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German Pages [616] Year 1992
HYPOMNEMATA 99
V&R
HYPOMNEMATA U N T E R S U C H U N G E N ZUR ANTIKE UND ZU IHREM NACHLEBEN
Herausgegeben von Albrecht Dihle/Siegmar Döpp/Christian Habicht Hugh Lloyd-Jones/Günther Patzig
H E F T 99
V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N
BURKHARD MEISSNER
Historiker zwischen Polis und Königshof Studien zur Stellung der Geschichtsschreiber in der griechischen Gesellschaft in spätklassischer und frühhellenistischer Zeit
V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N
Verantwortlicher Herausgeber: Albrecht Dihle
Die Deutsche Bibliothek -
ClP-Einheilsaufiiahme
Meißner, Burkhard: Historiker zwischen Polis und Königshof : Studien zur Stellung der Geschichtsschreiber in der griechischen Gesellschaft in spätklassischer und frühhellenistischer Zeit / Burkhard Meißner. - Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1992 (Hypomnemata ; H. 99) Zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-525-25199-8 NE: GT
D 16 © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992 Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Herstellung: Hubert & Co., Göttingen
Vorwort Die vorliegende Schrift ist die überarbeitete Fassung einer Dissertation, die unter dem gleichen Titel im Sommersemester 1989 der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft der Universität Heidelberg vorgelegen hat. Ihre Überarbeitung für den Druck wurde im Herbst 1990 abgeschlossen. Für das Zustandekommen dieser Arbeit verdanke ich Wesentliches Herrn Prof. Dr. Fritz Gschnitzer, dem ich darüber hinaus zu großem Dank verpflichtet bin für seine Kritik, Belehrung und Förderung. Auch die Freunde im Kreis seiner Heidelberger Schüler, die mir so oft ihre Anteilnahme am Fortgang der Arbeit zeigten, haben viele hilfreiche Einwände formuliert und mich teilhaben lassen an einer Atmosphäre gegenseitiger Ermunterung und wechselseitigen Zuspruchs. Danken möchte ich Prof. Dr. Dr.h.c. Albrecht Dihle, der nicht nur das Korreferat über die Dissertation angefertigt, sondern auch ihre Aufnahme in die Reihe der Hypomnemata befürwortet hat. Aus den Gesprächen mit Prof. Dr. Karl-Ernst Petzold (Tübingen) habe ich immer wieder wichtige Hinweise gewonnen. Prof. Dr. Andreas Mehl (Erlangen) hat wesentliche Teile des Manuskriptes gelesen und durch diese mühevolle Arbeit, durch seine Kritik und seine Anregungen die Umarbeitung der Dissertation wesentlich gefördert. Prof. Dr. W.Nippel und Prof. Dr. R.Rilinger haben mir dankenswerterweise Gelegenheit gegeben, Grundlinien des hier Dargelegten im Rahmen eines Kolloquiums in Bielefeld vorzutragen und zu diskutieren. Die Anfertigung der Dissertation hat die Studienstiftung des Deutschen Volkes materiell und ideell gefördert: Ihr sei für die Hilfe gedankt, die sie in der Zeit meines Studiums darstellte. Dr. David Trobisch (Mannheim-Heidelberg), sowie Cay S.Horstmann (San Jose) und Gunthard Müller (Reutlingen) haben die Anfertigung der Arbeit großzügig mit hard- und software unterstützt. Ohne den Laserdrucker von Bernhard Morys (Erlangen) wäre die Herstellung der Druckvorlage erheblich schwieriger gewesen. Allen Herausgebern der Reihe der
VI
Vorwort
Hypomnemata,
sowie dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht und Frau
Dr. G.Müller gebührt Dank für ihre Bemühungen um die Publikation der vorliegenden Schrift. Meine Eltern haben, wie in den Jahren zuvor, auch den Weg bis zum Abschluß der Dissertation mit ihrer Hilfe und Anteilnahme verfolgt, und ich bin ihnen dafür sehr dankbar. In ganz besonderem Maße danken möchte ich meiner Frau Antje, die das gesamte Druckmanuskript gelesen und alle Zumutungen getragen hat, mit denen der Autor seine Umwelt vor dessen Fertigstellung belastete. Alle hier dankend Erwähnten haben Erhebliches zur Erstellung dieser Schrift beigetragen.
Erlangen, August 1991
Burkhard Meißner
Inhalt Einleitung
1
I.
Herkunft und Ausbildung der Historiker
8
A.
Herkunft und Familienabstammung
8
1) Historiker aus königlichen Familien 2) Adlige Historiker 3) Historiker aus dem Dienstadel des Königs der Makedonen 4) Historiker aus Tyrannenfamilien 5) Den Führungsschichten der Poleis enstammende Historiker 6) Angebliche Sklaven 7) Technitenfamilien 8) Nachkommen von Sophisten 9) Historiker aus Philosophenfamilien 10) Historiker aus Literatenfamilien
8 9
21 48 54 58 62 68
B.
Die Ausbildung der Historiker
82
a)
Rhetorischer Unterricht und Bildung durch die Sophistik . 11) Kosten der Ausbildung 12) Schüler von Sophisten und Rhetoren 13) Schüler des Isokrates
82 82 84 93
b)
Philosophische Bildung der Historiker 14) Pythagoreer unter den Historikern 15) Schüler des Sokrates 16) Kyrenaiker 17) Schüler Piatons und der Akademie 18) Schüler des Aristoteles und des Peripatos 19) Stoiker 20) Epikureer 21) Demokriteer 22) Schüler kynischer Lehrer 23) Megarische Eristiker
102 102 104 107 108 112 122 125 127 128 131
c)
Sonstige Formen der Ausbildung 24) Bei Grammatikern ausgebildete Historiker 25) Historiker als Schüler von Historikern 26) Historiker ohne Ausbildung
134 134 136 137
27) Ergebnisse
142
11 13
VIII II.
Inhalt Berufe und Beschäftigungen der Historiker
150
A.
150
Historiker aus handwerklichen Spezialberufen 1) Technische Spezialisten als Historiker
B.
Historiker in Lehrberufen 2) 3) 4) 5) 6) 7)
C.
Homererklärer Primarlehrer Sophisten und Redelehrer Vortragsredner und Redenschreiber Philosophen Grammatiker, Dichter und Dichtergelehrte
150 153 153 154 156 169 172 186
Tätigkeiten, die keine Berufe im modernen Sinne darstellen 191 8) Geschichtsschreibung als Beruf? 9) Priester 10 Historiker, die für ihre Arbeit öffentlich geehrt werden
205
11) Ergebnisse
208
III. Politiker als Historiker: Über die politische Aktivität der Geschichtsschreiber 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19) 20)
215
Athen 215 Chios 253 Herakleia am Pontos 257 Lesbos 264 Kardia 268 Historiker aus Olynth 269 Lampsakos 271 Megara 275 Milet 277 Historiker von Byzanz 279 Stageira 281 Chersonesos 281 Elis 283 Der Historiker als Tyrann: Samos 285 Westgriechische Historiker: Leontinoi 287 Historiker und Tyrannis: Syrakus 288 Tauromenion . \ 299 Argos 301 Sparta: Auseinandersetzungen über die Monarchie . . 301 Monarchen als Historiker 305
21) Ergebnisse IV. Historiker im Kriegsdienst 1) 2) 3) 4)
191 194
Athenische Bürgersoldaten Spartanische Militärs Thessalische Militärs Militärs im Kampf um Syrakus
310 316 316 319 325 325
Inhalt 5) 6) 7) 8) 9)
Militärs in der Expeditionsarmee des Kyros Soldaten in den Heeren Philipps und Alexanders Soldaten im Dienst der Antigoniden Seleukidische Militärs Pyrrhos
IX 330 . . 331 346 350 353
10) Ergebnisse V.
358
Historiker am Hof des Herrschers
362
A.
362
Historiker in der Umgebung von Monarchen
1) Griechische Historiker am Hof des persischen Großkönigs 362 2) Historiker der Tyrannen von Syrakus 370 3) Historiker an den Höfen kleinerer Dynasten 375 4) Der Hof der Makedonenherrscher vor Alexander. . . 383 5) Alexander der Große 391 6) Kassander /. . . 443 7) Am Hof der Antigoniden 446 8) Seleukiden 459 9) Historiker im Dienst der Ptolemäer 466 10) Historiker bei Pyrrhos 476 B.
Historiker und Herrscher
478
11) Anlaß und Motive für den Gang an den Herrscherhof. 12) Über die Beziehungen zwischen Historiker und Herrscher 13) Prinzenerzieher 14) Widmungen an Herrscher 15) Höfling und Intrige 16) Historie als politische Propaganda 17) Über das Leben der Historiker am Hof 18) Über den Einfluß der Hofhistoriker 19) Die Hofhistoriker und das Ethos der Historiographie.
478 488 493 497 499 500 503 507 514
20) Ergebnisse
536
Zusammenfassung der Ergebnisse
548
Literatur
559 1) Abkürzungen 2) Literaturverzeichnis
559 559
1) Namen und Sachen 2) Griechische Termini
585 585 603
Register
Einleitung •Hitb «oit ime fein etn ínerefe ber graffen ¿Herr«, ale ^Reifer, fettig etr, bi ba jrer zeit ¿Historien tntt lileie lieffen idjreiliett unb auff bie ^übraregtoerfearetbeilegen, ^uclj firf¡ keiner feoete laffen bauren, so auff fclrlje ^Ceute, (σ tucf|iig bazu bereit, zuhalten unb zu erziehen gienge. Für Luther1 war es vertraute Praxis, daß ein Geschichtsschreiber im Dienste eines Herrschers steht und von ihm mit seiner literarischen Aufgabe beauftragt ist. Exemplarische Gültigkeit können für ihn die Historien der von Mächtigen beauftragten Geschichtsschreiber jedoch nur beanspruchen, wenn sich ihr Verfasser auch die Unabhängigkeit bewahrt, die Wahrheit zu schreiben. Im Spannungsfeld zwischen Dienstpflicht des Historikers und Wahrheitsanspruch der Historie sieht der Reformator den Historiker konfrontiert mit der Forderung nach Unabhängigkeit seines Urteils als einer ethischen Maxime . Die absolutistischen Herrscher Frankreichs boten prominenten Literaten die lukrative Stellung eines Geschichtsschreibers3. Der moderne Historiker ist dagegen in der Regel ein Wissenschaftler, beschäftigt an einer wissenschaftlichen Einrichtung. Die Erforschung der Vergangenheit wird in der Moderne als Wissenschaft betrieben. Der Zusammenhang dieser wissenschaftlichen Disziplin wird konstituiert durch die Menschheit als Gattungssubjekt: Man sieht sich eingebunden in einen unverfügbaren diachronischen Ereigniszusammenhang, zu dessen Deutung Ge-
Martin Luther, Vorrede zur deutschen Übersetzung des Geschichtswerkes über den Mailändischen Krieg (1521-1530) des Galeatius Capella, Werke, Kritische Gesamtausgabe, Weimar (1914) 50, 383-385, bes. 384. 2
Der Historiker habe (aaO. 385) "einfrefflirfjerJlmi" zu sein, "ber ein ^¡efoen Ijertz Ijabe, mterftljrarken bie fnarfyett zu ftljreiben".
3
Unter Ludwig XIII. seit 1635, dem Jahr der Gründung der Académie, Charles Sorel; Ludwig XIV. berief 1677 Boileau und Racine zu Geschichtsschreibern (vgl. Biographie universelle, 6-13; 497-518; 136-138; Engler, Lexikon, s.v.).
2
Einleitung
schichte erforscht wird. Zu dieser Erforschung bedarf es einer besonderen Schulung, des systematischen Studiums einer Spezialdisziplin, deren Regeln die Gültigkeit wissenschaftlich geschriebener Geschichte verbürgen 4 . Historisch ist der Historiker als Wissenschaftler jedoch eine Ausnahmeerscheinung. Der Geschichtsschreiber der griechischen Polis besaß eine rhetorische Schulung, keine wissenschaftliche Ausbildung. Die Geschichte gehörte nicht zur Domäne einer Fachwissenschaft, sondern fiel in die Zuständigkeit von Rhetorik und Politik. Ohne einen gleichsam schicksalhaften Ereigniskonnex vorauszusetzen, begründete die antike Historiographie ihre eigene Nützlichkeit damit, daß die Kenntnis der Geschichte die scheinbar schicksalhafte Welt der Praxis dem Eingriff des Handelns öffne 5 . Während Geschichte in der Moderne den Charakter der Objektivität angenommen hat, bezeichnet sie in der Antike ein mit Anspruch auf Geltung in der Praxis verfaßtes literarisches Werk. Während das Geschichtsbewußtsein in der Moderne Daseinsdeutung zu leisten hat, beansprucht es die Antike für die Daseinsbewältigung. Im Gegensatz zum modernen Begriff der
Zur Geschichte des Begriffes der Geschichte: Koselleck, in: ders., Vergangene Zukunft 38-66. Stierle, in: Koselleck u. Stempel (Hsgg.), Geschichte 347-375; Meier, in: dies., ebda. 251-305; Keuck, Historia; Seifert, in: Archiv für Begriffsgeschichte 21 (1977) 226-284. Grundlegend: Koselleck u. Meier u. Engels u. Günther, Geschichte, Historie, in: Brunner u. Conze u. Koselleck (Hsgg.), Grundbegriffe II, 593-717; Artikel in Ritter (Hsg.), Wörterbuch III: Hager (Geschichte, Historie, 344 f.); Scholtz (Geschichte, Historie, 345-398); Lübbe (Geschichten, 403 f.); Bartsch (Geschichte, Historie, 398 f.); von Renthe-Fink (Geschichtlichkeit, 404-408); Böhme (Geschichte der Natur, 399-401); Reichelt (Geschichtsauffassung, materialistische, 408-413); Hahn (Geschichte, pragmatische, 401 f.); Dierse u. Scholz (Geschichtsphilosophie, 416-439); Homann (Geschichtslosigkeit, 413-416); Rendtorf (Geschichtstheologie, 439-441); Bien, Geschichtszeichen, 441-443). 5
Meißner, in: Saeculum 37 (1986) 313-351. Vgl. Thuc. I 22, 4. Zur Schriftlichkeit der Vermittlung des Geschichtswerkes vgl. Polyb. III 57, 6-8; VI 2; X 26; XII 11; XIV 1 a; XXXVIII 5-6; Gentili u. Cerri, Discorso.
Einleitung
3
einen Geschichte als eines Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kausal überspannenden Ereigniszusammenhanges ist die Geschichte, die in der Antike zu praktischem Zweck erzählt wird, eine je einzelne6. In der Antike konnte Geschichte von jedem geschrieben werden, sofern er nur über literarische Bildung verfügte. Zu bestimmten Zwecken geschriebene Geschichten bestimmter Ereignisse wurden von Schriftsteilem ganz verschiedener Herkunft und Ausbildung verfaßt und konnten doch als Werke der Geschichtsschreibung angesehen und erfolgreich werden. Daher finden sich Autoren mit sehr unterschiedlicher Ausbildung unter den Historikern: Sophisten, Rhetoren, Philosophen, Militärs, brave Bürger ihrer Stadt, die deren Geschichte in Erfüllung einer so empfundenen Bürgerpflicht aufschrieben oder aufschreiben ließen. Auch die Zwecke des Geschichte Schreibens waren vielfältige: Geschichten wurden zu ganz disparaten Anlässen erzählt, das Erzählen gehörte zu den Formen der Geselligkeit. So ist zwar in der Antike wie in der Moderne das Erzählen oder Aufschreiben von Geschichte ein öffentliches Ereignis, in der Antike grenzt aber weder zeitlich noch methodisch der Begriff der "Historie" einen eigenen Gegenstandsbereich ab: Zwischen den Taten der Helden des Mythos und denen der Helden der Gegenwart war alles als Geschichte darstellbar. Geschichte konnte als Kriegsgeschichte geschrieben werden, als Geschichte der mythischen Beziehungen zwischen Städten, als Herrschergeschichte, Geschichte eines Stammes oder als Wiedergabe antiquarischer Lokalüberlieferungen. Die Autoren konnten im Exil die politische Lage von außen darstellen, der sie ihre Exilierung verdankten; Altertumskunde fand Eingang in den sophistischen Ausbildungsbetrieb; Geschichten wurden zur stilistischen Schulung im Unterricht gelesen. Voraussetzung dafür, daß Geschichte sein konnte, was erzählt wurde, war, daß das Erzählte wahr war, das heißt, eine besondere Gültigkeit für die besaß, denen die Erzählung galt
Die Geschichte ist in der Antike Aggregat, nicht systematischer Zusammenhang: Koselleck, aaO. Vgl. Diod. 1, 1, 1; 1, 3, 3. Im Gegensatz zur Antike ist in der Moderne die Zukunft in der Geschichte die Zukunft der Menschheit als Gesamtheit (vgl. Condorcet, Esquisse 193 ff.).
4
Einleitung
und vorgetragen wurde. Das, was die Gültigkeit des als Geschichte Erzählten fur den antiken Historiker aber ausmachte, konnte im Einzelnen ein ganz anderer Gesichtspunkt sein als der des historischen Realismus. Im Leben der griechischen Poleis konnte die Geschichtsschreibung eine ganz praktische Rolle spielen. Die eigene Vergangenheit, die Wohltaten der eigenen Polis anderen gegenüber und die Erzählung mythistorischer Beziehungen wurden zweckmäßig im zwischenstaatlichen Verkehr vorgebracht. Vornehme Bürger konnten, so wie sie auch die Lasten gewöhnlicher Leiturgien trugen, ihre Zeit und ihr Geld der Abfassung der lokalen Geschichte zum Nutzen aller Mitbürger widmen. Zum selben Zweck konnte man sich des Wissens eines wandernden Lehrers oder Wanderschriftstellers bedienen. Charakteristischerweise stammen die meisten bezeugten Beispiele eines solchen Umganges mit der Geschichte aus einer Zeit, als die machtpolitische Bedeutung der Poleis sich bereits im Niedergang befand: Die städtische Lebensform und die Existenz als freier Bürger wurden literarisch zu sichern versucht, als sich auch in den Poleis die fuhrenden und herrsehenden Kreise bereits auf die Höfe hin orientierten . Unter literarischen Gesichtspunkten ist die Zeit des vierten und dritten Jahrhunderts die "entscheidende Wende in der Geschichte der grieQ
chischen Historiographie" . Auch unter sozialgeschichtlichem Aspekt markiert die Entstehung der hellenistischen Höfe und der an ihnen verfaßten Geschichtsschreibung eine Zäsur: Während im Stadtstaat der klassischen Epoche Griechenlands die Geschichtsschreiber wohlhabende Bürger, Angehörige der Führungsschichten der griechischen Poleis waren, erschien, als sich am Ende der klassischen Epoche in der griechischen Welt Monarchien,
Vgl. Chaniotis, Historie. Gschnitzer, Geschichtsschreibung 247.
Einleitung
5
mit den Monarchien Höfe, und mit den Höfen eine neue herrschende Q
Gesellschaft (Habicht) bildeten, auch in Griechenland der Typus des Historikers, der bei Hofe lebte und im Dienste eines Herrschers stand. Die Unterschiede in der Position beider Literaten ließen sich nicht durch die Verpflichtung auf einen gemeinsamen Begriff von Wissenschaftlichkeit einebnen. Über die Gültigkeit ihres historiographischen Tuns entschieden stilistische Qualität und praktische Absicht. A priori ist zu vermuten, daß sich mit den Lebensumständen, in denen Historiker standen, auch die praktischen Absichten diversifizierten, die sie mit der literarischen Tätigkeit verbanden. Eine Beschreibung der Lebensumstände der Geschichtsschreiber kann daher über den Einblick in die soziale Position der Gebildeten und Intellektuellen in spätklassischer und frühhellenistischer Zeit und über die Wahrnehmung der so unterschiedlichen Funktionsgefüge der Poleis und Monarchien den Kontext erhellen, in dem die frühhellenistische Geschichtsschreibung entstand. Im Folgenden wird eine solche Beschreibung der Lebensumstände und gesellschaftlichen Stellung der Historiker in spätklassischer und frühhellenistischer Zeit versucht. Die Antike hat keine Definition des Geschichtsschreibers hinterlassen. Sie bezeichnete den Verfasser nichtfiktionaler Werke als ιστορικός, den Prosaschriftsteller als συγγραφεύς und den politischen Geschichtsschreiber als ιστοριογράφος 10 , ohne daß Konsistenz im Sprachgebrauch bestanden hätte. Daher verwendet auch die vorliegende Arbeit den Begriff des Historikers in einem sehr weiten Sinne, um einerseits die Ergebnisse nicht durch eine enge Festlegung des Gegenstandsbereiches zu präjudizieren, und um andererseits angesichts des fragmentarischen Charakters der Überlieferung die Möglichkeit des Vergleichs und des exemplarischen Vor-
in: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 45 (1958) 1-16. Vgl. Herman, in: Talanta 12/13 (1980/81) 103-149; LeBohec, in: REG 98 (1985) 93-124; L.Mooren, in: Olshausen (Hsg.), Antike Diplomatie, Darmstadt (1979) 256-290. 10
Aristoteles nennt ιστορικός den Verfasser nichtfiktionaler Werke (Arist. Poet. 1459 a 17-29). συγγραφεύς als Prosaschriftsteller: Plat., Phaedr. 235 c; 278 e; Gorg. 518 b; Legg. 858 c. ιστοριογράφος als politischer Geschichtsschreiber (Polyb. II 62, 2) ist seltener.
6
Einleitung
gehens zu bewahren. Als Historiker behandelt werden soll in dieser Arbeit, wer literarische Werke verfaßt hat, die sich auf einen ausgezeichneten Wirklichkeitsbezug verpflichten, also nichtfiktionalen Charakters sind, deren thematischer Schwerpunkt bei Schilderungen der Eigenarten des Zusammenlebens der Menschen, also im Bereich politisch-kultureller Phänomene, liegt, und die die zeitliche Dimension in der Darstellung zur Geltung bringen. In diesem Sinne ist etwa Aristoteles ein Historiker - denn er verfaßte ein chronographisches Werk und veranlaßte eine Sammlung von Verfassungsgeschichten -, während Zenon von Kition als Philosoph außerhalb der Betrachtung bleibt, obwohl er über die politische Ordnung schrieb, weil seine πολιτεία rein systematische Aspekte zur Geltung bringt, keine zeitlichen11. Chronologisch soll sich der Rahmen der Untersuchung von der Zeit nach dem Ende des Wirkens des Thukydides - also von Xenophon - bis zur Mitte des dritten Jahrhunderts erstrecken. Die alexandrinische Dichtung und Gelehrsamkeit soll dabei jedoch nicht behandelt werden - Kallimachos und Zenodotos bleiben weitgehend außerhalb der Betrachtung. Der Historiker Duris von Samos wird dagegen behandelt und markiert den zeitlichen Schlußpunkt der Untersuchung. Die Beschreibung der Lebensumstände der Historiker wird im einzelnen prosopographisch aufgebaut sein. Für eine statistische Auswertung der Nachrichten, die wenig zahlreich, dafür lückenhaft und durch anekdotische Stilisierungen oft verzerrt sind, fehlen jedoch die Voraussetzungen. Da Fülle und Zuverlässigkeit der Informationen über die einzelnen Historiker nicht gleichmäßig verteilt sind, bietet es sich dagegen an, die Nachrichten über die Literaten auf das hin auszubreiten, was an ihnen exemplarisch ist. Diesem Vorgehen ist eine systematische Ordnung vorgegeben durch die Gliederung eines individuellen Lebens: Begonnen wird mit der Darstellung der Herkunft (I A) und Ausbildung (I B) der Historiker. Der Beruf, das Metier, das sie ausübten, und die Bedingungen, unter denen das geschah, schließen sich an (II). Zur Sprache kommen soll dann die politi-
11 Vgl. K.v.Fritz, RE 10 A 83-121 s.v. Zenon (2), bes. 88 ff.; SVF I 222; I 262-264; I 259; I 267-269.
Einleitung
7
sehe Aktivität von Historikern, ihre Betätigung als Bürger ihrer Poleis (III). In die ausgedehnten Kriege der spätklassischen und frühhellenistischen Zeit zogen viele Griechen als Soldaten oder Söldner, die, oft nach dem Rückzug vom aktiven Dienst, die Geschichte der von ihnen miterlebten Zeit als Historiker beschrieben (IV). Der Beschreibung der Lebensverhältnisse von Hofhistorikern wird in einem besonderen Kapitel Raum gegeben (V). Die Position der Freunde an den Höfen wurde in der griechischen Öffentlichkeit und in der Literatur widersprüchlich dargestellt: Ihre Beziehung zum Herrscher erscheint einerseits in inschriftlichen Ehrungen und Erwähnungen als bloßer Aufenthalt am Hof; werden sie in der zeitgenössischen Historiographie als Dienstleute ihrer Herrscher und somit als 12
Mitglieder der neuen "herrschenden Gesellschaft" bezeichnet . Diese Ambivalenz der Quellenaussagen sucht die vorliegende Arbeit durch eine entsprechende Gliederung zu berücksichtigen. Die im Einzelnen prosopographische Anlage der Arbeit bringt es mit sich, daß einerseits der Zusammenhang der Darstellung innerhalb der einzelnen Abschnitte oft durchbrochen wird, und daß andererseits, abhängig von der jeweiligen Überlieferung, sehr heterogene Einzelheiten ausgebreitet werden müssen. Die Prüfung und Beurteilung der Überlieferung wird in den einzelnen Abschnitten breiteren Raum einnehmen, als es einer kontinuierlichen Lektüre des Textes gut täte. Um den sachlichen Zusammenhang der Untersuchung deutlich werden zu lassen, folgt daher jedem einzelnen Kapitel eine gesonderte Darstellung der in ihm gewonnenen Ergebnisse. Um eine Übersicht über die vorliegende Untersuchung zu gewinnen, empfiehlt sich daher eine zusammenhängende Lektüre dieser Abschnitte, sowie der Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit am Ende. Die prosopographischen Details erschließen sich dagegen am einfachsten über das Register.
Dahinter steht eine objektive Schwierigkeit der Einordnung dieser Männer, vgl. Herman, in: Talanta 12/13 (1980/81) 103-149; Habicht, in: Vierteljahrsschr. f. Sozial- und Wirtschaftsgesch. 45 (1958) 1-16.
I. Herkunft und Ausbildung der Historiker A . HERKUNFT UND FAMILIENABSTAMMUNG Antike Geschichtsschreiber entstammen in der Regel den führenden Schichten der Gesellschaft, für die sie schreiben. Im folgenden soll die soziale und familiäre Herkunft der griechischen Historiker der nachthukydideischen Zeit dargestellt werden, um zu erkennen, welchen Kreisen sie entstammten und ob sich ihre Herkunft in dieser Zeit verändert hat. 1)
Historiker aus königlichen Familien Zwei Abkömmlinge königlicher Familien, selbst Herrscher, sind als
historische
Literaten
hervorgetreten,
nicht jedoch
eigentlich
als
Ge-
schichtsschreiber: Pausanias, Agiade von Sparta, und Pyrrhos von Epirus. Der aus Sparta vertriebene Pausanias verfaßte im Exil eine politische Kampfschrift gegen die lykurgische Ordnung des Staates (FGrHist. 582)'. Von Pyrrhos' Υπομνήματα, die nur einmal von dem Historiker Proxenos zitiert werden, ist nicht bekannt, ob sie wirklich ein literarisches Werk des Königs darstellten (FGrHist. 229). Pyrrhos war entfernt verwandt mit Olympias, der Frau Philipps II. von Makedonien. Pyrrhos' Vater Aiakides wurde mit Kassanders Hilfe als König der Molosser abgesetzt, als er versuchte, durch ein Ausnützen der Verwandtschaftsbeziehungen seine Einflußmöglichkeiten in Makedonien zu kräftigen. Der mit einer Tochter aus dem Aiakidenhaus verheiratete Illyrerkönig Glaukias nahm Pyrrhos nach dem Sturz des Vaters auf, erzog ihn, adoptierte ihn und beförderte seine Rückkehr auf den väterlichen Thron . Im allgemeinen war die Herrschaft derjenigen Könige, die als politische Literaten aktiv waren, umstritten; sie dürften also an einer literarischen Propagierung ihres Standpunktes interessiert gewesen sein.
' 2
Thuc. III 26, 2; Diod. 13, 75, 1.
Plut., Pyrrh. 2, 1-5; 3, 5; lustin. XVII 3, 16-22: Diod. 19, 67, 56. Vgl. D.Kienast, RE 2 4 , 1 , 1 0 8 - 1 6 5 s.v. Pyrrhos (13), bes. 112-116; Franke, Alt-Epirus 55-78; Leveque, Pyrrhos pass.
Herkunft und Ausbildung der Historiker 2)
9
Adlige Historiker Als adlig sollen diejenigen Geschichtsschreiber gelten, die von Fa-
milien abstammen, die besondere Rechte, vor allem Herrschaftsrechte, besaßen, oder die eine führende Rolle begründeten, indem sie ihre Abstammung auf Heroen als Ahnen zurückführten. Zu dieser Gruppe gehört aus Thessalien Medeios von Larisa, möglicherweise auch sein Landsmann Polykleitos 3 . Medeios war έτοάρος Alexanders und Trierarch der Stromflotte, also nicht ohne erhebliche Geldmittel. In der Diadochenzeit wirkte er als Seeoffizier; sein Großvater Medeios war Dynast von Larisa aus dem Geschlecht der Aleuaden, der 394 v.Chr. seine Macht verloren hatte. Ein Nachkomme gleichen Namens hat vielleicht in antigonidischem Dienst gestanden; Medeios hat nach dem Tode Alexanders militärisch zunächst für Perdikkas, dann für Antigonos gearbeitet. Geschrieben hat Medeios möglicherweise über den von ihm miterlebten Feldzug Alexanders; zitiert aber wird sein Werk nur in mythographischem Zusammenhang: Medeios leitete die Armenier genealogisch von den Thessalem ab 4 . Ein nichtadliger Angehöriger der po-
Polykleitos von Larisa: nach der eusebischen Chronik Großvater mütterlicherseits des Antigonos Doson (Euseb. Armen., Chron. p. 115, 8 Karst = FGrHist. 128 Τ 1: Poliklites)', möglicherweise identisch mit einem ohne Ethnikon genannten Seeoffizier des Ptolemaios; wahrscheinlich aus einer führenden thessalischen Familie, da später gleichnamige Thessaler erwähnt sind; vgl. Diod. 19, 62, 4-5; 19, 64, 4-8; Jacoby, FGrHist. II D 440. 4
Diod. 14, 82, 5-6; Arist., Hist. anim. 9, 31 p. 618 b 14 (oi Μηδίου ξένοι έν Φαρσάλωι); Strab. XI 12-14 = FGrHist. 128 F 1. Dazu Jacoby, FGrHist. II D 442; Geyen RE 15 1 103 f.; Berve, Alexanderreich II 261 f.; über die φίλοι und εταίροι, die Umgebung des Königs, zu der mit dem Lynkesten Alexandras und dem Aiakiden Neoptolemos zwei weitere fürstliche Personen gehören: ders., ebda. I 30-35; zu den Verwandtschaftsverhältnissen anders Beloch, Gr. G. IV 1, 207 Anm. 2. Medeios ist Kommandeur der athenischen und phoinikischen Schiffe in der Schlacht vor Salamis 307 v.Chr.; er wird in Athen 303/302 v.Chr. geehrt, weil er am Kampf des Antigonos um die "Befreiung" Griechenlands teilnahm (Syll. 3 342; SEG 21 (1965), 338). Vgl. zum gleichnamigen Großvater des Medeios Diod. 14, 82, 5-6. Dazu Sordi, ^ega Tessala 151-155. Die Nennung eines Medeios im SC de Narthacio (Syll. 674, 27) kann sich auf den älteren oder den alexanderzeitlichen Medeios beziehen (vgl. Sordi, aaO: 155 Anm. 1). Namensform in den Inschriften: Μηδειος, bei den Schriftstellern: Μήδιος. Medeios als einer der φίλοι: Diod. 17, 117, 1. Medeios als vertrautester der έταϊροι:
Herkunft und Ausbildung der Historiker
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litischen Führungsschicht Thessaliens war wahrscheinlich Philokrates, Autor von Θετταλικά, da in späterer Zeit gleichnamige thessalische Strategen bezeugt sind5. In nur wenigen anderen, noch dazu unsicheren, Fällen lassen sich Historiker dem Adel zurechnen. So bezeichnete sich der Korinther Eumelos in seinem historischen Epos als Bakchiade; bereits Pausanias hegte diesen Angaben gegenüber, die der Prosafassung des Werkes wohl nur ihre Autorität verleihen sollten, Skepsis6. Nicht sicher ist auch die adlige Herkunft des Ptolemaios Lagu. Über seine Mutter Arsinoe, eine Urenkelin des Königs Amyntas I., führte sich der spätere König auf Herakles zurück, also auf einen Zweig der königlichen Argeaden. Der Vater jedoch stammte nicht aus einer fürstlichen Familie, wie eine Anekdote voraussetzt, die Ptolemaios peinlich berührt zeigt bei der Frage nach seinem Großvater. Wahrscheinlich ist, daß Ptolemaios, wie andere Söhne des makedonischen Adels, zusammen mit dem Kronprinzen Alexander am Hof Philipps II. erzogen wurde . Ebenfalls nicht gesichert ist die adlige Herkunft des Makedonen Krateros, der athenische ψηφίσματα zusammengetragen hat, denn für die
Arrian., Anab. VII 24, 4. Medeios als του περί Αλέξανδρον χοροΰ των κολάκων οίον εξαρχος και σοφιστής κορυφαίος: Plut., Quom. adul. 24 p. 65 C-D = FGrHist. 129 Τ 5. Vgl. Pearson, Lost Histories 68-70. Zur Karriere nach Alexanders Tod Geyer, RE 15 1 103 f. s.v. Medeios. 5
Vgl. Athen. 6, 85 p. 264 A = FGrHist. 601 F 2. Dazu Jacoby, FGrHist. III b 676 mit Anm. 3. Strategen des Namens Φιλοκράτης: Kramolisch, Strategen 60 (2. Jahrhundert); 89 (vor 80). 6 Pausan. 2, 1, 1 = FGrHist. Jacoby, FGrHist. III b 297 mit s.v. Eumelos (12). Clem. Alex., Eumelos nach der Prosafassung η
451 Τ 2. Vgl. auch Pausan. 4, 4, 1. Dazu Anm. 4-6; Bethe, RE 6 1 (1907) 1080 f. Strom. 6, 26, 7 = FGrHist. 451 Τ 1 zählt des Epos zu den ιστοριογράφοι. t
Herkunft aus der Eordaia: Arrian., Ind. 18, 5; aus der Orestis: Steph. Byz. s.v. όρεστία. Vgl. Plut., De cohib. ira 9 p. 458 Α-B; De nobil. 19 p. 266; OGIS 54, 4 f.; Pausan. I 6, 2; Curt. IX 8, 22; Suda s.v. Λόγος; lustin. XII 4, 10 (Ptolemaios e gregario milite virtutis causa befördert); Arrian., Anab. III 6, 5-6 (Ptolemaios bereits unter der Herrschaft Philipps im Kreis um Alexander, dessen Angehörige Makedonien 337/336 v.Chr. verlassen mußten). Dazu Berve, Alexanderreich II 329 f.; G.Wirth, RE 23 2 1603-1645; 2467-2484 s.v. Ptolemaios (18), bes. 1603 f.; Jacoby, FGrHist. II D 498-500. Vgl. Seibert, Diadochen 222 ff.
Herkunft und Ausbildung der Historiker
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vermutete Identität des Krateros mit dem gleichnamigen Sohn des Krateros und der Phila, einem Halbbruder des Antigonos Gonatas, gibt es keinen wirklichen Beleg 8 . Unwahrscheinlich ist, daß Marsyas von Pella aus einer adligen Familie Makedoniens stammte. Marsyas heißt "Bruder" des Antigonos Monophthalmos, in dessen militärischem Dienst er stand: Möglicherweise geht diese Bezeichnung auf eine Form der Anrede des Herrschers gegenüber dem besonders Vertrauten zurück, nicht auf familiäre Verwandtschaft, da g
sich die überlieferten Vatersnamen unterscheiden . 3)
Historiker aus dem Dienstadel des Königs der Makedonen Zum Dienstadel des Königs der Makedonen kann man die Angehörigen
derjenigen Familien rechnen, die durch den König auf erobertem Land als Lehensleute angesiedelt wurden. Angehörige dieses Kreises wurden beim Vormarsch des Heeres Alexanders am Hydaspes als Trierarchen zu finanziel-
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Vgl. Plut., Aristeid. 26, 1-4 = FGrHist. 342 Τ 2. Weihinschrift und Bronzegruppe: F.d.D III 4, 137; Plin., Ν. H. 34, 64; Plut., Alex. 40, 5. Zu Niebuhrs Gleichsetzung des Sammlers der Psephismata mit dem Halbbruder des Antigonos Gonatas: Jacoby u. Schoch, RE 22 2 (1922) 1617-1622 s.v. Krateros (1); Jacoby, FGrHist. III b 94 f.; Mazzarino, Pensiero I, 449; 451; Chambers, Rev. of F.Jacoby, FGrHist. III b Comment., Cl. Philol. 52 (1957) 130-132; Wehrli, in: Historia 13 (1964) 140-146; Schachermeyr, in: JOeAI 46 (1961) 158-175 gegen Habicht, in: Hermes 89 (1961) 1-35. Habichts Ansicht nach datiert Phlegons Zeugnis für die literarische Betätigung eines Krateros (Phlegon, Mirab. 32 = FGrHist. 342 Τ 4) weder den Autor der Ψηφίσματα, noch macht sie seine Identität mit dem Sohn der Phila wahrscheinlich. Habicht wendet sich gegen die Annahme einer peripatetischen Inspiration der Sammlung der Ψηφίσματα. Zur Problematik des Phlegonzitates vgl. Jacoby, aaO. mit Anm. 18 u. 19. 9
Wahrscheinlich seiner Αλεξάνδρου αγωγή wegen heißt Marsyas γραμματοδιδάσκαλος; σύντροφος Alexanders wird er deswegen oder als Altersgenosse genannt: Marsyas kann zum Kreis um Alexander gehört haben, dem auch Nearchos und Ptolemaios angehörten. Vgl. Suda s.v. Μαρσύας Περιάνδρου Πελλαϊος = FGrHist. 135-136 Τ 1; Plut., Reg. et imper, apophtheg. p. 182 C § 9; Diod. 20, 50, 4 = FGrHist. 135-136 Τ 3; Wirth, Proteas 3. Marsyas war wahrscheinlich erheblich jünger als Antigonos (Berve, Alexanderreich II, 247 f.; 70 hält Marsyas für einen Mitschüler Alexanders bei Aristoteles). Vgl. Jacoby, FGrHist. II D 480-482 (verneint Zusammenhang der Nachricht, Marsyas sei γραμματοδιδάσκαλος gewesen, mit der Αλεξάνδρου αγωγή, die Berve annimmt); Pearson, Lost Histories 253 f.; Heckel, in: Hermes 108 (1980) 444-462; s.S.449.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
len Leistungen herangezogen. Neben Makedonen waren Griechen wie Eumenes oder Nearchos von Kreta, der in Amphipolis einen οίκος besaß, als Geldgeber verpflichtet. Der Kreter Nearchos wird in der Liste der Trierarchen, anders als Eumenes, als Makedone geführt, nicht als einer der Hellenen. Er kam seiner Verpflichtung zur Ausrüstung eines der Schiffe aus anderem Grund nach als Eumenes - dieser akzeptierte seine Verpflichtung zu einer finanziellen Kontribution nicht unwidersprochen. Nach dem Ende der eigentlichen Trierarchenliste erscheint bei der Nennung des Kommandeurs der Flotte der wahrscheinliche Grund für seine Einreihung unter die "Makedonen": Nearchos siedelte im eroberten Amphipolis. Vielleicht besaß bereits sein Vater unter Philipp II. dort Land 10 . Ähnlich wird es sich mit dem Periplographen Androsthenes von Thasos verhalten haben, der ebenfalls unter den Amphipoliten aufgeführt ist". Möglicherweise gehörte auch Antipatros, Sohn des Iolaos, der bereits unter Philipp Militär und Diplomat war, zum Dienstadel. Er besaß als Reichsverweser in Alexanders Abwesenheit eine besondere Stellung; sein Sohn Iolaos war
I Arrian., Ind. 18, 4, 1-10, bes. § 10: TO γένος μέν Κρής ό^ Νέαρχος, ωκει δέ έν Αμφιπόλει τη έπί Στρυμόνι; § 4: έκ δέ Αμφιπόλεως ήγον οίδε^ Νέαρχος Ανδροτίμου, δς τα άμφί τώ παράπλω ανέγραψε. Zu Nearchos Syll. 266 = FGrHist. 133 Τ 2; Arrian.,' Anab. III 6, 5-6 = FGrHist. 133 Τ 4; Diod. 19, 69, 1 = FGrHist. 13 c); Polyaen., S trateg. V 35. Steph. Byz. s.v. Λητη πόλις Μακεδονίας = FGrHist. 133 Τ 3 nennt Nearchos Ληταΐος, was für Verwechslung mit Lato auf Kreta gehalten wird (Jacoby, FGrHist. II D 446 f.; Berve, Alexanderreich II 269 ff.); Capelle, RE 16 2 2132-2154 s.v. Nearchos, bes. 2132 f. Über die durch Philipp II. an seine έταΐροι abgetretenen Rechte an Land im Gebiet von Amphipolis vgl. Hampl, König 22-28. Theopomp über den Landbesitz der etwa 800 εταίροι: Athen. IV 62 p. 166 F-167 C = FGrHist. 115 F 224; VI 77 p. 260 D = FGrHist. 115 F 225 b); Polyb. VIII 11, 5-13 = FGrHist. 115 F 225 a). Auf Königsland angesiedelten Reiter mußten ihre Söhne als Pagen zu Erziehung und Dienstleistung an den Hof schicken. Zur Pagenerziehung N.G.L.Hammond, in: Historia 39 (1990) 261-290. Über die rechtliche Stellung von Amphipolis Gschnitzer, Abhängige Orte 169 f. mit Anm. 20. II
Arrian., Ind. 18, 4, 1 = FGrHist. 711 Τ 1; Marcian., Epit. Peripl. Menipp. 2 = FGrHist. 711 Τ 4. Über die Funktion der Trierarchie vgl. Berve, aaO. I 165 f.; Jacoby, aaO. II D 470 f. Vgl. S. 408.
Herkunft und Ausbildung der Historiker
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Alexanders Mundschenk. Die Verheiratung seiner Töchter mit Alexander dem Lynkesten, mit Krateros, Perdikkas und Ptolemaios unterstreicht diese Schlüsselstellung 12 . 4)
Historiker aus Tyrannenfamilien Zu den Angehörigen dieser Gruppe rechnen diejenigen Historiker, de-
ren Familien über ihre Heimatgemeinde eine Herrschaft ausübten, deren Rechtmäßigkeit in der Überlieferung bestritten wird. Timaios von Tauromenion stammt aus der Familie eines sizilischen Potentaten. Sein Vater Andromachos war Neugründer Tauromenions 358/357 v.Chr. und seitdem Herrscher der Stadt, einer Siedlung aus Bürgern des von Dionysios II. zerstörten Naxos; vor ihrer Gründung hatte sich Andromachos mit Dionysios verständigen können. Da Timaios Tauromenite genannt wird, dürfte er nach dieser Zeit geboren sein. Obwohl Andromachos* Position in seinem Gemeinwesen derjenigen zeitgenössischer sizilischer Stadttyrannen ähnlich war, entlastet die von Timaios selbst wesentlich bestimmte Tradition ihn vom Vorwurf, Tyrann gewesen zu sein. Der reiche Andromachos gilt als Gegner der prokarthagischen Tyrannen Siziliens und Inhaber einer legitimen und rechtmäßigen Herrschaft. 345 v.Chr. unterstützte Andromachos Timoleon, der daraufhin die μοναρχία des Andromachos bestehen ließ; Timoleon einte als διαλλακτής die Griechen Siziliens gegen Karthago und die von Karthago gestützten Stadttyrannen, und er sandte Di-
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Vgl. Arrian., Anab. VII 27, 2 = FGrHist. 129 Τ 4; Suda s.v. Αντίπατρος = FGrHist. 114 Τ 1; Berve, aaO. II 46-51; Kaerst, RE 1 2 25012509. Der Historiker Aristobulos von Kassandreia gehört nicht zum Dienstadel der Makedonenherrscher; er heißt Κασσανδρευς (Plut., Demosth. 32 6 = FGrHist. 139 Τ 2; [Lukian.], Makrob. 22 = FGrHist. 139 Τ 3; Athen. II 19 p. 43 D = FGrHist. 139 F 6; VI 57 p. 251 A = FGrHist. 139 F 47) und trägt den Namen seines Vaters (Arrian., Anab. VI 22, 2 = FGrHist. 139 Τ 1; VI 28, 2-4 = FGrHist. F 50; pro. 1-2 = FGrHist. Τ 6), ist also nicht identisch mit dem Phoker, der in Kassandreia siedelte (F.d.D III 3 pp. 165 ff. Nr. 207: Δελφοί έδωκαν Σοφοκλεΐ Αριστοβούλου Φωκεΐ έν Κασ[σ]ανδρείαι οίκοΰντι ... προξενίαν).
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Herkunft und Ausbildung der Historiker 13
onysios ins Exil nach Korinth . Seine literarische Bildung soll Timaios in Athen durch den Isokrateer Philiskos von Milet erhalten haben. Ob er bereits vor der Zeit des Agathokles, in der sein Aufenthalt auf Sizilien unmöglich wurde, in Athen war, oder ob er aus Sizilien vertrieben wurde, ist nicht bekannt. Die Überlieferung über Philiskos ist, wie die über viele angebliche Schüler des Isokrates, nicht ohne Probleme: Philiskos soll auch Lehrer des Neanthes von Kyzikos gewesen sein, der als Verfasser einer Geschichte des Attalos jedoch in eine viel spätere Zeit gehört. Man nimmt daher gewöhnlich die Existenz zweier kyzikenischer Schriftsteller des Namens Neanthes an. Allerdings ist es denkbar, daß die Nachrichten über die Ausbildung des Timaios sich nur einer literargeschichtlichen Konstruktion verdanken, denn der Schriftsteller Philiskos erklärte es in seinem Βίος Λυκούργου zur notwendigen Voraussetzung der Größe des Politikers Lykurg, daß dieser Piaton gehört habe. Timaios allerdings griff Piaton literarisch an. Darüberhinaus reihte der Attizismus Timaios unter die schlechten Nachahmer des Isokrates ein, sodaß der Antiplatoniker als Isokrateer erscheinen mochte14.
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Vgl. Suda s.v. Τίμαιος = FGrHist. 566 Τ 1; Diod. 16, 7, 1 = FGrHist. 566 Τ 3 a); Diod. 16, 68, 1-11; Plut., Timol. 10, 6 = FGrHist. 566 Τ 3 b); Marcellin., Vit. Thucyd. 27 = FGrHist. 566 Τ 13; Diod. 21, 16, 5 = FGrHist. 566 F 123 a). Vgl. auch Brown, Timaeus 1-20, bes. 3 (über die zwei Versionen Diodors zur Namensgebung Tauromenions durch Sikeler bzw. Andromachos); Meyer, G.dA. V, 497 f. (setzt Verständigung des Andromachos mit Dionysios voraus und vermutet Einfluß der platonischen Staatsphilosophie); Berve, Tyrannis 267-269; 277; 280 f. (Andromachos habe für Dion Partei genommen); Jacoby, FGrHist. ΙΠ b 530-534; Pearson, West 37. Münzen: Leschhorn, Gründer 363. 14
Suda s.v. Τίμαιος = FGrHist. 566 Τ 1: ... Φιλίσκου μαθητής του Μιλησίου ... (Da die vorausgehende Nachricht über Timaios' Spitznamen έπιτίμαιος sich nach dieser Notiz über den Lehrer fortsetzt, wirkt die Notiz wie ein Einschub in die Vita). Vgl. Olympiod., In Plat. Gorg. 515 C p. 198, 2 Norvin = FGrHist. 337 bis (1) (III b p. 757). Platontadel: Plut., Nikias 2 = FGrHist. 566 Τ 18; Diog. Laert. VIII 54 = FGrHist. 566 F 14. Timaios als Isokrateer: Dion Hal., De Din. 8 = FGrHist. 566 Τ 22. Über Philiskos und die Probleme der Ausbildung des Timaios: Brown, Timaeus 5-9; Jacoby, FGrHist. III b 531. Vgl. Suda s.v. Νεάνθης = FGrHist. 80 Τ 1 a).
Herkunft und Ausbildung der Historiker
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Als Anlaß seines Exils und als Ursache dafür, daß eine Rückkehr des Timaios nach Sizilien nicht möglich war, hat der Historiker, der 50 Jahre in Athen als ξένος lebte und Geschichte schrieb, die Herrschaft des Agathokles genannt und verurteilt 1 '. Da Timaios dabei auf das Exil als eine abgeschlossene Epoche zurückblickte, ist es nicht unwahrscheinlich, daß er in die Heimat zurückkehren konnte (K.Meister) 16 . Ähnlich Timaios, war auch Duris Sohn eines Tyrannen seiner Heimat, des Kaios von Samos. Kaios wiederum war Sohn eines Duris und als Jugendlicher Olympiasieger im Faustkampf: Wegen der Namensgleichheit zum Großvater war Duris wahrscheinlich älter als sein Bruder Lynkeus, mit dem er zusammen den Unterricht Theophrasts genossen hat. Duris, im Gegensatz zu Timaios selbst Tyrann, wird dem Vater in seiner Position gefolgt sein. Duris führte die Abstammung seiner Familie auf Alkibiades zurück, von dem
13 Diod. 21, 17, 1 = FGrHist. 566 Τ 4 a) = FGrHist. 566 F 124 d); Polyb. XII 25 h, 1 = FGrHist. 566 Τ 4 b) = FGrHist. 566 F 34; XII 28, 6 = FGrHist. 566 Τ 5 c); Plut., De exil. 14 p. 605 C = FGrHist. 566 Τ 4 d). Die Invektiven gegen Agathokles vgl.: Polyb. VIII 12, 12 = FGrHist. 566 F 124 a); XII 15 = FGrHist. 566 F 124 b); XV 35, 2 = FGrHist. 566 F 124 c). Timaios' Polemik gegen Philistos als protyrannischen Historiker: Plut., Dion 36 = FGrHist. 556 Τ 23 a); dazu Brown, aaO. 16 f. 16
K.Meister, in: Kokalos 16 (1970) 53-59 [Exilierung - 3 1 6 / 3 1 5 v.Chr.; Rückkehr - 265 v.Chr], Vgl. Diod. 21, 17, 3 = FGrHist. 566 Τ 8; Polyb. XII 4 b-4 c = FGrHist. 566 Τ 19 (4 b c) = FGrHist. 566 F 36. Eine Rückkehr nehmen ebenfalls an: Brown, Timaeus 5 f.; R.Laqueur, RE 11 (1936) 1075-1203 s.v. Timaios, bes. 1077 f. (Mögliche Anlässe des Exils: Erringung der Herrschaft in Syrakus durch Agathokles 317 v.Chr. [Diod. 19, 8]; Unterwerfung der sizilischen Städte durch Agathokles 314 v.Chr. [Diod. 19, 72]; Vorgehen gegen die innere Opposition in Syrakus während der Expedition nach Afrika [Diod. 20, 4 ff.]). Skeptisch gegenüber den biographischen Nachrichten über Timaios: Jacoby, FGrHist. III b 530-534 mit Anm. 62. Nach [Lukian.], Makrob. 22 = FGrHist. 566 Τ 5 wurde Timaios 96 Jahre alt. Er erlebte den Ausbruch des ersten Punischen Krieges (Dion. Hal., A. R. I 74, 1 = FGrHist. 566 F 60; Polyb. I 5, 1 = FGrHist. 566 Τ 6 a) [beabsichtigter oder tatsächlicher Endpunkt des Werkes 264/263 v.Chr.]); vgl. Jacoby, aaO. 538 f.; Laqueur, aaO. 1077. Wovon Timaios während der Zeit seines Exils lebte, ist nicht bekannt (vgl. Pearson, West 37 ff.).
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
tatsächlich verschiedentliche amouröse Affaren berichtet werden, und der als Stratege der Demokraten der athenischen Flotte 411 v.Chr. von Samos aus operierte . Ein anderer jüngerer Bruder des Duris, Lysagoras, beantragte zu Ende des vierten Jahrhunderts einen samischen Volksbeschluß zur Ehrung eines Epoinides von Herakleia, der exilierten Samiem in der Zeit ihres Aufenthaltes im Ausland geholfen hatte. Vergleichbare samische Ehrendekrete machen es wahrscheinlich, daß es sich bei Herakleia um das sizilische Herakleia handelt, Duris' Familie also dort ihr Exil verbracht hat. Vertrieben wurde ein wesentlicher Teil der samischen Bürgerschaft, als die Athener nach der Eroberung von Samos durch Timotheos 365/364 dort eine attische Kleruchie etablierten. Als die Familie des Kaios damals wahrscheinlich Samos verließ, war Kaios noch jung, denn er gewann seinen Olympiasieg im Boxwettbewerb der Jugendlichen bereits als Exulant; Duris selbst ist wahrscheinlich im Exil geboren worden. Daß die Exulanten 322/321 v.Chr. nach Samos zurückkehren konnten, verdankten sie der Durchsetzung des Dekretes Alexanders über die Rückführung der Verbannten durch Perdikkas. Duris' Vater Kaios dürfte in dieser Zeit des Umbruches unter Samiern, namentlich den Exulanten, eine prominente Rolle gespielt haben und die rechtliche und politische Wiederversöhnung der Samier wesentlich mit bewirkt haben 18 .
Duris' Bruder Lynkeus schrieb Über Menander, Απομνημονεύματα, Αποφθέγματα und eine Komödie; Athen. IV 1 p. 128 A = FGrHist. 76 Τ 1; VIII 18 p. 337 D - FGrHist. 76 Τ 2; Pausan. VI 13, 5 = FGrHist. 76 Τ 4. Gegen E.Schwartz, RE 5 2 1853-1856 s.v. Duris, bes. 1853, ist am durch Pausanias überlieferten Namen des Vaters (Καΐος) festzuhalten: Barron, in: Classical Review N.S. 12 (1962) 189-192; Kebric, Duris 2 ff.; Okin, Duris (1974) 30 f.; Habicht, in: Athener Mitteilungen 72 (1957/1959) 152274, bes. 154-169. Im Prooimion der Μακεδόνικα polemisierte Duris gegen die darstellerische Unzulänglichkeit der Historien von Ephoros und Theopomp (Phot., Bibl. 176 p. 121 a 41 = FGrHist. 76 F 1). Über Lynkeus vgl. A.Körte, RE 13 2 (1927) 2472 f. s.v. Lynkeus (6). Alkibiades: Plut., Alkib. 32 = FGrHist. 76 Τ 3; Thuk. VIII 86. Dazu Kebric, aaO. 2 f.; Okin, aaO. 6-15; Seibert, Diadochen 9. 18
Der Name des Antragstellers des Volksbeschlusses Λυσαγό|ρας Καίο[υ] [Habicht, in: Athener Mitteilungen 72 (1957/1959) 152-274, bes. 190-192 Nr. 23] belegt den Vatersnamen Καίος statt Σκαϊος (Barron, aaO. gegen Ha-
Herkunft und Ausbildung der Historiker Die Bankettbriefe
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von Duris' Bruder Lynkeus belegen, daß die Brüder
sich während ihrer Studien in Athen in prominenter Gesellschaft bewegten. Lynkeus erwähnt ein Fest Ptolemaios' und berichtet von einem athenischen Fest, gegeben von Lamia, der ehemaligen Geliebten des Demetrios von Phaleron, an dem er und Duris als Studenten teilgenommen haben; er erzählte auch von einem Bankett, das Antigonos zu Ehren Aphrodites in Athen veranstaltete. Lynkeus selbst war erfolgreich als Komiker und pflegte Beziehungen zu Menander 19 . Die Brüder studierten im Peripatos unter Theophrast; ihre Familie war also nicht unvermögend, da sie sich diesen Studienaufenthalt leisten konnten. Kebric und Okin haben die Zeugnisse über Bankettbesuche des Lynkeus benutzt, um Duris' Aufenthalt in Athen zu datieren. Kebric datiert diesen Aufenthalt auf die Zeit nach 307 v.Chr., dem Jahr des Endes der Herrschaft Demetrios von Phalerons über Athen, weil bis kurz vor 307 v.Chr. athenisch-samische Gegensätze bestanden; außerdem verrieten die Gelegenheitswerke des Lynkeus eine gewisse Nähe zu den Antigoniden, und Duris zeichne von Demetrios von Phaleron ein wenig günstiges Bild. Gerade wegen dieser genauen, persönliche Kenntnisse verratenden Schilderung, vermutet Okin, die Studienzeit falle in Demetrios' Regierungszeit. Da Lynkeus das Fest der Lamia unmittelbar vor der Schlacht von Ipsos gewesen sein läßt, ist tatsächlich eher an die Zeit nach 307 v.Chr. zu denken 20 .
bicht). These des Exils in Sizilien: R.B.Kebric, aaO. 3 f.; ders., Duris of Samos: Early Ties with Sicily, AJA 79 (1957) 89. Zur Teilnahme von Exulanten an den Olympischen Spielen, zum Verbanntenrückführungsdekret Alexanders und zur Opposition der Athener gegen das Dekret wegen der Kleruchisierung von Samos vgl. Diod. 18, 8, 1-7. 19
Athen. IV p. 128 Α-B s FGrHist. 76 Τ 1; III p. 101 E-F; VIII p. 337 D s FGrHist. 76 Τ 2; XIV p. 652 C-D; Suda s.v. Λυγκεύς Σάμιος; Plut., Demetr. 27, 2. Kebric, aaO. 2; 5 f.; Okin, aaO. 18-20; 56. 20
Vgl. Plut., Demetr. 27, 2; Kebric, aaO. 4-6 (Anm. 38 zum kurzfristigen Exil Theophrasts nach 307 v.Chr.); Okin, aaO. 16-24. Vgl. Athen. XII p. 542 B-E = FGrHist. 76 F 10.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker Einzelheiten über Duris' Position als Tyrann von Samos sind nicht
überliefert. Sein Name erscheint als der des Münzmeisters auf einer Hemi21
drachme von Samos, die zwischen 314 und 306/305 v.Chr. datiert wird . Da gemeindestaatliche Behörden nach den epigraphischen und numismatischen Zeugnissen an der Wende vom vierten zum dritten Jahrhundert in Samos aktiv waren, hat Duris wahrscheinlich seine Herrschaft innerhalb des Rahmens der bürgerlichen Verfassung der Gemeinde ausgeübt. Samos wurde in dieser Zeit in die Auseinandersetzungen zwischen den Diadochen Alexanders hineingezogen: Polyperchon bestätigte die Besitzansprüche der Athener auf die Insel, Antigonos hat dagegen wahrscheinlich die Unabhängigkeit der Samier zu stützen gesucht, - und dadurch vielleicht die Position auch des Kaios, Duris' Vater. Tyrannenähnliche Formen der Herrschaft kamen in den unter makedonischem Protektorat stehenden Poleis durchaus vor (vgl. Derne22 trios von Phaleron in Athen) . Nach der Rückkehr der Samier auf ihre Insel amtierten für eine gewisse Zeit außerordentliche oligarchische Sonderbeamte, die "fünf Gewählten", deren Kompetenzen später offenbar wieder in die Hände ordentlicher Beamter übergingen. Im Rahmen derartiger außerordentlicher Vollmachten, die wohl vor allem zur Regelung der Rechtsfragen vergeben wurden, die mit der Rückkehr der Samier auf ihre Besitzungen zusammenhingen, mögen Duris' Vater und Duris selbst ihre Macht ausgeübt haben; - auch Kritias als bestimmender Angehöriger des oligarchischen Ausnahmeregimentes der "Drei-
Barron, Coins of Samos 122; 125; 217 und Tafel XXV 4. E.Schwartz, RE 5 2 1853-1856 s.v. Duris datiert die Herrschaft nach Beloch auf die Zeit nach der Schlacht von Ipsos (Beloch, Gr. G. IV 1 479 ff.). 22
Kebric, aaO. 5-9. Okin, aaO. 32-57 behandelt Vermutungen über die Tyrannis des Duris (Duris als antigonidischer Militärkommandant, als Stadtherrscher unter Demetrios Poliorketes, als durch Lysimachos gestützter Potentat, als vom ptolemäischen Ägäiskommandeur Kallikrates von Samos etablierter Herrscher, als von Demetrios Poliorketes abgesetzter oder zu Lysimachos gewechselter Machthaber) und bleibt, wie Kebric, skeptisch gegen Festlegungen der verfassungsmäßigen Stellung des Tyrannen. Über die Tyrannis vgl. Berve, Tyrannis I 423 f.; II 720.
Herkunft und Ausbildung der Historiker ·*
19 23
ßig" in Athen wurde in der Uberlieferung als Tyrann dargestellt . Im Unterschied zu Kritias aber entwickelten Duris und sein Vater offenbar keine Ambition auf den Erwerb einer absoluten Machtstellung, so fehlt die für Tyrannen sonst charakteristische Negativbewertung in der Überlieferung über Duris 24 . Man hat in Duris also einen Angehörigen einer reichen samischen Exulantenfamilie der Oberschicht zu sehen, der mit oder nach seinem Vater, nach der Rückkehr der Samier auf ihre Insel in ein mit Sondervollmachten ausgestattetes Kollegium, ähnlich Aisymneten, zur Regelung von Rechtsproblemen berufen wurde. Duris' Konzentration auf die eigene Polis mit den legislatorischen und jurisdiktionellen Aufgaben, die in der bewegten Zeit der Rückkehr der Samier zu lösen waren, und auf die Erforschung der Vergangenheit der Insel und ihrer Institutionen zeigt auch seine literarische Arbeit: Er schrieb Μακεδόνικα und verfaßte darüber hinaus Σάμιων ώροι, Περί νόμων und Περί αγώνων 25 . Agathokles und sein Bruder Antandros waren Söhne des aus Rhegion verbannten Karkinos, der als Exulant im karthagisch kontrollierten Therma in Sizilien lebte und nach seiner Übersiedelung nach Syrakus dort einen großen Töpferbetrieb besaß. Der Tyrann und sein Bruder entstammten so eigentlich nicht einer Tyrannenfamilie, aber Reichtum und Stellung der Familie ermöglichten Agathokles erst den Aufstieg zur Alleinherrschaft. In der Charakteristik Diodors erscheint die familiäre Herkunft des Agathokles aus der Schicht der Großhandwerker negativ als Grund seiner mangelnden Unabhängigkeit (Timaios); im positiven, wahrscheinlich auf Kallias
Einschreibung in die Bürgerschaft als Sache der "Fünf Gewählten": Syll. 312, 26 ff. = Schwyzer, DGE 717; als Sache des Ratsschreibers: Syll. 333, 24 ff. Vgl. J.Robert u. L.Robert, Bull. Epigr. (1961) 476 p. 212. 24
Vgl. Philostr., Vit. Sophist. I 16 = F.d.V. 88 A 1; Kritias als νομοθέτης: Xenoph., Mem. 1 2 , 12 ff. = F.d.V. 88 A 4; als einer der τους πατρίους νόμους συγγραφείς: Xenoph., Hell. II 3, 1-2; Kritias als Mitglied eines Fünfmännerkollegiums nach der Schlacht von Aigospotamoi: Lysias 12, 43; Okin ; aaO. 56 f. Duris' Vater als einem Aisymneten ähnlich behandelt auch Pedech, Trois Histioriens 259-264. 25
FGrHist. 76.
20
Herkunft und Ausbildung der Historiker
zurückgehenden
Urteil ist sie ein Beleg
für seine Prädestination
zur
Herrschaft; das Walten der Vorsehung wird durch eine Aussetzungsgeschichte exemplifiziert. Gegenüber seinem Bruder Antandros besaß Agathokles zusätzliche finanzielle Mittel, die ihm den Weg zur Macht ebneten: Agathokles heiratete die Witwe eines reichen
syrakusanischen
Strategen.
Er
konnte so erfolgreich gegen die unter Sostratos/Sosistratos in Syrakus herrschende Oligarchengruppe agitieren und wirkungsvoll die Opposition des Demos zur Geltung bringen. Militärische Positionen ermöglichen Agathokles die politische Agitation. Antandros war wahrscheinlich der ältere der beiden Brüder, denn er amtierte in einer syrakusanischen Unternehmung zugunsten Krotons etwa 325 v.Chr. bereits als Stratege, während Agathokles noch Chiliarch war; Heerführer neben Sostratos war Herakleides, möglicherweise der Bruder der Mutter des Agathokles. Den Operationen folgt ein Gerichtsverfahren, in dem Agathokles die Oligarchengruppe um Sostratos tyrannischer Absichten bezichtigt, sich jedoch nicht durchsetzten kann. Er wird zusammen mit seinen Anhängern, zu denen wohl auch Antandros gehört, verbannt. Die Anhängerschaft des Sostratos etabliert sich in Syrakus als Oligarchie der "Sechshundert". Vollständig kontrollieren kann diese Oligarchie die Stadt jedoch nicht: Bei einem Angriff der Syrakusaner auf Rhegion amtiert neben Sostratos wiederum Herakleides als Feldherr; auf Seiten Rhegions kämpft dabei Agathokles mit seinen Männern als Soldarmee. Nach einem Umsturz der Oligarchie, deren Mitglieder ihrerseits exiliert werden, kann Agathokles nach Syrakus zurückkehren. Er wird Stratege, doch nach Ablauf seiner Amtszeit setzt sich erneut die Partei des Sostratos durch; Agathokles muß jedoch bald als Stratege und φύλαξ της ε ι ρήνης zurückberufen werden, als die Oligarchen die Kontrolle über den Demos verlieren. Agathokles hatte zu der Zeit mit einer aus eigenen finanziellen Mitteln
aufgestellten
Armee im sizilischen
Hinterland
operiert.
Vor die Aufgabe einer Rekonziliation der zurückberufenen Exulantenparteien gestellt, läßt Agathokles die Führer der έταιρία des των έξακοσίων συνέδριον kurzerhand töten, nutzt die Sondervollmacht also zum Gewinn der Macht für sich und seine Anhänger. Antandros und sein Bruder Agathokles
Herkunft und Ausbildung der Historiker
21
gehörten also zu einer der beiden in Syrakus um die Macht ringenden Oligarchengruppen. Agathokles setzt sich durch, als er in Syrakus zum bevollmächtigten Strategen ohne Kollegen gewählt wird und seine Gegner gewaltsam ausschaltet. Hinter dem Kampf zwischen οί έξακοσίοι oi έπιφανέστατοι und der Gruppe um Agathokles steht ein Streit zwischen reichen Grundbesitzern und erfolgreichen, aber von deren Zirkeln ausgeschlossenen Familien, teilweise aus der Handwerkerschicht. Während sich die einen politisch organisieren und als Oligarchie zeitweise den Staat bestimmen können, finden Agathokles und Antandros Anhänger unter den ärmeren Bürgern von Syrakus und denen, die sich als Söldner den Lebensunterhalt verdienen müssen. Als Agathokles gewaltsam die Oligarchie der Sechshundert vernichtet, kommt es ihm darauf an, daß seine Soldaten und Gefolgsleute das Vermögen der Gegner plündern können; Agathokles' Gegner dagegen wollen den populären Militär töten, nicht sein und seiner Anhänger Eigentum plündern, als sie hoffen können, seiner habhaft zu werden. Kennzeichen der Anhänger des Agathokles war, daß sie fähig und interessiert waren, einen militärischen Beitrag zur Abwehr der Karthager zu leisten; mit diesen suchten die gegnerischen Sechshundert konsequenterweise zu einem Ausgleich zu kommen 26 . 5)
Den Führungsschichten der Poleis entstammende Historiker Die meisten Historiker aus spätklassischer und frühhellenistischer
Zeit entstammten der Führungsschicht ihrer Heimatpoleis, viele von ihnen wirkten als politisch aktive Bürger und Literaten im Rahmen ihrer Stadt. Dieser Rahmen der eigenen Polis wird jedoch bereits in der Zeit der Wende
Λ Diod. 19, 1, 9-19, 9, 7; Polyb. XII 15. Herakleides identisch mit dem Onkel des Tyrannen: Lcnschau, RE 8 1 462 s.v. Heracleides; keine Identität nimmt Niese an: RE 1 1 749 s.v. Agathokles. Vgl. Berve, Tyrannis 441; 450; 489. Über Agathokles' Vater: Berve, Agathokles 21 ff. (Quelle bei Diodor nach Berve: Timaios, ebda. 4-13). Antandros als Agathokles' älterer Bruder: Tillyard, Agathocles 9. 3000 Soldaten, sowie των πολιτών oi δια πενίαν και φθόνον εναντιουμένοι ταϊς των ισχυόντων έ π ι φανείαις als militärische Gefolgsleute des Agathokles: Diod. 19, 6, 3; die Reichen (οί χαριεστατοι) als Opfer: Diod. 19, 6, 6-19, 7, 1; 19,8, 1; Motive: Haß und materielle Gier: Diod. 19, 7, 2.
22
Herkunft und Ausbildung der Historiker
vom fünften zum vierten Jahrhundert einer Reihe dieser Männer und ihren persönlichen Ambitionen zu eng: Dies zeigt eine Zusammenstellung der Geschichtsschreiber aus den politisch aktiven Schichten Griechenlands. Eine solche Zusammenstellung, nach πόλεις, folgt. Aus einer führenden, finanziell potenten städtischen Familie von Syrakus stammte Philistos, der Historiograph der Tyrannis Dionysios' I. und II. Philistos heiratet eine Tochter des Leptines, des Bruders des Tyrannen, und arbeitet für diesen als Militär. Es ist nicht belegt, daß er einer adligen Geomorenfamilie von Syrakus entstammte, aber er besaß großen Reichtum, aus dem er die Agitation des älteren Dionysios unterstützte. Die Familien, zu denen Philistos Beziehungen pflegt, gehören der syrakusanischen Oberschicht an: Hieron II. heiratete später Philistis, Tochter eines Leptines, der Hierons Stellvertreter wird. Es handelt sich um Nachkommen des älteren Leptines, dessen Tochter Philistos geheiratet hat27
te . Die Nachrichten über die Ausbildung des Philistos gehen wahrscheinlich auf Kallimachos' Pinakes zurück, ohne Zuverlässiges zu bieten: Phi28 listos soll Schüler des Elegikers Euenos von Paros gewesen sein .
Suda s.v. Φίλιστος = FGrHist. 556 Τ 1 b); Pausan., V 23, 6 = FGrHist. 556 F 57 b). Vgl. Diod 13, 91, 4; Polyb. I 9, 1. Vgl. zu Philistos: Berve, Tyrannis 464; 221 f.; 350 f.; 345; 363 ff.; Zoepffel, Philistos 10; R.Laqueur, RE 19 2 2409-2429 s.v. Philistos (3), bes. 2409 ff.; Jacoby, FGrHist. III b 496-498. Philistos ist der Sohn eines Αρχωνίδης oder Αρχωμενίδης (Suda s.v. φίλιστος ή Φίλισκος = FGrHist. 556 Τ 1 a); Pausan. 5, 23, 6 = FGrHist. 556 F 57 b); dazu Jacoby, FGrHist. III b (Noten) 297 Anm. 4. Der Name Αρχωνίδης ist für zwei Stadtherren von Herbita belegt. Der ältere der beiden wurde als Proathener geehrt (Thuk. VII 1, 4; vgl. Diod. 12, 8, 2); er starb 414 v.Chr.; seine Ehrung zeichnete •man 385/384 v.Chr. neu auf (IG II 32; vgl. Diod. 14, 78, 7). Der Sohn oder Enkel des älteren Archonides herrschte 403 v.Chr. über Herbita, er lag mit Dionysios im Krieg; der έπιστάτης von Herbita wird mit Söldnern, Freiwilligen, Exulanten und ärmeren Herbiteern verdrängt und gründet Halaisa Archonidion (Diod. 14, 16, 1-4). Eine Verwandtschaft mit Philistos ist nicht wahrscheinlich zu machen. Vgl. H.Wentker, Sizilien 95 f.; Stroheker, Dionysios 202 f. Anm. 4. 28
Die Suda macht ihn zum Schüler des Elegikers Euenos von Paros; Cicero zum Schüler des Isokrates. Verwechslung mit Philiskos ist wahrscheinlich. Vgl. Suda s.v. Φίλισκος ή Φίλιστος = FGrHist. 556 Τ 1 a); Suda s.v. Φίλιστος = FGrHist. 556 Τ lb); Cic., De orat. 2, 94. Dazu Jacoby, FGrHist. III b 497 mit Anm. 5; Brown, Timaeus 16 f. Eine Inschrift aus
Herkunft und Ausbildung der Historiker
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Xenophons Familie gehörte wahrscheinlich zur athenischen Reiterklasse: Sein Sohn Gryllos fiel nach der Aufhebung der Verbannung als Reiter vor Mantineia, und Xenophons Schriften beweisen Kenntnisse der Reiterei. Da Xenophon zum Kreis der Schüler um Sokrates gehörte, zu dem auch Männer wie Kritias und Alkibiades gestoßen waren, darf man voraussetzen, daß die Familie Xenophons aus der athenischen Oberschicht stammte und ein beträchtliches Vermögen besaß. Xenophon nahm als Gastfreund des Proxenos, eines Gastfreundes des Kyros, an dessen Feldzug teil. Soziale Stellung, Motivation und Ambitionen beider Männer sind einander ähnlich: Der Thebaner Proxenos war sophistisch gebildet, Schüler des Gorgias und erwartete sich vom Kyroszug, wie offensichtlich auch Xenophon, eine der eigenen Erziehung und Ausbildung entsprechende Position bei dem persischen Vizekönig von Kleinasien und Bruder des Großkönigs. Ihrem persönlichen Ehrgeiz war beiden offensichtlich in Boiotien bzw. Athen zu enge Grenzen gezogen. Proxenos meinte, durch seine sophistische Ausbildung die Kompetenz zum αρχειν erworben zu haben und durch seine Beziehungen zu Mächtigen den Einfluß besitzen zu können, anderen zu nützen und sich diese zu verpflichten. Sein Ziel war der Gewinn von Ruhm, Macht und Geld. Xenophon lobt seine Führungsqualitäten, seine Fähigkeit, mit καλοί καν αγαθοί umzugehen und sie zu leiten. Die sophistische Ausbildung des Proxenos einerseits und Xenophons sokratische Erziehung vermittelten den Schülern Fähigkeiten und Ambitionen, die im Rahmen ihrer Gemeinwesen nicht zu verwirklichen, bei militärisch und politisch ambitionierten Monarchen und Prätendenten aber gewinnbringend einzusetzen waren. Der Ausbildungsbetrieb der Sophistik, dann noch mehr der somatischen Philo-
der historischen Bibliothek des Gymnasiums von Tauromenion zitiert die Tradition, Philistos sei Schüler des Euenos gewesen; die Notizen über Historiker in diesen Inschriften gehen wahrscheinlich auf alexandrinische Quellen zurück (vgl. G.Manganaro, in: La Parola del Passato 29 (1974) 389-409 a J. u. L. Robert, in: REG 89 (1976) 593 f. s SEG 26 (1976/1977) 1123). Plutarchs Angabe, Philistos sei περί λόγους gebildet gewesen, gehört zu einer Darstellung des Ideologen der Tyrannis Philistos als Gegenbild zu Piaton (Plut., Dion 11, 4 = FGrHist. 556 Τ 5 c)). Laqueur, aaO. 2410, akzeptiert das Schülerverhältnis zu Euenos; vgl. Zoepffel, Philistos und Walbank, in: Kokalos 14/15 (1968/69) 476-598.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
sophie, bereitet bereits hier den späteren Höfen in Griechenland den Boden durch die Heranbildung ambitionierter und qualifizierter Einzelner, die willens sind, ihre Fähigkeiten auch außerhalb der eigenen Stadt zum eigenen Vorteil zu nutzen. Unter den Historikern, über deren Ausbildung Genaueres bekannt ist, überwiegen charakteristischerweise diejenigen, die zumindest zeitweise ihr Leben außerhalb ihrer Heimat verbrachten: weil sie sich an einem Hof verdingten, weil ihre Ambitionen den Rahmen des in der Heimat Durchsetzbaren sprengten und zu ihrer Exilierung führten, oder weil beides auf sie zutraf. Xenophon bietet für solche Männer unter den 29
Geschichtsschreibern ein frühes Beispiel . Kritias gehört als Schüler des Sokrates und des Gorgias in die gleiche Kategorie. Er war verwandt mit der Mutter Piatons und dem Vater des Andokides und beanspruchte die Verwandtschaft mit Solon. Die Familie war reich, denn Kritias war Mitglied der Oligarchie der Vierhundert und Führer der Dreißig in Athen. Die Vierhundert hatten, wie die Sechshundert in Syrakus, im Interesse der Wahrung der Macht im Inneren30mit dem Kriegsgegner - Sparta - zu einer Einigung zu kommen versucht . Um seinen verehrten Lehrer Sokrates von der Verantwortung für das politische Wirken des Oligarchen Kritias zu entlasten, beschreibt Xenophon Kritias' Motive für die Teilnahme an der Philosophie. Sie sind den Ambitionen des Proxenos ähnlich: Kritias wünschte, wie Alkibiades, poli-
Πρόξενο^ δε ό Βοιώτιος εύθύς μέν μειράκιον ών έπεθύ^ει γενέσθαι άντρ τα μεγάλα πράττε ιν ικανός- καν δια ταυτην την έπιθυμίαν έδωκε Γοργίςι άργύριον τω Λεοντίνω, Xenoph., Anab. II 6, 16. Vgl. I 1, 11; II 1, 10; III 1, 8; II 6, 16-20; Diod. 14, 19, 8; Xenophons Hoffnung, ein φίλος des Kyros zu werden: Xenoph., Anab. III 1, 4. Vgl. H.R.Breitenbach, RE 9 A 2 1569-1928; 1981-2052 s.v. Xenophon (6), bes. 1573-1577. 30 Diehl, RE 9 2 1901-1912 s.v. Κριτίας (7), bes. 1901-1903; Breitenbach, aaO. 1944 f.; Davies, Families 322-335 und tab. 1; über die Schwierigkeit einer Bestimmung des Besitzes der Familie bes. 344; Kirchner, PA 592 f. Nr. 8792. Vgl. Xenoph., Mem. I 2, 25: Kritias sei aus einer Familie, die sich zu den γένη rechnete und aufgewachsen in einer Umgebung von Besitz und Einfluß.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
tische Durchsetzungstechniken zu erlernen. Konsequenterweise setzte Kritias als Oligarch unter den Dreißig durch, daß das Lehren der Redetech31
nik, der er selbst seinen Erfolg verdankte, verboten wurde . Auch der jüngste der athenischen Atthidographen, Philochoros, entstammte der politischen Führungsschicht Athens: Sein gleichnamiger Großvater, sein Vater und ein Bruder des Philochoros sind als Prytanen belegt, der Vater wurde als Prytane auch geehrt. Möglicherweise ist Philochoros auch mit dem ältesten Atthidographen, Kleidemos, verwandt. Von Philochoros selbst ist eine politische Tätigkeit nicht bekannt. Er soll jedoch mit seinem Leben dafür gezahlt haben, daß er eine antiantigonidische, proptolemäische Außenpolitik unterstützte. Der gelehrte Charakter seiner Schriften macht es denkbar, daß Philochoros nie ein politisches Amt innehatte. Er war μάντις καί ίεροσκόπος, er selbst berichtet davon, daß er offiziell als Sakralsachverständiger befragt wurde, μάντεις wurden in Athen regelmäßig zu den Opfern hinzugezogen, die die ίεροποιοί veranstalteten: Ob Philochoros einer dieser Manteis war, oder ob er ein unab32
hängig arbeitender Auftragsmantis war, ist nicht überliefert . Der Atthidograph Demon, gegen dessen Werk sich die Atthis des Philochoros richtete, ist vielleicht ein Mitglied der Familie des Demosthenes; allerdings ist die biographische Überlieferung über den Autor unzurei33 chend . Der früheste der Atthidographen war Kleidemos (auch: Kleitodemos); er war, wie der letzte, ein Mann des Kultus und Mitglied eines Kollegiums von Exegeten. Inschriftlich bezeugte, auch politisch aktive Athener seines Namens lassen sich nicht sicher mit dem Atthidographen identi-
Xenoph., Mem. I 2, 12-16 = F.d.V. 88 A 4; Xenoph., Mem. I 2, 31. 32
Suda s.v. Φιλόχορος = FGrHist. 328 Τ 1. Vgl. Arist., kô. πολ. 54, 6. Zu Philochoros vgl. Kirchner, PA Nr. 14782; Laqueur, RE 19 2 2434-2442 s.v. Philochoros, bes. 2434 f.; Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 220-261. 33
Suda s.v. Φιλόχορος = FGrHist. 327 Τ 1. Vgl. Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 201 f.; Davies, Families, 116-118.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
fizieren34. Kleidemos wurde jedoch für die Abfassung eines seiner Werke, wohl der Πρωτογονία, mit einem Goldkranz geehrt; er soll vor Freude darüber gestorben sein. Die Schriftstellerei des Exegeten Kleidemos als historischer Literat steht also in engster Verbindung zur Politik und zur 35
Selbstdarstellung Athens . Die Vorsicht allerdings, mit welcher Jacoby die Frage behandelt, ob aus den Fragmenten des Werkes des Kleidemos eine politische Tendenz zu erschließen sei, ist wohlbegründet: Man vermutet eine "demokratische" Tendenz. Kleidemos handelt über Kleisthenes im dritten Buch, dessen Fragmente alle mit Kleisthenes zu tun haben; man vermutet, Kleidemos habe das dritte Buch mit dieser Darstellung über Kleisthenes begonnen. Kleidemos habe das Wirken des Kleisthenes für eine bedeutende Zäsur in der athenischen Verfassungsgeschichte gehalten. Man vermutet, dies beruhe darauf, daß der älteste Atthidograph, anders als Aristoteles, Kleisthenes, und nicht Solon, als Begründer der athenischen Demokratie ansah, eine demokratische Position. Hinreichend belegt sind jedoch weder Kleidemos' politische Parteinahme, noch eine solche politische Zwecksetzung seines Werkes 36.
Pausan. X 15, 5 = FGrHist. 323 Τ 1. Kandidaten für eine Identität mit dem Atthidographen sind Κλείδημος Αΐνησ-, γραμματεύς der διαδικασία 383/382 v.Chr. (positiv Kirchner, PA 8494) oder gleichnamige Angehörige einer Familie der Derne Melite (Kirchner, PA 8724; Jacoby, FGrHist. III b (S2uppl.) Vol. I 57; ders., Atthis 56 f.; 33 ff.). Vgl. IG II2 1930; IG II 1931; gleichfalls möglich: Träger des Namens bei Kirchner, PA Nr. 8496-8498. Zur Datierung des Autors: Pearson, Local Historians 57-69: Kleidemos erwähnt 100 Symmorien (F 8), die mit den Symmorien, eingeführt 377 v.Chr. identifiziert werden; 358/357 v.Chr. wurde die athenische Trierarchie umorganisiert, nochmals 355/354 v.Chr. auf Veranlassung des Demosthenes. In spätere Zeit datiert Jacoby: Es sei wahrscheinlich, daß Kleidemos mit den μέρη die jüngeren Symmorien meinte, sodaß die durch Demosthenes eingeführte Reform der Flottenfinanzierung den terminus post quem für die Schrift des Kleidemos abgibt (Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 57 f.). Vgl. Jacoby, Atthis 8-51; Oliver, Expounders 2452; Nilsson, Religion I, 636 f. Kleidemos schrieb ein έξηγητικόν: Athen. 9, 78 p. 409 F-410 Β = FGrHist. 323 F 14. 35 36
Tertullian., De an. 52.
Harookr. (Sud.) s.v. Πυκνί = FGrHist. 323 F 7; Phot., Lex. s.v. ναυκραρια = FGrHist. 323 F 8. Dazu Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 65-67; 58. Vgl. Chaniotis, Historie 292 f. mit Anm. 641; 261 f. Demokra-
Herkunft und Ausbildung der Historiker
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Eine Bestimmung des familiären Hintergrundes des bekanntesten Atthidographen kann sich auf vergleichsweise bessere Hinweise stützen. Der Vater des Androtion, Andron, war, wie Kritias, Mitglied der Oligarchie der Vierhundert in Athen. Andron 90II nach Angaben des Demosthenes Schulden gegenüber dem Staat gehabt haben. Bei Piaton erscheint Andron als Teilnehmer sophistischer Debattierzirkel: In der fiktiven Sophistenversammlung im Protagoras tritt er als Gefolgsmann des Hippias auf; im Gorgias wird über Andron als Mann aus dem Kreis um Kallikles gesprochen, dessen Angehörige der Beschäftigung mit der Philosophie und dem Streben nach 37
Weisheit praktische Zwecke und Grenzen setzen . Die Familie Androtions gehörte zu den reicheren in Athen, ihrer oligarchischen Parteinahme wegen, und weil Androtion bei Demosthenes geradezu καλός κάγαθός heißt. Androtion selbst konnte es sich leisten, der Garnisonsstadt Arkesine zinslos Geld zu leihen, damit sie die Stationierungskosten der athenischen Garnison, die Androtion damals befehligte, 38
tragen konnte . Androtion soll den Unterricht des Isokrates genossen haben. Dies jedoch ist nicht wahrscheinlich: Die Liste der Isokratesschüler, in welcher er genannt wird, zählt ihn zusammen auf mit Männern, die wahrscheinlich nicht Isokrateer waren, und sowohl in der pseudoplutarchischen Vita des Isokrates, als auch in Isokrates' Antidosisrede
(93), in der dieser die
Politiker unter seinen Schülern benennt, fehlt Androtion. Jacoby vermutet daß nur eine späte, kurzzeitige und oberflächliche Beziehung zwischen dem tische Tendenz des Werkes nach Wilamowitz, Aristoteles I 286; Pearson, Local Historians 66 ff.; Jacoby, Atthis 74 f.; Huxley, in: GRBS 9 (1968) 313-318; Ruschenbusch, in: Hermes 109 (1981) 316-326, bes. 321 ff. belegt gegen Harding (s.u.) eine antidemokratische Tendenz der Atthis Androtions. Harding, in: Historia 26 (1977) 148-160, bes. 151 ff. wandte sich gegen Jacobys Interpretation der Atthiden als politischer Kampfschriften. Eine radikaldemokratische Parteinahme des Kleidemos (gegen Androtion) ist nicht wirklich gesichert. 37
Vgl. Demosth. 22, 33; 22, 56; 24, 168; 24, 125; Plat., Prot. 315 c; Gorg. 487 c; [Plut.], Vit. X orat. 833 E. Dazu E.R.Dodds (Hsg.), Plato, Gorgias, Oxford (1959) 282 [Komment.]. 38
Dazu Davies, Families 33 f. S.u. S. 222.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
oligarchischen Atthidographen und dem Pädagogen bestanden hat. Sicher ist allein, daß Androtion rhetorische, vielleicht sophistische Ausbildung er39 hielt, die ihn zur Teilnahme an der Politik befähigte . Phanodemos und Diyllos von Athen, Vater und Sohn, schrieben beide Geschichte. Phanodemos ist Verfasser einer Ατθίς und von Ικιακά, Diyllos widmete sich den Hellenika, der Geschichte des gesamten Griechentums. Zwischen 332/331 v.Chr. und 329/328 v.Chr. war Phanodemos, der Vater, politisch aktiv und befaßte sich vor allem mit Angelegenheiten des Kultes. Seine politische Betätigung fällt in die Zeit der Dominanz Lykurgs in der athenischen Innenpolitik. Bereits früher (343/342 v.Chr.) war Phanodemos als Mitglied des Rates geehrt worden für die Organisation des Dionysosfestes. Später wird er als Vorsitzender einer Kommission zur Ausarbeitung einer Satzung für das Kultfest des Amphiaraos von Oropos geehrt. Phanodemos war Sohn eines Diyllos; daß der gleichnamige Historiker sein Sohn ist, erhebt die Liste der Buleuten des Jahres 303/302 v.Chr. zur Gewißheit40. Diyllos und sein Vater Phanodemos amtierten als Mitglieder des Rates, gehörten also zu der Schicht in Athen, die sich die Teilnahme am politischen Leben Athens leisten konnte. 39
Demosth. 22, 47; 24, 147; 22, 4 = FGrHist. 324 Τ 2 a); Androtion Isokratesschüler: Suda s.v. Ανδροτίων = FGrHist. 324 Τ 1; Schol. Demosth. 22, 4 = FGrHist. 324 Τ 2 c); Zosim., Vit. Isocrat. p. 256, 91 W = FGrHist. 324 Τ 2 b). Nicht als Isokratesschüler genannt: [Plut.], Vit. X orat. p. 837 C-D. Vgl. Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 86-90 mit Anm. 27-30; 59; 15. Vgl. auch Kirchner, PA I 68 f. Nr. 915; Schwartz, RE 1 2 2173-2175 s.v. Androtion. 40
Vgl. Syll.3 227 = FGrHist. 325 Τ 2; IG VII 4252 = FGrHist. 325 Τ 3 a); Syll. 287 = FGrHist. 325 Τ 3 b); Syll. 298 = FGrHist. 325 Τ 4; Syll. 296 = F.d.D. III 1 511 = FGrHist. 325 Τ 5. Diyllos als Sohn: POxy. 2082 = FGrHist. 257 a F 3, 22 f. = FGrHist. 325 Τ 8: Αίυλλ(ος] | Φ[α]νοδ[ήμου ...; Traill, in: Hesperia 37 (1968) 1-24, bes. 14, 177 gibt als einen der Bouleuten der Derne θυμαιτάδαι den Αίυλλος Φανοδήμου. Zu Diyllos und Phanodemos vgl. Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 171-175, bes. 172; Jacoby, FGrHist. II C 112 f.; Kirchner, PA Nr. 14033; Nr. 4451; Nr. 4452; R.Laqueur, RE 19 2 1779 f. s.v. Phanodemos. Zum Wirken des Phanodemos vgl. auch Wilhelm, in: Anz. Akad. Wiss. Wien, Phil.-Hist. Kl. (1895) 39-46.
Herkunft und Ausbildung der Historiker
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Demochares von Athen schrieb nicht eine Atthis, sondern eine Zeitgeschichte Athens: ίστορίαι. Demochares entstammte der Familie des Demosthenes: Er war Neffe des Rhetors, Sohn des Laches, Enkel eines Demochares. Sein Großvater war verheiratet mit der Schwester der Mutter des Rhetors. Erfolglos hatte dieser ältere Demochares versucht, Aphobos, einen der Vormünder des Demosthenes, zu anderem Umgang mit dem Eigentum der Witwe des älteren Demosthenes und ihrer Kinder anzuhalten. Dieser ältere Demochares war reich genug, um sein Vermögen anzeigen zu müssen und leiturgiepflichtig zu sein. Der Redner betont, daß er diesen Verpflichtungen nachgekommen sei41. Das Vermögen der Familie ist in der Folgezeit wahrscheinlich noch etwas gewachsen, denn die die Tochter des älteren Demochares wird mit einer höheren Mitgift verheiratet als ihre Mutter. Einer der Söhne des älteren Demochares, Laches, heiratet die Schwester des Demosthenes: Deren Sohn ist der Historiker und Politiker Demochares. Er wird von ähnlichem Reichtum und ähnlicher gesellschaftlicher Stellung gewesen sein Demosthenes. Dessen umfangreiche Leiturgien hat ein Antrag des Demochares, Demosthenes und seine Familie zu ehren, ausführlich aufgezählt42. Nach dem Tode des Demochares erwirkt dessen Sohn Laches für ihn im Jahre 271/270 v.Chr. ein Ehrendekret, das seine politischen Leistungen als Gründe der Ehrung geltend macht; drei Gesandtschaften habe Demochares ah Lysimachos, Ptolemaios und Antipatros zur Einwidmung von Hilfsgeldern unternommen, die dem Gesandten erhebliche Kosten verursacht haben dürften43. Laches betont in seinen Anträgen, daß Demochares mehr als 30 Jahre untadeliger politischer Tätigkeit hinter sich hatte: Eine dreißigjährige politische Tätigkeit, einem Mindestalter von sechzig Jahren entsprechend, war gesetzlich als Voraussetzung für die Ehrung fixiert. Wahrscheinlich spielt auch Demosthenes auf diese Regelung an, wenn er von Androtion sagt, dieser habe bereits mehr als dreißig Jahre in der Politik hinter
Demosth. XXVIII 3; XXVII 4; Davies, Families, 141 f. Demochares' Historien als publizistisches Werk: Cic., Brut. 286 = FGrHist. 75 Τ 3. 42
[Plut.], Vit. X orat. p. 850 F-851 C; zur Mitgift der Tochter des Laches vgl. Davies, aaO. 142.
43
Vgl. [Plut.], Vit. X orat. p. 851 D-851 F.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
sich44. Wahrscheinlich hat Demochares eine ähnliche rhetorische Schulung durchgemcht wie sein Onkel; vielleicht hat dieser sogar daran mitgewirkt, denn zu seiner Tätigkeit als Rechtsberater gehörte auch die Unterweisung seiner Klienten, also eine didaktische Tätigkeit45. Demetrios von Phaleron soll, anders als die bislang behandelten athenischen Historiker, nicht vornehmer Abkunft gewesen sein: Er erscheint, wie viele Männer, die Beziehungen zu den frühen hellenistischen Höfen unterhielten, als persönlich abhängiger Aufsteiger. Er besaß die philosophische Bildung eines Angehörigen des Peripatos Theophrasts und verfügte über besondere Beziehungen zum makedonischen Hof und zu Kassander. Theophrast konnte zum Erwerb eines Grundstückes sich der Hilfe des Demetrios bedienen, des starken Mannes der Stadt zwischen 317 und 307 v.Chr. Demetrios soll Hausangestellter (Sklave) Konons, bzw. Konons und des Timotheos, gewesen sein und, wie der Peripatetiker Theophrast, ursprünglich einen anderen Namen (Phanos) getragen haben. Daß Demetrios tatsächlich nicht ευγενής war, wird nahegelegt dadurch, daß er sich, als er Archon war, als ευγενής besingen ließ, und daß es über ihn heißt, er habe mit der Hetäre Lamia Umgang gepflegt, von der ausdrücklich behauptet wird, sie sei ευγενής gewesen, obwohl dies wohl gerade nicht zutrifft46.
44
Zu den Ehrendekreten Habicht, Studien 124-127. Vgl. Demosth. XXII66 s XXIV 173 = FGrHist. 324 Τ 3. 45
Aischin. I 94; 119; 125; II 99; 165; 180; III 171-173: Demosthenes als Sophist, Logograph und Sykophant. Vgl. Demosth. XIX 246; Plut., Demosth. 11, 2. Vgl. Schäfer, Demosthenes I 342-345. 46
Diog. Laert. V 75-85 = FGrHist. 228 Τ 1. Ähnlich Ailian., Var. Hist. XII 43 = S.d.A. IV fr. 2 b). Auch Didymos berichtet über Umgang des Demetrios mit Hetären (Diog. Laert. V 75-85). Vgl. Suda s.v. Δημήτριος Φανοστράτου Φαληρεύς = S.d.A. IV fr. 3. Demetrios unterstützt Theophrast: Diog. Laert. V 39; V 51. Demetrios Schüler Theophrasts: Diog. Laert. V 75-85 = FGrHist. 228 Τ 1; Strab. IX 1, 20 = FGrHist. 228 Τ 3 b); Cic., De fin. V 54 = FGrHist. 228 Τ 7; De o f f . I 3 = FGrHist. 228 Τ 9 a); Lamia: Athen. XIII p. 577 C-D (Polemon); XIII p. 577 E (Machon). Lamia war Aulosbläserin und später Geliebte des Demetrios Poliorketes; sie gab das Fest, von dem Lynkeus von Samos berichtet (s.S. 118). Gesang auf Demetrios: Athen. XII 542 b ff. = S.d.A. IV fr. 34. Möglicher Nachkomme: Demetrios, Sohn des Demetrios, auf Antigonos' Gonatas' Veranlassung zum Thesmotheten gemacht; vgl. Jacoby, FGrHist. II D 642 ff. Zur die Überliefe-
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Die Behauptung einer sklavischen Abkunft des Demetrios ist zumindest übertrieben: Demetrios' Bruder Himeraios nämlich war ebenfalls politisch aktiv. Er war Priester des Poseidon Pelagios, wurde zum Opfer einer Eisangelia und Objekt einer Rede Dinarchs, und im Jahr 324/323 v.Chr. war er einer der zehn vom Staat bestellten Ankläger im Prozeß um die Flucht des Harpalos. Himeraios verfolgte politisch eine andere Richtung als sein Bruder: Er gehörte zu den Antimakedonen um Demosthenes. Nach der Niederlage Athens im Lamischen Krieg wurde er durch die Athener zum Tode verurteilt und durch Antipatros getötet47. Auch die bekannten Angehörigen des Freundeskreises des Demetrios lassen es unwahrscheinlich sein, daß Demetrios gesellschaftlich ausgesprochen niedriger Herkunft war. Er hatte über den Peripatos Kontakt zu dem Komiker Menander und zu Deinarchos, der seine erfolgreichste Zeit unter der Herrschaft des Demetrios in Athen erlebte und nach deren Ende ins Exil gehen mußte; wohl auf Demetrios' Vermittlung kamen der Peripatetiker Straton und Menander an den Ptolemäerhof. In der Frühzeit seines politischen Wirkens in Athen stand Demetrios in Verbindung mit Phokion und Konon. Im Exil in Theben lernte er den Kyniker Krates kennen; mit Lykos von Rhegion, der in Alexandreia lebte, stand Demetrios in Konflikt; zu Nikanor hatte Demetrios ebenfalls engsten Kontakt48.
rung vgl. Martini, RE 4 2 2817-2841 s.v. Demetrios (85), bes. 2817 f. (Demetrios habe Unterricht durch Aristoteles erhalten); skeptisch dagegen: F.Wehrli, RE Suppl. XI 514-522 s.v. Demetrios von Phaleron, bes. 514. 47
Himeraios als Priester: Syll.3 289, 16-18. Politik des Himeraios: Arrian., Τα μετά Αλέξ. bei Phot., Bibl. 92 p. 69 b 34 = FGrHist. 156 F 9: Vgl. Karystios von Pergamon bei Athen. XII 60 p. 542 E = FGrHist. 228 Τ 2 a). Jacoby, FGrHist. II D 641 ff. vermutet, auch Demetrios sei einer der Staatsankläger gewesen (vgl. auch ders., ebda, zur Teilnahme des Demetrios an der Gesandtschaft an Antipatros nach der Schlacht von Krannon 322 v.Chr.). Dies ist unsicher, da Himeraios politisch in einem anderen Lager stand als sein Bruder. Vgl Bayer, Demetrios 129 ff.; Plut., Demosth. 28; Suda s.v. Αντίπατρος (2)\ [Plut.], Vit. X orat. p. 846 C. 48
Plut., Phoc. 35 = S.d.A. IV fr. 10; Com. Nepos, Phoc. 3 = S.d.A. IV fr. 11; Dion. Hal., De Dinarch. 2 = S.d.A. IV fr. 4 (dazu ders., ebda. p. 49 f.); Diog. Laert. V 79 = S.d.A. IV fr. 57 = FGrHist. 228 Τ 1; VI 90 = S.d.A. IV fr. 58 a); Athen. X p. 442 C = S.d.A. IV fr. 58 b); Plut.,
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Herkunft und Ausbildung der Historiker Die Überlieferung über eine angeblich sklavische Herkunft des Deme-
trios erklärt sich einerseits als typische Verunglimpfung der erfolgreichen Dienstleute und Hofangehörigen der frühen Diadochen. Andererseits entstanden um die Herrschaft des Phalereers in Athen, um seine Rolle als Philosoph oder Tyrann, literarische Kontroversen, in die der exilierte Politiker mit eigenen Streitschriften selbst eingriff. Dabei ist die Verunglimpfung des Hofangehörigen Kassanders und später des Ptolemaios als Emporkömmling als Diffamierung angeblicher Abhängigkeit zu verstehen, während das Bild des starken Mannes Athens als eines Tyrannen dessen Herrschaft die Legitimität zu nehmen sucht. Solche Kontroversen deuten sich in den Diskrepanzen an, die die Überlieferung über das εύγενης-Sein des Demetrios zeigt. Von Demetrios heißt es bei Favorinus in dessen Απομνημονεύματα, er sei zunächst Haussklave bei Konon und bei dessen Sohn Timotheos gewesen, sei nicht aus einem der γένη und habe ursprünglich Φανός geheißen. Für eine sklavische Abkunft des Demetrios aber fehlt der glaubwürdige Beleg. Demetrios hatte wahrscheinlich einen ähnlichen gesellschaftlichen Hintergrund wie andere Athener aus der politisch aktiven Schicht. Wahrscheinlich ein Enkel des Demetrios wurde später in Athen geehrt, war also öffentlich tätig. Früher war bereits ein Kriegsgefallener namens Himeraios aufgetaucht, Angehöriger der freien Bürgerschaft, wahrscheinlich der Großvater des Demetrios von Phaleron. Die
finanziellen
Mittel für seinen im Vergleich mit anderen bekannten Mitgliedern seiner Familie außerordentlichen politischen Einfluß mag Demetrios dagegen tatsächlich erst erworben haben, vielleicht durch Einheirat in die Familie 49
Konons, wie Davies vermutet .
Quomod. adul. 28 p. 69 C = S.d.A. IV fr. 59 = FGrHist. 228 Τ 5. Vgl. Davies, Families 107-110; Gehrke, Phokion, 87-91; 99 f.; 195 f.; Bayer, Demetrios 5; Suda s.v. Λύκος = S.d.A. IV fr. 42; Martini, aaO. 2819-2822; Wehrli, RE aaO. 517 f. 49
'
Arme Jugend, Reichtum als «ριλος Kassanders: Athen. XII p. 542 E = S.d.A. IV fr. 35. Demetrios als ευγενείας verherrlicht: p. 542 Β = S.d.A. IV fr. 34; vgl. Wehrli, ad loc. über die Auseinandersetzungen um Demetrios; Diog. Laert. V 75 = FGrHist. 228 Τ 1. Vgl. Athen. VI 18 p. 230 E-F = FGrHist. 115 F 252; Plut., Eumen. 1 = FGrHist. 76 F 53. Ehrung der Φαλερε[νς] für den Prytanen [Α]ημήτριος Φα[νοστράτου]: Traill, Hesperia 47
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Zur politischen Führungsschicht auf Chios gehörten der Historiker Theopomp, sein Bruder Kaukalos und ihr politischer Gegner Theokritos. Theopomp und Kaukalos waren Söhne eines chiischen Politikers, des Damasistratos (auch: Damostratos), der mit seiner Familie aus politischen Gründen ins Exil gehen mußte. Erst nach dem Tode des Vaters konnte Theopomp aufgrund eines besonderen Diploms Alexanders nach Chios zurückkehren. Die Familie verfügte offenbar auch im Exil über erheblichen Besitz, denn Theopomp beanspruchte für sich die Autarkie des Philosophen als Literat und Lehrer, und er erwähnt die hohen Kosten, die ihm seine historiographische Tätigkeit verursacht habe. Tatsächlich wirkte er zeitweise als Hofhistoriker Philipps II., also als abhängiger Schriftsteller50. Theopomp soll nach Photios' Exzerpt ins Exil gegangen sein, als sein Vater èni λακωνισμώι verurteilt wurde. Der Anlaß dafür ist nicht leicht verständlich: Wenn dieser nämlich in der wechselnden Politik der Chier
(1978) 280 ff.; dazu Habicht, Athener Mitteilungen 76 (1961) 137 (Annahme der Identität des Enkels mit einem Phylarchen, Hipparchen und Strategen). Der gefallene Vorfahre Himeraios: SEG XIX 42 (b) III, 24. Vgl. Davies, Families 107-110; Bayer, Demetrios 129 ff. Über die Abkunft des Demetrios: Diog. Laert. V 75 = S.d.A. IV fr. 2 u. fr. 24 u. fr. 38 = FGrHist. 228 Τ 1; Ailian., Var. Hist. XII 43 = S.d.A. IV fr. 2 b); Suda s.v. Δημήτριος Φανοστράτου Φαληρεύς = S.d.A. IV fr. 3; Hermippos als Quelle: Diog. Laert. V 78 = S.d.A. IV fr. 69; "Tyrann": Cic., De fin. V 19, 53 = S.d.A. IV fr. 62; Pausan. I 25, 6 = FGrHist. 228 Τ 3 c); Phaedr., Fab. V 1 = FGrHist. 228 Τ 3 f)· Tyranneivorwürfe gegen Kassander: Strabo IX 1, 20 = S.d.A. IV fr. 27; zu Quellen zum Leben des Demetrios vgl. Martini, RE 4 2 2817-2841 s.v. Demetrios (85), bes. 2817 f.; Wehrli, RE Suppl. XI 514-522 s.v. Demetrios von Phaleron, bes. 514. Über den Widerspruch zwischen der demetriosfeindlichen, durch Duris und athenische Historiker vertretenen, und einer peripatetischen, antidemokratischen Tradition: Jacoby, FGrHist. II D 641 f. Demetrios von Phaleron kein Sklave; "Phanostratos" kein Sklavenname, "Phanos" als dessen Kurzform für Freie belegt: Wehrli, S.d.A. IV p. 49 f.; vgl. ders., ebda. 52 f. 50
Phot., Bibl. 176 p. 120 b 30 = FGrHist. 115 F 25; Athen. III 29 p. 85 A = FGrHist. 115 Τ 28 a). Exilierung: Phot., Bibl. 176 p. 120 b 19 = FGrHist. 115 Τ 2; Suda s.v. Εφορος = FGrHist. 115 Τ 8; Kaukalos: Athen. Χ 2 p. 412 Β = FGrHist. 115 Τ 4; Theopomp als φιλόσοφος: Suda s.v. Δημοσθένης = FGrHist. 115 Τ 5 b); Theopomp bei Philipp: Epist. Socrat. 30, 12 = FGrHist. 115 Τ 7; Sozom., Eccl. praef. 5; Theokritos als politischer Gegner: Suda s.v. Θεόκριτος Χίος ρήτωρ = FGrHist. 115 Τ 9; Athen. VI 18 ρ. 230 E-F = FGrHist. 115 F 252; Strab. XIV 1, 35 (C 645).
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zwischen Zweitem Attischem Seebund, Sparta und Persien im mittleren Drittel des vierten Jahrhunderts lag, dürfte die Rückkehr des exilierten Theopomp nicht erst unter Alexander durch besondere Schreiben an die Chier möglich geworden sein 51 . Wenn man andererseits nicht Präzision der Formulierung έ π ί λακωνισμώι annimmt, so könnte der Fall des exilierten chiischen Oligarchen Alkimachos vergleichbar sein. Auch er hatte Chios verlassen müssen, nachdem sein Vater verurteilt worden war - wahrscheinlich έ π ί βαρβαρνσμώ, da auch Alkimachos dieser Verdacht traf. Alexander veranlaßte durch ein Schreiben, daß der Mann, der als φίλος in der Umgebung Alexanders für einen erneuten Umsturz der Verhältnisse gearbeitet hatte, wieder in seine alten Rechte eingesetzt wurde und stützte durch seine Autorität die Position des Alkimachos und seiner politischen Freunde. Seine Lage ist der Theopomps, der als ehemaliger Hofhistoriker Philipps über 52
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Beziehungen nach Makedonien verfügte, ähnlich . Chios wechselte in dieser Zeit mehrfach die Seiten: Die Makedonen eroberten es 334/333 v.Chr., im 31
Phot., Bibl. 176 p. 120 b 19 = FGrHist 115 Τ 2. Vgl. dazu Jacoby, FGrHist. II Β 352 f. Der Vater heißt Ααμασίστρατος bei Suda s.v. Θεόπομπος Χίος ρήτωρ, Δαμόστρατος bei Photios. Jacoby, FGrHist. II D 352 f., rechnet mit einem Fehler der Formulierung έ π ί λακωνισμώι. Über das Problem der Datierung des Exils: Rower, Theopompus 9 ff.; Flower vermutet, Theopomp habe 332 v.Chr. mit anderen Demokraten nach Chios zurückkehren können, 10; 38 ff. 52
Der sog. "Zweite Brief Alexanders an Chios ist umstritten: Piejko, in: Phoenix 39 (1985) 238-249; Heisserer, Greeks 96-117; W.G.Forrest, in: Klio 51 (1969) 201-206. Heisserer identifiziert Alkimachos mit einem Heerführer, den Alexander 334 entsandte, um in Ionien die propersischen Oligarchien umzustürzen (Heisserer, aaO. 106; Arr., Anab. I 18, 1). Forrest und Piejko halten die Identifikation für nicht hinreichend begründet; Piejko sieht in ihm einen propersischen Oligarchen, der in Schwierigkeiten geriet. Die Identitätsthese Heisserers steht im Zusammenhang seiner Frühdatierung des Briefes Alexanders an Chios (Syll. 283; Heisserer, aaO. 79-95, bes. 83 ff.; ders., in: Historia 22 (1973) 191-204), die voraussetzt, daß nach Issos Alexander weder seine Rolle als Hegemon des Korinthischen Bundes besonders betont hätte, noch besonders harsche Kontrollmaßnahmen gegenüber den Chiem hätte ergreifen müssen. Widerspruch durch Janelli, in: Studi E.Manni, Roma (1976) 153-177: Daß mit dem Übergang von Chios auf die griechische Seite 334 v.Chr. eine Wiedereingliederung in den Korinthischen Bund verbunden gewesen sei, wie Heisserer annimmt, lasse sich nicht belegen.
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folgenden Jahr installierte Memnon dort eine propersische Oligarchie, und 332/331 v.Chr. erobern es die Makedonen endgültig. Heisserer vermutet, bereits 336 habe Parmenion Chios für Makedonien gewonnen, es sei jedoch 53
durch Memnon bereits 335 v.Chr. propersisch geworden . Agis von Sparta erhielt, als Phamabazos und Autophradates um die Zeit der Schlacht von Issos Chios noch besetzt hielten, von diesen Subsidien. Der spartanische König paktierte mit den Persern, die Chios hielten, gegen die Makedonen: In dieser Situation waren für Chier Lakonismos und Barbarismos dasselbe. Im folgenden Jahr schüttelte der chiische Demos die Herrschaft der Perser ab. Die Teilnehmer der propersischen Oligarchie, derer man habhaft werden konnte, wurden Alexander zunächst überstellt. Dies entspricht den Bestimmungen des Briefes Alexanders an Chios, der daher wohl eher in diese spätere als die von Heisser bevorzugte frühere Phase der Auseiandersetzung gehört. Jenen Bestimmungen zufolge sollen geflohene Oligarchen rechtlos bleiben in allen Gemeinden, die am gemeingriechischen Bundesfrieden Anteil haben 54 . Da Theopomp Ικέτης des Ar-
Heisserer, Greeks 83. Theopomps Lebensdaten sind unsicher. Dem Sudaartikel zufolge κατά την άναρχίαν Αθηναίων geboren - wohl auf 404/403 v.Chr. zu beziehen -, soll er im Jahr seiner Rückkehr aus dem Exil 45 Jahre alt gewesen sein (Suda s.v. Θεόπομπος Χίος ρήτωρ = FGrHist. 115 Τ 1; Phot., Bibl. 176 p. 120 b 19 = FGrHist. 115 Τ 2); vereinbaren läßt sich beides nicht mit der Angabe, Alexander habe Theopomps Rückkehr besorgt; auch die Überlieferung über einen Versuch des Theopomp, am Königshofe des ersten Ptolemäers, also im Ende des vierten vorchristlichen Jahrhunderts, Fuß zu fassen, ließen sich nur dann damit vereinen, wenn wir ein sehr hohes Lebensalter Theopomps voraussetzen dürfen (Phot., Bibl. 176 p. 120 b 19 = FGrHist 115 Τ 2); vgl. Jacoby, FGrHist. II D Komment. zu Τ 1, der die Altersangabe bei Rückkehr aus dem Exil in Τ 2 für Selbstzeugnis, also glaubwürdig, hält. 54
Diod. 17, 23, 6; 17, 29, 1-31, 4, bes. 29, 3; Arrian., Anab. II 1, 1; II 13, 4-6; III 2, 3-7; Syll. 3 283. Vgl. W.G.Forrest, SEG 22 (1967) 506; Guarducci, Epigrafìa II f.; Tod, Selection II 192; Ehrenberg, Alexander 23-30 erklärt die Klauseln dadurch, daß das Edikt vor der Eroberung von Chios erging, den Machthabem der Stadt mitgeteilt werden und Einfluß auf den Gang ihrer Entscheidungen nehmen sollte. Vgl. Laqueur, RE 5 A 2 2176-2223 s.v. Theopomp (9), bes. 2183 f.: 334/333 v.Chr. fiel Chios durch Verrat in Memnons Hände (Arr., Anab. II 1, 1); dahinter stand auch Sparta; "Lakonisten" hießen daher die dies unterstützenden Oligarchen; Alexander internierte später verbannte Chier in Ägypten; da die
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temistempels von Ephesos war und an Alexander, der ihm per Reskript die Rückkehr in die Heimat ermöglichte, Anschreiben schickte, gehört er vielleicht zu den aufgrund von Beschlüssen des Korinthischen Bundes, auf die Alexander in seinem Schreiben eingeht, rechtlos gewordenen Oligarchen, die besondere Anstrengungen unternehmen mußten, um den Makedonen zur Unterstützung ihres Anliegens zu gewinnen. Dies gelang Alkimachos, dem φίλος des Herrschers, indem er rechtzeitig die Seiten wechselte und die Installation der Demokratie unterstützte. Theopomp wird auf ähnliche Weise den Bann gegen seine Familie abgeschüttelt haben: Er besaß alte Beziehungen zum makedonischen Königshaus und schrieb Enkomiastisches über Alexander. Auch Theopomps nach Polybios' Zeugnis so widersprüchliche Urteile über Philipp II. legen es nahe, daß er, zeitweise Philipps Hofhistoriker, nach Weggang vom Hof publizistisch die Gegenseite bezog55. Die Nachrichten über die Ausbildung Theopomps sind unzuverlässig: Das attizistische Urteil schließt aus Ähnlichkeiten des Stils, Theopomp sei Schüler des Isokrates gewesen. Einer der Konkurrenten Theopomps beim Redewettstreit um den Preis der Artemisia, der Witwe des Maussollos von Karien, war Isokrates von Apollonia, der sich mit dem attischen Lehrer verwechseln ließ. Darüber hinaus polemisierte Theopomp nicht nur gegen
chiischen Verbannten aus allen Städten des Korinthischen Bundes verbannt waren und Theopomp beim Heiligtum der Artemis Zuflucht suchen mußte, gehört er nach Laqueur zur Gruppe der Memnon zuarbeitenden Oligarchen. Zur Internierung der Chier in Elephantine Beloch, Gr. G. III 1 636. 55
Phot., Bibl. 176 p. 120 b 19 = FGrHist. 115 Τ 2; Suda s.v. βφορος = FGrHist. 115 Τ 8; Syll. 283, 10 ff.; die Chier konsultierten Alexander in Memphis über die makedonische Besatzung: Curt. IV 8, 12. Theokritos als politischer Gegner Theopomps: Suda s.v. Θεόκριτος Χίος = FGrHist. 760 Τ 1 s FGrHist. 115 Τ 9. Theopomp am Hofe Philipps: Epist. Socrat. 30,12 = FGrHist. .115 Τ 7. Theokritos' von Chios Invektiven gegen Aristoteles als Mann Philipps und des Hermias: Düring, Tradition Τ 58 k; Τ 65 a; Τ 65 b = plut., De exil. X p. 603 C. Zur vermögenden Oberschicht von Chios rechnet Laqueur, RE V A 2,2179 den Theopomp. Pedech, Trois Historiens 19-25 vermutet, Theopomp sei zwischen 338/337 und 333/332 exiliert gewesen. Vgl. Polyb. VIII 10, 7-13, 8 = FGrHist. 115 Τ 19. Philipp hatte nach 343/342 v.Chr. verstärkten Kontakt zur Akademie (Verbindungen zu Hermias, Speusipp, Berufung des Aristoteles, vgl. Rower, Theopompus 22 f.; 32 f.); diese Beziehungen mögen dem Hofaufenthalt des Antiakademikers Theopomp ein Ende gesetzt haben.
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die Pädagogik Piatons, sondern auch gegen die Legitimität des Unterrichtsbetriebes des Isokrates. Diese Polemik, die Möglichkeit der Verwechslung des Isokrates und das stilkritische Motiv der Zusammenordnung von Isokrates und Theopomp machen es nicht wahrscheinlich, daß Theopomp tatsächlich Schüler des Isokrates war56. Theokritos von Chios gehörte einer ähnlichen gesellschaftlichen Position an wie Theopomp und dessen Bruder, denn er heißt wie Theopomp ρήτωρ (politischer Redner). Ausgebildet worden sein soll Theokritos durch den Isokrateer Metrodoros. Seinen Sohn, einen Historiker und Demokriteer, nannte Theokritos "Metrodoros": Er hieß wie der Lehrer seines Vaters; vielleicht auch einer Verwandtschaft des Theokritos mit seinem Lehrer wegen. Immerhin wird Theokritos selbst σοφιστής, Lehrer, genannt57. In Herakleia am Pontos stammen aus dem Kreis der politisch aktiven Familien die Historiker und Literaten Herakleides, Nymphis und Chamaileon.Herakleides Pontikos war Schüler Piatons und - angeblich - auch des Aristoteles. Seine Familie gehörte zu den politisch und materiell tonangebenden in der Stadt: Sie führte sich auf Damis, einen der thebanischen Gründungsväter der Stadt, zurück. Herakleides galt als πλούσιος, der Ποντικός handelte sich seines extravaganten Auftretens wegen den Spitznamen Πομπικός ein. Nachdem der Versuch des Herakleides gescheitert war, in
56
Vgl. Dion. Hal., Ad Pomp. 6 = FGrHist. 115 Τ 20 a); De Isaeo 19 = FGrHist. 115 Τ 20 b); Suda s.v. θεόπομπος Χίος ρήτωρ = FGrHist. 115 Τ 1; Phot., Bibl. 176 p. 121 a 23 = FGrHist. 115 Τ 5 a); Bibl. 176 p. 120 b 30 = FGrHist. 115 F 25 = Τ 3 a). Demosthenes als angeblicher Schüler: Suda s.v. Δημοσθένης = FGrHist. 115 Τ 5 b); Philostrat., Vit. Soph. I 17, 4 = FGrHist. 115 Τ 24. Redewettbewerb der Artemisia: Suda s.v. Θεοδεκτης Αριστάνδρου Φασελίτης έκ Λυκίας = FGrHist. 115 Τ 6 a); Gell., NA Χ 18 = FGrHist. 115 Τ 6 b). Verwechslung der Träger des Namens Isokrates: Porphyr. bei Euseb., Ρ. E. X 3 p. 464 C = FGrHist. 115 F 345. Vgl. Jacoby, FGrHist. II D 351-354. Polemik gegen Piaton: Athen. XI 118 p. 508 C-D = FGrHist. 115 F 259; gegen Isokrates: Phot., Bibl. 176 p. 120 b 30 = FGrHist. 115 F 25; Lob des Hermias von Atarneus aus politischen Gründen: Didym., In Demosth. V 21 = FGrHist. 115 F 250. 57
Suda s.v. Θεόκριτος Χίος = FGrHist. 760 Τ 1. Vgl. Strab. 14, 35 (C 645); Plut., De lib. educ. 14 p. 11 A; Athen. XII 55 p. 540 A. Über Theokritos vgl. R.Laqueur, RE 5 A 2 2025-2027 s.v. Theokritos; Berve, Alexanderreich II 176 f.
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Athen 339 v.Chr. zum Nachfolger des Speusippos in der Leitung der Akademie gewählt zu werden, zog er sich in die Heimatstadt zurück und wirkte dort als Bürger und möglicherweise auch als Lehrer. Die anekdotisch angereicherte Überlieferung berichtet von den angemaßten Ehrungen, die sich cg
Herakleides in Herakleia als Politiker zu erschleichen wußte . Diese Nachrichten über Herakleides zeigen noch Motive literarischer Auseinandersetzungen darüber, welche Lebensform für den Philosophen akzeptabel ist. Als Rest eines ihn in solchen Debatten entlastenden Arguments ist die Stilisierung des Herakleides zum Tyrannenmörder, zum für 59 die Vaterstadt außerordentlich nützlichen Bürger, anzusehen .
58
Vgl. Strab. XII 541 = S.d.A. VII fr. 1; als Vertreter Piatons während dessen Abwesenheit (wahrscheinlich 361/360 v.Chr.) fungierend, Rückführung der Familie auf Damis: Suda H 461 - S.d.A. VII fr. 2 (Vatersname Euthyphron gesichert durch den Namen des Sohnes, Diog. Laert. I 107 = S.d.A. VII fr. 18); Reichtum, Extravaganz, Spitzname: Diog. Laert. V 86 = S.d.A. VII fr. 3; Herakleides als Tänzer: Athen. IV p. 134 Β = S.d.A. VII fr. 10; Lehrer: Diog. Laert. III 46 = S.d.A. VII fr. 4; Acad. philos. Ind. Hercul. ed. Mekler (1910) p. 33 col. VI = S.d.A. VII fr. 5; Xenokrates als Nachfolger Speusipps: Acad. philos. Ind. Hercul. col. VI = S.d.A. VII fr. 9; für Piaton Sammlung der Werke des Antimachos von Kolophon in Kolophon: Proci., In Plat. Tim. 28 C = S.d.A. Wehrli, VII fr. 6. Herakleides kann, wenn er nach der Niederlage bei der Scholarchenwahl Athen verließ, nur vor 347 v.Chr. Aristoteles gehört haben; unsicher ist die Behauptung über Unterricht bei Pythagoreern (Diog. Laert. V 86 = S.d.A. VII fr. 3). Vgl. zu Herakleides Draebritz, RE 8 1 472-484 s.v Herakleides (45), bes. 472-474; Wehrli, RE Suppl. XI 675-686 s.v. Herakleides (45), bes. 675-677; Krämer, in: H.Flashar (Hsg.); Überweg III 88 f.; Gottschalk, Heraclides 1-12. 59
—
Herakleides anscheinend (cf.: δοκει) Tyrannenmörder: Diog. Laert. V 89 = S.d.A. VII fr. 11; Herakleides als Lehrer in Herakleia: Diog. Laert. VII 166 = S VF I p. 93 fr. 422 = S.d.A. VII fr. 12 (zur problematischen Historizität der Beziehung zu Dionysios Metathemenos vgl. Wehrli, Comment. zu fr. 13; ders., RE, aaO. 676 f.); Gottschalk, aaO. 2; Herakleides' erschlichene Ehrung: Diog. Laert. V 91 = S.d.A. VII fr. 14 a); Acad. philos. Ind. Hercul. ed. Mekler (1910) p. 24 col. IX = S.d.A. VII fr, 14 b); p. 26 col. X = S.d.A. VII fr. 15. Herakleides suchte sich durch Mitführung einer Schlange in einer Prozession Attribute des Göttlichen zuzulegen: Diog. Laert. V 89 = S.d.A. VII fr. 16; Suda H 461 = S.d.A. VII fr. 17; zur Topik der Erzählungen über die erschlichene Ehrung, über ihre Beziehung zum Werk des Herakleides selbst und zur Heroisierung vgl. Wehrli, aaO., Comment, zu fr. 14-17. Vgl. Busolt, Staatskunde I 603, Anm. 1; 953 f.: Der Wert von Kränzen war gesetzlich geregelt; die Verkündigung von
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Möglicherweise steht hinter den Nachrichten über eine antityrannische Aktion des Herakleides seine Gegnerschaft zu dem seit 364/363 v.Chr. über Herakleia herrschenden Tyrannen Klearchos. Klearchos hatte die bis dahin in Herakleia herrschendeh Oligarchie entmachtet, und in einem der angeblichen Briefe Chions, der Klearchos schließlich nach zwölfjähriger Herrschaft ermordete, erscheint ein Herakleides als Chions Freund. Da Klearchos jedoch selbst Schüler Piatons war, ist eine einfache Gegnerschaft des Herakleides zu dem Tyrannen, ein Wirken als oligarchischer und antityrannischer Agitator, wenig wahrscheinlich 60 . Auch der Peripatetiker Chamaileon, der eine Generation jünger als Herakleides ist, gehörte zur politisch
aktiven bürgerlichen
Führungs-
schicht Herakleias, sofern er identisch oder verwandt ist mit dem Leiter einer Gesandtschaft Herakleias 281 v.Chr. an Seleukos I. Nikator 61 .
Ehrungen im Theater anläßlich von Festspielen war üblich eigentlich bei der Ehrung von Fremden. Literarische Auseinandersetzungen um Herakleides: Chamaileon von Herakleia warf Herakleides Plagiat vor: S.d.A. VII fr. 12; fr. 176 = 46; Gottschalk, aaO. 2. 60
Diod. 15, 81, 5; lustin. XVI 4-5; Polyain. II 30. Zu Herakleides vgl. Wehrli, S.d.A. VII pp. 59-64 (vermutet Verwechslung mit Herakleides von Ainos, Piatonschüler und Mörder des Odrysenkönigs Kotys; als der Tyrann von Herakleia, noch zu Lebzeiten Piatons, ermordet wurde, befand sich Herakleides wahrscheinlich in Athen; dauernder Aufenthalt in Athen ist aber unsicher; Reisen des Philosophen [nach Kolophon, s.o.], sind belegt, vgl. Wehrli, aaO. und Draebritz, RE, aaO. 473. Die Vermutung, Herakleides' Gegnerschaft zu Klearchos habe ihn nach Athen gehen lassen, ist spekulativ (vgl. Gottschalk, aaO. 4)). Über politische Aktivität von Piatonikern und Zuordnung des Herakleides zum Peripatos Zeller, Philosophie II 1 420; 989 f. 61
Memnon bei Phot., Bibl. p. 226 = FGrHist. 434 F 6 = S.d.A. IX fr. 1. Chamaileon als Pontiker: Wehrli, S.d.A. IX fr. 4; fr. 8; fr. 12; fr. 24; fr. 36; fr. 44; Chamaileon als Herakleote: S.d.A. IX fr, 3; fr. 9; fr. 13; fr. 31; fr. 34; fr. 43. Dazu Wehrli, S.d.A. 69; Wehrli schließt aus der Bezeichnung περιπατητικός für den Herakleoten auf Zugehörigkeit zum Lykeion; Unterricht bei Aristoteles ist möglich. Die Identität des Philosophen mit dem Gesandten akzeptiert Jacoby, FGrHist. III b 274, 29 (nach Wilamowitz und Kaibel), offen läßt die Frage Wendling, RE 3 2 (1899) 2103 f. s.v. Chamaileon (1); ebenfalls skeptischer Wehrli, RE Suppl. XI 368372 s.v. Chamaileon (]). Scorza, in: Riv. Indo-Greco-Italiana di filologia-lingua-antiquità 18 (1934) 1-48, bes. 1 f. lehnt die Identifizierung ab: Chamaileons Plagiatsvorwurf gegen seinen Landsmann Herakleides (Diog.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker Nymphis ist ein Geschichtsschreiber Alexanders und der Diadochen,
sowie der herakleotischen Lokalgeschichte. Er wird in einem der vorgeblichen Chionbriefe als Freund des Chion und συγγενής des Tyrannen Klearchos vorgestellt62. Tatsächlich gehört Nymphis zur politisch aktiven und literarisch gebildeten Oberschicht Herakleias: Sein Vater Xenagoras ist vielleicht der Verfasser eines chronographischen Werkes, das in der Tempelchronik von Lindos zitiert wird, Nymphis besaß unter den vor 281 v.Chr. exilierten Herakleoten besondere Autorität und fungierte 250 v.Chr. als «
Leiter einer Gesandtschaft an die Galater . Seinen Einfluß unter den Exulanten macht Nymphis zum Ausgleich der Ansprüche der Exulanten und der herakleotischen Mehrheit geltend. Man hat diese kluge Ausgleichspolitik als Wirkung eines peripatetischen Einflusses auf Nymphis deuten wollen, doch fehlt für einen solchen der Beleg. Duris berät bei dieser Gelegenheit bereits die Generation der Nachkommen der ursprünglichen Exulanten, der πρόγονοι: Dies muß nicht heißen, daß auch Nymphis selbst bereits im Exil geboren ist64. Die zwei Historiker aus Lampsakos, deren Hintergrund bekannt ist, Anaximenes und Idomeneus, sind Beispiele für zwei in spätklassischer und frühhellenistischer Zeit aufeinandertreffende Lebensformen für Gebildete: Während Anaximenes in Athen Rhetorik lehrte und in Verbindung mit dem
Laert. V 6-7 = S.d.A. IX IX fr. 46), der kurz nach 388 v.Chr. geboren wurde, lasse Chamaileon als jüngeren Zeitgenossen des Herakleides erscheinen; er sei zu alt, um im Jahre 281/280 v.Chr. als Gesandter an Seleukos fungiert zu haben. Wirklich ausgeschlossen wird die Identität durch das Argument von Scorza aber nicht. Zu Chamaileon vgl. auch Wehrli, in: Flashar (Hsg.), Überweg III 555. 62
[Chion], Epp. 13, 3 = FGrHist. 432 Τ 2. Dazu Jacoby, FGrHist. III b 259 mit Anm. 5. 63
Suda s.v. Νυμφις {Νυμφιδος} Ξεναγόρου, Αρακλεώτης έκ Πόντου, ίστορικός. Περί Αλεξάνδρου και των Διάδοχων και έπιγόνων βιβλία κδ- Περί ήρακλειας βιβλία ιγ· ε^ει δέ μέχρι της καθαιρέσεως των τυράννων t Τα μετά τους έπιγονους και μέχρι του τρίτου Πτολεμαίου. 64
Anders Laqueur, RE 17 2 (1937) 1608-1623 s.v. Nymphis, bes. 1608. Et. M. p. 221, 26 = FGrHist. 432 F 19 erwähnt ΙΝυμφίας ö φιλόσοφος (Korruptel). Peripatetischen Einfluß vermuten Christ u. Schmid u. Stählin, Literatur II 1 210; dagegen Jacoby, FGrHist. III b 259 mit Anm. 8.
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makedonischen Hof stand, lebte Idomeneus in seiner Heimat als Angehöriger der wohlhabenden lampsakenischen Oberschicht, in deren Kreisen Epikur nach 310/309 v.Chr. für fünf Jahre verkehrte; zuvor hatte Idomeneus wahrscheinlich im Dienste eines Herrschers gestanden (s.u. S. 272). Anaximenes war ρήτωρ bzw. σοφιστής; er wurde in Olympia von seiner Heimatstadt geehrt - daran knüpfte sich die aitiologische Legende von seiner Rettung der Stadt Lampsakos durch seine Schlagfertigkeit Alexander gegenüber. Eher mag man darin eine Ehrung durch die Heimatstadt für Siege bei den panhellenischen Festspielen sehen65. Anaximenes' Familie gehörte zur gebildeten Oberschicht von Lampsakos; ein gleichnamiger Sohn der Schwester des Verfassers der Ελληνικό, Πρωται ίστορίαι, Περί Φίλιππον ϊστορίαι, Τα περί Αλεξάνδρον, Περί όμηρου und des Τρικάρανος war ebenfalls Geschichtsschreiber66. Unterrichtet worden sein soll Anaximenes durch Diogenes von Sinope und Zoilos von Amphipolis. Gesichert sind diese Angaben nicht. Zoilos und Diogenes kennt die Tradition vor allem als Streiter gegen herrschende Konventionen. Das attizistische Stilurteil vergleicht Zoilos mit Anaximenes und dürfte daraus eine Schülerschaft abgeleitet haben; Anaximenes schrieb, wie Zoilos, Über Homer. Eine Diogenesanekdote läßt Diogenes sich zum erfolgreichen, wohlgenährten Anaximenes in Gegensatz stellen; auch daraus kann eine Schülerschaft abgeleitet worden sein. Ausgeschlossen sind die Schülerverhältnisse allerdings nicht. Die biographische Überlieferung über Anaximenes ist allerdings wenig vertrauenserweckend: Er soll Alexanders Lehrer gewesen sein, hat tatsächlich wahrscheinlich in Athen unterrichtet67. Sehr viel deutlicher als Anaximenes gehörte Idomeneus zur politischen und gesellschaftlichen Führungsschicht von Lampsakos. Er war Mitglied eines Kreises von φίλοι um Epikur, allesamt άριστοι von Lampsakos.
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Pausan. VI 18, 2 = FGrHist. 72 Τ 6.
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Diog. Laert. II 3 = FGrHist. 72 Τ 3.
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Vgl. Suda s.v. Αναξιμένης Αριστοκλέους Λαμψακηνός = FGrHist. 72 Τ 1 ; Dion. Hal., De Dem. 8 = FGrHist. 72 Τ 23; Suda s.v. Δημοσθένης; Pausan. VI 18, 2, 3 = FGrHist. 72 Τ 6; Jacoby, FGrHist. II C 103-106.
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Man war untereinander verwandtschaftlich verbunden: Idomeneus war mit Bâtis verheiratet, der Schwester des Epikureers Metrodoros von Lampsakos. Dieser heiratete Epikurs Geliebte Leontion, mit der er einen Sohn Epikur hatte. Auch der lampsakenische Epikureer Leonteus nannte seinen Sohn nach dem Lehrer, so, wie Theokritos von Chios seinen Sohn wie der Landsmann 68
und Lehrer Metrodoros genannt hatte . Eine politische und gesellschaftliche Führungsposition des Idomeneus in Lampsakos setzt ein Brief voraus, den Epikur seinem Anhänger sandte, um ihn zu überlegter Mäßigung aufzurufen. Seneca zitiert, Epikur habe in dem brieflichen Vermächtnis kurz vor seinem Tode Idomeneus von der vita gloriosa zu einer fidelis et stabilis gloria rufen wollen. Idomeneus habe eine besondere Machtposition aufgrund seiner Beziehungen zu einem rex eingenommen69. Idomeneus und der aristokratische Kreis der Männer um Epikur waren wohlhabend genug, ihren Lehrer regelmäßig finanziell zu unterstützen. Man pflegte untereinander gegenseitiges Nehmen und Geben; Epikur bat noch 70 auf dem Totenbett darum, die Kinder des Metrodoros zu versorgen . Auch die literarische Produktion des Idomeneus verrät eine aristokratische Attitüde: Als Epikureer wendet er sich gegen die Rhetorik als Lehre und Technik der politischen Partizipation. Er zeichnet auch So-
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Strab. 13, 1, 19 p. 589 = FGrHist. 338 Τ 1 a). Vgl. Diog. Laert. X 23 = FGrHist. 338 Τ 1 b); X 25 = FGrHist. 338 Τ 2. Über die Genannten Kroll, RE 15 2 1477-1480 s.v. Metrodoros (16); Capelle, RE 12 2 2038 f. s.v. Leonteus (2); Geyer, RE 12 2 2047 f. s.v. Leontion (1). Vgl. Theokritos von Chios = FGrHist. 760; Metrodoros von Chios = FGrHist. 43 = F.d.V. 70. 69 Seneca, Epp. 21, 3 = FGrHist. 338 Τ 3 a); 22, 5 = FGrHist. 338 Τ 3 b); Diog. Laert. X 22 = FGrHist. 338 Τ 4. 70
Plut., Adv. Colot. 18 p. 1117 D; Diog. Laert. X 5; X 23; Athen. VII p. 279 F; Senec., Epp. 98, 9; 99, 25; Usener, Epicurea 141-144, bes. fr. 130. Dazu FJacoby, RE 9 1 910-912 s.v. Idomeneus.
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krates als Lehrer der verachteten Rhetorik, attackiert die Sokratik generell und kritisiert den Typus des Demagogen als Produkt falscher Politik in Athen71. Die beiden Historiker mit dem Namen Daimachos aus Plataiai gehörten wahrscheinlich auch zu einer politisch führenden Familie, denn der Stratege Plataias von 428/427 v.Chr. war Sohn eines Daimachos72. Der ältere der beiden Autoren aus dieser Familie schrieb ein zeitgeschichtliches Werk, eine Quelle wahrscheinlich für Ephoros' Behandlung der boiotischen Geschichte. Der jüngere Namensvetter und wahrscheinliche Verwandte verfaßte wahrscheinlich die Πολιορκητικά υπομνήματα. Dieser jüngere Daimachos stand im Dienste Antiochos' I. Nähere biographische Informationen über den älteren Historiker fehlen; es fehlt auch die stichhaltige Begründung für seine Identifikation mit dem anonymen Verfasser der 73
Hellenika von Oxyrhynchos durch Jacoby . Der jüngere Daimachos bietet als
" Diog. Laert. II 19 = FGrHist. 338 F 16; Schol. Aristoph., Vesp. 947 = FGrHist. 338 F U Lex. Rhet. p. 249, 32 Bkr. = FGrHist. 338 F 2. Vgl. Theopomps Τα περί των Αθήνησι δημαγωγών als Teil der Φιλιππικά (FGrHist. 115 F 85-100), die Καταδρομή της Πλάτωνος διατριβής (FGrHist. 115 F 259) und Stesimbrotos' von Thasos Περί Θεμιστοκλέους και Θουκυδίδου και Περικλέους (FGrHist. 107 F 1-11). Dazu Jacoby, FGrHist. III b 84 f. Skeptisch gegenüber einer Identifikation des Idomeneus von Lampsakos mit Idomeneus, Verfasser einer Ιστορία των κατά Σαμωθράικην (Suda s.v. Ιδομενεύς = FGrHist. 547 Τ 1; Schol. Apoll. Rhod. I 916/8 a = FGrHist. 546 F 1 a)): Jacoby, FGrHist. III b 470. 72
Thuk. III 20, 1: ... και Εύπομπίδου του Δαιμάχου, δς και έστρατήγεν Dazu Jacoby, FGrHist. II C 3. 73
Porphyr, bei Euseb., P. E X 3 p. 464 Β = FGrHist. 65 Τ 1 a); p. 467 D = FGrHist. 65 Τ 1 b). Πολιορκητικά υπομνήματα.· Athen., Π. μηχαν. prooim. p. 5, 11 = FGrHist. 65 F 3; Steph. Byz. s.v. Λακεδαίμων = FGrHist. 65 F 4. Jacobys Argument für den älteren Daimachos als Verfasser des belagerungstechnischen Werkes ist nicht stichhaltig: FGrHist. 65 F 3 zähle chronologisch auf, also sei Daimachos der älteste (Jacoby, FGrHist. II C 4). Der Text selbst ist jedoch korrupt, der Schluß beruht auf der emendierten Stelle. Unsicher ist, ob einer der beiden Autoren aus Plataiai Περί εύσεβείας schrieb: Plut., Lys. 12) = FGrHist. 65 F 8. Ein Platoniker (?): Diog. Laert. I 30 = FGrHist. 65 F 6: Δαίδαχος δ' ό Πλατωνικός και Κλέαρχος φιάλην άποσταλήναι ύπό Κροίσου Πιττακώι, και οΰτω περιενεχθήναι (Jac., αρρ. crit.: Δαίμαχος Cas(aubonus) δαίδαχος (δαίδαλος aus -χος F) Diog Πλαταιικός Cas πλατωνικός Diog). Zu Möglichkeiten der Identifikation vgl. S. 461; Jacoby, FGrHist. II C 3 f.; 6 f.
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Gesandter im Dienste des Antiochos Soter ein Beispiel eines Mannes aus politisch und gesellschaftlich führender Familie, der sein persönliches Fortkommen an einem der Diadochenhöfe gesucht hat. Daimachos hielt sich in Indien als Botschafter an den Nachfolger Candraguptas, Vindusara Amitroghata, auf und schrieb darüber74. Aus dem äolischen Elaia stammte der Sophist Alkidamas, der die Ausbildung des Gorgias genossen haben und zum Erben seiner Schule geworden sein soll. Wenn dies zutrifft, müssen die Eltem des Alkidamas wegen der hohen Gebühren, die Gorgias für einen Kurs verlangte, über erhebliche Mittel verfugt haben. Es ist allerdings nicht sicher zu entscheiden, ob diese Angaben nur Extrapolation eines Urteils über die literarische Hinterlassenschaft und das Wirken des Alkidamas in eine pseudobiographische Tatsache darstellen, denn Alkidamas wandte sich ausdrücklich Isokrates' Lehre des nach schriftlichen Konzepten Redens und betonte dagegen den Wert rhetorischer Improvisation. Eine Bewertung als wahrer Gorgianer kann so leicht in eine Schülerschaft umgedeutet sein. Bereits der Vater des Alkidamas hat bereits am sophistischen Ausbildungsbetrieb teilgenommen: Alkidamas verfaßte als Hauptwerk das Μουσείον, eine Sammlung von Biographischem und Anekdotischem zur Bereicherung der Reden; sein Vater Diokles hinterließ Μουσικά: Wahrscheinlicher, als daß der Eleier die Schule des Gorgias besuchte und fortsetzte, ist, daß es die Arbeit des eigenen Va75
ters war, die er weiterbetrieb . Aus Mytilene auf Lesbos stammte der Alexanderhistoriker Chares, είσαγγελεύς am Hofe des großen Makedonen nach der Einführung des persischen Hofzeremoniells. Wahrscheinlich ent-
Uber Daimachos RE 4 2 2008 f. s.v. Daimachos (2); Olshausen, Prosopographie 171 f.; Schwarz, in: Stiehl u. Stier (Hsgg.), FS F.Altheim 293-304. 75
Suda s.v. Αλκιδάμας; s.v. Γοργίας; s.v. Δημοσθένης,· Dion. Hal., De Isaeo 19; Athen. XIII p. 592 C; Tzetz., Chil. XI 670; XI 746. Honorare und Reichtum: Diod. 12, 53, 2; Ailian., Vor. Hist. 12, 32; Pausan., 10, 18, 7; Cic., De orat. III 129; Plin., Ν. H. 33, 83. Alkidamas als Gegner des Isokrates: Broszka, RE 1 2 1533-1539 s.v. Alkidamas (4), bes. 1533 f.; Pfeiffer, Philologie 73 f.; Mazzarino, Pensiero 370.
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stammte er einer Familie der Oberschicht der Stadt . Hereas von Megara bearbeitete die lokale und sagenhafte Überlieferung in seinen Μεγαρικά. Ein delischer Theore mit diesem Namen wird von Jacoby mit dem Historiker identifiziert; möglich ist auch eine Beziehung zu einem Heragoras, Verfasser von Μεγαρικά. Der Name des Hereas ist in Megara nicht selten belegt: Dies macht die von Jacoby vorgeschlagene Identifizierung nicht eben wahrscheinlich. Umso eher wird Hereas von Megara der politischen und gesellschaftlichen Führungsschicht entstammen, aus der die meisten Lo77 kalhistoriker kommen . Wohl aus der Oberschicht von Kos stammte Makareus, Verfasser von Κωιακά: Sein Name ist auf Kos inschriftlich belegt78. Ähnlicher Herkunft dürfte der Rhodier Polyzelos sein, Verfasser von Ροδιακά (Ιστορίαι); in der Anagraphe von Lindos erscheint der Name einmal als der eines Spenders für den Wiederaufbau des Athenaheiligtums nach dessen Brand, zweimal als Name der Väter von Spendern79. Ein Historiker aus der politischen und gesellschaftlichen Führungsschicht von Byzanz war wahrscheinlich Leon, der Τα κατά Φίλιππον και το Βυζάντιον, Περί Βησαίου und angeblich auch Τα κατ' Αλεξανδρον schrieb. Die Vita in der Suda identifiziert den Verfasser dieser historischen Schriften mit einem byzantinischen Politiker, einem Absolventen der Akademie, συνηθής des Phokion und maßgeblichen Leiter des byzantinischen Widerstandes gegen Philipp II. 340 v.Chr. Dieser Mann kann aber über Alexander nicht geschrieben haben, denn er beging Selbstmord, als Philipp den
Zu unterscheiden vom Söldnerkommandanten, der zeitweise Mytilene beherrschte (vgl. Berve, Alexanderreich II Nr. 819-820. Zu Chares Pearson, Lost Histories 50 ff. 77
Vgl. Plut., Thes. 20 = FGrHist. 486 F 1; Schol. Apoll. Rhod. 1, 211/5 c = FGrHist. 486 F 3. Der Theore: IG VII 39. Zu Hereas und den Trägem des Namens in Megara: F.Jacoby, RE 8 1 (1913) 621 s.v. Hereas; Jacoby, FGrHist. III b 394 f. 78
Athen. 6, 81 p. 262 C = FGrHist. 456 1 a); 13, 44 p. 639 D = FGrHist. 456 1 b). Dazu Jacoby, FGrHist. III b 306. 79
Polyzelos als Rhodier: Plut., Solon 15, 7 = FGrHist. 521 F 8; Hygin., Astron. 2, 14 = FGrHist. 521 F 7. Die Spender: Inscr. Lindos 51. Dazu Jacoby, FGrHist. III b 432.
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Byzantinern einen kompromittierenden Bestechungsbrief zukommen ließ. Wahrscheinlich schreibt der Sudaartikel diesem Politiker Schriften zu, die einem gleichnamigen Peripatetiker gehören. Es ist auch möglich, daß der Historiker Leon ein jüngerer Verwandter des byzantinischen Politikers war, vielleicht auch aus dessen Aufzeichnungen schöpfen konnte, denn der Angaben über die verschiedenen Männer vermengende Artikel der Suda gibt als Vatersname Leons "Leon" an. Der Historiker entstammt dann, wie sein älterer Verwandter, der gesellschaftlichen Führungsschicht und hat sich, 80
wie dieser, in Athen philosophisch gebildet . Aristippos von Kyrene konnte es sich leisten, eine Zeit lang im Kreis der Schüler um Sokrates zu leben und Unterricht bei dem Sophisten Protagoras zu nehmen; er war daher wahrscheinlich nicht unvermögend. Anders als die Mehrheit der Sokratiker, sah er sich dann jedoch gezwungen, von dem Gelernten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er gab nach Art der Sophisten öffentliche Vorlesungen und lebte zeitweise bei Dionysios I. Aristippos trug dies den Vorwurf persönlicher Abhängigkeit ein: Er sei δια πενίαν an den syrakusanischen Hof gegangen. Die Überlieferung zeich-
Über Leon: Suda s.v. Λέων Λέοντος Βυζάντιος = FGrHist. 132 Τ 1 (verzeichnet auch Werke des Rhetors Leon von Alabanda unter den Schriften des Byzantiners); Philostrat., Vit. Soph. I p. 485; Plut., Ρ hoc. 14, 4; Praecept. rei public, ger. 8 p. 804 Α; Συμπ. 2, 1 p. 633 C-Ε. Dazu Jacoby, FGrHist. II D 444 f.; Pearson, Lost Histories 254; Bux, RE 12 2 20082012 s.v. Leon von Byzanz, Wehrli, in: Flashar (Hsg.), Überweg III, 459600, bes. 532; Berve, Alexanderreich II 235 (lehnt Historizität des Selbstmordes ab, identifiziert den Politiker mit dem historischen Literaten). Jacoby, FGrHist. II D 444 hält eine Identität Leons mit dem Vater von Melantas und Pankreon für möglich, denen Theophrast seinen häuslichen Besitz vermachte (Diog. Laert. V 51; vgl. auch Wehrli, aaO. 532). Dies ist unwahrscheinlich: Theophrasts Vater hieß, wie einer der testamentarisch begünstigten Söhne jenes Leon, Melantas. Der Vater der beiden Erben war wahrscheinlich der Bruder des Vaters des Theophrast, also nicht Byzantiner; Theophrast selbst war kinderlos und unverheiratet, konnte also nicht an eigene Nachkommen vererben (vgl. O.Regenbogen, RE Suppl. VII 1354-1562 s.v. Theophrast (3), bes. 1357).
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net den Philosophen, der als Sophist lebte, als reichen Mann, der ein auschweifendes Leben führt. Aristippos' Tochter Arete war später die phi81
losophische Lehrerin ihres Sohnes Aristippos, von Aristipps Enkel . Der Magnete Antipatros beschrieb die έλληνικαί πράξεις in einer für Philipp II. von Makedonien günstigen Weise. Speusippos, Neffe und Nachfolger Piatons, versuchte Antipatros am makedonischen Hof zu protegieren. Er schreibt, Antipatros sei in seiner Heimat Unrecht widerfahren - wahrscheinlich wurde er ins Exil getrieben - und bittet Philipp, Antipatros zu unterstützen. Als Mitglied der platonischen Akademie und wahrscheinlich auch Exulant aus Magnesia wird Antipatros der Führungsschicht seiner 82 Vaterstadt angehört haben . Der Genealoge Damastes von Sigeion wird durch die biographische Überlieferung ausdrücklich in die Reihen der "Reichen" von Sigeion gestellt. Damastes soll Schüler des Hellanikos gewesen sein: Diese Angabe ist verdächtig, da sie zunächst im Kontext einer Stilbewertung auftaucht. Dies trifft auch die Bestimmung der Lebenszeit des Autors, dessen Wirken 83 Jacoby auf Ende des fünften Jahrhunderts herabdatiert . Der Oberschicht ihrer Heimatstadt Kardia entstammten wahrscheinlich Eumenes und Hieronymos. Da Eumenes Sohn eines Hieronymos war, dürften beide verwandt gewesen sein. Duris läßt Eumenes ganz und gar eine Kreatur Philipps sein: Philipp habe den Sohn eines Fuhrmannes zufällig als Faustkämpfer unter den Jugendlichen von Kardia entdeckt und in seinen
Vgl. Diog. Laert. II 3 = FGrHist. 759 Τ 1; Suda s.v. Αρίστιππος (2). Zu den Zeugnissen: Natorp, RE 2 1 902-906; Giannantoni, Cirenaici 13-73; Mannebach Fragmenta; Zeller, Philosophie II 1 336-368. Dem Hedonisten Aristippos schrieb man ein ausschweifendes Leben zu, (Zeller, aaO. 361364). 82
Epist. Socrat. 30 = FGrHist. 69 Τ 1 s Bickermann u. Sykutris, Brief 7-18. Dazu Bickermann u. Sykutris, ebda. 18 ff.; Jacoby, FGrHist. II C 21. Zum propagandistischen Zweck des Briefes und des Werkes Hammond u. Griffith, Macedonia 514 f. 83 Suda s.v. Λαμάστης = FGrHist. 5 Τ 1: Σιγιεύς άπό Σιγείου της Τρωάδος, Διωξίππου υιός, γεγονώς προ των Πελοποννησιακών, σύγχρονος Ηροδότωι, των πλουσιωτάτων, ιστορικός ... γεγονε δε έλλανίκου μαθητης; Dion. Hal., De Thuc. 5 = FGrHist. 5 Τ 2. Dazu Jacoby, FGrHist. I a 475 f.
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Dienst genommen. Glaubwürdiger ist die Version, derzufolge bereits der Vater des Eumenes, Hieronymos, φίλος und ξένος des makedonischen Herrschers gewesen sein soll. Diese Beziehungen zum makedonischen Hof gaben den Anlaß für die Berufung des Sohnes zum königlichen φίλος und γραμματεύς. Daß bereits Eumenes' Familie zu den in Kardia führenden Kreisen gehörte, macht auch die Mitteilung Plutarchs wahrscheinlich, Eumenes habe vom Vater her in politischer Feindschaft zu Hekataios, dem Tyrannen von Kardia, gestanden: Bereits Eumenes' Vater dürfte als Exulant an den Hof 84
Philipps gegangen sein, dessen Gastfreund er war . 6)
Angebliche Sklaven Von einer Reihe von Historikern wird überliefert, sie seien aus dem
Sklavenstande zu herausgehobener Stellung aufgestiegen. Sehr oft ist zu beobachten, daß diese Nachrichten im gleichen Zusammenhang überliefert werden wie Nachrichten über den Erfolg der Männer bei Hofe: Diese Historiker, beispielsweise Demetrios von Phaleron, werden durch die Behandlung als Aufsteiger aus dem Stande rechtlicher Unfreiheit als Abhängige diffamiert.
Arrian., Ind. 18. Plut., Eumen. 1 = FGrHist. 76 F 53 . Gleiche Tradition von Eumenes' sozialem Aufstieg von Philipps Gnaden: [Dio Chrys.], or. LXIV 23; Ailian. Var. Hist. XII 43. Dazu Jacoby, FGrHist. II C 125. Com. Nep., Eumen. XVIII 1, 4-6 = FGrHist. 117 Τ 2 a); Plut., Eumen. 1. Eumenes als Opponent des Hekataios: Plut., Eumen. 3. Eumenes als Opponent gegen den Tyrannen Hekataios an den makedonischen Hof gegangen: Homblower, Hieronymus 8-10. Skeptisch gegenüber der Feindschaft gegen den Tyrannen: Kaerst, RE 6 1 (1907) 1083-1090 s.v. Eumenes (4), bes. 1084. Vgl. Berve, Tyrannis 314 f.: Eumenes habe versucht, den promakedonischen Tyrannen Hekataios durch Alexander stürzen zu lassen. Hieronymos heißt "Freund und Mitbürger des Eumenes"; eine Verwandtschaft ist nicht direkt überliefert. Eumenes' Vatersname und Hieronymos' Dienst für Eumenes nach Alexanders Tod, sowie Eumenes' vorteilhafte Zeichnung durch den Historiker machen Köhlers Vermutung einer Verwandtschaft wahrscheinlich. Vgl. Diod. 18, 50, 3. Dazu Jacoby, FGrHist. II D 544 f.; ders., RE 8 2 15401560 s.v. Hieronymos (10); Hornblower, Hieronymus 8-11; Ohlshausen, Prosopographie 3 f.; 92 f.; Berve, Alexanderreich II Nr. 383 (akzeptiert die Verwandtschaft); Köhler, Diadochengeschichte 557-588, bes. 558 Anm. 1; Seibert, Diadochen 207 ff.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
Theophrast, Aristoteles* Schüler und Vertrauter, soll als Sklave geboren worden sein. Sein Vater Melantas sei Walker, Theophrasts ursprünglicher Name Tyrtamos gewesen. Diesen habe Aristoteles in den theophoren Namen geändert wegen Theophrasts Redegabe. Eine Erklärung für diesen Vorgang läßt sich aus der Überlieferung nur schwer begründen: Vielleicht hat Aristoteles
seinen
langjährigen
Begleiter
schließlich
adoptiert,
denn
Theophrast konnte nach dem Tode des Aristoteles testamentarisch über Besitz in Stageira, der Heimat des Aristoteles verfugen, den er also möglicherweise geerbt hatte. Verheiratet war er nicht, direkte Nachkommen des Philosophen sind nicht bekannt. Einen Teil seiner Habe vermachte Theo85
phrast seinen Verwandten - wohl Neffen - Melantas und Pankreon . Daß Theophrast tatsächlich ein freigelassener Sklave war, ist unwahrscheinlich. Dagegen spricht, daß der überlieferte Name seines Vaters (Melantas) der durch das Testament gesicherte Name eines seiner Verwandten ist. Dagegen spricht auch, daß es über den Philosophen heißt, er habe seine Heimat zweimal von Tyrannen befreit, denn diese Nachricht legt es nahe, daß es polemische Auseinandersetzungen in der Überlieferung über den Philosophen gab, der nicht die Möglichkeit nutzte, als Bürger seiner Stadt zu wirken, sondern in die Fremde ging. Zur Entschuldigung der Apodemie des Gebildeten wird in der biographischen Überlieferung über mehrere frühhellenistische Philosophen berichtet, sie hätten gerade dadurch ihrer Vaterstadt genützt. Auch, daß als erster Lehrer Theophrasts der
Diog. Laert. V 36; der Name des Vaters auch im Testament Theophrasts Diog. Laert. V 51. Theophrast sollte unter bestimmten Bedingungen nach Aristoteles* Testament begünstigt werden: Diog. Laert. V 11-16; Testament Theophrasts: Diog. Laert. V 51-57; vgl. I.Düring, RE Suppl. XI (1968) 159-336 s.v. Aristoteles, bes. 179-181.; O.Regenbogen, RE Suppl. VII 1354-1562 s.v. Theophrastos (3), bes. 1357-1360, der plausibel Leon, den Vater von Melantas und Pankreon, den Erben Theophrasts, den Bruder von Theophrasts Vater Melantas sieht. Gottschalk, in: Hermes 100 (1972) 314342 vermutet, Theophrast habe als Erbe des früh im Krieg gefallenen Nikanor über den Besitz in Stageira verfügen können. Zum Namenswechsel: Strab. XIII 2, 4; in der Überlieferung mit der Kraft der Rede Theophrasts motiviert: Cic., Orot. 62; Quintil., Inst. X 1, 83; Plin., N. H. praef. 29. Vgl. Suda s.v θεοφράστος Μελάντα γνάφεως, oi δέ Λέοντος, άπό έρεσσοΰ ... ούτος πρότερον έκαλειτο Τύρταμος. δια δε το θείως φράζειν ύπ' Αριστοτέλους έκλήι3η Ευφραστος, αϊτα Θεόφραστος ...
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Eresier Alkippos genannt wird, macht es wahrscheinlich, daß Theophrast der bürgerlichen Oberschicht von Eresos angehörte, nicht dem Sklaven86
stand . Die große Zahl der von Lesbos stammenden Peripatetiker macht einen Kreis von Männern ähnlicher Herkunft wahrscheinlich, in dem sich Aristoteles, nachdem er Assos verlassen hatte, aufhielt. Mit Phainias von Eresos, von dem es heißt, er habe mit Theophrast die Heimat von Tyrannen befreit, stand der Philosoph in besonders engem, auch brieflichem, Kontakt: Theophrast entstammte der politisch aktiven Oberschicht seiner Heimat; er war kein Sklave 87 . Die biographische Überlieferung über den Stoiker Persaios von Kition und über den Wanderphilosophen Bion von Borysthenes stellt diese zwei Literaten als Sklaven hin. Der Zenonschüler Persaios soll als Schreibsklave dem Zenon durch Antigonos übersandt worden sein. Wie für Theophrast, wird auch für diesen angeblichen Aufsteiger bei Hofe ein theophorer Übername erwähnt; wie für Theophrast, so ist auch für Persaios aber auch ein Vatersname überliefert: Bion soll einmal eine Ehrenstatue mit der Aufschrift Περσαΐον Ζήνωνος Κ ιτιά gesehen und Persaios in einem Wortspiel als Zenons οίκέτης lächerlich gemacht haben. Persaios war also möglicherweise Sohn oder Adoptivsohn des großen Philosophen von Kition, als dessen Sklaven ihn die Überlieferung führt: Aus Polemiken um seine Gestalt wie der Bions wird über Nikias von Nikaia und Sotion die angeblich sklavische
Plut., Adv. Colot. 33, 3 p. 1126; Non posse suav. νίν. 15, 6 p. 1097. Lehrer Theophrasts: Diog. Laert. V 36; vgl. Regenbogen, aaO. 13571359. S.S. 264. 87 Peripatetiker von Lesbos: Theophrast, Phainias, Praxiphanes, Echekratidas von Methymna, wahrscheinlich auch Melantas und Pankreon. Dazu Regenbogen, aaO. 1357. Beginn der Zusammenarbeit von Aristoteles und Theophrast in Mytilene: I.Düring, RE Suppl. XI 159-336 s.v. Aristoteles, bes. 178 f. Beziehungen zwischen Theophrast und Phainias: Strab. XIII p. 618 = S.d.A. IX fr. 2; Diog. Laert. V 50 = S.d.A. IX fr. 3; Theophrast über die Mühen des Lehrbetriebes: Diog. Laert. V 37 = S.d.A. IX fr. 4; Schol. Apoll. Rhod. A p. 972 a = S.d.A. IX fr. 5; Vit. Arist. Marc. fr. 430 R = S.d.A. IX fr. 6; dazu Wehrli, S.d.A, 27 f.; Regenbogen, aaO. 1359. Angebliche Befreiung Eresos' von Tyrannen: Plut., Contr. Epic, beatit. p. 1097 b = S.d.A. IX fr. 7; Adv. Colot. p. 1126 f. Vgl. Wehrli, S.d.A. IX p. 27 f. zu den verwirrten Berichten.
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Herkunft des Persaios in die Philosophiegeschichte eingedrungen sein. Tatsächlich war der Stoiker kein Sklave. Die Überlieferung zeigt Bion und Persaios als Antagonisten, die sich gegenseitig als Sklaven und also als 88
abhängig entlarven . Auch der Homerkritiker Zoilos von Amphipolis soll einmal ein Sklave gewesen sein. Diese Nachricht taucht erst in einer polemischen Quelle der Prinzipatszeit auf; sie ist gekoppelt mit Anekdoten, die das Scheitern des gegen "den Dichter" Kämpfenden exemplarisch zeigen. Erfolglos soll der Mann versucht haben, am ptolemäischen Hof eine Anstellung zu erhalten: Der König habe geäußert, Homer biete allen Nahrung, von der Zoilos offenbar im Überfluß besitze. Alexander soll Zoilos' Werk ins Wasser geworfen haben - eine Dublette zu einer Anekdote über den "schmeichlerischen" Geschichtsschreiber Aristobulos von Kassandreia: Die mangelnde persönliche Unabhängigkeit des Autors wird betont. Ebenfalls in diesen Zusammenhang zu stellen ist die Mitteilung, Zoilos sei wegen seiner antihomerischen Aktivitäten von den Skironischen Felsen gestürzt worden. Diese Nachricht ist alles andere als historisch unverdächtig: Der Absturz soll als Strafe der Homerkritik erscheinen, obwohl die Regel, nach der eine derartige Todesstrafe auf Homerkritik folgt, nicht angegeben wird. Ein Zusammenhang zwischen beidem besteht eigentlich nicht. Zwar können 88
Vgl. S. 456. Diog. Laert. VII 36 = S.V.F 435 = FGrHist. 584 Τ 1; Suda s.v. Περσαϊος Κιτνεύς = S.V.F 463 = FGrHist. 584 Τ 2; Philodem., Ind. Stoic. Hercul. col. XII 3 = S.V.F 437 = FGrHist. 584 F 5. Fälschlich als Erzieher des Antigonos Gonatas: Ailian., Var. Hist. II 17 = S.V.F 439; Diog. Laert. VII 6 = S.V.F. 439. Kontroverse von Persaios und Philonides mit Bion dem Borystheniten: Diog. Laert. V 46-47 s S.V.F 459; Athen. IV p. 162 b = S.V.F 452; Entsendung durch den Lehrer: Diog. Laert. VII 9 = S.V.F. 439. Über Persaios vgl. Jacoby, FGrHist. III b 620-622; Deichgräber, RE 19 1 926-931 s.v. Persaios (1), bes. 927 f. Über die angeblich sklavische Abkunft des Persaios vgl. Susemihl, Alexandrinerzeit I 68-71: Die Nachricht von seiner Sklavenherkunft entstand durch die Situation der Konkurrenz, in der er bei Hofe als politischer Berater des Antigonos Gonatas stand, insbesondere aus der Äußerung Bions des Borystheniten (Athen. IV p. 162 D); Susemihl führt die Nachricht von Persaios' Überleben und Flucht bei der Einnahme von Akrokorinth durch Arat auf Hermippos zurück; sein Tod in der Schlacht sei die glaubwürdigere Variante. Über Nikias von Nikaia vgl. Philippson, RE Suppl. VII 569 f. s.v. Nikias (26 a).
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dem Felssturz und einer rechtlichen Verfolgung unabhängig voneinander geschichtliche Tatsachen zugrundeliegen, aber einen ursprünglichen Zusammenhang stellen sie wahrscheinlich nicht dar. Allerdings ist es wahrscheinlich, daß der Rhetor Zoilos mit seiner Kunst nicht nur bei Hofe den Erfolg suchte, sondern auch bei panhellenischen Festspielen auftrat, wie es Sophisten und Redner üblicherweise taten. Ein Sklave war er wahrscheinlich nicht, sondern er wurde durch die ihm wenig geneigte Überlie89
ferung als Abhängiger diffamiert . Bei der Einordnung von Zoilos' Wirken und der Angabe seiner Lehrer ist die Überlieferung auffallend widersprüchlich. Man hat sein Bild eher nach der literarischen Hinterlassenschaft als nach wirklicher biographischer Überlieferung gezeichnet. So gilt er der Geschichte der Redekunst einerseits als ρήτωρ und Lehrer, als Schüler von Polykrates und Isokrates, gegen dessen Rhetorik er sich polemisch wandte. Es heißt, er habe Anaximenes von Lampsakos und Demosthenes unterrichtet. Seine Homerkritik ließ den Rhetoren andererseits als Philosophen erscheinen, der dem Kynismus zuneigte 90 . Jedenfalls sollte Zoilos nicht als Sklave betrachtet
Suda s.v. Ζωίλος Αμφιπολίτης = FGrHist. 71 Τ 1. Alexander wirft ein Buch des antihomerischen Autors in den Ruß: Schol. Joh. Tzetz., Ad Exeg.i. IL p. 125 Herrn = FGrHist. 71 Τ 2; erfolgloser Versuch des Antihomerikers, in Alexandreia Fuß zu fassen: Vitruv VII praef. 8 = FGrHist. 71 Τ 3. Ethnikon unterschiedlich angegeben, Zoilos zuweilen der isokrateischen Schule zugeschrieben, Schülerschaft zu Isokrates wahrscheinlich erschlossen aus den Schriften Κατά Ισοκράτους τοΰ ρήτορος, FGrHist. 71 Τ 1, vgl. Amphipolis (FGrHist. 71 Τ 1; Plut., Quaest. conv. V 4, 2 p. 677 E-F = FGrHist. 71 F 4; Schol. Horn., Β II. A 46 = FGrHist. 71 F 5; A //. A 129 = FGrHist. 71 F 6; Β //. Κ 274 = FGrHist. 71 F 9; Ephesos (Schol. Hom. A Gen. II Eust. II. E 4; 7 = FGrHist. 71 Τ 7); Makedonien (Vitruv. VII preaf. 8 = FGrHist. 71 Τ 3). Vgl. den analogen καταποντισμός des Buches des Aristobulos durch Alexander: Lukian., Quom. hist, conscr. 12 = FGrHist. 139 Τ 4. Über Zoilos vgl. H.Gärtner, RE Suppl. XV 1531-1554 s.v. Zoilos (14). 90
Vgl. Ailian., Var. Hist. XI 10 (Schrift gegen Piaton und seine Schule); FGrHist. 71 F 9 (Schülerschaft zu Isokrates). Dazu Usener, Quaestiones Anaximeneae, in: ders., Kleine Schriften I, Leipzig, Berlin (1912) 1-49, bes. 9 Anm. 1. Suda s.v. Αναξιμένης Αριστοκλέους Λαμψακηνός = FGrHist. 72 Τ 1 (Zoilos als γραμματικός); Suda s.v Δημοσθένης (Polykrates und Zoilos); [Plut.], Vit. X orat. p. 844 C; anders Plut., Dem. 5; Dion. Hai., De Isaeo 20. Dazu Jacoby, FGrHist. II C 103 f. Zoilos als Ky-
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werden; sein Mißerfolg am Ptolemäerhof ist chronologisch unwahrscheinlich - er soll nach einer Variante der Überlieferung von Ptolemaios Philadelphos gekreuzigt worden sein. Die Nachrichten über Leben, Herkunft und Ausbildung des Zoilos sind wenig glaubwürdig. Schon früh entstanden literarische Kontroversen um den Homerkritiker: Athenodoros, der Bruder des Dichters Arat von Soloi, verfaßte die erste Polemik gegen Zoilos, dessen Wirkungszeit danach etwa in die Zeit der Wende vom vierten zum dritten Jahrhundert fällt91. Noch dunkler als die Gestalt des Zoilos bleiben Leben und Herkunft des Palaiphatos von Abydos oder Paros. Hinweise auf vier Schriftsteller dieses Namens werden gegeben. Einer der Literaten, ein angeblicher Epiker, ist gefälscht. Die drei anderen, die genannt werden, sind: 1) ein Zeitgenosse, Schüler und angeblicher abhängiger Geliebter des Aristoteles, der Novellen (Δηλιακά, Κυπριακά, Αραβικά, Αττικά) schrieb, 2) ein Verfasser von Χπιστα und Τρωικά und 3) ein γραμματικός, der eine Schrift gegen Simonides hinterließ. Jacoby identifiziert die ersten beiden der Autoren, v.Blumenthal setzt alle drei miteinander gleich. Biographische Nachrichten gibt es nur über den Historiker und vorgeblichen Geliebten des Aristoteles. V.Blumenthal vermutet, Aristoteles habe seinem Schüler einen Übernamen gegeben, wie er dies auch im Falle Theophrasts getan ha-
niker: Bezeichnung als φιλόσοφος (FGrHist. 71 Τ 1); Bezeichnung als κύων ρητορικός, Unterricht jedoch bei Polykrates, kynische Selbstdarstellung (Ailian., Var. Hist. XI 10 [dazu Gärtner, aaO. 1534]. Zoilos gilt als Lehrer des Anaximenes von Lampsakos, der angeblich auch durch Diogenes von Sinope unterrichtet wurde (Suda s.v. Αναξιμένης = FGrHist. 72 Τ 1); eine Diogenesanekdote zeigt die Sinnlosigkeit frontaler Anbetung von Götterbildern, dafür zitiert Diog. Laert. VI 37 Zoilos von Perge. 91
Gärtner, aaO. 1553: Die Bezeichnung des Zoilos als Sklave sei Polemik des Allegorikers Herakleitos. Ahistorizität der anekdotischen Nachrichten, auch der bei Vitruv und in der Suda genannten Todesarten (Kreuzigung, Steinigung, Scheiterhaufen, Felssturz): Gärtner, aaO. 1534-1536. Ders., ebda. 1532-1534 weniger ablehnend gegen die für Zoilos genannten Schüler- und Lehrerschaften, ders., aaO. 1533 f. vermutet Wirken des Zoilos in Athen. P.Treves, RE 21 2 1736-1752 s.v. Polykrates (7), bes. 1738 nimmt an, daß Zoilos um 380 v.Chr. in Athen Schüler des Polykrates gewesen ist. Athenodoros' Polemik: Vit. Arat. p. 325, 14 M = FGrHist. 71 Τ 3 bis (III Β p. 741).
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be. Jacoby sieht darin nicht einen Übernamen, sondern ein Pseudonym, unter dem der Mann schrieb, den die literargeschichtliche Überlieferung als Geliebten des Aristoteles behandelt. Jacoby zufolge gehen die biographischen Angaben über "Palaiphatos" auf die Pinakes des Kallimachos zurück; möglich ist aber auch, daß Lobon von Argos in seiner Parodie der Pinakes dem Palaiphatos eine Biographie gab. Ob das angebliche Schülerverhältnis zu Aristoteles überhaupt in diesen Zusammenhang gehört, ist ungewiß, denn 92
bei Tzetzes heißt der Autor meist Stoiker . Bei zwei derjenigen Autoren, die als Sklaven behandelt werden, ist die sklavische Herkunft nicht in gleichem Maße unwahrscheinlich wie im Falle der bisher behandelten, nämlich bei Rhianos von Bene und bei dem Kallimacheer Istros93. 7)
Technitenfamilien Zu den Nachkommen von Technikerfamilien zu rechnen sind in antikem
Sinne die Ärzte unter den Historikern der spätklassischen und frühhellenistischen Zeit: Ktesias von Knidos, Aristoteles von Stageira und vielleicht auch Polykritos von Mende. Ktesias und Aristoteles kommen aus alten Arztfamilien. Von dem Arzt Polykritos ist nicht bekannt, ob er mit einem gleichnamigen Historiker identifiziert werden darf. Wahrscheinlich ist in dem sizilischen Historiker ein Verwandter des persischen Hofarztes zu vermuten, der, vielleicht ebenfalls Arzt, im Dienste der Tyrannen von Syrakus stand. Wie die musikalischen Techniten, konnten die Ärzte in der Fremde, an Höfen, ihren persönlichen Erfolg finden. Der Vater des Aristo-
Suda s.v. Παλαίφατος Αβυδηνός ιστορικός = FGrHist. 44 Τ 3. Vgl. v.Blumenthal, RE 18 2 2451-2455 s.v. Palaiphatos (2)-(4), bes. 2452 f. Über Palaiphatos ausführlich Jacoby, FGrHist. I a 523 f.; 556-559; über Lobons Behandlung des angeblichen Athener Epikers Palaiphatos ders., ebda. III b 56 Anm. 8. Zeugnisse für den Ägypter Palaiphatos: FGrHist. 660. Vgl. auch F.Stoessl, RE 18 2 2449-2451 s.v. Palaiphatos (1). Tzetz., Chil. II 837; IX 400 (Palaiphatos als Stoiker); I 561 (Palaiphatos als Peripatetiker). Peripatetischen Einfluß vermuten Schräder, Palaiphatea; Wilamowitz, Herakles I 101. 93
Vgl. S. 141 und S.473 .
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teles war Leibarzt des Amyntas, auch Aristoteles trat als Prinzenerzieher in den Dienst des makedonischen Hofes unter Philipp. Ktesias und der Arzt Polykritos, lebten lange Zeit am persischen Hof 94 . Als Neffe verwandt mit dem Arztsohn Aristoteles war Kallisthenes von Olynth, und er gilt als dessen Schüler. So, wie Aristoteles aufgrund seiner familiären Beziehungen eine Hofposition bei Philipp erlangen konnte, so verdankte auch Kallisthenes seine Berufung zum Historiker Alexanders und Philosophen am Hofe seinen Familienverbindungen. Mit dem Lehrer und Onkel erarbeitete er die Liste der Pythiensieger in Delphi, wahrscheinlich in der auf die Schlacht von Chaironeia unmittelbar folgenden Zeit. Die ihnen für diese Arbeit zugestandenen Ehren und Sonderrechte wurden Aristoteles nach Alexanders Tod wieder aberkannt - die Inschrift nennt im nicht ergänzten Teil nicht den Vatersnamen des Kallisthenes, sodaß für 95
diesen ein eindeutiges Zeugnis fehlt .
^ Zu Polykritos vgl. Plut., Artox. 21, 2 = FGrHist. 559 Τ 1; Jacoby, FGrHist. III b 516; K.Ziegler, RE 21 2 1760 f. s.v. Polykritos (7). Zu Aristoteles: Diog. Laert. V 1; V 11; Plut., Alex. 7; Ammon., Vit. Arist. I. Arztfamilien bildeten eine besondere Gruppe: Die Mutter des Philosophen stammte aus einer Arztfamilie, die Tochter des Aristoteles Pythias heiratete in dritter Ehe einen Arzt (zur Familie des Aristoteles: Flashar, in: ders. (Hsg.), Überweg III 229-235, bes. 230; Berve, Alexanderreich 70-74, bes. 70; I.Düring, RE Suppl. XI 159-336 (1968) s.v. Aristoteles, bes. 173. Die Zeugnisse über Ktesias: Suda s.v. Κτήσιας = FGrHist. 688 Τ 1; Strab. 14, 2, 15; Diod. 2, 32, 4 = FGrHist. 688 Τ 3; Galen zu Hippokr., Π. αρθρ. έμβολ. 70 = FGrHist. 688 Τ 4; Plut., Artox. II, 3 = FGrHist. 688 Τ 6 a); 14, 1 = FGrHist. 688 Τ 6 b); 13, 5; 13, 7 = FGrHist. 688 Τ 7 b); 13, 6 = FGrHist. 688 Τ 15; Xenoph., Anab. I 8, 26; II 1 7-23; Phot., Bibl. 72 p. 44 a 31 = FGrHist. 688 Τ 7 a); 72 p. 44 b 20 = FGrHist. 688 Τ 7 c); Lukian., Ver. narr. 1, 3 = FGrHist. 688 Τ 11 h); Oreibas., Collect, med. 8, 8 = FGrHist. 688 F 68. Ktesias* Vorgänger Apollonides: Phot., Bibl. 72 p. 40 a 20 u. 41 b 8 ff. = FGrHist. 688 F 14. Zu Ktesias vgl. FJacoby, RE 11 2 2032-2073 s.v. Ktesias (1), bes. 2032 f. 95
Suda s.v. Καλλισθένης Δημοτίμου = FGrHist. 124 Τ 1; Diog. Laert. V 4 = FGrHist. 124 Τ 4; Cic., De or. II 58 = FGrHist. 124 Τ 30; Ammian. Marceli. 18, 3, 7; beide als Namen des Vaters genannten Namen tauchen auch im Testament Theophrasts als Namen von am Peripatos κοινονοΰντες, von fellows des Peripatos, auf (Diog. Laert. V 51-57); sie belegen die engen Verbindungen der Familie des Kallisthenes mit Aristoteles, seiner Philosophie und der Schule Theophrasts. Über Kallisthenes vgl. Jacoby, RE 10 2
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Herkunft und Ausbildung der Historiker Als Musiker, also als Techniker soll der peripatetische Philosoph
und Musiktheoretiker Aristoxenos von Tarent ausgebildet worden sein; tatsächlich wird er nicht zu den Techniten im engeren Sinne, zu den professionellen Musikern, zu rechnen sein. Seine musikalische Ausbildung soll er zunächst bei seinem Vater Mnaseas, auch genannt: Spintharos, erhalten haben; daneben gelten als Erzieher Lampros von Erythrai, der Pythagoreer Xenophilos und Aristoteles, dem er wegen der Weitergabe des Scholarchats an Theophrast gezürnt haben soll. Da erst Theophrast die peripatetische Schule begründete, ist diese Nachricht nur Anekdote. Aristoxenos ist möglicherweise in der Akademie Aristoteles' Schüler gewesen. Daß aber Spintharos Aristoxenos' Vater oder Lehrer war, ist unwahrscheinlich: Aristoxenos zitiert Angaben eines Spintharos über Sokrates, ohne zu erwähnen, daß dieser sein Vater oder I ehrer war. In gleicher Weise dürfte auch Aristoxenos' Schülerschaft zu dem Pythagoreer und Musiktheoretiker Xenophilos aufgrund der Schriften des Aristoxenos erschlossen worden sein. Die Stadt Tarent unter dem Pythagoreer Archytas stand in diplomatischer Beziehung mit dem Syrakus des jüngeren Dionysios; dieser wiederum hielt mit Piaton Verbindung. Nachdem Dionysios II. Sizilien verlassen hatte, lebte er als Exulant und Lehrer in Korinth, wo ihn Aristoxenos getroffen haben soll. Aristoxenos ist wahrscheinlich gereist und hat dabei Kontakt zur kultischen Musikpflege gefunden, aber auch zum Pythagoreismus. Theophrast berichtet sogar über eine von Aristoxenos in einem Tempel in Theben durchgeführten Musikpsychotherapie. Auch wenn diese Angabe auf ein ungenaues Exzerpt zurückgeht oder eine anekdotische Erfindung: Zum Musiktheoretiker konnte Aristoxenos nur aufgrund einer soliden musikalischen Erziehung werden. Aristoxenos' musiktheoretische Arbeiten ergänzen die Thematik der aristotelischen
Theorie der tragischen
Dichtung: Steht bei
Aristoteles
die Theorie des Sujets und seiner Behandlung durch Worte im kultischen
1674-1726 s.v. Kallisthenes\ Düring, in: Flashar (Hsg.), Überweg III 175458, bes. 233; Wehrli, in: ebda. 459-600, bes. 532 f. Ehrung Aristoteles' und des Kallisthenes in Delphi: Syll. 275 (dazu Chaniotis, Historie 293296; 128; 217). Aberkennung der Ehren: Ailian., Var. Hist. 14, 1.
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Theater im Vordergrund, so behandelt Aristoxenos die nichtverbalen Aspekte des Themas. Er schreibt über Chöre, Instrumente, tragische Choreographie96. Der Einfluß des Pythagoreismus auf Aristoxenos macht es nicht wahrscheinlich, daß seine musikalische Ausbildung die eines professionellen ausübenden Musikers war, denn die Pythagoreer suchten nicht technische Perfektion in der Musik, sondern bemühten sich, die kultische Dimension der Musik philosophisch zu durchdenken. So rühmte sich Aristoxenos nach einem Zeugnis des Adrastos von Aphrodisias vor allem anderen seiner theoretischen Originalität, nicht seiner Vertrautheit mit der musikalischen Praxis97. Auch Aristoxenos' Assoziation mit den Peripatetikern in der Überlieferung legt es nicht nahe, in ihm einen ausübenden Künstler zu sehen. Aristoteles hat nämlich bei seiner politisch-theoretischen Begründung des erzieherischen Wertes praktischer Musikausbildung dieser auch
Vgl. Suda s.v. Αριστόξενος = S.d.Α. II fr. 1; Apollon., Hist. mir. 49 = S.d.A. II fr. 6; Prokl., In Plat., Timae. comment. III p. 192 A = S.d.A. II fr. 8; fälschliche Zuordnung zu den Pythagoreem, die in die Bürgerschaft von Tarent aufgenommen wurden: Steph. Byz. s.v. Τάρας = S.d.A. II fr. 2. Zu Aristoxenos Wehrli, S.d.A. II 47 f.; v.Jan, RE 2 1 1057-1065 s.v Aristoxenos; Wehrli, RE Suppl. XI 336-343 s.v. Aristoxenos. Spintharos schrieb über Archytas von Tarent; Aristoxenos zitierte ihn in seiner Schrift über Archytas (Iamblich., De Vita Pythag. 197 = S.d.A. II fr. 30). Aristoxenos berief sich auch auf Spintharos für Details aus dem Leben des Sokrates; mit άκηκοέναι wird dabei das Erfahren dieser Nachrichten ebenso bezeichnet, wie Schülerschaft bezeichnet werden konnte (Cyrill., Contra lulian. VI 185 = S.d.A. II fr. 54 a)). Aristoxenos und die Pythagoreer: Iamblich., De vit. Pythag. 234. Vgl. S.d.A. II fr. 19. Dionysios in Korinth: S.d.A. II fr. 31; dazu Wehrli, S.d.A. II pp. 47 f. Dionysios hatte sich von Timoleon freien Abzug und den Behalt des Privatvermögens ausbedungen. Theopomp erzählte seinen Abzug als exemplum der Bestrafung von Hochmut und stellte Dionysios' Leben in Korinth als das eines Armen und seine Ankunft in einem kleinen Boot - Timaios bezeichnete es als großes Schiff - als schändlich dar (Polyb. XII 4 a), 2 = FGrHist. 115 F 341; Diod. 16, 70, 2-3). Xenophilos: Suda s.v. Αριστόξενος = Wehrli, aaO. fr. 1. Dazu s.u. S. 113. 97
Adrastos bei Proklos, In Plat., Tim. Comment. III p. 192 a = S.d.A. II fr. 8.
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die Grenzen gewiesen: Diese soll der Kultivierung der Urteilsfähigkeit freier Bürger dienen, nicht dem Erwerb der Fähigkeit, als Musiker Geld zu 98
verdienen . 8)
Nachkommen von Sophisten Söhne aus Sophistenfamilien sind Theodektes von Phaseiis, Theokritos
und Metrodoros von Chios, Androtion von Athen und Herodoros von Herakleia. In gewissem Sinne hat auch Hippias von Elis familiäre Beziehungen zur Sophistik. Theodektes war Sohn eines gleichnamigen Rhetors und Logographen von Phaseiis. Er hat, wie seine Werke andeuten, ebenfalls eine rhetorische Schulung - wohl bei dem Vater - durchgemacht und gilt als ρήτωρ. Neben einem systematischen Lehrbuch der Redekunst schrieb er Υπομνήματα, wahrscheinlich eine Sammlung von Argumentationsbeispielen, und, wohl zum gleichen Zweck, eine Zusammenstellung nichtgriechischer 99
Rechtssätze . Dieser jüngere Theodektes ist wahrscheinlich nicht der älteste Sohn gewesen, denn sein Großvater hieß Aristandros: Diesen Namen dürfte der älteste Sohn erhalten haben. Die Familie dürfte zur Oberschicht der griechischen Stadt in Lykien gehört haben. Der Vater Theodektes, ein Rhetor, der sich der tragischen Dichtung zugewandt hatte, soll bei Isokrates ausgebildet worden sein. Diese Nachricht beruht wohl auf einer Verwechslung: Der ältere Theodektes hatte nämlich teilgenommen am Redenwettstreit, den die Witwe des Maussollos zu Ehren ihres toten Gatten hatte veranstalten lassen - einem Teil der Überlieferung zufolge hatte Theodektes bei dem Wettbewerb den Sieg davon getragen, nach anderen Theopomp gesiegt. Die anderen beiden Teilnehmer waren Naukrates von Erythrai und Isokrates von Apollonia: Der berühmte Rhetor und Pädagoge wurde mit diesem verwechselt und als Lehrer dem Sieger des Wettbewerbs gegenübergestellt. Auch eine Polemik Theopomps weist in die Richtung dieser Verwechslung: Theopomp kontrastiert seine angebliche Autarkie und philosophische Unabhängigkeit gegenüber der Erwerbsrhetorik von Isokrates und " 99
Arist., Pol. VIII 5-7, 1339 a 11-1342 b 34. Suda s.v. Θεοδέκτης = FGrHist. 113 Τ 1.
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Naukrates, zugleich behandelt die literaturgeschichtliche Überlieferung den großen Historiker als Schüler des berühmten Lehrers. In einem Brief an Philipp II. nennt Speusippos wiederum den großen Isokrates als literarischen Gegner des Antipatros von Magnesia in einer Reihe mit Theopomp: Eine falsche Gleichsetzung der Träger des Namens Isokrates ist wahrscheinlich, die Schülerschaft des älteren Theodektes und Theopomps zu Isokrates dürfte aus den Nachrichten über den Redewettbewerb und aus literarischen Indizien erschlossen worden sein. Wenn der Apolloniate mit dem Athener verwechselt wurde, entsprach die Liste der Konkurrenten Theopomps bei dem Redewettkampf der Liste der von Theopomp kritisch am 100
Maßstab der Autarkieforderung gemessenen Redner
.
Ein Sohn des Sophisten Theokritos von Chios, der selbst eine Ιστορία Λιβύης verfaßte, war der Chier Metrodoros. Im Gegensatz zu seinem Vater genoß er eine philosophische Ausbildung. Während der Vater Theokritos von dem Isokrateer Metrodoros unterrichtet worden sein soll - er nannte den Sohn also nach dem Lehrer -, erscheint der Sohn vornehmlich in der doxographischen Überlieferung zur Philosophiegeschichte: Als sein Lehrer wird nicht ein Sophist, sondern werden demokriteische Philosophen genannt. Metrodoros schrieb Τρωικά und ίωνικά; philosophisch war er Skeptiker gegenüber der sinnlichen Gewißheit als Quelle der Erkenntnis. Als Sohn des Politikers Theokritos hat wahrscheinlich auch Metrodoros sich als Bürger von Chios betätigt: Der Komiker Antiphanes erwähnt in dem Stück Philo-
Suda s.v. Θεοδεκτης Αριστάνδρου Φασηλίτης έκ Λυκίας = FGrHist. 115 Τ 6 a). Daß der berühmte Isokrates mit dem Wettbewerb falschlich assoziiert wurde, zeigt Gell., Ν. Α. X 18 (... sunt etiam qui Isocratem ipsum cum his certavisse memoriae mandaverint); so auch Porphyr, bei Euseb., P. E. X 3 p. 464 C = FGrHist. 115 F 345. Theopomps Auseinandersetzung mit den Widersachern: Phot., Β ibi. 176 p. 120 b 30 = FGrHist. 115 F 25. Eine Ausbildung bei den beiden anderen Lehrern, die der ältere Theodektes gehabt haben soll, Piaton und Aristoteles, paßt wenig zum zeitweiligen Leben des älteren Theodektes als Logograph. Alexander besuchte und ehrte in PhaseIis ein Standbild des älteren Theodektes, weil er über Aristoteles und die Philosophie Beziehungen zu ihm gehabt haben soll (Plut., Alex. 17). Steph. Byz. s.v. Φάσηλις schreibt dem älteren Theodektes, Sohn des Aristandros, besonderes κάλλος zu: Dies ist ein Attribut, das der Oberschicht zukommt.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
metor einen Μήτρας von Chios als einen φίλος des δήμος. Theokritos war der politische Gegner Theopomps, gegen dessen Wirken dieser in Briefen an Alexander agitierte, und den er durch Erzählen seines gesellschaftlichen Aufstieges zu desavouieren versuchte 101 . Einen Vater, der am sophistischen Ausbildungs- und Kulturbetrieb teilnahm, hatte auch Androtion von Athen: Andron, Mitglied der Oligarchie der Vierhundert, den Demosthenes als ehemaligen Staatsschuldner zu verunglimpfen sucht, war sophistisch interessiert und ermöglichte seinem Sohn eine Ausbildung - angeblich bei Isokrates. Auch in diesem Falle ist die Zuweisung des Schülers an den Lehrer Isokrates jedoch nicht sicher: Androtion wird nicht in allen Listen der Schüler des Isokrates genannt, Isokrates selbst erwähnt ihn nicht unter seinen Schülern in seiner 102 Antidosis-Rede . Allerdings läßt sich im Falle Androtions, anders als in
101
Suda s.v. Θεόκριτος Χίος = FGrHist. 760 Τ 1 s FGrHist. 115 Τ 9. Vgl. Athen. VI 18 p.230 E-F = FGrHist. 115 F 252. Vgl. Strab. 14, 35 (645); Plut., Mor. 44 Περί φυγής p. 603 C; Athen. I 38 p. 21 C; [Plut.], Mor. 11 a-b; Diog. Laert. V i l Athen. 12 p. 540 A. Zu Theokritos vgl. Berve, Alexanderreich 176 f.; R.Laqueur, RE 5 A 2 2025-2027. Über den Lehrer des Theokritos, Metrodoros, Schissel, RE 15 2 1482 s.v. Metrodoros (24) (Vermutung, daß er Unterricht bei Isokrates in Chios 393 v.Chr. erhielt; Rückführung der Nachrichten über die Schülerverhältnisse auf Hermippos' Περί των Ισοκράτους μαθητών). Τρωικά und Ιωνικά: Athen. IV p. 184 A = FGrHist. 43-1; Schol. Gen. I Horn., //. Φ 444 = FGrHist. 43-2; Plut., Quaest. conv. VI 8, 1 p. 694 A-B = FGrHist. 43-3. Ιωνικά nicht eindeutig zuzuweisen: Jacoby, FGrHist. I a 522. Angebliche Lehrer: Demokrit (Clem. Alex., Strom. I 64 = F.d.V. 70 A 1 a); Metrodoros von Abdera (Suda s.v. Πυρρών = F.d.V. 70 A 1 ß); Nessas, Schüler Demokrits (Diog. Laert. IX 58). Sohn des Theokritos von Chios: Aët. I 3, 17 = F.d.V. 70 A 2. άρχαί-Bestimmungen: ebda.; Theophr., Φυσ. δόξ. fr. 8 = F.d.V. 70 A 3. Skeptizismus: Aët. II 1, 3 = F.d.V. 70 A 7; IV 1 = F.d.V. 70 A 22; Epiphan., Adv. haer. II 2, 9 = F.d.V. 70 A 23. Zu Metrodoros vgl. Zeller, Philosophie I 2 1185-1188; Guthrie, Philosophy II 382; 405; III 496; W.Nestle, RE 15 2 1475 f. s.v. Metrodoros (14). Antiphanes' Philometor: Athen. III p. 100 D = F.d.V. 70 A 1 a. Ein zweiter Metrodoros, der Epikureer Metrodoros von Lampsakos, hat seinem Sohn den Namen des Lehrers Epikur gegeben (s.u. S. 182). 102
Plat., Prot. 315 C; Gorg. 487 C; [Plut.], Vit. X orat. p. 833 E; Harpokr. s.v. Χνδρων; Demosth. 24, 125; 22, 33; 22, 56; 24, 168. Über Timokrates* Vater behauptete Demosthenes ebenso Verschuldung gegenüber dem Staat (Demosth. 24, 200-201). Androtion als Isokratesschüler: Suda s.v. Ανδροτίων = FGrHist. 324 Τ 1; Zosim., Vit. Isocrat. p. 256, 91 W =
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dem Theopomps, kein hinreichender Grund gegen die Historizität der Nachricht formulieren, er habe den Unterricht des Isokrates genossen. Androtions Familie war reich: Androtion konnte der Gemeinde von Arkesine auf Amorgos zinslos Geld leihen, damit diese die Kosten der Stationierung der athenischen Garnison tragen konnte, der Androtion damals selbst vorstand. Die Familie Androtions dürfte der Land besitzenden Schicht in Athen zugehört haben, denn Androtion verfaßte neben seiner Arbeit als Geschichts' 103
Schreiber auch Γεωργικά Zu einer Sophistenfamilie von Herakleia gehörten Herodoros von Herakleia und sein Sohn Bryson. Herodoros schrieb eine Heraklesgeschichte, die in erzählender Form weltkundliche Gehalte, auch geographisches Wissen, zu vermitteln suchte; möglicherweise ähnlichen Charakters waren Αργοναυτικά und Πελοπεία. In diesem Falle ist der Vater als Historiker und Sophist kenntlich, sein Sohn Bryson hat die historischen Interessen des Vaters nicht erkennbar fortgesetzt. Aus Brysons Diatriben 104 soll Piaton in seinen Dialogen plagiiert haben, wie Theopomp polemisiert .
FGrHist. 324 Τ 2 b); Schol. Demosth., 22, 4 = FGrHist. 324 Τ 2 c). In der Schriftsteller und Politiker vermengenden Liste angeblicher Schüler des Isokrates [Plut.], Vit. X orat. p. 837 C-D wird Androtion nicht genannt. Isokrates zählt politisch erfolgreiche Athener unter seinen Schülern auf (Isoer., IV (XV) (Antid.) 93 f. und 101) - Androtion ist nicht darunter. Zur Unsicherheit der Schülerliste des Isokrates vgl. Blass, Beredsamkeit II 16-21, der Androtion wegen Zosim., Vit. Isoer. p. 256, 91 = FGrHist. 324 Τ 2 b) als Schüler des Isokrates anerkennt. 103 IG XII 7, 5 = Syll. 3 193 = FGrHist. 324 Τ 7; Varrò, De r. r. I 1, 7 = FGrHist. 324 Τ 17; vgl. Zitate bei Athenaios und Theophrast (FGrHist. 324 F 75-82). Über Androtion: Davies, Families 33 f.; E.Schwartz, RE 1 2 2173-2175 s.v. Androtion-, gegen die Verfasserschaft für die Γεωργικά: Wellmann, RE Suppl. I 82 s.v. Androtion-, anders Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 108. Vgl. Kirchner, PA 68 f.; Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 86-90. Andren war Ankläger gegen Antiphon und Mitglied der 400 in der Gruppe um Theramenes, [Plut.], Mor. p. 833 D-Ε. 104
Nach zwei unsicheren Emendationen bezeichnete man Herodoros nach seinen literarischen Arbeiten als γραμματικός und μυθόλογος; Jacoby rechnet sein Wirken der Sophistik zu: Arist., De gen. anim. III 6, 757 a 3 = FGrHist. 31 Τ 1 (μυβόλογος, mss.: Herodotos)·, Schol. Pindar., O. V 10 a = FGrHist. 31 Τ 4: ήρόδωρος γραμματικός. Vgl. Arist., Hist. anim. VI 5, 563 a 7 = FGrHist. 31 Τ 3: Νροδωρος ό Βρύσωνος του σοφιστοΰ πατήρ; Plut., Rom. 9 = FGrHist. 31 Τ 2; . Über Herodoros Jacoby, FGrHist. I a 502, über
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Herkunft und Ausbildung der Historiker Hippias von Elis war Sophist: familiäre Beziehungen zu anderen so-
phistischen Lehrern hatte er insofern, als seine verwitwete Tochter Platane Isokrates heiratete, als dieser bereits an der Schwelle des Alters stand 105 . 9)
Historiker aus Philosophenfamilien Eine Reihe unter den Historikern spätklassischer und frühhellenisti-
scher Zeit besaß eine philosophische Ausbildung. Einige dieser Historiker entstammten philosophisch orientierten Familien, ähnlich, wie es Sophisten gab, deren ältere oder jüngere Verwandte bereits eine sophistische Ausbildung erhalten hatten. Zwei Beispiele dafür sind der Philosoph Aristoteles und der Historiker und Hofphilosoph Alexanders, Kallisthenes, der wahrscheinlich Aristoteles' Neffe war und zugleich sein Schüler. Ein Nachfahre, vielleicht ein Enkel des Aristoteles, war der Historiker Aristoteles von Chalkis
106
.
Lokalpatriotismus ders., ebda. 508; über Korruptel des Namens zu ήρόδοτος ders., ebda. 549 f. Vgl. Jacoby u. Gudemann, RE 8 1 980-988 s.v. Herodoros (4) u. (5). Weitere Werke: Αργοναύται, Πελοπεία, όρφέως και Μουσαίου ιστορία, u.U. Οιδίπους. Theopomp über angebliche literarische Anleihen Piatons bei Bryson: Athen. XI 118 p. 508 C-D = FGrHist. 115 F 259. Bryson als Schüler des Sokrates oder des Eukleides, Pyrrhon als Brysons angeblicher Schüler: Suda s.v. Σωκράτης; Diog. Laert. IX 61. Zum Plagiatsvorwurf Stemplinger, Plagiat 25 f.; K.Ziegler, RE 20 1 (1950) 1956-1997; Kroll, Studien 139 ff.; Peter, Wahrheit 144 f.; 426 f.: Zweck eines Zitats war Gewinn oder Diskreditierung von Autorität. 105
[Plut.], Vit. X orat. 4 p. 838 A-839 Β = F.d.V. 86 A 3; Harpokr. s.v. Αφαρεύς = F.d.V. 86 A 3; Zosim., Vit. Isoer. p. 253, 4 Westerm. = F.d.V. 86 A 3. Dazu vgl. Guthrie, Philosophy III 280-285; Wellmann u. Bjömbo, RE 8 2 1706-1711 s.v. Hippias (13). Historische Schriften, die Hippias verfaßte: Εθνών όνομασίαι, Ολυμπιονικών αναγραφή und eine Συναγωγή. 106
Aristoteles besaß aus dem Erbe seiner Mutter ein Anwesen in Chalkis, auf das er sich nach seinem letzten Weggang aus Athen zurückzog, und wo er starb. In seinem Testament hatte er es seiner Tochter freigestellt, zwischen den Besitzungen in Stageira und denen auf Euboia zu wählen. Die Tochter hatte mit dem Arzt Metrodoros einen Sohn Aristoteles, der in der Liste der Teilnehmer am Peripatos im Testament Theophrasts genannt wird. Aristoteles von Chalkis schrieb Περί Ευβοίας und Phrygische λόγοι (Harpokr. s.v. Χργουρα = FGrHist. 423 F 1; Schol. Apoll. Rhod. 1, 558 = FGrHist. 423 F 2). Ob er als einer der angeblichen Plagiatoren des
Herkunft und Ausbildung der Historiker
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Der Vater des Historikers Antiochos von Syrakus hieß Xenophanes. Huxley hat die durch die wenigen Zeugnisse über diesen Autor nur unzureichend gedeckte Vermutung geäußert, der Vater des Historikers sei identisch mit dem ionischen Philosophen Xenophanes von Kolophon. Für einen solchen Schluß gegen die überlieferten Herkunftsbezeichnungen der beiden fehlen hinreichende Grundlagen
107
.
Melesagoras aufgezählt wird, ist unsicher, da die Emendation zweifelhaft ist und kein Ethnikon angegeben wird (Clem. Alex., Strom. 6, 26, 8 = FGrHist. 423 Τ 1). Wenn Schwartz' Emendation korrekt ist, kann dieser Aristoteles eine der Quellen des Philosophen für die Darstellung der euböischen Verfassungen gewesen sein (Jacoby, FGrHist. III b 244 f.), wäre aber wohl ein Vorfahre, kein Nachkomme des Philosophen. Testament des Aristoteles: Diog. Laert. V 11-16; Testament Theophrasts: Diog. Laert. V 51-57; über Aristoteles, den Sohn der Aristotelestochter Pythias und des Metrodoros: I.Düring, RE Suppl. I (1968) 159-336 s.v. Aristoteles, bes. 180 f.; 173. 107
Der Autor heißt Συρακούσιος und ist Sohn des Xenophanes: Pausan. 10, 11, 3 = FGrHist. 555 Τ 1 = FGrHist. 555 F 1; Dion. Hal., A. R. I 12, 3 = FGrHist. 555 Τ 2 a) = FGrHist. 555 F 2; I 73, 4 = FGrHist. 555 Τ 2 b); I 22 = FGrHist. 555 F 4; I, 35 = FGrHist. 555 F 5; Diod. 12, 71, 2 = FGrHist. 555 Τ 3. Strabon zitiert ihn regelmäßig ohne Ethnikon (FGrHist. 555 F 3 a); F 7; F 8; F 10; F 11; F 12; F 13). Über das Werk und dessen durch Herodot befruchtete Konzeption Jacoby, FGrHist. III b 486-490. Vgl. Huxley, in: GRBS 9 (1968) 309-312: Xenophanes verlebte seine späten Jahre im Westen, Xenophanes wird in die Zeit Hierons datiert (478-467 v.Chr., nach Timaios bei Clem. Alex., Strom. 1, 64, 2 = FGrHist. 566 F 133); Antiochos von Syrakus sei quellenmäßig von Xenophanes abhängig gewesen und habe sich im Proimion seines Werkes Περί Ιταλίας nicht "Syrakusaner" genannt (Dion. Hal., A. R. I 12, 3 = FGrHist. 555 F 2: Αντίοχος Ξενοφάνεος τάδε συνέγραψε περί Ιταλίης κτλ.). Strabon nennt den Autor ohne Ethnikon, Περί Ιταλίας zitierend (FGrHist. 555 F 3 a) und wahrscheinlich auch F 713; vgl. Hesych. s.v. Χώνην = FGrHist. 555 F 3 b)). Dionysios von Halikamaß zitiert den Autor als "Syrakusaner", Pausanias setzt beide gleich. Dies spricht dafür, daß die Herkunftsbezeichnung auf Selbstäußerung des Schriftstellers zurückgeht; Dionysios zitiert ja nur den ersten Eingangssatz des einen der zwei Werke des Antiochos. Strabon bezieht sich auf die Selbstbezeichnung des Autors in diesem Satz nur zur Quellenangabe. Daher ist der Schluß Huxleys gegen die Unterschiede der Herkunftsbezeichnungen von Antiochos und Xenophanes nicht hinreichend begründet. Forrest vermutet in Xenophanes den Urgroßvater des Antiochos von Syrakus (bei Huxley, aaO. 312 Anm. 10).
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
Kritias, der Philosoph, Schüler des Sokrates und Führer der Oligarchie der Dreißig in Athen war mit Piaton verwandt. Piatons Mutter war eine Tochter Glaukons, des Bruders des Vaters des Kritias, des Kallaischros. Dieser gehörte möglicherweise bereits zu den Vierhundert. Verwandt war Kritias außerdem mit Andokides: Dessen Vater war ein Vetter des Kritias. Die Familie des Kritias führte ihre Verwandtschaft zurück bis auf 108 Solon
. Am Beispiel des Kritias zeigt sich die Bedeutung der Musikausbil-
dung für die Erziehung der Angehörigen der reichen Oberschicht in Athen: 109 Kritias beherrschte das Spiel des Aulos, der Doppeloboe
. Neben Sokrates
soll auch Gorgias Lehrer des Kritias gewesen sein. Kritias kann bei ihm Unterricht genommen haben, als er, verbannt aus Athen wegen seiner oligarchischen Betätigung, in Thessalien im Exil lebte. Xenophon berichtet, Kritias' Kollege als Oligarch, Theramenes, habe Kritias vor den Mitoligarchen als verkappten Demokraten zu desavouieren versucht, indem er vorbrachte, Kritias habe in Thessalien die Aufrichtung einer Tyrannis durch Prometheus unterstützt. Kritias soll die dort Mächtigen beraten haben. Möglich ist, daß dies eine Anspielung auf des Kritias Schrift über die thessalische Verfassung darstellt. Die Historizität der Nachricht, Kritias sei Schüler des Gorgias gewesen, ist fragwürdig: Sie erscheint ausdrücklich nur im Kontext eines Urteils über den Stil des Kritias. Hätte Xenophon von diesem Unterricht gewußt, hätte er daraus wahrscheinlich ein besonders kräftiges Argument zur Entschuldigung des Sokrates entwickelt. Der Grund, den Xenophon nämlich dafür angibt, daß Kritias den Unterricht bei Sokrates zunächst gesucht, dann jedoch beendet habe, soll Sokrates' Entlastung von der Verantwortung für die politischen Taten seines Schü108
Diog. Laert. III 1 = F.d.V. 88 A 2; Plat., Charmid. 154 a; 155 a; Tim. 20 a-21 a = F.d.V. 88 A 3. Vgl. Diehl, RE 9 2 1901-1912 s.v. Kritias (5), bes. 1901 f.; über die Verhältnisse der Verwandtschaft am genauesten: Davies, Families 322-335, bes. 326-329; vgl. auch Kirchner, PA 592 f. Nr. 8792. 109
• Von der Verwendung des Aulos in der musikalischen Jugendbildung net Aristoteles später wegen der spieltechnischen Schwierigkeien ab. Chamaileon von Herakleia berichtet Kritias' musikalische Fähigkeiten und deutet bereits Veränderungen der Rolle des Aulos in der Musikerziehung an: Chamaileon bei Athen. V p. 184 D; Vgl. Arist., Pol. 1341 a 1-1341 b 35.
Herkunft und Ausbildung der Historiker
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lers dienen: Wie Alkibiades, habe Kritias vom Unterricht durch Sokrates politische Ausbildung erwartet. Als er den Grund für seine politischen Karriereabsichten hinreichend gelegt sah, habe er die Umgebung des Philosophen verlassen. Den letzten Anlaß habe Sokrates gegeben, als er Kritias wegen eines Liebesverhältnisses zu Euthydemos kritisierte. Kritias und die Dreißig hätten speziell gegen Sokrates das Verbot gerichtet, Rhetorik zu lehren, und seien gewaltsam gegen den ehemaligen Lehrer des Kritias vorgegangen. Regulären Unterricht bei Gorgias hat Kritias also wahrscheinlich nicht genossen 110 . Schwierig einzuschätzen ist der Wert der Überlieferung über den familiären Hintergrund des Kapitäns Onesikritos von Astypalaia. Er wird in die Reihen der Kyniker gestellt: Ein gleichnamiger Diogenesschüler aus Aigina wird in der Überlieferung erwähnt und teilweise - wohl zu Unrecht - mit dem Kapitän identifiziert. Von dem Aigineten heißt es, daß er selber Diogenesschüler geworden sei, nachdem er bereits seine Söhne Androsthenes (der Name ist auch der eines der Bootskommandanten Alexanders) und Philiskos zu Diogenes in den Unterricht gegeben hatte. Ein Philiskos von Aigina soll als Elementarlehrer Alexanders diesem Lehren über die gesunde, beherrschte Form des Herrschens vermittelt habe 111 .
110
Philostr., Ep. 73 = F.d.V. 88 A 17 (Kritias und Thukydides hätten von Gorgias das μεγαλόγνωμον und das όφρύς gelernt). Bei Philop., De Anim. 89, 4 = F.d.V. 88 A 22 ist Unterricht durch einen zweiten Lehrer neben Sokrates nur Überlieferungsvariante zum alleinigen Unterricht durch Sokrates. Gorgias in Thessalien: Plat., Menon 70 a-71 a. Kritias in Thessalien: Philostr., Vit. Soph. I 16 = F.d.V. 88 A 1. Theramenes' Rede g e : gen Kritias bei Xenophon: ... μετά Προμηθέως δημοκρατίαν κατεσκεύαζε και τους πενεστας ώπλιζεν έπί τους δέσποτας (Xenoph., Hell. II 3, 36). Nach Philostr., Vit. Soph. I 16 = F.d.V. 88 A 1 hat Kritias in Thessalien zugunsten der Mächtigen gearbeitet und diese zum Negativen beeinflußt, indem er sie beriet und belehrte (διαλεγόμενος τοις εκεί δυνατοίς). Xenophon argumentiert dagegen pädagogisch: Nicht Kritias verdirbt die Thessaler, sondern der Aufenthalt in Thessalien den Kritias, verglichen mit Kritias' Verhalten unter dem Einfluß des Sokrates. Vgl. Xenoph., Mem. I 2, 12-16; I 2, 24-26; I 2, 29-39. Vgl. über die Ausbildung des Kritias auch Diehl, RE 11 2 1901-1912 s.v. Kritias, bes. 1902. 111 Diog. Laert. VI 84 = FGrHist. 134 Τ 1. Onesikritos von Aigina: Diog. Laert. VI 75-76 = FGrHist. 134 Τ 3; Philiskos von Aigina: Suda s.v. Φίλισκος Αιγινήτης; Ailian., Var. Hist. XIV 11.
66
Herkunft und Ausbildung der Historiker In seinem literarischen Werk erzählte der Autor, der sich Onesikri-
tos nannte, Alexanders Geschichte als Bildungsgeschichte nach dem Vorbild der Kyrupädie Xenophons. Das Werk beschrieb die Lehren indischer Weiser, deren Lehren sich der Autor angeblich im Auftrage des Königs erschlossen hatte, mit Begriffen der griechischen Philosophie, insbesondere mit den asketischen Lehren des Diogenes. Daher konnte Onesikritos leicht mit einem Schüler des Diogenes identifiziert werden. Dieser Identität steht jedoch das eindeutige Zeugnis Arrians entgegen, der den Kapitän des Königsschiffes ausdrücklich als όνησίκριτος Αστυπαλανεύς bezeichnet. Die Erzählung von seinem Auftrag zum Aufenthalt bei den Gymnosophisten (Brahmanen) soll den Ausnahmecharakter des von dem Autor mitgeteilten Wissens unterstreichen und seine Geltung autorisieren: Die Brahmanen lehnten es angeblich ab, zu jemandem zu kommen, um ihn zu belehren, sondern verlangten, daß, wer ihre Lehren kennenlernen wollte, sich zu ihnen auf den Weg machte - das genaue Gegenteil dessen, was die griechischen Sophisten, mit •
denen sie Onesikritos ebenfalls gleichsetzte, zu tun pflegten
112
112
Arrian., Ind. 18, 9; Αστυπαλαιεύς auch bei Ailian., Ν. Α. XVI 39 = FGrHist. 134 F 16 b). Vgl. Strab. XV 1, 63-65 = FGrHist. 134 F 17 a); Plut., Alex. 65 = FGrHist. 134 F 17 b); De fort. Alex. I 10 p. 331 E = FGrHist. 134 Τ 5 a); Arrian., Anab. VII 5, 6 = FGrHist. 134 Τ 6; Diog. Laert. VI 84 = FGrHist. 134 Τ 1. Utopische Aspekte des Werkes des Onesikritos: Strab. XV 1, 34 = FGrHist. 134 F 24; XV 1, 54 = FGrHist. 134 F 25. An der Identität des Aigineten und des Astypalaieers, des Sohnes von Alexanders Elementarlehrer halten fest Berve, Alexanderreich II 288-291; Brown, Onesicritus 2-7. Vaterschaft des Philiskos als bloße Möglichkeit, Bekränzung des Kapitäns in Susa: Pearson, Lost Histories 83-85. Anekdote über teilweise Vorlesung des Werkes vor Lysimachos: Plut., Alex. 46 = FGrHist. 134 Τ 8; zu Veranstaltung von Vorlesungen aus dem Werk: Pedech, Historiens 76 ff. Das Geschichtswerk enthielt, den Regeln der durch Xenophons Kyrupädie vertretenen Gattung entsprechend, fiktive Inhalte (Strab. XV 1, 28 = FGrHist. 134 Τ 10; II 1, 9 = FGrHist. 134 Τ 11; Plin., N.H.II = FGrHist. 134 Τ 13 a)). Strasburger, RE 18 1 460-467 hält die Schülerschaft zu Diogenes für historisch, die Identität des Alexanderhistorikers mit Onesikritos von Aigina jedoch für unbegründbar. Der Brahmane Kalanos zog mit Alexander: FGrHist. 134 F 17 a) u. b); Strab. XV 1, 68 (717); Diod. 17, 107; die Gymnosophisten und Diogenes als Gegenbild zum unbeschränkten Herrschaftsstreben Alexanders: Arrian., Anab. VII 1-2. Onesikritos' Werk als enkomiastische Literatur: Lukian., Quom. hist, conscr. 40 = FGrHist. 134 Τ 7; Diog. Laert. VI 84 = FGrHist. 134 Τ 1; Alexander als Zivilisator: Strab. XI 11, 3 = FGrHist. 134 F 5. Fisch, in:
Herkunft und Ausbildung der Historiker
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Wenn der Kapitän von Alexanders Flaggschiff mit dem Historiker Onesikritos identisch ist, ist dieser also wahrscheinlich nicht ein Sohn des Philiskos von Aigina, des angeblichen Lehrers Alexanders und Schülers des Diogenes. Die Verbindungen des Autors Onesikritos mit dem Kynismus sind begrenzt: Er zieht nicht nur Diogenes und seine Lehre heran, um die Lehren der Brahmanen zu erfassen, sondern er verwendet dazu das ganze Dreigestirn der gleichsam als Heilige durch die griechische Philosophie verehrten Gestalten: Pythagoras, Sokrates, Diogenes. Alle drei wirkten philosophisch eher durch das Vorbild, das sie für die Lebensführung abgaben, weniger durch das Fürwahrhalten bestimmter Thesen. Diesen dreien stellte Onesikritos als vierten großen Philosophen Alexander an die Seite. Während Xenophon seine Darstellung des Kyros als Vorbild entwirft, um die Voraussetzungen erfolgreichen Strebens nach und Ausübens von Herrschaft zu exemplifizieren, stellt Onesikritos das Problem in den Mittelpunkt, ob und bis zu welchem Grade das Streben nach Herrschaft überhaupt legitim 113 ist
. Daß der historische Autor tatsächlich mit dem Kapitän identifiziert
werden darf, wird zumindest wahrscheinlich gemacht dadurch, daß Strabon ihn mit Nearchos zusammen zitiert, und Onesikritos' Werk vor allem als Beleg für geographische Informationen herangezogen wird 114 .
AJP 38 (1937) 59-82 spricht Alexander aus zynischer Quelle eine Weltreichsidee zu und läßt ihn schon früh mit Onesikritos als Elementarlehrer Kontakt haben. Skeptisch gegenüber einer angeblichen kynischen Weltstaatsidee: Tarn, in: AJP 40 (1939) 41-70, bes. 47 ff., der herausstellt, daß die Argumentation Fischs Onesikritos von Aigina mit dem Astypalaieer verwechselt; Alexanders Primarlehrer war tatsächlich Leonidas. Vgl. auch ders., Alexander 755-763 (II 404-409). Onesikritos zitiert nur Schlagworte des Kynismus, lebte aber nicht als Kyniker (vgl. Strab. XV 1, 6365; Plut., Alex. 65 = FGrHist. 134 F 17 a)-b)). 113
Darüber vgl. Jacoby, FGrHist. II D 468-470. Für die Herleitung der bei Onesikritos wirksamen Gedanken aus dem Kynismus fehlt allerdings der Beleg. Vgl. Xenoph., Cyrup. I 1-5. Alexander als bewaffneter Philosoph, Reflexionen über Herrschaft: Strab. XV 1, 63-65 = FGrHist. 134 F 17 a). Alexander hat den Homer unter dem Kopfkissen: Plut., Alex. 8 = FGrHist. 134 F 38. 114
35.
Strab. II 1, 9 = FGrHist. 134 Τ 11. Vgl. FGrHist. 134 F 3-16 b); 28-
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Herkunft und Ausbildung der Historiker Aristippos von Kyrene hatte Philosophen nicht zu Vorfahren, sondern
zu Nachkommen: Seine Tochter Arete erzog ihren Sohn Aristippos, den Enkel des kyrenaischen Philosophen, zum Philosophen 115 . 10) Historiker aus Literatenfamilien Mazzarino hat die These vertreten, daß in einer Welt ohne Druckerpresse, die einem aristokratischen Kulturideal verpflichtet ist, das Erben eines unvollendeten väterlichen Geschichtswerkes mit der Aufgabe, es zu Ende zu führen, eine natürliche Erscheinung sei. Die Geltung dieser Verpflichtung könne erklären, warum eine so große Zahl griechischer Historiker wiederum Söhne historischer Literaten gewesen seien oder Historiker zu unmittelbaren Nachkommen gehabt hätten. Die Zahl derartige Vater-Sohn-Beziehungen in der Historiographie ist tatsächlich groß, die direkte Fortführung des väterlichen Werkes stellt bei solchen Historikern allerdings, anders als Mazzarino annimmt, die Ausnahme dar. Im allgemeinen bleibt literarische Aktivität daher in der Familie, weil diese Familie ihren Angehörigen eine literarische Bildung zukommen lassen kann, und weil sie über Beziehungen verfügt und über Besitz und Eigentum, um ein nicht dem Besorgen des unmittelbaren Lebenserwerbes gewidmetes Dasein möglich zu machen: In der Regel entstammen die Historiker der spätklassischen und frühhellenistischen Zeit begüterten Schichten. Daher können ihre Kinder und Nachkommen einen Teil ihres Lebens literarischer Betätigung widmen. In vielen Fällen tradiert sich so literarische Aktivität in Familien über mehrere Generationen 116 .
Arete als Tochter und Schülerin des Aristippos: Diog. Laert. II 72; II 86; Ailian., N. A. III 40; Strab 17 (837); Clem. Alex., Strom. IV 122, 1 (II 302, 11 St.); Suda s.v. Αρίστιππος; Diog. Laert. II 86. Über Aristippos vgl. Natorp, RE 2 1 902-906 s.v. Aristippos (8); Giannantoni, Cirenaici 39; 70-73; Zeller, Philosophie II 1 340-344. 116
Vgl. Mazzarino, Pensiero II 14-18.
Herkunft und Ausbildung der Historiker
69
Aus Plataiai stammen wahrscheinlich zwei Historiker mit dem Namen Daimachos, die man derselben Familie zurechnen darf: ein Verfasser von Ινδικά und ein Träger des Namens, der Πολιορκητικά υπομνήματα, wohl auch Περί εΰσεβείας und eine Schrift verfaßt hat, die eine Quelle des Ephoros „117
gewesen sem soll
.
Herakleides von Kyme, Verfasser von fünf Büchern Περσικά, enstammte wahrscheinlich einer literarisch aktiven Familie: Diogenes Laertios führt einen homonymen ρήτωρ und Autor von Τέχναι an.118 Möglicherweise ist Herakleides identisch mit einem Vorsteher Herakleias . Den Vollender seines zu Lebzeiten nicht zum Abschluß gekommenen geschichtlichen Werkes hatte tatsächlich Ephoros von Kyme in seinem Sohn Demophilos: Demophilos beschrieb im Zusammenhang dieses Werkes den Heiligen Krieg (357-346 v.Chr.), und es ist wahrscheinlich, daß er auch die abschließenden zeitgeschichtlichen Partien des Werkes überarbeitet hat. Er verfaßte nicht ein eigenes Werk, setzte auch das des Vaters nicht fort, sondern überarbeitete und komplettierte das von diesem hinterlassene Material, dessen universalhistorischer Ordnung er die Darstellung ei119 nes Krieges einfügte
.
Brüder waren der Historiker und Rhetor Theopomp und der Rhetor Kaukalos von Chios, Verfasser eines Αρακλεους έγκώμιον 120 .
117
FGrHist. 716; FGrHist. 65. Dazu Jacoby, FGrHist. II C 3 f.: Es handelt sich um eine politisch und militärisch tätige Familie von Plataiai. 118 Diog. Laert. V 93 = FGrHist. 689 Τ 1. Vgl. Sundwall, RE 8 1 459 s.v. Herakleides (14); FJacoby, RE 8 1 469 f. s.v. Herakleides (42). 119 Ephoros selbst ist nach einer Variante des verworrenen Sudaartikels Sohn eines Demophilos: Suda s.v. Εφιππος = FGrHist. 70 Τ 1 : * * Κυμαϊος, υιός Δημοφίλου, oí δε Αντιόχου - Ισοκράτους ακουστής του ρήτορος· ιστορικός. εσχε δε υίόν Δημόφιλον τον ιστορικόν ...; Diod. 16, 14, 3 = FGrHist. 70 Τ 9 a); Athen. VI 22 p. 232 D = FGrHist. 70 Τ 9 b). Das Buch wird unter dem Namen des Ephoros und im Zusammenhang seines Werkes zitiert (vgl. FGrHist. 70 F 93-96). Dazu vgl. Jacoby, FGrHist. II C 36 f.; 28 f.; Mazzarino, Pensiero I 333. 120 Athen. X p. 412 Β = FGrHist. 38 (1).
70
Herkunft und Ausbildung der Historiker Auch der politische Opponent Theopomps, der Sophist Theokritos, ge-
hörte einer literarisch aktiven Familie an: Sein Sohn Metrodoros erhielt den Namen des isokrateischen Lehrers des Theokritos, genoß jedoch keine sophistische, sondern eine philosophische Erziehung. Allerdings verraten die weniger durch die demokriteische Philosophie als durch Interessen an der Kunst des Wortes bestimmten Τριωικά und Ιωνικά des Sohnes auch den Einfluß des sophistischen Vaters121. Nikandros, Sohn des Anaxagoras aus Kolophon, wird 258/257 v.Chr. in Delphi als Epiker mit der Proxenie ausgezeichnet. Wahrscheinlich ist der Dichter und Schriftsteller Nikandros, Sohn des Damaios aus Kolophon, mit ihm verwandt. Dieser jüngere Nikandros lebte in der Zeit Attalos' III. und schrieb gelehrte, medizinische, und wohl auch epische Werke; in der Überlieferung werden Angaben über beide Autoren wahrscheinlich verwechseit122. Verwechslungen gab es zwischen zwei Trägern des Namens Hermesianax aus Kolophon. Der jüngere der beiden war Widmungsträger der Theriaka des jüngeren Nikandros und gehörte zu dessen Freundeskreis. Der ältere war Schüler des Philetas, wurde als solcher im Werk des jüngeren Nikandros Über die Dichter Kolophons erwähnt und war wohl ein älterer Verwandter des jüngeren Hermesianax. Dieser ältere Hermesianax lebte um 300 v.Chr. und verfaßte Persika, sowie drei Bücher Elegien unter dem Namen seiner Geliebten Leontion. Er war einer der ersten alexandrinischen gelehrten
FGrHist. 760; FGrHist. 43. Identifizierung des Verfassers von Ιωνικά und Τρωικά mit dem Demokriteer: Jacoby, FGrHist. I a 522; dieser war ein Sohn eines Theokritos von Chios (Aet. I 3, 17 (D. 285) = Diels u. Kranz, Fragmente der Vorsokratiker 70 A 1 a). 122 Syll.3 452 = FGrHist. 271-272 Τ 1. Dazu zuletzt Chaniotis, Historie 335-337 mit Lit. und Vermutungen über die Zuweisung von Werken des Überlieferungsbestandes des berühmten jüngeren Nikandros an den älteren Epiker (Αΐτωλικά, Βοιωτικά, Θηβαϊκά, Οίταικά), von dem Chaniotis annimmt, daß er im Ätolien der Zeit der höchsten Machtentfaltung des Ätolerbundes lebte, da in den verwirrten biographischen Notizen über den berühmten Nikandros sich Hinweise auf einen Aufenthalt in Ätolien finden, die für den Schriftsteller der Attalidenzeit nicht passen.
Herkunft und Ausbildung der Historiker
71
Dichter, der Sagenmotive in seiner Erzählung einem konsequenten Ursachenkonzept unterwarf und zeitlich konkretisierte, also in die Lebenswelt der 123 Menschen versetzte . Mit den je zwei wahrscheinlich verwandten Trägern des Namens Nikander einerseits und Hermesianax andererseits, deren je jüngere miteinander befreundet waren, erkennen wir einen Kreis literarischer Familien in der ionischen Gemeinde. Hermesianax war einer der ersten Vertreter des Typus' alexandrinischer gelehrter Dichter und selbst bereits Schüler eines gelehrten Dichters124. Deinon, der Vater Kleitarchs, des Begründers der vulgaten '125 Alexandertradition, war Historiker bzw. Ethnograph: Er schrieb Περσικά
. Kleit-
archs Ethnikon weist ihn als Alexandrier aus, wo er aber geboren wurde und ob er ursprünglich das Bürgerrecht einer anderen Gemeinde besaß, ist nicht bekannt126. Sohn des Atthidographen Phanodemos war der Historiker Diyllos: Auch er setzte in seiner literarischen Arbeit nicht das Werk des Vaters fort, sondern beschrieb die ΚοιναΙ πράξεις von Hellenen und Barbaren, verfaßte also ein Werk des Hellenika-Typus'. Seine Darstellung schloß an das Werk 123
Schol. Nikandr., Ther. 3 = FGrHist. 691 T i s FGrHist. 271-272 F 10. Über Hermesianax den älteren von Kolophon als Dichter vgl. Heibges, RE 8 1 823-828 s.v. Hermesianax (2)\ Christ u. Schmid u. Stählin, Literatur II 1 121-123. 124
Zur Person des Lehrers Philetas, ποιητής άμα και κριτικός, Erzieher des Ptolemaios Philadelphos: Suda s.v. Φιλίτας, Pfeiffer, Philologie 116124; 127. 125
Plin., Ν. Η. X 136 = FGrHist. 690 Τ 2 = F 30 = FGrHist. 137 Τ 2: Dinoti Clitarchi celebrati auctoris pater ...; Corn. Nep., De exc. duc. 9, 5, 4 = FGrHist. 690 Τ 3: Dinon historicus, cui nos plurimum de Persicis rebus credimus ... Vgl. Schwartz, RE 5 1 654 s.v. Dinon. H.Gärtner, Der Kleine Pauly 2, 35 s.v. Dinon läßt den Historiker aus Kolophon stammen. Für eine Kenntnis seiner Herkunft fehlt tatsächlich jedoch jeder Beleg (vgl. Jacoby, FGrHist. II D 484). Vgl. auch Pearson, Lost Histories 221 ff. 126 Philodem., Rhet. IV 1 col. XXI p. 180 Sudh = FGrHist. 137 Τ 12. Ob Deinon, Sohn des Deinon, den Agathokles nach 205 v.Chr. hinrichten ließ, ein Nachkomme Kleitarchs und des Deinon ist, ist unbekannt (vgl. Polyb. XV 26 a; Jacoby, FGrHist. II D 485).
72
Herkunft und Ausbildung der Historiker
des Ephoros an. Sowohl der Vater Phanodemos wie auch der Sohn Diyllos waren politisch aktiv: Diyllos war Mitglied des Rates im Jahre 303/302 v.Chr., Phanodemos selbst war Ratsmitglied, trat als Politiker vor allem 127 in Angelegenheiten des Kultus hervor und wurde mehrfach geehrt . Entfernt verwandt sind wahrscheinlich auch die Atthidographen Kleidemos und Philochoros, denn ein Mitglied der politisch aktiven Familie, zu der Kleidemos wahrscheinlich gehörte, heiratete einen Philochoros, den Sohn des Demonikos; die Vermutung Jacobys, der Zweitälteste und der jüngste Atthidograph könnten Verwandte sein, besitzt daher Plausibilität. Philochoros' Großvater, Vater und Bruder sind als Prytanen belegt: Philochoros entstammte ebenfalls einer Familie der politischen
Führungs-
schicht. Er selbst war allerdings μάντις, der in dieser Eigenschaft auch offiziell befragt wurde. Daß er durch Antigonos Gonatas getötet - hingerichtet oder ermordet - worden sein soll, weil er der Sache der Ptolemäer zuneigte, macht es wahrscheinlich, daß auch Philochoros zu den politischen Exponenten Athens gehörte, auch wenn nicht bekannt ist, daß er im engeren Sinne politische Ämter innehatte. Philochoros' wahrscheinlicher Vorfahr Kleidemos gehörte wohl zu einem der Kollegien von Exegeten. Kleidemos' attische Geschichte trug ihm eine Ehrung ein, über die 128 er sich einer Anekdote zufolge dermaßen freute, daß er darüber starb .
127
Diod. 14, 76, 6 = FGrHist. 73 Τ 2. Vgl. Diod. 14, 14, 5 = FGrHist. 73 Τ 1; 21, 5 = FGrHist. 73 Τ 3. Phanodemos war Sohn eines Diyllos: Syll. 3 227 = FGrHist. 325 Τ 2 a-b); IG VII 4252 = FGrHist. 325 Τ 3 a): Syll. 3 287 = FGrHist. 325 Τ 3 b); Syll. 3 298 = FGrHist. 325 Τ 4; Syll. 296 = FdD. III 1 511 = FGrHist. 325 Τ 5; Dion. Hal., A. R. I 61, 5 = FGrHist. 325 Τ 6. Vgl. Phlegon (?) POxy. 2082 = FGrHist. 257 a F 3: ... Δίυλλ[ος] J Φ[α]νοδ[ήμου ...; Traill, in: Hesperia 37 (1968) 1-24, bes. 14, 177. Uber die Zugehörigkeit des Demades, Sohn des Demeas, zu dem Kreis der Politiker um Phanodemos vgl. Οίκονιμίδης, in: Πλάτων 8 (1956) 105-129, bes. 106 f. Vgl. Kirchner, PA Nr. 4451; 4452; 14033. Vgl. auch Wilhelm, in: Anz. Akad. Wiss. Wien, Phil.-Hist. Kl. (1895) 39-46; Chaniotis, Historie 329 f. 128
Ehrung und Tod des Kleidemos: Tertullian., De an. 52 = FGrHist. 323 Τ 2; dazu vgl. Chaniotis, Historie 292 f. Kleidemos schrieb ein έξηγητικόν (Athen. IX 78 p. 409 F-410 Β = FGrHist. 323 F 14. Vgl. Prokl. in Hesiod., Opp. 808 = FGrHist. 323 F 28. Philochoros als μάντις, sein Vater hieß Κύκνος; gewaltsamer Tod des Philochoros: Suda s.v. Φιλόχορος =
Herkunft und Ausbildung der Historiker
73
Brüder waren Xenophon von Athen - nicht der berühmte Sokratiker, sondern der Verfasser eines Βίος von Epaminondas und Pelopidas - und PyΛ 129 thostratos, der Dichter einer θεσηις . Brüder waren auch Duris von S amos und Lynkeus, Komiker und Freund des Menander. Ihr Vater war als Jugendlicher Olympiasieger im Boxkampf, ihr Bruder Lysagoras samischer Politiker. Lynkeus schrieb auch Prosa, Sammlungen über Parasiten, Hetären etc. und Απομνημονεύματα, die unter anderem Anekdotisches boten. Die gesellschaftlich herausgehobene Position der Familie des Duris dokumentiert auch Duris' eigener Anspruch - ob berechtigt oder nicht -, ein Nachkomme des Alkibiades zu sein. Duris selbst ist wahrscheinlich im Exil geboren worden, möglicherweise um 340/330 v.Chr. auf Sizilien; die besondere Rolle seiner Familie unter den Exulanten unterstreicht die Beantragung eines φυγή Dekretes durch Duris' 130 Bruder Lysagoras nach der Rückkehr der Exulanten in die Heimat .
FGrHist. 328 Τ 1; Dion. Hal., De Din. 3 = FGrHist. 328 Τ 3; als έξηγητής: Prokl. in Hesiod., Opp. 808 = FGrHist. 323 F 28. Über Philochoros* Tod und die mögliche Datierung auf 263/262-262/261 v.Chr. vgl. Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 221 f. Über die Verwandtschaft des Atthidographen ders., ebda. 255 f. mit Anm. 1-4: Κύκνος Φιλοχόρου À να ωλύστιος war 334/333 v.Chr. Prytane (IG II 1750, 7); Δημήτριος Κύκνου Αναφλύστιος (IG II 3835) ist wahrscheinlich Bruder des Atthidographen. Aristomache, Tochter einer Familie aus der Derne Melite, in der Namen auf Klei- häufig waren, heiratete 390 v.Chr. einen Philochoros, Sohn des Demonikos (Kirchner, PA Nr. 8724; über die mögliche Verwandtschaft von Kleidemos und Philochoros Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 57 mit Anm. 22). Zu Philochoros vgl. Kirchner, PA Nr. 14781-14782; R.Laqueur, RE 19 2 2434-2442 s.v. Philochoros; zu Kleidemos FJacoby, RE 11 1 591-593 s.v. Kleidemos. Kirchner, PA Nr. 8494-8495 identifiziert den Atthidographen mit Κλείδημος Αίνησ- (IG II 1930), dem γραμματεύς der Richter einer διαδικασία von 383/382 v.Chr. Gegen die Identität des von Aristoteles und Theophrast zitierten naturwissenschaftlichen Schriftstellers (FGrHist. 323 F 31-36; Jacoby, FGrHist. III b [Suppl.] Vol. I 85) mit dem Atthidographen Diels u. Kranz, F.d.V. 62 A 1-6 mit App. Diog. Laert. II 59 = FGrHist. 111 Τ 1. Susemihl, Alexandrinerzeit 639; 616 Anm. vermutet einen Zeitgenossen des Epameinondas. Vgl. auch Kirchner, PA Nr. 12465; Wickert, RE 9 A 2 2051 s.v. Xenophon (8). 130 Vgl. Athen. IV 1 p. 128 A = FGrHist. 76 Τ 1; VIII 18 p. 337 D = FGrHist. 76 Τ 2; Plut., Alkib. 32 = FGrHist. 76 Τ 3; Pausan., VI 13, 5 = FGrHist. 76 Τ 4. Neben Μακεδόνικα (Ιστορίαι), Τα περί Αγαθοκλεα und Σαμιών ftpoi schrieb Duris unter peripatetischem Einfluß Περι νόμων, Περί
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Herkunft und Ausbildung der Historiker Einer Familie von Literaten und Sophisten entstammte Alkidamas von
Elaia, Verfasser vor allem rhetorischer Schriften. Neben kleinen Werken und einem Traktat, der theoretisch eine Absage an die isokrateische Konzeption der geplanten, schriftlich fixierten Rede und eine Grundlegung einer Rhetorik aus dem καιρός sein wollte, schrieb Alkidamas das Μουσείον, eine biographische und anekdotische Sammlung als Reservoir zur Bereicherung der Reden um Beispiele. Μουσικά hatte bereits der Vater des Alkidamas, Diokles, geschrieben: Wahrscheinlich sind die Musen-Schriften im Zusammenhang der Führung einer rhetorischen Schule entstanden und weitergegeben worden, die Alkidamas von seinem Vater übernahm. In der Geschichte der Redekunst allerdings wird Alkidamas, der als φιλόσοφος bezeichnet wird, als Schüler und Schulerbe des Gorgias geführt: Der Gorgianer Alkidamas hätte sich dann im Namen der rhetorischen Improvisation gegen den Gorgianer Isokrates als Vertreter technisch raffinierter Wortkunst gewandt. Gorgias lebte als Lehrer der Redekunst wandernd; eine Schule, vergleichbar der isokrateischen oder einer philosophischen Schule, wird Alkidamas eher vom Vater als von Gorgias übernommenen haben. Sollte der Rhetor tatsächlich bei Gorgias zeitweise Unterricht genommen haben, so würde dies für großen Reichtum seiner Familie sprechen, denn 131 Gorgias' Unterrichtsgebühren sollen immens gewesen sein .
τραγωιδίας, Περί Εύριπίδου και Σοφοκλέους, Προβλήματα όμηρικά, Περί αγώνων und Περί ζωγραφίας, sowie Περί χορευτικής (vgl. Plin., Ν. Η. 34, 61 = FGrHist. 76 F 32). Die Pointe hinter dieser verwirrten Stelle scheint sich auf die peripatetische Theorie der Kunst bezogen zu haben: Die Künste, auch die bildenden Künste, ahmen nach, verhalten sich mimetisch zur Natur außerhalb ihrer selbst und können nach Methode, Gegenstand und Mittel der Nachahmung unterschieden werden (vgl. Arist., Poet. 1448 a 5-15; 1447 a 15-1447 b 1). Letztlich konstituiert ein mimetischer Bezug zur Wirklichkeit, nicht die sich auf im Laufe der Zeit verbesserte Improvisationen (αύτοσχεδιάσματα) gründende technische Fachtradition das Eigentümliche der Kunst (Arist., Poet. 1448 b 20-25). Vgl. Habicht, in: Athener Mitteilungen 72 (1957/1959) 152-274, bes. 190 f. Nr. 23, 2-3; Barron, Coins of Samos 122; 125; 217; tab. XXV 4; ders., in: Class. Rev. N.S. 12 (1962) 189-192. 131
Zu Alkidamas vgl. Broszka, RE 1 2 1533-1539; Pfeiffer, Philologie 73 f. Alkidamas von Elaia als Begründer der Tradition vom Wettkampf Homers mit Hesiod um die Kunst der besseren Improvisation: Nietzsche, in: Rhein.
Herkunft und Ausbildung der Historiker Hagelochos,
Verfasser einer
rhodischen
Lokalchronik
75 (Χρονική
σύνταξις), die in der Anagraphe von Lindos zitiert ist, entstammte einer Familie, in der literarische Tätigkeit verbreitet war, wenn der ebenfalls in der Anagraphe zitierte Hagestratos tatsächlich der Sohn und Nachfolger des Hagelochos war; Jacoby nimmt dies wegen der identischen Werktitel und 132
des gemeinsamen Namensbestandteiles Hage- an
.
Mit Eudemos, dem Verfasser eines Λινδιακός, erscheint in der Anagraphe von Lindos ein Name, den auch der berühmte Aristotelesschüler von Rhodos trug. Im Falle des Peripatetikers Eudemos, des Adressaten der aristotelischen Altarelegie,
sind historische Interessen dadurch belegt,
daß er Fachgeschichten der Geometrie, Arithmetik und Astronomie schrieb, die den Stoff nach Entdeckungen und Erfindungen einteilten und die Entwicklung der Disziplinen im Sinne einer Problemgeschichte darstellten. Als Schüler des Aristoteles soll Eudemos neben Theophrast als Leiter einer eigenen Schule in Frage gekommen sein. Da er mit diesem, wie mit Aristoteles, in brieflichem Kontakt über Probleme der Physik und Metaphysik stand, ist anzunehmen, daß Eudemos nach dem Tode des Aristoteles nach Rhodos zurückkehrte und dort als philosophischer Lehrer wirkte, denn aus Rhodos stammte in der Folgezeit eine größere Zahl peripatetischer Philosophen. So gab es eine Überlieferung, der zufolge Aristoteles Metaphysik a von Pasikles geschrieben oder bearbeitet worden sei, dem Sohn des Boethos, des Bruders des Eudemos von Rhodos: Der Peripatetiker Eudemos stammte also aus einer Familie, in der literarische und philosophische
Mus. 25 (1870) 528-540; 28 (1873) 211-249; Vogt, in: Rhein. Mus. 102 (1959) 193-211; ders., in: Gnomon 33 (1961) 697-703; Vahlen, in: SB Akad. Wien, Phil.-hist. Kl. 43 (1863) 491-528. Alkidamas Schüler des Gorgias, Sohn eines Diokles, der über Musik schrieb: Blass, Beredsamkeit II 345363, bes. 349. 132
Hagelochos: Anagraphe von Lindos C § 29; C § 36; C § 40 (FGrHist. 516 (1-3)). Hagestratos: Anagraphe von Lindos C § 35; C § 40; C § 41 (FGrHist. 517 (1-3)). Vgl. Jacoby, FGrHist. III b 428. In Gorgon (FGrHist. 515) und Gorgosthenes (FGrHist. 529) treten zwei weitere Autoren mit gleichem erstem Namensbestandteil auf.
76
Herkunft und Ausbildung der Historiker
Betätigung üblich waren. Identität oder Verwandtschaft des Peripatetikers mit dem Verfasser des Λινδιακός sind möglich, aber nicht eigentlich begründbar133. Dieuchidas von Megara war Verfasser der am meisten gelesenen Μεγαρικά. Sofern er, wie Jacoby annimmt, identisch ist mit dem gleichnamigen Angehörigen des delphischen Kollegiums der ναοποιοί, heißt sein Vater Praxion: Unter den Verfassern von Μεγαρικά erscheint auch ein Praxion. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß beide megarische Lokalhistoriker aus derselben, in Megara politisch exponierten und literarische Betätigung pflegenden Familie stammten; Jacoby vermutet, daß der Lokalhistoriker Praxion Vater des Dieuchidas war134.
Zu dem Peripatetiker Eudemos vgl. Simpl. in Arist., Phys. VI Comment, prooem. p. 924, 12 Diels = S.d.A. VIII fr. 1; p. 923, 7 Diels = S.d.A. VIII fr. 6; Strab. XIV 2, 13 (655) = S.d.A. VIII fr. 2; Asel, in Arist., Metaph. I 1 980 a 22, Hayd. p. 4, 4 = S.d.A. VIII fr. 3; p. 4, 18 = S.d.A. VIII fr. 4. Peripatetiker von Rhodos waren auch Hieronymos und Andronikos, auf Rhodos lebte wahrscheinlich Praxiphanes (vgl. Wehrli, S.d.A. VIII 77-79 [ablehnend gegenüber einer Identität mit dem in der Anagraphe genannten Historiker]; ders., in: Flashar (Hsg.), Überweg III 459-599, bes. 530-534; 567 f.; 575 f.; 585 f. Über Eudemos auch Martini, RE 6 1 895-901 s.v. Eudemos (11); Wehrli, RE Suppl. XI 652-658 s.v. Eudemos. Eudemos' von Rhodos Λινδιακός in der Anagraphe von Lindos Β § 10; C § 32; D § 1; D § 2 = FGrHist. 524 (1-4). Die Identität nimmt an v.Wilamowitz-Moellendorff, in: Berliner Philologische Wochenschrift 43 (1913) 1371-1373. Skeptisch gegenüber einer Identifikation Jacoby, FGrHist. III b 441 f. Ähnlich die erste Silbe des Namens des Eudoxos von Rhodos, Verfassers von Ιστορίαι und eines Werkes in der Form eines Περίπλους (FGrHist. 79). 134
Praxion: Suda s.v. Σκίρον = FGrHist. 484 (1). Dieuchidas wird bei Clem. Alex., Strom. 6, 26, 8 = FGrHist. 485 Τ 1 als Plagiator der Δευκαλιωνεία des Hellanikos behandelt. Dieuchidas, Sohn des Praxion, von Megara in den Tempelabrechnungen von Delphi bezeugt 338/337-335 v.Chr. und 331/330-330/329 v.Chr.: FdD III 5 20, 34; III 5 48 I 21; III 5 49 II 46 (vgl. auch Dunant u. Pouilloux, in: Bull. Corr. Hell. 76 (1952) 32-60, bes. 45-49); III 5 50 II 27 f.; III 5 58, 31; III 5 60 A 3 f. These der Identität zwischen Historiker und ναοποιός: Bourguet, in: Bull. Corr. Hell. 20 (1896) 233; dagegen Keil, in: Hermes 32 (1897) 413. Der Historiker Praxion als Vater des Dieuchidas: Jacoby, FGrHist. III b 390. Über delphische Finanzverwaltung: Dunant u. Pouilloux, aaO., bes. 57-60; Schultheß, RE 16 2 2433-2439 s.v. Νεωποιοί, bes. 2437 f.; Bourguet, Sanctuaire pythique. Skeptisch gegenüber der Identifizierung des Historikers mit dem ναοποιός: Davison, in: Class. Quart. N.S. 9 (1959) 216-222.
Herkunft und Ausbildung der Historiker
77
Zu einer literarisch aktiven Familie gehörte auch Anaximenes von Lampsakos, unter dessen jüngeren Verwandten ein Rhetor und ein Historiker gleichen Namens erwähnt werden; der jüngere Historiker Anaximenes ist der Sohn der Schwester des berühmten Anaximenes von Lampsakos. Daß dieser Lehrer Alexanders gewesen sei oder ihn auch nur auf dem Feldzug begleitet habe, ist unwahrscheinlich. Anaximenes gehörte zu den Sophisten und Redelehrern, die durch Auftritte auf panhellenischen
Festen
sich bekannt
machten und Schüler für ihre Unterrichtsveranstaltungen gewinnen konnten. Es gibt keinen wirklichen Beleg dafür, daß Anaximenes am Hof Alexanders lebte oder gar dessen Lehrer war. Für eine enge Bindung des Anaximenes an seine Heimatpolis spricht vielmehr eine Ehrung, die er durch die Lampsakener erhielt, und die diese in Olympia dokumentierten. Eine Anekdote, derzufolge es die besonderen Beziehungen des Rhetors zum makedonischen Herrscher - und seine Schlagfertigkeit - waren, die ihn Lampsakos retten ließen, durch Pausanias nur oberflächlich mit der Beschreibung des Anaximenes in Olympia ehrenden Standbildes verknüpft: Viel wahrscheinlicher ist, daß Anaximenes für Verdienste als Bürger seiner Heimatstadt ausgezeichnet wurde, beispielsweise für die Übernahme von Gesandtschaften während der Reisen, die er als Redelehrer unternahm
135
.
Davison betont, daß die Evidenz für literarische Aktivität des Dieuchidas im vierten Jahrhundert fehlt; esgäbe keinen Beleg für die Identität des Literaten mit dem Finanzbeamten. Spekulation ist die Vermutung von Davison, das Werk des Dieuchidas sei im zweiten Jahrhundert von einem unbekannten Autor dem älteren delphischen ναοποιός zugeschrieben worden. Auch wenn die Identität von ναοποιός und Historiker nicht sicher ist, ist es wahrscheinlich, daß der Historiker Dieuchidas, der Historiker Praxion und der ναοποιός Dieuchidas, Sohn des Praxion, aus einer politisch führenden und literaturbeflissenen Familie Megaras stammten und verwandt waren. 135
Diog. Laert. II 3 = FGrHist. 72 Τ 3; Suda s.v. Αναξιμένης Αριστοκλέους Λαμψακηνός = FGrHist. 72 Τ 1. Über Anaximenes vgl. Broszka, RE 1 2 2086-2098 s.v. Anaximenes (3); Berve, Alexanderreich II 35-37; Jacoby, FGrHist. II C .105. Broszka, aaO., 2098 schreibt dem jüngeren Anaximenes die Βασιλέων μεταλλαγαί zu; anders Jacoby, aaO. 110. Vgl. Pausan VI 18, 2 = FGrHist. 72 Τ 6. Über Anaximenes' Ausbildung s.o. S. 41.
78
Herkunft und Ausbildung der Historiker Der lampsakenische Peripatetiker Straton nahm dagegen sicher schon
den Weg an einen Hof: Er wirkte zeitweise als Prinzenerzieher unter Ptolemaios I. für Ptolemaios Philadelphos und erhielt dafür angeblich die große Summe von 80 Talenten. Straton wurde nach dem Tode Theophrasts (zwischen 288 und 285 v.Chr.) dessen Nachfolger in der Leitung der Schule. Einen Straton von Alexandria erwähnt das bei Diogenes Laertios verwendete Verzeichnis homonymer Autoren: Sofem dies nicht auf einen Fehler zurückgeht, ist es möglich, daß dieser zweite in Ägypten wirkende Straton ein jüngerer Verwandter des berühmten Physikers ist. Jener jüngere Straton wäre der gegenüber dem Physiker chronologisch geeignetere Kandidat für eine Identifizierung mit einem Architheoren des Königs Ptolemaios und der Alexandriner, der in Delos zwischen etwa 257 und 220 belegt ist. Straton, Sohn eines Arkesilaos, setzte selbst Lampyrion und Arkesilaos zu Haupterben seines privaten Vermögens ein: Möglicherweise ist der jüngere 136 Straton ein Enkel des Physikers . Aus einer Familie, in der literarische Tätigkeit nicht die Ausnahme gewesen zu sein scheint, stammte auch Nymphis von Herakleia. Nymphis war Sohn eines Xenagoras. Xenagoras war der Name eines Autors, der Περί νήσων und Χρόνοι schrieb. Unsicher ist die Verwandtschaft dennoch, da das Ethnikon des Chronographen nicht überliefert ist, und sein Name nicht eben
136 Vgl. Diog. Laert. V 58 = S.d.A. V fr. 1; V 61-64; Wehrli sieht in Arkesilaos einen Neffen Stratons (Wehrli, S.d.A. p. 45). Der Peripatetiker von Alexandreia: Diog. Laert. V 61; dazu Peremans u. Van t' Dack, Prosopographia Ρ tolemaica Nr. 16787; Capelle, RE 4 A 1 315 s.v. Straton (14). Der Architheore: - 257 (IG XI 2 226 Β [dazu Durrbach, Inscr. Delos 226 bis pp. 297-298]); - 249 (IG XI 2 287 Β 87); 244 (Durrbach, Inscr. Delos 296 Β 18); 240 (Durrbach, ebda. 298 A 120); 224 (Durrbach, ebda. 338 Β c 8); - 220 (Durrbach, ebda. 358 5). Homolle, Archives 69 identifizierte den Architheoren mit dem Physiker. Dies ist unmöglich, da der Physiker spätestens 269/268 v.Chr. starb (Diog. Laert. V 68) und der Aufenthalt des Physikers im Ptolemäerreich in die 90er Jahre des dritten Jahrhunderts fällt (gegen die Identität auch Durrbach, zu IG XI 2 287 Β 87 p. 149). Über den Physiker Straton, dessen gegen Ephoros gerichtete Ευρημάτων ελεγχοι (Περί ευρημάτων) es rechtfertigen, ihn zu den Historikern zu rechnen, vgl. Capelle, RE 4 A 1 278-315; Wehrli, in: Flashar (Hsg.), Überweg III 459-599, bes. 569-574; Peremans u. Van t' Dack, Prosopographia Ρ tolemaica Nr. 16786; Wehrli, S.d.A. V fr. 18; fr. 144131; Komment, pp. 45-47; 80; 82 f.
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selten ist. Die Angabe des Vatersnamens des herakleotischen Historikers 137 Nymphis in der Suda ist darüber hinaus nicht eindeutig . Die Identität 138 des Chronographen mit dem Vater des, Nymphis wird von Jacoby vermutet , sicher ist sie nicht. Sicher ist hingegen Nymphis' Zugehörigkeit zur Führungsschicht unter den Exulanten vor der Tyrannis von Herakleia und nach der Rückkehr zur politischen Führungsschicht der Stadt. Eine spätere Briefüberlieferung läßt Nymphis verwandt mit dem Tyrannenhaus der Klearchos von Herakleia sein: Die Historizität dieser Konstruktion läßt sich nicht überprüfen. Man hat vermutet, daß der den Exulanten gegenüber zum Maßhalten ratende und antityrannische Nymphis aus Gründen einer philosophischen Bildung und Überzeugung handelte, und man hat ihn mit einem Νυμφιας ό φιλόσοφος identifiziert. Eine literarische Bildung des Angehörigen der wohlhabenden Oberschicht Herakleias ist zwar anzunehmen, für eine besondere philosophische Ausbildung oder Haltung lassen sich allerdings 139 keine Nachweise beibringen . Derselben Familie aus Rhegion gehörten qua Adoption der Historiker Lykos und der Tragiker Lykophron an. Lykos schrieb je eine Geschichte Siziliens und Libyens. Sein Stiefsohn bzw. Adoptivsohn Lykophron wurde unter Ptolemaios an die Bibliothek von Alexandria berufen, bearbeitete dort vor allem die komische Literatur, trat selbst als Dichter jedoch vor al-
Xenagoras' Χρόνοι zitiert in der Tempelchronik von Lindos (FGrHist. 240 F 2-20; F 23-25) und in Schol. Apoll. Rhod., bei Macrob., Harpokrat., Steph. Byz. und Plin., Ν. H. (FGrHist. 240 Τ 2; F 1; F 21-22). Vgl. Suda s.v. Νύμφις = FGrHist. 432 Τ 1 = FGrHist. 240 Τ 1. 138 139
Jacoby, FGrHist. II D 702; III b 261.
Vgl. Memnon FGrHist. 434 F 1 c. 7, 3 = FGrHist. 432 Τ 3; F 1 c. 16, 3 = FGrHist. 432 Τ 4; Et. M. p. 221, 26 = FGrHist. 432 F 19. R.Laqueur, RE 17 2 (1937) 1608-1623 s.v. Nymphis, bes. 1612 identifiziert Νυμφίας (Et. Μ.: Νυμφίος) mit dem Historiker aus Herakleia. Gegen Laqueurs Versuch, mit den Mitteln der Quellenkritik die Reste von Nymphis' Werk und die biographischen Informationen über den Autor zu vermehren Jacoby, FGrHist. III b 259 mit Anm. 10; 269 f. (läßt die Frage philosophischen Einflusses auf den Politiker und Historiker offen). Christ u. Schmid u. Stählin, Literatur II 1 210 vermuten, daß Nymphis Peripatetiker war; dafür fehlt jeder Hinweis. Vgl. Chion, Epp. 13, 3 = FGrHist, 432 Τ 2. Über die Tyrannis in Herakleia vgl. Berve, Tyrannis 322 f. Über die Kelten Stähelin, Galater, 15 ff.
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Herkunft und Ausbildung der Historiker
lem mit Tragödien hervor. Er gehörte somit zu dem in frühhellenistischer Zeit zahlreicher werdenden Typus von Literaten, die ihre umfangreiche, nahezu ausschließliche Beschäftigung mit der literarischen Arbeit durch den Dienst für einen Herrscher finanzierten. Da Lykos mit Demetrios von Phaleron, dem unter Ptolemaios II. in Ungnade gefallenen Berater des ersten Ptolemäers, in Fehde lag, vermutet Jacoby, daß bereits er eine Stellung in Alexandria besessen und Stellung zugunsten des Ptolemaios II. Philadelphos genommen habe. Jacobys Vermutung allerdings, seine Schrift über Libyen solle in einem Zusammenhang gesehen werden mit den Entdeckungsunternehmungen Philons im Auftrage des ersten Ptolemäers, ist unwahrscheinlich, denn dieser wandte sich nicht nach Nordafrika, sondern ins Rote Meer, und beschrieb seine Fahrt in einem Εις Αίθιοπίαν πλους140. Auch die Annahme Jacobys, daß die Schrift über den Westen einem der epirotischen Herrscher des Namens Alexander gewidmet war, erscheint problematisch, denn sie gründet sich auf einer Emendation des Textes bei Steph. Byz. nach der Lesung in den Schol. Aristoph. Paxux, der ein Zitat bei Herodian entgegensteht142. Einer früheren Zeit als die in dieser Arbeit behandelten Historiker gehören eigentlich Skamon von Mytilene und Hellanikos von Lesbos - Skamons wahrscheinlicher Vater - an. Eine der in der Suda gegebenen Varianten für Hellanikos' Vatersnamens ist Skamon. Skamon schrieb Περί Λέσβου
Suda s.v. Λύκος = FGrHist. 570 Τ 1. Lykophron: Sohn eines Sokles von Chalkis, wahrscheinlich durch Lykos adoptiert: Vit. Lykophron. p. 4, 25 Scheer = FGrHist. 579 Τ 2 a); Suda s.v. Λυκόφρων = FGrHist. 570 Τ 2 b). Philon: FGrHist. 670. Jacoby sieht in Alexander I. von Epirus den Widmungsträger des Sizilienwerkes (Jacoby, FGrHist. III b 597-600). 1Ai _ Schol. V Aristoph., Pax 925 = FGrHist. 570 F 1 a): περί δέ των λαρινών βοών Λύκος μεν ó Ρηγίνος έν ταίς Προς Αλέξανδρον 5ησε (δηλοΐ δε τα υπομνήματα, α συνέγραψε περι της πολιτείας ταύτης έκεΐνος). Dazu vgl. Wehrli, aaO. 72 f.: Demetrios' Hypomnemata sind wahrscheinlich eine Darstellung der eigenen Politik in apologetischer Absicht gewesen; die Vorstellung einer Berichtigung der Demokratie antwortet auf den Vorwurf unkonsitutioneller Tyrannei (Pausan. I 25, 6 = S.d.A. IV fr. 14); über die eigene Herrschaft verfaßte der Peripatetiker Ϋπέρ της δωδεκαετίας und Ϋπέρ της πολιτείας. 85
S.d.A. IV h . 12 = IG II2 1201 = Syll.3 318: και επιμελητής α ν θείς υπό του δήμο[υ του Αθηναίων νόμου]ς εθ[η]κεν καλ(ού]ς [και συμφέροντος τεΐ πόλε]ν Das Amt des Demetrios ist ergänzt nach den Angaben Diodors (18, 43, 3), der von einer Designation durch Kassander, geradezu von einer Vorauswahl durch den Makedonen spricht. Vgl. Bayer, Demetrios 87 mit Anm. 3; über die allgemeine Tendenz zum Ersatz des Loses durch Wahl, ders., ebda. 89-90. 86
Diod. 18, 74, 3 = S.d.A. IV fr. 13 = FGrHist. 228 Τ 3 a); Diod. 20, 45, 2 = S.d.A. IV fr. 50; Plut. Demetr. 8: ... διοικούντος ... Strab. IX 1,20 = S.d.A. IV fr. 27 = FGrHist. 228 Τ 3 b).
Politiker als Historiker
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undatierte Ehreninschrift nennt drei Strategien und eine Hipparchie; als kassanderfreundlichen Strategen führt ihn Polyaen 87 . In die Überlieferung ein geht Demetrios als Inhaber einer ungesetzlichen Position88. Populistische Agitation mußte ihm einen Teil der fehlenden Legitimität ersetzen. 89
Diodor nennt Demetrios geradezu Statthalter . Während seiner Herrschaft über Athen konnte Demetrios eine Reihe gesetzlicher Veränderungen durchsetzen; die chronographische 90 Überlieferung nennt ihn als Gesetzgeber in Athen im Jahr 317/316 v.Chr. . Zu diesen gesetzlichen Veränderungen gehören Regelungen des Rechts zu politischer Teilhabe als auch wirtschaftliche Maßnahmen. Wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Festlegung eines Zensus von 10 Minen wurde die Bürgerschaft gezählt - nicht zur Volkszählung, sondern zur Bestimmung von Lasten und Rechten der einzelnen Bürger91. Wirtschaftlich wurden zunächst Maßnahmen ergriffen zur Beschränkung der Geldausgabe für die persönliche Repräsentation, gegen Gräberluxus und hohen Aufwand bei Hochzeitsfeiern und Begräbnissen; die Choregie von Privatleuten wird ersetzt durch die Choregie
87
S.d.A. IV fr. 20 = IG II 2 2971 = Syll.3 319; zur Problematik der zeitlichen Einordnung vgl. Davies, Families 108 Nr. 3455. Vgl. S.d.A. IV fr. 48 = Polyaen., Strategemata IV 7, 6. 88
λόγφ μεν ολιγαρχικής εργω δε μοναρχικής καταστάσεως γενόμενης δια την του Φαληρέως δυναμιν κτλ. (Plut. Demetrius 10 = S.d.A. IV fr. 26. Cf. FGrHist. 228 Τ 3 c) = Pausan. I 25, 6: Κάσσανδρος ... τυραννόν τε Αθηναίοις επραξε γενέσθαι Δημήτριον τον Φανοστράτου). Vgl. auch Τ 3 b) = Strabon IX 1, 20. Dazu F.Wehrli, RE Suppl. IX 514-522 sv. Demetrios, bes. 515. ν 89
οΰτος μέν οΰν ετη δέκα της πόλεως έπιστατήσας, Diod. 20, 45, 5.
90
Marm. Par. Β ep. 13 = FGrHist. 228 Τ 3 d). Vgl. Cic., De Rep. II 2 = FGrHist. 228 Τ 3 e); 228 F 45 a) = Plut. Aristid. 27, 5. Dazu Jacoby, FGrHist. II D 642, 23 ff.; 644, 29 ff. Demetrios schrieb selbst über athenische Verfassung und Gesetzgebung (Bücherliste von Rhodos Nr. 11 col. I 1 = FGrHist. 228 Τ 11; Diog. Laert. V 80-81 = FGrHist. 228 Τ 1 = S.d.Α. IV fr. 74). 91
Athen. VI p. 272 c = S.d.A. IV fr. 31. Zur Halbierung des Zensus durch Demetrios und deren Zusammenhang mit der Zählung vgl. F.Wehrli, S.d.A. IV, Komment, zu fr. 31; Bayer, Demetrios 20-24.
246
Politiker als Historiker 92
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des Demos ; zur Kontrolle, zur Überwachung der Tätigkeiten von Verfassungsorganen und zur Sicherung der Macht dienten γυναικόνομοι und νομοφύλακες93. Eine Hauptaufgabe, deren Lösung Demetrios für sich beansprucht hat, ist die Sicherung der Finanzen und der Versorgung Athens. Duris behauptet andererseits, Demetrios habe das Geld, über die er verfugte, nicht in ausreichendem Maße εις τους στρατιώτας και την της πόλεως διοίκησιν aufgewendet, sondern seiner άκρασία wegen für großartige Gelage und für sein Auftreten. Demochares polemisierte in seinem Geschichtswerk dagegen, daß Demetrios von Phaleron sich einer Politik gerühmt habe, derer sich allenfalls ein banausischer Steuerpächter hätte etwas zugute halten Bayer, Demetrios 60-67; Wehrli, RE Suppl. XI s.v. Demetrios von Phaleron, aaO. 516; Martini, RE IV 2 s.v. Demetrios von Phaleron, aaO. 2824-2825. 93
F.Wehrli, RE Suppl XI 514-522 s.v. Demetrios von Phaleron, bes. 515 f.; Bayer, Demetrios 40 f., 51-60; Martini, RE IV 2 2817-2841 s.v. Demetrios von Phaleron, bes. 2825-2827. Zur Einführung der γυναικονόμοι Busolt, Staatskunde I 494: παιδονόμοι und γυναικονόμοι sind nach Aristoteles nichtdemokratische Behörden; Boemer, RE 7 2 2089 f. s.v. γυναικονόμοι: Diese sind in Arist., Αθ. Πολ. noch nicht erwähnt, ihre Einrichtung wird jedoch empfohlen in Pol.; E.Ziebarth, RE 17 1 832 f. s.v. Νομοφύλακες: eine von der sokratischen politischen Theorie als wichtig erachtete Behörde (Xenoph., Oecon. IX 14); Jacoby, FGrHist. II D 650 f.: Existenz der νομοφύλακες vor Demetrios' Herrschaft, aber Ausstattung mit Kompetenzen ähnlich den Ephoren Spartas durch Demetrios. Aristoteles zählt νομοφύλακες und γυναικόνομοι zu denen, deren Bestehen die im Interesse der ein demokratisches Staatswesen Tragenden eigentlich nicht liegen dürfen und können (Arist. Pol. 1322 b 39 ff.; vgl. 1289 b 29; 1323 a 8; vgl. Wehrli, RE Suppl. XI aaO. 515 f.). Dabei hat Aristoteles mit den γυναικόνομοι ein Ämterkollegium im Auge, das das öffentliche Auftreten der Frauen kontrolliert; dieses sei in einer Demokratie sinnlos, in der die Mehrheit ohnehin keine Sklaven, und die Mehrheit der Frauen dementsprechend keine Muße zu öffentlichem Auftreten habe. Tatsächlich haben die γυναικόνομοι im Argument des Aristoteles engere Kompetenzen als die Behörde unter Demetrios von Phaleron. Der Einfluß seiner Ausbildung und Erziehung im Peripatos auf die Politik des Demetrios sollte nicht überschätzt werden [vgl. Gehrke, in: Chiron 8 (1978) 149-193)]. Bereits Bayer verwies auf weitergehende Vorstellungen bei Piaton und auf νομοφύλακες in πόλεις außerhalb Athens (Bayer, Demetrios 25-35; 132-136). Anregung durch platonische und peripatetische Staatstheorie vermuten: Jacoby, FGrHist. II D 642; 647; Martini, RE IV 2 aaO. 2827 f.; Wehrli, RE Suppl. XI aaO. 515-517. Demetrios als Oligarch: Gehrke, Phokion 99 f.
247
Politiker als Historiker
können, einer Politik, die das Preisniveau auf den athenischen Märkten niedrig und das Angebot an Gütern des täglichen Bedarfes hoch gehalten habe94. Auf die tatsächlich nicht unabhängige Position Athens und des Demetrios werfen die Vorgänge während der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Kassander und Antigonos 314 v.Chr. ein Licht: Kassander kann anordnen, daß Demetrios von Phaleron die Entsendung eines marinen Hilfscorps nach Lemnos veranlaßt. Neben Demetrios amtiert in Athen als Beauftragter Kassanders dessen Kommandeur der Munychia-Besatzung. Die innere •
95
Opposition gegen beide kann sich auf Antigonos stützen . Im Jahre 309 v.Chr. ist Demetrios von Phaleron eponymer Archon. In sein Archontat fällt ein Festzug zur Feier der Dionysien, der in den Auseinandersetzungen über das moralische und politische Verhalten des Demetrios eine besondere Rolle spielt. Demetrios ließ sich dabei als sonnen-
Angebliche jährliche Einkünfte von 1200 Talenten (Duris bei Athen. XII 542 b = S.d.A. IV fr. 34; vgl. ders., S.d.A. Komment, zu fr. 34 über Duris' Gegnerschaft zu Demetrios). Die Nachricht begegnet Skepsis: Bayer, Demetrios 38 f. In der Demetrios von Phaleron gegenüber günstigen Überlieferung, die wahrscheinlich auf Demetrios' eigene Schriften zurückgeht, wird der wirtschaftliche Aspekt seiner Leistungen besonders betont (Diog. Laert. V 75 = S.d.A. IV fr. 28 = FGrHist. 228 Τ 1). Demochares' Polemik dagegen: Polyb. XII 13, 8-10 = FGrHist 75 F 4; Demetrios' die von Demochares verhöhnte Rechtfertigungen seiner Wirtschaftspolitik können bereits auf Duris' Vorwürfe geantwortet haben (Wehrli, S.d.A. IV: Komment, zu fr. 34). Bayer, Demetrios 40-43: Wahrscheinlich hat Demetrios Preise regelnde Gesetze erlassen. Diod. 19, 68, 2 = S.d.A. IV fr. 45. Vgl. Bayer, Demetrios 79-80: Kassander versucht die Rückgewinnung von Lemnos, dessen athenische Kleruchen sich von Demetrios und Kassander losgesagt hatten. Vgl. Ferguson, Athens 49-52; Beloch, Gr. G, IV 1 122 f. 312/311 v.Chr., landet Polemaios in Boiotien und die Herrschaft des Demetrios wird kurzzeitig destabilisiert; nach dem Friedensschluß zwischen Antigonos, Lysimachos und Kassander aber festigt sie sich wieder, vgl. Martini, RE IV 2 2817-2841 s.v. Demetrios (85), bes. 2820; F.Wehrli, RE Suppl. XI 514-522 s.v. Demetrios von Phaleron, bes. 517 (Demetrios suchte sich aus militärischen Auseinandersetzungen möglichst herauszuhalten). Zum Frieden 311 v.Chr. Niese, 95
Geschichte I 303.
248
Politiker als Historiker
haft besingen. Dazu verwendete eine geschickte Regie des Festzuges Tiere - Esel und ein Fahrzeug in Schneckenform - zur Steigerung der Wirkung der 96
Veranstaltung auf die Zuschauer . Zu ihrem Ende kommt die Herrschaft des Demetrios über Athen 307/306 v.Chr., als Demetrios Poliorketes Piräus belagert, besetzt und die "Freiheit" der Athener proklamiert97. Neben dem Kommandanten der Besatzung der Munychia, Dionysios, organisiert Demetrios von Phaleron die Verteidigung gegen den Städtebelagerer und befehligt Soldaten in der Stadt. Auf einen von ihm selbst herbeigeführten Volksbeschluß hin wird Demetrios von Phaleron als Unterhändler an Demetrios Poliorketes gesandt mit dem Auftrag, die αυτονομία der Stadt zu bewahren. Dabei steht natürlich auch die Rolle des Demetrios selbst zur Disposition, der seine persönliche ασφάλεια zum Gegenstand der Verhandlungen macht und nach Zusicherung freien Geleites ins Exil nach Theben geht. Demetrios muß wegen der militärischen Situation innere Gegner besonders furchten, ist er doch nicht mehr Schutzfaktor, sondern Gefährdungspotential für die Interessen der Athener; wegen des Umsturzes droht Demetrios und seinen Anhängern gerichtliche Verfol98 gung .
96
S.d.A. IV fr. 19 = Diod. 20, 27, 1; S.d.A. IV fr. 18 = Marmor Parium Β 19; S.d.A. IV fr. 34 = Athen. XII 542 b ff.; Polyb. XII 13,11 = FGrHist. 75 F 4. Vgl. Wehrli, S.d.A. IV 51; Bayer, Demetrios 71 f. Über die Funktion der künstlichen Schnecke bei den Dionysien 308 v.Chr. Rehm, in: Philologus 92 (1937) 317-330. 97
S.d.A. IV fr. 47 = Marmor Parium Β 20; S.d.A. IV fr. 50 = Diod. 20, 45, 2; FGrHist. 228 Τ 4 b) = Dion. Hal., De Din. 3; S.d.A. IV fr. 48 = Polyain., Strat. IV 7, 6. 98
Diod. 20, 45, 1-5. Vgl. Bayer, Demetrios 78-87, der annimmt, daß Demetrios von Phaleron in der Zeit der erneuten Stabilisierung seiner Herrschaft nach 311 v.Chr. keine besonderen Anstrengungen auf militärische Rüstungen verwandt hat, was den polemischen Notizen des Duris zugrunde liegen mag (s.o.) und möglicherweise auch dem Urteil Ciceros (Cic., Brut. 37 = FGrHist. 228 Τ 9 b)). Vgl. auch S.d.A. IV fr. 51 = Plut., Dernetr. 9. Gefährdung des Demetrios: S.d.A. IV fr. 51 = Plut., Demetr. 9 (δια την μεταβολήν της πολιτείας). Urteil gegen Demetrios in Abwesenheit: FGrHist. 228 Τ 4 b) = Dion. Hal., De Din. 3; S.d.A. IV fr. 52 = Diog. Laert. V 76 = FGrHist. 228 Τ 1; Philochoros bei Dion. Hai., De Din. 3 = S.d.A. IV fr. 56 = FGrHist. 228 Τ 4 b).
Politiker als Historiker
249
Demetrios floh ins Exil nach Theben, der von Athen aus nächsten Stadt unter Kassanders Kontrolle. Dort soll er den Kyniker Krates getroffen haben; die Erzählung von diesem angeblichen Treffen drückt deutlich die Lage des Exulanten aus: In der Fremde mangelt es ihm an δόξα; er führt eine armselige Existenz. Beides, Mangel an Möglichkeiten zu politischer Entfaltung und materielle Bedürftigkeit, erklärt, daß den entstehenden hellenistischen Höfen zur Rekrutierung von Beratern und Funktionären in den Exulanten ein großes Reservoir an ambitionierten und zugleich erfahrenen Männern zur Verfügung stand. Demetrios von Phaleron fand schließlich den Weg nach Ägypten99. Als Politiker war Demetrios bereits zu Lebzeiten eine umstrittene Figur. Es heißt, übertreibend, ihm sollen so viele Standbilder verehrt worden sein, wie das Jahr Tage hat100; nach dem Ende seiner Herrschaft aber soll ein Todesurteil in Abwesenheit gegen ihn ergangen sein, das gewissermaßen an seinen Standbildern vollzogen wurde 101 . Demetrios hat in den Streit um seine Person und Position selbst mit der Feder eingegriffen: Er schrieb unter anderem über die Zeit seiner Herrschaft, und seine Rechtfertigungsversuche antworteten offenbar bereits auf solche Vorwürfe, wie sie Duris oder Demochares artikulierten.
w
S.d.A. IV fr. 59 = Plut., De adul. XXVIII p. 69 c. Bayer, Demetrios 95 f. nimmt an, Demetrios habe sich bis zum Tode Kassanders in dessen Umgebung aufgehalten. Zum Aufenthalt in Theben auch Jacoby, FGrHist. II D 643; Wehrli, S.d.A. IV 54. 100
S.d.A. IV fr. 22 = Plin. N.H. XXXIV 12, 27. Vgl. Corn. Nep. Miltiad. 6 = S.d.A. IV fr. 21; S.d.A. IV fr. 24 = Diog. Laert. V 75. Zur Darstellung auf dem Wagen vgl. die Ehreninschrift S.d.A. IV fr. 20 = Syll. 319, in der Siege des Demetrios αρματι an den großen Panathenäen, in Delos und aus Anlaß der Hermesfestspiele erwähnt werden. 101
S.d.A. IV fr. 52 = Diog. Laert. V 76 (angebliche Aussparung eines Standbildes; die Erhaltung der einen Statue schrieb Favorinus einem Befehl des Demetrios Poliorketes zu; Favorinus berichtet, daß man das Jahr der Inhabe des epomymen Amtes durch Demetrios von Phaleron später als Jahr der ανομία geführt habe. Fraglich ist, ob mit Wehrli die Ehreninschrift S.d.A. IV fr. 20 = Syll. 319 (Aufschrift einer Statuenbasis) mit der einen angeblich erhaltenen Statue identifiziert werden darf (Wehrli, S.d.A. IV 51 Komment, zu fr. 20). Einschmelzung der Bildsäulen bezweifelt Wilamowitz-Moellendorff, Antigonos 46 Anm. 2.
250
Politiker als Historiker Der Historiker Diyllos, Sohn des Historikers Phanodemos, ist als
Bouleut im Jahr 303/302 v.Chr. belegt. Sonstige politische Betätigung des Diyllos
ist
nicht
überliefert,
sein
Geschichtswerk,
das
Ephoros*
Universalgeschichte ergänzt und fortsetzt, behandelt nicht Selbsterlebtes102. Ein Bürger Athens, der erhebliche Leiturgieverpflichtungen übernahm und zugleich seine Stellung im Dienste des Antigonos Gonatas dazu ausnutzte, seiner Heimatstadt und ihren Gesandten von Nutzen zu sein, war der Historiker und Militär Herakleitos von Athen, den die Athener nicht nur für seine Betätigungen als Bürger, sondern auch für die Abfassung eines Geschichtswerkes über die Siege des Antigonos über die Galater und die Weihung von Inschriften mit dem Text dieses Geschichtswerkes im Tempel der Athena Nike ehrten Kleidemos von Athen ist wahrscheinlich der nach Hellanikos Zweitälteste Atthidograph und war wahrscheinlich Exeget104. Politische Betätigung ist für den Historiker nicht belegt, aber öffentliche Wirksamkeit seines Geschichtswerkes; Kleidemos soll dafür geehrt worden sein105.
102 Plut., De glor. Athen. 1 p. 345 E-F = FGrHist. 73 Τ 4; Traill, in: Hesperia 37 (1968) 1-24, bes. 14 1. 17. 103 S.u. S.346 u 104
Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 58; Pausan. 10, 15, 5 = FGrHist. 323 Τ 1; die zeitliche Einordnung ist nicht sicher. Vgl. Prokl., Hesiod. Opp. 808 = FGrHist. 323 F 28. Daß Kleidemos Exeget war, erschließt Jacoby aus dem für ihn bezeugten έξηγητικόν (Athen. 9, 78 p. 409 F-410 Β = FGrHist. 323 F 14; Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 57; 70 ff.; 85). Vgl. auch ders., RE XI 1 591-593. 105 Tertullian., De an. 52 = FGrHist. 323 Τ 2. Über die Ehrung und die prodemokratische Tendenz, die dem Werk zugesprochen wird vgl. Chaniotis, Historie 292 f.; 261 f. Kirchner identifiziert den Historiker mit Κλείδημος Αίνησ-, einem γραμματεύς der διαδικασία von 383/382 v.Chr. (Kirchner, PA Nr. 8494), was eine politische Betätigung des Kleidemos bedeutete; die Identifizierung ist jedoch schwer zu vereinbaren mit der Datierung des Werkes auf die Mitte des vierten Jahrhunderts durch Jacoby. Dieser vermutet in ihm einen Angehörigen einer politisch hervorgetretenen Familie der Derne Melite, in deren Reihen der Name Kleidemos nicht ungewöhnlich ist (Jacoby, FGrHist. III b (Suppl.) Vol. I 57).
251
Politiker als Historiker
Metöken spielten eine ganz hervorragende Rolle im Geistesleben Athens, waren naturgemäß aber ohne die bürgerlichen Rechte politisch von geringem Einfluß und lebten oft sogar persönlich gefährdet. Myron von Priene, Verfasser von Μεσσηνιακά und eines Ρόδου έγκώμιον, soll der amicus eines Cremonides gewesen sein, der vielleicht identisch ist mit Chremonides von Athen, dem Staatsmann des zweiten Viertels des dritten Jahrhunderts und Freund Zenons, der 267 v.Chr. den Ratifikationsbeschluß für das Bündnis zwischen Athen und Sparta gegen Antigonos Gona106
tas beantragte, das den Chremonideischen Krieg nach sich zog
. Aristote-
les von Stageira kam während der Abwesenheit Piatons in Sizilien kurze Zeit nach 367 v.Chr. nach Athen, mußte die Stadt um die Zeit des Todes Piatons, und nachdem die zunehmend antimakedonische Orientierung der athenischen Politik unter der Führung des Demosthenes dem Philosophen den Aufenthalt in Athen gefährlich werden ließ, Athen verlassen. Er begibt sich an den Hof des Dynasten Hermias von Atarneus. Ein Gefühl der Gefahrdung, das Aristoteles damals empfunden haben mag, wird 107 allgemein aus einem Brief des Aristoteles an Antipatros herausgelesen . Aristoteles kehrt erst im Jahre 335/334 v.Chr. nach Athen zurück, nach der Schlacht von Chaironeia v.Chr.),
(338 v.Chr.) und nach der Zerstörung Thebens (335/334
wahrscheinlich
also
nach
dem
Wegfall
der
persönlichen
106 Vgl. Pausan. IV 6, 1 = FGrHist. 106 Τ 1; Athen. VI 102 p. 271 F = FGrHist. 106 F 1; Tempelchronik von Lindos C 65-68 = FGrHist. 106 F 4; D 1 = FGrHist. 106 F 5; Rutil. Lupus, De fig. I 20 = FGrHist. 106 F 6. Vgl. Kirchner, PA II 437 Nr. 15572; Syll. 434/5. Vgl. Heinen, Untersuchungen 95-213, bes. 123 ff.; Sartori, in: Miscellanea etc., FS Rostagni 117-151; Jacoby, FGrHist. II Β 341 f. Myrons Werk als rhetorisches Produkt: Schwartz, in: Hermes 34 (1899) 428-468, bes. 455. 107
Vgl. I.Düring, RE Suppl. XI (1968) 159-336 s.v. Aristoteles, bes. 171-182; ders., Tradition. Die Briefnotiz ebda. Τ 44 a und Komment, p. 113-116. Die Notiz wirkt aber apokryph, da sie eine Parallele zum Tod des Sokrates beschwört. Zu den Briefzeugnissen über Aristoteles' Beziehung zu Antipatros vgl. Berve, Alexanderreich II 74 Nr. 135.
252
Politiker als Historiker
Bedrohung
108
. Zum zweiten Mal muß der Metöke nach dem Tode Alexanders -
wohl wieder aus politischen Gründen - aus der Stadt weichen; er zieht sich auf den Besitz seiner Mutter in Chalkis zurück, wo er stribt109. Die Lage Theophrasts als Metöke in Athen war ähnlich prekär. Allerdings verschafften ihm seine Beziehungen zum starken Mann Athens unter Kassander, Demetrios von Phaleron, das Recht zum Erwerb von Grund und Boden in Athen, um den Peripatos als Schule eigentlich erst zu begründen. Die Unsicherheit, unter der der makedonenfreundlicher Umtriebe verdächtige Philosoph lebte, zeigt sich an der Anklage, die Hagnonides noch 318 gegen Theophrast wegen ασέβεια vorbrachte. Deinarchos' Schicksal ist vergleichbar: Deinarchos hatte, nachdem er nach Athen gekommen und dort als Logograph gewirkt hatte, schon früh Kontakt zu Theophrast und Demetrios von Phaleron gefunden. Die Zeit der Herrschaft des Phalereers begünstigte den Erfolg des korinthischen Metöken, der ein gewisses Vermögen zusammenbrachte. Nach 307 v.Chr. jedoch war er persönlich bedroht und mußte Athen verlassen. Er ging nach Chalkis auf Euboia. Bei dieser Flucht, heißt es, halfen ihm Theophrast und andere φίλοι 110 . Die Lokalgeschichtsschreibung Attikas nachdem Hellanikos diese Gattung begründet hatte, blüht erst in der Zeit, als Macht und Bedeutung Athens im Niedergang waren. Da sie nicht mehr selbstverständlich erlebt
108
FGrHist. 244 F 38 a) = Diog. Laert. V 9-10. FGrHist. 224 F 38 b) = Dion. Hal. ad Amm. 3-5. Vgl. dazu Düring, Tradition T i e ) mit Komment, p. 252 f.; ders., RE Suppl. XI (1968) aaO. 180: Antipatros konnte Aristoteles besonderen Schutz gewähren. 109
Düring, RE Suppl. XI (1968) 159-336 s.v. Aristoteles, bes. 180. Das Haus belegt durch das Testament des Aristoteles; Testamentsvollstrecker war Antipatros (Diog. Laert. V 11-16). 110
Diog. Laert. V 37; Dion. Hal., De Din. 2. Hagnonides selbst kehrte erst 319 v.Chr. aus der Verbannung zurück, war aber noch 317 v.Chr. in einem Dekret erwähnt. Zu der Anklage vgl. Ferguson, Athens 35 f.; Derenne, Les procès 199 ff. Zu Theophrasts prekärer Position in Athen O.Regenbogen, RE Suppl. VII 1354-1562 s.v. Theophrastos, bes. 1360. Über Theophrasts Einfluß auf Demetrios* Gesetzgebung vgl. Ferguson, in: Klio 11 (1911) 265-276, bes. 268 ff. Grunderwerb Theophrasts mit Demetrios' Hilfe: Wehrli, in: H.Flashar (Hsg.), Überweg III 477; O.Regenbogen, aaO. 1358.
Politiker als Historiker
253
wurden, mußte die Geschichtserzählung sie sichern. Die bedeutendsten Politiker unter den Historikern Athens, die sich diese Aufgabe stellten, erlebten selbst den außenpolitisch immer begrenzteren Handlungsspielraum Athens. Ihr politisches Handeln bestand zunehmend darin, zwischen der PoIis und mächtigen Herrschern als Vermittler zu fungieren, und dabei sowohl die Interessen der Stadt wie die des Herrschers - oft zum eigenen Vorteil - miteinander zu verbinden. 2)
Chios Diese Verknüpfung außenpolitischer Konstellationen und innenpoliti-
scher Parteibildungen mit persönlichen Interessen, zeigt sich auch an den Politikern unter den gleichzeitigen Historikern aus Chios. Theokritos von Chios, Verfasser einer Ιστορία Λιβύης und von Επιστολαί θαυμασίαι, war politischer Gegner Theopomps von Chios, wahrscheinlich ein Opponent seiner promakedonischen Politik111. Der konsequente Antimakedone verhöhnt in einem Spottepigramm Aristoteles und Hermias von Atarneus, bei dem Aristoteles sich zeitweise aufhielt; die intellektuelle Redlichkeit des Anaximenes, der ebenfalls zum makedonischen Hof Beziehungen unterhielt, be-
111
Suda s.v. Θεόκριτος Χίος = FGrHist. 760 Τ 1. R.Laqueur, RE V A 2 1703 f. s.v. Theochrestos hält die Zuschreibung von έπιστολαί όαυμασίαι und der Ιστορία Λιβύης für das Resultat einer Verwechslung mit Theochrestos von Kyrene, der Λιβυκά verfaßt hat (FGrHist. 761); ein Fragment aus einer Libyschen Geschichte, als deren Autor Theophrast genannt ist, berichtet Details aus der Gründungsgeschichte von Kyrene (Schol. Pind., Pyth. 4, 10 f. = FGrHist. 761 F 3). Ein Werk über Libyen würde daher zu Theochrestos gut passen. Andererseits ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Angaben über Theokritos' Werke bereits in der biographischen Schrift des Bryon oder Ambryort über Theokritos gemacht wurden, die auch seine schlagfertigen Aussprüche zusammenstellte (vgl. Diog. Laert. V 1, 11; Didym., In Demosth., Philipp. Comment. 6, 44; dazu R.Laqueur, RE 5 A 2 2025-2027 s.v. ^Theokritos). Politische Gegnerschaft beider Chier: Strab. 14, 35 (645): ούτοι δέ και άντεπολιτεύσαντο άλλήλοις. Theokritos gehörte wahrscheinlich zur propersischen Richtung, Jacoby, FGrHist. II D 353. Vgl. Berve, Alexanderreich II 176 f. Nr. 364.
254
Politiker als Historiker
streitet er112. Theokritos andererseits gilt als Rhetor und σοφιστής113, und damit als Repräsentant einer Form geistigen Gelderwerbes, von der sich Theopomp in seinen Φιλιππικαί ΐστορίαι bewußt abzusetzen suchte114. Theopomp, selbst Hofhistoriker Philipps, erhob sich über die je wechselnden Marktlagen sich anpassenden Erwerbsrhetoren und -sophisten, die in den einzelnen Poleis ihrem Gewerbe nachgingen. Aufgrund der - nur relativen Sicherheit seiner Position beanspruchte er für sich die Unabhängigkeit der Philosophen, die sich von der Notwendigkeit zu geistiger Auftragsarbeit freizuhalten suchten. Orientierung auf die Höfe und die Philosophie einerseits und Leben im Polisrahmen und auf dem Markt für geistige Arbeit andererseits treten einander gegenüber. Eine unverschämte Entgegnung des Theokritos gegenüber Alexander und die Umstände seines gewaltsamen Todes zeigen, daß Theokritos das Leben in und für die Polis dem höfischen Leben entgegensetzte und die Unabhängigkeit der Polis - wohl durch Anlehnung an Persien - zu stärken suchte115.
112
Plut., De exil. p. 603 C ; Diog. Laert. V 11; zur Verhöhung des Hermias als Promakedone und Sklave vgl. Didym., In Demosth. Comment, ed. Pearson u. Stephens, col. 6, 44-46. Vgl. Düring, Tradition p. 375. Theokritos tadelt die περιβολή (rhet.: Weitschweifigkeit) des Anaximenes als Zeichen seiner Unbildung (Hermipp. bei Athen. I p. 21 C; vgl. den sachlich gleichen Vorwurf Stob., Flor. XXVI 20). 113 Suda s.v. Θεόκριτος Χίος = FGrHist. 760 Τ 1; Strabo 14,35 p. 645 C; Plut, De lib. educ. 14 p. 11 a. 114 115
Phot., Bibl. 176 p. 120 b 30 = FGrHist. 115 F 25.
Alexander forderte von den Chiern und anderen ionischen Städten Purpur ein, um purpurene Gewänder für sich (so Plut., De lib. educ. 14 p. 11 a) oder für seine Hetairoi (so Athen. XII p. 540 A), die auf diese Weise als Träger der königlichen Farbe ausgezeichnet werden sollten (vgl. Laqueur, RE V A 2 2025-2027, bes. 2026), herstellen zu lassen. Theokritos erklärte dazu bissig, dies erst lasse ihn die Bedeutung des homerischen πορφύρεος θάνατος (Horn., II. V 83) erkennen, und wies so verschleiert darauf hin, daß er Alexander den Tod wünschte (Laqueur, aaO.). Laqueur vermutet, daß in diesem Zusammenhang Theopomp an Alexander ein Dossier über Theokritos gesandt habe (s.u.). Diese Nachrichten gehen wahrscheinlich wie die über die Umstände des Todes des Theokritos von Veranlassung des Antigonos Monophthalmos auf das Werk des Bryon oder Ambryon über Theokritos zurück. Antigonos zitierte Theokritos durch seinen Oberkoch zu sich, dem Theokritos jedoch geantwortet habe, er wisse, daß der Oberkoch ihn dem Zyklopen roh vorsetzen wolle; daraufhin sei Theokritos hingerich-
Politiker als Historiker
255
Theopomp vertrat die promonarchische Gegenposition. In Briefen an Alexander denunzierte er seinen politischen Gegner Theokritos als sozial aufgestiegene, mithin nicht unabhängige Gestalt116. Theopomps Vorwurf besagt, Theokritos habe aus seiner politischen Position Kapital geschlagen, und
tet worden (Plut., De lib. educ. 14 p. 11 b-c; eine Variante besagt, Theokritos habe den Tod gefunden, weil er auf die ermutigende Mitteilung von Freunden, er finde Gnade, wenn er ad oculos eius venisset, geantwortet habe, die Freunde verkündeten die Unmöglichkeit seines Überlebens (Macrob., Sat. VII 3, 12; Plut., Quaest. Conv. p. 633 c-d). Unbekannt ist, wie Bryon oder Ambryon Aussprüche des Theokritos gesammelt und mit Theokritos' Lebensumständen verbunden hat. Daß Theokritos allein aufgrund eines derartigen Ausspruches zum Tode verurteilt worden wäre, ist nicht wahrscheinlich, es ist jedoch möglich, daß Bryon/Ambryon die antimakedonische, antimonarchische Haltung des Chiers exemplifizierte und dazu Nachrichten über Theokritos aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen hat. Das Werk ist zitiert bei: Didym., In Demosth. Comment, ed. Pearson u. Stephens, col. 6, 44-46); Theon, Progymnasm. 5, 5-15; Diog. Laert. V I I . Vgl. R.Laqueur, RE V A 2 2025-2027; Mueller, FHG 2,86 f.; Berve, Alexanderreich II 176 f. Nr. 364. Ein Bryon wird als Gesandter von Chios im Vertrag zwischen Athen und Chios, Syll. 142, 42 genannt; Laqueur, aaO. 2025 hält diesen für den Großvater des Schriftstellers. Über Theokritos' politische Position vgl. Jacoby, FGrHist. II D 352; II C 105^ Tatsächliche Kontributionspflichten der Chier: 20 Trieren nach Syll. 283. Theokritos und Antigonos: Billows, Antigonus 436 f. 116
Durch veröffentlichte Briefe an Philipp und Alexander (έπιστολαί; Συμβουλευτικός προς Αλέξανδρον) versuchte Theopomp, die öffentliche Meinung zu beeinflussen: Er lobte in einem Brief an Philipp den Hermias von Atarneus; er denunzierte das luxuriöse Leben des Harpalos auf Kosten der ihm anvertrauten Reichskriegskasse; er denunzierte Theokritos als im Luxus lebenden Aufsteiger (Didym., In Demosth. Comment. V 21 = FGrHist. 115 F 250; Cic., Ad Att. XII 40, 2 = FGrHist. 115 F 251; Athen., VI 18 p. 230 E-F = FGrHist. 115 F 252; XIII 67 p. 595 Α-C = FGrHist. 115 F 253; XIII 50 p. 586 C = FGrHist. 115 F 254 a); XIII 68 p. 595 D-E = FGrHist. 115 F 254 b); vgl. Suda s.v. Θεόκριτος Χίος ρήτωρ = FGrHist. 115 Τ 9)). Jacoby nimmt an, Theopomp habe nach der Rückkehr aus dem Exil als politischer Agent Alexanders diesem mehrfach Denkschriften über die Lage in Chios gesandt (Jacoby, FGrHist. II D 390). Der Sudaeintrag scheint dagegen diese Sendschreiben mit Theopomps Exulantenexistenz zu verbinden (Suda s.v. Εφορος = FGrHist. 115 Τ 8: Εφορος: φυγάς δέ γενόμενος ό θεόπομπος ικέτης έγένετο της έφεσίας Αρτέμιδος· έπέστελλε τε πολλά κατά Χίον Αλεξάνδρωι, και μέντοι και αύτόν Αλέξανδρον έγκωμιάσας πολλά, λέγεται δέ και ψόγον αΰτοΰ γεγραφέναι, δς ού φέρεται.). Wahrscheinlich um seine Kunst zu zeigen, verfaßte Theopomp Lob und Tadel zum selben Thema, wie Kallisthenes es tat (Philostr., Vit. Apoll. VII 2). Theopomp war in seinen Urteilen ausgesprochen flexibel.
256
Politiker als Historiker
für die Makedonenmacht seien Leute wie Theokritos keine Stütze. In Wirklichkeit entstammte Theokritos derselben gesellschaftlichen Schicht wie sein Gegner und lebte unter ähnlichen Umständen: Beide betätigten sich politisch, beide traten als Rhetoren auf und erteilten wahrscheinlich Unterricht, denn Theokritos griff Aristoteles wegen dessen Weggang aus der Akademie an den Hof Philipps an und wandte sich gegen das, was er als rhetorische Unbildung und Geschmacklosigkeit des Anaximenes ansah. Die Denunziation als Antimakedone dagegen dürfte zutreffend sein: In den letzten Jahren vor Alexanders Tod werden die Kreise um den chiischen Politiker Theokritos ihre Hoffnung auf einen Erhalt ihrer Macht in eine Ab117 schüttelung der makedonischen Herrschaft gesetzt haben . In dem Konflikt zwischen einem Leben, das sich in den Rahmen der eigenen Polis einfugt und der Orientierung auf die Monarchenhöfe hin repräsentierte Theopomp, Abkömmling einer propersischen Oligarchenfamilie, anders als sein Kontrahent, zumindest für längere Zeit die promonarchische und promakedonische Position. Anaximenes von Lampsakos konnte ihn daher auch leicht als Gegner der führenden Polisstaaten des vierten Jahrhunderts hinstellen, indem er in Theopomps Namen eine 118Flugschrift veröffentlichte, die Athen, Sparta und Theben schlecht machte . Eine promakedonische Einstellung läßt sich auch für seinen Bruder postulieren. Kaukalos schrieb ein Enkomion auf Herakles. Da andererseits Speusipps Protege Antipatros von Magnesia Philipps II. Herrschaftsrechte in Griechenland mit Hilfe lokaler HeraklesMythen zu unterstützen suchte, besaß die Heraklesmythologie für die publizistische Auseinandersetzung um die Legitimität der makedonischen Herrschaft große Bedeutung, und man darf vermuten, daß auch Kaukalos für den Makedonenherrscher Partei ergriff. Nach dem Tode Alexanders wurde Theopomp erneut verbannt. Weil er nirgendwo Aufenthaltsrecht erhielt, wandte er sich nach Ägypten, um eine Hofstellung bei Ptolemaios I. zu erlangen. Sein Versuch blieb erfolglos,
117
Plut., Mor. 44 (Περί φυγής) p. 603 C; Didym., In Demosth. Comm. 6, 43 ff.; Athen. I 38 p. 21 C; Diog. Laert. V I I . 118
Pausan. VI 18,5; vgl. FGrHist. 115 Τ 10.
Politiker als Historiker
257
und angeblich sollen es Höflinge gerade noch verhindert haben, daß der überall - wahrscheinlich aus den sich gegen die Makedonenherrschaft erhe' 119 benden Städten - Verbannte als πολυπράγμων getötet wurde Theokritos hatte einen Sohn Metrodoros, der im Gegensatz zu seinem Vater, der Sophist war, philosophisch erzogen wurde, und von dem keine politische Betätigung überliefert ist: In der jüngeren Generation ist hier die Tendenz zur Apolitie ebenso deutlich wie die zur Ablösung rhetorischer durch philosophische Bildung 120. 3)
Herakleia am Pontos Wie im Falle von Chios, so sind herakleotische Historiker, die sich
auch politisch betätigt haben, erst aus der Zeit des Aufkommens der makedonischen Macht und der hellenistischen Monarchien belegt. Der akademische Philosoph Herakleides Pontikos schrieb Darlegungen über Probleme der Fachgeschichte und über die Gründungssagen von Heiligtümern, die als ιστορικά zitiert werden121. Nachdem Herakleides nach dem Tode Speusipps bei der Wahl des Scholarchen der Akademie (338 v.Chr.) unterlegen war, zog er sich nach Herakleia zurück; wo er als πολίτης öffentlich geehrt wurde. Während Piatons dritter Reise nach Sizilien hatte Herakleides noch als Piatons Stellvertreter in der Schulleitung amtiert. Wehrli vermutet, daß er Herakleia überhaupt verlassen hatte wegen der
119 Phot., Bibl. 176 p. 121 b 19 = FGrHist. 115 Τ 2. Auf einen Aufenthalt Theopomps in Ägypten weisen auch die Erfindungen [Arist.], Epist. 313-315; dazu Jacoby, FGrHist. II D 353. Vgl. auch R.Laqueur, RE V A 2 2178 ff. s.v. Theopomp, bes. 2185 ff. 120
Zur abderitischen Schule, der Metrodoros zugehörte, vgl. Guthrie, Philosophy II 382. Nach Athen. III 100 D = F.d.V. 70 A 1 a) nennt der Philometor des Komikers Antiphanes einen Μήτρας von Chios einen φίλος des δήμος; darin könnte eine Anspielung auf politische Betätigung des Metrodoros liegen. Dies ist jedoch sehr unsicher. 121
Diog. Laert. V 87-88 führt als ιστορικά des Herakleides an: Περί των Πυθαγορείων; Περί Ευρημάτων. Außerdem werden zitiert Κτίσεις ίερων, eine Συναγωγή των εν μουσικής διαλαμψάντων und historische Fragmente (S.d.Α. VII fr. 153-163).
258
Politiker als Historiker
Herrschaft des Platonikers Klearchos in seiner Heimatstadt
122
. Es heißt,
Herakleides habe seine Vaterstadt durch Monarchenmord von einem Tyrannen befreit - wahrscheinlich liegt hier aber eine Verwechslung mit einem gleichnamigen Piatonschüler aus Ainos vor, der Kotys I., König der Odrysen, ermordete123. Anekdotische Züge trägt auch die Nachricht über eine öffentliche Ehrung des Herakleides durch seine Vaterstadt, die dieser sich nur erschlichen haben soll. Nach Art eines exemplum fällt der Täter dabei selbst dem Versuch, sich einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen, zum Opfer. Die Geschichte wird in zwei Versionen erzählt, die eine von Demetrios Magnes und Hippobotos, die andere durch Hermippos den Kallimacheer überliefert. Die erste Version124 berichtet, daß, als Herakleia von Hunger heimgesucht wird, die Bevölkerung sich an das Orakel der Pythia wendet mit der Frage, wie Abhilfe möglich sei. Herakleides habe die kultischen Gesandten bestochen, die als Antwort des Orakels melden, Abhilfe sei möglich, wenn Herakleides noch zu Lebzeiten mit einem Goldkranz geehrt und nach seinem Ableben als Heros verehrt werde. Die Pointe der exemplarischen Erzählung: Die Fälschung trägt den Fälschern nichts ein (ουδέν ώναντο oi πλάσαντες αυτόν). Bei der Bekränzungszeremonie im Theater erleidet der Bestecher Herakleides einen Schlaganfall; die bestochenen Theoren werden zu Tode
122
Diog. Laert. V 89 - S.d.A. VII fr. 11. Vgl. Wehrli, RE Suppl. XI, aaO. 675. Vgl. Acad. philos, ind. Herculan. ed. S.Mekler (1902) 38 VI = S.d.A. VII fr. 9; vgl. Suda H 461 = S.d.A. VII fr. 2. Daß Herakleides allerdings allein wegen der Niederlage bei der Scholarchatswahl in die Heimat zurückgekehrt sei, kann auf eine Spekulation der Philosophiegeschichtsschreibung zurückgehen. 123
Diog. Laert. V 89 = S.d.A. VII fr. 11; Diog. Laert. VI 166 = S.d.A. VII fr. 12. Die Geschichte ist, zusammen mit einer als exemplum stilisierten, dem Werk des Demetrios von Magnesia entnommen und wenig glaubwürdig. Vgl. Wehrli, S.d.A. VII fr. 11 mit Kommentar p. 59; Draebritz, RE 8 1 472-484 s.v. Herakleides (45), bes. 473: Der Sturz Klearchos* von Herakleia erfolgte 353/352 v.Chr., als Herakleides noch in Athen war. 124
Hermipp. bei Diog. Laert. V 91 = S.d.A. VII fr. 14 a). Vgl. Acad. philos, ind. Hercul. ed. S.Mekler (1902) col. IX = S.d.A. VII fr. 15: Als einer der beteiligten Theoren wird ein Sosigenes namhaft gemacht. Vgl. auch ebda. col. X = S.d.A. VII fr. 15.
Politiker als Historiker
259
gesteinigt, die Pythia von einer der Heiligtumsschlangen gebissen. Die Schlange als Symbol der Heiligkeit und das Scheitern der Selbstüberhebung des Herakleides stehen auch im Mittelpunkt der zweiten Form der Erzäh125
lung
. Herakleides hält eine Schlange, um sie, um göttlich zu erscheinen,
in einer Prozession mit sich zu führen. Als ihm bereits gehuldigt wird, kommt die Fälschung heraus; die Ursache für die Heroisierung des Herakleides bleibt hier ungenannt. Die Einzelheiten zumindest der zweiten Version der Geschichte schließen sich eng an Details an, die Herakleides selbst über Pythagoras und Abaris erzählte, dürften also topisch gestaltet sein. Auch das Motiv des Todes bei der Bekränzungszeremonie wird topisch sein; es erscheint wieder in der Nachricht, Kleidemos 126 sei aus Freude über eine Ehrung seiner historiographischen Arbeit gestorben
. Man darf annehmen, daß eine gewis-
se politische Aktivität und Prominenz des Herakleides in seiner Heimat hinter diesen im ganzen unglaubwürdigen Erzählungen stehen, 127 gehörte Herakleides doch zu einer der führenden Familien Herakleias
Diog. Laert. V 89 = S.d.A. VII fr. 16 (nach Demetrios von Magnesia und Hippobotos; vgl. Suda H 461 = S.d.A. VII fr. 17). 126
Plut., De aud. poet. 1 p. 14 E = S.d.A. VII fr. 73; Anecd. Graec. ed. I.Bekker I 178 = S.d.A. VII fr. 74; I 145 = S.d.A. VII fr. 75; Diog. Laert., Prooim. 12 = S.d.A. VII fr. 87; Cic., Tusc. disp. V 3, 8 = S.d.A. VII fr. 88. Kleidemos: Tertullian., De an. 52 = FGrHist. 323 Τ 2. Vgl. Wehrli, S.d.A. VII 63 f. Zur gesetzlichen Regelung von Ehrungen vgl. Busolt, Staatskunde I 603 Anm. 1; Habicht, Studien 124-127. Skeptisch auch Draebritz, RE 8 1 472-484 s.v. Herakleides (45), bes. 473 f. Außer als Hinweis auf eine öffentliche Betätigung und eine prominente Position des Herakleides in Herakleia mißt auch F.Wehrli, RE Suppl. XI 675-686 s.v. Herakleides (45), bes. 678 f. den Erzählungen über die Rolle des Herakleides als Lehrer in Herakleia und über die erschlichene Ehrung keinen historischen Wert zu. 127 Suda Η 461 = S.d.A. VII fr. 2; Diog. Laert. V 86 = S.d.A. VII fr. 3; S.d.A. VII fr. 14-17. Vgl. F.Wehrli, RE Suppl. XI 675-686 s.v. Herakleides (45), bes. 677: Zwischen Charakteristika der Lehre des Herakleides (Superstition, Verwendung pseudohistorischer Motive und Personen im eigenen Schrifttum) und den Erzählungen über sein angebliches Leben besteht ein enger Zusammenhang; vgl. auch ders., S.d.A. VII 62 f. Kommentar zu fr. 12; Draebritz, aaO. 473. Zur Biographie des Herakleides Gottschalk, Heraclides 1-12. Da eine Identifizierung des Herakleides von Kyme, des Verfassers von Περσικά, mit Herakleides, Vorsteher von Hera-
260
Politiker als Historiker Von Chamaileon von Herakleia ist eine politische Betätigung besser
bezeugt, wenn auch die Identifizierung des Politikers Chamaileon mit dem peripatetischen Philosophen und Verfasser von Dichtermonographien und literaturwissenschaftlichen Schriften nicht gewiß ist. Ein Chamaileon nahm teil an einer Gesandtschaft Herakleias zu Seleu128 / . Nachdem Seleukos den Aphrodisios als διοικητής fur
kos 1281/280 v.Chr.
die Städte Phrygiens und des Pontosgebietes eingesetzt hatte, erklärt Herakleia, daß es sich nicht εύνοικώς εχειν τοις του Σελεύκου πράγμασιν. Es kommt zu gespannten Verhandlungen zwischen Seleukos und Abgesandten der Stadt, gegenüber denen Seleukos erschreckende Drohungen ausspricht. In dieser Lage habe Chamaileon kühl geantwortet, auf den Namenspatron der Stadt anspielend: "ήρακλής κάρρων, Σέλευκε". Der Abbruch der Verhandlun129 gen durch Seleukos bringt die Gesandten selbst in eine unangenehme Lage Die Stadt rüstet zum Krieg, alarmiert die Bundesgenossen und kommt bei Mithridates von Pontos und den Poleis Chalkedon und Byzanz um Beistand ein. Es war wesentlich der Gesandte Chamaileon, der die Verhandlungen platzen ließ. Offenbar jedoch hatten die Gesandten nicht den Auftrag, die Verhandlungen abzubrechen, waren aber auch nicht zu völliger Nachgiebigkeit berechtigt. Das drohende Scheitern der Verhandlungen bedroht sie persönlich, denn sie können für ihren Ausgang verantwortlich gemacht werden. Der Monarch versucht, ihre mißliche Situation auszunutzen, scheitert mit seiner Taktik jedoch an Chamaileon.
kleia unter Lysimachos, nicht zu begründen ist, unterbleibt seine Behandlung; vgl. Diog. Laert. 5, 93 = FGrHist. 689 Τ 1; Memnon bei Phot., Bibl. p. 226 = FGrHist 434 F 1 (6); Sundwall, RE VIII 1 459 s.v. Herkleides (14); Jacoby, RE 8 1 469-470 s.v. Herakleides·, Jacoby, FGrHist. III b 274. 128
Memnon bei Phot., Bibl. 226 = FGrHist. 434 F 1 (7) = S.d.A. IX fr.
1. 129
Vgl. Memnon bei Phot., Bibl. 224 = FGrHist. 434 F 1 (7).
Politiker als Historiker
261
Der Literat und Philosoph Chamaileon soll gegen Herakleides Pontikos den Vorwurf des Plagiates erhoben haben, war also wahrscheinlich dessen jüngerer Zeitgenosse130. Wenn der Philosoph und Literat mit dem Gesandten identisch ist, war er zum Zeitpunkt der Gesandtschaft bereits relativ alt131. Der Name Chamaileon ist hinreichend selten, der chronologische Rahmen hinreichend passend, um die von Jacoby akzeptierte Identifikation des Literaten und Peripatetikers mit dem Gesandten, zumindest aber eine Verwandtschaft beider, wahrscheinlich zu machen. Der herakleotische Lokalhistoriker Nymphis ist in zwei politischen Funktionen erwähnt: als Exulant mit Autorität unter herakleotischen Mitexulanten und als Führer einer städtischen Gesandtschaft Herakleias; Nymphis wird außerdem durch einen angeblichen Brief Chions, des Mörders des herakleotischen Tyrannen Klearchos, zu diesem und zu Chion in Beziehung gebracht132. Über das politische Wirken des Herakleoten unterrichtet wie-
130
Diog. Laert. V 92 = S.d.A. IX fr. 46 = S.d.A. VII fr. 176. Dazu Wehrli, S.d.A. IX 88. Zur Zeitgenossenschaft und dem großen Altersunterschied Wehrli, S.d.A. Heft IX 69; VII 122. 131
Wehrli, S.d.A. IX p. 69 rechnet mit einem Geburtsdatum in den 50er Jahren des vierten Jahrhunderts. Identität des Gesandten mit dem Peripatetiker nimmt Jacoby an (FGrHist. III b I 274) nach Kaibel, Prolegomena. Wehrli läßt die Frage der Identität offen (S.d.A. IX p. 69; ders., RE Suppl XI 368-372 s.v. Chamaileon (1), bes. 368 f.; ders., in: Flashar (Hsg.), Überweg III 555). Ähnlich Wendling, RE 3 2 2103 f. s.v. Chamaileon. Über den Historiker Amphitheos (FGrHist. 431) sind keine biographischen Details bekannt; eine Identifikation des Verfassers von Περί ήρακλείας mit Antitheos, der mit Chion bei der Ermordung des Tyrannen Klearchos kooperierte, ist begründet (Jacoby, FGrHist. III b 258). 132 Chion. Epp. 13, 3 = FGrHist. 432 Τ 2. Die Nachricht, Nymphis sei mit dem Tyrannen von Herakleia verwandt gewesen, ist Erfindung, mindestens jedoch ungenau (Jacoby, FGrHist. III b Vol. I 261; 259 Anm. 5). Laqueur, RE 17 2 (1937) 1608-1623 s.v. Nymphis, bes. 1606, nimmt Übertragung von Bemerkungen des Nymphis über Klearchos II auf ein angebliches Verhältnis zu Klearchos I durch den späten Epistolographen an. Über die Tyrannis des Klearchos und die Verschwörung der Piatonschüler Chion und Leonidas dagegen vgl. lustin. 16, 4-5. Über Amphitheos vgl. FGrHist. 431; dazu Jacoby, FGrHist. III b (Text) 258; (Noten) 168 Anm. 1, mit Vorbehalten für die Wahrscheinlichkeit der Identität (s.o.).
262
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derum die Stadtgeschichte Memnons
133 . Nymphis tritt im Exil für eine Rück-
kehr in die Heimatstadt ein und rät den Exilherakleoten, daß sie, um ihre Rückkehr nach dem Tod des Lysimachos zu erleichtern, auf rechtliche Ansprüche, insbesondere auf Besitz und Eigentum ihrer Vorfahren, verzichten. Nachdem unter diesen Bedingungen ein Kompromiß gefunden und die Heimkehr der Exulanten, für deren materielle Unabhängigkeit gesorgt wird, bewerkstelligt ist, genießen die Heimkehrer und der in Herakleia gebliebene Teil der Bürgerschaft den neu gewonnenen Rechtsfrieden134. Die Lage, in der die Versöhnung der zwei Teile der Bürgerschaft zustande kommt, ist für die Polis tatsächlich prekär. Nachdem der Tyrann Klearchos II für die Ermordung seiner eigenen Mutter Amastris hatte sorgen lassen, zieht deren ehemaliger Gemahl Lysimachos die Herrschaft über das von dieser zeitweise regierte Land an sich und übergibt die Stadt Herakleia 284 v.Chr. seiner zweiten Frau Arsinoe, die über Herakleia den Verwalter Herakleides setzt.
133
Memnon bei Phot., Β ibi. 224 p. 222 b 1 f = FGrHist. 434 F 1 c. 7, 3-4 s FGrHist. 432 Τ 3. Wahrscheinlich folgt Memnons Darstellung hier Nymphis. Außerdem ist es möglich, daß die starke Betonung der günstigen Wirkung des Kompromisses auf die politischen Verhältnisse Anregungen empfangen hat von der zeitgenössischen Staatsphilosophie. Eine philosophische Ausbildung des Nymphis, der in der Suda nach seiner literarischen Hinterlassenschaft als ιστορικός bezeichnet wird ÇSuda s.v. Νυμφις = FGrHist. 432 Τ 1), könnte die Bezeichnung des Νυμφιας (!) als φιλόσοφος (Et. M. p. 221, 26 s.v. Γάργαρος = FGrHist. 432 F 19) erklären. Jacoby, FGrHist. III b Vol. I 265; 259, lehnt die Vermutung ab, Nymphis sei dem Peripatos zuzurechnen (so Christ u. Schmid u. Stählin, Literatur II 1 210. Laqueur möchte dem Ausdruck φιλόσοφος hier dieselbe Bedeutung geben wie in der Bezeichnung des Phainias von Eresos als φιλόσοφος bei Plut., Themist. 13 im Sinne des Trägers einer philosophischen Grundhaltung (Laqueur, RE 19 2 1565-1591 s.v. Phainias, bes. 1566; ders., RE 17 2 (1937) 1608-1623 s.v. Nymphis, bes. 1612). Dies kann nicht zutreffen: Bei Plutarch ist deutlich der Charakter der literarischen Hinterlassenschaft des Autors angesprochen, ebenso in der Bezeichnung des Phainias Suda Φ 73 = S.d.Α. IX fr 1. Nymphis als Angehöriger der Oberschicht unter den Exulanten: Justin. 16, 4, 10-16, 5, 5. Jacoby, FGrHist. III b I 259.
Politiker als Historiker
263
Dieser wird nach dem Tode des Lysimachos 281 v.Chr. durch den Demos gestürzt. Der Gemeindestaat wird wiederhergestellt, und es kommt zur Rück135
kehr der Exulanten und zur Aussöhnung
.
Nymphis' weitere politische Aktivität macht es wahrscheinlich, daß tatsächlich der Historiker und der Politiker ein und dieselbe Person sind, und daß die Nachrichten über sein Wirken aus seinem Werk selbst stammen. Um 250 v.Chr., nach dem Tode des Ariobarzanes, wirkt Nymphis als Haupt einer herakleotischen Gesandtschaft an die 136 Galater, um von diesen den Abzug aus herakleotischem Gebiet zu erkaufen
. Nymphis besticht be-
sonders einflußreiche Galaterführer mit einem besonderen Angebot, das der Heeresgesamtheit verheimlicht wird, um den Ertrag für die Führer hoch und zugleich den Aufwand Herakleias klein zu halten. Zu dem Galaterangriff auf Herakleia, dem zweiten innerhalb weniger Jahre, war es gekommen, als König Ariobarzanes von Kappadokien sich gegen Ende seiner Regierungszeit in Auseinandersetzungen mit Galatern verstrickte, die er zuvor selbst als Bundesgenossen und Söldner gewonnen hatte: Galatertrupps finden sich in Kleinasien nach 278/277 v.Chr. als beliebte Soldtruppen und als plündernde Haufen. Wahrscheinlich war es irgendein Streit aufgrund der Bundesgenossenschaft und des Soldverhältnisses der Galater zu Ariobarzanes, der Anlaß war zu den Übergriffen, die sich nach dem Tode des Herrschers gegen dessen Sohn, Mithridates II. von Pontos, richteten. Zur Unterstützung des Reiches von Pontos hatte Herakleia Getreide gesandt, dadurch jedoch 137 selbst Plünderungszüge der Galater auf sich gezogen
. Laqueurs Einschät-
zung der praktisch-politischen Bedeutung des Nymphis geht über das bei 135
Vgl. Berve, Tyrannis I 322 f.; Burstein, Outpost 2; 88. Laqueur, RE XVII 2, aaO. 1608, vermutet eine Geburt des Nymphis im Exil, weil auf die Vorfahren als Besitzende Bezug genommen wird. 136
Vgl. Memnon bei Phot., Bibl. p. 224 = FGrHist. 434 F 1 (16). Der Gesandtschaftsführer Nymphis heißt dabei ausdrücklich ιστορικός. 137
Dazu Stähelin, Galater 16 f.; vgl. auch ebda. 6-15. Die Galaterangriffe auf Herakleia: Memnon bei Phot., Bibl. p. 224 = FGrHist. 434 F 1 (14); (16). Da Nymphis nur selten bei Memnon erwähnt ist, vermutet Jacoby, Nymphis sei nur in Ausnahmesituationen politisch aktiv geworden (Jacoby, FGrHist. III b I 259); Jacoby spricht Nymphis gelegentlichen "'demokratischen'
Doktrinarismus"
zu (aaO. 276).
264
Politiker als Historiker
Memnon Überlieferte weit hinaus. Laqueur setzt voraus, alle Passagen von Photios' Memnonexzerpt, die sich auf die Lebenszeit des Nymphis bezögen und antityrannische Wertungen enthielten, gäben Nymphis' eigene Tradition 138 wieder. Dies ist natürlich eine petitio principii . So vermutet Laqueur aufgrund der positiven Beurteilung der Amastris im Photiosexzerpt ein enges persönliches Verhältnis 139 des Nymphis zur Amastris; diese Vermutung ist nicht zureichend begründet . Tatsächlich wissen wir nichts über das politische oder persönliche Leben des Nymphis außer dem, was bei Memnon Uber ihn mitgeteilt wird. Eine bloße Vermutung muß so auch Jacobys Ansicht bleiben, Nymphis habe die längste Zeit seines Lebens den literarischen Studien gewidmet und sei nur in Ausnahmelagen als Politiker hervorgetreten.
4)
Lesbos In Eresos auf Lesbos waren in der in dieser Arbeit betrachteten Zeit
zwei Peripatetiker politisch aktiv. Die Überlieferung über deren politische Betätigung verdankt sich nicht einem Geschichtswerk, sondern der apologetischen Tradition, die den politisch-gesellschaftlichen Nutzen des philosophischen Lebens zu verteidigen sucht, und die das Leben des Philosophen bei Hofe, das heißt, seine Abwesenheit aus der Vaterstadt (αποδημία), zu rechtfertigen sucht. Die den Hofmann entlastende Argumentation suchte nachzuweisen, daß das Leben des Literaten bei Hofe günstige Wirkungen auch für die Vaterstadt zeitige. So soll Theophrast von Eresos nicht nur durch seinen Einfluß bei Alexander von der Stadt drohendes Unheil abgewendet, sondern sie auch zwei Mal mit der Hilfe des Makedonen von Tyrannen befreit haben. Das Argumentationsziel der apologetischen Nachrichten darüber in den Aristotelesviten läßt sich etwa folgendermaßen zusammenfassen: Aristoteles war ein wichtiger Teilhaber an der βασιλεία des Makedonenkönigs; gerade durch diese Teilhabe am Staat des Herrschers konnte er den Gemeindestaaten - zuvorderst als Neugründer seiner eigenen
138
Laqueur, RE XVII 2 (1937) 1608-1623, bes. 1612 f. Dagegen Jacoby, FGrHist. III b I 259 mit Anm. 10. 139
Laqueur, aaO. 1616; 1621 f.
Politiker als Historiker
265
Gemeinde, der er bei dieser Gelegenheit auch die Gesetze schrieb - nützen; durch seine philosophische Tätigkeit bei Hofe entfaltete sich dieser Nutzen in besonderer Weise. Philosophische Lehren in Verbindung mit der Macht des Herrschers einerseits und die eigenen Schüler andererseits bewirkten Gutes für die Gemeindestaaten140. Theophrast soll dabei einmal auch mit Phainias von Eresos zusammengearbeitet haben. Philipp II. ließ tatsächlich in Eresos 343 v.Chr. die Tyrannenherrschaft der Hermon, Heraios und Apollodoros beseitigen, die zwischen 357 und 355 v.Chr. an die Macht gekommen waren. Zum Dank begründeten die Eresier einen Kult des philippischen Zeus, dessen Altäre später Tyrannen zerstörten - wohl die Söhne der 343 v.Chr. gestürzten, die noch vor 336 v.Chr. wieder die Macht eirangen. Mit Hilfe Memnons können sich 333 v.Chr. Agonippos und Eurysilaos, seerauberfahren, an die Macht spielen. Hegelochos, im Auftrage Alexanders in der Ägäis operierend, und der promakedonische Demos von Eresos setzen die propersischen Tyrannen 332 v.Chr. ab; sie werden Alexander nach Ägypten überstellt, der sie zur Aburteilung an ihre ehemaligen Untertanen zurückschickt. Später wandten sich sogar die Enkel zweier der drei früheren Tyrannenbrüder erfolglos an Alexander, um die Rückkehr nach Lesbos zu erreichen. Wenn Theophrast an einer Niederschlagung von Tyrannenherrschaften in Eresos beteiligt war, so wahrscheinlich an der von Hermon, Heraios und Apollodoros, denn in den dreißiger Jahren, als die Makedonen zweimal
140
Vgl. Vit. Arist. Marc. f. 276 a fin. s fr. 655 Rose s Düring, Tradition 99 f.; Aristot. vit. vulg. 14 ff. s fr. 655 Rose s Düring, Tradition 133 f. Aristoteles als Aufzeichner der Gesetze von Stageira nach der Neubegründung: Plut., Adv. Colot. p. 1126 C; vgl. auch Plut., Non posse suav. viv. sec. Epic. p. 1097 Β; Aristipp., Π. παλ. τρύφ. bei Diog. Laert. V 4. Aristoteles betrachtet als neuen κτίστης von Stageira: Leschhorn, Gründer 313. Tatsächlich galt Alexander als neuer κτίστης von Stageira, denn in den vitae heißt er κτίστης; Aristoteles soll Alexander veranlaßt haben, die Gemeinde neu zu begründen.
266
Politiker als Historiker
die Herrschaft von Tyrannen beendeten, befand sich Theophrast in Athen; vor 343 v.Chr. jedoch hatten er und Aristoteles sich etwa ein Jahr lang in Mytilene auf Lesbos aufgehalten, nachdem sie Assos verlassen hatten141.
Plut., adv. Colot. 33, p. 1126 F (Theophrast zweimaliger Befreier seiner Heimatstadt); non posse suav. ν/ν. 15, p. 1097 Β (Theophrast Tyrannenmörder); Plutarch nennt hier einen Phidias als Kollaborateur, für den man Phanias konjiziert (vgl Berve, Tyrannis II 691). Theophrast als Bewahrer seiner Heimatstadt vor ihr von Philipp drohendem Unheil: Vif. Ar ist. Marc. 17-19 = Düring, Tradition p. 100. Unsichere Historizität der Überlieferung von Eresos' Befreiung von Tyrannen durch Theophrast: 0.Regenbogen, RE Suppl. VII 1354-1562 s.v. Theophrastos (3), bes. 1359. Berve, Alexanderreich II 178 f. bestreitet die Historizität. Theophrasts Zusammenarbeit mit Aristoteles in Makedonien und in Stageira: Wehrli, in: Flashar (Hsg.), Überweg III p. 477; Berve, aaO.; O.Regenbogen, aaO. 1357. 1.Düring, RE Suppl. X I 159-336 s.v. Aristoteles, bes. 179. Tyrannen von Erebos: Arrian., Anab. III 2, 5; Curt. 4, 8, 11; OGIS 1, 8 = Tod 191 = IG XII 526: Todesurteil über den Tyrannen Agonippos (1-31); Beschluß über die διαγραφή Alexanders betr. die Nachkommen der Tyrannen, die sich einem Gerichtsverfahren stellen wollen (33-41); Todesurteil über den Tyrannen Eurysilaos (42-74); Eid der Richter auf die νόμοι [Tyrannengesetz] der Stadt (75-94); Bekräftigung der Exilierung exilierter [Tyrannenanhänger], u.U. Rücknahme der Erklärung ihrer Rechtlosigkeit (95-104); Brief des Antigonos Monophthalmos betr. der Söhne des Agonippos, die darum ersucht hatten, sich für sie einzusetzen [306-301 v.Chr.] (103-120 = Welles, Royal Correspondence Nr. 2); Bekräftigung der Beschlüsse der Gerichte und Volksversammlungen über die Urteile gegen die Tyrannen und über die Folgen für deren Nachkommen; Bezugnahme auf den νόμος περί των τυράννων (121-156). Philippkult in Eresos nach Niederschlagung der Herrschaft von Hermon, Heraios und Apollodoros: Habicht, Gottmenschentum 14 ff. Lenschau, in: Klio 33 (1940) 201-224 sieht darin, daß Alexander die Tyrannen (nicht nur die eresischen) in die Heimatstadt zur Aburteilung sendet (Arrian., Anab. III 2, 5-7), einen Beleg, daß Alexander als ήγεμών des Korinthischen Bundes handelt (vgl. Alexanders Brief an die Chier Syll. 283; Bundesakte des Korinthischen Bundes: Syll. 260). [Gegen: Ehrenberg, Alexander]. Zur Tyrannis in Eresos und Theophrasts Beteiligung an ihrem Sturz vgl. auch Seibert, Flüchtlinge I 153 f.; Pistorius, Lesbos 120-123; 60 ff. (Beteiligung am Sturz der Tyrannen 343 v.Chr.); Friedel, Tyrannenmord 72 ff.; Berve, Tyrannis I 337 ff.; Heisserer, Greeks 73-78 (der Brief Theophrasts an Phainias hat bezieht sich auf die Prozesse gegen die Tyrannen, vgl. Diog. Laert. V 37). Räumliche Getrenntheit von Theophrast und Phainias während der Operationen gegen die Tyrannen: Bei der Belagerung von Eresos durch Philipp fordert Theophrast den Phainias auf, die Stadt zu verlassen (Schol. Apoll. Rhod. A 972 a = S.d.Α. IX fr. 5). Chronologie: Heisserer, aaO. 27-78; IG XII Suppl. (1939) 65 ff. Eurysilaos: Berve, Alexanderreich II 159 f. Tyrannen Agonippos und Eurysilaos: [Demosth.] X V I I 7; Curt. 4, 8, 11. Vgl. Wirth, Proteas 65 ff.
Politiker als Historiker
267
Phainias von Eresos soll während der Belagerung von Eresos durch Philipp II von Theophrast brieflich zum Verlassen der Stadt aufgefordert worden sein142. Plutarch nennt als Beteiligten bei der Niederringung der Tyrannis nur Theophrast; der Kontext seiner Darlegungen ist die Frage des Wertes politischer Enthaltsamkeit. Phainias kann sich tatsächlich, als Memnon im Auftrag des persischen Großkönigs 334 v.Chr. Lesbos einnahm, dort aufgehalten haben, Theophrast befand sich in Athen; die Art der Beteiligung des Phainias an den Geschehnissen bleibt jedoch undeutlich143. Skepsis ist gegenüber den Details der Berichte über das Wirken des Phainias und des Theophrast in ihrer Heimatstadt Eresos angebracht, während es andererseits keinen Grund gibt, die antityrannische politische Betätigung der Philosophen prinzipiell zu bezweifeln. Konstruktionen mögen einen Anhalt in Phainias' Schriften selbst gefunden haben, denn dieser setzte sich in systematischen und historischen Schriften mit der Überwindung von Tyrannenherrschaften auseinander144.
142
Schol. Apoll. Rhod. A 972 a = S.d.A. IX fr. 5. Phainias als Historiker: άνηρ φιλοσοφος και γραμμάτων ουκ άπειρος ιστορικών (Plut., Themist. 13). 143
Vgl. Wehrli, S.d.A. IX 27-28 (sofern fr. 7 historischen Inhalt wiedergibt, war Phainias während der Kämpfe um Lesbos 334 v.Chr. in Eresos; der Briefwechsel Phainias' mit Theophrast (fr. 4) setzt eine Trennung beider voraus). Wehrli akzeptiert politische Verdienste des Phainias um seine Heimatstadt: Wehrli, in: Flashar (Hsg.), Überweg III 552. Memnon stützte in den durch die Perser eroberten πόλεις tyrannische Regimes; so setzte er über Mytilene den Tyrannen Diodoros (Arrian., A nab. II 1; Curt. Rufus IV 5, 22). Vgl. O.Regenbogen, RE Suppl. VII 1354-1562 s.v. Theophrast (3), bes. 1359; Berve, Alexanderreich II 178. Zumeist bezogen auf Plut., Contr. Epic. beat. p. 1097 b = S.d.A. IX fr. 7. Plutarch kritisiert die epikureische Maxime der Apolitie des Intellektuellen im Interesse seiner ηδονή. Er erwähnt die wohltätige Wirkung des Aristoteles für die Bürger seiner Stadt und die Beendigung einer eresischen Tyrannis durch Theophrast und Phainias, und, daß die Peripatetiker auch im privaten Leben öffentliche Wohltätigkeit entfaltet hätten. Vgl. Wehrli, S.d.A. IX 27 f.: Quelle Plutarchs ist eine Liste oder Sammlung von Beispielen politischer Tätigkeit von Philosophen gewesen. 144
,
~
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„
Τυράννων αναιρέσεις εκ τιμωρίας; Περι των εν Σικελ,ιαι τυράννων (S.d.A. IX; Laqueur, RE XIX 2 1565-1591, bes. 1566 f.). Skeptisch gegenüber unserem Wissen über die antityrannische Betätigung des Theophrast:
Politiker als Historiker
268 5)
Kardia Über die Historiker von Kardia liegt vergleichsweise wertvolle hi-
storiographische Überlieferung vor: Hieronymos' Geschichtswerk, wesentliche Quelle für unser Wissen über die Lebensumstände der Kardianer Eumenes und Hieronymos, kann dem Inhalt nach der diodorischen Bibliothek noch teilweise entnommen werden. Der Kardianer Eumenes ist nicht eigentlich Historiograph, sondern Führer der Ephemeriden Alexanders, eines Hoftagebuchs, das nicht zu literarischer Veröffentlichung bestimmt war. Er kam schon früh an den Hof Philipps von Makedonien145. Homblower vermutet, Eumenes sei vor dem Tyrannen Hekataios aus Kardia an den Makedonenhof geflohen, wo er nach Plutarchs Mitteilung gegen den Tyrannen opponierte; wirklich belegt ist es aber nicht, daß Eumenes aus innenpolitischen Gründen an Alexanders Hof gegangen ist146. Da Eumenes' Vater Hieronymos hieß, ist eine Verwandtschaft
Berve, Tyrannis I, II 128; 359; 448; 691. Wehrli, S.d.A. IX fr 6-7, Komment. hält es für möglich, daß der Peripatetiker Phainias von Eresos an den Auseinandersetzungen über die Tyrannis des Diogenes von Mytilene teilgenommen habe. Anregungen zu vergleichenden Arbeiten über die Ursachen des Sturzes von Tyrannenherrschaften kann Phainias im Peripatos empfangen haben; vgl. Arist. Pol. 1311 a. Zum antityrannischen Moment in der Geschichtsschreibung des Phainias vgl. Mühl, in: Rhein. Mus. 98 (1955) 349-354; ders., in: Rhein. Mus. 99 (1956) 315-323, der Phainias als theoretischen und praktischen Gegner der Tyrannis behandelt. Einen weiteren Brief Theophrasts an Phainias überliefert die epistolographische Tradition: Theophrast berichtet über die Schwierigkeiten, ein ausreichendes Auditorium zu gewinnen. Dies betont nicht das Spezifische der Lebenssituationen, sondern berichtet von einer Lage, in die jeder Gebildete in ähnlicher Weise kommen konnte (Diog. Laert. V 50 = S.d.A. IX fr. 3; Diog. Laert. V 37 = S.d.A. IX fr. 4). Vgl. Schol. Apoll. Rhod. A 972 a = S.d.A. IX fr. 5. 145 146
Com. Nep. Eumen. XVIII 1, 4-6 = FGrHist. 117 Τ 2 b).
Plut., Eumen. 3: καί πολλάκις ó Εψενης έγεγόνει φανερός κατήγορων του έκαταίου τυραννοϋντος καν παρακαλων Αλέξανδρον άποδοΰναι τοις Καρδιανοϊς την έλευόερίαν. Homblower, Hieronymus 8 f. Über Eumenes vgl. Kaerst, RE 6 1 (1907) 1083-1090 s.v. Eumenes (4); Vezin, Eumenes. Eumenes opponierte gegen Hekataios, weil dieser Leonnatos von einer militärischen Unterstützung von Eumenes' Versuch, sich in seinen Satrapien zu etablieren, abzubringen suchte; Leonnatos andererseits wollte Eumenes' Zustimmung zu Planungen des Hekataios erwirken - Plutarch erklärt diesen Versuch als den der Versöhnung politischer Gegner (Diod. 18, 14, 4-5 bench-
Politiker als Historiker
269
des Eumenes mit dem Historiker der Diadochenzeit, Hieronymos von Kardia, wahrscheinlich. Über eine Teilnahme des Historikers am politischen Leben seiner Heimatstadt ist jedoch nichts bekannt, wahrscheinlich deswegen, weil er sie schon frühzeitig verließ147. 6)
Historiker aus Olynth Olynth wurde 348 v.Chr. von Philipp zerstört. Wahrscheinlich deshalb
suchten zahlreiche Olynthier ihr Glück in der Fremde. Die Mehrzahl der Olynthier, die dabei als Historiker hervortraten, schrieb Herrschergeschichte: Sie betätigten sich nicht als Bürger ihrer πόλις, sondern bei Hofe; Hof und Herrscher wurden fur sie zu bestimmenden Größen148. Strattis
tet von diesem Geschehen nichts). Eumenes lehnte nach Plutarchs Darstellung ab, weil er befürchtete, von Antipatros, dem Hekataios zu gefallen, getötet zu werden; tatsächlich ist seine Weigerung damit zu erklären, daß er, auf Seiten des Perdikkas stehend, Gegner der Unternehmungen des Antipatros und des Krateros, den er wenig später militärisch besiegt, ist (Diod. 18, 29, 1-33, 1, vgl. 18, 25). Die bei Plutarch wiedergegebene Überlieferung hat also wahrscheinlich heterogene Motive kombiniert. Bei Arrian ist der Zeitrahmen der Ereignisse umgekehrt wie bei Diodor, vgl. Jacoby, FGrHist. II D 561. Bei Diodor geht die Kontrolle des Perdikkas über königliches Heer und Könige der Belagerung von Lamia voraus, und ebenso auch seine verborgene Opposition zu Antipatros. Eumenes, am Erwerb seiner noch nicht eroberten Satrapie interessiert, konnte nach dem Wegfall des Heeres des Leonnatos zur Unterstützung seiner Unternehmungen nur an der Hilfe des Perdikkas interessiert sein, des geheimen Gegners des Antipatros. Wenn er das Ersuchen des Leonnatos ablehnte, handelte er konsequent im eigenen Herrschaftsinteresse und war durch sein Wissen von den Absichten des Leonnatos zugleich wertvoll für Perdikkas Vorhaben (Plut., Eumen. 3). In der Opposition zu Antipatros konnten Eumenes und Perdikkas übereinkommen. Wahrscheinlich hat Hieronymos in einem anderen Zusammenhang seinen Verwandten und zeitweiligen Dienstherren Eumenes von Vorwürfen persönlicher Abhängigkeit als Hofmann zu entlasten versucht und seine Opposition am Hof gegen den Tyrannen besonders betont; ob Eumenes Kardia deshalb verlassen hat, ist unbekannt (vgl. Kaerst, RE 6 1 (1907) 1083-1090 s.v. Eumenes (4), bes. 1Ò84). Bereits der Vater des Eumenes war ein ξένος des makedonischen Königs (Plut., Eumen. 1 = FGrHist. 76 F 53). Duns' Überlieferung über die Herkunft des Eumenes: vgl. Jacoby, FGrHist. II C 125. 147
8. 148
Arrian, Ind. 18; Jacoby, FGrHist. II D 545; Homblower, Hieronymus Vgl. Diod. 16, 53.
270
Politiker als Historiker
von Olynth
149
muß noch, wie die anderen Historiker mit dem Bürgerrecht der
Stadt, vor der Auflösung Olynths geboren sein. Ephippos von Olynth ist wahrscheinlich ein Teilnehmer des Alexanderzuges, der von Alexander in Ägypten eingesetzt wird als των ξένων έπίσκοπος, fand also im Heer eine Position150. Euphantos von Olynths müßte ebenfalls vor 348 v.Chr. geboren sein; er soll als Lehrer des Antigonos Gonatas - nach Tarn als ältester seiner Lehrer - gewirkt und ihm ein Werk Περί βασιλείας gewidmet haben151. Politische Betätigung des Verfassers einer Zeitgeschichte ist nicht belegt: Er führte ein Hofleben. Von Kallisthenes von Olynth heißt es apologetisch, ähnlich wie von Aristoteles und Theophrast, er sei in den Dienst des Makedonenherrschers getreten, um seiner Gemeinde nützen und sie wiedererrichten zu können.
Er schrieb Περί των Αλεξάνδρου έφημερίδων, Περί ποταμών και κρηνών καν λιμνών, Περί της Αλεξάνδρου τελευτης (FGrHist. 118). Berve, Alexanderreich II 365 Nr. 726, vermutet ohne Beleg Zugehörigkeit des Strattis zur Kanzlei des Alexanderreiches. Vgl. zu Stratthis Jacoby, FGrHist. II D 406. 150
Arrian., Anab. III 5, 2-3 = FGrHist. 126 Τ 2. Zur Namensform vgl. Jacoby, FGrHist. II D 438. Jacoby vermutet einen "haß des Olynthiers auf die Zerstörer seiner heimat". 151 Diog. Laert. II 110 = FGrHist. 74 Τ 1. Die Datierung ist unsicher, da aus dem Geschichtswerk des Euphantos eine Anekdote zitiert wird, die die Zeit des dritten Ptolemäers voraussetzt (Athen. VI 59 p. 251 D = FGrHist. 74 F 1). Euphantos kann entweder Olynthier gewesen sein oder über Ereignisse der Zeit Ptolemaios' III gehandelt haben, aber nicht beides zugleich, wenn nicht Olynth wie Stageira wiederbegründet oder sein Land wie das von Amphipolis an Philipps und Alexanders Lehensmänner verteilt worden ist. Daß Euphantos Schüler des Megarikers Eubulides war, und daß sein Schüler Diphilos auch bei Stilpon Unterricht nahm, weist aber eher auf einen jüngeren Zeitgenossen des Aristoteles als die Zeit Ptolemaios' III (Diog. Laert. II 110 = FGrHist. 74 Τ 1; II 113 = FGrHist. 74 Τ 2; ίστορίαι des Euphantos: Diog. Laert. II 141 = FGrHist. 74 F 2). Vgl. Natorp, RE 6 1 1166 s.v. Euphantos; v.Fritz, RE Suppl. V 707-724 s.v. Megariker, Stenzel u. Theiler, RE 15 1 217 s.v. Megarikoi. Tarn, Antigonos 25 f.; ders., in: JHS 31 (1911) 251-259 (Ptolemaios I statt Ptolemaios III). Kallikrates, Seekommandeur Ptolemaios' identifiziert Hauben nicht mit dem bekannten Kallikrates von Samos aus der Mitte des dritten Jahrhunderts (Hauben, in: Studia Hellenistica 18 (1970) 26 ff.). Zur Kritik von Tarns Deutung der Darstellung der κολακεία des Kallikrates in jener Anekdote vgl. Jacoby, in: Hermes 69 (1934) 214-217; zu den Trägern des Namens Kallikrates vgl. auch Jacoby, FGrHist. I I C 1 1 4 .
Politiker als Historiker
271
Bei Plutarch erscheint Kallisthenes damit als ein exemplum gegen Chrysipps Empfehlung an den Gebildeten, seinen Unterhalt an einem Hof zu suchen. Der Zusammenhang ist der der Frage nach der Rechtfertigbarkeit in152 tellektuellen Hofdienstes überhaupt . Diogenes Laertios schreibt nur Aristoteles den erfolgreichen Versuch zu, sein Stageira wiederbegründen zu lassen; nach seinem Bericht gelangt Kallisthenes deswegen an den Makedonenhof, als Aristoteles nach Athen geht (335/334 v.Chr.), weil er Aristoteles' Verwandter ist. Literarische Auseinandersetzungen über die Gestalt des Kallisthenes, den man als Schmeichler und Höfling attackierte, setzten schon früh ein: Timaios griff ihn an, Theophrast antwortete auf seinen Tod mit der Trauerschrift Καλλισθένης η 153 περί πένθους. Politisches Wirken des Kallisthenes ist also nicht gesichert 7)
.
Lampsakos Vergleichsweise gering ist auch die Kenntnis über politische Aktivi-
tät der Geschichtsschreiber aus Lampsakos. So ist eine politische Betätigung Charons von Lampsakos nicht belegt, obwohl ein politisches Interesse aufgrund
seiner
lokalhistorischen
Schriftstellerei
postuliert
werden
kann. Da er selbst Sparta besucht hat, kann man vermuten, daß Charon zu der an der Schwelle zum vierten Jahrhundert bedeutenden Gruppe von reisenden Sophisten und Lehrern gehörte, die zugleich Aufgaben als Gesandte ihrer Heimatstadt in der Fremde wahrnahmen154. 152
Plut., De Stoic, repugn. 20, 1043 D. Kallisthenes und Aristoteles würden gelobt, da sie an den Alexanderhof gegangen seien, um die Wiedererrichtung ihrer Vaterstadt zu erreichen, Ephoros, Xenokrates und Menedemos, da sie Alexanders Einladungen nicht gefolgt seien. 153 Diog. Laert. V 4-6 s FGrHist. 124 Τ 6. Timaios bei Polyb. XII 12 b, 2 = FGrHist. 566 F 155. Vgl. I.Düring, RE Suppl. XI (1968) 159-336 s.v. Aristoteles,
bes. 177; Didym., In Demosth. Comment. V 64 = FGrHist. 124 F
2; Diog. Laert. V 44; Cic., Tusc. III 21; V 21; Alex., De anim. p. 162 b Schi.; Hieronym. bei Athen. X p. 435 a. 154
Charon schrieb fipoi Λαμψακηνών (Περί Λαμψάκου), Περσικά, έλληνικά, Πρυτάνεις οι των Λακεδαιμονίων, Κτίσεις πόλεων, Αίθιοπικά, Λιβυκά, Κρητικά und einen Περίπλους των έκτος των ήρακλέους στηλών (FGrHist. 262). Zur Frage seiner Datierung vgl. Jacoby, FGrHist. III a 1 f.
272
Politiker als Historiker Idomeneus von Lampsakos war das prominenteste Mitglied eines Kreises
vornehmer Lampsakener um Epikur, als dieser in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts des vierten Jahrhunderts in Lampsakos lebte. Idomeneus hat, dies setzen von Seneca zitierte Briefe Epikurs voraus, Macht ausgeübt und politische Prominenz genossen. So habe Epikur Idomeneus aufgefordert, den Weg von der vita speciosa zu einer fidelis et stabilis gloria zu suchen; Idomeneus habe von einem rex einen titulus erstrebt155. Anderenorts ruft er Idomeneus auf, den Rückzug anzutreten, solange die Freiheit dazu bestünde und bevor eine stärkere Macht selbst diese Freiheit noch nehme156: Idomeneus gilt als Inhaber oder Diener politischer Macht und als 157 ambitioniert . Idomeneus fungiert in den zitierten Passagen als exemplum epikureischer Apolitie: Den mächtigen Epikureer Idomeneus ruft der Meister zu weiser Selbstbeschränkung beim Streben nach den Gütern Macht und Reichtum auf. Die Angehörigen des Kreises um Epikur in Lampsakos waren untereinander, ähnlich den frühen Aristotelikern, teilweise verwandtschaftlich verbunden und unterstützten Epikur finanziell; sie werden zur politisch führenden Schicht der Stadt gehört haben. Epikur beurteilt Idomeneus' Verhalten allerdings nicht so sehr nach der Macht, die er innehat, sondern der Ambition, die er entwickelt: Idomeneus soll sich in seinem Streben nach Macht, Reichtum und Anerkennung an verschiedene Dynasten und Satrapen, sowie einen ungenannten König, gewandt haben. Er wäre auf diese Weise ein Beispiel für das Verhalten von immer mehr und immer bedeutenderen Bürgern der griechischen πόλεις, deren Ambitionen der Rahmen ihrer Gemeinden in frühhellenistischer Zeit zunehmend zu eng wurde. Usener hat den rex mit Lysimachos, dem Herrscher über Thrakien, identifiziert und gemeint, Idomeneus habe tatsächlich in Lysimachos' Auftrag über Lampsakos geherrscht. Die Zitate der Mahnschreiben Epikurs geben das
155 156
Seneca, Epp. 21, 3 = FGrHist. 338 Τ 3 a).
Seneca, Epp. 22, 5 = FGrHist. 338 Τ 3 b). Vgl. auch Suda, s.v. Πύθιο και Λήλια = FGrHist. 338 Τ 3 c). 157 Vgl. rigidae tunc potentiae ministrum et magna tractantem, Seneca, Epp. 21, 3 = FGrHist. 338 Τ 3 a).
Politiker als Historiker
273
jedoch nicht her: Die Annahme, daß Idomeneus mit seinen Absichten Erfolg hatte, ist durch nichts begründet. Wahrscheinlicher ist, daß Idomeneus 158
mit Antigonos in Kontakt gestanden hat
.
Politische Verdienste um seine Heimatstadt erwarb sich Anaximenes von Lampsakos, denn er wurde von ihr in Olympia geehrt. Der Anlaß dieser Ehrung geht aus Pausanias' Bericht über die Statue nicht hervor; nur locker verknüpft der Perieget die Beschreibung des Monuments mit einer Anekdote über den schlagfertigen Rhetor, der Lampsakos vor Alexanders Zorn über die propersische Politik der Stadt und damit vor der unmittelbar drohenden Zerstörung bewahrte159. Typisch ist, daß Anaximenes, von dem die Anekdote voraussetzt, daß er über Beziehungen zu dem Monarchen verfügt, von seiner Gemeinde den Auftrag zu Verhandlungen mit Alexander erhält. Die vulgate Alexanderüberlieferung behauptet von ihm sogar unwahrscheinlicherweise - in Analogie zu Aristoteles -, er sei Alexanders Redelehrer gewesen. Im Bericht Anians hören wir nur über einen Vorbeimarsch
158
Usener, Epicurea 408. Jacoby, RE 9 1 910-912 s.v. Idomeneus (5): Idomeneus als Tyrann von Lampsakos; Vergleich seiner Stellung mit der der Platoniker Eratos und Koriskos in Skepsis. Vgl. Seneca, Epist. 21, 3 = FGrHist. 338 Τ 3 a); Seneca, Epist. 22, 5 = FGrHist. 338 Τ 3 b); Jacoby, FGrHist. III b 84 mit Anm. 4; ders., RE 9 1 (1916) 910-912 s.v. Idomeneus. Timon bei Athen. VII p. 279 F: Epikur habe aus materiellen Motiven κολακεία gegenüber Idomeneus und Metrodoros von Lampsakos gezeigt. Diog. Laert. X 5: Durch Idomeneus wurden einige der esoterischen Lehren Epikurs öffentlich bekannt gemacht. Epikur an Idomeneus um materielle Unterstützung für die Hinterbliebenen des Metrodoros: Plut., Adv. Colot. p. 1117 D-Ε = Usener, aaO. fr. 130. Über Idomeneus vgl. 509. Verwandtschaftsverhältnisse der lampsakenischen Epikureer: Die Gattin des Idomeneus war eine Schwester des Metrodoros von Lampsakos; dessen Gattin oder Konkubine Leontion wiederum war zeitweilig die Geliebte Epikurs; ein Sohn des Metrodoros hieß Epikur (Diog. Laert. X, 22-23 s FGrHist. 338 Τ 1 b)). Leontion war selbst philosophische Schriftstellerin (Plin., Ν. H. praef. 29; Cic., De nat. deor. I 33, 93; Senec., Ep. f . 19 (98, 8) = Usener, Epicurea fr. 361, 16). 159 Pausan. VI 18, 2-4 = FGrHist 72 Τ 6: Anaximenes habe als Bittflehender Alexander, der pauschal der Erfüllung aller Bitten abgeschworen hatte, dadurch überlistet, daß er ihn um die Versklavung aller Frauen und Kinder, sowie um die Zerstörung der Stadt gebeten habe.
274
Politiker als Historiker
des Heeres auf seinem Weg an Lampsakos, nichts von Belagerung oder Verhandlungen: Auch diese Anekdote dramatisiert die Bedeutung des Intellek160
tuellen, der Verbindungen zum Monarchen besitzt, für seine Polis
.
Eine politische Aktion des Anaximenes war auch die Veröffentlichung des Trikaranos in Theopomps Namen; diese Flugschrift enthielt Invektiven gegen die Großgemeinden Athen, Sparta und Theben. Die Schrift mokierte sich über die Herrschaft der drei Köpfe. Die Athener erscheinen als Barbaren; Spartas Herrschaft wird abgelehnt, Theben unvorteilhaft gezeichnet: Die kommt einer Verurteilung der Hellenen in ihrer Gesamtheit gleich. Vorherrschaft einer der drei Städte ist Vorherrschaft von Barbaren, Herrschaft der Ungerechtigkeit oder des bloßen Eigennutzens: In der Zeit der Vorherrschaft der Makedonen wird die Erinnerung an die Vormachtstellungen der drei πόλεις im Laufe des vierten Jahrhunderts befleckt. Theopomp steht als Propagandist der Makedonenmacht da. Anaximenes habe sich, so Pausanias, durch Abfassung dieser Schrift verhalten wie ein Sophist, das heißt: Er tut so, als ob er absichtsvoll und in Abhängigkeit, zum Geschäft oder im Dienste eines Herrschers, einen ψόγος verfaßt, der Theopomp als platten Verächter der drei Großpoleis zeigt161. 160 Vgl. Arrian., Anab. I 12, 6; [Kallisth.] I 13 = FGrHist. 72 Τ 8. Vgl. Jacoby, FGrHist. II C 105. 161
Pausan. VI 18, 5 a FGrHist. 72 Τ 6 = FGrHist. 115 Τ 10; African, bei Euseb., Ρ. E. X 10 p. 491 A = FGrHist. 72 F 20 a); Proklos, In Plat., Tim. 21 E = FGrHist. 72 F 20 b); Aristeid. XXVI 50 = FGrHist. 72 F 21. Gegen die verbreitete, auch von Kallisthenes wiedergegebene Version, der zufolge die Saitische Dynastie in Ägypten auf eine Kolonialgründung der Athener zurückgeht, läßt der Trikaranos die Athener ihrerseits ägyptische Kolonisten, also Nichtgriechen, sein. Vgl. Phot., Β ibi. 176 p. 120 b = FGrHist. 115 Τ 2; Suda s.v. Εφορος = FGrHist. 115 Τ 8. Jacoby vermutet, Anaximenes habe "zugleich mit dem streich gegen Theopompos die geschäfte Philipps besorgen" wollen (Jacoby, FGrHist. II C 110; vgl. auch ders., FGrHist. II C 105). Da der Isokratesschüler Philiskos eine Flugschrift Προς τον Τρικάρανον verfaßte (Suda s.v. Φίλιστος = FGrHist. 556 Τ 1 b), vgl. Jacoby, FGrHist. III b 502), eine Gegenschrift gegen das Werk, lag ihm die Auflösung des Pseudonyms wahrscheinlich noch nicht vor. Auch für den sophistischen Kritiker, den Lukian angreift, ist der Trikaranos ein Werk Theopomps (Lukian., Pseudol. 29). Josephus dagegen behandelt den Autor des Tripolitikos als anonym (Joseph., C. Apion. 221: es ist unwahrscheinlich daß er hier den Τριπολιτικός Dikaiarchs meint; Dikaiarch
Politiker als Historiker
275
Anaximenes selbst hat wahrscheinlich in Beziehungen zum makedonischen Hof gestanden; welche Rolle diese für die Verdienste spielten, für 162 die er geehrt wurde, ist nicht deutlich 8)
.
Megara Hereas von Megara, Verfasser von Μεγαρικά, ist möglicherweise mit
einem gleichnamigen Theoren identisch. Politische Interessen des Verfassers verraten die stark antiathenische Tendenz der von ihm wiedergegebenen Mythologeme und Geschichten: über Skiron, über den allzumenschlichen Theseus und über die Einnahme von Salamis durch die Athener. Nach 343/342 v.Chr. gehörte Megara zu dem Bund griechischer Städte unter Führung Athens, dessen Bildung Demosthenes wesentlich betrieben hatte, um gemeinsam der Expansion Philipps entgegenzutreten. Bereits 338 aber wechselte Megara die Seiten. Nach 301 beherrschte Demetrios Poliorketes Megara. In dieser bedeutete für einen Bürger Megaras also die Opposition gegen Athen Zeit zugleich die Option für Makedonien als Schutzmacht 163.
polemisierte nicht gegen Athen und Theben, sondern legte eine theoretische Arbeit über die Mischverfassungstheorie in Dialogform vor; diese war auch keine polemische Antwort auf den Τρικάρανος, vgl. Martini, RE 5 1 546-563 s.v. Dikaiarchos (3), bes. 550-552; F.Wehrli, RE Suppl. XI 526534 s.v Dikaiarchos (3), bes. 531 f.). Eine Anekdote spricht Anaximenes eine ausgesprochen antityrannische Einstellung zu: Stob., Flor. IV 8, 17 = FGrHist 72 Τ 7. 162 Beziehungen des Anaximenes zu Philipp und Alexander: Pausan. VI 18, 3 = FGrHist. 72 Τ 6. Archias von Thurioi, der in Antipatros' Auftrag 322 v.Chr. als φυγαδοθήρας die flüchtigen Aristonikos, Hypereides und Himeraios einfing, also in besonderer Weise der Makedonenmacht diente, war ein Schüler des Anaximenes (Plut., Demosth. 28 = FGrHist. 72 Τ 21). 163 Jacoby datiert den Autor auf die Jahrhundertwende (Jacoby, RE VIII (1913) 621 s.v. Hereas; vgl. Jacoby, FGrHist. III b 394; vgl. IG VII 39). Jacoby hält es für möglich, daß der megarische Lokalhistoriker Heragoras (vgl. Schol. Apoll. Rhod. I, 211 / 5 c = FGrHist. 486 F 3) Vater des Hereas und sein Vorgänger in der Abfassung von Megarika gewesen ist. Über Megaras Stellung zu Makedonien vgl. Bengtson, Gr. G. 322-326; 385.
276
Politiker als Historiker Auch der megarische Lokalschriftsteller Dieuchidas von Megara läßt
sich möglicherweise mit einer inschriftlich erwähnten Person, einem ναοποιός von Delphi, identifizieren; Dieuchidas schrieb Μεγαρικά164. Als ein wesentliches Indiz für die Identität des Dieuchidas mit dem gleichnamigen ναοποιός kann gelten, daß der Name des Vaters des ναοποιός, Πραξίων, zugleich der Name eines weiteren megarischen Lokalschriftstellers ist165.
Der von Jacoby akzeptierten Identifizierung ist widersprochen worden (vgl. Jacoby, FGrHist. III b (Text) 390; (Noten) 231 Anm. 5; dagegen Davison, in: Classical Quarterly N.S. IX (1959) 216-222: Dieuchidas wird, wo sein Geschichtswerk zitiert ist, nicht als Megariker bezeichnet; wenn Clemens das Ethnikon nennt, zitiert er nicht das Werk (Clem. ΑΙ., Strom. 6, 26, 8 = FGrHist. 485 Τ 1)). Vgl. Harpokr., s.v. Αργυιας = FGrHist. 485 F 2 a); Schol. Pindar, Nem. 9, 30 a = FGrHist. 485 F 3; Clem. ΑΙ., Strom. I, 119, 4 = FGrHist. 485 F 4; Diog. Laert. I, 57 = FGrHist. 485 F 6; Athen. 6, 82 p. 262 E-263 Β = FGrHist 485 F 7; Schol. Apoll. Rhod. I, 516/8c = FGrHist. 485 F 10. 165
In der Historiographie kommen Vater-Sohn-Sukzessionen durchaus vor. Διευχίδας Πραξίωνος Μεγαρεύς als ναοποιός: F.d.D. III ν 20, 34; 48, I 21; 49, II 46; 50, II 27 f.; 58, 31; 61, A 3 f., bezeugt für die Jahre 338335 und 328-327 v.Chr.: G.Daux, F.d.D. III 7 (Chronologie Delphique), Paris (1943); Jacoby, FGrHist. III b 390; (vgl. auch Syll. 241 C 141); Praxion: FGrHist. 484. Zu den ναοποιοί zu Delphi vgl. Schultheß, RE 16 2 2433-2439 s.v. νεωποιοί, bes. 2437 f. (νεωποιοί nach 373 v.Chr. eingesetzt zur Wiedererrichtung des Tempels, wahrscheinlich auf Lebenszeit bestellt). Im Archontat des Charixenos sind als Neopoioi bezeugt die Historiker Medeios von Larisa und Dieuchidas von Megara (Bourguet, Inscriptions de Delphes, B.C.H. 20 (1896) 197-241, bes. 233 mit Anm. 1). Dunant u. Pouilloux, in: B.C.H. 76 (1952) 32-60, bes. 57-60: Philipp war entscheidend für die Herausbildung der tresoriers, die seit 336 v.Chr. auch als amphiktyonische Geldemissäre tätig waren. Vgl. auch zum außerordentlichen Charakter des Amtes: Bourguet, Sanctuaire pythique 60 ff.; 171. Zu Finanzverwaltung und Finanzlisten in Delphi: J.Bousquet, in: D.Knoepffler (Hsg.), Comptes et inventaires dans la cite grecque, FS J.Tréheux 83-89; O.Picard, in: ebda. 91-101; P.Marchetti, in: ebda. 103110; über Delphi allgem.: G.Roux, Delphi; ders., L'Amphictionie, Annexe III: Dieuchidas ist nachweisbar für 336/335-334/333; 327/326-325/324; zu den ναοποιοί: ebda. 95-120; zu Dieuchidas: ebda. 107; der Aleuade Medeios von Larisa ist nachweisbar für 328, 325, 323.
Politiker als Historiker 9)
in
Milet Am Beispiel des Demodamas von Milet zeigt sich die in frühhelleni-
stischer Zeit große Bedeutung von Politikern, die, in ihrer Vaterstadt als Bürger aktiv, zugleich im Dienste eines Monarchen standen und daher sowohl für ihre Heimatgemeinde wie auch fur den Monarchen von Nutzen waren. Es ist möglich, daß Demodamas neben dem Bürgerrecht der ionischen Stadt auch noch das von Halikarnaß besaß166. Demodamas war Militärkommandeur im Dienst der Seleukiden und unternahm in ihrem Auftrag einen Vorstoß in das Gebiet jenseits des Iaxartes167. Demodamas war der Sohn eines Aristeides, der selbst einer proseleukidischen Gruppe um seinen Sohn in Milet angehörte. Als Politiker tritt Demodamas dreimal hervor im Zusammenhang mit Volksbeschlüssen über den Neubau des Apollontempels von Didyma. Mit dem einen dieser Beschlüsse ehrt Milet Apame, die Gattin des Seleukos, durch einen zweiten Antiochos. Demodamas selbst hatte die Finanzierung des Baues wesentlich gefördert, indem er erreichte, daß die Seleukiden Geld zur Verfügung stellten und daß Seleukos* Sohn Antiochos eine Markthalle (στοά σταδιαία) stiftete, aus deren Erträgen die Arbeiten zum Schmuck des Baues bezahlt wurden. Vorausgegangen waren Verhandlungen einer milesischen Gesandtschaft am Hofe des Seleukos, an deren Erfolg Demodamas als Militär bei Hofe wahrscheinlich entscheidenden Anteil hatte; in dem Ehrendekret für Apame wird ausdrücklich erwähnt, daß sich Apame für Milesier in Seleukos' Dienst eingesetzt habe und jener milesischen Delegation besonde-
Αημοδάμας δ' ό Αλικαρνασσεύς η Μιλήσιος: Athen. XV 30 ρ. 682 D-Ε = FGrHist. 428 F 1. Steph. Byz. s.v: Αντισσα = FGrHist. 428 F 3 nennt ihn Μιλήσιος. Welche persönlichen Beziehungen Demodamas zu Halikarnaß besaß, über das er eine Schrift verfaßte, ist unklar (vgl. Jacoby, FGrHist. III b 252 f.). Die Identität mit dem Autor über Halikarnaß ist wahrscheinlich (Schwartz, RE IV 2 2868 s.v. Demodamas-, Jacoby, RE Suppl. II 213 s.v. Herodotos). 167
Plin., N.H. 6, 49 (Solin. 49, 5). Vgl. auch Plin., N.H. 1, 6 = FGrHist. 428 Τ 2.
278
Politiker als Historiker
res Wohlwollen entgegengebracht habe. Wahrscheinlich wird damit angespielt auf Demodamas' Rolle als Militär im Dienst des Seleukos und als Mitglied jener Delegation. Die Stadt hatte sich offenbar dazu verpflichtet, Mitglieder der königlichen Familie zu ehren; Antiochos werden besondere Ehrenrechte eingeräumt. Seleukos' erste Frau Apame wird berücksichtigt; dies geschieht sichtlich in einem Eilverfahren, wahrscheinlich bereits zu der Zeit, als Seleukos Stratonike heiratet, um das Bündnis mit Demetrios dynastisch zu untermauern. Apame dürfte also 299/298 v.Chr. geehrt worden sein. In dem dritten unter Demodamas' maßgeblicher Beteiligung zustande gekommenen Dekret, dessen materieller Inhalt nicht mehr recht kenntlich ist, hat man eine entsprechende Ehrung für Stratonike gesehen. Den Antrag auf eine Ehrung des Antiochos stellte Demodamas als Vorsteher der σύνεδροι, eines vorberatenden Ausschusses, der der Volksversammlung direkt, das heißt: ohne vorausgehenden Ratsbeschluß, besondere rechtliche Probleme berührende Anträge vorzulegen hatte, in diesem Falle über die Ergebnisse der Verhandlungen am Hof. Das Dekret zur Ehrung der Apame dagegen leitete Demodamas an den Rat weiter (προγράφεσθαι), wohl, weil dieser dafür zuständig, Demodamas aber kein Ratsmitglied war. Seine besondere Verbundenheit mit der Sache der Seleukiden kommt dadurch zum Ausdruck, daß Demodamas selbst, zusammen mit dem Antragsteller Lykos und Demodamas' Vater Αριστείδης] Μιννίωνος, die Kommission zur Ausführung der Ehrenstatue für Apame bilden. Dieselben Personen scheinen auch die Ausführung der Beschlüsse jenes dritten Dekretes besorgt zu haben, waren also gemeinsam an den Verhandlungen maßgeblich beteiligt und dürften daher Exponenten einer 168 proseleukidischen Gruppe der milesischen Bürgerschaft gewesen sein . Demodamas, dux, Explorateur und Kommandeur in seleukidischen Diensten,
Die Dekrete mit Kommentar: Wiegand u. Rehm u. Harder, Didyma II 281-285: Nr. 479 (Ehrung des Antiochos = OGIS 213 s FGrHist. 428 Τ 3; da Antiochos noch nicht als Mitregent in dem Dekret bezeichnet wird, ist es vor 293 v.Chr. zu datieren); 480 (Ehrung der Apame); 481 (Inhalt nicht deutlich); Günther, Didyma 23-39: Nr. 1 a) (Ehrung Apames), 1 b) (Ehrung des Antiochos). Über die σύνεδροι: Schehl, in: TAPA 82 (1951) 111-126. Tempel und Umstände des Neubaues: Voigtländer, Didyma 29 ff.
Politiker als Historiker
279
tritt uns entgegen als tnilesischer Politiker, der sich besonders die Pflege der Beziehungen zu den Seleukidenherrschem angelegen sein läßt. Die politische Förderung der Interessen der Seleukiden in der Stadt und die Vertretung der Interessen der Stadt bei den Seleukiden konnte Demodamas mit seinem eigenen Geltungsbedürfnis und dem seiner Familie verbinden. Milet hat in der folgenden Zeit eine Reihe ähnlicher Männer mit Verbindungen zu den Seleukiden oder dem Hof von Pergamon hervorgebracht, die zumeist, wie Demodamas, im persönlichen Dienst der Herrscher standen169. 10) Historiker von Byzanz Als historiographische Werke eines Leon von Byzanz belegt die verwirrte Überlieferung Τα κατά Φίλιππον και τό Βυζάντιον, Τα κατ' Αλεξανδρον und einen Ιερός πόλεμος170. Die Vita in der Suda vermengt die Angaben über einen byzantinischen Politiker, Absolventen der platonischen Akademie und Gegner Philipps von Makedonien mit denen über den Rhetor Leon von Alabanda und solchen über einen Schüler des Aristoteles. In welchem Verhältnis der Historiker Leon zu diesen dreien steht, ist nicht recht deutlich. Jacoby vermutet, daß der Historiker identisch mit dem Schüler des Aristoteles und zugleich der Vater der beiden Haupterben Theophrasts sei. Die zweite der beiden Vermutungen ist sehr unwahrscheinlich, während die erste Annahme zutreffen kann: Der byzantinische Politiker und Akademiker Leon war selbst Sohn eines Leon; es ist möglich, daß er einen Sohn wiederum Leon nannte und ihn, so wie er selbst bei Piaton ausgebildet worden war, in dessen Umkreis bei Aristoteles erziehen ließ; der Sohn, der Historiker Leon also, hätte in seinem Geschichtswerk dann wesentlich die von seinem Vater erlebte Zeit beschrieben171. Der Akademiker
Beispiele: Günther, Didyma 35 Anm. 55. 170
Suda s.v. Λέων Λέοντος Βυζάντιος = FGrHist. 132 Τ 1. Weitere genannte Werke: Τευθραντικός, Περί Βησαίου und Περί στάσεων. 171 Leon von Alabanda: Suda s.v. Λέων = FGrHist. 278 Τ 1. Leon von Alabanda schrieb Περί στάσεων, Καρικά, Λυκιακά und eine Τέχνη. Der Τευθραντικός und Περί Βησαίου sind nicht eindeutig dem einen oder dem anderen der beiden zuzuweisen (Jacoby, FGrHist. III a 361 f.). Auf Veran-
280
Politiker als Historiker
und Politiker Leon kommt als Verfasser der Geschichtswerke nicht in Betracht, weil er Selbstmord beging, als Philipp über ihn das Gerücht verbreitete, er habe nur deswegen Byzanz der athenischen Seestreitmacht geöffnet, weil Phokion ihn mit. mehr Geld bestochen habe, als Philipp. Jemand der sich vor 336 v.Chr., dem Todesjahr Philipps, erhängt hat, kann nicht Alexandergeschichte geschrieben haben. Daher neigt man im allgemeinen dazu, auch die historischen Schriften ίερός πόλεμος und Τα κατά Φίλιππον και το Βυζάντιον nicht mit dem Gegner Philipps in Verbindung zu bringen. Berve dagegen bestreitet die Historizität der Nachricht über den Selbstmord des Philippgegners und identifiziert Aristoteliker, Akademiker
lassung und Leitung des Politikers und Akademikers Leon hin widersteht Byzanz 340 v.Chr. mit Hilfe der athenischen Rotte unter Phokion der Belagerung durch Philipp von Makedonien. Die Überlieferung über den byzantinischen Politiker und Akademiker ist bestimmt durch Anekdoten seiner Schlagfertigkeit. Plut., Phok. 14 (Phokion wurde 339 v.Chr. mit einer Truppe zur Hilfeleistung für das von Philipp belagerte Byzanz ausgesandt; zuvor hatte bereits Chares eine entsprechende Kommandierung erhalten, war jedoch am mangelnden Vertrauen der Verbündeten Athens gescheitert; für Phokion verbürgt sich in Byzanz Leon, συνηθής des Phokion in der Akademie, seiner αρετή wegen πρώτος in Byzanz); Nikias von Nikaia bei Athen. XI p. 506 C u. Favorinus bei Diog. Laert. III 62 (Leon als Schriftsteller, Verfasser eines Alkyon); Philostr., Vit. Soph. I 2 (Leon verhandelte selbst mit dem Byzanz belagernden Philipp, Leon ging ebenfalls als Gesandter nach Athen); Hesych. Illustr. von Milet im Cod. Palat. Heidelb. 398 = FGrHist. 390 1 (26) bezeichnet Leon als aristokratischen Politiker; nach Ansicht Jacobys auf Leons Werk zurückgehend, Jacoby, FGrHist. III b 187 mit Anm. 23). Anekdoten über die Schlagfertigkeit des Akademikers und Politikers Leon bei Plutarch (Plut., Nik. 22; Ex inim. util. 5 p. 88 F s Quaest. symp. I 1, 9 p. 633 D). Die Anekdote bei Philostr., Vit. Soph. I 2 über Leons Schlagfertigkeit, als er seiner eigenen Beleibtheit wegen in Athen verlacht wurde, erzählte Leon selbst Uber den byzantinischen Politiker Python (Athen. XII p. 550 E = FGrHist. 132 F 1; über Leon vgl. Bux, RE 12 2 2008-2114 s.v. Leon (23)-(24)·, Diog. Laert. IV 37 wird die Anekdote auf Arkesilaos bezogen). Im Unterschied zu Bux, der einen Historiker Leon annimmt, dessen Biographie unerschlossen sei, vermutet Jacoby, FGrHist. III b 444 f., der Historiker sei identisch mit dem Aristotelesschüler, von dem Jacoby annimmt, er sei der Vater der beiden Erben Theophrasts; dies ist unwahrscheinlich (vgl. S. 49 ). Jacobys Hypothese auch bei Wehrli, in: Flashar (Hsg.), Überweg III 459-600, bes. 532.
Politiker als Historiker und historischen Literaten miteinander
281
172 . Sofern der Historiker Leon von
Byzanz wirklich mit dem Politiker und Akademiker verwandt war, dürfte er sich als Bürger seiner Heimatstadt politisch betätigt haben. Daß er den erfolgreichen Verteidigungskampf gegen den Angriff Philipps beschrieb, zeigt, daß er vom Standpunkt seiner Polis aus schrieb und diese verherrlichte, also auch als Schriftsteller zunächst als Bürger seiner Stadt handelte. 11) Stageira Aristoteles soll von Philipp II. den Wiederaufbau des im Olynthischen Krieg 349 v.Chr. zerstörten Stageira erreicht haben. Sein politisches Verdienst bestand weniger in einer materiellen Restauration der Siedlung als in einer Wiederherstellung ihrer Rechte und ihrer Neubegründung als Bürgergemeinde, deren Gesetzeskodex der Philosoph wesentlich mit formuliert hat. Aristoteles wird von der Tradition eine Gründerfunktion für seine Heimatstadt vindiziert, diese wird als Beispiel gegen die Gül173 tigkeit der Regel von der Apolitie des Philosophen benutzt . 12) Chersonesos Der Historiker Syriskos von Chersonesos wird als Historiker öffentlich geehrt, weil er die Epiphanien der göttlichen Jungfrau und Schutzheiligen von Chersonesos in einem Geschichtswerk zusammenstellte. Syris-
172 Vgl. Suda, s.v. Λέων Λέοντος Βυζάντιος = FGrHist. 132 Τ 1; Berve, Alexanderreich II 235 Nr. 468. Der Selbstmord ist überliefert, die Identität von Historiker, Platoniker und Aristoteliker nicht. Pearson, Lost Histories 254; Wehrli, in: Flashar (Hsg.), Überweg III, 459-600, bes. 532 und Bux, aaO. trennen Politiker und Historiker, da der Selbstmörder nicht mit dem Alexanderhistoriker identisch sein kann. 173
Plin., Ν. Η. VII 109 = Düring, Tradition Τ 27 c; Plut., Non posse suav. viv. sec. Epic. 15 p. 1097 Β; Adv. Colot. 33 p. 1126 F = Düring, Tradition Τ 27 d; Dio Chrysost., Or. II 79 = Düring, Tradition Τ 27 e; Or. 47, 8 = fr. 657 Rose = Düring, Tradition Τ 27 f. Vgl. Ioann. Tzetz., Chil. VII 441 (h. 140) = Düring, Tradition 27 Τ j. Verehrung des Aristoteles in Stageira als Ktistes: Mandeville's Travels = Düring, Tradition Τ 27 k. vgl. Aelian., Var. hist. XII 54; III 17 = Düring, Tradition Τ 27 g-h; Plut., Adv. Colot. 32 p. 1126 c; Plut., Adv. Colot. 32 p. 1126 c. So wenig die ursprüngliche Quelle dieser Nachricht bekannt ist (Düring, aaO.
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Politiker als Historiker
kos betätigte sich als Forscher in der bestehenden Überlieferung, als Schriftsteller und als Vortragsredner (cf. ίστόρησεν, [διηγήσα]το, γράψας άνέγνω). Zu den Epitheta, mit denen diese Arbeit ausgezeichnet wird, gehören nicht nur den Wissenschaftler qualifizierende (φιλ(οπόνως], άλαθιν[ώς]), sondern wie selbstverständlich auch sein Patriotismus (cf. [έπιεικ]έως τώι (δ)άμωι); wie der Text des Ehrendekretes erkennen läßt, betonte Syriskos in seinem Geschichtswerk wirksam die Wohltaten seiner Heimatstadt gegenüber den Herrschern des bosporanischen Reiches und ansderen griechischen Poleis. Derartige Informationen wird die Gemeinde gegebenenfalls nutzbringend in Verhandlungen mit diesen nächsten politischen Größen einzusetzen gewußt haben. Der Antragsteller des Ehrendekretes trägt wahrscheinlich denselben Namen wie der Vater des Historikers und ist möglicherweise ein Verwandter174.
293 f.), so wenig läßt sich ermitteln, wie weit der Wahrheitsgehalt der Erzählung im Einzelnen reicht. Die Zeugnisse gesammelt bei Düring, Tradition 290-294. Die Emendation des Ortsnamens Diod. 16, 52, 9 = Düring, Tradition Τ 27 a ist ungesichert; Zähmt, Olynth 109; 241-243 bezieht die Stelle auf Stageira. Vgl. auch Strabon 7, (331); Plut., Alex. 7,3. Ein Indiz für das Zutreffen der Nachricht von einer rechtlichen Wiedererrichtung Stageiras ist, daß Theophrast, der mit Aristoteles kurzzeitig nach dem Tode des Hermias von Atarneus in Stageira wohnte und Kenntnis Stageiras zeigt, einen Besitz in Stageira vererben konnte (Theophrasts Testament bei Diog. Laert. V 51-57; vgl. Theophrast, Hist. Plant. III 11, 1; IV 16, 3; I.Düring, RE Suppl. XI 159-336 (1968) s.v. Aristoteles, bes. 174; 179; Berve, Alexanderreich II 71 Nr. 135). Problematisch ist die Notiz bei Valerius Maximus V 6, 5 = Düring, Tradition 27 b. Vgl. S. 2641. 174 Latyschev, IOSPE Nr. 244 = FGrHist. 807 Τ 1 = Chaniotis, Historie 300 f. (E 7). Zur Begründung der Ehrung des Syriskos wird ausgeführt, er habe τα[ς επιφανείας τάς nafpjdévou φιλ(οπόνως] aufgezeichnet und zu allgemeiner Kenntnis gebracht (ά[νέ]γνω). Die Polis als ganze tritt als Nutznießer der Tätigkeit des Syriskos auf. Zur Formulierung τά [θ' ύ]πάρξαντα φ[ιλάνθρωπα ποτί τα]ς πόλεις vgl. Syll. 548, 2-4 (Delphi, 3. Jahrhdt. v.Chr.): τά τε (τά τε) υπάρχοντα Δελφοίς φιλάνθρωπα έκ παλαιών χρόνων ποτί Σαρδιανούς άνανεοΰται; Syriskos hat alte Überlieferungen über das Heiligtum herangezogen. Vgl. auch Gajdukevic, Das Bosporanische Reich 176.
Politiker als Historiker
283
13) Elis Die Historizität der Nachrichten über das Leben des Hippias von Elis ist problematisch, denn diese Nachrichten sind wahrscheinlich wesentlich 175 gewonnen aus dem Inhalt der beiden platonischen Dialoge . An geschichtlichen Werken verfaßte der Sophist und reisende Vortagsredner Εθνών όνομασίαι, eine όλυμπιονικών αναγραφή und eine Συναγωγή176. Hippias' Leben ist charakteristisch für die Angehörigen seiner Zunft der sophistischen Lehrer und reisenden Vortragsredner: Der Sophist fungierte zugleich als erfolgreicher Gesandter seiner Heimatstadt an177 andere πόλεις, umtriebige Gesandte traten als Sophisten erfolgreich auf . Der Sophist lebt davon, auf diese Weise bekannt zu werden; der platonische Hippias äußert, er habe mit seinen Auftritten bei den Lakedaimoniem besonders wenig ver178 dient
. Gegen eine enge biographische Interpretation sperrt sich jedoch
gerade der Kontext dieser von Piaton wiedergegebenen Äußerung, denn er behandelt Hippias paradigmatisch, nicht biographisch. Die fur den Sophisten charakteristische Verbindung von Lehrtätigkeit und politischer Aktivität wird dabei selbst auf ein philosophisches Problem zurückgeführt. Untersucht wird der Anspruch des Sophisten, daß er das, was ihm nützt, nicht nur zur Erhöhung seines partikularen Nutzens als im allgemeinen Interesse aller Bürger liegend hinstellt, sondern daß seine Konzeption, materiellen Erfolg als Kriterium der Weisheit zu betrachten, am Ende wirklich im allgemeinen Interesse liegt. Dagegen steht die Beobachtung des platonischen Sokrates, daß sich wirklich Weise politischer Tätigkeit tat175
Vgl. Wellmann u. Björnbo, RE VIII 2 1706-1711 s.v. Hippias (13). Spätere Nachrichten im Sudaartikel (F.d.V. 86 A 1). Vgl. Philostr., Vit. Soph. I 11, 1 ff. = F.d.V. 86 A 2; Plut. , Vit. X or. 4 p. 838 A-839 = F.d.V. 86 A 3. 176
Vgl. Schol. Apoll. Rhod. Ill 1179 = FGrHist. 6 F 1; Plut., Num. 1 = FGrHist. 6 F 2; Athen. XIII 608 f = FGrHist. 6 F 3. 177
Bei Philostratos (F.d.V. 86 A 2) heißt es, Hippias habe für Elis viele Gesandtschaftsreisen unternommen und sich in beiden Funktionen eine hohe δόξα gesichert. Merkmale des Erfolges: politische Ehrungen und materieller Gewinn. 178 Plat., Hipp. Mai. 281 a-283 d.
284
Politiker als Historiker
sächlich meist enthalten
179 . Auch die Bemerkungen des Philostratos über die
geschäftlichen Absichten des Hippias - Hippias habe sogar das kleine si180
zilische Städtchen Inykon besucht, um Geld zu machen
- stehen nicht ei-
gentlich im Kontext einer biographischen Tradition, sondern entstammen der Kritik der sophistischen Form des Gelderwerbs, die die politische Aktivität einschließt. Vielleicht verdankt
sich auch die Überlieferung,
Hippias sei ein Meister der Mnemotechnik gewesen, platonischer Typisierung. Denn in der Aufzählung der Techniken, die der Sophist, um unabhängig zu sein, beherrschen müsse, führt der platonische Sokrates diese mit gewisser Ironie als die letzte an, da sie doch für den Vortrag der den Sophisten nach Olympia begleitenden Manuskripte unerläßlich sei. Auch Xenophon behandelt Hippias' Gedächtnisleistung im Kontext der Diskussion 181 legitimer Formen der Pädagogik . Daher ging Hippias als Sophist mit gutem „ ΙM Gedächtnis in die Uberlieferung ein Das Bild, das die Tradition über das Auftreten des Hippias als Gesandter und Festredner im Ausland zeichnet, ist ebenfalls der philosophischen Auseinandersetzung um die Zentralbegriffe seines sophistischen Tuns
Plat., Hipp. Mai. 281 d. Daß das Bild des Hippias als Erwerbssophist bei Piaton tatsächlich typisiert ist, belegt der Vergleich mit den Gestalten von Gorgias und Prodikos an anderer Stelle. In der Apologie des Sokrates werden die Bemühungen aller drei abgegrenzt von der Bildungsform, die Sokrates selbst als philosophische erstrebt, insofern die Sophisten reisend gegen Geld Unterricht erteilen. Hippias' Geschäft des bezahlten Unterrichtes wird vom Standpunkt der platonisch-sokratischen Philosophie einer Kritik unterzogen (Plat., Apol. 19 d-20 c). Plat., Hipp. Mai. 282 d-e = F.d.V. 86 A 7 gibt Hippias an, er habe mehr Geld verdient als jeder andere Sophist. Hippias erscheint bei Piaton als der Typ des geschäftlich erfolgreichen Sophisten. 180 Philostr., Vit. Soph. I 11, 1 ff. = F.d.V. 86 A 2. Plat., Hipp. Mai. 284 b. 181
Xenoph., Sympos. IV 62 = F.d.V. 86 A 5 a). Auch diese Nachrichten können im Zusammenhang der Sophistikkritik durch die sokratische Philosophie gesehen werden, insbesondere der Bestimmung des relativen Wertes lehrbarer Disziplinen wie der Mnemotechnik; vgl. auch Mazzarino, Pensiero I 433 f. Vgl. in diesem Sinne die Kritik des Wertes bloß rekapitulierender Altertumskunde im sophistischen Ausbildungsbetrieb (Plat., Hipp. Min. 285 d-286 c). 182
Vgl. Ammian. Marceil. XVI 5,8 = F.d.V. 86 A 16.
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» *
285 183
erwachsen. Hippias, der als τέλος die αυταρκεια bestimmte
, wird bei Pia-
ton zur Karikatur: Er sei in Olympia aufgetreten mit nichts bei sich, das er nicht selbst gefertigt hätte. Die sophistische Position, die dadurch karikiert werden soll, besagt: Autark und daher universell urteilsfähig ist nur, wer alle τέχναι beherrscht184. Bei aller Fragwürdigkeit der Überlieferung gilt doch, daß ein Sophist vom Range des Hippias seinen Beruf als Lehrer mit der politischen Betätigung vorteilhaft verbinden konnte. Eine etwas aus dem Rahmen fai185 lende Nachricht deutet die persönlichen Gefahren an, die sich aus der politischen Exponiertheit des sophistischen Lehrers ergeben. Hippias sei getötet worden, als er insidias gegenüber der civitas gelegt habe. Ob die Informationen über die politische Betätigung des Hippias, seine Reise nach Sparta und seinen unter fragwürdigen politischen Umständen eingetretenen gewaltsamen Tod ursprünglich zusammenhängen und möglicherweise auf die Umstände der wechselnden Politik von Elis gegenüber Sparta im und nach dem Peloponnesischen Krieg zu beziehen sind, ist allerdings nicht deutlich. 14) Der Historiker als Tyrann: Samos Außer dem Peripatetiker Demetrios von Phaleron, der als Beauftragter Kassanders über Athen herrschte, hatte ein zweiter Peripatetiker eine tyrannengleiche Stellung inne: der Theophrastschüler Duris von Samos herrschte nach der Rückkehr der Samier aus langem Exil, in dem Duris wahrscheinlich geboren wurde, über seine Heimatgemeinde. Wann genau er diese Herrschaft ausübte, kann nur vermutet werden. Man hat diese Zeit an 186 die Schlacht von Ipsos 301 v.Chr. anschließen wollen . Eine unter Duris'
183
Suda s.v. = F.d.V. 86 A 1.
184
Plat., Hipp. Min. 368 b-369 a.
185
Tertullian., Apolog. 46 = F.d.V. 86 A 15.
186
Schwartz, RE V 2 1853-1856 s.v. Duris; Jacoby, FGrHist. II C 116; Beloch, Gr. G. IV 1 479 ff.; Ferrerò, in: Miscellanea di studii alessandrini in memoria di A.Rostagni, Torino (1969) 69-100, bes. 76.
286
Politiker als Historiker
Regie erfolgte Münzausgabe der Gemeinde in der Zeit um 300 v.Chr. ist an187 dererseits zum Anlaß genommen worden, seine Tyrannis später anzusetzen Duris übernahm seine Tyrannenstellung von seinem Vater Kaios, der als Jugendlicher Olympiasieger im Boxen gewesen war, und der mit seiner Familie wahrscheinlich im Westen Exil gefunden hatte, worauf eine von seinem Sohn, Duris' Bruder Lysagoras, beantragte Ehrung eines Herakleoten hindeutet. Problematischer noch als in Demetrios' Fall ist in dem des Duris die Beschreibung der verfassungsrechtlichen Position, in der er als "Tyrann" herrschte188. Die Zeit nach der Jahrhundertwende bescherte Samos eine besondere kulturelle Blüte, und man hat den Peripatetiker Duris und seine
Berve, Tyrannis 423 f. meint, Duris' Vater Kaios habe vor 306 v.Chr. über Samos geherrscht, als Samos unter Antigonos' Herrschaft kam. Duris' Herrschaft sei früher oder später anzusetzen. 187
Kebric, Duris 6. Vgl. Barron, Coins of Samos 122 f.; 125; 217 und tab. XXV, 4. 188
Vgl. Athen. VIII 18 p. 337 D = FGrHist. 76 Τ 2: Λυγκευς δ' ό Σάμιος, ό Θεοφράστου μεν μαθητής, Λούριδος δε αδελφός του τάς ιστορίας γράψαντος καί τυραννήσαντος της πατρίδος. Über Duris' Vater heißt es zum Abschluß der Beschreibung seiner Siegerstele in Olympia: παρά δε τον τυραννον... (Pausan. VI 13, 5 = FGrHist. 76 Τ 4). Vgl. Barron, in: Classical Review N.S. 12 (162) 189-192, bes. 192; Jacoby, FGrHist. III C 116; Beloch, Gr. G. IV 1 479 ff.; Okin, Duris 51 f. Der Antrag zur Ehrung des Herakleoten wurde gestellt von Λυσαγόρας Καίο[υ], was Habicht nach der bereits emendierten Lesung der Pausanias-Stelle zu « > \ χ / Strab. 15, 3, 7: αλλ' ο εκτοπισμος της Αλέξανδρου στρατιάς εις Βακτρα καί Ινδούς πολλά τε αλλα νεωτερισθήναι παρεσκεύασε, καί δη καί τοΰθ' εν των νεωτερισθέντων ΰπηρξεν; Arrian., Anab. VI 29, 3. Plünderung des Grabes nach Plut., Alex. 69 durch einen Makedonen. 193
Historiker an Herrscherhöfen
438
trapén Orxines nicht nachgewiesen werden; nachdem Alexander nach Persepolis zurückgekehrt war, bezichtigten ihn jedoch persische Zeugen des Grabraubes. Der Satrap, überfuhrt, Hand an königliche Gräber gelegt zu haben, wurde hingerichtet194. Aristobulos' Auftrag beim zweiten Besuch war, den ursprünglichen Zustand des Grabes vor seiner Beraubung wiederzustellen, den er kannte; er hatte anschließend dann den Zugang zuzumauern, zu verputzen und durch An19S
bringen des königlichen Siegels zu verschließen
. Da Aristobulos dabei
das Siegel in Stellvertretung des Königs führt, ist es möglich, daß Aristobulos zum Kreis der φίλοι und έταίροι Alexanders gehörte. Allein dieser Auftrag erlaubt nicht, in Aristobulos einen architektonischen Spezialisten oder Ingenieur mit einer über das Maß des fiir Militärs Üblichen hinausgehenden Spezialausbildung zu sehen. Aristobulos hat wahrscheinlich weder zu den höheren kommandierenden Offizieren des Heeres noch zur Gruppe unverzichtbarer Spezialisten gehört, denn ein weiteres Wirken des Mi196 litärs nach Alexanders Tod läßt sich nicht sicher nachweisen .
Strabon schreibt, die Tatsache, daß aus dem Grab nur die leicht beweglichen Sachen geraubt wurden, nicht aber Leichnam, Sarg und Grabliege, die nur verlegt und beschädigt wurden, habe belegt, daß der Raub ein Akt von Plünderern, nicht eine Tat des sich überhebenden Satrapen war. Aristobulos' Aussage bedeutet, daß er den späteren Ergebnissen der Untersuchung gegen den selbsternannten Satrapen Orxines widersprach, oder daß er diese Ergebnisse nicht kannte (Strab. 15, 3, 7; vgl. Arrian., Anab. II 18, 10-12). Arrian, der Aristobulos' zwei Aufenthalte am Grab des Kyros zu einem zusammenfaßt, beschreibt den Prozeß der Untersuchung der Verantwortlichkeit genauer: Die das Grab bewachenden Magi werden gefangen und gefoltert, machen jedoch keine Angaben über die Täter, da sie selbst nicht an der Tat beteiligt waren, läßt man sie frei (Arrian., Anab. VI 29, 11; vgl. VI 30, 1-2). 195
Arrian., Anab. VI 29, 10: Zurückbettung des Leichnams, Verschließen des Sarges, Ausbesserung der Beschädigungen des Sarges, Neubespannung der Grabliege, Wiederherstellung des Schmuckes der Grabkammer im ursprünglichen Zustand, Zumauern und Verputzen des Zuganges und Versiegelung. 196 Vgl. Strab. 15, 1, 63-65 = FGrHist. 134 F 17, dazu Jacoby, FGrHist. II D 519. Ein hinreichender Grund für die Identifizierung des Aristobulos mit Aristobulos, Gesandter des Ptolemaios I an Antigonos Monophthalmos 311 v.Chr. (OGIS 5, 50) und Verhandlungspartner der Stadt lasos nach 305 v.Chr. (Iscr. lasos, ed. Blümel 3, 1-18) besteht nicht. (Die Identität wird vermutet von Pugliese-Caratelli, in: Annuario della Scuola Archeo-
Historiker an Herrscherhöfen
439
Androsthenes von Thasos, Archias von Pella und Hieron von Soloi waren kommandierende Seeoffiziere; Androsthenes und Archias sind außerdem als Trierarchen der Stromflotte am Hydaspes herangezogen worden. Sie verfügten also über Vermögen und gehörten zu den φίλοι und έταΐροι Alexanders. Androsthenes, Archias und Hieron unternahmen je eine Kriegsschiffexpedition zur Erforschung Arabiens: Seit dem Bekanntwerden der Erfahrungen der Fahrt Nearchs beim Treffen des Heeres und der Rotte in Karmanien hatten sich Pläne zur Erforschung, Eroberung und Beherrschung auch Südarabiens verdichtet. Alle drei Kommandanten erstatteten Alexander einen 197
Bericht über ihre Expeditionen
. Hierons Expedition hatte den Auftrag,
Arabien, das durch Nearchs Seefahrt als Halbinsel erwiesen war, bis ins Rote Meer hinein zu umfahren. Zwar gelangte er bis zum Kap Maketas, seinerzeit der Anlaß zu Nearchos' und Onesikritos' Auseinandersetzung über den Kurs der Flotte, konnte Arabiens Südküste jedoch nicht weit umrunden, denn Arrians Darstellung der Fahrten, der im Wesentlichen der Bericht des Androsthenes zugrundeliegt, erklärt, daß um das Kap Maketas niemand herumgebogen sei. Archias hatte die Bedingungen der Küstenfahrt auf der arabischen Seite des Persischen Golfes zu erkunden. Archias und Hieron erhielten zwei sich ergänzende Aufträge, die an die Erkenntnisse aus Nearchs Fahrtbericht anknüpften. Etwa gleichzeitig versuchte eine dritte Expedition erfolglos, in Gegenrichtung von Ägypten aus Arabien zu umfahren. Das Kap Maketas setzte auch der etwas späteren Expedition des Androsthenes die Grenze, der eine Rundfahrt an beiden Küsten des Persischen 198 Golfes unternahm . Alle drei Expeditionen wurden mit je einem Dreißigru-
logica di Atene e delle Missioni Italiane in Oriente 45/46 (1969) 437486, bes. 443). Aristobulos ist nicht identisch mit dem Vater des Sophokles, eines in Kassandreia wohnenden Phokers, der zwischen 279 und 251 v.Chr. in Delphi geehrt wird, da er Kassandreer, nicht Phoker ist (F.d.D. III 3 207; anders Pearson, in: AJPh 73 (1952) 71-75). 197
Vgl. Högemann, Arabien 88-94; Arrian., Anab. VII 20, 1-7.
198
Möglicherweise segelte Hieron auf der Hinfahrt zunächst die persische Küste entlang, um in der Straße von Hormuz auf die arabische Küste zuzuhalten; Hieron operierte dann im südöstlicheren Küstenabschnitt Arabiens. Vgl. Anab. VII 19, 3-20, 10; Arrian., Ind. 43, 1-13; Högemann, Arabien, 80-94; Strab., 16, 4, 4; Theophr., Hist. Plant. IX 4, 1-9.
Historiker an Herrscherhöfen
440
derer (τριακόντορος) durchgeführt. Hieron von Soloi, der nicht als Trierarch der Stromflotte herangezogen worden war, heißt als Kommandant des / 100 « Ä Schiffes κυβερνήτης : Er war also, wie Onesikritos, kein εταίρος und kommandierender Offizier. Archias dagegen hatte als prominenter Kommandeur an der Flottenfahrt des Nearchos teilgenommen. Archias leitete dabei ein Landungsunternehmen zur Einnahme der Stadt der Fischesser beim Vorgebirge Bageia, um die Flotte zu verproviantieren; während Nearchs Abwesenheit 200
von Bord vertrat Archias ihn dabei als Kommandeur
. Beim Zusammentref-
fen Nearchs mit Alexander in Karmanien im Winter 325/324 v.Chr. begleitete Archias den Flottenchef; Archias regte dabei an, 201 sich dem zur Kontaktaufnähme ausgesandten Kommando zu offenbaren
. Wie Archias wird auch
Androsthenes unter den Trierarchen der Hydaspesflotte genannt und ist daher der Gruppe begüterter militärischer Führer aus dem Kreis der έταίροι zuzurechnen. 202 Auch er hatte wahrscheinlich bereits an der Fahrt Nearchs teilgenommen
. Die drei Forschungsreisenden sind mit ihren Berichten
nicht an eine größere Öffentlichkeit herangetreten. Diese Berichte wurden vielmehr aufbewahrt, der Konsultation durch spätere Literaten und For203 scher zugänglich .
μακροτάτω δέ των έκπεμφθέντων προΰχώρησεν ί έρων ό Σωλεύς ό κυβερνήτης, λαβών και ούτος παρ' Αλεξάνδρου τριακοντόρον (Arrian., Anab. VII 20, 7). H.Berve, RE Suppl. IV 743 s.v. Hieron vermutet, daß der Hieron an der Fahrt des> Nearchos teilgenommen hat. Archias und Androsthenes als Trierarchen; έκ Μακεδόνων ... Αρχίας ό Αναξιδότου ... έκ δέ Αμφιπόλεως ... Ανδροσθένης Καλλιστράτου ... (Anian., Ind. 18, 3-4). 200
και Νέαρχος ... λέγει προς Αρχίην, δς ήν Αναξιδότου μεν παις, Πελλαΐος, συνέπλει δε Νεάρχψ, των έν αίνη ων Μακεδόνων (Arrian., Ind. 27-28, bes. 27, 8). Durch die Beschlüsse der Inschriften IG XII 9, 205 und 206 werden die Makedonen Apollodoros, Sohn des Anaxidotos, und dessen Sohn Anaxidotos durch Eretria zu Ehrenbürgern vollen Rechts; es ist nicht deutlich, ob sie zu Archias' Vater in verwandtschaftlichem Verhältnis stehen. 201
Arrian., Ind. 34-36, bes. 34, 6-10.
202
Strab. 16, 3, 2 p. 766 = FGrHist. 711 Τ 2 (Eratosthenes, wahrscheinlich auf Selbstzeugnis zurückgehend). 203
Högemann., Arabien 88 f.
441
Historiker an Herrscherhöfen
Ein zeremonielles persisches Hofamt, ähnlich dem des Vorkosters Ptolemaios, hatte der Vorzimmermann (είσαγγελεύς) Chares von Mytilene inne. Dieses Amt vermittelte eine Schlüsselfunktion, nicht eine bedeutungslose Stellung am persisch organisierten Hof: Zu den exklusiven Privilegien der Sieben Perser und ihrer Nachkommen gehörte es, mit dem König άνευ εισαγγελίας in Kontakt treten zu dürfen. Anmeldung und Zurückweisung durch den *
'
εισαγγελευς waren für alle anderen der Normalfall
204
. Chares verfaßte eine
Alexandergeschichte, deren Optik durch seine Erfahrungen des Hoflebens bestimmt ist. Er beschrieb Feste und das Leben bei Hofe so ausfuhrlich, daß Athenaios reichhaltiges Material daraus exzerpieren konnte 205 . Welchen Charakter sein Werk tatsächlich trug, läßt sich allerdings nicht deutlich erkennen; es steht auch nicht fest, wann er es schrieb 206 . Gerade die Un-
204
Herod. III 80-86, bes. 84. Vgl. Diod. 16, 47, 3.
205
Identität gesichert durch Zitationen: Χάρης ... ό Μιτυληναίος (Athen. XII 9 p. 514 E = FGrHist. 125 Τ 1); Χάρης ό είσαγγελεύς (Plut., Alex. 46 = FGrHist. 125 Τ 12). Vgl. Plin., Ν.Η. I 12-13 = FGrHist. 125 Τ 3 a)); Athen. IV 71 p. 171 B-C = FGrHist. 125 F 1; Diod. 16, 47, 3. Vgl. Jacoby, FGrHist. Π D 433. Chares ist es auch, der im dritten Buch seiner Περί Αλέξανδρον ίστορίαι die Ernennung des Ptolemaios zum Vorkoster am persischen Hof erwähnt (Athen. IV 71 p. 171 BC = FGrHist. 125 F 1). 206
Chares beschrieb die Geschichte Alexanders von dem Zeitpunkt ab besonders genau, ab dem durch Übernahme des Großkönigtums und des persischen Hofes seine eigene Einsicht in die Vorgänge stieg. Sein Werk enthielt zahlreiche Hinweise auf die materielle Kultur am persischen Hof, sodaß Athenaios es ausführlich zitiert;' er beschrieb aber auch die militärischen Vorgänge und Alexanders Rolle dabei, und er suchte den König von der Verantwortung für den Tod des Kallisthenes zu befreien (Vgl. FGrHist. F 2-19, bes. 14-15). Chares tat die Erzählung von der Begegnung Alexanders mit der Amazone, die auch Onesikritos erzählte, als πλασμα ab; dies beweist, daß er diese Tradition kannte, nicht jedoch, daß er sie von Onesikritos kannte und nach Onesikritos schrieb, wie Berve vermutet. Berve nimmt außerdem an, daß Chares' Detailkenntnisse daher rühren, daß er als königlicher Vorlasser Hofberichte an die Führer der Ephemeriden abzuliefern hatte und diese Aufzeichnungen verwendete. Wahrscheinlich wurden Zeit- und Terminpläne, die für Audienzen beim König aufgestellt wurden, archiviert und zur Grundlage der Aufzeichnung von Ephemeriden; έφημερία bezeichnet bei Tempelpriestern ja nicht Aufzeichnungen nach getaner Arbeit, sondern den Dienstplan und die Dienstverteilung für die anstehenden kultischen Verrichtungen: So wird Alexanders Terminkalender die Grundlage der Aufzeichnungen über seine Verhandlungen und Verrichtungen geboten haben. Vgl. Berve, Alexanderreich II 405; Jacoby, FGrHist. II D 433.
442
Historiker an Herrscherhöfen
Wahrscheinlichkeit der Version über den Tod des Kallisthenes, die Chares erzählt, macht es unwahrscheinlich, daß er aufgrund gleichsam amtlicher 207 Materialien seinen Bericht zusammengestellt haben soll Von Aischrion von Mytilene, der als Geliebter und Schüler des Aristoteles an den makedonischen Hof gekommen sein soll, ist nicht bekannt, ob er wirklich am Hof Alexanders lebte, und welche Funktion er möglicher208
weise innehatte
.
Die Interessen des Makedonenherrschers propagierte Lamachos von Smyrna, von dem aber nicht bekannt ist, ob er auch bei Hofe lebte. Lamachos verfaßte ein Εγκώμιον Αλεξάνδρου κοί Φιλίππου των βασιλέων, das bei den Olympischen Spielen 324 v.Chr. als Preisvortrag gehalten wurde. In ihm griff der Verfasser Olynth und Theben an und feierte den Makedonenkönig, dessen Rückftihrungsdekret für griechische Verbannte bei den olympischen Spielen verkündet wurde. Die Verbannten Thebens waren von den Bestimmungen des Dekrets ausgeschlossen. Die Desavouierung Thebens und Olynths vor der griechischen Öffentlichkeit sollte die makedonische Politik vom Makel der Zerstörung Olynths befreien und ihr Ansehen in der griechischen Welt erhöhen. Demosthenes, Vertreter Athens bei den Spielen, der mit Nikanor über die Modalitäten der Verbanntenrückfuhning zu verhandeln hatte, wandte sich an die Festversammlung und trat den Worten des Lamachos entgegen: Er trieb ihn durch seine Angriffe dazu, das Fest zu verlassen209. Vgl. Plut., Alex. 55 = FGrHist. 125, wonach Kallisthenes hätte gefangen gehalten werden sollen, um in Gegenwart des Aristoteles abgeurteilt zu werden. Vgl. Berve, Alexanderreich II 405; I 69-71. Die Fragwürdigkeit dieser Charakterisierung zeigt sich daran, daß Schwartz, RE 3 2 2129, s.v. Chares (13) dasselbe als Beispiel einer romanhaften Sensationshistorie behandeln kann. Vgl. zum Versuch des Chares, Alexander von der Verantwortung für den Tod des Kallisthenes zu entlasten: Tarn, Alexander 559 (II 272). Aischrion setzte sich literarisch mit den Ephemeriden auseinander, vgl. Suda s.v. Αίσχρίων Μιτυληναΐος = FGrHist. 118 bis Τ 1; Tzetz., Chil. 8, 398 = FGrHist. 118 bis F 1. 209 \ \ « • \ » Demosthenes habe sich erhoben και δνεξελθων [ΐεθ' ιστορίας και αποδείξεως, όσα θΐ]βαίοις καί Χαλκιδεΰσιν υπάρχει καλά προς την έλλάδα, και πάλιν όσων αίτιοι γεγόνασι κακών οΐ κολακεύοντες Μακεδόνας (Plut., 208
Historiker an Herrscherhöfen
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Bei Horaz und Curtius Rufus erscheint Choirilos als Angehöriger eines Kreises von Hofdichtem am Alexanderhof. Es ist unsicher, ob Choirilos von lasos auch Λαμιακά geschrieben hat und zu den Historikern zu 210
rechnen ist
. Das Beispiel des Choirilos zeigt, daß von am Hof beschäf-
tigten Literaten erwartet wurde, daß nur wohlgefällige Schriftstellerei ihr Beitrag für den Herrscher sei. Chares von Mytilene beschreibt die Hochzeit von Susa und ihre Pracht, und er zählt die verschiedenen Künstler auf, die durch δώρα an den Hof Alexanders gezogen und aus Διονυσοκόλακες zu Αλεξανδροκόλακες geworden seien: Ihr Herr ist ein Mensch, kein Gott211. 6)
Kassander Zwei in ihrem Werk vollkommen verschiedene Literaten standen in en-
ger Beziehung zu Kassander, Demetrios von Phaleron und Euhemeros von Messene. Der Peripatetiker Demetrios von Phaleron war Parteigänger Kassanders, dessen Interessen er als starker Mann Athens zwischen 317 und
Demosth. 9, 1 = FGrHist. 116 Τ 1). Demosthenes habe die Zuhörer so mitgerissen, daß der σοφιστής die Festversammlung verließ: Das Motiv der Sophistenkritik klingt in Plutarchs Darstellung an. Um die Politik Makedoniens gegenüber Theben und Olynth, die das Bild der Makedonen in der griechischen Öffentlichkeit verdunkelte, wurde unter Einsatz erheblicher propagandistischer Mittel debattiert: Vgl. Hegesias bei Agatharchid., De m. r. V = FGrHist. 142 Τ 3 und die historische Flugschrift des Antipatros von Magnesia für Philipp II (FGrHist. 69). Vgl. Jacoby, FGrHist. II D 403. 210
Steph. Byz. s.v. Τάσος; Philodem. Π. ποιημ., FGrHist. 153 F 10 c); Curt. Ruf. VIII 5, 8 (Kreis von Hofdichtern: Agis der Argiver, Choirilos, Kleon); Suda s.v. Χοίρνλος Σάμιος (Erhalt eines Goldstaters pro Vers, Choirilos von lasos mit Choirilos von Samos vermengend); Horat. Epist. II 1, 232-241. Alexander habe erklärt, lieber bei Homer Thersites als bei Choirilos Achill sein zu wollen: Porphyr, in Horat., Ars poet. 357 = FGrHist. 153 F 10 a); dazu vgl. Tarn, Alexander 242 (II 57). Zu Choirilos Crusius, RE 3 2 2361-2363. Die Anekdoten um die Gestalt des Choirilos gehören zu dem Typus der Anekdoten Uber literarische Schmeichler, in denen der von ihnen Umschmeichelte selbst die Schmeichelei zurückweist; sie lassen jedoch erkennen, was man von einem Hofliteraten erwartete. 211
Athen. XII 54 p. 538 B-539 A = FGrHist. 125 F 4.
444
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307 v.Chr. vertrat
/
. Als φίλος Kassanders hielt er sich zwischen 319 und
317 v.Chr. im unter Kassanders Herrschaft stehenden Piräus auf: Wahrscheinlich gehörte er zum Hof des Herrschers und stand in seinem Dienst. Nachdem Demetrios nach dem Tode Phokions 319 v.Chr. aus Athen hatte fliehen müssen, blieb ihm nur der Dienst fur den makedonischen Herrscher. So flüchtete er sich später, nach dem Ende seiner Herrschaft über 213 Athen, gerade nach Theben, das noch unter dem Einfluß Kassanders stand
. Bevor
er zum Epimeleten Athens bestimmt wurde, hielt sich Demetrios im Piräus auf, dort, wo im Auftrag Kassanders Nikanor das militärische Kommando führte. Kassander selbst pflegte enge Beziehungen zum Peripatos: Theophrast verfaßte ein Werk Προς Κάσανδρον περί βασιλείας. Demetrios von Phaleron vermittelte 317 schließlich als Gesandter zwischen Kassander und der athenischen Gegenpartei, bevor er dann auf Druck Kassanders zum έπιμελητής gewählt wurde214. Euhemeros von Messene will φίλος Kassanders gewesen und in seinem Auftrag gereist sein, um seine νερά αναγραφή zu verfassen. Dieses Werk erscheint nur von der äußeren Form her als historische Schrift; Inhalt und Rahmenerzählung stellen es zur spekulativ-fiktionalen Literatur215
2U
Polyaen., Strategem. IV 7, 6 = S.d.A. IV fr. 48: ... κασσανδρίζων; Plut., Demetr. 8 = S.d.A. IV fr. 49. 213
Diod. 20, 45, 4; Plut. Demetr. 9 = S.d.A. IV fr. 51. Athen. XII p. 542 E = FGrHist. 228 Τ 2 a). Vgl. F.Wehrli, RE Suppl. IX 514-522, bes. 519 f. 214
Diog. Laert. V 47. Über den Vertrag zwischen Athen und Kassander 317 v.Chr. und Demetrios als φίλος Kassanders: Fortina, Cassandro 33 f. Demetrios' Vermittlertätigkeit zwischen Athen und Kassander: Olshausen, Prosopographie 8 f. Vgl. S. 243. 215
Diod. 6, 1 (bei Euseb., Ρ. Ε. Π 2 p. 59 D) = FGrHist. 63 Τ 1. Zur Herkunft vgl. auch Euseb., ebda. p. 59 B; Schol. Clem. Alex., Protr. Π 24, 2 p. 304, 18 = FGrHist. 63 Τ 2 a); Athen. XIV 658 E = FGrHist. 63 Τ 2b); Lactant., Div. inst. I 11, 33 = FGrHist. 63 Τ 3; Aetios, Plac. I 7, 1 p. 297, 13 = FGrHist. 63 Τ 4 a); Strabon I 3, 1 = FGrHist. 63 Τ 5 a). Zum Charakter des Werkes: Jacoby, FGrHist. I a (1968) 562. In Kallimachos' Iamboi wird im Zusammenhang mit Euhemeros ein vor den Toren (Alexandreias) gelegenes Heiligtum des Sarapis erwähnt (vgl. Vallauri, Euemero
Historiker an Herrscherhöfen
445
Über weite Strecken ist es ein Traktat skeptischer, anthropomorphistischer Theologie und einer utopischen Philosophie des Staates. Die Überlieferung, Euhemeros sei φίλος im Dienste Kassanders gewesen, entstammt wohl der Rahmenerzählung des Werkes, die vom Auffinden einer goldenen Stele berichtet, deren Text Iupiter Triphylios selbst verfaßt haben soll. Der Erzähler will sie auf einer neu entdeckten Inselgruppe gefunden haben während einer angeblichen Reise in das Weltmeer des Ostens: Diese Erzählung legitimiert den Anspruch des philosophischen Erzählers, seine Theologie als hermetisches Wissen in der Form einer historischen bzw. ethno216
graphischen Darstellung zu verkünden
. Deutlich ist der Versuch, die un-
glaubliche Reise plausibel zu machen. Über das wirkliche Leben des Euhemeros wissen wir eigentlich nichts. Die Behauptung aus der Rahmenkonstruktion seiner Erzählung, er sei φίλος Kassanders gewesen und in dessen Auftrag gereist, macht es als Rahmen einer ganz und gar fiktiven Erzählung noch nicht wahrscheinlich, daß Euhemeros die Position eines Hofphilosophen oder eines auf andere Weise dem makedonischen Hof nahen Litera217 ten einnahm . Allerdings zeigt die Rahmenerzählung, von wem zur Zeit der
3-6). Zu Euhemeros auch Van der Meer, Euhemerus 9-12, der seine Wirkungszeit ungefähr auf 290 v.Chr. bestimmt. Zum Werk Zumschlinge, Euhemeros. 1\ft * Euhemeros als φιλοσοφος: Aetios, Ρ lac. I 7, 1 p. 297, 13 = FGrHist. 63 Τ 4 a). Vgl. die Darstellungen seiner Thesen dort und bei Sext. Empir., Adv. math. IX 51 = FGrHist. 63 Τ 4 b); IX 17 = FGrHist. 63 Τ 4 c); Cic., De nat. deor. I 119 = FGrHist. 63 Τ 4 d); Plut., De Isid. et Osir. 23 p. 360 A = FGrHist. 63 Τ 4 e); Minucius Felix, Oct. 21, 1 = FGrHist. 63 Τ 4 0; Augustin., De civil. Dei VII 27; ders., De cons. evang. I 23. 217 Die Vorstellung Tams, Euhemeros sei Angehöriger eines peripatetischen Kreises um Kassander gewesen, den der Gedanke einer Vergöttlichung des Himmels einte (Tarn, Alexander 797 f. (II 432 f.)), trifft die Pointe des theologischen Anthropomorphismus des Euhemeros gerade nicht: Euhemeros' lehrte, daß es keinen wesensmäßigen Unterschied zwischen Göttern und Menschen gäbe, daß vielmehr, wer als Gott verehrt werde, dies einer übergroßen Leistung und der Entscheidung von Menschen verdankt, ihn zu ehren. Reisen und literarische Aktivität des Autors werden im allgemeinen auf die Zeit nach der Jahrhundertwende datiert. Vgl. van der Meer, Euhemeros 11 f. Kallimachos setzte sich mit dem Werk dieses Autors polemisch auseinander: Jacoby vermutet daher, er habe im ptolemäischen Herrschaftsgebiet gelebt, und zwar, weil Athenaios ihn Koer nennt, auf Kos (Athen. XIV
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446
Diadochen bereits überraschende und die gewohnten Denkweisen erschütternde Beobachtungen aus einer anderen Welt zu erwarten waren: nicht mehr, wie in der Generation zuvor, von militärischen Abenteurern, sondern von den Reisenden im Dienste der Diadochenherrscher. In dieser Lage, so durfte vorausgesetzt werden, war eine Reise durchzuführen, wie Euhemeros sie gemacht haben wollte 7)
218
.
Am Hof der Antigoniden219 Viele der Hofangehörigen und Militärs Alexanders sind in den Jahren
der Diadochen an deren Höfen wiederzutreffen; die Diadochen greifen natürlicherweise auf die Generation der Dienstleute Alexanders als Berater und Militärs zurück. Die als Literaten im engeren Sinne an den Höfen Beschäftigten bilden keine derart deutlich abgegrenzte Generation; ihnen ist gemeinsam, daß sie sich zunehmend, schließlich fast ausschließlich, aus den philosophischen Schulen rekrutieren. In der Umgebung des Antigonos Monophthalmos finden wir nach dem Tode Alexanders seine Vertrauten Medeios von Larisa und Marsyas von Pella, sowie auch Theokritos von Chios. Medeios von Larisa stand, wie Eumenes, nach Alexanders Tod zunächst im Dienst des Perdikkas, für den er 321 v.Chr. unter dem Nauarchen Sosigenes von Rhodos ein Kontingent nichtmake220
donischer Söldner befehligte
; nach Perdikkas' Ermordung trat er in den
militärischen Dienst des Antigonos, des ehemaligen Konkurrenten des Per-
658 EF = FGrHist. 63 F 1; Jacoby, RE 6 1 952-972 s.v. Euhemeros von Messene, bes. 952 f.); er vermutet, Euhemeros habe etwa 280 v.Chr. geschrieben, also nach Kassanders Tod. Die Herkunftsbezeichnungen divergieren erheblich: Messene (Diodor, Τ 1; Lactant., Τ 3; Plut., Τ 4 e); Strab., Τ 5 a); Polyb. bei Strab., Τ 5 b)); Agrigent oder Messene (Schol. Clem. Alex., Protr., Τ 2 a»; Kos (s.o.); Tegea (Aetios, Τ 4 a), korrupt). Van der Meer, Euhemeros 9-12 sieht in Messene die glaubwürdigste Herkunftsangabe. 218
219 220
Diod. 6, 1 (bei Euseb., Ρ. E. II 2 p. 59 D) = FGrHist. 63 Τ 1. ** * Uber Antigonos' Militär Herakleitos s.o. S. 346.
ξεναγός έπί τώι ξενικών in der Flottenuntemehmung gegen mit Ptolemaios verbündete kyprische Fürsten (Arrian., Τα μετ. Αλεξ. FGrHist. 156 F 10 § 6 = FGrHist. 129 Τ 6). Über Medeios und Theokritos vgl. Billows, Antigonus 312; 400 f.; 436 f.
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dikkas, und wurde einer seiner φίλοι und Vertrauten; auch für diesen erfocht er zunächst Seesiege221. Dabei dürften Medeios, der unter Perdikkas Söldner und unter Antigonos phönizische Flottenverbände befehligte, sowohl besondere Qualifikationen als Seeoffizier wie auch nützliche Sprachkenntnisse zum Befehlen fremder Truppen den Übertritt in den Dienst des Antigonos erleichtert haben; ob er selbst zu den Offizieren des Perdikkas gehörte, die dessen Ermordung betrieben, ist nicht bekannt. Vor der gescheiterten Expedition des Antigonos gegen Ptolemaios 306 v.Chr. soll Medeios in einer Traumvision die Schwere des endlich erfolglosen Unternehmens gegen Ptolemaios geahnt haben: Als Antigonos' Berater konnte Medeios *· 222 / mit seinen Überlegungen wohl nur nicht durchdringen . Als φίλος des Antigonos, der sich um die Interessen Athens verdient gemacht hat, wird er 303/302 v.Chr. geehrt; mit ihm geehrt wird ein weiteres Mitglied der Fa223
milie im Dienste des Antigonos, wahrscheinlich der Sohn seines Bruders Als Ehrungsgründe werden aufgeführt: sein Aufenthalt am Hofe des Antigonos, sein Nutzen für Athen und seine Teilnahme an Demetrios' Expedition zur "Befreiung" Griechenlands von der Herrschaft Kassanders, sowie die Tatsache, daß er fortfahre, Athens Demos zu nützen. Gerade durch sein Wirken im Dienst des Herrschers verwirklicht der φίλος Medeios die Interessen der πόλις Athen und knüpft die Beziehung zwischen Stadt und Herrscher enger: Antigonos hatte Medeios seinem Sohn 307 v.Chr. für die Freiheitsuntemehmung nach Griechenland mitgegeben, bei der Athen einge-
221 314 v.Chr.: Diod. 19, 69, 3 = FGrHist. 129 Τ 7 a)_(... τον στόλον έκ Φοινίκης μετεπεμψατο (sc. Αντίγονος) Μηδίου ναυαρχοΰντος ...); 313/312 v.Chr. (Bekämpfung Asanders von Karien unter der Parole einer Befreiung der πόλεις, insbesondere Milets, von dessen Herrschaft; anschließend Entsetzung des von Kassander belagerten Oreos auf Euboia; im Sommer als Kommandeur einer Flotteneinheit erneuter Befreiungsfeldzug nach Griechenland; durch Antigonos zum Hellespont beordert, um einen Scheinangriff auf Makedonien vorzubereiten): Diod. 19, 75, 3 = FGrHist. 129 Τ 7 b); Diod. 19, 75, 7; 19, 77, 2-7. 307/306 v.Chr.: Diod. 20, 50, 3 = FGrHist. 129 Τ 7 c). Vgl. Plut., Demetr. 19 = FGrHist. 129 Τ 7 d). Vgl. Beloch, Gr. G. IV 1 125 ff. über die Operation von Medeios und Polemaios in Boiotien.
Plut., Demetr. 19 = FGrHist. 129 Τ 7 d). Vgl. Geyer, RE 15 1 103 f. s.v. Medeios (2).
222
223
Syll. 3 342.
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nommen und der Hand des Demetrios von Phaleron und Kassanders entrissen werden konnte 224 . In der folgenden Zeit wirkte Medeios als Berater und Seekommandeur beim Hauptquartier des Demetrios Poliorketes; so erficht er 306 v.Chr. als Nauarch und Hegemon des linken Flügels der mit Antigonos kooperierenden Flotte des Demetrios den Seesieg von Salamis auf Zypern gegen Ptolemaios mit
225
. Nicht nur Medeios selbst, auch sein Neffe und
vielleicht sein Bruder standen im Dienst des Antigonos; die thessalische Adelsfamilie besaß besondere Beziehungen zu den Antigoniden
224
226
Syll.3 342, 11-23 (vgl. SEG 21, 338); Diod. 20, 45-46.
225
Medeios kommandiert eine Flottenabteilung aus athenischen und phönizischen Einheiten (Diod. 20, 50, 3 = FGrHist. 129 Τ 7 c)); Marsyas ist Kommandeur einer Flotille. 226 Medeios ist Sohn eines όξύθεμις (Aman, Ind. 18, 7 = FGrHist. 129 Τ 2). ό]ξύθεμις ίπ[ποσ]τράτου wird in Athen mit dem Ehrenbürgerrecht ausgezeichnet, da er sich gegenüber Athen, der griechischen "Freiheit" und den Antigoniden nützlich erwiesen hat: Wahrscheinlich war Hippostratos, Vater des Oxythemis, der Bruder des Medeios (Syll. 343, bes. 11. 7-22 und 33 ff. mit Anm. 1-2). Oxythemis, Sohn des Hippostratos, gilt als κόλαξ des Antigonos; Demochares mokiert sich über die göttlichen Ehren für die φ ί λοι des EÍemetrios, der sich selbst dagegen gesträubt habe: für Adeimantos, Burichos und Oxythemis (Athen. VI p. 253 A = FGrHist. 75 F 1). Als Demetrios' φίλος erscheint er bei Phylarch (Athen. XIV p. 614 E-615 A = FGrHist. 81 F 12). Vgl. Diod. 21, 15; 21, 16, 5: Agathokles sandte vor seinem Tod seinen Sohn zu Verhandlungen um φιλία und συμμαχία zu Demetrios; dieser schickte seinen φίλος Oxythemis zurück, vorgeblich, um die πιστά entgegenzunehmen, tatsächlich als Spion); Diod. 19, 46, 5. Es ist möglich, daß ein weitergehendes Einverständnis erzielt wurde, denn in Agathokles' Diensten befand sich 310 v.Chr. ein Nearchos als einer seiner πιστευόμενοι φίλοι, den Agathokles mit einem Schiff in das belagerte Syrakus sendet, um gegen die Falschmeldung von der Niederlage der Expeditionsarmee in Nordafrika die Siegesnachricht zu überbringen (Diod. 20, 16, 3). Da das Schicksal des Nearchos von Kreta nach 314 v.Chr., als Antigonos ihn dem Demetrios als Berater für die Operationen in Syrien an die Seite stellt (Diod. 19, 69, 1), nicht bekannt ist, ist es möglich, daß Demetrios Nearchos dem Agathokles für dessen Operationen zur Verfügung stellte. Ein Hippostratos war Stratege des Antigonos in Medien 316/315 v.Chr. und wurde hingerichtet (Diod. 19, 46, 5), wahrscheinlich war er Bruder des Medeios. Zu Oxythemis: Habicht, Gottmenschentum 55 ff.; 213 ff.; Beloch, Gr. G. IV 1 207 mit Anm. 2 (Aufenthalt des Oxythemis bei Agathokles); Berve, Alexanderreich II 261 f. (Stemma): Medeios und Hippostratos sind Enkel des Medeios, Dynast von Larisa (Diod. 14, 82, 5); ein delphischer ναοποιός gleichen Namens ist vielleicht ebenfalls aus
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Marsyas von Pella wird in der Suda Bruder des Antigonos genannt227. Plutarch gibt eine Anekdote wieder, die das wache Bewußtsein des Antigonos dafür zeigt, daß der König als Richter seinen Urteilen erst durch die Öffentlichkeit der Verhandlung Geltungskraft verleihen kann; auch hier >
/
heißt Marsyas αδελφός des Antigonos
. Wahrscheinlich ist es jedoch nicht,
daß Marsyas ein leiblicher Bruder des Antigonos war, denn dessen Vater ' MO hieß Φίλιππος, der des Marsyas Periandros
. Daher geht die Bezeichnung
des Marsyas als αδελφός wahrscheinlich auf eine Anrede zurück, die Antigonos verwendete, um die besondere Vertrautheit mit ihm zum Ausdruck zu bringen, αδελφός konnte ein König als Ausdruck der Höflichkeit und Hochachtung den ihm Nahestehenden gegenüber gebrauchen, wie es die ägyptischen Könige den als συγγενείς geltenden Funktionären gegenüber taten230. Marsyas, der Befehlshaber des mittleren Flottenabschnittes in der See-
dieser Familie; Geyer, RE 15 1 103 f. s.v. Medeios (2). Wirth, in: Tyche 3 (1988) 241-259 vermutet, Nearchos sei 314 aus dem aktiven Dienst ausgeschieden und habe anschließend ein proantigonidisches Werk verfaßt. 227
Suda s.v. Μαρσυας Περιάνδρου Πελλαΐος = FGrHist. 135-136 Τ 1: αδελφός Αντιγόνου του μετά ταΰτα βασιλεύσαντος. Der Sudaartikel behandelt Marsyas trotz seiner militärischen Betätigung nur als historischen Literaten (ιστορικός); politisch-biographische Informationen in dem Artikel, auf die die Information über eine Verwandtschaft zurückgehen könnte, fehlen. Über Marsyas vgl. Billows, Antigonus 312; 399 f. 228
Marsyas, der besonders enge Beziehungen zum König unterhielt, wollte, selbst Partei in einem Rechtsstreit, das Urteil unter Ausschluß der Öffentlichkeit erwirken: Μαρσύου του άδελφοΰ δίκην^έχοντος, ά|ιοϋντος δε την κρίσιν αΰτω γενέσιίαι κατ' οΐκίαν, «εσται μέν οΰν» εΐπεν «εν τη άγορςί και πάντων άκουοντων, εί μηδέν αδικούμεν» (Plut., Reg. et imp. apophth. p. 182 C). 229
*
Arrian., Anab. I 29, 3; [Lukian.], Makrob.ll-, Suda s.v. Μαρσυας Περιάνδρου Πελλαΐος = FGrHist. 135- 136 Τ 1. 230 Vgl. OGIS 138, 2 mit Anm. 8 (Ptolemaios VIII); OGIS 168, 26 (Brief Ptolemaios' X an einen συγγενής και επιστρατηγός και στρατηγός της θηβαΐδος, Anm. 36); OGIS 168,36. Der Thrakerfürst Seuthes machte Xenophon das Angebot, ihn zu seinem φίλος und αδελφός zu erheben und ihm χωρία zu übertragen (Xenoph., Anab. VII 2, 24-30).
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Schlacht von Salamis, wird unter den Funktionären des Antigonos eine promínente Stellung gehabt haben
231
, ein enger Vertrauter des Antigonos und 232
ein Mitglied seines Hofes gewesen sein
.
Die Turbulenzen, in die ein militärisch Ausgebildeter und literarisch Gebildeter in der Zeit nach dem Tod Alexanders zwischen den Fronten der Kämpfenden geraten konnte, und die Umstände, unter denen er in den Dienst und an den Hof eines Mächtigen gelangen konnte, zeigen sich am Beispiel des Hieronymos von Kardia besonders deutlich. 320/319 v.Chr. wirkt Hieronymos als Gesandter seines Verwandten Eumenes an den ihn be233 kämpfenden Antipatros
. Nach dem Tod des Antipatros kann Hieronymos
mit Zustimmung des Antigonos in die eingeschlossene Verteidigungsstellung des Eumenes zurückgelangen; Antigonos beruft Hieronymos zu sich und versucht, ihn durch δώρα zu motivieren, Eumenes seine Koalitionsangebote zu unterbreiten, um ihn als φίλος und σύμμαχος zu gewinnen234. Als Hieronymos nach der Gefangennahme des Eumenes 316/315 v.Chr. verwundet in die Hände des Antigonos fiel, besaß er daher bereits Verbindungen zu Antigonos, der 231
Diod. 20, 50, 4 = FGrHist. 135-136 Τ 3.
232
Marsyas verfaßte Μακεδόνικα, und Τα περί Αλέξανδρον (Αλεξάνδρου αγωγή), vgl. FGrHist. 135-136 F 1-3. Zu Marsyas vgl. R.Laqueur, RE 14 2 1995-1998 s.v. Marsyas (8); Pearson, Lost Histories 253 f. Berve, Alexanderreich II 247 f. sieht in der Αλεξάνδρου άγωγή den Anlaß für die Bezeichnung als γραμματοδιδάσκαλος. Jacoby, FGrHist. II D 482 widerspricht dieser Hypothese und vermutet darin propagandistische Herabsetzung des Mannes; ohne Grund vermutet Jacoby in Diodors Bericht über Marsyas' zentrale Beteiligung des Marsyas an der Seeschlacht vor Salamis einen Hinweis auf eine Verwandtschaft. 233
Hieronymos heißt Freund und Mitbürger des Eumenes; der Vatersname des Eumenes (Hieronymos) macht eine Verwandtschaft wahrscheinlich. Vgl. Diod. 18, 42, 1 = FGrHist. 154 Τ 3; 18, 50, 3. Dazu vgl. Jacoby, FGrHist. II D 544 f.; ders., RE 8 2 1540-1560 s.v. Hieronymos (10)·, Hornblower, Hieronymus 8-11; Olshausen, Prosopographie 3 f.; 92 ff; Berve, Alexanderreich II Nr. 383; Köhler, Diadochengeschichte 558 Anm. 1. (Hieronymos war φίλος des Eumenes von Kardia; Homblower vermutet, Hieronymos sei γραμματεύς des Eumenes gewesen). Vgl. Seibert, Diadochen 2; 110 ff.; 207 ff. 234 Diod. 18, 50, 4 = FGrHist. 154 Τ 4. Vgl. Plut., Eumen. 12. Dazu F Jacoby, RE 8 2 1540-1560 s.v. Hieronymos (19), bes. 1540 ff.; Hornblower, Hieronymus 11; Olshausen, Prosopographie 3 f.; 92 f.
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Hieronymos fortan seine φιλανθρωπία und πίστις erwies, während Eumenes /
auf einen Spruch der Μακεδόνες hin getötet wurde '
die Position eines φίλος des Antigonos inne
235
. Fortan hat Hieronymos
236
. Anders als Jacoby vermutet,
kann Hieronymos nicht als primär ziviles Mitglied des Hauptquartiers angesehen werden; derartige Unterscheidungen der Kompetenzen und Dienststellungen treffen auf die Dienstleute der frühhellenistischen Zeit selten zu. Hieronymos gehörte nach 317/316 v.Chr. wahrscheinlich zu Demetrios' Poliorketes Umgebung; Demetrios Poliorketes stieß darauf, daß Asphalt vom Toten Meer von den Nabatäem nach Ägypten verkauft wurde, wo er zum 237 Einbalsamieren der Toten Verwendung fand
. Antigonos erkannte darin eine
Einnahmequelle für die königliche Kasse, für deren Ausbeutung Hieronymos von Kardia bestellt wurde. Er hatte als έπιμελητής den Bau von Booten zum Sammeln des Asphaltes von der Gewässeroberfläche zu organisieren und dafür zu sorgen, daß der Asphalt einem zentralen Lager zugeführt wird 238 . Die
235
Diod. 19, 44, 2; 19, 44, 3 = FGrHist. 154 Τ 5. Dazu FJacoby, RE 8 2 1540-1560 s.v. Hieronymos (10), bes. 1540 ff. Die Eingliederung der Armee Besiegter in die eigene siegreiche Armee war in den Diadochenkriegen üblich: Hornblower, aaO. 236
Joseph., Contr. Apion. I 213 = FGrHist. 154 F 6. [Lukian.], Makrob. 11. Jacoby, RE, aaO: sieht in Hieronymos nicht einen Soldaten, aber einen Angehörigen des Hauptquartiers; er betrachtet ihn als einen der φίλοι, die Antigonos dem Demetrios für den Feldzug in Syrien mitgab (namentlich genannt werden Nearchos von Kreta, Peithon, Sohn des Agenor, Andronikos von Olynth und Philipp: Diod. 19, 69, 1; 19, 81, 1). Über Hieronymos und Nearchos in der Umgebung des Antigonos vgl. Billows, Antigonus 312; 390 ff.; 406 ff. 237 238
Diod. 19, 94-99.
Diod. 19, 100, 1-2 (bes.: έπί δε τφ κατασκεψασθαι τί|ν λίμνην καν δοκείν ευρηκέναι τινά τη βασιλείς πρόσοδον έπαινέσας έπί μεν ταύτης έ π ι μελητην έταξεν ίερωνυμον τον τάς Ιστορίας συγγράψαντα). Gegen eine strikte Scheidung des Militärischen vom Zivilen: Hornblower, Hieronymus 10-14; Diodor übergeht für die Zeit der räumlichen Trennung des Antigonos von Demetrios Antigonos mit Schweigen, weil der Historiker Hieronymos sich wahrscheinlich im Hauptquartier des Demetrios aufhielt und nur von dessen Unternehmungen berichtete (Hornblower, Hieronymus 12). Bei Josephus erscheinen die Kompetenzen des Hieronymos übertrieben und ungenau als die eines έπίτροπος ganz Syriens, um die Autorität des Hieronymos als Autor
452
Historiker an Herrscherhöfen
Bewohner der Idumaia selbst konkurrierten untereinander - auch unter Anwendung von Gewalt - um den Asphalt, was Antigonos ein gutes Geschäft und 239
leichtes Spiel erhoffen ließ
; gegen die organisierte Bedrohung jedoch
schlössen sie sich zusammen und griffen die Boote des Hieronymos mit Bogenschützen an. Daraufhin verzichtete Antigonos auf einen weiteren Versuch zur Ausbeutung dieser Geldquelle. Stellung und Aufgabe des έπιμελητης Hieronymos waren sowohl zivil als auch militärisch, weil mit Widerstand zu rechnen war; für seine Aktionen werden also militärische Kräfte zur Verfügung gestanden haben. Antigonos gab seinen Plan schließlich auf, weil der militärische Aufwand in keinem günstigen Verhältnis zum Ertrag stand und weil vor allem Militär dringend benötigt wurde zum Schutz und Wiedergewinn der Oberen Satrapien nach der άνάβασις des Seleukos240. Nach 293 v.Chr., nach der Belagerung Thebens und der Unterwerfung Boiotiens, begegnet Hieronymos wiederum in militärischer und ziviler Funktion als Harmost und Epimelet der boiotischen Städte241. Hieronymos dürfte damals Berater des Antigonos Gonatas gewesen sein, da Demetrios nach seiner Gefangennahme den Freunden und Kommandeuren die Nachricht zukommen ließ, sie sollten ihn als tot betrachten und fortan den Weisungen des Antigonos Gonatas Folge leisten. Wahrscheinlich diente Hieronymos
über die Juden zu vergrößern (Joseph, Contr. Apion. I 212-213 = FGrHist. 154 F 6; Homblower, Hieronymus 13 f. sieht in Hieronymos tatsächlich einen regionalen Gouverneur. Zu dem Feldzug vgl. Seibert, Diadochen 122. 239
Diod. 19, 99, 1-2. Zur Gewinnung von Bitumen am Toten Meer vgl. Forbes, Technology I 1-120, bes. 29 f.; Hammond, in: The Biblical Archaeologist 22 (1959) 40-48. 240 Diod. 19, 100, 2-4. Daß Hieronymos auch Militär war, ergibt sich daraus, daß [Lukian.], Makrob. 11 = FGrHist, 154 F 8 = FGrHist. 154 Τ 7 Hieronymos als Quelle für Angaben über den Tod des Antigonos 301 v.Chr. bei Ipsos im Kampf gegen Seleukos, Lysimachos, Ptolemaios und Kassander als ο συστρατευόμενος αύτωι Ιερώνυμος zitiert. 241
Plut., Demetr. 39, 3-7 = FGrHist. 154 Τ 8: Wiederum gehört die Verfügbarmachung von Einnahmen zu den Aufgaben des Hieronymos. Vgl. Homblower, Hieronymus 14. Tarn, Antigonos 40 nennt Hieronymos einen der besten officers des ¡Demetrios. Die Etablierung eines Harmosten in Boiotien durch Demetrios entsprach nicht der prodemokratischen Politik des Antigonos: Briscoe, in: Guamsey u. Whittacker (Hsgg.), Imperialism in the Ancient World, Cambridge etc. (1978) 145-157, bes. 146.
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auch Antigonos Gonatas als zugleich militärischer und ziviler Beauftragter242. Daß Hieronymos im Dienst der Antigoniden als Militär wirkte, und daß sich dies an seinem Werk offenbar zeigte, läßt Agatharchides' Einschätzung der Person des Hieronymos noch erkennen: Ιερώνυμος δέ έν πολεμοις γενόμενος καί πολλούς καμάτους ΰπομείνας καί τραύματα εζησεν ετη τέσσαρα καί έκατόν ,..243. Dafür, daß Hieronymos tatsächlich im hohen Alter noch zu Antigonos Gonatas in engerer Beziehung gestanden hat, gibt es, allerdings unsichere, Indizien, zu denen auch ein Brief des Antigonos Gonatas gehört244: Er erwähnt einen kulturellen Zirkel am Hofe des Antigonos Gonatas, und zählt dessen Angehörige auf. Das Urteil des Pausanias über das Geschichtswerk des Hieronymos ist bezeichnend dafür, welche Stellung man einem literarisch tätigen φίλος des Herrschers zuzugestehen geneigt war. Pausanias kritisiert, Hieronymos habe seine Abneigung gegenüber Lysimachos deutlich geäußert, weil er der Unabhängigkeit Kardias ein Ende gesetzt habe; Antigonos habe er jedoch gefällig zu sein versucht, denn er sei als Angehöriger des Hofes gezwungen gewesen, in seinem Sinne zu schreiben243.
Den letzten Kämpfen gegen Pyrrhos, die Hieronymos beschrieben hat, hat er wahrscheinlich auch beigewohnt (Homblower, Hieronymus 14 f.). Über verschiedene Versionen von Pyrrhos' Tod und die Verwendung von Pyrrhos' Hypomnemata durch Hieronymos vgl. Jacoby, FGrHist. II D 547. 243
[Lukian.], Makrob. 22 = FGrHist. 154 Τ 2; dazu Jacoby, FGrHist. Π D 545. Ihrem sachlichen Gehalt nach geht dieses Urteil wahrscheinlich nicht auf unabhängige biographische Überlieferung, sondern auf Prooimien des Hieronymos zurück. 244
Theon, Vit. Arat. p. 147, 18 M = FGrHist. 154 Τ 9: ... ώς αύτός