten. 100 Vgl. HAL, 746. 101 Vgl. H.S. Nyberg, Studien, SM; W. Rudolph, KAT 13/1, 15l. 102 So z.B. J. Jeremias, ATD 24/1, 9l. 103 HAL,746. 104 Z.B. App. BHS undJ. Jeremias, ATD 24/1, 91, der den Konsonantenbestand zu C10KK "ich fessele sie" ändert. 105 So mit H.W. WoHf, BK.AT 14/1, 136. 106 1l~1!I im Sinne von "Kunde von Jahwe" ist noch in Num 14,5; Jes 66,19 und Hab 3,2 belegt, s. HAL, 1456. So auch G.A. Yee, Composition, 184f.

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Die Anfänge des Hos-Buches

Weitere Zusätze mit dieser Stoßrichtung sind Hos 5,2b (»Aber ich bin eine Züchtigung für sie alle") und 10,10 (»Nach meinem Begehren 107 ist es, daß 108 ich sie züchtige;109 gegen sie werden Völker gesammelt, wenn sie gezüchtigt werden 110 wegen ihrer zweifachen Schuld»).111 In beiden wird die Wurzel '0' gebraucht. ll2 Hos 5,2b teilt J ahwes Anspruch mit, als Züchtigung (,o,~) für das Volk zu fungieren. Auch 10,10 kündigt Jahwes Züchtigung an, für die sogar Völker gesammelt werden. Die drei Textstücke Hos 5,2b; 7,12; 10,10 haben sprachlich und inhaltlich so viel gemeinsam, daß sie auf eine Hand zurückgehen dürften. Sie alle sind in J ahwerede und in der 3.masc.plur. abgefaßt. Allen drei Abschnitten liegt hauptsächlich an J ahwes kontinuierlichen Zurechtweisungen. Über den Erfolg der Maßnahme äußern sie sich nicht. Hos 5,2b und 10,10 beschäftigen sich mit dem Gottesvolk in Nord und Süd. C,:::l, in 5,2b bezieht sich zurück auf die Erwähnung Mizpas und des Tabor in 5,lb. ll3 Das Suffix der 3.masc.plur. bezeichnet also Menschen in Nord und Süd. Hos 10,10 richtet sich hinter 10,9 (»Tage Gibeas") an Nord und Süd gemeinsam. 114 Wenn in 10,10 von »zweifacher Schuld" die Rede ist, ist an das Verschulden jedes der zwei Teilreiche für sich zu denken. Die in Hos 5,2b; 7,12; 10,10 erkennbare kleine Zusatzgruppe repräsentiert Nachträge, die gegen die »jungen samariapolemischen" Texte eine bleibende Bindung Jahwes an den Norden hervorheben sollen. So relativiert Hos 7,12 den »jungen samariapolemischen" Text Hos 7,8a, indem er klargestellt, daß man auch im Norden noch mit Jahwes Zuwendung rechnen kann. Zwar züchtigt J ahwe den Norden, aber er gibt ihn nicht auf. Bei allem ist klar, daß die Züchtigung natürlich auch Juda einbezieht (vgl. 5,2b). Judas Treue zu Jahwe wird hier also keineswegs höher eingeschätzt. In vergleichbarer Weise mildert Hos 5,l1a die »junge Samariapolemik" in 5,8.9a ab,115 indem diese Aussage deutlich macht, daß ein J ahwekrieg des Südens gegen den Norden, wie ihn 5,8.9a ankündigt, nicht zulässig ist.

107 So auchJ. Jeremias, ATD 24/1,132; A.A. Macintosh, lee, 414. 108 Vgl. GK § 165a. 109 So mit H.W. Wolff, BK.AT 14/1, 233; W. Rudolph, KAT 13/1, 198; J. Jeremias, ATD 24/1,132; A.A. Macintosh, lee, 414. 110 So mit H.W. Wolff, BK.AT 14/1,233. 111 So mit Q're auch W. Rudolph, KAT 13/1, 199; H.W. Wolff, BK.AT 14/1,233. 112 Wie im Fall von 7,12 bestätigt die LXX in 10,10 MT. Es ist hier in MT ausnahmsweise zu einer Assimilation des ' gekommen, wie sie sonst vorzugsweise für 17~' bekannt ist, und besonders, aber nicht nur für Zischlaute in Frage kommt. So mit GK § 71. 113 Zum Nachtragscharakter von 5,2b in 5,lb s.o., 6.2. 114 5.0.,4.2.3. 115 5.0.,7.3.6. S. dort auch zu Hos 11,1-4*.8a.

Fazit

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Die "jüngsten samariapolemischen" Zusätze, die dem Norden jede Heilsperspektive absprechen, negieren allerdings diese vermittelnden Nachträge schon wieder. So stellt 7,15 als Teil der "jüngsten Samariapolemik" in 7,13_16 116 klar, daß Jahwes Züchtigung, die 7,12 für das ganze Volk ankündigt, im Norden nichts bewirkt, denn: "Ich (Sc. Jahwe) habe sie gezüchtigt ... aber gegen mich planen sie (Sc. der Norden) Böses."

9.7 Fazit Zwei Bildworte stehen am Anfang der Genese von Hos 7,8-12. Sie vergleichen Ephraim mit mißratenen Größen (der verkohlte Brotfladen, 7,8b; die törichte Taube, 7,l1a) und halten aus judäischer Sicht die desolate Situation Samarias fest. Dasselbe ist so auch in den übrigen oben bereits sondierten alten Bildworten, 9,l1a.13a*.16aß; 10,7.11aa;13,15aba der Fall. ll7 Analog zu Jes 28,1aab'~.3 wird auch in diesen Hos-Bildworten über das Nordreich in gewisser Weise wie über ein Fremdvolk geurteilt. Eine mit Juda gemeinsame Jahweverehrung wird hier nicht berücksichtigt. ll8 Aus diesem Grund sind diese Bildworte in Hos sicher vorexilisch formuliert. Sie wurden kurz nach 722 verfaßt. 119 Es handelt sich um Versuche, die doppelte Niederlage Samarias 734 und 722 einprägsam festzuschreiben. In assyrischen Texten kann man beobachten, daß ähnliche Tierbilder (insbesondere der Vogel) benutzt werden, um die blamable Niederlage eines Gegners auszumalen. So soll klargestellt werden, daß ein Gegner völlig am Ende ist und keinen Machtfaktor mehr darstellt. Möglicherwiese soll also in 7,8b wie in 11a (so auch in den anderen Bildworten) vor anti-assyrischen Aktionen in Juda gewarnt werden, um nicht zu riskieren, in die gleiche elende Lage zu geraten wie das Nordreich. Die Träger der Worte sind Beamte am Königshof mit einer gewissen weisheitlichen Schulung, wie sie z.B. in 7,l1a zum Ausdruck kommt. Möglicherweise handelt es sich bei 7,8b.lla (und den anderen Bildworten) um "Slogans", die eine Zeit lang mündlich überliefert wurden. Bei ihrer Verschriftung wurden die Sprüche einfach an ein-

116 S.o., 103. 117 Vgl. dazu 0., 4.3 und 7.4.6.1. 118 Diese Texte stammen aus einer Zeit, als noch keine Theologumena zur Verfügung standen, um die Tatsache zu erklären, daß die beiden Staaten Israel und Juda einen Gott Jahwe verehrten, ohne zu einer gemeinsamen Politik oder sogar zu einem gemeinsamen Kult zu finden. Ein Beispiel für ein solches jüngeres Theologumenon, das die kultischen Eigenwege jeweils des Nordreichs wie des Südreichs erklären soll, ist die Vorstellung von der sog. "Sünde Jerobeams" (vgl. z.B. II Reg 13,2.5-7; 14,24). 119 Zu den Gründen für die Abfassung der Bildworte nach 722 s.o., 241.

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Die Anfänge des Hos-Buches

ander gereiht, ein Verfahren, das dem der alten Anteilen von Prov entspricht (z.B. Prov 25-27). Die Bildworte in 7,8b.lla werden durch Kommentare (7,4b.5b.9.10a) angereichert, in denen Ephraim als ein törichter Mensch abgebildet wird: der Mann Ephraim kommt weder mit seinem Beruf (7,4bl 20 noch mit seinem Lebensalter (7,9b) zurecht. Zudem geht ihm die vernünftige Vorsicht vor Fremden ab (7,9a). Zugleich werden weitere Schwächen dieses Mannes benannt (7,5b). Diese kommentierenden Verse fragen erstmals nach den weiteren Ursachen für den Zustand Ephraims. Sie geben als Antwort, daß die schlechte Lage auf eigene Unvernunft zurückzuführen ist. Indem Ephraim nun als männliche Person vor Augen gestellt wird, ist deutlich Allegorisierung im Spiel. Die meisten dieser Kommentare sind vorexilisch. 7,10a zeigt jedoch, daß die Kommentierungstätigkeit nach 587 weiterging. Mit Hilfe des Subjekts "Israel" stellt der Halbvers klar, daß der Untergang von Nord und Süd gleichermaßen durch ihre Anmaßung erklärt werden muß. Die Träger dieser Kommentare insgesamt sind unter judäischen Hofbeamten und ihren Nachkommen zu suchen, die die älteren Sprüche gesammelt, tradiert und kommentiert haben. Ihr Anliegen besteht in erster Linie darin, herauszustellen, daß eine vorsichtige, angepaßte Politik Judas gegenüber Assur die klügere ist. 121 Später (7,10a) kommt es zu einer Aktualisierung der Worte wegen aktueller politischer Entwicklungen. Die Sichtweise aller Kommentarverse ist weisheitlich geprägt. "Priesterkritische" Zusätze, wie sie Hos 7,3-7 prägten, spielen in 7,8-12 keine Rolle. 122 Die Bündnispolemik, die sich in den Nachträgen Hos 7,8a.llb ausdrückt, ist durchgehend jünger als der Vorwurf des Werbens um Assur aus dem "Abfall-Umkehr"-Text 5,12_14;123 denn 7,l1b als ältester bündnispolemischer Eintrag in 7,8-12 ist von 5,13 abhängig. Hos 7,l1b ist wie auch 7,8a einer der Texte, die die Einbeziehungjudas ins Verschulden einschränken, wie sie die "Abfall-Umkehr"-Texte behaupten. Deshalb gehören sie der "jungen Samariapolemik" an. Da bereits die "AbfallUmkehr"-Texte sich eng mit ehr. Theologie berühren,t24 datieren die "junge

120 Zu Einzelheiten vgl. 0., 221ff. 121 Eine politische Linie wird in den älteren dieser Kommentare (z.B. 7,4b.9) allein danach bewertet, ob sie klug ist und zu Erfolgen führt. Eine vergleichbare Perspektive drückt sich in einigen Quellenstücken in Reg aus (l Reg 15,17-22; TI Reg 16,5-9* [zur Grundschicht s.o., 248, Anm. 70]; 17,3f). Die Frage nach einem jahwegemäßen Wandel als Grundlage gelungener Politik steht hier allenfalls implizit im Hintergrund. 122 S.o., 8.3. 123 Zur redaktionskritischen Verortung von 5,12-14 s.o., 7.3.4. 124 S.o., 7.2.4 und 7.3.4.

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Die Schichtung von Hos 7,8-12

Samariapolemik" und alle noch jüngeren Zusätze in chronistisch-nachchronistischer Zeit. Der nächst jüngere Zusatz in 7,8-12, nämlich V.12, wurde gemeinsam mit 5,2b und 10,10 verfaßt und bildet zusammen mit ihnen eine kleine Bearbeitungsschicht, die betonen soll, daß Jahwe sein Volk, und zwar Nord und Süd gleichermaßen, fortwährend züchtigt, d.h. zurechtweist. Indem die Züchtigung Nord und Süd in gleicher Weise betrifft, wird die allein den Norden mißbilligende Haltung der "jungen Samariapolemik" relativiert. 7,10b als jüngster Zusatz gehört zur "jüngsten Samariapolemik". Hier wird negiert, daß Heilshoffnungen auf den Norden anwendbar sind. 7,10b greift das Stichwort J1W aus dem "Abfall-Umkehr"-Text 5,15 auf. Mit der These, daß der Norden sich der Umkehr von vornherein verweigert, wird klargestellt, daß er J ahwes Heil endgültig verspielt hat. Durch die Ergänzung von 7,10b ist der Norden in dem Hinweis aus 7,12, daß Jahwe sich permanent um sein Volk bemüht, nicht mehr einbezogen. Das Anliegen der Überarbeitungsschicht Hos 5,2b; 7,12; 10,10 wird somit retuschiert. Insgesamt zeigen diese späten und sukzessiven Zusätze zu 7,8-12, wie disparat die späten buch internen Diskussionen in Hos verliefen, die zeitlich auf die Konglomeratschicht "Abfall-Umkehr"-Texte folgten: die Texte spiegeln deutlich einen Wechsel zwischen zunehmender "Samariapolemik" und Zusätzen, die diese "Samariapolemik" relativieren: "junge Samariapolemik" (7,8a.llb) - die abmildernde Zusatzschicht (5,2b; 7,12; 10,10) "jüngste Samariapolemik" (7,10b). Es ist offensichtlich, daß hier Stellenwert und Zukunftsperspektive Samarias im hellenistischen Juda äußerst kontrovers diskutiert wurden.

9.8 Die Schichtung von Hos 7,8-12 im Überblick Bildworte zur schlechten Lage Samarias, kurz nach 722: Bildwortkommentar, vorexilisch: Bildwortkommentar, exilisch:

7,8b.11a 7,9 7,10a

Späte Zusätze aus der Zeit nach den "Abfall-Umkehr"-Texten: "Junge Samariapolemik":

7,8a.llb

Der Hinweis auf die Zurechtweisung durch Jahwe, um die ,junge Samariapolemik" zu relativieren:

"jüngste Samariapolemik":

7,12 7,10b

7,8: Ephraim ist unter den Völkern, er vermischt sich.

Ephraim wurde ein Brotfladen, der nicht umgedreht wurde.

260

Die Anfänge des Hos-Buches

7,9: Fremde aßen seine Kraft, und er merkt es nicht. Sogar graues Haar hat sich über ihn gestreut, und er merkt es nicht. 7,10: Und die Anmaßung Israels zeugte gegen es. Und sie sind nicht umgekehrt zu lahwe, ihrem Gott, und sie haben ihn nicht gesucht - trotz alledem. 7,11:

Und Ephraim wurde wie eine Taube, verführbar ohne Verstand.

Ägypten riefen sie, nach Assur liefen sie. 7,12: Sobald sie laufen, breite ich über sie mein Netz. Wie den Vogel des Himmels hole ich sie herunter, ich züchtige sie, wie es Kunde in ihrer Gemeinde ist.

10. Ergebnisse - Die Genese des Hos-Buches Diese Untersuchung hat ein völlig anderes Bild der Genese des Hos-Buches ergeben, als bislang in der Forschung angenommen wurde. Anders als nach allen bisherigen Modellen bilden nicht Prophetensprüche den Grundbestand von Hos, sondern eine kommentierte Abfolge von weisheitlich beeinflußten Bildworten zur desolaten Lage der Nordreichsregion nach 722 v.ehr. Diese Texte wurden im nachhinein, und zwar erst in exilisch-frühnachexilischer Zeit, gezielt als prophetische Rede gestaltet. Entgegen den bisherigen Annahmen stammt der Grundbestand von Hos nicht aus dem Nordreich, sondern aus Juda. Das vorliegende Buch mit seinen oft divergierenden Textfolgen ist weitgehend das Ergebnis längerwährender theologischer Auseinandersetzungen Jerusalemer Kreise über die Frage, ob die Bewohner des Nordens noch als Teil des J ahwevolkes gelten. Neben diesen Auseinandersetzungen, für die sich im Buch deutliche Spuren von der assyrischen bis in die hellenistische Zeit aufzeigen lassen, spiegelt das HosBuch einen Konflikt zwischen priesterlichen und prophetisch orientierten Kreisen wider. 1

10.1 Alteste Texte

Am Anfang der Genese von Hos stehen Bildworte (7,8b.lla; 9,l1a. 13a*. 16aß; 10,7.11aa; 13,15aba).2 Sie verwenden überwiegend den Begriff "Ephraim" für den Norden und vergleichen ihn mit minderwertigen Größen: z.B. der verkohlte Brotfladen, 7,8b; die törichte Taube, 7,l1a; die Palme, deren Wurzel selbst auf einer Wiese verdorrt, 9,13a*.16aß. Analog zu dem alten Ephraimbildwort J es 28, 1aab'~ .3 3 wird auch in diesen Hos-Bildworten über das Nordreich in gewisser Weise wie über ein Fremdvolk geurteilt. Diese Worte wurden nach 722 verfaßt. Das ist an ihrem Sprachgebrauch und ihrem Inhalt zu erkennen. Zum Inhalt: Das Bildwort 10,7 beispielsweise vergleicht den König von Samaria mit einem abgerissenen Zweig. Dies setzt die Erfahrung von 722 voraus.

1 Meine Analyseergebnisse können im Folgenden nur stark gerafft wiedergegeben werden. Für Einzelheiten sei auf die ausführlichen Analysen o. z.St. verwiesen. 2 Zu einer Rekonstruktion dieser ältesten Textfolge in Hos 7-10,7 S.u., 10.8 A. 3 Zum Grundbestand von Jer 28,1 *.3 im einzelnen s.o., 9.3.2.

262

Schluß

Analog zu vergleichbaren Bildworten in assyrischen Texten geht es in diesen alten Aussagen darum, daß eingetretene Debakel eines politischmilitärischen Rivalen oder sogar Gegners zu illustrieren. Es soll klargestellt werden, daß die Gegenseite völlig am Ende ist und als Machtfaktor ausgespielt hat. Diese Einschätzung der Ereignisse im Norden soll implizit zugleich vor anti-assyrischen Experimenten in Juda warnen. Die Träger der Worte sind Beamte am judäischen Königshof mit einer gewissen weisheitlichen Schulung. Möglicherweise handelt es sich um Slogans, die eine Zeit lang mündlich überliefert wurden und in Diskussionen über außenpolitische Fragen eine Rolle spielten. Bei ihrer Verschriftung wurden die Worte einfach aneinandergereiht, ein Verfahren, das dem der alten Anteile in Prov entspricht (z.B. Prov 25-27). Zum Sprachgebrauch ist Folgendes festzuhalten. Die Verwendung von "Ephraim" als Nordreichterminus anstelle der alten Staatsbezeichnung "Israel" setzt voraus, daß die ursprüngliche Staatsbezeichnung des Nordens bereits als Name des Gottesvolks umgedeutet und von Juda übernommen worden ist. Diese Entwicklung ist aber erst nach dem staatlichen Untergang des Nordreichs 722 anzusetzen. 4

10.2 Sammlungen und erste Kommentare

Die frühen Bildworte werden durch Kommentarverse angereichert, nach denen Ephraim als unkluge Person gilt: der Mann Ephraim kommt weder mit seinem Beruf (7,4b: 5 er verschwendet als Bäcker sein Heizmaterial) noch mit seinem Lebensalter klar (7,9b: der Alte, der sein graues Haar ignoriert). Zudem geht ihm die vernünftige Vorsicht vor Fremden ab (7,9a). Diese Verse fragen erstmals nach den Ursachen für den Zustand Ephraims. Sie geben als Antwort, daß die schlechte Lage auf Unvernunft und Leichtsinn zurückzuführen ist (vgl. 7,4b.5b). Indem Ephraim nun als männliche Person vor Augen gestellt ist, wird eine Allegorisierung vollzogen. 6 Andere Kommentarverse vernetzen die Bildworte untereinander und aktualisieren sie. So schafft 10,3a durch den Vermerk, man habe keinen König, einen Übergang zwischen den Bildworten 9,13a~c.16aß (Ephraim als Palme mit vertrockneter Wurzel) und 10,7 (der König von Samaria als abgerissener Zweig auf dem Wasser). Zugleich wird auf diese Weise konkret auf die Ereignisse von 722 Bezug genommen. Erst sie haben dazu geführt, 4 5.0.,4.1. 5 Zu Einzelheiten vgl. 0., 8.2.2. 6 Vermutlich sind auch Hos 12,2aa; 13,12f (s.o., 4.3) zu diesen Kommentarversen zu rechnen.

Sammlungen und erste Kommentare

263

daß Ephraim7 sagen muß: "Wir haben keinen König."(10,3a). In gleicher Weise wird 9,16aa ("Geschlagen ist Ephraim!") ergänzt. Dieser Halbvers macht explizit, daß die miserable Lage Ephraims nach 9,16aß auf eine Niederlage zurückzuführen ist. Eine wiederum jüngere Bildwortkommentierung, 7,10a, geht bereits auf die Ereignisse von 587 ein. Hier ist von der Anmaßung Israels die Rede, d.h. der in Bildworten und Bildwortkommentaren geläufige Terminus "Ephraim" wird bewußt durch "Israel" ersetzt. Da Israel sich auf Nord und Süd bezieht, wird nun behauptet, daß beide Teilreiche wegen ihrer Selbstüberschätzung untergegangen seien (vgl. so auch Jer 13,9; Ez 19,11). Als inneralttestamentliche Parallelen für die Denkweise dieser vorexilischen Bildwortkommentierungen kann man auf vorgegebene alte Texte im Bereich von Reg (z.B. I Reg 15,17-22; 11 Reg 16,5-9~')8 verweisen. Hier wird die Politik der judäischen Könige allein nach dem Maßstab ihrer Klugheit beurteilt, die politische Selbständigkeit sichern soll. Entsprechend schildert 11 Reg 16,5-9" Ahas von Juda als klugen Politiker, der durch seine rechtzeitige Unterwerfung unter Assur bewirkt, daß seine Feinde vernichtet werden. Die gleiche Einschätzung spielt in I Reg 15,17-22 eine Rolle. Indem sich Asa von Juda mit den Aramäern verbündet und sie überredet, ihr Bündnis mit Israel aufzukündigen, kann er sich retten und seinem Feind Israel schaden. In keinem dieser Texte wird das Bündnis mit der fremden Macht verurteilt. Ihre Verfasser behaupten vielmehr, daß Juda eine kluge politische Linie verfolgt, indem seine Könige die aramäische oder assyrische Dominanz akzeptieren und ausnutzen. Die Träger dieser ältesten Bildworte sowie ihrer Kommentierungen sind unter judäischen Hofbeamten und ihren Nachkommen zu vermuten. Sie haben die älteren Sprüche gesammelt und durch kleine kommentierende und aktualisierende Zusätze erweitert. Ihr Anliegen besteht darin, mit Verweis auf das Schicksal Ephraims weiterhin vor anti-assyrischen Aktionen Judas zu warnen. Nach dem Verlust der Selbständigkeit Judas 587 v.ehr. kommt es zu einer weiteren Aktualisierung der Worte (7,10a). Durch 7,10a wird versucht, den Untergang Samarias und Jerusalems auf die gleichen Ursachen zurückzuführen. Auch für die Verfasser der Kommentarverse ist von einem weisheitlichen Hintergrund und entsprechenden Einflüssen auszugehen. Wir halten fest: Die älteste Sammlung von Bildworten bestand aus vorgegebenen spöttischen Bildworten (7,8b.11a; 9,l1a.13a".16aß; 10, 7.11aa;13, 7 Die 3.masc.plur. in 10,3a bezieht sich auf das Ephraim in 9,16aj3 zurück, weil10,3a einmal unmittelbar an diesen Halbvers angeschlossen hat (s.o., 7.6.4.1). 8 Zu Einzelheiten vgl. 0.,9.4.2.

264

Schluß

15aba) und von den Tradenten dieser Bildworte erstellten Kommentierungen (7,4b.5b.9; 7,10a; 9,16aa; 10,3a).9

10.3 Die "priesterkritische"lO Bearbeitungsphase Auf die bisher sondierten Bildworte und frühen Kommentierungen folgt eine als "priesterkritisch" erkannte Bearbeitungsphase. Diese setzt in der frühen Perserzeit ein und läßt sich bis in die Zeit nach dem Wiederaufbau des Zweiten Tempels nachweisen. Für die sog. "priesterkritischen " Texte ist charakteristisch, daß in besonderer Weise Fehlhaltungen der Priester thematisiert werden; in diese Kritik werden jedoch auch andere Führungskreise einbezogen. Allerdings werden gegen keine dieser Gruppen so grundsätzliche und scharfe Vorwürfe wie gegen die Priester geäußert. Es handelt sich insgesamt um eine allmählich gewachsene Konglomeratschicht. Diese besteht aus Hos 4,4b. 1l7f. 10a.13. 14a; 5,1". 12 10a.l0b; 6,4b; 6,9; 6,10a; 7,2; 7,3; 7,4aa.5a.7aß.7b; 9,8; 10,1; 10, 3b.4a. Die Textanteile in Hos 4 sind die jüngsten Aussagen in diesem Konglomerat. 13 Das Stichwort "Haus seines Gottes" (9,8), eine Wendung, die auf den Jerusalemer Tempel zu beziehen ist, macht klar, daß die "priesterkritischen" Texte aus judäischer Perspektive verfaßt sind. In 5,10a, einem Spruch gegen die hohen Beamten Judas, wird die Stoßrichtung gegen die eigenen judäischen Verhältnisse explizit. Hintergrund und Intention der "priesterkritischen" Texte lassen sich wie folgt bestimmen: Zu beachten ist, daß auffälligerweise nirgends die Propheten in die Kritik einbezogen sind, wie das häufig in anderen Prophetenbüchern der Fall ist (vgl. z.B. Jer 2,26; 4,9; 8,1; 32,32; Ez 22,23-29; Mi 3,11; Zeph 3,1-4). Ferner ist nach 9,8 deutlich (vgl. oben, 7.4.3), daß im Hintergrund der "priesterkritischen" Texte Konflikte zwischen der Priesterschaft am Zweiten Tempel und prophetischen Kreisen stehen. Daraus ist zu schließen, daß die "priesterkritischen" Bearbeiter Propheten nahestehende Kreise oder selbst Propheten waren. Im Blick auf die gegen die Priester erhobenen Vorwürfe in 6,9 und 9,8, mit ihren brutalen Praktiken die

9 Zu einer Rekonstruktion dieser Textfolge in Hos 7-10,7 S.u., 10.8 B. 10 Zu dieser Kennzeichnung vgl. 0., 7.4.I. 11 Zur ursprünglichen Fassung von 4,4b im einzelnen s.o., 188 und 189, Anm. 252. Sie lautete: "Mit dir ist mein Rechtsstreit, Priester". 12 Dieser Grundbestand lautet: "Hört dies, ihr Priester, und Haus des Königs, hört hin, denn ihr seid ein Klappnetz für Mizpa geworden und ein ausgespanntes Fangnetz auf dem Tabor!" (5.0.,6.2.1). 13 Vgl. dazu 0., 189ff.

Die "priesterkritische" Bearbeitungsphase

265

Kontakte zum Norden grundsätzlich abzustellen, ist zu folgern, daß dagegen im "priesterkritischen" Milieu weiterhin eine Heilsperspektive für den Norden vertreten wurde, wie das ja auch sonst immer wieder im prophetischen Schrifttum nachweisbar ist (z.B. Jes 11,13; Jer 31,5f.20; 50,19f; Sach 9,10-13; 10,6f). Mit aller Vorsicht kann man daraus einen weiteren Rückschluß zum sozialgeschichtlichen Ort der "priesterkritischen Redaktoren ziehen. Eine Israelkonzeption, die auf diese Weise den Norden einbezieht, dürfte eher unter den nach 587 im Land Gebliebenen vertreten worden sein als unter den Heimkehrern aus dem Exil. 14 Weiterhin wenden sich die "priesterkritischen" Texte dagegen, daß die - offensichtlich theokratisch orientierten - Priester gegen die Hoffnung auf eine Wiedererrichtung des Königtums polemisieren (10,3b).15 Für prophetische Kreise ist bekanntlich ein Festhalten an dieser Hoffnung bis in die Spätzeit nachweisbar (z.B. Jer 23,5f; 33,14-26; Ez 34,23f; 37,24f; 45,17-25).16 Es ist ferner deutlich, daß hier im Rückgriff auf älteres Textgut in Ez (z.B. Ez 22) und Jer (z.B. Jer 9,1) formuliert wird. Die "priesterkritischen" Textanteile in Hos sind somit Produkte einer gelehrten, literarischen Prophetie, in der Konzeptionen anderer Bücher aufgenommen, abgewandelt und später u.U. ausgelegt werden. Spuren schriftgelehrter Prophetie lassen sich also auch im Hos-Buch nachweisen. Den für die "priesterkritischen" Textanteile verantwortlichen Redaktoren geht es darum, das vorgegebene Spruchmaterial als anonyme Prophetenrede umzugestalten. In Folge der in 5,1 * gezielt eingebrachten Redeeinleitung, einer typisch prophetischen Höraufforderung (nKT 'V~tl)), sind alle folgenden Aussagen, in denen nicht Jahwe spricht, sondern ein Mensch, nachträglich als Prophetenrede zu lesen. 17 Das besondere Interesse der "priesterkritischen" Redaktion an der Reihung der Ephraimbildworte mit Kommentierungen dürfte daraus resultieren, daß man diese Worte nach den beiden Katastrophen 722 und 587 als darauf bezogene Prophetien auffaßte. Zugleich sollten sie als Warnung für die eigene Zeit im Blick auf den Norden wie den Süden verstanden werden. 14 Zu Einzelheiten vgl. 0., 7.4.3. 15 S.o., 7.4.6.1. 16 Trotz dieser im allgemeinen königsfreundlichen Haltung der "priesterkritischen" Bearbeiter konnten sie auf eine Anschuldigung gegen Angehörige des Königshauses in 5,1* nicht verzichten. Dies hängt zum einen damit zusammen, daß Davididen zur Zusammenarbeit mit der Priesterschaft bereit waren (zu Einzelheiten s.o., 115) und zum anderen damit, daß die "priesterkritischen" Redaktoren auf den Untergang des Königtums zurückblickten. Dieser Untergang war nur durch ein wie auch immer geartetes Verschulden der Dynastie erklärbar, so daß ein solches Verschulden zumindest angedeutet werden mußte. 17 Zur Rekonstruktion einer beispielhaften "priesterkritisch" bearbeiteten Textfolge s.o., 10.8 C-1.

266

Schluß

Da für die sog. "priesterkritischen" Kreise die Einbeziehung des Nordens als Teil des Jahwevolkes ein zentrales Anliegen war, mußten sie sich besonders mit Aussagen auseinandersetzen, die wie diese Bildworte den Untergang des Nordens festzuschreiben schienen. Abgesehen von solchen der eigenen Position entgegenstehenden Textfolgen gab es offensichtlich auch aktuelle Widerstände in Kreisen der J erusalemer Priesterschaft gegen diese ephraimfreundliche Position. Die "priesterkritischen" Autoren waren der Auffassung: Nur wenn beispielsweise Propheten aus Juda als "Wächter Ephraims" (9,8) im Norden den Jahwewillen verkündigten, war es möglich, daß die in den alten Bildworten 9,l1a.13a'~.16aß vor Augen geführte elende Situation Ephraims zum Besseren gewendet werden könnte. Nur so könnte Ephraim schließlich wieder seinen angemessenen Status als Teil Gesamtisraels gewinnen. An die J erusalemer Priesterschaft erging von Seiten dieser Redaktorenkreise der Vorwurf, gerade diese Maßnahmen zur Einbeziehung des Nordens brutal zu blockieren (6,9; 9,8). Nicht zuletzt konnten aber auch die Vorwürfe von Torheit und Leichtsinn aus den alten Bildwortkommentaren durch die "priesterkritischen" Zusätze auf die Priester übertragen werden (z.B. die "priesterkritischen" 6,9; 7,3.4aa vor dem alten Bildwortkommentar 7,4b.5b).18 Für die weiteren sukzessiven Textergänzungen sind jeweils neue theologische Erwägungen ausschlaggebend gewesen. Im ältesten Stadium geht es um Vorwürfe von schwerwiegenden Verfehlungen gegen das soziale Miteinander wie Bluttat (6,9) oder Bereicherung auf Kosten der armen Landbevölkerung (5, lOa).19 Texte aus dem nächst jüngeren Reflexionsstadium legen Wert darauf, daß Jahwe auf die Mißstände strafend reagiert (5,lOb; 6,lOa; 7,2).20 Die weitere Redaktionstätigkeit ist zunehmend von dtr. Gedankengut beeinflußt. Dies wird an einem Zusatz deutlich, der das im älteren Spruchgut vorgegebene Thema des Verlusts des Königs (lO,3a) neu kommentiert (7,7b). Dieser Halbvers stellt klar, daß der Verlust des Königs die Defizite im J ahweverhältnis der Beschuldigten offen legt: obwohl alle ihre Könige gefallen sind, rufen sie J ahwe nicht an. Hos 7,7b setzt das zyklische

18 Zu Einzelheiten vgl. u., 27M. Eine vergleichbare Fortschreibung eines alten Ephraimbildworts durch Kritik am Jerusalemer Kultpersonal ist in Jes 28 zu beobachten. Dort folgt auf das Bildwort von Ephraim als zertretener Krone Ges 28,1-4*, zu diesem Grundbestand im einzelnen vgl. 0.,9.3.2) der Vorwurf der Trunkenheit an Priester und Propheten des Jerusalemer Tempels Ges 28,7-10; vgl. die Kommentare z.St.). Die Weiterführung von Bildworten gegen Ephraim durch Kritik an der eigenen judäischen religiösen Elite in den .priesterkritischen" Texten in Hos ist im Alten Testament also offensichtlich kein Einzelfall. 19 Vgl. zu Einzelheiten 0., 7.3.3. 20 Vgl. 0., 7.4.4.lf.

Die Einschaltung ins Zwölprophetenbuch

267

Muster von Abfall und Schreien zu Jahwe aus Jdc voraus und teilt die königsfreundliche Haltung der älteren Dtr. 21 Auch der Grundbestand von Hos 4, d.h. 4,4b.7f. 10a.13. 14a, ist als jüngerer "priesterkritischer" Text zu bestimmen. Dieser Bestand wurde ausgehend von 4,4b 22 sukzessive vor 5,1 * verankert. Hier kommt eine Radikalisierung der Priesterkritik zum Tragen, indem sie ab 4,7 erstmals in J ahwerede formuliert ist. In 4,8.10b wird die Priester- und Kultgesetzgebung am Zweiten Tempel als unsozial und widersinnig verurteilt. Dienen beispielsweise Anteile am Sündopfer zur Priesterversorgung, muß, so Hos 4,8, den Priestern daran gelegen sein, daß das Volk viel sündigt. 23 Im Zuge dieser Reflexionsfortschritte wird das bereits vorliegende "priesterkritische" Gut jeweils neu bearbeitet. So wird beispielsweise in 10,1-3 an den alten Bildwortkommentar 10,3a zuerst der "priesterkritische"10,3bA angeschlossen und noch später wird das "priesterkritische" Bildwort 10,1 an den Anfang gestellt.

10.4 Die Einschaltung ins Zwölfprophetenbuch Die Buchüberschrift Hos 1,1 ist auf den gleichen Verfasser zurückzuführen, der auch 1,2b-4.6 erstellt hat. Diese Textfolge ist zugleich der älteste Text im Bereich von Hos 1-3. Die Verfasser der jüngeren Textfolgen 2,1-3; 2,4-25 und 3,1-4; 3,5 setzen alle die Personenkonstellation aus Hos 1'~ voraus. 24 Dieser Grundbestand von Hos 1 {1,1.2b-4.6} hat eine doppelte Aufgabe. Sein Verfasser will einerseits die ihm vorliegenden Textfolgen in Hos 4-14* mit einer Prophetenlegende einleiten; zum anderen geht es darum, diese Texte im werdenden Zwölfprophetenbuch zu verankern. 1,1.2b-4.6 ist kein Konglomerat kleinteiliger Zusätze, sondern stammt aus einer Hand. Darin sind prophetentheologische Topoi, die die Lebenssituationen eines Propheten als Mittel seiner Verkündigung begreifen (z.B. Jes 8,1-4; Jer 16; Ez 24), mit der dtr. Bewertung der Übertretung des Ersten Gebots als Hurerei (Hos 1,2b; z.B. Jdc 8,27) kombiniert. Das theologische Anliegen dieser Textschicht ist folgendes: Sie will gleichzeitig festhalten, daß die Botschaft von Hos alle Menschen im Land (Nord und Süd) angeht (1,1.2b), 21 Zu Einzelheiten vgl. 0., 8.2.5. 22 Zur ursprünglichen Fassung von 4,4b im einzelnen s.o., 189, Anm. 252. Sie lautete .Mit dir ist mein Rechtsstreit, Priester". Diese ursprüngliche Fassung von 4,4b sollte die vorliegende anonyme Prohetenrede als Rechtsstreit gegen die Priesterschaft kennzeichnen. 23 S. dazu 0., 190. 24 S. dazu 0., 5.1.2; 5.2.2 und 5.4.

268

Schluß

daß aber der Schwerpunkt von Schuld und Gericht dennoch auf dem Norden liegt (1,4.6). Auch Hos 4,laha.2a ist im Rahmen dieser Schicht entstanden, wie zahlreiche Gemeinsamkeiten zeigen. So ist nur in Hos 1,1, und 4,1a in Hos von il1il' 1J1 die Rede. Die aus Hos 1,1.2b-4.6 und 4,1 *.2a bestehende Schicht gestaltet das werdende Hos-Buch erstmals als ein Prophetenbuch. Hos 4,1'~.2a als neue Redeeinleitung vor den vorgegebenen "priesterkritischen" Texten, Bildwortkommentaren und Bildworten in Hos 4-14* dient zusammen mit der Ergänzung von Hos 1,1.2b-4.6 der Neugliederung des Hos-Buches in einen Erzählteil (Hos 1,1.2b-4.6; vgl. analogJer 1) und einen Redeteil (Hos 4-14*; vgl. analog Jer 2,4). Indem Hos 1,1.2b-4.6 als programmatischer Text an den Beginn der werdenden Sammlung Zwölfprophetenbuch gesetzt wird, wirkt er zugleich als Leseanleitung für alle folgenden Schriften. Alle Informationen, die Hos 1,1.2b-4.6 über die Eheschließung des Propheten Hosea ben Beeri und seine Kinder gibt, lassen sich als Aufnahme prophetentheologischer Topoi erklären. Die Angaben zu den Herrschern, unter denen Hosea nach Hos 1,1 gewirkt haben soll, erweisen sich für die Südreichkönige als Zitat aus Jes 1,1 und für den Nordreichkönig aus Am 1,1. Ausgehend von der Erkenntnis, daß die gesamte Überlieferung von "Lebensdaten" eines Propheten Hosea nachgetragen ist, ist die Frage unumgänglich, ob von einem historischen Hosea ben Beeri auszugehen ist. Ein Blick auf parallele Fälle erhellt Folgendes: Die Prophetenfigur Jona ben Amittai, die in Jon 1,1 erwähnt wird, ist auch andern Orts belegt (II Reg 14,25). Allerdings spielt sie dort eine ganz andere Rolle als im JonBuch, nämlich die eines Heilspropheten für Jerobeam H. von Israel. Die Gestalt Bileams, die sowohl im Alten Testament (Num 22-24) als auch als Sprecher der Bileaminschrift von Deir Allah vorkommt, zeigt, daß einer wie auch immer berühmten Gestalt durchaus unterschiedliche Sprüche und Überlieferungen (nachträglich) zugeschrieben werden konnten. Ein Parallelfall zu entsprechenden Prozessen in Hos ist ferner die deuterojesajanische Sammlung, die bekanntlich als eine ursprünglich anonyme selbständige Spruchsammlung im nachhinein an das Protojes-Buch angeschlossen wurde und so als Worte J esajas gestaltet wurde. Offensichtlich konnte man, um Prophetenbüchern eine Überschrift zu verleihen und sie mit einer bekannten Persönlichkeit in Verbindung zu bringen, auf im alttestamentlichen Textgut oder anderweitig erhaltene Erwähnungen von Propheten zurückgreifen. Ein solches Verfahren bewirkte, daß diese Schriften der Autorität einer bekannten Prophetengestalt unterstellt wurden. In Analogie zu Jon 1,1 liegt die Annahme nahe, daß man Anhaltspunkte für die Existenz eines einst prophetisch wirkenden Hosea ben Beeri hatte. Daß ein

Die "Abfall-Umkehr"-Texte

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solcher Prophet Hosea als Autor für Ursprungstexte des Hos-Buches in Frage kommt, kann man zwar grundsätzlich nicht bestreiten, aber auch nicht wirklich sicherstellen. Festzuhalten ist in jedem Fall, daß der Verfasser von Hos 1,1 sich in der Formulierung nicht auf eine Gestalt aus dem Norden festlegt. 25 Man kann daraus schließen, daß der Leser an eine judäische Prophetengestalt denken soll. Sowohl die Verwendung der Wortereignisformel in 1,1 als auch die Kennzeichnung der Übertretung des Ersten Gebots als Hurerei zeigen, daß der Verfasser von Hos 1,2b-4.6; 4,laba.2a unter dtr. Einfluß steht. Er betreibt Geschichtstheologie in der Nachfolge von DtrG. Zugleich greift er auf Texte aus Ez und Jes und Jer sowie Am; Mi und Zeph zurück, von denen einige sehr jung sind (z.B. Ez 23,11.29). Angesichts dieser Einflüsse kann man Hos 1"; 4,1".2a in der fortgeschrittenen nachexilischen Zeit verorten.

10.5 Die "Abfall-Umkehr"-Texte Eine Konglomeratschicht von "Abfall-Umkehr"-Texten konnte in Hos 1,8f; 2,4-25; 4,9.12; 5,5a.9b; 5,12-14; 5,15-6,3; 9,lf.l0.15; 12,3-7.11.13f; 14,2-4. 6-8 identifiziert werden. 26 Alle diese Texte implizieren einen Gesamtüberblick über die Geschichte Israels von der Frühgeschichte über Abfall und Gericht bis zur letztendlichen Umkehr des Volkes zu Jahwe. Dieses und weitere gemeinsame Merkmale lassen sich besonders klar in 2,4-25 beobachten. Aus den auffälligen Gemeinsamkeiten dieser Texte hinsichtlich der theologischen Konzeption ist zu folgern, daß eine relativ geschlossene Redaktorengruppe die beiden Buchteile Hos 1,1.2b-4.6 und Hos 4-14':' mit kleinteiligen Zusätzen versieht, wie sich deutlich an der Entstehungsgeschichte von Hos 2,4-25 erkennen läßt. Diese Redaktorengruppe will 2,4-25 als Leseanleitung positionieren und damit ein Vorverständnis für die Lektüre der folgenden Abschnitte vorgeben. Da Hos 2,4-25 mit dem Thema "Abfall und Umkehr des Volkes" als Programmtext fungiert, wurden Texte, die als Hos 2,4-25 nahestehend erkannt wurden, als "AbfallUmkehr"-Texte bezeichnet. Indem sie den Norden und den Süden, also das Gesamtvolk, gleichermaßen in Schuld verstrickt vorstellen, relativieren sie in gewisser Weise die pointiert auf die Mißstände im Norden zielenden älteren Aussagen in Hos 1,2b-4.6 (1,4.6) und Hos 4-14'~ (d.h. die ältesten Bildworte und ihre Kommentare, s. oben, 10.li). 25 S.o., 107. 26 Vgl. 0., 4.2.5; 5.2.2; 7.3.4; 7.4.5.3.

270

Schluß

Charakteristisch für die "Abfall-Umkehr"-Texte ist die Vorstellung, daß die Beziehung zu J ahwe, die am Anfang der Geschichte Israels intakt war (2,17b), vom ganzen Volk in Nord und Süd mutwillig aufs Spiel gesetzt wurde. Wann und auf welche Weise die J ahwebeziehung und mit ihr die eigene Identität als Gottesvolk aufgegeben wurde, darüber werden im Rahmen dieses Konglomerats unterschiedliche Meinungen vertreten. In Hos 5,12-14 wird angedeutet, daß das Volk in Nord und Süd vergessen hat, daß es allein J ahwe und keiner anderen Macht unterstellt ist: daß Jahwe sein Volk schlägt, hätte zur Umkehr zu ihm bewegen müssen. Anstelle dessen sucht man das Heil bzw. "Heilung" bei den Großmächten, die anders als J ahwe doch nicht heilen können. 27 12,4 rückt den betrügerischen Jakob als Ahnvater des Volkes in den Blick. Das Naturell des Volkes wird somit als von Anfang an untreu verurteilt. Andere Texte halten fest, daß das Volk angesichts des Wohlstands im Lande nicht mehr an J ahwe als den Geber des Landes und seiner Produkte denkt (2,10.14a; 9,lb). Hos 2,15; 4,12; 9,laß betonen, daß der Abfall von Jahwe erfolgt ist, weil sich das Volk fremden Göttern zugewandt hat. Nach 9,10 (Stichwort "Baal Peor") kann das sogar schon vor der eigentlichen Landnahme geschehen sein, so daß das Volk seine Identität als J ahwevolk bereits in den frühesten Anfängen seiner Geschichte preisgegeben hätte. In diesem Zusammenhang wird ;'"m, "huren", im Sinne kultischer Verirrungen, d.h. Fremdgötterverehrung, verwendet (2,4-6.7; 4,12; 9,1).28 Zur Frage, welche Zukunftsperspektive Israel nach seinem Abfall hat, werden im Rahmen der "Abfall-Umkehr"-Texte ebenfalls unterschiedliche Positionen vertreten. Einige Texte behaupten, daß Jahwe wegen dieser Verfehlungen selbst die Beziehung zu Israel beenden werde (1,8f). Er werde sein Volk nicht mehr lieben (9,15). Jahwe gebe das Volk der Bestrafung und dem Untergang preis (2,12-15). Die Vernichtung impliziere ein Ende des Tempelkultes (2,13; 9,15aß). Insgesamt bleiben solche Positionen im Bereich der "Abfall-Umkehr"-Texte aber in der Minderheit. Sie werden von jüngeren Redaktoren aus demselben Kreis lediglich als Drohungen J ahwes aufgefaßt. Diese jüngeren Redaktoren nehmen an, daß das Volk in einer Notlage seine Verfehlungen einsehen und zu J ahwe zurückkehren werde, so 2,Sf; 5,15; 6,1-3; 14,2-4. Der betrügerische Jakob habe geweint, nachdem er Gott herausgefordert habe, um Gnade gebeten, und Gott in Bethel gefunden (12,5f). Jahwe könne sogar selbst eine Notlage herbeiführen, um das Volk zu Umkehr und Einsicht zu bringen (2,Sf.16f). Im Verlauf der weiteren theologischen Reflexion im Rahmen dieser Konglomeratschicht wird 27 V gl. zu Einzelheiten 0., 168f. 28 Vgl. dazu 0., 8l.

"Samariapolemik"

271

schließlich erkannt, daß Jahwe dem Volk erst die Fähigkeit zur Umkehr verleihen muß (2,19-25), indem er dem Volk alles, was er fordern könnte wie ,on oder t!l!l~~, zur Verlobung schenkt (2,21±) oder die Namen der Baale aus dem Mund der Frau entfernt (2,19). Die in diesen Zusätzen vertretene Umkehrtheologie ist deutlich von spätem Sprachgebrauch beeinflußt. 29 Sie steht chr. Aussagen nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich nahe, wie sich besonders an Hos 5,15 zeigen läßt (vgl. II Chr 15,4). Ferner ist für die "Abfall-Umkehr"-Texte Hos 2,4-25; 5,12-14 und 5,15-6,3 von zentraler Wichtigkeit, daß Norden und Süden gemeinsam umkehren. Eine vergleichbare Umkehrtheologie findet sich hauptsächlich in Chr (II Chr 30,5-9). Die "Abfall-Umkehr"-Texte spiegeln also geschichtstheologische Diskussionen im Umfeld von ChrG wider. 30 Daß sie später Herkunft sind, geht auch daraus hervor, daß sie häufig auf Texte reagieren, die im Hos-Buch bereits als nachexilisch eingestuft werden konnten (vgl. z.B. die Abhängigkeit von Hos 2,4-25 von 1,1.2b-4.6 und 1,9).

10.6 "Samariapolemik" und andere späte Zusätze

Die jüngsten Zusätze in Hos resultieren aus Diskussionen über den Status Samarias und die Frage, welche Perspektive Samaria in Jahwes Augen zukommt. Eine erste Konglomeratschicht von "samariapolemischen" Texten, die sog. "junge Samariapolemik",31 verändert die Aussagerichtung der "AbfallUmkehr"-Texte, indem sie diese so rahmt, daß an ihrem Beginn und nach ihrem Abschluß die ausschließliche Schuld Samarias betont wird (5,3; 6,10b um den "Abfall-Umkehr"-Text 5,12-6,3). Ferner kommt es in dieser Konglomeratschicht zu Vermerken, die ausschließen, daß die folgenden Beschuldigungen auf Judäer zielen (6,8 vor dem "priesterkritischen" 6,9 sowie 7,1a,~32 vor den "priesterkritischen" 7,2±). Indem z.B. 7,1a'~ sicherstellt, daß im Folgenden Ephraim und Samaria als Subjekte anzusehen sind, muß der Vorwurf (der "priesterkritische" 7,3), König und Obere mit Bösem zu erfreuen, nun auf diese bezogen werden. Weitere "junge samariapolemische" Ergänzungen wie Hos 7,llb; 12,2b unterstellen gezielt nur dem Norden eine Form von Bündnispolitik (Bünd29 Vgl. N. Mendecki, Postdeuteronomistische Redaktion, 228ff zu Hos 2,18-25. 30 Zu Einzelheiten zur Begründung vgl. 0., 172f. 31 Zu Einzelheiten vgl. 0., 67.96f.130f sowie 7.2.1; 7.3.5; 9.3.3 und 9.5.2. 32 Der Grundbestand von 7,1a enthält nicht die ersten beiden Worte, d.h. die Inf.-Konstruktion, und den ':I-Satz.

272

Schluß

nisbestrebungen mit Assur und Ägypten gleichzeitig), die jeder der umworbenen Großmächte gegenüber illoyal ist. Tatsächlich ist eine solche Politik zu keinem Zeitpunkt der Geschichte Israels nachweisbar. Die Behauptung der doppelten Bündnisbestrebungen dient allein dazu, die nach Ansicht des Verfassers tiefverwurzelte Falschheit Samarias darzustellen. Zwei weitere "junge samariapolemische" Zusätze stellen J ahwes Kriegszug gegen Ephraim in Aussicht (5,8.9a). Ephraim wird hier gleichsam als Fremdvolk eingestuft. 33 Auf diese "samariapolemischen" Texte reagieren wiederum Stimmen, die sich mit eschatologischen Zukunfts- und Gerichtserwartungen befassen (die sog. eschatologisierenden Texte).34 Sie stellen klar, daß neben Samaria/den Samaritanern auch Juda in das Gericht einbezogen ist (6,l1a).35 Daß Hos 4,3 auf ein weltweites Gericht hinaus will, impliziert ebenfalls, daß Nord und Süd davon betroffen sind. Zusätze wie 5,2b; 7,12; 10,10 halten fest, daß Jahwe sein Volk, und zwar den Norden genauso wie den Süden, fortwährend zurechtweist. Eine deutlichere Korrektur der "jungen Samariapolemik" will eine Gruppe von Nachträgen erreichen, die Jahwes Bindung auch an den Norden betont. Zu dieser Gruppe muß der Grundbestand von Hos 11 gerechnet werden (11,1".3a.4aa.8a).36 In seinem Rückblick auf die Anfänge der Geschichte Israels ist Hos 11)~ von den "Abfall-Umkehr"-Texten beeinflußt, nur daß sich hier dieser Geschichtsrückblick auf Ephraim konzentriert und Jahwes Zuwendung eben auch zu Ephraim hervorgehoben wird: Jahwe ist außerstande, Ephraim zu vernichten. Um trotz des umfassenden Schuldaufweises gegen den Norden, den die "junge Samariapolemik" erstellt hat, eine Bindung J ahwes an Samaria behaupten zu können, muß J ahwes grundlose und unbedingte Gnade postuliert werden. In eine ähnliche Richtung, allerdings ohne derart tiefgreifende theologische Reflexionen, gehen 2,1-3, die für das gesamte Volk einen neuen Anfang verheißen, und 5,l1a, wo die Zerstörung des Nordens als Ungerechtigkeit angeklagt wird. Die in Hos 11'~ vertretene Theologie der Einbeziehung Ephraims in J ahwes Heilswillen provozierte eine erneute "samariapolemische" Konglomeratschicht, die sog. "jüngste Samariapolemik".37 Diese "jüngste Samariapole-

33 Zu Einzelheiten sowie zu weiteren "jungen samariapolemischen" Texten (Hos 1,5; 4,2b; 5,5ba; 10,6; 11,8; 12,la; 12,15) s.o., 67.96f.130f sowie 149, Anm. 70. 34 Zu den entsprechenden Einzelanalysen vgl. 0., 6.3.4; 7.2.2; 8.2.1 35 7,lb.6b und 7,4aa ergänzen 6,lla um weitere Details des Gerichtsgeschehens. So hat beispielsweise während des Gerichts der Dieb freie Hand (7,lb) und Samaria brennt (7,4aa). Auch 9,7a ("K'~' 1ll" ohne) gehört zu dieser Gruppe von Zusätzen. 36 Zu Einzelheiten s.o., 175f. 37 Zu den Analysen im einzelnen s.o., 98.103.152ff.235ff.257.

"Samariapolemik"

273

mik" will nicht Jahwes liebevolle Zuwendung zum Norden in Zweifel ziehen; es soll aber deutlich sein, daß diese Zuwendung nicht wahrgenommen wird, also verlorene Liebesmüh ist. So wird in Hos 11 * beispielsweise mit 11,3b ein Zusatz eingearbeitet, der die dem Norden geltende Zuwendung Jahwes ins Leere laufen läßt, indem es hier heißt, der Norden wisse nicht, daß Jahwe ihn geheilt habe. 7,13-16 stellt den Norden so dar, daß er auf Jahwe erlösendes Handeln (i1'~ in 7,13) mit Lügen und bösen Plänen gegen ihn reagiert. Daß J ahwes Zuwendung gegenüber Ephraim sinnlos ist, soll auch über die Nachträge 1,2a; 3,1-4 klargestellt werden. Liest man Hos 1 einschließlich 1,2a und 3,1-4 nacheinander, so soll diese Abfolge der Symbolhandlungen des Propheten dem Leser die wiederholten und vergeblichen Bemühungen Jahwes um den Norden belegen. Am Ende kommt heraus, daß Samaria isoliert dasteht (3,4). Ferner stellt Hos 3,1 gegen Hos 11,1-4)~.8a betont heraus, daß der Norden trotz Jahwes bleibender Liebe in der Abwendung von ihm verharrt. Auch Hos 5,4; 7,10b; 11,5b machen klar, daß sich der Norden jeglicher Umkehr verweigert. Indem in 7,1a* im Rahmen der "jüngsten Samariapolemik" die einleitenden Inf.-Konstruktionen 6,l1b ("Wenn ich das Geschick meines Volkes wende") und 7,1aa. ("Wenn ich Israel heile") ergänzt werden,38 wird der Vers zu folgender Aussage uminterpretiert: gerade wenn J ahwe die Heilswende herbeiführt und sich heilend seinem Volk in Nord und Süd zuwendet, wird die Bosheit des Nordens offenbar. Daß auch diese "jüngste Samariapolemik" so nicht unwidersprochen blieb, belegen schließlich Texte wie Hos 3,5 und 14,5. Hier äußern sich Stimmen, die trotz allem für den Norden eine letzte Chance sehen. Hos 3,5 rechnet gegen 3,1-4 mit einer Umkehr des Nordens, wenn auch erst am Ende der Zeiten. 14,5 reagiert auf Aussagen wie 11,3b mit der Behauptung, Jahwe werde die Abtrünnigkeit des Volkes heilen. Für diese Heilstheologie ist offensichtlich ein Israel der Heilszeit ohne den Norden unvollständig. Die sich in den "samariapolemischen" Zusatzkonglomeraten ("junge" und "jüngste Samariapolemik") einerseits und in den Korrekturen dazu (z.B. Hos 11 *; eschatologische Heilshoffnungen) andererseits abzeichnenden, kontrovers geführten Diskussionen darüber, inwiefern Samaria noch als Teilgröße des J ahwevolkes zu gelten hat, dürften sich in der Phase kurz vor, während oder kurz nach der Zeit der endgültigen Abspaltung des Nordens (Samaritanisches Schisma) abgespielt haben.

38 Zu den komplizierten Textverhältnissen im einzelnen s.o., 7.2.3.

274

Schluß

10.7 Zum Beschluß Die Spannungen und Konfusionen der Endgestalt von Hos sind eine Herausforderung für jeden Leser. Nach einer ausführlichen Auseinandersetzung mit diesem Buch ist man fast geneigt, die Aporien dieses Textes wie Eichhorn in poetische Bilder umzusetzen: "Der Vortrag des Propheten gleicht einem Kranz, aus den mannigfachsten Blumen gewunden, Vergleichung in Vergleichung geschlungen, Metaphern an Metaphern gereihet ... Wie eine Biene fliegt er [sc. der Prophet Hosea] von einem Blumenbeet zu anderen, um seinen Honig aus den mannigfaltigsten Säften zu saugen. "39 Die Entstehung dieses extrem ungeordneten, ja manchmal sogar verwirrenden Textes ist - wie wir gesehen haben - durch einen langwierigen Wachstumsprozeß zu erklären. Nur eine Entschlüsselung dieses Wachstumsprozesses, d.h. die Rückübersetzung des "gefrorenen Dialogs" der einzelnen Schichten "in eine lebendige theologische Auseinandersetzung unterschiedlicher Gruppen und Parteiungen",4o führt zu einem angemessenen Verständnis sowohl einzelner Verse und Abschnitte als auch des HosBuches ingesamt. Dieser etwa SOOjährige Wachstumsprozeß des Hos-Buches ist seit seinen Anfängen besonders durch eine Frage geprägt: wie ist der Status des ehemaligen Nordreichs und seiner Bewohner aus judäischer Sicht zu definieren? Gerade in diesem Buch stand man somit vor der Herausforderung, zu entscheiden, ob der Norden nach wie vor zum Gottesvolk Israel gehört oder diesen Status durch eigenes Verschulden verloren hat. Je intensiver man aber dieser Frage nachging, umso deutlicher mußte man wahrnehmen, daß man selbst in eine Schuldgeschichte verstrickt war. Angesichts dieser umfassenden Schuldgeschichte mußte in den späten Wachstumsstadien von Hos die Frage beantwortet werden, warum Jahwe sein schuldiges Volk in Nord und Süd nicht dem verdienten Untergang preisgibt. Die theologischen Spitzentexte im Hos-Buch versuchen eine Antwort auf diese Frage, indem sie postulieren, daß Jahwe den regelhaften Zusammenhang von menschlicher Schuld und göttlichem Gericht aufheben muß, weil er nur so seiner unermeßlichen Liebe zu seinem Volk gerecht werden kann (11,8a). Dieser Grundgedanke, daß allein die Liebe und Zuwendung J ahwes die Existenz seines Volkes sicherstellen kann, wird in späten Texte in Hos konsequent weitergedacht: so äußerte man die Hoffnung, daß Jahwe seinem Volk die Fähigkeit schenken muß, entsprechend seinen Geboten zu leben (2,21f). Der lange Reflexionsgang im Lauf der Wachstumsgeschichte von Hos führt 39 Zitiert nach A. Wünsche, Prophet Hosea, xxvm. 40 So R. Albertz, Religionsgeschichte Israels, 31.

Überblick: Das Wachstum des Hos-Buches

275

also zuletzt zu der Einsicht und dem Vertrauen, daß allein durch Gottes Wirken, seine gratia praeveniens, jegliche Gottesbeziehung gelingen kann.

10.8 Überblick: Das Wachstum des Hos-Buches

Die jeweils neu ergänzten Textanteile werden kursiv wiedergegeben. A) Älteste Bildworte: Hos 7,8b.lla; 9,l1a.13a".16aß; 10,7.11aa; 13,15aba. Mit aller Vorsicht 41 läßt sich folgender Bestand für diese Sammlung ältester Bildworte im Bereich von Hos 7-10,7 rekonstruieren. 42 7,8b: 43 Ephraim wurde ein Brotfladen, der nicht umgedreht wurde. 7,l1a: Und Ephraim wurde wie eine Taube, verführbar ohne Verstand. 9,l1a: Ephraim ist wie ein Vogel, seine Herrlichkeit fliegt dahin. 9,13a": Ephraim - zur Palme ist es gepflanzt auf einer Wiese, 9,16aß: ihre Wurzel (sc. Ephraims, vgl. 9,l1a) ist verwelkt, Frucht bringen sie nicht. 10,7: 44 Vernichtet ist Samaria, sein König ist wie ein abgeknickter Zweig auf dem Wasser.

B): Eine kommentierte Sammlung dieser Bildworte: Hos 7,4b.5b.8b.9.10a.lla; 9,l1a.13a".16aa.16aß; 10,3a.7.11aa; 12, 2a a; 13, 12/,'. 15aba. Der Zustand dieser kommentierten Bildwortsammlung im Bereich von Hos 7,1-10,7 in vorexilischer Zeit45 kann folgendermaßen wiederhergestellt werden: 7,4b: Ein Bäcker,46 der aufhört zu schüren vom Kneten des Teigs bis zu seiner Durchsäuerung, 7,Sb: reichte seine Hand den Schwätzern. 7,8b: Ephraim wurde ein Brotfladen, der nicht umgedreht wurde. 7,9: Fremde aßen seine Kraft, und er merkt es nicht.

41 Zu den Schwierigkeiten einer Rekonstruktion alter poetischer Textfolgen s. auch G. Hölscher, Hesekiel, 90. 42 Zu weiteren alten Bildworten in Hos 10-13 s.o., 4.3. 43 Zur Übersetzung von 7,8b.lla; 9,11a.13a*.16aß im einzelnen, s.o., 4.3. 44 Zu dieser Übersetzung von 10,7 vgl. 0., 203, Anm. 321. 45 D.h. vor der Ergänzung des exilischen Bildwortkommentars 7,10a, s.o., 9.2.1. 46 Möglicherweise ist ein ursprünglich zu Beginn von 7,4b vor ;'!l~ verankertes Ephraim ausgefallen, als der "priester kritische" 7,4aa: ("sie sind alle Ehebrecher") ergänzt wurde.

276

Schluß

Sogar graues Haar hat sich über ihn gestreut, und er merkt es nicht. 7,l1a: Und Ephraim wurde wie eine Taube, verführbar ohne Verstand. 9,l1a: Ephraim ist wie ein Vogel, seine Herrlichkeit fliegt dahin. 9,13a*: Ephraim - zur Palme ist es gepflanzt auf einer Wiese, 9,16aa: Geschlagen ist Ephraim, 9,16aß: ihre Wurzel (sc. Ephraims, vgl. 9,l1a) ist verwelkt, Frucht bringen sie nicht. 10,3a: Denn nun sagen sie: »Wir haben keinen König." 10,7: Vernichtet ist Samaria, sein König ist wie ein abgeknickter Zweig auf dem Wasser.

C) Die Umgestaltungen zur Prophetenrede durch das "priesterkritische" Konglomerat C-1) Die erste Stufe: Die anonyme Prophetenrede der "priesterkritischen" Texte: Hos 5,1*; 5,10a; 6,4b.9; 7,3.4aaAb.5a.5b.7aß.7b.8b.9.10a.lla; 9,8.11a.13a*. 16aa..16aß; 10,3a.3b.4a.7.11aa.; 12,2aa.; 13,12f*.15aba.. 47 Für ein relativ frühes Stadium des langsam angewachsenen "priesterkritischen" Konglomerat 48 ergibt sich folgender Textbestand für Hos 5,1-10,7: 5,1*: Hört dies ihr Priester, und Haus des Königs (sc. die Angehörigen des Königshauses), hört hin, denn ihr seid ein Klappnetz für Mizpa geworden und ein ausgespanntes Fangnetz auf dem Tabor, 6,4b: und eure Solidarität ist wie die Morgenwolke und wie der Tau, der schnell vergeht! 6,9: 49 Und wie das Lauern eines Räubers ist die Gemeinschaft der Priester: sie morden an der Straße Richtung Sichem, ja, sie tun Schandtat. 7,3: Mit ihrer Bosheit erfreuen sie einen König, und mit ihren Lügen Obere. 7,4aa: 50 Sie sind alle Ehebrecher, 7,4b: (Sie sind alle)51 ein Bäcker, der aufhört zu schüren vom Kneten des Teigs bis zu seiner Durchsäuerung.

47 Zur Frage, ob 8,la.3 zum .priesterkritischen" Konglomerat gerechnet werden müssen, s.o., 184. 48 D.h. vor der Ergänzung von 5,10a.10b; 6,10a; 7,2.7aß.7b, s.o. 10.3. 49 Zur folgenden Übersetzung von 6,9; 7,3 s.o., 138ff. 50 Zur folgenden Übersetzung von 7,4aC:XAb.5b.7b, s.o., 212ff. 51 C,:J fungiert in diesem Stadium von 7,4 als double dury (zur Definition dieses Begriffs vgl. M. Nissinen, Prophetie, 61).

Überblick: Das Wachstum des Hos-Buches

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7,Sa: "Tag unseres König!" Sie machten Obere schlaff, erhitzt vom Wein. 7,Sb: Er (Sc. der König aus 7,3) reichte seine Hand den Schwätzern (Sc. den Priestern).52 7,8b: Ephraim wurde ein Brotfladen, der nicht umgedreht wurde. 7,9: Fremde aßen seine Kraft, und er merkt es nicht. 53 Sogar graues Haar hat sich über ihn gestreut, und er merkt es nicht. 7,10a: Und die Anmaßung Israels zeugte gegen es. 7,lla: Und Ephraim wurde wie eine Taube, verführbar ohne Verstand. 9,8: 54 Was den Wächter Ephraims betrifft: mit meinem Gott ist der Prophet. Vogelsteller-Klappnetze sind auf allen seinen Wegen, Anfeindung im Haus seines Gottes. 9,lla: Ephraim ist wie ein Vogel, seine Herrlichkeit fliegt dahin. 9,13a": Ephraim - zur Palme ist es gepflanzt auf einer Wiese, 9,16aa: Geschlagen ist Ephraim, 9,16aß: ihre Wurzel (sc. Ephraims, vgl. 9,lla) ist verwelkt, Frucht bringen sie nicht. 10,3a: Denn nun sagen sie: "Wir haben keinen König. 10,3b: Denn wir fürchten Jahwe nicht. Und was sollte ein König für uns tun?"55 10,4a: Sie machen Worte, falsches Schwören, Bündnisse Schließen. 10,7: Vernichtet ist Samaria, sein König ist wie ein abgeknickter Zweig auf dem Wasser.

C-2) Die zweite Stufe: Der Rechtsstreit gegen die Priester der "Priesterkritischen" Texte: Hos 4,4b.7fl0a.13.14a; 5,1"; 5,10a.l0b; 6,4b.9.10a; 7,2.3.4aa.4b.5a.5b.7aß. 7b.8b.9.10a.lla; 9,8.11a.13a".16aa.16aß; 10,1.3a.3b.4a.7.11aa; 12,2aa; 13, 12f~'.15aba.

D) Die Stilisierung von Hos als Prophetenbuch des Hosea ben Beeri: Hos 1,1.2b-4.6; 4, laba.2a; 4,4b.7f.10a; 5,1\ 5,10a.10b; 6,4b.9.10a; 7, 2.3.4aa.4b.5a. 5b.7aß.7b.8b. 9.10a.11a; 9,8.11a.13a~'.16aa.16aß; 10,1.3a.3b.4a.7.11aa; 12, 2aa; 13,12f~·.15aba. 52 Aus Sicht der "priesterkritischen" Ergänzer bezog sich das singularische Subjekt aus 7,5b auf den in 7,3 erwähnten König, t:l'~~? auf die Priester, von denen ja stets im Plural die Rede ist. Somit konnte der Halbvers aus ihrer Perspektive so gelesen werden, daß er dem (persischen?) König unterstellt, den Priestern leichtfertig zu vertrauen. 53 Auch diese Aussage könnte aus "priesterkritischer" Sicht als Anspielung auf das Verhalten der Priester gedeutet worden sein. 54 Zu dieser Übersetzung von 9,8 und weiteren Einzelheiten, s.o., 7.4.3. 55 Die "priesterkritischen" Ergänzer formulieren ihren Zusatz als unmittelbare Fortsetzung der direkten Rede in lO,3a. Da der Inhalt der Aussage in lO,3b dem Verhalten der Priester in 7,3 entspricht, soll der Leser schließen, daß sie hier sprechen.

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Schluß

E) Das durch die "Abfall-Umkehr"-Texte erweiterte Hos-Buch: Hos 1,1.2b-4.6.8fi 2,4-25; 4,1.2a; 4,4b.6b.7f.9.10.12; 5,1; 5,5a.9b.10a.10b. 12-14; 6,4b.6.5.9.10a; 7,2.3.4aa.4b.5a.5b.7aß.7b.8b.9.10a.lla; 9,lf8.10.11a. 13a".15.16aa.16aß; 10,1.3a.3b.4a.7.11aa; 12,2aa.3-7.11.13/; 13, 12f". 15aba; 14,2-4.6-8. F) Diverse "Samariapolemiken" sowie Zusätze, die diese "Samariapolemiken" jeweils relativieren: "Junge Samariapolemik": Hos 1,5; 4,2b; 5,3; 5,5ba.8.9a; 6,8.10b; 7,1a'~.8a. llb; 10,6; 12,1a.2b.15; 13,1-3. Relativierung der "jungen Samariapolemik" - durch eschatologisierende Texte (Gericht für Nord und Süd): Hos 4,3; 6,l1a; 7,1b.4aß.6b; 9,7a. - durch Hinweise auf Jahwes Züchtigung für Nord und Süd: Hos 5,2b; 7,12; 10,10. - durch Zusätze, die die Bindung Jahwes an Juda und v.a. an Ephraim klarstellen: Hos 2,1-3; 5,l1a; 11,1".3a.4aa.8a. 56 "Jüngste Samariapolemik": Hos 1,2a; 3,1-4; 5,4; 6,11b; 7,1aa. 57 10b.13-16; 11,3b.5b. Relativierung der "jüngsten Samariapolemik": 3,5; 14,5b.

56 Zu diesem Grundbestand von Hos 11, S.o., 175f. 57 Zu den komplizierten Textverhältnissen im einzelnen s.o., 7.2.3.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen in diesem Literaturverzeichnis und in der obigen Untersuchung richten sich nach dem IATG = S.M. Schwertner, TRE. Abkürzungsverzeichnis, Berlin/New York 21994. In der oben durchgeführten Untersuchung steht die Abkürzung für das jeweilige Prophetenbuch (z.B. Hos) nur für das Buch. Wo dagegen der Prophetenname ausgeschrieben wird (z.B. Hosea), bezieht er sich auf den historischen Propheten. Die in den Anmerkungen neben dem Autorennamen verwendeten Kurztitel erschließen sich in der Regel durch Kursivschreibung im entsprechenden bibliographischen Eintrag. Andernfalls steht die gebrauchte Abkürzung in Klammern hinter dem Eintrag. Der Kurztitel in den Anmerkungen beginnt auch dann mit einem Großbuchstaben, wenn das entsprechende Stichwort im Buchtitel klein geschrieben wird. Hat eine mehrbändige Publikation eine durchgehende Seitennummerierung, so erscheint im Text ein identisches Titelstichwort, es sei denn, es handelt sich um zweibändige Kommentarwerke, die jeweils eine eigene Bandnummer tragen. Im folgenden Literaturverzeichnis kennzeichnet eine Unterstreichung eine Kursivschreibung des Originals. Zusätzlich werden in dieser Arbeit folgende Abkürzungen verwendet: App. Anm. chr./Chr. com. fern. HAL HBS Inf.abs. Inf.cs. KS masc. plur. smg. Schw. st.abs. st.cs. XII

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Bibelstellenregister (in Auswahl) im Anmerkungsteil der entsprechenden Seite Eine Analyse dieser Bibelstelle wird auf den entsprechende Seiten vorgenommen.

A kursiv

Richter (fdc)

Genesis (Gen) 11,7.9

244A

Exodus (Ex) 3,14 20,1-17 20,3 20,13f 20,15 20,16 22,19

95A 126ff 169 128 129 128 169A

Levitikus (Lev) 5,13 5,21f 6,19 19,11 19,29 20,10 21,9 26,1

4,5 5,14 17,2

52 52A,174 127

l.Samuel (1 Sam) 2,22ff 8,6-8 15,22 15,23b 15,26

195A 64 197 195f 195A

2.Samuel (Il Sam) 190 128 190 128 89A,191 128 191 202

3,17

74

I.Könige (1 Reg) 4,8 12,26-29 13.1-5.10ff 15,17-22 22,5-28 23,4.15ff

52 58 58 248 102f 58

Numeri (Num) 10,9 14,33 22-24 25,1-5 25,1 31,6 35,l1ff

174 147f 268 65 119 174 128

Deuteronomium (Dtn) 4,30 5,1-21 5,7 5,17f 5,19 7,1-5 16,22 18,15-22 28,33

155A 126ff 169 128 129 243 202 65 175

2.Könige (Il Reg) 10 12,28b 14,25 16,5-9 16,5-9" 16,5 17,3f 17,4 17,24-41 17,28 19,3 23,14

92f 41A 268 161 248 160 248 223,250 144,183 59A 173 202

Jesaja (fes) 1,1 1,21 1,31 5,24b

16, 104, 10M, 268 46A 219 196

306 6 7,1-9 7,4-6 7,17 8'f 8,1-4 8,14 8,16 10,5ff 14,24-27 16,1-4 24,4 24,6 28,1-4 28,1-4'f 28,1aab'f.3 28,7ff 28,10.13 30,26 31,1.3 31,4 37,3 40,1-8 46,3 63,7

Register

241A 50, 55 160f 50 241A 90f 57,57A 25 161 161 89 131 132 240/ 51,70 240f,261 159 158f 168 169f 170 173 134 57 57

Jeremia (Jer) 1,1-3 2 2,4 2,18 2,36 3 3,1-5 3,2.9 3,4 3,6-10 3,10 4,5 4,28 6,1 8,18.19a 8,20-22 7,9 9,1 12,7 13,18f 13,9 16,1-4 18,6 18,13 21,11f 22,6 23,10

104f 243, 251A 57, 124 251f 251 89 82 147f 227A 46,81 235f 174 131f 174 91 91 26A, 126, 128f 220,265 60A,61 91 234 89 57 185 114,117 114A 131f

23,14 24 25,38 27'f 30f 30,12-17 30,17 31,15-17 31,23-25 31,23 33,6 33,14-26 37,11ff 38 41,1-3 41,5 46,21 49,8 50,27.31 51,27 51,33

129,185,220 183 170 248A 183 170 168 183 153 153 168 67 248A 248A 115A 144A 151 151 151 174 150

Ezechiel (Ez) 3,17-21 7,6 8,6.11.12 12,13 16 16,37 17,10 17,13 17,20 19,11 19,12 20,40 21,30 21,36 22 22,9 22,31 23 23,27 24 32,3 33,1-9 37,15-20 37,16ff 37,16-20 43,7.9 44,6-10 47f

180, 182 151A 54 254 46,81,89,251 83A 70A 205 254 234 70A 54 54 186 265 144f 186 46,81,89,251 147f 89f 254 180, 182 50 54 55 147f 243A 183A

Register

Hosea(Hos) 1-3 1 1,1-2,25 1,1-2a 1,1-2ba. 1,1 1,2-4.6.8f 1,2b-9 1,2b-4.6 1,2 1,2a; 3,1-4: 1,2a 1,2b 1,4 1,5.7aßb 1,5 1,6 1,6bß.7 1,7 1,8f 1,8 1,9 2-3 2 2,1-3 2,1 2,2a 2,2b 2,4-25 2,4-6 2,4a.7ba. 2,4 2,4a 2,7 2,7bß 2,8f 2,10 2,11 2,12 2,13 2,15 2,16-3,5 2,16-25 2,16-25* 2,16.17b.25 2,16 2,18-25

14, 17, 20A, 22f, 29, 33, 36, 39, 43, 97f, 267 43, 75ff, 79, 95 13 34 102A 14, 16f, 19, 22, 36, 99f, 104ff, 130, 268f 32

8~!ft

87 f, 98f, 103, 106, 125, 130, 132f, 193, 267f 18 149, 153f, 273 14,99, 100ff 12A, 88f, 94 63, 87, 91ff, 115f, 131, 198 33 86,96f 87, 93f, 93A 36 11, 16, 19,24,38,8~96 86,94, 98, 269f 87 77, 80, 86, 94f 43 37 15, 19, 24, 38, 40, 77ff, 95,175,272 96 79,96 95f 19, 79ff, 95, 98, 171f, 197ff, 269ff 81 82f 32,77,81 80,95 81 82 83 81 82 83, 172 84 12, 198 33 38 39 97 84 97

2,19-25 2,19 2,20 2,21f 2,23f 3 3,1-4 3,1-5 3,1 3,5

307

83 12 96 274 97 36,40,95 74, 75f, 98, 103 13 103,273 24, 36, 73ff, 77, 79, 99, 237,273 4-11 22, 36 14, 17, 20A, 21, 23, 29, 4-14 33, 37,43, 66, 71f, 79, 97 4-14" 267f 4 37, 186f! 4,1-3 14, 26A, 32, 100, 108, 119, 120f! 4,1f" 125,130 4,1 18,38 4,laba..2a 123, 133, 193, 268 4,la 124 4,lba. 80, 125, 198f BOA, 193ff, 197 4,lbß 4,2f 35 4,2 122 4,2*.3b-9 38 4,2a 126ff, 193 4,2b 130f 4,3.15-17.19b 43 4,3 33, 131f, 152,272 4,4a 187 4,4b.7f.l0a 13.14a 187ff, 205f, 267 4,4b 187ff,208 4,5 187A 4,6 18, 187 192 4,6a.l1.14b 4,6b-14 48A 4,6b.l0b 194 4,6b 194ff 4,7f.10a 189f 4,7 12, 190A 190 4,8 4,9 22A, 192, 197ff, 269 4,10a 81, 191 4,10b 192, 197 4,11 191f 4,12 46, 81, 191f, 197ff, 269 4,13aa. 81 4,13.14a 192/ 4,13b.14aa. 192f 4,13b 81

308 4,15

Register

11, 19, 24ff, 42, 162A, 187A 127 24,63,187 A 187A 50 84,84A 116 43 135 135A 14, 32, 100, 108f! 35 38, 62, 67

4,15b 4,16 4,17-19 4,17 4,18 5-14" 5-7 5,1-7,16 5,1-7 5,lf 5,1-2a 5,1 5,1".10a; 6,4b.9; 7,3 178 5,1"; 6,4b 178f 11 Off, 119, 123, 133f, 5,1" 135ff, 182, 189, 20M, 208, 241A, 265 5,1aCl. 117f 117 5,1aß 5,1b 62, 111 118f 5,2a 256,272 5,2b 271 5,3; 6,10b 5,3 60, 67, 210 5,3b 149 32 5,4-7.10.13 68, 23M , 273 5,4 5,5 24,136A 5,5a 233,235,269 5,5aba 67A 235A 5,5aß 5,5ba 60,67 25f, 33, 67A 5,5bß 136A 5,6 5,7 136A 159ff 5,8-6,6 137f, 157ff, 162jf, 177 5,8-14 162ff 5,8-11 175,272 5,8.9a 5,8 34, 38, 59, 97, 100A, 116A, 162A, 173ff 5,9a 160, 173 65,67,161,167,269 5,9b 5,10 14, 164, 165 13M, 160, 165ff, 178f, 5,10a 185,264 185f,266 5,10b 5,11 158f 5,l1a 175ff,272 5,l1b 176 5,12-6,3 84

5,12-14

161, 162ff, 167f, 167ff, 269ff 5,12f 13 41 5,12 158f,251 5,13 172 5,14 19, 33, 38, 135A, 172f, 5,15-6,3 269ff 24,39A 5,15b-6,3 32, 155, 236ff 5,15 32, 68 6,1-3 154f,238 6,1 81 6,3 6,4-7 43 32 6,4-6 136A 6,4a 135ff,264 6,4b 197 6,6 6,7-7,2 40 137A 6,7 137, 138jf, 14M 6,8-7,3 6,8.10b; 7,la" 149, 153f· 6,8f.10 35 6,8 130,143,147,210,271 6,9; 7,3 143ff, 166, 179, 185, 21M 6,9 48A, 13M, 143ff, 182f, 264, 266 6,10-11a 25 6,10a 142, 185, 266 6,10b 22A, 46, 60, 67, 143, 147ff,210 6,11 139f 6,l1a 11, 19, 24, 26, 33, 132, 14lf, 150ff, 221, 272 6,l1b; 7,laa 152ff 6,l1b 14lf, 152ff, 273 6,l1bß-7,laa 33 7,1-3"] 35 7,la 154f 7,la" 143, 148, 152f, 210, 221, 271 7,laa 14lf, 152ff, 154f, 273 7,lay 142 7,lb 142, 150ff, 219 7,2 142,185,266 7,3-7.11 41 7,3-7 48A, 212ff, 216jf, 228ff 13M, 143ff, 200A, 204, 7,3 214f, 219, 264f 7,4 215, 219f! 7,4aa 81, 219f, 264f 220f 7,4aß 217,234,247,262,266 7,4b.5b 223 7,4b.8b

309

Register

7,4b 7,5 7,5a 7,5b 7,6a 7,6b 7,7a 7,7aa 7,7aß 7,7b 7,8-12 7,8-11 7,8f 7,8 7,8a 7,8b; 9,13a". 16aß; 10,7 7,8b 7,9 7,9a 7,9b 7,10 7,10a 7,10b 7,11 7,l1a 7,l1b 7,12 7,13-16 7,14 7,15 7,16 8 8,1-3 8,1-3" 8,lf 8,1 8,la.3 8,la 8,lb 8,4b-5aa. 5b-7a 8,4b-5aa. 6".13f 8,4 8,4a 8,5f 8,5-13" 8,6a 8,8-10 8,8 8,10

221ff, 262 224 224f,264 226 218 218f 218 218 218,264 11, 214f, 217f, 226ff, 266 231f, 257ff 35 38 238[ 243f, 247, 253 234 51, 69, 215, 222f, 226, 239ff, 247, 249, 257f, 261 246f, 246ff 245f,262 246,262 24ff,233 22A, 233ff, 263 235ff,273 248[ 51, 69, 242, 249, 254A, 257f,261 250ff, 253f, 271 253ff,272 13,103,257,273 18A 157 36 43 35,60,67,184 14 34,43 11,38,100A 182A 60 26,38,41 33 36 216A 200A 59,60A 41 41 182A 65,67 200A,216A

8,11 8,l1a 8,13 8,14 9 9,lf 9,1 9,laab.2. 3b-4a 9,laßb 9,2 9,4 9,7-9 9,7 9,7a 9,7aß 9,7b-9 9,7ba 9,7bß 9,8 9,9 9,10 9,11-13.16 9,11 9,l1a.13a". 16aß 9,l1a 9,13a".16aß 9,13a" 9,15 9,16 9,16aa 9,16aß 10 10,1-8 10,lf.5-6a* 10,lf 10,1 10,lb-2. 4bß.8a" 10,3f 10,3a 10,3b.4a 10,3b 10,4a 10,5-8 10,5f 10,5 10,6 10,7 10,9

SOff 12 34 19,24 43, 84 67,269 35, 38, 46, 65, 81, 83, 100A,270 41 33 84,84A 11,61A 181 21,35 65,67,151 181 34 18lf 181 60A, 61, 179ff, 264ff 63,67, 119, 181 18A, 35, 38, 52, 63, 65, 67, 6,9A, 83f, 119, 269f 35 16A 266 69,242,249 202ff, 247, 261 69, 69A, 242 11,41,60A,61,83f,269f 16A 69A,263 69 43 35,202ff 38 202 12, 38, 52, 202, 205f, 267 33

20~",

201 f, 247, 262, 277 206,264 200A, 201, 204, 227, 265, 277 127,204f 38 59 34, 162A 60,67 203,242,261 63,67

310 10,10 10,l1acx. 10,15b 11 11" 11,1-4 11,1-4".8a 11,1 11,1".3aAacx. 8a 11,2 11,3ff 11,3 11,3b 11,5b 11,8-11 11,8-11" 11,8 11,8a 11,10f 11,10 11,11 12-14 12 12,1-3 12,1 12,la 12,lb 12,2a 12,2acx. 12,2b 12,3-14 12,3-5. 7-11.13f 12,3-7 12,3-5 12,3 12,4 12,5b 12,8 12,9 12,10 12,11 12,l1a 12,13f 12,14 12,15 13 13,1-3 13,lf 13,1 13,2aßbcx. 13,4-15" 13,4-6

Register

255f,272 69 60A 14, 3M, 43

175[ 38 77, 97 52,63,65,67 272 12 51 50,52 13, 68, 154f, 273 23M, 273

19,33 38 60,67 176,274 39 26,38 38 22,36 43 38 24 60,67f 33 69A 69, 262A 251, 252ff, 271 68 41 84,199,269 14, 59 24, 33, 125, 198f 270 199A 18 50 41 269 167A 269 63, 65, 67 50f,131 43 36 33 50, 52 25 41 18,34

13,7 13,9-11 13,10 13,10b 13,12f 13,15 13, 15abcx. 14 14,2-10 14,2-9 14,2-8 14,2-4 14,2-4acx.. 5a.6-8 14,5 14,6-8 14,9 14,10 14,10b

171 64,67 200A 64,64A 69, 70A, 262A 35 69 43 19 26 83 269f 33 155,273 65,67,269 50 34, 36 192A

Joel (foe!) 1,1 1,2f 1,2 4,13

100 100A 116A 150

Amos{Am) 1,1 1,1 " 2,4 3-6 3,1 3,14 4,lf 4,4 5,1 5,2 5,5f 7,8 7,10-17 7,13 7,17 8,2 8,2b 8,4

10M, 268

104 196 49 l1lf 58 l1lf 58 l1lf 93A 58 93,94A 58 59 46A 93,94A 151A 112f

Jona (fon) 1,1

105,268

Micha(Mi) 1,la 2,1 3 3,1

10M, 207

207 113 134A

311

Register 3,5.6a 3,6b.7f 3,9-12 3,9 6,2

113 113A 41 112f 125

Sprüche (prov) 5,9f 25-27 28f

245 243,262 243

Klagelieder (Thr) Nahum(Nah) 3,1

10M, 207

1 1,6 2,3 4,22 5,6

134A,207 153

Esra{Esr)

207

Zephanja (Zeph) 1,1 3,1

3,20

4,1-5 6,21

Haggai (Hag) 1,1

165A 165 219 148 251f 144,183 244

105

Nehemia (Neh) Sacharja (Sach) 1,1 9,8 9,13

10,7 14 14,2

105 61

50,55 50,55 150 197

Psalmen (ps) 14,4.6f 14,7 47,7 53,4.6f 53,7 78,32 149,2

153 153 225 153 153 235f 225

Hiob(Hi) 10,16

166A 197 191 243A 156A

151A,153

Maleachia (Mal) 2,7

5 8,5-8 13 13,4-9 13,28

171

2. Chronik (II Chr) 13,13-18 15,3 15,4 15,9 17,7-9 25,7 28,12 30

30,5-9 30,6 33,1-13 35,3

174 75f 155A,271 244

19M 54 54 244 173,271 155A 155A

19M

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Dietrich-Alex Koch und Matthias Köckert.

Band 212: Adrian Schenker 'DV 1HXH DP QHXHQ %XQG XQG GDV $OWH DP DOWHQ Jer 31 in der hebräischen und griechischen Bibel, von der Textgeschichte zu Theologie, Synagoge und Kirche 2006. 108 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-53076-5

Wenige Stellen der Bibel sind so oft untersucht worden wie die Verheißung des neuen Bundes bei Jeremia. Diese Studie will die wissenschaftliche Diskussion um einen bisher unberücksichtigten Gesichtspunkt erweitern, der das Verständnis dieses prophetischen Wortes im Alten und im Neuen Testament verändert. Sie versucht, die doppelte Textüberlieferung von Jer 31,31–34 im masoretischen Text und in der Septuaginta textgeschichtlich, kanongeschichtlich und theologisch auszuwerten. Die in der Septuaginta enthaltene Fassung ist für Schenker dabei die ursprünglichere. Im zweiten Teil der Studie untersucht Schenker die drei Stellen im Neuen Testament, welche die Verheißung Jeremias anführen.

Band 211: Henrik Pfeiffer -DKZHV .RPPHQ YRQ 6¾GHQ Jdc 5; Hab 3; Dtn 33 und Ps 68 in ihrem literatur- und theologiegeschichtlichen Umfeld 2005. 313 Seiten, gebunden ISBN 3-525-53075-7

Mit den Texten Richter 5, Habakuk 3, Deuteronomium 33 und Psalm 68 analysiert Pfeiffer die vier klassischen Kronzeugen für eine ursprüngliche Beheimatung Jahwes im Süden, genauer am Sinai. Er bezieht ausdrücklich die literarische Verankerung der vier Texte in ihrem jeweiligen Kontext und die literarischen Bezugnahmen untereinander ein. Dem bisherigen Forschungskonsens widersprechend zeigt sich dabei auf vielfältige Weise die Problematik der immer noch weit verbreiteten Frühansetzung dieser Texte. Ihre literarische Interdependenz sowie ihre späte Herkunft aus nachstaatlicher Zeit sprechen zugleich gegen eine traditionsgeschichtliche Ableitung des Kommens Jahwes von Edom/Seir und Teman aus uralter Theophanietradition.