137 6 20MB
German Pages 207
FLORfAN AMERELLER
Hintergründe des "Islamic Banking"
Schriften zum Internationalen Recht Band 71
Hintergründe des ,,Islamic Banking'' Rechtliche Problematik des riba- Verbotes in der Shari'a und seine Auswirkungen auf einzelne Rechtsordnungen arabischer Staaten
Von Florian Amereller
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Amereller, Florian: Hintergründe des "lslamic Banking" : rechtliche Problematik des riba-Verbotes in der Shari'a und seine Auswirkungen auf einzelne Rechtsordnungen arabischer Staaten I von Florian Amereller. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum Internationalen Recht ; Bd. 71) Zug!.: Mainz, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08420-9 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-08420-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 a wird Zug um Zug erfiillt); vgl. auch Kasani (2). bada VII. 3115L Badawi, majallat al-qanun wal-iqtisad ( 1939), 393. os Siehe dazu 3.1.
·r
D. Die Ausweitung d~s riba -Verbotes durch Analogi~
57
als rechtsgültig (sahih) anerkannt. aber als mögliche Entscheidung eines Einzelfalles abgetan. 76 Schließlich existiert ein hadith von großer potentieller Bedeutung: "Jedes Darlehen, das einen Vorteil" Ifür den Gläubiger) "mit sich bringt, ist riba ". Dieser hadith ist aber mawquf, d. h. nicht durch eine durchgehende Kette von Überlieferem unterstützt, was seine Anwendung für rechtliche Erwägungen zweifelhaft macht. 77 Trotzdem wird er von einigen religiösen Autoritäten zur Unterstützung ihrer Positionen herangezogen. 78 Angesichts der geringen Anzahl verläßlicher Traditionen, die helfen könnten, dieses schwierige Thema des islamischen Rechts näher zu erläutern, ist es verständlich, daß der zweite Khalif cUmar Ibn Khattab klagte, der Prophet habe bis zu seinem Tod die Frage von riba niemals völlig klargestellt. 79
D. Die Ausweitung des riba-Verbotes durch Analogie Im Bereich der Analogie liegen die eigentlichen Probleme des rihaVerbotes. Wie oben erwähnt, ist es umstritten, ob das verzinsliche Darlehen direkt im Koran oder erst durch Analogie zu den entsprechenden koranischen Versen verboten wurde. Erstaunlicherweise nimmt diese Frage aber einen geringen Teil der Erörterungen der klassischen Juristen ein. Der Großteil des Schrifttums behandelt dagegen sehr ausfiihrlich, aber in komplizierten und teilweise undeutlichen Darstellungen, die Analogie zu cUbadas hadith. 80 Diese Problematik wird im folgenden dargestellt. 81 Das riba-Verbot bezieht sich grundsätzlich auf die zwei Edelmetalle und die vier Gnmdnahrungsmittel, die im hadith genannt werden. Es wird jedoch
Vgl. al-Shafici, al-risala, 211; vgl auch unt~ 3. Kap. A. Dieser hadith tauchte zum ersten Male im 5. Jhd. (A. H.), in der sunan von ai-Bayhac1i auf (kr11l qardin jarr manfactan fahuwa riba). Flir eine ausfUhrliehe Besprechung dieses hadith siehe Ralunan, Islamic Studies (1967), 22f.; vgl. auch Spengler, Economic Thought of/slam: Ibn Khaldun, Cornparative Studi~s of Society and History (I 963/64), 275; al-Shawkani, nay/ al-awtar, V, 332; zu d~r Fragwlirdigkeit des hadith und d~n sich daraus ergebenden Möglichkeiten filr den ijlihad Abu alMajd, bab al-!flihad min ah/ al-ijtihad majluh, in: arbah al-bunuk, 27ff. 78 Vgl. ai-Sanhouri, masadir al-haqq, 111, 20 I; al-Khalifa, al-riba wal-gharar, 62. 79 cUmar wird im musnad des Ahrnad b. Hanbal zitiert. AI-Bukhari, sahih al-bukhari, IV, 300, einen ähnlichen Ausspruch von c Abdallah Ibn cAbbas. 80 Lediglich die Zahiriten verneinen hier die Zulässigkeil einer Analogie. Vgl. Badawi, majallat al-qanrm wal-iqlisad (I 939), 390; de Belefonds, Traite I, 2 I 9. 81 Von denneueren Kodifikationen im arabischen Raum geht insbes. dasjemenitische ZGB relativ ausfiliiflieh in Artt. 568ff. (im llten" ZGB Artt. 553ff.) auf riba in Kaufverträgen ein (mit der fn1erschrift: "bucad anwac al-buyu a al-ribawryya"). 76 77
58
2. Kapitel: Riba in der klassischen islamischen Lehre
von allen Rechtsschulen im Wege der Analogie auf andere Waren ausgedehnt. Riba wird deswegen definiert als: "Generally agreed, the exchange of two or more countervalues in any Iransaction purporting to effect the exchange of two or more species (anwac, sing. nawac). which belong to the same genus (jins) and are govemed by the same efficient cause {illa, pl. ci/al). Deferred completion ofthe exchange of such species which belong to different genera but are govemed by the same cilla, is also riba, whether or not the deferment is accompanied by an increase in any one ofthe exchanged countervalues."81
In dieser generellen Definition scheinen die vier Rechtsschulen übereinzustimmen, während die Definitionen von nawac83 , jin~4 und cil/a umstritten sind. Eine gemeinsame ci/la mit dem zugrundegelegten Fall ist die Voraussetzung eines Analogieschlusses im islamischen Recht. 85 Sie kann als Grund oder zugrundeliegender Gedanke übersetzt werden.86 Bekanntestes Beispiel für eine Analogie (qias), deren herausragende Bedeutung in der fiqh bereits besprochen wurde, ist das Alkoholverbot (shurb al-khamr) im Islam. Das Wort khamr bedeutet eigentlich Wein, wird aber durch Analogie und wohl auch die Sunna auf alle berauschenden Getränke ausgedehnt. Die cillat al-hukm ist hier die Fähigkeit zu berauschen. Eine allgemeingültige Definition der cilla von cUbadas hadith läßt sich bei ai-Sanhouri finden. 87 Nach ihm ist die cil/a des hadith zweigestaU (shatrai): Einerseits (1) qadr, das heißt Wiegbarkeit und Meßbarkeit (kail wal-wazn) (nach einer vertretenen Meinung) oder thamaniyya au lam, d.h. Wertträger oder (Grund)-Nahrungsmittel (nach der anderen Meinung); andererseits (2) jins wahad, ein und dasselbe Genus88 im Fall von riba durch Überschuß (riba al-fad/). Während für riba al-fad/ diese Elemente kumulativ vorliegen müssen, reicht es nach der einen Ansicht für riba 82 Saleh, lJnlawful Gain, 13; auch ebenda Fn. 20: "'Exchange ofcountervalues' and 'exchanged articles' are intended to mean, in the context ofthis book (unless otherwise stated), the two corporeal objects that the parlies to a bilateral contract exchange between themselves as a result of the contract. Thai is (I) the subject matter of a sale contract and (2) the price, when both articles are in rem". Zum ijmac Ober die cil/a des hadith vgl. Abu Jaib, al-ijmac, I, 430. . 83 Genaugenammen ist der Begriff nawca nicht umstritten. Er wird aber in den sahihs von Bukhari und Muslim und in der fiqh häufig durch sanfersetzt. Vgl. ai-Sanhouri, masadir al-haqq, 111, 177; vgl. auch Ibn Qudama, al-mughni, IV, 4. Nawac bedeuted ~er Spezies, d. h. genau solche Güter, die gleichen Namen und sonstige Obereinstimmende Merkmale haben bis auf die gleiche Qualität. 84 Art. 140 der osmanischen majallat al-ahkam al_cadliyya, definiert jins als: "!hing (group of articles) which does not have a significant difference between the individual things included in it, so far as regards the object sought". Bukhari nennt jins die Ausweitung von sanf im Wege der Analogie (sahih al-bukhari, IV, 304). 8 5 Vgl. Mahmasani,falsafat al-tashric fil-islam, 82. 86 Goldziher Obersetzt 'illa mit ,,ratio" (Die Zahiriten, ihr Lehrsystem und ihre Geschichte, 11, 41 ff. ): Ballantyne übersetzt es mit "underlying reason" (Conunercial Law, 122), Saleh mit .,efficient· cause" (Unlawful Gain, 13). 8? AI-Sanhouri, masadir al-haqq, 111, 180-181; al-Sarakhsi, al-mabsut, XII, 116ft~ ; zum Ganzen auch al-Barr, al-riba, 25ff. 88 Ethymologische Verwandschaft zwischen dem Iai. "genus" und dem arab. ,jins" drängt sich hier auf.
D. Die Ausweitungdes riba -Verbotes durch Analogie
59
durch Aufschub (riba al-nasi 'a) aus, wenn nur eines dieser Elemente vorliegt. Die andere Meinung läßt hier die Voraussetzung des gleichen Genus (jins wahid) entfallen. Diese Regel sei hier nur der Erörterung der einzelnen Rechtsschulen vorangestellt. Ihre Probleme liegen, wie unten dargestellt wird, in den zahlreichen Ausnahmen, welche die einzelnen Schulen von diesem Prinzip machen. Besonders dort zeigt sich auch, wie schwer es muslimischen Juristen fallt, Rechtsprinzipien herauszuarbeiten und nach ihnen zu verfahren. Vielmehr liegt die Entscheidung im Endeffekt immer im Einzelfall, so daß in Verbindung mit der Shar{a oft mehr von Eklektizismus als von System gesprochen wird. 89 In Verbindung mit den im hadith genannten Waren-wird die cilla häufig unter zwei Hauptgruppen erörtert: einerseits Gold und Silber, andererseits die im hadith genannten Grundnahrungsmittel. 90 Dieser Darstellungsweise soll hier gefolgt werden.
l. Die Analogie zu Gold und Silber Die Hanafiten sind der Auffassung, daß der Grund (illa) dafür, Gold und Silber als "riba-Objekte"91 zu bezeichnen, deren Wiegbarkeit (makil) sei. 92 Riba wird bei ihnen der Überschuß genannt, der bei einem Tausch zweier nach Maß oder Gewicht bestimmbarer Waren einem der beiden Kontrahenten ohne Entgelt zukommt. 93 Dimitroff faßt den gesamten Bereich so: Diesem Verbot liegt der folgende Gedanke zugrunde: Werden zwei Waren eiusdem generis ausgetauscht, z. B. Weizen gegen Weizen, und ist das Hohlmaß, mit dem sie gemessen werden, dasselbe, z. B. derselbe Eimer, so wOrde es sich als unrechtmäßige Bereicherung darstellen, wenn einer der Kontrahenten einen Eimer gibt und dafiir zwei erhält. Dieses Prinzip zeigt sich im folgenden Ausspruch des Propheten: Iscil. kaufet und verkaufet] Weizen gegen Weizen in gleichen Beträgen, bei sofortiger Lieferung. Der Überschuß ist riba. Für derartige Verträge gelten folgende Bestimmungen: So etwa Dimitroff, Asch-Schaibani, 12. Manche Kommentatoren berufen sich bei der Analogie zu Grundnahrungsmitteln auf den Qur "an, der wörtl. von .,riba essen" = .,riba praktizieren" spricht; dazu kritisch Cohn, Der Wucher, Berl. jur. Beitr. (1903), 6. 91 So übersetzt Dimitroff, Asch-Schaybani, 97, amwal ribaww.a. 92 Vgl. al-Sarak.hsi, al-mabsut, XII, 117; Kasani (2), bada ·; , VII, 3106; Ibn Qayyim. i 'lam almuwaqqi 'in,II. 137. 93 Vgl. Juror- ghurar, II, 541, zit nach Dimitroff, Asch-Schaibani, 98; auch Ibn Qayyim, iclam al-muwaqqicin, II, 137; al-Sanhouri, masadir al-haqq, Ill, 180. 89 90
60
2. Kapitel: Riba in der klassischen islamischen Lehre (I)
Gehören die beiden ausgetauschten Waren demselben Genus an und wird ihre Quantität durch dasselbe Maß bestimmt, z. B. kurr als Hohlmaß oder Pfund als Gewicht, so ist weder ein Unterschied in der Quantität [ein fad/) noch ein Aufschub der einen Lei~1ung [Kredit) zulässig. Einkurr Weizen darf nur ge· gen ein kurr Weizen bei sofortiger Lieferung und Empfangnalune ausgetauscht werden.
(2)
Sind den beiden Waren weder Genus noch Maß gemeinsam. ist der fad/ ebenso wie der Kredit gestattet.
(3)
Liegt bei den Waren nur eine der erwähnten Voraussetzungen vor, so ist beim Austausch die Ungleichheit der Quantität [fad/) gestattet, indessen ist der Aufschub der Zahlung (Kredit = nasi ·a} verboten.94
Voraussetzung einer Analogie ist also bei den Hanafiten auch das Vorliegen eines gemeinsamen Genus. 95 Das unterscheidet sie von den anderen Rechtsschulen, die Genus (jins) nicht als Voraussetzung fiir die ci/Ja, sondern als weitere Voraussetzung (shart) des riba-Verbotes sehen. 96 Nach hanafitischer Auffassung gehören zwei Waren zum selben Genus, wenn sie denselben Namen, denselben Ursprung und dieselbe Verwendung haben. Beispielsweise sind Weinessig und Dattelessig verschiedene Genera, da sie unterschiedlichen Ursprung haben. Dagegen sind alle Arten von Datteln ein Genus, auch wenn sie von unterschiedlichen Palmenarten stammen.97 Folgt man der Ansicht der klassischen Hanafiten, so wäre die ci/la des hadith auf Papiergeld (auch Buchgeld) nicht anwendbar, was einige der heutigen Juristen als untragbares Ergebnis bezeichnen. 98 Papiergeld wird nämlich weder gemessen noch gewogen, es wird gezählt. 99 Wenn man nun bedenkt, daß die Shar{a Geldwechsel (sarj), Tausch (muqayada od. mucwada) und den Pränumerationskauf (salam od. salaj) als Unterarten des Kaufes bezeichnet, 100 9 4 Dimitroft; Asch-Schaibani, 98. Ganz ähnliche Regelungen werden in Artt. 568-575 ("altes" ZGB Artt. SSJ-556) des jemenitischen ZGB getroffen, das sich diesbezOglieh von allen arabischen ZGBs unterscheidet. Erstaunlicherweise wurden diese Regelungen im ZGB von 1992 im Vergleich zum alten ZGB etwas aufgeweicht.. 9 5 AI-Sarakhsi, al-mabsut, XII, 116tf.; vgl. auch al-Sanhouri, masadir al-haqq, 111, !80f.; aiBarr, al-riba, 43tf. 96 Vgl. Saleh, Unlawful Gain, 15. Es besteht Uneinigkeit unter den Rechtsschulen, objins nur eine zusätzliche Voraussetzung (shart) von riba al-fadl oder Teil der cil/a ist; vgl. Ibn Qudama, a/mughni, IV, 4; auch Haque, Some Forms o[Riba ai-Fadl in Trade and Commerce, lslamic Studies (1983), 89. 97 Vgl. Saleh, Unlawful Gain, 16 f. 98 Vg). Homoud, Islamic Banking, 89tf. (90); vgl. auch al-Sanhouri, masadir al-haqq, lll. 1931f., der einzelne ähnliche Schwachstellen dieser Ansicht aufZeigt. 99 ln diesem Sinne wurden die Hanafiten bereits sehr früh kritisiert. Damals wurde auf das Beispiel von Granatäpfeln verwies1ermingeschäfte unzulässig seien, da sie nicht im Einklang mit der Sharica stünden (Verkauf einer Währung olmesofortige Lieferung), vgl. Afridi, IFLR (Juni 1993), 45 . Bereits seit längerem war- auch vom Präsidenten des Sharica-Gerichts in Abu Dhabi - Kritik an Börsentermingeschäften geäußert worden, da diese einen Verstoß gegen die Sharica darstellen würden. Vgl. hierzu Arab Law Newsletter (März 1987), 3. 69 Vgl. Arab Law Newsletter Nr.l8 (Mai 1987), 4. 70 Vgl. al-jarida al-rasmiwa, 172/1987, 9; Arab Law Newsletter Nr.l8 (Mai 1987),4. 7 1 Vgl. Ghanem, The Impact ofthe UAE Civil Code on Commercial Litigation, ALQ (1990), 143f.; Saleh, !CLQ (1989), S. 775 Fn. 25 und S. 777. 72 Seit 1984 gab es lediglich ein Gesellschaftsrecht (Gesetz 8/1984) geändert 1989, vgl. Feulner. The UAE Commercial Companies Law: Recal/eJ to Life, ALQ (1989), 217.Falsch daher Grabau, ZvgiRWiss (1990), 344 Fn. 83, wenn er meint, die VAE hätten "das kuwaitische HOB und damit auch dessen Gesellschaftsrecht übernommen".
AVereinigte Arabische Emirate
145
noch wurde irgendwo im ZGB oder in einem anderen Gesetz klar definiert, was "Handelsgeschäft" eigentlich bedeuten sollte. 73 Galt das Prinzip wie in Art. 12 KHGB, daß, wenn eine der Vertragsparteien Kaufmann im Sinne des HGB ist, der ganze Vertrag nach den Grundsätzen des HGB zu behandeln ist?74 Die Rechtsprechung in den VAE berief sich zumindest darauf, daß dies die Intention des Gesetzgebers war, 75 was auch der Hintergrund der Gesetzesänderung indiziert. 76 Die ZPO von Abu Dhabi ist wohl ein spezielles Gesetz im Sinne des Änderungsgesetzes, da es sonst keinen Sinn gemacht hätte, die ZPO noch nach der Verabschiedung des ZGB im Hinblick auf Zinsen im Jahre 1987 zu ändern. Folglich waren wohl auch Bankkredite an Nichtkaufleute vom Zinsverbot des ZGB ausgenommen. 77 Dies war ursprünglich problematischer in den Emiraten, die dem Bundesgerichtssystem beigetreten waren, aber keine ZPO hatten, denn die Bundesgerichte sollen nach Art. 8 Gesetz 8/1978 im Falle der Abwesenheit einer gesetzlichen Regelung auf die Sharica zurückgreifen.78 In der Praxis wurde bis vor kurzem jedoch die vertragliche Vereinbarung der Parteien zugrunde gelegt und damit der ZPO von Abu Dhabi gefolgt. 79 Seit Juni 1992 ist in allen Emiraten bis auf Ra' s al-Khaima eine ZPO als Bundesgesetz in Kraft getreten. 80 Zwar wurden in Art. 1 der EinNO zur ZPO sämtliche Gesetze auf dem Gebiet des Zivilverfahrensrechts aufgehoben, im gleichen Artikel wurde dann aber. wenig erstaunlich, die fortdauernde GültigVgl. Whelan!Hall, The Civil Code ofthe United Arab Emirates, I; Turner, ALQ (1991), 314. Vgl. Saleh, ICLQ (1989), 777. Gern. Art. 96 KHGB unterliegen Handelsverträge dem KZGB, wenn sich keine Regelung im KHGB findet. Für alle anderen Fragen des Handelsrechts (d.h. nicht Verträge) wird gern. Art. 2 KHGB zunächst auf die Regeln des Handelsbrauchs und dann erst auf das ZGB zurückgegriffen. 7 5 Vgl. Rayner, The Theory ofContracts, 285; vgl. auch Berufungsurteil Sharjah Nr. 29/1988 v. 31.10.1988 und Berufungsurteil 70/88 v. 18.9.1988 in al-cadala (Juli 1989); unentschieden Whelan/ Hall, The Civil Code of the United Arab Emirates, Teil 3.1.-ii; unklar schließlich auch Ghanem, Dubai: Court o[Cassation Case No. 102188, ALQ (1990), 296f.; ders., The Impact ofthe UAE Civil Code Upon Commercial Litigation (2), ALQ ( 1991 ), 370. 76 Im Beschluß v. 7.5.1990, abgedruckt in al-cada/a, 17. Jhg. (1990), Nr. 64, 93ff., entschied der Oberste Gerichtshof, daß Zinsen auf Darlehen nur im Bereich von Bankgeschäften zulässig seien. 77 Bereits im Mai 1989 hatte das Zivilgericht der ersten Instanz in Abu Dhabi entschieden, daß das ZGB nicht auf Handelsgeschäfte anwendbar sei, wobei jeder Darlehensvertrag mit einer Bank ein solches darstelle, vgl. Arab Law Newsletter, Nr. 8 (Juni 1986),1; Turner, ALQ (1991), 314; so i. Erg. wohl auch Ghanem, ALQ (1990), 144. Ähnlich ist die Lage im ÄZGB, das ein Darlehen als Handelsgeschäft ansieht. auch wenn nur eine der Parteien Kaufmann i~1. vgl. al-Sanhouri, al-wasit, II, Rdnr. 389,447. Die Zivilgerichte in Abu Dhabi waren ohnehin schon länger ausschließlich fiir Bankstreitigkeiten zuständig. Vgl. Krüger, Recht van de Islam (1987), 122f.. 157 Fn. 149 m.w.N. 78 Vgl. el-Saied, Aspects of Banking Law, 83. 79 Hier läßt sich eine Parallele zu Art. 2 des neuen HGB von BahTein von 1987 ziehen. 80 Das Gesetz ist aufgrund Art. 2 EinfVO am 8.6.1992 in Kraft getreten. Auch Dubai, das dem BundesgerichL~system noch nicht beigetreten ist, hat in Artt. 2 und 5, Gesetz 7/1992 (Dubai), die Anwendung der ZPO ab dem 9.6.1992 festgeschrieben. Vgl. zum Ganzen, Krüger, RIW ( 1993), 384ff. 73 74
10 Amcrcllcr
146
6. Kapitel: Zinsen und riba in einigen arabischen Staaten
keit der bestehenden Vorschriften über Zinsen in Handelsgeschäften (darauf wurden Artt. 6lff. der ZPO von Abu Dhabi durch Art. I Bundesgesetz l/1987 im Ergebnis reduziert) festgestellt. 81 Von dem bereits mehrere Jahre vorliegenden Entwurf eines HGB, erwarteten viele keine eindeutige Klärung. 82
5. Zinsen im neuen Handelsgesetzbuch Am 8. September 1993 wurde schließlich das Handelsgesetzbuch verabschiedet, das am 20. Dezember 1993 in Kraft trat und sich stark nach seinem kuwaitischen Vorbild richtet. 83 Das HGB regelt erstaunlicherweise die Frage von Zinsen nunmehr ausdrücklich. Zentrale Vorschrift ist Art. 76 HGB: "Der Gläubiger hat das Recht auf Zins in einem Handelsdarlehen, der sich nach der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung berechnet, bis zu dessen vollständiger Rückzahlung; wenn der Vertrag keinen Zinssatz festlegt, richtet sich seine Berechnung nach dem jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses herrschenden Marktzins, es sei denn er übersteigt in diesem Fall 12%."
Gern. Art. 77 HGB gilt der vereinbarte Zinssatz auch fiir den Zeitraum des Verzuges mit der Rückzahlung.84 Nach Art. 78 HGB berechnet sich der Zins am Jahresende bei Darlehen mit Laufzeiten von mehr als einem Jahr und am Tage der Fälligkeit bei Darlehen mit Laufzeit von weniger als einem Jahr, es sei denn, es besteht ein entgegenstehender Handelsbrauch oder eine andere Bankpraxis. Mit den bisherigen Erfahrungen mit der Zinsen betreffenden Rechtsprechung in den Emiraten läßt sich auch Art. 86 HGB erklären. Wohl um den Gerichten ausdrücklich die Möglichkeit zu nehmen, doch indirekt ein Zinsverbot zu praktizieren, hat der Gesetzgeber hier festgeschrieben, daß es den Gerichten nicht zusteht, bei einer Handelsschuld einen Zahlungsaufschub oder Erlaß zuzusprechen, es sei denn, dies erfolgt mit Zustimmung des Gläubigers oder es handelt sich um einen besonderen Ausnahmefall. Der Gläubiger hat weiterhin nach Art. 88 HGB Anspruch auf Fälligkeitszinsen. es sei denn, es liegt eine gegensätzliche Vereinbarung vor; diese Zinsen werden nach der Regelung der Artt. 76f. HGB berechnet. Schließlich behandelt Art. 399 HGB die Frage von Zinsen in Kontokorrenten.
81
Vgl. Krtlger, RIW (1993), 384. Hierzu el-Saied, Aspects ofBanking Law, 343ff., (463). 83 Der arabische Tex1 in: al-jariJa a/-rasmiyya, Jahr 23, Nr. 255, v. 20.9.1993; vgl. auch Afridi/Angell, ALQ (1994), 85f. 84 Vgl. auch die ähnliche Vorschrift des Art. 102 II KHGB. 82
A Vereinigte Arabische Emirate
147
6. Zinsen in anderen Emiraten
In Dubai, das dem Bundesgerichtssystem der Emirate noch nicht beigetreten ist, wird zwischen Shar{a-Gerichten, Zivilgerichten und dem Obersten Gerichtshofunterschieden. 85 Grundsätzlich besteht Zuständigkeit der SharicaGerichte fur alle Rechtsstreitigkeiten, die aber aufgrund Dekretes des Herrschers keine Streitigkeiten in Banksachen (auch Wechsel und Schecks) verhandeln dürfen. 86 Diese werden vor den Zivilgerichten verhandelt. Da in Dubai keine gesetzliche Grundlage fur Zinsen existierte,87 wie etwa Artt. 61, 62 der ZPO von Abu Dhabi, hätte eigentlich Art. 14 des Gerichtsgesetzes von 1970 eingreifen sollen, der den Richter im Falle der Abwesenheit einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung auf die Vorschriften der Sharica verweist. Trotzdem hielten und halten die Gerichte die vertragliche Vereinbarung von Zinsen fur wirksam, Qhne auf die Problematik ihrer Vereinbarkeil mit der Sharica näher einzugehen.88 In Dubai gelten in der Gerichtspraxis fur Darlehenszinsen sogar weder Höchstgrenzen, noch wird Zinseszins in Bankdarlehen von den Gerichten fur unwirksam erklärt. 89 Inwieweit diese Praxis rechtlich haltbar ist, bleibt auch unter dem Gesichtspunkt höchst fraglich, daß die in Art. 60 der Verfassung der VAE geregelte Gewaltenteilung durch einige zinsfreundliche Dekrete im Bereich von Bankdarlehen umgangen wird. 90 Verzugs- und Prozeßzinsen werden in Dubai normalerweise in Höhe von 9 % von den Gerichten zugesprochen.91 Es ist davon auszugehen, daß Dubai in Kürze die Anwendung des HGB der Union gesetzlich regeln wird. In Ras al-Khaima, das ebenfalls dem Bundesgerichtssystem nicht beigetreten ist, sieht die Situation ähnlich aus. 92 Auch hier besteht grundsätzlich die Zuständigkeit der Sharica-Gerichte (Art. 9 Gerichtsgesetz von 1971), aber in Art. 1 II der Verordnung Nr. 9/1971 werden Bankstreitigkeiten vor den Zivil85 Vgl. Gerichtsgesetz von 1970, Gesetz 2/1979 und Gesetz 111988; Ballantyne, Comrnercial Law, 77; auch Turner, ALQ (1991), 314f. 86 Vgl. ai-Suwaidi, The Finance, 59; Ballantyne, Conunercial Law, 77; ei-Saied, Aspects of Banking Law, 136; Saleh, ICLQ (1989), 785; Arab Law Newsletter, Nr. 20 (July/Aug. 1987), 2. Ursprünglich galt die Zuständigkeit der Zivilgerichte nur ftlr Bankstreitigkeiten und Streitigkeiten mit arabischen Finanzgesellschaften. Nach dem Dekret 4/1989 gilt dies nunmehr ftlr fru;t alle Streitigkeiten im Finanzsektor, vgl. Chadboume Parke & Afridi, IFLR (June 1989), 45f. 8? Dubai hat noch einen "Contract Act" aus dem Jahre 1971 , der stark vom Comrnon Law geprägt ist und im wesentlichen eine Übersetzung der Trucial Stales Contract Regulation ( 1961) darstellt, die ihrerseits auf dem "Indian Contract Act" basiert. Vgl. auch Turner, ALQ ( 1991 ). 312. 88 Oberster Gerichtshof von Dubai Berufungsurteil Nr. 122/1985; al-Suwaidi, The Finance, 59: Ballantyne. Conunercial Law, 60. 89 Vgl. el-Saied, Aspects of Banking Law, 136; Turner, ALQ (199 1). 312; al-Suwaidi, The Finance, 59. 90 Vgl. Ballantyne, Comrnercia1 Law, 131ff., zum Beschluß des Ministerrates 44/9/ 1981. 9 1 Vgl. el-Saied, Aspects ofBanking Law, 137. 92 Vgl. zur Unsicherheit im Zusammenhang mit der ZPO Krüger, RIW (1993), 384. 10*
148
6. Kapitel: Zinsen und riba in einigen arabischen Staaten
gerichten verhandelt. 93 Auch in diesem Emirat werden die Richter in Abwesenheit einer gesetzlichen Regelung auf die Shar{a verwiesen. 94 Trotzdem werden regelmäßig Zins- und Zinseszinsvereinbarungen von den Gerichten als wirksam angesehen, vorausgesetzt, es handelt sich um eine Bankstreitigkeit. 95 In Streitigkeiten zwischen Kaufleuten, von denen keiner eine Bank ist, sind dagegen die Shar{a-Gerichte zuständig, die grundsätzlich keine Zinsen zusprechen. Sharjah, Ajman, Umm al-Qauwain und Fujeira sind dem Bundesgerichtssystem beigetreten und folgen daher, mit gelegentlichen Ausnahmen, der in Abu Dhabi gängigen Praxis,96 die mit dem HGB jetzt auch ausreichend gesetzlich fixiert ist. Diese Emirate haben aber fiir das Bankwesen wesentlich geringere Bedeutung als Abu Dhabi oder Dubai, so daß hier nicht näher auf sie eingegangen werden soll. Das Zentralbankgesetz (Gesetz 10/1973) enthält mehrere Vorschriften, welche ausdrücklich auf Zinsen Bezug nehmen, obwohl keine von ihnen eine Anspruchsgrundlage darstellt. 97 Wenn man dann das Gesetz Nr. 6/1985 fiir islamische Banken und Investmentfonds betrachtet, so wird offensichtlich, daß der Gesetzgeber sowohl das herkömmliche als auch das streng islamische Bankwesen gesetzlich regeln wollte, ohne letzteres nur durch Gesetz 10/1980 der Kontrolle der Zentralbank zu unterstellen. 98
7. Zusammenfassung Die rechtliche Situation von Zinsen in den VAE war auch vor dem neuen HGB in der Rechtsprechung im wesentlichen geklärt. Bei der Suche nach gesetzlichen Grundlagen befand man sich - auch verfassungsrechtlich - auf äußerst bedenklichem Terrain. Gesetze, wie die ZPO von Abu Dhabi, wurden auch außerhalb ihres Geltungsbereiches von anderen Emiraten angewandt. Die gesetzlich verordnete Geltung der Sharica im Falle der Abwesenheit einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung wird dort durch Dekrete außer Kraft gesetzt, obwohl hierfür Gesetzesvorbehalt besteht. Der Entwurf des HGB sah 93 Vgl. Ballantyne, Commercial Law, 60; al-Suwaidi, The Finance, 59; el-Saied, Aspects of Banking Law, 137; Kniger, Übersicht, 68. 94 Vgl. Ballantyne, Commercial Law, 60; auch Verordnung Nr. 14/1971. 95 Vgl. el-Saied, Aspects ofBanking Law, 137. 96 Vgl. Arab Law Newsletter Nr.20 (July/Aug. 1987), 2; Rayner, The Theory of Contracts, 286ff. 9? Vgl. Art. 18 V, 34, 35, 52111; auch Ballantyne, Commercial Law, 132. 98 Vgl. Qasim, in: Islamic Banking and Finance, 24; Attia, al-bunuk a/-islamiyy a baina alhuriyyat wal-tanzim, al-taqlid wal-ijtihad, al-nazariyya wal-tatbiq, 51 .
B. Saudi-Arabien
149
ursprünglich keine Zinsen betreffenden Regelungen vor und wurde gerade deshalb wohl nicht verabschiedet. 99 Vielmehr wurden Handelsgeschäfte vom ZGB ausgenommen, das seinerseits Zinsen verbietet. Es wurde aber nicht definiert, was eigentlich ein Handelsgeschäft ist. Das ZGB war zumindest vor der Verabschiedung des HGB nicht mehr nur ein Lippenbekenntnis zu einem Zinsverbot In einem einzigen Urteil hätte der Verfassungsgerichtshof, völlig korrekt, Zinsen generell verbieten können. Das Ergebnis war also Unsicherheit bezüglich der rechtlichen Situation von Zinsen, trotz der relativ konstanten (höchsrichterlichen) Rechtsprechung der letzten Jahre. Mit dem neuen HGB hat diese Rechtsprechung nunmehr auch eine solide gesetzliche Grundlage gefunden.
B. Saudi-Arabien c Abd al-cAziz Ibn Saud (1880-1953) versuchte nach der Staatsgründung von Saudi-Arabien, einige Gesetze bzw. quasi Gesetze insbesondere im Zivilrecht durchzusetzen, was aber am Widerstand der orthodoxen Wahabiten scheiterte. 100 Die Verwaltungsstruktur des Königreichs Hijaz wurde 1928 in den "Organic lnstructions of The Hijazi Kingdom" festgeschrieben, die 1932 und 1958 in einigen Bereichen geändert wurden. Diese bezeichnen die hanbalitische Rechtsschule als Hauptquelle allen Rechts in Saudi-Arabien und erklären das Königreich und alle Bürger für der Sharica unterworfen. 101 Der Entwurf einer Verfassung aus dem Jahre 1960 wurde nicht verabschiedet. 102 Erst 1992 wurde ein verfassungsähnliches Gesetzeswerk verabschiedet, dessen Bedeutung jedoch allgemein als gering eingeschätzt wird. 103 Die Rolle der Sharica im Handelsrecht bleibt weiterhin äußerst unk1ar. 104
99 Ein älterer Entwurf des HGB, der dem Verfasser zugänglich gemacht wurde, behandelte lediglich einige spezifische Banktransaktionen, nicht aber Zinsen und Darlehen. Anders aber schon Rayner, The Theory ofContracts, 285. 100 Vgl. etwa Sfeir, The Saudi Approach to Law Reform, AJCL ( 1988), 731 f , der den gescheiterten Versuch erwähnt, Teile des osmanischen Rechts, also etwa die majalla, zu übernehmen. IOI Vgl. Ballantyne, Commercial Law, 27f.; Pepper, Foreign Capital Investment in the GCC States, ALQ (1992), 33. Für die rechtlichen Aspekte von Gell~ransaktionen unter Berücksichtigung der hanbalitischen Rechtsschule siehe al-Barr, ahkam al-mu amalat al-maliyya fi madhhab alhanbali, Qatar ( 1986). 102 Vgl. Ballantyne, Commercial Law, 27. 103 Hierzu lbrahim, The Conslitutional System of Saudi Arabia, VRÜ (1992), 446ff; aiMehaimeed, The Recent Constitutional Reforms in Saudi Arabia, ALQ (1993), 30ff; Namay, ICLQ (1993), 295ff.; vgl. auch oben 1. Kap. D. I04 Vgl. Ballantyne, The Shada: A Speech to the /BA Conference in Cairo on Arab Comparative and Commercia/ Law, ALQ ( 1987), 14.
ISO
6. Kapitel: Zinsen und riba in einigen arabischen Staaten
1. Zinsen betreffende gesetzliche Regelungen Saudi-Arabien hat kein ZGB und erläßt ohnehin nur Dekrete oder Verordnungen, aber keine Gesetze. 105 Der arabische Terminus fiir Gesetz, qanun, wird konsequent gemieden, da dies einzig allein von Gott komme. Privatrechtliche Streitigkeiten werden ausschließlich vor den Shar{a-Gerichten verhandelt, die verpflichtet sind, bei der Begründung ihrer Entscheidung auf ganz bestimmte Werke der hanbalitischen Rechtsliteratur zurückzugreifen. 106 Was das Handels- und Gesellschaftsrecht anbetrifft, wurden dagegen drei Hauptverordnungen erlassen: 1931 die "Commercial Court Regulation" (Dekret Nr.32/1350 A.H.), die sich im wesentlichen auf das osmanische Handelsgesetz und Seerecht stützt, das seinerseits eng mit dem französischen Recht (Code de Commerce von 1807) verwandt war; 107 1963 die "Negotiable Instruments Regulation" (Dekret Nr. 37/1383 A. H.), die im wesentlichen das "Geneva Uniform Law ofBills ofExchange" (1930) und das "Geneva Uniform Law of Checks" (1931) enthält, mit Ausnahme der Bestimmungen, die nach damaliger Auffassung im Konflikt zur Shar{a standen, insbesondere von Zinsen.108 Schließlich wurde 1965 die "Commercial Companies Regulation" (Dekret M/6 vom 22/3/1385 A. H.) verabschiedet, die teilweise auch "westliche" Gesellschaftsformen regelt. 109 Im Bankenbereich wurden drei wichtige Verordnungen erlassen: Die Verordnung fiir die "Saudi Arabian Monetary Agency" (SAMA) von 1957, die "Banking Control Regulation" von 1966 und die "Statuten" der Saudi Credit Bank von 1971.
I 05 In Saudi-Arabien wird zwischen königlichem Dekret (mars11111 malaki), königlicher Order (amr malaki) und königlicher Anweisung (taujih malaki) unterschieden. Das königliche Dekret ist die bedeutencb1e Form der Rechtsetzung in Saudi-Arabien. Gem. Art. 19 des Gesetzes über den Ministerrat ist die Zustinunung zu den Verordnungen des Ministerrates (anzima, Sing.: nizam) und dessen Beschlüssen hinsichtlich internationaler Abkonunen erforderlich. Die königliche Order wird im wesentlichen im Bereich der Ernennung zu wichtigen Staatsämtern relevant. Die königliche Direktive ist schließlich eine formlose Anweisung in einer Staatsangelegenheit Vgl. zum Ganzen Elwan, Das Rechtswesen in Saudi-Arabien, in: Saudi-Arabien: Ölmacht und Entwicklungsland, 177 (203). 106 Vgl. qarar al-hay·a al-qada'iyya v. 07.01.1347 AH. mit königl. Zustimmung v. 24.03.1347 A.H.; auch amr malaki Nr. 647 v. 20.03.1349. Hierzu auch Saleh, General Principles, 23; eine Verordnung aus dem Jahre 1961 (20.10. 1381 AH.) gab- nach Auffassung einiger Juristen- den Richtern mehr Freiheit bei der Wahl ihrer Rechtsquellen innerhalb des islamischen Rechts. Vgl. Saleh, ICLQ (1989), 764-769; auch bei Krüger, Übersicht, 48. Das saudisehe Gerichtssystem spaltet sich in zwei unterschiedliche Gerichtszweige, auf der einen Seite die sog. Sharia-Gerichte, die dem konservativen Justizministerium unterstehen, auf der anderen verschiedene " Komitees", die entweder Wirtschaftsoder Finanzmini~1erium unterstehen. 107 Die ,.Commercial Court Regulation" (zul. geänd. durch Dekret M/2/1390 A.H.) i~1 in vier Kapitel geglied.:rt: I. Handelsrecht, 2. Seehandel, 3. Prozeßrecht und 4. Kostenrecht Vgl. Kay. Legal Aspects ofBusiness in Saudi Arabia, 29. 108 Vgl. Sfeir, AJCL(l988), 734. 109 Vgl. etwa Saleh, General Principles, insbes. 175fT.; letzte Fassung der Verordnung ist M/5/1387 A.H. und M/23/1402 A.H.
B. Saudi-Arabien
151
In keiner dieser Verordnungen wurden Zinsen ausdrücklich erlaubt. Die "Commercial Court Regulation" verweist in einigen Artikeln auf "Profit", jedoch ist damit nicht, wie teilweise behauptet, eine andere Bezeichnung für Zins gemeint, sondern eben nur Gewinnanteil. 110 So schreibt Art. 5 der "Commercial Court Regulation" auch generalklauselartig vor, daß "Kaufleute alle Handelsgeschäfte in Übereinstimmung mit der Religion" auszuführen haben. Aufgrund des Meinungsstreits unter den islamischen Rechtsgelehrten ist diese Aussage in bezug auf moderate Zinsen zumindest nicht eindeutig. Deutlicher bezieht der Gesetzgeber in Art. 6 der "Negotiable Instruments Regulation" Stellung. Hier sagt er klar, daß "eine Zinsvereinbarung in einem Wechsel null und nichtig" sein soll. 111 Auch in Art. 2 der "SAMA Regulation" sind Zinsen klar verboten: "SAMA darf weder Zinsen zahlen noch erhalten". Unklar ist aber der nächste Satz, der "Gebühren für die Leistungen an die Allgemeinheit oder die Regierung" erlaubt. Betrachtet man aber in diesem Zusammenhang Art. 6, so ist es unwahrscheinlich, daß sich die in SaudiArabien üblichen "Service charges" über Art. 2 rechtfertigen ließen (zumal SAMA ohnehin nur Zentralbank ist). Schließlich wird es SAMA klar in Art. 5 untersagt, "durch ihre Geschäfte gegen die islamischen Bräuche zu verstoßen; sie darf weder Zinsen zahlen, noch erhalten" (eigentlich eine Wiederholung von Art. 2). In der "Banking Control Regulation" wird dagegen überhaupt nicht auf Zinsen eingegangen. 112 Dies könnte von Bedeutung sein, wenn man im Gegensatz dazu die Statuten der Saudi Credit Bank betrachtet, die in den Artt. 2 und 12 ausdrücklich betonen, daß die Bank nur zinsfreie Darlehen an saudisehe Bürger auszahlen soll. Aus dieser Betonung auf "zinsfrei" läßt sich aber nicht im Umkehrschluß folgern, daß anderen Banken auch verzinsliche Darlehen erlaubt sind.
2. Zinsen in der saudi-arabischen Wirtschaft Trotz des umfassenden Zinsverbotes, das nach herrschender Meinung von der Shar{a ausgesprochen wird, gewähren die Banken in Saudi-Arabien auch Darlehen zu international üblichen Zinssätzen bzw. zahlen Guthabenzin-
11 O Dies.: Betrachtung wird im Zusamm.:nhang mit dem "S.:edarleh.:n" angestdlt. ln Art. 2-10 der Commercial Court Regulation wird vielmehr eine Fonn der mudaraba vereinbart, denn der "Darlehensgeber" trägt das Risiko des zuflllligen Unterganges des Transportgutes; falsch daher Kay, Legal Aspects, 32 (35f). 111 Vgl. auch Elwan, in: Festschrift filr Serick, 81. 112 Vgl. Sfeir, AJCL (1988), 738.
!52
6. Kapitel: Zinsen und riba in einigen arabischen Staaten
sen. 113 Erstere werden aber als "service charges", letztere als "profit" bezeichnet.114 Auch werden auf Guthaben in ausländischer Währung die jeweils gültigen Weltmarktzinsen gezahlt.115 Selbst die Islamic Development Bank, deren Haupttätigkeit die Vergabe von zinslosen Krediten an Entwicklungsländer ist, berechnet "service charges" in Höhe von jährlich 2,5% der Darlehenssumme.116 Der Anteil des Zinsaufkommens im Vergleich zu anderen Einnahmen der Banken in Saudi-Arabien hat aber im Vergleich zu den frühen achziger Jahren abgenommen. Haupteinnahmequelle sind etwa Akkreditive (LCs) und Bankbürgschaften, für die je nach Einzelfall Gebühren in Höhe von 0,12% bis 2% der Gesamtsumme berechnet werden 11 7 und off-shore Geschäfte mit unverzinslichen Einlagen. In Bankkrediten wird nur selten auf Zinsvereinbarungen ausdrücklich Bezug genommen, sondern vielmehr mit nachdatierten Schecks, Schuldscheinen bzw. Wechseln gearbeitet, um die Rückzahlung eines Darlehens zu gewährleisten.118 Vorsichtshalber werden hier manchmal sogar zwei Schecks bzw. Schuldscheine ausgestellt, einer für die ausbezahlte Darlehenssumme und ein anderer für die Zinsen. Häufig wird auch ein "zinsloses" Darlehen gewährt, bei dem jedoch die Darlehenssumme nur zum Teil ausbezahlt wird. Am deutlichsten wird der in Saudi-Arabien existierende Widerspruch zwischen Theorie und Praxis in einem Rundschreiben des saudischen Justizministeriums und einer Verordnung (Nr. 291 vom 25/10/1401 A. H.) in gleicher Sache bezüglich des Verbots der Eintragung einer Hypothek für ein verzinsliches Darlehen.119 Hier hatten sich Notare gegen die Verpflichtung gewandt, solche Hypotheken zu beurkunden, da sie damit auch unter die Strafe Gottes fallen würden, die dieser für riba angedroht habe. Sie schlugen daher vor, den Banken zu erlauben, solche Eintragungen selbst vornehmen zu lassen, da alle Ge11 3 Vgl. Wyss, Ralm1enbedingungen fiir die Kreditgewährung in Saudi-Arabien: Erfahrungen aus Restrukturierungen von notleidenden Positionen, lff.; P. Wilson, A Question oflnterest: The Paralysis ofSaudi Banking, I 09ff.; Abdeen, The Saudi Financial System, 66; Wilson/Baldwin, lslamic Finance in Principle and Practice, in: lslamic Law and Finance, 174; Hamlin, The Impact oflslamic Revivalism on Contract and Usury Law in Iran. Saudi Arabio and Egypt, Texas International Law Review (1987), 359. Da in Sahreinjedoch günstigere Konditionen hinsichtlich Festgeldeinlagen bestehen, fehlt es den saudischen Banken infolge der Kapitalflucht an disponiblen Mitteln, vgl. hierzu Galloux, Finance islamique privee en Egypt; performance et contraintes etatique. Le cas Je bank Faisal. in: Banehe Islamiche, 212. 114 Vgl. etwa Anderson, Law Reti>rn1, 185; Hamlin, Texas International Law Journal, (1987), 360; Kay, Legal Aspects, 35. 11 5 Vgl. Abdeen, The Saudi Financial System, 67. 11 6 Vgl. Hamlin, Texas International Law Journal (I987), 360; auch Art.4 und Art. 12 Nr.4 der Statuten der Saudi Credit Bank, die danach nur zinslose Darlehen vergeben kann. 117 Vgl. Abdeen, The Saudi Financial System, 65. 118 Hierzu ausfuhrlieh Khan, Secured Lending m Saudi Arabia, IFLR (May 1984), 2711: 11 9 Vgl. El-Malik, ALQ (1993), 136; die Verordnung etwa bei Keese, Commercial Laws of the Middle East, London ( 1986); Ballantyne, Register of Laws of the Arabian Gulf: A Register of the Laws ofthe Member States ofthe GulfCooperation Council, London (1985).
B. Saudi-Arabien
!53
schäftsbanken ohnehin verzinsliche Darlehen gewähren würden. 120 Obwohl alle Regierungsstellen in Saudi-Arabien die Existenz von verzinslichen Darlehen immer abgestritten hatten, so wurde hier, wenn auch unbeabsichtigt, die Bedeutung von Zinsen in der saudiseben Wirtschaft offiziell zugegeben. Diese Stellungnahme ist bisher aber wenig beachtet worden. 121 Der Verlust dinglicher Sicherungsmöglichkeiten stellte die Banken vor große Probleme, denn auch eine unwiderrufliche Vollmacht zum Verkauf einer Immobilie des Darlehensschuldners half beispielsweise wenig, da eine solche im islamischen Recht gar nicht anerkannt wird. 122 Interessant ist aber trotz der offiziell zinsfeindlichen Position, daß SaudiArabien während und nach dem Golfkrieg zum Ausgleich kurzfristiger Liquiditätsengpässe zahlreiche Kredite zu den international gängigen Zinssätzen aufgenommen hat. 123 Inländische Rentenpapiere werden entweder diskontiert,124 oder es wird eine sich an den US t-bills orientierende "Gewinnbeteiligung" gezahlt, welche den Banken wöchentlich bekanntgegeben wird. Gesondert müssen die sogenannten Geldwechsler in Saudi-Arabien betrachtet werden, die teilweise ein sehr dichtes Filialnetz haben und bei denen zahlreiche Privatpersonen Konten unterhalten. Auf diese Guthaben werden keine Zinsen gezahlt, was teilweise den wirtschaftlichen Erfolg dieser Unternehmen erklärt.125 Das größte, die al-Rajhi Gruppe, wurde 1983 als erste "islamische'' Bank in Saudi-Arabien zugelassen, 126 es nahm seine Aktivitäten als solche aber erst 1988 auf. Als besonderes Problem stellt sich für diese Banken Art. 10 Nr. 1 des Banking Control Law dar, der es Banken ausdrücklich untersagt, Waren im eigenen oder fremden Namen zu kaufen. 127 Dies ist aber bei dem
120 Vgl. hierzu Verordnungdes Justizministeriums Nr. 29 1 v. 25/10/1401 A.H., S. 2, die mehrere Briefe von Notaren an das Justizministerium zitiert. l21 Vgl. den kurzen Hinweis von al-Heijailan, The Future ofEuro-Arab Dialogue, ALQ (1989), 125j angedeutet in Arab Law Newsletter, Nr. II (Oct. 1986), 4. 22 Hierzu Khan, lFLR (May 1984), 28. 123 Vgl. statt vieler o. Verf, Milliarden Bankkreditfiir Saudi-Arabien, in: Süddeutsche Zeitung, 3. April 1991. 124 Vgl. Field, Arab Banking, Financial Times v. 24. Okt. 1988. Die Zentralbank arbeitet hier mit einem sog. "project cash flow", der sich an den US trasury bills orientiert, vgl. auch Allen, SAMA /ends a hand, Financial Times v. 24. Okt. 1988. 125 Von zahlreichen Bankern wird behauptet, daß al-Rajhi Zinsen auf seine Einlagen bei ausländischen Banken erhält, während diese Gewinne nicht an die Kunden weitergegeben werden; vgl. P. Wilson, A Question oflnterest: The Paralysis ofSaudi Banking, 76. 126 Vgl. P. Wilson, A Question of Interest, 51, 74fT., 183fT.; o. Verf., Islamlc Banks, The Middle East, 12 (1987), 44; o. Verf, An /slamic Bankfor the S011dis, in: Economist (19.-25. März 1988); lslamic Banking in Saudi Arabia, in: Arabia (Okt. 1985), 68f. AI-Rajhi wurde aber nie als "islamische" Bank zugelassen, da nach dem offiziellen Standpunkt alle saudischeu Banken nach islamischen Grundsätzen arbeiten. 127 Vgl. etwa die engl. Übersetzung bei Keese, Conunercial Laws ofthe Middle East, 6.
!54
6. Kapitel: Zinsen und riba in einigen arabischen Staaten
von al-Rajhi häufig abgeschlossenen murabaha-Vertrag genau der Fall. 128 Bisher ist jedoch noch kein Fall bekannt, in dem sich ein saudisches Gericht auf diese Vorschrift in bezug auf eine murabaha berufen oder eine dahingehende Argumentation zugelassen hätte.
3. Die Behandlung von Zinsen durch die Gerichte Zur Praxis der Rechtsanwendung in arabischen Staaten meint Gibb: "Scholars and historians are naturally prone to fall into the error (especially erroneous in dealings with the Orient) of assuming that because an order, a dogma, or a regulation is set down in black and white, it thereby acquires practical force as law, theology or ceremonial". 129
Dies wird besonders in Saudi-Arabien deutlich, das häufig undurchsichtige Grundlagen für seine Rechtsprechung heranzieht. So wurde beispielsweise eine Fluggesellschaft im Jahre 1977 von dem Committee für die Beilegung von Handelsstreitigkeiten (CSCD - vergleichher mit einem Handelsgericht) zur Zahlung von vollem Schadensersatz für den Verlust einer Fracht verurteilt, ohne darauf einzugehen, daß Saudi-Arabien bereits 1969 der WarschauKonvention beigetreten war, welche die Haftung einer Fluggesellschaft auf $20 pro Kilo beschränkte. Das Gericht verließ sich vielmehr auf einen hadith des Propheten, der aussagt: ,.Derjenige, der das Eigentum eines anderen übernimmt, ist so lange dafür verantwortlich, bis er es zurückgibt" .130 Mitte der achziger Jahre wurden zunehmend Kredite notleidend, die in den Jahren des Ölbooms völlig ohne Kontrolle gewährt worden waren. Der Immobilienmarkt steckte in einer schweren Krise und der Ölpreis war deutlich gefallen. Die Banken sahen sich nunmehr damit konfrontiert, daß Kredite einerseits nicht bedient wurden, andererseits sogar häufig bereits gezahlte Zinsen unter Berufung auf die Sharica zurückgefordert wurden. 131 Während bislang die Vollstreckbarkeit von Zinsforderungen nicht gerichtlich geklärt worden war, wurden jetzt einige Streitf