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German Pages 365 Year 2003
SEBASTIAN ROLOFF
Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG (Freizügigkeit) und seine Auswirkungen auf das nationale Arbeitsrecht
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 208
Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG (Freizügigkeit) und seine Auswirkungen auf das nationale Arbeitsrecht Von
Sebastian Roloff
Duncker & Humblot . Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 200012001 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
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© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-10901-5 Gedruckt auf altel1lngsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Vorwort Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln nahm die vorliegende Arbeit im Wintersemester 2000/2001 als Dissertation an. Die Arbeit berücksichtigt Rechtsprechung und Literatur bis zum 6. Juli 2002. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Dres. h. c. Peter Hanau für die Betreuung und Unterstützung bei der Entstehung der Arbeit. Herrn Prof. Dr. Jürgen F. Baur danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für Korrekturen und kritische Anmerkungen danke ich Anne Bussenius. Berlin, im Juli 2002
Sebastian Roloff
Inhaltsübersicht Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
1. Kapitel
Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
27
I. Begriff des Beschränkungsverbots ...............................................
27
11. Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots ...............................
28
111. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots .................................
41
IV. Abgrenzung des allgemeinen Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten ..........................................................................
63
V. Voraussetzungen einer Beschränkung ............................................
80
VI. Beschränkung durch staatliches Unterlassen ..................................... 127 VII. Verfahrensrechte aus Art. 39 EG ................................................. 138 VIII. Beschränkung durch Nichtgewähr einer Leistung? ............................... 145 IX. Negative Freizügigkeit .......................................................... 148 X. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht........................................... 149 XI. Rechtfertigung einer Beschränkung .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
2. Kapitel
Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
187
I. Einleitung ....................................................................... 187 11. Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 187
8
Inhaltsübersicht III. Ansichten und Stellungnahme
188
IV. Rechtsfolgen unzulässiger privater Beschränkungen . ... .. . . . . ......... . .. . .. . ... 238 V. Anwendungsbeispiele . .. . ... ... ... . ..... .... ... ....... .... .. .... .... . . .. . . . .. ... 242 VI. Ergebnis...... . ....... ... ........................ . . . .......... . .......... . ....... 328
3. Kapitel Anwendung des Beschränkungsverbots auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
329
I. Einleitung ............. .. ....... .. ....... . ......... . ...... . . . ........ . ........ . .. 329 H. Bindung der Mitgliedstaaten als Arbeitgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 329 III. Bindung von Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 339 IV. Bindung von Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EG .... . . .. . . . . .. . . . .. . .. 344 V. Ergebnis............. . .. . ....... .. ......... . ............ . ... . ...... . ........ . .... 346
Schluß ........................................ . ........ .. ................ . ....... ... .. 347
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 348
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 363
Inhaltsverzeichnis
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
1. Kapitel
Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
27
I. Begriff des Beschränkungsverbots ...............................................
27
11. Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
1. Ansicht des EuGH und des überwiegenden Schrifttums ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
2. Ablehnende Ansicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
3. Ansicht des Generalanwalts Lenz ............................................
30
4. Stellungnahme ...............................................................
31
a) Das allgemeine Beschränkungsverbot als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung ...............................................................
31
aa) Abgrenzung und Zulässigkeit der Rechtsfortbildung ..................
31
bb) Voraussetzungen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung ......
33
(1) Keine Herleitung durch Auslegung...............................
33
(2) Planwidrige Lücke im geltenden Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
(3) Ausfüllen der Lücke .............................................
37
(4) Grenzen der Rechtsfortbildung .... . ........ . ...... . ..............
38
b) Schlußfolgerung............ . ..................... . .......................
39
5. Ergebnis .....................................................................
40
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots .................................
41
1. Allgemeine Voraussetzungen .................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
2. Adressaten des staatsgerichteten Beschränkungsverbots ......................
41
a) Mitgliedstaaten ........................................................ . ..
41
10
Inhaltsverzeichnis b) Gemeinschaftsorgane .....................................................
42
aa) Grundfrage............... . ...........................................
42
bb) Ansicht des EuGH ...................................................
42
cc) Ansicht im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
dd) Stellungnahme ................................................ . ......
44
c) Mitgliedstaaten bei der Anwendung I Umsetzung von Gemeinschaftsrechtsakten ...............................................................
45
3. Notwendigkeit grenzüberschreitender Sachverhalte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
a) Ansicht des EuGH ........................................................
45
b) Befürwortende Ansicht .......... . . . ......................................
46
c) Gegenansicht .................... . . . ......................................
46
aa) Allgemein........................................................ . ...
46
bb) Erfassung nationaler Vorgänge im Wege der Rechtsfortbildung .......
47
cc) Verbot der EU-Inländerdiskriminierung ..............................
48
d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
aa) Unzulässiger Schluß vom erforderlichen Gemeinschaftsbezug ........
48
bb) Art. 39 Abs. 3 EG als Auslegungshilfe? ..............................
49
cc) Assoziationsrechtliches Argument....................................
50
dd) Argumente gegen eine Rechtsfortbildung ................... . .........
51
ee) Wertungswiderspruch gegenüber Grenzgängern? .....................
53
ff) Kein unnötiger Formalismus .........................................
54
gg) Ergebnis .......................................................... . ..
54
e) Erfassung innerstaatlicher Vorgänge durch nationale Grundrechte...... . ..
54
aa) Bejahende Ansicht ................................................ . ..
55
bb) Ablehnende Auffassung ..............................................
55
cc) Differenzierende Ansicht .. . .. . .. . . .. .. . . . .. . . .. . . . . .. . .. . . .. . . . .. . . ..
56
dd) Stellungnahme .......................................................
56
f) Anforderungen an den Beweis des grenzüberschreitenden Sachverhalts ...
58
g) Ergebnis ..................................................................
59
4. Arbeitnehmerstatus vor dem Überschreiten der Grenze ......... . .............
59
a) Problem ..................................................................
59
b) Bisherige Stellungnahmen ...................................... .. ........
59
c) Konkretisierung des Beschränkungsverbots anhand der übrigen Grundfreiheiten .....................................................................
60
Inhaltsverzeichnis
11
5. Ausnahme für die öffentliche Verwaltung (Art. 39 Abs. 4 EG) ................
60
a) Wortlaut..................................................................
61
b) Systematik................................................................
61
c) Teleologie ................................................................
61
d) Ergebnis ...................................... . ............... . ...........
62
6. Ergebnis .....................................................................
63
IV. Abgrenzung des allgemeinen Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten ..........................................................................
63
1. Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 39 Abs. 2 EG) .......
63
2. Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat ..
64
a) Anwendung des Art. 39 Abs. 2 EG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
b) Ansicht des EuGH ........................................................
64
c) Anwendung des Beschränkungsverbots ...................................
65
d) Ansicht des Generalanwalts Fennelly .....................................
66
e) Ansicht des Generalanwalts Lenz.........................................
66
f) Stellungnahme .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
g) Ergebnis ........................ .... ......................................
68
3. Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat ..
68
a) Anwendung des Art. 39 Abs. 2 EG ........................................
69
b) Gegenansicht im Schrifttum ..............................................
69
c) Ansicht des Generalanwalts Fennelly .....................................
69
d) Ansicht des EuGH ........................................................
70
aa) Rechtssache Scholz ..................................................
70
bb) Rechtssachen Kraus/Vlassopoulou/Bobadilla .......................
71
cc) Rechtssache Angonese ............................ .. .... .... ...... .. .
72
e) Stellungnahme............................................................
72
aa) Relevanz der Fragestellung ... .. .. .. . .. . . .. . . .. . .. . . .. . . .. . . . .. . . .. . ..
72
bb) Keine planwidrige Lücke in Art. 39 Abs. 2 EG .......................
73
cc) Art. 3 Abs. llit. c) EG ...............................................
74
dd) Beurteilung der Entscheidung Angonese .............................
74
ee) Beurteilung der Entscheidung Scholz .................................
76
12
Inhaltsverzeichnis ff) Gleichbehandlung aller Diskriminierungen grenzüberschreitender
Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
gg) Art. 39 Abs. 4 EG .... . ... .... .......... . .. . . . . . . . ........ . . . . .. ... . ..
76
f) Ergebnis . ... ................ . ................. . .... . .............. . .......
77
4. Diskriminierung der eigenen Staatsangehörigen gegenüber EU-Ausländern . ..
77
5. Art. 39 Abs. 3 EG . . ..... . .... . ... . ..... . ... .. .. . .. . ... . .... . ... . ... . . .. ......
79
6. Art. 18 EG . .... . . . . . . ..................... . ................... . ... . .... . . . ...
79
7. Ergebnis ......... . ........... . ... .. ............ . ... ... .... . ...... ... . .. ......
79
V. Voraussetzungen einer Beschränkung .... .. . ... .. ..... . .. .. . . . .. .. .. . . ... .. .. .. ..
80
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
2. Rechtsprechung des EuGH ......................... . ... . ......... . ... . .......
80
a) Freizügigkeit der Arbeitnehmer ........... . ..... .. ........................
81
aa) Zugangsbeschränkungen . .. .. ... ... .. .. .. .. .... . . . .. ... . . ..... . ... ...
81
(1) Rechtssache Bosman . ..... . . . .... .. . .... .. . ... .. ... .. ..... . . . . . ..
81
(2) Rechtssache Lehtonen .... ....... . . . . ... .. .. ......... .. . . .. .. ....
82
bb) Untergrenze des Beschränkungsverbots .... .... .............. .. ......
83
cc) Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat . .. . ... .. ... ... .... . .. . .... .. .... .. .. .. ..... . .. ...... .... . .
84
(1) Rechtssache Masgio . . . ....... ... .. .... .. . ......... .. . ... . .. . ... .
84
(2) Rechtssache Terhoeve .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
(3) Rechtssache Sehrer ............ . ............ . ............. . ... . ..
86
(4) Zusammenfassung ... ... .. . ..... . ...... .... ........ ..... . .. ......
87
dd) Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat . .... . ... . ..... . .... . ... . ... . .. . .. .. .............. . ......... ..
87
ee) Diskriminierung der eigenen Staatsangehörigen gegenüber EU-Ausländern in grenzüberschreitenden Sachverhalten .......... . . .. .. . .....
88
ff) Zusammenfassung ......... . .............. ... ............ . . . .........
88
b) Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit . . . . . ..... . ... . .... .. . . .. . ... . .
88
aa) Zugangsbeschränkungen . .... . .. ... . . ...... ..... . ... . ... . .. ... . .... ..
88
bb) Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat ............ .... ... . ......... ... ................. . ... . .....
89
cc) Untergrenze des Beschränkungsverbots .. . ...... . ...... ... . ... . ... ...
89
dd) Zusammenfassung . .. ..... .. ... . .. .. ... . . .. .. .. . .. .. .. .. .. ... . .......
90
c) Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit .. ... ... . . .. ... . .. .. . .. .. ... . . .
90
d) Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit .. .. .. .................... . ... . .
91
e) Ergebnis ........................................ .... ........... . . ... .... . .
92
3. Weites Verständnis des Beschränkungsverbots im Schrifttum . ... .. ... . ..... . .
92
4. Zugangsbeschränkungsverbot . .. . . . ... . ....... .. ... ... .... . ... . . . ... . ...... . .
93
Inhaltsverzeichnis
13
5. Ansicht des Generalanwalts Alber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
6. Ansicht des Generalanwalts Fennelly . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
7. Finalität und wirtschaftlicher Ordnungsrahmen als Konkretisierung des Beschränkungsverbots ........... . ................................... . ..........
98
8. Schrifttum zum Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit .. . ... . ..
99
a) Zugangsbeschränkungsverbot . . . . ......... . ... .. . .... . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . .
99
b) Gegenansicht .. . ................ . ..... . ...... . . . ... . . ............. ... .....
99
9. Stellungnahme .. ... ........... .. . .... ........ . . . . .. .... . ............. . ..... . . 100 a) Rechtsprechung des EuGH . . . ... .... . .. . .. ... ..... .. ... . . .. ....... . .. . .. .. 100 b) Weitest mögliche Ausdehnung des Beschränkungsverbots .. .. . . . ... .. .. ... 101 c) Vorgeschlagene Begrenzungen des Beschränkungsbegriffs .. . .. .... ....... 102 d) Übertragung von Keck auf die Freizügigkeit .... .. . . ......... . . ... . . . . .... 103 e) Unterscheidung in Zugangs- und Ausübungsregeln .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 f) Abgrenzung diverser Zugangsregeln ... . ... .. .... . ....... . .. . . . . .. .. . . ... . 107
aa) Grundlage................... . ............................. ... ........ 107 bb) Formale und materielle Zugangsregelungen .. . ............ ...... ..... 107 cc) Begrenzung auf rechtlichen Zugangsausschluß ... ..... .... . .. ... . .. . . 108 dd) Unterscheidung von Zugangsausschluß und Zugangsmodalitäten . .. .. 108 10. Lösung im Wege wertender Rechtsvergleichung zur Grundrechtslehre . ....... 109 a) Methode und Voraussetzungen .................................... . ... . ... 109 b) Vergleichbare spezifische Ziele und Strukturprinzipien . ... . . . ... . . ... . . .. . 110 aa) Art. 39 EG: ein Grundrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
(1) Bejahende Ansicht im Schrifttum . . . ...... . . . ........ . ... . ... . ...
111
(2) Gegenansicht im Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
(3) Stellungnahme... .. . .. .. . . . ........ . .. . .............. . .. . ..... . ..
112
bb) Anklänge grundrechtlicher Dogmatik in Rechtsprechung und Schriftturn .. . . .. . ... ..... ... .. . . . ... ... . .. ... . ..... .. ... . .. . .. .. .... . . ... ... 114 (I) Kausalität/Unmittelbarkeit ........ .. .. . .. . ........... . . . . .. ... . . 115 (2) Intensität.............. .. ........... . . .. ... .............. . .... .... 115 (3) Finalität......... . ..... . . . . . . ..... . ........ . ........... . .. . . . ..... 115 (4) Schutzgegenstand . . .. . . ..... . .. ... .. . . ... . ... .. .. . .. . .. . . . . . .. . .. 116 cc) Vergleichbare institutionelle und rechts staatliche Aspekte . .... . . ..... 116 c) Fazit........ . . . .................................................. . ........ 118 d) Grundsätze der europäischen Grundrechtslehre ... . . ... . ...... . . ... ........ 119 aa) EuGH .. ....... . .. ..... . ....... . . ..... ..... .... .. ....... .. . . . .. ... . .. . 119 bb) EuGMR .... . . . ...... . . . ............ ... . . . . . . .... . . . . ..... . .... . .. .... 119
14
Inhaltsverzeichnis e) Grundsätze im deutschen Verfassungsrecht ........... . ........ . ........... 119 aa) Allgemeine Grundsätze zu mittelbaren Grundrechtseingriffen ..... ... 119 (1) ModifIkation klassischer Merkmale .. ....... ... .... .. ......... . .. 120 (2) Weitere Merkmale............................................... 121 (a) Kausalität..... . ... ... .... . ..... .. ........ ... .. ... .... ... .. . .. 121 (b) Intensität .... .. ....... . ...... .. ........ . ....... . . . ...... .. ... 121 (c) Schutzzweck des betroffenen Grundrechts ... .. . ..... . ..... .. 122 (3) Zusammenfassung der Merkmale .. . ............... .. ......... . .. 122 bb) Konkretisierung anhand besonderer Grundrechte mit Bezug zu Art. 39 EG ... .... . . . .. . ......... . .... ... .. ..... ...... .... .... .. .... . ... . .... . 123 (1) Art. 11 GG .................................... .. . .......... . .. .. . 123
(2) Art. 12 GG ... . . .. . . . . .. . . . ... . . . . .. . . . .. . . . .. .. . . . .. . . . .... . .. . . . 123 f) Übertragung der Grundsätze auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
125
11. Ergebnis ..... . ... .. ......... .. ... . . . .. . . . ..... . .... . .......... .. ... .. . . . .. ... 126 VI. Beschränkung durch staatliches Unterlassen..... . . .. ..... .. ......... .. .... ... ... 127 1. Problemstellung.. .. . ... ... ... . . ..... .. .... . . . .. .. .... .. ... . . . . .. ... ....... ... 127 2. Herleitung der Schutzpflicht ................... . .......... .... .. . .... .... .... 127 3. Übertragung der Rechtsprechung auf die Freizügigkeit. ... . . ..... .. . . ... .. .. . 129 4. Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht .. . ........ . ........ ... ......... 130 a) Voraussetzungen der Schutzpflicht ....... . ... .. .................... .... ... 130 aa) Ansicht des EuGH .. ........ .. ....................................... 130 bb) Erfordernis verbotener Handelshemmnisse ... .... . . ...... .. ... .. ..... 131 ce) Gegenansicht . . ..... . ........ . ....... .... ...... ... ..... . . .. ..... . .... 131 dd) Stellungnahme................................... .. ....... . .......... 132 b) Erfüllung der Schutzpflicht ........ ... ..... . ... .. ... . .. . . ... ........ ... . . . 134 aa) Ansicht des EuGH .. . ....... .. ................ .. ......... .... ........ 134 bb) Ansicht im Schrifttum .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 135 ce) Stellungnahme.................................. . ........ .. .......... 136 5. Durchsetzung der Schutzpflicht . ...... . . .. ... ..... .... .. ... .. .. .. .. .. . ...... . 137 6. Ergebnis ... .. ....... . ........ . ....... .. ...... . ........ .. ....... . . . ........ .. . 138 VII. Verfahrensrechte aus Art. 39 EG . ....... .. .......... ... ........ .. . ..... ..... . . .. . 138 1. Einordnung des Problems .. .. ........ . .............. . .......... ... ........ . .. 138 2. Herleitung der Verfahrensrechte durch den EuGH ....... . . . .. . ... .. . .. ... . . . . 139 3. Herleitung aus dem Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot? ...... . .... 140 4. Umfang der Verfahrensrechte .... ..... ...... . . .. ....... .... ........ .. ... .. ... 143 5. Rechtsfolge ...................................................... .. .......... 145 6. Ergebnis ...... . .... .. .... .. .. . . . .. .. .. ... ..... .. ...... . . .. ..... .. .. ... ... . .. . 145
Inhaltsverzeichnis
15
VIII. Beschränkung durch Nichtgewähr einer Leistung? ............................... 145 IX. Negative Freizügigkeit .......................................................... 148 X. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht........................................... 149 1. Nichtgewähr einer Abfertigung nach § 23 Österreichisches Angestellten Gesetz (ÖAngG) ............................................................. 149 a) Problematik .............................................................. 149 b) Ansicht des EuGH ........................................................ 150 c) Ansicht im Schrifttum .................................................... 150 d) Ansicht des Generalanwalts Fennelly ..................................... 150 e) Stellungnahme.............................. . ............... . ............. 151 aa) Abwehrrecht aus Art. 39 EG ......................................... 151 bb) Leistungsrecht aus Art. 39 EG ........................................ 152 f) Ergebnis .................................................................. 153
2. Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III .................................... 153 3. Unverfallbarkeit der Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung nach § Ib Abs. 1 S. 1 BetrAVG .................................................... 154 a) Problemstellung ........................ . . . ...................... . ........ 154 b) Ansicht im Schrifttum .................................................... 155 c) Stellungnahme............................................................ 155 aa) Abwehrrecht aus Art. 39 EG ......................................... 155 bb) Schutzpflicht aus Art. 39 EG ......................................... 156 ce) Besonderheiten aufgrund § 17 Abs. 3 S. 1 BetrAVG .................. 158 d) Ergebnis.................................................................. 158 4. Verfallbarkeit beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge (§ 34 BBG) ............ 159 a) Problematik .............................................................. 159 b) Anwendungsbereich ...................................................... 159 c) Beschränkung der Freizügigkeit................................ . .......... 159 d) Ergebnis.................................................................. 161 5. § 624 BGB ................................................................... 161 6. Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 1,4 und 5 S. 2 BGB ...................... 162 a) Regelungsgehalt des § 622 BGB .......................................... 162 b) Beschränkung der Freizügigkeit durch § 622 Abs. 1 BGB ................. 163 c) Beschränkung durch § 622 Abs. 4 und 5 S. 2 BGB .................... . ... 163 7. §§ 74 ff. HGB ................................................................ 164
16
Inhaltsverzeichnis 8. AEntG und Richtlinie 96/71/EG ...... .. .......... . .. . .......... . ...... .. ... 165 a) Problematik ... . . ........ .. ... . .. . . .. .... .. .. .. . . ... ... . ... .. . .. .. ... . . ... 165 b) Anwendbarkeit des Art. 39 EG auf entsandte Arbeitnehmer... . . . ...... . .. 165 aa) Ablehnende Ansicht des EuGH und des Schrifttums . .. . .. . .. .. .... . . . 165 bb) Bejahende Ansicht im Schrifttum ..... ... ........ . ..... . ..... . ....... 166 cc) Stellungnahme....... . ..... .. . ... ...... . ........ . ...... . . ... ..... . . . . 166 c) Beschränkung der Freizügigkeit . ... ... ... .. . ... ......... .. .. .. . . ... ... . . .. 168 aa) Ablehnende Auffassung............. .. . ...... ... ...... .. ............. 168 bb) Stellungnahme.. . . . . ... .... . .. .... .. . . .. ... .. . .... .. .. . . .. .. ... . ... . . 169 d) Ergebnis . ........ . ...... . . . ........ . .. . .... . ....... . ........ .. . . ..... . .... 170 9. § 623 BGB ........ . .. .. . . .. .... .. . .. ... ........ .... ..... . . .. .... ... ... . .. . ... 170 10. Ergebnis... . .................... . ..................... . ...................... 170
Xl. Rechtfertigung einer Beschränkung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 170 1. Grundlage . ... .. . ... ... ........ .. ... . ... ... .... . .... .. .... . ... ... ...... ... .. . 170
2. Herleitung und Verhältnis zu den Schranken des Art. 39 Abs. 3 EG .... . .. .. .. 171 a) Rechtsprechung des EuGH . .. ...... .... ... .... . . . .. .... . .. ... ..... . .. . ... . 171 b) Ansicht im Schrifttum .. . ....... . ........................... . ............. 172 c) Analogie zu Art. 46 EG . ... ..... .. . .. ...... ...... .. . . .. . . .... .... .. .. . ... . 172 d) Gegenansicht ............ . ....... .... ....... . ...... .. ............. .. ...... 173 e) Stellungnahme..... .. .. ... . . ..... ... .. . ..... ... .... ... . . ... .... ... ..... ... 173 3. Verhältnis zu der Rechtfertigung diskriminierender Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Fragestellung .. .. .. ... .. ... . ... ... ........ ... .. . ...... .. .... . .. ... ... ..... 174 b) Ansicht im Schrifttum . .. ........ . ....... ... ..... ... ........ .. ...... . . . ... 175 c) Stellungnahme.. ... ...... ... ........ . ...... .. . .. ...... . .... ...... ..... .... 175 4. Ausprägungen des Allgemeininteresses ........ . ..... . ........ . ......... . .... 176 a) Wirtschaftliche Erwägungen ..... . ....... . . . ..... . .. . . . ....... . .. . .. . .. ... 176 b) Sport ................................ . ... .. ....... . ....... .. ......... .. ... 176 aa) Funktionsfahigkeit sportlicher Wettkämpfe ..... ... ..... .... ....... ... 176 bb) Finanzielles und sportliches Gleichgewicht der Vereine .... . .... .. .... 177 cc) Motivation zur Ausbildung ... .. ........ .. ...... ... ...... . ........ ... . 177 dd) Schutz der Organisation des weltweiten Fußballs .. . .. .... ... .. .. .. . .. 177 ee) Kostenausgleich .... . . . ............................................... 178 c) Kohärenz des Steuersystems ... .. ........ .. .......... .. ...... ... . .... . . .. . 178 aa) Rechtsprechung des EuGH .. . . . ....... . ...... .... ...... ... ...... ... .. 178 bb) Kritik im Schrifttum ...... .. .. .. ... .. .. ... .... ... ....... .. ....... .. . . 178
Inhaltsverzeichnis
17
d) Arbeitnehmerschutz ...................................................... 179 aa) Rechtsprechung des EuGH ........................................... 179 bb) Stellungnahme ................ .. ..... .. ...... . ....................... 179 e) Gesundheit ................................................ . ........ . . . ... 180 f) Mißbrauchsverbot ................................................. .. ..... 180
g) Gefährdung des nationalen Steuer- und Sozialabgabensystems ...... . . . ... 181 h) Administrative Schwierigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 i) Honorierung der Treue zum Arbeitgeber.................................. 182 j) Wahrung des Arbeitsfriedens .............................................. 182 5. Rechtfertigung durch kollidierendes Vertragsrecht / Grundrechte ......... . . . . . 182 a) Kollidierendes Vertragsrecht .............................................. 182 b) Grundrechte .............................................................. 183 aa) Art der Berücksichtigung der Grundrechte............................ 183 (1) Ansicht des Generalanwalts Lenz und des EuGH ................. 183 (2) Gegenansicht im Schrifttum...................................... 184 (3) Stellungnahme................................................... 184 bb) Grundrechte des Beschränkenden .................................... 185 cc) Berufsfreiheit des Arbeitnehmers..................................... 185 c) Differenzierte Rechtfertigung nach Beschränkungsintensität .............. 185 6. Ergebnis ..................................................................... 186
2. Kapitel
Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
187
I. Einleitung ............................... . ..... . ............... . ............... . . 187
11. Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 III. Ansichten und Stellungnahme................................................... 188 1. Ansicht des EuGH ........................................................... 188 a) Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG ............................ 188 aa) Rechtssache Walrave ............................... . ............... . . 188 bb) Rechtssache Domi .................................................... 189 cc) Rechtssache Haug-Adrion ............................................ 190 dd) Ausländerklauseln im Profisport (Rechtssache Bosman) .............. 190 ee) Vordienstzeiten im öffentlichen Dienst ............................... 191 ff) Rechtssache Angonese ...............................................
191
gg) Fazit Diskriminierungsverbot ......................................... 193 2 Roloff
18
Inhaltsverzeichnis b) Beschränkungsverbot des Art. 39 EG .... . ...... .. .... . ........ .. . .. .. . . . . 194 aa) Rechtssache Bosman ..... .. .. . .......... . ... .. .......... . . . ... . ...... 194 bb) Rechtssache Lehtonen .... . . ................ . ... . ..................... 195 cc) Rechtssache Bobadilla ....... . ........ . ............ . ......... . . . . .... 195 dd) Fazit ... . .... . .................................. . ............ . . . . . .. .. 196 c) Rechtsprechung zur Drittwirkung anderer Grundfreiheiten ... . .... ... ..... 197 aa) Warenverkehrsfreiheit . . .............................................. 197 bb) Dienstleistungsfreiheit ....................... . .......... . ....... . .... 197 cc) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 198 d) Fazit.................. . ...... . ... . ................ . ....................... 198 2. Ablehnende Ansichten im Schrifttum ............... . . . ....... . .......... . ... 198 a) Kompetenzgriinde ............ ... .... . .......... . .. ........ . ..... . .... . ... 198 b) Rechtsstaatliche Griinde . ..... ..... ............. . . .. ... . ..... . ... . .. . . . ... 199 c) Systematik des EG-Vertrages .. . ......... . ...... . .. .. ............ . . . . . . . .. 200 3. Differenzierende Ansichten ....... . ................................. .. ....... 201 a) Unmittelbare Drittwirkung bei "Rechtlicher Zwangsläufigkeit" . . ... . . . ... 201 b) Praktische Konkordanz .................... . ................. . ............ 202 c) Spiirbarkeit der Beschränkung durch Private . . . .. ............. .. ....... . .. 203 d) Auf Diskriminierungsverbot und intermediäre Gewalten begrenzte unmittelbare Drittwirkung ...................................................... 204 e) Unmittelbare Drittwirkung nach Vertragsende ........ . .......... . ... . ..... 206 4. Bejahende Ansicht im Schrifttum . . . .. .......... . .. .... . . ..... .. ... .. . . .... . . 208 5. Stellungnahme . .................. . ................. . .............. .. ... . ..... 209 a) Relevanz der Fragestellung ..................... . ......................... 209 b) Ableitung aus der Rechtsprechung des EuGH . ............. . ... . .. . ....... 209 c) Untaugliches Kriterium der nachvertraglichen Beschränkung .. . .... . ..... 212 d) Gegen eine Unterscheidung intermediärer Gewalt und sonstiger Privater.. 214 e) Systematische Argumente ................................................ 216 aa) Art.81,82EG ........ ... .............. .. . . ....................... . .. 216 bb) Art. 86 Abs. 1 und 2 EG .. .. ... . .......... . ... . . . ........ . . . .......... 219 cc) Schwierige Konkurrenz zwischen Wettbewerbsregelungen und unmittelbar drittwirkendem Beschränkungsverbot .................. ... ..... 220 dd) Art. 226, 85 EG ...................................... . .......... . .... 220 ee) Art. 141 EG ....... .. . .. . .. ... . ... . ...... .. . . . .......... . ........... . . 221 ff) Art. 12 EG ......... . . . . .. .. .. .. .............. . .............. . ........ 221
Inhaltsverzeichnis
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f) Teleologische Argumente I effet utile .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
g) Einheitliches Verständnis der Grundfreiheiten ... .... ... . ...... .. .. . . . . .. .. 222 h) Pflicht zur gesetzeskonformen Rechtsfortbildung ................. . ....... 223 i) Fehlende Übertragungsmöglichkeit der Schranken des Art. 39 Abs. 3 EG und der Allgemeininteressen . . . . . ..... . ... .. .. .. ... . ............ .. .... . ... 224 j) Staatstheoretische Überlegungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225
k) Wertende Rechtsvergleichung zur Drittwirkung der Grundrechte .......... 227 I) Konkretisierung der vertikalen Einwirkung des Beschränkungsverbots .... 231 aa) Kollektive Regelungen .... ... .... . ... . ... ... ............ . ... .. . .. ... . 232 (1) Tarifnormen . .... . ..... .. . . .. . ... .. . . ... . ... . ... . ... . ... . ....... . 232
(2) Betriebsvereinbarungen ........... . .. . .... .. ........ . .... .. ...... 234 (3) Verbandsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 234 bb) Individualvereinbarungen . ... .. . ........ . .. . ............... .... .. . ... 236 m) Ergebnis.. . .... . . . ... . .... . . . . .. .. .. ...... .. . . .. .. ... . ....... . ... ....... . . 237 6. Ergebnis . . . ... ..... . .. . . . ... . ... ..... .. . ... . ....... .... .. .. ..... ... ...... . ... 238 IV. Rechtsfolgen unzulässiger privater Beschränkungen . . ................. .. .. . ..... 238 1. Vertragliche Absprachen . .......... . .............. . .......................... 238
a) Ansicht im Schrifttum .. .... .. . . .... . ... . ... .. .. . . . ..... . . . ...... . . .... . . . 238 b) Ansicht des EuGH ............ . ............................... . ........... 238 c) Stellungnahme............................. . .. . . . ... . .............. . ...... 239 aa) AlIgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 239 bb) Kollektivvereinbarungen . .... .... . ... .. ... .. .. . ... . .................. 240 cc) Individualvereinbarungen .. .... . ... . ....... ... . . ........ . .... . . . . . ... 241 2. Schadensersatz................... . ................................. . ......... 241 a) Ansicht im Schrifttum . . .. .. ............... ..... .. . . . ........ ..... . . . . . ... 241 b) Stellungnahme .... ... . ... . ... . . .... . . . . .. . ........ .. . .. . . ...... . ...... . ... 241 3. Ergebnis .......... . . . ........ .... ............. . .. .. .. . . . ...... . . ... .. . . ...... 242 V. Anwendungsbeispiele ........... . ... .. ............ . ... . ................ . . .. ..... 242 1. Rechtliche Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis .. . . . . . . . . . . .. 242 a) ProblemstelIung . ... . ...... . ... .... ..... . ...... .. . .. ... . ... . ........... . .. 242 b) Ausschluß der ordentlichen Kündigung durch Befristung des Arbeitsverhältnisses ..................... . ................. .. ............... .... ..... 242 c) Fortgesetzter Ausschluß der ordentlichen Kündigung durch Verlängerungsklauseln .... . .... .. .. .... . . . .. .... . ... . .. .. ... . ... .. .. . .. .... . .. .. . .. 243 d) Die Vereinbarung längerer Kündigungsfristen .. .. ... . .. . .. . ............... 244
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Inhaltsverzeichnis e) Besonderheiten im Profisport? ...... . . . ................................... 252 aa) Grundlage............................................................ 252 bb) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 254 (1) Ansicht der Europäischen Kommission........................... 254 (2) Gegenansicht im Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 255 cc) Ansichten zu den Verlängerungsoptionen ............................. 256 (1) Umgehung des Art. 39 EG durch § 11 Abs. 4 Lizenzspielervertrag 256 (2) Gegenansicht .................................................... 257 (3) Umgehung des Art. 39 EG durch alle Verlängerungsoptionen ..... 259 (4) Gegenansicht .................................................... 260 dd) Stellungnahme ....................................................... 260 (1) Umgehung des Art. 39 EG? ...................................... 260 (2) Umgehung des Bosman-Urteils? ................................. 261 (3) Bindung an den Vertrag als Beschränkung der Freizügigkeit? ..... 262 (4) Vereinbarung einer "Ablösesumme" im Arbeitsvertrag ........... 265 (5) Einseitigkeit der Option als Nichtigkeitsgrund? . . .. . . . .. . . . . ... . .. 269 (6) Besonderheiten aufgrund der Formulareigenschaft ............... 274 ee) Ergebnis ............................................................. 276 f) Ergebnis .................................................................. 276
2. Faktische Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis ............... 276 a) Allgemein ................................................................ 276 b) Vertragsstrafe bei ordnungsgemäßer Arbeitnehmerkündigung ............. 277 c) Vorenthalten von Lohnbestandteilen bei der Arbeitnehmerkündigung ..... 279 d) Nichtgewähr von Sondervergütungen bei der Arbeitnehmerkündigung .... 281 aa) Sondervergütung mit Stichtagsklausel ................................ 281 bb) Sondervergütung mit Mischcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (1) Problematik...................................................... 284 (2) Lösung durch das BAG ...... . ..................... . .......... . .. 285 (3) Stellungnahme ................................................... 286 cc) Sonderfall "Treueprämie" ............................................ 287 (1) Ansicht des BAG ....................... . .......... . .......... . .. 287 (2) Stellungnahme ................................................... 288 dd) Ergebnis ............................................................. 289 e) Verfallbarkeit von Anwartschaften aus betrieblicher Altersversorgung..... 289 f) Übernahme einer vom Arbeitnehmer abgeschlossenen Lebensversicherung 290
aa) Entscheidung des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 290 bb) Stellungnahme....................................................... 290
Inhaltsverzeichnis
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g) Rückzahlung von Gratifikationen und sonstigen Sonderleistungen für Betriebstreue ... .. ... .. ... . . .. ... .. . . . . . . .... . ..... . .. .. ...... .. .. . .. . .. ..... 291 aa) Individualvertrag ........... . ........ . ...... . ............... . ......... 291 (1) Problematik..... . .. . ............................................. 291
(2) Lösung des BAG und des Schrifttums . . ... .. .. ...... . . .. . . ... . ... 291 (3) Stellungnahme . ... ... .... . . . ... . .... ... . .. .. .. .. .. .. ... .. . ... . ... 293 (4) Bewertung der Rechtsfolgen abweichender Vereinbarungen ... ... 296 bb) Besonderheiten bei Tarifverträgen ................. . ............... . .. 297 h) Rückzahlung eines Darlehens und Zinsanpassung ... . .... . ........... . .. . . 298 i) Rückzahlung von Fort- und Weiterbildungskosten .. . . ....... . . . . . . . . .. . .. . 299 aa) Problematik .... .. .... . ..... . . . . . .. . . . ..... .. ... .. .. . ..... ... ... ... . . . 299 bb) Individualvertragliche Absprache ............................... . . . .. 300 (1) Ansicht des BAG und des arbeitsrechtlichen Schrifttums ...... . .. 300
(2) Stellungnahme . .. .. . ........ ... . .. .. ... ... . ... .. . .. . . .. .. .... . . .. 301 ce) Tarifvertrag ..... ... ... . . . .... . . . ... ........... .. . ... .. .. .. . . .. . . ..... 303 dd) Individualvertragliche Rückzahlungsklause1n im Profisport . . . . . . . . . .. 303 (1) Grundsatz........................................................ 303 (2) Ansicht im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (3) Ansicht des Österreichischen OGH . .. . .. . . ... . . ... .. . . . . .. .. . .. . . 305 (4) Kritik im Schrifttum an dieser Entscheidung . .. ...... . .... . ...... 306 (5) Ansicht im Schrifttum.. . . .. . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . .. . . .. . . . . . .. . . .. 307 (6) Stellungnahme....... . ................ .. . . ............ . . . .. . ..... 307 ee) Rückzahlungsklauseln in Verbandsvorschriften des Profisports ...... . 309 (1) Problematik ........... ... ... ... ...... ... ... . .. .. .. . .. .. ...... . .. . 309
(2) Ansicht des Generalanwalts Lenz . . .. . . .... ........... . . . . .. ..... 309 (3) Ansicht der deutschen Rechtsprechung und Literatur ... . . ..... ... 310 (4) Ansicht im europäischen Schrifttum . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . 311 (5) Stellungnahme ..... .. ..... .. .... . .. . ... . . ..... . .. .. .. .. . .. .. . . .. . 311 j) Rückzahlung von Umzugskosten .......... .. . . . ...... ........... .... . . .... 315 aa) Grundlage ................ ... ...... .. ................. . .... . .......... 315 bb) Ansicht des BAG .... . .... ... ........................... . . . .. . ... . . . . 315 ce) Ansicht im Schrifttum . . . . . . . . . ...... . ... .. .. .. .. .. ... . ...... . .. .. ... . 315 dd) Stellungnahme ....... ... ..... .. ........... .. .. ..... .... . ..... .... .... 316 3. Verbandsregeln im Profisport .... . ... .. ............ .... .... .. ...... ...... ..... 317 a) Transferfristen ................ ... ... . ......... . .. .. ............. . . ..... ... 317 aa) Regelungsgegenstand ... . . .. .. .. ... . .. . .. .. . .. .. ....... .. . .. ... . ..... 317 bb) Bewertung ... . ... .... . .... . . . .. ....... ..... . ... . ..... . . ..... ....... . . 317
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Inhaltsverzeichnis b) Internationaler Freigabeschein ............................................ 319 aa) Grundlage ................................. . ... .. ............. ...... .. 319 bb) Ansicht des Generalanwalts Lenz .................................... 319 ce) Ansicht im Schrifttum................ . ............................... 320 dd) Stellungnahme ........... . ........................................... 320 c) Pflicht zur Aufnahme in die Transferliste ... ... ........... . .............. . 322 aa) Allgemein............................................................ 322 bb) § 13 Ziffer 6 lit. a) Lizenzordnung Spieler ............................ 322 ce) § 13 Ziffer 61it. e) 2. Alt. LV.m. § 7 Ziffer 2 Lizenzordnung Spieler .. 323 d) Ergebnis ... .... .............. ..... ................................. .. ..... 324 e) Die "Flucht in den Tarifvertrag" als Ausweg? ....... .. . . .............. .. .. 325 4. Sonstige individualvertragliche Absprachen......... . ............ ..... ....... 326
VI. Ergebnis................. . ............................................. . ......... 328
3. Kapitel
Anwendung des Beschränkungsverbots auf ötTentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
329
I. Einleitung ........................ .. ............................................. 329 11. Bindung der Mitgliedstaaten als Arbeitgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 329 1. Rechtsprechung des EuGH .......................... . ... . .................... 329 2. Ansicht des Generalanwalts Fennelly ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 331 3. Ansichten im Schrifttum............................ .. ........... . ........... 332 4. Stellungnahme ............................................................... 332 a) Kritik an der Ansicht im Schrifttum....................................... 332 b) Fehlende Abgrenzung fiskalischen Verhaltens............................. 333 c) Rechtsprechung zu den Richtlinien ....................................... 334 d) Privatautonomie .......................... . ........ . ...................... 336 e) Art. 86 Abs. 1 EG ......................................................... 336 f) Einheitliche Behandlung aller Arbeitgeber ...................... . ......... 337
g) Grundrechtsdogmatik .......... .. ............... .. ........................ 337 5. Ergebnis ................................................ . .......... ... ....... 338 III. Bindung von Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 339 1. Problemstellung.............................................................. 339 2. Begriff des Unternehmens in Art. 86 Abs. 1 EG .............................. 339
Inhaltsverzeichnis
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3. Ansicht der Rechtsprechung.................................................. 339 4. Ansicht im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 340 5. Differenzierende Ansicht..................................................... 341 6. Ablehnende Ansicht.......................................................... 341 7. Auffassung des Generalanwalts Lenz und Da Cruz Vila..a .................... 341 8. Stellungnahme............................................................... 341 a) Wortlaut und Zweck des Art. 86 Abs. 1 EG ............................... 341 b) Gleichbehandlung mit fiskalisch handelndem Mitgliedstaat ............... 342 c) Ungleichbehandlung privater Arbeitgeber................................. 343 d) Wertende Rechtsvergleichung .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 343 9. Ergebnis ..................................................................... 343 IV. Bindung von Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 344 1. Problematik und Begriff der Unternehmen ................. . ...... . .......... 344 2. Ansicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 344 3. Ansicht im Schrifttum........................................................ 344 4. Ansicht im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 345 5. Stellungnahme............................................................... 345 V. Ergebnis......................................................................... 346
Schluß .... ............................................................................ 347
Literaturverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 348
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 363
Einleitung Art. 39 Abs. 1 EG garantiert innerhalb der europäischen Gemeinschaft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die Freizügigkeit wird durch die Inländergleichbehandlung aller Arbeitnehmer nach Art. 39 Abs. 2 EG und die besonderen Freizügigkeitsrechte nach Art. 39 Abs. 3 EG gewährleistet. Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz in einen anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft verlagern, dürfen bei den Arbeitsund Aufenthaltsbedingungen nicht schlechter behandelt werden als einheimische Arbeitnehmer. Das ausführlich diskutierte Diskriminierungsverbot 1 ist nicht frei von Schwächen. Insbesondere sieht es keine Sanktion für Maßnahmen der Mitgliedstaaten vor, die den Zugang zu fremden Arbeitsmärkten für alle Arbeitnehmer ohne Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit versperren. In solchen Fällen werden die Arbeitnehmer zwar nicht wegen ihrer Staatsangehörigkeit schlechter behandelt. Sie werden aber benachteiligt, weil sie ihr Recht auf Freizügigkeit im Binnenmarkt in Anspruch nehmen. Solche Maßnahmen halten Arbeitnehmer davon ab, Arbeitsmärkte zu wechseln und konterkarieren so die Freizügigkeit. Inzwischen wächst das Gespür für diese nichtdiskriminierenden Beschränkungen der Freizügigkeit. Das hängt damit zusammen, daß die Mobilität der Arbeitnehmer zunimmt und dem Binnenmarkt nicht mehr hauptsächlich durch Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit Schranken gezogen werden. Es wird zudem immer schwieriger, Arbeitnehmer nach ihrer Staatsangehörigkeit zu unterscheiden. Ein Arbeitnehmer kann in einem Mitgliedstaat ansässig sein und nicht dessen Staatsangehörigkeit besitzen. Arbeitnehmer werden auch durch den eigenen Mitgliedstaat an der Ausübung ihrer Freizügigkeit gehindert, wenn sie diesen verlassen oder in ihn zurückkehren. Die fremde Staatsangehörigkeit kennzeichnet nicht mehr die Arbeitnehmer, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, so daß das Verbot der Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit nicht mehr alle dem Binnenmarkt entgegenstehenden Maßnahmen erfaßt. Dennoch ist die Freizügigkeit nach Art. 39 Abs. 1 EG innerhalb der Gemeinschaft umfassend zu gewährleisten. Die Freizügigkeit muß sich daher auf ein von der Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit losgelöstes, "absolutes" Freiheitsrecht zubewegen, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Der EuGH hat diese Entwicklung am 15. 12. 1995 bestätigt: 2 Bestimmungen, die einen Staatsan1 Heyer, Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit; Fabis, Die Auswirkungen der Freizügigkeit gemäß Art. 48 EG-Vertrag auf Beschäftigungsverhältnisse im nationalen Recht. 2 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921 ff. = EuZW 1996, S. 82 ff.
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Einleitung
gehörigen eines Mitgliedstaates daran hinderten oder davon abhielten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellten Beeinträchtigungen der Freizügigkeit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung fanden? Durch diese Formel gerät aber eine Vielzahl von Gesetzen und Maßnahmen auf den Prüfstand des Art. 39 EG. Fraglich ist, ob diese Entwicklung die "Deiche des europäischen und nationalen Arbeitsrechts,,4 bestehen lassen oder das Arbeitsrecht "zwischen Markt und Angleichung zermahlen"s wird?
3 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5069 =EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 96. 4 Hanau, RdA 1999, S. 159, 160. 5 Adomeit, NJW 1998, S. 2021, 2022.
1. Kapitel
Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG I. Begriff des Beschränkungsverbots Bei den Grundfreiheiten des EG-Vertrages wird zwischen dem Verbot, Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten zu diskriminieren (Diskriminierungsverbot), und dem Verbot, die Ausübung einer Grundfreiheit unterschiedslos für In- und Ausländer zu beschränken (BeschränkungsverbotI), differenziert. Das Beschränkungsverbot setzt keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit voraus und wird deshalb auch als absolutes Freiheitsrecht bezeichnet. 2 Der Begriff des Beschränkungsverbots ist in Abgrenzung zum Diskriminierungsverbot geeignet, unterschiedslose Beschränkungen und Behinderungen des Freizügigkeitsrechts nach Art. 39 EG zu erfassen. Fraglich ist aber, wie allgemein es zu verstehen, wie es zu konkretisieren und wie es vom Diskriminierungsverbot abzugrenzen ist.
1 LAG Schieswig-Hoistein, Beschluß v. 12.6. 1998, NZA 1998, S. 1248: "Art. 48 EGV enthält nicht nur ein Diskriminierungsverbot, sondern darüber hinausgehend auch ein Beschränkungsverbot"; Heyer, Diskrirninierungs- und Beschränkungsverbot im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit, S. 193; Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 210; Lenz/ Scheuer Art. 39 EG, Rn. 35 ,,Behinderungsverbot"; Callies / Ruffert / Brechmann Art. 39 EG, Rn. 48; Groeben / Thiesing / Ehlermann / %lker Art. 48 EGV, Rn. 6; BVerwG, Beschluß v. 5. 3. 1996, Buchholz 401.61, Zweitwohnungssteuer, Nr. 11, S. 12, 13 ,,Beschränkungsverbot"; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts/ Hailbronner, D I, Rn. 41d; Trommer, Die Transferregelungen im Profisport, S. 63 f.; 0'Keeffe / Osbome, Revue du Marche Unique Europeen 1996/1, S. 17,34: "Obstac1es la libre circulation"; Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, S. 37; Lenz / Scheuer Art. 39 EG, Rn. 35; Callies / Ruffert / Brechmann Art. 39 EG, Rn. 48; Schwarze / Schneider / Wunderlich Art. 39 EG, Rn. 41; Mojzesowicz, Möglichkeiten und Grenzen einer einheitlichen Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 25; Grabitz/ Hilf/ Randelzhojer/ ForsthoffVor Art. 39-55 EG, Rn. 86; Ehlers, Jura 2001, S. 266, 270. 2 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 213.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
11. Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots 1. Ansicht des EuGH und des überwiegenden Schrifttums Aus der Rechtsprechung des EuGH ging lange Zeit nicht klar hervor, ob Art. 39 EG ein allgemeines Beschränkungsverbot enthält. 1995 hat der EuGH3 jedoch nach überwiegender Ansicht die Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots für Art. 39 EG anerkannt. 4 In der Urteilsbegründung führt der EuGH aus: "Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen des Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden"s. Der EuGH hat damit nichtdiskriminierende Beeinträchtigungen der Freizügigkeit an Art. 39 EG gemessen, sofern sie geeignet sind, die Ausübung der Grundfreiheit zu behindern. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer stelle einen der fundamentalen Grundsätze der Gemeinschaft dar und die Bestimmungen des Vertrages, die diese Freiheit garantierten, hätten seit dem Ende der Übergangszeit unmittelbare Wirkung. 6 Diese Bestimmungen stünden Maßnahmen entgegen, die Gemeinschaftsangehörige benachteiligten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollten.? Die Gesamtheit der Vorschriften über die Freizügigkeit solle den Gemeinschaftsbürgern die Ausübung jeder Art von Erwerbstätigkeit im gesamten Gebiet der Gemeinschaft erleichtern. 8 Dabei greift der EuGH auf seine bisherige Rechtsprechung zur Freizügigkeit, insbesondere auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit zurück. 9 Die Staats3 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 96. 4 LAG Schleswig-Holstein, Beschluß v. 12. 6. 1998, NZA 1998, S. 1248; Weth! Kerwer; JuS 2000, S. 425,428; Hobe, JuS 1996, S. 486, 489; Schilling, EuGRZ 2000, S. 3, 10; Hilf! Pache, NJW 1996, S. 1169, 1172; Schroeder; Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 256; Eberhartinger; EWS 1997, S. 43, 48; Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 343; Daniele, E.L.Rev. 1997, S. 191, 195; Hilson, E.L.Rev. 1999, S. 445, 452; Mart(n, E.L.Rev. 1996, S. 313, 321; Rothfuchs, Die traditionellen Personenverkehrsfreiheiten des EG-Vertrages und das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger, S. 66; Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 31; Schneider; NJ 1996, S. 512,513; Zuleeg, Festschrift Everling, S. 1717, 1722; Lenz!Scheuer Art. 39 EG, Rn. 35; Callies!Ruffert!Brechmann Art. 39 EG, Rn. 50; Schwarze! Schneider! Wunderlich Art. 39 EG, Rn. 41. 5 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 96. 6 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5068 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 93. 7 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 5068 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 94. 8 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1988 (Stanton), Slg. 1988, S. 3877, 3894, Rn. 13. 9 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1988 (Stanton), Slg. 1988, S. 3877, 3894, Rn. 9 ff.; EuGH, Urteil v. 7. 3.1991 (Masgio), Slg. 11991, S. 1119, 1139, Rn. 18.
II. Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots
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angehörigen der Mitgliedstaaten hätten das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten. 10 In diesem Zusammenhang geht der EuGH auf seine Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit ein. Sie verbiete es dem Herkunftsstaat, neben der Inländergleichbehandlung die Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat zu beeinträchtigen. 11 Die Freiheit verlöre ihre Substanz, wenn ein Herkunftsstaat dem Berufstätigen das Verlassen des Landes verbieten könnte. 12 Das gelte genauso für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Wie bei den anderen Grundfreiheiten 13 hat der EuGH damit ein über das Diskriminierungsverbot der Freizügigkeit hinausgehendes Verbot nichtdiskriminierender Beschränkungen der Freizügigkeit anerkannt. Diese Ansicht hat der EuGH in anderen Entscheidungen wiederholt, wo die Rede von verbotenen "Hindernissen" und "Beschränkungen" für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer iSt. 14 Das überwiegende Schrifttum ist dem EuGH und dessen Herleitung gefolgt. 15
\0 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. 11995, S. 4921, 5069 =EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 96. II EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. 11995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 97 unter Verweis auf sein Urteil v. 27. 9. 1988 (Daily Maii), Sig. 1988, S. 5483, 5510, Rn. 16. 12 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. 11995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 97. 13 Zur Dienstleistungsfreiheit EuGH, Urteil v. 3. 12. 1974, (Van Binsbergen), Sig. 1974, S. 1299, 1309, Rn. 10; Warenverkehrsfreiheit: EuGH, Urteil v. 11. 7. 1974 (Dassonville), Sig. 1974, S. 837, 852, Rn. 5; Niederlassungsfreiheit: Urteil v. 31. 3. 1993, (Kraus), Sig. I 1993, S. 1663 ff. 14 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Sig. 11999, S. 345, 389, Rn. 37; EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 522 = EuGRZ 2000, S. 48, 50 = EuZW 2000, S. 252, 253 = AP Nr. 2 zu Art. 39 EG, Rn. 21, 23; EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681,2732 = EuZW 2000, S. 375, 378 = NZA 2000, S. 645, 648, Rn. 47 -50; EuGH, Urteil v. 18. 1. 2001 (Kommission/ltalien), EuZW 2001, S. 187, 188, Rn. 20. 15 Wethl Kerwer, JuS 2000, S. 425, 428; Hobe, JuS 1996, S. 486, 489; Schilling, EuGRZ 2000, S. 3,10; Hilfl Pache, NJW 1996, S. 1169, 1172; Schroeder, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 256; Eberhartinger, EWS 1997, S. 43, 48; Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342,343; Daniele, E.L.Rev. 1997, S. 191, 195; Hilson, E.L.Rev. 1999, S. 445, 452; Mart{n, E.L.Rev. 1996, S. 313, 321; Rothfuchs, Die traditionellen Personenverkehrsfreiheiten des EG-Vertrages und das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger, S. 66; Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 31; Schneider, NJ 1996, S. 512, 513; Zuleeg, Festschrift Everling, S. 1717, 1722; O'KeeffeIOsbome, Revue du Marche Unique Europeen 199611, S. 17, 24 f.; Jarass, EuR 2000, S. 705, 710 f.; Eilmannsberger, ÖJBI 1999, S. 345, 347; Lenz I Scheuer Art. 39 EG, Rn. 35; Callies I Ruffertl Brechmann Art. 39 EG, Rn. 48; Schwarze I Schneider I Wunderlich Art. 39 EG, Rn. 41.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
2. Ablehnende Ansicht Vom BVerwG und Teilen des Schrifttums wird die Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots, insbesondere in der Rechtsprechung des EuGH, bestritten. 16 Die Grundfreiheiten enthielten lediglich ein weit zu verstehendes Diskriminierungsverbot. 17 Die Arbeitnehmer würden nur von der Ausübung ihrer Freizügigkeit abgehalten, wenn ihnen eine Inländergleichbehandlung vorenthalten werde. Der EuGH habe daher im Bosman-Urteil kein umfassendes Beschränkungsverbot begründet. 18 Er habe lediglich zwischen der unzulässigen Diskriminierung und dem Recht auf Ausreise differenziert. 19 Ein Beschränkungsverbot schränke den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten zu sehr ein. 2o Die Überprüfung nationaler Vorschriften, die unterschiedslos Anwendung fänden, stelle schlicht eine Überprüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung dar. Dafür böten die Grundfreiheiten keine ausreichende Grundlage. 21 Zudem fehle es der Gemeinschaft aufgrund des Subsidiaritätsprinzips an der Kompetenz zu einer umfassenden Prüfung mitgliedstaatlieher Maßnahmen?2 Die Grundfreiheiten schützten nur vor Beschränkungen, wenn die Maßnahme der Mitgliedstaaten nicht durch nationale Grundrechte erreichbar sei?3 Beschränkungen seien folglich nur dann von Art. 39 EG erfaßt, wenn sie diskriminierenden Charakter hätten. Ansonsten bestünden keine Auswirkungen auf den Binnenmarkt. 24
3. Ansicht des Generalanwalts Lenz Der Generalanwalt Lenz hat in seinen Schlußanträgen zu Bosman die Auslegung von Art. 39 EG als Beschränkungsverbot vorgezeichnet. 25 Art. 39 EG verbiete eine 16 BVerwG, Beschluß v. 5. 3. 1996, Buchholz 401.61, Zweitwohnungssteuer, Nr. 11, S. 12, 13; Palme, JZ 1996, S. 238, 241; Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 84 ff.; Oetker! Preis! Runggaldier, EAS B 2000, Rn. 56; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts! Hailbronner, D I, Rn. 41d, Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 193 ff.; Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 412; Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 599 f.; Jarass, RiW 1993, S. 1, 5; Jarass, EuR 1995, S. 202, 216 f.; inzwischen hat er diese Ansicht ausdrücklich aufgegeben: EuR 2000, S. 705, 710 f. 17 Palme, JZ 1996, S. 238, 241; Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 599 f.; Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 84 ff.; Oetker! Preis! Runggaldier, EAS B 2000, Rn. 56; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts! Hailbronner, D I, Rn. 41d. 18 Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts! Hailbronner, D I, Rn. 41d. 19 Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts! Hailbronner, D I, Rn. 41d. 20 Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts! Hailbronner; D I, Rn. 41d. 21 Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 600. 22 Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 104. 23 Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 111. 24 Palme, JZ 1996, S. 238,241.
11. Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots
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Beschränkung der Freizügigkeit als Diskriminierung von Personen, die das Land verlassen, und solchen, die im Land verbleiben wollten?6 Ausgangspunkt aller Grundfreiheiten sei Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG, der zu den grundlegenden Zielen des EG-Vertrages gehöre. 27 Der Generalanwalt leitet ein allgemeines Beschränkungsverbot aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu den übrigen Grundfreiheiten ab und untermauert diese Herleitung mit der Bedeutung der Freizügigkeit als Grundrecht der Arbeitnehmer. 28
4. Stellungnahme a) Das allgemeine Beschränkungsverbot als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung
Wenn ein deutscher Generalanwalt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer als Grundrecht bezeichnet, so ist dies zwar ein Indiz für einen absoluten Gehalt, den Art. 39 EG erworben haben könnte. Klarheit über die Allgemeinheit des Beschränkungsverbots kann aber nur dessen Herleitung verschaffen. Steht das Beschränkungsverbot in engem Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot, so liegt eine Begrenzung auf das Verbot der Diskriminierung bestimmter Sachverhalte nahe. Wird das Verbot hingegen aus allgemeinen Grundsätzen abgeleitet, wird die Unabhängigkeit des Beschränkungsverbots vom Diskriminierungsverbot deutlich.
aa) Abgrenzung und Zulässigkeit der Rechtsfortbildung Das allgemeine Beschränkungsverbot könnte im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung hergeleitet werden. 29 Dafür müßte zunächst im europäischen Gemeinschaftsrecht Raum für die Methode der Rechtsfortbildung bestehen. Der EuGH unterscheidet in ständiger Rechtsprechung nicht zwischen extensiver Auslegung und Rechtsfortbildung. Seine teleologisch geprägte Auslegung ist inso25 Generalanwalt Lenz. Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 4991, Rn. 165 ff. 26 Generalanwalt Lenz. Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 4986, Rn. 154. 27 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 4995, Rn. 174. 28 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5007, Rn. 203. 29 So auch Pfeil, Historische Vorbilder und Entwicklung der Rechtsbegriffs der "Vier Grundfreiheiten" im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 248, der die Entwicklung zum Beschränkungsverbot als "Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof" bezeichnet.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
weit mit der französischen Dogmatik verwandt. 30 Zum Teil wird die Abgrenzung der Rechtsfortbildung und der erweiternden Auslegung im Schrifttum für fragwürdig gehalten. 31 Das überwiegende europarechtliche Schrifttum und das BVerfG gehen indes von der Existenz der Rechtsfortbildung des Gemeinschaftsrechts aus und halten sie für zulässig. 32 Die Rechtsfortbildung müsse dort von der Auslegung im engeren Sinne abgegrenzt werden, wo sie nicht mehr von der grammatikalischen Auslegung umfaßt sei und im Gegensatz zur Rechtsschöpfung immer noch im Rahmen der bestehenden Vorschriften stehe. 33 Dieser Ansicht ist zu folgen. Die Abgrenzung von Rechtsfortbildung und Auslegung stimmt mit den Grundsätzen des Völkerrechts überein 34 und bringt dort Rechtsklarheit, wo der Wortlaut ein Auslegungsergebnis nicht unmittelbar rechtfertigt. Der Wortlaut einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift kann zwar aufgrund sprachlicher Unterschiede bisweilen nicht einheitlich bestimmt werden,35 wo diese Bestimmung aber möglich ist, muß die Rechtsfortbildung als Übersteigen des auslegungsfähigen Wortlauts verstanden werden. Die Differenzierung von Auslegung und Rechtsfortbildung ist auch nötig, da es sich um unterschiedliche Methoden handelt, die unterschiedlichen Grundsätzen folgen. Der Rechtsfortbildung sind eindeutige Grenzen gesetzt, die bei einer Auslegung, die vom Begriff her dem Gesetzestext näher steht, unberiicksichtigt bleiben. 36 Die Rechtsfortbildung des Gemeinschaftsrechts und ihre Zulässigkeit sind daher in Abgrenzung zum Begriff der Auslegung anzuerkennen. Wann eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung des Gemeinschaftsrechts vorliegt, ist im europarechtlichen Schrifttum ebenfalls umstritten. Zum Teil wird lediglich die Neuschöpfung noch nicht oder nur im Ansatz enthaltener Rechtssätze als Rechtsfortbildung verstanden. 37 Die überwiegende Ansicht vertritt jedoch, daß eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung vorliegt, wenn eine im geschriebenen Recht nicht enthaltene, also neue Norm eingeführt wird oder wenn der Text 30 Wank, Festschrift Stahlhacke, S. 633, 635; Möllers, EuR 1998, S. 20, 25; Borchardt, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 29, 37; Kohler-Gehrig, JA 1998, S. 807, 811; Dänzer-Vanotti, RIW 1992, S. 733, 734; zur Begründung der Urteile des EuGH: Everling, EuR 1994, S. 127, 139 ff.; wie der EuGH auch GroebenlThiesinglEhlermannlKriick Art. 164 EGV, Rn. 51; Grabitzl Hilfl Pe mice Art. 164 EGV, Rn. 23 ff. 31 Streinz, Europarecht, Rn. 495. 32 BVerfG, Beschluß v. 8. 4. 1987, BVerfGE 75, S. 223, 243; Lenz I Borchardt Art. 220 EG, Rn. 21 ff.; Wank, Festschrift Stahlhacke, S. 633, 634 ff.; Möllers, EuR 1998, S. 20, 22 ff.; Mittmann, Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und die Rechtsstellung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 235 ff.; Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, S. 90 ff. 33 Borchardt, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 29, 31; Daig, Festschrift Zweigert, S. 395,401. 34 Mittmann, Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und die Rechtsstellung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 230 ff. 35 Grabitzl Hilfl Pemice 164 EGV, Rn. 23. 36 Kohler-Gehrig, JA 1998, S. 807, 811. 37 Wank, Festschrift Stahlhacke, S. 633, 635.
11. Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots
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einer Vorschrift ein gewisses Auslegungsergebnis ermöglicht, aber nicht gebietet und wegen der Ansprüche der Gesamtrechtsordnung eine gesetzliche Lücke entsteht. 38 Der letzten Auffassung ist zuzustimmen. Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung ist von der Rechtsschöpfung abzugrenzen, da zwar beiden eine Anlehnung an gesetzliche Vorschriften verwehrt ist, die Rechtsschöpfung aber von der normativen Grundlage komplett gelöst ist und neues Recht schafft, wohingegen sich die Rechtsfortbildung immer noch auf eine imperfekte gesetzliche Regelung bezieht. Die Rechtsfortbildung kann nicht auf die Figur der Rechtsschöpfung verkürzt werden, da dies dem selbständigen Gehalt der Rechtsfortbildung und ihrer anerkannten Existenz widerspräche, zumal Rechtsschöpfung und Rechtsfortbildung unterschiedliche Methoden zur Lösung unterschiedlicher Auslegungsprobleme sind. Dem eher von der deutschen Methodik geprägten Begriff der Rechtsfortbildung 39 ist daher der Vorzug zu geben. Eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung liegt demnach vor, wenn ein Rechtsinstitut nicht mehr durch Auslegung einer Vorschrift hergeleitet werden kann, auch wenn die Vorschrift gewisse Anhaltspunkte für dieses Verständnis enthält. 4o
bb) Voraussetzungen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung (1) Keine Herleitung durch Auslegung
Das Beschränkungsverbot dürfte sich nicht im Wege der Auslegung aus Art. 39 EG ergeben. Ausgangspunkt der Auslegung ist dabei stets der Text der einschlägigen Bestimmung in ihrem textlichen Zusammenhang. 41 Zwar ist die Auslegung einer Vorschrift nach dem Wortlaut aufgrund der gleichrangigen verschiedenen Sprachen der Gemeinschaft schwierig. 42 Art. 39 EG bietet aber anders als die übrigen 38 v. Bogdandy, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 17,20; Borchardt, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 29, 31; Möllers, EuR 1998, S. 20; Nettesheim, AöR 119 (1994), S. 261, 263; Dänzer-Vanotti, RlW 1992, S. 733, 734; für den Begriff der Auslegung im weiteren Sinne: Daig, Festschrift Zweigert, S. 395, 401; Zuleeg, EuR 1969, S. 97, 99; Mittmann, Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und die Rechtsstellung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 233 f. 39 Siehe Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 232; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 71. 40 v. Bogdandy, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 17, 20; Borchardt, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 29, 31; Möllers, EuR 1998, S. 20; Nettesheim, AöR 119 (1994), S. 261, 263; Dänzer-Vanotti, RlW 1992, S. 733, 734; für den Begriff der Auslegung im weiteren Sinne: Daig, Festschrift Zweigert, S. 395, 401; Zuleeg, EuR 1969, S. 97, 99; Mittmann, Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und die Rechtsstellung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 233 f.; Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 232. 41 Bleckmann, Europarecht, Rn. 539; Streinz, Europarecht, Rn. 498; Meyer, Jura 1994, S. 455; Kohler-Gehrig, JA 1998, S. 807, 809. 42 Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 164 EGV, Rn. 23; Lenz/ Borchnrdt Art. 220 EG, Rn. 14.
3 Roloff
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Grundfreiheiten (Art. 28, Art. 49, Art. 43, 56 Abs. 1 EG) wenig Anhaltspunkte für ein absolutes Verständnis im Sinne eines allgemeinen Beschränkungsverbots.43 In Art. 39 Abs. 1 EG ist lediglich die Rede von der Gewährleistung der Freizügigkeit, die den Begriff der Herstellung der Freizügigkeit aus Vereinfachungs- und Anpassungsgriinden abgelöst hat (Art. 6 des Amsterdamer Vertrages). Die Gewährleistung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer könnte zwar wegen des weiten Wortsinns auch sonstige unterschiedslos die Freizügigkeit behindernde Maßnahmen verbieten. Art. 39 Abs. 1 EG spricht indes nur abstrakt und programmatisch von der Gewährleistung der Freizügigkeit. Anders als Art. 43 Abs. 1 EG, der konkret von Beschränkungen der freien Niederlassung und Zweigniederlassung spricht, enthält Art. 39 Abs. 1 EG keinen ausdriicklichen Hinweis auf ein allgemeines Beschränkungsverbot. Das gilt auch für Art. 39 Abs. 2 EG, der lediglich festlegt, daß die Freizügigkeit der Arbeitnehmer die Abschaffung aller Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit bei den Arbeitsbedingungen "umfaßt". Die Abschaffung unterschiedlicher Behandlungen zu "umfassen" kann zwar so verstanden werden, daß es dariiber hinausgehende Freizügigkeitsrechte geben muß. Welche Rechte dies sein sollen, bleibt aber unklar. Das Umfassen könnte sich auch nur auf die einzelnen Freizügigkeitsrechte des Art. 39 Abs. 3 EG beziehen. Art. 39 Abs. 2 EG enthält jedenfalls nur ein Verbot der Diskriminierung und gewährt gerade kein absolutes, von der Staatsangehörigkeit losgelöstes Recht. 44 Auch der in Art. 39 Abs. 3 EG verwandte Begriff der "Beschränkung" bezieht sich wegen des engen Zusammenhangs mit den im gleichen Satz gewährleisteten einzelnen und bestimmten Rechten allein auf Beschränkungen der dort genannten Freiheiten. 45 Er steht auch nur in Parenthese unter unmittelbarem Bezug auf die Rechtfertigung aus Griinden der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ("vorbehaltlich der gerechtfertigten Beschränkungen") und erhält dadurch einen auf gerechtfertigte Beschränkungen besonderer Freizügigkeitsrechte begrenzten Bedeutungsgehalt. Die Aufzählung einzelner absoluter Rechte spricht zudem für eine abschließende Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG. 46 Ganz anders ist dies bei Art. 28 EG, der absolut vom Verbot der "Einfuhrbeschränkungen", bei Art. 43 Abs. 1 EG, der vom Verbot der "Beschränkung der freien Niederlassung", bei Art. 49 EG, der vom Ver43 Grabitz/ Hilf/ RandelzhoJer/ ForsthoffVor Art. 39-55 EG, Rn. 164; Erfurter Kommentar / Hanau Art. 39 EG, Rn. 41: "Über den Wortlaut des Art. 39 EG hinaus enthält die Freizügigkeit ... auch ein Beschränkungsverbot"; Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, S. 22. 44 Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, S. 31. 45 Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, S. 32, 33. 46 So auch Rothfuchs, Die traditionellen Personenverkehrsfreiheiten des EG-Vertrages und das AufenthaItsrecht der Unionsbürger, S. 62; Heyer, Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit, S. 213 f.
11. Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots
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bot der "Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs", und bei Art. 56 Abs. 1 EG, der vom Verbot "aller Beschränkungen des Kapitalverkehrs" spricht. Für Art. 43 EG konnte der EuGH das allgemeine Verbot der Beschränkung der Zweigniederlassung aus dem Wortlaut des Art. 43 Abs. 1 S. 2 EG ableiten. 47 Daß Art. 43 und 49 EG auf die Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen verweisen, um den Inhalt der Freiheit zu definieren, ändert nichts an dem absoluten Verbotsgehalt der Vorschriften. Einen solchen absoluten Gehalt kann Art. 39 Abs. 1 EG mit der "Gewährleistung der Freizügigkeit" nicht aufweisen. Ein absolutes Verständnis der Freizügigkeit läßt sich damit weder Art. 39 Abs. I, 2 noch Abs. 3 EG entnehmen. 48 Es fehlt eine gesetzliche Regelung über das allgemeine Verbot von Beschränkungen der Freizügigkeit. Ausgehend vom Wortlaut liegt es daher nicht auf der Hand, Art. 39 EG auf jegliche nichtdiskriminierende, aber behindernde Maßnahmen zu erstrecken, obwohl Art. 39 Abs. 3 EG Anhaltspunkte für ein absolutes Verständnis und damit für ein allgemeines Beschränkungsverbot enthält. Das allgemeine Beschränkungsverbot ergibt sich somit nicht im Wege der Auslegung des Art. 39 EG.
(2) Planwidrige Lücke im geltenden Recht Weiterhin bedarf die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung einer Lücke im geltenden Recht, die nicht schon gemessen am Plan des Gesetzes selbst, wohl aber an den Erfordernissen der Gesamtrechtsordnung als behebungsbedürftige Unvollständigkeit zu bewerten ist. 49 Art. 39 EG ist unter verschiedenen Aspekten lückenhaft. Die Freizügigkeit ist ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der über Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG auf die Beseitigung der Hindernisse für die Personenverkehrsfreiheit in Einheit mit den anderen Grundfreiheiten gerichtet ist. Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG garantiert den freien Personenverkehr und prägt unmittelbar dessen Verständnis. 5o Die Vorschrift stellt nicht auf das Diskriminierungsverbot, sondern in absoluter Formulierung auf Hindernisse für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ab. Sie ist kein bloßer Programmsatz, sondern dient der Auslegung und Anwendung anderer Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, insbesondere als Baustein der Rechtsfortbildung. 51 Alle Grundfreiheiten dienen gemäß Art. 3 Abs. I lit. c) EG der Herstellung des Binnenmarktes und bilden eine Einheit mit GleichEuGH, Urteil v. 12.7. 1984 (Klopp), Slg. 1984, S. 2971, 2989, Rn. 19. Schwarze / Schneider / Wunderlich Art. 39 EG, Rn. 41. 49 Wank, Festschrift Stahlhacke, S. 633,641; Möllers, EuR 1998, S. 20, 26; Dänzer-Vanotti, Festschrift Everling, S. 205, 219, Dänzer-Vanotti, RIW 1992, S. 733, 737; Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 246. 50 Bleckmann, Europarecht, Rn. 200. 51 Groeben/Thiesing/Ehlermann/Zuleeg Art. 3 EGV, Rn. 2; Grabitz/Hilf/v. Bogdandy Art. 3 EG, Rn. 3; Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, S. 40. 47
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
heitsrechten, Marktzugangsrechten und speziellen materiellen Freiheiten. 52 Die anderen Grundfreiheiten gewähren ein allgemeines Beschränkungsverbot,53 so daß Art. 39 EG ohne allgemeines Beschränkungsverbot von den anderen Grundfreiheiten abweichen würde. Eine solche Unterscheidung findet keinen sachlichen Grund im Vertrag. Vielmehr legt Art. 3 Abs. I lit. c) EG ein einheitliches Verständnis aller Grundfreiheiten nahe. 54 Den Grundfreiheiten kann aufgrund Art. 3 EG zudem eine institutionelle Garantie der Grundfreiheiten entnommen werden. 55 Bedingt Art. 3 Abs. I lit. c) als Garantie aber die Anwendung aller folgenden Vorschriften unter seinem Vorzeichen, so ist zu beachten, daß alle Hindernisse für den Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten beseitigt werden müssen, auch wenn eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit nicht vorliegt. Art. 39 EG ist dann aber plan widrig lückenhaft, wenn er kein allgemeines Verbot der Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer enthält. Maßnahmen, die die Inanspruchnahme der Freizügigkeit behindern, müssen keinen diskriminierenden Charakter aufweisen. Unterschiedslose Maßnahmen können den Wechsel der Arbeitsmärkte in gleichem Maße beschränken, zumal sich Arbeitnehmer auch Hindernissen bei der Ausübung der Freizügigkeit durch ihren eigenen Mitgliedstaat ausgesetzt sehen können. Für die Plan widrigkeit der Lücke spricht auch der Grundsatz des effet utile. Er bestimmt, daß Normen ergiebig, mit größter Nutzungswirkung und praktischer Wirksamkeit auszuschöpfen sind. 56 Der Effizienzgrundsatz verdeutlicht die nach dem Plan des Gesetzes erforderliche Fortbildung des Rechts. Zur effizienten Anwendung des Gemeinschaftsrechts sind Normen und Instrumente des EG-Vertrages gesetzesübersteigend fortzubilden. Viele Rechtsfortbildungen und Rechtsschöpfungen durch den EuGH wurden mit dem Effizienzgebot begründet, etwa im Bereich der Staatshaftung oder bei der Nichtumsetzung von Richtlinien. 57 Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wird nur dann mit größter Nutzungswirkung garantiert, wenn allgemein auch unterschiedslose Beschränkungen der Freizügigkeit verboten sind. Art. 3 Abs. I lit. c) und der Binnenmarkt entfalten erst dann ergiebige Wirkung, wenn bei allen Grundfreiheiten auch solche Beschränkungen erfaßt werden, die Arbeitnehmer nicht nach der Staatsangehörigkeit diskriminieren. Mit fortschreitender Durchmischung der Arbeitsmärkte durch grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer verliert das Diskriminierungsverbot zudem immer mehr an Bedeutung, so daß die Freizügigkeit nicht mehr durch Diskriminierungen, sondern durch Grabitz/ Hilf/v. Bogdandy Art. 3 EG, Rn. 10. Zur Dienstleistungsfreiheit EuGH, Urteil v. 3. 12. 1974, (Van Binsbergen), Sig. 1974, S. 1299, 1309, Rn. 10; Warenverkehrsfreiheit: EuGH, Urteil v. 11. 7.1974 (Dassonville), Sig. 1974,S. 837, 852, Rn. 5. 54 Grabitz/ Hilf/v. Bogdandy Art. 3 EG, Rn. 9. 55 Grabitz/ Hilf/v. Bogdandy Art. 3 EG, Rn. 9. 56 Oppermann, Europarecht, Rn. 686; Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 164 EGV, Rn. 27. 57 Überblick bei Streinz, Festschrift Everling, S. 1491, 1496 ff. 52
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11. Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots
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sonstige Hindernisse beeinträchtigt werden kann. Diese Hindernisse kollidieren ebenfalls mit dem Binnenmarkt und können diesen untergraben. Es widerspricht dem umfassenden Verständnis der Grundfreiheiten, Art. 39 EG kein allgemeines Beschränkungsverbot zu entnehmen. Das Effizienzgebot als europäisches Grundprinzip ist verletzt, wenn ein Mitgliedstaat das unterschiedslose Verlassen der nationalen Arbeitsmärkte verbieten und die Freizügigkeit ihrer Substanz berauben kann. 58 Ein Verständnis der Grundfreiheiten, das dem Binnenmarkt zuwiderläuft oder diesen faktisch ausschließt, führt zu einer Aufhebung des wirtschaftlichen Rahmens des Vertrages. Gemessen am Plan der europäischen Gesamtrechtsordnung besteht somit eine planwidrige Lücke in Art. 39 EG.
(3) Ausfüllen der Lücke Aus der festgestellten planwidrigen Lückenhaftigkeit des Gesetzes ergibt sich die Grundlage für die richterliche Fortbildung des Rechts. 59 Die dem Rechtssystem immanente Teleologie dient der Herausbildung des allgemeinen Prinzips und dem Ausfüllen der planwidrigen Lücke. 6o Daneben kann im Wege der wertenden Rechtsvergleichung eine verwandte Lösung aus den nationalen Rechtsordnungen herangezogen werden,61 die unter kritischer Analyse das beste System für die Gesetzeslücke im Gemeinschaftsrecht bereitstellt. 62 Art. 3 Abs. I lit. c) EG und die Dogmatik der Grundfreiheiten sind Ausdruck der dem europäischen Rechtssystem immanenten Teleologie, daß allgemeine Beschränkungen der Grundfreiheiten verboten sind. Hindernisse für die Ausübung der Freizügigkeit entstehen nicht mehr nur durch Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit, sondern gehen auch und gerade von unterschiedslosen Maßnahmen aus. Das Verbot der unterschiedslosen Beschränkung ist allen Grundfreiheiten und damit auch der Freizügigkeit immanent. Es bedarf keiner wertenden Rechtsvergleichung, die planwidrige Lücke im Gemeinschaftsrecht wird durch die den Grundfreiheiten immanente Teleologie gefüllt. Art. 39 EG verbietet damit alle unterschiedslosen Beschränkungen der Freizügigkeit.
58 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. 11995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 97. 59 Dänzer- Vanotti, Festschrift Everling, S. 205, 220. 60 Dänzer-Vanotti, Festschrift Everling, S. 205, 220. 61 Lenz! Borchardt Art. 220 EG, Rn. 27; Dänzer-Vanotti, Festschrift Everling, S. 205, 220; Wank, Festschrift Stahlhacke, S. 633, 641; Daig, Festschrift Zweigert, S. 395, 410; diese Methode wird auch bei der Auslegung europäischen Rechts angewandt: Grabitz! Hilf! Pemice Art. 164 EGV, Rn. 28; Meyer, Jura 1994, S. 455, 457; Bleckmann, NJW 1982, S. 1177, 1182; Oppennann, Europarecht, Rn. 483. 62 Lenz! Borchardt Art. 220 EG, Rn. 27.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
(4) Grenzen der Rechtsfortbildung Der Rechtsfortbildung hin zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot sind Grenzen gesetzt. Die Rechtsfortbildung dürfte nicht gegen Kompetenzgrenzen verstoßen,63 wozu das Gewaltenteilungsprinzip 64 und das Subsidiaritätsprinzip zählen. 65 Das allgemeine Beschränkungsverbot erweitert zwar die Zugriffsmöglichkeit der Gerichte auf nationale Maßnahmen, die unterschiedslos Anwendung finden, aber beschränkende Wirkung entfalten. Die Maßnahmen der Mitgliedstaaten können sich aber gegen eine erweiterte richterliche Prüfungskompetenz behaupten, da ihnen mit der Möglichkeit, beschränkende Maßnahmen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen, ein Spielraum zur Begrenzung der Reichweite der Beschränkungsverbote gewährt wird. 66 Ihre Kompetenzen bleiben daher weitgehend unangetastet. Die Fortbildung des Art. 39 EG steht auch nicht in Konflikt mit dem Subsidiaritätsprinzip. 67 Das Prinzip erfordert gemäß Art. 5 EG eine Kontrolle, ob eine Maßnahme oder eine Auslegung zu einem Ergebnis führt, das nicht ausreichend durch die Mitgliedstaaten erreicht werden könnte. Die Grundrechte der Mitgliedstaaten sind in einigen Mitgliedstaaten wegen ihrer Begrenzung auf eigene Staatsangehörige nicht geeignet, fremde Staatsangehörige angemessen vor Beschränkungen ihrer Freiheiten zu schützen. Der Schutz der Freiheitsrechte würde zudem von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat divergieren, da jeder Mitgliedstaat unterschiedliche Grundrechte gewährleistet. Eine Zersplitterung der Schutzinstrumente würde die Wirksamkeit und Einheitlichkeit des Binnenmarktes konterkarieren und die Verwirklichung des Binnenmarktes als primäres Ziel des EG-Vertrages gefährden. Die Grundfreiheiten verlören ihren fundamentalen und institutionellen Gehalt. Sie müssen folglich als Garant des Binnenmarktes einheitlich ausgelegt und gewährt werden. Das Subsidiaritätsprinzip wird durch die Fortbildung des Art. 39 EG nicht verletzt. Bei der weiteren Ausgestaltung des Beschränkungsverbots ist zwar das Subsidiaritätsprinzip zu beachten, um nicht alle Maßnahmen der Mitgliedstaaten
63 Lenz/ Borchardt Art. 220, Rn. 23; Wank, Festschrift Stahlhacke, S. 633, 639; v. Bogdandy, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 18, 23; Borchardt, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 29, 41; Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, S. 216 ff.; zum deutschen Recht: Larenz / Canaris, Methoden der Rechtswissenschaft, S. 251; Hanau, Festschrift Hübner, S. 467, 471 ff. 64 Wank, Festschrift Stahlhacke, S. 633, 639 f.; Borchardt, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 29, 31. 65 v. Bogdandy, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 18,23; Borchardt, Gedächtnisschrift Grabitz, S. 29, 41; Opperrnan, Europarecht, Rn. 686. 66 EuGH, Urteil v. 30.11. 1995 (Gebhard), Slg. 11995, S. 4165, 4197, Rn. 37; EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Slg. I 1993, S. 1663, 1697, Rn. 32; EuGH, Urteil v. 9. 3. 1999 (Centros), Slg. I 1999, S. 1459, 1495, Rn. 34; EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5071 =EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 104. 61 Opperrnan, Europarecht, Rn. 686.
11. Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots
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auf ihren Freizügigkeitsgehalt zu kontrollieren. Dies schließt die Existenz eines allgemeinen Beschränkungsverbots aber nicht aus. Ob Akzeptanzgesichtspunkte eine Rolle für die Grenzen der Rechtsfortbildung spielen, ist umstritten. 68 Jedenfalls ist die einheitliche Dogmatik aller Grundfreiheiten hin zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot auf große Akzeptanz im europarechtlichen Schrifttum gestoßen. 69 Maßnahmen mit beschränkendem Charakter müssen daher auf ihre Konformität mit dem Binnenmarkt untersucht werden.
b) Schlußfolgerung
Das Beschränkungsverbot ist kein Ausfluß des Diskriminierungsverbots, sondern leitet sich selbständig aus Art. 3 Abs. I lit. c) i.Y.m. Art. 39 EG ab. Ist Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG aber ein übergeordnetes Prinzip aller Grundfreiheiten, das sich generell gegen Hindernisse für die Grundfreiheiten richtet, kann Art. 39 EG nur schwer als ein auf das Diskriminierungsverbot beschränktes Recht verstanden werden. Das Diskriminierungsverbot ist somit für die Herleitung des allgemeinen Beschränkungsverbots ohne Bedeutung. Das Beschränkungsverbot stellt auch in der Rechtsprechung des EuGH keine Ausprägung des Diskriminierungsverbots dar. Dies verdeutlicht eine Entscheidung des EuGH, in der eine Beschränkung der Freizügigkeit bejaht wurde, obwohl Ausländer gegenüber Inländern privilegiert wurden. 7o In der Entscheidung wandte sich ein finnischer Profi-Basketballspieler gegen belgische Verbandsvorschriften, nach denen ein Wechsel zu einem belgischen Verein nur innerhalb eines gewissen Zeitraums möglich war. Die belgischen Verbandsvorschriften unterschieden drei verschiedene Zeitzonen. Die erste betraf Belgien selbst und legte fest, daß der Verein innerhalb Belgiens nur vor Saisonbeginn, aber nicht während der Saison gewechselt werden konnte (ca. April/Mai eines Jahres). Aus dem europäischen Ausland kommend konnte ein Spieler während der Saison bis zum 28. Februar eines Jahres zu einem belgischen Verein wechseln. Aus dem außereuropäischen Ausland waren 68 Ablehnend Dänzer-Vanotti, Festschrift Everling, S. 205, 209 f.; bejahend Lenz/ Borchardt Art. 220 EG, Rn. 26. 69 Weth/ Kenver, JuS 2000, S. 425, 428; Hobe, JuS 1996, S. 486, 489; Schilling, EuGRZ 2000, S. 3, 10; Hilf/ Pache, NJW 1996, S. 1169, 1172; Schroeder, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 256; Eberhartinger, EWS 1997, S. 43, 48; Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 343; Daniele, E.L.Rev. 1997, S. 191, 195; Hilson, E.L.Rev. 1999, S. 445, 452; Mart{n, E.L.Rev. 1996, S. 313, 321; Rothfuchs, Die traditionellen Personenverkehrsfreiheiten des EG-Vertrages und das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger, S. 66; Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 31; Schneider, NJ 1996, S. 512, 513; Zuleeg, Festschrift Everling, S. 1717, 1722; O'Keejfe/Osbome, Revue du Marche Unique Europeen 1996/1, S. 17, 24 f.; Jarass, EuR 2000, S. 705, 710 f.; Eilmannsberger, ÖJBI 1999, S. 345, 347; Lenz/ Scheuer Art. 39 EG, Rn. 35; Callies/ Rujfert/ Brechmann Art. 39 EG, Rn. 48; Schwarze / Schneider / Wunderlich Art. 39 EG, Rn. 41. 70 EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681 ff. = EuZW 2000, S. 375 ff.
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I. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Wechsel nach Belgien während der Saison sogar bis zum 31. März möglich. Ein finnischer Spieler wollte nach dem 28. Februar für einen belgischen Verein spielen. Dies wurde ihm unter Verweis auf die Transferfristen durch den belgischen Verband verwehrt. Der EuGH bejahte eine Beschränkung der Freizügigkeit europäischer Arbeitnehmer. Die Transferfristen stellten ein unzulässiges Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar. 7l Zwar treffe es zu, daß für Spieler belgischer Basketballvereine noch strengere Transferfristen gälten. 72 Gleichwohl könne die fragliche Regelung die Freizügigkeit von Spielern, die ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollten, dadurch einschränken, daß sie es belgischen Vereinen untersage, Spieler nach einem gewissen Zeitpunkt einzusetzen. 73 Auf eine etwa erforderliche Diskriminierung geht der EuGH nicht ein. Folglich können sogar Vorschriften, die europäische Arbeitnehmer gegenüber inländischen Arbeitnehmern privilegieren, die Freizügigkeit beschränken. Das verdeutlicht den absoluten Charakter der Freizügigkeit und schließt eine Herleitung des Beschränkungsverbots aus dem Diskriminierungsverbot aus. Bezeichnend sind auch die Überschriften, die der EuGH bei der Priifung des Beschränkungsverbots verwendet. Bei Bosman spricht er noch von der Beeinträchtigung der Freizügigkeit. 74 Bei Lehtonen geht er bereits vom Bestehen etwaiger "Hindernisse" für die Freizügigkeit aus 75 und inzwischen spricht er von "Beschränkungen,,76. Der Begriff des Hindernisses knüpft anders als der allgemeine Begriff der Beeinträchtigung, der auch bei einer Diskriminierung verwandt werden kann, nicht mehr an einen Vergleichssachverhalt an, sondern betrifft ganz allgemein Beschränkungen des Freiheitsrechts. Dies macht den absoluten Inhalt des Freizügigkeitsrechts deutlich.
5. Ergebnis Aus Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG und den übrigen Grundfreiheiten läßt sich gesetzesübersteigend ableiten, daß Art. 39 EG allgemein Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer verbietet. 71 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2732 = EuZW 2000, S. 375, 378, Rn. 47. 72 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2732 = EuZW 2000, S. 375, 378, Rn. 48. 73 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2732 = EuZW 2000, S.375,378,Rn.49. 74 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. 11995, S. 4921, 5068 = EuZW 1996, S. 82, 87, vor Rn. 92. 75 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2732 = EuZW 2000, S. 375, 378, vor Rn. 47. 76 EuGH, Urteil v. 18. 1. 2001 (Kommission/Italien), EuZW 2001, S. 187, 188, Rn. 20.
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
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111. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots 1. Allgemeine Voraussetzungen Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG umfaßt das Recht der Arbeitnehmer, ein Land unbeschränkt zu verlassen, um sich zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten. 77 Art. 39 EG verbietet Beschränkungen beim Verlassen des Herkunftsstaates und beim Zugang zu fremden Arbeitsmärkten. Die vielfach erörterten, allgemeinen Voraussetzungen des Anwendungsbereichs des Art. 39 EG 78 sind mit denen des allgemeinen Beschränkungsverbots identisch. Daher sollen hier nur die Abweichungen und Besonderheiten untersucht werden.
2. Adressaten des staatsgerichteten Beschränkungsverbots a) Mitgliedstaaten
Die Mitgliedstaaten sind bei allen hoheitlichen Akten verpflichtet, Art. 39 EG auch in seiner Beschränkungsalternative zu beachten. Zu den Mitgliedstaaten zählen alle Träger hoheitlicher Staatsgewalt. Die Bindung Privater, der Mitgliedstaaten und ihnen angenäherter privater Unternehmen als Arbeitgeber soll später untersucht werden. Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer seine Rechte aus dem Beschränkungsverbot auch gegenüber seinem Heimatstaat geltend machen kann. Von einer Beschränkung der Freizügigkeit könnte der Arbeitnehmer etwa erlaßt werden, wenn er seinen Heimatstaat verlassen will, um eine Beschäftigung in einem anderen Staat auszuüben. Eine Beschränkung kann auch dann vorliegen, wenn er in seinen Heimatstaat zuriickkehren möchte und dies durch den Heimatstaat erschwert wird. Der EuGH stellt klar, daß der Arbeitnehmer seine Rechte gegenüber seinem eigenen Mitgliedstaat geltend machen kann, sofern es sich nicht um einen Sachverhalt ohne Beriihrung mit dem Gemeinschaftsrecht handelt oder der Sachverhalt mit keinem relevanten Element über die Grenze seines Mitgliedstaates hinausweist. 79 Jeder 77 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1992 (Singh), Slg. I 1992, S. 4265, 4293, Rn. 16; EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5068 =EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 94; EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 523 =EuGRZ 2000, S. 48, 50 =EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 22. 78 Heyer, Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit; ausführliche Kommentierungen unter anderen bei Erfurter Kommentar I Hanau Art. 39 EG; Callies I Ruffert I Brechmann, Art. 39 EG; Schwarze I Schneider I Wunderlich Art. 39 EG; Veltmann, Der Anwendungsbereich des Freizügigkeitsrechts der Arbeitnehmer gemäß Art. 48 EGV (Art. 39 EGV n.F.). 79 EuGH, Urteil v. 26.1. 1999 (Terhoeve), Slg. 11999, S. 345, 385, Rn. 25, 26.
l. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
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Gemeinschaftsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe, falle unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit unter Art. 39 EG. 80 Daß sich ein Staatsangehöriger gegenüber den Behörden seines Mitgliedstaats auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer berufe, habe keinen Einfluß auf die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen. Der Betroffene riige gerade, daß er benachteiligt werde, weil er seine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt habe. 81 Ein Arbeitnehmer könne sich gegenüber dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger er ist, auf Art. 39 EG berufen, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt habe und dort einer abhängigen Beschäftigung nachgegangen sei. 82 Das Beschränkungsverbot kann sich somit bei der Rückkehr in den eigenen Mitgliedstaat auch gegen diesen richten. Aber auch Maßnahmen beim Verlassen des eigenen Mitgliedstaats hat der EuGH dem Beschränkungsverbot unterworfen. Die Staatsangehörigen hätten das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, ihren Mitgliedstaat zu verlassen. 83 Bestimmungen, die einen Arbeitnehmer davon abhalten könnten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seiner Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellten Beeinträchtigungen der Freizügigkeit dar. 84 Dieser Ansicht ist wegen der Allgemeinheit des Beschränkungsverbots zu folgen. 85 Folglich können sich Arbeitnehmer gegenüber ihrem Heimatstaat auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG berufen, wenn sie das Land verlassen oder dahin zuriickkehren wollen.
b) Gemeinschaftsorgane
aa) Grundfrage Neben den Mitgliedstaaten könnten auch die Gemeinschaftsorgane an das Beschränkungsverbot gebunden sein, wenn sie hoheitlich tätig werden.
bb) Ansicht des EuGH Der EuGH hat sich in den Entscheidungen vom 29. 2. 1984 und 9. 8. 1994 mit der Bindung der Gemeinschaftsorgane an Art. 28 EG beim Erlaß einer Richtlinie EuGH, Urteil v. 26. l. 1999 (Terhoeve), Slg. 11999, S. 345, 386, Rn. 27. EuGH, Urteil v. 26. l. 1999 (Terhoeve), Slg. 11999, S. 345,386, Rn. 28. 82 EuGH, Urteil v. 26. l. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345,386, Rn. 29. 83 EuGH. Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 5068 == EuZW 1995, S. 82, 87, Rn. 95. 84 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345, 389, Rn. 39. 85 So auch Lenz/ Scheuer Art. 39 EG, Rn. 36; zur Dienstleistungsfreiheit EuGH, Urteil v. 5.10.1994 (Kommission/Frankreich), Slg. 11994, S. 5145, 5168, Rn. 21. 80 81
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
43
befaßt. 86 Er führt aus, daß Art. 28 EG auf einseitige Maßnahmen der Mitgliedstaaten zielt. 87 Dennoch müßten auch die Gemeinschaftsorgane die Freiheit des Warenverkehrs beachten, da Art. 28 EG ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinsamen Marktes sei. 88 Die in Streit stehende Richtlinie verletze Art. 28 EG indes nicht, da sie nicht auf ein Warenhemmnis ziele, sondern schrittweise auf den Abbau beschränkender Maßnahmen der Mitgliedstaaten gerichtet sei. 89 Zudem verfolge sie Allgemeininteressen der Gemeinschaft. 9o Bei der Ausübung ihrer Befugnisse sei den Gemeinschaftsorganen ein Ennessensspielraum insbesondere bei der Möglichkeit eingeräumt, die Harmonisierung nur in Etappen vorzunehmen und nicht harmonisierte Maßnahmen der Mitgliedstaaten abzubauen. 91 Eine Bindung an das Beschränkungsverbot ist aber grundsätzlich anzunehmen. In einer anderen Entscheidung hat der EuGH die Problematik offen gelassen. 92 Daneben hat der EuGH eine Bindung der Gemeinschaftsorgane an das aus den Grundfreiheiten abgeleitete allgemeine Diskriminierungsverbot angenommen. 93
cc) Ansicht im Schrifttum Im Schrifttum wird eine Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Grundfreiheiten bejaht. 94 Die Bindung wird mit der institutionellen Garantie in Art. 3 Abs. I lit. c) EG begriindet. 95 Der Verpflichtungs gehalt stimme nicht mit dem der Mitgliedstaaten überein, sondern verhindere allein wesentliche Verstöße, etwa die Diskriminierung von Marktteilnehmern. 96 Die Gemeinschaftsorgane träfen unweigerlich die Grundfreiheiten beschränkende Maßnahmen, als die Grundfreiheiten mit ihrem allgemeinen Beschränkungsverbot einen weiten Anwendungsbereich begriinde86 EuGH, Urteil v. 29. 2. 1984 (Rewe), Sig. 1984, S. 1229, 1248, Rn. 18; EuGH, Urteil v. 9. 8.1994 (Meyhui), Sig. I 1994, S. 3879, 3898, Rn. 11. 87 EuGH, Urteil v. 29. 2. 1984 (Rewe), Sig. 1984, S. 1229, 1248, Rn. 18. 88 EuGH, Urteil v. 9. 8. 1994 (Meyhui), Slg. 11994, S. 3879, 3898, Rn. 11. 89 EuGH, Urteil v. 29. 2. 1984 (Rewe), Sig. 1984, S. 1229, 1249, Rn. 19; EuGH, Urteil v. 9. 8. 1994 (Meyhui), Sig. I 1994, S. 3879,3899, Rn. 14. 90 EuGH, Urteil v. 29. 2. 1984 (Rewe), Sig. 1984, S. 1229, 1249, Rn. 19. 91 EuGH, Urteil v. 29. 2. 1984 (Rewe), Slg. 1984, S. 1229, 1249, Rn. 20. 92 EuGH, Urteil v. 5. 10.2000 (Tabakwerberichtlinie), Sig. 12000, S. 8419, 8532 = EuZW 2000, S. 694, 701, Rn. 118. 93 EuGH, Urteil v. 7.11. 2000 (Luxemburg/Europäisches Parlament), Sig. I 2000, S. 9131, 9170, Rn. 23. 94 Grabitz/ Hilf/v. Bogdandy Art. 3 EG, Rn. 5; Schwarze/ Holoubek Art. 49 EG, Rn. 43; Di Fabio, AfP 1998, S. 564,565, der die Harmonisierungsziele als Ermessensgrenze bewertet, S. 566; Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 439; Ehlers, Jura 2001, S. 266, 274; Grabitz/ Hilf/ RandelzhoJer/ ForsthoffVor Art. 39-55, Rn. 49 ff. 95 Grabitz/ Hilf/v. Bogdandy Art. 3 EG, Rn. 5. 96 Grabitz/ Hilf/v. Bogdandy Art. 3 EG, Rn. 5.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ten. 97 Jede Ausgestaltung des Binnenmarktes berge das Potential zur Beschränkung. Die Verlagerung von Regelungskompetenzen verlange eine Bindung der Gemeinschaft. 98 Die Bedrohung der Grundfreiheiten gehe zwar primär von den Mitgliedstaaten aus. Dies stehe einer Bindung der Gemeinschaftsorgane aber nicht entgegen. Bei der Nachprüfung gewisser Schutzstandards stehe der Gemeinschaft jedoch ein größerer Entscheidungsspielraum zu. 99
dd) Stellungnahme
Der Auffassung des EuGH und der im Schrifttum vertretenen Auffassung ist wegen Art. 3 Abs. I lit. c) EG zu folgen. Der Grundsatz des Binnenmarkts bindet auch den Gemeinschaftsgesetzgeber, zumal Richtlinien mittelbar von den Mitgliedstaaten über den Rat eingebracht werden können. Die Mitgliedstaaten sollen aber kein Instrument zur Umgehung der ihnen individuell obliegenden Pflichten besitzen, auch wenn die Gemeinschaft solche Versuche kollektiv verhindern könnte. Andererseits enthält der EG-Vertrag Ermächtigungsgrundlagen, die der weiten Liberalisierungsfunktion der Grundfreiheiten entgegengesetzt sind. Maßnahmen zur Harmonisierung des Binnenmarktes können etwa zur Schaffung gleicher Arbeitsbedingungen nach Art. 137 EG ergriffen werden. Die Angleichung der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen zielt aber in eine andere Richtung als das Beschränkungsverbot. Die Angleichung führt unweigerlich zur Verteuerung der Arbeitsbedingungen und damit zu einer Behinderung des freien Marktes. lOo Die Zielsetzung des freien Marktes konkurriert daher mit den europäischen Harmonisierungsbemühungen, die auf einer sozialen Begrenzung der freien Märkte beruhen. Die Ermächtigungsgrundlagen des EG-Vertrages bilden folglich Schranken für die Grundfreiheiten. Sind die Voraussetzungen der Schranke erfüllt, besteht eine Konkurrenz zwischen Beschränkungsverbot und Harmonisierungsbestrebungen, die vom Vertrag in Kenntnis der Grundfreiheiten zugunsten der Harmonisierung gelöst worden ist. Es handelt sich um einen Fall kollidierenden Vertragsrechts. Die ausdrückliche Ermächtigung muß den Freiheitsrechten bis zu einem gewissen Maß vorgehen. Die jeweilige Vorschrift des Gemeinschaftsrechts rechtfertigt Beschränkungen der Freizügigkeit aber nur beim Vorliegen der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage und bei ordnungsgemäßer Ausübung des eingeräumten Ermessens. lol Die Gemeinschaftsorgane sind somit an die Grundfreiheiten gebunden, wobei beschränkende Maßnahmen durch die Harmonisierungsvorschriften des EG-Vertrages gerechtfertigt werden können.
Schwarze / Holoubek Art. 49 EG, Rn. 43. Schwarze / Holoubek Art. 49 EG, Rn. 43. 99 Schwarze / Holoubek Art. 49 EG, Rn. 43. 100 Grabitz / Hilf! Randelzhofer / Forsthoff Vor Art. 39 - 55, Rn. 50. IOl Grabitz / Hilf! Randelzhofer / Forsthoff Vor Art. 39 - 55, Rn. 51. 97
98
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
45
c) Mitgliedstaaten bei der Anwendung/Umsetzung
von Gemeinschaftsrechtsakten
Die Mitgliedstaaten können bei der Anwendung und Umsetzung europäischen Sekundärrechts nur in gleicher Weise wie der Gemeinschaftsgesetzgeber an das Beschränkungsverbot gebunden werden. Ansonsten ergäben sich Wertungswidersprüche. Die Mitgliedstaaten wären bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht strengeren Maßstäben unterworfen als die Gemeinschaft. Dies hätte zur Folge, daß bei einem Vorgehen gegen die Mitgliedstaaten die Umsetzung europäischen Rechts vereitelt werden könnte. Außerdem würde das weite Ermessen der Gemeinschaft aufgehoben und die Wirksamkeit bereits bestehender sekundärrechtlicher Grundlagen wäre gefährdet. Bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht sind die Mitgliedstaaten somit genauso wie die Gemeinschaft selbst an die Grundfreiheiten gebunden. Gehen die Mitgliedstaaten indes bei der Anwendung oder Umsetzung von Sekundärrecht über die Verpflichtungen des europäischen Rechts hinaus, gelten für den nicht vom Sekundärrecht vorgegebenen Teil der Maßnahme die allgemeinen Grundsätze. Die zusätzliche Regelung ist dann nicht mehr von der Umsetzungspflicht erfaßt, sondern ist eine Maßnahme des Mitgliedstaats, für den die Gemeinschaftsorgane nicht verantwortlich sind. Die Mitgliedstaaten sind dann ohne Ausnahme an die Grundfreiheiten gebunden.
3. Notwendigkeit grenzüberschreitender Sachverhalte Fraglich ist, ob Art. 39 EG die Beschränkung eines grenzüberschreitenden Wechsels der Arbeitsmärkte voraussetzt.
a) Ansicht des EuGH
Die Rechtsprechung des EuGH könnte so verstanden werden, als erfasse das Beschränkungsverbot lediglich grenzüberschreitende Sachverhalte. 102 Eine Maßnahme, die gleichermaßen nationale wie internationale Wechsel der Arbeitsmärkte beschränkte, wurde vom EuGH nur in ihren grenzüberschreitenden Auswirkungen am Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gemessen. Zwar treffe es zu, so der EuGH, daß die in Frage stehende Maßnahme auch für den Arbeitgeberwechsel innerhalb eines Mitgliedstaates gelte,103 sie sei jedoch geeignet, die Freizügigkeit 102 EuGH, S. 82, 88, Rn. 103 EuGH, S. 82, 88, Rn.
Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5070 = EuZW 1996, 103. Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, 98.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
der Arbeitnehmer zu beschränken, die ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollten. I04 Die Maßnahme beeinflusse unmittelbar den Zugang der Arbeitnehmer zu einem anderen Mitgliedstaat. 105
b) Befürwortende Ansicht In Anlehnung an die Entscheidung des EuGH wird überwiegend vertreten, daß Art. 39 EG nur die Beschränkung grenzüberschreitender Sachverhalte verbiete. 106 Der rein interne Vorgang weise keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht auf. 107 Art. 39 EG würde in seiner Beschränkungskomponente ohne eine Begrenzung auf grenzüberschreitende Sachverhalte zu einem Grundrecht der Berufsfreiheit. 108 Das Beschränkungsverbot schütze aber allein vor Beschränkungen des Zugangs zu fremden Arbeitsmärkten, so daß der nationale Wechsel des Arbeitgebers nicht vom Beschränkungsverbot des Art. 39 EG erfaßt sei. 109
c) Gegenansicht
aa) Allgemein Zum Teil wird vertreten, daß sich Arbeitnehmer gegen innerstaatliche Beschränkungen ihrer Freizügigkeit wehren könnten, wenn der für Art. 39 EG erforderliche grenzüberschreitende Bezug gegeben sei. 11O Der EuGH habe in seiner Entscheidung 104 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 99. 105 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5070 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 103. 106 BAG, Urteil v. 20. 11. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6; Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 84; Hilfl Pache, NJW 1996, S. 1169, 1174; Hobel Tietje, JuS 1996, S. 486, 490; Lenz I Scheuer Art. 39 EG, Rn. 35, 36; Streinz, Europarecht, Rn. 679; Fischer, SpuRt 1996, S. 34, 36; Heyer, Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit, S. 222; Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Berufsfußball, S. 179, 185; Generalanwalt Alber, Schlußanträge v. 22. 6. 1999 zu EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2696 f. =EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 17, Rn. 49; Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, S. 99, 100; Eilmannsberger, ÖJBI 1999, S. 434, 446. 107 Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 84; Fischer, SpuRt 1996, S. 34,36. 108 Heyer, Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit, S. 222. 109 Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Berufsfußball, S. 185. 110 Schroeder, Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 256, Fn. 29; Arens, SpuRt 1996, S. 39, 42; Gutmann, InfAuslR 1996, S. 85 ; Thill, Revue du Marche Unique Europeen 1996/1 , S. 89,100.
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
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nicht verlangt, daß es sich um einen grenzüberschreitenden Vorgang handeln müsse. 111 Der nationale Wechsel des Arbeitsmarktes falle in den Anwendungsbereich von Art. 39 EG, wenn der Arbeitnehmer aus einem fremden Mitgliedstaat eingereist oder in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt sei. 112 Innerstaatliche Vorgänge werden nach dieser Ansicht vom Beschränkungsverbot des Art. 39 EG erfaßt. bb) Erfassung nationaler Vorgänge im Wege der Rechtsfortbildung
Eine Ansicht zur Niederlassungsfreiheit wendet sich im Wege gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung (Analogie) gegen das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Vorgangs. ll3 Auch wenn sich diese Ansicht nur mit der Niederlassungsfreiheit befaßt, ist die allgemeine Argumentation weitgehend auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer übertragbar, zumal die Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit in Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG gemeinsam als Personenverkehrsfreiheit genannt sind. Rein nationale Vorgänge seien an Art. 43 EG zu messen, da den Zielbestimmungen des EG-Vertrages in Art. 2, 3 Abs. llit. c) und g) EG zu entnehmen sei, daß eine ungewollte Gesetzeslücke in Art. 43 Abs. 1 S. 1 EG für rein innerstaatliche Vorgänge bestehe. 114 Interne Sachverhalte bedürften wegen des Verbots der Wettbewerbsverfälschung einer Gleichbehandlung mit grenzüberschreitenden Vorgängen. 115 Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG könne nicht entnommen werden, daß die Grundfreiheiten allein grenzüberschreitende Fälle erfaßten. 116 Da sich die Vertragsväter nicht vorstellten, daß ein Mitgliedstaat für seine eigenen Staatsangehörigen schlechtere Regelungen als für fremde Arbeitnehmer aufrecht erhalten würde, liege gemessen am Plan des EG-Vertrages eine ungewollte Lücke vor. 117 Diese Lücke sei im Wege der Analogie durch das Absehen vom Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs zu schließen. 118 Aus den Grundbestimmungen des Vertrages ergebe sich die Vergleichbarkeit grenzüberschreitender und nationaler Vorgänge. Die Analogie verstoße weder gegen das Grundgesetz noch gegen den EG-Vertrag. 119 Dies belegten Arens, SpuRt 1996, S. 39,42. Gutmann, InfAuslR 1996, S. 85. 113 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit Freiheitsrecht?, S. 71 ff. 114 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit Freiheitsrecht?, S. 98 ff. 115 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit Freiheitsrecht?, S. 100 ff. 116 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit Freiheitsrecht?, S. 98 f. 111
112
117 Lackhoff, Freiheitsrecht?, 118 Lackhoff, Freiheitsrecht?, 119 Lackhoff, Freiheitsrecht?,
des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein
Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein S. 103. Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein S. 104. Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein S. 114.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Vorschriften wie Art. 141 EG, die auch rein nationale Vorgänge erfaßten. 120 Das Beschränkungsverbot verbietet nach dieser Ansicht auch die Beschränkung rein nationaler Vorgänge.
cc) Verbot der EU-Inländerdiskriminierung
Eine andere Ansicht im Schrifttum lehnt das grenzüberschreitende Erfordernis ebenfalls ab. 121 EU-Inländer dürften nicht schlechter behandelt werden als Arbeitnehmer, die die Staatsangehörigkeit eines mit der EU assoziierten Staates besäßen. 122 Arbeitnehmer aus den EU-Mitgliedstaaten würden aber schlechter behandelt, da das Freizügigkeitsrecht aus den Assoziationsabkommen den nationalen Zugang zu einer Beschäftigung erfasse, keinen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraussetze und damit Beschränkungen der Freizügigkeit innerhalb eines Mitgliedstaats verbiete. 123 Türkische Arbeitnehmer könnten sich etwa nach vierjährigem Aufenthalt auch gegen rein nationale Beschränkungen des freien Zugangs zum Arbeitsmarkt wehren,124 während sich EU-Inländer nicht gegen Beschränkungen nationaler Vorgänge wehren könnten. Um eine Diskriminierung zu vermeiden, müßten sich daher auch EU-staatsangehörige Arbeitnehmer gegen innerstaatliche Beschränkungen ihrer Freizügigkeit wehren können. Die EU habe nicht die Kompetenz, Drittstaatsangehörigen in völkerrechtlichen Verträgen weitergehende Rechte als EU-Bürgern einzuräumen. 125 Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG verbietet somit nach dieser Ansicht Beschränkungen der Freizügigkeit auch bei innerstaatlichen Vorgängen.
d) Stellungnahme aa) Unzulässiger Schluß vom eiforderlichen GemeinschaJtsbezug
Wenn argumentiert wird, daß der bestehende Gemeinschaftsbezug den grenzüberschreitenden Wechsel der Arbeitsmärkte für die Anwendung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG entbehrlich macht und nach dem Grenzübertritt auch nationale Vorgänge vom Beschränkungsverbot erfaßt sind, werden die 120 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 71 f. 121 Weiß, EuR 1999, S. 499, 511; Weiß, Personenverkehrsfreiheiten Staatsangehöriger assoziierter Staaten, S. 29, Fn. 82. 122 Weiß, EuR 1999, S. 499, 511; Weiß, Personenverkehrsfreiheiten Staatsangehöriger assoziierter Staaten, S. 29, Fn. 82. 123 Vgl. Art. 6 Assoziationsratsbeschluß 1 /80. 124 Weiß, EuR 1999, S. 499, 511. 125 Weiß, EuR 1999, S. 499, 514.
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
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grundsätzlichen Unterschiede zwischen grenzüberschreitendem Bezug und grenzüberschreitendem Sachverhalt verkannt. Der grenzüberschreitende Bezug ist erforderlich, um überhaupt in den Anwendungsbereich des Vertrages zu gelangen. 126 Der inländische Arbeitnehmer, der nie zuvor von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, kann sich nach diesem Grundsatz nicht auf eine Beschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb eines Mitgliedstaats berufen. Die Beschränkung grenzüberschreitender Sachverhalte setzt hingegen voraus, daß ein grenzüberschreitender Wechsel der Arbeitsmärkte beschränkt wird. Zwar fallen grenzüberschreitender Bezug und grenzüberschreitender Sachverhalt beim ersten Wechsel der Arbeitsmärkte zusammen. Danach müssen sie aber nicht notwendig gleichlaufen und sind daher zu unterscheiden. Die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts ist zudem ein dem Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots vorgelagerter Aspekt. Es ist zwar anerkannt, daß sich der Arbeitnehmer nach Ausübung der Freizügigkeit auf Art. 39 EG stützen kann. Diese allgemeine Aussage bezieht sich aber nicht auf das Beschränkungsverbot. Beim Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots geht es vielmehr darum, ob Art. 39 EG bei gegebenem Anwendungsbereich der Verträge auch den rein innerstaatlichen Wechsel der Arbeitsmärkte vor Beschränkungen schützt. Hierfür ist die Ausgestaltung des Beschränkungsverbots maßgeblich.
bb) Art. 39 Abs. 3 EG als Auslegungshilfe ?
Für die Erfassung nationaler Fälle könnte auf die Regelung des Art. 39 Abs. 3 EG abgestellt werden. Wenn dort die Bewegungsfreiheit in einem Mitgliedstaat geschützt wird, könnte dies darauf hindeuten, daß ein Grenzübertritt nicht für jede erneute Geltendmachung des Aufenthaltsrechts erforderlich ist. Für das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG der Arbeitnehmer kann dies jedoch keine Auswirkungen haben. Art. 39 Abs. 3 EG gewährt lediglich Einzelrechte und liegt dem allgemeinen Beschränkungsverbot nicht zugrunde. Das Beschränkungsverbot wurde im Wege der Rechtsfortbildung aus den Grundsätzen des Art. 3 Abs. 1 lit. c) abgeleitet. Art. 39 Abs. 3 lit. b) EG garantiert die Bewegungsfreiheit außerdem nur für den Zweck der Bewerbung und das Aufenthaltsrecht in lit. c) urnfaßt keine Bewegungsfreiheit innerhalb eines Mitgliedstaates. Art. 39 Abs. 3 EG gibt daher keine Anhaltspunkte für ein Anwendung des Beschränkungsverbots auf innerstaatliche Vorgänge. 126 EuGH, Urteil v. 5. 6. 1997 (UeckerlJacquet), Slg. I 1997, S. 3171, 3189 = EuZW 1997, S. 636, 637, Rn. 17; EuGH, Urteil v. 28. 3. 1979 (Saunders), Slg. 1979, S. 1129, 1135, Rn. 11; EuGH, Urteil v. 27.10.1982 (Morson und JhanJan), Slg. 1982, S. 3723, 3736, Rn. 16; EuGH, Urteil v. 28. 6. 1984 (Moser), Slg. 1984, S. 2539, 2547, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 23. 2. 1994 (Scholz), Slg. 11994, S. 505,521, Rn. 9; EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Slg. 11993, S. 1663, 1693, Rn. 15; Schwarze/Schneider/Wunderlich Art. 39 EG, Rn. 29; Thill, Revue du Marche Unique Europeen 1996/1, S. 89,100.
4 Roloff
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ce) Assoziationsrechtliches Argument
Auf den ersten Blick erscheint es zwar widersprüchlich, Arbeitnehmer aus assoziierten und europäischen Staaten bei freizügigkeitsrelevanten Fragen ungleich zu behandeln. Dies erstaunt vor allem, wenn der EuGH eine einheitliche Auslegung der Assoziationsfreizügigkeit und Art. 39 EG vornimmt. 127 Die Argumentation greift aber zu kurz. Der EuGH hat aus Art. 6 ARB 1/80 128 des europäisch/türkischen Assoziationsrates kein allgemeines Beschränkungsverbot abgeleitet, obwohl das türkische Assoziationsrecht den Arbeitnehmern weitergehende Rechte einräumt als anderen assoziierten Ländern. Art. 6 Abs. 1 ARB 1 / 80 gewährt nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder gewählten beruflichen Tätigkeit. Art. 6 Abs. 1 ARB 1 /80 sichert aber allein die Aufenthaltsund Arbeitserlaubnis eingereister türkischer Arbeitnehmer. Dafür spricht die Systematik der einzelnen Rechte in Art. 6 Abs. I ARB 1 /80. Der erste Spiegelstrich begrenzt die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis auf Arbeitsverhältnisse mit einem Arbeitgeber, der zweite Spiegelstrich auf solche mit zwei Arbeitgebern. Der dritte Spiegelstrich bezieht sich somit ebenfalls nur auf das Fortbestehen der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis unter besonderen Voraussetzungen. Der unbeschränkte Wechsel der nationalen Arbeitsmärkte wird hingegen nicht gewährleistet. Das Freizügigkeitsrecht reicht daher nicht einmal an die Rechte des Art. 39 Abs. 3 EG heran, geschweige denn an das absolute Beschränkungsverbot. In einer Entscheidung des EuGH, in der es darum ging, ob ein türkischer Arbeitnehmer den Aufenthaltsstatus des Art. 6 Abs. I 3. Spiegelstrich ARB 1/80 behält, nachdem er in V-Haft gesessen hatte, rechtskräftig verurteilt war und daher abgeschoben werden sollte, wird dies besonders deutlich. Der EuGH befaßt sich nur mit dem aufenthaltsrechtlichen Status des türkischen Arbeitnehmers und läßt eine Fortdauer des Aufenthaltsrechts nach Art. 6 Abs. I ARB I /80 ZU. 129 127 Ständige Rechtsprechung des EuGH, Urteil v. 10. 2. 2000 (Nazli), Slg. I 2000, S. 957, 990 = EuGRZ 2000, S. 50,54 = EuZW 2000, S. 219, 222, Rn. 55; zu diesem Urteil siehe Glupe, ZAR 2000, S. 167. 128 Art. 6 Abs. 1 ARB 1 /80 lautet: Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in dessen Mitgliedstaat. - nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt; - nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaats eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben; - nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis. 129 EuGH, Urteil v. 10.2.2000 (Nazli), Slg. I 2000, S. 957, 986 =EuGRZ 2000, S. 50, 53 =EuZW 2000, S. 219, 221, Rn. 41.
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
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Er problematisiert die Abwesenheit vom Arbeitsmarkt und deren Auswirkung auf die aus Art. 6 Abs. 1 ARB erworbenen Rechte, befaßt sich hingegen nicht mit einem allgemeinen Beschränkungsverbot. 130 Der EuGH postuliert somit eine Gleichstellung der Freizügigkeitsrechte, aber auch nur soweit dies möglich ist. 131 Ob der Wechsel des Arbeitgebers frei von Beschränkungen zu erfolgen hat, wird nicht angesprochen. Es bestehen außerdem grundsätzliche Bedenken, ob der EuGH bei aller Gleichbewertung der Freizügigkeitsrechte ein allgemeines Beschränkungsverbot aus den Assoziationsabkommen ableiten würde. Zwar ist der Assoziationsvertrag mit der Türkei auf eine Aufnahme in die europäische Gemeinschaft gerichtet. Indes fehlt es in den Beschlüssen des Assoziationsrates und in den Abkommen mit der Türkei an einer mit Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG vergleichbaren Vorschrift, die auf die Beseitigung von Hindernissen der Freizügigkeit und des Personenverkehrs zwischen der Türkei und den Mitgliedstaaten der EG gerichtet wäre. Zwischen den Beitrittskandidaten und der EU besteht kein Binnenmarkt, der allgemein Beschränkungen der Freizügigkeit verbieten könnte. Ein Beschränkungsverbot ist daher aus dem Assoziationsrecht nicht abzuleiten. Türkische Arbeitnehmer haben weder ein Marktzutrittsrecht 132 noch ein Recht auf beschränkungsfreien Wechsel der Arbeitsmärkte innerhalb und zwischen den Mitgliedstaaten. 133 Folglich geht es fehl, von einer EU-Inländerdiskriminierung zu sprechen. Wenn das Assoziationsrecht Drittstaatsangehörigen dennoch stärkere Rechte einräumen sollte als der EG-Vertrag, wäre dies nicht geeignet, EU-Bürgern zusätzliche Rechte einzuräumen, sondern beträfe die Rechtmäßigkeit der Abkommen mit der Türkei. Das Assoziationsrecht begründet somit keine Anwendung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG auf innerstaatliche Sachverhalte. dd) Argumente gegen eine Rechtsfortbildung
Beschränkungen innerstaatlicher Vorgänge können auch nicht im Wege einer Analogie unter das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG subsumiert werden. Dies ist weder mit der Rechtsprechung des EuGH vereinbar, noch ist dieses Ergebnis methodisch begründbar. Eine Rechtsfortbildung innerhalb des bereits im Wege der Rechtsfortbildung begründeten Beschränkungsverbots ist kompliziert. Es kann allenfalls überlegt werden, wie das Beschränkungsverbot bei den Personenverkehrsfreiheiten auszugestalten ist. Das Beschränkungsverbot wurde aus Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG hergeleitet, wo die Rede von Hindernissen für die Freizügigkeit "zwi130
EuGH, Urteil v. 10.2.2000 (Nazli), Slg. 12000, S. 957, 985
= EuZW 2000, S. 219, 221, Rn. 35 ff.
=EuGRZ 2000, S. 50, 53
EuGH, Urteil v. 26.11. 1998 (Birden), Slg. I 1998, S. 7747, 7776, Rn. 23. EuGH, Urteil v. 10.2.2000 (Nazli), Slg. 12000, S. 957, 983 =EuGRZ 2000, S. 50, 52 = EuZW 2000, S. 219, 220, Rn. 29. 133 Abweichend Nyssen, Revue du Marcbe Unique Europeen 1996/1, S. 119, 122. 131
132
4*
52
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
sehen" den Mitgliedstaaten ist. 134 Freiheiten "zwischen" den Mitgliedstaaten unterscheiden sich aber erheblich von Freiheiten "innerhalb" eines Mitgliedstaats. Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG wurde außerdem mit Rücksicht auf die anderen Grundfreiheiten, insbesondere die Dienstleistungs- und Waren verkehrsfreiheit entwickelt. In Art. 28 EG und Art. 49 EG ist jeweils die Rede von beschränkenden Maßnahmen "zwischen den Mitgliedstaaten" (Art. 28 EG) oder von Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs "in einem anderen Staat der Gemeinschaft" (Art. 49 Abs. 1 EG). Art. 43 EG spricht ausdrücklich von Beschränkungen der Niederlassung "in einem anderen Mitgliedstaat", nicht hingegen von der Beschränkung der Niederlassung im gleichen Mitgliedstaat. Der Wortlaut von Art. 43 EG ist eindeutig. Die vermeintlich fehlende Aussage in Art. 43 EG, daß Beschränkungen der Niederlassung "nur in einem anderen Mitgliedstaat" verboten seien, widerspricht der Sprachlogik. Die vermeintliche Lücke im EG-Vertrag ist auch nicht wegen Art. 3 Abs. 1 lit. g) EG planwidrig. Die Begründung des Beschränkungsverbots im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung (bzw. teleologischer Auslegung des Art. 43 Abs. 1 EG) basiert nicht auf Art. 3 Abs. 1 lit. g) EG, sondern ist Ausprägung des Art. 3 Abs. llit. c) EG. 135 Art. 3 Abs. llit. g) EG stellt kein Vertragsziel dar, das die Rechtsfortbildung hin zu einem Beschränkungsverbot gerechtfertigt hätte, so daß die Wettbewerbsordnung für das Verständnis der Grundfreiheiten außer Betracht bleiben muß. Allein Art. 81 ff. EG und nicht die Grundfreiheiten tragen der Wettbewerbsordnung Rechnung. Die Begrenzung des Beschränkungsverbots auf grenzüberschreitende Vorgänge ist somit nicht planwidrig, sondern wegen Art. 3 Abs. llit. c) EG plankonform. Mit dem Merkmal des grenzüberschreitenden Vorgangs wahrt der EuGH die der Rechtsfortbildung gesetzten Kompetenzgrenzen. Mit dem Erfassen rein nationaler Vorgänge verließe er den Anwendungsbereich des Vertrages, den Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG vorgibt. Der Zweck von Art. 39 EG besteht aber lediglich in der Schaffung eines Binnenmarktes. Der Binnenmarkt umfaßt aber nicht die Freizügigkeit in den Mitgliedstaaten, sondern zwischen den Mitgliedstaaten. Art. 39 EG soll die Mobilität innerhalb der EG und nicht innerhalb eines Mitgliedstaates fördern. Dafür spricht auch, daß der EuGH auf den ,,zugang" zum Arbeitsmarkt fremder Mitgliedstaaten abstellt. Zudem kombiniert er das Beschränkungsverbot aus zwei Elementen: dem Verbot der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge und dem Recht, das Herkunftsland zu verlassen, um von der Freizügigkeit Gebrauch zu machen. 136 Der Mitgliedstaat wird nur bei einem grenzüberschreitenden Wechsel der Arbeitsmärkte verlassen. Das Merkmal macht deutlich, daß das Beschränkungsverbot nur grenzüberschreitende Fälle erfaßt. Eine analoge Anwendung des 134 Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, S. 100. 135 Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, S. 100 spricht von Mitprägen des Binnenmarktes. 136 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1992 (Singh), Sig. I 1992, S. 4265, 4293, Rn. 17; EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. 11995, S. 4921, 5068 =EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 95.
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
53
Beschränkungsverbots des Art. 39 EG auf die Beschränkung innerstaatlicher Vorgänge ist somit ausgeschlossen.
ee) Wertungswiderspruch gegenüber Grenzgängern?
Das Erfordernis grenzüberschreitender Sachverhalte könnte einen Wertungswiderspruch zwischen der Rechtslage bei Arbeitnehmern, die sich im Zielstaat niederlassen, und Arbeitnehmern, die für ihre berufliche Tätigkeit regelmäßig die Grenze eines Mitgliedstaats überschreiten, weil sie in ihrem Herkunftsstaat wohnen bleiben (Grenzgänger 137 ), begründen. Grenzgänger genießen nach Ansicht des EuGH gemäß der 4. Begründungserwägung der va 1612/68 in vollem Umfang Freizügigkeitsrechte. 138 Bei Grenzarbeitnehmern könnte das Beschränkungsverbot auch rein interne Vorgänge erfassen. Der grenzüberschreitende Wechsel der Arbeitsmärkte könnte durch den ausländischen Wohnort des Arbeitnehmers begründet werden. Der EuGH hat dem Grenzarbeitnehmer in dem Urteil aber nur den Schutz des Diskriminierungsverbots gewährt. Das Beschränkungsverbot setzt im Gegensatz dazu die Verlagerung der Arbeitskraft in einen anderen Mitgliedstaat voraus. Der Grenzübertritt vom Wohnsitzstaat in einen anderen Mitgliedstaat als Arbeitsort begründet nur beim ersten Mal eine grenzüberschreitende Verlagerung der Arbeitskraft. Danach verbleibt die Arbeitskraft in dem Mitgliedstaat. Der Wechsel des Arbeitsmarktes innerhalb des Mitgliedstaates ist kein grenzüberschreitender Wechsel der Arbeitsmärkte mehr und wird vom Beschränkungsverbot trotz des ausländischen Wohnorts nicht erfaßt. Das macht der EuGH im Fall Werner deutlich, wo ein Arbeitnehmer lediglich seinen Wohnsitz ins Ausland verlagert hatte. Der EuGH lehnt eine Anwendung des Gemeinschaftsrechts ab, da die Tätigkeit nur innerhalb eines Mitgliedstaates ausgeübt wurde. 139 Die Verlagerung des Wohnsitzes genüge nicht für eine Anwendbarkeit der wirtschaftlichen Freiheiten. Daraus ergibt sich, daß der Grenzgänger die Arbeitskraft in seinen Wohnsitzstaat zurückverlagern muß, um sich auf das Beschränkungsverbot berufen zu können. Die Rückkehr in den Wohnsitzstaat führt nicht zu einer grenzüberschreitenden Verlagerung der Arbeitskraft. Der ausländische Wohnsitz reicht nicht aus, um der Beschränkung grenzüberschreitenden Charakter zu verleihen. Der Grenzgänger kann sich somit ebensowenig wie sonstige Arbeitnehmer gegen Beschränkungen rein interner Sachverhalte wenden. Grenzgänger werden aufgrund des ausländischen Wohnsitzes nicht privilegiert.
137 Zum Begriff: EuGH, Urteil v. 8. 6. 1999 (Meeusen), Sig. I 1999, S. 3289, 3312 = AP Nr. 9 zu Art. 48 EG-Vertrag, BI. 3, Rn. 21. 138 EuGH, Urteil v. 8. 6. 1999 (Meeusen), Sig. 11999, S. 3289, 3312, Rn. 21. 139 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1993 (Wemer), Sig. I 1993, S. 429, 470, Rn. 16.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ff) Kein unnötiger Formalismus
Das Erfordernis grenzüberschreitender Vorgänge ist kein unnötiger Fonnalismus, da interne Vorgänge nicht den Binnenmarkt betreffen und folglich auch keine nationalen Rechtsvorschriften umgangen werden. l40 Zwar können Arbeitnehmer die für rein interne Sachverhalte bestehenden Beschränkungen durch mehrere grenzüberschreitende Wechsel der Arbeitsmärkte abstreifen, da das Verlassen und die Rückkehr in den Mitgliedstaat nach Art. 39 EG beschränkungsfrei sein müssen. Bei der Rückkehr in einen Mitgliedstaat erreicht der Arbeitnehmer somit, daß er so stünde, als wäre der rein innerstaatliche Wechsel des Arbeitsmarktes beschränkungsfrei. Die rechtliche Bedeutung dieses Umwegs über andere Mitgliedstaaten ist freilich kein unnötiger Fonnalismus, sondern originäres Ziel des Binnenmarktes, da Arbeitnehmer motiviert werden, ihre Arbeitskraft grenzüberschreitend zu verlagern. Der Grenzübertritt erhält durch Art. 3 Abs. llit. c) EG materielles Gewicht. Die erforderliche Beschränkung eines grenzüberschreitenden Vorgangs ist notwendig zur Wahrung der mitgliedstaatlichen Kompetenzordnung und somit kein unnötiges fonnales Merkmal.
gg) Ergebnis
Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG greift somit nur bei Beschränkungen grenzüberschreitender Wechsel der Arbeitsmärkte innerhalb der EU. 141
e) Erfassung innerstaatlicher Vorgänge durch nationale Grundrechte Die Beschränkung nationaler, nicht vom Beschränkungsverbot des Art. 39 EG erfaßter Vorgänge könnte durch die Anwendung nationaler Grundrechte (etwa Art. 12 GG in Deutschland) auf europäische Arbeitnehmer ausreichend sanktioniert werden. 142 Für deutsche Arbeitnehmer, die nach Deutschland zurückkehren, 140 Wertenbruch, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), EuZW 1996, S. 91, 92. 141 Wechsel aus dem europäischen Ausland in die EU werden daher ebensowenig vom Beschränkungsverbot des Art. 39 EG erfaßt, da keine Grenzen der Mitgliedstaaten, sondern nur die Außengrenzen der EU überschritten werden; abweichend Thill, Revue du Marche Unique Europ6en 1996/ 1, S. 89, 101 f. 142 Einen Überblick über die Grundrechtsberechtigung ausländischer natürlicher Personen in den EU-Mitgliedstaaten gibt Drathen, Deutschengrundrechte im Lichte des Gemeinschaftsrechts, S. 56-91; siehe auch ausführlich zu den einzelnen Mitgliedstaaten Grabitz (Hrsg.), Grundrechte in Europa und den USA; Art. 11 GG ist zwar auch ein Deutschengrundrecht, es schützt aber nicht vor berufsbezogenen Beschränkungen, siehe Bonner Kommentar I Randelmoler Art. 11 GG, Rn. 40.
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
55
ist dies wegen der deutschen Staatsangehörigkeit einfach. Art. 12 GG findet nach seinem Wortlaut aber keine Anwendung auf EU-Ausländer. Es stellt sich die Frage, ob EU-Ausländer dennoch vom Grundrecht des Art. 12 GG profitieren.
aa) Bejahende Ansicht Im verfassungsrechtlichen Schrifttum wird die Anwendung von Art. 12 GG auf nichtdeutsche EU-Staatsangehörige unter Hinweis auf Art. 12 EG teilweise befürwortet. 143 Der gleichheitswidrige Anwendungsbereich des Art. 12 GG entbehre eines nach Art. 12 oder 39 Abs. 2 EG erforderlichen sachlichen Differenzierungsgrundes. Die Berufsfreiheit finde auf EU-Ausländer Anwendung, da Art. 12 GG anders als die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit keine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit aus dem staatsrechtlich relevanten Grund des Demokratieprinzips erlaube. 144 Die Garantien der Gleichheit, der wirtschaftlichen Freiheit und Freizügigkeit des "Marktbürgers" seien zu tragenden, die Mitgliedstaaten verpflichtenden Prinzipien erhoben worden. 145 Sofern die Grundfreiheiten und die Grundrechte wie bei Art. 39 EG und Art. 12 GG gleichliefen, müßten sie auch zu gleichen Berechtigungen führen. 146 bb) Ablehnende Auffassung Dies wird vom BVerfG und Teilen des Schrifttums abgelehnt. 147 Das BVerfG hatte sich zwar in seinen Entscheidungen nicht mit EU-Ausländern, sondern mit sonstigen Ausländern zu befassen. Die Begründung trägt indes allgemeine Erwägungen, die ebenfalls auf EU-Ausländer übertragen werden können. Durch die Anwendung des Art. 12 GG auf Ausländer würde dessen Wortlaut umgangen und die Unterschiede zwischen Art. 12 und Art. 2 Abs. 1 GG aufgehoben. 148 Auch die Tatsache, daß Ausländer Träger von Menschenrechten seien, könnte nichts daran ändern, daß die ausdrückliche Entscheidung des Grundgesetzes die Berufsfreiheit le143 Isenseel Kirchhofl Breuer, Handbuch des Staatsrechts Band 6, § 147, Rn. 21; Jarassl Pieroth Art. 12 GG, Rn. 10; DreierlWieland Art. 12 GG, Rn. 66; Drathen, Deutschgrundrechte im Lichte des Gemeinschaftsrechts, S. 160. 144 Isenseel Kirchhofl Breuer, Handbuch des Staatsrechts Band 6, § 147, Rn. 21. 145 Isenseel Kirchhofl Breuer, Handbuch des Staatsrechts Band 6, § 147, Rn. 21. 146 Drathen, Deutschgrundrechte im Lichte des Gemeinschaftsrechts, S. 160. 147 BVerfG, Beschluß v. 10. 5. 1988, BVerfGE 78, S. 179, 196 f.; BVerfG, Beschluß v. 18.7. 1973, BVerfGE 35, S. 382, 399; BVerfG, Urteil v. 15. 1. 2002, NJW 2002, S. 663; für ausländische juristische Personen BVerfG, Beschluß v. 22. 12. 2000, NZA 2001, S. 491; Sachs I Tettinger Art. 12 GG, Rn. 19,20; Schmidt-Bleibtreul Klein Art. 12 GG, Rn. 25; Friauf, JA 1984, S. 36,40; Benda, Handbuch des Verfassungsrechts Band II Tettinger, S. 104; Bauer, NVwZ 1990, S. 1152, 1153. 148 BVerfG, Beschluß v. 10. 5. 1988, BVerfGE 78, S. 179, 197.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
diglich Deutschen gewähre. 149 Art. 2 Abs. 1 GG entfalte unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung den nötigen Schutz für Ausländer. Die gesetzgeberische Entscheidung hafte in der Erkenntnis, daß ein einzelnes Land nicht "der gesamten Menschheit" eine freie wirtschaftliche Betätigung garantieren könne. 150
ce) Differenzierende Ansicht
Eine andere Ansicht erkennt die Kritik an der contra legern Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG an und gewährt Ausländern den Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG, indem sie dessen Schranken auf Art. 2 Abs. 1 GG überträgt. 151 Zwar gelte bei einer europarechtskonformen Auslegung der Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 GG als Grenze, über die man sich nicht ohne zwingenden Grund hinwegsetzen könne. Art. 2 Abs. 1 GG müsse deshalb aber in europarechtskonformer Weise ausgelegt werden. 152
dd) Stellungnahme
Die Parallelen zwischen Art. 12 GG und Art. 39 EG in seiner Beschränkungsvariante sind offensichtlich. Das zeigen Entscheidungen des BGH und des BAG, die bei Art. 12 GG auf die Rechtsprechung des EuGH zum Beschränkungsverbot des Art. 39 EG zuriickgreifen. 153 Dies bedeutet indes noch nicht, daß eine Übertragung der Berufsfreiheit als Deutschenrecht auf EU-Ausländer gerechtfertigt ist. Dieser Auslegung steht der Wortlaut von Art. 12 GG entgegen. Für eine europarechtskonforme Auslegung nationalen Rechts muß zudem ein besonderes europarechtliches Bedürfnis bestehen. 154 Ein solches ist bei Art. 12 GG fraglich. Freizügigkeitsbeschränkungen im grenzüberschreitenden Bereich werden durch das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG umfassend verboten. Rein nationale Vorgänge sind vom Beschränkungsverbot hingegen nicht erfaßt (Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG). Unterschiedslose Arbeitsbedingungen verbietet Art. 39 EG nur, wenn sie beschränkende Wirkung auf grenzüberschreitende Vorgänge im Binnenmarkt entfalten. ISS Das kann aber bei nationalen Vorgängen nicht der Fall sein. In diesen Fällen besteht überhaupt kein europarechtliches Bedürfnis, Art. 12 GG heranzuziehen. 149 150
151 152
BVerfG, Beschluß v. 10.5. 1988, BVerfGE 78, S. 179, 196. Friauj. JA 1984, S. 36,40. Bauer/Kahl, JZ 1995, S. 1077, 1078, 1083. Bauer/Kahl, JZ 1995, S. 1077, 1081.
153 BGH, Urteil v. 27. 9.1999 (DEB), NJW 2000, S. 1028,1029; BGH, Urteil v. 27. 9.1999 (NFV), BGHZ 142, S. 304, 309 = NJW 1999, S. 3552, 3553; BAG, Urteil v. 20. 11. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6; Singer; Anmerkung zu BAG, Urteil v. 20. 11. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 10; Tettinger; JZ 2000, S. 1069, 1074. 154 Nettesheim, AöR 119 (1994), S. 261, 268. 155 Siehe oben 1. Kapitel, III., 3.
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
57
Auch das Verbot der Diskriminierung der Arbeitnehmer bei den Arbeitsbedingungen begründet kein Bedürfnis der korrigierenden Auslegung. Art. 12 GG regelt keine Arbeitsbedingungen, sondern verbietet ungerechtfertigte Eingriffe in den Schutzbereich eines Grundrechts. Europäische Arbeitnehmer werden durch den Ausschluß vom Schutzbereich des Art. 12 GG nicht bei den Arbeitsbedingungen diskriminiert. Erst wenn ein deutscher Arbeitnehmer eine Regelung über Art. 12 GG erfolgreich zu Fall gebracht hat und diese weiterhin auf ausländische Arbeitnehmer angewandt wird, liegt eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit vor. Freilich greift dann wieder Art. 39 Abs. 2 EG. Auch Art. 12 EG führt nicht zur Anwendung des Art. 12 GG auf EU-Ausländer. Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG verbietet Diskriminierungen ebenso wie Art. 39 EG nur im Anwendungsbereich der Verträge. Der Vertrag ist jedoch nicht auf die Gewähr grundrechtlichen Schutzes anwendbar. Nur der grenzüberschreitende Personenverkehr gehört zum Anwendungsbereich des Art. 39 EG auf Arbeitnehmer, so daß über Art. 12 EG keine Ausweitung des Art. 12 GG möglich ist. Zudem gewähren Art. 1, 2 GG ausreichend Schutz bei innerstaatlichen Vorgängen. Eine Anwendung von Art. 12 GG widerspräche außerdem dem Inhalt und der Systematik des Art. 39 EG. Sie würde den Vorbehalt des Art. 39 Abs. 3 GG aufheben. Die Ausweisung eines berufstätigen EU-Bürgers wäre ein staatlicher Entzug des Berufes in der BRD und als absolutes Zugangshindernis wegen der Schranken des Art. 12 GG nur schwer zu rechtfertigen. Daß die Rechtfertigung einer solchen Maßnahme möglich sein muß, zeigt Art. 39 Abs. 3 EG, der den Aufenthalt unter den Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung stellt. Auch die Rechtsprechung des EuGH zur Anerkennung ausländischer Zeugnisse geriete mit Art. 12 GG in Konflikt. Denn das vom EuGH wegen Art. 47 Abs. 1 EG für zulässig erachtete Erfordernis nationaler Diplome in nicht reglementierten Berufen stellt eine subjektive Zulassungssperre dar. Diese wäre bei einer Anwendung von Art. 12 GG auf EU-Staatsangehörige im Grunde nur zulässig, wenn gravierende Gründe des Allgemeininteresses die Beschränkung rechtfertigten. Mit Art. 39 EG wäre sie nach der Rechtsprechung des EuGH vereinbar, solange keine Vorschriften über die Anerkennung ausländischer Diplome erlassen wurden. 156 Eine Maßnahme der Mitgliedstaaten könnte daher im Einklang mit dem EG-Vertrag stehen, während sie gegen Art. 12 GG verstieße. Weder Art. 39 EG noch Art. 12 EG können aber eine Auslegung nationalen Rechts erfordern, die ihrem eigenen Regelungsgehalt zuwiderläuft. Einer europarechtskonformen Auslegung des Art. 12 GG steht somit der Widerspruch zum Inhalt der Grundfreiheiten und deren Systematik entgegen. Es besteht folglich kein Bedürfnis, Art. 12 GG auf EU-Ausländer anzuwenden. Sie werden bei nationalen Beschränkungen ihrer Freizügigkeit durch Art. 2 Abs. 1 GG hinreichend geschützt.
156
EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097,4116, Rn. 10.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
t) Anforderungen an den Beweis des grenzüberschreitenden Sachverhalts
Weiterhin ist zu klären, wie der Arbeitnehmer den grenzüberschreitenden Charakter der Beschränkung der Freizügigkeit vor Gericht beweisen kann. Für die Anwendbarkeit der Freizügigkeit muß im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich dargetan werden, daß die Voraussetzungen des Art. 39 EG erfüllt sind. Nicht ausreichend ist die bloße Behauptung, eine Maßnahme beschränke die Freizügigkeit, ohne überhaupt einen grenzüberschreitenden Wechsel der Arbeitsmärkte zu planen. 157 Es könnte aber verlangt werden, daß ein Arbeitsvertrag mit dem neuen Arbeitgeber im Ausland vorgelegt wird, um den grenzüberschreitenden Charakter zu belegen. 15S Der EuGH läßt hingegen den Nachweis einer Bewerbung als Beweis eines grenzüberschreitenden Sachverhalts genügen. 159 Für diese Sichtweise spricht, daß es schwierig sein dürfte, einen Arbeitsvertrag abzuschließen und damit den grenzüberschreitenden Charakter zu beweisen, wenn das Verlassen des Arbeitsmarktes oder der Zugang zu fremden Arbeitsmärkten wegen des Beschränkungsverbots nicht möglich ist. Zudem ist es für die Anwendbarkeit des Art. 39 EG nicht erforderlich, eine berufliche Tatigkeit in einem anderen Mitgliedstaat anzutreten. Der Arbeitnehmer kann sich auch ohne Arbeit in den anderen Mitgliedstaat begeben, um dort eine neue Anstellung zu suchen, sofern er vorher eine Tatigkeit ausgeübt hat. 160 Ein anderer Grund für den erleichterten Beweis des grenzüberschreitenden Sachverhalts durch den Arbeitnehmer besteht in der Parallele zu den formalen Anforderungen bei der Einreise in einen Mitgliedstaat. Es ist den Mitgliedstaaten nicht gestattet, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Zweck der Einreise zu überprüfen. Aus einem Vergleich des Art. 3 mit Art. 4 RL 68/360 ergibt sich, daß der Nachweis eines Arbeitsverhältnisses nur für den Nachweis des Aufenthaltsrechts, nicht aber für die Einreise erforderlich ist. 161 Benötigt der Arbeitnehmer aber keinen Beschäftigungsnachweis beim Grenzübertritt, muß für den Beweis des grenzüberschreitenden Sachverhalts die ernsthafte Absicht genügen, in einem anderen Mitgliedstaat eine Arbeit aufnehmen zu wollen. Der Arbeitnehmer kann den grenzüberschreitenden Vorgang beweisen, wenn er durch Bewerbungen belegt, daß er seine Arbeitskraft ins europäische Ausland verlagern wollte. 157 Ähnlich EuGH, Urteil v. 28. 6. 1984 (Moser), Slg. 1984, S. 2539, 2547, Rn. 18 zum erforderlichen Gemeinschaftsbezug. 158 Der Arbeitnehmer im Bosman-Urteil konnte einen Arbeitsvertrag vorlegen: EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 5067 =EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 90. 159 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5067 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 90. 160 EuGH, Urteil v. 26. 2. 1991 (Antonissen), Slg. 11991, S. 745, 777, Rn. 11; EuGH, Urteil v. 12.5. 1998 (Martfnez Sala), Slg. I 1998, S. 2621, 2719, Rn. 32. 161 Groeben 1Thiesing 1Ehlermann 1Wölker Art. 48 EGV, Rn. 19; Antwort des Rates auf eine schriftliche Anfrage, ABI. 1978 C 245/19; Hailbronner; AusIR, D 1 § 2 Rn. 2.
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
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g) Ergebnis
Art. 39 EG erfaßt in seiner Ausprägung als Beschränkungsverbot keine nationalen Vorgänge, auch wenn ausländische Arbeitnehmer oder riickkehrende Wanderarbeitnehmer des jeweiligen Mitgliedstaats betroffen sind. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG, der die Beseitigung der Hindernisse "zwischen" den Mitgliedstaaten verlangt. Dieses grenzüberschreitende Moment kann der Arbeitnehmer beweisen, indem er seine ernsthafte Absicht darlegt, in einem anderen Mitgliedstaat beruflich tätig zu werden.
4. Arbeitnehmerstatus vor dem Überschreiten der Grenze a) Problem Auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG der Arbeitnehmer können sich nach Art. 39 EG nur Arbeitnehmer im Sinne des Europarechts berufen. Insoweit besteht keine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen. Fraglich ist aber, ob das Beschränkungsverbot auch die Fälle erfaßt, in denen ein nicht beschäftigter Staatsangehöriger den Aufenthaltsort wechseln möchte, um in einem anderen Mitgliedstaat eine Tätigkeit als Arbeitnehmer aufzunehmen. Zwar gelten Arbeitslose als Arbeitnehmer, wenn sie vorher eine Tätigkeit ausgeübt haben und eine neue Anstellung suchen. 162 Bestand aber vor der Ausübung der Freizügigkeit kein Beschäftigungsverhältnis, können sich Nichtarbeitnehmer einzig auf Art. 12, 18 EG berufen und haben ohne vorherige Beschäftigung gemäß Art. 39 Abs. 3 lit. a) EG lediglich ein Einreiserecht, um sich für eine tatsächlich angebotene Stelle zu bewerben. 163 Sie können im Grunde nicht das Verbot des beschränkungsfreien Zugangs zu fremden Arbeitsmärkten geltend machen, obwohl ihre Freizügigkeit durch Qualifikationsvoraussetzungen oder die Verpflichtung zu Ablösesummen beschränkt werden kann. b) Bisherige Stellungnahmen
Aussagen im Schrifttum oder der Rechtsprechung zu dieser Frage gibt es noch nicht. Allein die Entscheidung des EuGH in der Sache Kraus könnte einen Anhaltspunkt geben. Ein Student hatte sich auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG und der Niederlassungsfreiheit berufen. 164 Er wandte sich gegen das Erfordernis der Anerkennung seiner im europäischen Ausland erworbenen Qualifikationen, 162 EuGH, Urteil v. 26. 2. 1991 (Antonissen), Slg. 11991, S. 745, 777, Rn. 11; EuGH, Urteil v. 12.5. 1998 (Martinez Sala), Slg. I 1998, S. 2621, 2719, Rn. 32. 163 Erfurter Kommentar I Hanau Art. 39 EG, Rn. 8. 164 EuGH, Urteil v. 31. 3.1993 (Kraus), Slg. 11993, S. 1663 ff.
60
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
um sie in Deutschland als Titel führen zu können. Der EuGH hat die Anwendbarkeit des Art. 39 EG auf künftige Arbeitnehmer nicht problematisiert und damit möglicherweise die zukünftige Arbeitnehmereigenschaft genügen lassen.
c) Konkretisierung des Beschränkungsverbots anband der übrigen Grundfreiheiten Das im Wege der Rechtsfortbildung hergeleitete Beschränkungsverbot ist anhand der anderen Grundfreiheiten zu konkretisieren. Bei den Beschränkungsverboten der anderen Grundfreiheiten ist eine Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs auf die vorherige Ausübung einer bestimmten Tätigkeit nicht vorgesehen. In Art. 43 EG ist allein die Rede von der freien Niederlassung. Das setzt keine vorherige Niederlassung in einem Mitgliedstaat voraus. Es genügt die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat. Das gilt ebenso für Art. 28 und 49 EG. Die Person, die Waren und Dienstleistungen in einen anderen Mitgliedstaat exportiert, muß vor dem Grenzübertritt keine Waren oder Dienstleistungen im eigenen Mitgliedstaat vertrieben haben, um sich gegen Zugangsbeschränkungen fremder Märkte zu wehren. Art. 49 EG spricht lediglich von der Ansässigkeit des Leistungserbringers in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Leistungsempfängers. Da das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG aber im Einklang mit den anderen Grundfreiheiten auszugestalten ist, genügt es somit, wenn eine berufliche Tätigkeit nach dem Grenzübertritt aufgenommen werden soll. Folglich ist die vorherige Arbeitnehmerstellung für die Anwendung des Beschränkungsverbots nicht erforderlich. Die Freizügigkeit muß lediglich zur Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit als Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt werden.
5. Ausnahme für die öffentliche Verwaltung (Art. 39 Abs. 4 EG) Das Beschränkungsverbot könnte wegen Art. 39 Abs. 4 EG keine Anwendung auf den Bereich der öffentliche Verwaltung finden. 165 Angestellte im öffentlichen 165 Ausführlich zum Verständnis des Vorbehalts: Lecheler, Die Interpretation des Art. 48 Abs. 4 EGV und ihre Konsequenzen für die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung; neuerdings zu Art. 39 Abs. 4 EG auch Veltmann, Der Anwendungsbereich des Freizügigkeitsrechts der Arbeitnehmer gemäß Art. 48 EGV (Art. 39 EGV n.F.), S. 72 ff. und Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 151 ff., freilich ohne Beantwortung der Frage, ob der Vorbehalt auch für das Beschränkungsverbot gilt. Zur Frage, ob Art. 39 Abs. 4 EG Rechtfertigung oder Bereichsausnahme ist: Jarass, EuR 1995, S. 202,221 und EuR 2000, S. 705, 717 f. Er tendiert zu einer Rechtfertigung wegen der angeblichen Verhältnismäßigkeitspriifung. Eine solche findet bei Art. 39
III. Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots
61
Dienst sind zwar ebenso wie Beamte Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EG. 166 Art. 39 Abs. 4 EG schließt aber vom Wortlaut her eine Anwendung des Art. 39 EG in der öffentlichen Verwaltung aus. Der freie Zugang zur öffentlichen Verwaltung und dessen Verlassen könnten daher frei beschränkt werden.
a) Wortlaut
Der Wortlaut von Art. 39 Abs. 4 EG läßt auf eine umfassende Ausnahmeregelung schließen, die nicht nur den Zugang zur Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung vom Anwendungsbereich des Artikels ausnimmt. 167 Darüber hinaus spricht Art. 39 Abs. 4 EG von "diesem Artikel" und bezieht sich damit auf alle in Art. 39 Abs. I - 3 EG genannten Rechte. Indes kannte der historische Gesetzgeber das allgemeine Beschränkungsverbot des Art. 39 EG noch nicht, so daß sich der Vorbehalt auch nur auf die geschriebenen Rechte des Art. 39 beziehen könnte.
b) Systematik
Systematisch bezieht sich der Vorbehalt auf alle vorstehenden Rechte und nicht nur auf das Diskriminierungsverbot. Indes ist das Beschränkungsverbot nicht ausdriicklich in Art. 39 EG geregelt, sondern ergibt sich aus einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung, so daß mit systematischen Erwägungen zunächst nur wenig Schlüsse über die Anwendbarkeit des Art. 39 Abs. 4 EG auf das Beschränkungsverbot gezogen werden können. Die Systematik spricht dennoch gegen ein umfassendes Verständnis des Vorbehalts. Art. 39 Abs. 4 EG erfaßt bereits nicht die Rechte des Art. 39 Abs. 3 EG, die in keinem Zusammenhang mit der öffentlichen Verwaltung stehen. Da Art. 39 Abs. 3 EG wie auch das Beschränkungsverbot absolute Rechte gewährt, könnte die systematische Stellung gegen eine Anwendung des Vorbehalts auf das Beschränkungsverbot sprechen. c) Teleologie
Jedenfalls der Zweck des Art. 39 Abs. 4 EG steht einer Übertragung des Vorbehalts auf das Beschränkungsverbot entgegen. Ausnahmen vom Vertrag und insbeAbs. 4 EG aber gerade nicht statt, siehe aus der neuesten Rechtsprechung EuGH, Urteil v. 30. 11. 2000 (Österreichischer Gewerkschaftsbund), Slg. I 2000, S. 10497, 10548 = EuGRZ 2001, S. 36, 39, Rn. 36, der vom Anwendungsbereich spricht. 166 EuGH, Urteil v. 3. 7. 1986 (Blum), Slg. 1986, S. 2121, 2144, Rn. 17; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts / Hailbronner; D I, Rn. 22. 167 Hillgruber; ZBR 1997, S. 1.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
sondere von den Grundfreiheiten sind stets eng auszulegen. 168 Nach Art. 39 Abs. 4 EG sollen die Mitgliedstaaten nur die Möglichkeit erhalten, den Staat nur durch eigene Staatsangehörige vertreten zu lassen, womit die besondere Verbundenheit des Stelleninhabers mit dem Staat durch die Staatsangehörigkeit verdeutlicht werden soll. 169 Ein Mitgliedstaat darf bei einer Einstellung für die öffentliche Verwaltung nach der Staatsangehörigkeit differenzieren,170 wenn ein besonderes Verbundenheitsverhältnis zum Staat vorausgesetzt werden kann, was nur selten der Fall iSt. 171 Sind die Arbeitnehmer aber einmal in die Verwaltung aufgenommen worden, müssen sie bei den Arbeitsbedingungen zwingend gleichbehandelt werden. l72 Der Zweck des Art. 39 Abs. 4 EG besteht somit ausschließlich in der Zulässigkeit diskriminierender Beschränkungen des Zugangs zur Beschäftigung. Nichtdiskriminierende Zugangsbeschränkungen sind keine Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit. Die Zulässigkeit diskriminierender Zugangsregeln rechtfertigt auch keinen Erst-Recht-Schluß für die Zulässigkeit nichtdiskriminierender Beschränkungen der Freizügigkeit. Nichtdiskriminierende Zugangsbeschränkungen sind nicht Ausdruck besonderer Verbundenheit der Staatsangehörigen mit dem Mitgliedstaat, da sie ja unterschiedslos wirken. Art. 39 Abs. 4 EG müßte für eine Anwendung auf das Beschränkungsverbot vielmehr erweiternd ausgelegt werden, was gegen den Ausnahmecharakter des Vorbehalts verstieße. 173 Nichtdiskriminierende Beschränkungen der Freizügigkeit sind daher nicht von der Ausnahme des Art. 39 Abs. 4 EG erfaßt.
d) Ergebnis Art. 39 Abs. 4 EG begründet keine Ausnahme vom Beschränkungsverbot in der öffentlichen Verwaltung.
168 EuGH, Urteil v. 9. 3. 2000 (Kommission/Belgien), Slg. 12000, S. 1221, 1245 = EuZW 2000, S. 344, 345, Rn. 25; Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 164 EGV, Rn. 26; Lenz/ Borchardt Art. 220 EG, Rn. 20; Giegerich, JuS 1997, S. 522, 523. 169 EuGH, Urteil v. 17. 12. 1980 (Kommission/Belgien), Slg. 1980, S. 3881, 3900, Rn. 10; Oppennann, Europarecht, Rn. 1533; Groeben / Thiesing / Ehlennann / Wölker Art. 48 EGV, Rn. 114; Lenz/ Scheuer Art. 39 EG, Rn. 84; Herdegen, Europarecht, Rn. 313; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrecht / Hai/bronner, D I, Rn. 55. 170 EuGH, Urteil v. 30. 11. 2000 (Österreichischer Gewerkschaftsbund), Slg. I 2000, S. 10497, 10548 = EuGRZ 2001, S. 36, 39, Rn. 36. 171 EuGH, Urteil v. 2. 7. 1996 (Kommission/Griechenland), Slg. I 1996, S. 3285, 3320, Rn. 2; EuGH, Urteil v. 2. 7.1996 (Kommission/Belgien), Slg. 11996, S. 3265, 3278, Rn. 2. 172 EuGH, Urteil v. 12.2. 1974 (Sotgiu), Slg. 1974, S. 153, 162, Rn. 4; Heyer, Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit, S. 79 ff. 173 Zuletzt EuGH, Urteil v. 9. 3. 2000 (Kommission/Belgien), Slg. 12000, S. 1221, 1245 =EuZW 2000, S. 344, 345, Rn. 25; Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 164 EGV, Rn. 26; Lenz/ Borchardt Art. 220 EG, Rn. 20.
IV. Abgrenzung des Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten
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6. Ergebnis Es genügt für den Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots, daß eine abhängige Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen wird. Adressaten des Beschränkungsverbots sind die Gemeinschaftsorgane und die Mitgliedstaaten auch gegenüber ihren eigenen Staatsangehörigen. Das Beschränkungsverbot ist nur auf grenzüberschreitende Vorgänge anwendbar und für die öffentliche Verwaltung und den öffentlichen Dienst besteht keine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG. Folglich können sich Personen, die in den Schutzbereich des Beschränkungsverbots gegen Beschränkungen ihrer Freizügigkeit wenden, wenn ihnen ohne Diskriminierung der Zugang zum öffentlichen Dienst verweigert oder das Verlassen des öffentlichen Dienstes erschwert, etwa weil ihre Versorgungsanwartschaften beim Verlassen des öffentlichen Dienstes verfallen.
IV. Abgrenzung des allgemeinen Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten Das Beschränkungsverbot kann als Rechtsfortbildung nur die im EG-Vertrag bestehende planwidrige Lücke füllen . Es ist daher von anderen Freizügigkeitsrechten abzugrenzen.
1. Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 39 Abs. 2 EG) Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nach Art. 39 Abs. 2 EG wird weder in Fällen unmittelbarer noch in den Fällen mittelbarer Diskriminierungen vom Beschränkungsverbot des Art. 39 EG erfaßt. Zwar sind diskriminierende Maßnahmen in hohem Maße geeignet, die Ausübung der Freizügigkeit zu beschränken. Werden aber fremde Arbeitnehmer nach der Staatsangehörigkeit diskriminiert, geht Art. 39 Abs. 2 EG der Anwendung des allgemeinen Beschränkungsverbots vor. 174 Das im Wege der Rechtsfortbildung begriindete Beschränkungsverbot findet seine sachliche Rechtfertigung in der Gesetzeslücke für unterschiedslos auf In- und Ausländer anwendbare Beschränkungen der Freizügigkeit. Besteht diese Lücke wegen erwiesener Diskriminierung fremder Staatsangehöriger nicht, ist das Beschränkungsverbot auch nicht anwendbar. Dementsprechend fragt der EuGH nach der Feststellung einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung nicht mehr nach einer allgemeinen Beschränkung der Freizügigkeit. 175 174
Ehlers, Jura 2001, S. 482, 485.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
2. Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat Benachteiligt ein Herkunftsstaat Arbeitnehmer, die den Mitgliedstaat verlassen wollen, gegenüber im Inland verbleibenden Arbeitnehmern, liegt eine Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat vor.176 Man spricht auch von doppelbelastenden Maßnahmen. l77 Es handelt sich nicht um eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit, da überwiegend Arbeitnehmer mit der Staatsangehörigkeit des Herkunftsstaates betroffen sind. Es ist dennoch umstritten, ob Art. 39 Abs. 2 EG oder das allgemeine Beschränkungsverbot diese Konstellation erfassen. a) Anwendung des Art. 39 Abs. 2 EG
Zum Teil wird vertreten, daß das Diskriminierungsverbot auf die Benachteiligung grenzüberschreitender Vorgänge auch ohne Diskriminierung fremder Staatsangehöriger Anwendung findet. 178 Die Grundfreiheiten seien Grundgleichheiten, die sich nicht in dem Verbot der Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer erschöpften und alle Arten von Diskriminierungen im Zusammenhang mit der Ausübung der Freizügigkeit erfaßten. 179
b) Ansicht des EuGH
Der EuGH hat sich in Fällen der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat nicht ausdriicklich mit einer Abgrenzung des Beschränkungsverbots vom Diskriminierungsverbot nach der Staatsangehörigkeit befaßt. Indes spricht die Begriindung seiner Urteile in Fällen der Diskriminierung grenzüberschreitender Sachverhalte durch den Herkunftsstaat stark für die Anwendung des Beschränkungsverbots. Art. 39 EG enthalte einen fundamentalen Grundsatz, der in Art. 3 Abs. I lit. c) EG verankert sei und die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten um175 EuGH, Urteil v. 2. 8. 1993 (AHutS 11), Slg. I 1994, S. 4309, 4334 = JZ 1994, S. 94, 95, Rn. 12, 14; EuGH, Urteil v. 15. 1. 1998 (Schöning-Kougebetopoulou), Slg. I 1998, S. 47, 67 ff. = AP Nr. 1 zu Art. 48 EG-Vertrag; EuGH, Urteil v. 23. 5. 1996 (O'Flynn), Slg. 11996, S. 2617, 2638. 176 Siehe EuGH, Urteil v. 26.1. 1999 (Terhoeve), Slg. 11999, S. 345. 177 Ausführlich hierzu Mojzesowicz, Möglichkeiten und Grenzen einer einheitlichen Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 148 ff. 178 Palme, JZ 1996, S. 238, 241; Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 599 f.; Jarass, EuR 1995, S. 202, 217 f. aufgegeben in EuR 2000, S. 705, 711 ; Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 84 ff.; Marenco/ Banks, E.L.Rev. 1990, S. 224, 238 zu Art. 28 EG. 179 Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 599, 601; Jarass, EuR 1995, S. 202, 217 f.
IV. Abgrenzung des Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten
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fasse. 180 Sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit sollten den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im Gebiet der Gemeinschaft erleichtern und stünden Maßnahmen entgegen, die die Arbeitnehmer benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tatigkeit ausüben wollten. 181 Die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten hätten insbesondere das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben. 182 Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hinderten oder davon abhielten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellten daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung fanden. 183 Somit sei die Regelung ein grundsätzlich durch Art. 39 EG verbotenes Hemmnis für die Freizügigkeit, so daß sich Überlegungen erübrigten, ob eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit vorliege. 184 Die Begründung des EuGH ist mit der Herleitung des allgemeinen Beschränkungsverbots identisch und legt es daher nahe, daß der EuGH das Beschränkungsverbot auf die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat anwendet.
c) Anwendung des Beschränkungsverbots Im Schrifttum wird die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge vom Diskriminierungsverbot abgegrenzt und am relativen Beschränkungsverbot gemessen. 185 Im Unterschied zu mittelbar diskriminierenden Regelungen knüpfe die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge wegen ihrer relativ beschränkender Wirkung nicht an die Staatsangehörigkeit an und sei daher keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit. 186
180 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Sig. 11999, S. 345, 388, Rn. 36; EuGH, Urteil v. 15.6.2000 (Sehrer), Sig. I 2000, S. 4585, 4614 =EuZW 2000, S. 538, 540, Rn. 31. 181 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1988 (Stanton), Sig. 1988, S. 3877, 3894, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345, 388, Rn. 37; EuGH, Urteil v. 15.6.2000 (Sehrer), Slg. 12000, S. 4585, 4614 = EuZW 2000, S. 538, 540, Rn. 32. 182 EuGH, Urteil v. 26.1. 1999 (Terhoeve), Slg. 11999, S. 345,388, Rn. 38. 183 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Sig. I 1999, S. 345, 388, Rn. 39; EuGH, Urteil v. 15.6.2000 (Sehrer), Slg. 12000, S. 4585, 4615 = EuZW 2000, S. 538, 540, Rn. 33. 184 EuGH, Urteil v. 26.1. 1999 (Terhoeve), Slg. 11999, S. 345, 388, Rn. 41; EuGH, Urteil v. 15.6.2000 (Sehrer), Slg. I 2000, S. 4585, 4615 =EuZW 2000, S. 538, 540, Rn. 35. 185 Mojzesowicz, Möglichkeiten und Grenzen einer einheitlichen Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 153 f.; Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 90. 186 Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 91.
5 Roloff
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
d) Ansicht des Generalanwalts Fennelly Der Generalanwalt Fennelly differenziert in seinen Schlußanträgen zwischen Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit und der Diskriminierung aus Griinden der Zu- oder Abwanderung. 187 Die Diskriminierung aus Griinden der Abwanderung entspricht der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftstaat. Sie sei regelmäßig keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit, da überwiegend Staatsangehörige des Herkunftsstaates in ihrer Freizügigkeit beschränkt würden, so daß Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit und das Beschränkungsverbot eindeutig voneinander unterschieden werden könnten. 188 Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG verbiete aber grundsätzlich Maßnahmen, die nicht nach der Staatsangehörigkeit unterschieden, sondern danach, ob eine Person eine ununterbrochene wirtschaftliche Tatigkeit in ihrem Herkunftsland ausübe oder aber entweder in ein anderes Land umziehe, um dort als abhängig Beschäftigter zu arbeiten, oder zugleich in mehreren Ländern arbeite, und durch diese Unterscheidung diejenigen benachteilige, die auf diese Weise ihre Freizügigkeit ausübten. 189 Der Generalanwalt sieht somit in der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat einen Verstoß gegen das allgemeine Beschränkungsverbot des Art. 39 EG.
e) Ansicht des Generalanwalts Lenz Der Generalanwalt Lenz nimmt möglicherweise den Gegenstandpunkt ein. 190 So führt er aus, daß in Fällen, in denen grenzüberschreitende Vorgänge schlechter behandelt werden als rein nationale, ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG angenommen werden kann. 191 An anderer Stelle widerspricht er diesem Standpunkt, wenn er ausführt, daß offenbleiben kann, ob es sich bei der Benachteiligung grenzüberschreitender Vorgänge um eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit handelt, da diese Ungleichbehandlung jedenfalls geeignet ist, einen Arbeitnehmer von der Inanspruchnahme seiner Freizügigkeit abzuhalten. 192 187 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 503 =EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 13, Rn. 21. 188 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 503 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 13, Rn. 21. 189 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 503 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 13, Rn. 21. 190 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 4990 f., Rn. 162, 164, wobei er in Anbetracht eines allgemeinen Beschränkungsverbots vorschlägt, die Überlegungen zum Diskriminierungsverbot offenzulassen. 191 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 4990, Rn. 162.
IV. Abgrenzung des Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten
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f) Stellungnahme
Die Erweiterung des Diskriminierungsverbots nach Art. 39 Abs. 2 EG auf die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge findet keinerlei Anhaltspunkte in der Rechtsprechung des EuGH. Vielmehr ist seine Rechtsprechung zur Benachteiligung grenzüberschreitender Vorgänge Ausprägung des Beschränkungsverbots. Die erwähnten Passagen stimmen wörtlich mit der Begründung und Herleitung des Beschränkungsverbots im Bosman-Urteil überein. 193 Der EuGH bezieht sich auch in der Bosman-Entscheidung auf ein Urteil, in dem ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegenüber dem rein nationalen Vorgang benachteiligt wurde. 194 Er stellt dort nicht etwa darauf ab, daß die Benachteiligung eine unzulässige Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit ist, sondern geht davon aus, daß die Benachteiligung den Arbeitnehmer davon abhalten kann, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, und ihn damit in seiner Freizügigkeit beeinträchtigt. 195 Diese Einordnung wird auch in der Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit deutlich. 196 Art. 43 EG enthält nach Ansicht des EuGH einen fundamentalen Grundsatz, der unmittelbar anwendbar ist. 197 Auch wenn Art. 43 EG nach seinem Wortlaut insbesondere die Inländergleichbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern solle, so verbiete er es doch auch, daß der Herkunftsstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat behindere. 198 Mit dieser Aussage grenzt der EuGH das Diskriminierungsverbot vom einschlägigen Beschränkungsverbot ab und wendet in Fällen der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge das Beschränkungsverbot an. Dies zeigt auch eine Entscheidung des EuGH zur Dienstleistungsfreiheit, wo er ausdriicklich in einem Fall der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge eine verbotene Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit prüft. 199 192 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 4986, Rn. 155. 193 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345, 389, Rn. 37 -39 identisch mit der Begründung im Bosman-Urteil v. 15. 12. 1995, Slg. I 1995, S. 4921, 5068 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 94-96. 194 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 96 unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 7. 3.1991 (Masgio), Slg. 11991, S. 1119, 1139 f., Rn. 18, 19. 195 EuGH, Urteil v. 7. 3. 1991 (Masgio), Slg. I 1991, S. 1119, 1139 f., Rn. 18. 196 EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Baars), Slg. I 2000, S. 2787, 2816, Rn. 27 ff.; EuGH, Urteil v. 27. 9. 1988 (Daily Maii), Slg. 1988, S. 5483, 5510, Rn. 15 ff. 197 EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Baars), Slg. I 2000, S. 2787, 2816, Rn. 27; EuGH, Urteil v. 27. 9. 1988 (Daily Maii), Slg. 1988, S. 5483, 5510, Rn. 15. 198 EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Baars), Slg. I 2000, S. 2787, 2816, Rn. 28; EuGH, Urteil v. 27. 9. 1988 (Daily Maii), Slg. 1988, S. 5483, 5510, Rn. 16. 199 EuGH, Urteil v. 5. 10. 1994 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1994, S. 5145, 5168, Rn. 14, 16, 18,21.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Die Erweiterung des Art. 39 Abs. 2 EG auf die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat steht im Widerspruch zum Wortlaut von Art. 39 Abs. 2 EG. Dort ist die Rede von der Abschaffung der auf der "Staatsangehörigkeit beruhenden" unterschiedlichen Behandlung. Auch in der VO 1612/68 und der VO 1408171 sind die Diskriminierungsverbote klar auf eine Inländergleichbehandlung ausgerichtet. Eine Ausdehnung im Wege einer Analogie oder der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung bedürfte einer planwidrigen Regelungslücke. Die Ungleichbehandlung grenzüberschreitender und nationaler Vorgänge findet zwar im Vertrag keine Erwähnung. Die Lücke im Vertrag ist aber bereits durch die Rechtsfortbildung des Beschränkungsverbots geschlossen,2oo so daß kein Bedürfnis mehr besteht, Art. 39 Abs. 2 EG zu erweitern. Die Herleitung des Beschränkungsverbots aus den Grundsätzen des Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG ergibt, daß alle Hemmnisse im grenzüberschreitenden Personenverkehr unzulässig sind. Die Benachteiligung grenzüberschreitender Vorgänge ist ein solches Hemmnis. Zwar weist die Maßnahme diskriminierenden Charakter auf. Die Diskriminierung tritt aber in den Hintergrund. Sie verdeutlicht die besondere Qualität einer solchen Beschränkung, da der Mitgliedstaat nicht eindeutiger als mit einer Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge zum Ausdruck bringen kann, daß er den grenzüberschreitenden Verkehr der Arbeitskräfte und damit den Binnenmarkt beschränken will. Die Betonung liegt aber auf dem Beschränkungsgedanken, den der EuGH mit der Anführung des Art. 3 Abs. 11it. c) EG belegt. g) Ergebnis
Die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat ist ein Unterfall der Beschränkung der Freizügigkeit und nicht am Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG zu messen.
3. Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge können auch vom Aufnahmestaat ausgehen. Auch hier ist die Rede von doppelbelastenden Maßnahmen. Als Beispiel dienen nationale Wohnort- oder Qualifikationserfordernisse. Zwar liegt regelmäßig eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit vor, da Arbeitnehmer, die aus anderen Mitgliedstaaten kommen, überwiegend eine fremde Staatsangehörigkeit besitzen. Indes gibt es Arbeitnehmer, die in den Aufnahmestaat als ihren Heimatstaat zuriickkehren. Sie werden von der Maßnahme zwar nicht wegen 200 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 217.
IV. Abgrenzung des Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten
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der Staatsangehörigkeit diskriminiert, ihre Rückkehr und damit die grenzüberschreitende Ausübung ihrer Freizügigkeit wird aber beschränkt. Möglich sind auch Regelungen, die keine mittelbare Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit enthalten, etwa wenn nicht feststeht, daß eher fremde Arbeitnehmer von der Maßnahme betroffen werden oder die Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit aufgrund einer Regelung im EG-Vertrag ausnahmsweise zulässig ist (Art. 47 EG). Auch solche Maßnahmen entfalten beschränkende Wirkung. Fraglich ist daher, ob und wie sich Arbeitnehmer gegen solche Regelungen wehren können.
a) Anwendung des Art. 39 Abs. 2 EG Zum Teil wird im Schrifttum eine Erweiterung des Diskriminierungsverbots nach Art. 39 Abs. 2 EG auf die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat vorgenommen?OI Der Wortlaut des Art. 39 Abs. 2 EG sei zu eng. 202 Art. 39 EG komme auch Arbeitnehmern gegenüber ihrem Aufnahmestaat zugute, etwa wenn es um die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsausbildungen gehe. 203
b) Gegenansicht im Schrifttum Im Schrifttum wird die Anwendung des Diskriminierungsverbots auf nicht ansässige Rückkehrer abgelehnt. 204 Die Ausdehnung des Art. 39 Abs. 2 EG überzeuge nicht, da der EuGH die diskriminierungsfreie Anwendung gewisser Qualifikationsanforderungen anspreche und damit konkludent nicht vom Diskriminierungsverbot ausgehe. 205
c) Ansicht des Generalanwalts Fennelly Dieser Ansicht ist auch der Generalanwalt Fennelly?06 Er möchte Diskriminierungen aus Griinden der Ab- und Zuwanderung gleichsam unter das Beschrän201 Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 601; Jarass, EuR 1995, S. 202, 215; Jarass, EuR 2000, S. 705, 710; Nachbaur, EuZW 1991, S. 470, 471; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts / Roth, E I, Rn. 67. 202 Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 601; Jarass, EuR 1995, S. 202, 215; Jarass, EuR 2000, S. 705, 710. 203 Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 601; Jarass, EuR 1995, S. 202, 215; Jarass, EuR 2000, S. 705, 710. 204 Classen, EWS 1995, S. 97, 103. 205 Classen, EWS 1995, S. 97, 103. 206 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16.9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 503 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 13, Rn. 21, 26, Fn. 39.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
kungsverbot des Art. 39 EG fassen. 207 Die Diskriminierung bei Maßnahmen durch den Aufnahmestaat würde zwar normalerweise mit der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zusammenfallen. Es gebe aber Ausnahmen, etwa wenn es sich bei der Mehrheit der Wanderarbeitnehmer in einem Land um zurückgekehrte Emigranten mit der Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats handele, wie etwa momentan in Irland. 20g Die Rechtsprechung tendiere dazu, nationale Qualifikationsvoraussetzungen als Diskriminierung aus Gründen der Zuwanderung dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG zuzuordnen. 209 Dieser Rechtsprechung sei zuzustimmen, da sich die mittelbare Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat in der Form nationaler Qualifikationserfordernisse mit der Anwendung unterschiedsloser Vorschriften über Erzeugnisse vergleichen lasse, die den Zugang eingeführter Waren zum Absatzmarkt einem doppelten Regelungssystem unterwürfen und damit nach Keck definitiv unter das Beschränkungsverbot des Art. 28 EG fielen. 210 Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG erfaßt somit nach der Ansicht des Generalanwalts die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat.
d) Ansicht des EuGH Der EuGH hat sich zwar noch nicht explizit zu einer Abgrenzung des Diskriminierungsverbots vom Beschränkungsverbot in Fällen der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat geäußert. Seine Entscheidungen lassen aber Rückschlüsse auf eine Abgrenzung zu.
aa) Rechtssache Scholz In der Rechtssache Scholz 2I1 hatte sich eine deutsche Staatsangehörige um einen Posten in der öffentlichen Verwaltung Italiens beworben. Kurz nach der Bewerbung heiratete sie einen italienischen Staatsangehörigen und erhielt daraufhin die italienische Staatsangehörigkeit. Bei der Bewerbung wurden ihre Vordienstzeiten 207 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Grat), Slg. I 2000, S. 493, 503 =EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 13, Rn. 21. 208 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 503 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 13, Rn. 21, Fn. 28. 209 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 25. 11. 1999 zu EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. I 2000, S. 4139, 4159, Rn. 43, Fn. 53 unter Hinweis auf seine Schlußanträge v. 16.9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Grat), Slg. 12000, S. 493,503 =EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 17, Rn. 26. 210 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Grat), Slg. 12000, S. 493, 506 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 17, Rn. 26 unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 6. 7.1995 (Mars), Slg. 11995, S. 1923, 1941, Rn. 13. 21I EuGH, Urteil v. 23. 2. 1994 (Scholz), Slg. 11994, S. 505.
IV. Abgrenzung des Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten
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im deutschen öffentlichen Dienst nicht berücksichtigt. Sie wurde nicht eingestellt. Der EuGH verwarf diese Maßnahme als mittelbare Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit. 212 Der Umstand, daß die Klägerin die italienische Staatsangehörigkeit erworben habe, wirke sich nicht auf die Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung aus. 213 Jeder Gemeinschaftsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe, falle unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich des Art. 39 EG. 214 Es stelle eine mittelbare Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit dar, wenn ausländische Vordienstzeiten nicht berücksichtigt würden. 215 Diese Entscheidung könnte für die Anwendung des Art. 39 Abs. 2 EG sprechen.
bb) Rechtssachen Kraus /Vlassopoulou / Bobadilla Anders entschied der EuGH in den Rechtssachen Kraus, Bobadilla und Vlassopoulou. Dort ging es um die Anerkennung ausländischer Diplome beim Aufnahmestaat für eigene und fremde Staatsangehörige. 216 Der EuGH führt aus, daß nationale Qualifikationsvoraussetzungen, selbst wenn sie ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angewandt werden, sich dahin auswirken, daß sie die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten in der Ausübung ihrer Freizügigkeit beeinträchtigen. 217 Art. 39 und 43 EG enthielten aber einen fundamentalen Grundsatz, der in Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG verankert sei 218 und den Mitgliedstaaten Grenzen setze, wenn nationale Vorschriften ein Hindernis für die tatsächliche Ausübung der durch Art. 39 und 43 EG garantierten Freiheiten darstellten,z19 Daher stünden Art. 39 und 43 EG nationalen Bestimmungen entgegen, die zwar nicht nach der Staatsangehörigkeit diskriminierten, aber geeignet seien, die Ausübung der durch den Vertrag gesicherten Freiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. 22o Diese Entscheidungen sprechen für eine Anwendung des Beschränkungsverbots.
EuGH, Urteil v. 23. 2. 1994 (Scholz), Sig. I 1994, S. 505, 521, Rn. 8 ff. EuGH, Urteil v. 23. 2. 1994 (Scholz), Sig. I 1994, S. 505, 521, Rn. 8. 214 EuGH, Urteil v. 23. 2. 1994 (Scholz), Sig. I 1994, S. 505, 521, Rn. 9. 215 EuGH, Urteil v. 23. 2. 1994 (Scholz), Slg. I 1994, S. 505, 521, Rn. 11. 216 EuGH, Urteil v. 7. 5. 1991 (Vlassopoulou), Sig. I 1991, S. 2357; EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Sig. I 1993, S. 1663; EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Sig. I 1999, S. 4773. 217 EuGH, Urteil v. 7. 5. 1991 (Vlassopoulou), Sig. I 1991, S. 2357, 2383, Rn. 15. 218 EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Slg. I 1993, S. 1663, 1696, Rn. 29 unter Verweis auf die identische Passage bei Singh. 219 EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Sig. I 1993, S. 1663, 1696, Rn. 28; EuGH, Urteil v. 8.7. 1999 (Bobadilla), Sig. I 1999, S. 4773, 4803, Rn. 31. 220 EuGH, Urteil v. 31. 3.1993 (Kraus), Sig. I 1993, S. 1663, 1697, Rn. 32. 212 213
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
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cc) Rechtssache Angonese
In der Rechtssache Angonese221 wurde für eine Einstellung in der Provinz Bozen die Vorlage eines in der Provinz ausgestellten Sprachdiploms vorausgesetzt. Ein Anwohner dieser Provinz wandte sich nach seinem Studienaufenthalt in Wien gegen diese Praxis und erhielt vom EuGH mit der Begründung recht, daß er unzulässig wegen seiner Staatsangehörigkeit diskriminiert werde. 222 Von der Einstellungspraxis seien überwiegend Personen betroffen, die nicht in der Provinz wohnten, da in der Provinz mehrheitlich italienische Staatsangehörige lebten. 223 Die Maßnahme verstoße daher gegen Art. 39 Abs. 2 EG. Daß es sich bei dem Kläger um einen italienischen Staatsangehörigen handelte, hat der EuGH nicht problematisiert. Der erforderliche Zusammenhang zum europäischen Recht sei nicht offensichtlich ausgeschlossen. 224
e) Stellungnahme aa) Relevanz der Fragestellung Die Relevanz der Fragestellung könnte damit angefochten werden, daß eine Abgrenzung des Diskriminierungs- vom Beschränkungsverbots nicht erforderlich ist, da Art. 39 EG jedenfalls greife. Anders als bei der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat werden von der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat überdies in der Regel überwiegend fremde Staatsangehörige erfaßt, so daß Art. 39 Abs. 2 EG in der Mehrheit der Fälle eingreift. Indes umfaßt die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat auch Fälle, in denen eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit nicht vorliegt, nicht festgestellt werden kann oder nicht unzulässig ist. Zudem sind die Besonderheiten des Anwendungsvorrangs europäischen Rechts zu beachten. 225 Nach diesem Grundsatz verdrängt das Gemeinschaftsrecht das nationale Recht nur im konkreten Kollisionsfall. 226 Wendet sich also ein inländischer 221
EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Sig. I 2000, S. 4139 ff. = EuZW 2000, S. 468 ff.
= AP Nr. 3 zu Art. 39 EG = NZA-RR 2001, S. 20.
222 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Sig. I 2000, S. 4139, 4174 = EuZW 2000, S. 468,470, Rn. 40. 223 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Sig. I 2000, S. 4139, 4174 = EuZW 2000, S. 468, 470, Rn. 40. 224 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Sig. I 2000, S. 4139, 4169 = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 19. 225 EuGH, Urteil v. 9. 3. 1978 (Simmenthal), Sig. 1978, S. 629, 645, Rn. 17, 18, 21-23; EuGH, Urteil v. 7. 2. 1991 (Nimz), Sig. I 1991, S. 297, 321, Rn. 19; Grabitz/ Hilf/ v. Bogdandy/ Nettesheim Art. 1 EGV, Rn. 41. 226 Grabitz / Hilf/v. Bogdandy/ Nettesheim Art. 1 EGV, Rn. 41.
IV. Abgrenzung des Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten
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Arbeitnehmer gegen eine ausländische Arbeitnehmer diskriminierende Vorschrift, kann er sich nicht auf die lediglich abstrakt bestehende Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit berufen, da er kein ausländischer Arbeitnehmer ist, der nach der Staatsangehörigkeit diskriminiert werden könnte. Die nationalen Gerichte können die Maßnahme im Grunde nur am Beschränkungsverbot messen, da sie eine Diskriminierung fremder Staatsangehöriger im Einzelfall feststellen müssen und sich nicht damit begnügen können, auf die abstrakt bestehende Diskriminierung fremder Staatsangehöriger zu verweisen. Außerdem knüpft das Sekundärrecht besondere Folgen an das Diskriminierungsverbot nach der Staatsangehörigkeit (Art. 7 Abs. 4 va 1612/68). Diese Vorschriften sind bei einem Verstoß gegen das Beschränkungsverbot jedenfalls nicht unmittelbar einschlägig. Die Abgrenzung des Diskriminierungs- vom Beschränkungsverbot ist daher in den Fällen der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat von besonderer Relevanz.
bb) Keine planwidrige Lücke in Art. 39 Abs. 2 EG Das Problem der Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge kann nicht durch eine analoge Anwendung des Art. 39 Abs. 2 EG gelöst werden. Der Wortlaut von Art. 39 Abs. 2 EG ist so deutlich auf Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit bezogen, daß er nicht planwidrig lückenhaft ist und damit jede Form der Rechtsfortbildung ausscheidet. Es besteht auch kein Bedürfnis, das Diskriminierungsverbot zu erweitern, da die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat vom Beschränkungsverbot erfaßt ist, ohne eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit vorauszusetzen. Aus der Erweiterung des Diskriminierungsverbots auf versteckte Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit227 lassen sich ebensowenig Argumente für eine Erweiterung des Art. 39 Abs. 2 EG ableiten. Die Erfassung mittelbarer Diskriminierungen ist im Wortlaut bereits angelegt und ist immer noch eng an die Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit angelehnt. Bei der Anerkennung der mittelbaren Diskriminierung hat der EuGH kein neues Rechtsinstitut begründet, sondern so wie auch das BVerfG in seiner Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 3 GG228 den Begriff der Diskriminierung ausgeweitet. Eine Erweiterung des Art. 39 Abs. 2 EG durch einen Analogieschluß ist somit ausgeschlossen.
227 EuGH, Urteil v. 12.2.1974 (Sotgiu), Slg. 1974, S. 153, 164, Rn. 11; Erfurter Kommentar I Hanau Art. 39 EG, Rn. 34. 228 BVerfG, Urteil v. 28. 1. 1992, BVerfGE 85, S. 191,206.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
cc) Art. 3 Abs. llit. c) EG
Daß das Verbot der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat eine Ausprägung des Beschränkungsverbots ist, verdeutlicht der Hinweis des EuGH auf Art. 3 Abs. llit. c) EG in den einschlägigen Entscheidungen. Diese Norm bildet die Grundlage des allgemeinen Beschränkungsverbots. Art. 3 Abs. I lit. c) EG wird hingegen in keiner Entscheidung zum unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungsverbot erwähnt. Zudem bezieht sich der EuGH in seinen Urteilen zur Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat auf seine Urteile zur Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat und umgekehrt. 229 Diese Querverweise machen deutlich, daß der EuGH in diesen Fällen von einer Anwendung des Beschränkungsverbots und nicht von einer unzulässigen Diskriminierung nach Art. 39 Abs. 2 EG ausgeht. Weiterhin spricht die von Generalanwalt Fennelly angeführte Parallele zur Warenverkehrsfreiheit für eine Anwendung des Beschränkungsverbots.
dd) Beurteilung der Entscheidung Angonese
Gegen dieses Verständnis ließe sich möglicherweise die Entscheidung des EuGH vom 6. 6. 2000 einwenden. 230 Eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit lag wegen der einheimischen Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers im Anwendungsfall nicht vor. Der EuGH hat dennoch eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit angenommen. Daraus könnte geschlossen werden, daß sich auch die Rückkehrer gegenüber ihrem Heimatstaat auf das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG berufen können. Die Gründe für diese Entscheidung liegen aber in den Besonderheiten des Vorlageverfahrens nach Art. 234 EG. Es ist zwar anerkannt, daß der EuGH die abstrakte Rechtsfrage unter Berücksichtigung der Merkmale des Ausgangsfalles beurteilt. 231 Der EuGH beantwortet eine Vorlagefrage aber auch dann, wenn die Auslegung des Gemeinschaftsrechts nicht ohne Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreites steht. 232 Diesen Zusammenhang hat der EuGH bejaht, wenn das nationale Recht europäische Vorschriften 229 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1992 (Singh), Sig. I 1992, S. 4265, 4293, Rn. 16 unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 7. 7. 1988 (Stanton), Sig. 1988, S. 3877, 3894, Rn. 13; EuGH, Urteil v.26. 1. 1999 (Terhoeve), Sig. 11999, S. 345, 388, Rn. 37; EuGH, Urteil v. 15.6.2000 (Sehrer), Sig. I 2000, S. 4585, 4614 =EuZW 2000, S. 538,540 =AP Nr. 4 zu Art. 39 EG, BI. 4, Rn. 32 unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 7. 7. 1992 (Singh), Sig. I 1992, S. 4265, 4293, Rn. 16. 230 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Sig. I 2000, S. 4139 ff. =EuZW 2000, S. 468 ff. 231 Oppermann, Europarecht, Rn. 766. 232 Lenz/ Borchardt Art. 234 EG, Rn. 26.
IV. Abgrenzung des Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten
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für anwendbar erklärt, obwohl der Ausgangsfall nicht unter das Gemeinschaftsrecht fiel,233 da das Vorlageverfahren nach Ansicht des EuGH nicht zweckwidrig eingeschlagen werde,234 sondern die einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten sicherstelle. 235 Die Anwendung auf den Einzelfall bleibe dann Sache des nationalen Gerichts. 236 Diese Grundsätze wendet der EuGH in der Entscheidung Angonese237 an. 238 Nach Ansicht des EuGH fehlt es auch nicht an einem offensichtlichen Bezug zwischen der Auslegung des Gemeinschaftsrecht und dem Ausgangsverfahren, wobei er auf die Ausführungen des vorlegenden Gerichts verweist,239 das die Vorlage mit den Besonderheiten des italienischen Zivilrechts begründet hatte. Nach italienischem Zivilrecht sind Absprachen, die gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, automatisch nichtig (Art. 1418 Codice Civile)?40 Dritte können sich auf die Nichtigkeit einer Abrede berufen (Art. 1421 Codice Civile 241 ), sofern sie ein Interesse daran haben. Da der Kläger als italienischer Arbeitnehmer nicht nach der Staatsangehörigkeit diskriminiert wurde, konnte er sich nicht auf die Nichtigkeit der Einstellungspraxis nach Art. 1418 Codice Civile i.V.m. Art. 39 Abs. 2 EG berufen. Verstieße die Einstellungspraxis aber als solche gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG, könnte er sich als Dritter nach Art. 1421 Code Civile auf die dann auch für ihn geltende Nichtigkeit der Maßnahme berufen, da er als Dritter ein Interesse an der Unwirksamkeit der auch ihn unmittelbar betreffenden Einstellungsvoraussetzung hatte. Das italienische Zivilrecht verweist somit über Art. 1418, 1421 Codice Civile auf das Gemeinschaftsrecht, so daß der EuGH die Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr zu berücksichtigen brauchte und sich auf allgemeine Ausführungen zum Diskriminierungsverbot beschränken konnte. Die Entscheidung beruht somit auf den Besonderheiten des nationalen Rechts und des Vorlageverfahrens und steht nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen, daß die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat am Beschränkungsverbot zu messen ist.
233 EuGH, Urteil v. 18. 10. 1990 (Dzodzi), Sig. I 1990, S. 3763, 3793, Rn. 36, 37; EuGH, Urteil v. 8. 11. 1990 (Gmurzynska), Sig. I 1990, S. 4003, 4018, Rn. 24. 234 EuGH, Urteil v. 8.11. 1990 (Gmurzynska), Sig. I 1990, S. 4003, 4018, Rn. 24. 235 EuGH, Urteil v. 8.11. 1990 (Gmurzynska), Sig. I 1990, S. 4003, 4018, Rn. 24. 236 EuGH, Urteil v. 8. 11. 1990 (Gmurzynska), Sig. I 1990, S. 4003, 4017, Rn. 21. 237 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Sig. I 2000, S. 4139, 4169 f. = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 18, 19. 238 So auch Körber, EuR 2000, S. 932, 937. 239 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Sig. I 2000, S. 4139, 4168 f. = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 14, 18, 19; zustimmend Körber, EuR 2000, S. 932, 939. 240 Wiedergegeben bei Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 25. 11. 1999 zu EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Sig. I 2000, S. 4139, 4145, Rn. 7. 241 Wiedergegeben bei Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 25. 11. 1999 zu EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Sig. I 2000, S. 4139, 4145, Rn. 7.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ee) Beurteilung der Entscheidung Scholz
Auch die Entscheidung Scholz läßt sich nur schwer verallgemeinern. Es wäre sicherlich zu formal argumentiert, einer vormals deutschen Staatsangehörigen nach dem Wechsel der Staatsangehörigkeit mit dem Verweis auf das fehlende Merkmal der fremden Staatsangehörigkeit eine Inländergleichbehandlung vorzuenthalten. Da sie ja erst kurz nach der Bewerbung die Staatsangehörigkeit gewechselt hatte, könnte von einer riickwirkenden Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit gesprochen werden. Der kurzfristige Wechsel der Staatsangehörigkeit konnte die eigentliche Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit gegenüber der Bewerberin jedenfalls nicht rechtfertigen. Der außergewöhnliche Fall, daß eine Staatsangehörigkeit gewechselt wurde und deshalb im Grunde keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit mehr vorlag, kann aber nicht für alle Diskriminierungen grenzüberschreitender Fälle durch den Aufnahmestaat verallgemeinert werden. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Scholz betraf einen Sonderfall. ff) Gleichbehandlung aller Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge
Für die Anwendung des Beschränkungsverbots in den Fällen der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat läßt sich die Gleichbehandlung aller Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge anführen. Die Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsund Aufnahmestaat sind sich sehr verwandt, was die Verweisungen des EuGH belegen. Es ist auch nicht unpraktikabel, in der gleichen Beschränkungskonstellation zwischen den eigenen und fremden Staatsangehörigen zu unterscheiden. Beide Gruppen unterscheiden sich durch das Merkmal der Staatsangehörigkeit, das überdies leicht zu beweisen ist und nicht zu Unsicherheiten bei der Anwendung des Art. 39 EG führt. Es ist der Rechtsklarheit im Gegenteil dienlich, sauber zwischen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot zu unterscheiden, nicht zuletzt wegen der sekundärrechtlichen Konkretisierungen. gg) Art. 39 Abs. 4 EG
Gegen eine Anwendung des Art. 39 Abs. 2 EG auf die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat spricht auch Art. 39 Abs. 4 EG. Diese Norm betont den Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EG auf fremde Staatsangehörige. Sie erlaubt die Diskriminierung fremder Staatsangehöriger beim Zugang zur öffentlichen Verwaltung, damit der Mitgliedstaat durch die eigenen Staatsangehörigen repräsentiert werden kann. 242 Die Erweiterung des Art. 39 242 EuGH, Urteil v. 17. 12. 1980 (Kommission/Belgien), Sig. 1980, S. 3881, 3900, Rn. 10; Oppermann, Europarecht, Rn. 1533; Groeben/ Thiesing / Ehlermann/ Wölker Art. 48 EGV,
IV. Abgrenzung des Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten
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Abs. 2 EG auf ein Verbot der Diskriminierung der eigenen Staatsangehörigen durch den Aufnahmestaat müßte logisch konsequent auch zu einer Anwendung des Art. 39 Abs. 4 EG auf die eigenen Staatsangehörigen führen. Würden die eigenen Staatsangehörigen mit ausländischen Arbeitnehmern gleich behandelt, müßten sie gleichermaßen wie fremde Arbeitnehmer nach Art. 39 Abs. 4 EG vom Zugang zur öffentlichen Verwaltung ausgeschlossen werden können. Das führt auch der EuGH in der Entscheidung Scholz vor, wo er für eine italienische Staatsangehörige die Ausnahme des Art. 39 Abs. 4 EG bei einer Bewerbung zur italienischen Verwaltung prüft. 243 Art. 39 Abs. 4 EG gewährt aber allein die Möglichkeit, fremde Staatsangehörige vom Zugang zur öffentlichen Verwaltung auszuschließen. Der Ausschluß eigener Staatsangehöriger ist vom Sinn und Zweck der Norm nicht erfaßt, da der Staatsangehörige den eigenen Mitgliedstaat repräsentieren darf. Art. 39 Abs. 4 EG begründet für ihn eine nach dem EG-Vertrag zulässige Erweiterung seiner Rechte gegenüber fremden Arbeitnehmern, da er mit den eigenen Staatsangehörigen gleichbehandelt werden muß. Dieses Recht kann dem Arbeitnehmer nicht wegen eines Auslandsaufenthalts genommen werden. Art. 39 Abs. 4 EG zeigt, daß es sich nicht um eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit handelt, wenn die eigenen Staatsangehörigen aufgrund ihres Auslandsaufenthalts schlechter behandelt werden als die eigenen Staatsangehörigen. Art. 39 Abs. 4 EG betont den begrenzten Charakter des Diskriminierungsverbots nach Art. 39 Abs. 2 EG auf Arbeitnehmer mit fremder Staatsangehörigkeit.
f) Ergebnis
Das Diskriminierungsverbot und das Beschränkungsverbot sind eindeutig voneinander zu trennen. Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge sind nicht am Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG, sondern am Beschränkungsverbot des Art. 39 EG zu messen.
4. Diskriminierung der eigenen Staatsangehörigen gegenüber EU-Ausländern Fraglich ist auch, wie die Diskriminierung der eigenen Staatsangehörigen gegenüber EU-Ausländern in grenzüberschreitenden Fällen zu behandeln ist, wobei hier nicht die unter dem Stichwort der Inländergleichbehandlung geführte Debatte aufgegriffen werden soll, da sie in keinem Zusammenhang mit dem Beschränkungsverbot steht. Vielmehr geht es um die eigenen Staatsangehörigen, die von Rn. 114; Lenz/ Scheuer Art. 39 EG, Rn. 84; Herdegen, Europarecht, Rn. 313; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrecht / Hailbronner, D I, Rn. 55. 243 EuGH, Urteil v. 23. 2. 1994 (Scholz), Slg. I 1994, S. 505, 521, Rn. 12.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben und bei der Rückkehr in ihren Mitgliedstaat oder beim Verlassen ihres Mitgliedstaates schlechter behandelt werden als ein- und ausreisende EU-Ausländer. Ein Beispiel für eine solchen Regelung ist der Fall Singh. Nach der gemeinsamen Rückkehr von Deutschland nach Großbritannien wollte sich der indische Ehemann einer britischen Staatsangehörigen auf die Aufenthaltsrechte enger Verwandter von EU-Staatsangehörigen berufen (Art. 10 VO 1612/68)?44 Dies wurde ihm mit der Begriindung verweigert, daß der britische Staatsangehörige, der sich in sein Herkunftsland zuriickbegebe, nicht mit den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten vergleichbar sei, da sich seine Einreise allein nach nationalem Recht richte. 245 Die britische Staatsangehörige wurde nach der Ausübung ihrer Freizügigkeit schlechter behandelt als EU-Bürger, da auf ihren Ehemann nicht die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze angewandt wurden. Der EuGH hat daher die mitgliedstaatliche Maßnahme verworfen. Art. 39 EG und seine Ausführungsbestimmungen führten einen fundamentalen Grundsatz aus, der in Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG verankert sei. 246 Die Gesamtheit der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit solle die Ausübung jeder Art der Erwerbstätigkeit im gesamten Gebiet der Gemeinschaft erleichtern und stehe Maßnahmen entgegen, die Arbeitnehmer benachteiligen könnten, wenn sie im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollten. 247 Zu diesem Zweck hätten Arbeitnehmer das Recht, in andere Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit aufzuhalten?48 Ein Arbeitnehmer könnte davon abgehalten werden, seine Freizügigkeit auszuüben, wenn er bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht in den Genuß von Erleichterungen des EG-Rechts komme, die denen gleichwertig sind, die ihm im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates zustehen würden. 249 Der EuGH hat die Maßnahme also am Beschränkungsverbot und nicht am Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG gemessen. Die Diskriminierung der eigenen Staatsangehörigen gegenüber EU-Ausländern in grenzüberschreitenden Sachverhalten gehört daher ebenso wie die anderen Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge zum Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots. Diesem Grundsatz ist zuzustimmen, da die vorangegangenen Stellungnahmen gezeigt haben, daß das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG nicht auf die eigenen Staatsangehörigen anwendbar ist.
Zu diesen Rechten Erfurter Kommentar I Hanau Art. 39 EG, Rn. 21. Wiedergegeben bei EuGH, Urteil v. 7. 7. 1992 (Singh), Slg. I 1992, S. 4265, 4292, Rn. 14. 246 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1992 (Singh), Slg. 11992, S. 4265, 4292, Rn. 15. 247 EuGH, Urteil v. 7. 7.1992 (Singh), Slg. 11992, S. 4265, 4292, Rn. 16. 248 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1992 (Singh), Slg. I 1992, S. 4265, 4292, Rn. 17. 249 EuGH, Urteil v. 7. 7.1992 (Singh), Slg. 11992, S. 4265, 4292, Rn. 19. 244 245
IV. Abgrenzung des Beschränkungsverbots von anderen Freizügigkeitsrechten
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5. Art. 39 Abs. 3 EG Fraglich ist auch das Verhältnis des allgemeinen Beschränkungsverbots zu Art. 39 Abs. 3 EG. Denn Art. 39 Abs. 3 EG nennt besondere absolute Freizügigkeitsrechte, die keiner Beschränkung unterliegen dürfen. Maßnahmen, die eine Bewerbung beeinträchtigen oder den Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat ausschließen, beschränken unmittelbar die Freiheit, das Herkunftsland zu verlassen, um eine Stelle in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen. Sie verstoßen damit nicht nur gegen Art. 39 Abs. 3 EG, sondern auch gegen das allgemeine Beschränkungsverbot. Folglich könnte Art. 39 Abs. 3 EG seinen eigenständigen Regelungsgehalt verloren haben. Als Rechtsfortbildung kann das Beschränkungsverbot indes nur die gesetzliche Lücke füllen, die neben Art. 39 Abs. 3 EG noch besteht. Zudem geht Art. 39 Abs. 3 EG über ein bloßes Verbot der Beschränkung der grenzüberschreitenden Freizügigkeit hinaus, wenn er Aufenthaltsrechte, Bewegungsfreiheit und Verbleiberechte innerhalb eines Mitgliedstaats gewährt. Diese Rechte setzen keinen Grenzübertritt voraus und fallen nicht unter das Beschränkungsverbot. Art. 39 Abs. 3 EG geht somit dem allgemeinen Beschränkungsverbot vor.
6. Art. 18 EG Art. 18 EG ist subsidiär gegenüber dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten?50 Da sich das Beschränkungsverbot aus den Grundfreiheiten ergibt, greift Art. 39 EG bei der Ein- und Ausreise von Arbeitnehmern vorrangig. Art. 18 EG tritt dahinter zuriick.
7. Ergebnis Das Beschränkungsverbot ist von Art. 39. Abs. 2 und 3 EG abzugrenzen. Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge sind nur dann verbotene Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit, wenn überwiegend fremde Staatsangehörige betroffen sind, sich ein fremder Staatsangehöriger auf Art. 39 Abs. 2 EG beruft und die Diskriminierung nicht wegen besonderer Vorschriften im EG-Vertrag zulässig ist. In den übrigen Fällen greift das allgemeine Beschränkungsverbot.
250 Becker, EuR 1999, S. 522, 531; Groebenl Thiesing I Ehlermann I Haag Art. 8a EGV, Rn. 4; Grabitzl Hilf Art. 18 EG, Rn. 5; Calliesl Ruffertl Kluth Art. 18 EG, Rn. 10.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
V. Voraussetzungen einer Beschränkung 1. Einleitung Unter das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG fallen prinzipiell alle Maßnahmen, die das Verlassen eines Mitgliedstaates oder den Zugang zu dem Arbeitsmarkt eines anderen Mitgliedstaats betreffen und beschränkende Wirkung entfalten. Die Freizügigkeit dürfte jedenfalls dann beschränkt sein, wenn eine Maßnahme ihre Ausübung ausschließt. Problematisch ist aber die beschränkende Wirkung sonstiger Maßnahmen, die eine grenzüberschreitende Verlagerung der Arbeitskraft lediglich behindern. Der Beschränkungsbegriff ist bei allen Grundfreiheiten seit dem Keck-Urteil des EuGH in starker Bewegung. In dem Urteil hat der EuGH die Voraussetzungen einer Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit aufgrund der starken Inanspruchnahme des Vorlageverfahrens nach Art. 234 EG konkretisiert. 251 Bestimmte Regelungen beschränkten den Waren verkehr dann nicht, wenn sie für alle Marktteilnehmer gleichermaßen gälten und den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berührten. 252 Regelungen über Verkaufsmodalitäten seien nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun würden. 253 Neuere Entscheidungen des EuGH, die der Auslegung und Fortbildung des europäischen Rechts als Leitlinie dienen,254 bieten Anhaltspunkte, wie diese Grundsätze auf die anderen Grundfreiheiten übertragen werden können und welche sonstigen Maßnahmen geeignet sind, beschränkende Wirkung zu entfalten.
2. Rechtsprechung des EuGH In der Rechtsprechung des EuGH zu den einzelnen Grundfreiheiten lassen sich bestimmte Arten der Beschränkung unterscheiden.
251 EuGH, Urteil v. 24.11. 1993 (Keck und Mithouard), Sig. 11993, S. 6097, 6131, Rn. 14, 16,17. 252 EuGH, Urteil v. 24.11. 1993 (Keck und Mithouard), Sig. 11993, S. 6097,6131, Rn. 17. 253 EuGH, Urteil v. 24.11. 1993 (Keck und Mithouard), Sig. I 1993, S. 6097, 6131, Rn. 17. 254 Zuleeg, EuR 1969, S. 97,103.
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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a) Freizügigkeit der Arbeitnehmer
aa) Zugangsbeschränkungen (l) Rechtssache Bosman
In der Rechtssache Bosman ging es um die Zulässigkeit von Ablösesummen für die Einstellung von Profifußballem,z55 Der aufnehmende Verein war verpflichtet, für den wirksamen Einsatz des neuen Spielers eine Ablösesumme an den alten Verein zu zahlen, auch wenn der Vertrag mit dem alten Arbeitgeber bereits abgelaufen war. Die Zahlungsverpflichtung beeinflusse unmittelbar den Zugang eines Spielers zu einem fremden Arbeitsmarkt und beschränke damit die Freizügigkeit des Arbeitnehmers. 256 Die Transferzahlungen seien geeignet, die Freizügigkeit der Spieler dadurch einzuschränken, daß sie die Spieler sogar nach Ablauf des Arbeitsvertrages mit dem Verein, dem sie angehörten, daran hinderten oder davon abhielten, ihren Mitgliedstaat zu verlassen. 257 Die Transferregeln beschränkten die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, da sie vorsähen, daß ein Berufsspieler seine Tätigkeit nicht bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen neuen Verein ausüben könne, wenn dieser Verein dem bisherigen Verein keine Transferentschädigung bezahlt habe. 258 Weiterhin hat der EuGH auch die während des Verfahrens geänderte Fassung der Transferregeln verworfen, die eine vertragliche Verpflichtung des Spielers zwar erlaubten und den Spieleinsatz nach dem Transfer zuließen, den Verein aber durch verbandsrechtliche Sanktionen zur Zahlung der Ablösesumme verpflichteten?59 Diese Regelung hindere den Spieler ebenso wirksam am Zugang zum ausländischen Arbeitsmarkt wie ein Verbot der Einstellung. Der Verein überlege sich auch in diesem Fall, ob er die Entschädigungen an den abgebenden Verein überhaupt zahlen könne. Der EuGH hat eine Begrenzung des Beschränkungsbegriffs nach den Grundsätzen des Keck-Urteils abgelehnt. Die Regelung betreffe unmittelbar den Zugang und könne daher nicht mit vertriebsbezogenen Regelungen der Warenverkehrsfrei255 Obwohl es sich hierbei um private Verbandsregeln handelt, dient die Entscheidung des EuGH der Konkretisierung des staatsgerichteten Beschränkungsverbots, da der EuGH Verbände der gleichen Bindung an das Beschränkungsverbot wie Mitgliedstaaten unterworfen hat; EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5067 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 87; zur Bindung Privater an das Beschränkungsverbot siehe den 2. Teil der Arbeit. 256 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5070 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 103. 257 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 99. 258 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5070 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 100. 259 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5070 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 101.
6 Roloff
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
heit gleichgestellt werden, die nach dem Urteil zu Keck nicht in den Anwendungsbereich von Art. 28 EG fielen. 260 Zwar gelte die Transferregelung auch bei Wechseln zwischen Vereinen, die demselben Verband eines Mitgliedstaats angehörten. Dies ändere aber nichts daran, daß sie den Zugang der Spieler zu Arbeitsmärkten anderer Mitgliedstaaten unmittelbar beeinflusse und somit generell geeignet sei, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen261 . Die Transferregelung stelle eine nach Art. 39 EG verbotene Beschränkung der Freizügigkeit dar?62
(2) Rechtssache Lehtonen
In der Rechtssache Lehtonen ging es wie auch bei Bosman um Fragen des Profisports. 263 Der EuGH hatte zu beurteilen, ob Transferfristen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beschränken. Ein finnischer Profi-Basketballspieler wandte sich gegen belgische Verbandsvorschriften, nach denen ein Wechsel zu einem belgischen Verein aus dem Ausland nur während gewisser Zeitzonen möglich war. Die Verbands vorschriften unterschieden drei Zeitzonen. Die erste Zeitzone betraf Vereinswechsel innerhalb Belgiens und legte fest, daß der Verein vor, nicht aber während der Saison gewechselt werden konnte. Die zweite Zone betraf Wechsel aus dem europäischen Ausland nach Belgien und ließ Transfers vor und während der Saison bis zum 28. Februar eines Jahres zu. Aus dem außereuropäischen Ausland konnte bis zum 31. März eine Tatigkeit für einen belgischen Verein aufgenommen werden. Der finnische Spieler wollte von Finnland kommend nach dem 28. Februar für einen belgischen Verein spielen. Dies wurde durch verbandsrechtliche Sanktionen gegenüber dem verpflichtenden belgischen Verein verhindert. Wie im Fall Bosman konnte der Spieler zwar wirksam vom Verein verpflichtet werden. Der Spieler durfte aber nicht eingesetzt werden. Der EuGH bejahte in Anlehnung an das Bosman-Urteil eine Beschränkung der Freizügigkeit durch die Transferfristen. Unterschiedslos wirkende Maßnahmen könnten die Freizügigkeit beeinträchtigen, wenn einem Verein untersagt werde, bestimmte Spieler einzusetzen. Die Regelung beschränke die Beschäftigungsmöglichkeiten des Spielers. 264 Auch wenn die Regelung nicht die Beschäftigung als solche beträfe, sondern die Möglichkeit, den Spieler für die Wettkämpfe aufzustel260 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5070 = EuZW S. 82, 88, Rn. 103. 261 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5070 = EuZW S. 82, 88, Rn. 103. 262 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5071 = EuZW S. 82, 88, Rn. 104. 263 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681 ff. = EuZW S. 375 ff. = NZA 2000, S. 645 ff. =AP Nr. 1 zu Art. 39 EG. 264 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2733 = EuZW S. 375, 378, Rn. 50.
1996, 1996, 1996, 2000, 2000,
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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len, so liege es auf der Hand, daß die Beschäftigungsmöglichkeiten beschränkt würden. 265 Der Ausschluß von Vereinswechseln für belgische Spieler ändere nichts an diesem Ergebnis. 266 Es sei offensichtlich, daß eine Transferfrist den Zugang zum Arbeitsmarkt beeinträchtige. 267 Die Entscheidung Lehtonen ist damit in einem Zusammenhang mit der Entscheidung in der Rechtssache Bosman zu sehen. Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG erstreckt sich auf alle den Zugang ausschließende Maßnahmen.
bb) Untergrenze des Beschränkungsverbots
Eine Untergrenze für das Beschränkungsverbot hat der EuGH in der Entscheidung vom 27. 1. 2000 definiert. 268 Das österreichische Angestelltengesetz gewährt bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen nach Dienstjahren gestaffelten Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber. Er entsteht nach 3 Dienstjahren und beträgt das Zweifache des für den letzten Monat gezahlten Entgelts. Die Abfindung steigt bis zum 25. Dienstjahr auf das Zwölffache eines Monatsgehalts an (§ 23 Abs. 5 AngG). Der Anspruch entfällt, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder wenn ihn ein Verschulden an der vorzeitigen Entlassung trifft. Der EuGH hat eine Beschränkung der Freizügigkeit abgelehnt, da die Maßnahme zu ungewiß sei und zu indirekt auf die Freizügigkeit einwirke. 269 Zwar hätten die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung der Freizügigkeit in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, und auch unterschiedslos anwendbare Vorschriften, die einen Arbeitnehmer davon abhielten oder daran hinderten, das Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, könnten Beschränkungen dieser Freiheit begriinden. Dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn die Vorschrift den Zugang zu einem fremden Arbeitsmarkt beeinflusse. 27o Die Regelung sei aber eindeutig nicht geeignet, den Arbeitnehmer daran zu hindern, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, um eine unselbständige Tätig265 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2733 = EuZW 2000, S. 375, 378, Rn. 50. 266 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2732 = EuZW 2000, S. 375, 378, Rn. 49. 267 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. 12000, S. 2681, 2732 = EuZW 2000, S. 375, 378, Rn. 49. 268 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493 ff. = EuGRZ 2000, S. 48 ff. = EuZW 2000, S. 252 f. 269 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50 = EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 25. 270 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50 =EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 23.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
keit bei einem anderen Arbeitgeber auszuüben. 271 Der Verlust einer Abfindung hänge nicht von der Entscheidung des Arbeitnehmers ab, ob er bei seinem bisherigen Arbeitgeber verbleibe oder nicht, sondern von einem zukünftigen hypothetischen Ereignis, nämlich einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die der Arbeitnehmer selbst weder herbeigeführt noch zu vertreten habe. 272 Ein derartiges Ereignis sei zu ungewiß und wirke zu indirekt, als daß die Regelung die Freizügigkeit des Arbeitnehmers beeinträchtigen könne. 273 Der EuGH fordert somit als Untergrenze einer Freizügigkeitsbeschränkung, daß die Maßnahme nicht zu indirekt oder zu mittelbar auf die Freizügigkeit einwirkt.
cc) Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat
Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat fallen grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots. Der EuGH hat klargestellt, wann sie geeignet sind, die Freizügigkeit zu beschränken.
(1) Rechtssache Masgio
In der Rechtssache Masgio274 stritten die Beteiligten um die Berücksichtigung einer ausländischen Unfallversorgung bei der Berechnung der deutschen Altersversorgung. Die deutsche Regelung stellte die Bezieher ausländischer gesetzlicher Unfallversorgung und deutscher Altersversorgung gegenüber Beziehern deutscher Unfallversorgung und deutscher Altersrente bei der Berechnung der Rente schlechter, da die ausländische Unfallversorgung für die Berechnung unterschiedlich berücksichtigt wurde. Der EuGH hat die Vorschrift verworfen. 275 Eine Ungleichbehandlung bei der Berechnung der gesetzlichen Rente könne EG-Arbeitnehmer davon abhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, und beeinträchtige damit ihre Freizügigkeit. 276 Art. 39 EG und Art. 3 Abs. 1 der VO 1408171 bezweckten insbesondere auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit die Herstellung größtmöglicher Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer, die eine fundamentale Grundlage 271 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50 = EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 24. 272 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50 =EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 24. 273 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Grat), Sig. I 2000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50 = EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 23. 274 EuGH, Urteil v. 7. 3.1991 (Masgio), Sig. 11991, S. 1119. 275 EuGH, Urteil v. 7. 3.1991 (Masgio), Sig. I 1991, S. 1119, 1141, Rn. 25. 276 EuGH, Urteil v. 7. 3.1991 (Masgio), Sig. 11991, S. 1119, 1139, Rn. 18.
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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der Gemeinschaft darstelle. 277 Daher stünden die Art. 39 - 42 EG sowie die zur Durchführung erlassenen Verordnungen Maßnahmen entgegen, die verhinderten, daß ein Arbeitnehmer von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch mache, weil er schlechter gestellt werde als ein Arbeitnehmer, der sein gesamtes Berufsleben in einem einzigen Mitgliedstaat verbracht habe. 278 Finanzielle Einbußen bei der Berechnung der Altersversorgung könnten Arbeitnehmer davon abhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen und beschränkten sie in ihrer Freizügigkeit. 279
(2) Rechtssache Terhoeve Diese Rechtsprechung hat der EuGH in seinem Urteil vom 26. 1. 1999 280 fortgeführt. Vorschriften der niederländischen Sozialversicherung erhoben für ins Ausland entsandte Arbeitnehmer bei gleicher Versicherungsleistung einen höheren Sozialversicherungsbeitrag als für Arbeitnehmer, die im Inland verblieben. Ein niederländischer Arbeitnehmer wandte sich gegen diese Regelung. Der EuGH konnte keine Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer feststellen, da überwiegend Staatsangehörige des betroffenen Mitgliedstaats von der Regelung betroffen waren. Daher war das Beschränkungsverbot einschlägig. Die Regelung war nach Ansicht des EuGH geeignet, einen Staatsangehörigen davon abzuhalten, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. 281 Er betonte die Bedeutung von Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG und die Beseitigung der Hindernisse für den Binnenmarkt. 282 Die Freizügigkeit verbiete Maßnahmen, die Staatsangehörige benachteiligten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine Tätigkeit ausüben wollten. 283 Die Arbeitnehmer hätten das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, sich zur Ausübung wirtschaftlich abhängiger Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben. 284 Eine Vorschrift, die Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit daran hinderten oder davon abhielten, ihren Mitgliedstaat zu verlassen, beschränke die Freizügigkeit. 285 Die höheren Beitragssummen ohne entsprechende Gegenleistung seien ein verbotenes Hemmnis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. 286 Danach eriibrigten sich Überlegungen, ob eine 277 278 279 280
281 282 283
284 285
286
EuGH, Urteil v. 7. 3.1991 (Masgio), Slg. 11991, S. 1119, 1139, Rn. 16. EuGH, Urteil v. 7. 3.1991 (Masgio), Slg. 11991, S. 1119, 1139, Rn. 17. EuGH, Urteil v. 7. 3.1991 (Masgio), Slg. I 1991, S. 1119, 1139, Rn. 18. EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345. EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345, 389, Rn. 39,40. EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. 11999, S. 345, 388, Rn. 36. EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. 11999, S. 345, 389, Rn. 37. EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345, 389, Rn. 38. EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345,389, Rn. 39. EuGH, Urteil v. 26.1. 1999 (Terhoeve), Slg. 11999, S. 345, 390, Rn. 41.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
mittelbare Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit vorliege oder ob in diesem Rahmen eine Vermutungsregelung bestehe. 287
(3) Rechtssache Sehrer
Diesen Beschränkungsbegriff verdeutlicht eine weitere Entscheidung des EuGH?88 Ein deutscher Arbeitnehmer, der eine französische und eine deutsche gesetzliche Altersversorgung bezog, wehrte sich gegen die zusätzliche Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auf seine französische Zusatzrente. Die Knappschaft legte für die Krankenversicherungsbeiträge den Bruttobetrag der französischen Zusatzrente zugrunde, obwohl der Kläger bereits Beiträge zur französischen Krankenversicherung erbracht hatte. Folglich unterlag der Betroffene für seine französische Zusatzrente einer doppelten Beitragspflicht. Der EuGH konnte weder auf Art. 3 der va 1408/71 noch auf das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG, sondern nur auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG zuriickgreifen: Art. 3 der va 1408/71 war nicht anwendbar289 und es lag keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit vor, da der deutsche Kläger gegen eine deutsche Rechtsvorschrift vorging. 29o Der EuGH stellt klar, daß Art. 39 EG einen elementaren Grundsatz enthält, der in Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG verankert ist. Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Art. 2 EG umfasse die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit zwischen den Mitgliedstaaten. 291 Sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit sollten die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im Gebiet der Gemeinschaft erleichtern und stünden Maßnahmen entgegen, die Gemeinschaftsangehörige benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollten. 292 Vorschriften, die einen Staatsangehörigen daran hinderten oder davon abhielten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seiner Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellten Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit des betroffenen Arbeitnehmers Anwendung fänden?93 Dies sei bei der Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Sig. 11999, S. 345, 390, Rn. 41. EuGH, Urteil v. 15. 6. 2000 (Sehrer), Sig. I 2000, S. 4585 ff. = EuZW 2000, S. 538. 289 EuGH, Urteil v. 15. 6. 2000 (Sehrer), Sig. I 2000, S. 4585, 4612 =EuZW 2000, S. 538, 539 Rn. 22 ff. 290 EuGH, Urteil v. 15. 6. 2000 (Sehrer), Sig. I 2000, S. 4585, 4614 =EuZW 2000, S. 538, 540, Rn. 29. 291 EuGH, Urteil v. 15. 6. 2000 (Sehrer), Sig. 12000, S. 4585, 4614 =EuZW 2000, S. 538, 540, Rn. 31 unter Verweis auf die Entscheidungen Singh und Terhoeve. 292 EuGH, Urteil v. 15. 6. 2000 (Sehrer), Sig. 12000, S. 4585,4614 = EuZW 2000, S. 538, 540, Rn. 32 unter Verweis auf die Entscheidungen Masgio und Terhoeve. 293 EuGH, Urteil v. 15.6. 2000 (Sehrer), Sig. I 2000, S. 4585, 4615 =EuZW 2000, S. 538, 540, Rn. 33 unter Verweis auf die Entscheidungen Masgio und Terhoeve. 287
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V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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auf ausländische Zusatzrenten anhand des Bruttobetrags der Fall, da allein Wanderarbeitnehmer mit dem Risiko der doppelten Erhebung der Krankenversicherungsbeiträge belastet würden. 294 Die Regelung stelle daher ein verbotenes Hemmnis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar.2 95
(4) Zusammenfassung Der EuGH sieht somit Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat stets als Beschränkungen der Freizügigkeit an. Er fragt weder nach der Intensität der Maßnahme noch nach sonstigen Voraussetzungen. Er geht davon aus, daß die Ungleichbehandlung nationaler und grenzüberschreitender Sachverhalte Arbeitnehmer daran hindert, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen.
dd) Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat Das Verbot der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat ist ebenfalls eine Ausprägung des Beschränkungsverbots, wenn eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden kann, zulässig ist oder sich ein Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats gegen die Maßnahme wendet. 296 In der Rechtssache Kraus nahm der EuGH eine Beschränkung der Freizügigkeit an, da die Verpflichtung zur Anerkennung ausländischer Diplome Arbeitnehmer davon abhalte, von ihrer Freizügigkeit Gebrauch zu machen. 297 Dabei stützt sich der EuGH sowohl auf Art. 39 als auch auf Art. 43 EG. Beide Grundfreiheiten führten einen fundamentalen Grundsatz aus, der in Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG verankert sei.2 98 Art. 39 und 43 stünden nichtdiskriminierenden Maßnahmen entgegen, die geeignet seien, die Ausübung der grundsätzlichen Freiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. 299 Die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Aufnahmestaat scheint in der Rechtsprechung des EuGH wie die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat auch eine Beschränkung der Freizügigkeit nahezulegen. 294 EuGH, Urteil v. 15.6.2000 (Sehrer), Sig. 12000, S. 4585, 4615 = EuZW 2000, S. 538, 540, Rn. 34. 295 EuGH, Urteil v. 15. 6. 2000 (Sehrer), Sig. 12000, S. 4585, 4615 =EuZW 2000, S. 538, 540, Rn. 35. 2% Siehe oben 1. Kapitel, IV., 3. 297 EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Sig. I 1993, S. 1663, 1697, Rn. 32. 298 EuGH, Urteil v. 31. 3.1993 (Kraus), Sig. I 1993, S. 1663, 1696, Rn. 29. 299 EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Sig. I 1993, S. 1663, 1697, Rn. 32.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ee) Diskriminierung der eigenen Staatsangehörigen gegenüber EU-Ausländern in grenzüberschreitenden Sachverhalten
Der EuGH verfährt ebenso, wenn Staatsangehörige eines Mitgliedstaates bei ihrer Rückkehr schlechter behandelt werden als EU-Ausländer. Ein Staatsangehöriger könne davon abgehalten werden, sein Herkunftsland zu verlassen, wenn er im Fall der Rückkehr nicht in den Genuß von Erleichterungen komme, die denen gleichwertig sind, die EU-Bürgern und ihren Angehörigen gewährt würden. 3°O Der Arbeitnehmer würde davon abgehalten, in diesen Mitgliedstaat einzureisen oder zuriickzukehren. 301 Besondere Anforderungen an die Beschränkung verlangt der EuGH auch in dieser Diskriminierungskonstellation nicht.
ff) Zusammenfassung
Zugangsbeschränkungen beschränken nach Ansicht des EuGH genauso wie Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge stets die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Zu mittelbar und zu indirekt wirkende Maßnahmen unterfallen hingegen nicht dem allgemeinen Beschränkungsverbot.
b) Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit
Diese Grundsätze finden Parallelen in der Rechtsprechung des EuGH zum Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.
aa) Zugangsbeschränkungen
Der EuGH hatte sich in der Rechtssache Gebhard mit einer Maßnahme zu befassen, die zwar unterschiedslos galt, aber den Zugang zu einer Tätigkeit betraf. Ein deutscher Rechtsanwalt wollte sich in Italien niederlassen, was ihm mangels italienischen Anwaltsdiploms untersagt wurde. 302 Die Zulassungssperre hat der EuGH als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bewertet und daher am Beschränkungsverbot des Art. 43 EG gemessen. 303
300 301 302 303
EuGH, Urteil v. 7. 7. 1992 (Singh), Sig. 11992, S. 4265, 4293, Rn. 19. EuGH, Urteil v. 7. 7.1992 (Singh), Slg. 11992, S. 4265, 4294, Rn. 20. EuGH, Urteil v. 30. 11. 1995 (Gebhard), Sig. 11995, S. 4165,4197, Rn. 37. EuGH, Urteil v. 30. 11. 1995 (Gebhard), Sig. 11995, S. 4165,4197, Rn. 37.
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
89
bb) Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat
Die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch den Herkunftsstaat führt auch bei der Niederlassungsfreiheit stets zur Annahme einer Beschränkung. In der Rechtssache Daily Mail wandte sich ein Unternehmer dagegen, daß er seinen Standort von Großbritannien nach Holland nicht verlagern konnte, ohne eine nach britischem Steuerrecht erforderliche Zustimmung nationaler Behörden für den Umzug einzuholen. 304 In der Rechtssache Baars konnte ein holländischer Anteilseigner seine Anteile an einer irländischen Gesellschaft nicht von der holländischen Vermögenssteuer befreien. Das holländische Gesetz stellte lediglich die Beteiligung an holländischen Unternehmen von der Vermögenssteuer frei. 305 In der Rechtssache Stanton wurde die im Ausland ausgeübte Tätigkeit anders als die im Inland ausgeübte Tätigkeiten nicht von der Sozialbeitragspflicht freigestellt. 306 In allen Entscheidungen geht der EuGH zunächst davon aus, daß Art. 43 EG eine grundlegende Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ist. 307 Neben der Sicherung der Inländergleichbehandlung verbiete sie es den Mitgliedstaaten, die Niederlassung nationaler Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern308 oder Gemeinschaftsbürger zu benachteiligen, wenn sie ihre Tätigkeit über das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hinaus ausdehnen wollten. 309 Art. 43 EG würde sinnentleert, wenn der Herkunftsstaat Unternehmen verbieten könnte, in einen anderen Mitgliedstaat auszuwandern und sich dort niederzulassen. 3 \0 Solche Regelungen seien besonders geeignet, die Entfaltung unternehmerischer Aktivitäten in anderen Mitgliedstaaten weniger attraktiv zu machen und dadurch zu behindern. 311 Die Ungleichbehandlung verstoße gegen Art. 43 EG?12 cc) Untergrenze des Beschränkungsverbots
Der EuGH hat auch bei der Niederlassungsfreiheit eine Untergrenze der Beschränkung eingeführt. Er hatte sich mit einer Beschränkung der NiederlassungsEuGH, Urteil v. 27.9. 1988 (Daily Mail), Slg. 1988, S. 5483. EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Baars), Slg. I 2000, S. 2787, 2817, Rn. 30. 306 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1988 (Stanton), Slg. 1988, S. 3877. 307 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1988 (Stanton), Slg. 1988, S. 3877, 3894, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 27. 9. 1988 (Daily Mail), Slg. 1988, S. 5483, 5510, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 13.4. 2000 (Baars), Slg. 12000, S. 2787, 2816, Rn. 27. 308 EuGH, Urteil v. 27. 9. 1988 (Daily MaiI), Slg. 1988, S. 5483, 5510, Rn. 16; EuGH, Urteil v. 13. 4.2000 (Baars), Slg. I 2000, S. 2787, 2817, Rn. 28. 309 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1988 (Stanton), Slg. 1988, S. 3877, 3894, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Baars), Slg. I 2000, S. 2787, 2817, Rn. 29. 310 EuGH, Urteil v. 27. 9.1988 (Daily MaiI), Slg. 1988, S. 5483, 5510, Rn. 16. 311 EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Baars), Slg. I 2000, S. 2787, 2817, Rn. 30. 312 EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Baars), Slg. I 2000, S. 2787, 2817, Rn. 31. 304 305
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
freiheit durch Ladenöffnungszeiten zu befassen. 313 Zunächst hebt er hervor, daß die streitige Regelung unterschiedslos für alle im Mitgliedstaat tätigen Wirtschaftsteilnehmer gilt. 314 Sie bezwecke auch nicht die Regelung der Bedingungen für die Niederlassung der betreffenden Unternehmen. 315 Die Ladenöffnungszeiten seien außerdem nicht geeignet, die Niederlassungsfreiheit zu beschränken, da sie zu ungewiß und zu mittelbar wirkten?16 Art. 43 EG stehe den Ladenschlußzeiten nicht entgegen. dd) Zusammenfassung
Der Beschränkungsbegriff der Niederlassungsfreiheit gleicht dem Beschränkungsbegriff der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Das Verbot der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge ist auch bei der Niederlassungsfreiheit anerkannt. Wie bei der Freizügigkeit geht der EuGH auch bei der Niederlassungsfreiheit von einer Untergrenze der zu mittelbaren und zu indirekten Beschränkung aus. Gleichzeitig hat er mit dem Merkmal des Bezweckens ein zusätzliches Merkmal in den Beschränkungsbegriff aufgenommen.
c) Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit
Der EuGH hat in der Entscheidung Alpine Investments die Grundsätze der Keck-Rechtsprechung auf das Verbot der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit übertragen. 317 Das Verbot einer bestimmten Verhaltensweise (Telefonmarketing im Wege des cold calling) entspreche nicht den Regeln über Verkaufsmodalitäten?18 Solche Regeln seien nämlich nicht geeignet, den Marktzugang für Dienstleistungen zu versperren. 319 Die Regelung gehe aber von dem Mitgliedstaat aus, in dem der Leistungserbringer ansässig ist. Sie betreffe aber nicht nur die Angebote an ansässige Leistungsempfänger, sondern auch die Angebote an Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat. 320 Aus diesem Grund beein313 EuGH, Urteil v. 20. 6. 1996 (Semeraro Casa Uno), Slg. I 1996, S. 2975, 3009 = EuZW 1996, S. 600, 602, Rn. 32. 314 EuGH, Urteil v. 20. 6.1996 (Semeraro Casa Uno), Slg. 11996, S. 2975, 3009 =EuZW 1996, S. 600, 602, Rn. 32. 315 EuGH, Urteil v. 20. 6. 1996 (Semeraro Casa Uno), Slg. I 1996, S. 2975, 3009 =EuZW 1996, S. 600, 602, Rn. 32. 316 EuGH, Urteil v. 20. 6. 1996 (Semeraro Casa Uno), Slg. I 1996, S. 2975, 3009 =EuZW 1996, S. 600, 602, Rn. 32. 317 EuGH, Urteil v. 10. 5. 1995 (Alpine Investments), Slg. I 1995, S. 1141, 1177, Rn. 36-38. 318 EuGH, Urteil v. 10.5.1995 (Alpine Investments), Slg. 11995, S. 1141, 1177, Rn. 37. 319 EuGH, Urteil v. 10.5.1995 (Alpine Investments), Slg. 11995, S. 1141, 1177, Rn. 37. 320 EuGH, Urteil v. 10.5.1995 (Alpine Investments), Slg. 11995, S. 1141, 1178, Rn. 38.
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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flusse die Maßnahme unmittelbar den Zugang zum Dienstleistungsmarkt anderer Mitgliedstaaten. Das Verbot sei daher geeignet, den innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr zu behindern. 321 Diese Unterscheidung wiederholt der EuGH in der Sache Deliege 322 und stellt auch dort auf das Merkmal der Zugangsbeschränkung ab. So stellt er fest, daß die nationalen Auswahlregeln für sportliche Wettkämpfe keine Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt für Berufssportler festlegen. 323 Außerdem werde die Sportlerin nicht nach ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert. 324 Der EuGH hat somit die Grundsätze des Keck-Urteils auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen. Daneben hat der EuGH auch Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge über das Verbot der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit verworfen. 325 Die für eine Erstattung entstandener Kosten erforderliche Genehmigung der Krankenkasse für ärztliche und klinische Versorgung im Ausland benachteilige grenzüberschreitende Vorgänge. Sie hindere die Versicherten, sich an Dienstleistungserbringer im Ausland zu wenden. Die Genehmigungspflicht beschränke folglich die Dienstleistungsfreiheit. 326
d) Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit Der EuGH hat im Keck-Urteil vertriebs- und produktbezogene Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit unterschieden. Allein letzere könnten die Waren verkehrsfreiheit beschränken, es sei denn die vertriebsbezogene Maßnahme diskriminiere grenzüberschreitende Vorgänge 327 • Daneben hat der EuGH bei der Warenverkehrsfreiheit abstrakt nach der Eignung einer Maßnahme gefragt, die Grundfreiheit zu beschränken. In diesen Entscheidungen bezeichnete er bestimmte Maßnahmen als "zu ungewiß, zu indirekt und zu mittelbar", als daß sie als Hindernis der Warenverkehrsfreiheit angesehen werden könnten. 328 In der Rechtssache Krantz ging es etwa um die vereinfachte pfändung unter Eigentumsvorbehalt verkaufter SaEuGH, Urteil v. 10. 5. 1995 (Alpine Investments), Slg. 11995, S. 1141, 1178, Rn. 38. EuGH, Urteil v. 11. 4. 2000 (Deliege), Sig. I 2000, S. 2549, 2618 = EuZW 2000, S. 371, 375 =NZA 2000, S. 648, 652 =AP Nr. 1 zu Art. 49 EG, BI. 6, Rn. 61 ff. 323 EuGH, Urteil v. 11. 4. 2000 (Deliege), Sig. I 2000, S. 2549, 2618 = EuZW 2000, S. 371, 375, Rn. 61. 324 EuGH, Urteil v. 11. 4. 2000 (Deliege), Sig. I 2000, S. 2549, 2618 = EuZW 2000, S. 371, 375, Rn. 62. 325 EuGH, Urteil v. 28. 4. 1998 (Kohli), Sig. I 1998, S. 1931, 1946, Rn. 33. 326 EuGH, Urteil v. 28. 4. 1998 (Kohli), Sig. I 1998, S. 1931, 1946, Rn. 34, 35. 327 EuGH, Urteil v. 24. 11. 1993 (Keck und Mithouard), Sig. I 1993, S. 6097, 6131, Rn. 16, 17; EuGH, Urteil v. 8. 3. 2001 (Konsurnentornbudsrnannen), EuZW 2001, S. 251, 252, Rn. 18-20. 328 EuGH, Urteil v. 18. 6. 1998 (Corsica Ferries France), Sig. I 1998, S. 3949, 3992, Rn. 31; EuGH, Urteil v. 21. 9. 1999 (BASF), Sig. I 1999, S. 6269, 6295, Rn. 21. 321
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
chen?29 Daß Bürger aufgrund der vereinfachten Pfändung zögerten, Sachen an Käufer in dem betreffenden Mitgliedstaat zu veräußern, sei so ungewiß und von derart mittelbarer Bedeutung, daß eine solche Regelung nicht geeignet sei, die Grundfreiheit zu beschränken. 33o Genauso hat der EuGH die nach deutschem Recht bestehende Pflicht zur Übersetzung europäischer Patente in die deutsche Sprache als zu mittelbar und ungewiß bezeichnet, als daß sie geeignet wäre, die Warenverkehrsfreiheit zu beschränken. 331 e) Ergebnis
Ausgehend von der noch sehr allgemeinen Dassonville-Formel zum Beschränkungsverbot des Art. 28 EG, befindet sich der EuGH auf dem Weg zu einem für alle Grundfreiheiten geltenden allgemeinen Beschränkungsbegriff. Dabei geben die Entscheidungen zum Beschränkungsverbot der anderen Grundfreiheiten Anhaltspunkte für den Beschränkungsbegriff des Art. 39 EG ziehen. Die Entscheidungen lassen eine Argumentation in drei Richtungen erkennen: Der Zugangsausschluß zu fremden Märkten begriindet stets eine Beschränkung der Grundfreiheit, auch wenn er lediglich faktisch wirkt. Eine Beschränkung der Freizügigkeit ist weiterhin anzunehmen, wenn grenzüberschreitende Vorgänge schlechter behandelt werden als nationale, auch wenn überwiegend Staatsangehörige des regelnden Mitgliedstaates betroffen sind. Als Untergrenze darf die Beschränkung jedenfalls nicht zu mittelbar, ungewiß oder indirekt wirken.
3. Weites Verständnis des Beschränkungsverbots im Schrifttum Teile des Schrifttums fassen den Beschränkungsbegriff des Art. 39 EG weiter und bewerten alle Maßnahmen als beschränkend, die einen Staatsangehörigen davon abhalten könnten, sein Herkunftsland zu verlassen und von der Freizügigkeit Gebrauch zu machen, auch wenn sie unterschiedslos Anwendung finden. 332 Die Freizügigkeit werde beschränkt, wenn bereits die Möglichkeit des Zugangs zu einer Stelle in einem anderen Mitgliedstaat negativ beeinflußt würde?33 Gleiches gelte, wenn sich nach Ausübung der Freizügigkeit eine Situation einstelle, die es weniger attraktiv erscheinen ließe, den Herkunftsstaat zu verlassen?34
329 330 331 332
333 334
EuGH, Urteil v. 7. 3.1990 (Krantz), Slg. 1988, S. 583, 597, Rn. 11. EuGH, Urteil v. 7. 3.1990 (Krantz), Slg. 1988, S. 583, 597, Rn. 11. EuGH, Urteil v. 21. 9. 1999 (BASF), Slg. I 1999, S. 6269, 6295, Rn. 21. Lenz/ Scheuer Art. 39 EG, Rn. 35. Lenz/Scheuer Art. 39 EG, Rn. 35. Lenz/Scheuer Art. 39 EG, Rn. 35.
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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4. Zugangsbeschränkungsverbot Die überwiegende Ansicht begrenzt das Beschränkungsverbot auf ein Zugangsbeschränkungsverbot zu fremden Arbeitsmärkten. 335 Aufgrund des Keck-Urteils seien nur solche Beschränkungen geeignet, die Freizügigkeit zu beschränken, die sich unmittelbar auf den Zugang zu einem fremden Arbeitsmarkt auswirken könnten und diesen ausschlössen?36 In Anlehnung an die im Keck-Urteil gewählte Unterscheidung zwischen produktbezogenen Zugangsbeschränkungen und Regeln über die Modalitäten des Warenverkaufs könnten staatliche Vorschriften über Zugangs- und Ausübungsregeln unterschieden werden. 337 Den "Verkaufsmodalitäten" bei Art. 28 EG entsprächen die "Aufenthaltsmodalitäten" bei Art. 39 EG. 338 Maßnahmen der Mitgliedstaaten beschränkten die Freizügigkeit erst, wenn sie einem Zugangsverbot gleichstünden?39 Das Beschränkungsverbot umfasse daher nur solche Maßnahmen, die geeignet seien, den Unions bürger in spezifischer Weise an der Aufnahme eines Berufs in einem anderen Mitgliedstaat zu hindern. 34o Berufsausübungsregeln seien hingegen nicht geeignet, die Freizügigkeit zu beschränken. 341 Sie unterfielen nur dem Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG. Art. 1 Abs. 1 der VO 1612/68 sei insoweit eindeutig und abschließend. Zu den Ausübungsregeln zählten auch nationale Beendigungsregeln, wie Bindungsklauseln an den Arbeitsplatz. 342 Eine weite Beschränkungsformel bedeute einen problematischen Eingriff in die Regelungsautonomie der Mitgliedstaaten. 343 Die Freizügigkeit mutiere zu einem Grundrecht der Berufsfreiheit. 344 Die weite Formel des EuGH bedürfe aus teleologischen und systematischen Erwägungen einer tatbestandlichen Reduktion. 345 335 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4693, 5009, Rn. 205; Classen, EWS 1995, S. 97,104; Streinz, Europarecht, Rn. 678, 679; Callies / Ruffert / Brechmann Art. 39 EG, Rn. 50; Schroeder; Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 255; Reichold, ZEuP 1998, S. 434, 447; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 180; Röthel, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 11. 4. 2000 (Deliege) und 13.4. 2000 (Lehtonen), EuZW 2000, S. 379, 380; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Birk § 19, Rn. 45; Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Berufsfußball, S. 184; Deckert / Schroeder; Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), JZ 2001, S. 88,90; Mojzesowicz, Möglichkeiten und Grenzen einer einheitlichen Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 117, 172, die jedoch allen Berufsausübungsmodalitäten mittelbar den Marktzutritt beeinflussende Wirkung beimißt. 336 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4693, 5009, Rn. 206. 337 Schroeder; Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 255. 338 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Birk § 19, Rn. 45. 339 Streinz, Europarecht, Rn. 678, 679. 340 Callies / Ruffert / Brechmann Art. 39 EG, Rn. 50. 341 Callies / Ruffert / Brechmann Art. 39 EG, Rn. 50; Reichold, ZEuP 1998, S. 434, 447. 342 Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 178. 343 Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 178. 344 Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 179.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Zum Teil wird auch auf eine Parallele zur Rechtsprechung des EuGH bei der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit verwiesen, die ebenfalls nur Zugangsbeschränkungen als grundrechtsrelevant betrachte. 346 Der EuGH habe in seinen Entscheidungen den Charakter der Freizügigkeit als Grundrecht unterstrichen. 347 Folglich müsse für eine Beschränkung der Freizügigkeit der Zugang zu dem Beruf als solcher ausgeschlossen werden. Innerhalb dieser Ansicht ist fraglich, wie mit Zugangsbeschränkungen umzugehen ist, die den Zugang nicht rechtlich, sondern faktisch ausschließen. Zum Teil wird der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Bosman Widersprüchlichkeit vorgeworfen, da er auch die neuen, während des gerichtlichen Verfahren geänderten Transferregeln als Zugangs beschränkung bewertet habe, obwohl sie nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt als solchen ausschlossen. 348 Zum Teil werden nur solche Regelungen unter das Zugangsbeschränkungsverbot gefaßt, die objektive Zulassungs- und Ausübungsbeschränkungen begründeten oder Bedürfnisprüfungen ähnelten. 349 Andere verlangen den generellen Zugangsausschluß oder eine gravierende Behinderung. 35o
5. Ansicht des Generalanwalts Alber Der Generalanwalt Alber lehnt in seinen Schlußanträgen eine Übertragung der Rechtsprechung des EuGH zu den Warenverkehrsfreiheiten und der Unterscheidung vertriebs- und produktbezogener Regelungen auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG ab?51 Dazu bestehe kein Anlaß. 352 Der Ausschluß von Verkaufsmodalitäten aus dem Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit sei in der sehr mittelbaren Wirkung solcher Maßnahmen auf den Binnenmarkt begründet. 353 Verkaufsmodalitäten zeichneten sich dadurch aus, daß sie nicht notwendigerweise den Im- oder Exporteur berührten, sondern erst den weiteren Absatz an den Endver-
Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 180. Schroeder, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 255. 347 Schroeder, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 255. 348 Schroeder, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 255, Fn. 20. 349 Streinz, Europarecht, Rn. 679. 350 Jarass, EuR 2000, S. 705, 711, der aber im Widerspruch dazu auf S. 713 das Gewicht der Maßnahme als Kriterium ablehnt. 351 GeneraIanwaltAlber, Schlußanträge v. 22. 6.1999 zu EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2695 =EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 15, Rn. 46. 352 GeneralanwaltAlber, Schlußanträge v. 22. 6.1999 zu EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2695 =EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 15, Rn. 46. 353 GeneraIanwalt Alber, Schlußanträge v. 22. 6. 1999 zu EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2696 =EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 16, Rn. 48. 345
346
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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braucher. 354 Ein ausländischer Erzeuger müsse sein Produkt wegen der Verkaufsmodalitäten nicht je nach Absatzmarkt verändern?55 Berufsausübungsregeln stünden den produktbezogenen Regeln sehr viel näher, da sie wie produktbezogene Regeln unmittelbar vom Arbeitnehmer zu erfüllen seien. 356 Der Arbeitnehmer müsse gegebenenfalls nach jedem grenzüberschreitenden Arbeitsplatzwechsel neue Ausübungsregeln berücksichtigen und sich entsprechende Fähigkeiten aneignen. 357 Dadurch sei ein weiter Tatbestand für die Freizügigkeit eröffnet, der mit der Dassonville-Formel verglichen werden könne. 358 Die Filterwirkung des Keck-Urteils werde bei der Freizügigkeit durch das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Sachverhalts erzielt. 359 Der Generalanwalt sieht folglich nicht nur solche Vorschriften als behindernd an, die unmittelbar den Zugang betreffen, sondern möchte auch Berufsausübungsregelungen erfassen, sofern sie sich auf den Arbeitnehmer auswirken können und ihn damit in seiner Entscheidung beeinflussen, von der Freizügigkeit Gebrauch zu machen.
6. Ansicht des Generalanwalts Fennelly Der Generalanwalt Fennelly schlägt für die Annahme von Freizügigkeitsbeschränkungen einen differenzierten Vermutungsmaßstab vor?60 Er prüft zunächst eine Diskriminierung aus Gründen der Zu- und Abwanderung. 361 Eine solche Diskriminierung soll automatisch und grundsätzlich die Freizügigkeit beschränken, selbst wenn die Intensität der Beeinträchtigung gegenüber den verbleibenden Vorteilen des Grenzübertritts gering ist. 362 Daneben erfasse das Beschränkungsverbot stets nichtdiskriminierende Beschränkungen der Freizügigkeit, die formale Zu354 GeneralanwaltAlber, Schlußanträge v. 22. 6.1999 zu EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2696 EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 16, Rn. 48. 355 Generalanwalt Alber, Schlußanträge v. 22. 6. 1999 zu EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2696 EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 16, Rn. 48. 356 GeneralanwaltAlber, Schlußanträge v. 22. 6.1999 zu EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2696 = EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 16, Rn. 48. 357 Generalanwalt Alber, Schlußanträge v. 22. 6. 1999 zu EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2696 EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 16, Rn. 48. 358 Generalanwalt Alber, Schlußanträge v. 22. 6. 1999 zu EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2696 = EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 16, Rn. 48. 359 Generalanwalt Alber, Schlußanträge v. 22. 6. 1999 zu EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Sig. 12000, S. 2681, 2696 EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 17, Rn. 49. 360 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 503 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 13, Rn. 21. 361 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16.9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 503 =EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 13, Rn. 21. 362 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. 12000, S. 493, 504 ff. = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 15, Rn. 22, 23, 26.
= =
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
gangsvoraussetzungen zu abhängiger Beschäftigung aufstellten. 363 Diese träten in drei Fonnen auf: Beschränkungen auf einen Niederlassungsort, Qualifikationsvoraussetzungen und Ablösezahlungen. 364 Ihnen sei gemeinsam, daß sie absolute Hindernisse für die Aufnahme einer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat aufstellten?65 Nur die Entscheidungen Kraus und Choquet seien außergewöhnlich, als sie nicht den Zugang selbst betrafen. Indes stünden die Regelungen in engem Zusammenhang mit dem Beschäftigungszugang, da sie nach Ansicht des EuGH den Zugang zumindest erschweren könnten. 366 Die Aufstellung fonnaler Voraussetzungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt oder eng damit zusammenhängender Regelungen reiche für die Annahme einer Beschränkung aus, selbst wenn die Voraussetzungen relativ leicht erfüllt werden könnten. 367 Es sei daher möglich, das Beschränkungsverbot auf fonnale Zugangsschranken zu begrenzen,368 auch wenn der EuGH seine Rechtsprechung noch nicht auf fonnale Zugangsregeln beschränkt habe. 369 Diese Vennutung greife nicht für neutrale oder materielle Vorschriften, die lediglich die Ausübung der Freizügigkeit weniger attraktiv machten. 37o Der Antragsteller müsse vielmehr beweisen, daß eine neutrale Regelung den Zugang zum Arbeitsmarkt beschränke,371 daß sie tatsächliche Auswirkungen auf die Marktbeteiligten hätte und einem Ausschluß vom Markt g1eichkäme. 372 Für Regelungen etwa, die an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses negative Folgen knüpften, müsse der Beweis verlangt werden, daß sie einer direkten Verweigerung des Zugangs zu einem fremden Arbeitsmarkt gleichkämen, da sie selten fonnale Beschränkungen aufstellten?73 Dies bedeute einen Ausschluß der Anfechtungsmög363 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Slg. 12000, S. 493, 507 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 18, Rn. 28. 364 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Ur,t;eil v. 27. (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 505 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 16, Rn. 24. 365 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 507 =EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 18, Rn. 28. 366 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 507 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 18, Rn. 28. 367 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 508 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 20, Rn. 30. 368 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 509 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 21, Rn. 31. 369 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Slg. 12000, S. 493, 509 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 21, Rn. 31. 370 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 509 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 21, Rn. 31. 371 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 509 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 21, Rn. 31. 372 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 509 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 21, Rn. 32. 373 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16.9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 509 =EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 21, Rn. 32.
1. 2000 1. 2000 1. 2000 1. 2000 1. 2000 1. 2000 1. 2000 1. 2000 1. 2000 1. 2000 1. 2000
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
97
lichkeit jener Maßnahmen, die ein bloßes Handelshemmnis darstellten. Diese Abgrenzung von formalen und materiellen Regelungen ergebe sich aus einer analogen Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zu Keck. Obwohl der EuGH noch keine Gelegenheit gehabt habe, in einem Fall neutraler Regelungen zu entscheiden, sei diese Differenzierung erforderlich, um nicht jedwede nationale Vorschrift anfechten zu können, deren Wirkung ganz einfach darin bestehe, die Handelsfreiheit zu beschränken. 374 Ansonsten würde die Dassonville-Formel in ihrer weitesten Auslegung angewandt. 375 Generalanwalt Fennelly sieht seine Auffassung im Einklang mit der Ansicht der Generalanwälte Alber und Lenz. Der Generalanwalt Lenz habe in der Sache Bosman auch zwischen Beschränkungen des Zugangs und der Ausübung der Beschäftigung differenziert. 376 Auch wenn der Generalanwalt Alber eine Übertragung der Rechtsprechung zu Keck verneine, bestehe insoweit Einklang, als bloße Berufsausübungsregeln keine Beschränkung der Freizügigkeit darstellen könnten, soweit sie nicht in engem Zusammenhang mit dem Zugang zum fremden Markt stünden?77 Als Untergrenze oder Mindestvoraussetzung einer Beschränkung verlangt der Generalanwalt außerdem, daß die Wirkung der Maßnahme auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht zu unbedeutend, abgelegen oder ungewiß ist. 378 Zwar könnte der Verlust geldwerter Vorteile die Planung der Grenzüberschreitung des Arbeitnehmers betreffen. Der Verlust potentieller Ansprüche sei jedoch nicht ausreichend, um die Freizügigkeit zu beschränken. 379 Die Auswirkungen auf den Beschluß, das Arbeitsverhältnis zu beenden, seien nicht geeignet, den Zugang oder den Weggang von einem nationalen Arbeitsmarkt zu beschränken. 38o Der Generalanwalt mißt somit Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge und Zugangsbeschränkungen am allgemeinen Beschränkungsverbot des Art. 39 EG.
374 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 509 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 21, Rn. 32. 375 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 509 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 21, Rn. 31. 376 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 510 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 22, Rn. 33. 377 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 510 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 22, Rn. 33. 378 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 510 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 23, Rn. 34. 379 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 510 =EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 23, Rn. 34. 380 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16.9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 510 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 23, Rn. 34.
7 Roloff
I. 2000 I. 2000 I. 2000 I. 2000 I. 2000 I. 2000 I. 2000
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
7. Finalität und wirtschaftlicher Ordnungsrahmen als Konkretisierung des Beschränkungsverbots
Eine Ansicht im Schrifttum entzieht dem Beschränkungsverbot solche Regelungen, die den wirtschaftlichen Ordnungsrahmen eines nationalen Arbeitsmarktes bilden. 381 Die Strukturen von Art. 39 EG und Art. 28 EG seien nach dem Keck-Urteil vergleichbar, so daß Maßnahmen nur dann an Art. 39 EG zu messen seien, wenn sie einem Unionsbiirger wirtschaftliche Nachteile oder Beschränkungen gerade deshalb auferlegten, weil er seinen wirtschaftlichen Standort grenzüberschreitend verlagere. 382 Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die einen Unionsbürger aus formalen Gründen benachteiligten, ohne dem Schutz des materiellen Ordnungs standards zu dienen, seien untersagt,383 da sie besonders geeignet seien, den nationalen Markt abzuschotten. 384 Die Freizügigkeit verbiete zudem Benachteiligungen der Unionsbürger, die ihre Tatigkeit über einen Mitgliedstaat hinaus ausdehnen wollten. 385 Die mitgliedstaatliche Vertragsordnung sei hingegen als Teil des wirtschaftlichen Ordnungsrahmens dem Beschränkungsverbot entzogen, auch wenn sie bestimmte Wirtschaftsteilnehmer schlechter stelle. 386 Mobilitätshindernde Sonderbelastungen durch Vorschriften, etwa Transferzahlungen kraft Gesetzes, begründeten ebenfalls keine Beschränkung der Freizügigkeit. 387 Die Zielsetzung des Art. 39 werde überdehnt, wenn dem Beschränkungsverbot ein Anspruch auf Schaffung einer bestimmten Art der Arbeitskraftnachfrage oder eines bestimmten Angebots von Produktionsfaktoren entnommen werde. 388 Die Berücksichtigung zwingender nachvertraglicher Rechtspflichten würde eine Verpflichtung begründen, alle mobilitätshindernden nachvertraglichen und vertraglichen Pflichten an Art. 39 EG zu messen?89 Dies könne dem Zweck des Art. 39 EG nicht entnommen werden.
Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 343. Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 344; Rothfuchs, Die traditionellen Personenverkehrsfreiheiten des EG-Vertrages, S. 261 unter Verweis auf Nettesheim in Fn. 261. 383 Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 344. 384 Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 344. 385 Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 344. 386 Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 344. 387 Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 344. 388 Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 344. 389 Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 344. 381
382
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
99
8. Schrifttum zum Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit a) Zugangsbeschränkungsverbot Das Schrifttum zur Niederlassungsfreiheit vertritt überwiegend, daß die bloße Belastung der innerstaatlichen Tätigkeit nicht als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu bewerten ist. 390 Die Mitgliedstaaten müßten den Zugang zu ihren Arbeitsmärkten beschränken, da nur solche Maßnahmen geeignet seien, den Markt vertragswidrig aufzusplittern und damit die Niederlassungsfreiheit zu beschränken. 391 Zugangsbeschränkungen, nicht aber Ausübungsregelungen der innerstaatlichen Tätigkeit könnten mit dem Beschränkungsverbot des Art. 43 EG kollidieren. 392 Zum Teil wird das Beschränkungsverbot auf objektive Zulassungsbeschränkungen begrenzt. 393
b) Gegenansicht Die Gegenansicht wendet sich gegen eine Unterscheidung in Zugangs- und Ausübungsregeln. 394 Sie lehnt auch jede andere Begrenzung des Beschränkungsbegriffs ab und läßt jede kausale Begrenzung des Freiheitsraumes genügen. 395 Weder Spürbarkeit noch Potentialität, Adäquanz, Vorhersehbarkeit oder Finalität seien geeignet, den Beschränkungsbegriff zu präzisieren. 396 Das Beschränkungsverbot bedürfe keiner Rücksicht auf die mitgliedstaatliche Kompetenzordnung, da die Grundfreiheiten nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Gemeinschaftsorgane verpflichteten 397 . Die Grundfreiheiten dienten der Kontrolle der Mitgliedstaaten, so daß die Wahrung der Kompetenzordnung kein schützens wertes Gut darstelle. Diese Ausdehnung verstoße nicht gegen das Subsidiaritätsprinzip, das sich allein auf die Kompetenzausübung beziehe. 398 390 Roth, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, s. 729, 739; Eberhartinger, EWS 1997, S. 43, 49; Groeben I Thiesing I Ehlennann I Troberg Art. 52 EGV, Rn. 57 - 59; Mischo, Festschrift Schockweiler, S. 445, 459; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts I Roth, E I, Rn. 69. 391 Eberhartinger, EWS 1997, S. 43, 49. 392 Groeben I Thiesing I Ehlennann I Troberg Art. 52 EGV, Rn. 57 - 59; Roth, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 729, 740. 393 Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechtl Roth, E I, Rn. 71. 394 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 392. 395 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 392 ff. 396 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 428 ff. 397 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 439.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
9. Stellungnahme a) Rechtsprechung des EuGH Die Rechtsprechung des EuGH ist unsystematisch und uneinheitlich. Der EuGH geht in der Rechtssache Graf nicht darauf ein, warum bestimmte finanzielle Nachteile den Arbeitnehmer nicht daran hindern, das Herkunftsland zu verlassen, während andere Regelungen über finanzielle Nachteile wie in den Rechtssachen Terhoeve und Sehrer dem Beschränkungsverbot widersprechen. Bei allen drei Entscheidungen geht es um finanzielle Einbußen bei der Entscheidung, den Wohnund Arbeitsort zu wechseln. Die Höhe der finanziellen Einbuße konnte eine Differenzierung wegen der unterschiedlichen Intensität der Beschränkung nicht rechtfertigen. Bei Terhoeve mußte der Arbeitnehmer jedes Jahr 1441 Gulden (ca. 700 Euro) zusätzlich bezahlen. Bei der Entscheidung Sehrer mußte der Arbeitnehmer auf fünf Jahre verteilt insgesamt 1005,67 DM nachzahlen. Bei Graf entgingen dem Arbeitnehmer zwei Monatsgehälter. Verteilt man zwei durchschnittliche Monatsgehälter auf drei Jahre, ist der nicht gewährte Abfindungsbetrag höher als die Beträge bei Terhoeve und Sehrer. Der Unterschied zwischen den Entscheidungen besteht vielmehr darin, daß bei Terhoeve und Sehrer überwiegend grenzüberschreitende Vorgänge benachteiligt wurden. In den Entscheidungen wird aber nicht klar, warum bei der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge weniger hohe Anforderungen an die Intensität der Maßnahme gestellt werden als in den Fällen der Gleichbehandlung. Die besondere Eignung diskriminierender Maßnahmen, die Freizügigkeit zu beschränken, liegt wohl darin begründet, daß sie dem Arbeitnehmer die negativen Folgen seines Grenzübertritts deutlich vor Augen führt. Der direkte Vergleich mit Arbeitnehmern, die den Mitgliedstaat nicht verlassen, kann vom Arbeitnehmer einfach angestellt werden. Er wird sich fragen, warum sein Grenzübertritt mit finanziellen Einbußen verbunden sein soll. Die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge entfaltet somit besondere Beschränkungsintensität. Maßnahmen vom Beschränkungsverbot auszunehmen, die zu indirekt, mittelbar oder ungewiß wirken, kann ebensowenig befriedigen. Das ergibt sich aus der weiten und offenen Formulierung der Merkmale. Der EuGH ließ gerade in der Rechtssache Bosman die neuen Transferregeln, die nicht die Beschäftigung, sondern den Einsatz des Spielers betrafen, als mittelbare Beeinträchtigung der Freizügigkeit genügen. Weiterhin lehnt der EuGH das Erfordernis der Spürbarkeit der Beeinträchtigung bei Art. 28 EG ab. 399 Er begründet dies damit, daß Art. 28 EG nicht nach der Intensität der Maßnahme differenziert. Mit den Merkmalen der zu mittelbar, ungewiß und indirekt wirkenden Beschränkung wird aber eine Erheblichkeitsschwelle für das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG eingeführt. Es ist außerdem schwer 398 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 439.
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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zu beurteilen, wann eine Regelung zu indirekt oder zu mittelbar oder zu ungewiß wirkt. 4OO Besonders deutlich wird die Problematik in der Entscheidung Graf. Die Auswirkungen der Vorenthaltung der Abfindung sind nach Ansicht des EuGH zu ungewiß, als daß sie die Freizügigkeit beeinträchtigen könnten. 401 Ob das Vorenthalten geldwerter Leistungen "eindeutig nicht geeignet ist, den Arbeitnehmer daran zu hindern, sein Arbeitsverhältnis zu beenden,,402, ist jedoch fraglich. Die Nichtgewähr der Abfindung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entscheidung des Arbeitnehmers, den Arbeitsmarkt zu verlassen. Die Arbeitnehmerkündigung ist in diesen Fällen weder ungewiß noch hypothetisch, sondern zentrale Voraussetzung für den grenzüberschreitenden Wechsel des Arbeitsmarktes. 403 Das Vorenthalten geldwerter Vorteile kann zudem eine Motivation sein, ein Arbeitsverhältnis fortzusetzen und keinen Gebrauch von der Freizügigkeit zu machen. Der Abfindungsanspruch hängt damit entgegen der Ansicht des EuGH von der Entscheidung des Arbeitnehmers ab. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist zwar sicherlich ein zukünftiges und hypothetisches Ereignis. Das Vorenthalten des Anspruchs folgt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitnehmerkündigung jedoch zwingend und nicht nur hypothetisch nach. Für den Arbeitnehmer stand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß der Arbeitgeber ohne Anlaß keine Kündigung aussprechen würde und daß er das Arbeitsverhältnis vielmehr selbst beenden mußte, um von seiner Freizügigkeit Gebrauch machen zu können. Fraglich war daher nicht, ob die Nichtgewähr der Abfindung ein hypothetisches Ereignis ist. Fraglich war, ob die Nichtgewähr der Abfindung lediglich hypothetische Auswirkungen auf die unbeschränkte Wahl des Arbeitsmarktes und damit die Freizügigkeit hatte. Der Beschränkungsbegriff wird durch die Rechtsprechung des EuGH nicht abschließend geklärt.
b) Weitest mögliche Ausdehnung des Beschränkungsverbots Die Ausdehnung des Beschränkungsverbots auf alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Freizügigkeit zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, geht andererseits weit über den erforderlichen Schutz des Art. 39 EG hinaus. Jede Vorschrift mit noch so geringem Bezug zur Beendigung und Aufnahme der beruflichen Tätigkeit stünde auf dem Priifstand des Beschränkungsverbots. Ausübungsregeln fallen 399 EuGH, Urteil v. 20. 2. 1975 (Kommission I Deutschland), Slg. 1975, S. 181, 198, Rn. 14; EuGH, Urteil v. 18.5. 1993 (Yves Rocher), Slg. I 1993, S. 2361, 2390, Rn. 21; Kainer, JuS 2000, S. 431, 434, Fn. 33 verwirft dieses Merkmal als nicht praktikabel. 400 Brüsselbach, JuS 1995, S. 21, 23. 401 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50 =EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 24. 402 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50 = EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 24. 403 Grabitzl Hilfl RandelzhoJerl ForsthoffVor Art. 39-55, Rn. 114.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
zwar aus dem Beschränkungsverbot heraus, da sie nicht an den Marktzutritt anknüpfen. Die Begrenzung auf grenzüberschreitende Vorgänge ändert an der zu weiten Formel aber wenig, da der grenzüberschreitende Sachverhalt den Anwendungsbereich und nicht den Beschränkungsbegriff definiert. Einem derart weiten Beschränkungsbegriff stehen die der Rechtsfortbildung des Beschränkungsverbots gesetzten Grenzen der Gewaltenteilung entgegen. 404 Der Judikative würde ein Kontrollspielraum mitgliedstaatlicher und gemeinschaftsrechtlicher Maßnahmen am Beschränkungsverbot eingeräumt, der die Kompetenzen der Mitgliedstaaten und der legislativ tätigen Gemeinschaft verletzte. Das Beschränkungsverbot würde außerdem mit einer derart vagen Definition erhebliche Rechtsunsicherheit hervorrufen. c) Vorgeschlagene Begrenzungen des BeschränkungsbegritTs
Der Beschränkungsbegriff ist deshalb zu konkretisieren. Die vorgeschlagenen Konkretisierungen erfassen indes nur einen Teil einer allgemeinen Definition des Beschränkungsverbots. So verengt die vorgeschlagene Begrenzung des Beschränkungsverbots auf Diskriminierungen grenzüberschreitender Vorgänge unzulässig die Kontrolldichte des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG. Die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge ist nur eine besondere Form der Beschränkung der Freizügigkeit und erklärt nicht den umfassenden, absoluten Gehalt des Beschränkungsverbots, sondern verharrt beim relativen Gehalt des Art. 39 EG, der aufgrund des allgemeinen Beschränkungsverbots gerade nicht mehr gilt. Der Zugang zu einem Arbeitsmarkt kann durch bestimmte Maßnahmen völlig ausgeschlossen werden, ohne daß eine Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge vorläge. Gerade dies hat der EuGH auch in seiner Entscheidung in der Rechtssache Bosman festgehalten, in der nationale und grenzüberschreitende Fälle gleich behandelt wurden. Eine über die Diskriminierung hinausgehende Maßnahme könne geeignet sein, die Freizügigkeit zu behindern und den Arbeitnehmer in seinem Recht aus Art. 39 EG zu beschränken. 405 Weiterhin kann der Rechtsprechung des EuGH eine Begrenzung auf diese Fälle nicht entnommen werden. Der EuGH hat in der Sache Lehtonen eine Vorschrift als Beschränkung der Freizügigkeit bewertet, die grenzüberschreitende Sachverhalte gegenüber nationalen privilegierte. 406 Der von der Gegenauffassung angeführte Vorrang nationaler Grundrechte und des von diesen gewährten Schutzes ist zur Begriindung eines Binnenmarkts nicht geeignet, da die Anwendbarkeit geltender Grundrechte auf Drittstaatsangehörige nicht in allen Mitgliedstaaten gesichert ist. So gilt in Deutschland Art. 12 Abs. 1 Grabitz/ Hilf/ Randelzhojer/ ForsthoffVor Art. 39-55, Rn. 92. EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5070 S. 82, 88, Rn. 103. 406 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2732 S. 375, 378, Rn. 48. 404
405
= EuZW
1996,
= EuZW 2000,
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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GG etwa nur für Deutsche. 407 Das Schutzniveau des Binnenmarktes würde von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat divergieren. Die Grundfreiheiten verlören ihre umfassende und einheitliche Geltung. Ebensowenig ist die Begrenzung auf finale Freizügigkeitsbeschränkungen geeignet den Beschränkungsbegriff abschließend zu konkretisieren. Die dies fordernde Ansicht verkennt, daß auch nicht finale, lediglich mittelbare Beeinträchtigungen ein hohes Mobilitätshindernis begründen können. Dies zeigt bereits die Rechtsprechung des EuGH zu mittelbaren Beschränkungen, in denen die Finalität keine Rolle spielt. So zielten etwa die Maßnahmen bei Bosman oder Terhoeve nicht auf eine Beschränkung der Freizügigkeit, sondern auf den Erhalt der Chancengleichheit der Vereine oder die Vereinfachung des Systems der sozialen Sicherheit. Das Finalitätskriterium erfaßt somit nicht den hohen Beschränkungsgrad, der von mitgliedstaatlichen Regelungen ausgehen kann, die nicht auf eine Beschränkung der Freizügigkeit abzielen. Besonders schwierig ist außerdem die vorgeschlagene Bereichsausnahme vom Beschränkungsverbot für mitgliedstaatliche Maßnahmen, die einen konstituierenden Teil des wirtschaftlichen Ordnungsrahmens darstellen. Das Kriterium ist mehr als unbestimmt und damit ungeeignet, eine praktische Formel für die Definition des Beschränkungsbegriffs zu liefern. Gesetzliche Regelungen, die offensichtlich die Grundfreiheiten beschränken, können nicht mehr an den Grundfreiheiten gemessen werden, wenn den Mitgliedstaaten zudem die Definitionsmacht über diesen Ordnungsrahmen eingeräumt wird. Die Bereichsausnahme bietet keine Gewähr für den effektiven Schutz der Grundfreiheiten, den das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG aber fordert. Die vorgeschlagenen Begrenzungen des Beschränkungsverbots sind nicht geeignet, den Beschränkungsbegriff sinnvoll zu konkretisieren.
d) Übertragung von Keck auf die Freizügigkeit Die Unterscheidung in produkt- und vertriebsbezogene Maßnahmen wie bei der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit ist für die Konkretisierung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG ebenso ungeeignet. Menschen und Produkte sind nicht vergleichbar, es fehlt an der für die Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit typischen Dreieckskonstellation von Einführendem, Ware oder Dienstleistung und beschränkendem Mitgliedstaat. Bei der Freizügigkeit stehen sich Arbeitnehmer und Mitgliedstaat direkt gegenüber. Der Arbeitnehmer bietet sich nicht als Ware oder seine Arbeitskraft als Dienstleistung an. Er und seine Arbeitskraft bilden eine untrennbare Einheit. Auch der EuGH hat eine Übertragung der Grundsätze von Keck auf Art. 39 EG nicht vollzogen, sondern bei den Ablösesummen die Annahme einer den vertriebsbezogenen Maßnahmen gleichstehenden Rege407 Zur Debatte, Art. 12 GG auf EU-Ausländer zu übertragen, siehe oben 1. Kapitel, III., 3., a).
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1. Kap. : Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
lung abgelehnt, da es sich um einen Zugangsausschluß zu fremden Arbeitsmärkten handelte. 408 Den Vertretern dieser Ansicht mißlingt überdies eine stringente Übertragung der Unterscheidung produkt- und vertriebsbezogener Maßnahmen auf den Beschränkungsbegriff des Art. 39 EG. Produktbezogene Maßnahmen beziehen sich bei der Warenverkehrsfreiheit unmittelbar auf das Produkt und nicht auf die Verkaufsmodalitäten. 409 Überträgt man das Merkmal der Produktbezogenheit auf die Freizügigkeit, entfalten Regelungen beschränkende Wirkung, die sich unmittelbar auf das "Produkt" des Arbeitnehmers, also seine Arbeitskraft, beziehen. Dazu können nationale Qualifikationsvoraussetzungen für die Ausübung einer Tätigkeit gehören. Überträgt man das Kriterium der vertriebsbezogenen Maßnahme auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, fallen alle Maßnahmen aus dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG hinaus, die sich auf die Art des Angebots der Arbeitskraft auf den Arbeitsmärkten beziehen. Dazu können Maßnahmen über die Art der Bewerbungsunterlagen, der Bewerbung oder in Übertragung der Ladenschlußzeiten der Angebotszeiten der Arbeitskraft zählen. Dann fällt aber auf, daß vertriebsbezogene Regelungen und Ausübungsregeln nicht identisch sind. Ausübungsregeln beziehen sich nämlich nicht auf das Angebot der Arbeit, sondern auf die Modalitäten der Ausübung beruflicher Tätigkeit. Die auf die Freizügigkeit übertragenen vertriebsbezogenen Maßnahmen betreffen nicht die Modalitäten der Ausübung, sondern die Modalitäten des Zugangs zu einer beruflichen Tätigkeit. Ausübungsrege1n greifen erst nach dem Zugang zum Arbeitsmarkt, sie setzen den Zugang durch das Merkmal der Ausübung einer Tätigkeit voraus. Berufsausübungsregeln stehen somit in keinem Zusammenhang mit der Aufnahme der Tätigkeit. Vertriebsbezogene Maßnahmen der Warenverkehrsfreiheit entsprechen nicht den Ausübungsregeln der Freizügigkeit. Die Unterscheidung produkt- und vertriebsbezogener Maßnahmen im Rahmen des Art. 28 EG führt somit nicht zu einer Unterscheidung von Zugangs- und Ausübungsregeln beim Beschränkungsverbot des Art. 39 EG. Überträgt man die Unterscheidung in Ausübungs- und Zugangsregeln auf die Warenverkehrsfreiheit zuriick, wird die Fehlerhaftigkeit der Ableitung offensichtlich. So dürften etwa nationale Regelungen zur Arbeitnehmerhaftung als Ausübungsregeln einzuordnen sein. Bei den Waren könnten Gewährleistungsregeln als Ausübungsvorschriften angesehen werden, da sie das rechtliche Schicksal der Ware nach dem Marktzutritt betreffen. Gewährleistungsregeln sind aber keine vertriebs bezogenen Maßnahmen, da sie erst lange Zeit nach Absatz des Produktes greifen und damit nicht die Verkaufsmodalitäten betreffen. "Ausübungsregeln" der Warenverkehrsfreiheit stehen in keinerlei Verbindung mit produkt- oder vertriebsbezogenen Regelungen. Sie regeln nicht den Marktzugang, sondern das rechtliche Schicksal der Ware nach erfolgtem Marktzugang. Das Keck-Urteil bezieht sich 408 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5070 = EuZW 1996, S. 82,88, Rn. 103. 409 EuGH, Urteil v. 24.11. 1993 (Keck und Mithouard), Sig. 11993, S. 6097, 6131, Rn. 16.
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aber gerade auf Maßnahmen, die als vertriebs- oder produktbezogene Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Marktzugang stehen. Vertriebsbezogene Maßnahmen entsprechen nicht den Ausübungsregeln der beruflichen Tlitigkeit in den Mitgliedstaaten, da die Ausübung der beruflichen Tlitigkeit dem Marktzutritt anders als der Vertreib einer Ware zeitlich nachfolgt. Produktbezogene Regelungen stehen zwar im Zusammenhang mit dem Marktzutritt, sie sind bei der Freizügigkeit aber nur schwer vorstellbar. Die Unterscheidung produkt- und vertriebsbezogener Maßnahmen führt somit bei der Freizügigkeit nicht zur Unterscheidung relevanter Zugangs- und irrelevanter Ausübungsregeln. Selbst wenn die Unterscheidung produkt- und vertriebsbezogener Maßnahmen richtig auf die Freizügigkeit übertragen würde, hätte dies für den Beschränkungsbegriff des Art. 39 EG nur wenig Bedeutung. Die Art des Angebots der Arbeitskraft als vertriebs bezogene Maßnahme unterliegt in den Mitgliedstaaten anders als das Angebot von Waren keiner nennenswerten Beschränkung. Ein Arbeitnehmer kann sich jederzeit ohne Beachtung besonderer Formalien bei einem Arbeitgeber bewerben. Regelungen über den "Vertrieb" seiner Arbeitskraft existieren nicht, so daß die Freizügigkeit auch nicht durch "vertriebsbezogene" Maßnahmen beschränkt werden kann. Andererseits sind "produktbezogene" Regelungen der Arbeitskraft, wie etwa das Erfordernis bestimmter Qualifikationen, grundsätzlich vorstellbar. Sie erfassen das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG indes nicht abschließend. So unterwarfen die Ablösezahlungen oder die Transferfristen sicherlich nicht das Produkt des Arbeitnehmers, also seine Arbeitskraft, einer besonderen Regelung, sondern betrafen die Möglichkeit des Arbeitnehmers, seine Arbeitskraft überhaupt in den anderen Mitgliedstaat zu verlagern. Wie gut er seinen Beruf ausübte oder welche Qualifikationen er aufweisen konnte, war nicht der Anknüpfungspunkt der Regelung. Das "Produkt" des Arbeitnehmers wurde daher keiner Regelung unterworfen. Die Unterscheidungen des Keck-Urteils können daher in ihrer konkreten Ausprägung nicht auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG übertragen werden und dienen der Konkretisierung des Beschränkungsbegriff nur wenig.
e) Unterscheidung in Zugangs- und Ausübungsregeln
Dennoch deutet die Entscheidung in der Rechtssache Keck auf den eigentlichen Grund für die Unterscheidung von Ausübungs- und Zugangsregeln hin. Der EuGH stellt fest, daß lediglich bestimmte Maßnahmen geeignet sind, den Zugang zu fremden Märkten zu beschränken. 410 Eine Maßnahme muß folglich den Zugang zu einem Arbeitsmarkt betreffen, um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu beschränken. 411 Maßnahmen über die Ausübung der Tätigkeit unterfallen hingegen nicht 410 411
EuGH, Urteil v. 24. 11. 1993 (Keck und Mithouard), Slg. 11993, S. 6097, 6131, Rn. 17. Grabitz/ Hilf/ RandelzhoJer/ ForsthoffVor Art. 39-55, Rn. 95.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
dem Beschränkungsverbot. Diese Unterscheidung wird durch die Herleitung des Beschränkungsverbots aus Art. 3 Abs. llit. c) EG vorgegeben, da Hindernisse der Freizügigkeit zwischen den Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten nur beim Marktzugang entstehen können. Alle nachfolgenden Maßnahmen betreffen nicht mehr den Binnen-, sondern allein den nationalen Markt. Ausübungsregeln können zwar eine Motivation für den Wechsel des Arbeitsmarktes sein. Sie greifen logisch aber erst dann, wenn der Zugang zum fremden Arbeitsmarkt erfolgt ist, ein Arbeitsverhältnis begründet wurde und die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird. Dann kann aber keine Beeinträchtigung der Freizügigkeit mehr vorliegen, da der Arbeitnehmer bereits Zugang zum Arbeitsmarkt eines anderen Mitgliedstaat erhalten hat. Ausübungsregeln sind damit grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG ausgeschlossen, da sie den Marktzugang nicht mehr berühren können und damit nicht einmal den vertriebsbezogenen Maßnahmen bei der Warenverkehrsfreiheit gleichstehen. Ausübungsregeln stellen, anders als der Generalanwalt Alber annimmt, keine besonderen Anforderungen an den Grenzübertritt des Arbeitnehmers und stehen bei richtigem Verständnis in keinem Zusammenhang mit dem Marktzugang. Der Arbeitnehmer muß sich lediglich auf die nationalen Vorschriften über die Modalitäten der Berufsausübung einlassen, die aber erst nach der Ausübung der Freizügigkeit greifen und keine Beschränkungswirkung auf den Zugang zu fremden Arbeitsmärkten entfalten. Unter das Beschränkungsverbot fallen daher nur solche Maßnahmen, die den Zugang zu einem fremden Arbeitsmarkt beschränken. Fallen aber alle Ausübungsregeln aus dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG heraus, muß sehr genau zwischen Ausübungs- und Zugangsregeln unterschieden werden, um den Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots nicht zu sehr zu begrenzen. So sind insbesondere Regelungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Ausübungsregeln. Beendigungsregeln betreffen nicht mehr die Ausübung, sondern das dem Zugang zum fremden Arbeitsmarkt unmittelbar vorgelagerte Verlassen eines nationalen Arbeitsmarktes. Um zu einem fremden Arbeitsmarkt Zugang zu erhalten, muß der Arbeitnehmer zuerst sein berufliche Tätigkeit beenden können. Das Verlassen des Mitgliedstaates ist dem Zugang zu einem anderen vorgelagert und nicht von diesem zu trennen. Der Zugang kann daher auch durch Beschränkungen des Weggangs vereitelt werden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses muß daher beschränkungsfrei möglich sein. Das unterstreicht der EuGH in den Urteilen Stanton und Terhoeve, wo er Beschränkungen beim Verlassen des Mitgliedstaates arn Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gemessen hat. Auch in der Rechtssache Graf betont der EuGH diese Komponente des Beschränkungsverbots, wenn er feststellt, daß die betreffende Regelung nicht geeignet ist, den Arbeitnehmer daran zu hindern, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, um eine unselbständige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber auszuüben. 412 Das Verbot
412
EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50
=EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 24.
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der Beschränkung des Zugangs zu fremden Arbeitsmärkten urnfaßt somit notwendig die Freiheit des Verlas sens eines Mitgliedstaates und damit die Freiheit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Folglich fallen Ausübungsregeln aus dem Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG heraus. Lediglich Regelungen, die den Zugang zu fremden Mitgliedstaaten betreffen, wozu auch Maßnahmen zählen, die das Verlassen eines Mitgliedstaates beeinträchtigen, fallen somit unter das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG.
o Abgrenzung diverser Zugangsregeln aa) Grundlage Mit der Abgrenzung von Zugangs- und unbeachtlichen Ausübungsregeln ist indes noch nicht viel erreicht. Die schwierige Abgrenzung in unbeachtliche und beachtliche Zugangsregelungen, die der EuGH in der Keck-Entscheidung für die Warenverkehrsfreiheit vorgenommen hat, ist damit für die Freizügigkeit weiterhin ungeklärt. Im Schrifttum wird daher festgestellt, daß die Unterscheidung in Zugangsund Ausübungsbeschränkungen nur einen kleinen Ausschnitt des Beschränkungsverbots erfaßt, nicht aber die eigentlich problematischen Fälle der mittelbar objektiven Beschränkung zu klären vermag. 413 Die relevanten zugangsbeschränkenden Maßnahmen müssen daher herausgearbeitet werden. bb) Formale und materielle Zugangsregelungen Möglicherweise ist die Unterteilung in formale und neutrale materielle Zugangsschranken geeignet, das Beschränkungsverbot näher zu bestimmen. Nach Ansicht des Generalanwalts Fennelly sind formale Zugangsregeln als Beschränkungen auf einen Niederlassungsort, Qualifikationsvoraussetzungen und Ablösezahlungen stets geeignet, die Freizügigkeit zu beschränken, materielle Beschränkungen sollen als Ausübungsregeln der Freizügigkeit hingegen erst ab einer gewissen Intensität den Zugang zu einem fremden Arbeitsmarkt und damit die Freizügigkeit beschränken. 414 Die Unterscheidung in formelle und materielle Zugangsbeschränkungen überzeugt jedoch nicht. Der Begriff der formalen Zugangsregelung ist zu eng. Nur wenige Regelungen knüpfen das Verlassen des Arbeitsmarktes an formale Voraussetzungen. Dennoch können sie den Marktzugang massiv beschränken. Dies zwingt zu einer Ausdehnung des Begriffs des formalen Zugangserfordemisses auf materielle Maßnahmen. Das zeigt Fennellys Beurteilung der Ablösesummen als Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 32. Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 505 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 16, Rn. 24. 413
414
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
formale Zugangsvoraussetzungen. 415 Die Nichtbefolgung der verbandsrechtlichen Transferleistungspflicht führte aber nicht zu einem formalen absoluten Hindernis für die Aufnahme der Tätigkeit, sondern zu verbandsrechtlichen Sanktionen beim Einsatz des Spielers. Der Arbeitsvertrag konnte wirksam abgeschlossen werden, so daß ein absolutes formales Hindernis nicht bestand. Die Regelung enthielt eine materielle Zugangsregel, die aufgrund ihrer Ausgestaltung das "Ob" des Zugangs ausschloß. Eine Ausdehnung des formalen Zugangsbeschränkungsverbots auf materielle Regelungen zeigt, daß die Abgrenzung wenig gelungen ist und materielle, aber dennoch zugangsbeschränkende Maßnahmen nicht erfaßt.
ce) Begrenzung auf rechtlichen Zugangsausschluß
Die Begrenzung des Beschränkungsverbots auf den Ausschluß des rechtlichen Zugangs zu nationalen Arbeitsmärkten ist ebenfalls zu eng. Das ergibt sich bereits aus der Rechtsprechung des EuGH zu den Profisportlern. Zwar bezieht sich der EuGH bei Bosman zunächst auf die rechtliche Zugangsbeschränkung in einem anderen Mitgliedstaat, da der Spieler ohne Transferleistung des aufnehmenden Vereins keinen wirksamen Arbeitsvertrag abschließen konnte. Doch mit der Wendung, auch die Neufassung der FIFA-Regeln stünde im Widerspruch zur Freizügigkeit, geht er über unmittelbar den Zugang beschränkende Regelungen hinaus. Der Verein wurde lediglich verbandsrechtlich zur Zahlung der Transfersumme verpflichtet. Der Spieler erhielt dadurch rechtlich Zugang zum fremden Arbeitsmarkt, so daß die Einstellung lediglich faktisch erschwert wurde. Aus der Sicht der Arbeitnehmer ist es zudem überaus sinnvoll, auch den faktischen Zugangsausschluß zu erfassen. Faktische Beschränkungen der Freizügigkeit können die gleichen Wirkungen entfalten wie rechtliche. Das Beschränkungsverbot würde bei einer Begrenzung auf die rechtliche Zugangsbeschränkung keine effektive Sanktion sonstiger beschränkender Maßnahmen entfalten und wäre einfach zu umgehen.
dd) Unterscheidung von Zugangsausschluß und Zugangsmodalitäten
Die bisherigen Differenzierungen verschiedener Zugangsregeln vermögen somit nicht zu überzeugen. Vielmehr ist nach Maßnahmen zu unterscheiden, die das "Ob" und das "Wie" des Zugangs betreffen. Abstrahiert man die Unterscheidung bei Keck weit genug, wird deutlich, daß produktbezogene Regelungen eher das "Ob" des Zugangs einer Ware zu ihrem Absatzmarkt betreffen, vertriebsbezogene Regelungen hingegen die Zugangsmodalitäten einer Ware. Diese Unterscheidung 415 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 507 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 18, Rn. 28.
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bietet sich auch bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer an. Schließt eine Maßnahme das "Ob" des Zugangs aus, ist eine Beschränkung der Freizügigkeit indiziert. Der Zugang als solcher ist etwa blockiert, wenn der Arbeitgeber nur unter besonderen Voraussetzungen gewechselt werden kann. Geht es hingegen nur um die Art des Zugangs, etwa besondere steuer- oder sozialversicherungsrechtliche Nachteile beim Wechsel eines Arbeitsmarktes, handelt es sich um die Modalitäten des Zugangs. Diese Modalitäten können unter Umständen eine solche Wirkung entfalten, daß sie ebenfalls das "Ob" des Zugangs ausschließen. Ein Beispiel hierfür sind die Ablösezahlungen. Die Pflicht zur Zahlung einer Ablösesumme betraf die Modalitäten des Verlassens eines Arbeitsmarktes. Beim Wechsel des Arbeitgebers mußte eine bestimmte Geldsumme vom neuen Arbeitgeber entrichtet werden. Die Ablösesumme schloß aber aufgrund ihrer Höhe auch den Zugang zu dem neuen Arbeitsmarkt aus. Der Arbeitnehmer fand keinen neuen Arbeitgeber, der zu der Zahlung bereit gewesen wäre. Die Modalitäten des Arbeitsmarktwechsels versperrten den Zugang zu einem fremden Arbeitsmarkt und beschränkten daher die Freizügigkeit. In der Regel beschränken sie den Zugang aber nicht in einer Weise, daß die Freizügigkeit nicht ausgeübt werden kann. Ein Verstoß gegen das Beschränkungsverbot ist daher nicht eindeutig feststellbar. Fraglich ist deshalb, wann Regelungen über die Zugangsmodalitäten die Freizügigkeit beschränken.
10. Lösung im Wege wertender Rechtsvergleichung zur Grundrechtslehre a) Methode und Voraussetzungen
Die Ausgestaltung des im Wege der Rechtsfortbildung begründeten Beschränkungsverbots kann entweder durch die immanente Teleologie der Grundfreiheiten oder im Wege der wertenden Rechtsvergleichung erfolgen. 416 Aus der Teleologie der Grundfreiheiten läßt sich lediglich ein Verbot der Zugangsbeschränkungen zu fremden Arbeitsmärkten ableiten. Eine weitere Konkretisierung des Beschränkungsbegriffs aus den Grundfreiheiten gestaltet sich schwierig, so daß sich möglicherweise eine Lösung im Wege der wertenden Rechtsvergleichung finden läßt. Die wertende Rechtsvergleichung versucht, wesentliche Lücken im EG-Vertrag durch nationale Rechtsinstrumente zu schließen,417 indem sie auf das beste Rechtsinstrument in den Mitgliedstaaten zurückgreift,418 das den spezifischen Zielen und Lenz/ Borchardt Art. 220 EG, Rn. 27. Oppennann, Europarecht, Rn. 483; Meyer, Jura 1994, S. 455, 457. 418 Lenz/ Borchardt Art. 220 EG, Rn. 27; Dänzer-Vanotti, Festschrift Everling, S. 205, 220; Wank, Festschrift Stahlhacke, S. 633, 641; Daig, Festschrift Zweigert, S. 395,410; Gmbitz/ Hilf/ Pemice Art. 164 EGV, Rn. 28; Meyer, Jura 1994, S. 455, 457; Bleckmann, NJW 1982, S. 1177, 1182; Bleckmann, Festschrift Börner, S. 29, 30; Oppennann, Europarecht, Rn. 483. 416
417
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Strukturprinzipien des Gemeinschaftsrechts am ehesten gerecht wird. 419 Bereits bei der Herleitung des Beschränkungsverbots im Wege der Rechtsfortbildung und dem Versuch der Begriffsbestimmung des Beschränkungsverbots ist die Lückenhaftigkeit des Beschränkungsverbots deutlich geworden. Diese Lücke ist wesentlich, da eine massive Vorlage von Entscheidungen zum EuGH zum Verständnis des Beschränkungsverbots die Funktionsfähigkeit des EuGH weiter beeinträchtigen würde,42o wodurch das institutionelle Gefüge der EU empfindlich gestört wäre. Den nationalen Gerichten müssen daher Entscheidungsmaßstäbe an die Hand gegeben werden, damit sie das Beschränkungsverbot selbständig anwenden und den EuGH entlasten können. Die fehlende Konkretisierung des Beschränkungsbegriffs führt auch zu Rechtsunsicherheit bei den Mitgliedstaaten darüber, welche Maßnahmen zur Vermeidung von Verstößen gegen das gemeinschaftsrechtliche Beschränkungsverbot erforderlich sind. Die Lücke ist daher wesentlich. Rechtsvergleichend bietet sich zur Konkretisierung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG die weit entwickelte Grundrechts- und Menschenrechtsdogmatik an, zumal der EuGH bei der Entwicklung europäischer Grundrechte bevorzugt auf die europäische Grundrechtsdogmatik zurückgegriffen hat. 421 Die dargestellte Debatte zur Konkretisierung des Beschränkungsverbots erinnert zudem an die Diskussion um die Anforderungen an einen mittelbaren Eingriff in Grundrechte. Fraglich ist aber, ob die Grundrechtsdogmatik den spezifischen Zielen und Strukturprinzipien des Beschränkungsverbots gerecht wird.
b) Vergleichbare spezifische Ziele und Strukturprinzipien aa) Art. 39 EG: ein Grundrecht?
Die Ziele und Strukturprinzipien wären sicherlich vergleichbar, wenn Art. 39 EG selbst grundrechtlichen Charakter besäße. Der Grundrechtsgehalt des Art. 39 EG ist aber umstritten.
Meyer, Jura 1994, S. 455, 458, Bleckmann, Festschrift Börner, S. 29, 30. Auf die Problematik der Überlastung bei der ausstehenden Reform des Amsterdamer Vertrages weist der Präsident des EuGH Gil Carlos Rodrlguez Iglesias in der FAZ v. 3. 5. 2000, S. 11 hin. 421 EuGH, Urteil v. 14.5. 1974 (Nold), Sig. 1974, S. 491, 507, Rn. 12, 13, 14; EuGH, Urteil v. 21. 9. 1989 (Hoechst), Sig. 1989, S. 2859, 2923, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 13. 12. 1979 (Hauer), Sig. 1979, S. 3727, 3744 f., Rn. 15; EuGH, Gutachten nach Art. 228 EGV v. 28. 3. 1996, Sig. I 1996, S. 1759, 1789, Rn. 33; Langen/eid, ZaöRV 52 (1992), S. 259, 298; Oppennann, Europarecht, Rn. 491; Callies / Ruffert I Kingreen Art. 6 EU, Rn. 40; Groeben I Thiesing I Ehlermannl Beutler Art. F EUV, Rn. 68; Bleckmann, Festschrift Börner, S. 29 ff. 419
420
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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(1) Bejahende Ansicht im Schrifttum Zum Teil wird der Freizügigkeit als Grundfreiheit Grundrechtscharakter beigemessen und die Grundrechtsdogmatik übertragen. 422 Die Grundfreiheiten begründeten wie Grundrechte subjektive Rechte, die einen Rechtfertigungszwang für hoheitliche Beschränkungen auslösten; sie besäßen deshalb grundrechtlichen Charakter. 423 Das ergebe sich auch aus den vergleichbaren Problemkreisen wie der mittelbaren Drittwirkung und der Frage, ob Grundfreiheiten neben ihrem Abwehrgehalt auch positive Leistungsansprüche gewähren könnten. 424 Zudem würde die Freizügigkeit vom EuGH und von den Generalanwälten wiederholt als Grundrecht bezeichnet. Aufgrund der Erweiterung zum Beschränkungsverbot erhielten die Grundfreiheiten somit einen mit den Grundrechten vergleichbaren absoluten Charakter. 425 (2) Gegenansicht im Schrifttum In Teilen des Schrifttums wird der Grundrechtsgehalt des Art. 39 EG bestritten. 426 Die sogenannten Grundfreiheiten hätten eine andere historische Entstehung und Zielsetzung als Grundrechte. Daß sie subjektive Rechte schützten, sei mehr ein Reflex der den Staaten obliegenden Pflicht zur Verwirklichung des Binnenmarktes als gesetzgeberischer Wille. 427 Einer Bewertung der Grundfreiheiten als Grundrechte stehe vor allem entgegen, daß sie nicht absolut gälten, sondern eine Inländerdiskriminierung zuließen. 428 Die Verwendung des Begriffs der Grundfreiheiten sei ein Rückgriff auf Stellungnahmen Verfahrensbeteiligter vor dem EuGH. 429 Der Auftrag zur Schaffung einer Grundrechtscharta neben den Grundfreiheiten lasse darauf schließen, daß es sich dabei nicht um synonyme Begriffe hande1e. 43o Die systematische Zusammenfassung von Grundfreiheiten und Grund422 Bleckmann, Europarecht, Rn. 755 ff.; Fabis, Auswirkungen der Freizügigkeit, S. 98; Oppermann, Europarecht, Rn. 490; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts ! Bleckmann, B I, Rn. 109; Pemice, Grundrechtsgehalte im europäischen Gemeinschaftsrecht, S.125. 423 Bleckmann, Europarecht, Rn. 755; Oppermann, Europarecht, Rn. 490. 424 Bleckmann, Europarecht, Rn. 752. 425 Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts! Bleckmann, B I, Rn. 114. 426 Pfeil, Historische Vorbilder der Grundfreiheiten, S. 261 ff.; Groeben! Thiesing! Ehlermann! Beutler Art. F EUV, Rn. 27; Streinz, Europarecht, Rn. 684; Schilling, EuGRZ 2000, S. 3, 4, der jedoch aufgrund der Erweiterung des Adressatenkreises auf die Gemeinschaftsorgane von bürgerschützenden allgemeinen Grundsätzen spricht. 427 Pfeil, Historische Vorbilder der Grundfreiheiten, S. 261, 267; Streinz, Europarecht, Rn. 684; Schilling, EuGRZ 2000, S. 3, 4. 428 Pfeil, Historische Vorbilder der Grundfreiheiten, S. 265; Streinz, Europarecht, Rn. 684; Schilling, EuGRZ 2000, S. 3, 4. 429 Pfeil, Historische Vorbilder der Grundfreiheiten, S. 261. 430 Pfeil, Historische Vorbilder der Grundfreiheiten, S. 279.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
rechten würde zudem die uneingeschränkte Kontrolle gemeinschaftlicher und mitgliedstaatlicher Rechtsakte und damit bundesstaatliche Strukturen implizieren und entspreche daher nicht dem gegenwärtigen System von Art. 6 Abs. 2 EU.431
(3) Stellungnahme
Für den Grundrechtsgehalt der Freizügigkeit spricht deren Bezeichnung als Grundrecht der Arbeitnehmer in der Präambel der Verordnung 1612/ 68. Auch in seinen Entscheidungen hat der EuGH ausdriicklich von der Freizügigkeit als Grundrecht der Arbeitnehmer gesprochen. 432 Von Grundrechten ist auch in der französischen und britischen Urteilsbegründung die Rede ("droit fondamental", "fundamental right"). Der im Juli 2000 aus dem Amt geschiedene Richter am EuGH Hirsch betont diese Rechtsprechung und stellt fest, daß der EuGH aus Art. 39 EG ein Grundrecht auf freien Zugang zur Beschäftigung abgeleitet hat. 433 Weiterhin sprechen die Generalanwälte in ihren Schlußanträgen von einem Grundrecht der Arbeitnehmer. 434 Auch im Schrifttum wird der Begriff des Wirtschaftsund Gemeinschaftsgrundrechts geprägt,435 und die Grundfreiheiten als grundrechtsgleich, -ähnlich und -verwandt bezeichnet. 436 Diese Wortwahl kann nicht als willkürlich und bedeutungslos für den grundrechtlichen Gehalt der Freizügigkeit bewertet werden, da die Richter und Generalanwälte am EuGH ein nationales Verständnis von Rechtsbegriffen haben und außerdem der Grundsatz gilt, daß die Verwendung eines allgemeinen, in den Mitgliedstaaten anerkannten Sprachgebrauchs nicht ohne besonderen Grund von dem in den Mitgliedstaaten geprägten abweicht. 437 GroebenI Thiesing I Ehlermannl Beutler Art. F EUV, Rn. 27. EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097, 4117, Rn. 14; EuGH, Urteil v. 7. 5. 1991 (Vlassopoulou), Slg. I 1991, S. 2357, 2385, Rn. 22; EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5076" EuZW 1996, S. 82, 90, Rn. 129; EuGH, Urteil v. 2. 3. 1999 (Eddline El-Yassini), Slg. I 1999, S. 1209, 1241, Rn. 45. 433 Hirsch, RdA 1998, S. 194, 196. 434 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921 , 5007, Rn. 203 ; Generalanwalt Alber; Schlußanträge v. 22. 6. 1999 zu EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2703 " EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 23, Rn. 76. 435 Reichold, Europäische Freizügigkeit und nationales Arbeitsrecht, S. 7; Hobe I Tietje, JuS 1996, S. 486 mit dem bezeichnenden Titel: Europäische Grundrechte auch für ProfisportIer; Tomuschat, FAZ v. 7. 8. 2000, S. 13, Sp. 2. 436 Giegerich, ZaöRV 1990, S. 836, 855; Chwolik-Lanfennann, Grundrechtsschutz, S. 74 ff.; Chwolik-Lanfennann, ZRP 1995, S. 126, 127; Schroeder; Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 256; Vitzthuml Klein, Völkerrecht, Rn. 253, Fn. 683; Müller-Michaels, Eigentumsschutz in der EU, S. 24; Kluth, AöR 122 (1997), S. 557, 575; so wohl auch Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 53, 54, der das umfassende Verständnis der Grundfreiheiten als Mitursache für das verfassungsähnliche Verständnis des EGVertrages ansieht. 431
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V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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Auch die europäische Charta der Grundrechte spricht nicht gegen den Grundrechtsgehalt der Freizügigkeit, sondern verdeutlicht ihn. So ist in Punkt 5 der Präambel der Grundrechtscharta438 die Aussage enthalten, daß die Charta die Rechte bekräftigt, die sich aus den Gemeinschaftsverträgen ergeben, zu denen auch die Grundfreiheiten zählen. Außerdem erscheint der freie Personenverkehr in Punkt 3 der Präambel der Grundrechtscharta als Mittel zur Sicherung der ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung der Union. In Art. 43 der europäischen Grundrechtscharta ist zudem ein eigenständiges Grundrecht auf Freizügigkeit aufgenommen worden, das eng an die Freizügigkeit aus Art. 18 EG angelehnt ist, wie die Begriindung und die Motive für den Artikel zeigen. Die Verwandtschaft wird offensichtlich, wenn Art. 43 Abs. 2 der Charta die Möglichkeit enthält, Staatsangehörigen dritter Länder Freizügigkeit nach dem EG-Vertrag zu gewähren. Damit ist der enge Bezug zwischen dem Grundrecht und der Grundfreiheit der Freizügigkeit hergestellt. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist einem Grundrecht damit sehr verwandt. Für diese Sichtweise spricht auch die Bewertung der Grundfreiheiten als schutzpflichtenbegriindende Normen. 439 Der EuGH hat eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Schutz der Grundfreiheiten vor Beschränkungen Dritter angenommen und damit den absoluten und institutionellen Charakter der Grundfreiheiten klargestellt, was stark an die aus Grundrechten begriindete Schutzpflicht der Mitgliedstaaten erinnert. 440 Der Einordnung der Freizügigkeit als Grundrecht der Arbeitnehmer steht das Problem der Inländerdiskriminierung nicht entgegen. 441 Die Grundfreiheiten haben wie die Grundrechte auch einen sachlichen Anwendungsbereich. Dieser setzt bei Art. 39 EG eben voraus, daß ein Grenzübertritt und ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt. Der grundrechtliche Gehalt der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG würde auch nicht angezweifelt, weil Ausländer vom persönlichen Anwendungsbereich ausgeschlossen sind. Der erforderliche grenzüberschreitende Bezug ist ein Merkmal des Anwendungsbereichs und ändert nichts am absoluten Gehalt der Freizügigkeit. Auch der Wille der Begriinder der Römischen Verträge steht diesem Verständnis nicht entgegen. Zwar bringt das subjektiv-historische Argument zum Ausdruck, daß die Grundfreiheiten als dem Gemeinsamen Markt dienende Freiheiten ausgestaltet werden sollten. Indes ist die subjektiv-historische Auslegung wegen der dynamischen Entwicklung des primären Gemeinschaftsrecht von untergeordneter BeGrabitz/ Hilf/ Pemice Art. 164 EGV, Rn. 29. Sonderbeilage zu NJW, EuZW, NVwZ und JuS 2000, S. 7. 439 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Sig. I 1997, S. 6959, 6998, Rn. 25 ff. 440 Diese Parallele verdeutlichend: Meurer; EWS 1998, S. 196, 197; Kühling, NJW 1999, S. 403; Burgi, EWS 1999, S. 327, 329; Kainer; JuS 2000, S. 431, 433; Szczekalla, DVBI. 1998, S. 219, 222. 441 So auch Szczekalla, DVBI. 1998, S. 219, 222, Fn. 49. 437
438
8 Roloff
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1. Kap.: Das staats gerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
deutung. 442 Diese Dynamik führte etwa zur Anerkennung des unmittelbar wirkenden Beschränkungsverbots des Art. 39 EG. Es ist außerdem schwierig, den historischen Willen im EG-Vertrag zu ermitteln. Selbst wenn die Freizügigkeit und ihr subjektiver Rechtsgehalt ein Nebeneffekt der Rechtsprechung des EuGH sind, so schließt dies noch nicht aus, daß die Grundfreiheiten infolge der Entwicklung zum Beschränkungsverbot einen subjektiv-rechtlichen Charakter erworben haben. Gerade dieser subjektiv-rechtliche Gehalt ist es aber, der den Vergleich zu den Grundrechten nahelegt. Durch die Schaffung der Grundrechtscharta wird die Anerkennung des grundrechtlichen Gehalts der Freizügigkeit nicht überflüssig. Die Grundrechtscharta soll lediglich die Organe und Einrichtungen der Union und die Mitgliedstaaten bei der Durchführung europäischen Rechts an die Grundrechte binden (Art. 49 Abs. 1). Eine Bindung der Mitgliedstaaten bei der Durchführung nationalen Rechts ist nicht vorgesehen, zumal die Charta keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet. Ausländische Arbeitnehmer können sich in Deutschland daher nur gemäß Art. 39 EG gegen Beschränkungen ihrer Freizügigkeit durch die Mitgliedstaaten wenden. Zudem ist die Freizügigkeit kein auf alle Bürger der Union übertragbares, sondern nur auf Arbeitnehmer und ihre Angehörigen anwendbares Recht, das erst dann in den Grundrechten aufgehen würde, wenn es in der Grundrechtscharta ein für die Mitgliedstaaten verbindliches europäisches Grundrecht der Freizügigkeit und Berufsfreiheit gäbe. Da aber eine solche Regelung nicht existiert, spricht viel dafür, der Freizügigkeit einen grundrechtlichen Gehalt beizumessen. Wenn Grundfreiheiten und Grundrechte zumindest gleich, ähnlich oder verwandt sind, dann bietet sich aber auch die Übertragung einer gleichen oder verwandten Dogmatik auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG im Wege der wertenden Rechtsvergleichung an.
bb) Anklänge grundrechtlicher Dogmatik in Rechtsprechung und Schrifttum Für eine Übertragung der Grundrechtsdogmatik läßt sich anführen, daß in der Diskussion um den Beschränkungsbegriff Kriterien herangezogen werden, die an die beim Grundrechtseingriff bekannten Merkmale der Intensität, Finalität und Kausalität erinnern. Da der EuGH in seiner Rechtsprechung aber gerne den Eindruck kontinuierlicher Rechtsprechung betont, ist die Verankerung der Merkmale in der bisherigen Entscheidungspraxis besonders wichtig für den Vergleich der Strukturprinzipien. 443
442 443
Grabitz! Hilf! Pemice Art. 164 EGV, Rn. 33. Zuleeg, EuR 1969, S. 97, 103.
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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(1) Kausalität / Unmittelbarkeit Der EuGH stellt in der Entscheidung Graf mit den Worten "hypothetisch" und "ungewiß,,444 auf die Kausalität und Unmittelbarkeit einer Beschränkung ab. 445 Auch die Merkmale "mittelbar" und "indirekt" stehen im engen Zusammenhang mit der Kausalität und der Unmittelbarkeit einer Maßnahme für eine Beeinträchtigung und verdeutlichen, daß es an einer hinreichend engen Beziehung zwischen Beeinträchtigung und staatlicher Handlung fehlt.
(2) Intensität Auch das Merkmal der Intensität taucht in der Rechtsprechung des EuGH auf. Wenn der EuGH auf den Ausschluß des Zugangs sogar in der Zeit nach Vertragsabschluß hinweist, differenziert er nach der Intensität der Beeinträchtigung. Die Transferregeln hinderten den Arbeitnehmer "sogar nach Ablauf der Arbeitsverträge,,446 daran, den Verein zu wechseln. Das Wort "sogar" bringt die besondere Intensität der Beschränkung zum Ausdruck, da nach Ablauf des Vertrags verhältnisses primäre Pflichten und Bindungen des Arbeitsverhältnisses erlöschen. Eine darüber hinausgehende Bindung an den Arbeitgeber ist besonders intensiv und damit ein faktischer Ausschluß der Freizügigkeit. Auch die Unterscheidung in Zugangsund Ausübungsregeln läßt erkennen, daß die Intensität eine Rolle für die Bestimmung des Beschränkungsbegriffs spielt, da Zugangsregelungen die intensivste Beschränkungsform der Freizügigkeit sind. Daß der EuGH das Merkmal der Intensität anwendet, wird auch deutlich, wenn er zu mittelbar, indirekt und ungewiß auf die Freizügigkeit einwirkende Maßnahme vom Beschränkungsverbot ausnimmt. Diese Merkmale sind Untergrenzen und damit Intensitätsanforderungen an eine Beschränkung der Freizügigkeit. (3) Finalität Das Merkmal der Zweckgerichtetheit ist ein weiteres Kriterium der Eingriffsdogmatik, das der EuGH beim Beschränkungsverbot verwendet. 447 So führt er aus, 444
EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50
= EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 25.
445 DeckertlSchroeder, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), JZ 2001, S. 88,90. 446 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 99. 447 EuGH, Urteil v. 20. 6. 1996 (Semeraro Casa Uno), Slg. 11996, S. 2975, 3007 =EuZW 1996, S. 600, 602, Rn. 24; EuGH, Urteil v. 13. 12. 1984 (Haug-Adrion), Slg. 1984, S. 4279, 4289, Rn. 20; EuGH, Urteil v. 1. 10. 1987 (Vlamse Reisbureaus), Slg. 1987, S. 3801, 3830, Rn. 30.
8*
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
daß Art. 29 und 43 EG nur spezifische Beschränkungen erfassen, nämlich solche, die eine Beschränkung "bezwecken oder bewirken,,448. Auch im Schrifttum wird das Merkmal der Finalität zur Bestimmung einer Beschränkung der Freizügigkeit herangezogen. 449 Eine Regelung müsse den Zweck haben, die Freiheitsausübung zu verhindem. 450 Auch das BVerwG hat in einer Entscheidung zu Art. 39 und 43 EG bei der Überprüfung der Zweitwohnungssteuer auf die fehlende Finalität der gesetzlichen Regelung abgestellt. 451 Eingriffe in die Freizügigkeit seien nur dann gegeben, wenn staatliches Handeln auf eine Einschränkung ziele oder diese Einschränkung eine unmittelbar oder doch sonstwie - etwa infolge der objektiven Grundrechts- oder freiheitsregelnden Tendenz - dem Hoheitsträger zuzurechnende Folge darstelle. 452 (4) Schutzgegenstand Daneben haben der EuGH und das Schrifttum auf die besondere Bedeutung der Freizügigkeit, deren Schutzzweck und die Qualität der Beschränkung hingewiesen. Die Freizügigkeit soll besonderen Schutz vor jeder Art der Diskriminierung gewähren, so daß Benachteiligungen grenzüberschreitender Vorgänge, auch wenn die Arbeitnehmer mehrheitlich dem betreffenden Staat angehören, eine unzulässige Beschränkung der Freizügigkeit begründen. 453 ce) Vergleichbare institutionelle und rechtsstaatliche Aspekte Die Herausbildung des Grundrechtseingriffs und die Konkretisierung des Beschränkungsverbots beruhen außerdem auf den gleichen institutionellen und rechtsstaatlichen Gründen. Diese Verwandtschaft macht Wolf in einem Ansatz aus dem Jahre 1994 deutlich. 454 Die Diskussion um den mittelbaren Grundrechtseingriff basiere auf einer staatsrechtlich-funktionalen und einer normtheoretischbegrifflichen Komponente. 455 Die staatsrechtlich-funktionale Komponente des EuGH, Urteil v. l3. 12. 1984 (Haug-Adrion), Slg. 1984, S. 4279, 4289, Rn. 20. Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 344; Gerken/ Löwisch/ Rieble, BB 1995, S. 2370, 2373; ablehnend Deckert/Schroeder, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 27.1. 2000 (Graf), JZ 2001, S. 88, 90. 450 Gerken/ Löwisch/ Rieble, BB 1995, S. 2370, 2373. 451 BVerwG, Beschluß v. 5. 3. 1996, Buchholz 401.61 , Zweitwohnungssteuer, Nr. 11, S. 12, 13, das zwar ein Beschränkungsverbot aus Art. 39 EG ablehnt, die Grundsätze aber für das Diskriminierungsverbot abgeleitet hat. 452 BVerwG, Beschluß v. 5. 3. 1996, Buchholz 401.61, Zweitwohnungssteuer, Nr. 11, S. 12, l3. 453 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. 11999, S. 345, 389, Rn. 37 -39. 454 Wolf, JZ 1994, S. 1151 ff.: "Die faktische Grundrechtsbeeinträchtigung als Systematisierungsmethode der Begleitfreiheiten nach dem EG-Vertrag". 455 Wolf, JZ 1994, S. 1151, 1156. 448
449
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
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Grundrechtseingriffs beruhe auf der Notwendigkeit gesetzlicher Ermächtigungen für Grundrechtsbeeinträchtigungen (Vorbehalt des Gesetzes) und der damit einhergehenden Kontrolldichte und Kompetenzverlagerung auf die Gerichte. Die normtheoretisch-begriffliche Komponente sei mit der Notwendigkeit einer begrifflichabstrakten Definition des Beschränkungsbegriffs zur Rechtssicherheit verbunden. Für den Beschränkungsbegriff der Grundfreiheiten bestehe der gleiche Bedarf an begrifflich-abstrakter Klärung. 456 Der Rechtsverkehr bedürfe aus Gründen der Rechtssicherheit eines verläßlichen Kontrollmaßstabs durch einen klaren Beschränkungsbegriff. Auch das staatsrechtlich-funktionale Bedürfnis der Konkretisierung des Beschränkungsbegriffs bestehe bei den Grundfreiheiten. Durch eine ausgreifende Auslegung des Beschränkungsverbots trete eine Kompetenzverlagerung von europäischer und nationaler Legislative und Exekutive hin zum EuGH ein. 457 Dies macht Wolf am Beispiel des Keck-Urteils deutlich. Der EuGH habe seine verringerte Kontrolldichte mit der Verhinderung einer unbegrenzten Vorlagenflut begründet. 458 Die Kompetenzverschiebung zwischen EuGH und nationalen Gerichten sei von funktionaler Bedeutung, da die Herabsenkung der Eingriffsschwelle eine Allzuständigkeit der europäischen Judikative für die Überprüfung nationaler Maßnahmen begründe. 459 Wenngleich Wolf für die Anwendung des Diskriminierungsverbots das gleichzeitige Vorliegen einer Beschränkung der Grundfreiheit verlangt und insofern die hier befürwortete Differenzierung von Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot nicht vornimmt, spricht vieles für diesen Ansatz. Die Parallele zwischen dem Bedürfnis der Konkretisierung des Eingriffs in Grundrechte und der Beschränkung der Grundfreiheiten ist offensichtlich, da das Beschränkungsverbot ebenfalls institutionelle und rechtsstaatliche Grenzen beachten muß. Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gibt dem EuGH die Möglichkeit, jede nationale Vorschrift, die an die grenzüberschreitende Verlagerung der Arbeitskraft anknüpft, an Art. 39 EG zu messen. Damit steht eine Vielzahl von Regelungen auf dem Prüfstand, die in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen. Die Kontrolle jeglicher Maßnahme am Beschränkungsverbot würde aber die nationalen Kompetenzbereiche zugunsten des EuGH einebnen. Der aufgrund der Annahme einer Beschränkung ausgelöste Rechtfertigungszwang der Mitgliedstaaten für ihre Maßnahmen läuft einer föderalen Struktur der Gemeinschaft entgegen. 460 Auch die Ermächtigungsnorm des Art. 40 EG wäre hinfällig, da der EuGH alle beschränkenden Maßnahmen verwerfen könnte. Der Abbau von Hindernissen ist aber nach Art. 40 und 42 EG Aufgabe des Rates der Europäischen Gemeinschaften. Der Handlungsspielraum der LegislaWolf, JZ 1994, S. 1151, 1158. Wolf, JZ 1994, S. 1151, 1158. 458 Wolf, JZ 1994, S. 1151, 1158; auf die Überlastung des EuGH weist auch dessen Präsident Gil earlos Rodriguez Iglesias in der FAZ v. 3. 5. 2000, S. 11 hin. 459 Wolf, JZ 1994, S. 1151, 1158. 460 Ackermann, RiW 1994, S. 189, 193. 456 457
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
tive und Exekutive würde durch einen extensiven Beschränkungsbegriff stark eingeengt und das gerade bei der Rechtsfortbildung besonders zu beachtende Verbot des "gouvernement des juges" wäre verletzt. Die Möglichkeit des EuGH, beschränkende Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu verwerfen, erfordert auch in vertikaler Richtung gegenüber den Mitgliedstaaten eine funktional-staatsrechtliche Begrenzung. Sonst gerieten nationale Regelungen unter europarechtlichen Druck, wodurch der nationale Gesetzgeber zu Änderungen seiner Rechtsordnung in Bereichen verpflichtet würde, die noch keiner Harmonisierung unterliegen. In diesen Bereichen muß der Mitgliedstaat aber seine Regelungskompetenz behalten, um eigenständige Systeme errichten zu können, die nicht wegen jedweder Beschränkung der Freizügigkeit von Gerichten ausgehebelt werden können. Da außerdem keine Vorlageverpflichtung nach Art. 100 GG461 besteht, könnte jedes Gericht nationale Vorschriften bei angenommenem Verstoß gegen Europarecht außer Anwendung lassen und die Autonomie der Legislative weiter begrenzen. Das Kompetenzgefüge wäre empfindlich gestört und der Subsidiaritätsgrundsatz wäre verletzt, wenn jede Maßnahme, die auch nur entfernt geeignet ist, die Freizügigkeit zu behindern, durch zwingende Griinde des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden müßte. Diese Ausweitung eröffnete der Freizügigkeit einen Anwendungsbereich, der von der Rechtsfortbildung nicht mehr gedeckt ist. Die Konkretisierung des Beschränkungsverbots macht andererseits eine Vielzahl von Vorlageersuchen nationaler Gerichte hinfällig und entlastet den EuGH massiv. Die nationalen Gerichte kommen ihrer Aufgabe zur Ausgestaltung des europäischen Rechts nach und können eine einheitliche und verläßliche Rechtsprechung zum Beschränkungsverbot des Art. 39 EG entwickeln. Außerdem werden die der Rechtsfortbildung gesetzten Grenzen beriicksichtigt. Die Griinde zur Konkretisierung des Beschränkungsverbots und des Grundrechtseingriffs sind sich daher stark verwandt. Folglich bietet es sich unter Beachtung der Grenzen der Rechtsfortbildung an, die Grundsätze des mittelbaren Eingriffs in Grundrechte in den wertenden Rechtsvergleich zur Rechtsfortbildung des Beschränkungsverbots einzubeziehen.
c) Fazit
Die Grundrechtsdogmatik wird den Zielen und Prinzipien der Grundfreiheiten gerecht und ist damit geeignet, den Beschränkungsbegriff im Wege der wertenden Rechtsvergleichung zu konkretisieren. Bei den Grundfreiheiten ist somit eine Anlehnung an die Dogmatik des mittelbaren Eingriffs in Grundrechte möglich und geboten.
461 Zum Verhältnis der Art. 100 GG und 234 EG siehe Erfurter Kommentar I Wißmann Art. 234 EG, Rn. 39 ff.
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
119
d) Grundsätze der europäischen Grundrechtslehre aa)EuGH
Leider hatte sich der EuGH noch nicht mit einem mittelbaren Eingriff in Grundrechte zu befassen. 462 Auch in der europäischen Lehre ist bisher noch keine Systematisierung des Grundrechtseingriffs erfolgt. 463 Der EuGH wird in seinen Entscheidungen zum Teil so verstanden, als erachte er nur unmittelbare Eingriffe als ausreichend. 464 Nach anderer Ansicht bezieht sich das Kriterium der mittelbaren Beeinträchtigung auf die Unterscheidung zwischen Berufszugangs- und Berufsausübungsregelungen der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit. 465 Jedenfalls fehlt es an einer Definition des mittelbaren Eingriffs, so daß aus der europäischen Grundrechtslehre noch kein Schluß auf eine Systematisierung der Eingriffsvoraussetzungen gezogen werden kann.
bb)EuGMR
Ansätze zur Herausbildung des mittelbaren Eingriffs sind in der Rechtsprechung des EuGMR zu erkennen, auch wenn das Vorgehen eher kasuistisch geprägt ist. 466 Der EuGMR verwendet zwar nicht die Kriterien der Finalität oder Unmittelbarkeit, er grenzt indes andeutungsweise nach der Intensität der staatlichen Maßnahme ab. 467
e) Grundsätze im deutschen Verfassungsrecht aa) Allgemeine Grundsätze zu mittelbaren Grundrechtseingriffen
In der deutschen Grundrechtslehre wird zwischen mittelbaren und unmittelbaren Beeinträchtigungen unterschieden. Der unmittelbare oder auch klassische Eingriff in ein Grundrecht liegt vor, wenn staatliches Handeln imperativ, final, unmittelbar 462 Callies! Ruffert! Kingreen Art. 6 EU, Rn. 129; Kingreen, JuS 2000, S. 857, 862; Rengeling, Grundrechtsschutz in der europäischen Gemeinschaft, S. 219, 220. 463 Callies! Ruffert! Kingreen Art. 6 EU, Rn. 67; Rengeling, Grundrechtsschutz in der europäischen Gemeinschaft, S. 219, 220. 464 Grabitz! Hilf! Pemice Art. 164 EGV, Rn. 62b. 465 Callies! Ruffert! Kingreen Art. 6 EU, Rn. 68; Kingreen, JuS 2000, S. 857, 862; Rengeling, Grundrechtsschutz in der europäischen Gemeinschaft, S. 219, 220. 466 Weber-Dürler; VVdStRL 57 (1998), S. 57, 86; Ehlers, Jura 2000, S. 372, 379. 467 EuGMR, Urteil v. 18. 1. 1978 (Republik Irland!UK), EuGRZ 1979, S. 149, 153, Rn. 162; EuGMR, Urteil v. 9. 12. 1994 (LOpez Ostra), EuGRZ 1995, S. 530, 533, Rn. 51; Frowein! Peukert Art. 3 EMRK, Rn. 17, zur unbeabsichtigten Tötung Art. 2, Rn. 5.
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1. Kap.: Das staats gerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
und zweckgerichtet gegen ein Grundrecht gerichtet ist. 468 Die Merkmale eines mittelbaren Eingriffs orientieren sich am klassischen Eingriff und versuchen, diesen zu modifizieren und zu erweitern, um den neuen Bedingungen staatlichen Handelns (insbesondere der Leistungs- und Wirtschaftsverwaltung) gerecht zu werden. 469 Die Herausbildung einer allgemein gültigen Definition des mittelbaren Eingriffs ist noch nicht abgeschlossen. Bestimmte Merkmale, die den mittelbaren Eingriff charakterisieren, sind inzwischen aber anerkannt.
(1) Modifikation klassischer Merkmale
Die klassischen Merkmale werden wie folgt modifiziert: Das Merkmal der Imperativität wandelt sich zu der zwangs- oder befehlsähnlichen Wirkung staatlichen Handeins, wobei die Anordnung nachteiliger Rechtsfolgen für Verhaltensweisen, etwa finanzieller Einbußen, eine solche Beeinflussung darstellen kann. 47o Das Merkmal der Finalität hat auch beim mittelbaren Eingriff Bedeutung, da mangels Befehlscharakter das Ziel des Staatshandelns für den Eingriffscharakter der Maßnahme in den Vordergrund riickt. 471 Folglich werden solche staatlichen Maßnahmen erfaßt, die eine Beeinträchtigung bezwecken. So hat das BVerwG eine zielgerichtete finanzielle Unterstützung eines vor bestimmten Religionsgruppen warnenden Vereins als Eingriff in Grundrechte der Religionsgruppe bewertet. 472 Diese Rechtsprechung wird auch bei Art. 12 GG deutlich, wo die objektiv berufsregelnde Tendenz einen Eingriff begriindet. 473 Eine Maßnahme weist berufsregelnde Tendenz auf, wenn Berufe einer bestimmten Regelung unterfallen sollen oder dies zumindest absehbar ist. Das Merkmal der Unmittelbarkeit ist nur schwer auf den mittelbaren Eigriff übertragbar. Es verdeutlicht aber die enge Verbindung zwischen Staatsakt und Grundrechtsbeeinträchtigung.474 Es geht darum, ob die Grundrechtsbeeinträchtigung zwangsläufig und sicher durch staatliches Handeins herbeigeführt wird. 475 Zwischen dem staatlichen Handeln und der Beeinträchtigung muß also ein hinrei468 Stern! Sachs, Staatsrecht Band III!2, S. 204 ff.; Isensee! Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 111, Rn. 61. 469 Stern! Sachs, Staatsrecht Band IIII2, S. 128 ff. 470 Stern! Sachs, Staatsrecht Band 1II!2, S. 133,134; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 231. 471 BVerwG, Urteil v. 27 . 3. 1992, BVerwGE 90, S. 112, 120 f.; Nach Ansicht des BVerwG soll das Merkmal der Zielgerichtetheit ein tragendes Kriterium für einen Grundrechtseingriff sein; Stern! Sachs, Staatsrecht Band 1II!2, S. 139; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 231. 472 BVerwG, Urteil v. 27. 3. 1992, BVerwGE90, S. 112, 120. 473 BVerfG, Urteil v. 8. 4. 1997, BVerfGE 95, S. 267, 302; BVerfG, Urteil v. 17. 2. 1998, BVerfGE 97, S. 228, 254; BVerfG, Beschluß v. 11. 10. 1987, BVerfGE 47, S. 1,20; BVerfG, Beschluß v. 30. 10.1961, BVerfGE 13, S. 181, 186. 474 Stern! Sachs, Staatsrecht Band III!2, S. 146; a.A. Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 231. 475 BVerwG, Urteil v. 27. 3. 1992, BVerwGE 90, S. 112, 121.
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chend enger Zusammenhang bestehen. Dieser liegt insbesondere dann nahe, wenn das staatliche Handeln die Beeinträchtigung auch durch Dritte beherrscht. 476 Folglich werden befehlsähnliche, finale und mit der Beeinträchtigung eng verbundene staatliche Maßnahmen als mittelbare Grundrechtseingriffe bewertet.
(2) Weitere Merkmale
Über die klassischen Merkmale hinaus werden noch weitere Kriterien zur Konkretisierung herangezogen. (a) Kausalität
Zu den Mindestanforderungen dürfte die Kausalität der staatlichen Handlung für den eingetretenen Erfolg im Sinne der Äquivalenz zählen. 477 Von Bedeutung ist hierbei die Verursachungskette, die zu der Beeinträchtigung führt. Bei Drittbeeinträchtigungen ist der Staat jedenfalls dann verantwortlich, wenn er das Verhalten durch Imperative oder zielgerichtetes Verhalten herbeiführt. 478 Ansonsten kann lediglich an ein pflichtwidriges Unterlassen der Mitgliedstaaten angeknüpft werden. 479 Bei der regelmäßig nicht fremdverursachten Selbstbeeinträchtigung gelten höhere Anforderungen an diese Zielrichtung. Da die Dispositionsbefugnis des Einzelnen auch den Grundrechtsverzicht umfaßt, ist erforderlich, daß die staatliche Maßnahme nicht nur zielgerichtet, sondern zwangsgleich wirkt. 48o (h) Intensität
Bedeutung für die Bestimmung des Grundrechtseingriffs hat auch die Intensität der Maßnahme. Ein mittelbarer Eingriff in Grundrechte liegt vor, wenn eine staatliche Sanktion ein grundrechtlich geschütztes Verhalten unmöglich macht oder einer staatlichen Sanktion unterwirft. 481 Das BVerfG stellt dies mit dem Merkmal der Intensität der Maßnahme klar. 482 So wurden etwa Beeinträchtigungen bei folgenden mittelbaren Eingriffen angenommen: Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Ladenöffnungszeiten,483 erdrosselnde Wirkung bei SteuBVerwG, Urteil v. 27. 3. 1992, BVerwGE 90, S. 112, 121. BVerfG, Beschluß v. 16. 12. 1983, BVerfGE 66, S. 39, 60; Sachs Vor Art. 1 GG, Rn. 83. 478 BVerwG, Urteil v. 27. 3. 1992, BVerwGE 90, S. 112, 121; Sachs Vor Art. 1 GG, Rn. 89; Di Fabio, JuS 1997, S. 1,4. 479 Hierzu siehe unten 1. Kapitel, VI. 480 Sachs Vor Art. 1 GG, Rn. 93. 481 PierothI Schlink, Grundrechte, Rn. 246. 482 Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 253 ff. 483 BVerfG, Urteil v. 13. 11. 1961, BVerfGE 13, S. 230, 233; Die Norm hindert zwangsläufig die Kundschaft am Einkauf, wirkt also wie ein unmittelbarer Gesetzesbefehl. Interes476 477
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ern und anderen Wirtschaftsleistungen im Rahmen von Art. 14 und 12 GG.484 Bagatellen werden von den Grundrechten nicht erfaßt,485 wobei sich die Geringfügigkeit des Eingriffs nach der Qualität und Empfindlichkeit des Schutzgutes, der Intensität der Gefahr, den herrschenden gesellschaftlichen Anschauungen und Usancen und der Sozialadäquanz bemißt. 486 Die nicht schwerwiegende oder nachhaltige mittelbare Beeinträchtigung erhält Eingriffscharakter, wenn das staatliche Handeln auf das Grundrecht zielt, also finale Züge trägt. 487
(c) Schutzzweck des betroffenen Grundrechts Das BVerfG stellt daneben auf den Schutzzweck des jeweiligen Grundrechts und damit auf dessen spezifischen Schutzgegenstand ab. 488 Für Art. 6 Abs. 1 GG und die Ausweisung von Ausländern zieht das BVerfG eine am Schutzzweck orientierte Argumentation heran. Das Grundrecht der Eheschließung und Familiengriindung schütze nicht vor Wartezeitregelungen für Ausländer. 489 Ausländer dürften nicht im Bundesgebiet verweilen, ohne Inhaber eines entsprechenden Aufenthaltstitels zu sein. Es sei nicht Schutzgegenstand von Art. 6 Abs. 1 GG, Familien mit Ausländern im Bundesgebiet ein gemeinsames Aufenthaltsrecht zu gewähren. Art. 6 GG soll nur die Familie schützen und begriißdet nur dann Ausweisungsschutz, wenn es den Eheleuten unzumutbar ist, das Bundesgebiet gemeinsam zu verlassen.
(3) Zusammenfassung der Merkmale Für die Definition des mittelbaren Eingriffs in deutsche Grundrechte lassen sich damit folgende alternative Voraussetzungen aufstellen: die zwangs gleiche Wirkung und die Zielgerichtetheit einer staatlichen Maßnahme, die Kausalität und der enge Zusammenhang, der Schutzzweck des Grundrechts und die Intensität der Beeinträchtigung. sant ist insoweit, daß der EuGH eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit durch Ladenöffnungszeiten abgelehnt hat: EuGH, Urteil v. 20. 6. 1996 (Semeraro Casa Uno), Slg. I 1996, S. 2975, 3007 = EuZW 1996, S. 600, 602, Rn. 24. 484 BVerfG, Beschluß v. 12. 10. 1977, BVerfGE 46, S. 120, 137; BVerfG, Urteil v. 8.4. 1997, BVerfGE 95, S. 267, 302; BVerfG, Urteil v. 17.2. 1998, BVerfGE 97, S. 228, 254; Jarassl Pieroth Art. 12 GG, Rn. 58. 485 Pieroth I Schlink, Grundrechte, Rn. 248; Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 111, Rn. 66; a.A. Stern I Sachs, Staatsrecht Band III/2, S. 204 ff. 486 Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 111, Rn. 66. 487 BVerwG, Urteil v. 27. 3. 1992, BVerwGE 90, S. 112, 121. 488 BVerfG Urteil v. 7. 7. 1992, BVerfGE 87, S. 1,37,42; Jarassl Pieroth Vor Art. 1 GG, Rn. 27; v. Mangoldtl Klein I Starck Art. 1 Abs. 3 GG, Rn. 231; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S.265. 489 BVerfG, Beschluß v. 12.5. 1987, BVerfGE 76, S. 1,42.
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
123
bb) Konkretisierung anhand besonderer Grundrechte mit Bezug zu Art. 39 EG (1) Art. 11 GG
Nach zum Teil vertretener Ansicht sollen im Rahmen von Art. 11 GG nur solche Eingriffe relevant sein, die die Freizügigkeit zum Anknüpfungspunkt einer beeinträchtigenden Regelung machen oder durch eine staatliche Maßnahme unmittelbar sanktionieren. 49o Beeinträchtigungen müßten auf eine Einschränkung der Freizügigkeit abzielen. 491 Indirekte Auswirkungen genügten nicht. 492 Dies soll auch für berufsrechtliche Regelungen gelten. Solange sich diese auf die Art der Berufsausübung bezögen, sei Art. 11 GG nicht tangiert. 493 Berufsrechtliche Maßnahmen, die sich jedoch in der Weise auswirkten, daß sie faktisch einen Ortswechsel erschweren oder ausschließen, seien an Art. 12 und Art. 33 Abs. 5 GG zu messen. 494 Nach anderer Ansicht erfaßt Art. 11 GG alle rechtlichen, faktischen und finanziell-faktischen Beeinträchtigungen, unabhängig davon ob die Maßnahme auf die Erschwerung abzielt oder ob ihr diese Wirkung nur tatsächlich zukommt. 495 Erforderlich sei jedoch, daß der Ortswechsel erheblich behindert oder ausgeschlossen sei,496 Auch nach dieser Ansicht unterfallen berufsrechtliche Regelungen nicht der grundrechtlichen Freizügigkeit. 497 Art. 11 GG vermittelt somit zum mittelbaren Eingriff kein einheitliches Bild. (2) Art. 12 GG Bei der Berufsfreiheit sind mittelbare Eingriffe vom Schutz des Grundrechts erfaßt. Die berufsregelnde Tendenz einer Maßnahme genügt bereits für die Annahme eines Eingriffs. Besonders wichtig sind dabei die Vorschriften, die geeignet sind, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu behindern, ohne sie unmittelbar auszuschließen. 498 Die Berufsfreiheit gewährt die freie Wahl des Arbeitsplatzes und damit des Arbeitgebers. 499 Daneben werden Beeinträchtigungen von Sachs / Krüger Art. 11 GG, Rn. 20. Sachs/Krüger Art. 11 GG, Rn. 20; Jarass/ Pieroth Art. 11 GG, Rn. 7. 492 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 801. 493 Bonner Kommentar / Randelzhofer Art. 11 GG, Rn. 40. 494 Sachs/Krüger Art. 11 GG, Rn. 21. 495 Dreier/ Pemice Art. 11 GG, Rn. 20; Isensee / Kirchhof/ Hai/bronner, Handbuch des Staatsrechts Band 6, § 131, Rn. 37. 496 Isensee/ Kirchhof/ Hai/bronner, Handbuch des Staatsrechts Band 6, § 131, Rn. 37. 497 Isensee / Kirchhof/ Hailbronner, Handbuch des Staatsrechts Band 6, § 131, Rn. 38. 498 Kühling, AuR 1994, S. 126, 128. 499 BVerfG, Urteil v. 24. 4. 1991, BVerfGE 84, S. 133, 146; BVerfG, Beschluß v. 27. 1. 1998, NJW 1998, S. 1475; BAG, Urteil v. 16. 3. 1994, NZA 1994, S. 937, 939; BVerfG, Beschluß v. 15.7.1998, BVerfGE 98, S. 365, 397. 490 491
124
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
erheblichem Gewicht wie Verdrängungswettbewerb und Auszehrungswettbewerb erlaßt. 500 Begründet wird dies mit dem besonderen Freiheitsraum, den das Grundrecht sichern will, so daß es auch von Vorschriften beeinträchtigt werden kann, die aufgrund ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet sind, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen. 50l Für eine Übertragung der Eingriffsmerkmale des Art. 12 GG auf den Beschränkungsbegriff des Art. 39 EG läßt sich anführen, daß Art. 12 GG und das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG den gleichen Schutz gewährleisten. Art. 39 EG enthält nach Ansicht des EuGH und der Generalanwälte wie auch Art. 12 GG ein Grundrecht auffreien Zugang zu Beschäftigung. 502 Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG schützt zudem die Freiheit, das Arbeitsverhältnis zu beenden, um einen nationalen Arbeitsmarkt zu verlassen, da der Zugang zu einem Arbeitsmarkt bereits durch das Verhindern des Verlassens eines Arbeitsmarktes beschränkt werden kann und damit die Arbeitsplatzbeendigungsfreiheit beeinträchtigt. 503 Art. 39 EG und Art. 12 GG schützen damit inhaltlich gleich den Zugang zu Beschäftigung und die Freiheit, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Aufgrund dieser Parallele gehen inzwischen auch deutsche Gerichte und Ansichten im Schrifttum von einer inhaltlichen und strukturellen Konvergenz des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG und des Grundrechts der Berufsfreiheit aus. 504 Deutsche Gerichte zitieren das Bosman-Urteil des EuGH bei Entscheidungen über die Arbeitsplatzbeendigungsfreiheit aus Art. 12 GG. 505 und Ansichten im Schrifttum sprechen von einer vollen Kongruenz der beiden Rechte. 506 Auch der EuGH verweist in seiner Rechtsprechung zur Rechtfertigung von Beschränkungen der Personenverkehrsfreiheiten auf die Recht500 BVerfG, Beschluß v. 12. 10. 1977, BVerfGE 46, S. 120, 137; BVerfG, Urteil v. 8.4. 1997, BVerfGE 95, S. 267, 302; BVerfG, Urteil v. 17.2. 1998, BVerfGE 97, S. 228, 254; Jarass/ Pieroth Art. 12 GG, Rn. 58. 501 BVerfG, Beschluß v. 12. 10. 1977, BVerfGE 46, S. 120, 137. 502 EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097, 4117, Rn. 14; EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. 11995, S. 4921, 5076 = EuZW 1996, S. 82, 90, Rn. 129; EuGH, Urteil v. 2. 3. 1999 (Eddline EI-Yassini), Sig. 11999, S. 1209, 1241, Rn. 45; Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5007, Rn. 203; Generalanwalt Alber; Schlußanträge v. 22. 6. 1999 zu EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2703 = EAS Nr. 112 zu Art. 48 EGVertrag, S. 23, Rn. 76. 503 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. 12000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50 =EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 24; siehe oben 1. Kapitel, v., 9., f). 504 BAG, Urteil v. 20. 11. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (DEB), NJW 2000, S. 1028, 1029; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (NFV), BGHZ 142, S. 304, 309; Singer, Anmerkung zu BAG, Urteil v. 20. 11. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 10; Tettinger, JZ 2000, S. 1069, 1074. 505 BAG, Urteil v. 20. 11. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (DEB), NJW 2000, S. 1028, 1029; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (NFV), BGHZ 142,S.304,309. 506 Singer, Anmerkung zu BAG, Urteil v. 20. 11. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 10; Tettinger, JZ 2000, S. 1069, 1074.
V. Voraussetzungen einer Beschränkung
125
sprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Berufsfreiheit. 507 Für diese Kongruenz spricht auch, daß das Freizügigkeitsrecht als wirtschaftlich zweckgebundene Grundfreiheit der Arbeitnehmer mit einer berufsrechtlichen Komponente angereichert ist. Zu beachten ist allerdings, daß Art. 39 EG nur die Beschränkung eines grenzüberschreitenden Vorgangs erfaßt und Art. 12 GG ein Deutschengrundrecht ist. Ansonsten schützen Art. 12 GG und Art. 39 EG in inhaltlicher Übereinstimmung den freien Zugang zu Beschäftigung und die freie Beendigung der Beschäftigung. Die inhaltlichen Parallelen der beiden Freiheitsrechte treten auch in der Diskussion um die Anwendung des Art. 12 GG auf EU-Ausländer508 zutage, wonach EU-Ausländer auch bei rein nationalen Vorgängen gegen Beschränkungen des freien Zugangs zu Beschäftigung vorgehen können sollen. Die Eingriffsmerkmale des Art. 12 GG bieten sich somit an, auf den Beschränkungsbegriff des Art. 39 EG übertragen zu werden.
t) Übertragung der Grundsätze auf das Beschränkungsverbot
des Art. 39 EG
Die Kriterien zur Bestimmung des mittelbaren Eingriffs in Grundrechte lassen sich auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG übertragen. Vor allem die Merkmale der Intensität und Kausalität dienen der Konkretisierung des Beschränkungsbegriffs. Das Merkmal der Kausalität hat im Arbeitsrecht eine besondere Bedeutung, da große Bereiche der Gestaltung durch Private vorbehalten sind und die Verantwortung des Staates für dieses Verhalten fraglich ist. Für die Bestimmung der Intensität kann zwischen Regelungen unterschieden werden, die das Ob und das Wie des Zugangs regeln. Der Ausschluß des Zugangs ist eine besonders intensive Beschränkung und damit stets geeignet, die Freizügigkeit zu beschränken. Die Regelung über das Wie des Zugangs ist in der Regel weniger intensiv, sofern keine Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern vorliegt oder der Zugang durch die Regelung der Art des Zugangs faktisch ausgeschlossen wird. Beschränkungen sind unzulässig, wenn sie befehlsähnliche Wirkung haben, die Freizügigkeit zielgerichtet oder besonders intensiv beschränken und wenn ein enger Kausalzusammenhang zwischen staatlicher Maßnahme und der Beschränkung besteht. Besonderer Schutzgegenstand von Art. 39 EG ist das Verbot der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge, da diese Diskriminierung besonders geeignet ist, Arbeitnehmer von der Ausübung ihres Freizügigkeitsrechts abzuhalten. Für die Bestimmung des Diskriminierungsbegriffs kann auf die Anforderungen an die versteckte Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit abgestellt werden. Eine mittelbare Diskriminierung liegt danach vor, wenn eine Regelung zur Diskriminie507 EuGH, Urteil v. 1. 2. 2001 (Mac Queen), EuGRZ 2001, S. 108, 111, Rn. 36 unter Verweis auf BVerfG, Beschluß v. 7. 8. 2000, EuGRZ 2000, S. 480. 508 Siehe oben 1. Kapitel, III., 3., e).
126
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
rung von Wanderarbeitnehmern geeignet ist. 509 Nicht erforderlich ist hingegen der Nachweis, daß die in Rede stehende Vorschrift in der Praxis einen wesentlich höheren Anteil grenzüberschreitender Vorgänge betrifft. Beschränkungen der Freizügigkeit liegen somit vor, wenn Maßnahmen das Ob des Zugangs ausschließen oder durch die Regelung der Zutrittsmodalitäten den Zugang zum Arbeitsmarkt eines anderen Mitgliedstaats oder dessen Verlassen erheblich beschränken. Beschränkungen sind unzulässig, wenn sie befehlsähnliche Wirkung haben, den Zugang zu fremden Arbeitsmärkten zielgerichtet oder besonders intensiv beschränken. Voraussetzung ist stets, daß ein Kausalzusammenhang zwischen staatlicher Maßnahme und Beschränkung besteht. Besonderer Schutzgegenstand des Art. 39 EG ist das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Zu- oder Abwanderung.
11. Ergebnis Regelungen der Berufsausübung können die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht beschränken. Sie sind auf den Verlauf des Arbeitsverhältnisses begrenzt und betreffen weder die Aufnahme noch die Beendigung der beruflichen Tätigkeit. Dieses Ergebnis ist keine unmittelbare Folge der Keck-Rechtsprechung, sondern ergibt sich aus Art. 3 Abs. I lit. c) EG, der von seiner Zielrichtung auf Zugangshindernisse zu fremden Arbeitsmärkten abstellt, wenn er von Hindernissen der Grundfreiheiten zwischen den Mitgliedstaaten spricht. Ausübungsregeln finden aber zeitlich erst nach der grenzüberschreitenden Verlagerung der Arbeitskraft und damit auch nach dem Marktzutritt Anwendung. Sie haben keine Auswirkungen auf die grenzüberschreitende Verlagerung des Arbeitsplatzes im Binnenmarkt. Ausübungsregeln sind lediglich ein Motiv für die Arbeitnehmer, ihren Tätigkeitsschwerpunkt zu verlagern, und müssen von allen Vorschriften unterschieden werden, die an die Aufnahme oder die Beendigung der Tätigkeit anknüpfen. Zugangsbeschränkungen stellen hingegen stets eine Beschränkung der Freizügigkeit dar. Zur Bestimmung der sonstigen relevanten Beschränkungen ist im Wege wertender Rechtsvergleichung auf die europäische und deutsche Grundrechtsdogmatik zurückzugreifen.
509 EuGH, Urteil v. 23. 5. 1996 (O'Aynn), Slg. I 1996, S. 2617, 2638, Rn. 20, 21; EuGH, Urteil v. 7. 5. 1998 (Clean Car Autoservice), Slg. 11998, S. 2521, 2547, Rn. 29; EuGH, Urteil v. 9. 3. 2000 (Kommission/Belgien), Slg. I 2000, S. 1221,1246 = EuZW 2000, S. 344, 345, Rn. 31.
VI. Beschränkung durch staatliches Unterlassen
127
VI. Beschränkung durch staatliches Unterlassen 1. Problemstellung Ist dem Staat eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit nicht zurechenbar, müßte nach den entwickelten Kriterien eine Beschränkung der Freizügigkeit durch staatliches Verhalten entfallen. An einem Anknüpfungspunkt fehlt es etwa, wenn die Ausübung der Freizügigkeit durch Handlungen Privater beschränkt wird, der Staat dieses Verhalten aber weder kausal herbeiführt noch bezweckt. Zwar könnten Beschränkungen, die von Privaten ausgehen, durch eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG erfaßt werden. 510 Dies ist aber sehr problematisch und es besteht ein erhebliches Interesse, dem Mitgliedstaat das Verhalten zuzurechnen, da die europäische Kommission im Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EG gegen den Mitgliedstaat vorgehen und damit effektiv Verstöße gegen die Grundfreiheiten sanktionieren kann. Gegen den Mitgliedstaat kann außerdem nach Art. 228 Abs. 4 EG ein Zwangs geld verhängt werden, um weitere Verstöße gegen die Grundfreiheiten zu unterbinden. Zudem kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatzanspriiche aus Amtspflichtverletzung gegen den Mitgliedstaat geltend machen. 5l1 Zwar fehlt es an einem aktiven Tun der Mitgliedstaaten, es könnte aber auf ein Unterlassen des Mitgliedstaates abgestellt werden. Der Mitgliedstaat kann jedoch nicht für jede Beschränkung der Freizügigkeit durch Dritte verantwortlich sein. Sein Unterlassen muß pflichtwidrig sein, was das Bestehen einer Schutzpflicht für das betroffene Schutzgut voraussetzt. Der pflichtwidrig unterlassene Schutz vor Beeinträchtigungen Dritter beschränkt den einzelnen dann in seiner Freizügigkeit.
2. Herleitung der Schutzpflicht Staatliche Schutzpflichten aus Grundfreiheiten hat der EuGH erstmals in seinem Urteil "Kommission gegen Frankreich" für die Warenverkehrsfreiheit anerkannt. 512 Französische Bauern hatten ausländische Agrartransporte am Überqueren der Grenze und am Befahren des französischen Hoheitsgebiets gehindert. Der EuGH stellt fest, daß es eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit darstellt, wenn der Mitgliedstaat keine Maßnahmen ergreife, um Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs durch Private zu verhindern und gegebenenfalls gegen diese
Siehe unten 2. Kapitel. EuGH, Urteil v. 5. 3. 1996 (Brasseries du pecheur), Slg. I 1996, S. 1029, 1143, Rn. 22; Saenger, JuS 1997, S. 865, 866. 512 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6998, Rn. 25 ff. 510 511
128
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
einzuschreiten. 513 Der freie Warenverkehr stelle einen tragenden Grundsatz des EG-Vertrages dar,514 der durch Art. 3 Abs. Ilit. c) EG und Art. 14 EG ausgeprägt und durch Art. 28 EG umgesetzt werde. 515 Gemäß Art. 14 Abs. 2 EG umfasse der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren zu gewährleisten sei. 516 Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG ziele auf die Beseitigung aller Hindernisse für den freien Markt zwischen den Mitgliedstaaten. 517 Art. 28 EG verbiete daher nicht nur Maßnahmen, die auf den Staat zurückzuführen seien, sondern finde auch dann Anwendung, wenn ein Mitgliedstaat keine Maßnahmen ergriffen habe, um gegen Beeinträchtigungen des freien Waren verkehrs durch Dritte einzuschreiten. 518 Der innergemeinschaftliche Handel könne ebenso durch ein Untätigbleiben oder durch Versäumnisse eines Mitgliedstaates beeinträchtigt werden. Der Mitgliedstaat müsse daher ausreichende Maßnahmen zur Beseitigung von Hindernissen für den freien Warenverkehr treffen, insbesondere bei Handlungen von Privatpersonen, die sich gegen Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten richteten.519 Der Mitgliedstaat sei aus Art. 10 EG verpflichtet, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um in seinem Gebiet die Beachtung dieser Grundsätze sicherzustellen.52o Diese Herleitung des EuGH ist im Schrifttum auf breite Zustimmung gestoßen. 521 Die Schutzpflicht leitet sich somit aus Art. 28 i.Y.m. Art. 3 Abs. Ilit. c) und Art. 10 EG ab.
513 EuGH, Rn. 30. 514 EuGH, Rn. 24. 515 EuGH, Rn. 27. 516 EuGH, Rn. 26. 517 EuGH, Rn. 25. 518 EuGH, Rn. 30. 519 EuGH, Rn. 31. 520 EuGH, Rn. 32.
Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6998, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6998, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6998, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6998, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6998, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6998, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6999, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6999,
521 Burgi, EWS 1999, S. 327, 329; Kühling, NJW 1999, S. 403, 404; Kainer; JuS 2000, S. 431, 436; Meurer; EWS 1998, S. 196,202; Muylle, E.L.Rev. 1998, S. 467, 469; Szczekalla, DVBI. 1998, S. 219; Meier, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), EuZW 1998, S. 87; Ehlers, Jura 2001, S. 266, 271; laeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 237 ff.
VI. Beschränkung durch staatliches Unterlassen
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3. Übertragung der Rechtsprechung auf die Freizügigkeit Diese Grundsätze werden durch das überwiegende Schrifttum auf die Freizügigkeit übertragen. 522 Der EuGH hat sich zwar noch nicht mit dieser Frage befaßt. Doch deutet die allgemeine Herleitung über Art. 3 Abs. 1 lit. c) und Art. 10 EG darauf hin, daß er seine Rechtsprechung auch auf andere Grundfreiheiten anwenden wird. Dabei betont er die Bedeutung dieser Fragestellung für alle anderen Grundfreiheiten, indem er Begriffe wie "insbesondere", "unter anderen" verwendet und die Schutzpflicht auf eine gemeinsame dogmatische Ausgangslage gründet. Die Freizügigkeit ist wie die Warenverkehrsfreiheit in Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG ausdrücklich erwähnt. Art. 14 Abs. 2 EG gewährleistet neben der Warenverkehrsfreiheit auch den freien Personenverkehr als Merkmal des Binnenmarktes. Art. 10 EG enthält die Maßgabe, Verpflichtungen des Vertrages zu erfüllen. Zu diesen Aufgaben zählt es auch, die nach Art. 39 EG gewährleistete Freizügigkeit der Arbeitnehmer sicherzustellen. Die Grundfreiheiten werden zudem in ihrer dogmatischen Ausgestaltung gleichbehandelt. Eine einheitliche Behandlung aller Grundfreiheiten wird durch die Parallele zwischen den Schutzpflichten aus Grundfreiheiten und aus nationalen Grundrechten verdeutlicht. Im deutschen und französischen Verfassungsrecht sowie im europäischen Konventionsrecht ist die Schutzpflicht des Staates aus den Grundrechten anerkannt. 523 Daß die Freizügigkeit im Gegensatz zur Warenverkehrsfreiheit möglicherweise auch zwischen Privaten Anwendung findet, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Die Entscheidung des EuGH und das Problem der Schutzpflicht können nicht auf die fehlende unmittelbare Drittwirkung des Art. 28 EG zurückgeführt werden. 524 Die ausländischen Warentransporteure hätten von einer unmittelbaren Wirkung der Warenverkehrsfreiheit gegenüber den verärgerten französischen Landwirten wenig profitiert, da die Störer weitgehend unbekannt waren und Klagen gegen einzelne von ihnen keine Garantie dafür gewesen wären, daß andere Störer die Beschränkungen in Zukunft unterlassen würden. Ein Prozeß gegen die eigentlichen Störer wäre daher ineffizient gewesen und hätte außerdem keine Verpflichtung des französischen Staates zu wirksamerem Vorgehen gegen die Landwirte begründet. Die 522 Kühling, NJW 1999, S. 403, 404; Kainer, JuS 2000, S. 431 ff.; Meurer, EWS 1998, S. 196,202; Szczekalla, DVBI. 1998, S. 219, 224; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 237 ff. 523 Übersicht bei Classen, JöR 36 (1987), S. 29; zum deutschen Recht: BVerfG, Beschluß v. 15. 7. 1998, BVerfGE 98, S. 365, 395; BVerfG, Beschluß v. 26. 5. 1998, NJW 1998, S. 3264, 3265; BVerfG, Beschluß v. 27. 1. 1998, NJW 1998, S. 1475; BVerfG, Beschluß v. 6. 5. 1997, BVerfGE 96, S. 56, 64; BVerfG, Beschluß v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81, S. 242, 254; BAG, Urteil v. 16.3.1994, NZA 1994, S. 937, 939; Jarass/ Pieroth Art. 12 GG, Rn. 18. 524 Inzident Muylle, E.L.Rev. 1998, S. 467, 469; zur fehlenden Drittwirkung des Art. 28 EG: EuGH, Urteil v. 27. 9. 1988 (Bayer), Sig. 1988, S. 5249, 5285, Rn. 11 ff.; EuGH, Urteil v. 1. 10. 1987 (Vlamse Reisbureaus), Sig. 1987, S. 3801, 3830, Rn. 28 ff.; so wird die Rechtsprechung auch im Schrifttum verstanden: Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 49; Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 45.
9 Roloff
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
staatliche Schutzpflicht hat wie auch bei nationalen Grundrechten einen eigenen Anwendungsbereich neben der Drittwirkung. Sie eröffnet durch die Möglichkeit eines Vorgehens gegen die staatliche Gewalt zusätzlichen Rechtsschutz, um Beschränkungen der Freiheit effektiver zu verhindern. Die Grundsätze des EuGH zur Schutzpflicht aus Art. 28 EG lassen sich somit auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG übertragen. Auch und gerade die Freizügigkeit der Arbeitnehmer kann dadurch beeinträchtigt werden, daß der Staat untätig bleibt, um Handlungen von Arbeitgebern, Gewerkschaften oder Verbänden abzuwehren. Die Grundsätze des EuGH finden somit Anwendung auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, Arbeitnehmer vor Beschränkungen ihrer Freizügigkeit zu beschützen.
4. Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht a) Voraussetzungen der Schutzpflicht
Nicht jedes staatliche Unterlassen kann gegen Art. 39 EG verstoßen, es muß vielmehr eine Pflicht zum Tätigwerden bestehen. Die Voraussetzungen dieser Schutzpflicht werden unterschiedlich beurteilt.
aa) Ansicht des EuGH
Der EuGH geht von der Dassonville-Forme1 aus und begriindet eine Schutzpflicht bei privaten Beeinträchtigungen der Grundfreiheit, wenn diese unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell die Einfuhrströme im innergemeinschaftlichen Handel beschränken. 525 Die Gewalttaten der französischen Landwirte - das Anhalten von Lastern, die Vernichtung von Waren, die Angriffe auf die Fahrer und die Bedrohung von Einzelhändlern - beschränkten unzweifelhaft den innergemeinschaftlichen Handel mit Erzeugnissen. 526 Der EuGH mißt Beschränkungen Privater und der Mitgliedstaaten im Grunde an den gleichen Maßstäben. Im entschiedenen Fall gingen die Maßnahmen Privater jedoch weit über bloße Beschränkungen hinaus, so daß noch nicht abschließend geklärt ist, ob der EuGH auch bei weniger einschneidenden Maßnahmen Privater eine Schutzpflicht der Mitgliedstaaten annehmen würde.
525 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6999, Rn. 29,30. 526 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6970, Rn. 38.
VI. Beschränkung durch staatliches Unterlassen
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bb) Erfordernis verbotener Handelshemmnisse
Eine Ansicht in der Literatur läßt zur Begründung der Schutzpflichten nicht jede Beschränkung durch Private genügen, sondern verlangt, daß das Handeln Privater ein verbotenes Handelshemmnis aufstellt. 527 Ob ein Handelshemmnis verboten sei, müsse unter Berücksichtigung des Schutzgegenstandes der Grundfreiheit beurteilt werden. 528 Wettbewerbsmaßnahmen, die nach dem Recht der Mitgliedstaaten strafbar und unlauter seien, wären jedenfalls verboten. Sofern die Maßnahme nach nationalem Recht zulässig sei und gleichzeitig auch nationale Waren betreffe, sei sie lediglich verboten, wenn sie den Transit durch den Mitgliedstaat und damit den Zugang zu einem anderen Mitgliedstaat ausschließe. 529 Sei eine Maßnahme nach nationalem Recht zulässig, könnten fremde Staatsangehörige nicht privilegiert werden. Übertragen auf die Entscheidung des EuGH bedeute dies, daß die Maßnahme insoweit nicht verboten und eine Beschränkung der Grundfreiheit ausgeschlossen sei,53o als durch die Straßenblockaden auch französische Produkte ihren Bestimmungsort nicht erreichen konnten und der Marktzugang für in- und ausländische Produkte in gleicher Weise beeinträchtigt war. Für eine Schutzpflicht, die darauf hinausliefe, ausländische gegenüber inländischen Waren zu bevorzugen, bestehe kein Raum. Verboten sei die Behinderung indes für Waren, die Frankreich nur als Transitland nutzten. Insoweit sei der Marktzugang zu dritten Mitgliedstaaten beschränkt und die Beschränkung nicht mehr durch nationale Rechtfertigungsvorschriften erfaßt. 531 ce) Gegenansicht
Eine andere Auffassung im Schrifttum lehnt die Anwendung der weiten Dassonville-Formel auf Private ab. 532 Auch das Erfordernis der verbotenen Maßnahme Privater sei ein Zirkel schluß, das darüber hinaus nicht geeignet sei, die Voraussetzungen des staatlichen Eingreifens zu konkretisieren. Es müsse erst ermittelt werden, welches Verhalten Privater überhaupt mißbilligt werde. Die Ansicht verwirft hingegen mit der Rechtsprechung des EuGH die Voraussetzung einer spürbaren Beschränkung und stellt den Schutzzweck der Grundfreiheit in den Vordergrund. 533 Dieser bestehe bei der Warenverkehrsfreiheit in der Maximierung grenzüberschreitender privatautonomer Handelsbeziehungen, um integrative und ökonomische Ziele zu verfolgen. 534 Folglich fielen alle Beschränkungen aus dem 527 528 529
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Meurer, EWS 1998, S. 196, 199. Meurer, EWS 1998, S. 196, 199. Meurer, EWS 1998, S. 196, 199. Meurer, EWS 1998, S. 196, 199. Meurer, EWS 1998, S. 196, 199. Kainer, JuS 2000, S. 431, 434. Kainer, JuS 2000, S. 431, 434. Kainer, JuS 2000, S. 431, 434.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Schutzbereich heraus, die auf privatautonomen Vereinbarungen beruhten. Die privatautonome Gestaltung ende jedoch dort, wo Zwangsmaßnahmen hinzuträten. 535 Staatliche Schutzpflichten entstünden somit, wenn private Beeinträchtigungen mit einem einseitig zwingenden Charakter privatautonom grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit im Sinne der Grundfreiheit verhinderten oder erschwerten. 536
dd) Stellungnahme
Für die letztgenannte Ansicht läßt sich die für die Grundfreiheiten existentielle Garantie der Privatautonomie anführen. 537 Begründete jede Beschränkung der Freizügigkeit durch Private eine staatliche Schutzpflicht, müßte der Mitgliedstaat bereits bei der einfachen Bindung an den Arbeitsvertrag schützend eingreifen, da die Bindung an den Vertrag die Ausübung der Freizügigkeit beschränkt. Der Mitgliedstaat müßte den Arbeitnehmer daher vor dem Abschluß von Arbeitsverträgen schützen. Die Arbeitnehmer könnten dann aber keine Arbeitsverträge mehr abschließen, die Freizügigkeit und die für die Freizügigkeit erforderliche Privatautonomie liefen leer. Die Schutzpflicht muß daher privatautonome Absprachen ausklammern, die das Funktionieren des Binnenmarktes garantieren. Beschränkungen durch Private an den gleichen Maßstäben zu messen wie staatliche Beschränkungen führt zudem zu einer unberechtigten Gleichbehandlung von Bürger und Staat. Der Mitgliedstaat kann nicht bei jeder beschränkenden vertraglichen Abrede schützend eingreifen. Folglich können nur bestimmte Verhaltensweisen Privater eine Schutzpflicht auslösen. Das Merkmal des verbotenen Handelshemmnisses ist nicht geeignet, die erforderliche Verhaltensweise Privater zu konkretisieren, da er nicht zu klären vermag, wann eine Maßnahme "verboten" ist. Der Ausschluß von Schutzpflichten für Maßnahmen, die In- und Ausländer gleichermaßen beschränken, ist zudem eine unzulässige Verkürzung des Schutzumfangs der Grundfreiheiten. Eine Ungleichbehandlung von In- und Ausländern ist für das allgemeine Beschränkungsverbot gerade nicht erforderlich, das Beschränkungsverbot erfaßt auch Fälle, in denen eine Inländergleichbehandlung oder gar eine Inländerdiskriminierung vorliegen. 538 Maßnahmen können ausländische Waren gegenüber inländischen sogar privilegieren und trotzdem die Grundfreiheit beschränken. Es muß daher genügen, wenn ausländische Waren zumindest gleichermaßen wie nationale am Marktzugang gehindert werden, solange es sich nicht nur um vertriebsbezogene Hindernisse handelt. DaKainer, JuS 2000, S. 431, 434. Kainer, JuS 2000, S. 431, 434. 537 Callies / Ruffen / Kingreen Art. 6 EU, Rn. 93; Oppermann, Europarecht, Rn. 492; Rengeling, Grundrechtsschutz in der europäischen Gemeinschaft, S. 21, 22; Wilmowsky, JZ 1996, S. 590, 593. 538 EuGH, Urteil v. 13.4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681 ff. = EuZW 2000, S. 376 = NZA 2000, S. 645. 535
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VI. Beschränkung durch staatliches Unterlassen
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her ist der Ansicht zu folgen, die eine besondere Intensität der Beeinträchtigung fordert, was auch ausreichenden Raum für privatautonome Absprachen läßt. Für die Notwendigkeit einer besonderen Beschränkungsintensität spricht vor dem Hintergrund der Privatautonomie die deutsche Dogmatik zu den Schutzpflichten aus Grundrechten, die im Wege der wertenden Rechtsvergleichung die Schutzpflicht aus dem absoluten Gehalt der Freizügigkeit konkretisieren kann. Die Voraussetzungen einer wertenden Rechtsvergleichung liegen auch bei einer Beschränkung durch pflichtwidriges Unterlassen vor. Wie beim Beschränkungsbegriff durch aktives Verhalten müssen die Anforderungen an die staatliche Schutzpflicht konkretisiert werden, da das pflichtwidrige Unterlassen ebenfalls einem Rechtfertigungszwang unterliegt. Die Parallele zwischen den Schutzpflichten aus Grundfreiheiten und Grundrechten ist außerdem im Schrifttum anerkannt. 539 Die Bezeichnung der Grundfreiheiten als Grundrechte, ihre Verwandtschaft mit den Freiheitsrechten und ihre objektive Bedeutung für den Binnenmarkt nach Art. 10 EG, die mit der objektiven Wertordnung der Grundrechte vergleichbar ist,540 ergänzen diesen Ansatz. Der Staat darf nach deutschem Grundrechtsverständnis nicht in den Freiheitsraum der Grundrechte eingreifen und muß die Freiheitssphäre eines jeden Grundrechts schützen. 541 Durch diese Schutzpflicht entfaltet sich der objektive Gehalt der Grundrechte. 542 Der Staat ist im Rahmen von Art. 12 GG verpflichtet, das Privatrecht so zu gestalten, daß die in den Grundrechten verkörperte Wertordnung gewahrt wird. 543 Kann eine Vertragspartei wegen ihres Verhandlungsgewichts einseitig Recht setzen und die Privatautonomie ihre Wirkung nicht mehr entfalten, muß staatlicher Schutz eingreifen, um die Grundrechte zu sichern. 544 Es bedarf dafür eines nicht nur unerheblichen Eingriffs in den Schutzbereich eines Grundrechts gegen den Willen des Rechtsgutinhabers.545 Das BVerfG hat etwa festgestellt, daß Vorschriften, die den Verlust verdienter Anwartschaften nicht ausreichend schützen, geeignet sind, Arbeitnehmer von einem Wechsel des Arbeitgebers abzuhalten, und sie damit in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigen. 546 Dies stelle einen Eingriff 539 Meurer; EWS 1998, S. 196, 197; Kühling, NJW 1999, S. 403; Burgi, EWS 1999, S. 327, 329; Kainer; JuS 2000, S. 431, 433; Szczekalla, DVBl. 1998, S. 219, 222; Ehlers, Jura 2001, S. 266, 271. 540 Kainer; JuS 2000, S. 431, 433. 541 BVerfG, Urteil v. 10. 1. 1995, BVerfGE 92, S. 26, 46. 542 BAG, Urteil v. 11. 3. 1998, NZA 1998, S. 718, 719. 543 BVerfG, Beschluß v. 15. 7. 1998, BVerfGE 98, S. 365, 395 ; a.A. Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 111, Rn. 130, 131, 132, der Rechtsgeschäfte grundsätzlich als Selbstschädigung und nicht als Fremdbeeinträchtigung bewertet und der Schutz nur über das Sozialstaatsprinzip eingeführt werden kann. 544 BVerfG, Beschluß v. 15. 7. 1998, BVerfGE 98, S. 365, 395; BVerfG, Beschluß v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81 , S. 242, 254; ]arass / Pieroth Art. 12 GG, Rn. 18. 545 Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 111, Rn. 89. 546 BVerfG, Beschluß v. 15. 7. 1998, BVerfGE 98, S. 365, 397.
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in Art. 12 GO dar, da die Maßnahme einen Arbeitsplatzwechsel erheblich erschwere. 547 Das Recht zur Wahl des Arbeitgebers sei Teil des Grundrechts der Berufsfreiheit. Auch wenn der Verlust der Anwartschaft den Arbeitnehmer nicht daran hindere, ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen, so belege er den durch Art. 12 GG geschützten Schritt in vielen Fällen mit Nachteilen, wodurch die Inanspruchnahme der grundrechtlichen Freiheit erschwert würde. 548 Erhebliche Einbußen bei der Altersversorgung bänden den Arbeitnehmer wirtschaftlich an ihren Arbeitsplatz. 549 Diese Bindung könne nicht durch privatautonome Absprachen ausgeglichen werden, da es ein Arbeitnehmer bei der Einstellung nicht in der Hand habe, über das Ausscheiden zu verhandeln. Die Möglichkeit privatautonomen Verhandelns steht somit auch im deutschen Verfassungsrecht im Vordergrund. Nur wo die Privatautonomie fehlt, nicht ausreichend gesichert ist und erhebliche Folgen auf den Einzelnen zukommen, muß der Mitgliedstaat tätig werden. Schutzpflichten entstehen somit, wenn Maßnahmen Privater mit einseitig zwingendem Charakter die grenzüberschreitende Freizügigkeit der Arbeitnehmer verhindern oder erheblich erschweren.
b) ErfüUung der Schutzpflicht
Fraglich ist, was der Staat zum Schutz der Grundfreiheiten unternehmen muß. Die Schutzpflicht ist jedenfalls dann verletzt, wenn der Staat überhaupt keine Anstrengung unternimmt, die Beeinträchtigung zu verhindern. Wird der Staat aber in irgendeiner Weise tätig, muß geklärt werden, ob er seine Schutzpflicht ausreichend erfüllt hat. aa) Ansicht des EuGH
Der EuGH gewährt den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum, welche Maßnahme in einer bestimmten Situation geeignet ist, Beschränkungen der Grundfreiheit zu verhindern. 55o Es sei nicht Sache des Gemeinschaftsorgans, an der Stelle des Mitgliedstaats zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Gewähr der Grundfreiheiten ergriffen werden müßten. Der Gerichtshof überprüfe allein, ob die zur Sicherstellung der Grundfreiheit geeigneten und erforderlichen Maßnahmen ergriffen worden seien. 551
BVerfG, Beschluß v. 15.7. 1998, BVerfGE 98, S. 365, 397. BVerfG, Beschluß v. 15.7. 1998, BVerfGE 98, S. 365, 397. 549 BVerfG, Beschluß v. 15.7. 1998, BVerfGE 98, S. 365, 397. 550 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6999, Rn. 33. 551 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959,6999, Rn. 35. 547 548
VI. Beschränkung durch staatliches Unterlassen
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Wie diese Eignungsprüfung im einzelnen zu erfolgen hat, läßt der EuGH in dem Urteil offen, da die Schutzmaßnahmen des französischen Staats gänzlich ungeeignet waren. Der Mitgliedstaat war nahezu untätig geblieben. Der EuGH stellt nur fest, daß die Maßnahmen der französischen Exekutive offenkundig nicht ausgereicht hatten, die Grundfreiheit zu schützen. 552 Davor zählt er alle Unterlassungen der französischen Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden auf553 • Zudem stellt er darauf ab, daß die Kommission den Mitgliedstaat wiederholt auf dessen Verpflichtung hingewiesen hat. 554 Die Straftaten der Bauern hätten weiterhin ein Klima der Unsicherheit geschaffen, das sich nachteilig auf die gesamten Handelsströme ausgewirkt habe. 555 Dies deutet darauf hin, daß der EuGH eine offenkundige Mißachtung der erforderlichen Maßnahmen verlangt.
bb) Ansicht im Schrifttum
In der Lehre ist die Evidenzkontrolle, die der EuGH in seiner Entscheidung andeutet, begrüßt worden. 556 Der Mitgliedstaat müsse offenkundig den Grundfreiheiten den Schutz versagen, um eine Schutzpflichtverletzung zu begründen. 557 Ein besonderer Erfolg werde nicht geschuldet, nur beharrlich und offensichtlich unzureichende Maßnahmen des Mitgliedstaates begründeten einen Verstoß gegen die Schutzpflicht. 558 Zwar sei der Entscheidung das Untermaßverbot noch nicht als Voraussetzung der Schutzpflichtverletzung zu entnehmen gewesen, es sei indes in der Rechtsprechung angelegt. 559 Auch hier zeigten sich die Parallelen zu den grundrechtlichen Schutzpflichten. 560
552 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 7002, Rn. 52. 553 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 7000, Rn. 38-51. 554 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 7001, Rn. 42. 555 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 7003, Rn. 53. 556 Kainer, JuS 2000, S. 431, 435; Szczekalla, DVBl. 1998, S. 219, 223; Meurer, EWS 1998, S. 196, 200; Kühling, NJW 1999, S. 403; Schwarze, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 9.12.1997 (Kommission/Frankreich), EuR 1998, S. 53, 56; Meier, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), EuZW 1998, S. 87. 557 Szczekalla, DVBl. 1998, S. 219, 223. 558 Kühling, NJW 1999, S. 403. 559 Meurer, EWS 1998, S. 196,200,201. 560 Szczekalla, DVBl. 1998, S. 219, 223.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ce) Stellungnahme
Gerade die Parallele zu der grundrechtlichen Schutzpflicht zeigt den Rahmen auf, in welchem der Gesetzgeber und die Verwaltung der Mitgliedstaaten zum Handeln verpflichtet sind. Für die Verwaltung ist das Offenkundigkeitsmerkmal heranzuziehen. Für den Gesetzgeber müssen wegen der Gewaltenteilung andere Maßstäbe gelten. Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung zwar nicht damit befaßt, welche Pflichten der staatliche Gesetzgeber zu erfüllen hat. Der Gesetzgeber muß aber tätig werden, um den Behörden und Gerichten die Möglichkeit zum schützenden Eingriff zu geben. Die Schutzpflicht des Gesetzgebers wird von einem sehr weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten begleitet. Wenn die nationalen Gerichte gegenüber dem nationalen Gesetzgeber wegen des Demokratieprinzips und der Grundsätze über die Gewaltenteilung besondere Zuriickhaltung bei der Annahme legislativen und exekutivischen Unterlassens üben müssen, dann gilt dies wegen der gegenüber dem EuGH ebenfalls geltenden Grundsätze der Gewaltenteilung und Subsidiarität erst recht. Zudem sind Regelungsbereiche wie das Privatrecht betroffen, die noch weitgehend in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen. Diesem Aspekt trägt die Rechtsprechung zu den deutschen Grundrechten Rechnung. 56 ) Der Gesetzgeber verletzt seine Schutzpflichten nur dann, wenn er seine Pflicht evident außer acht gelassen hat. 562 Diese Begrenzung ist geboten, weil die Frage, wie eine positive staatliche Schutzpflicht durch aktive gesetzgeberische Maßnahmen auszugestalten ist, sehr komplexe Anforderungen stellt. Diese Entscheidung gehört nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem Demokratieprinzip in die Verantwortung des vom Volk unmittelbar legitimierten Gesetzgebers. 563 Die Erfüllung der Schutzpflicht ist weitgehend von dem jeweiligen staatlichen Organ in eigener Verantwortung zu beurteilen. 564 Diese Wahlfreiheit gilt nicht nur in den Fällen, in denen verschiedene Möglichkeiten zum effektiven Schutz bestehen, sondern auch, wenn es um dem Ausgleich kollidierender Grundrechtspositionen geht,565 etwa im Vertragsrecht, wo stets die Privatauto~omie und die wirtschaftliche Freiheit beider Vertragsteilnehmer betroffen sind. 566 In diesen Fällen kann der Gesetzgeber zwingendes Vertragsrecht einführen. Er kann aber auch Vorschriften dispositiv mit einer äußersten Grenze ausgestalten oder von einer Regelung absehen, wenn die zivilrechtlichen Generalklausein einen angemessenen Ausgleich gewährleisten. Mit diesen Vorschriften hält der Gesetzgeber InSo auch Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 269. BVerfG, Beschluß v. 26. 5. 1998, NJW 1998, S. 3264, 3266. 563 BVerfG, Beschluß v. 26. 5. 1998, NJW 1998, S. 3264, 3266. 564 BVerfG, Beschluß v. 6. 5.1997, BVerfGE 96, S. 56, 64. 565 BVerfG, Beschluß v. 6. 5. 1997, BVerfGE 96, S. 56, 64. 566 BVerfG, Beschluß v. 6. 5. 1997, BVerfGE 96, S. 56, 65; BVerfG, Beschluß v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, S. 214, 232. 561
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VI. Beschränkung durch staatliches Unterlassen
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strumente bereit, die es ermöglichen, strukturelle Störungen wirtschaftlicher Vorgänge angemessen auszugleichen. 567 Der Schutzauftrag wendet sich dann an den Richter, der den Vertrag im Lichte der Grundrechte auslegen muß. 568 Erst wenn die vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Lösungen, etwa die zivilrechtlichen Generalklauseln, im Einzelfall nicht greifen, und damit keine Regelung für den Zusammenhang besteht oder die getroffene Maßnahme gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich ist, begründet dies eine Verletzung der Schutzpflicht. 569 Diese Kontrolldichte ist auch im französischen Verfassungsrecht üblich und anerkannt. 570 Den Mitgliedstaaten ist somit beim Erfüllen ihrer Schutzpflicht ein weites Ermessen eingeräumt.
5. Durchsetzung der Schutzpflicht Der Arbeitnehmer kann von den Behörden und Gerichten verlangen, daß sie beim Bestehen einer Schutzpflicht tätig werden. 57! Sie müssen bestehende gesetzliche Regelungen gemeinschaftskonform auslegen und anwenden, um der Schutzpflicht genüge zu tun. 572 Der Arbeitnehmer kann sich unmittelbar auf die Schutzpflichten aus Art. 39 EG berufen, da das den Behörden eingeräumte Ermessen beim Erfüllen der Schutzpflicht eine unmittelbare Wirkung der Grundsätze nicht ausschließt. 573 Zwar kann ein Ermessensspielraum bei der Umsetzung europäischen Rechts der unmittelbaren Anwendbarkeit europäischen Rechts entgegenstehen. Es geht jedoch bei den Schutzpflichten nicht um ein Ermessen bei der Ausgestaltung europäischen Rechts, sondern um die Ausgestaltung der Schutzpflichten aus den unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten. 574 Freilich können die nationalen Gerichte nicht kontrollieren, ob der Gesetzgeber sein Ermessen sachgerecht ausgeübt hat, da die unmittelbare Anwendbarkeit der Schutzpflicht bei legislativem Tätigwerden fraglich ist. 575 Die Gerichte müssen aber prüfen, ob der Gesetzgeber oder die Behörden die ihnen obliegende Schutzpflicht beachtet haben und innerhalb ihrer Ermessensgrenzen tätig geworden sind. Ist das nicht der Fall, müssen die Gerichte der Schutzpflicht durch Anwendung der Generalklausein und europarechtskonform ausgelegter Schutzinstrumente genüge tun. 576 Die partielle ErBVerfG, Beschluß v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, S. 214,234. BVerfG, Beschluß v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81, S. 242, 256. 569 BVerfG, Urteil v. 10. 1. 1995, BVerfGE 92, S. 26, 46. 570 Classen, JöR 36 (1987), S. 29, 47. 571 Burgi, EWS 1999, S. 327, 330; Kainer, JuS 2000, S. 431, 436. 572 Burgi, EWS 1999, S. 327, 330. 573 Zur unmittelbaren Anwendbarkeit europäischen Rechts: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1180. 574 Kühling, NJW 1999, S. 403, 404. 575 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1180. 576 Burgi, EWS 1999, S. 327, 330. 567 568
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
messensausübung der Gerichte ist anders als die des Gesetzgebers überprüfbar. 577 Ansonsten liefen die Grundfreiheiten leer und der Gesetzgeber könnte über die Kodifizierung bestimmten Verwaltungshandelns die Schutzpflicht einer effizienten Kontrolle entziehen. Die Grundfreiheiten müssen effektiv durchgesetzt werden können.578 Die Schutzpflicht dürfte zudem bei exekutivischen und judikativen Schutzpflichtverletzungen einen Staatshaftungsanspruch begründen. 579 Ob daneben eine Staatshaftung der Mitgliedstaaten wegen pflichtwidrigen legislativen Unterlassens bestehen kann, ist fraglich. 580
6. Ergebnis Die Pflicht zum Schutz der Freizügigkeit leitet sich aus Art. 10 i.Y.m. Art. 39 EG ab. Der Mitgliedstaat ist verpflichtet, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um in seinem Gebiet die Beachtung der Grundfreiheiten sicherzustellen.58l Die Schutzpflichten entstehen, wenn Maßnahmen Privater mit einseitig zwingendem Charakter die grenzüberschreitende Freizügigkeit der Arbeitnehmer verhindern oder erschweren, ohne ihren Ausgangspunkt in privatautonom ausgehandelten Vereinbarungen zu finden. Erst wenn die vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Lösungen, etwa die zivilrechtlichen GeneralklauseIn oder Schutzinstrumente, nicht angewandt werden oder nicht greifen, somit kein wirksamer Schutz für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vor erheblichen Beschränkungen besteht oder die getroffene Maßnahme gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich ist, verletzen die Mitgliedstaaten ihre Schutzpflicht und beschränken die Freizügigkeit der Arbeitnehmer durch ein pflichtwidriges Unterlassen.
VII. Verfahrensrechte aus Art. 39 EG 1. Einordnung des Problems Qualifikationsvoraussetzungen für die Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit bilden ein großes Hindernis für den Zugang zu fremden Arbeitsmärkten. Verlangt ein Mitgliedstaat für den Berufszugang ein an nationalen Schulen erworbenes Diplom, Bleckmann. Europarecht. Rn. 1181. Kaine" JuS 2000, S. 431. 436. 579 Kaine" JuS 2000, S. 431. 436. 580 So auch Burgi. EWS 1999, S. 327, 330, Fn. 41; bejahend Kühling. NJW 1999, S. 403, 404. 581 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. I 1997, S. 6959, 6999, Rn. 32. 577
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VII. Verfahrensrechte aus Art. 39 EG
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so versperrt er fremden Staatsangehörigen und Rückkehrern, die ein materiell gleichwertiges Diplom eines anderen Mitgliedstaates vorweisen können, den Zugang zu seinem Arbeitsmarkt. Dies beschränkt Arbeitnehmer in ihrer Freizügigkeit. Sie werden davon abgehalten, ihre Ausbildung in anderen Mitgliedstaaten zu absolvieren oder dort berufliche Erfahrung zu sammeln. Zwar hat die Europäische Union versucht, diesem Mißstand durch den Erlaß von Anerkennungsrichtlinien nach Art. 47 Abs. 1 EG Abhilfe zu leisten. Dennoch bestehen immer noch zahlreiche nicht regulierte Berufe, in denen der Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt versperrt bleibt. 582 Das Beschränkungsverbot des Zugangs zu fremden Arbeitsmärkten nach Art. 39 EG könnte diesem Mißstand entgegenstehen.
2. Herleitung der Verfahrensrechte durch den EuGH Auch der EuGH hat festgestellt, daß der Zugang zur Beschäftigung durch besondere Anforderungen an die Qualifikation beschränkt wird. 583 Es stelle ein Hindernis für die wirksame Ausübung der Freizügigkeit dar, wenn die einzelnen Mitgliedstaaten für den Zugang zu bestimmten Berufen den Besitz eines Diploms gesetzlich vorschrieben. 584 Solange aber keine einschlägige Richtlinien auf der Grundlage von Art. 47 Abs. 1 EG erlassen oder die Anerkennung des konkreten Diploms in der Richtlinie nicht vorgesehen sei, dürften die Mitgliedstaaten weiterhin festlegen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung eines Berufs erforderlich seien. 585 Als Folge dieser zulässigen Beschränkungsmöglichkeit müßten Verfahren eingerichtet werden, die es den Arbeitnehmern erlaubten, ihre ausländischen Qualifikationen anerkennen zu lassen. 586 Die Freizügigkeit sei ein fundamentaler Grundsatz des Binnenmarktes und ziele gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG auf die Beseitigung aller Hindernisse für den freien Personenverkehr. 587 Sie begründe eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art. 10 EG, alle Maßnahmen zu unterlassen, die eine Verwirklichung der Ziele des Vertrages gefährden könnten. 588 Der freie Zugang zur Beschäftigung sei ein Grundrecht, das jedem Arbeitnehmer der Gemeinschaft das Recht auf effektiven Rechtsschutz gewähre. 589 Dieses Recht ergebe sich auch aus Art. 6 und 13 der EMRK, die ein faires Verfahren und eine wirksame Beschwerde 582 Zum fehlenden Anwendungsbereich einer Anerkennungsrichtlinie siehe EuGß, Urteil v. 14.9.2000 (Hocsman), Slg. I 2000, S. 6623, 6654 f., Rn. 34, 35. 583 EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097, 4116, Rn. 11. 584 EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097, 4116, Rn. 11. 585 EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097, 4116, Rn. 10. 586 EuGH, Urteil v. 1. 2. 1996 (Aranitis), Slg. I 1996, S. 135, 157, Rn. 31. 587 EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Slg. I 1993, S. 1663, 1696, Rn. 29. 588 EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097, 4116, Rn. 12; EuGH, Urteil v. 7. 5. 1991 (Vlassopoulou), Slg. I 1991, S. 2357, 2382, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 31. 3.1993 (Kraus), Slg. 11993, S. 1663, 1697, Rn. 31. 589 EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097, 4117, Rn. 14.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
bei der Verletzung in subjektiven Rechten vorsähen. 590 Mit dieser Argumentation hat der EuGH aus der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungsfreiheit Verfahrensrechte bei der Anerkennung ausländischer Diplome hergeleitet. 591 Diese Entscheidungspraxis erinnert stark an die Ableitung von Verfahrensgarantien aus Grundrechten. Ergebnisse mit Freiheitsbezug werden nicht durch materielle Kriterien, sondern durch die Durchführung von Prozeduren gerechtfertigt. 592 Dieses Problem wird im deutschen Verfassungsrecht seit einiger Zeit erörtert, wo neben den Schutzpflichten auch Verfahrensrechte aus den Grundrechten abgeleitet werden. 593 Auch im europäischen Schrifttum taucht der Gedanke unter dem Aspekt des Verfahrens und des effektiven Rechtsschutzes auf,594 wobei erst neuerdings die eigenständige Bedeutung des verfahrensrechtlichen Hintergrundes absoluter Rechte hervorgehoben wird. 595
3. Herleitung aus dem Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot? Fraglich ist, ob das Verfahrensrecht aus dem Diskriminierungsverbot oder aus dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG abgeleitet wird. Der EuGH hat sich zu dieser Frage nicht geäußert. Man kann seine Rechtsprechung aber so verstehen, daß er das Verfahrensrecht im Beschränkungsbereich ansiedelt. So geht er etwa im Urteil Kraus nicht auf eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit ein. 596 Vielmehr sagt er ausdrücklich, daß Art. 39 EG Maßnahmen entgegenstehe, die ohne Diskriminierung geeignet seien, die Freizügigkeit zu behindern. 597 Besonders deutlich wird die Herkunft des Verfahrensrechts in der Entscheidung Bobadilla. 598 EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Hey1ens), Slg. 1987, S. 4097, 4117, Rn. 14. EuGH, Urteil v. 28. 4. 1977 (Thieffry), Slg. 1977, S. 765, 779, Rn. 24/26; EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097, 4116, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 22. 3. 1994 (Kommission/Spanien), Slg. 11994, S. 923, 940, Rn. 12; EuGH, Urteil v. 25. 7.1991 (KommissionIItalien), Slg. 11991, S. 4193, 4202, Rn. 11; EuGH, Urteil v. 30. 11. 1995 (Gebhard), Slg. I 1995, S. 4165, 4198, Rn. 38; EuGH, Urteil v. 7. 5. 1991 (Vlassopoulou), Slg. I 1991, S. 2357, 2382, Rn. 15. 592 Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 320. 593 Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 320 ff.; BVerfG, Beschluß v. 20. 12. 1979, BVerfGE 53, S. 30, 65, abweichendes Votum S. 69, 71 ff.; Isensee / Kirchhof/ Denninger, Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 113, Rn. 5 ff. 594 Rengeling, Grundrechtsschutz in der europäischen Gemeinschaft, S. 158, 159; Groeben/Thiesing/ Ehlermann/Wölker Art. 48 EGV, Rn. 35; Lenz/ Scheuer Art. 39 EG, Rn. 69; Hailbronner, Handkommentar zum EUV /EGV, Art. 48 EGV, Rn. 56. 595 Ehlers, Jura 2001, S. 266, 272. 596 EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Slg. 11993, S. 1663. 597 EuGH, Urteil v. 31. 3.1993 (Kraus), Slg. 11993, S. 1663, 1697, Rn. 32. 598 EuGH, Urteil v. 8.7. 1999 (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4803, Rn. 30. 590
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VII. Verfahrensrechte aus Art. 39 EG
141
Dort klagten ähnlich wie im Fall Kraus Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaats, deren im Ausland erworbenen Qualifikationen nicht anerkannt wurden. Der EuGH führt aus, daß auch Staatsangehörige des betroffenen Staates einen solchen Anspruch haben, soweit sie rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats gewohnt und dort eine Qualifikation erworben haben. 599 Noch deutlicher geht er im Urteil Vlassopoulou davon aus, daß nationale Qualifikationsvoraussetzungen, selbst wenn sie ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angewandt würden, die Freizügigkeit beschränken könnten. 6OO Auch in der Entscheidung Aranitis macht der EuGH den Unterschied zwischen Diskriminierungsund Beschränkungsverbot deutlich. So verbietet er ausdrücklich Diskriminierungen aus Griinden der Staatsangehörigkeit. Anschließend führt er unabhängig vom Diskriminierungsverbot aus: "Ferner müssen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 48 EGV die Freizügigkeit herstellen,,601. Auch der Generalanwalt Fennelly bezeichnet nationale Qualifikationsvoraussetzungen als Beschränkung der Freizügigkeit. 602 Das Verfahrensrecht ist eine Folge der Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge durch nationale Qualifikationsanforderungen des Aufnahmestaates. Gegen eine Herleitung der Verfahrensrechte aus dem Diskriminierungsverbot nach der Staatsangehörigkeit läßt sich einwenden, daß Art. 47 EG die Diskriminierung fremder Staatsangehöriger gerade zuläßt, solange keine einschlägigen Anerkennungsrichtlinien bestehen. Es wäre daher widerspriichlich, das Verfahrensrecht aus dem Diskriminierungsverbot abzuleiten, das im Einzelfall nicht greift. Außerdem kann das Diskriminierungsverbot immer nur auf Gleichbehandlung gerichtet sein. Eine Gleichbehandlung ist aber bei unterschiedlichen Diplomen nicht möglich. In Betracht kommt allenfalls eine Angleichung der Zeugnisse. Bei Qualifikationsvoraussetzungen lassen sich überdies keine spezifischen Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit definieren und von nichtdiskriminierenden Beschränkungen abgrenzen. 603 Durch die Zugangsbeschränkung können fremde und eigene Staatsangehörige gleichermaßen betroffen sein. 604 Wenn hiervon abweichend in allen Fällen der Anerkennung ausländischer Diplome nur eine mittelbare Diskriminierung gesehen wird, da solche Regeln evident mehr Ausländer beträfen,605 so ist auf die Entscheidungen des EuGH zu der Anerkennung ausländischer Qualifikationen eigener Staatsangehöriger hinzuweisen. Auch der Generalanwalt macht in seinen Schlußanträgen zu der Rechtssache Vlassopoulou deutlich, daß Art. 43 EG nationalen Regelungen entgegensteht, die Gemeinschaftsbürger dann benachteiligen
EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Sig. 11999, S. 4773, 4803, Rn. 30. EuGH, Urteil v. 7. 5. 1991 (Vlassopoulou), Sig. 11991, S. 2357, 2383, Rn. 15. 601 EuGH, Urteil v. 1. 2.1996 (Aranitis), Sig. 11996, S. 135, 157, Rn. 31. 602 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 506 =EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 17, Rn. 26. 603 Groeben / Thiesing / Ehlermann / Troberg Art. 52 EGV, Rn. 58. 604 Siehe oben 1. Kapitel, IV., 3. 605 Callies / Ruffert / Bröhmer Art. 43 EG, Rn. 30; Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 600. 599
600
142
1. Kap. : Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
können, wenn sie ihre Tätigkeit über das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausdehnen wollen. 606 Für eine Ansiedlung der Verfahrensrechte im Beschränkungsverbot spricht auch ihre Herleitung durch den EuGH. Bereits in der Entscheidung aus dem Jahre 1977 bezieht sich der EuGH auf Art. 10 EG, der die Mitgliedstaaten zur Förderung der Ziele des Vertrages verpflichtet. 607 Die Freiheit sei unzulässig beschränkt, wenn einer unter den Anwendungsbereich des Vertrages fallenden Person der Zugang zum Arbeitsmarkt allein deshalb versagt werde, weil sie nicht im Besitz eines als gleichwertig anerkannten Prüfungszeugnisses dieses Landes sei. 60S Der Beschränkungsgedanke wird in dieser Formulierung hervorgehoben. Die Begründung der Verfahrensrechte ist mit der Herleitung des Beschränkungsverbots identisch. Beide stellen auf den fundamentalen Grundsatz der Freizügigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG ab. Das Verfahrensrecht findet seinen Ursprung daher nicht im Diskriminierungsverbot. 609 Das anerkannte Verfahrensrecht aus nationalen Grundrechten 610 verdeutlicht den absoluten Inhalt des Verfahrensrechts und damit dessen Herkunft aus dem den Grundrechten nahestehenden allgemeinen Beschränkungsverbot. Das BVerfG leitet diese Verpflichtung aus der objektiven Wertordnung und dem materiellen Gehalt der Grundrechte ab. 611 Der Grundrechtsschutz sei durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken und die Grundrechte beeinflußten maßgeblich das gesamte materielle und Verfahrensrecht, soweit dies für einen effektiven Grundrechtsschutz erforderlich sei. 612 Um ihre Funktion in der sozialen Wirklichkeit erfüllen zu können, bedürften Grundrechte geeigneter Organisationsformen und Verfahrensregelungen. 613 Zugleich wirkten die Grundrechte auf das bestehende Verfahrens- und Organisationsrecht mit ihrem materiellen Aspekt ein, soweit dies für den Grund-
606 Generalanwalt Van Gerven, Schlußanträge v. 28.11. 1990 zu EuGH, Urteil v. 7. 5.1991 (Vlassopoulou), Sig. I 1991, S. 2357, 2370, Rn. 10. 607 EuGH, Urteil v. 28. 4.1977 (Thieffry), Slg. 1977, S. 765, 777, Rn. 15!18. 608 EuGH, Urteil v. 28. 4.1977 (Thieffry), Sig. 1977, S. 765, 778, Rn. 19. 609 So auch Classen, EWS 1995, S. 98, 103. 610 BVerfG, Beschluß v. 20. 12. 1979, BVerfGE 53, S. 30, 65; BVerfG, Beschluß v. 17.4. 1991 , BVerfGE 84, S. 59,72; BVerfG, Beschluß v. 22. 2. 1994, BVerfGE 90, S. 60, 96; BVerfG, Beschluß v. 17. 4. 1991, BVerfGE 84, S. 34, 45; BVerfG, Beschluß v. 14. 12. 1993, BVerfGE 89, S. 340, 342; Dreier; Jura 1994, S. 505, 511; Isensee! Kirchhof! Denninger; Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 113, Rn. 5 ff. 611 BVerfG, Beschluß v. 20. 12. 1979, BVerfGE 53, S. 30, 65, im Schrifttum ist die Herleitung aus dem objektiven Charakter der Grundrechte oder aus dem Abwehrcharakter umstritten: Dreier; Jura 1994, S. 505, 511 ; Isensee! Kirchhof! Denninger; Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 113, Rn. 4. 612 BVerfG, Beschluß v. 20. 12. 1979, BVerfGE 53, S. 30, 65; BVerfG, Beschluß v. 17.4.1991, BVerfGE 84, S. 34,45. 613 Abweichende Stellungnahme zu BVerfG, Beschluß v. 20. 12. 1979, BVerfGE 53, S. 30, 71.
VII. Verfahrensrechte aus Art. 39 EG
143
rechtsschutz erforderlich sei. 614 Prozeduraler Grundrechtsschutz sei vor allem dort geboten, wo die Grundrechte ihre materielle Schutzfunktion nicht himeichend erfüllen könnten. 615 Das sei der Fall, wenn das Grundrecht keine materiellen Maßstäbe für bestimmte grundrechts relevante staatliche Maßnahmen zu liefern vermöge und folglich eine Ergebniskontrolle am Maßstab des Grundrechts entfiele. 616 Die Argumentation ähnelt stark der Herleitung des Verfahrensrechts aus Art. 39 i.V.m. Art. 10 EG. Das Erfordernis einer nationalen Qualifikation konnte der EuGH nicht über Art. 39 EG verwerfen, da sie im Gegenschluß zu Art. 47 Abs. 1 EG zulässig war. Indes bedurfte es zur Sicherung der Grundfreiheit eines Verfahrens, in dem das ausländische Diplom gepriift werden konnte, um den Freizügigkeitsschutz aufrechtzuerhalten. Die Ausübung des Grundrechts hing im konkreten Fall vom erfolgreichen Durchlaufen eines Verfahrens ab, da die Tätigkeit auch ohne eine solche Priifung ausgeübt werden konnte,617 der ausländische Arbeitnehmer hatte ja infolge seines nationalen Diploms die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse, um den bestimmten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben. Indes konnte ihm dies aus formalen Griinden verweigert werden. Um aber dennoch die Grundfreiheit ausüben zu können, mußten in einem Anerkennungsverfahren die vergleichbaren Kenntnisse beschieden werden. Folglich ist die Ableitung der Verfahrensrechte aus Art. 39 EG eng verwandt mit den Verfahrensrechten aus den Grundrechten und entfaltet deshalb unabhängig von Diskriminierungen als Ausfluß des Beschränkungsverbots objektiven Charakter.
4. Umfang der Verfahrensrechte Damit ist grundsätzlich anerkannt, daß die Freizügigkeit der Arbeitnehmer durch die Einrichtung bestimmter Verfahren zu schützen iSt. 618 Fraglich ist nur in welchem Umfang. Nach Ansicht des EuGH muß das Verfahren den Behörden des Aufnahmemitgliedstaates die Möglichkeit geben, objektiv festzustellen, ob ein ausländisches Diplom seinem Inhaber die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt wie das vergleichbare nationale Diplom. 619 Die Beurteilung der Gleichwertigkeit müsse sich an den bescheinigten Kenntnissen und Fähigkeiten unter Beriicksichtigung der Art und Dauer des Studiums und der praktischen Ausbildung orientieren. 62o Der Mitgliedstaat müsse Diplome, Priifungszeugnisse und sonstige
614 615 616 617
618 619 620
BVerfG, Beschluß v. 17.4. 1991, BVerfGE 84, S. 59, 72. BVerfG, Beschluß v. 22. 2. 1994, BVerfGE 90, S. 60, 96. BVerfG, Beschluß v. 22. 2. 1994, BVerfGE 90, S. 60, 96. Isensee! Kirchhof! Denninger; Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 113, Rn. 5 ff. EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Sig. 1987, S. 4097, 4116, Rn. 13. EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097, 4116, Rn. 13. EuGH, Urteil v. 7. 5.1991 (Vlassopoulou), Sig. 11991, S. 2357, 2384, Rn. 17.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Befähigungsnachweise, die der Betroffene erworben habe, um den gleichen Beruf erfolgreich auszuüben, mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen. 621 Neben den Fachkenntnissen seien auch sonstige Befähigungsnachweise sowie die Berufserfahrung des Betroffenen zu beachten. 622 Zwar könne der Mitgliedstaat in seiner Prüfung objektiven Unterschieden in der Ausbildung Rechnung tragen, doch müsse dem Betroffenen bei einer Vergleichbarkeit ein Nachweis darüber erstellt werden, daß er die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitze. 623 Entsprächen sich die Kenntnisse und Fähigkeiten, müsse der Mitgliedstaat anerkennen, daß das ausländische Diplom den in dem Mitgliedstaat aufgestellten Voraussetzungen genüge. Andernfalls könne der Mitgliedstaat verlangen, daß der Betroffene die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten nachträglich erwerbe und nachweise. 624 Das Prüfungsverfahren müsse nach einem Verfahren vorgenommen werden, das einen effektiven Schutz der den Gemeinschaftsangehörigen durch den Vertrag verliehenen Grundrechte sicherstelle.625 Jede behördliche abschließende Entscheidung müsse gerichtlich auf ihre Rechtmäßigkeit und ihre Konformität mit dem Gemeinschaftsrecht überprüft werden können. 626 Art. 6 und 13 der EMRK garantierten ein faires Verfahren und eine wirksame Beschwerde bei der Verletzung subjektiver Rechte. 627 Für die Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle müsse der Betroffene von allen Gründen Kenntnis erhalten können, auf denen die ihm gegenüber ergangene Entscheidung beruhe. 628 Das "yerfahren müsse zudem für alle Betroffenen leicht zugänglich sein und dürfe nicht von der Zahlung überhöhter Verwaltungsgebühren abhängen. 629 Unterlasse der Betroffene ein Anerkennungsverfahren und werde deshalb mit Sanktionen bedroht, so dürften diese nicht außer 621 EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. 11999, S. 4773, 4804, Rn. 31; EuGH, Urteil v. 25. 7. 1991 (Kommission/Italien), Slg. I 1991, S. 4193,4202, Rn. 11; EuGH, Urteil v. 22. 3. 1994 (Kommission/Spanien), Slg. I 1994, S. 923, 941, Rn. 13; EuGH, Urteil v.30. 11. 1995 (Gebhard), Slg. 11995, S. 4165, 4198, Rn. 38; Hai/bronner; Handkommentar zum EUV /EGV, Art. 48 EGV, Rn. 56. 622 EuGH, Urteil v. 9. 2. 1994 (Haim I), Slg. I 1994, S. 425, 448, Rn. 28; EuGH, Urteil v. 8.7. 1999 (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4804, Rn. 34, 35. 623 EuGH, Urteil v. 7. 5. 1991 (Vlassopoulou), Slg. I 1991, S. 2357, 2384, Rn. 18, 19. 624 EuGH, Urteil v. 7. 5. 1991 (Vlassopoulou), Slg. I 1991, S. 2357, 2384, Rn. 18, 19; EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4804, Rn. 32; EuGH, Urteil v. 9. 2. 1994 (Haim I), Slg. 11994, S. 425, 448, Rn. 28; Wasmeier; EuZW 1999, S. 746, 749. 625 EuGH, Urteil v. 7. 5. 1991 (Vlassopoulou), Slg. 11991, S. 2357, 2385, Rn. 22. 626 EuGH, Urteil v. 7. 5. 1991 (Vlassopoulou), Slg. 11991, S. 2357, 2385, Rn. 22; EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Slg. 11993, S. 1663, 1698, Rn. 40; Hai/bronner; Handkommentar zum EUV / EGV, Art. 48 EGV, Rn. 56; Groeben / Thiesing / Ehlermann / Wölker Art. 48 EGV,Rn.35. 627 EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Hey1ens), Slg. 1987, S. 4097, 4117, Rn. 14. 628 EuGH, Urteil v. 15. 10. 1987 (Heylens), Slg. 1987, S. 4097, 4117, Rn. 15. 629 EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Slg. I 1993, S. 1663, 1698, Rn. 39; Hai/bronner; Handkommentar zum EUV /EGV, Art. 48 EGV, Rn. 57a.
VIII. Beschränkung durch Nichtgewähr einer Leistung?
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Verhältnis zum begangenen Verstoß stehen. 63o Die Sanktionen dürften nicht so schwer sein, daß sie ein Hindernis für die Freizügigkeit begründeten. 631 Das Verfahrensrecht verleiht dem Arbeitnehmer weitgehende Rechte, die dem Schutz der Freizügigkeit dienen. Den Grundsätzen des EuGH ist daher zuzustimmen.
5. Rechtsfolge Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gewährt dem Arbeitnehmer somit ein Recht, seine im Ausland erworbenen Qualifikationen anerkennen zu lassen. Das Verfahrensrecht ist sowohl vorgerichtlicher als auch gerichtlicher Natur. Der Arbeitnehmer kann von der Verwaltung verlangen, daß sie das Diplom anerkennt, er muß sich nicht stets auf eine gerichtliche Entscheidung verweisen lassen. Neuerdings hat der EuGH sogar für die Verletzung der Verfahrensrechte einen Schadensersatzanspruch gegen den Mitgliedstaat gewährt,632 der auf den Verdienstausfall der Zeit gerichtet ist, in der die Tätigkeit mangels anerkannter Diplome nicht ausgeübt werden konnte.
6. Ergebnis Der EuGH hat mit den Verfahrensrechten ein weiteres Element in die Dogmatik der Grundfreiheiten eingefügt, das den nationalen Grundrechten verwandt ist. Das Verfahrensrecht schützt den Arbeitnehmer bei der Anerkennung ausländischer Diplome und verpflichtet den Mitgliedstaat, eine nach dem Vertrag zulässige Beschränkung der Freizügigkeit durch gerichtliche und behördliche Verfahren weitgehend auszugleichen.
VIII. Beschränkung durch Nichtgewähr einer Leistung? Den Schutzpflichten und den Verfahrensrechten aus Grundfreiheiten ist das Problem staatlicher Leistungspflichten aus Grundrechten und Grundfreiheiten verwandt. Diese Ausprägung der grundfreiheitlichen Wertordnung ist bisher noch weEuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Slg. 11993, S. 1663, 1699, Rn. 41. EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Slg. I 1993, S. 1663, 1699, Rn. 42; Hailbronner, Handkornrnentar zum EUV /EGV, Art. 48 EGV, Rn. 57a. 632 EuGH, Urteil v. 4. 7. 2000 (Haim 11), Slg. 12000, S. 5123, 5163 = EuZW 2000, S. 733, 735, Rn. 46 ff. 630 631
10 Roloff
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
nig erörtert,633 fügt sich aber wegen des objektiven Charakters der Schutzpflichten und Verfahrensrechte als status positivus in die Dogmatik der Grundfreiheiten ein. Diese Frage stellt sich nicht, wenn lediglich aus der Abwehrkomponente der Grundfreiheit Ansprüche erwachsen, etwa der Anspruch auf Gewähr einer Aufenthaltserlaubnis aus Art. 39 Abs. 3 EG. Dieser Anspruch ist bereits Teil des Abwehrrechtes und nur wegen des grundsätzlichen Erfordernisses einer Aufenthaltsgenehmigung für Ausländer notwendiges Element der Grundfreiheit. Es geht bei den Leistungsrechten vielmehr um Ansprüche auf Zahlung einer Geldleistung oder auf Gewähr eines bestimmten Vorteils etwa aus den Systemen der sozialen Sicherheit. Untedäßt es ein Mitgliedstaat, einem Staatsangehörigen eine Leistung zu gewähren, oder schließt er bestimmte Gruppen von einem Anspruch aus, könnte darin eine Beschränkung der Freizügigkeit gesehen werden. Auch hier bietet sich ein rechtsvergleichender Blick in die nationale Grundrechtsdogmatik an. Neben den ausdrücklichen Leistungsbestimmungen im Grundgesetz (Art. 1 Abs. 1 S. 2, 6 Abs. 4 und 5, 7 Abs.4 S. 3, 103 Abs. 1, 104 Abs. 2, 116 Abs. 2 S. 1 GG) wird versucht, abwehrrechtlichen Grundrechtsbestimmungen im Wege einer Objektivierung und der Gewährung realer Freiheit leistungsrechtliche Zusatzelemente abzugewinnen. 634 Dabei wird zwischen derivativen und originären Leistungsansprüchen aus Grundrechten unterschieden. 635 Derivative Ansprüche ergeben sich aus den Grundrechten i.Y.m. Art. 3 GG und dem Grundsatz der gleichberechtigten Teilhabe an bestehenden staatlichen Leistungen. 636 Originäre Ansprüche sind hingegen auf die Einräumung eines bisher nicht bestehenden staatlichen Anspruchs gerichtet. Der derivative Anspruch ist in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt, selbst wenn er nicht als solcher bezeichnet wird. 637 Werden ausländischen Arbeitnehmern Leistungen in diskriminierender Weise vorenthalten, ist die diskriminierende Einzelmaßnahme unwirksam, an ihre Stelle tritt die Maßnahme, die für die Nichtdiskriminierten gilt. 638 In diesen Fällen geht der EuGH also davon aus, daß die leistunggewährende Regelung unterschiedslos auf die gesetzlich Ausgeschlossenen anzuwenden ist. Dies muß genauso gelten, wenn grenzüberschreitende Vorgänge durch das Vorenthalten bestimmter Leistungen diskriminiert werden. Den grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmern ist die gleiche Leistung zu gewähren wie den im Inland verbleibenden. 633 Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 190, 191: "Die Grundfreiheiten als transnationale Teilhaberechte". 634 Sachs Vor Art. 1 GG, Rn. 49. 635 Sachs Vor Art. 1 GG, Rn. 49. 636 637
Stern, Staatsrecht Band III/l, S. 700, 749. So wohl auch Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 192, der von einem Teilhabe-
recht spricht. 638 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 376, 394, Rn. 57; EuGH, Urteil v. 15. 1. 1998 (Clean Car Autoservice), Slg. 11998, S. 60, 70, Rn. 33; Callies I Ruffert I BrechlTUlnn Art. 39 EG, Rn. 51, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 141 EG; Erfurter Kommentar I Schlachter, Art. 141 EG, Rn. 21.
VIII. Beschränkung durch Nichtgewähr einer Leistung?
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Fraglich ist, ob bei den Grundfreiheiten auch originäre Anspriiche etwa aus Art. 39 EG begriindet werden können. Diese Frage wird relevant, wenn Leistungen in einer die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beschränkenden Weise vorenthalten werden, ohne fremde Staatsangehörige zu diskriminieren. Originäre Anspriiche leiten sich im deutschen Verfassungsrecht unter besonderen Voraussetzungen aus dem Grundrecht selbst ab. Sie sind aber nur punktuell anerkannt. 639 Gegen eine grundsätzliche Existenz solcher Anspriiche wird eingewandt, daß die Grundrechte keinen allgemeinen sozialen Gehalt haben. 64O Der Grundgesetzgeber habe im Gegenschluß zu den ausdriicklichen Leistungsrechten des Grundgesetzes solche Anspriiche nicht allgemein anerkannt. Außerdem seien solche Anspriiche zu unbestimmt und kollidierten mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung, da es immer noch Sache des Gesetzgebers sei, Anspriiche und Leistungssysteme auszugestalten. 641 Das BVerfG und das BVerwG haben originäre Anspriiche aus Grundrechten bisher mit der Begriindung abgelehnt, daß es an einer evidenten Verletzung des Grundrechts fehle oder daß der Anspruch für die Grundrechtsausübung nicht unerläßlich sei. 642 Das BVerwG gewährt einen Anspruch auf die Bereitstellung bestimmter Grundvoraussetzungen, wenn deren Fehlen das Grundrecht wertlos machen würde. 643 Bei der Freizügigkeit könnte argumentiert werden, daß die Gewähr staatlicher Förderung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Arbeitslosen- oder Sozialhilfe) für die Ausübung der Freizügigkeit erforderlich ist, um in einem fremden Mitgliedstaat voriibergehend gesichert nach einem neuen Arbeitsplatz suchen zu können. Wäre der Arbeitnehmer infolge einer Regelung, die ihn von Leistungen ausschließt oder ihm keine Leistungen gewährt, daran gehindert, seine Tätigkeit grenzüberschreitend anzubieten, so stellte die Nichtgewähr eine mögliche Beschränkung des Zugangs zu fremden Arbeitsmärkten dar. Für die Anerkennung originärer Leistungspflichten spricht, daß die Grundfreiheiten über den Binnenmarkt und die Vorschriften der Art. 3 Abs. 1lit. c), 10, 14 Abs. 2 EG eine objektive Wertordnung vermitteln. Das verdeutlicht die Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach Art. 10 EG, Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen des Vertrages zu treffen. Art. 39 Abs. 1 EG spricht inzwischen sogar von der Gewährleistung der Freizügigkeit, was ein positives Verständnis zuläßt. Die Gewaltenteilung und die Zielsetzung der Grundfreiheiten stehen aber wie bei den Grundrechten umfänglichen originären Leistungspflichten aus Grundfreiheiten entgegen. Für die Ausübung der Freizügigkeit kann allenfalls eine Verpflichtung anerkannt werden, Minimalvoraussetzungen oder eine Realisierungshilfe zu gewähren, die für die Ausübung der BVerwG, Urteil v. 16.9. 1980, NJW 1981, S. 535, 536; Sachs Vor Art. 1 GG, Rn. 49. IsenseelKirchhoflMurswiek, Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 112, Rn. 91; zum Leistungsinhalt sozialer Grundrechte siehe Saarl. VerfGH, Beschluß v. 9. 6. 1995, NJW 1996, S. 383 ff. 641 Isensee I Kirchhofl Murswiek. Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 112, Rn. 93. 642 BVerfG. Urteil v. 18.7. 1972, BVerfGE 33, S. 303, 332, BVerwG, Urteil v. 16.9. 1980, NJW 1981, S. 535, 536. 643 BVerwG, Urteil v. 23.10.1996, NJW 1996, S. 2465, 2466. 639
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Grundfreiheit unerläßlich ist. Derivative Anspriiche sind somit aus Art. 39 EG anzuerkennen. Originäre Leistungsanspriiche dürften regelmäßig ausscheiden.
IX. Negative Freizügigkeit Art. 39 EG könnte dem Arbeitnehmer ein Abwehrrecht vor der Verpflichtung zur Ausübung seiner Freizügigkeit gewähren. Dieser Gehalt wird relevant, wenn Arbeitsuchenden nicht mehr nur Arbeitsplätze im Ausland angeboten werden,644 sondern Arbeitslose verpflichtet würden, Arbeitsplätze im europäischen Ausland aufzunehmen. Der Arbeitnehmer könnte sich darauf berufen, nicht zur Ausübung der Freizügigkeit verpflichtet werden zu können, und sich so gegen die Verpflichtung zur grenzüberschreitenden Verlagerung seiner Arbeitskraft wehren. Dieser Ansatz wird bei deutschen Grundrechten als negative Grundrechtsfunktion bezeichnet. 645 Der Berechtigte kann sich darauf berufen, von seinem Grundrecht keinen Gebrauch machen zu wollen und damit staatliche Maßnahmen abwehren, die ihn zu einem Gebrauch zwingen. Nach den bereits gefundenen Parallelen zwischen der Freizügigkeit und nationalen Grundrechten liegt diese weitere Verwandtschaft nahe. Der negative Gehalt der Freizügigkeit ließe sich aus dem Abwehrcharakter der Grundfreiheit ableiten. Die Anwendbarkeit des Art. 39 EG setzt aber einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus. Will der Arbeitnehmer in einem Mitgliedstaat verweilen, fehlt es am notwendigen grenzüberschreitenden Sachverhalt, um das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG auszulösen, er kann sich folglich auch nicht auf die Freizügigkeit berufen, wenn er einen grenzüberschreitenden Sachverhalt verhindern möchte. Außerdem ist die Zielsetzung der Freizügigkeit gerade auf die Herbeiführung und nicht die Verhinderung des Binnenmarktes gerichtet. Zwar könnte argumentiert werden, daß der negative Aspekt der Freizügigkeit dem positiven vorgelagert ist und deren Anwendung antezipiert. Doch wird bei der Freizügigkeit der Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots durch den grenzüberschreitenden Vorgang begriindet. 646 Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG kann nicht eingreifen, wenn die verhinderte Maßnahme keine grenzüberschreitenden Merkmale aufweist. Eine Ausnahme besteht für das speziell eingeräumte Verbleiberecht aus Art. 39 Abs. 3 lit. d) EG. Ein Arbeitnehmer darf nach ausgeübter Berufstätigkeit gemäß Art. 39 Abs. 3 lit. d) i. Y.m. VO 1251 /70 im Mitgliedstaat verbleiben. Aus diesem besonderen Recht, das zudem durch eine VO gewährt wird, läßt sich kein allgemeiner negativer Gehalt des im Wege der Rechtsfortbildung und damit in Abgren644 Nach einem Gesetzentwurf des Bundesrats sollen grenznahe Arbeitsämter die Arbeitslosigkeit grenzüberschreitend bekämpfen können; BT-Drucks. 14/5013, S. 5, 6. 645 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 199. 646 Siehe oben 1. Kapitel, III. 3.
X. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht
149
zung zu Art. 39 Abs. 3 EG hergeleiteten Beschränkungsverbots des Art. 39 EG ableiten. Art. 39 EG gewährt somit kein negatives Freizügigkeitsrecht.
x. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht Im Arbeitsrecht gibt es eine Vielzahl von Vorschriften, die an die Aufnahme und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder an dessen grenzüberschreitende Verlagerung anknüpfen und damit in engem Zusammenhang mit dem Zugang zu fremden Arbeitsmärkten stehen. Nach den entwickelten Grundsätzen sind diese Regelungen am Beschränkungsverbot des Art. 39 EG der Arbeitnehmer zu messen.
1. Nichtgewähr einer Abfertigung nach § 23 Österreichisches Angestellten Gesetz (ÖAngG) a) Problematik
§ 23 ÖAngG knüpft an das Verlassen des nationalen Arbeitsmarktes an und könnte daher eine Beschränkung der Freizügigkeit begründen. Die Vorschrift, über dessen Beschränkungsgehalt der EuGH am 27. 1. 2000647 entschieden hat, gewährt dem Arbeitnehmer einen nach Dienstjahren gestaffelten Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung nach der Kündigung. Dieser entsteht nach 3 Dienstjahren und beträgt das Zweifache des für den letzten Monat gezahlten Entgelts. Die Höhe der Abfindung steigt gestaffelt bis zum 25. Dienstjahr auf das Zwölffache des Entgelts für den letzten Monat an (§ 23 Abs. 5 ÖAngG). Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder wenn ihn ein Verschulden an der vorzeitigen Entlassung trifft. In den Auswirkungen ähnelt diese gesetzliche Regelung stark der deutschen Abfindungspraxis außerhalb von § 9 KSchG. Zwar haben sich zu dieser Praxis noch keine richterrechtlichen Grundsätzen herausgebildet, da keine gesetzesähnlichen Anspruchsvoraussetzungen aufgestellt werden. Doch werden in Deutschland regelmäßig bei nicht durch den Arbeitnehmer verursachten Kündigungen im Kündigungsschutzprozeß Abfindungen gewährt. 648 Diese richten sich in der Regel auch nach der Betriebszugehörigkeit (halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr). Österreich hat dieses Prinzip kodifiziert.
647 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493 ff. = EuGRZ 2000, S. 48 ff. = EuZW 2000, S. 252 f. 648 Zur Abfindungspraxis Hümmerich, NZA 1999, S. 342, 343.
150
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Die Regelung könnte die Freizügigkeit beschränken, da Arbeitnehmer keine Abfertigung erhalten, wenn sie das Arbeitsverhältnis kündigen, um in einem anderen Mitgliedstaat eine berufliche Tätigkeit anzunehmen.
b) Ansicht des EuGH Der EuGH hat unter Hinweis auf die "zu mittelbare und ungewisse" Auswirkung der Maßnahme auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer eine Beeinträchtigung des Art. 39 EG abgelehnt. 649 Der Abfertigungsanspruch hänge nicht von der Entscheidung des Arbeitnehmers ab, ob er bei seinem bisherigen Arbeitgeber verbleiben wolle, sondern von einem zukünftigen ungewissen Ereignis, nämlich der späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die der Arbeitnehmer weder herbeigeführt noch zu vertreten habe. 65o
c) Ansicht im Schrifttum Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, daß der Verlust des Abfindungsanspruchs nach 12 Arbeitsjahren zweifelsohne die innergemeinschaftliche Mobilität massiv beeinträchtige. 651 Der Verlust eines ganzen Jahresgehalts habe nicht nur unerhebliches Gewicht, sondern wirke massiv auf die Arbeitnehmerentscheidung ein.652 Ein Verstoß gegen Art. 39 EG wird dennoch bezweifelt, da dem EuGH nicht das Recht zustehe, die Schwere der entsprechenden Rechtfertigungsgründe zu überprüfen, und eine solche Judikatur die Inländerungleichbehandlung mit voller Wucht virulent werden lassen würde. 653 Die Freizügigkeit wird somit nicht durch § 23 ÖAngG beschränkt.
d) Ansicht des Generalanwalts Fennelly Auch der Generalanwalt Fennelly lehnt eine Beschränkung der Freizügigkeit ab. 654 Das Angestelltengesetz spreche dem Kläger den Betrag nicht wirklich ab. Die potentielle Vergünstigung werde dem Arbeitnehmer nach der Kündigung eben649
EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. I 2000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50
650
EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Sig. 12000, S. 493, 523 = EuGRZ 2000, S. 48, 50
=EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 23. =EuZW 2000, S. 252, 253, Rn. 24. 651 652 653 654
Oetkerl Preis I Runggaldier, EAS, B 2000, Rn. 55. Oetker I Preis I Runggaldier, EAS, B 2000, Rn. 55. Oetker I Preis I Runggaldier, EAS, B 2000, Rn. 55. Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000
(Graf), Sig. I 2000, S. 493, 510 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 23, Rn. 34.
x. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht
151
so vorenthalten wie die Anwendung österreichischer Vorschriften über den Ersatz von Schäden aus Industrieunfällen. Der Arbeitnehmer habe sein Beschäftigungsverhältnis aufgegeben, bevor ein solcher Unfall geschehen konnte. 655 Der Umstand, daß die Abfindung von Gehalt und Dauer der Betriebszugehörigkeit abhänge, ändere nichts an der Tatsache, daß zum Zeitpunkt des Ausscheidens kein solcher Anspruch bestand. Der Verlust eines nur potentiellen und ungewissen Anspruchs sei viel zu unbedeutend, abgelegen und ungewiß, als daß er eine Beschränkung der Freizügigkeit darstellen könnte. e) Stellungnahme
Die Abfindungsregeln können entgegen der Ansicht des Generalanwalts Fennelly nicht mit Schutzvorschriften am Arbeitsplatz verglichen werden, da erstere an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen und damit grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots fallen. Arbeitsschutzvorschriften betreffen hingegen das laufende Arbeitsverhältnis und haben als berufliche Ausübungsregeln keinen Beschränkungscharakter. Auch die Annahme einer zu ungewissen und zu mittelbaren Beschränkung ist nicht zur Konkretisierung des Art. 39 EG geeignet. Vielmehr ergibt sich unter Anwendung der entwickelten Kriterien ein differenzierteres Bild.
aa) Abwehrrecht aus Art. 39 EG
§ 23 ÖAngG schließt nicht den Weggang von einem Arbeitsmarkt als solchen aus. Die Regelung betrifft allein die Modalitäten beim Verlassen des österreichischen Arbeitsmarktes, indem sie Arbeitnehmern, die den Arbeitsmarkt freiwillig verlassen, einen Abfindungsanspruch gegen den Arbeitgeber verwehrt. Eine Regelung über das "Wie" des Verlassens eines Arbeitsmarktes kann eine Beschränkung der Freizügigkeit begriinden, wenn sie die Ausübung der Freizügigkeit final, unmittelbar oder kausal behindert oder grenzüberschreitende Vorgänge diskriminiert. Grenzüberschreitende Vorgänge werden gegenüber im Inland verbleibenden Ar-' beitnehmern durch die Vorschrift nicht benachteiligt, da alle Arbeitnehmer beim selbstverursachten Wechsel des Arbeitsplatzes ihren Abfindungsanspruch verlieren. Der besondere Schutzzweck der Freizügigkeit ist somit nicht verletzt. Man könnte den Kreis der Vergleichsgruppe zwar erweitern und die Benachteiligung mobiler Arbeitnehmer genügen lassen. Eine Erweiterung der Vergleichsgruppe ist jedoch problematisch, da für die Anwendbarkeit des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG stets ein grenzüberschreitender Vorgang erforderlich ist. Zweck des Art. 39 EG ist zudem nicht der umfassende Schutz der Arbeitnehmermobilität, 655 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Grat), Slg. I 2000, S. 493, 510 =EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 23, Rn. 34.
152
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
sondern das Verbot der Beschränkung grenzüberschreitender Vorgänge. Eine solche bewirkt § 23 ÖAngG jedoch nicht. Die Regelung hat auch keine unmittelbar freizügigkeitsregelnde Tendenz. Sie bezweckt nicht die Beschränkung des grenzüberschreitenden Wechsels des Arbeitsmarktes. Zwar kann die Nichtgewähr der Abfindung ein Motiv für den Arbeitnehmer sein, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Indes zielt die Regelung auf die finanzielle Überbrückung der Arbeitslosigkeit nach der unfreiwilligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. 656 Möglicherweise ist die Regelung aber in ihren tatsächlichen Auswirkungen geeignet, den Weggang vom nationalen Arbeitsmarkt und damit die Ausübung der Freizügigkeit unmittelbar zu beschränken. Das Vorenthalten einer gesetzlichen Leistung begründet keine tatsächliche Beschränkung des Weggangs, da der Anspruch in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer steht, nicht als Anwartschaft beim Arbeitnehmer gesichert ist und damit noch nicht als vermögenswerter Posten entzogen werden kann. Der Arbeitnehmer erhält zwar einen nach Dienstjahren gestaffelten Anspruch, indes ist dieser Anspruch keine Gegenleistung für eine Leistung des Arbeitnehmers. Der Anspruch wird dem Arbeitnehmer auch nicht unter einer aufschiebenden Bedingung im Laufe des Arbeitsverhältnisses versprochen, sondern entsteht kraft Gesetz erst am Ende des Arbeitsverhältnisses, so daß der Arbeitnehmer bei freiwilliger Beendigung des Arbeitsverhältnisses lediglich keine finanzielle Unterstützung vom Arbeitgeber erhält. Die Regelung entfaltet somit sehr schwache Bindungswirkung. Denkt man sie außerdem hinweg, erhielte überhaupt kein Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch. Der Arbeitnehmer stünde bei der Eigenkündigung genauso, als wenn es das Abfindungssystem überhaupt nicht gäbe. Die Maßnahme ist daher nicht kausal für eine Beschränkung der Freizügigkeit. Die Regelung beschränkt damit nicht die Freizügigkeit der Arbeitnehmer.
bb) Leistungsrecht aus Art. 39 EG
Dennoch könnte das Vorenthalten des Anspruchs eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit begründen, sofern die Gewähr einer Abfindung vom Leistungsgehalt des Art. 39 EG erlaßt ist. Dies begegnet jedoch starken Bedenken, da der Gesetzgeber und nicht die Judikative Leistungssansprüche gewährt. In den Fällen, in denen der Anspruch aus dem Recht selbst erwächst und dessen Abwehrseite widerspiegelt, können sich aus dem Vorenthalten von Leistungen Beeinträchtigungen ergeben. Da es aber nicht die Kehrseite der Freizügigkeit ist, Ansprüche gegen den Arbeitgeber auf finanzielle Unterstützung nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu gewähren, könnte allenfalls an eine gesetzgeberische Pflicht angeknüpft 656 EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. I 2000, S. 493, 518 = EuGRZ 2000, S. 48, 49 = EuZW 2000, S. 252, Rn. 8.
x. Anwendungsbeispie1e im Arbeitsrecht
153
werden, auch den kündigenden Arbeitnehmern einen Abfindungsanspruch einzuräumen, wenn sie ihre Tätigkeit grenzüberschreitend verlagern wollen. Man stellte dann darauf ab, daß der Gesetzgeber diesen Anspruch für die Ausübung der Grundfreiheit eigentlich gewähren müßte. Fraglich ist aber, ob die Nichtgewähr eines Anspruchs überhaupt die Freizügigkeit beschränken kann. Solange eine Leistung nicht auf einer grundfreiheitlichen Verpflichtung beruht, kann ihre nichtdiskriminierende Vorenthaltung auch keine Beeinträchtigung der Grundfreiheit begründen. Eine Beschränkung könnte bejaht werden, wenn die Leistung für die Ausübung der Freizügigkeit unerläßlich wäre. Unerläßlich ist der Anspruch jedenfalls nicht für den Arbeitnehmer, der bereits eine Anschlußbeschäftigung im anderen Mitgliedstaat hat. Anderes könnte gelten, wenn der Arbeitnehmer den nationalen Arbeitsmarkt verläßt, um sich erst eine Neuanstellung in einem anderen Mitgliedstaat zu suchen. Die Überbrückungshilfe kann dann für den arbeitsuchenden Arbeitnehmer die Finanzierung der grenzüberschreitenden Verlagerung seiner Arbeitskraft sicherstellen. Der Arbeitnehmer besitzt zwar in anderen Mitgliedstaaten keinen gebundenen Anspruch auf Sozialhilfe657 und hat während der Arbeitslosigkeit nur ein verkürztes Aufenthaltsrecht. 658 Indes hat er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gegen seinen Herkunftsstaat, den er nach Art. 69 va 1408171 ins Ausland exportieren kann, so daß ihm die Möglichkeit offensteht, seinen Unterhalt in dem Zielstaat übergangsweise zu bestreiten, ohne auf die Abfindung angewiesen zu sein. Folglich ist der Arbeitnehmer nicht ohne finanzielle Mittel gestellt, wenn er eine neue Stelle in dem Zielstaat sucht. Der Anspruch ist nicht unerläßlich für die Ausübung der Freizügigkeit, zumal sich der Leistungsgehalt des Art. 39 EG wenn überhaupt nur gegen den Staat, nicht aber gegen Private richten kann. Der kündigende Arbeitnehmer kann somit aus Art. 39 EG keinen Anspruch gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber ableiten.
f) Ergebnis
Die Nichtgewähr des Anspruch führt nicht zu einer Beeinträchtigung der Arbeitnehmer in ihrem Freizügigkeitsrecht. § 23 ÖAngG steht somit in Einklang mit Art. 39 EG.
2. 8perrzeit nach § 144 Abs. 1 Nr. 18GB III § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sperrt den Anspruch auf Arbeitslosengeld für 12 Wochen, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund kündigt. In Abkehr zum Überbrückungssystem des Arbeitslosengeldes soll denje657 Oestreicher/ Schelter/ Kunz/ Decker § 120 BSHG, Rn. 21 ff.; Rüfner, VSSR 1997, S. 59, 69. 658 EuGH, Urteil v. 18.6. 1987 (CPAS), Slg. 1987, S. 2811, 2839, Rn. 26.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
nigen Arbeitnehmern ein Anspruch verwehrt werden, die sich freiwillig gegen ihren Arbeitsplatz entscheiden. 659 Der Arbeitnehmer könnte in seiner Freizügigkeit beschränkt sein. § 144 SGB III entzieht dem Arbeitnehmer aber keine Vermögensposition, sondern enthält ihm einen Anspruch gegen den Staat vor. Dieser Anspruch ist noch nicht im Vermögen des Arbeitnehmers verfestigt, so daß der Ausschluß des Anspruchs eine sehr geringe Bindungswirkung entfaltet. Die gesetzliche Regelung schließt den Anspruch auch bloß für einen Zeitraum von zwölf Wochen aus und sieht Ausnahmen bei unzumutbaren Härten vor (§ 144 Abs. 3 SGB III). Die Regelung könnte außerdem hinweggedacht werden, ohne daß die Beschränkung entfiele. Ohne die Regelung besäße der Arbeitnehmer überhaupt keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Da die Regelung weder intensiv noch kausal auf die Freizügigkeit einwirkt, kommt allein ein Leistungsanspruch in Betracht, wenn die finanzielle Unterstützung für die Ausübung der Freizügigkeit unerläßlich ist. Zwar gewährt § 144 SGB III anders als § 23 ÖAngG einen Anspruch gegen den Staat. Drei Monate sind jedoch auch wegen der Möglichkeit der Verkürzung kein Zeitraum, den es unerläßlich finanziell zu überbrücken gälte, zumal sich der Arbeitnehmer auf eine von ihm selbst ausgesprochene Kündigung einstellen kann. Folglich beschränkt § 144 SGB III die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht.
3. Unverfallbarkeit der Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung nach § lb Abs.l S.l BetrAVG a) Problemstellung
Die Freizügigkeit könnte durch die Verfallbarkeit von Anwartschaften betrieblicher Altersversorgung beschränkt werden. Verläßt ein Arbeitnehmer vor dem 30. Lebensjahr und innerhalb fünf Jahre des Bestehens der Zusage den Betrieb, verliert er nach § Ib Abs. 1 BetrAVG seine vom Arbeitgeber versprochene Betriebsrente, die das Bestehen des Arbeitsverhältnisses bei Eintritt des Rentenalters voraussetzt. Die deutschen gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen waren vor der Vereinbarung auf fünf Jahre zum 1. 1. 2002 im europäischen Vergleich relativ lang. 660 Lediglich in Griechenland, Italien und Luxemburg war die Rechtslage noch ungünstiger, da keinerlei Unverfallbarkeit begründet wird. 661 Fraglich ist, ob die Vorschrift die Freizügigkeit beschränkt.
659 660
Niessei § 144 SGB III, Rn. 2. Aktuelle Übersicht bei Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht,
S.127. 661
Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 127.
x. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht
155
b) Ansicht im Schrifttum
Die Verfallbarkeit wird seit einiger Zeit im Schrifttum als Freizügigkeitsbeschränkung bewertet. 662 Sie sei geeignet, Arbeitnehmer von einem grenzüberschreitenden Wechsel der Arbeitsmärkte abzuhalten. 663 Das deutsche Recht nehme durch die langen Unverfallbarkeitsfristen die Beschränkung bewußt in Kauf. 664 Zwar habe die Gemeinschaft einen ersten Schritt hin zu einer Lösung des Problems mit der Richtlinie 98 /49 / EG unternommen. Es fehle aber an einer rechtlichen Angleichung der Unverfallbarkeit der unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten, die erforderlich wäre, um Freizügigkeitshindernisse zu vermeiden. 665 Das deutsche Betriebsrentenrecht sanktioniere die Kündigung des Arbeitnehmers 666 und stelle somit eine absolute Beschränkung der Freizügigkeit dar. 667
c) Stellungnahme
aa) Abwehrrecht" aus Art. 39 EG
Beschränkungen der Freizügigkeit sind unzulässig, wenn sie den Zugang zu einem fremden Arbeitsmarkt ausschließen. Einem Arbeitnehmer bleibt es trotz Verfallbarkeit seiner Ansprüche unbenommen, ein Arbeitsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat anzunehmen. Der Verlust des Anspruchs ist kein absolutes Hindernis für die Ausübung der Freizügigkeit. Er bildet möglicherweise sogar einen Einstellungsanreiz, da der neue Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, die betriebliche Altersversorgung weiterzuführen. Die späte Unverfallbarkeit der Anwartschaft betrifft jedenfalls die Modalitäten beim Verlassen eines Arbeitsmarktes, die die Freizügigkeit beschränkt, wenn sie zu einer Ungleichbehandlung grenzüberschreitender Sachverhalte führt. Der Verfall der Ansprüche begründet keine Ungleichbehandlung grenzüberschreitender Vorgänge. Auch der rein nationale Arbeitsplatzwechsel führt zur Verfallbarkeit der Anwartschaften. Folglich verstößt die Regelung nicht gegen den besonderen Schutzzweck des freizügigkeitsrechtlichen Beschränkungsverbots. Die späte Unverfallbarkeit der Anwartschaft könnte in ihren tatsächlichen Auswirkungen die Ausübung der Freizügigkeit beschränken. Verläßt der Arbeitnehmer 662 Steinmeyer, EuZW 1999, S. 645, 647; Rihm, supranationaler Schutz von Anwartschaften aus ergänzender Altersversorgung, S. 168; Blomeyer lOtto § I BetrAVG, Rn. 33; Arbeitsrecht-Blattei I Uebelhack, 460.1, Altersversorgung, Rn. 53i; Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 129; Steinmeyer, Festschrift Ahrend, S. 475, 491. 663 Steinmeyer, EuZW 1999, S. 645, 647. 664 Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 129 f. 66S Steinmeyer, EuZW 1999, S. 645, 649. 666 Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 129. 667 Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 130.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
den Arbeitsmarkt, ohne die Voraussetzungen des § Ib Abs. I S. I BetrAVG zu erfüllen, verliert er seine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung, die bereits einen gewissen rechtlich geschützten Wert besitzt. 668 Das macht auch der neue § I b Abs. 1 S. 6 deutlich, der die Frist auf grenzüberschreitende Vorgänge anwendet. Die Beiträge des Arbeitgebers zur privaten Altersversorgung sind Teil des Entgelts und Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte und erwartete Betriebstreue. 669 Anders als die Nichtgewähr eines staatlichen Anspruchs entzieht die Verfallbarkeit dem Arbeitnehmer eine verdiente Vermögensposition (Anwartschaft), die bereits hinreichend gesichert ist. Die Verfallbarkeit der Anwartschaften bewirkt eine tatsächliche Bindung an den Arbeitsplatz und beeinflußt damit den Arbeitnehmer in seiner Entscheidung, den Arbeitsplatz zu verlassen. Die verfallbare Gestaltung der Anwartschaften ist indes nicht durch das BetrAVG verbindlich vorgeschrieben, sondern ergibt sich aus den vom Arbeitgeber vorgegebenen Leistungsvoraussetzungen an das bestehende Arbeitsverhältnis bei Rentenantritt. Denkt man die Regelung des § Ib BetrAVG hinweg, würde keinerlei staatlich geregelte Unverfallbarkeit begründet und der Arbeitnehmer würde seine Anwartschaft im Falle einer Kündigung auch nach jahrelanger Betriebszugehörigkeit verlieren. Die Regelung bezweckt allein den besseren Schutz der betrieblichen Anwartschaften und damit der Arbeitsplatzwahlfreiheit der Arbeitnehmer. Das zeigt § Ib BetrAVG, indem er den Vertragsparteien die Möglichkeit zur Vereinbarung früherer Unverfallbarkeit gewährt und nur die Verfallklauseln begrenzt. 670 Die Regelung verursacht und bezweckt somit nicht die Bindung an den Betrieb. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wird somit nicht beschränkt. bb) Schutzpflicht aus Art. 39 EG
Jedoch könnte eine Schutzpflicht des Gesetzgebers vor Beschränkungen der Freizügigkeit durch Dritte bestehen. Die Freizügigkeit wird dann durch ein pflichtwidriges Unterlassen des Mitgliedstaates beeinträchtigt. An das pflichtwidrige Unterlassen des Mitgliedstaats sind aber besondere Anforderungen zu stellen. Eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit infolge Unterlassens setzt eine Pflicht zum Tätigwerden voraus. Diese Pflicht besteht, wenn die Freizügigkeit durch Maßnahmen Privater, die nicht auf einer privatautonomen Vereinbarung beruhen, erheblich beeinträchtigt wird. Weiterhin muß der Gesetzgeber trotz seines weiten Ermessens offenkundig ungeeignete und unzureichende Schutzmaßnahmen ergriffen haben. BAG, Urteil v. 10.3. 1972, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 5. BAG, Urteil v. 10. 3. 1972, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4; Handbuch der betrieblichen Altersversorgung/ Uebelhack 10, Rn. 15; Lemke, BB 1957, S. 512, 513; Wiedemann, RdA 1969, S. 244, 246; Höfer ART 2. Teil, Rn. 41; Dieterich, AuR 1971, S. 129, 131; EuGH, Urteil v. 17.5. 1990 (Barber), Slg. 11990, S. 1889, 1951, Rn. 22; Däubler, Festschrift Gnade, S. 95, 104; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 45 -47. 670 Erfurter Kommentar/ Steinmeyer § 1 BetrAVG, Rn. 1. 668
669
X. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht
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Der Arbeitgeber gewährt die Altersversorgung regelmäßig nicht durch einen individuell ausgehandelten Vertrag zwischen ihm und den Arbeitnehmern, sondern durch einheitliche Regelungen, die für den gesamten Betrieb vorgegeben und dann in den Individualvertrag übernommen werden. Der Arbeitnehmer kann die Leistung daher nur zu den vorgegebenen Bedingungen annehmen oder ganz auf sie verzichten. Die Leistungsvoraussetzungen, das Entstehen der Anwartschaften und die Verfallbarkeit der betrieblichen Altersversorgung werden somit nicht frei vereinbart. Die Verfallbarkeit der betrieblichen Anwartschaft beschränkt die Freizügigkeit außerdem besonders intensiv, da ein Arbeitnehmer in der Zeit bis zum Eintritt der Versorgungsbedingung (in der Regel das 65. Lebensjahr) einen erheblichen Beitrag zu seiner Altersversorgung verlieren kann, wenn er den Arbeitsplatz freiwillig wechselt. Da die betriebliche Altersversorgung außerdem die wichtigste Möglichkeit ist, die gesetzliche Mindestversorgung aufzustocken, ist ihr Verlust geeignet, den Arbeitnehmer bis zum Versorgungsfall an den Arbeitsplatz zu binden und dadurch die Freizügigkeit erheblich zu beschränken. Dies hat auch das BAG in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1972 entschieden und vor Einführung des BetrAVG einen Mindestschutz betrieblicher Anwartschaften begründet. 671 Fraglich ist jedoch, ob die Regelung des § I b BetrAVG die Freizügigkeit offenkundig unzureichend vor privaten Beschränkungen schützt. Der Gesetzgeber ist mit den Unverfallbarkeitsfristen tätig geworden. Nach der Formel des § 2 BetrAVG verliert ein Arbeitnehmer bei einem beruflichen Eintrittsalter von 25 Jahren bis zu 12,5% seiner Anwartschaft, wenn er das Arbeitsverhältnis innerhalb von fünf Jahren vorzeitig löst. Die gesetzgeberische Maßnahme ist daher nicht offenkundig unzureichend, da sie geeignet ist, nach fünf Jahren einen Schutz der Ansprüche zu gewährleisten. Zwar ist dies eine nicht nur unerhebliche Zeitspanne. Der Arbeitnehmer hat aber auch bei einer vorzeitigen Kündigung noch ausreichend Zeit, in einem anderen Mitgliedstaat eine neue Anwartschaft zu erwerben. Zudem müssen auch die Interessen der Arbeitgeber bei der Ausübung des legislativen Ermessens beachtet werden. Der Arbeitgeber hat in seiner unternehmerischen Freiheit ein berechtigtes Interesse daran, Arbeitnehmer durch freiwillige Leistungen an den Betrieb zu binden, zumal er zu einer betrieblichen Altersversorgung nicht gesetzlich verpflichtet ist. Die Regelung ist damit weder offenkundig ungeeignet noch völlig unzureichend, um dem Arbeitnehmer Schutz zu gewähren. Eine Verletzung der Schutzpflicht ist abzulehnen. Daran ändert der höhere Schutz betrieblicher Anwartschaften in anderen Mitgliedstaaten nichts. Die Geeignetheit nationaler Schutzmittel beurteilt sich nicht anhand eines Rechtsvergleichs ausländischer Vorschriften. Folglich hat der deutsche Gesetzgeber seiner Schutzpflicht durch § Ib Abs. 1 S. 1 BetrAVG genüge getan.
671
BAG, Urteil v. 10.3. 1972, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, BI. 8.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ce) Besonderheiten aufgrund § 17 Abs. 3 S. 1 BetrAVG
Problematisch ist die Öffnungsklausel in § 17 Abs. 3 S. 1 BetrAVG, die es Tarifvertragsparteien erlaubt, auch zuungunsten der Arbeitnehmer von den Berechnungsgrundsätzen des § 2 BetrAVG abzuweichen 672 und damit den Schutz der Unverfallbarkeit zu untergraben. Im deutschen Schrifttum wird jedenfalls die Halbierung673 der unverfallbaren Anwartschaft oder die Veränderung für die Vergangenheit674 für unzulässig gehalten. Die Öffnung für die Tarifparteien wird mit der hinreichenden Gewähr der angemessenen Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen begründet, die auf der Parität der Verhandlungspartner und der größeren Sachnähe von Tarifverträgen basieren.675 Auch hierdurch könnte die gesetzgeberische Schutzpflicht verletzt sein. Der Gesetzgeber zieht sich beim Schutz betrieblicher Anwartschaften, die durch Tarifvertrag geregelt werden, zurück. Die Modifikation des § 2 BetrAVG kann die Regelung des § I BetrAVG erheblich unterhöhlen. Wenn dieser Wert nahezu halbiert werden kann, muß der Arbeitnehmer für das Erreichen einer vergleichbaren Anwartschaft die doppelte Zeit im Betrieb verbleiben. Damit kann eine stärkere Bindung an den Betrieb herbeigeführt werden. Der Tarifvertrag beruht auf einer privatautonomen Vereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien, für den aber Besonderheiten gelten. Tarifverträge sind ausgewogene Absprachen, die nach der Wertung des EG-Vertrages in Art. 136, 137, 139 EG den sozialen Dialog sicherstellen. Art. 11 Abs. I 2. HS. EMRK gewährt zudem auf europäischer Ebene das Recht, Gewerkschaften zu gründen und diesen beizutreten. Daraus läßt sich ableiten, daß der EG-Vertrag den Tarifparteien eine Regelungsfreiheit einräumt. Um diesen Schutzbereich aufrechtzuerhalten, kann der Gesetzgeber den Koalitionen einen Regelungsspielraum belassen. Die Sachgerechtigkeit tarifvertraglicher Regelungen spricht für die Öffnungsklausel. Weiterhin schließt § 2 BetrAVG die Kontrolle tarifvertraglicher Absprachen über §§ 242, 138 BGB nicht aus, so daß der Gesetzgeber zumindest über die Generalklausein seiner Schutzpflicht gerecht geworden ist. Folglich verletzt der Gesetzgeber mit der Regelung des § 17 Abs. 3 S. I BetrAVG seine Schutzpflicht nicht. Besonders stark beschränkende Maßnahmen sind von den Gerichten durch die Anwendung der §§ 242, 138 BGB auszugleichen. d) Ergebnis
Die Freizügigkeit wird somit weder durch § I BetrAVG noch durch § 17 Abs. 3 S.l BetrAVG beschränkt, der Gesetzgeber ist seiner Schutzpflicht nachgekommen. 672 Höfer § 17 BetrAVG, Rn. 3798, 3799; Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Weinert § 17 BetrAVG, Rn. 112. 673 Höfer § 17 BetrAVG, Rn. 3800. 674 Erfurter Kommentar / Steinmeyer § 17 BetrAVG, Rn. 23. 675 Heubeck/ Höhne/ Paulsdorff/ Weinert § 17 BetrAVG, Rn. 116.
X. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht
159
4. Verfallbarkeit beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge (§ 34BBG) a) Problematik
Beamte könnten an einer vorzeitigen, von ihnen gewünschten Beendigung ihres Dienstverhältnisses gehindert werden und dadurch in ihrer Freizügigkeit beschränkt sein. Sie verlieren nach § 34 BBG unabhängig vom Zeitpunkt des Ausscheidens all ihre Dienst- und Versorgungsbezüge, wenn sie etwa zur grenzüberschreitenden Verlagerung ihrer Arbeitskraft aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden, und sind nach § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern. Die über der rentenversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze liegende beamtenrechtliche Versorgung bleibt unberücksichtigt. Sie werden damit erheblich ungünstiger behandelt als Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, deren Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung unverfallbar sind. Diese insbesondere mit Art. 3676 und 12 GG für unvereinbar gehaltene Regelung677 könnte die Freizügigkeit der Beamten beschränken, als sie das Verlassen des nationalen Arbeitsmarktes für Beamten erschwert. b) Anwendungsbereich
Beamte sind Arbeitnehmer im Sinne des Gemeinschaftsrechts. 678 Der Vorbehalt des Art. 39 Abs. 4 EG findet auf das Beschränkungsverbot keine Anwendung, da er eng auszulegen ist und lediglich die Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung zuläßt. 679 Die Regelung betrifft nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Beamte beim Verlassen des deutschen Arbeitsmarkts in ihrer Freizügigkeit, da nach § 7 Abs. I Nr. 1 BBG und § 6 Abs. 1 Nr. 1 LBG NW die Möglichkeit besteht, EG-Bürger in Deutschland zu verbeamten. Der Anwendungsbereich des Art. 39 EG ist somit eröffnet. c) Beschränkung der Freizügigkeit
Damit stellt sich die Frage, ob der Verlust der Versorgungsbezüge die Freizügigkeit beschränkt. Grenzüberschreitende Vorgänge werden nicht schlechter behandelt als nationale, da Beamte, die ihre Arbeitskraft grenzüberschreitend verlagern, genauso behandelt werden wie Beamte, die ihr Dienstverhältnis beenden, um innerKühling, ZRP 1999, S. 260, 261. HanaulGoertz, ZBR 1999, S. 361,367; PloglWiedowl Beck § 34 BBG, Rn. 6a. 678 EuGH, Urteil v. 3. 7. 1986 (Blum), Slg. 1986, S. 2121, 2144, Rn. 17; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts I Hailbronner, D I, Rn. 22. 679 Siehe oben 1. Kapitel, III., 5. 676 677
160
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
halb des Mitgliedstaats die Arbeitsmärkte zu wechseln. Die Regelung schließt es auch nicht per se aus, das Beamtenverhältnis zu lösen. Der Verlust der Versorgungsansprüche beschränkt die Freizügigkeit der Beamten aber in seinen tatsächlichen Auswirkungen, da der Beamte durch die Verfallbarkeit seiner Ruhegeldansprüche daran gehindert wird, den Arbeitsmarkt zu verlassen. Die zusätzliche Altersversorgung wird dem Beamten gemäß § 4 BeamtVG versprochen. Sie ist Teil der Gegenleistung des Dienstherrn für die Diensttreue und die Leistungen des Beamten 680 und wird als Versorgungsanwartschaft bezeichnet. 681 Der Anwartschaftscharakter wird durch die Berechnung der Versorgungsanwartschaft nach Dienstjahren in § 14 Abs. 1 BeamtVG und durch den Verzicht des Beamten auf höhere Bezüge verdeutlicht. 682 Weiterhin spricht § 14 Abs. 4 und 5 BeamtVG von verdienten Versorgungsbezügen und § 57 BeamtVG von Anwartschaften. Die Versorgungsanwartschaft verfestigt sich mit zunehmender Dienstzeit im Vermögen des Beamten, da der Dienstherr kontinuierlich Rücklagen bildet. Den Anwartschaftscharakter betont auch die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene Regelung in § 34 BBG über den Verlust der Anwartschaft. Der Beamte erwirbt somit während seiner Tätigkeit eine Anwartschaft auf die spätere Versorgung und wird durch deren Verfallbarkeit an den nationalen Arbeitsmarkt gebunden. Die Beschränkung der Freizügigkeit wird durch die verfall bare Gestaltung der Beamtenversorgung herbeigeführt. Denkt man sie hinweg, bestiinde die Altersversorgung als Anwartschaft im Vermögen des Beamten fort. Die Entscheidung des Beamten, das Dienstverhältnis zu beenden, un~erbricht nicht den Kausalzusammenhang, da er nicht auf den Schutz seiner Anwartschaft, sondern auf das Fortbestehen des Dienstverhältnisses verzichtet. Die Bindungswirkung ist außerdem sehr intensiv, da der Beamte keine Gelegenheit besitzt, über die gesetzliche Versorgung hinaus Vereinbarungen über seine Altersversorgung zu treffen, § 3 Abs. 2 BeamtVG. Er verliert die Möglichkeit, seinen Lebensstandard im Alter angemessen zu finanzieren. Die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung fängt den Verlust der Anwartschaft nur zum Teil auf, da dem Beamten die eigentlich angestrebte Versorgung entzogen wird, so daß der Nachteil Verbots- oder Sanktionscharakter hat. Daß der Dienstherr rückwirkend den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil abführt, ist lediglich zwingende Folge der geringeren Besoldung. Die Verfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft entfaltet somit eine intensive Bindungswirkung an den Arbeitsplatz.
680 BVerfG, Urteil v. 6. 3. 2002, NJW 2002, S. 1103, 1105; Bieler/ Bieler/ Ebert, Das gesamte öffentliche Dienstrecht, 360, Die Beamtenversorgung, Rn. 1. 681 BAG, Urteil v. 22. 3. 1988, AP Nr. 17 zu § 18 BetrAVG, BI. 3; Hanau/Goertz, ZBR 1999, S. 361, 366; Plog/ Wiedow/ Beck § 34 BBG, Rn. 6a. 682 Bieler / Bieler / Ebert, Das gesamte öffentliche Dienstrecht, 360, Die Beamtenversorgung, Rn. 1 unter Verweis auf BVerwG, Urteil v. 29. 6. 1961, ZBR 1961, S. 321; BVerwG, Urteil v. 30.4. 1969, ZBR 1969, S. 330.
X. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht
161
d) Ergebnis § 34 BBG beschränkt die Freizügigkeit der Beamten.
5. § 624BGB Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer könnte durch § 624 BGB beschränkt werden. 683 Die Vorschrift eröffnet den Vertragsparteien nämlich die Möglichkeit, eine vertragliche Bindung für fünf Jahre zu vereinbaren, ohne daß sich der Arbeitnehmer mittels Kündigung von dem Arbeitsverhältnis lösen kann. Die Beschränkung der Beendigungsmöglichkeit des Arbeitsverhältnisses beschränkt das Verlassen eines mitgliedstaatlichen Arbeitsmarktes und damit die Freizügigkeit. 684 Fraglich ist aber, ob die Beschränkung durch § 624 BGB verursacht wird. Dagegen spricht, daß die vertragliche Bindung allein von den Arbeitsvertragsparteien ausgehandelt wird. Die rechtliche Bindung an ein Arbeitsverhältnis über einen Zeitraum von fünf Jahren beschränkt zwar die Freizügigkeit des Arbeitnehmers, da er seine Arbeitskraft nicht durch eine Kündigung grenzüberschreitend verlagern kann. Der Gesetzgeber schreibt die Bindung an das Arbeitsverhältnis indes nicht zwingend fest. § 624 BGB läßt sich daher hinwegdenken, ohne daß die Beschränkung der Freizügigkeit durch eine vertragliche Absprache entfiele. Die gesetzliche Regelung ist nicht kausal für eine Beschränkung der Freizügigkeit und sie ist ebensowenig final auf eine solche Vereinbarung durch die Vertrags parteien gerichtet. Die Regelung dient im Gegenteil der persönlichen Freiheit des Dienstverpflichteten 685 und bezweckt den Schutz der Arbeitnehmer vor überlanger Bindung an den Arbeitsvertrag. Sie garantiert die Arbeitsplatzbeendigungsfreiheit, indem sie die maximale Bindungsdauer an ein Arbeitsverhältnis unter Ausschluß der ordentlichen Kündigung regelt. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wird daher nicht durch § 624 BGB beschränkt. § 624 BGB begrenzt vielmehr die Möglichkeiten des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer unzumutbar lange an das Arbeitsverhältnis zu binden. Die Vorschrift verursacht somit keine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, sondern soll den Arbeitnehmer vor Beschränkungen seiner Freizügigkeit durch Private schützen. Mit § 624 BGB wird der Gesetzgeber seiner Schutzpflicht gerecht. Die maximal fünf Jahre dauernde Bindung an das Arbeitsverhältnis ist keine besonders massive Beschränkung der Freizügigkeit. Die Regelung ist als Schutzmaßnahme des Mit683 Da § 624 BGB nicht nur für Arbeitnehmer, sondern für alle Dienstverpflichteten gilt, kann § 624 BGB auch mit dem Verbot der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in Konflikt geraten. Wegen der einheitlichen Struktur der Grundfreiheiten gelten die Ausführungen zu § 624 BGB daher auch für das Beschränkungsverbot des Art. 49 EG. 684 Siehe oben 1. Kapitel, v., 9., f) und 10., e), bb), (2). 685 KR/ Fischenneier § 624 BGB, Rn. 1; Münchener Kommentar/ Schwerdtner § 624 BGB, Rn. 1; Soergel/ Kraft § 624 BGB, Rn. 1; Ennanl Belling § 624 BGB, Rn. 1.
11 Roloff
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
gliedstaates zudem geeignet, die Arbeitnehmer vor Beschränkungen ihrer Freizügigkeit zu schützen, da sie jede Form der Vertragsbindung, auch durch befristete Arbeitsverhältnisse erfaßt. 686 Sie betrifft zudem einen überschaubaren Zeitraum, der den Arbeitnehmern ausreichend Möglichkeiten zu beruflicher Veränderung beläßt. Auch die Interessen des Arbeitgebers werden angemessen berücksichtigt. Eine geringere Bindungsmöglichkeit würde gleichzeitig einen Eingriff in die Berufsfreiheit und die Planungssicherheit des Arbeitgebers begründen. Das BAG führt aus, daß den Arbeitsvertragsparteien auf der Grundlage der Privatautonomie die Freiheit zustehe, über ihre grundrechtlich geschützten Positionen ohne staatlichen Zwang zu verfügen. 687 Die Privatautonomie bestehe aber nur im Rahmen der geltenden Gesetze - etwa § 624 BGB - die ihrerseits an die Grundrechte gebunden seien. Insofern habe der BGB-Gesetzgeber dem Umfang des Schutzbereichs aus Art. 12 GG mit der Einführung eines Kündigungsrechts des Arbeitnehmers bei über fünf Jahre hinausgehenden Dauerverträgen zulässigerweise eine Grenze gezogen. Er habe dabei zu berücksichtigen, daß ein noch weitergehender Eingriff in die Privatautonomie, etwa durch die Einräumung eines Kündigungsrechts unterhalb der Fünfjahresgrenze, gleichzeitig wieder einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung des Unternehmers bedeutet. 688 § 624 BGB gilt für alle Berufe. 689 Die typisierende Beurteilung der beteiligten Interessen genügt dem Schutzbedürfnis des Art. 39 EG. 69o § 624 BGB trägt der Schutzpflicht des Gesetzgebers ausreichend Rechnung.
6. Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 1, 4 und 5 S. 2 BGB a) RegelungsgehaIt des § 622 BGB § 622 Abs. 1 BGB legt die gesetzliche Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer fest. Die Frist von vier Wochen und die Möglichkeit, längere Kündigungsfristen durch Tarifvertrag nach § 622 Abs. 4 und durch Individualvertrag nach § 622 Abs. 5 S. 2 BGB zu vereinbaren, könnte den Arbeitnehmer in seiner Freizügigkeit beschränken, da er sich nicht umgehend von seinem Arbeitsplatz lösen kann, um einen Arbeitsplatz im Ausland anzutreten oder zu suchen.
686 Staudingerl Preis § 624 BGB, Rn. 18; KRI Fischermeier § 624 BGB, Rn. 23; Soergell Kraft § 624 BGB, Rn. 6; Erman I Belling § 624 BGB, Rn. 4; Münchener Kommentar I Schwerdtner § 624 BGB, Rn. 11. 687 BAG, Urteil v. 19. 12. 1991, NZA 1992, S. 543, 545. 688 BAG, Urteil v. 19. 12. 1991, NZA 1992, S. 543, 545; StaudingerlPreis § 624 BGB, Rn. 2. 689 Erfurter Kommentar I Müller-Glöge, § 624 BGB, Rn. 5; Staudinger I Preis § 624 BGB, Rn. 3; Kelber; NZA 2001, S. 11, 13; KRI Fischermeier § 624 BGB, Rn. 4. 690 Erfurter Kommentar I Hanau Art. 39 EG, Rn. 42.
x. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht
163
b) Beschränkung der Freizügigkeit durch § 622 Abs.l BGB Die gesetzliche Kündigungsfrist von vier Wochen in § 622 Abs. 1 BGB schließt das Verlassen eines Arbeitsmarktes nicht als solches aus. Sie betrifft die Modalitäten des Verlassens eines Arbeitsplatzes und dies in einer Weise, die keine Benachteiligung grenzüberschreitender Vorgänge bewirkt. Die gesetzliche Frist von vier Wochen begründet zudem keine besonders hohe Hürde, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Die Frist bindet den Arbeitnehmer nicht an den Arbeitsplatz. Außerdem zielt die Regelung nicht auf eine Beschränkung des Weggangs vom nationalen Arbeitsmarkt. Sie soll dem Arbeitgeber lediglich für eine kurze Zeit Planungssicherheit bis zur Neubesetzung der Stelle verschaffen. Der Arbeitnehmer wird nicht in seiner Freizügigkeit beschränkt.
c) Beschränkung durch § 622 Abs. 4 und 5 S. 2 BGB Anders könnte die Regelung zu beurteilen sein, die vorsieht, daß die Vertragsparteien nach § 622 Abs. 5 S. 2 BGB und die Tarifvertragsparteien nach § 622 Abs. 4 BGB für den Arbeitnehmer eine längere Bindungsdauer als vier Wochen vereinbaren können, sofern gemäß § 622 Abs. 6 BGB die Frist für den Arbeitnehmer nicht länger ist als für den Arbeitgeber. 691 Diese Vorschrift entfaltet als solche keine Bindungswirkung, da sie die Vereinbarung längerer Fristen nicht bezweckt und auch nicht kausal verursacht. Sie gewährt den Vertragsparteien aber die Möglichkeit, Absprachen über längere Kündigungsfristen zu treffen, die die Freizügigkeit beschränken und eine Schutzpflicht des Gesetzgebers begründen könnten. Der Gesetzgeber hat aber ausreichende Schutzvorschriften eingeführt. Die Kündigungsfrist darf wegen § 624 BGB fünf Jahre nicht überschreiten und muß für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wegen § 622 Abs. 6 BGB gleich sein. 692 Die Parität der Fristen garantiert einen ausreichenden Schutz der Freizügigkeit des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber hat in der Regel ein ebenso großes Interesse wie der Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis in zeitlich zumutbarem Rahmen beenden zu können. Er wird daher Fristen vereinbaren, die ihn selbst nicht übermäßig binden. Zwar sind Fälle denkbar, in denen der Arbeitgeber ein besonderes Interesse an der Vertragsverlängerung hat. Dennoch hat der Gesetzgeber den Interessenkonflikt unter Wahrung aller Bindungs- und Beendigungsinteressen typisierend gelöst. Die Gene69\ Kramer; Kündigungsvereinbarungen im Arbeitsvertrag, S. 143; Erfurter Kommentar/ Müller-Glöge § 622 BGB, Rn. 44, 99; Schaub. Arbeitsrechtshandbuch, § 124, Rn. 40, 41, 43; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Wank § 119, Rn. 28; Kittner/Däubler/Zwanziger § 622 BGB, Rn. 45; Soergell Kraft § 622 BGB, Rn. 23. 692 § 624 BGB ist auch bei der Kündigungsfrist zu beachten: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 124, Rn. 40; KR/ Spilger § 622 BGB, Rn. 174; Staudinger/ Preis § 622 BGB, Rn. 50; Münchener Kommentar / Schwerdtner § 622 BGB, Rn. 81; Soergel/ Kraft § 622 BGB, Rn. 23; Großkommentar zum Kündigungsrecht/ Backhaus § 622 BGB, Rn. 169.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ralldauseln des BGB können eine zusätzliche Kontrolle der Bindungsdauer gewähren. 693 Der Arbeitnehmer wird durch die Vereinbarungsmöglichkeiten in §§ 622 und 624 BGB nicht offenkundig schutzlos gestellt. Der Gesetzgeber ist ausreichend tätig geworden.
7. §§ 74 tT. HGB Die §§ 74 ff. HGB beinhalten ebenfalls Arbeitnehmerschutzvorschriften. Ein Wettbewerbsverbot ist als private Absprache zwar grundsätzlich geeignet, die Freizügigkeit des Arbeitnehmers zu beschränken, da der Arbeitgeber im Wege der Unterlassungsklage die Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber verhindern kann und das Verbot nach Vertragsende greift. Die gesetzlichen Vorschriften verursachen die Beschränkung der Freizügigkeit aber nicht. Die Möglichkeit, für die Zeit nach Vertragsende Wettbewerbsverbote zu vereinbaren, wird durch die §§ 74 ff. HGB vielmehr begrenzt. Die Vorschriften schützen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer somit vor Beschränkungen der Arbeitsplatzwahl und damit der Freizügigkeit vor Beschränkungen durch Dritte. Fraglich ist aber, ob die §§ 74 ff. HGB ausreichend Schutz gewähren. Die §§ 74 ff. HGB enthalten das auf alle Arbeitnehmer anwendbare 694 Prinzip des zulässigen zweijährigen Wettbewerbsverbot bei gleichzeitiger Karenzentschädigung. Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Arbeitgeber zur Karenzzahlung verpflichtet, § 74 Abs. 2 HGB. Diese muß zumindest die Hälfte der zuletzt gezahlten Bezüge umfassen. Anderweitige Bezüge werden nur angerechnet, wenn sie mit der Karenz zusammengerechnet das letzte Jahreseinkommen um mehr als 10 Prozent übersteigen, § 74c HGB. Es ist zudem nicht unverhältnismäßig belastend für den Arbeitnehmer, die Hälfte seines letzten Einkommens durch ein bloßes Unterlassen zu erzielen. Die Regelung schafft einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Arbeitgebers an der Wahrung seiner Betriebsergebnisse und -geheimnisse und dem Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterführung seiner Tatigkeit auch bei einem Konkurrenten. Die Anrechnung anderweitig bezogener Verdienste ist nicht unangemessen, da sie dem Arbeitnehmer die Chance gewährt bis zu 110% seines letzten Entgelts zu erzielen und immer noch anteilig von der Karenzentschädigung zu profitieren. Das Tatigkeitsverbot der Vereinbarung muß zudem eng begrenzt sein. 695 Folglich wird die Vorschrift den Interessen des Arbeitnehmers an der Ausübung seiner Freizügigkeit gerecht und verletzt nicht die Schutzpflicht aus Art. 39 EG. Staudinger / Preis § 624 BGB, Rn. 2; Kittner / Däubler / Zwanziger § 622 BGB, Rn. 8. BAG, Urteil v. 16. 5. 1969, AP Nr. 23 zu § 133 f. GewO, BI. 2; BAG, Urteil v. 9. 1. 1990, AP Nr. 59 zu § 74 HGB; Erfurter Kommentar/ Schaub § 74 HGB, Rn. 4; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Wank § 130, Rn. 5; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58, Rn. 6. 695 Erfurter Kommentar / Schaub § 74a HGB, Rn. 4. 693
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X. Anwendungsbeispie1e im Arbeitsrecht
165
8. AEntG und Richtlinie 96/71/ EG a) Problematik Möglicherweise beschränken die Arbeitnehmer-Entsende-Richtlinie (96/71)696 und das AEntG697 die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die Regelung begründet für die Arbeitgeber entsandter Arbeitnehmer die Verpflichtung, den im jeweiligen Mitgliedstaat festgesetzten Mindestlohn zu bezahlen (§ lAbs. 1 Nr. 1 AEntG). Dies macht es für Arbeitgeber weniger attraktiv, ihre Arbeitnehmer in Mitgliedstaaten zu entsenden, in denen das Lohnniveau höher ist als in dem Entsendestaat. Die Arbeitnehmer könnten insoweit in ihrer Freizügigkeit beschränkt sein, da ihnen der Weg zu einem ausländischen Arbeitsmarkt versperrt ist. Ganz ähnliche Auswirkungen hat das geplante Tariftreuegesetz, indem es öffentlichen Auftraggebern bei der Vergabe von Bauaufträgen vorschreibt, Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die sich verpflichten, die am Ort der Leistungsausführung geltenden Lohn- und Gehaltstarife zu bezahlen. 698 b) Anwendbarkeit des Art. 39 EG auf entsandte Arbeitnehmer Die Gemeinschaftsorgane und die Mitgliedstaaten sind an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gebunden, während der Gemeinschaft weitergehende Rechtfertigungsmöglichkeiten aus dem Vertrag zustehen. Fraglich ist aber, ob Art. 39 EG auf entsandte Arbeitnehmer anwendbar ist. aa) Ablehnende Ansicht des EuGH und des Schrifttums
Überwiegend wird eine Anwendbarkeit des Art. 39 EG auf entsandte Arbeitnehmer abgelehnt. 699 Der Arbeitnehmer entscheide nicht selbst darüber, ob er in einem anderen Land arbeiten wolle, sondern werde im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses dahin abgeordnet. 7OO Grundfreiheiten übe allein der Arbeitgeber aus, der seine Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat anbietet. 701 ABl.EG vom 21. 1. 1997 Nr. L 18/1. Vom 26.2. 1996, BGBl. 1,227; zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. 12. 1998, BGBl. 1,3843. 698 Der Gesetzentwurf ist abgedruckt in NZA 2001, S. IX. 699 EuGH, Urteil v. 25. 10. 2001 (Finalarte), EuZW 2001, S. 759, 761, Rn. 22, 23; Wichmann, Entsendung von Arbeitnehmern, S. 98, 99; Däubler, EuZW 1997, S. 613, 614; Koberski 1Saht 1Hold § 1 AEntG, Rn. 156,157; Generalanwalt Mischo, Schlußanträge v. 13.7.2000 (Finalarte), n.v., Rn. 29, 30; Krebber, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 23. 11. 1999 (Arblade), ZeuP 2001, S. 365, 366. 700 Koberskil Saht 1 Hold § 1 AEntG, Rn. 156, 157; Generalanwalt Mischo, Schlußanträge v. 13.7.2000 (Finalarte), n.v., Rn. 29. 701 Däubler, EuZW 1997, S. 613, 614. 696 697
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Arbeitnehmer, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen beschäftigt und vorübergehend zur Erbringung von Dienstleistungen in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, verlangten keinen Zutritt zum fremden Arbeitsmarkt, da sie nach der Erfüllung ihrer Aufgabe in ihr Herkunftsund Wohnsitzland zurückkehrten. 702 Erst wenn der entsandte Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis lösen wolle, um in dem Mitgliedstaat zu verbleiben, übe er seine Freizügigkeit aus. 703 Aus der Entscheidung des EuGH, daß die vorübergehende Tätigkeit im Ausland nicht unter die Ausnahmevorschrift der Freizügigkeit im Beitrittsabkommen mit Portugal falle,704 und der Subsidiaritätsklausel in Art. 50 EG könne geschlossen werden, daß die kurzzeitige Entsendung von Arbeitnehmern nicht der Freizügigkeit, sondern nur der Dienstleistungsfreiheit unterfalle. Der EuGH habe in ständiger Rechtsprechung die Dienstleistungsfreiheit für einschlägig gehalten und damit die fehlende Anwendbarkeit der Arbeitnehmerfreizügigkeit zum Ausdruck gebracht. 705
bb) Bejahende Ansicht im Schrifttum
Teilweise wird Art. 39 EG auf entsandte Arbeitnehmer angewandt. 706 Die Aussage des EuGH bei Rush Portuguesa, von ihrem Arbeitgeber entsandte Arbeitnehmer begehrten keinen Zutritt zum Bestimmungsland, dürfe nicht dahin mißverstanden werden, daß solche Arbeitnehmer nicht unter dem Schutz des EG-Vertrages stünden.707 Der EuGH habe lediglich darauf hingewiesen, daß diese Arbeitnehmer keiner Arbeitserlaubnis bedürften. 708 Arbeitnehmer hätten daher ein eigenes Recht, mit ihrem Arbeitgeber in den Ziel staat zu gehen?09
ce) Stellungnahme
Letztere Ansicht verdient den Vorzug. Zwar handelt es sich bei den Entsendevorschriften aus der Sicht des Arbeitgebers um eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. 7JO Dies schließt aber nicht aus, daß sich die entsandten ArbeitnehEuGH, Urteil v. 25. 10.2001 (Finalarte), EuZW 2001, S. 759, 761, Rn. 22. Generalanwalt Mischo, Schlußanträge v. 13.7.2000 (Finalarte), n.v., Rn. 30. 704 Generalanwalt Mischo, Schlußanträge v. 13.7.2000 (Finalarte), n.v., Rn. 30 unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 27. 3. 1990 (Rush Portuguesa), Slg. 11990, S. 1417, 1444, Rn. 14, 15. 705 Generalanwalt Mischo, Schlußanträge v. 13.7.2000 (Finalarte), n.v., Rn. 30 unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 27. 3.1990 (RushPortuguesa), Slg. 11990, S. 1417, 1444, Rn. 14, 15. 706 Gerken I Löwisch I Rieble, BB 1995, S. 2370, 2373; Löwisch, Gedenkband Eucken, S. 221, 238; Hanau, NJW 1996, S. 1369, 1371; Hanau, Festschrift Everling, S. 415, 417. 707 Gerkenl Löwischl Rieble, BB 1995, S. 2370, 2373. 708 Gerkenl Löwischl Rieble, BB 1995, S. 2370, 2373. 7f1) Gerkenl Löwischl Rieble, BB 1995, S. 2370,2373. 702 703
X. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht
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mer auf Art. 39 berufen. Dies wird durch eine Entscheidung des EuGH belegt, in der er einem entsandten Arbeitnehmer gestattete, sich nach der Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat gegen eine Beschränkung seiner Freizügigkeit durch den Heimatstaat zu wenden. 711 Jeder Gemeinschaftsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat eine Berufs tätigkeit ausgeübt habe, falle unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit unter die genannten Vorschriften. 712 Der ins Ausland entsandte Arbeitnehmer habe von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht. 713 Der EuGH wendet Art. 39 EG somit auf entsandte Arbeitnehmer an. Zudem hat der EuGH im Urteil Rarnrath eindeutige Aussagen über die Anwendbarkeit des Art. 39 EG bei kurzzeitiger oder nur voriibergehender Verlegung der Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat gemacht. 714 Der Grundsatz der freien Einreise und des Aufenthalts zu beruflichen Zwecken aus Art. 39 EG garantiere jedem Arbeitnehmer auch den Zugang zu einer voriibergehenden Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat. Dieser Zugang könne dem Arbeitnehmer nicht mit der Begriindung verwehrt werden, daß er in seinem Herkunftsland bereits eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübe oder daß die in dem anderen Mitgliedstaat ausgeübte Tätigkeit eine Teilzeitbeschäftigung sei. 715 Der EuGH bejaht damit deutlich die Anwendung des Art. 39 EG auf entsandte und voriibergehend im Ausland befindliche Arbeitnehmer. Auch die Entscheidung Rush Portuguesa enthält keine Argumente gegen eine Anwendbarkeit des Art. 39 EG auf entsandte Arbeitnehmer. Vielmehr mußte der EuGH die Ausnahmevorschriften des Beitrittsabkommens dahin auslegen, ob sie die Entsendung von Arbeitnehmern über die Dienstleistungsfreiheit zuließ, obwohl die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Beitrittsabkommen mit Portugal ausgeschlossen war. Die Kollision von gewährter Dienstleistungsfreiheit und ausgeschlossener Freizügigkeit in dem Abkommen mit Portugal hätte nicht bestanden, wenn die Entsendung von Arbeitnehmern schon keine Inanspruchnahme der Freizügigkeit gewesen wäre. Die Entscheidung spricht daher für eine Anwendbarkeit des Art. 39 EG auf entsandte Arbeitnehmer. Zwar könnte aufgrund der Vielzahl der Verfahren zu Art. 49 EG argumentiert werden, der EuGH habe damit konkludent die Anwendbarkeit von Art. 39 EG abgelehnt. 716 Die Anwendung des Art. 49 710 EuGH, Urteil v. 23. 11. 1999 (Arblade und Leloup), Slg. I 1999, S. 8453 ff. = EuZW 2000, S. 88 ff. 711 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345, 386, Rn. 27. 712 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345, 386, Rn. 27. 713 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 345, 386, Rn. 27. 714 EuGH, Urteil v. 20. 5. 1992 (Ramrath), Slg. I 1992, S. 3351, 3383, Rn. 25. 715 EuGH, Urteil v. 20. 5.1992 (Ramrath), Slg. 11992, S. 3351, 3383, Rn. 25. 716 EuGH, Urteil v. 23. 11. 1999 (Arblade und Leloup), Slg. I 1999, S. 8453, 8513, Rn. 32 ff.; EuGH, Urteil v. 9. 8. 1994 (Van der Eist), Slg. I 1994, S. 3803, 3823, Rn. 14 ff.; EuGH, Urteil v. 28. 3. 1996 (Guiot), Slg. 11996, S. 1905, 1920, Rn. 10 ff.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
EG hängt aber damit zusammen, daß dem EuGH überwiegend Fragen zur Auslegung der Dienstleistungsfreiheit vorgelegt wurden. Zudem konnte sich der EuGH wegen der gleichen Rechtfertigungsmöglichkeit aller grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote darauf begrenzen, die Beschränkung einer Grundfreiheit zu prüfen. Für die Anwendbarkeit spricht auch, daß der EuGH in neuerer Rechtsprechung einem Arbeitgeber das Recht zugebilligt hat, sich auf die Freizügigkeit seines Arbeitnehmers zu berufen. 717 Kann sich der Arbeitgeber dagegen wenden, daß ein Arbeitnehmer nicht in dem Mitgliedstaat des Arbeitgebers beschäftigt werden kann, dann muß sich der Arbeitgeber auch dagegen wenden können, wenn er seine Arbeitnehmer nicht in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigen kann. Der durch Art. 39 EG zu öffnende Arbeitsmarkt ist zudem nicht nur ein Markt der Arbeitsuchenden, sondern auch ein Markt der Arbeitskräfte. Eine Entsendung muß zudem nicht zwingend unfreiwillig sein, sondern der Arbeitnehmer kann seinen Arbeitgeber um eine Entsendung bitten. Die Anwendbarkeit des Art. 39 EG auf entsandte Arbeitnehmer stellt die Präambel der VO 1612/68 in der fünften Begründungserwägung abschließend klar, da sie den Willen der vertragschließenden Mitgliedstaaten konkretisiert und damit für das Verständnis des Art. 39 EG maßgeblich iSt. 718 Die Freizügigkeit wird Arbeitnehmern gewährt, die ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Dienstleitung ausüben. Entsandte Arbeitnehmer üben ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Dienstleistung aus, da der entsendende Arbeitgeber mit der Entsendung der Arbeitnehmer Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten anbietet. Sie können sich somit ohne Begrenzung auf Art. 39 EG berufen, wenn das Verlassen eines Mitgliedstaates oder der Zugang zu einem anderen Mitgliedstaat beschränkt wird.
c) Beschränkung der Freizügigkeit
Fraglich ist, ob die Vorschriften über verpflichtende Mindestarbeitsbedingungen die Freizügigkeit beschränken.
aa) Ablehnende Auffassung Im Schrifttum werden die Mindestarbeitsbedingungen nicht als Verstoß gegen das Beschränkungsverbot, sondern als Erfordernis des Diskriminierungsverbots nach Art. 39 Abs. 2 EG eingeordnet. 719
EuGH, Urteil v. 7. 5. 1998 (Clean Car Autoservice), Slg. I 1998, S. 2521, 2544, Rn. 16. Grabitz! Hilf! Pernice Art. 164 EGV, Rn. 32. 719 Hanau, NJW 1996, S. 1369, 1371; Hanau, Festschrift Everling, S. 415, 417; Büdenbender; RdA 2000, S. 103,205, Fn. 79. 717
718
X. Anwendungsbeispiele im Arbeitsrecht
169
bb) Stellungnahme
Die Mindestarbeitsbedingungen verbieten es den Arbeitnehmern im Grunde nicht, in einem anderen Mitgliedstaat beruflich tätig zu werden. Sie legen nur die Arbeitsbedingungen fest, zu denen sie zu beschäftigen sind. Der Zugang zu einem fremden Arbeitsmarkt wird nicht ausgeschlossen. Der Arbeitgeber wird dennoch daran gehindert, den Arbeitnehmer zu entsenden, wenn er diesem ein erheblich höheres Entgelt bezahlen muß. Ein Arbeitnehmer gelangt daher aus bestehendem Arbeitsverhältnis nicht oder nur sehr schwierig in einen anderen Mitgliedstaat. Die Entsendung von Arbeitnehmern wird faktisch beschränkt. Bei einer Entsendung in einen Mitgliedstaat mit schlechteren Arbeitsbedingungen stellt sich dieses Problem nicht, da das AEntG nur Mindestentgeltsätze regelt (§ lAbs. 1 Nr. 1 AEntG). Weiterhin ist nach der Kausalität der gesetzlichen Regelung zu fragen. Im Grunde weigert sich nicht der Staat, den Arbeitnehmer in andere Mitgliedstaaten zu entsenden. Die Beeinträchtigung geht vom Arbeitgeber aus, der den Arbeitnehmer wegen der hohen Kosten nicht in einen anderen Mitgliedstaat entsenden möchte. Die Entscheidung, Arbeitnehmer nicht in einen anderen Mitgliedstaat zu entsenden, könnte aber durch das AEntG und die Richtlinie bezweckt sein. Bezweckt eine Regelung eine Beschränkung der Freizügigkeit, ist dem Gesetzgeber eine Beschränkung auch durch das Verhalten Dritter zurechenbar. Das deutsche AEntG verfolgt die Abschaffung des Marktes billiger Arbeitskräfte. 72o Die Mindestarbeitsbedingungen sollen deutsche Unternehmer vor ausländischem Wettbewerb schützen. In der Gesetzesbegriindung ist die Rede von der Vermeidung gespaltener Arbeitsmärkte und daraus resultierender sozialer Spannungen und der Gefährdung der in deutschen Betrieben bestehenden Arbeitsverhältnissen. 721 Die Richtlinie hat auch den Zweck, Arbeitnehmer zu schützen. 722 Sie soll verhindern, daß im Bausektor ausländische Arbeitskräfte zu Billiglöhnen tätig werden und einen ruinösen Wettbewerb auf deutschen Baustellen begriinden. 723 Dadurch wird der maßgebliche Zweck der Regelungen deutlich: eine Abschottung der Märkte für vergleichsweise billige Arbeit und die Vereitelung der Entsendung billiger Arbeitskräfte. Die Regelung bezweckt somit ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers und macht den Arbeitgeber zum Werkzeug des Staates, wenn er seine Arbeitnehmer nicht entsendet. Die Freizügigkeit der zu entsendenden Arbeitnehmer wird somit durch die Regelung beschränkt. Diese Beschränkung ist aber möglicherweise durch den zwingenden Grund des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt. 724
Koberski / Sahll Hold Einleitung AEntG, Rn. 16. BT-Drucks. 13/2414, S. 1,2. 722 EuGH, Urteil v. 28. 3. 1996 (Guiot), Slg. I 1996, S. 1905, 1921, Rn. 16; EuGH, Urteil v. 23. 11. 1999 (Arblade und Leloup), Slg. I 1999, S. 8453, 8514 = EuZW 2000, S. 88, 90, Rn. 36. 723 Gerken / Löwisch / Rieble, BB 1995, S. 2370, 2373. 724 Siehe unten 1. Kapitel, XI., 4., d). 720 721
170
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
d) Ergebnis
Entsandte Arbeitnehmer können sich somit auf die Freizügigkeit berufen, wenn der Arbeitgeber sie wegen zu hoher Mindestarbeitsbedingungen nicht ins Ausland entsendet. Die Arbeitnehmer werden durch die Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen in ihrer Freizügigkeit beschränkt, da sie wie von den Entsenderegelungen bezweckt nicht in andere Mitgliedstaat entsandt werden.
9. § 623BGB § 623 BGB legt fest, daß die Begründung befristeter Arbeitsverhältnisse der Schriftform bedarf. Diese neu eingeführte Regelung könnte den Zugang zur Beschäftigung beschränken, als sie bestimmte Anforderungen an den Vertragsschluß stellt. Die Regelung schließt aber den Zugang nicht aus, da die fehlende Schriftform nicht zur Unwirksamkeit der Abrede führt. 725 Sie führt zu keiner Ungleichbehandlung grenzüberschreitender und nationaler Sachverhalte, sondern regelt allein das Wie des Zugangs zur Beschäftigung. Die Vorschrift bezweckt auch keine Beschränkung der Freizügigkeit und hat keine tatsächlich beschränkende Wirkung, da sie Arbeitgeber nicht davon abhält, Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern zu begründen. Folglich beschränkt § 623 BGB nicht die Freizügigkeit.
10. Ergebnis Die meisten arbeitsrechtlichen Vorschriften, die an die Beendigung oder die Aufnahme der Tatigkeit anknüpfen, beschränken die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht. Sie gewährleisten vielmehr den Schutz der Arbeitnehmer vor Beschränkungen durch Dritte.
XI. Rechtfertigung einer Beschränkung 1. Grundlage Der EuGH hat vier Kriterien aufgestellt, die zur Rechtfertigung einer nichtdiskriminierenden Beschränkung der Freizügigkeit führen: Die Maßnahme muß unterschiedslos angewandt werden, sie muß aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie muß geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr 725
Erfurter Kommentar I Müller-Glöge § 623 BGB, Rn. 32.
Xl. Rechtfertigung einer Beschränkung
171
verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. 726 Dem hat sich das Schrifttum angeschlossen. 727
2. Herleitung und Verhältnis zu den Schranken des Art. 39 Abs. 3 EG Die Herleitung dieses Rechtfertigungsgrunds und dessen Verhältnis zu dem Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit aus Art. 39 Abs. 3 EG sind unklar. 728 a) Rechtsprechung des EuGH
In der Rechtsprechung des EuGH wird der Vorbehalt des Art. 39 Abs. 3 EG in Beschränkungsfällen überhaupt nicht erwähnt. Bei den anderen Grundfreiheiten greift der EuGH bisweilen in Beschränkungsfällen auf den Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zurück. So wird Art. 46 EG in Entscheidungen zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit über Art. 56 EG angewandt. 729 In der Rechtssache Koh1l73o hat der EuGH die öffentliche Gesundheit aus Art. 46 EG als Rechtfertigungsgrund einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geprüft. In anderen Entscheidungen erscheinen Elemente des Vorbehalts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und Gesundheit, ohne daß der EuGH die besonderen Vorschriften zitierte oder auf seine Rechtsprechung zu diesen Grundsätzen verwiese. So hat er das Verbot rein wirtschaftlicher Gründe zur Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen aus den Grundsätzen zu Art. 39 Abs. 3 EG und 46 EG abgeleitet, 726 EuGH, Urteil v. 30. 11. 1995 (Gebhard), Slg. I 1995, S. 4165, 4197, Rn. 37; EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Sig. I 1993, S. 1663, 1697, Rn. 32; EuGH, Urteil v. 9. 3. 1999 (Centros), Sig. I 1999, S. 1459, 1495, Rn. 34; EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5071 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 104. 727 Everling, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 607, 619; Streinz, Europarecht, Rn. 702, 703; Schilling, EuGRZ 2000, S. 3, 39; Hilf! Pache, NJW 1996, S. 1169, 1172; Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 606; Schroeder; Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 255; Gulmann, Festschrift Schockweiler, S. 169, 172; Herdegen, Europarecht, Rn. 310; Lenz! Scheuer Art. 39 EG, Rn. 28; zur Frage des Vorbehalts des Gesetzes siehe den Parteienvortrag wiedergegeben bei Generalanwalt Alber; Schlußanträge v. 22. 6. 1999 zu EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2698 =EAS Nr. 112 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 18, Rn. 54; Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 155; Schilling, EuGRZ 2000, S. 3, 39; Geiger Art. 50 EG, Rn. 13; Kort, JZ 1996, S. 132, 138; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Birk § 19, Rn. 44; Schwarze! Schneider! Wunderlich Art. 39 EG, Rn. 43; Lenz! Scheuer Art. 39 EG, Rn. 38; Erfurter Kommentar! Hanau Art. 39 EG, Rn. 44. 728 Wemsmann, EuR 1999, S. 755, 760. 729 EuGH, Urteil v. 28. 4. 1998 (Kohll), Sig. I 1998, S. 1931, 1949, Rn. 51. 730 EuGH, Urteil v. 28. 4. 1998 (Kohll), Slg. I 1998, S. 1931, 1949, Rn. 51.
172
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ohne auf Art. 39 Abs. 3 EG oder die RL 64/221 einzugehen. 73 ! Bei dem Verbot der Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit hat der EuGH im Gegensatz dazu Art. 30 EG und die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses nebeneinandergestellt. 732 Das Gericht müsse prüfen, ob das Verbot aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses oder zur Erreichung eines der in Art. 30 des Vertrages genannten Ziele erforderlich sei. 733 Bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer gibt es in der Rechtsprechung des EuGH keine Anhaltspunkte für oder gegen eine Anwendung des Art. 39 Abs. 3 EG zur Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen. Das Verhältnis der zwingenden Gründe zum Vorbehalt des Art. 39 Abs. 3 EG muß in der Rechtsprechung des EuGH als unklar bezeichnet werden. b) Ansicht im Schrifttum
Eine Ansicht im Schrifttum erklärt Art. 39 Abs. 3 EG auch bei Beschränkungen der Freizügigkeit für anwendbar?34 Dabei wird für diese Übertragung wenig vorgebracht. Andere Stimmen im Schrifttum möchten den Vorbehalt des Art. 39 Abs. 3 EG auf die dort genannten Rechte begrenzen. 735 Dabei geht es aber primär darum, ob der Vorbehalt des Art. 39 Abs. 3 EG auch auf das Diskriminierungsverbot nach Art. 39 Abs. 2 EG Anwendung findet.
c) Analogie zu Art. 46 EG Eine andere in der Lehre vertretene Auffassung bewertet den Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als Grundlage für die Entwicklung der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses. 736 Der Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen liege eine Analogie zu Art. 46 EG zugrunde. Dies sei keine unzulässige Erweiterung von Ausnahmen gegen den Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmevorschriften des Vertrages, da der Sinn und Zweck von Art. 46 EG den Mitgliedstaaten die Durchsetzung berechtigter Interessen ermögliche. 737 EuGH, Urteil v. 5. 6. 1997 (SETIG), Slg. I 1997, S. 3091, 3121, Rn. 23. EuGH, Urteil v. 9. 7. 1997 (Oe Agostini und TV-Shop), Slg. I 1997, S. 3843, 3891, Rn. 45. 733 EuGH, Urteil v. 9. 7. 1997 (Oe Agostini und TV-Shop), Slg. I 1997, S. 3843, 3891, Rn. 45. 734 Koenig I Haratsch, Europarecht, Rn. 548; zu Art. 46 EG Everling, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 607, 619. 735 Callies I Ruffert I Brechmann Art. 39 EG, Rn. 89; Groeben I Thiesing I Ehlermann I Wcilker Art. 48 EGV, Rn. 92; Schwarze I Schneider I Wunderlich Art. 39 EG, Rn. 43. 736 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 454 ff. 737 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 456. 731
732
XI. Rechtfertigung einer Beschränkung
173
d) Gegenansicht Eine andere Ansicht im Schrifttum lehnt eine Ableitung der zwingenden Griinde des Allgemeininteresses aus dem Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ab. 738 Der Vorbehalt sei nicht analogiefähig. 739 Die erweiterte Auslegung steigere Einschränkungsmöglichkeiten der Grundfreiheiten in unvertretbarer Weise. Zudem würde durch die Vertrags bindung eine willkürliche Klassifizierung vermieden. e) Stellungnahme Zwar bezeichnet der EuGH die in Art. 46 EG genannten Rechtfertigungsgriinde als "zwingende Griinde des Allgemeininteresses,,74o. Dies hängt aber mit der zentralen Stellung des Art. 46 EG zusammen. Art. 46 EG bezieht sich auf das ganze Kapitel der Niederlassungsfreiheit und sieht eine Unanwendbarkeit aller Vorschriften vor. Art. 39 Abs. 3 EG bezieht sich hingegen nur auf die in diesem Absatz gewährten Rechte und unterscheidet sich daher grundsätzlich von den Vorbehalten in Art. 30 und 46 EG. Bereits insoweit könnte man an einer Übertragbarkeit des Vorbehalts auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG zweifeln. Der EuGH hat die Allgemeininteressen bei Beschränkungen der Freizügigkeit zudem nicht aus Art. 39 Abs. 3 EG abgeleitet. Vielmehr greift er über die Urteile Bosman, Gebhard, Kraus auf das Urteil Thieffry zuriick. 741 Dort stellt er fest, daß Art. 47 EG Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch nationale Regelungen zuläßt, die durch Allgemeininteressen gerechtfertigt sind. 742 Die Niederlassungsfreiheit gehöre unter Beachtung der im Allgemeininteresse gerechtfertigten Berufsregeln zu den Zielen des Vertrages. 743 Den Mitgliedstaaten muß also eine Regelungsautonomie verbleiben, um die Niederlassungsfreiheit mit nationalen Regeln herbeizuführen. Die im allgemeinen Interesse stehenden nationalen Regeln entfalten rechtfertigende Wirkung, ohne daß Art. 39 Abs. 3 EG heranzuziehen wäre.
738 Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung des EuGH, S. 81; Drasch, Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 74 f. 739 Drasch, Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 74 f.; Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 163. 740 EuGH, Urteil v. 14. 11. 1995 (Svensson und Gustavsson), Slg. I 1995, S. 3955, 3976 f., Rn. 15. 741 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5071 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 104, unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 31. 3. 1991, Slg. I 1991, S. 1663, 1697, Rn. 32, unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 28. 4. 1977 (Thieffry), Slg. 1977, S. 765, 777, Rn. 12. 742 EuGH, Urteil v. 28.4.1977 (Thieffry), Slg. 1977, S. 765, 777, Rn. 12. 743 EuGH, Urteil v. 28. 4.1977 (Thieffry), Slg. 1977, S. 765,777, Rn. 15.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
In diesem Zusammenhang gilt es auch zu beachten, daß das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG im Wege der Rechtsfortbildung hergeleitet wurde. Mit dem Beschränkungsverbot geht eine Erweiterung des Überpriifungsrahmens einher, der die Kompetenzen der Mitgliedstaaten intensiver betrifft als die in Art. 39 Abs. 3 genannten Rechte. Mit dieser Ausweitung müssen auch die Rechtfertigungsmöglichkeiten erweitert werden. Ansonsten überschreitet der EuGH die der Rechtsfortbildung gesetzten Kompetenzgrenzen gegenüber den Mitgliedstaaten. Dem beugt die Rechtfertigung aus zwingenden Griinden des Allgemeininteresses als Ausgestaltung des Beschränkungsverbots vor. Die Mitgliedstaaten erhalten die Möglichkeit, ihren Regelungsbereich gegen die gerichtliche Überpriifung am Beschränkungsverbot durch Allgemeininteressen zu verteidigen. Die öffentliche Sicherheit, Ordnung und Gesundheit und selbst der weite Art. 30 EG erfassen aber nur einen Ausschnitt aller zwingenden Griinde des Allgemeininteresses. Es bedarf daher einer Vielzahl zusätzlicher Rechtfertigungsgriinde, um die Kompetenzordnung zu wahren. Deren Anerkennung gehört notwendig zur Ausgestaltung des zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot fortgebildeten Art. 39 EG. Das Beschränkungsverbot ist wiederum durch die den Grundfreiheiten immanente Teleologie auszugestalten. Da Beschränkungen bei allen Grundfreiheiten durch Allgemeininteressen gerechtfertigt werden können,744 muß dies auch für das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gelten. Dadurch wird der absolute Gehalt der Freizügigkeit verdeutlicht. Die Anerkennung des Rechtfertigungsgrundes führt andererseits nicht zu einer Ausweitung der Rechtfertigungsmöglichkeiten und schränkt die Grundfreiheiten nicht unzumutbar ein. Vielmehr wird durch die anschließende Verhältnismäßigkeitspriifung die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Allgemeininteressen kontrolliert. Die Rechtfertigung durch zwingenden Griinde des Allgemeininteresses ergibt sich somit nicht aus Art. 39 Abs. 3 EG, sondern aus der Verpflichtung, die Kompetenzgrenzen der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des allgemeinen Beschränkungsverbots zu wahren.
3. Verhältnis zu der Rechtfertigung diskriminierender Maßnahmen a) Fragestellung Innerhalb der Rechtfertigungsgriinde stellt sich auch die Frage, wie sich die zwingenden Griinde des Allgemeininteresses zu der Rechtfertigung von mittelbaren Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit verhalten. In der Rechtsprechung des EuGH ist eine Rechtfertigung mittelbarer Diskriminierungen aner744 EuGH, Urteil v. 20. 2. 1979 (REWE), Slg. 1979, S. 649, 662, Rn. 8; EuGH, Urteil v. 30.11. 1995 (Gebhard), Slg. 11995, S. 4165, 4197, Rn. 37; EuGH, Urteil v. 31. 3.1993 (Kraus), Slg. I 1993, S. 1663, 1697, Rn. 32; EuGH, Urteil v. 9. 3. 1999 (Centros), Slg. I 1999, S. 1459, 1495, Rn. 34; LenzILux Art. 28 EG, Rn. 30; Lenz 1Scheuer Art. 43 EG, Rn. 11; Lenz 1Hakenberg Art. 49/50 EG, Rn. 26.
XI. Rechtfertigung einer Beschränkung
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kannt, wenn die nationale Maßnahme auf objektiven Erwägungen beruht, die von der Staatsangehörigkeit unabhängig sind und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck stehen. 745 Daneben hat der EuGH in einigen Entscheidungen zu mittelbaren Diskriminierungen auf die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses abgestellt. 746 Wie sich dieser Rechtfertigungsgrund zu dem des Beschränkungsverbots verhält, ist in der Rechtsprechung des EuGH unklar. b) Ansicht im Schrifttum
Im Schrifttum ist eine Rechtfertigung mittelbarer Diskriminierungen aus objektiven Gründen anerkannt. 747 Zum Teil wird die Rechtfertigungsmöglichkeit mittelbarer Diskriminierungen mit dem Rechtfertigungsgrund des Beschränkungsverbots gleichgesetzt und von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gesprochen, die eine versteckte Diskriminierung rechtfertigen könnten. 748 Die Prüfung objektiver Erwägungen sei in der Sache nichts anderes als die Prüfung von Allgemeininteressen. 749 Zudem mißachte der EuGH immer häufiger die Unterscheidung zwischen Diskriminierungen und Beschränkungen, so daß die Allgemeininteressen faktisch eine einheitliche Rechtfertigungsmöglichkeit darstellten. 75o
c) Stellungnahme
Gegen eine einheitliche Rechtfertigungsmöglichkeit mittelbarer Diskriminierungen und Beschränkungen spricht das Erfordernis der unterschiedslos wirkenden Maßnahme, um Beschränkungen der Grundfreiheiten zu rechtfertigen, das inzident Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit ausschließt. Der EuGH stellt bei 745 EuGH, Urteil v. 2. 8. 1993 (AHutS 11), Slg. I 1994, S. 4309, 4334 =JZ 1994, S. 94, 95, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 7. 5. 1998 (Clean Car Autoservice), Slg. I 1998, S. 2521, 2547, Rn. 31; EuGH, Urteil v. 15. 1. 1998 (Schöning-Kougebetopoulou), Slg. I 1998, S. 47, 68, Rn. 21; EuGH, Urteil v. 23. 5.1996 (ü'Flynn), Slg. 11996, S. 2617, 2638, Rn. 19. 746 EuGH, Urteil v. 28. 1. 1992 (Bachmann), Slg. I 1992, S. 249, 280, Rn. 14. 747 Grabitz/ Hilf/ RandelzhoJer/ Forsthoff Vor Art. 39-55 EG, Rn. 139; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts/ Hailbronner, D I, Rn. 31; Schiek, Europäisches Arbeitsrecht, S. 105; Erfurter Kommentar / Hanau Art. 39 EG, Rn. 37; Callies / Ruffert / Brechmann Art. 39 EG, Rn. 47; Koenig / Haratsch, Europarecht, Rn. 546; Hailbronner, Handkommentar zum EGV /EUV, Art. 48 EGV, Rn. 35; Weiß, EuZW 1999, S. 493, 496; Nowak/ Schnitzler, EuZW 2000, S. 627, 629. 748 Weiß, EuZW 1999, S. 493, 497; Koenig / Haratsch, Europarecht, Rn. 546; Callies / RuJJert / Brechmann Art. 39 EG, Rn. 47; Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 457; Novak, DB 1997, S. 2589, 2591; Nowak/ Schnitzler, EuZW 2000, S. 627, 629; Roth, WRP 2000, S. 979, 981. 749 Koenig / Haratsch, Europarecht, Rn. 546. 750 Weiß, EuZW 1999, S. 493, 497; Nowak/ Schnitzler, EuZW 2000, S. 627, 629.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
einer Diskriminierung außerdem ausdrücklich nicht auf eine Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, sondern allein auf sachliche Gründe ab. Zwar dürfte es tatsächlich so sein, daß Allgemeininteressen sachliche Gründe und sachliche Gründe in aller Regel ein Allgemeininteresse verkörpern. Derart unterschiedliche Beeinträchtigungsformen wie die Beschränkung eines Freiheitsraumes und die Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit machen eine Konvergenz der Rechtfertigungsgründe aber schwierig. Jedenfalls können sachliche Differenzierungsgründe nicht ohne weiteres als Rechtfertigungsgründe einer Beschränkung herangezogen werden, sie bedürfen einer Überprüfung auf kollektive Belange. Dafür spricht auch, daß sich das Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot sauber voneinander trennen lassen751 und auch auf der Rechtfertigungsebene klar unterschieden werden. Die Rechtfertigungsgründe verbotener Diskriminierungen und Beschränkungen sind von den Grundlagen her zu trennen. In der tatsächlichen Ausgestaltung dürften sie sich aber ähneln.
4. Ausprägungen des Allgemeininteresses a) Wirtschaftliche Erwägungen
Wirtschaftliche Erwägungen können keine beschränkende Maßnahme rechtfertigen. 752 Dieser bereits bei dem Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bekannte Ausschlußgrund wurde vom EuGH auf die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses übertragen. b) Sport
Der EuGH hat, abgesehen von der Bereichsausnahme für Nationalmannschaften, die keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des EG-Vertrages, sondern den Sport als solchen betrifft,753 verschiedene Allgemeininteressen im Sportbereich überprüft. Dabei sollte die unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots in der Rechtsprechung des EuGH beachtet werden. aa) Funktionsfähigkeit sportlicher Wettkämpfe
In der Entscheidung Lehtonen hat der EuGH ein Allgemeininteresse am geordneten Ablauf sportlicher Wettkämpfe anerkannt. 754 Transfers innerhalb der SpielSiehe oben 1. Kapitel, IV. EuGH, Urteil v. 5. 6. 1997 (SETIG), Slg. I 1997, S. 3091, 3121, Rn. 23; EuGH, Urteil v. 14. 11. 1995 (Svensson und Gustavsson), Slg. 11995, S. 3955, 3976 f., Rn. 15; Lenz 1Hakenberg Art. 49150 EG, Rn. 26. 753 EuGH, Urteil v. 14. 7. 1976 Rs. 13/76 (Dona/Mantero), Slg. 1976, 1333, 1340, Rn. 14/16. 751
752
XI. Rechtfertigung einer Beschränkung
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periode könnten den sportlichen Wert einer Mannschaft und damit den geordneten Verlauf einer gesamten Meisterschaft erheblich beeinträchtigen. 755 Der geordnete Ablauf sportlicher Wettkämpfe rechtfertige daher Transferfristen.
bb) Finanzielles und sportliches Gleichgewicht der Vereine
Als Allgemeininteresse hat der EuGH im Fall Bosman die Wahrung der Chancengleichheit der Vereine angesprochen. 756 Dieses Merkmal ähnelt stark der bei Lehtonen anerkannten Funktionstauglichkeit sportlicher Wettkämpfe. Zwar hat der EuGH die Ablösesummen für die Chancengleichheit der Vereine nicht für erforderlich gehalten. Nur die reichsten Vereine könnten sich die besten Spieler kaufen, so daß die Ablösesummen nicht durch die Chancengleichheit der Vereine gerechtfertigt würden?57 Das sportliche Gleichgewicht dürfte dennoch allgemeine Interessen widerspiegeln, da es dem geordneten Ablauf der Wettkämpfe dient.
cc) Motivation zur Ausbildung
Bei Bosman hat der EuGH die Motivation zur Ausbildung als Allgemeininteresse anerkannt, indes die Ablösesummen nicht als geeignet zur Förderung dieses Zwecks bewertet. 758
dd) Schutz der Organisation des weltweiten Fußballs
Den Schutz des weltweiten Fußballs hat der EuGH nicht als Allgemeininteresse anerkannt, da sich die Allgemeininteressen nur auf gemeinschaftsweite Sachverhalte beziehen könnten. 759 Eine Ungleichbehandlung außereuropäischer und europäischer Vorgänge stehe nicht mit dem EG-Vertrag in Konflikt.
754 EuGH, Urteil v. 13. S. 376, 378, Rn. 53. 755 EuGH, Urteil v. 13. S. 376, 378, Rn. 54. 756 EuGH, Urteil v. 15. S. 82, 89, Rn. 106. 757 EuGH, Urteil v. 15. S. 82, 89, Rn. 107. 758 EuGH, Urteil v. 15. S.82,89,Rn. 108, 109. 759 EuGH, Urteil v. 15. S. 82, 89, Rn. 112.
12 Ro1off
4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2733
= EuZW 2000,
4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2734 = EuZW 2000, 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5071 = EuZW 1996, 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5071 = EuZW 1996, 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5071 = EuZW 1996, 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5073 = EuZW 1996,
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1. Kap.: Das staats gerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ee) Kostenausgleich
Auch den durch die Transferregeln herbeigeführten Kostenausgleich für bereits getätigte Transferleistungen hat der EuGH als Allgemeininteresse verworfen. 76O Ansonsten würde die Beibehaltung des Transfersystems damit gerechtfertigt, daß die Beeinträchtigung der Freizügigkeit bisher möglich war.
c) Kohärenz des Steuersystems aa) Rechtsprechung des EuGH
Der EuGH hat zur Rechtfertigung diskriminierender und beschränkender Regelungen bereits mehrfach auf die Kohärenz des Steuersystems abgestellt. 761 Die Kohärenz des Steuersystems rechtfertigt nach Ansicht des EuGH eine Beschränkung der Freizügigkeit, wenn dem Arbeitnehmer ein steuerlicher Nachteil auferlegt wird, ohne ihm einen entsprechenden, möglicherweise anderen Arbeitnehmern gewährten Steuervorteil einzuräumen. Dieser Nachteil müsse in unmittelbarem Zusammenhang mit dem steuerlich gewährten Vorteil stehen. 762
bb) Kritik im Schrifttum
Gegen das Kriterium der Kohärenz wird eingewandt, daß ein Steuersystem nie stringent sei. 763 Der vom EuGH geforderte unmittelbare Zusammenhang zwischen steuerlichem Vor- und Nachteil bestehe regelmäßig nicht. 764 Weiterhin sei unklar, ob Normen übergreifend in einen Zusammenhang gestellt werden könnten, oder ob sie isoliert zu bewerten seien. 765 Die Kritik ist berechtigt.
760 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5073 = EuZW 1996, S. 82, 89, Rn. 113. 761 EuGH, Urteil v. 14.2. 1995 (Schumacker), Slg. I 1995, S. 225, 261, Rn. 40; EuGH, Urteil v. 14. 11. 1995 (Svensson und Gustavsson), Slg. I 1995, S. 3955, 3976 f., Rn. 18; EuGH, Urteil v. 27. 6. 1996 (Asscher), Slg. I 1996, S. 3089, 3127, Rn. 60; Benz, Die beschränkte Steuerpflicht im Licht der EG-Freizügigkeit, S. 120 ff.; Lenz/ Hakenberg Art. 49/ 50 EG, Rn. 26. 762 EuGH, Urteil v. 14. 11. 1995 (Svensson und Gustavsson), Slg. 11995, S. 3955, 3976 f., Rn. 18. 763 Wemsmann, EuR 1999, S. 754, 769 ff. 764 Wemsmann, EuR 1999, S. 754, 769. 765 Wemsmann, EuR 1999, S. 754, 770.
XI. Rechtfertigung einer Beschränkung
179
d) Arbeitnehmerschutz aa) Rechtsprechung des EuGH
Der EuGH hat wiederholt den Schutz der Arbeitnehmer, insbesondere den Schutz der Arbeitnehmer des Bausektors, als zwingender Grund des Allgemeininteresses hervorgehoben. 766 Dem haben sich Stimmen im Schrifttum unter Verweis auf Art. 136, 137 EG angeschlossen. 767
bb) Stellungnahme
Gegen ein Allgemeininteresse am Arbeitnehmerschutz läßt sich anführen, daß das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG auch dem Schutz der Arbeitnehmer dient. Die Kollision der Schutzgegenstände wird am Beispiel des AEntG und der Entsenderichtlinie deutlich. Dort versteckt sich hinter dem Begriff des Arbeitnehmerschutzes ein Schutz der Arbeitnehmer am Erhalt ihres heimischen Arbeitsplatzes, der mit dem Schutz der Freizügigkeit fremder Arbeitnehmer kollidiert. Werden fremde Arbeitnehmer wegen teurer Mindestarbeitsbedingungen nicht entsandt, was die Konsequenz und der Zweck dieser Regelung ist, so werden heimische Arbeitsplätze unter Inkaufnahme einer Marktabschottung bewahrt. 768 Zwar sollen die entsandten Arbeitnehmer auch durch verbesserte Arbeitsbedingungen geschützt werden. Das setzt aber voraus, daß sie überhaupt noch entsandt werden. Entsandte Arbeitnehmer bedürfen außerdem nur eines verringerten Schutzes, da sie zu den Bedingungen beschäftigt werden, zu denen sie sich im Arbeitsvertrag bereit erklärt haben. Sie werden vordringlich in ihrer Freizügigkeit beschränkt. Die Entsenderichtlinie soll aber der Harmonisierung des Binnenmarktes und damit langfristig auch dem Schutz der zu entsendenden Arbeitnehmer dienen. Eine Harmonisierung der Gemeinschaftsregeln ist aber ohne Freiheitsbeschränkungen nicht zu erreichen. Es gilt daher zu beachten, daß das AEntG auf einer europäischen Richtlinie beruht. Bei der Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers und des umsetzenden Mitgliedstaates an Art. 39 EG wurde darauf hingewiesen, daß zwar eine Bindung an die Grundfreiheiten besteht, die Harmonisierung der Arbeitsbedingungen aufgrund EG-vertraglicher Ermächtigung aber notgedrungen in Konflikt mit dem Beschränkungsverbot gerät. Dem Gemeinschaftsgesetzgeber ist da766 EuGH, Urteil v. 23. 11. 1999 (Arblade und Leloup), Slg. I 1999, S. 8453, 8514 = EuZW 2000, S. 88, 90, Rn. 36; EuGH, Urteil v. 28. 3. 1996 (Guiot), Slg. I 1996, S. 1905, 1921, Rn. 16; zuletzt ausführlich Generalanwalt Mischo, Schlußanträge v. 13.7.2000 (Finalarte), n.v., Rn. 31 ff.; zustimmend auch Däubler, EuZW 1997, S. 613, 615. 767 Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung des EuGH, S.2OO. 768 So auch Arbeitsgericht Wiesbaden wiedergegeben bei Generalanwalt Mischo, Schlußanträge v. 13.7.2000 (Finalarte), n.v., Rn. 32.
12*
180
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
her ein weiter Ennessensspielraum zur Angleichung der Märkte gewährt. Dieser Spielraum ist bei der Entsenderichtlinie nicht überschritten, da der Bausektor starken Markteinflüssen unterworfen ist. Die Richtlinie kann sich auch auf Art. 55,47 Abs. 2 EG stützen. Die Angleichung der Arbeitsbedingungen ist Ausprägung der Pflicht zur Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer und fördert langfristig die Freizügigkeit aller Arbeitnehmer in allen Mitgliedstaaten, da in allen Mitgliedstaaten ähnliche Arbeitsbedingungen herrschen werden. Es wird attraktiver, Arbeitnehmer in Länder mit geringerem Lohnniveau zu entsenden, da die Angebote für die Bauleistung wieder in Konkurrenz zueinander treten können. Die Harmonisierung der Arbeitsbedingungen rechtfertigt daher eine Beschränkung der Freizügigkeit durch den Gemeinschaftsgesetzgeber und den umsetzenden Mitgliedstaat, da sie langfristig auf eine Herstellung der Freizügigkeit gerichtet ist. Das heißt aber nicht, daß ein Mitgliedstaat zum Schutz seiner Arbeitnehmer besondere Schutzvorschriften aufstellen könnte, die nicht vom Gemeinschaftsrecht vorgegeben sind. Nur der Gemeinschaftsgesetzgeber hat die Befugnis zur Harmonisierung. Das deutsche AEntG wäre ohne entsprechende Richtlinie des Rates eine unzulässige Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, da ansonsten der Schutz nationaler Märkte den Binnenmarkt unzulässig beschränken würde.
e) Gesundheit
Die bereits bei der Abgrenzung von Art. 39 Abs. 3 EG und den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses angedeutete öffentliche Gesundheit als Rechtfertigungsgrund ist in der Rechtsprechung anerkannt. 769 Sie ist neben Art. 39 Abs. 3 EG zwingender Grund für die Rechtfertigung der Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. f) Mißbrauchsverbot
Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Beschränkungen der Grundfreiheiten gerechtfertigt, wenn sie mißbräuchliche Umgehungen nationaler Rechtsvorschriften verhindern. 77o Die vom EG-Vertrag geschaffenen Vergünstigungen könnten nicht zur Folge haben, daß sich die Begünstigten den nationalen Rechtsvorschriften mißbräuchlich entziehen dürften und es den Mitgliedstaaten verwehrt würde, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um einen derartigen Mißbrauch zu venneiden. 771 Auch bei der Verpflichtung zur Anerkennung fremder Studienab769 EuGH, Urteil v. 10. 3. 1993 (Kommission / Luxemburg), Slg. I 1993, S. 817, 844, Rn. 12. 770 EuGH, Urteil v. 7. 7. 1992 (Singh), Slg. I 1992, S. 4265, 4295, Rn. 24; Heyer, Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit, S. 228 ff.; Schilling, EuGRZ 2000, S. 3, 38. m EuGH, Urteil v. 7. 7. 1992 (Singh), Slg. I 1992, S. 4265, 4295, Rn. 24.
XI. Rechtfertigung einer Beschränkung
181
schlüsse, um einen ausländischen Titel im Mitgliedstaat führen zu dürfen, hat der EuGH die Gefahr des Mißbrauchs ausländischer Titel als Rechtfertigungsgrund angeführt. 772 Der Schutz der nicht unbedingt sachkundigen Öffentlichkeit vor der mißbräuchlichen Nutzung und Führung akademischer Grade stelle ein berechtigtes Interesse dar, das eine Beschränkung der Freizügigkeit rechtfertige.773 g) Gefährdung des nationalen Steuer- und Sozialabgabensystems Der EuGH räumt den Mitgliedstaaten zwar weiterhin die Möglichkeit ein, ihre steuerlichen Regelungen selbständig zu gestalten, doch können sie eine Beschränkung der Freizügigkeit nicht mit der Vereinfachung und Koordinierung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge rechtfertigen. 774 Dieses Ziel sei zwar erwünscht, rechtfertige aber keine Beschränkung aus dem Vertrag abgeleiteter Rechte. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelte dann, wenn eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit drohe.775 In der Entscheidung Kohlllehnte der EuGH eine Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts infolge der Inanspruchnahme ausländischer Gesundheitsleistungen ohne vorherige Genehmigung der Krankenkassen ab. 776 Der eigentlich wirtschaftliche Bezug dieses Rechtfertigungsgrunds beruht auf der Freiheit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung des Systems der sozialen Sicherheit. 777
h) Administrative Schwierigkeiten Der EuGH hat es abgelehnt, eine Rechtfertigung bei Erwägungen administrativer Art anzuerkennen.778 Allerdings könnten materielle Regelungen, die durch Allgemeininteressen gerechtfertigt wären, auch Kontrollmaßnahmen rechtfertigen, die zur Einhaltung dieser Bestimmung erforderlich seien. 779 Dieser Ansatz enthält eine eigentlich ausgeschlossene Rechtfertigung durch administrative Erwägungen. EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Sig. 11993, S. 1663, 1696, Rn. 34. EuGH, Urteil v. 31. 3. 1993 (Kraus), Sig. 11993, S. 1663, 1696, Rn. 35. 774 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Sig. 11999, S. 345, 391, Rn. 44; Lenz/ Hakenberg Art. 49/50 EG, Rn. 26. 775 EuGH, Urteil v. 28. 4.1998 (Kohll), Sig. 11998, S. 1931, 1948, Rn. 41; Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung des EuGH, S. 184. 776 EuGH, Urteil v. 28. 4. 1998 (Kohll), Sig. 11998, S. 1931, 1948, Rn. 42. 777 Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung des EuGH, S.190. 778 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Sig. 11999, S. 345, 391, Rn. 45; EuGH, Urteil v. 23. 11. 1999 (Arblade und Leloup), Sig. I 1999, S. 8453, 8514 = EuZW 2000, S. 88, 90, Rn. 38. 779 EuGH, Urteil v. 23. 11. 1999 (Arblade und Leloup), Sig. I 1999, S. 8453, 8514 = EuZW 2000, S. 88, 90, Rn. 38. 772
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182
1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
i) Honorierung der Treue zum Arbeitgeber Als sachlichen Grund einer Diskriminierung hat der EuGH in seiner Entscheidung zur Anerkennung von Vordienstzeiten im öffentlichen Dienst die Honorierung der Treue zum Arbeitgeber angesprochen. 78o Er hat diesen Rechtfertigungsgrund im konkreten Fall nicht anerkannt, da die Vordienstzeiten auch bei verschiedenen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes beriicksichtigt wurden. Dieser sachliche Grund ist für das Beschränkungsverbot grundsätzlich kein Ausdruck von Allgemeininteressen, da das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG auch ein Recht zum Verlassen des Mitgliedstaats enthält. Es könnte versucht werden, einen Arbeitnehmer wegen der Treue zum Arbeitgeber an seinen Arbeitsplatz mit Prämien oder gesetzlichen Vorteilen zu binden. Dieses Interesse kann eine Beschränkung der Freizügigkeit nicht rechtfertigen. Die Treue zum Arbeitgeber ist ein allein dem Arbeitgeber zukommender Vorteil. Die Allgemeinheit profitiert hiervon wenig. In der Treue zum Arbeitgeber liegt daher kein Allgemeininteresse. j) Wahrung des Arbeitsfriedens
Die Wahrung des Arbeitsfriedens hat der EuGH als Allgemeininteresse angedacht. 781 Dieses rein wirtschaftliche Interesse der Mitgliedstaaten kann aber beschränkende Maßnahmen nicht rechtfertigen.
5. Rechtfertigung durch kollidierendes Vertragsrecht I Grundrechte a) Kollidierendes Vertragsrecht Nach Ansicht des Schrifttums sind Vorschriften des EG-Vertrags geeignet, in Kollision mit den Grundfreiheiten Beschränkungen zu rechtfertigen. 782 Dies soll insbesondere für die Grundrechte Drittbetroffener gelten. Eine rechtfertigende Kollision mit Sekundärrecht soll ausgeschlossen sein. 783 Der EuGH hat diese Sichtweise bisher lediglich in der Entscheidung Kommission gegen Belgien angedeutet,784 wo er Art. 174 EG (Umweltpolitische Ziele) als Rechtfertigung einer Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit herangezogen hat. Ob diese Ziele Ausdruck 780 EuGH, Urteil v. 15. 1. 1998 (Schöning-Kougebetopoulou), Slg. I 1998, S. 46, 68, Rn. 26. 781 EuGH, Urteil v. 5. 6.1997 (SETIG), Slg. 11997, S. 3091, 3121, Rn. 24. 782 Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 608; Jarass, EuR 2000, S. 705, 720; Schroeder; Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, S. 254, 256. 783 Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 608. 784 EuGH, Urteil v. 4. 10. 1991 (Kommission/Belgien), Slg. 11991, S. 4431, 4480, Rn. 34.
XI. Rechtfertigung einer Beschränkung
183
der zwingenden Griinde sind, ist unklar. Auf diese Frage kommt es aber nicht an, da die Vertragsziele wie die Grundfreiheiten einer Verhältnismäßigkeitspriifung zu unterwerfen sind und sich daher wechselseitig mit der Freizügigkeit bedingen. 785 Kollidierendes Vertragsrecht ist grundsätzlich geeignet, Beschränkungen der Freizügigkeit zu rechtfertigen. b) Grundrechte
Auch Grundrechte können Beschränkungen der Freizügigkeit rechtfertigen. 786 Sie sind Teil des primären EG-Rechts und wurden im Wege der wertenden Rechtsvergleichung aus den Grundrechten der Mitgliedstaaten hergeleitet. 787 Der EuGH hat etwa die Vereinigungsfreiheit im Rahmen des Beschränkungsverbots angesprochen, freilich bei der Frage nach der Bindung Privater an die Grundfreiheiten. Dennoch problematisiert er die Erforderlichkeit einzelner Verbandsregeln und deutet kollidierende Rechtspositionen an. 788 Die Transferregeln seien nicht erforderlich, um die Ausübung dieser Freiheit von Verbänden, Vereinen und Spieler zu gewährleisten und stellten keine unausweichliche Folge dieser Freiheiten dar?89 Folglich wägt der EuGH die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gegen Grundrechte der Arbeitgeber ab. aa) Art der Berücksichtigung der Grundrechte
Fraglich ist, ob die Grundrechte im Wege praktischer Konkordanz in eine Abwägung mit der beschränkten Grundfreiheit treten oder ob sie Ausdruck von Allgemeininteressen sind, die zur Rechtfertigung zusätzlich eines zwingenden Charakters bedürfen. (1) Ansicht des Generalanwalts Lenz und des EuGH
Der Generalanwalt Lenz hat eine Abwägung im Wege praktischer Konkordanz abgelehnt. 79o Lediglich überwiegende Verbandsinteressen könnten der Vereini-
785 Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung des EuGH, S.266. 786 Jarass, Festschrift Everling, S. 593, 608; Gramlieh, OÖV 1996, S. 801, 809 ff. 787 Oppermann, Europarecht, Rn. 491. 788 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 80. 789 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 80. 790 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995,4921,5013, Rn. 216.
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
gungsfreiheit gegenüber der Freizügigkeit Geltung verschaffen. 791 Die Freizügigkeit nach Art. 39 EG besitze zentrale Bedeutung. Die Rechtsprechung des EuGH deutet in eine ähnliche Richtung. Er möchte Grundrechte nur berücksichtigen, wenn überragend wichtige Grundrechtsinteressen betroffen sind. 792
(2) Gegenansicht im Schrifttum
Im Schrifttum wird diese Gewichtung der Grundfreiheiten und Grundrechte kritisiert. 793 Der Konflikt zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten sei nur zu lösen, wenn man nicht von vornherein eine unterschiedliche Gewichtung der Rechte annehme. 794 Es müsse im Wege praktischer Konkordanz ein Ausgleich zwischen allen beteiligten Rechtspositionen gefunden werden. Damit bleibe allen Freiheitsrechten ein möglichst weiter Geltungsraum erhalten.
(3) Stellungnahme
Die Ansätze des EuGH und des Generalanwalts verkürzen die Bedeutung der Grundrechte unangemessen. Wenn sie Grundrechte grundsätzlich unberücksichtigt lassen wollen, sofern diese nicht Ausdruck zwingender Gründe des Allgemeininteresses sind, wird übersehen, daß auch der absolute Gehalt der Freizügigkeit in den Kanon der Grundrechte eingereiht ist. Wertungen zwischen den unterschiedlichen Grundrechten können aber erst im Rahmen einer Abwägung aller Rechte auf einer Ebene gelingen. Ansonsten werden Grundrechtsinhalte, die auch durch die EMRK gewährleistet werden, unzulässig verkürzt. Selbst wenn die EMRK die EU nicht unmittelbar verpflichtet,795 so bindet sie doch die Mitgliedstaaten beim Vollzug europäischen Rechts. 796 Dies hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zu berücksichtigen, so daß den Grundrechten im Wege praktischer Konkordanz Geltung zu verschaffen ist. Daher ist unter Ausgleich der kollidierenden Rechte zu fragen, ob den beeinträchtigten Grundrechten gegenüber der beeinträchtigten Grundfreiheit ein höherer Stellenwert einzuräumen ist. Zudem sind Grundrechte des Beeinträchtigten in die Abwägung aufzunehmen, die zu einer Verstärkung der Grundfreiheit führen können. 791 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995,4921,5013, Rn. 216. 792 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 80; Anklänge bei EuGH, Urteil v. 11. 4. 2000 (Deliege), Slg. I 2000, S. 2549, 2618 =EuZW 2000, S. 371, 375, Rn. 64. 793 Gramlieh, DÖV 1996, S. 801, 810. 794 Gramlieh, DÖV 1996, S. 801, 810. 795 Zum Beitritt der EU siehe EuGH, Gutachten nach Art. 228 EGV v. 28. 3. 1996, Sig. I 1996,S. 1759, 1789,Rn.34. 796 Busse, NJW 2000, S. 1074, 1077.
XI. Rechtfertigung einer Beschränkung
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bb) Grundrechte des Beschränkenden Als kollidierende Grundrechte kommen die Berufsfreiheit des Arbeitgebers,797 die Vereinigungsfreiheit von Verbänden,798 die Organisationsfreiheit der Kirchen799 und die Eigentumsfreiheit der Unternehmer800 in Betracht. Sie alle können Beschränkungen der Freizügigkeit rechtfertigen, sofern die verursachte Beschränkung der Freizügigkeit geeignet, erforderlich und angemessen ist.
cc) Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Fraglich ist, ob die Freizügigkeit des Arbeitnehmers durch die grundrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit801 eine stärkere Gewichtung in der Abwägung erhält. 802 Dagegen spricht, daß die Berufsfreiheit und die Freizügigkeit bei Fragen des Zugangs und Weggangs zur Beschäftigung parallel laufen. Die darüber hinausgehenden Berufsausübungsregeln werden vom Beschränkungsverbot des Art. 39 EG nicht erfaßt, da es bereits an einer Beschränkung der Freizügigkeit fehlt. Allein bei den Zugangsregeln wäre eine zusätzliche Berücksichtigung der Berufsfreiheit möglich. Da diese Freiheit in grenzüberschreitenden Fällen aber speziell von Art. 39 EG erfaßt wird, tritt das europäische Grundrecht der Berufsfreiheit hinter der Freizügigkeit zurück. Die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers vermittelt der beschränkten Freizügigkeit in der Abwägung somit kein stärkeres Gewicht.
c) Differenzierte Rechtfertigung nach Beschränkungsintensität
Der Generalanwalt Alber hat in der Rechtssache Lehtonen vorgeschlagen, offene und verdeckte Zugangsbeschränkungen wegen der besonderen Schwere des Eingriffs einer abgestuften Rechtfertigungspflicht zu unterwerfen. Dieser Ansatz erinnert an die Dreistufentheorie des BVerfG zur Berufsfreiheit. 803 Zwar kann die Freizügigkeit nicht durch Berufsausübungsregeln beschränkt werden. Es werden aber Beschränkungen des "Ob" und des "Wie" des Zugangs unterschieden. BeEuGH, Urteil v. 8.10. 1986 (Keller), Slg. 1986, S. 2897, 2912, Rn. 8. EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 80; Gramlieh, DÖV 1996, S. 801, 807; Anklänge bei EuGH, Urteil v. 11. 4. 2000 (Deliege), Slg. I 2000, S. 2549, 2618 = EuZW 2000, S. 371, 375, Rn. 64; ausführlich Streinz, SpuRt 2000, S. 221, 225 ff. 799 Vachek, Das Religionsrecht der Europäischen Union im Spannungsfeld zwischen rnitgliedstaatlichen Kompetenzreservaten und Art. 9 EMRK. S()() EuGH, Urteil v. 14.5. 1974 (Nold), Slg. 1974, S. 491, 507, Rn. 14. SOl EuGH, Urteil v. 8.10.1986 (Keller), Slg. 1986, S. 2897, 2912, Rn. 8. S02 Jarass, EuR 2000, S. 705, 720 will Grundrechte vorrangig prüfen. S03 BVerfG, Urteil v. 11. 6. 1958, BVerfGE 7, S. 377,405 ff. 797 79S
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1. Kap.: Das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
schränkungen des "Ob" haben in der Regel eine größere Intensität, so daß der Ansatz des Generalanwalts überzeugt. Die Abgrenzung in Zugangs- und Ausübungsregeln fällt zwar häufig schwer. Der Ansatz ist dennoch zu begrüßen.
6. Ergebnis Beschränkungen der Freizügigkeit können durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses und kollidierendes Vertragsrecht gerechtfertigt werden. Die Rechtfertigung durch zwingende Gründe läßt sich nicht aus Art. 39 Abs. 3 EG ableiten und steht nicht in Zusammenhang mit der Rechtfertigung mittelbarer Diskriminierungen, sondern ist selbständige Ausgestaltung des Beschränkungsverbots.
2. Kapitel
Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG J. Einleitung Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer kann durch Maßnahmen Privater beschränkt werden. Rückzahlungsklauseln, Transferzahlungen oder Vertragsstrafen halten Arbeitnehmer davon ab, ihr Arbeitsverhältnis zu beenden und ihre Arbeitskraft grenzüberschreitend anzubieten. Fraglich ist, ob und in welchem Umfang Private an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gebunden sind. Das Diskriminierungsverbot enthält in Art. 39 Abs. 2 EG und Art. 7 Abs. 4 der va 1612/68 Anhaltspunkte für eine Bindung Privater. Für das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG fehlt eine gesetzliche Regelung.
11. Begriffsbildung Wenn sich Private auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages stützen, ist von unmittelbarer Wirkung oder Anwendbarkeit der Grundfreiheiten die Rede. Diese Anwendbarkeit kann horizontale und vertikale Wirkung entfalten. Beruft sich ein Bürger gegenüber einem Mitgliedstaat auf die Freizügigkeit, handelt es sich um eine vertikale unmittelbare Wirkung der Grundfreiheiten. 1 Die horizontale unmittelbare Wirkung stellt im Gegensatz dazu auf das Verhältnis zwischen Privaten ab und begründet eine Bindung Privater an die Grundfreiheiten, auf die sich andere Private berufen können. 2 Diese Bindung Privater an die Grundfreiheiten wird unter der Fragestellung problematisiert, ob die Grundfreiheiten unmittelbar oder "lediglich" mittelbar zwischen Privaten wirken (mittelbare und unmittelbare Drittwirkung).3 Eine unmittelbare Drittwirkung der Freizügigkeit würde Private im gleichen Maße wie die Mitgliedstaaten an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG binden und sie zu Adressaten der Grundfreiheiten machen. Eine mittelbare Drittwirkung führte Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 23. Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 22. 3 Ausführlich Jaensch, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten; Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten. 1
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
hingegen zu einer abgestuften Einwirkung auf privatautonome Vorgänge, ohne Private zu Adressaten des Art. 39 EG zu machen. Die Bindung des Gesetzgebers zivilrechtlicher Normen an die Grundfreiheiten ist zwar anerkannt. 4 Hier geht es aber um die Frage, ob privatautonome Abreden und Maßnahmen unmittelbar am Beschränkungsverbot des Art. 39 EG zu messen sind. Die Privaten, deren Bindung an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG untersucht werden soll, bilden eine heteronome Gruppe: Einzelne Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis hauptsächlich durch den Arbeitsvertrag gestalten, aber auch sonstige Private, die in Verfolgung öffentlicher Interessen normschöpferisch tätig werden, deren Regelungen sich die Normunterworfenen nicht oder nur bedingt entziehen können und die deshalb auch als "intermediäre Gewalten" bezeichnet werden, wirken gestaltend auf das Arbeitsverhältnis ein. 5 Möglicherweise gehören auch öffentliche Arbeitgeber zu den Teilnehmern am Wirtschaftsverkehr. Deren Bindung soll aber erst im nächsten Kapitel untersucht werden.
III. Ansichten und Stellungnahme 1. Ansicht des EuGH Bei der Darstellung der Rechtsprechung des EuGH zur Drittwirkung der Freizügigkeit und anderer Grundfreiheiten ist zwischen dem Diskriminierungs- und dem Beschränkungsverbot zu unterscheiden, da sich Art. 39 Abs. 2 EG von seinem Wortlaut her im Gegensatz zum gesetzlich nicht geregelten Beschränkungsverbot auf privatrechtliche Vorgänge bezieht. Freilich sind die Entscheidungen des EuGH über die Drittwirkung des Diskriminierungsverbots nicht ohne Belang für die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot, da das Diskriminierungs- und das Beschränkungsverbot gemeinsam die Freizügigkeit im Binnenmarkt garantieren. a) Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG aa) Rechtssache Walrave
Der EuGH hat sich bereits im Jahre 1974 mit der Bindung Privater an das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG befaßt. 6 Nach den Regelungswerken der Radrennsportverbände mußten Schrittmacher7 und Radrennfahrer dieselbe Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 29 m. w. N. Burgi, EWS 1999, S. 327, 328. 6 EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Slg. 1974, S. 1405, 1419, Rn. 6/19. 7 Schrittmacher fuhren mit einem Motorrad vor den Radfahrern her, um Windschatten zu spenden und ein schnelleres Fahren zu ermöglichen. 4
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III. Ansichten und Stellungnahme
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Staatsangehörigkeit besitzen. Ein Schrittmacher klagte gegen die Regelung, da er nicht mehr für einen Radfahrer aus einem anderen Mitgliedstaat tätig werden konnte. Die Regelungen verstießen zwar offensichtlich gegen das Verbot der Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit. Fraglich war aber, ob das Diskriminierungsverbot überhaupt zwischen Privaten Wirkung entfaltete. Der EuGH stellte fest, daß Art. 12, 39, 43 EG jede Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit verbieten. 8 Dieses Verbot gelte nicht nur für staatliche Maßnahmen, sondern erstrecke sich auch auf sonstige Maßnahmen, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstleistungsbereich enthielten. 9 Der freie Personenverkehr nach Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG sei als wesentliches Ziel der Gemeinschaft gefährdet, wenn die Beseitigung der staatlichen Schranken in ihren Wirkungen dadurch wieder aufgehoben würde, daß privatrechtliche Vereinigungen oder Einrichtungen kraft ihrer rechtlichen Autonomie derartige Hindernisse aufrichteten. 10 Die Arbeitsbedingungen würden je nach Mitgliedstaat durch Gesetze und Verordnungen oder durch Verträge und sonstige Rechtsgeschäfte privater Personen geregelt. Es bestünde daher bei einer Beschränkung der Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots des Art. 39 Abs. 2 EG auf staatliche Maßnahmen die Gefahr, daß das Verbot nicht einheitlich angewandt würde. II Gewisse Vorschriften des EG-Vertrages gälten zweifellos speziell für staatliche Maßnahmen. Es sei aber auch klar, daß Art. 39 EG jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung verbiete und gleichermaßen Verträge und sonstige Bestimmungen erfasse, die nicht von staatlichen Stellen herriihrten. 12 Folglich bestimme Art. 7 Abs. 4 der VO 1612/68, daß das Diskriminierungsverbot auch für Einzelarbeitsverträge und sonstige Kollektivvereinbarungen gelte. 13 Der einzel staatliche Richter habe bei der Priifung der Wirksamkeit einer in der Satzung eines Sportverbandes enthaltenen Bestimmung die Art. 12, 39, 43 EG zu beriicksichtigen. 14 Der EuGH hat mit dieser Entscheidung erstmals die Bindung Privater an das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG anerkannt.
bb) Rechtssache Dona
In der Entscheidung des EuGH zu Domi ging es um den Ausschluß ausländischer Arbeitnehmer von der Verbandsmitgliedschaft im Profisport und damit von der Möglichkeit, sich in dem betroffenen Mitgliedstaat professionell zu betätiEuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Sig. 1974, S. 1405, 1419, Rn. 6/19. EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Sig. 1974, S. 1405, 1419, Rn. 6/19. 10 EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Sig. 1974, S. 1405, 1419, Rn. 6/19. 11 EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Sig. 1974, S. 1405, 1420, Rn. 6/19. 12 EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Sig. 1974, S. 1405, 1420, Rn. 20/24. 13 EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Sig. 1974, S. 1405, 1420, Rn. 20/24. 14 EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Sig. 1974, S. 1405, 1420, Rn. 25.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
gen. 15 Der EuGH leitete die Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots aus der Entscheidung Walrave ab. Das Diskriminierungsverbot beziehe sich auch auf sonstige Maßnahmen, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstleistungsbereich enthielten. 16 Die Begründung ist mit der Entscheidung Walrave identisch. cc) Rechtssache Haug-Adrion
Eine im Schrifttum häufig für die unmittelbare Drittwirkung der Freizügigkeit angeführte Entscheidung ist das Urteil des EuGH vom 31. 12. 1984 (HaugAdrion).17 Ein deutscher Staatsangehöriger wandte sich gegen die Praxis von KfzVersicherungen, Haltern eines Kfz, das mit einem Zollkennzeichen versehen war, den Schadensfreiheitsrabatt zu verwehren. Die Versicherungsbedingungen waren amtlich genehmigt worden. Der EuGH verneinte eine unzulässige Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit. Die Versicherungsbedingungen stellten allein auf objektive, versicherungstechnische Vorgaben ab und nicht auf die Staatsangehörigkeit oder den WohnsitZ. 18 Die Regelung betreffe gleichermaßen Angehörige des jeweiligen Mitgliedstaats, die in dem Mitgliedstaat wohnten und ein zur Ausfuhr bestimmtes Kfz erworben hätten, wie auch Angehörige dieses Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnten und ein in ihrem Heimatstaat erworbenes Fahrzeug in ihren Wohnsitzstaat ausführen wollten. 19 Daher handele es sich nicht um eine unzulässige Diskriminierung. Ausführungen oder Verweise auf seine Urteile zur Bindung Privater an das Diskriminierungsverbot fehlen in dieser Entscheidung, da der EuGH bereits eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit ablehnte. dd) Ausländerklauseln im Profisport (Rechtssache Bosman)
Im Bosman-Urteil ging es um die Zulässigkeit verbandsrechtlicher Kontingentierungen ausländischer Fußballspieler. Die Satzungen sahen vor, daß lediglich drei ausländische Spieler pro Mannschaft in einem Spiel aufgestellt und nur fünf vertraglich verpflichtet werden durften. Dies verstieß evident gegen das Verbot der Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit. Der EuGH konnte die Regelung mittelbar an Art. 4 der va 1612/68 messen und bezog sich für die Drittwirkung des Diskriminierungsverbots auf die Entscheidung Walrave. 2o Zudem verwies er auf seine RechtEuGH, Urteil v. 14. 7.1976 (Domi), Slg. 1976, S. 1333. EuGH, Urteil v. 14.7. 1976 (Domi), Slg. 1976, S. 1333, 1340, Rn. 17/18. 17 EuGH, Urteil v. 13. 12. 1984 (Haug-Adrion), Slg. 1984, S. 4277 ff. IS EuGH, Urteil v. 13. 12. 1984 (Haug-Adrion), Slg. 1984, S. 4277, 4288, Rn. 16. 19 EuGH, Urteil v. 13. 12. 1984 (Haug-Adrion), Slg. 1984, S. 4277, 4288, Rn. 17. 20 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 5074 =EuZW 1996, S. 82, 89, Rn. 116. 15
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III. Ansichten und Stellungnahme
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sprechung zu Domi, nach der es Verbänden verboten war, den Einsatz von ausländischen Berufsspielern in Verbandsrege1n zu beschränken?l Damit hat der EuGH eine ständige Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots des Art. 39 Abs. 2 EG aufverbandsrechtliche Vorschriften entwickelt.
ee) Vordienstzeiten im öffentlichen Dienst Der EuGH hat auch tarifvertragliehe Regelungen, die ausländische Vordienstzeiten bei der Einstellung und Beförderung im öffentlichen Dienst nicht berücksichtigten, nach Art. 39 Abs. 2 EG verworfen. 22 Diese Regelung verstoße gegen das Verbot mittelbarer Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit, da überwiegend Einheimische die Vordienstzeit im betreffenden Mitgliedstaat erfüllten. 23 Die Nichtigkeit der Bestimmung ergebe sich aus Art. 7 Abs. 4 der va 1612/ 68?4 Die Tarifautonomie stehe der Drittwirkung nicht entgegen, da Art. 7 Abs. 4 der va 1612/68 verbindlich die Nichtigkeit aller privaten Absprachen, die Ausländer diskriminierten, festlege. 25 Jf) Rechtssache Angonese
In der Entscheidung des EuGH zu Angonese ging es um die Frage, ob das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ohne Beteiligung intermediärer Gewalten Anwendung findet. 26 Ein privates Unternehmen verlangte von den einzustellenden Arbeitnehmern die Vorlage eines Sprachdiploms, das nur in der Provinz der unternehmerischen Niederlassung erworben werden konnte. In dem Unternehmen galt ein Tarifvertrag, der es dem Unternehmen erlaubte, besondere, nicht weiter spezifizierte Anforderungen an die einzustellenden Bewerber festzulegen. Das Erfordernis des Erwerbs eines regionalen Sprachdiploms begründete nach Ansicht des EuGH eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer. 27 21 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 5074 = EuZW 1996, S. 82, 89, Rn. 119 unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 14.7. 1976 (Dona), Slg. 1976, S. 1333, 1340, Rn. 19. 22 EuGH, Urteil v. 15. 1. 1998 (Schöning-Kougebetopoulou), Slg. I 1998, S. 47, 67 ff.; EuGH, Urteil v. 23. 2. 1994 (Scholz), Slg. I 1994, S. 505, 521, Rn. 10. 23 EuGH, Urteil v. 15. 1. 1998 (Schöning-Kougebetopoulou), Slg. I 1998, S. 47, 68, Rn. 23; EuGH, Urteil v. 23. 2. 1994 (Scholz), Slg. I 1994, S. 505, 521, Rn. 11. 24 EuGH, Urteil v. 15. 1. 1998 (Schöning-Kougebetopoulou), Slg. I 1998, S. 47, 68, Rn. 23. 25 EuGH, Urteil v. 15. 1. 1998 (Schöning-Kougebetopou1ou), Slg. I 1998, S. 47, 69, Rn. 30, 31; jetzt ausdrücklich in Art. 7 Abs. 5 des Vorschlags zur Veränderung der VO 1612/ 68, ABl.EG v. 12. 11. 1998 C 344/12. 26 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. 12000, S. 4139 ff. =EuZW 2000, S. 468 ff.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Fraglich war aber, ob das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG den einzelnen Arbeitgeber bei seinem Einstellungsverfahren bindet. Da in bisherigen Entscheidungen des EuGH Art. 7 Abs. 4 der VO 1612/68 eingriff oder intermediäre Gewalten fremde Staatsangehörige diskriminierten, ergab sich daraus im Zweifel immer die Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots, auch wenn der EuGH nur sporadisch auf Art. 7 Abs. 4 der VO 1612/68 abstellte. 28 Bei Angonese konnte der Tarifvertrag nach Ansicht des EuGH mangels tarifvertraglicher Festlegung der Einstellungsqualifikation indes nicht an Art. 7 VO 1612/68 gemessen werden. 29 Der Tarifvertrag erlaube den betreffenden Betrieben weder ausdriicklich noch schlüssig, diskriminierende Einstellungsvoraussetzungen festzuiegen 30 und verstoße daher nicht gegen Art. 7 Abs. 4 VO l6l2/68?\ Die Kontrolle des Tarifvertrags war damit ausgeschlossen, es konnte lediglich an die diskriminierende Einstellungspraxis des Arbeitgebers angeknüpft werden. Dies war jedoch problematisch, da Art. 7 Abs. 4 zwar auch den Zugang betreffende Bestimmungen in Arbeitsverträgen verbietet, soweit sie für Arbeitnehmer anderer Mitgliedstaaten diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen. Zugangsvoraussetzungen können aber nicht durch einen Arbeitsvertrag begriindet werden, da der Abschluß von Arbeitsverträgen den Zugang zur Tätigkeit voraussetzt und dem Zugang zeitlich nachfolgt. Die Einstellungspraxis des Arbeitgebers konnte folglich auch nicht an Art. 7 Abs. 4 gemessen werden?2 Der EuGH hat den einzelnen Arbeitgeber dennoch bei der Einstellung an das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG gebunden und betont, daß das in Art. 39 Abs. 2 EG ausgesprochene Diskriminierungsverbot allgemein formuliert ist und sich nicht speziell an die Mitgliedstaaten richtet. 33 Er habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß sich das Diskriminierungsverbot auch auf sonstige Maßnahmen erstrecke, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstleistungsbereich enthielten. 34 Die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit 27 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. 12000, S. 4139, 4174 f. = EuZW 2000, S.468,470, Rn. 39,40. 28 EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Slg. 1974, S. 1405, 1420, Rn. 20/24. 29 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. I 2000, S. 4139, 4171 = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 27; Art. 7 Abs. 4 der VO 1612/68 lautet: "Alle Bestimmungen in Tarif- oder Arbeitsverträgen oder sonstigen Kollektivvereinbarungen betreffend Zugang zur Beschäftigung, Beschäftigung, Entlohnung und alle übrigen Arbeits- und Kündigungsbedingungen sind von Rechts wegen nichtig, soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen". 30 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. I 2000, S. 4139, 4171 = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 26. 31 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. I 2000, S. 4139, 4171 = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 26. 32 a. A. Körber, EuR 2000, S. 932, 934, der Art. 7 Abs. 4 VO 1612/68 teleologisch erweitern möchte. 33 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. I 2000, S. 4139, 4171 = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 30.
111. Ansichten und Stellungnahme
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wäre gefährdet, wenn die Abschaffung staatlicher Beschränkungen durch kollektive Regelungen von Vereinigungen, die nicht dem öffentlichen Recht unterlägen und von ihrer Autonomie Gebrauch machten, zunichte gemacht werden könnte. 35 Da die Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten zum Teil durch Verträge und Beschlüsse Privater geregelt würden, könnte die Begrenzung des Diskriminierungsverbots auf behördliche Maßnahmen zu Ungleichheiten bei dessen Anwendung führen .36 Vertragsvorschriften mit zwingendem Charakter begründeten ein Diskriminierungsverbot für alle kollektiven und individuellen Verträge zwischen Privatpersonen. 3? Die Erwägungen zur Drittwirkung des Art. 141 EG müßten erst recht für Art. 39 gelten, in dem eine Grundfreiheit formuliert werde und der eine spezifische Anwendung des in Art. 12 EG ausgesprochenen allgemeinen Diskriminierungsverbots darstelle. 38 In diesem Zusammenhang solle Art. 39 ebenso wie Art. 141 EG eine nichtdiskriminierende Behandlung auf dem Arbeitsmarkt gewährleisten. 39 Das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG gilt somit nach Ansicht des EuGH unmittelbar auch für Privatpersonen.
gg) Fazit Diskriminierungsverbot
Ausgehend von Art. 39 Abs. 2 EG und Art. 7 Abs. 4 der VO 1612/68 hat der EuGH das Diskriminierungsverbot der Freizügigkeit auf alle Maßnahmen von Privatpersonen erstreckt. Zwar unterscheidet der EuGH begrifflich nicht zwischen unmittelbarer und mittelbarer Drittwirkung der Grundfreiheiten - diese Begriffe sind ihm nicht geläufig. 4o Dennoch geht er inzident von einer unmittelbaren Drittwirkung des Diskriminierungsverbots für intermediäre Gewalten und den einzelnen Arbeitgeber aus, wenn er Maßnahmen Privater unmittelbar am Diskriminierungsverbot der Freizügigkeit mißt, was auch im Schrifttum so gesehen wird. 41 Art. 39 Abs. 2 EG entfaltet daher nach Ansicht des EuGH unmittelbare Drittwirkung.
34 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. I 2000, S. 4139, 4172 = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 31; EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Slg. 1974, S. 1405, 1419, Rn. 17. 35 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. I 2000, S. 4139, 4172 = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 31 - 33. 36 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. 12000, S. 4139, 4172 = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 33. 37 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. 12000, S. 4139, 4172 = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 34 unter Bezug auf EuGH, Urteil v. 8.4. 1976 (Defrenne), Slg. 1976, S. 455, 475, Rn. 39. 38 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. I 2000, S. 4139, 4172 = EuZW 2000, S. 468, 470, Rn. 35. 39 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. I 2000, S. 4139, 4172 = EuZW 2000, S. 468, 470, Rn. 35. 40 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 33. 4\ Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 33; Körber; EuR 2000, S. 932, 940.
13 Roloff
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
b) Beschränkungsverbot des Art. 39 EG aa) Rechtssache Bosman
Im Bosman-Urteil hat der EuGH seine Rechtsprechung zur unmittelbaren Drittwirkung des Diskriminierungsverbots auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG übertragen. 42 Er wiederholt, daß Private, die Maßnahmen zur kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit aufstellten, an Art. 39 EG gebunden seien. 43 Es bestehe die Gefahr, daß die Abschaffung der Schranken staatlichen Ursprungs durch nicht dem öffentlichen Recht unterliegende Vereinigungen und Einrichtungen zunichte gemacht werden könnte, wenn diese frei von ihrer rechtlichen Autonomie Gebrauch machten. 44 Insbesondere im Arbeitsrecht bestehe ein Vielzahl privatrechtlicher Absprachen und Verträge, die geeignet seien, die Freizügigkeit in erheblichem Maße zu beeinträchtigen. 45 Der EuGH verwirft das Argument, daß Private stärker an Art. 39 EG gebunden würden als der Staat. 46 Nichts spreche dagegen, Privaten die Rechtfertigungsgründe der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit zu versagen. 47 Die Rechtsnatur der Vorschrift habe keinen Einfluß auf deren Tragweite oder deren Inhalt. Auch der Verhandsautonomie als Ausfluß der Vereinigungsfreiheit mißt der EuGH im Zusammenhang mit der Frage der unmittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots nur wenig Bedeutung bei. Zwar werde die Vereinigungsfreiheit als Grundrecht in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt. 48 Jedoch seien die Ablösesummen nicht erforderlich, um die Ausübung der Freiheit durch die Verbände, die Vereine oder die Spieler zu gewährleisten. Sie stellten eine unausweichliche Folge dieser Freiheit dar. 49 Der EuGH unterwirft Verbände somit dem Beschränkungsverbot.
42 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 82. 43 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 82. 44 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 5066 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 83. 45 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 81, 82; EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Slg. 1974, S. 1405, 1419, Rn. 16/19. 46 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5066 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 86. 47 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 5066 =EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 86. 48 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 79. 49 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 80.
III. Ansichten und Stellungnahme
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bb) Rechtssache Lehtonen
Auch in der Entscheidung Lehtonen hatte sich der EuGH mit der Bindungswirkung des Beschränkungsverbots gegenüber Sportverbänden zu befassen. 5o Durch Verbandsvorschriften wurden Fristen festgelegt, innerhalb welcher Basketballprofis den Verein wechseln konnten. Ein ausländischer Spieler wandte sich gegen die Beschränkung seiner Freizügigkeit. Nachdem der beschränkende Charakter der Vorschrift festgestellt worden war, ging der EuGH auf die Drittwirkung des Beschränkungsverbots ein. Im Anschluß an das Bosman-Urteil bejahte er die Bindung Privater. Was die Natur der im Ausgangsverfahren streitigen Regelung angehe, so ergebe sich aus den Urteilen Walrave sowie Bosman, daß die Gemeinschaftsbestimmungen über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr nicht nur für behördliche Maßnahmen gälten, sondern sich auch auf Vorschriften anderer Art erstreckten, die zur kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit und der Erbringung von Dienstleistungen dienten. 51 Die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten wäre gefährdet, wenn die Abschaffung der Schranken staatlichen Ursprungs durch Hindernisse vereitelt werden könnte, die durch nicht dem öffentlichen Recht unterliegende Vereinigungen und Einrichtungen im Rahmen ihrer rechtlichen Autonomie geschaffen würden. 52 Der EuGH hat mit dieser Entscheidung die unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots für Sportverbände bestätigt.
cc) Rechtssache Bobadilla
In der Rechtssache Bobadilla53 ging es um die unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots gegenüber öffentlichen Arbeitgebern. Zwar soll die Bindung öffentlicher Arbeitgeber an das Beschränkungsverbot erst im nächsten Kapitel erörtert werden, möglicherweise erlaubt die Rechtsprechung aber Rückschlüsse auf die unmittelbare Drittwirkung gegenüber privaten Arbeitgebern. Eine Spanierin bewarb sich mit ausländischen Diplomen um eine Stelle als Restauratorin bei dem spanischen Museum Prado, eine autonome Anstalt mit Rechtspersönlichkeit, die dem spanischen Kulturministerium zugeordnet ist. Das Museum hatte vorher in einem Firmentarifvertrag mit der Personalvertretung festgelegt, daß eine Einstellung die Vorlage eines spanischen Diploms voraussetzt. Da spanische Behörden 50 EuGH, Urteil v. 13. S. 375, 377, Rn. 35. 51 EuGH, Urteil v. 13. S. 375, 377, Rn. 35. 52 EuGH, Urteil v. 13. S. 375, 377, Rn. 35. 53 EuGH, Urteil v. 8. 7.
\3*
4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2729 = EuZW 2000, 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2729 = EuZW 2000, 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2729 1999 (Bobadilla), Slg. 11999, S. 4773
= EuZW 2000,
=NZA 1999, S. 861.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
die ausländischen Diplome der Spanierin den nationalen Diplomen nicht nach den Richtlinien 89/48 und 92 / 51 / EWG gleichgestellt hatten, wurde sie unter Hinweis auf die fehlende Qualifikation vom Auswahlverfahren ausgeschlossen. Dem EuGH stellte sich die Frage, ob die öffentliche Einrichtung eine Einstellung ablehnen konnte oder ob sie nicht etwa aus dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG und den daraus abgeleiteten Verfahrensrechten zur Priifung der Gleichwertigkeit ausländischer Diplome verpflichtet war. 54 Der EuGH führt aus, daß es das Gemeinschaftsrecht einer öffentlichen Einrichtung nicht verwehre, den Zugang zu einer Stelle Bewerbern vorzubehalten, die im Besitz eines nationalen Diploms sind. 55 Jedoch müsse das Homologierungsverfahren bei ausländischen Diplomen den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts entsprechen. 56 Daraus ergebe sich, daß die nationalen Behörden grundsätzlich verpflichtet wären, ausländische Diplome in einem Verfahren zu beurteilen und gegebenenfalls anzuerkennen. 57 Bestehe kein staatliches Anerkennungsverfahren oder entspreche dieses nicht den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen, so habe die öffentliche Einrichtung, die eine Stelle besetzen wolle, selbst zu priifen, ob das von dem Bewerber in einem anderen Mitgliedstaat erlangte Diplom, auch unter Beriicksichtigung der Berufserfahrung, dem geforderten nationalen Befahigungsnachweis gleichwertig sei. 58 Der EuGH hat damit einen öffentlichen Arbeitgeber aus dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG verpflichtet, ausländische Diplome auf ihre Gleichwertigkeit zu priifen. Er hat öffentliche Arbeitgeber an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gebunden und zur Gewährleistung der Verfahrensrechte verpflichtet.
dd) Fazit
Der EuGH hat hauptsächlich Regelungen von Sportverbänden auf ihre Übereinstimmung mit dem freizügigkeitsrechtlichen Beschränkungsverbot überpriift. Dies steht im Gegensatz zu seiner Rechtsprechung zur Drittwirkung des Diskriminierungsverbots, wo er auch Maßnahmen des einzelnen Arbeitgebers an Art. 39 Abs. 2 EG gemessen hat. Eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots im 54 Bei der Anerkennung ausländischer Dip10me handelt es sich um eine Ausprägung des Beschränkungsverbots, da eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 39 Abs. 2 EG bei den eigenen Staatsangehörigen ausgeschlossen ist. 55 EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. 11999, S. 4773, 4803 = NZA 1999, S. 861, 862, Rn. 28. 56 EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4803 = NZA 1999, S. 861, 862, Rn. 28. 57 EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4804 =NZA 1999, S. 861, 863, Rn. 33. 58 EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4804 = NZA 1999, S. 861, 863, Rn. 34.
111. Ansichten und Stellungnahme
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Arbeitsverhältnis hat der EuGH bislang nur für einen öffentlichen Arbeitgeber angenommen, wobei er sogar über den Abwehrgehalt des Beschränkungsverbots hinausgeht und den öffentlichen Arbeitgeber zur Homologierung ausländischer Qualifikationen verpflichtet.
c) Rechtsprechung zur Drittwirkung anderer Grundfreiheiten
aa) Warenverkehrsfreiheit Bei dem Verbot der Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit ist nach Ansicht des EuGH eine Drittwirkung ausgeschlossen. 59 Art. 28 und 29 EG bezögen sich auf staatliche Verhaltensweisen und nicht auf Maßnahmen Privater. 60 Es sei lediglich zu prüfen, ob staatliche Maßnahmen mit Art. 28, 29 EG in Einklang stünden. Für Unternehmen gälten Art. 81 ff. EG, die eine Aufrechterhaltung des freien Wettbewerbs für und durch Private bezweckten. 61
bb) Dienstleistungsfreiheit Bei der Dienstleistungsfreiheit wendet der EuGH die gleichen Grundsätze wie bei der Freizügigkeit an. Bereits in der Entscheidung Walrave hatte er seine Begründung neben Art. 39 auch auf Art. 49 EG gestützt und war für das Diskriminierungsverbot der Dienstleistungsfreiheit zu einer unmittelbaren Drittwirkung gelangt. 62 In einer aktuellen Entscheidung hat der EuGH die unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots der Dienstleistungsfreiheit im Sportverbandsrecht bestätigt. 63 Eine Berufssportierin (Judoka) wandte sich dagegen, daß sie nicht für die Olympischen Spielen nominiert und aus dem belgischen Kader für die Europameisterschaft ausgeschlossen worden war. Sie berief sich auf einen Verstoß der verbandsrechtlichen Vorschriften gegen die Dienstleistungsfreiheit. Sie könne aufgrund der negativen Auswahlentscheidung und der nationalen Genehmigungspflicht ihre Dienste als Werbeträger bei Meisterschaften nicht erbringen. In unmittelbarer Anlehnung und unter Verweis auf die Entscheidungen des EuGH zu Walrave und Bosman entfaltet das Verbot der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit 59 EuGH, Urteil v. 27. 9. 1988 (Bayer), Slg. 1988, S. 5249, 5285, Rn. 11 ff.; EuGH, Urteil v. 1. 10. 1987 (Vlamse Reisbureaus), Slg. 1987, S. 3801, 3830, Rn. 28 ff.; so wird die Rechtsprechung auch im Schrifttum verstanden: Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 49; Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 45. 60 EuGH, Urteil v. 1. 10. 1987 (Vlamse Reisbureaus), Slg. 1987, S. 3801, 3830, Rn. 30. 61 EuGH, Urteil v. 27. 9.1988 (Bayer), Slg. 1988, S. 5249, 5285, Rn. 11. 62 EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Slg. 1974, S. 1405, 1419, Rn. 6/19. 63 EuGH, Urteil v. 11. 4. 2000 (Deliege), Slg. I 2000, S. 2549, 2614 = EuZW 2000, S. 371, 374 = NZA 2000, S. 648, 651, Rn. 47 ff.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
nach Ansicht des EuGH unmittelbare Drittwirkung. 64 Aus diesen Urteilen ergebe sich, daß die Gemeinschaftsbestirnrnungen über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr nicht nur für behördliche Maßnahmen gälten, sondern sich auch auf Vorschriften anderer Art erstreckten, die der kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit und der Erbringung von Dienstleistungen dienten, da ansonsten die Beseitigung der Hindernisse für Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit gefährdet wäre. 65 Folglich könnten sportliche Tätigkeiten und von Vereinigungen aufgestellte Regeln den Art. 49, 50, 56 EG unterliegen. 66 Das Beschränkungsverbot des Art. 49 EG entfaltet somit gegenüber Sportverbänden ebenfalls unmittelbare Drittwirkung. ce) Niederlassungsfreiheit Auch das Diskriminierungsverbot der Niederlassungsfreiheit hat der EuGH auf Private ausgedehnt. 67 Ob die Diskriminierung ihren Ursprung in hoheitlichem Verhalten oder aber privatem Handeln habe, sei unerheblich. 68 Zur unmittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 43 EG fehlen Aussagen des EuGH. d) Fazit
Bei der Warenverkehrsfreiheit lehnt der EuGH eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots ab. Im Gegensatz dazu erkennt er eine unmittelbare Drittwirkung der Diskriminierungsverbote der Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit an. Das Beschränkungsverbot des Art. 39 und 49 EG hat er bisher nur auf verbandsrechtliche Vorschriften und öffentliche Arbeitgeber angewandt.
2. Ablehnende Ansichten im Schrifttum a) Kompetenzgrunde
Zum Teil wird die Bindung Privater an die Grundfreiheiten aus Kompetenzgründen in Zweifel gezogen. 69 Die Entscheidung des EuGH zu den mitgliedstaatlichen 64 EuGH, Urteil v. 374, Rn. 47. 65 EuGH, Urteil v. 374, Rn. 47. 66 EuGH, Urteil v. 374, Rn. 48. 67 EuGH, Urteil v. 68 EuGH, Urteil v.
11. 4. 2000 (Deliege), Sig. I 2000, S. 2549, 2614 = EuZW 2000, S. 371, 11. 4. 2000 (Deliege), Sig. I 2000, S. 2549, 2614 =EuZW 2000, S. 371, 11. 4. 2000 (Deliege), Sig. I 2000, S. 2549, 2614 =EuZW 2000, S. 371, 9. 6. 1977 (Van Arneyde/UCI), Sig. 1977, S. 1091, 1128, Rn. 28. 9. 6.1977 (Van Arneyde/UCI), Sig. 1977, S. 1091, 1128, Rn. 28.
III. Ansichten und Stellungnahme
199
Schutzpflichten lege dies nahe. 70 Die Schutzpflicht der Mitgliedstaaten aus den Grundfreiheiten schließe die unmittelbare Drittwirkung zwar nicht aus,7! zeige aber, daß die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten ein Kompetenzproblem begründe. Die Anerkennung einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten mache weite Bereiche des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger zu gemeinschaftsunmittelbaren Territorien. An die Stelle des nationalen Privatrechts trete das Gemeinschaftsrecht und an die Stelle des nationalen Gerichts der EuGH. Die Mitgliedstaaten verlören die Kompetenz, Rechtsbeziehungen zwischen Privaten zu regeln. 72 Auch die effektive Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts erfordere keine unmittelbare Drittwirkung. Es genüge vielmehr, wenn der Mitgliedstaat wie etwa bei den französischen Bauemprotesten geeignete Maßnahmen zum Schutz Privater ergreife. 73 Im Gegenschluß zu den Ausnahmevorschriften des Art. 39 Abs. 4 EG fehlten Anknüpfungspunkte für eine unmittelbare Drittwirkung gegenüber intermediären Gewalten. Folglich obliege es den Gerichten, der Bedeutung der Grundfreiheiten durch die Auslegung der GeneralklauseIn des Zivilrechts Rechnung zu tragen und nationale Grundrechte gegen die Grundfreiheiten abzuwägen. 74 Fehle es an gesetzlichen Möglichkeiten dazu, sei der Gesetzgeber berufen, geeignete Regelungen zum Schutz der Grundfreiheiten zu erlassen. 75 Die Grundfreiheiten entfalten nach dieser Ansicht somit keine unmittelbare Drittwirkung.
b) Rechtsstaatliche Gründe Ebenso kritisch äußert sich Kluth zu einer unmittelbaren Drittwirkung. 76 Er führt kompetentielle und rechts staatliche Gründe an. Das rechts staatliche Verteilungsprinzip stehe einer Umkehrung der Trennung von Staat und Privaten entgegen, da die Verpflichtungen und Berechtigungen von Staat und Privaten grundsätzlich wesensverschieden seien. 77 Auch der Grundsatz der Gewaltenteilung wider69 Burgi, EWS 1999, S. 327, 330; Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 195 ff.; Mojzesowicz, Möglichkeiten und Grenzen einer einheitlichen Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 145 f.; Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, S. 109 ff., 162 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 231 ff. 70 Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 197, 198. 7! Burgi, EWS 1999, S. 327, 330, Fn. 46. 72 Burgi, EWS 1999, S. 327, 330. 73 Burgi, EWS 1999, S. 327, 330, a.A. Kainer, JuS 2000, S. 431, 432, Fn. 15. 74 Burgi, EWS 1999, S. 327, 330. 75 Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 199 unter Verweis auf die deutsche Grundrechtsdogmatik in Fn. 51. 76 Kluth, AöR 122 (1997), S. 556, 568 ff.; ähnlich Heyer, Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit, S. 241-243; Callies/ Ruffert / Kluth Art. 49 EG, Rn. 48, 49. 77 Kluth, AöR 122 (1997), S. 556, 569.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
spreche der Drittwirkung. Die Ausgestaltung und spezifische Interessenabwägung des Privatrechts und privatrechtlicher Bindungen sei Sache des Gesetzgebers und nicht der Rechtsprechung. 78 Kluth nimmt Bezug auf das rechtsstaatliehe RegelAusnahme-Verhältnis, das die Freiheit des Einzelnen umfassend gewähre, während die Befugnis des Staates zu Eingriffen begrenzt sei?9 Würde dieses Verhältnis umgekehrt, müßte nicht der Staat eine Beeinträchtigung durch Dritte rechtfertigen, sondern der Dritte müßte dies selbst tun. Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft wäre bei einer unmittelbaren Drittwirkung auf den Kopf gestellt. 80 Eine Auslegung des Art. 39 EG ergebe, daß die Systematik und der Zweck des Beschränkungsverbots in Art. 39 EG eine unmittelbare Bindung Privater an die Grundfreiheiten ausschlössen. Art. 81, 82 EG wären abschließend und die Grundfreiheiten seien auf einen institutionell funktionierenden Binnenmarkt gerichtet, nicht auf die Abwehr unerheblicher Eingriffe durch Private. 81 Die Bindung Privater würde außerdem nicht dem Grundrechtsschutz aller am Privatrechtsverkehr teilnehmenden Personen gerecht. Sie verkehre das Binnenmarktprinzip in sein Gegenteil, indem sie das Privatrecht verstaatliche. 82 Die unmittelbare Drittwirkung bedeute das Ende der Privatrechtsgesellschaft und damit das Ende des Binnenmarktes.
c) Systematik des EG-Vertrages
Eine Ansicht im Schrifttum geht von der Argumentation des EuGH im Rahmen von Art. 141 EG aus und lehnt im Gegenschluß eine unmittelbare Drittwirkung ab. 83 Die Kompetenzverteilung in Art. 39 und 40 EG stehe einer über Rechtsakte des Rates hinausgehenden Drittwirkung entgegen. 84 Alleinige sekundärrechtliche Vorschrift zur Drittwirkung der Freizügigkeit sei Art. 7 Abs. 4 VO 1612/68. Diese sehe lediglich eine Drittwirkung des Diskriminierungsverbots vor. Das Beschränkungsverbots kann nach dieser Ansicht keine unmittelbare Drittwirkung entfalten.
Kluth, AöR 122 (1997), S. 556, 569. Kluth, AöR 122 (1997), S. 556, 570. 80 Kluth, AöR 122 (1997), S. 556, 570. 81 Kluth, AöR 122 (1997), S. 556, 576, 577. 82 Kluth, AöR 122 (1997), S. 556, 581. 83 Fabis, Auswirkungen der Freizügigkeit, S. 144 ff.; in diesem Sinne auch Michaelis, NJW 2001, S. 1841, 1842. 84 Fabis, Auswirkungen der Freizügigkeit, S. 146. 78
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III. Ansichten und Stellungnahme
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3. Differenzierende Ansichten a) Unmittelbare Drittwirkung bei "Rechtlicher Zwangsläufigkeit"
Eine differenzierende Auffassung lehnt grundsätzlich eine Bindung Privater an die Grundfreiheiten ab und wendet sich gegen die vom EuGH begründete unmittelbare Drittwirkung der Freizügigkeit. 85 Es bestehe kein Gleichlauf zwischen Art. 141, 12 EG und Art. 39 EG. 86 Art. 141, 12 EG unterschieden sich von der Freizügigkeit, da sie keinen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraussetzten. 87 Zudem könne aus der Drittwirkung des Art. 141 EG kein Rückschluß auf die Drittwirkung des Art. 39 EG gezogen werden. 88 Der effet utile begründe keine unmittelbare Drittwirkung, da es sich lediglich um einen Auslegungsgrundsatz handele, der einer differenzierten Anwendung bedürfe. 89 Jedenfalls müßten im Rahmen des effet uti1e auch mildere Mittel berücksichtigt werden, um die Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Judikative besser zu wahren. 90 Der Wortlaut des Art. 39 EG und die auf Träger der öffentlichen Gewalt begrenzte Rechtfertigungsmöglichkeit des Art. 39 Abs. 3 EG stünden einer unmittelbaren Drittwirkung entgegen. 91 Da Art. 86 Abs. 2 EG lediglich in Ausnahmefällen eine Bindung öffentlicher Unternehmen an die Vorschriften des EG-Vertrages vorsehe, ergebe sich im Gegenschluß, daß sonstige Private nicht an die Grundfreiheiten gebunden seien. 92 Intermediäre Gewalten seien ausnahmsweise an die Grundfreiheiten gebunden, wenn das Individuum dem Zusammenschluß qua Gesetz angehören müsse, um einen Beruf auszuüben ("Rechtliche Zwangsläufigkeit,,).93 Grund für die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten sei nicht die Normsetzungsbefugnis, sondern der normative Unterwerfungs zwang dieser Zusarnmenschlüsse. 94 Beruhe die private Institution daher auf einem staatlichen Hoheitsakt oder begründe der Gesetzgeber eine Zwangsmitgliedschaft, sei die Handlungsbefugnis der Institution staatsabgeleitet und damit unmittelbar an den Grundfreiheiten zu messen. Anderes gelte freilich bei einer rein faktischen Zwangsläufigkeit, wo der Mitgliedstaat den Ein85 Streinz/ Leible, EuZW 2000, S. 459 ff.; Weiß, Personenverkehrsfreiheiten Staatsangehöriger assoziierter Staaten, S. II O. 86 Streinz/ Leible, EuZW 2000, S. 459, 462. 87 Streinz/ Leible, EuZW 2000, S. 459, 462. 88 Streinz/ Leible, EuZW 2000, S. 459, 462. 89 Streinz/ Leible, EuZW 2000, S. 459, 461; Weiß, Personenverkehrsfreiheiten Staatsangehöriger assoziierter Staaten, S. 1l0. 90 Streinz/ Leible, EuZW 2000, S. 459, 462; Weiß, Personenverkehrsfreiheiten Staatsangehöriger assoziierter Staaten, S. llO. 91 Streinz/ Leible, EuZW 2000, S. 459, 46l. 92 Streinz/ Leible, EuZW 2000, S. 459, 464; Weiß, Personenverkehrsfreiheiten Staatsangehöriger assoziierter Staaten, S. 109; Schwarze/ Becker Art. 28 EG, Rn. 89, 90. 93 Streinz/ Leible, EuZW 2000, S. 459, 464. 94 Streinz/ Leible, EuZW 2000, S. 459, 465.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
zeInen nicht durch positives Handeln den Maßnahmen anderer Privater ausgesetzt habe. 95 In diesen Fällen beruhe die Zwangsläufigkeit auf der Untätigkeit des Staates, die über Art. 10 Abs. 2 EG eine lediglich mittelbare Drittwirkung begriinde. 96 Der Staat sei dann nur verpflichtet, private Beschränkungen der Grundfreiheit zu unterbinden. Er müsse das Privatrecht so ausgestalten, daß Beschränkungen durch Private nicht mehr möglich seien. 97 Die Ansicht verweist auf die in der Rechtsprechung des EuGH anerkannte Pflicht der Mitgliedstaaten, Beschränkungen der Grundfreiheiten durch Private zu verhindern. 98 Eine unmittelbare Drittwirkung ist somit nach dieser Ansicht ausgeschlossen, es sei denn, es besteht eine rechtliche Zwangsläufigkeit.
b) Praktische Konkordanz
Eine andere Ansicht im Schrifttum hat die unmittelbare Bindung Privater an die Grundfreiheiten unter dem Aspekt kritisiert, daß die Schranken der Grundfreiheiten im Privatrecht keinen ausreichenden Spielraum entfalten, da sich Private nicht auf Allgemeininteressen berufen können. 99 Die Kollision subjektiver Rechte sei statt dessen durch eine gegenseitige immanente Begrenzung zu lösen. 1OO Die Positionen der privaten Wirtschaftsteilnehmer müßten im Wege praktischer Konkordanz in Ausgleich gebracht werden. Grundfreiheiten hätten hierbei keinen Vorrang gegenüber Grundrechten, beide stünden als rechtsstaatliehe Komponenten der Gemeinschaftsordnung gleichberechtigt nebeneinander. 101 Das Schrifttum zur Niederlassungsfreiheit sieht dies genauso. 102 Die vom EuGH abgeleitete Schadensersatzpflicht bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht könne Private nicht bei jedem Verstoß gegen die Grundfreiheiten treffen. 103 Intermediäre Gewalten, die unter staatlicher Aufsicht stünden, das Wirtschaftsverhalten Dritter überwachten oder Sanktionsmaßnahmen ergreifen könnten, müßten an die Streinzl Leibte, EuZW 2000, S. 459, 465. Streinzl Leibte, EuZW 2000, S. 459, 465 f. 97 Streinzl Leibte, EuZW 2000, S. 459, 466. 98 Streinzl Leibte, EuZW 2000, S. 459, 466; Weij3, Personenverkehrsfreiheiten Staatsangehöriger assoziierter Staaten, S. 112. 99 Schroeder, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, 254, 256; zur Niederlassungsfreiheit: Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 205 ff. !OO Schroeder, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996,254,256. IO! Schroeder, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), JZ 1996, 254, 256. 102 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 205 ff. 103 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 207 unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH, Urteil v. 5. 3. 1996 (Brasseries du pecheur), Sig. 11996, S. 1029, 1141 ff. 95
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III. Ansichten und Stellungnahme
203
Grundfreiheiten gebunden sein. In den übrigen Fällen sei von einer eingeschränkten Drittwirkung auszugehen. 104 Eine unmittelbare Drittwirkung ist somit auch nach dieser Ansicht ausgeschlossen, die Grundrechte und Grundfreiheiten müssen in praktische Konkordanz zueinander gesetzt werden. Lediglich intermediäre Gewalten sind unmittelbar an die Grundfreiheiten gebunden.
c) Spürbarkeit der Beschränkung durch Private
Zum Teil wird im Schrifttum eine unmittelbare Drittwirkung nur bei massiven Störungen der Privatautonomie angenommen. 105 Eine spürbare Beschränkung liege vor, wenn Privatpersonen unabhängig von irgendwe1chen Normen Absprachen oder abgestimmte Verhaltensweisen träfen und damit die Privatautonomie und die Grundfreiheit eines Dritten in Frage stellten oder Arbeitnehmer nach ihrer Staatsangehörigkeit diskriminierten. 106 Die Bindung aller Privater an die Grundfreiheiten sei eine unzulässige Rechtsfortbildung, da lediglich die Wettbewerbsvorschriften ausdrücklich an Private adressiert seien und damit gewichtige systematische Gründe gegen eine unmittelbare Drittwirkung sprächen. 107 Die Grundfreiheiten seien Gestaltungse1ement und Garant der europäischen Wirtschaftsverfassung. Private Verträge verstießen erst dann gegen die Grundfreiheit, wenn die Privatautonomie massiv gestört sei. Die Grundfreiheiten entfalteten insoweit eine Schutzfunktion. 108 Dabei wird auf die Grundsätze zu Schutzpflichten aus deutschen Grundrechten und deren Dogmatik verwiesen. 109 Der besonderen Gefährdung der Grundfreiheiten durch die Überlassung von Gestaltungsspielräumen an nichtstaatliche Organisationen sei durch die Bindung intermediärer Gewalten an die Grundfreiheiten zu begegnen. lIO Überließen die Mitgliedstaaten es der Autonomie privatrechtlich organisierter Einrichtungen, kollektive Regelungen für bestimmte Berufsgruppen zu schaffen, müßten diese an die 104 Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV - nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, S. 208. 105 Möllers, EuR 1998, S. 20, 36; Becker, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), RlW 2000, S. 554; Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 345 spricht von Maßnahmen, die die Grundfreiheiten konterkarieren. 106 Möllers, EuR 1998, S. 20, 37. 107 Möllers, EuR 1998, S. 20, 35. 108 Möllers, EuR 1998, S. 20, 36. 109 Möllers, EuR 1998, S. 20, 36 unter Verweis auf lsensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 111, Rn. 97 und Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 213, 227. 110 Becker, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), RlW 2000, S. 554 unter Verweis auf die Grundsätze der deutschen Grundrechtsdogmatik: BAG, Urteil v. 20. 11. 1996, NZA 1997, S. 647 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (NFV), BGHZ 142, S. 304 =NJW 1999, S. 3552; Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 78 ff.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Grundfreiheiten gebunden werden. Ill Die Bindung Privater sei dann zur Vermeidung von Widerspriichen zwischen Privatautonomie und privater AdressatensteIlung selbstverständlich. 1l2
d) Auf Diskriminierungsverbot und intermediäre Gewalten begrenzte unmittelbare Drittwirkung
Eine ausführliche Monographie zur Drittwirkung der Grundfreiheiten hat Jaensch vorgelegt. 113 Er gelangt zu dem Ergebnis, daß die Grundfreiheiten grundsätzlich keine unmittelbare Drittwirkung entfalten. Das ergebe sich aus ihrem Wortlaut. 114 Auch systematisch zeigten die Rechtfertigungsmöglichkeiten des Art. 39 Abs. 3 EG und die zwingenden Griinde des Allgemeininteresses, daß die Grundfreiheiten sich nur an die Mitgliedstaaten richteten. 115 Explizit für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer führt er aus, daß die Annahme einer Drittwirkung einen tiefen Eingriff in die Privatautonomie begriindet, für den die Gemeinschaft keine Kompetenz besitzt. 1l6 Die Bindung Privater erfordere eine Rechtsetzungskompetenz, die etwa für das Diskriminierungsverbot nach dem Geschlecht, nicht aber in Art. 40 EG bestehe. II7 Die Drittwirkung des Art. 141 EG unterscheide sich daher auch von den anderen Diskriminierungsverboten nach der Staatsangehörigkeit. 1l8 Zudem zeige Art. 81 EG, daß nur bestimmte Maßnahmen Privater am Vertrag zu messen seienY9 Art. 81 EG richte sich eindeutig und abschließend an Unternehmen. I20 Wollte man eine Drittwirkung aus den Grundfreiheiten ableiten, hätte der EuGH in seiner Rechtsprechung wie auch bei Art. 81 EG eine Spürbarkeitsschwelle einführen müssen. Der Grundsatz des effet utile binde lediglich die Mitgliedstaaten. I2I Im Gegenschluß zu Art. 86 Abs. 1 und 2 EG, der bestimmte Unternehmen an die Grundfreiheiten binde, seien sonstige Private nicht Adressaten der Grundfreiheiten. 122 Auch wenn dieser Gegenschluß nicht zwingend sei, so bekräftige er doch die fehlende Drittwirkung für sonstige Private. 123 Becker, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 13.4.200 (Lehtonen), RlW 2000, S. 554. Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342, 344. ll3 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten. 114 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 82 ff. 115 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 128, 133. 116 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 111, 112. ll7 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 116. 118 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 66. 119 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 140 ff. 120 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 143. 121 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 182. 122 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 252; zur Bindung dieser Unternehmen an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG siehe unten 3. Kapitel. 123 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 252. 111
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III. Ansichten und Stellungnahme
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Einer unmittelbaren Drittwirkung stehe die allgemeine und auch vom EuGH anerkannte grundrechtliche Handlungsfreiheit entgegen. 124 Art. 10 Abs. 2 EG deute ebenfalls nicht auf eine Anwendbarkeit zwischen Privaten hin. Auch der bereits erlassene Art. 7 Abs. 4 der va 1612/68 enthalte keine Erweiterungsmöglichkeit,125 sondern könne allenfalls eine bereits existierende unmittelbare Drittwirkung konkretisieren. 126 Verpflichte die va 1612/68 auch Privatpersonen, könne sie dies nur, wenn bereits Art. 39 EG diese Wirkung beigemessen werde. 127 Dies sei aber nicht der Fall. Art. 7 Abs. 4 der va 1612/68 konkretisiere allein das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG,128 das unmittelbare Drittwirkung entfalte. Der Wortlaut und die Stellung des allgemeinen Diskriminierungsverbots sprächen dafür, Art. 12 EG anders zu behandeln als die Grundfreiheiten. 129 Art. 7 der va 1612/68 beruhe daher auf der falschen Ermächtigungsgrundlage und hätte auf Art. 12 Abs. 2 EG gestützt werden müssen. 130 Für eine Drittwirkung allein des Art. 12 EG spreche zudem, daß der EuGH in seinen Drittwirkungsentscheidungen regelmäßig auf diese Norm zurückgegriffen habe. 131 Intermediäre Gewalten möchte der Verfasser nicht nur an Art. 12 EG, sondern an alle Grundfreiheiten binden,132 da intermediäre Gewalten normschöpferisch gegenüber untergeordneten Privaten tätig würden und staatlichen Maßnahmen verwandt unmittelbare und unentrinnbare Vorschriften schafften. 133 Quasistaatliche Normen etwa von Sportverbänden oder von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden wären daher unmittelbar an den Grundfreiheiten zu messen. 134 Diese Differenzierung nehmen auch andere Stimmen im Schrifttum vor. 135 Lediglich die Maßnahmen Privater, die - etwa im Tarifvertragswesen - anstelle des Staates abstrakte Regelungen träfen, sollten an Art. 39 EG gemessen werden. 136 Nach dieser Auffassung sind somit alle Private an das allgemeine Diskriminierungsverbot geJaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 112. Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 116. 126 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 95. 127 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 95. 128 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 253. 129 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 255. 130 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 255. 131 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 255. 132 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 263 ff. 133 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 268, 275. 134 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 27l. 135 Roth, Festschrift Everling, S. 1231, 1245 ff.; Weber, RdA 1996, S. 107, 108; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts ! Hailbronner, D I, Rn. 41e; Herdegen, Europarecht, Rn. 284; Cruz, E.L.Rev. 1999, S. 605, 618; Jarass, EuR 1995, S. 202, 210; Jarass, EuR 2000, S. 705,715. 136 Weber, RdA 1996, S. 107, 108; Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts! Hailbronner, D I, Rn. 41e; Herdegen, Europarecht, Rn. 284; Cruz, E.L.Rev. 1999, S. 605, 618; Jarass, EuR 1995, S. 202, 210; Jarass, EuR 2000, S. 705, 715. 124
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
bunden, während nur die intermediären Gewalten neben den Mitgliedstaaten Adressaten der Grundfreiheiten sind. e) Unmittelbare Drittwirkung nach Vertragsende
Ganten lehnt die vorgebrachten Argumente gegen eine unmittelbare Drittwirkung ab und bejaht im Grunde eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten. 137 Er begründet eine unmittelbare Drittwirkung der Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit auch bei zweiseitigen Rechtsgeschäften. 138 Die Entscheidungspraxis des EuGH lasse keine Beschränkung auf kollektive Regelungen erkennen. 139 Die Bindung nationaler Gerichte als Behörden der Mitgliedstaaten an die Grundfreiheiten führe zu keiner unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten gegenüber Privaten. Die Pflicht zur Beachtung der Grundfreiheiten in gerichtlichen Verfahren setze vielmehr voraus, daß die Grundfreiheiten im Individualrechtsverhältnis überhaupt unmittelbar Anwendung fänden. 14o Auch aus der Entscheidung des EuGH zu den Schutzpflichten aus Grundfreiheiten lasse sich keine bloß mittelbare Drittwirkung ableiten, da die Grundfreiheiten den Grundrechten nicht ähnlich wären und keine objektive Wertordnung begründeten. Vielmehr ergebe sich die Schutzpflicht aus der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheit. 141 Das systematische Argument aus den Art. 81, 82 EG greife nicht, da der Wortlaut keine Begrenzung auf diese Form der Drittwirkung erkennen lasse. 142 Das argumentum e contrario aus Art. 86 Abs. 1 und 2 EG sei eines der schwächsten. 143 Die Wettbewerbsregeln richteten sich nicht an alle Private, sondern nur an Unternehmen, so daß ein Gegenschluß nicht möglich sei. l44 Art. 86 Abs. 2 EG sei im ersten Halbsatz mit dem Verweis auf die Wettbewerbsvorschriften deklaratorischer Natur 145 und spreche sogar für eine unmittelbare Drittwirkung, da er eine besondere Form der Drittwirkung festhalte. 146 Zwar paßten die Art. 39, 43, 49 EG nicht optimal auf privatautonomes Verhalten und enthielten keine Kompetenz zur Regelung des Privatrechts. 147 Art. 141 EG entfalte aber auch ohne Sanktionsnormen anerkannt unmittelbare Drittwirkung in allen Privatrechtsverhältnissen. 148 Die Grundfreiheiten 137 138
139 140 141 142 143 144 145 146 147 148
Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten,
Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 94 ff. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 54. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 54. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 64. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 65, 66, 71. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 72 ff. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 72. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 72. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 82. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 82, 83. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 84. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 85.
III. Ansichten und Stellungnahme
207
seien nach ihrem Wortlaut ebensowenig wie Art. 141 EG an Private adressiert. Die systematischen Argumente zur Drittwirkung des Art. 141 EG ließen sich auf die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten übertragen. 149 Auch die Differenzierung zwischen Individuen und intermediärer Gewalt entbehre einer sachlichen Grund1age. 15o Eine Begrenzung auf kollektive Regelungen übersehe die Begründung des Urteils Walrave und Haug-Adrion. 151 Für eine unmittelbare Drittwirkung spreche, daß die Grundfreiheiten die Wahrung des Friedens und der Freiheit durch den Zusammenschluß der Wirtschaftskräfte und die Aufhebung der Schranken des Binnenmarkts bezweckten. 152 Die Rechtsprechung zu Art. 39 EG verdeutliche, daß der EuGH eine Drittwirkung dieser Grundfreiheit unumschränkt anerkenne. 153 Daher stünde seit Bosman eine umfängliche Drittwirkung des Freizügigkeitsrechts der Arbeitnehmer fest. Im zweiten Teil der Arbeit wird die unmittelbare Drittwirkung auf solche Maßnahmen Privater begrenzt, die den Zugang zu fremden Märkten beschränken. 154 Private Vereinbarungen unterfielen dem Verbot der Beschränkung der Grundfreiheiten nur, wenn sie den Zugang zu fremden Arbeitsmärkten erschwerten. 155 Hierbei geht Ganten von der Keck-Rechtsprechung des EuGH aus und nimmt die bloße Existenz vertraglicher Bindungen aus dem grundsätzlich unmittelbar drittwirkende Beschränkungsverbot heraus. Lediglich solche Absprachen, die dem Vertragschließenden nach Ablauf des Vertrages die Möglichkeit versperrten, Verträge mit Dritten zu schließen, seien geeignet, die Grundfreiheiten zu beschränken. 156 Das Bestehen eines befristeten Arbeitsverhältnisses beschränke nicht den Zugang zu fremden Arbeitsmärkten und sei daher nicht an Art. 39 EG zu messen, da sich die Existenz und die Bindung des Vertrages aus einem freien Willensakt ergebe, der einer vertriebsbezogenen Maßnahmen im Sinne des Art. 28 EG gleichstehe und nicht das Produkt als solches betreffe. Die Befristung beziehe sich nur auf die Existenz des Vertrages, beschränke aber nicht den Abschluß anderer Verträge. 157 Ein vertragliches Wettbewerbsverbot beschränke hingegen die Möglichkeit, Verträge mit Dritten nach Beendigung des Vertrages zu schließen und beschränke damit den Zugang zu fremden Arbeitsmärkten. Die Absprache sei daher unmittelbar am Beschränkungsverbot des Art. 39 EG zu messen. 158
149 150 151 152 153 154 155 156 157 158
Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten, Ganten,
Drittwirkung der Grundfreiheiten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, Drittwirkung der Grundfreiheiten,
S. 94 ff. S. 91. S. 49. S. 106 ff. S. 49. S. 136. S. 137. S. 137. S. 137. S. 137.
208
2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Als Folge der unmittelbaren Drittwirkung entstehe zwar eine Konkurrenz mit den ebenfalls unmittelbar drittwirkenden und häufig gleichfalls eingreifenden Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages, die aber durch eine teleologische Reduktion der Drittwirkung zu lösen sei. 159 Private Maßnahmen würden ausgeschlossen, wenn sie gesamtwirtschaftlich den Binnenmarkt förderten. 160 Einer wie bei Art. 81 Abs. 3 EG konstitutiven Freistellung bedürfe es nicht. Der Private solle zu seiner Sicherheit eben unproblematische Verträge abschließen. 161 Dafür treffe ihn anders als in Art. 81 Abs. 3 EG die Beweislast. 162 Die Drittwirkung der Grundfreiheiten reiche nicht zu weit. Sie sei vielmehr geeignet, die effektive Anwendung der Grundfreiheiten zu garantieren. 163 Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG wirkt nach dieser Ansicht unmittelbar auch zwischen Privaten, wenn die Freizügigkeit nach Vertragsende beschränkt wird.
4. Bejahende Ansicht im Schrifttum Lediglich einige Ansichten im Schrifttum differenzieren nicht zwischen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot, nicht zwischen Kollektiv- und Indivdualabsprachen und auch nicht zwischen nach- und bei vertraglichen Beschränkungen der Freizügigkeit. Sie bejahen unterschiedslos eine unmittelbare Drittwirkung aller Grundfreiheiten. l64 Dabei verweisen sie darauf, daß Art. 7 Abs. 4 der VO 1612/ 68 nicht über den Inhalt des Art. 39 EG hinausgehen könne und den Grundsatz der unmittelbaren Drittwirkung lediglich konkretisiere. 165 Steindorff geht von der Regelung des Art. 30 S. 2 EG aus und mißt private Maßnahmen lediglich an dem Verbot willkürlicher Diskriminierung oder der verschleierten Beschränkung des zwischenstaatlichen Handels. 166 Art. 30 S. 2 EG biete sich deshalb so gut für die Diskussion um die unmittelbare Drittwirkung, weil die Privatautonomie durch Freiheiten des Vertrages wahrgenommen würde und damit eine Konformität zwischen Freiheit und Privatautonomie bestehe. Art. 30 S. 2 EG betreffe den vergleichbaren Fall, daß staatliche Maßnahmen im Grunde zulässig seien, ausnahmsweise aber für unzulässig bewertet würden. 167 Die Grundfreiheiten haben nach dieser Ansicht unmittelbare Drittwirkung. Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 156. Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 156. 161 Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 158. 162 Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 159. 163 Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 163. 164 Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 287; Gebauer, Grundfragen der Europäisierung des Privatrechts, S. 145; Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Berufsfußball, S. 87; Trommer, Die Transferregelungen im Profisport, S. 60 ff. 165 Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 287. 166 Steindorff, Festschrift Lerche, S. 575, 585. 167 Steindorff, Festschrift Lerche, S. 575, 585. 159 160
III. Ansichten und Stellungnahme
209
5. Stellungnahme a) Relevanz der Fragestellung Die Frage, ob Private an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gebunden sind, ist nicht nur theoretischer Natur. Eine mittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten begriindet im Gegensatz zu einer unmittelbaren Drittwirkung eine begrenzte Kontrolle privater Maßnahmen am Maßstab der Grundfreiheiten. Auch die Beteiligung der mitgliedstaatlichen Gerichte, die über die Zulässigkeit privater Maßnahmen zu entscheiden haben, enthebt das Problem nicht der Relevanz, da die Gerichte bei ihren Entscheidungen nur insoweit an die Grundfreiheiten gebunden sind, als die Grundfreiheiten für den Rechtsstreit von Belang sein können. Den Staat und Private der gleichen Bindung an die Grundfreiheiten zu unterwerfen, hat zudem grundlegende systematische Bedeutung, die mit der Stellung der Grundfreiheiten im Binnenmarkt zusammenhängt. Die Bindung Privater wirkt sich auch auf die Rechtsfolgen und Wertungen des nationalen Rechts aus: Eine unmittelbare Bindung Privater führt zur Nichtigkeit von Absprachen nach § 134 BGB und zu Schadensersatzanspriichen aus § 823 Abs. 2 BGB, da das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG dann Verbots- und Schutzgesetz gegenüber Privaten wäre. 168 Bei einer nur mittelbaren Drittwirkung wäre das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG jedenfalls kein Verbotsgesetz.
b) Ableitung aus der Rechtsprechung des EuGH Gegen eine umfassende Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG spricht, daß der EuGH bislang keine Bindung Privater an das Beschränkungsverbot auch beim Abschluß individueller Verträge anerkannt hat. Der EuGH hat nur private Abreden verworfen, die von Verbänden zur kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit geschlossen wurden. Die Aussage des EuGH zur Drittwirkung bei Rechtsgeschäften in der Entscheidung Walrave ist im Kontext zu bewerten. In den vorangegangenen Sätzen spricht er nur von kollektiven Regelungen. Das Verbot der unterschiedlichen Behandlung erstrecke sich auch auf sonstige Maßnahmen, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstleistungsbereich enthielten. 169 Die allgemeinen Ausführungen des EuGH zur Bindung Privater sind im Zusammenhang mit der Frage nach der Drittwirkung des Beschränkungsverbots durch individualvertragliche Absprachen nicht wieder aufgegriffen worden, obwohl der EuGH dazu Gelegenheit gehabt hätte. Die Rechtsprechung erging auch zu einem Zeitpunkt, in dem das Beschränkungsverbot für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer noch nicht anerkannt war. Man könnte daher im Gegenschluß auch zu dem 168 169
Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 27. EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), S. 1405, 1419, Rn. 16/19.
14 Roloff
210
2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Ergebnis gelangen, daß der EuGH die weite Formel der Drittwirkung des Art. 39 EG für das Beschränkungsverbot auf kollektive Regelungen begrenzt hat. Eine aktuelle Entscheidung des EuGH zum Profisport betont dieses kollektive Verständnis. 170 Aus den Urteilen Walrave sowie Bosman ergebe sich, daß die Gemeinschaftsbestimmungen über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr nicht nur für behördliche Maßnahmen gelten würden, sondern sich auch auf Vorschriften anderer Art erstreckten, die zur kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit und der Erbringung von Dienstleistungen dienten. Die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten wäre nämlich gefährdet, wenn die Abschaffung der Schranken staatlichen Ursprungs durch Hindernisse ersetzt werden könnte, die nicht dem öffentlichen Recht unterliegende Vereinigungen und Einrichtungen im Rahmen ihrer rechtlichen Autonomie setzen könnten. 171 Eine Übertragung des Beschränkungsverbots auf das Bestehen individueller Verträge liegt nach dieser Begriindung eher fern. Die Verwendung des Begriffs "Vorschriften" läßt vielmehr auf einen kollektiven Bezug eines unmittelbar drittwirkenden Beschränkungsverbots schließen, da einzelne Arbeitgeber nicht selbständig Vorschriften erlassen können und ohne Tarifpartner oder Betriebsrat auf einzelvertragliche Regelungen begrenzt sind. Nach dieser Herleitung dürften einzelne Arbeitgeber nicht unmittelbar an das Beschränkungsverbot gebunden sein. Ebenfalls verfehlt ist die Annahme, der EuGH habe in seinem Urteil zu den Schutzpflichten wegen privater Beschränkungen der Grundfreiheiten eine unmittelbare Drittwirkung hergeleitet. Zwar priift er als Voraussetzung der Schutzpflicht eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten durch Private. Doch ist dies keinesfalls so zu verstehen, daß er Private unmittelbar dem Beschränkungsverbot unterwirft. Dies stünde überdies im Widerspruch zu seiner ständigen Rechtsprechung, die der Warenverkehrsfreiheit keine unmittelbare Drittwirkung beimißt. 172 Es widerspräche ebenso den Besonderheiten des Vertragsverletzungsverfahrens, das nach Art. 226 EG voraussetzt, daß der Mitgliedstaat gegen eine Pflicht des Vertrages verstoßen hat. Begriindet bereits privates Verhalten einen Verstoß gegen den Vertrag, ist es fraglich, wie der Staat zusätzlich gegen seine Verpflichtungen verstoßen kann. Bei einer unmittelbaren Drittwirkung wäre ungeklärt, in welchem Verhältnis ein Vorgehen des Betroffenen gegen Private und den Staat steht. Kann der Betroffene Schadensersatz etwa vom Mitgliedstaat und vom beeinträchtigenden Dritten verlangen? Wer haftet primär? Nach deutschem Recht stellt sich die Frage nach 170 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2729 = EuZW 2000, S. 375, 377, Rn. 35. 171 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2729 = EuZW 2000, S. 375, 377, Rn. 35. l72 EuGH, Urteil v. 27. 9. 1988 (Bayer), Slg. 1988, S. 5249, 5285, Rn. 11 ff.; EuGH, Urteil v. 1. 10. 1987 (Vlamse Reisbureaus), Slg. 1987, S. 3801, 3830, Rn. 28 ff.; so wird die Rechtsprechung auch im Schrifttum verstanden: Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 49; Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 45.
1II. Ansichten und Stellungnahme
211
der Subsidiarität einer Klage gegen den Staat. Bestünde bereits in dem privatautonomen Verhalten eine Beschränkung der Grundfreiheit, könnte der Rechtsschutz gegen den Staat mangels Rechtsschutzbedürfnis ausgeschlossen sein. Zudem könnte der Schadensersatzanspruch gegen den Staat nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB wegen bestehender Schadensersatzansprüche gegen Private aus § 823 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sein. 173 Die Entscheidung des EuGH zu den Schutzpflichten aus Grundfreiheiten spricht vielmehr gegen eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbot des Art. 39 EG. Durch die Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten würde der Spielraum, den der EuGH den Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung der Schutzpflichten einräumt, zunichte gemacht. Die Mitgliedstaaten verlören zulasten des EuGH die Möglichkeit, ihre Schutzpflichten zu erfüllen und auszugestalten. Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten stünde daher in unmittelbaren Widerspruch zu den Grundsätzen der Schutzpflichten aus Grundfreiheiten. Die unmittelbare Drittwirkung kann sich folglich auch nicht aus dem Urteil des EuGH zu den Schutzpflichten ergeben. Freilich spricht diese Argumentation nicht gegen eine unmittelbare Drittwirkung des Diskriminierungsverbots, da Schutzpflichten bisher nur aus dem Beschränkungsgehalt der Grundfreiheiten und nicht aus ihrem Diskriminierungsgehalt abgeleitet wurden. Auch die Entscheidung Bobadilla läßt keine Rückschlüsse auf eine allgemeine Bindung Privater an das Beschränkungsverbot zu. Zwar läßt sich die Verpflichtung öffentlicher Arbeitgeber zur individuellen Anerkennung fremder Diplome nicht allein mit der Unwirksamkeit des Tarifvertrags erklären. Nur öffentliche Arbeitgeber werden einer den Mitgliedstaaten angenäherten Bindung an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG unterworfen. Der EuGH scheint in der Entscheidung von einem weiten Verständnis des Begriffs der Mitgliedstaaten auszugehen. Dazu gehört aber sicherlich nicht der einzelne private Arbeitgeber. Er wäre bei weitem überfordert, müßte er fremde Diplome mit nationalen Abschlüssen vergleichen. Auch aus der Entscheidung in der Rechtssache Haug-Adrion läßt sich keine umfassende Drittwirkung für private Absprachen ohne kollektive Beteiligung ableiten. Der EuGH geht nicht auf das Problem der Drittwirkung der Grundfreiheiten ein, sondern verneint bereits eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit. 174 Er prüft außerdem die gesetzliche Grundlage, die nicht privaten Ursprungs war und den Versicherungen ein entsprechendes Verhalten gestattete. 175 Auch in den Schlußanträgen des Generalanwalts Lenz wird eine Drittwirkung weder problematisiert noch angesprochen. Allein im Zusammenhang mit der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 28 EG wurde die Frage nach der Drittwirkung aufgewor173 Zu einer möglichen Restriktion der Haftungsvoraussetzungen, aber ohne Bezug auf § 839 Abs. 1 S. 2 BGB: Saenger; JuS 1997, S. 865,871. 174 EuGH, Urteil v. 13. 12. 1984 (Haug-Adrion), Slg. 1984, S. 4277, 4288, Rn. 14 ff. 175 EuGH, Urteil v. 13. 12. 1984 (Haug-Adrion), Slg. 1984, S. 4277, 4288, Rn. 21: "nationale Regelung".
14*
212
2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
fen,176 dann aber unter Verweis darauf, daß bereits keine Beschränkung vorliege, offen gelassen. 177 Für eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots kann auch nicht die Entscheidung Angonese herangezogen werden. 178 Sie bezieht sich allein auf eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit. Auch wenn der Arbeitnehmer im konkreten Anwendungsfall in seiner Freizügigkeit beschränkt wurde, konnte sich der EuGH wegen der Besonderheiten des nationalen Rechts auf das Problem der Bindung Privater an das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG beschränken. 179 Erstaunlicherweise bezieht sich der EuGH zwar bei Entscheidungen zum Beschränkungsverbot auf Entscheidungen zum Diskriminierungsverbot, hierbei insbesondere auf die Entscheidung Walrave, und umgekehrt von Entscheidungen zur Drittwirkung des Diskriminierungsverbots auf die Entscheidung in der Rechtssache Bosman,180 was darauf hindeuten könnte, daß der EuGH von einer allgemeinen dogmatischen Grundlage der Drittwirkung aller Grundfreiheiten ausgeht und das Beschränkungsverbot auch auf den einzelnen Arbeitgeber anwenden möchte. Dagegen spricht aber die Rechtsprechung zu Art. 28 EG. Der EuGH läßt in seinen Entscheidungen zur Drittwirkung des Beschränkungsverbots eine allgemeine Dogmatik aller Beschränkungsverbote vennissen, wenn er Art. 28 EG von der Drittwirkung ausschließt. Außerdem hat der EuGH das Beschränkungsverbot noch nicht auf einzelne, nicht öffentliche Arbeitgeber übertragen. Der Rechtsprechung des EuGH läßt sich somit keine umfassende Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG entnehmen.
c) Untaugliches Kriterium der nachvertraglichen Beschränkung
Ebensowenig kann der Rechtsprechung des EuGH eine Begrenzung der unmittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots auf die Zeit nach dem Vertragende entnommen werden. Die Rechtsprechung spricht vielmehr gegen eine Unterscheidung der Zeit vor und nach dem Vertragsende. Der EuGH führt in der Rechtssache Bosman aus, daß Transferzahlungen geeignet sind, "die Freizügigkeit der Spieler, die ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen, dadurch einzuschränken, daß sie die Spieler sogar nach Ablauf der Arbeitsverträge mit den Vereinen, denen sie angehören, daran hindern oder davon abhalten, diese Vereine 176 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 15. 11. 1984 zu EuGH, Urteil v. 13. 12. 1984 (Haug-Adrion), Slg. 1984, S. 4291, 4293, Rn. 6. 177 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 15. 11. 1984 zu EuGH, Urteil v. 13. 12. 1984 (Haug-Adrion), Slg. 1984, S. 4291, 4293, Rn. 6. 178 So auch Körber; EuR 2000, S. 932, 950; Grabitzl Hilfl RandelzhoJerl Forsthoff Vor Art. 39-55 EG, Rn. 80. 179 Siehe oben 1. Kapitel, IV., 3., e), dd). 180 EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), Slg. I 2000, S. 4139, 4172 = EuZW 2000, S. 468, 469, Rn. 33.
III. Ansichten und Stellungnahme
213
zu verlassen,,181. Wenn dort die Rede davon ist, daß die Beschränkung "sogar" nach Ablauf des Vertrages fortwirkt, bedeutet dies keine Begrenzung der unmittelbaren Drittwirkung auf nach vertragliche Beschränkungen. Die Betonung liegt auf dem Wort "sogar", das die besondere Intensität der Beschränkung verdeutlicht, die dem Arbeitnehmer den Zugang zu fremden Arbeitsmärkten auch noch nach Erlöschen der arbeitsvertraglichen Erfüllungspflichten versperrt. Eine Abgrenzung von nach- und beivertraglichen Beschränkungen wird dadurch nicht vorgegeben. Auch der Generalanwalt Fennelly spricht davon, daß die Transferzahlungen eine Schranke errichten "und zwar selbst dann, wenn der zwischen diesen beiden geschlossene Beschäftigungsvertrag bereits beendet ist,,182. Die Entscheidung geht somit nicht davon aus, daß lediglich nachvertragliche Beschränkungen der Freizügigkeit einer unmittelbaren Drittwirkung des Art. 39 EG unterfallen. Für diese Sichtweise läßt sich außerdem anführen, daß Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer nach dem Vertragsende vertraglich an den Arbeitgeber binden, genauso wie Beschränkungen der Freizügigkeit während der Vertragsdauer in der schuldrechtlichen Natur eines Vertrages begründet liegen. Das Vertragsende muß zudem nicht das Ende vertraglicher Verpflichtungen bedeuten. Andererseits kann eine überlange Bindung an den Vertrag den Arbeitnehmer ebenso in der Freizügigkeit beschränken wie eine nachvertragliche Verpflichtung. Ist etwa die ordentliche Kündigung für den Arbeitnehmer ausgeschlossen oder eine Vertragsstrafe für die ordnungsgemäße Auflösung des Vertrages vereinbart, so ist der Arbeitnehmer an den Vertrag gebunden und kann seine Freizügigkeit nicht ausüben. Im Ergebnis macht es keinen Unterschied, ob dem Arbeitnehmer durch die fehlende Beendigungsmöglichkeit seines Arbeitsverhältnisses das Verlassen eines Mitgliedstaates oder aber der Zugang zu einem fremden Arbeitsmarkt erschwert wird. Der Arbeitnehmer kann in beiden Fällen seine Freizügigkeit nicht ausüben. Die Maßnahmen, die das Verlassen oder den Zugang zu einem fremden Arbeitsmarkt beschränken, betreffen jeweils einen von zwei Vorgängen, der gewährleistet sein muß, um die Freizügigkeit unbeschränkt ausüben zu können. Bereits das angeführte Beispiel, daß ein befristeter Arbeitsvertrag die Freizügigkeit eines Arbeitnehmers nicht beschränke, da es ihn nicht daran hindere, bei der Vertragsbeendigung andere Verträge abzuschließen, ist verfehlt. Eine zulässige Befristung des Arbeitsverhältnisses führt nämlich dazu, daß der Arbeitnehmer in dieser Zeit sein Arbeitsverhältnis nicht ordnungsgemäß kündigen kann (§ 620 BGB I83 , § 15 Abs. 3 TzBfG). Ohne Beendigung des Vertrags kann der Arbeitnehmer aber nicht von seinem Recht auf 181 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5069 = EuZW 1996, S. 82, 88, Rn. 99. 182 Generalanwalt Fennelly. Schlußanträge v. 16. 9. 1999 zu EuGH, Urteil v. 27. 1. 2000 (Graf), Slg. 12000, S. 493, 505 = EAS Nr. 108 zu Art. 48 EG-Vertrag, S. 16, Rn. 24. 183 BAG, Urteil v. 19.6.1980, EzA Nr. 47 zu § 620 BGB; Erfurter Kommentar/MüllerGlöge § 620 BGB, Rn. 129; HanaulAdomeit. Arbeitsrecht, Rn. 831; Gramlieh. SpuRt 2000, S. 89, 92; KRI Lipke § 620 BGB, Rn. 14; Soergell Kraft § 620 BGB, Rn. 1; Kittner/ Däubler I Trittin § 620 BGB, Rn. 202.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Freizügigkeit Gebrauch machen. Er ist in seiner von Art. 39 EG geschützten Arbeitsplatzbeendigungsfreiheit beeinträchtigt und damit in seiner Freizügigkeit beschränkt. 184 Eine angeblich nach Art. 39 zulässige Befristung des Arbeitsverhältnisses beschränkt den Arbeitnehmer zudem stärker in der Freizügigkeit als nachvertragliche Wettbewerbsverbote, da dem Arbeitnehmer durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur eine bestimmte und nicht wie bei einer Befristung jegliche anderweitige Tätigkeit untersagt ist. Die Freizügigkeit kann daher durch einen laufenden Vertrag beschränkt werden, wenn dieser Regelungen über den Ausschluß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthält. Das Keck-Urteil eignet sich ebenfalls nicht, eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG auf nachvertragliche Beschränkungen der Freizügigkeit zu begrenzen, da es in einem anderen Zusammenhang ergangen ist. Der EuGH hat lediglich das staatsgerichtete Verbot der Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit konkretisiert und eingegrenzt. Mittelbar ergibt sich aus dem Urteil das Verbot von Zugangsbeschränkungen. Der Zugang kann aber bereits beim Verlassen eines Mitgliedstaates beschränkt werden. ISS Weiterhin hat der EuGH in den Entscheidungen zur Drittwirkung in der Zeit nach Keck keinerlei Begrenzungen angenommen, geschweige denn auf die Griinde zu Keck verwiesen. Eine Begrenzung der unmittelbaren Drittwirkung der Freizügigkeit auf Beschränkungen in der Zeit nach Vertragsende läßt sich der Rechtsprechung des EuGH nicht entnehmen. Bei- und nachvertragliche Beschränkungen der Freizügigkeit sind somit gleichzubehandeln, woraus sich aber nicht ergibt, daß sowohl bei- als auch nachvertragliche Beschränkungen der Freizügigkeit einer unmittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG unterliegen.
d) Gegen eine Unterscheidung intermediärer Gewalt und sonstiger Privater Intermediäre Gewalten unmittelbar an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG zu binden und sonstige Private von der Drittwirkung auszunehmen entbehrt eines sachlichen Grundes. Intermediäre Gewalten sind insoweit vom Staat zu unterscheiden, als sie selbst Grundrechtsträger sind und ihre Interessen mit den Rechten anderer privater Personen in Grundrechtskollision treten. Diese Grundrechtsinhaberschaft berechtigt sie zwar dazu, kollektiv wirkende Maßnahmen zu erlassen. Die Bindungswirkung ihrer Regelungen entsteht aber durch freiwillige Unterwerfungen des Einzelnen. Normen der Legislative wirken dagegen generell abstrakt, ohne daß eine freiwillige Unterwerfung erforderlich wäre. Insofern ermöglicht die Lehre von einer mittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots eine flexiblere Lösung. Aspekte wie die Größe der Macht, die Rege184
185
Siehe oben 1. Kapitel, V., 9., e). Siehe oben 1. Kapitel, V., 9., e).
III. Ansichten und Stellungnahme
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lungsbefugnis, die Abhängigkeit des einzelnen von der Organisation und das Bestehen von Verbandsalternativen können angemessen berücksichtigt werden. Diese Abwägung findet Anklänge in der Rechtsprechung des EuGH, der im Bosman-Urteil zur Bindung privater Verbände an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG ausführt, daß die Regelung nicht erforderlich ist zur Ausübung des den Verbänden durch Art. 11 EMRK garantierten Freiheitsbereichs. Auch in der Rechtssache Deliege führt der EuGH aus, daß die umstrittenen Verbandsregeln keine unausweichliche Folge der Freiheit des Art. 11 EMRK sind, da die Autonomie der Verbände nicht dazu führen darf, die Ausübung der einzelnen durch den Vertrag eingeräumten Rechte einzuschränken. 186 Im Ergebnis hat der EuGH eine Abwägung der Spieler- und Verbandsinteressen vorgenommen. Der Begriff der sozialen Macht ist außerdem fließend. Auch dem einzelnen Arbeitgeber könnte aufgrund seines Direktionsrechts soziale Macht zugesprochen werden. Ebenso ist es nur schwer möglich, alle intermediären Gewalten in gleicher Weise einer unmittelbaren Drittwirkung zu unterwerfen. Tarifvertragsparteien erzielen eine autonome Regelung auf eine andere Weise als Sportverbände. Während Tarifvertragsparteien von zwei unterschiedlichen Standpunkten aus verhandeln, dürfte es bei Sportverbänden an diesem antagonistischen Verfahren fehlen. Zur Rechtsetzung genügt dort die Bezugnahme in den Arbeitsverträgen der Spieler, ohne daß es einer Einigung zwischen Verband und Spielergewerkschaft bedürfte. Außerdem binden Tarifverträge primär die tarifgebundenen Mitglieder und keine Außenseiter. Der Arbeitnehmer kann sich der Regelungsmacht durch die Vereinbarung günstigerer Arbeitsbedingungen entziehen (§ 4 Abs. 3 TVG). Das gilt auch für Tarifverträge mit Zugangsbeschränkungen zu Tätigkeiten gegenüber Außenseitern, wie etwa Qualifikationsvoraussetzungen für die Aufnahme einer Tätigkeit (Rechtssache Bobadilla). Mit der Ausnahme von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen (§ 5 TVG), die auch die Außenseiter binden, aber auf einem staatlichen Akt beruhen und damit als staatliche Maßnahme der Kontrolle der Grundfreiheiten unterliegen, wirken Tarifverträge nicht auf den Zugang von Außenseitern zu einem Arbeitsplatz ein. Enthält ein Tarifvertrag das Verbot, mit einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern Verträge abzuschließen (Abschlußverbot), muß er zunächst dahin ausgelegt werden, ob er sich überhaupt auf Außenseiter beziehen soll. Im Zweifel ist eine unmittelbare Wirkung ausgeschlossen. 187 Wollten die Tarifpartner Außenseiter verbindlich an die Abschlußverbote binden, ist zu unterscheiden: Abschlußnormen in Tarifverträgen können Vertragsabschlüsse gegenüber Außenseitern verbieten, wenn sie dem Schutz des einzustellenden Arbeitnehmers dienen (Jugendliche oder gesundheitsgefährliche Arbeit für SChwangere).188 Dienen die Abschlußverbote dem Schutz der angestellten Arbeitnehmer, ist die Bindung an 186 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 81. 187 WiedemannlWank § 4 TVG, Rn. 311. 188 Wiedemannl Wank § 4 TVG, Rn. 310.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
den Tarifvertrag mangels Geltungsbedürfnisses abzulehnen. 189 Da der Schutz grenzüberschreitend tätiger Arbeitnehmer vor einer bestimmten Tätigkeit abwegig ist, erstrecken sich Abschlußverbote mit Bezug zu Art. 39 EG damit nur auf tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer kann sich daher den tarifvertraglichen Regelungen entziehen, was bei monopolartigen Verbänden, etwa im Sport, wegen deren Verbandsmacht nicht möglich sein dürfte. Intermediäre Gewalten haben unterschiedliche Gestaltungsmacht, die nicht notwendig eine allgemeine unmittelbare Drittwirkung der Freizügigkeit rechtfertigt. Auch die rechtliche Zwangsläufigkeit begründet keine Bindung der intermediären Gewalten an ·das Beschränkungsverbot. Muß eine Privater aufgrund Gesetzes einer bestimmten Organisation angehören oder beruht die Errichtung einer Institution auf einem Hoheitsakt, kann und muß auf den Hoheitsakt und damit den handelnden Mitgliedstaat abgestellt werden, der die Institution begründet oder die Zwangsmitgliedschaft einführt. Die Grundfreiheit wird dann durch eine staatliche Maßnahme und nicht die ausführende Institution beschränkt. Die private Organisation ist nur das Werkzeug des Staates und die Freizügigkeit wird durch eine Maßnahme der Mitgliedstaaten beschränkt. Die Abgrenzung intermediärer Gewalten und sonstiger Privater ist somit zu pauschal. Einer erforderlichen Differenzierung der unterschiedlichen privaten Gestaltungsmacht trägt die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung nicht ausreichend Rechnung. e) Systematische Argumente
aa) Art. 81, 82 EG Die systematischen Argumente aus den Art. 81, 82 EG sprechen gegen eine unmittelbare Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG. Die Wettbewerbsregeln wenden sich im Gegensatz zu den Beschränkungsverboten der Grundfreiheiten an Private. Aus der fehlenden Adressierung der Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten an Private kann im Gegenschluß eine unmittelbare Drittwirkung vom EG-Vertrag nicht gewollt sein. Eine unmittelbare Drittwirkung würde zudem dazu führen, daß Art. 81, 82 EG und die Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten weitgehend gleich liefen. Das kann aber nicht der Sinn der Art. 81, 82 EG sein, die auch und gerade gegenüber den Grundfreiheiten eines eigenständigen Anwendungsbereichs bedürfen. Für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist diese Argumentation zwar schwierig, da Arbeitnehmer keine Unternehmen im Sinne der Art. 81, 82 EG sind 190 und eine 189 Löwisch/ Rieble § 1 TVG, Rn. 65; Kempen/ Zachert § 1 TVG, Rn. 30; dagegen Wiedemann/Wank § 4 TVG, Rn. 311. 190 Wallwitz v., Tarifverträge und die Wettberwerbsordnung des EG-Vertrages, S. 146.
III. Ansichten und Stellungnahme
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Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht im Wettbewerbsrecht diskutiert wird. 191 Absprachen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber verstoßen nur dann gegen Art. 82 EG, wenn das Unternehmen bei der Absprache eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, etwa alle Arbeitnehmer einer Branche an einen Betrieb bindet. Weiterhin nimmt der EuGH solche Absprachen zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Anwendungsbereich des Art. 81 EG heraus, die der Verbesserung der Lebensund Arbeitsbedingungen, der Sicherung angemessenen sozialen Schutzes, der Förderung des sozialen Dialog oder einer hohen Beschäftigungsquote dienen. 192 Mit Tarifverträgen seien zwangsläufig gewisse den Wettbewerb beschränkende Wirkungen verbunden. Die sozialpolitischen Ziele wären gefährdet, wenn Art. 81 Abs. I EG auf Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen Anwendung fände. 193 Unter diese Ausnahme dürften wohl auch Firmentarifverträge und Betriebsvereinbarungen fallen, sofern sie die genannten Aspekte regeln. Alleinige Bedeutung kommt den Wettbewerbsregeln bei Verbandsvorschriften im Profisport zu. Doch selbst dort behandelt der EuGH Wettbewerbsvorschriften gegenüber der Beschränkung der Freizügigkeit als subsidiäre Vorschriften. Er führt bei Bosman aus, daß über einen Verstoß gegen Art. 81, 82 EG nicht mehr entschieden werden müßte, da bereits ein Verstoß gegen Art. 39 EG vorliegt. 194 Er geht in seinen Entscheidungen nach Annahme einer Beschränkung des Art. 39 EG nicht mehr auf wettbewerbsrechtliche Vorschriften ein und läßt Art. 81, 82 EG mangels ausreichender Infonnation durch das nationale Gericht dahinstehen. 195 Dies spricht dafür, daß der EuGH die Frage der Drittwirkung der Freizügigkeit ganz unabhängig von den Wettbewerbsvorschriften beurteilt. Ganz anders ist dies indes bei Art. 28 EG, wo der EuGH die Wettbewerbsbestimmungen vorrangig prüft und die Drittwirkung folgerichtig verneint. 196 Die Systematik aller Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten läßt indes im Verhältnis zu den Wettbewerbsregeln Rückschlüsse auf die Drittwirkung der Grundfreiheiten zu. Die Beschränkungsverbote aller Grundfreiheiten laufen grundsätzlich mit den Art. 81 ff. EG parallel. Für alle Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten ergibt sich aus Art. 81 und 82 EG ein systematisches Argument gegen 191 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5035, Rn. 274; Fleischer, WuW 1996, S. 473, 483; Weiß, SpuRt 1998, S. 97, 98; mit einem rechtsvergleichenden Überblick über die einzelnen Mitgliedstaaten Generalanwalt Jacobs, Schlußanträge v. 28. 1. 1999 zu EuGH, Urteil v. 21. 9. 1999 (Albany), Sig. I 1999, S. 5751, 5774, Rn. 80 ff. 192 EuGH, Urteil v. 21. 9. 1999 (Albany), Sig. 11999, S. 5751, 5882, Rn. 59. 193 EuGH, Urteil v. 21. 9. 1999 (Albany), Sig. 11999, S. 5751, 5882, Rn. 59. 194 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5078 = EuZW 1996, S. 82, 90, Rn. 138. 195 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2727 = EuZW 2000, S. 375, 377, Rn. 28; EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921 , 5078 = EuZW 1996, S. 82, 90, Rn. 138. 196 EuGH, Urteil v. 1. 10. 1987 (Vlamse Reisbureaus), Sig. 1987, S. 3801, 3826, Rn. 9 ff.; EuGH, Urteil v. 27. 9.1988 (Bayer), Sig. 1988, S. 5249, 5285, Rn. 14.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
die unmittelbare Drittwirkung. Da Art. 81 EG eine unmittelbare Drittwirkung vorgibt, ist es systematisch nicht möglich, bei den Beschränkungsverboten der Grundfreiheiten ohne gesetzliche Regelung ebenfalls eine unmittelbare Drittwirkung anzunehmen. Aus Art. 81, 82 EG ergibt sich in systematischer Auslegung aller Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten und des Wettbewerbsrechts eine fehlende Bindung Privater an das Verbot der Beschränkung der Grundfreiheiten und damit auch der Freizügigkeit, auch wenn Art. 81, 82 EG vielfach nicht auf arbeitsrechtliche Absprachen Anwendung finden. Daß die Anwendbarkeit der Art. 81, 82 EG auf Private die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG im Grunde ausschließt, wird aus einer Folgeüberlegung deutlich. Die Ausnahmen von der Bindung Privater an die Art. 81 ff. EG könnten auf die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG übertragen werden. Dafür spricht zum einen, daß das Beschränkungsverbot im Wege der systemimmanenten Rechtsfortbildung auch den Wertungen anderer Vertragskapitel unterliegt und zum anderen, daß die Begründung der Ausnahmen von den Art. 81 ff. EG durch den EuGH auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG übertragen werden kann. Der EuGH begründet die Ausnahme vom Anwendungsbereich der Art. 81 und 82 EG für Tarifverträge mit der Gleichstufigkeit von Sozialpolitik und Wettbewerb in Art. 3 Abs. lit. g) und j).197 Die Grundfreiheiten des Binnenmarktes und die Sozialpolitik sind aber ebenfalls in Art. 3 Abs. 1 lit. c) und j) EG auf gleicher Ebene als Ziele des Vertrages genannt. Grundfreiheiten und Sozialpolitik können ebenso wie die Sozialpolitik mit den Wettbewerbsregeln kollidieren. Tarifverträge beschränken notgedrungen 198 die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, indem sie Regelungen über die Rückzahlung von Ausbildungskosten, Kündigungsfristen oder Rückzahlungsklauseln treffen, die den Arbeitnehmer an der Ausübung seiner Freizügigkeit hindern, gleichzeitig aber die Arbeitsbedingungen regeln und Ausprägungen sozialpolitischer Ziele sind. Die sozialpolitischen Ziele wären bei der unmittelbaren Anwendung des Beschränkungsverbots auf die Tarifpartner ebenso gefährdet wie bei einer Anwendung der Art. 81, 82 EG. Wenn es aber Aufgabe der Gemeinschaft ist, ein hohes Maß an sozialem Schutz zu gewähren und eine enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Koalitionsrechts und der Kollektivverhandlung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erzielen,199 dann muß dies erst recht für das Verhältnis von Freizügigkeit und Sozialpolitik gelten. Eine sachgerechte und zusammenhängende Auslegung der Art. 39, 136, 81 EG ergibt daher, daß die von den Sozialpartnern geschlossenen Verträge nicht unmittelbar unter das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG fallen können. Durch eine unmittelbare Drittwirkung wäre den Tarifpartnern die Möglichkeit genommen, Regelungen zu treffen, die eine Bindung an den Arbeitsplatz und damit bestimmte Arbeitsbedingungen begründen. Sofern Tarifvertragsregeln
197 198 199
EuGH, Urteil v. 21. 9. 1999 (Albany), Slg. I 1999, S. 5751, 5881, Rn. 54. EuGH, Urteil v. 21. 9. 1999 (Albany), Slg. I 1999, S. 5751, 5882, Rn. 59. EuGH, Urteil v. 21. 9.1999 (Albany), Slg. 11999, S. 5751, 5881, Rn. 55.
111. Ansichten und Stellungnahme
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versuchen, Arbeitsbedingungen zu regeln, findet damit auch das Beschränkungsv~rbot keine unmittelbare Anwendung. Ansonsten wird die Bereichsausnahme von Art. 81 ff. EG über das Beschränkungsverbot ausgehebelt. Unterfallen aber Tarifvertragsparteien keiner unmittelbaren Drittwirkung, muß dies erst recht für die ebenfalls von den Art. 81 ff. EG ausgenommenen einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten. Die Gesamtheit der Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten steht in systematischer Auslegung mit den Art. 81, 82 EG einer unmittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG entgegen. Aus der Bereichsausnahme vom Wettbewerbsrecht für Tarifpartner und einzelne Arbeitgeber und Arbeitnehmer läßt sich bereits ein Ausschluß der unmittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots für eine Vielzahl von Arbeitsbedingungen ableiten.
bb) Art. 86 Abs. 1 und 2 EG
Auch Art. 86 EG läßt sich gegen eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG anführen. Wenn Art. 86 Abs. 1 EG davon spricht, daß die Mitgliedstaaten keine gegen den Vertrag verstoßende Maßnahmen bei öffentlichen Unternehmen beibehalten dürfen oder Art. 86 Abs. 2 EG bestimmt, daß für bestimmte Unternehmen die Vorschriften des Vertrages gelten, kann gefolgert werden, daß nur die genannten Unternehmen, nicht hingegen sonstige Private an die Grundfreiheiten gebunden sind. Diese Argumentation muß erst recht für das Beschränkungsverbot der Freizügigkeit gelten, da der Grund für die Bindung Privater an Vorschriften des Vertrages, die eine Monopolstellung innehaben, bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer fehlt: Diese Unternehmen haben gegenüber den Arbeitnehmern und ihrer Freizügigkeit keine anderen Befugnisse als sonstige Unternehmen. Eine besondere Gefährdung der beschränkungsfreien Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer durch Unternehmen, die mit allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, ist ausgeschlossen. Das mag sicherlich für die Dienstleistungs-freiheit, Warenverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit anders sein. Art. 86 Abs. 2 EG spricht aber jedenfalls gegen eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots der Freizügigkeit. Ähnliches gilt auch bei Art. 86 Abs. 1 EG. Auch hier steht der wettbewerbsrechtliche Rahmen im Vordergrund der Regelung, ein Sachgrund für die Bindung dieser Unternehmen an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG besteht nicht.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
cc) Schwierige Konkurrenz zwischen Wettbewerbsregelungen und unmittelbar drittwirkendem Beschränkungsverbot Eine unmittelbare Drittwirkung der Beschränkungsverbote führt zudem zu enormen Konkurrenzprobleme mit den Wettbewerbsvorschriften. Die Verfechter der unmittelbaren Drittwirkung sind gezwungen, Ausnahmen von der unmittelbaren Drittwirkung zuzulassen, um die unmittelbare Drittwirkung in Einklang mit den Art. 81, 82 EG zu bringen und Wertungswiderspriiche zu vermeiden. So wenden die Verfechter der unmittelbaren Drittwirkung Art. 81 Abs. 3 EG auf die Grundfreiheiten an. Dies überzeugt wegen der unterschiedlichen Regelungsbereiche der Grundfreiheiten und des Wettbewerbsrechts nicht. Art. 39 EG kennt keine dem Art. 81 Abs. 3 EG vergleichbarer Freistellung vom EG-Vertrag und kann sie im Grunde auch nicht kennen, da die Freizügigkeit absolut zu gewährleisten ist. Ebenso fraglich ist auch, ob sich eine erfolgte Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG auf die Anwendbarkeit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer auswirken kann und eine Freistellung umgekehrt die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrecht voraussetzt. Wäre letzteres der Fall, könnten individual- und kollektivvertragliche Absprachen im Arbeitsrecht nicht von der Ausnahme des Art. 81 Abs. 3 EG profitieren, da sie nicht den Art. 81, 82 EG unterfallen. Ihnen würde die Möglichkeit genommen, der unmittelbaren Drittwirkung der Freizügigkeit durch eine Freistellung zu entgehen, wohingegen andere Private, die sich nicht auf die Ausnahmen von den Art. 81, 82 EG berufen können, unter die Freistellungsregelung fallen können. Die Übertragung wettbewerbsrechtlicher Instrumente vermag es daher nicht, eine unmittelbare Drittwirkung zu rechtfertigen, sondern verdeutlicht die systematischen Argumente, die gegen eine unmittelbare Drittwirkung aller Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten sprechen. dd) Art. 226, 85 EG Aus den Art. 226, 85 EG läßt sich ebenfalls ein systematisches Argument gegen die unmittelbare Drittwirkung ableiten. Der EG-Vertrag läßt es gemäß Art. 85 EG lediglich zu, daß die Europäische Kommission in wettbewerbsrechtlichen Fragen gegen Private vorgeht. In sonstigen Verletzungskonstellationen des Gemeinschaftsrechts besteht keine Möglichkeit, gegen Private vorzugehen, sondern nach Art. 226 EG nur gegen die Mitgliedstaaten. Ginge der EG-Vertrag aber von einer unmittelbaren Drittwirkung aus, hätte er der Kommission als Hüterin der Verträge2°O auch ein Mittel an die Hand gegeben, um nicht nur gegen Wettbewerbsverstöße Privater, sondern auch gegen Beschränkungen der Grundfreiheiten durch Private vorzugehen. Im Verfahren nach Art. 226 EG ist aber allein ein Vorgehen gegen die Mitgliedstaaten möglich. Der EG-Vertrag geht daher nicht von einer unmittelbaren Drittwirkung der Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten aus. 200
Oppermann, Europarecht, Rn. 330.
111. Ansichten und Stellungnahme
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ee) Art. 141 EG Auch der Verweis auf Art. 141 EG zur Begründung der unmittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG ist systematisch ungeeignet. Art. 141 EG betont lediglich die Bedeutung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im EG-Vertrag, woraus sich wenig für nichtdiskriminierende Beschränkungen der Freizügigkeit ableiten läßt. Zudem steht Art. 141 EG in dem Kapitel über die Sozialpolitik und hat mangels Erfordernisses eines grenzüberschreitenden Vorgangs keine Auswirkungen auf den Binnenmarkt, so daß aus Art. 141 EG keine Argumente für eine Drittwirkung des Beschränkungsverbots der binnenmarktorientierten Freizügigkeit abgeleitet werden können. Art. 141 EG mag eine Wertung für die Drittwirkung des Diskriminierungsverbots des Art. 39 Abs. 2 EG enthalten. Das Verbot der Diskriminierung fremder Staatsangehöriger könnte ebenso wie das Verbot der Diskriminierung nach dem Geschlecht eine Ausprägung eines besonderen Gerechtigkeitsgedankens sein, das nur bedingt mit Gegenrechten des Diskriminierenden konkurriert. Da in autonomen Vereinbarungen zudem kein legitimes Interesse an einer Diskriminierung fremder Staatsangehöriger bestehen dürfte, könnte Art. 39 Abs. 2 EG weite Wirkung im Privatrecht beigemessen werden, was aber wegen Art. 7 Abs. 4 der va 1612/68 dahinstehen kann, der zu einer unmittelbaren Drittwirkung des Diskriminierungsverbots im Privatrecht führt. Diese Wertung spricht im Gegenschluß aber gegen eine unmittelbare Drittwirkung des Verbots von Beschränkungen der Freizügigkeit, die nicht nach der Staatsangehörigkeit diskriminieren. Das Beschränkungsverbot steht wegen seiner Herleitung aus Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG in keinem Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot und läßt sich eindeutig vom Diskriminierungsverbot trennen. Bei einer Beschränkung der Freizügigkeit kollidieren berechtigte Beschränkungs- und Freiheitsinteressen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Gewerkschaft und Arbeitgeberverband. In Entscheidungen zum Beschränkungsverbot hat der EuGH auch nie auf Art. 141 EG verwiesen. Art. 141 EG läßt sich somit systematisch allenfalls für eine unmittelbare Drittwirkung des Art. 39 Abs. 2 EG heranziehen.
fj) Art. 12 EG
Auch die Herleitung einer unmittelbaren Drittwirkung aus Art. 12 EG und der daraus folgende Ausschluß der Bindung Privater an die Grundfreiheiten geht fehl. Der EuGH betont in ständiger Rechtsprechung den subsidiären Charakter des allgemeinen Diskriminierungsverbots nach Art. 12 EG gegenüber den speziellen Diskriminierungsverboten der Grundfreiheiten. 201 Tritt Art. 12 EG aber hinter den 201 EuGH, Urteil v. 30. 4. 1998 (Kommission/BRD), Sig. I 1998, S. 2133, 2145, Rn. 15; Rossi, EuR 2000, S. 197,206 f.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Grundfreiheiten zurück, kann das allgemeine Diskriminierungsverbot bei der Frage der Drittwirkung nicht über die spezielleren Grundfreiheiten hinausgehen. Die Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten müßten dann als Konkretisierung des allgemeinen Gedankens 202 vielmehr ebenfalls unmittelbar drittwirkend sein, was aber gerade abgelehnt wird. Art. 12 EG läßt somit ebensowenig Rückschlüsse auf eine unmittelbare Drittwirkung der Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten zu. t) Teleologische Argumente I effet utile
Gegen eine unmittelbare Drittwirkung spricht zentral, daß die Ausübung der Grundfreiheiten das Bestehen der Privatautonomie voraussetzt. Die grenzüberschreitende Warenverkehrsfreiheit kommt nicht ohne Verkaufsmöglichkeiten aus. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wäre zwecklos, wenn jede vertragliche Bindung dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG unterliele. Es würden keine Arbeitsverträge mehr abgeschlossen, die Freizügigkeit liefe ins Leere. Mit der unmittelbaren und schematischen unmittelbaren Drittwirkung würde die Freizügigkeit aufgehoben. Die Wahrung von Frieden und Freiheit spricht dann aber dafür, einen dem Staat entzogenen Bereich für privatautonomes Verhalten zu gewährleisten. Der Zweck der Freizügigkeit steht einer unmittelbaren Drittwirkung entgegen. Auch der Grundsatz des effet utile fordert nicht notwendigerweise eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots. Als milderes Mittel bei der Ausgestaltung des Beschränkungsverbots kommen Schutzpflichten des Staates und eine mittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots in Betracht, die bei besonderen Konfliktlagen ebenfalls die Unwirksamkeit bestimmter Maßnahmen begründen oder eine Pflicht des Mitgliedstaates zum Handeln auslösen können. Diese Alternativen sind zumindest genauso effektiv, da sie die gleichen Rechtsfolgen zulassen und zusätzlich den effektiven und zwingenden Grundrechtsschutz aller Beteiligten durch die Berücksichtigung kollidierender Rechte im Gegensatz zur unmittelbaren Drittwirkung sicherstellen. Die Freizügigkeit läuft dann auch nicht leer, sondern unterliegt nur einer differenzierten Einwirkung auf private Absprachen. Eine schematische und unflexible unmittelbare Drittwirkung würde dagegen die Autonomie der Vertragsparteien unterlaufen. Auch wenn die Grundfreiheiten keine unmittelbare Drittwirkung entfalten, kann die Freizügigkeit unter sinnvollem Ausgleich der beteiligten Interessen auf private Rechtsverhältnisse einwirken. Der Zweck der Grundfreiheiten erfordert somit keine unmittelbare Drittwirkung. g) Einheitliches Verständnis der Grundfreiheiten
Gegen eine unmittelbare Drittwirkung spricht zudem das einheitliche Verständnis aller Grundfreiheiten in ihrer Beschränkungsvariante. Es leuchtet nicht ein, 202
Weiß. Personenverkehrsfreiheiten Staatsangehöriger assoziierter Staaten, S. 111.
III. Ansichten und Stellungnahme
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beim Beschränkungsverbot des Art. 28 EG eine unmittelbare Drittwirkung abzulehnen und sie bei Art. 39 EG anzunehmen. Beide stehen in Art. 3 Abs. 1 1it. c) EG nebeneinander und müßten als Beschränkungsverbote dogmatisch gleich behandelt werden. Wie bereits im ersten Teil der Arbeit verdeutlicht wurde, folgen die Beschränkungsverbote einer einheitlichen Struktur, zumal das Beschränkungsverbot aus Art. 39 EG als Rechtsfortbildung der immanenten Teleologie aller Grundfreiheiten folgt. Es überzeugt daher wenig, wenn der EuGH Unternehmen in Abgrenzung zur Warenverkehrsfreiheit lediglich an Art. 81, 82 EG mißt, beim Beschränkungsverbot des Art. 39 EG jedoch eine Drittwirkung annimmt und Art. 81 und 82 EG dahinstehen läßt, zumal sich die Art. 81 ff. EG nicht nur auf Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit durch Private beschränken. Für eine Differenzierung bei der Drittwirkung von Art. 28 und 39 EG besteht jedenfalls nach dem EG-Vertrag kein Grund. Aus einer möglichen unmittelbaren Drittwirkung der Diskriminierungsverbote lassen sich keine Argumente für eine unmittelbare Drittwirkung der Beschränkungsverbote ableiten. Beide enthalten einen sehr unterschiedlichen Gerechtigkeitsgehalt und basieren auf unterschiedlichen Grundlagen. Zudem legt Art. 39 Abs. 2 EG eine unmittelbare Drittwirkung des Diskriminierungsverbots nach der Staatsangehörigkeit bereits in seinem Wortlaut an und konkretisiert diesen in Art. 7 Abs. 4 VO 1612/68. Eine Verordnung kann außerdem mehr Rechte einräumen als die Vorschrift im EG-Vertrag. Die Ermächtigung in Art. 41 EG wäre ansonsten überflüssig. Das einheitliche Verständnis aller Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten steht somit einer unmittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG entgegen.
h) Pflicht zur gesetzeskonformen Rechtsfortbildung Gegen eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots spricht auch, daß die Rechtsfortbildung und Auslegung im europäischen Recht mangels Konkretisierung des gesetzgeberischen Willens durch den historischen Gesetzgeber im Einklang mit Sekundärrecht stehen müssen. 203 Dieser auch bei einer Rechtsfortbildung maßgebliche Auslegungsgrundsatz folgt dem Gebot richterlicher Zurückhaltung und führt zu einer stärkeren Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens?04 Die Drittwirkung des Art. 39 EG wird durch Art. 7 Abs. 4 der VO 1612/ 68 konkretisiert. In Art. 7 Abs. 4 ist aber nur eine unmittelbare Drittwirkung des Verbots der Diskriminierung von Arbeitnehmern nach der Staatsangehörigkeit geregelt. Die Vorschrift ist vom Wortlaut her eindeutig an Private gerichtet, wenn sie Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit in Tarif- und Arbeitsverträgen verbietet und für nichtig erklärt. Sie verbietet aber nicht alle privatrechtlichen Ver203 204
Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 164 EGV, Rn. 32. Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 164 EGV, Rn. 31.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
stöße gegen die Freizügigkeit, sondern nur die Diskriminierung fremder Arbeitnehmer. Es ist keine Rede von einer Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG. Das Beschränkungsverbot läßt sich vom Diskriminierungsverbot abgrenzen und ist diesem dogmatisch nicht verwandt. Es basiert auf Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG und nicht auf Art. 39 Abs. 2 EG. Art. 7 Abs. 4 VO 1612/68 konkretisiert daher allein die Drittwirkung des Diskriminierungsverbots nach Art. 39 Abs. 2 EG. Art. 39 EG ist im Einklang mit der VO 1612/68 so auszulegen, daß lediglich das Diskriminierungsverbot unmittelbar drittwirkend sein kann.
i) Fehlende Übertragungsmöglichkeit der Schranken des Art. 39 Abs. 3 EG und der Allgemeininteressen Gegen eine unmittelbare Drittwirkung ist einzuwenden, daß die Schranken des Art. 39 Abs. 3 EG und sonstige Rechtfertigungsgründe nicht auf Private übertragbar sind. Martfn hält die Übertragung der Rechtfertigung aus Art. 39 Abs. 3 EG auf Private gar für falsch?05 Der EuGH hat zwar wiederholt ausgeführt, daß sich auch Private auf die Schranken berufen können. 206 Dennoch überzeugt diese Feststellung nicht. Wie kann sich ein privater Arbeitgeber auf die öffentliche Ordnung berufen? Zwar mag es abstrakt richtig sein, daß die Rechtfertigungsgründe auch für Private gelten können. Doch konkret ist eine Berufung auf diese Gründe ausgeschlossen. Private können sich in der Regel nur auf private Belange stützen. Diese Belange müssen mit den Rechten anderer Privater in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Dies gelingt indes nicht bei einer unmittelbaren Drittwirkung, da die Gewähr für die ausreichende Berücksichtigung kollidierender Privatinteressen nicht garantiert ist. Das zeigen bereits die Anforderungen an eine Rechtfertigung von Beschränkungen, die in der Rechtsprechung des EuGH aufgestellt wurden. Private können eigentlich keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses zur Rechtfertigung ihrer Beschränkungen anführen. Welchen Gemeinwohlbelang sollte etwa der Arbeitgeber für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses anführen? Er wird sich allein auf seine Planungssicherheit und seine Unternehmerfreiheit berufen, was aber keine Gemeinwohlbelange sind. Hinzukommt, daß der EuGH Grundrechte Dritter, sollten sie Allgemeininteressen widerspiegeln, nur berücksichtigt, wenn sie zwingende Gründe des Allgemeininteresses verkörpern. Dies führt zu einer weiteren Verkürzung der grundrechtlich geschützten Freiheiten. Die begrenzte Möglichkeit Privater, Beschränkungen der Freizügigkeit zu rechtfertigen, spricht somit gegen eine unmittelbare Drittwirkung.
205
Man{n, E.L.Rev. 1996, S. 313, 323.
EuGH, Urteil v. 7. 5. 1998 (Clean Car Autoservice), Slg. 11998, S. 2521 , 2546, Rn. 24; EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921 , 5066 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 84-86. 206
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j) Staatstheoretische Überlegungen
Gegen eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG sprechen weiterhin gemeinsame Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten. Die Bindung Privater stünde im Widerspruch zur staatstheoretischen Herleitung der Bindung öffentlicher Gewalt an Freiheitsrechte. Nach der Kontrakttheorie überträgt der Einzelne dem Staat Hoheitsrechte, die wiederum nur in den Grenzen der Grundrechte und -freiheiten ausgeübt werden können?07 Zwischen Privaten greift dieser Ansatz nicht, da Hoheitsrnacht nur auf den Staat und nicht unter Privaten übertragen werden kann. Auch in Fällen, in denen der Staat Teile seiner Hoheitsmacht auf Private (Verbände, Koalitionen) zurücküberträgt, bleibt es bei der grundsätzlichen Delegation der Macht auf den Staat. Der Staat ist dann verpflichtet, seine Kompetenzgrenzen nicht dadurch zu unterlaufen, daß er unkontrolliert Macht auf Private überträgt. Er bleibt weiter Garant für die Überwachung der Grenzen seiner Hoheitsrnacht. Erst wenn Private ohne Existenz eines Staates ihre Macht auf Verbände übertragen, wären diese an die Kompetenzgrenzen der Übertragung gebunden. Diese Grundsätze gelten auch für die grundrechts ähnlichen Grundfreiheiten des EG-Vertrages, zumal die EU ihre Kompetenzen von den Mitgliedstaaten ableitet und daher ebenso wie die Mitgliedstaaten an den Vertrag mit dem Individuum gebunden ist. Daß eine unmittelbare Drittwirkung staatstheoretischen Gründen zuwiderläuft, verdeutlicht der Versuch, die den Mitgliedstaaten obliegenden Schutzpflichten auf Private zu übertragen. Überträgt man die primär an die Mitgliedstaaten gerichteten Grundfreiheiten auf Private, liegt es nahe, auch die Schutzpflichten, die sich aus den Grundfreiheiten ergeben, auf Private zu erstrecken. Die Annahme einer Schutzpflicht Privater begründete in dem vom EuGH entschiedenen Fa1l 208 für den französischen Bauernverband die Pflicht, gegen seine eigenen Mitglieder - möglicherweise auch gewaltsam? - vorzugehen, um die Beschränkungen des grenzüberschreitenden Warenverkehr zu unterbinden. Dies begegnet praktischen und rechtlichen Bedenken, da das Gewaltmonopol des Staates ein effizientes Vorgehen Privater gegen Private im Grunde verbietet. Die Bindung Privater an die Grundfreiheiten hebt dieses staatliche Monopol auf, da Privaten staatsähnliche Pflichten auferlegt würden. Aus der unmittelbaren Drittwirkung der Freizügigkeit folgt möglicherweise eine Pflicht Privater, die Freizügigkeit anderer Privater zu schützen. Im Grunde würden dadurch soziale Grundrechte unter Privaten eingeführt. Ein Arbeitgeber wäre aus dem Verbot der Beschränkung der Freizügigkeit verpflichtet, einem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz anzubieten, damit dieser sein Freizügigkeitsrecht ausüben kann. Ein Kontrahierungszwang widerspricht aber der durch die europäischen Grundfreiheiten und Grundrechte geschützten Privatautono207 Thomas Hobbes, Leviathan, 17. und 21. Kapitel; lohn Locke, Über die Regierung, Kapitel VIII, Über die Entstehung politischer Gesellschaften. 208 EuGH, Urteil v. 9.12. 1997 (Kommission/Frankreich), Slg. 11997, S. 6959.
15 Ro1off
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
mie. 209 Die zusätzlichen Funktionen der Grundfreiheiten verdeutlichen den Unterschied zwischen staatlicher und privater Macht und schließen eine unmittelbare Bindung Privater an die Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten aus. Außerdem wären Private stärker an die Schutzpflichten gebunden als der Mitgliedstaat, da sie sich nicht auf die Grundsätze der Gewaltenteilung berufen können. Die staatliche Schutzpflicht entsteht nämlich erst ab massiven Beeinträchtigungen der Grundfreiheit durch Private, da der Legislative und Exekutive ein weites Ermessen beim Einschreiten gegenüber Privaten eingeräumt wird. Private müßten aber bereits bei einfachen Beschränkungen anderer Privater schützend eingreifen, um ihre unmittelbar aus Art. 39 EG folgende Schutzpflicht zu erfüllen, da der Richter keine Prärogative anderer Gewalten berücksichtigen muß. Private würden dann nicht nur wie der Staat, sondern stärker als der Staat an die Schutzpflichten aus Grundfreiheiten gebunden. Einer unmittelbaren Drittwirkung steht außerdem die grundrechtlieh geschützte Privatautonomie aller am Wirtschaftsleben teilnehmender Personen entgegen. Der Grundsatz der Privatautonomie wird durch die nationalen Verfassungen und die europäischen Grundrechte und Grundfreiheiten geschützt. 210 Zum Teil wird aus den Grundfreiheiten sogar eine Institutsgarantie der Vertragsfreiheit abgeleitet. 211 Ohne diese Freiheit wäre der grenzüberschreitende Handel nicht möglich. Schützen die Grundfreiheiten aber die Vertragsfreiheit, können sie diese nur in gewissem Umfang einschränken. Zu absolut ist daher die Formel von Ganten, der die Vertragsfreiheit aus der Diskussion herausnehmen möchte, da es paradox sei, eine Norm, die dem Schutz der Vertragsfreiheit diene, wegen der Privatautonomie so auszulegen, daß dieser Schutz nicht mehr gewährleistet sei. 212 Es geht nicht darum, Privaten jeglichen Schutz zu entziehen, sondern den Schutz zu gewährleisten, der allen relevanten Interessen in angemessenem Umfang Rechnung trägt. Paradox ist nicht die Tatsache, daß die Vertragsfreiheit ein Verhalten schützt, das auch gegen die Grundfreiheiten verstoßen kann. Paradox ist es vielmehr, hieraus Schlüsse für die unmittelbare Drittwirkung der Freizügigkeit zu ziehen. Um die Privatautonomie zu garantieren, bedarf es eines Freiheitsbereiches, der staatlicher Kontrolle entzogen iSt. 213 Dann ist aber eine unmittelbare Drittwirkung ausgeschlossen. Die Grundfreiheiten können zur Wahrung der Privatautonomie nur vertikal auf Private einwirken, um dieses Recht in Einzelfällen wirksam zu schützen.
209 Callies I Ruffert I Kingreen Art. 6 EU, Rn. 93; Oppennann, Europarecht, Rn. 492; Rengeling, Grundrechtsschutz in der europäischen Gemeinschaft, S. 21, 22. 210 Callies I Ruffert I Kingreen Art. 6 EU, Rn. 93; Oppermann, Europarecht, Rn. 492; Rengeling, Grundrechtsschutz in der europäischen Gemeinschaft, S. 21, 22; Wilmowsky, JZ 1996, S. 590, 593; ebenfalls kritisch Weber, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 6. 6. 2000 (Angonese), RdA 2001, S. 183, 184. 211 Wilmowsky, JZ 1996, S. 590, 593. 212 Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 182.
III. Ansichten und Stellungnahme
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k) Wertende Rechtsvergleichung zur Drittwirkung der Grundrechte
Die Drittwirkung der Grundfreiheiten könnte sich im Wege einer wertenden Rechtsvergleichung nach den Grundsätzen der Drittwirkung nationaler und europäischer Grundrechte richten.2 14 Die Drittwirkung des Beschränkungsverbots ist eine Konkretisierung des im Wege der Rechtsfortbildung hergeleiteten Beschränkungsverbots. Sie ist genausowenig wie das Beschränkungsverbot selbst im EGVertrag geregelt, so daß eine ausfüllungsbedürftige Lücke besteht. Die Unklarheit über die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot führt zu Rechtsunsicherheit bei der Vertragspraxis, da Private nicht wissen, ob und in welchem Umfang ihre Absprachen dem Rechtfertigungszwang des Beschränkungsverbots unterliegen. Auch die nationalen Gerichte sind im Umgang mit dem Beschränkungsverbot auf eine Klarstellung angewiesen. Die Voraussetzungen einer wertenden Rechtsvergleichung liegen somit vor. Für eine Übertragung der Grundsätze spricht auch, daß Grundfreiheiten und Grundrechte verwandte dogmatische Strukturen besitzen, die eine einheitliche dogmatische Lösung nahelegen. Zum Teil werden bereits heute in der Diskussion um die Drittwirkung der Grundfreiheiten in privaten Rechtsverhältnissen Verweise auf die Grundsätze zur Einwirkung deutscher Grundrechte auf private Rechtsverhältnisse angedeutet. 215 Dies geschieht aber nur durch Querverweise in Fußnoten oder Parenthesen und zur Unterstützung gefundener Ergebnisse. Eine Übertragung der Grundsätze zur Drittwirkung nationaler und europäischer Grundrechte im Wege einer wertenden Rechtsvergleichung wird bisher noch nicht vertreten. Es ist daher zunächst von den europäischen Grundrechten der EMRK und des Gemeinschaftsrechts auszugehen. Diesen wird überwiegend eine unmittelbare Drittwirkung abgesprochen, da das Verfahren nach der EMRK allein gegen Mitgliedstaaten und nicht gegen Private gerichtet werden könne.2 16 Entnehme man den EG-Grundrechten und Grundfreiheiten eine Schutzpflicht, so beziehe sich diese auf das Betätigungsfeld privater Gestaltungsmacht. 217 Die Lehre von der mitCruz, E.L.Rev. 1999, S. 605, 616. Die Parallele zu den Grundfreiheiten zeigt auch Hirsch auf, RdA 1998, S. 194, 198. 215 Möllers, EuR 1998, S. 20, 36, Fn. 119 unter Verweis auf Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band 5, § 111, Rn. 97 und Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 213, 227; Becker, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), R1W 2000, S. 554 unter Verweis auf die Grundsätze der deutschen Grundrechtsdogmatik: BAG, Urteil v. 20. 11. 1996, NZA 1997, S. 647 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (NFV), BGHZ 142, S. 304 = NJW 1999, S. 3552; Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 78 ff.; Grabitz/ Hilf/ Randelzhojer/ ForsthoffVor Art. 39-55 EG, Rn. 70, 71. 216 Gersdorf, AöR 1994 (119), S. 400,420; Groeben/Thiesing/ Ehlermann/ Beutler Art. F EUV, Rn. 79; Callies / Ruffert / Kingreen Art. 6 EU, Rn. 63; Rengeling, Grundrechtsschutz in der europäischen Gemeinschaft, S. 199, 200; ausführlich laeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 120,211. 217 Gersdorf, AöR 1994 (119), S. 400, 420. 213
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
telbaren Drittwirkung sei daher ein Aspekt der staatlichen Schutzpflicht der Grundfreiheiten. 218 Es bedürfe keiner unmittelbaren Drittwirkung mehr. Zwar werde den Grundrechten in den meisten Mitgliedstaaten der Gemeinschaft Drittwirkung zugesprochen. 219 Damit sei aber noch keine Aussage über die Art der Drittwirkung getroffen?20 Die Anerkennung einer unmittelbaren Drittwirkung würde die Privatautonomie einschränken oder gar aufheben. 221 Auch den nationalen Grundrechten wird nur in wenigen Mitgliedstaaten eine unmittelbare Drittwirkung beigemessen,222 während in der überwiegenden Anzahl der europäischen Mitgliedstaaten von einer lediglich mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte in privaten Verhältnissen ausgegangen wird. 223 Die Drittwirkung der Grundrechte scheint in den meisten Mitgliedstaaten kein besonderes dogmatisches Interesse hervorzurufen. 224 Im deutschen Verfassungsrecht wird hingegen seit langem über die Drittwirkung der Grundrechte diskutiert. 225 Die deutsche Dogmatik bietet sich daher besonders für eine wertende Rechtsvergleichung an. Gegen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte, die sich vom Wortlaut her nicht gegen Private richten, wird dort eingewandt, daß die Auferlegung zivilrechtlicher Verpflichtungen den Verpflichteten in seiner grundrechtlich geschützten Privatautonomie beschränkt. 226 Niemand könne sich unter Berufung auf Grundrechte von privatrechtlich eingegangenen Verpflichtungen lösen, da dies das Ende des Privatrechts bedeute. 227 Eine unmittelbare Drittwirkung führe zu einer partiellen Dispensierung des Zivilrichters vom privaten Gesetzesrecht. Die Entfaltung der Verfassung auch im privaten Rechtsverkehr sei aber zuerst Aufgabe des Gesetzgebers, der die Privatrechtsordnung als Grundlage der Privatautonomie erhalten müsse?28 Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte sei daher Ausprägung der staatlichen Schutzpflicht. Sie betreffe kein Horizontalverhältnis, sondern wirke vertikal auf Callies / Ruffert/ Kingreen Art. 6 EU, Rn. 63; Gersdoif, AöR 1994 (119), S. 400, 42l. Gersdoif, AöR 1994 (119), S. 400, 420. 220 Gersdoif, AöR 1994 (119), S. 400, 420. 221 Rengeling, Grundrechtsschutz in der europäischen Gemeinschaft, S. 199,200. 222 Italien: Monaco, Grundrechte in Europa und den USA, S. 363, 406. 223 Belgien: Pieters, Grundrechte in Europa und den USA, S. I, 44; Dänemark: Genner; Grundrechte in Europa und den USA, S. 85, 105; Frankreich: Savois, Grundrechte in Europa und den USA, S. 203, 233; Luxemburg: Pieters, Grundrechte in Europa und den USA, S. 437, 480; Niederlande: Blois/ Heringa, Grundrechte in Europa und den USA, S. 511, 542; Portugal: Thomashausen, Grundrechte in Europa und den USA, S. 591, 627; Spanien: Prats-Canut, Grundrechte in Europa und den USA, S. 651, 682; Deutschland: Borchardt, Grundrechte in Europa und den USA, S. 115, 160. 224 Pieters, Grundrechte in Europa und den USA, S. 437, 480 spricht von unterentwickelter Lehre. 225 Borchardt, Grundrechte in Europa und den USA, S. 115, 160. 226 Stern, Staatsrecht Band III/ 1, S. 1555. 227 Stern, Staatsrecht Band III/ I, S. 1555. 228 Stern, Staatsrecht Band III/ 1, S. 1555. 218
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III. Ansichten und Stellungnahme
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das Rechtsverhältnis der Individuen ein. 229 Diese staatsorientierte Schutzpflicht lasse die Privatrechtsordnung im Grunde unberührt?30 Der Staat müsse lediglich die Schutzlosstellung der am Privatrechtsverkehr beteiligten Personen verhindern. Die Einwirkung der Grundrechte auf private Rechtsverhältnisse ergebe sich aus der staatlichen Schutzpflicht der verfassungsmäßig garantierten Freiheitsrechte. 231 Wenn der Gesetzgeber zum Erlaß grundrechts schützender Vorschriften verpflichtet werden könne, dann müsse dies erst recht für das Privatrecht und die Auslegung durch die Instanzgerichte gelten. 232 Der Gesetzgeber und die Gerichte müßten daher auf Grundrechtsgefährdungen mit der Schaffung ausreichender Schutzbestimmungen reagieren. Mit der Pflicht zur Ausgestaltung der Privatrechtsordnung stelle sich dem Gesetzgeber ein Problem praktischer Konkordanz, da am Zivilrechtsverkehr gleichrangige Grundrechtsträger teilnähmen, die unterschiedliche Interessen und Ziele verfolgten. Alle Beteiligten stünden unter dem Schutz der Privatautonomie und könnten sich gleichermaßen auf grundrechtliche Gewährleistungen berufen. Die Grundrechtspositionen seien daher in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, daß sie für alle Beteiligten möglichst wirksam würden. 233 Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Schutz einzelner Rechte häufig mit einem Grundrechtseingriff in die Rechte des überlegenen Vertragspartners zusammenfalle. 234 Dem Gesetzgeber sei deshalb ein weiter Gestaltungsrahmen eingeräumt. 235 Die Einwirkung der Grundrechte auf private Rechtsverhältnisse erfolge in zwei Schritten: zunächst werde der Schutz der Grundrechte durch Normen mit festem Tatbestandsgehalt gewährleistet werde. 236 Dazu zählten Vorschriften wie §§ 888 Abs. 3 ZPO, 624 BGB, 74 HGB. 237 Daß der Gesetzgeber von zwingenden spezialgesetzlichen Regelungen aller Lebensbereiche abgesehen habe, spreche nicht dafür, die Vertragspraxis dem freien Spiel der Kräfte auszusetzen. Vielmehr griffen ergänzend die Generalklausein des Zivilrechts (§§ 138, 242, 826 BGB),238 auch wenn es das rechtsstaatliche Gebot der Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Privatrechtsordnung verbiete, in jedem Einzelfall eine praktische Konkordanz durchzuführen. Die Gerichte seien dennoch zur Kontrolle berufen, wenn der Gesetzgeber seiner Pflicht nicht oder nur unzureichend gerecht geworden sei. Der
Höfling, Vertragsfreiheit, S. 52. Höfling, Vertragsfreiheit, S. 53. 231 Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 227. 232 Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 227. 233 BVerfG, Beschluß v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, S. 214, 232. 234 Höfling, Vertragsfreiheit, S. 54. 235 BVerfG, Beschluß v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81, S. 242, 255; BVerfG, Beschluß v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, S. 214, 232; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 54. 236 Stern, Staatsrecht Band IIIll, S. 1584. 237 Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 223. 238 BVerfG, Beschluß v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81, S. 242, 256; BAG, Urteil v. 16.3. 1994, NZA 1994, S. 937, 939. 229
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Richter könne dazu den Schutzauftrag der Grundrechte unter Beachtung der Grundwertungen der Privatrechtsordnung zur Geltung bringen. 239 Diese weit entwickelte dogmatische Lösung bietet sich auch für das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG an. Die Strukturprinzipien der Grundrechte und der Grundfreiheiten sind verwandt. Eine unmittelbare Drittwirkung machte die Scheidung der Freiheitsbereiche in weiten Teilen zur Sache der im Einzelfall agierenden Judikative. Im demokratischen Rechtsstaat kommt diese Aufgabe aber primär dem Gesetzgeber zu. Gewaltenteilung und Rechtssicherheit wären durch den richterlichen Zuwachs an Entscheidungskompetenz gefahrdet. 240 Diese rechts staatlichen Grundsätze gelten auch im europäischen Recht241 und sind vom Europäischen Gerichtshof zu beachten. 242 Der nationale Gesetzgeber verlöre durch eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten auf dem Gebiet des Privatrechts seine Gestaltungsmacht zugunsten der nationalen Gerichte und des EuGH. Die Gerichte wären nicht an die Privatrechtsordnung gebunden, sondern könnten Absprachen unter Privaten frei der Wertung der Grundfreiheiten unterwerfen. Die Eigenständigkeit des Privatrechts ist aber existentiell für das Funktionieren des Binnenmarktes. Ohne Privatautonomie würden keine Arbeitsverträge geschlossen und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer liefe leer. Bei einer Bindung aller am Vertrag beteiligten Personen an Art. 39 EG wäre eine privatautonome Gestaltung der Vertragsbeziehungen nicht möglich. Das Recht zu unsachlicher, sogar emotional geprägter vertraglicher Entscheidung wäre den Parteien genommen. Die Ableitung von Schutzpflichten ist auch bei den Grundfreiheiten anerkannt. Diese Pflichten dienen dem Schutz der Privatautonomie und der effektiven Anwendung europäischen Rechts. Die Ausübung der Freizügigkeit kann durch die Person, mit der kontrahiert wird, beeinträchtigt werden. Beeinträchtigungen durch Dritte sind dem Staat aber regelmäßig nicht zuzurechnen, da er die Beschränkung der Freiheit nicht intendiert. Die Schutzpflicht soll vielmehr den Staat verpflichten, diese Schutzbedürftigkeit auszugleichen. Ihre Ausgestaltung steht im weiten legislatorischen Ermessen, da der Gesetzgeber ansonsten seiner Freiheit beraubt wäre, die Schutzmaßstäbe zu bestimmen und zu sichern. Die Gerichte würden bei einer unmittelbaren Drittwirkung nicht prüfen, ob die Freizügigkeit durch bestehende Vorschriften des nationalen Gesetzgebers ausreichend geschützt ist, sondern könnten selbständig Vereinbarungen an den Grundfreiheiten messen. Die Macht des Gesetzgebers wäre umgangen. Verfassungsprivatrecht träte an die Stelle originären Privatrechts, dessen eigenständige Bedeutung verloren ginge. 243 Der Gesetzgeber darf sich aber andererseits damit zufriedengeben, eine funktionsfähige Privatrechtsordnung geschaffen zu haben und Beschränkun239 240 241
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Höfling, Vertragsfreiheit, S. 55. So auch Erichsen, Jura 1996, S. 527, 530. Opperman, Europarecht, Rn. 241. Opperman, Europarecht, Rn. 243. Zu deutschen Grundrechten Lücke, JZ 1999, S. 377, 381.
III. Ansichten und Stellungnahme
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gen der Freizügigkeit im Privatrechtsverkehr durch die rechtsprechende Gewalt im Einzelfall anhand der im Privatrechtsverkehr vorhandenen Institute ausgleichen zu lassen. Art und Ausmaß der geforderten staatlichen Aktivität hängen von der Verletzungskonstellation ab. Folglich ist bei der Beeinträchtigung einer Grundfreiheit durch privatautonomes Verhalten zunächst zu fragen, ob eine bestehende Vorschrift die Grundfreiheit ausreichend schützt. Eine bestehende Schutzvorschrift kann nicht in die Grundfreiheit eingreifen. Sie dient dem Schutz der Grundfreiheit vor Beeinträchtigungen. Zwar kann es fraglich sein, ob sie dem Schutzgedanken der Grundfreiheit ausreichend Rechnung trägt. Ist dies nicht der Fall, verstößt die Vorschrift gegen die Grundfreiheit. Fehlt eine besondere gesetzliche Regelung und besteht kein Vorrang der Regelung durch den Gesetzgebers, sind die Generalklausein des BGB (§§ 138, 242, 826) heranzuziehen. Bei ihrer Anwendung ist eine Abwägung zwischen den beteiligten Grundfreiheiten und Grundrechten der Beteiligten vorzunehmen. Im Rahmen der Abwägung kann es rechtsgeschäftliche Absprachen geben, die eine Freiheit derart intensiv beeinträchtigen, daß Merkmale des § 138 BGB, wie etwa der subjektive Sittenverstoß, verdrängt werden?44 Zu den besonders intensiven Beschränkungen gehören solche, die den Zugang ausschließen. Auch die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge weist ein besonders hohes Beschränkungspotential und dürfte daher nur schwer durch kollidierende Grundrechte aufgewogen werden. Sofern eine Maßnahme allein die Art des Zu- oder Weggangs betrifft, liegt eine schwere Belastung fern, so daß die beteiligten Interessen durchaus in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden können. Die Grundsätze zur vertikalen Einwirkung der Grundrechte bieten sich somit auch für das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG an. Dieser Ansatz gewährt einen abgestuften Schutzmechanismus, der die Regelungsmacht der Mitgliedstaaten auf Gebieten, die nicht in der Kompetenz der Gemeinschaft liegen, ausreichend beriicksichtigt und den Grundfreiheiten dennoch große Wirkungsmacht vermittelt. Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG wirkt somit auch aus rechtsvergleichender Sicht nicht horizontal auf private Rechtsverhältnisse ein.
I) Konkretisierung der vertikalen Einwirkung des Beschränkungsverbots Da im Arbeitsrecht private Rechtsverhältnisse kollektiv und individuell ausgestaltet werden, soll die Einwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG in diesen Bereichen konkretisiert werden.
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Zu deutschen Grundrechten Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 233.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
aa) Kollektive Regelungen (1) Tarifnonnen
Für Tarifnonnen lehnen das BAG245 und weite Teile des Schrifttums 246 eine unmittelbare Drittwirkung der Freiheitsrechte ab. Das Grundgesetz schütze nur vor staatlichen Eingriffen in die Grundrechte247 und die Grundrechte gewährten keinen unmittelbaren Schutz vor privaten Dispositionen. 248 Das gelte auch für Tarifverträge, da sie auf kollektiv ausgeübter Privatautonomie und der Wahrnehmung der Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG beruhten.249 Der Beitritt und die Unterwerfung unter tarifvertragliche Vorschriften wahre die Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG. Mit der Unterwerfung verlören die Mitglieder nicht den Schutz der Grundrechte, da die anerkannte Schutzpflicht aus den Grundrechten fortbestehe. Sie verpflichte den staatlichen Grundrechtsadressaten zwar, einzelne Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch Dritte zu bewahren?50 Dieser Schutzpflicht genüge der Gesetzgeber aber durch Erlaß besonderer Schutzgesetze. Der Gesetzgeber sei nicht befugt, durch einfaches Gesetz (TVG) Tarifvertragsparteien zu Gesetzgebern zu erklären?51 Tarifverträge seien kein Ausdruck staatlicher Gewalt, sondern kollektiv ausgeübte Privatautonomie,252 deren Geltungsmacht sich die privaten Mitglieder frei unterwürfen. Diese private Legitimation reiche weiter als die des staatlichen Gesetzgebers, da Private über ihre Rechte disponieren könnten?53 Die unmittelbare Bindung von Tarifverträgen an das Grundgesetz führe indes zu einer übermäßigen nicht mehr mit der Verfassung zu vereinbarenden Inhaltskontrolle von Tarifnonnen. 254 In der Rechtsprechung des BAG ist daher anerkannt, daß Tarifverträge nicht in demselben Umfang der gerichtlichen 245 BAG, Urteil v. 11. 3. 1998, NZA 1998, S. 717, 718; fraglich bei den Gleichheitsrechten, BAG, Urteil v. 5. 10. 1999, RdA 2000, S. 310; siehe auch Schliemann, ZTR 2000, S. 198,202. 246 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Richardi § 10, Rn. 30; Wiedemann, Die Bindung der Tarifnormen an Grundrechte, insbesondere Art. 12 GG, S. 107, 127; Schliemann, ZTR 2000, S. 198,202; Dieterich, Festschrift Schaub, S. 117, 120; Erfurter Kommentar! Dieterich Ein!. GG, Rn. 20; a.A. Wiedemann! Stumpf Ein!. TVG, Rn. 205 ff.; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Löwisch, § 239, Rn. 69. 247 Schliemann, ZTR 2000, S. 198,202; Erfurter Kommentar! Dieterich Ein!. GG, Rn. 20. 248 BAG, Urteil v. 11. 3. 1998, NZA 1998, S. 717, 718 unter Verweis auf BVerfG, Urteil v. 24. 4. 1991, BVerfGE 84, S. 133. 249 Höfling, Vertragsfreiheit, S. 18; Erfurter Kommentar! Dieterich Ein!. GG, Rn. 20. 250 BAG, Urteil v. 11. 3. 1998, NZA 1998, S. 716, 719. 251 Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 181 (Arbeitsrecht), S. 265 (Verbandsrecht); Erfurter Kommentar! Dieterich Ein!. GG, Rn. 20. 252 Dieterich, Festschrift Schaub, S. 117, 121. 253 Dieterich, Festschrift Schaub, S. 117, 121. 254 Dieterich, Festschrift Schaub, S. 117, 122.
III. Ansichten und Stellungnahme
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Inhaltskontrolle unterliegen wie Einzelarbeitsverträge. 255 Die strenge Kontrolle einzelvertraglicher Klauseln beruht auf der strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Tarifverträge werden von gleichberechtigten Partnern des Arbeitslebens ausgehandelt und genießen wegen Art. 9 Abs. 3 GG eine Institutsgarantie. Das Gleichgewicht der Tarifvertragsparteien garantiert die angemessene Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen in einer Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelungen?56 Tarifverträge begründen die Vermutung, daß sie den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermitteln. Die Tarifvertragsparteien haben im Unterschied zu den Arbeitsvertragsparteien eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es ist nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob dabei jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung gefunden wurde?57 Dem verbleibenden Gestaltungsspielraum kann erst dann die Anerkennung versagt werden, wenn eine Tarifnorm im Vergleich zu einer sachlich vertretbaren Lösung eine grundlegende Schlechterstellung der Arbeitnehmer herbeiführt. 258 Wegen der allgemeinen Tarifwirkung ist eine generelle und keine individuelle Betrachtungsweise geboten. Den Tarifvertragsparteien muß es überlassen bleiben, in eigener Verantwortung Vorteile mit Nachteilen auszugleichen. 259 Daher ist zunächst davon auszugehen, daß bei einer Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelung die Arbeitnehmerinteressen ausreichend berücksichtigt wurden. 26o Diese Wertung gilt ebenfalls für die Bindung der Tarifvertragsparteien an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG. Die Verhandlungen und der Vertragsabschluß gewähren die materielle Richtigkeit, da sie auf einem antagonistischen Prozeß beruhen. Primär sind nur die Tarifmitglieder den Vorschriften des Tarifvertrages unterworfen, so daß der Geltungswirkung von Tarifverträgen durch einen Gewerkschaftsaustritt begegnet werden kann. Tarifverträge unterliegen daher einer gelockerten Einwirkung der Grundfreiheiten. Auch die Konkurrenz von Sozialpolitik und Binnenmarkt gemäß Art. 136 ff., Art. 3 Abs. 1 lit. c) und j) EG begründet die geringere Kontrolldichte von Tarifverträgen. Der Tarifvertrag ist als sozialer Dialog nach Art. 139 EG in besonderem Maße im Gemeinschaftsrecht verankert, was eine zurückhaltende Kontrolle seiner Regelungen über Arbeitsbedingungen indiziert. Die Systematik legt einen Vorrang der Art. 136 ff. EG nahe, so daß Tarifvertragsparteien nicht unmittelbar an das Beschränkungsverbot gebunden sind. Tarifverträge erfahren daher eine begrenzte Kontrolle am mittelbar drittwirkenden Beschränkungsverbot des Art. 39 EG.
BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 3. BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4. 257 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4; BAG, Urteil v. 23. 2.1967, AP Nr. 57 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 258 BAG, Urteil v. 6. 9.1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4. 259 BAG, Urteil v. 23. 2. 1967, AP Nr. 57 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 260 BAG, Urteil v. 4. 9. 1985, AP Nr. 123 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3. 255
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
(2) Betriebsvereinbarungen Auch Betriebsvereinbarungen unterliegen keiner unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte. 261 Das BVerfG führt aus, daß Betriebsvereinbarungen trotz der gesetzlich vorgeschriebenen normativen Wirkung nicht als Akte öffentlicher Gewalt gelten. 262 Grundrechte wirkten mittelbar auf die Absprache ein, insbesondere über die Generalklausein und sonstige auslegungs- und ausfüllungsbedürftigen Normbegriffe, die im Sinne des Rechtsgehalts ausgelegt werden müßten. 263 Die Betriebsvereinbarung erhalte auch nicht dadurch den Charakter eines Aktes öffentlicher Gewalt, daß sie durch einen Richter als Organ der öffentlichen Verwaltung interpretiert und angewandt werde. 264 Die Grundrechte seien Ausdruck einer objektiven Wertordnung, die alle Bereiche des Rechts beeinflußten. 265 Dennoch haben die Betriebspartner keinen Gestaltungsspielraum, der den Tarifvertragspartnern vergleichbar wäre. Das BAG unterwirft Betriebsvereinbarungen deshalb einer verstärkten Inhaltskontrolle, einer sogenannten Billigkeitskontrolle, und gelangt damit zu einem verstärkten Schutz des Arbeitnehmers vor beschränkenden Betriebsnormen. 266 Die Betriebspartner besäßen keine eigene Satzungsautonomie, 267 der Betriebsrat kann sich anders als die Gewerkschaft auch nicht auf Art. 9 Abs. 3 GG berufen. Zwar basieren auch Betriebsvereinbarungen auf einem antagonistischen Vorgang, einem Vertragsschluß zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Die Betriebsparteien können sich jedoch nicht auf die kollektive Koalitionsfreiheit stützen, da sie nicht auf einem überbetrieblichen Zusarnmenschluß von Arbeitnehmern beruhen. Der Betriebsrat kann sich auch nicht auf die Privatautonomie berufen, da er keine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzt. 268 Die Rolle der kollektiven Vertretung der Arbeitnehmer wird von den Koalitionen wahrgenommen. Folglich rücken Betriebsvereinbarungen in die Nähe von Individualvereinbarungen, zumal der Betriebsrat keine Möglichkeit hat, seine Interessen mit kollektiver Arbeitsniederlegung durchzusetzen. (3) Verbandsvorschriften Verbandsvorschriften werden Teil des Arbeitsverhältnisses, wenn sich der Arbeitnehmer den Vorschriften der Satzung und Statuten unterwirft. Beispielhaft sind 261 BVerfG, Beschluß v. 23. 4. 1986, BVerfGE 73, S. 261, 268; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Richardi § 10, Rn. 35; Erfurter Kommentar! Dieterich Einl. GG, Rn. 24. 262 BVerfG, Beschluß v. 23. 4. 1986, BVerfGE 73, S. 261, 268. 263 BVerfG, Beschluß v. 23. 4. 1986, BVerfGE 73, S. 261, 269. 264 BVerfG, Beschluß v. 23. 4. 1986, BVerfGE 73, S. 261, 268. 265 BVerfG, Beschluß v. 23. 4. 1986, BVerfGE 73, S. 261, 269. 266 BAG, Urteil v. 25. 4. 1991, AP Nr. 138 zu § 611 BGB GratifIkation, BI. 4. 267 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Richardi § 10, Rn. 35. 268 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Richardi § 10, Rn. 35.
III. Ansichten und Stellungnahme
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Regeln der Sportverbände, die auf die Arbeitsverträge durch arbeitsvertragliche Unterwerfung einwirken. 269 Zur Rechtsetzung und Geltung ihrer Statuten bedürfen diese Verbände keiner Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern. Sie haben ein Monopol für die professionelle Ausübung einer bestimmten Sportart, das es ihnen erlaubt, die Arbeitnehmer zur Anerkennung der Statuten zu verpflichten. Wegen der MonopolsteIlung der Verbände im Sportbereich ist eine stärkere Gewichtung der Arbeitnehmerinteressen und deren Freizügigkeit vorzunehmen. Zwar können sich die Verbände auf das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit berufen. Die Regelung von Arbeitsbedingungen ist aber anders als bei Tarifvertragsparteien nicht notwendig von dem Grundrecht umfaßt. Verbandsvorschriften unterliegen daher einer recht strengen Inhaltskontrolle. 270 Wegen ihrer Machtstellung erfolgt eine Überpriifung der Verbandsvorschriften am Maßstab der spezialgesetzlichen Schutzvorschriften und der Generalklauseln. 271 Die großen deutschen Sportverbände seien nach dem Ein-Platz-System aufgebaut, organisierten die Amateurvereine, seien Franchisegeber, führten den Spielbetrieb durch, verfügten über eine beträchtliche Mitgliederzahl und besäßen eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung; sie nähmen daher eine MonopolsteIlung ein. 272 Insbesondere in den Fällen, in denen die Bindung an verbandsrechtliche Vorschriften nicht kraft Mitgliedschaft, sondern kraft Unterwerfung begriindet werde, müsse der unterschiedlichen Interessenlage von Verband und Privatperson ausreichend Rechnung getragen werden. 273 Ein Verband sei sozial mächtig, da eine berufliche Betätigung ohne Anerkennung seiner Regeln in einem bestimmten Beruf nicht möglich sei. 274 Die Stellung der Verbände ist auch für die mittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG relevant. Verbandsregeln entstehen anders als Tarifnormen. Sie werden nicht in einem antagonistischen Vorgang vereinbart, sondern von Interessenvertretern als Beschluß gefaßt. Zu den Vertretern zählen selten die betroffenen Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer haben keinen Einfluß auf die Entstehung, obwohl ihnen eine Ausübung des Berufs nur unter der Voraussetzung der Unterwerfung möglich ist. Die Regelungen können eine höhere Beschränkungsintensität aufweisen. Die Verbandsregeln kommen anders als Tarifverträge nicht in einem pluralistischen Akt zustande und haben deshalb auch 269 lmping, Die arbeitsrechtliche Stellung des Fußballspielers zwischen Verein und Verbänden, S. 221, 222; Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S. 5; Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89,92. 270 BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (NFV), BGHZ 142, S. 304, 307; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (DEB), NJW 2000, S. 1028; BGH, Urteil v. 28. 11. 1994, BGHZ 128, S. 93, 101; BGH, Urteil v. 24.10.1988, BGHZ 105, S. 306, 318; Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89, 92. 271 BGH, Urteil v. 24. 10. 1988, BGHZ lOS, S. 306, 318; Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89,92. 272 BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (NFV), BGHZ 142, S. 304, 306; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (DEB), NJW 2000, S. 1028. 273 BGH, Urteil v. 28.11. 1994, BGHZ 128, S. 93,101; Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89, 92. 274 BGH, Urteil v. 28. 11. 1994, BGHZ 128, S. 93, 101.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
keine materielle Richtigkeitsgewähr. Daher ist eine besondere Kontrolle des Sachgehalts der Regelung erforderlich.
bb) Individualvereinbarungen Der Arbeitnehmer kann theoretisch anders als bei Verbandvorschriften oder Tarifverträgen gestaltend auf sein Arbeitsverhältnis Einfluß nehmen. Diese Möglichkeit ist tatsächlich gering. Um einen Arbeitsplatz zu erhalten, muß sich ein Arbeitnehmer auf eine Vielzahl fremdbestimmter Arbeitsbedingungen einlassen. Individuell geschlossene Verträge werden daher über die GeneralklauseIn des Zivilrechts einer Inhaltskontrolle am Maßstab der Grundrechte unterzogen, wenn keine besonderen Schutzvorschriften bestehen 275 und ein Vertragspartner ein so starkes Übergewicht bei den Verhandlungen besitzt, daß er den Vertragsinhalt faktisch alleine bestimmen kann. 276 Die Rechtsordnung kann zwar nicht für alle Situationen Vorsorge treffen, in denen das Verhandlungsgleichgewicht mehr oder weniger gestört ist. Ein Vertrag darf aus Griinden der Rechtssicherheit nicht bei jeder Störung nachträglich in Frage gestellt oder korrigiert werden. 277 Bei einer typisierbaren Unterlegenheit eines Vertragspartners und ungewöhnlich belastenden Folgen muß die Zivilrechtsordnung aber reagieren können. 278 Das BAG geht im Individualarbeitsrecht von einer typisierbaren strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers aus,279 die durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen nicht beseitigt wird. Die Unterlegenheit des Arbeitnehmers bestehe auch in Zeiten der Vollbeschäftigung, was einseitig vorformulierte, belastende Arbeitsbedingungen zeigten. 28o Ist der Arbeitnehmer durch eine Regelung ungewöhnlich belastet, muß auch den Grundfreiheiten ausreichend Rechnung getragen werden. Dieser Ansatz führt im Gegenschluß dazu, daß in Fällen, in denen Vertragsbedingungen nicht vorformuliert sind und eine ähnliche Verhandlungsstärke gewährleistet ist, der Vertrag als augewogenes Ganzes zu respektieren ist. Dafür ist die besondere Verhandlungssituation zu beriicksichtigen. Hat der Arbeitnehmer nämlich Einfluß auf die freizügigkeitsbeschränkende Regelung im Arbeitsvertrag, so besteht wenig Anlaß, die Absprache über die GeneralklauseIn der §§ 138, 242 BGB zu überpriifen, jedenfalls verbietet sich eine Reduktion der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB. Anders ist dies bei den Schutzvorschriften des BGB oder HGB. Diese gelten unabhängig von der Verhandlungssituation und sanktionieren ein Verhand275 BVerfG, Beschluß v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81, S. 242, 255; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Richardi § 10, Rn. 37. 276 BVerfG, Beschluß v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, S. 214, 232. 277 BVerfG, Beschluß v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, S. 214, 232. 278 BVerfG, Beschluß v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, S. 214, 232. 279 BAG, Urteil v. 16. 3. 1994, NZA 1994, S. 937, 940. 280 BAG, Urteil v. 16. 3. 1994, NZA 1994, S. 937, 940.
III. Ansichten und Stellungnahme
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lungsergebnis, so daß dem Arbeitnehmer insoweit die Disposition über seine Freizügigkeit genommen ist. Vertragsformulare, die den Vertragsinhalt bestimmen, sind zwar keine Arbeitsbedingungen, die kraft staatlicher Anordnung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fanden. Sie unterliegen aber einer verstärkten Kontrolle am Maßstab der Grundfreiheiten und Grundrechte, da sie eben nicht auf einer autonomen Vereinbarung beruhen, sondern vom Arbeitgeber gestellt werden. Insoweit ist wegen der fehlenden Einflußnahme des Arbeitnehmers auf ihren Inhalt eine verstärkte Kontrolle anhand besonderer Schutzvorschriften oder der §§ 138, 242 BGB geboten. 281 Diese Wirkung kann noch verstärkt werden, wenn die Arbeitsbedingungen von einem Verband bundesweit vorformuliert werden, der ein Monopol besitzt. Gesamtzusagen und Einheitsregelungen, also einseitig durch den Arbeitgeber gestellte Arbeitsbedingungen, entbehren ebenfalls einer vergleichbaren Verhandlungsstärke von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer steht vor der Alternative, das Angebot anzunehmen oder es sein zu lassen. 282 Sie ähneln den Formularverträgen. Auch hier muß typisierend über die Generalklausein und das AGB-Recht der Freizügigkeit eine stärkere Geltung im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung verschafft werden.
m) Ergebnis Die Grundsätze der vertikalen Einwirkung der deutschen Grundrechte auf private Rechtsverhältnisse bieten sich in einem wertenden Rechtsvergleich für das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG an. Sie werden den Strukturprinzipien der Freizügigkeit am besten gerecht und bewirken einen differenzierten Einwirkungsmechanismus auf das Arbeitsverhältnis im Wege der Schutzpflichten. Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG wirkt daher in der Form von Schutzpflichten auf das Arbeitsverhältnis ein, so daß nationale Schutzvorschriften Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer durch Private vorbeugen. Besteht keine besondere Schutzvorschrift, kann über die Generalklausein eine Korrektur der beschränkenden Absprache herbeigeführt werden, sofern kein Vorrang des Gesetzgebers besteht. Bei der Anwendung sind die Grundwertungen der Privatrechtsordnung und die Privatautonomie zu beachten und es ist nach den Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers zu fragen. Sind diese gering und beeinträchtigt eine Regelung die Freizügigkeit besonders intensiv, bedarf die Ausübung der Grundfreiheit eines besonderen Schutzes durch die Vorschriften der nationalen Rechtsordnung.
281
Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 298; Erfurter Kommen-
282
Reuter, Anmerkung zu BAG, Urteil v. 8.12.1981, SAE 1983, S. 201, 202.
tar / Preis § 611 BGB, Rn. 560 ff.; so jetzt auch § 310 IV S. 2 BGB.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
6. Ergebnis Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG entfaltet keine unmittelbare Drittwirkung. Dies ergibt sich aus der Struktur des Beschränkungsverbots und einem Rechtsvergleich mit der Grundrechtsdogmatik. Für das Diskriminierungsverbot bedarf es wegen der Ausgestaltung in Art. 39 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 4 va 1612/68 keiner Diskussion, ob eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten möglich oder geboten ist. Der ausdriicklich und umfassend angelegte Diskriminierungsschutz bei allen Arbeitsbedingungen entfaltet weite Wirkung im Privatrecht. Für das Beschränkungsverbot läßt sich indes wegen dessen staatsgerichteten absoluten Gehalts nur das Gegenteil vertreten. Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG wirkt daher über die besonderen Schutzvorschriften und die Generalklausein auf das Privatrecht ein.
IV. Rechtsfolgen unzulässiger privater Beschränkungen Wenn die Freizügigkeit des Arbeitnehmers durch eine private Maßnahme unzulässig beschränkt wird, ist fraglich, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.
1. Vertragliche Absprachen a) Ansicht im Schrifttum
Nach einer Ansicht im Schrifttum ist eine gegen die Grundfreiheit verstoßende Abrede nach § 134 BGB nichtig, da die Grundfreiheiten nach ihrem Sinn und Zweck als Verbotsgesetze einzuordnen seien. 283 Betreffe der Verstoß gegen die Grundfreiheit nur einen Teil des Rechtsgeschäfts, greife nicht die Vermutung der Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB, da es Sinn und Zweck der Grundfreiheit sei, den grenzüberschreitenden Handel offen zu halten und zu fördern. Eine Gesamtnichtigkeit unterbräche den schon angebahnten Handel und widerspräche den Grundfreiheiten. 284 b) Ansicht des EuGH Zu den Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Beschränkungsverbot hat sich der EuGH nicht geäußert. In Ermangelung einer Art. 7 Abs. 4 der va 1612/68 entsprechenden Regelung konnte er keine Nichtigkeit der Beschränkung des Art. 39 283 284
Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 201. Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 202.
IV. Rechtsfolgen unzulässiger privater Beschränkungen
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EG von Rechts wegen herleiten. Auch aus der sonstigen Rechtsprechung des EuGH lassen sich keine Rechtsfolgen ableiten. Er führt lediglich aus, daß die innerstaatlichen Gerichte die zwingenden Vorschriften der Art. 12,39 und 49 EG bei der Prüfung der Gültigkeit oder der Wirkung einer kollektiven Regelung zu berücksichtigen hätten. 285 In den Entscheidungen zur Drittwirkung des Beschränkungsverbots bei kollektiven Regelungen spricht der EuGH auch nicht von der Nichtigkeit der Absprache, sondern lediglich von unmittelbarer Wirkung 286 oder von der Erstreckung des Art. 39 EG auf kollektive Regelungen. 287
c) Stellungnahme
aa) Allgemein Es widerspräche den gefundenen Ergebnisse zur mittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG, den beschränkenden Vertragsteil gemäß § 134 BGB zu verwerfen. Das Beschränkungsverbot ist nicht an Private adressiert und damit kein Verbotsgesetz. Allein der effet utile bestimmt die Art der Einwirkung ins nationale Recht. Die Nichtigkeit kann nach besonderen Schutzvorschriften oder nach einer Abwägung der betroffenen Interessen gemäß § 138 BGB eintreten. Daneben ist eine Inhaltskontrolle und ergänzende Vertragsauslegung über § 242 BGB möglich. Die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge führt zur Anwendung der für die Privilegierten geltenden Regelung auf alle Arbeitnehmer,z88 Es bedarf keiner europarechtskonformen Auslegung des § 139 BGB, um vertragliche Absprachen aufrechtzuerhalten. Dieses Bedürfnis besteht nur wegen der angenommenen unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten, da § 134 BGB die Privatautonomie so weit aushebeIn würde, daß der Privatautonomie über einen Umweg Geltung zu verschaffen ist. Das ist bei einer lediglich mittelbaren Drittwirkung nicht notwendig. Es zeigt aber, daß die unmittelbare Drittwirkung der Freizügigkeit mit den Grundfreiheiten selbst und mit der Privatautonomie kollidiert. § 134 BGB ist somit nicht als Rechtsfolge anwendbar. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die
285 EuGH, Urteil v. 12. 12. 1974 (Walrave), Slg. 1974, S. 1405, 1420, Rn. 25; EuGH, Urteil v. 14.7.1976 (Dona I Mantero), Slg. 1976, S. 1333, 1341, Rn. 18. 286 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5080 = EuZW 1996, S. 82, 91, Rn. 145. 287 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5065 = EuZW 1996, S. 82, 87, Rn. 82; EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2729 =EuZW 2000, S. 375, 377, Rn. 35. 288 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Slg. I 1999, S. 376, 394, Rn. 57; EuGH, Urteil v. 15. 1. 1998 (Clean Car Autoservice), Slg. I 1998, S. 60, 70, Rn. 33; Callies I Ruffert I Brechmann Art. 39 EG, Rn. 51, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 141 EG; Erfurter Kommentar I Schlachter Art. 141 EG, Rn. 21.
240
2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Grundfreiheiten bemessen sich nach den Generalklauseln und den besonderen Schutzvorschriften der Mitgliedstaaten.
bb) Kollektivvereinbarungen Kollektivvereinbarungen unterliegen in ihrem beschränkenden Gehalt möglicherweise nur in den durch Art. 39 EG erfaßten grenzüberschreitenden Fällen den Rechtsfolgen des nationalen Rechts. Dies hieße etwa bei Tarifverträgen mit beschränkendem Regelungsgehalt, daß die Regelung nur in ihren grenzüberschreitenden Auswirkungen nach § 138 BGB nichtig wäre. Das könnte sich aus der Rechtsprechung des EuGH zum Anwendungsvorrang europäischen Rechts ergeben, wonach Vorschriften des nationalen Rechts, insbesondere Tarifverträge, die gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, verdrängt werden und nicht nichtig sind. 289 Der Anwendungsvorrang garantiert die mitgliedstaatliche Kompetenzordnung und ist Ausdruck der Zuriickhaltung gegenüber mitgliedstaatlicher Empfindlichkeit. 29o Dies soII auch für den unmittelbar anwendbaren Art. 141 gelten?91 Zwar sind tarifvertragliche Absprachen wegen der mittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten lediglich an nationalen Rechtsvorschriften und nicht unmittelbar am Gemeinschaftsrecht zu messen, das im Wege des Anwendungsvorrang der tarifvertraglichen Regelung vorgehen müßte. Wenn aber schon der unmittelbar anwendbare Art. 141 EG lediglich Anwendungsvorrang entfaltet, dann muß dies erst recht für die lediglich mittelbar drittwirkenden Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten der FaII sein. Die Grundsätze, die zur Zuriickhaltung gegenüber dem nationalen Gesetzgeber zwingen, gelten erst recht bei der Anwendung nationaler Schutzvorschriften. Der Schutz der Koalitionsfreiheit und der koIIektiven Privatautonomie bedürfen der gleichen Zuriickhaltung bei der Anwendung der Rechtsfolgen nationalen Rechts. Ein dem Anwendungsvorrang vergleichbares Ergebnis kann erzielt werden, wenn sich die Rechtsfolgen nationaler Schutzvorschriften nur auf die vom Beschränkungsverbot betroffenen grenzüberschreitenden Vorgänge beziehen. Eine koIIektive Regelung ist danach nicht als ganze nach § 138 BGB nichtig, sondern nur für die grenzüberschreitenden Vorgänge und wird partieII aufrechterhalten (modifizierter Anwendungsvorrang), eine au slegungsbedürftige Norm wird nur in den grenzüberschreitenden FäIIen modifiziert. So wird ein dem Anwendungsvorrang vergleichbares Ergebnis erzielt, das die koIIektive Privatautonomie weitgehend garantiert. Bei koIIektiven Abreden sind die Rechtsfolgen der nationalen Schutzregelungen damit auf die grenzüberschreitenden Sachverhalte begrenzt. 289 EuGH, Urteil v. 7. 2. 1991 (Nimz), Slg. I 1991, S. 297, 321, Rn. 19; Grabitz/ Hilf/ v. Bogdandy / Nettesheim Art. 1 EGV, Rn. 41; Erfurter Korrunentar / Wißmann Vorbemerkung EG-Vertrag, Rn. 13. 290 Grabitz/ Hilf/v. Bogdandy/ Nettesheim Art. 1 EGV, Rn. 41. 291 EuGH, Urteil v. 7.2. 1991 (Nimz), S1g. I 1991, S. 297, 321, Rn. 19.
IV. Rechtsfolgen unzulässiger privater Beschränkungen
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ce) Individualvereinbarungen Individualvereinbarungen sind an den besonderen Schutzvorschriften zu messen und nach deren Rechtsfolgen zu behandeln. Fehlen solche Schutzvorschriften, können beschränkende Absprachen von Privaten nach § 242 BGB vertragskonform ausgelegt werden. Mißlingt eine Auslegung, ist die Absprache gemäß § 138 BGB nach umfassender Abwägung zu verwerfen. Im Arbeitsverhältnis ist eine Übertragung der Lehre vom Anwendungsvorrang nicht erforderlich, da arbeitsvertragliche Absprachen nur zwischen den Vertragsparteien gelten und insoweit keine Aufrechterhaltung der Vorschrift notwendig ist. Es bedarf keiner Zurückhaltung gegenüber den vertragschließenden Parteien. Allenfalls bei Gesamtregelungen, die eine Vielzahl von Arbeitnehmern betreffen, hat der modifizierte Anwendungsvorrang seine Berechtigung. § 139 BGB findet Anwendung, wenn dieses Vorgehen nicht in die Nähe einer verbotenen geltungserhaltenden Reduktion gelangt. Dies ist vor allem bei vorformulierten Vertragsbedingungen wegen der Rechtsgedanken des AGBG der Fall. 292
2. Schadensersatz a) Ansicht im Schrifttum
Zum Teil wird vertreten, daß der Verstoß gegen Grundfreiheiten einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB begründet. 293 Der Schadensersatzanspruch könne aus Sanktionsgesichtspunkten auch über den tatsächlichen Vermögensschaden hinausgehen, wofür auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Schutz des Persönlichkeitsrechts und zu der verfassungskonformen Auslegung des § 253 BGB verwiesen wird. 294
b) Stellungnahme
Die Anwendung des § 823 Abs. 2 BGB ist nur bei der Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung möglich. Diese wurde aber abgelehnt. Der Arbeitnehmer kann bei Beschränkungen seiner Freizügigkeit durch privatrechtliche Maßnahmen allein nach Spezialvorschriften oder § 826 BGB Schadensersatz verlangen. Dabei ist wie auch bei § 138 BGB eine umfassende Abwägung der beteiligten Interessen vorzunehmen. Schmerzensgeld kann allenfalls bei der Diskriminierung fremder Staatsangehöriger angedacht werden, da ein Bezug zur Menschenwürde besteht. Die Be292 293 294
Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 344 ff., 357 ff. Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten. S. 208, 209. Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten. S. 208, 209.
16 Ro1off
242
2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
schränkung der Freizügigkeit kann hingegen nicht mit einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts gleichgesetzt werden. Schmerzensgeld kann daher bei Beschränkungen der Freizügigkeit nicht verlangt werden.
3. Ergebnis Die Rechtsfolgen eines Verstoßes Privater gegen das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG bemessen sich nach den Schutzvorschriften des nationalen Rechts. Da das Beschränkungsverbot gerade keine unmittelbare Drittwirkung entfaltet, ist ein Anwendung der §§ 134,823 Abs. 2 BGB ausgeschlossen.
V. Anwendungsbeispiele 1. Rechtliche Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis a) Problemstellung Der Ausschluß der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit oder verlängerte Kündigungsfristen führen zu einer rechtlichen Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer ist an einer kurzfristigen Lösung des Arbeitsverhältnisses gehindert, er kann den nationalen Arbeitsmarkt nicht ohne weiteres verlassen, um seine Arbeitskraft grenzüberschreitend zu verlagern. Er ist somit in seiner Freizügigkeit beschränkt. 295 Die rechtliche Bindung an das Arbeitsverhältnis ist auf ihre Vereinbarkeit mit dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG zu überpriifen. b) Ausschluß der ordentlichen Kündigung durch Befristung des Arbeitsverhältnisses
Bei Befristungen des Arbeitsverhältnisses 296 ist das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen, sofern die Vertragsparteien ein solches nicht ausdriicklich vereinbaren (argumentum e contrario § 620 Abs. 1 und 2 BGB 297 , § 15 Abs. 3
Siehe oben 1. Kapitel, v., 9., e), 2. Kapitel, III., 5., c). Die folgenden Ausführungen gelten entsprechend für alle Dienstverpflichteten, die ebenfalls unter §§ 620, 624 BGB fallen - allerdings unter Anwendung des insoweit wie Art. 39 EG über Schutzpflichten auf das privatrechtliche Dienstverhältnis einwirkenden Beschränkungsverbots des Art. 49 EG. Aktuell wird die Zulässigkeit der Vertragsbindung für professionelle Boxer diskutiert: siehe FAZ v. 3. 2. 2001, S. 38 (Klitschko-Briider). 295
296
V. Anwendungsbeispiele
243
TzBfG). Eine solche Abrede verwehrt es dem Arbeitnehmer, während der Befristung ohne Zustimmung des Arbeitgebers einen neuen Arbeitsplatz im Ausland aufzusuchen. Sie bindet den Arbeitnehmer an seinen Arbeitsplatz und hindert ihn daran, seine Freizügigkeit auszuüben. Die Abrede begriindet als Beschränkung der Freizügigkeit daher eine Schutzpflicht der Mitgliedstaaten. Spezialgesetzlich begrenzt § 624 BGB den Ausschluß des ordentlichen Kündigungsrechts auf fünf Jahre,z98 Diese Regelung ist Ausdruck der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und wird der Schutzpflicht der Freizügigkeit der Arbeitnehmer vor Beschränkungen gerecht. 299 Sie beriicksichtigt angemessen die beteiligten Interessen: Der Arbeitgeber hat ein Interesse an der Bindung des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat ein Interesse, das Arbeitsverhältnis unter zumutbaren Fristen beenden zu können. Fünf Jahre sind zwar eine erhebliche Zeitspanne. Sie betreffen indes nur einen kleinen Teil der Lebensarbeitszeit. Folglich kann ein Arbeitsverhältnis auch auf diesen Zeitraum befristet und unter Ausschluß der ordentlichen Kündigung eingegangen werden. Nur in besonders krassen Ausnahmefallen kann über § 138 BGB eine Unwirksamkeit begriindet werden, etwa wenn die vertragliche Verpflichtung auf fehlender Vertragsparität beruht. 3OO Der Arbeitnehmer wird somit über § 624 BGB vor einem Ausschluß der ordentlichen Kündigung geschützt. Über fünf Jahre hinausgehende Bindungen führen nach § 624 S. I, 2 BGB zu einem Kündigungsrecht mit sechsmonatiger Frist nach Ablauf der fünf Jahre. c) Fortgesetzter Ausschluß der ordentlichen Kündigung durch Verlängerungsklauseln Die Vertragsparteien können auch vereinbaren, daß das befristete Arbeitsverhältnis nach einem besonderen Ereignis oder einer besonderen Erklärung um eine bestimmte Zeit befristet verlängert wird. Dies kann durch Abreden erfolgen, die den Vertragspartnem das Recht zur gestaltenden Erklärung über die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gewähren (Verlängerungsoption), oder eine Klausel vorsehen, die das Arbeitsverhältnis automatisch um einen bestimmten Zeitraum verlängert, wenn innerhalb einer bestimmten Frist keine besondere Erklärung abgegeben wurde (Verlängerungsklausel). Die Fortsetzung eines befristeten Arbeitsverhältnisses um einen bestimmten Zeitraum verlängert das urspriinglich befristete Arbeitsverhältnis und schließt für diesen Zeitraum das ordentliche Kündigungsrecht der Vertragspart297 BAG, Urteil v. 19.6. 1980, EzA Nr. 47 zu § 620 BGB; Erfurter Kommentar I MüllerGlöge § 620 BGB, Rn. 129; HanaulAdomeit, Arbeitsrecht, Rn. 831; Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89,92; KRlLipke § 620 BGB, Rn. 14; Soergel/ Kraft § 620 BGB, Rn. 1; Kittnerl DäublerlTrittin § 620 BGB, Rn. 202. 298 StaudingerlPreis § 624 BGB, Rn. 18; KRIFischermeier § 624 BGB, Rn. 23; Soergell Kraft § 624 BGB, Rn. 6; Erman I Belling § 624 BGB, Rn. 4; Münchener Kommentar I Schwerdtner § 624 BGB, Rn. 11. 299 Siehe oben 1. Kapitel, X., 5. 300 Staudinger I Preis § 624 BGB, Rn. 2; Kittner I Däubler I Trittin § 624 BGB, Rn. 8.
16*
244
2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
ner weiterhin aus. 30\ Die Abrede begründet daher rechtlich ein einheitliches Arbeitsverhältnis, so daß der Arbeitnehmer in der gleichen Weise in seiner Freizügigkeit beschränkt wird, wie wenn das Vertragsverhältnis auf die Gesamtdauer befristet und unter Ausschluß der ordentlichen Kündigung eingegangen worden wäre. Es gelten daher die gleichen Grundsätze wie bei einer einheitlichen Befristung über den gesamten Zeitraum: Das verlängerte Arbeitsverhältnis muß daher in der Gesamtdauer ebenfalls § 624 BGB beachten und darf eine Gesamtlänge von fünf Jahren unter Ausschluß des Kündigungsrechts nicht überschreiten. 302 Der Arbeitnehmer kann nach fünf Jahren das Arbeitsverhältnis mit sechsmonatiger Frist beenden. Er wird durch dieses Kündigungsrecht vor Beschränkungen seiner Freizügigkeit geschützt, gleich ob eine einheitliche Befristung oder eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde. Der fortgesetzte Kündigungsausschluß folgt somit den gleichen Regeln wie ein einheitlicher Ausschluß der ordentlichen Kündigung. d) Die Vereinbarung längerer Kündigungsfristen
Der Arbeitgeber kann eine rechtliche Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis durch die Vereinbarung längerer als der gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfristen erzielen. Die Kündigungsfristen in § 622 Abs. I BGB können durch Vereinbarung zwar nicht verkürzt, indes grundsätzlich verlängert werden?03 Das ergibt sich aus § 622 Abs. 5 S. 2 und § 622 Abs. 6 BGB. Eine rechtliche Bindung an das Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber auch durch einen Ausschluß der Kündigung für bestimmte Zeiträume herbeiführen. Bei solchen Absprachen kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis zwar kündigen. Dies gelingt ihm aber nur unter Inkaufnahme langer Kündigungsfristen. Lange Kündigungsfristen binden den Arbeitnehmer aber an das Arbeitsverhältnis, da die Kündigung erst sehr spät wirksam wird. Sie beschränken den Arbeitnehmer daher in seiner Freiheit, das Arbeitsverhältnis zu beenden, um seine Arbeitskraft grenzüberschreitend anbieten zu können, und damit in seiner Freizügigkeit. Fraglich ist, wie der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung des Art. 39 EG vor diesen Beschränkungen zu schützen ist. Das BGB verbietet zwar keine verlängerten Kündigungsfristen. Der Gesetzgeber wird seiner Schutzpflicht aber durch eine Kombination der §§ 624 und 622 Abs. 6 BGB gerecht. § 624 BGB begründet ein Kündigungsrecht nach einer mehr als fünf Jahre dauernden Bindung an das Arbeitsverhältnis ohne ordentliches KündiStaudinger/ Preis § 624 BGB, Rn. 19; KR/ Fischermeier § 624 BGB, Rn. 23. Staudinger/ Preis § 624 BGB, Rn. 19; KR/ Fischermeier § 624 BGB, Rn. 23. 303 Erfurter Kommentar / Müller-Glöge § 622 BGB, Rn. 78; Kramer, Kündigungsvereinbarungen im Arbeitsvertrag, S. 143; Erfurter Kommentar/ Müller-Glöge § 622 BGB, Rn. 44, 99; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 124, Rn. 40, 41, 43; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Wank § 119, Rn. 28; Kittner/ Däubler/ Zwanziger § 622 BGB, Rn. 45; Soergel/ Kraft § 622 BGB, Rn. 23. 301
302
V. Anwendungsbeispiele
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gungsrecht, also auch bei Kündigungsfristen, die über diesen Zeitraum hinausgehen. 304 Innerhalb dieser fünf Jahre beschränken lange Kündigungsfristen den Arbeitnehmer aber bereits so erheblich an der Ausübung seiner Freizügigkeit, daß ein zusätzlicher Schutz vor solchen Absprachen durch § 622 Abs. 6 BGB gewährt werden muß. Die Vorschrift verbietet es, für den Arbeitnehmer eine längere Kündigungsfrist zu vereinbaren als für den Arbeitgeber. Die Vorschrift erfaßt auch den Fall, daß dem Arbeitnehmer weniger Kündigungstermine eingeräumt sind als dem Arbeitgeber. 30s Der Arbeitgeber muß im gleichen Umfang wie der Arbeitnehmer an der Kündigung gehindert sein, um § 622 Abs. 6 BGB genüge zu tun. Da sich der Arbeitgeber in der Regel nicht übermäßig an den Arbeitnehmer binden möchte, ist das Verbot einseitig längerer Kündigungsfristen zu Lasten des Arbeitnehmers geeignet, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer angemessen zu schützen. 306 Um der Schutzpflicht genüge zu tun, müssen von § 622 Abs. 6 BGB abweichende Abreden hinreichend sanktioniert werden. Das Erfordernis gleicher Kündigungsfristen wäre ansonsten ein reiner Programmsatz, an den der Arbeitgeber in seiner Vertragsgestaltung nicht gebunden wäre. § 622 Abs. 6 BGB enthält aber anders als § 624 BGB, der ein besonderes Kündigungsrecht als Rechtsfolge abweichender Vereinbarungen vorsieht, keine Regelung über die Rechtsfolgen abweichender Abreden. Zwei Rechtsfolgen kommen in Betracht: Die Absprache über die längere Kündigungsfrist des Arbeitnehmers ist nach § 134 BGB nichtig. Sie richtet sich dann nach den gesetzlichen Kündigungsfristen oder nach der Kündigungsfrist des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer könnte sich dann schneller als vereinbart vom Arbeitsverhältnis lösen. Andererseits könnte die kürzere Frist des Arbeitgebers für unwirksam erklärt und nach oben an die längere Kündigungsfrist des Arbeitnehmers angeglichen werden. Der Arbeitnehmer bliebe dadurch im gleichen Maße wie bisher an den Vertrag gebunden, allein der Arbeitgeber könnte sich nicht wie vereinbart vom Arbeitsverhältnis lösen. Im Schrifttum ist überwiegend anerkannt, daß die Frist des Arbeitgebers nach oben an die Kündigungsfrist des Arbeitnehmers angeglichen wird?07 Die Rechts-
304 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 124, Rn. 40, 41, 43; Kittner I Däubler I Zwanziger § 622 BGB, Rn. 45; Soergell Kraft § 622 BGB, Rn. 23. 305 KRISpilger § 622 BGB, Rn. 203; StaudingerlPreis § 622 BGB, Rn. 52; PreislKramer; DB 1993, S. 2125, 2128; Erfurter Kommentar I Müller-Glöge § 622 BGB, Rn. 100. 306 Siehe oben 1. Kapitel, X., 6. 307 Staudingerl Preis § 622 BGB, Rn. 57; Kramer; Kündigungsvereinbarungen im Arbeitsvertrag, S. 145; Preis I Kramer; DB 1993, S. 2125,2128; Kittnerl Däublerl Zwanziger § 622 BGB, Rn. 84; Münchener Kommentar I Schwerdtner § 622 BGB, Rn. 9; Stahlhacke I Preis, Kündigung und Kündigungsschutz, Rn. 375; Palandtl Putzo § 622 BGB, Rn. 26; Erfurter Kommentar I Müller-Glöge § 622 BGB, Rn. 80; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 124, Rn. 44; KRI Spilger § 622 BGB, Rn. 202; Großkommentar zum Kündigungsrechtl Backhaus § 622 BGB, Rn. 185; a.A. Küttner; Personalbuchl Eisemann, Kündigungsfristen, Rn. 14; Kindler; NZA 2000, S. 744, 746.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
folge ergebe sich aus einer Analogie zu § 89 Abs. 2 S. 2 HGB. 308 Die Analogie finde ihre Berechtigung im Gesetz, da § 89 Abs. 2 S. 2 HGB eine willensunabhängige Vorschrift sei, die ausdrücklich das Problem der längeren Bindung an den Vertrag geregelt habe. 309 § 622 Abs. 6 BGB und § 89 Abs. 2 HGB beruhten auf einer vergleichbaren Interessenlage. Dagegen wird eingewandt, daß sich § 89 Abs. 2 S. 2 HGB mit der Kündigung des Unternehmers befasse und nicht mit der des Handelsvertreters. 310 Die Norm setze zu Lasten des Unternehmers die Fristenparität durch. § 89 Abs. 2 S. 2 HGB erleichtere die Kündigung nicht für den Handelsvertreter, sondern erschwere die Kündigung für den Unternehmer?ll § 622 Abs. 6 BGB sei dem diametral entgegengesetzt. Die Vorschrift ziele auf eine Erleichterung der Kündigung durch den Arbeitnehmer. Verboten sei allein die Verlängerung der Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmerkündigung werde aber nicht erleichtert, wenn die Frist des Arbeitnehmers bestehen bleibe und die des Arbeitgebers verlängert werde, obwohl § 622 Abs. 6 BGB diese Verlängerung untersage?12 Es sei nicht nachvollziehbar, warum eine unwirksam vereinbarte Frist doppelt gelten solle. 313 Dem Arbeitnehmer sei in aller Regel daran gelegen, früher vom Arbeitsverhältnis loszukommen. 314 Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. § 622 Abs. 6 BGB kann nicht entnommen werden, daß die Kündigung des Arbeitnehmers erleichtert werden soll. § 622 Abs. 6 BGB regelt nur, daß die Kündigungsfrist nicht zu Lasten des Arbeitnehmers von der des Arbeitgebers abweichen darf. Einziger Zweck der Regelung ist die Vermeidung verlängerter Kündigungsfristen zu Lasten des Arbeitnehmers, ohne eine Entscheidung über die Art der Angleichung der Fristen - nach oben oder nach unten - vorzunehmen. Aus § 622 Abs. 6 BGB ließe sich dieser Zweck nur dann entnehmen, wenn er ausdrücklich die Frist des Arbeitnehmers an die kürzere des Arbeitgebers anpassen würde. Zu der Rechtsfolge schweigt § 622 Abs. 6 BGB. § 89 Abs. 2 S. 2 HGB ist analog anzuwenden. Daran ändert die Tatsache nichts, daß § 89 Abs. 2 S. 1 2. Hs. HGB von dem Verbot kürzerer Kündigungsfristen für den Unternehmer und § 622 Abs. 6 BGB von dem Verbot längerer Kündigungsfristen für den Arbeitnehmer spricht. Beide Vorschriften sind unterschiedlich formuliert, regeln im Ergebnis aber die gleiche Konstellation: Der Dienstverpflichtete wird länger an den Vertrag gebunden als der Dienstberechtigte. Die Vereinbarung 308 Staudinger/ Preis, § 622 BGB, Rn. 57; Kramer, Kündigungsvereinbarungen im Arbeitsvertrag, S. 145; Preis/Kramer, DB 1993, S. 2125,2128; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz, Rn. 375; Münchener Kommentar / Schwerdtner § 622 BGB, Rn. 9. 309 Staudinger/ Preis § 622 BGB, Rn. 57. 310 Kindler, NZA 2000, S. 744, 746. 311 Kindler, NZA 2000, S. 744, 746. 312 Kindler, NZA 2000, S. 744, 746. 313 Kindler, NZA 2000, S. 744, 746; Küttner, Personalbuch/ Eisemann, Kündigungsfristen, Rn. 14. 314 Küttner, Personalbuch/ Eisemann, Kündigungsfristen, Rn. 14; Kindler, NZA 2000, S. 744, 746.
v. Anwendungsbeispiele
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für den Arbeitnehmer längerer oder für den Arbeitgeber kürzerer Kündigungsfristen ist die Umschreibung ein und desselben Verhandlungsergebnisses - ein Divergieren der Kündigungsfristen zu Lasten des Dienstverpflichteten. Dies verdeutlicht ein Blick in das handelsrechtliche Schrifttum, wo von der Geltung der längeren oder verlängerten Frist die Rede ist. 315 Will man aus der Fonnulierung des § 622 Abs. 6 BGB eine Erleichterung der Arbeitnehmerkündigung ableiten, so gelingt dies nur im Gegenschluß zu § 89 Abs. 2 S. I 2. Hs. HGB. § 622 Abs. 6 BGB enthält aber keine Anhaltspunkte für einen von den Grundsätzen des § 89 HGB abweichenden gesetzgeberischen Willen. Aus der gesetzgeberischen Entwicklung und Begriindung ergibt sich vielmehr, daß § 622 Abs. 6 BGB und § 89 Abs. 2 HGB in ihren Voraussetzungen, Rechtsfolgen und ihrer Interessenlage mehr als nur verwandt sind. § 67 Abs. 1 HGB a.F. und §§ 122 S. 2, 133aa Abs. 1, 133ac S. 2 GewO a.F., die der Regelung des § 622 Abs. 5 a.F., heute Abs. 6, BGB zugrundeliegen, wurden 1969 zur "Bereinigung arbeitsrechtlicher Vorschriften" zusammengefaßt. 316 Sie enthielten alle genauso wie § 89 Abs. 3 HGB a.F. den Grundsatz, daß die Kündigungsfristen für den Dienstberechtigten und -verpflichteten gleich sein müssen. Vor der Einführung des § 89 Abs. 3 HGB a.F. ließ das HGB die Ungleichheit der Kündigungsfristen zu Lasten des Handelsvertreters noch zu. Nur für den Arbeitgeber und den Handlungsgehilfen mußten die Kündigungsfristen gemäß § 56 Abs. 2 des Entwurfs eines Handelsgesetzbuches für das Deutsche Reich von 1895 (EHGB) gleich sein. 317 In § 69 EHGB wurde für den Handelsagenten, den Vorläufer des Handelsvertreters,318 zwar auf die Vorschriften über die Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem "Handlungsgehülfen" und dem Geschäftshenn verwiesen?19 Der Verweis von § 69 EHGB bezog sich aber nur auf § 56 Abs. 1 EHGB und damit nicht auf die erforderliche Gleichheit der Kündigungsfristen nach § 56 Abs. 2 EHGB. 320 Der Handelsagent war nach Ansicht des Gesetzgebers weniger schutzwürdig als der Handlungsgehilfe?21 Der Entwurf ließ anders 315 Hopt, Handelsvertreterrecht, § 89 HGB, Rn. 29: "Die verlängerte Kündigungsfrist darf für den Unternehmer nicht kürzer sein als für den Handelsvertreter."; Münchener Kommentar 1 v. Hoyningen-Huene, § 89 HGB, Rn. 60: " ... gilt nach Abs. 2 S. 2 die für den Handelsvertreter vereinbarte längere Kündigungsfrist auch für den Unternehmer. Damit soll eine Benachteiligung des Handelsvertreters vermieden werden."; Heymannl Sonnenschein 1 Weitemeyer § 89 HGB, Rn. 32: "gilt vielmehr die für den Handelsvertreter vereinbarte längere Frist. "; Röhricht 1 Graf von Westphalen 1 Küstner § 89 HGB, Rn. 11: "gilt ... die vereinbarte längere Frist". 316 BT-Drucks. 5/3913, S. 10, 11. 3I7 Abgedruckt bei Schubert 1Schmiedel I Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch Band I, S. 234. 318 Würdingerl Brüggemann, Kommentar zum HGB, S. 741, 742. 319 Abgedruckt bei Schubertl SchmiedeIl Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch Band I, S. 237. 320 Abgedruckt bei Schubertl Schmiedel I Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch Band I, S. 237.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
als die den Handlungsgehilfen betreffenden Regelungen, wo abweichende Vereinbarungen über die Kündigungsfrist nur in beschränktem Umfang gestattet waren, die Vertragsfreiheit des Handelsagenten unberührt?22 Die Agenten seien selbständige Kaufleute, die mehrere Firmen verträten und dem Geschäftsherrn daher nicht in solcher Abhängigkeit gegenüberträten, daß sie eines Schutzes durch zwingende gesetzliche Vorschriften notwendig bedürften. 323 Der Gesetzgeber unterschied somit zunächst zwischen der Schutzbedürftigkeit von Handelsagent und Handlungsgehilfe. Diese Unterscheidung hat er aber im Jahre 1953 BGB unter ausdrücklichem Verweis auf § 67 HGB a.F., Vorgängerregelung von § 622 Abs. 6 BGB, aufgegeben. 324 § 89 Abs. 3 HGB a.F. erhielt die gleiche Formulierung wie § 67 HGB a.F. und bestimmte "entsprechend § 67 Abs. 1 HGB" a.F., daß die "vereinbarte Kündigungsfrist für beide Teile gleich sein muß,,?25 Die Begründung des Gesetzentwurfs stellt auf die besondere Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters infolge sozialer Umwälzungen ab;326 Zwingende gesetzliche Regelungen sollten den Handelsvertreter vor Vereinbarungen schützen, die ihn, insbesondere bei den Kündigungsfristen, benachteiligten. 327 In Abweichung von der Rechtsprechung des RAG zu § 67 HGB a.F. sollte zwar die Vereinbarung für den Handelsvertreter längerer, nach Ansicht des Gesetzgebers günstigerer328 Kündigungsfristen nicht zulässig sein. Ansonsten wurde aber keine Abweichung von den Grundsätzen des § 67 HGB a.F. vorgenommen. Beide Vorschriften untersagten somit das gleiche Verhandlungsergebnis, die einseitige Verlängerung der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers. Sie sollten den Dienstverpflichteten vor einer Benachteiligung durch längere Kündigungsfristen schützen. § 89 Abs. 3 HGB a.F. und § 67 HGB a.F. zielten somit gemeinsam auf die Gleichheit der Kündigungsfristen für den Dienstberechtigten und -verpflichteten. Durch die Neufassung des § 622 Abs. 5 BGB a.F. hat der Gesetzgeber 1969 nur noch die Vereinbarung einseitig längerer Kündigungsfristen für den Arbeitnehmer für unzulässig bewertet. § 622 Abs. 5 BGB a.F. und § 89 Abs. 3 HGB a.F. untersagten somit aber weiterhin die Vereinbarung für den Arbeitnehmer einseitig längerer Kündigungsfristen. Allein die Vereinbarung kürzerer Kündigungsfristen für den Handelsvertreter war nach § 89 Abs. 3 HGB ausgeschlossen. Aber auch dieser Unterschied wurde bei der Neufassung des § 89 Abs. 2 HGB aufgrund der europäi321 Begründung des Entwurfs, abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch Band 11, S. 61. 322 Begründung des Entwurfs, abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch Band 11, S. 61. 323 Abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch Band 11, S. 61. 324 BR-Drucks. 273/52, Begründung, S. 50. 325 BR-Drucks. 273/52, Begründung, S. 50. 326 BR-Drucks. 273/52, Begründung, S. 5. 327 BR-Drucks. 273/52, Begründung, S. 5, 10. 328 BR-Drucks. 273/52, Begründung, S. 50.
V. Anwendungsbeispiele
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sehen Richtlinie 86/653/ EWG aufgehoben. 329 Im ersten Entwurf der Richtlinie wurde zunächst nur die Gleichheit der Kündigungsfristen verlangt, was der bisherigen Rechtslage entsprach. 33o Die Endfassung der Richtlinie enthielt dann aber in Art. 15 Abs. 4 genau wie § 622 Abs. 6 BGB das Verbot der unterschiedlichen Kündigungsfristen zu Lasten des Handelsvertreters. Gründe für die vom Wortlaut des § 622 Abs. 6 BGB abweichende, aber inhaltlich gleiche Regelung finden sich in der Richtlinie nicht. 331 Auch der deutsche Gesetzgeber verweist einfach auf den Wortlaut der Richtlinie, ohne § 622 Abs. 6 BGB zu beachten. 332 Damit galt der Verweis des Gesetzgebers bei der Einführung des § 89 Abs. 3 HGB a.F. im Jahre 1953 auf § 67 HGB a.F. fort. 333 Auch die Neufassung des § 622 Abs. 6 BGB im Jahre 1992 stellt nicht auf Unterschiede zu § 89 Abs. 2 HGB ab, sondern läßt die Regelung gänzlich unerwähnt. 334 Die Entwicklung der § 622 Abs. 6 BGB und § 89 Abs. 2 HGB und ihr gegenseitiger Bezug haben gezeigt, daß sie das gleiche Verhandlungsergebnis sanktionieren: die Vereinbarung einseitig längerer Kündigungsfristen für den Dienstverpflichteten. Die Verwandtschaft der Regelungen wird auch bei den Rechtsfolgen deutlich. Vor der Einführung des § 622 Abs. 6 BGB waren Absprachen, die gegen § 67 Abs. 1 HGB a.F. verstießen, nach § 67 Abs. 4 HGB a.F. nichtig. Das gleiche galt bei allen anderen Dienstverhältnissen gemäß §§ 122 S. 3, 133aa Abs. 4 GewO a.F. 335 • Anstelle der ungleichen Kündigungsfristen zu Lasten des Arbeitnehmers trat aber nach überwiegender Ansicht im Schrifttum die längere Kündigungsfrist. 336 Auch § 89 Abs. 3 S. 1 HGB a.F. schrieb seit 1953 die Nichtigkeit abweichender Abreden unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 67 HGB a.F. fest. Würden ungleiche Kündigungsfristen vereinbart, sei die Vereinbarung nichtig. 337 Nach der Neufassung des § 89 Abs. 3 S. 2 HGB a.F. galt für den Handelsvertreter und den Unternehmer bei der Vereinbarung ungleicher Fristen genau wie bei § 67 Abs. 4 HGB a.F. die längere Frist. Der Gesetzgeber lehnte die Geltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ab, um Zweifel über die Rechtsfolgen zu vermeiden und die Parteien nicht an die ihren Interessen unter Umständen nicht entsprechende Frist zu binden. 338 Auf den Willen und die Interessen der Vertragspartner sollte es nicht ankommen. Die Rechtsfolgen von § 67 HGB a.F. und § 89 Abs. 3 HGB a.F. 329 330 331 332 333 334
ABl.EG v. 31. 12. 1986, Nr. L 382, S. 17. Art. 26 Abs. 1 S. 2 des Entwurfs; ABl.EG v. 18. 1. 1977, Nr. C 13, S. 7. ABl.EG v. 31. 12. 1986, Nr. L 382, S. 20. BT-Drucks. 11 /3077, S. 9. BR-Drucks. 273/52, Begründung, S. 50. BT-Drucks. 12/4902, S. 9.
Rohlfing 1Kiskalt 1Wolff § 122 GewO, Rn. 12, § 133aa GewO, Rn. 3. BaumbachlDuden (18. Auflage) §§ 67-69 HGB, D.; Nikisch, Arbeitsrecht Band 1, § 49 IV, S. 715; Gumpert, BB 1955, S. 1140, 1141; a.A. Hueckl Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts Band 1, § 57 IV. 3. Fn. 39, S. 516 der auf den Partei willen abstellen möchte. 337 BR-Drucks. 273/52, Begründung, S. 50. 338 BR-Drucks. 273/52, Begründung, S. 50. 335
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
waren somit identisch. Zwar enthielt § 67 HGB a.F. keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, ob die Kündigungsfristen nach oben angeglichen werden sollten, es war aber anerkannt, daß die Kündigungsfrist des Arbeitgebers nach oben angeglichen wurde, wenn der Arbeitnehmer eine längere Kündigungsfrist wahren mußte. Die fehlende Regelung läßt sich darauf zuriickführen, daß sich der Gesetzgeber im Jahre 1897 keine Gedanken über diese Frage gemacht hatte. Es liegt aber nahe, daß er bei der Einführung des § 89 Abs. 3 HGB a.F. im Jahre 1953 das Problem erkannt und in Anlehnung an die Ansicht im Schrifttum zu § 67 HGB a.F. gelöst hat, zumal § 67 HGB a.F. in der Gesetzesbegriindung das erklärte Vorbild des neuen § 89 Abs. 3 HGB a.F. war. Außerdem hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 622 Abs. 5 a.F. und Abs. 6 BGB n.F. keine Abweichung von den Grundsätzen des § 67 HGB a.F. oder des § 89 Abs. 3 a.F. oder Abs. 2 S. 2 HGB n.F. zum Ausdruck gebracht. Sein Schweigen kann nur so verstanden werden, daß er die Angleichung abweichender Vereinbarungen nach oben auch im Rahmen von § 622 Abs. 6 BGB anerkannt hat. Die Rechtsfolgen beider Regelungen sind daher eng verwandt. Beide Vorschriften regeln auch die gleiche Interessenlage. 339 § 89 Abs. 2 HGB soll den Handelsvertreter vor einseitig stärkerer Bindung an den Vertrag schützen. 34O Auch § 622 Abs. 6 BGB bezweckt den Schutz des Arbeitnehmers vor ungleicher Bindung an den Arbeitsvertrag. 341 Der Zweck des § 89 HGB wurde nicht durch die europäische Richtlinie modifiziert. Diese verfolgt ausdrücklich auch den Schutz des Handelsvertreters 342 und lehnte sich zudem sehr eng an die deutschen Schutzvorschriften an. 343 Beide Normen bezwecken somit den Schutz des Arbeitnehmers und des Handelsvertreters. Für die Anwendung der längeren Frist spricht auch, daß der Gesetzgeber im Rahmen von § 622 BGB davon ausgeht, daß die längere Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer günstiger ist. So führt er bei der Neufassung des § 622 BGB aus, daß in § 622 Abs. 5 S. 2 BGB "lediglich Vereinbarungen zugunsten der Arbeitnehmer zulässig sind, insbesondere in der Form der Verlängerung der Kündigungsfristen,,344. Diese Wertung gibt inzwischen auch § 89 Abs. 2 S. 1 HGB vor, wenn er die Vereinbarung beliebig langer Kündigungsfristen auch zu Lasten des Unternehmers zuläßt. Der Arbeitnehmer kann aber logisch nur durch die Geltung der günstigeren Regelung, also der längeren Kündigungsfrist geschützt werden.
339 340
Preis 1Kramer, DB 1993, S. 2125, 2128. BR-Drucks. 273/52, S. 5, 10,50; HeymannlSonnenscheinlWeitemeyer, § 89 HGB,
Rn. 3. 341 Zur Vorgängerregelung des § 67 HGB a.F., Begründung des Entwurfs des HGB von 1897, abgedruckt bei Schuben 1Schmiedeil Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch Band H, S. 54; Erfurter Kommentar 1Preis § 622 BGB, Rn. 1. 342 2. Begründungserwägung der Richtlinie vom 31. 12. 1986, ABl.EG L 382, S. 17. 343 ABl.EG v. 31. 12. 1986, Nr. L 382, S. 20. 344 BT-Drucks. 12/4902, S. 9.
V. Anwendungsbeispiele
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Auch der Verweis auf die "beiderseitige Parität" von Handelsvertreter und Unternehmer, die zwischen den Vertragsparteien im Arbeitsrecht nicht bestehen soll,345 begründet keine Geltung der kürzeren Frist, sondern spricht im Gegenschluß für die analoge Anwendung des § 89 Abs. 2 S. 2 HGB. Will der Gesetzgeber den dem Unternehmer angeblich gleichgeordneten Handelsvertreter durch die Angleichung der Fristen nach oben schützen, dann muß dies erst recht für den dem Arbeitgeber unterlegenen Arbeitnehmer gelten. Der Gesetzgeber hat Arbeitnehmer und Handelsvertreter zudem für gleichermaßen schutzbedürftig gehalten, ansonsten hätte er in der Neufassung des § 89 HGB im Jahre 1953 nicht auf die Vorschriften über den Handelsgehilfen verwiesen. Außerdem hat der Gesetzgeber in § 89 Abs. 2 S. 1 HGB in Anlehnung an § 622 Abs. 6 BGB die Vereinbarung einseitig günstigerer Fristen für den Handelsvertreter zu dessen Schutz zugelassen, obwohl er dies noch im Jahre 1953 wegen der Selbständigkeit des Handelsvertreters abgelehnt hatte. In § 622 Abs. 6 BGB und in § 89 Abs. 2 HGB können durch die Geltung der längeren Frist Zweifel über die tatsächlich geltende Frist vermieden werden. Es besteht kein Grund, im Arbeitsverhältnis stärker auf die Interessenlage beim Vertragsschluß abzustellen, da die Bedeutung einer kürzeren oder längeren Frist ständigen Wechseln unterworfen ist und sich ein hypothetischer Partei wille nur sehr selten feststellen läßt. Der Arbeitnehmer konnte wegen der vertraglichen Abrede auch nicht auf eine Verkürzung seiner Frist vertrauen. Beide Vorschriften zielen daher auf die Rechtssicherheit und die Wahrung der Privatautonomie. § 622 Abs. 6 BGB und § 89 Abs. 2 HGB verfolgen somit den gleichen Zweck, so daß die Rechtsfolge des § 89 Abs. 2 S. 2 HGB auch für Arbeitnehmer gelten muß. Gegen eine analoge Anwendung des § 89 Abs. 2 S. 2 HGB könnte eingewandt werden, daß das BAG über die Art der Angleichung divergierender Kündigungsfristen noch nicht entschieden hat, in Fällen der faktischen Kündigungserschwerung aber eine Anpassung des schwächer gebundenen Arbeitgebers an die stärkere Bindung des Arbeitnehmers verneint und die gesamte Bindungsabrede nach §§ 622 Abs. 6 LY.m. 134 BGB für nichtig erklärt hat. 346 Die Kündigung des Arbeitnehmers wird faktisch erschwert, wenn der Arbeitnehmer im Falle einer ordentlichen Kündigung Vermögensnachteile erleidet. Diese Rechtsprechung ist indes nicht auf die einseitige Verlängerung der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers übertragbar, da sich die faktische Kündigungserschwerung maßgeblich von der rechtlichen Erschwerung der Kündigung unterscheidet. Bei der rechtlichen Kündigungserschwerung wird der Arbeitnehmer aufgrund der vertraglichen Bindung an das Arbeitsverhältnis an einer Beendigung gehindert (Kündigungsausschluß oder Befristung). Bei der faktischen Kündigungserschwerung ist die Kündigung rechtlich möglich, sie ist lediglich mit finanziellen Nachteilen behaftet. Dieser Unterschied rechtferKüttner; Personalbuch! Eisemann, Kündigungsfristen, Rn. 14. BAG, Urteil v. 11. 3. 1971, AP Nr. 9 zu § 622 BGB; BAG, Urteil v. 9. 3. 1972, AP Nr. 12 zu § 622 BGB; BAG, Urteil v. 11. 3. 1971, AP Nr. 9 zu § 622 BGB; BAG, Urteil v. 9. 3. 1972, AP Nr. 12 zu § 622 BGB; Arbeitsrecht-Blatteil Preis! Stoffels, SD 1710, Vertragsstrafe, Rn. 65. 345
346
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
tigt es auch, die rechtliche Kündigungserschwerung nicht für nichtig zu erklären. Im Gegensatz zur faktischen Kündigungserschwerung gelingt es bei der rechtlichen Kündigungserschwerung mühelos, die Kündigungserschwerung für beide Vertragspartner nach oben anzugleichen. Die Angleichung hat für den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber die gleichen Folgen, beide bleiben in gleicher Weise an den Vertrag gebunden, es gelten die gleichen Kündigungsfristen und -möglichkeiten. Eine Angleichung nach oben führt bei einer faktischen Kündigungserschwerung zu einer unterschiedlich starken Bindung, da der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ein unterschiedliches wirtschaftliches Gewicht haben und sich Vermögensnachteile, selbst wenn sie für beide Vertragspartner im Falle ordentlicher Kündigung gleich hoch sein sollten, sehr unterschiedlich auswirken. Aus der Rechtsprechung des BAG läßt sich wegen der Unterschiede rechtlicher und faktischer Kündigungserschwerung nicht ableiten, daß die vereinbarte längere Kündigungsfrist des Arbeitnehmer nach § 134 BGB nichtig ist. Dafür spricht auch, daß der Gesetzgeber die gemäß § 134 BGB an die Stelle der längeren Frist tretende gesetzliche Kündigungsfrist für nicht interessengerecht bezeichnet hat. Gegen eine Anpassung der Kündigungsfrist des Arbeitgebers nach oben könnte außerdem eingewandt werden, daß der Arbeitnehmer dadurch wie vereinbart an den Arbeitgeber gebunden bleibt, wodurch die eigentliche Beeinträchtigung der Freizügigkeit des Arbeitnehmers fortbesteht. Dies könnte der Schutzpflicht der Freizügigkeit vor privaten Beschränkungen nur unzureichend genüge tun und eine Nichtigkeit der Verlängerung erfordern. Dieser Einwand ist indes nicht berechtigt. Der Gesetzgeber hat in seinem weiten Gestaltungsspielraum die Regelung des § 89 Abs. 2 S. 2 HGB geschaffen. Auch wenn die Norm nicht unmittelbar anwendbar ist, so ist der gesetzgeberischen Entscheidung der Vorrang zu gewähren, da sie die gesetzgeberische Schutzpflicht konkretisiert. Dieser Konkretisierung haben die Gerichte aufgrund der Gewaltenteilung Folge zu leisten. Der Gesetzgeber hat mit § 89 Abs. 2 S. 2 HGB eine gesetzliche Regelung geschaffen, die in engem Zusammenhang mit § 622 Abs. 6 BGB steht und der Interessenlage im Arbeitsverhältnis typisierend Rechnung trägt. Der Vorrang der gesetzgeberischen Entscheidung verbietet es daher, den Arbeitnehmer über die gesetzliche Regelung hinaus zu schützen. Die Kündigungsfristen werden somit nach § 89 Abs. 2 S. 2 HGB analog für den Arbeitgeber nach oben angeglichen. Der Arbeitnehmer bleibt wie vertraglich vereinbart an die Kündigungsfrist gebunden, sofern keine fünf Jahre überschritten sind (§ 624 BGB). Der Schutzpflicht des Art. 39 EG ist somit genüge getan. e) Besonderheiten im Profisport?
aa) Grundlage
Befristungsabreden und Verlängerungsklauseln könnten in einigen Berufszweigen die Freizügigkeit unzulässig beschränken, auch wenn die oben genannten Grundsätze eingehalten sind. Vor allem im Profisport, wo Befristungen des Ar-
V. Anwendungsbeispiele
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beitsverhältnisses regelmäßig durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sind (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG 347), wird eine Bindung an den Arbeitgeber durch den langfristigen Ausschluß des Kündigungsrechts wegen der kurzen Berufszeiten von Profisportlern und des für Sportler geltenden Verbots von Ablösesummen nach Vertragsende kritisiert. 348 Das Gemeinschaftsrecht findet auf den Sport im Binnenmarkt Anwendung, sofern er zum wirtschaftlichen Leben gehört?49 Dies bestätigen die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates zu den Verträgen von Amsterdam 350 und Nizza,351 wo außerdem ausdriicklich die Rede von der Anwendbarkeit des EG-Vertrages auf die Transfers von Spielern ist,352 also auf die Modalitäten der Beendigung und des Abschlusses von Verträgen. Abhängig beschäftigte Profisportier sind auch Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EG?53 Exemplarisch für solche Abreden sind die Klauseln in § 9 (vorher § 10)354 und § 11 Abs. 4 355 der DFB-Lizenzspielerverträge. § 9 Abs. 1 lit. b) des Lizenzspie-
Kliemt, NZA 2001, S. 296, 298 Kindler, NZA 2000, S. 744 ff.; zum sogenannten "Transferstreit" zwischen der FIFA und der Europäischen Kommission siehe FAZ v. 16.2.2001, S. 39; FAZ v. 15.2.2001, S. 46; FAZ v. 14. 2. 2001, S. 38; FAZ v. 12. 2. 2001, S. 41; FAZ v. 9. 2. 2001, S. 39; FAZ v. 25. 1. 2001, S. 48; FAZ v. 22. 1. 2001, S. 42; FAZ v. 19. 1. 2001, S. 39; FAZ v. 20. 1. 2001, S. 39; FAZ v. 18. 1. 2001, S. 46; FAZ v. 17. 1. 2001, S. 43; FAZ v. 17. 1. 2001, S. 43. 349 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5063 = EuZW 1996, S. 82, 86, Rn. 73; EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2728 =EuZW 2000, S. 375, 377, Rn. 32; Tettinger, JZ 2000, S. 1069, 1074; Streinz, SpuRt 1998, S. 1,4 f. 350 Erklärung Nr. 29 zum Vertrag von Amsterdam. 351 SN 400/00, H. Nr. 52; Ein Ausschluß der Anwendung der Binnenmarktregeln auf den Profisport wäre äußerst fraglich, siehe Salas, Revue du Marcbe Unique Europeen 1996/1, S. 155, 164 ff. 352 Anlage IV Nr. 16 zu den Schlußfolgerungen von Nizza. 353 EuGH, Urteil v. 14.7. 1976 (Dona/Mantero), Slg. 1976, S. 1333, 1340, Rn. 12/13. 354 Abgedruckt in der Festschrift Herbert Fenn, Sportler, Arbeit und Statuten, Anhang S.296. § 9 des Lizenzspielervertrages lautet in Auszügen:. 347 348
(1) ...
b) Der Vertrag endet am .... (handschriftlich auszufüllen). (2) Er verlängert sich jeweils um .... (handschriftlich auszufüllen) Jahr(e), es sei denn, eine der Vertragsparteien teilt der anderen bis zu dem jeweiligen Ablauf der Vertragszeit vorausgehenden 30. April mit, daß sie an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses festhalte. Geht eine solche Erklärung nachweislich fristgerecht ein, so endet das Vertragsverhältnis bei Ablauf der jeweils laufenden Vertragsperiode. Oder: (Nichtzutreffendes streichen). (3) Der Vertrag endet am ... (handschriftlich auszufüllen). Der Spieler verpflichtet sich, den Vertrag unter den seitherigen Bedingungen um ... (handschriftlich auszufüllen) Jahr(e) fortzusetzen, falls der Verein es wünscht. (4) Der Verein verpflichtet sich, den Vertrag für weitere ... (handschriftlich auszufüllen) Jahr(e) zu den seitherigen Bedingungen fortzusetzen, falls der Spieler es wünscht.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
lervertrages enthält die Regelung über die Befristungsdauer des Arbeitsverhältnisses. Nach § 9 Abs. 2 Lizenzspielervertrag wird der Vertrag automatisch verlängert, wenn keine der Vertragsparteien erklärt, daß sie an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses festhalte,356 während es § 9 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 jeder Vertragspartei ermöglichen, den Vertrag durch ein Optionsrecht um ein oder mehrere Jahre zu verlängern. Der inzwischen nicht mehr im Lizenzspielervertrag enthaltene § 11 Abs. 4 357 sollte den Vereinen für den Fall der Unwirksamkeit der alten Transferregelungen eine Verlängerung der Arbeitsverträge ermöglichen. Er wurde aber nach dem Bosman-Urteil aus dem Lizenzspielervertrag gestrichen. Die Ansichten über die Zulässigkeit solcher Abreden gehen auseinander. In dem am 5. 3. 2001 gefundenen Kompromiß zwischen der FIFA und der Europäischen Kommission im Transferstreit und den darauf basierenden neuen Transferregeln ist eine maximale vertragliche Bindungsdauer von fünf Jahren festgeschrieben, wobei der Spieler nach drei Jahren (ab dem 28. Lebensjahr nach zwei Jahren) den Vertrag einseitig beenden kann, ohne sich sportlichen Sanktionen ausgesetzt zu sehen. 358 Die finanziellen Sanktionsmöglichkeiten sollen bis zum endgültigen Vertragsende gelten. Die Vereinbarkeit vertraglicher Bindungen mit dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG ist aber weiterhin für den gesamten Profisport ungeklärt.
bb) Allgemein (1) Ansicht der Europäischen Kommission Nach Ansicht der Europäischen Kommission stellen langfristige Verträge im Berufsfußball eine Beschränkung der Freizügigkeit und eine Umgehung des Verbots
(5) Verein und Spieler müssen bis zu dem der Vertragsbeendigung vorausgehenden 30.4. erklärt haben, ob sie von der Option Gebrauch machen wollen. Unterbleiben beide Erklärungen, so endet der Vertrag am .... (handschriftlich auszufüllen). 355 § 11 Abs. 4 lautete: "Werden diese Bestimmungen (über den Transfer von Spielern, Anmerkung des Verfassers) dahingehend geändert, daß die bisherige Transferentschädigungsregelung (§§ 29 ff. Lizenzspielerstatut a.F.) teilweise oder ganz entfällt, so verpflichtet sich der Spieler, den Vertrag unter den seitherigen Bedingungen um ein Jahr fortzusetzen, falls der Verein es wünscht. Unter den gleichen Umständen verpflichtet sich der Verein, den Vertrag mit dem Spieler um ein Jahr zu den seitherigen Bedingungen fortzusetzen, falls es der Spieler wünscht. Verein und Spieler müssen in diesem Fall bis zu dem der Vertragsbeendigung vorausgehenden 30.4. erklärt haben, ob sie von dieser Option Gebrauch machen wollen. Unterbleibt eine Erklärung, so endet der Vertrag entsprechend der in § 10 getroffenen Vereinbarung". 356 Auch im europäischen Ausland sind solche Absprachen üblich. In Österreich tritt eine automatische Verlängerung des Vertrages ein, wenn keine gegenteilige Erklärung abgegeben wurde. Zu dieser Vertragsgestaltung siehe Österreich. OGH, Urteil v. 10. 2. 1999, SpuRt 2000, S. 63 ff. 357 Siehe Trommer, Die Transferregelungen im Profisport, S. 94. 358 FAZ V. 7. 3. 2001, S. 46; Art. 21 FlFA-Transferreglement v. 5. Juli 2001.
V. Anwendungsbeispiele
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der Ablösesummen dar.359 Vor allem die bereits in den Verträgen festgesetzte Ablösesumme bei vorzeitiger Vertragsbeendigung verdeutliche, daß sich die Transferregelungen nunmehr in die Verhandlungen über die vorzeitige Vertragsauflösung hineinverlagert hätten. Spieler, die ihren laufenden Vertrag einseitig beendeten, erhielten keine Freigabe des abgebenden Vereins. Da die Ablösesumme für die Freigabe höher sei als die Summe, die der Spieler als Schadensersatz für einen Vertragsbruch bezahlen müsse, diene sie nicht der Sanktion des Vertragsbruches, sondern ausschließlich den Ablöseverhandlungen. Ein Spieler müsse den Verein nach dem Erfüllen der nationalen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen wegen des einseitigen Vertragsbruchs (Bezahlung einer Entschädigung) frei wechseln können. 36o Die FIFA verbiete indes Transfers aus bestehenden Vertragsverhältnissen, selbst wenn der Spieler den Verein entschädigt habe, und erlaube dem abgebenden Verein, bei internationalen Transfers eine Ablösesumme durch Aufhebungsverträge zu erzielen. Diese Summe stehe in keinerlei Zusammenhang mit etwaigen Ausbildungskosten und sei dem bei Bosman verworfenen Transferzahlungen ähnlich. Durch die Bindung an den Verein werde das Bosman-Urteil umgangen.
(2) Gegenansicht im Schrifttum Eine Ansicht im Schrifttum wendet sich gegen die Auffassung der europäischen Kommission. 361 Das Rechtsgut der Freizügigkeit stehe gegen die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers als konkurrierendes Rechtsgut. 362 Ob der EuGH zu einer anderen Wertentscheidung komme als der deutsche Gesetzgeber, könne nicht prognostiziert werden. Würde der EuGH aber zu einer abweichenden Wertung kommen, müsse er § 624 BGB für nicht vereinbar mit Europarecht halten. 363 Die Fünfjahresbindung sei aber bei der Abwägung der Freizügigkeit einerseits und der Vertragsfreiheit des Arbeitgebers andererseits nicht zu beanstanden. 364 Denn die Vereine müßten die Möglichkeit haben, längerfristige Planungen anzustellen. Auch das Interesse, einen Spieler als Integrationsfigur zu binden, sei beachtlich. Eine hohe Spielerfluktuation würde den sportlichen Wettbewerb finanziell entscheiden. 365 Ein Spieler sei auch nicht verpflichtet, das Ausschöpfen der maximalen Bindungsdauer zu akzeptieren. Er befinde sich nicht in der typischen Arbeitnehmerschutzposition, da er überdurchschnittlich verdiene und meist wesentlich besser beraten sei als andere Arbeitneh359 FAZ v. 31. 8. 2000, S. 47; Pans, Sport and European Competition Policy, Fordham Corporate Law Institute, Twenty-Sixth Annual Conference, S. 10, 12. 360 Pans, Sport and European Competition Policy, Fordham Corporate Law Institute, Twenty-Sixth Annual Conference, S. 10, 12. 361 Kelber; NZA 2001, S. 11, 15; Klingmüller/ Wiehert, SpuRt 2001, S. 1,4. 362 Kelber; NZA 2001, S. 11, 15. 363 Kelber; NZA 2001, S. 11, 15. 364 Zur zulässigen Bindung an den Vertrag bereits Gutmann, InfAuslR 1996, S. 85, 86. 365 Kelber; NZA 2001, S. 11, 15.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
mer. 366 § 624 BGB sei daher eine ausgewogene Regelung, die unter dem Blickwinkel des Art. 39 EG nicht zu beanstanden sei. 367 Das von der Kommission geforderte Kündigungsrecht widerspreche der Vertragsfreiheit und sei daher unbegründet. Auch das "Herauskaufen" aus laufenden Verträgen verstoße nicht gegen die Grundsätze des Bosman-Urteils?68 Die Ablösesumme ergebe sich nämlich nicht aus verbindlichen Regelungen und entstehe nicht nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses. 369 Der Spieler könne einen Verein nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vielmehr ablösefrei verlassen, so daß mangels Vergleichbarkeit eine Umgehung des Bosman-Urteils ausgeschlossen sei. 370 Die dreiseitige Vertrags gestaltung zwischen Arbeitnehmer, neuem und altem Verein entfalte geringere beschränkende Wirkung als die eigentliche Vertragsbindung. 371 Im ungünstigsten Fall käme der Wechsel nicht zustande. Der Spieler könne aber durch die Vertragsauflösung nicht stärker in seiner Freizügigkeit beschränkt werden als durch die zulässige Vertragsbindung. Art. 39 EG sei daher nicht tangiert. 372 Diese Ansicht hält somit die Bindung an den Vertrag und die Ablöseverhandlungen aus laufendem Vertrag für wirksam.
cc) Ansichten zu den Verlängerungsoptionen (1) Umgehung des Art. 39 EG durch § 11 Abs. 4 Lizenzspielervertrag
Die Verlängerungsoption nach § 11 Abs. 4 Lizenzspielervertrag wird in der deutschen Rechtsprechung und im Schrifttum zum Teil als Umgehung des Verbots der Ablösesummen aus Art. 39 EG bewertet. 373 Die Klausel verstoße zwar nicht gegen das Beschränkungsverbot selbst, da die Verlängerung auf den laufenden Vertrag und nicht auf die Zeit nach dessen Beendigung einwirke. 374 Der Spieler müsse sich wie jeder andere Vertragspartner nach dem Grundsatz pacta sunt servanda an vertragliche Bindungen halten. 375 Das Optionsrecht zu einem späteren Zeitpunkt auszuüben begriinde zwar eine Unausgewogenheit zu Lasten des Spielers. Dies rechtfertige aber noch keine verstärkte Inhaltskontrolle nach Art. 39 EG?76 Kelber, Kelber, Kelber, Kelber, Kelber, Kelber,
NZA 2001, S. 11, 15. NZA 2001, S. 11, 15. 368 NZA 2001, S. 11, 16. 369 NZA 2001, S. 11, 16. 370 NZA 2001, S. 11, 16. 371 NZA 2001, S. 11, 16. 372 Kelber, NZA 2001, S. 11, 16. 373 ArbG Dortmund, Urteil v. 10. 3. 1998, SpuRt 1999, S. 73 f.; mit gleicher Begründung im Hauptsacheverfahren ArbG Dortmund, Urteil v. 19.5. 1998,6 Ca 1111 /98, Juris Nr. KARE526oo0336; Nasse, SpuRt 1997, S. 45, 47; Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 221, 222. 374 Nasse, SpuRt 1997, S. 45, 46. 375 Nasse, SpuRt 1997, S. 45, 46. 366 367
V. Anwendungsbeispiele
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§ 11 Abs. 4 Lizenzspielervertrag umgehe aber das Verbot des ablösefreien Wechsels des Vertragspartners nach Ablauf des Vertrages. 377 Das Rechtsgeschäft verstoße zwar nicht gegen ein gesetzliches Verbot, sei aber so gestaltet, daß der widerrechtliche Erfolg im Ergebnis dennoch eintrete. 378 Dabei komme es nicht auf die Umgehungsabsicht an, sondern auf die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts. 379 Die Ausgestaltung der Bedingung zeige, daß die Klausel allein im Fall der Unwirksamkeit des Transfersystems eingreifen sollte. 38o § 11 Abs. 4 sei in den Vertrag aufgenommen worden, um den Vereinen im Falle einer Unwirksamkeit des äußerst umstrittenen Transfersystems die Möglichkeit zu geben, Spieler weiterhin an sich zu binden. 381 Das Optionsrecht sei gerade dafür eingeführt worden, die Unwirksamkeit der Transferregeln zu flankieren und den Vereinen eine Möglichkeit zu eröffnen, die beim Vertragsschluß mit dem Spieler angestrebte Ablösesumme durch Ablöseverhandlungen doch noch zu erzielen. 382 Eine Übergangsfrist für die Anwendung des Beschränkungsverbots auf Spielertransfers habe der EuGR aber nur für in der Vergangenheit abgeschlossene Vorgänge zugelassen?83 Durch § 11 Abs. 4 Lizenzspielervertrag werde die Umsetzung des BosmanUrteils unmöglich gemacht. 384 Zudem wurde die Option vorwiegend bei solchen Spielern genutzt, für die eine geringe Ablöse gezahlt wurde, die inzwischen aber sehr begehrt waren, so daß ein Kompensationsgedanke nicht angeführt werden könne. 385 Die Möglichkeit des Spielers, die Option ebenfalls auszuüben, rechtfertige diese Beschränkung nicht: Vorteile bringe sie nur den Spielern, deren Freizügigkeit ohnehin nicht beeinträchtigt sei, da sie mangels internationaler Angebote ihre Karriere beenden müßten. 386 § 11 Abs. 4 Lizenzspielervertrag umgehe Art. 39 EG und sei daher unwirksam. (2) Gegenansicht
Das LAG Köln, das LAG Ramm und das Arbeitsgericht Köln haben einen Verstoß von § 11 Abs. 4 Lizenzspielervertrag gegen das Beschränkungsverbot und 376 Nasse, SpuRt 1997, S. 45, 46; anders zu diesem Aspekt: ArbG Dortmund, Urteil v. 10.3. 1998, SpuRt 1999, S. 73, 74. 371 Nasse, SpuRt 1997, S. 45, 47. 378 ArbG Dortmund, Urteil v. 10.3. 1998, SpuRt 1999, S. 73, 74. 379 ArbG Dortmund, Urteil v. 10.3. 1998, SpuRt 1999, S. 73, 74. 380 ArbG Dortmund, Urteil v. 10.3. 1998, SpuRt 1999, S. 73, 74. 381 Nasse, SpuRt 1997, S. 45, 47. 382 ArbG Dortmund, Urteil v. 10. 3. 1998, SpuRt 1999, S. 73 ff.; Nasse, SpuRt, 1997, S. 45, 47; Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 221. 383 ArbG Dortmund, Urteil v. 10.3.1998, SpuRt 1999, S. 73, 74. 384 Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 221. 385 Nasse, SpuRt 1997, S. 45, 47. 386 ArbG Dortmund, Urteil v. 10.3. 1998, SpuRt 1999, S. 73, 75.
17 Roloff
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
eine Umgehung des Art. 39 EG abgelehnt. 387 Zwar tangiere die Vorschrift mit der Folge der Vertragsverlängerung die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. 388 Die Freizügigkeit könne aber nicht vor vertraglichen Bindungen schützen. Durch die Optionsabrede hätten sich die Vertragspartner ihrer Rechte begeben. 389 Die Freizügigkeit berechtige nicht zur Aufhebung vertraglicher Bindungen. 39o Wäre der Vertrag von Anfang an für ein Jahr länger abgeschlossen worden, würde niemand argumentieren, daß Freiheitsrechte eine Verkürzung des Vertrages geböten?91 Die Optionsregelung sei daher keine Umgehung des Verbots der Beschränkung der Freizügigkeit. Die Vertragsverlängerung führe lediglich zu einer Möglichkeit, die Leistung des Spielers für ein weiteres Jahr in Anspruch zu nehmen, wenn der Verein dies wünsche und die Hoffnung auf eine Kompensationsmöglichkeit einst von ihm aufgebrachter Transferentschädigungen aufgegeben habe. 392 Die Verlängerungsklausel des § 11 Abs. 4 Lizenzspielervertrag führe auch nicht dazu, daß der Verein die mißbilligte Transferentschädigung auf jeden Fall erreiche. Sie gebe ihm nur die Möglichkeit, die Leistungen eines einmal durch Transferleistung gewonnenen Spielers um ein Jahr länger in Anspruch zu nehmen?93 Daß die Option auch von Spielern in Anspruch genommen wurde, zeige deutlich, daß sie nicht notwendig auf die Vereinbarung einer Ablösesumme gerichtet sei. 394 Eine Verhandlungsposition aus dem Bestehen des Arbeitsverhältnisses ziele nicht auf den Erwerb von Transfersummen. Die Option in § 11 Abs. 4 wird auch im Schrifttum für wirksam gehalten. 395 Das Verbot nachvertraglicher Beschränkungen der Freizügigkeit greife nicht, da der Vertrag durch das Optionsrecht verlängert werde. 396 Die Klausel diene auch nicht der Umgehung, die nur vorläge, wenn durch formal zulässige Gestaltungsformen ein gesetzlich mißbilligter Zweck erreicht werde. 397 Die Vertragsverlängerung führe nicht dazu, daß der Verein die mißbilligte Transferentschädigung doch noch erhalte, son387 LAG Köln, Beschluß v. 13. 8. 1996, NZA 1997, S. 317, 318; LAG Köln, Urteil v. 22. 8. 1996,6 Sa 845196 n.v.; LAG Köln, Urteil v. 20. 11. 1998, 11 Sa 125198 n.v. vorhergehend Arbeitsgericht Köln, Urteil v. 5. 11. 1997, 10 Ca 4380/96 n.v.; LAG Hamm, Urteil v. 10.6. 1998, LAGE Nr. 9 zu § 611 BGB Berufssport, S. 7. 388 Arbeitsgericht Köln, Urteil v. 5. 11. 1997, 10 Ca 4380/96 n.v. 389 LAG Köln, Beschluß v. 13. 8. 1996, NZA 1997, S. 317, 318; Arbeitsgericht Köln, Urteil v. 5. 11. 1997,10 Ca 4380/96 n.v. 390 Arbeitsgericht Köln, Urteil v. 5. 11. 1997, 10 Ca 4380/96 n.v. 391 LAG Köln, Beschluß v. 13.8.1996, NZA 1997, S. 317, 318. 392 LAG Köln, Beschluß v. 13.8.1996, NZA 1997, S. 317, 318. 393 LAG Köln, Beschluß v. 13.8.1996, NZA 1997, S. 317, 318. 394 LAG Hamm, Urteil v. 10.6.1998, LAGE Nr. 9 zu § 611 BGB Berufssport, S. 7. 395 Miinchener Handbuch zum Arbeitsrecht 1Gitter § 202, Rn. 41g; Hamm, AuA 1999, S. 450, 452; Hilpert, RdA 1997, S. 92, 99; Erfurter Kommentar 1Hanau Art. 39 EG, Rn. 42. 396 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Gitter § 202, Rn. 41g; Erfurter Kommentar 1 Hanau Art. 39 EG, Rn. 42. 397 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht 1Gitter § 202, Rn. 41g.
V. Anwendungsbeispiele
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dem nur, daß er die Leistungen des Spielers um ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen könne. 398 Die Vertragsparität sei gewahrt, da auch dem Spieler das Optionsrecht zustehe und er für ein weiteres Jahr eine angemessene Vergütung erhalten könne, wenn er von der Option Gebrauch mache. 399 Die Optionsklausel biete auch nicht nur denjenigen Arbeitnehmern Schutz, die ohnehin in ihrer Freizügigkeit beeinträchtigt seien, da beim Vertragsschluß nicht vorausgesetzt werden könne, daß sich der Marktwert eines Spielers dramatisch erhöhe. 400 Die Verlängerung um ein Jahr sei dem Spieler zumutbar, da sie ihn weniger belaste als das bis Bosman bestehende Ablösesystem. 401 Die Freizügigkeit könne nur nach beendetem Arbeitsverhältnis beschränkt werden. 402 Wollte man der Freizügigkeit ein noch größeres Gewicht verleihen, so müßte die Möglichkeit der Befristung mit sachlichem Grund insgesamt in Frage gestellt werden. 403 Hierfür bestehe aber keine Veranlassung, da ein langfristiger Vertrag dem Sportler auch Sicherheit vermittle und es den Fall Bosman bei Absprachen über längerfristige Verträge vermutlich nicht gegeben hätte. 404 § 11 Abs. 4 Lizenzspielervertrag wird somit für wirksam gehalten. (3) Umgehung des Art. 39 EG durch alle Verlängerungsoptionen Zum Teil wird im Schrifttum vertreten, das Optionsrecht nach § 9 und § 11 Lizenzspielervertrag sei "wegen Umgehung des Bosman-Urteils" unwirksam. 405 Der Spieler werde für eine nicht unerhebliche Zeit an seinem bisherigen Arbeitsplatz festgehalten und an einer erneuten Berufswahl gehindert. 406 Die Begründung und die Ausübung des Optionsrechts seien von der Absicht getragen und auch objektiv dazu geeignet, von interessierten Vereinen eine Ablösesumme zu erhalten. 407 Das verdeutliche die Tatsache, daß die Absprache in § 11 Abs. 4 an den Umstand anknüpft, den der EuGH als Verstoß gegen die Freizügigkeit bewertet habe. 408 Einzig 398 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Gitter § 202, Rn. 41g; Hamm, AuA 1999, S. 450, 452. 399 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Gitter § 202, Rn. 41g; Hamm, AuA 1999, S. 450, 452. 400 Hamm, AuA 1999, S. 450, 452. 401 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht / Gitter § 202, Rn. 41g. 402 Erfurter Kommentar / Hanau Art. 39 EG, Rn. 42. 403 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Gitter § 202, Rn. 41g. 404 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Gitter § 202, Rn. 41g. 405 Kindler, NZA 2000, S. 744, 748; Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 221; zur vorgetäuschten Verlängerung im Zusammenhang mit § 11 Lizenzspielervertrag: Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S. 87; Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89,96, Fn. 86 mit Verweis auf § 21 Ziffer 3 Lizenzspielerstatut a.F. jetzt § 5 Ziffer 3 Lizenzordnung Spieler, der das Optionsrecht nach § 9 Lizenzspielervertrag vorgibt. 406 Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89,96. 407 Kindler, NZA 2000, S. 744, 748. 408 Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89, 96.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
erkennbares Ziel der Verlängerungsoptionen sei es, eine seit Bosman verbotene, nachvertragliche Ablösesumme zu erzielen. 409 Zwar werde durch die Option nicht unmittelbar eine Verpflichtung zur Zahlung begründet. Für eine Umgehung sei dies indes nicht erforderlich, es genüge, daß durch die Vertrags gestaltung die notwendige Verhandlungsposition für die Erzielung einer Ablösesumme geschaffen werde. 4 !O Der EuGH habe die Ablösesummen als wirtschaftlichen Erfolg verboten und nicht nur eine bestimmte rechtliche Gestaltung. 411 Art. 39 EG werde somit umgangen. Die Optionsregelungen seien daher unwirksam. (4) Gegenansicht Eine andere Ansicht im Schrifttum erachtet die Vereinbarung einer Verlängerungsoption nach § 9 Lizenzspielervertrag innerhalb der Fünf-Jahres-Grenze des § 624 BGB für zulässig. 412 Die Option in § 9 Abs. 3 und 4 Lizenzspielervertrag knüpfe anders als § 11 Abs. 4 Lizenzspielervertrag, der inzwischen weitgehend obsolet sei, nicht an äußere Umstände, wie die Änderung der Transferbestimmungen, an und sei als fortgesetzte Befristung nach allgemeinen Grundsätzen wirksam. 413 Die Bindung des Spielers an den Vertrag könne ja auch durch pauschalierte Schadensersatzforderungen und Vertragsstrafen abgesichert werden. 414 Lediglich Transferzahlungspflichten des neuen Vereins bei vorzeitiger Vertragsauflösung seien nach Bosman unzulässig. 415 Nach dieser Ansicht sind die Verlängerungsoptionen nach § 9 Abs. 3 und 4 Lizenzspielervertrag wirksam.
dd) Stellungnahme (I) Umgehung des Art. 39 EG?
Gegen eine Umgehung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG durch Befristungen und Verlängerungen des Arbeitsverhältnisses spricht, daß lediglich Verbotsgesetze umgangen werden können. 416 Art. 39 EG ist in seiner BeschränKindler, NZA 2000, S. 744, 748. Kindler, NZA 2000, S. 744, 748. 411 Kindler, NZA 2000, S. 744, 748. 412 Löwischl Falkenkötter, Anmerkung zu LAG Hamm, Urteil v. 20. 6. 1998, LAGE Nr. 9 zu § 611 BGB Berufssport, S. 9; Wertenbruch, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), EuZW 1996, S. 91, 92; Kelber, NZA 2001, S. 11, 15 kritisch zur einseitigen Option, S. 14, Fn. 40. 413 Löwischl Falkenkötter, Anmerkung zu LAG Hamm, Urteil v. 20. 6.1998, LAGE Nr. 9 zu § 611 BGB Berufssport, S. 9. 414 Thill, Revue du Marche Unique Europeen 1996/1, S. 89, 109. 415 Thill, Revue du Marche Unique Europeen 1996/1, S. 89, 109; Kelber, NZA 2001, S. 11, 15. 409
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V. Anwendungsbeispiele
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kungsvariante aber gerade kein Verbots gesetz, da er sich nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar an Private richtet. Wird Art. 39 EG aber als unmittelbar drittwirkende Verbotsnorm bewertet, wird entweder dagegen verstoßen oder nicht, eine Umgehung ist dann aber ausgeschlossen. Da Art. 39 EG bei angenommener unmittelbarer Drittwirkung alle Beschränkungen der Freizügigkeit beim Verlassen eines nationalen Arbeitsmarktes auch von Privaten verbietet, wäre die Bindung an den Arbeitsvertrag vom Verbotsgehalt des Art. 39 EG erfaßt. Von einer Umgehung kann folglich nicht gesprochen werden. Die Bindung an den Arbeitgeber verstieße unmittelbar gegen das Verbotsgesetz des Art. 39 EG. Da Art. 39 EG aber schon kein Verbotsgesetz ist, können Private diese Vorschrift auch nicht umgehen.
(2) Umgehung des Bosman-Urteils? Gegen das Argument der Umgehung des Bosman-Urteils ist einzuwenden, daß sich die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäftes nach allgemeinen Grundsätzen nur aus der Umgehung von Verbotsgesetzen und nicht aus der Umgehung einzelner Urteile ergeben kann. 417 Die Rechtsprechung kann Verbotsgesetze allenfalls begründen, wenn sie gesetzesgleich, also im Wege der Rechtsfortbildung, tätig wird. Der EuGH hat mit seinem Urteil zu Bosman zwar eine Rechtsfortbildung des Art. 39 EG hin zum allgemeinen Beschränkungsverbot vorgenommen. Ablösesummen nach Vertragsende hat er aber nicht gesetzesgleich verboten. Dies ist in einem Vorlageverfahren auch nicht möglich, da sich der EuGH allein mit der Auslegung und Fortbildung europäischen Rechts, nicht aber nationalen Privatrechts befassen kann. Der EuGH hat mit seinem Urteil primär eine Beschränkung der Freizügigkeit durch unterschiedslose aber behindernd wirkende Maßnahmen verboten. Dies hat sich mittelbar in dem Verbot der Transferzahlungen nach Vertragsende niedergeschlagen. Entschädigungspflichten oder Ablösesummen hat er als wirtschaftliches Ergebnis nicht untersagt. Eine Umgehung des Bosman-Urteils ist damit schon grundsätzlich ausgeschlossen. Wird die Umgehung eines Urteils des EuGH dennoch für möglich gehalten, ist tatsächlich fraglich, ob die Vertrags bindung und die Verlängerungsmöglichkeiten das Bosman-Urteils umgehen. Die Kernaussage des Bosman-Urteils besteht darin, daß Transferentschädigungsregelungen, die nach Ablauf des bestehenden Arbeitsvertrages den Vereinswechsel zwischen zwei Mitgliedstaaten der EU behindern, als Verstoß gegen das Freizügigkeitsgrundrecht gemäß Art. 39 EG zu bewerten sind. Eine Umgehung wird dadurch charakterisiert, daß mit dem Umgehungsge-
416 Palandt I Heinrichs § 134 BGB, Rn. 28; Staudinger I Sack § 134 BGB, Rn. 144; Soergell Hefermehl § 134 BGB, Rn. 37. 417 Palandtl Heinrichs, § 134 BGB, Rn. 28; Staudingerl Sack § 134 BGB, Rn. 144; Soergell Hefermehl § 134 BGB, Rn. 37.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
schäft gerade der rechtliche oder wirtschaftliche Erfolg herbeigeführt werden soll, welcher nach dem Sinn und Zweck der umgangenen Vorschrift verboten iSt. 418 Umgangen würde das Bosman-Urteil deshalb nur dann, wenn durch eine anderweitige Vertragsgestaltung eine Verpflichtung zur Zahlung von Transferentschädigungen nach Beendigung des Arbeitsvertrages ausgelöst würde. Befristete Arbeitsverträge begründen keine finanzielle Verpflichtung nach der Beendigung des Arbeitsvertrages, die einen Vereinswechsel behindern könnte. Auch die Verlängerungsklausel nach § 9 Abs. 2 Lizenzspielervertrag sorgt lediglich für eine Verlängerung des bisherigen Arbeitsvertrages. Die Vertragsverlängerung führt auch nicht dazu, daß der Verein die mißbilligte Transferentschädigung in jedem Fall erzielt. 419 Eine fortgesetzte Bindung an das Arbeitsverhältnis ermöglicht zwar die Vereinbarung von Ablösesummen für das vorzeitige Entlassen aus dem Arbeitsvertrag. Die Regelung erschöpft sich aber nicht in diesem Ergebnis. Sie erlaubt es dem Verein vielmehr, die Leistung eines Spielers für eine zusätzliche Zeitspanne in Anspruch zu nehmen. Ob es tatsächlich zu einer Ablösesumme kommt, ist von vielen Eventualitäten abhängig, die der Verein bei Abschluß des Vertrages nicht mit Sicherheit voraussehen kann. Die Verlängerung des Arbeitsvertrages führt somit nicht zur Zahlung von Ablösesummen nach Beendigung des Vertrages, sondern zur Zahlung von Ablösesummen aus Anlaß der Beendigung des Vertrages. Findet sich kein Verein, der den Spieler aus dem Vertrag auslösen möchte, besteht das Arbeitsverhältnis für beide Vertragsparteien fort. Das Bosman Urteil wird daher nicht umgangen. Das Optionsrecht nach § 9 Abs. 3 des Lizenzspielervertrages steht im Gegensatz zu § 11 Abs. 4 auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Transferregelung. Das Optionsrecht nach § 9 Abs. 3 und 4 Lizenzspielervertrag bestand bereits neben dem Transfersystem und sollte die Interessen der Parteien an einer Vertragsfortsetzung schützen. Die durch die Option vermittelte Bindung an den bisherigen Vertragspartner sorgt ebenso wie jede andere (befristete) arbeitsvertragliche Bindung auch dafür, daß die im Bosman-Urteil im Vordergrund stehende Problematik der Transferentschädigung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für diesen Zeitraum nicht relevant wird. Die im Bosman-Urteil behandelten Fragen stellen sich also in Bezug auf befristete und nach § 9 Abs. 3 Lizenzspielervertrag verlängerte Arbeitsverhältnisse gar nicht. Das Bosman-Urteil wird somit nicht durch die Befristungsabreden oder die Verlängerungsoptionen umgangen. (3) Bindung an den Vertrag als Beschränkung der Freizügigkeit? Die Freizügigkeit wird durch die Bindung an den Vertrag nur dann unzulässig beschränkt, wenn die mitgliedstaatlichen Schutzvorschriften unzureichend sind 418 Vgl. mit umfangreichen Nachweisen Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 163 f.; Palandtl Heinrichs § 134 BGB, Rn. 28. 419 LAG Hamm, Urteil v. 10. 6. 1998, LAGE Nr. 9 zu § 611 BGB Berufssport; LAG Köln, Beschluß v. 13.8.1996, NZA 1997, S. 317, 318.
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oder die mitgliedstaatlichen Schutzvorschriften überschritten werden. Die Bindung an den Vertrag als solche ist hingegen wegen der Privatautonomie grundsätzlich zulässig. Das wird dadurch belegt, daß weder die deutschen Gerichte noch der EuGH die Bindung an einen Vertrag als verbotene Beschränkung der Freizügigkeit verworfen haben. Der EuGH verdeutlicht die grundsätzliche Zulässigkeit der Vertragsbindung im Bosman-Urteil mit der Formel, daß der Arbeitnehmer nach Beendigung "des Vertrages, der ihn an einen Verein bindet,,420, durch die Ablösesummen in seiner Freizügigkeit beschränkt wird. Der EuGH spricht von einer Bindung an den Vertrag, ohne diese Bindung zu verwerfen. Der Grundsatz des pacta sunt servanda ist zudem ein allgemeiner Rechtsgrundsatz. 421 Ist aber die Bindung an den Vertrag zulässig, kann es keine von Art. 39 EG geschützte Ausübung der Freizügigkeit darstellen, die geschuldete Tätigkeit aus diesem Vertrag heraus grenzüberschreitend verlagern zu wollen. Die Bindung an den Vertrag muß innerhalb zumutbarer Grenzen möglich sein. Kein Arbeitgeber wäre ansonsten bereit, Arbeitnehmer zu verpflichten, einzuarbeiten und weiterzubeschäftigen, wenn diese jederzeit ihren Vertrag auch ohne ordentliches Kündigungsrecht beenden könnten. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer hätte sich selbst abgeschafft. Andererseits haben Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse, das Arbeitsverhältnis nach angemessener Zeit zu beenden. Ein Verbot vertraglicher Bindung kann Art. 39 EG daher nicht entnommen werden. Andererseits kann nicht jede vertragliche Bindung zulässig sein. Die Freizügigkeit bedarf des Schutzes vor übermäßiger Vertragsbindung. Dieser Schutzpflicht aus Art. 39 EG wird der deutsche Gesetzgeber mit der Regelung in § 624 BGB auch für ProfisportIer gerecht. Auch die Dauer der zulässigen Bindung an den Arbeitsvertrag bedarf keiner über § 624 BGB hinausgehenden Begrenzung. ProfisportIer können ihren Beruf zwar nur kürzer ausüben als normale Arbeitnehmer. Dennoch wird § 624 BGB typisierend auch solchen Situationen gerecht. 422 Fünf Jahre machen bei einer aktiven Berufszeit von 15-20 Jahren ungefähr ein Viertel des beruflichen Werdegangs aus. 423 Der Arbeitnehmer kann sich daher mindestens drei Mal überlegen, ob er den Verein wechseln möchte. Dies bietet Sportlern ausreichend Gelegenheit, berufliche Chancen zu nutzen. Die Spielergehälter fallen zudem proportional höher aus als die Einkommen normaler Arbeitnehmer, so daß sie in kurzer Zeit eine angemessene Versorgung für viele Jahre erzielen können. Die längere Bindung kann für den Arbeitnehmer auch von Nutzen sein, wenn er sich verletzt hat oder keinen neuen Arbeitgeber gefunden hat. Die Typisierung in § 624 BGB stellt daher auch im Profisport eine angemessene 420 EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5073 = EuZW 1996, S. 82, 89, Rn. 114. 421 Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89,91; Kelber, NZA 2001, S. 11, 13, Fn. 34; für Großbritannien Schamberger, SpuRt 2001, S. 134, 135. 422 Erfurter Kommentar! Müller-Glöge, § 624 BGB, Rn. 5; Staudinger! Preis § 624 BGB, Rn. 3; Kelber, NZA 2001, S. 11, 13. 423 Kelber, NZA 2001, S. 11, 13, Fn. 35.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Regelung dar. Eine darüber hinausgehende Kündigungsmöglichkeit für Profisportier ist daher nicht erforderlich. Die Zulässigkeit bis zu fünfjähriger Befristungen ergibt sich somit im deutschem Recht aus § 624 BGB, das den Schutzpflichten des Art. 39 EG genüge tUt. 424 Wandte sich die europäische Kommission daher tatsächlich gegen die im nationalen Arbeitsrecht vorgesehenen Bindungsmöglichkeiten, wären die Mitgliedstaaten und nicht die FIFA die richtigen Adressaten eines gerichtlichen Verfahrens vor dem EuGH. Wenn die Kommission außerdem VOn einem "Vertragsbruch" des Spielers spricht, erkennt sie konkludent an, daß die einseitige Beendigung des Vertrages durch den Spieler ein pflichtwidriges und damit unzulässiges Verhalten darstellt. Daraus ergibt sich im Gegenschluß, daß die Bindungen an Verträge, die mit nationalem Recht in Einklang stehen, zulässig sind. Daß die Bindung an den Vertrag auch nach Ansicht der Europäischen Kommission zulässig ist, verdeutlichen die Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers für den Vertragsbruch des Arbeitnehmers,425 die die Kommission mit einer Verpflichtung des Spielers zu Entschädigungszahlungen wegen Vertragsbruchs anerkennt. Die Argumentation der Kommission ist aber insoweit falsch, wenn sie die Entschädigungszahlungen aus Anlaß des "Vertragsbruchs,,426 als einzige Sanktion betrachtet. Sie übersieht einen wichtigen Aspekt des nationalen Arbeitsrechts, jedenfalls in Deutschland. Aus §§ 60, 61 HGB ergibt sich ein gesetzliches Konkurrenzverbot aller Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhäitnisses. 427 §§ 60, 61 HGB formulieren eine Treuepflicht, die jeden Arbeitgeber vor Wettbewerbshandlungen seiner Arbeitnehmer schützt. 428 Der Arbeitgeber kann die Konkurrenztätigkeit eines Arbeitnehmers im Wege der Unterlassungsklage verhindem,429 so daß der Arbeitnehmer aufgrund seiner Treuepflicht alles unterlassen muß, was dem Betrieb seines Arbeitgebers abträglich ist. 43o Die Anstellung bei einem Konkurrenten a.A. Schamberger, SpuRt 2001, S. 134, 137. BAG, Urteil v. 23. 5. 1984, AP Nr. 9 zu § 339 BOB, BI. 2; Arbeitsrecht-Blatteil Preist Stoffels, SO 1710, Vertragsstrafe, Rn. 112; Stoffels, der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 206, ausführlich auch zur Oegenansicht, die ein Vertragsstrafe im Arbeitsverhältnis grundsätzlich für unzulässig hält; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch § 51, Rn. 18; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Blomeyer § 57, Rn. 57; zweifelhaft für den Profisport Kelber, NZA, 2001, S. 11, 14. 426 Pons, Sport and European Competition Policy, Fordham Corporate Law Institute, Twenty-Sixth Annual Conference, S. 10, 12. 427 BAO, Beschluß v. 17. 10. 1969, AP Nr. 7 zu § 611 BOB Treuepflicht; BAO, Urteil v. 16.8. 1990, EWiR 1991, § 626 BOB, S. 141, 142; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 91; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57, Rn. 2; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Blomeyer § 52, Rn. 49. 428 BAG, Beschluß v. 17. 10. 1969, AP Nr. 7 zu § 611 BOB Treuepflicht, BI. 2; Kelber, NZA 2001, S. 11 , 15; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57, Rn. 2; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Blomeyer § 52, Rn. 49. 429 BAO, Beschluß v. 17. 10. 1969, AP Nr. 7 zu § 611 BOB Treuepflicht, BI. 2; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Blomeyer § 52, Rn. 55; Schamberger, SpuRt 2001, S. 134, 137. 424 425
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begriindet bereits die Vermutung einer Konkurrenztätigkeit. 431 Dieser Anspruch ist klagbar432 und kann im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. 433 Der Anwendungsbereich des § 890 ZPO wird in diesem Fall nicht durch § 888 Abs. 3 ZPO reduziert. Der Vereinswechsel eines Lizenzspielers löst unabhängig von der Vermutung der Konkurrenztätigkeit bei einem Anstellungsverhältnis beim neuen Verein den Unterlassungsanspruch aus. Professionelle Fußball vereine treten europaweit am gleichen Markt in Konkurrenz zueinander. Alle europäischen Vereine konkurrieren auch außerhalb bestimmter sportlicher Wettbewerbe um Werbe-, Fernseheinnahmen und Fanartikel. Sie treffen zudem bei nationalen und internationalen Wettbewerben aufeinander. 434 Tritt der Spieler daher für seinen neuen Arbeitgeber auf, macht er seinem alten Verein unmittelbar Konkurrenz, da er den neuen Verein sportlich unterstützt, für neue Werbe- und Fernseheinnahmen sorgen kann und dem Verein zusätzliche Fans verschaffen kann, um die auch der alte Verein bemüht ist. Der Spieler übt somit eine Konkurrenztätigkeit aus. Der alte Arbeitgeber ist bei einem Vertragsbruch nicht auf Entschädigungsanspriiche beschränkt. Er kann den Einsatz des Spielers, der noch mit ihm unter Vertrag steht, effektiv unterbinden. Dies übersieht die europäische Kommission, wenn sie Entschädigungszahlungen als einziges Hindernis des nationalen Arbeitsrechts bei der einseitigen Beendigung des Vertrages ohne Kündigungsrecht betrachtet. Der Arbeitnehmer kann den Vertragsbruch eben nicht allein mit einer Entschädigungszahlung ausgleichen. 435 Die Bindung an den Vertrag ist somit im Rahmen des § 624 BGB zulässig, was die Kommission mittelbar anerkennt.
(4) Vereinbarung einer "Ablösesumme" im Arbeitsvertrag Die Bindung an den Vertrag könnte wegen der Vereinbarung einer "Ablösesumme" im Arbeitsvertrag für den Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung ohne Kündigungsrecht die Freizügigkeit unzulässig beschränken und einen über § 624 BGB 430 BAG, Beschluß v. 17. 10. 1969, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht, BI. 2; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57, Rn. 7; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Blomeyer § 52, Rn. 50. 431 BAG, Beschluß v. 17. 10. 1969, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht, BI. 2; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 94; ablehnend Canaris, Anmerkung zu BAG, Beschluß v. 17. 10. 1969, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht, BI. 4. 432 Erfurter Kommentar / Schaub § 60 HGB, Rn. 3, § 61 HGB, Rn. 4; Canaris, Anmerkung zu BAG, Beschluß v. 17. 10. 1969, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht, BI. 4; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 95; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Blomeyer § 52, Rn. 55, 46. 433 LAG Hamm, Beschluß v. 7. 4. 1983, EzA Nr. 1 zu § 935 ZPO; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Blomeyer § 52, Rn. 55, 46 und § 50, Rn. 6, 7; Kelber, NZA 2001, S. 11, 15; Klingmüller/ Wiehert, SpuRt 2001, S. 1,2. 434 Kelber, NZA 2001, S. 11, 15, Fn. 48. 435 Kelber, NZA, 2001, S. 11, 15.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EO
hinausgehenden Schutz verlangen. Die "Ablösesummen" sind dabei von den verbandsrechtlich geltenden Transfer- und Ausbildungszahlungen zu unterscheiden, die später auf ihren Beschränkungscharakter untersucht werden sollen. 436 Die Vereinbarung einer "Ablösesumme" im Arbeitsvertrag kann zwei verschiedene Bedeutungen haben. Ist die Summe Voraussetzung für das "Herauskaufen" des Spielers aus dem Vertrag durch einen neuen Verein (Aufhebungsoption437 ), bindet sie weder den Arbeitnehmer noch den neuen Arbeitgeber. Der vertragsbrüchige Arbeitnehmer ist nicht der Adressat der Zahlungsverpflichtung, da nur der neue Verein die Auflösungsoption ausüben kann. Solange der neue Verein die Aufhebungsoption aber nicht ausgeübt hat, entsteht zwischen dem ehemaligen und dem neuen Vereinen kein Vertrag, da ein verpflichtender Vertrag zu Lasten Dritter, also des neuen Vereins, ohne seine Zustimmung unzulässig wäre. Die Beschäftigung des Spielers ist auch keine konkludente Ausübung der Option. Allein der Spieler ist Adressat der Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag. Nimmt jedoch der neue Verein die Option wahr, kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis ohne Verletzung seiner Vertragspflichten vorzeitig verlassen. Die Aufhebungsoption beschränkt somit nicht die Freizügigkeit im laufenden Arbeitsverhältnis,438 sondern fördert sie. Die "Ablösesumme" kann aber auch als Zahlungspflicht des Arbeitnehmers für den Vertragsbruch ausgestaltet sein. 439 Verläßt der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag ohne Kündigungsrecht und geht zu einem anderen Verein, muß er eine bestimmte Summe bezahlen. Diese Abrede bindet den Arbeitnehmer zusätzlich an den Arbeitsvertrag, indem sie die vorzeitige Lösung vom Vertrag sanktioniert. Sie ähnelt daher einer zulässigen Vertragsstrafe wegen Vertragsbruchs (§ 339 BGB), die der Arbeitgeber für die vertragswidrige einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer vereinbaren kann. 440 Der Arbeitnehmer ist zwar nicht verpflichtet, die "Ablösesumme" persönlich zu bezahlen. Häufig wird es vielmehr so sein, daß der neue Arbeitgeber den Geldbetrag aufbringt, um den Arbeitnehmer für sich zu gewinnen. 441 Dennoch führt die Abrede zu einer BinSiehe unten 2. Kapitel, V., 2., i), ee). Kelber, NZA 2001, S. 11, 13; Gramlieh. SpuRt 2000, S. 89,92 differenziert zwischen auflösender Bedingung und einseitiger Option. 438 Kelber, NZA 2001, S. 11, 14; Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89,92. 439 Das sieht jetzt Art. 21 des FIFA-Transferreglement vor; zu der Frage, ob Vertragsstrafen in Kollektivvereinbarungen möglich sind, Erfurter Kommentar! Müller-Glöge §§ 339345 BOB, Rn. 29 ff. für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. 440 BAO, Urteil v. 23. 5.1984, AP Nr. 9 zu § 339 BOB, BI. 2; Arbeitsrecht-Blattei! Preis! Stoffels. SD 1710, Vertragsstrafe, Rn. 112; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Blomeyer § 57, Rn. 57, 58; Stoffels, der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 206, ausführlich auch zur Oegenansicht, die ein Vertragsstrafe im Arbeitsverhältnis grundsätzlich für unzulässig hält; Erfurter Kommentar! Müller-Glöge §§ 339-345 BOB, Rn. 18, 19; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Blomeyer § 57, Rn. 57. 441 Dies scheint auch die Konstellation im Fall Figo gewesen zu sein. Denn die spanischen Steuerbehörden haben die Bezahlung der Ablösesumme durch den neuen Arbeitgeber als Einkommen im Sinne des Einkommenssteuerrechts bewertet und verlangen von Figo eine 436 437
V. Anwendungsbeispiele
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dungswirkung, an der der alte Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat, auch um den nicht unerheblichen Schadensersatzanspruch infolge des Vertragsbruchs, der häufig nur schwer tatsächlich durchzusetzen ist, durch die Vertragsstrafe zu erzielen. 442 Er darf sich hiervon einen erhöhten Präventionsdruck auf den Spieler versprechen. 443 Die "Ablösesumme" im Profisport wird dem Spieler auch für den Vertragsbruch auferiegt. 444 Sie bezweckt eine Bindung an den Vertrag und ist als Vertragsstrafe für den Vertragsbruch wegen der grundsätzlich zulässigen Bindung an den Vertrag auch nach Art. 39 EG zulässig. Die Bezeichnung als "Ablösesumme" ist unbeachtlich, da beide Vertragspartner im Grunde das Gleiche meinen. Auch der von Kelber445 gegen die Zulässigkeit von "Ablösesummen" angeführte Ausschluß von Transferentschädigungszahlungen zwischen Verein und Spieler in § 10 Abs. 3446 des Lizenzspielervertrages des DFB führt nicht zu einem Verbot von Vertragsstrafen beim Vertragsbruch des Spielers. § 5 Abs. 3 des Lizenzspielervertrages sieht nämlich ausdrücklich die Vereinbarung von Vertragsstrafen für den Vertragsbruch vor. Außerdem kann § 10 Abs. 3 Lizenzspielervertrag mühelos in den Vertragsverhandlungen gestrichen werden. Die Vertragsstrafe wegen Vertragsbruchs ist somit nicht von dem Ausschluß in § 10 Abs. 3 Lizenzspielervertrag erfaßt. Fraglich ist aber, ob die im Profisport vereinbarten Ablösesummen noch angemessen sind und die Spieler nicht unzulässig in ihrer Freizügigkeit beschränken. Die Vertragsstrafe kann grundsätzlich einen nicht pauschalierten Schaden festlegen, wenn dessen Nachweis schwierig ist. 447 Freilich darf die Vertragsstrafe nicht unangemessen hoch ausfallen (§ 343 Abs. 1 BGB), wobei sich die Angemessenheit nach den berechtigten Interessen der Vertragspartner unter Beachtung der Schwere Steuernachzahlung in Höhe von 66 Mio. DM. Die Behörden argumentierten, daß der Arbeitnehmer zunächst Empfänger des Geldes gewesen sei und das Geld dann dem alten Arbeitgeber zugeflossen sei, siehe FAZ v. 12.3.2001, S. 43. 442 Arbeitsrecht-Blattei! Preis! Stoffels, SD 1710, Vertragsstrafe, Rn. 113; Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89, 91; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Blomeyer § 57, Rn. 61; Erfurter Kommentar! Müller-Glöge §§ 339-345 BGB, Rn. 19. 443 Erfurter Kommentar! Müller-Glöge §§ 339-345 BGB, Rn. 19. 444 Verfehlt ist daher der Ansatz von Kelber; NZA 2001, S. 11, 14, der von einer Zahlungspflicht bei einem Sonderkündigungsrecht spricht. Ein solches ist gerade nicht vereinbart, die ordentliche Kündigung ist nämlich aufgrund der Befristung ausgeschlossen. Zur Vertragsstrafe bei einem "Sonderkündigungsrecht" siehe unten 2. Kapitel, v., 2. 445 Kelber; NZA 2001, S. 11, 14, Fn. 39. 446 § 10 des DFB-Lizenzspielervertrages lautet: (1) Bei einem Transfer des Spielers gelten die Bestimmungen der DFB-Satzung, der DFBOrdnungen - insbesondere das Lizenzspielerstatut - in der jeweils gültigen Fassung. (2) Für einen Transfer zu einem ausländischen Verein gelten zusätzlich die jeweils gültigen Bestimmungen der FIFA bzw. UEFA. (3) Vereinbarungen über Transferentschädigungszahlungen zwischen Verein und Spieler sind unzulässig. 447 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Blomeyer § 57, Rn. 61.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
und der Dauer der Vertragsverletzung, des Verschuldensgrades, der wirtschaftlichen Lage und der Einkornrnensverhältnisse bestirnrnt. 448 Als Richtschnur für die Höhe der Vertragsstrafe bietet sich ein Bruttomonatsverdienst an. 449 Der Verdienst läßt Rückschlüsse auf den Stellenwert des Arbeitnehmers im Betrieb zu und der Wert der nicht erbrachten Arbeitsleistung wird im wesentlichen durch die entfallende Lohnzahlungspflicht ausgeglichen. 45o Der Verlust eines Lizenzspielers hat erhebliche Auswirkungen auf den Verein, da der sportliche und der wirtschaftliche Erfolg unmittelbar betroffen sind. Auch der entstehende Schaden kann nicht beziffert werden, da bei sportlichen Wettbewerben Ergebnisse und Konsumentenverhalten nicht vorausgesagt oder gemessen werden können. Eine Vertragsstrafe von mehreren Millionen Euro. 451 entspricht trotz der hohen Spielergehälter dennoch keinem Bruttomonatsgehalt. Die Vertragsstrafe wäre dann entsprechend zu verringern (§ 343 Abs. 1 BGB). Abweichend von diesen Grundsätzen können im Einzelfall aber höhere Vertragsstrafen zulässig sein, insbesondere wenn es um die Sicherung einer langfristigen Vertragsbindung oder eines Wettbewerbsverbots geht. 452 Die "Ablösesumme" wird nur unter der Voraussetzung des Wechsels zu einem anderen Fußballverein fällig. Dieser Wechsel fällt aber unter die §§ 60, 61 HGB und damit unter das beivertragliche Wettbewerbsverbot. Das Ordnungsgeld nach § 890 Abs. 1 ZPO, das für jede Zuwiderhandlung verlangt werden kann, beläuft sich auf bis zu 500.000 DM. Kann der Arbeitgeber zudem im gerichtlichen Verfahren aber derart hohe Zwangsgelder erzielen, kann deren Vereinbarung als Vertragsstrafe nicht unzulässig sein. Der Arbeitgeber hat zudem wegen der Schwierigkeit der Schadensberechnung ein berechtigtes Interesse an einer überdurchschnittlichen Vertragsstrafe. Der sportliche Verlust kann nur schwer ausgeglichen werden. Der Kartenverkauf sowie Fernseh- und Werbeeinnahmen können massiv zurückgehen und der Verein verliert die Aussicht auf das Herauskaufen des Spielers aus dem Vertrag durch andere interessierte Vereine. Der Schaden dürfte jedenfalls erheblich sein, insbesondere dann, wenn der Spieler noch eine längere Zeit an einen befristeten Vertrag gebunden ist. Die Vereinbarung einer erhöhten Vertragsstrafe für die vorzeitige Beendigung des Vertrages ist daher im Grunde nicht zu bean448 BAG, Urteil v. 26. 9. 1963, AP Nr. I zu § 74a HGB, BI. 4; LAG Berlin, Urteil v. 24. 6. 1991, LAGE Nr. 8 zu § 339 BGB, S. 10; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 60, Rn. 15. 449 BAG, Urteil v. 6. 10. 1993, 6 AZR 636/92 n.v.; Arbeitsrecht-Blattei / Preis / Stoffels, SD 1710, Vertragsstrafe, Rn. 99; Stoffels, der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 226; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Blomeyer § 57, Rn. 65. 450 Erfurter Kommentar / Müller-Glöge §§ 339 - 345 BGB, Rn. 20. 451 Im Fall Figo wurden 116 Mio. DM bezahlt, siehe FAZ v. 12.3.2001, S. 43. 452 BAG, Urteil v. 21. 5. 1971, AP Nr. 5 zu § 339 BGB, BI. 2; ArbG Dortmund, Urteil v. 9. 10. 1992, BB 1993, S. 1591; LAG Berlin, Urteil v. 19.5. 1980, AP Nr. 8 zu § 339 BGB, BI. 3; LAG Mannheim, Urteil v. 30. 7. 1985, LAGE Nr. 1 zu § 339 BGB, S. 10; ArbeitsrechtBlattei / Preis / Stoffels, SD 1710, Vertragsstrafe, Rn. 100; Erfurter Kommentar / Mü[[er-Glöge §§ 339-345 BGB, Rn. 19.
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standen. 453 Es empfiehlt sich daher eine Orientierung der Vertragsstrafe am Gehalt und an der verbleibenden Dauer der Vertragsbindung. 454 Da der Arbeitgeber nicht zur Lohnfortzahlung des vertragsbrüchigen Arbeitnehmers verpflichtet ist, wäre es angemessen, die Hälfte der verbleibenden Nettobezüge des Spielers bis zum vereinbarten Vertragsende als Vertragsstrafe fordern zu können, zumal die Vertragsstrafe faktisch vom neuen Arbeitgeber getragen werden dürfte, die Vertragsstrafe aber eine effektive Sanktion des Vertragsbruchs gewähren soll. Jedenfalls unzulässig ist jedoch eine Abrede, die einen Vereinswechsel ins Ausland höheren "Ablösesummen" unterwirft als einen Wechsel innerhalb eines Mitgliedstaates, gleich ob es sich um Auflösungsoptionen oder Vertragsstrafen handelt. 455 Durch die Vereinbarung höherer Summen für den Wechsel zu ausländischen Vereine werden grenzüberschreitende Vorgänge diskriminiert. Zwar ist dies keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers, so daß Art. 39 Abs. 2 EG nicht greift. Die Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge genügt jedoch für einen eindeutigen Verstoß gegen das Beschränkungsverbot, da diese Diskriminierung die Freizügigkeit besonders intensiv beschränkt. Sie dürfte daher über § 343 Abs. 2 oder § 242 BGB auf eine Gleichbehandlung grenzüberschreitender und nationaler Vorgänge reduziert werden.
(5) Einseitigkeit der Option als Nichtigkeitsgrund? Die Vereinbarung einseitiger Verlängerungsoptionen des Arbeitgebers beschränkt den Arbeitnehmer zusätzlich zur eigentlichen Befristung in seiner Freizügigkeit, da er über einen verlängerten Zeitraum seine Freizügigkeit nicht ausüben kann. Der Arbeitgeber erhält durch die Vereinbarung eines Optionsrechts in § 9 Abs. 3 Lizenzspielervertrag unter Ausschluß des Optionsrechts des Spielers nach § 9 Abs. 4 Lizenzspielervertrag hingegen die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis einseitig zu verlängern. Der Arbeitnehmer wird für mindestens ein weiteres Jahr an das Arbeitsverhältnis gebunden und kann seine Freizügigkeit in dieser Zeit nicht ausüben. Der Arbeitnehmer selbst kann hingegen keine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen, wenn er den Vertrag fortsetzen möchte. Fraglich ist, wie der Arbeitnehmer vor der Beschränkung seiner Freizügigkeit geschützt werden kann. Zunächst schützt § 624 BGB den Arbeitnehmer vor einer 453 So auch Wertenbruch, Anmerkung zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), EuZW 1996, S. 91, 92, der sogar eine solche Abrede für erforderlich hält. 454 Das sieht auch der neue Art. 22 des FIFA-Transferreglements so vor, der auf das Gehalt, die verbleibende Vertragslaufzeit und den Zeitpunkt des Vertragsbruchs abstellt; ähnlich auch schon ein Vorschlag der UEFA, nach dem der Spieler eine Strafe in Höhe des noch ausstehenden Gehalts plus einem Anteil, der von der verbleibenden Vertragslänge abhängt, bezahlen muß; FAZ v. 25. 1. 2001, S. 48. 455 Dies wurde etwa im Fall Figo bekannt, FAZ v. 21. 9. 2000, S. 46; auf den Vorgang verweist auch Kelber, NZA 2001, S. 11, 14, Fn. 43.
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verlängerten Befristung, die fünf Jahre überschreitet. Da die Option nur einseitig ausgeübt werden kann und damit keine Gewähr für eine angemessene Begrenzung der Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis innerhalb der fünf Jahre bietet, kommt zudem eine Anwendung des § 622 Abs. 6 BGB in Betracht. Die Absprache könnte eine unzulässige einseitige Verlängerung der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers sein oder eine ebenfalls von § 622 Abs. 6 BGB erfaßte Vereinbarung darstellen, die dem Arbeitnehmer weniger Kündigungstermine einräumt als dem Arbeitgeber. 456 Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis nach der Ausübung der Option durch den Verein für eine bestimmte Zeit nicht kündigen. Der Arbeitgeber ist wegen der befristeten Fortführung des Arbeitsverhältnisses aber ebenfalls an der Kündigung gehindert. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben in der Verlängerungszeit die gleiche Anzahl von Kündigungsmöglichkeiten, nämlich keine. Zwar kann der Arbeitgeber eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen, die Option begriindet aber im Grunde keine kürzere Kündigungsfrist für den Arbeitgeber, sondern führt zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses mit den gleichen Kündigungsmöglichkeiten für beide Vertragsparteien. § 622 Abs. 6 BGB verbietet aber nur längere Kündigungsfristen zu Lasten des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber kann jedoch durch die Verlängerungsoption die eigentlich mit Fristablauf vereinbarte Beendigung des Arbeitsvertrages verhindern. Er hat somit zum Ende der urspriinglichen Befristung die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer eine Beendigungsmöglichkeit des Vertrages zu nehmen. Die Kündigungsfristen werden zwar nicht einseitig verlängert und die Beendigung des Arbeitsvertrages aufgrund der Befristung unterliegt nicht der Willensfreiheit des Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Fristablaufs. Die Abrede könnte aber eine Konkretisierung des Beendigungswillens im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sein. Der Arbeitgeber kann durch die Ausübung der Option die urspriinglich vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließen und dem Arbeitnehmer einseitig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erschweren. Die einseitige Optionsregelung könnte daher mit einer Abrede verglichen werden, die dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Kündigung des Arbeitsverhältnisses lediglich zum 31.12. eines jeden Jahres erlaubt. Dieser Kündigungstermin kann durch eine besondere Erklärung des Arbeitgebers für beide Vertragsteile ausgeschlossen werden, so daß die Kündigung nur zum 31.12. des Folgejahres wirksam wird. 457 Der Arbeitgeber hat damit die Möglichkeit, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für ein weiteres Jahr auszuschließen und verlän456 KR/ Spilger § 622 BGB, Rn. 203; Staudinger/ Preis § 622 BGB, Rn. 52; Preis / Kramer, DB 1993, S. 2125, 2128; Erfurter Kommentar / Müller-Glöge § 622 BGB, Rn. 100. 457 Kindler, NZA 2000, S. 744, 745 vergleicht die einseitige Option mit einern verlängerten Arbeitsvertrag mit einseitigem Kündigungsrecht des Arbeitgebers vor Beginn der Verlängerung. Dieses Beispiel entspricht eher einer einseitigen Vereinbarung der Verlängerungsklausel in § 9 Abs. 2 Lizenzspielervertrag. Bei der Option führt die Erklärung des Vereins aber nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern zu dessen Verlängerung. Diese Verlängerung begründet die Probleme bei der Anwendung des § 622 Abs. 6 BGB. Im Ergebnis müssen für beide Fälle die gleichen Lösungen gelten, auch wenn die Verlängerungsklausel in § 9 Abs. 2 nicht einseitig vereinbart werden kann.
V. Anwendungsbeispiele
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gert durch seine Erklärung die Kündigungsfrist des Arbeitnehmers. Zwar besitzen beide Vertragspartner vor und nach der Erklärung die gleiche Kündigungsfrist und die gleiche Anzahl an Kündigungsterminen, so daß § 622 Abs. 6 BGB im Grunde nicht greift. Das Erklärungsrecht des Arbeitgebers gibt dem Arbeitgeber aber einseitig die Möglichkeit, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für ein Jahr auszuschließen oder den früheren Termin in Anspruch zu nehmen. Er kann sich entscheiden, ob er ein Mehr an Bindung für beide Vertragspartner herbeiführt. Der Arbeitnehmer muß mit der Verlängerung seiner Kündigungsfrist rechnen, ohne diese selbst herbeiführen zu können, während der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer stärker an das Arbeitsverhältnis zu binden, ohne daß der Arbeitnehmer sicher sein kann, ob der Arbeitgeber die Kündigungsfrist verlängert. Diese Unsicherheit beschwert den Arbeitnehmer zusätzlich und macht diese Abrede belastender als eine einseitige Verlängerung der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers, auf die er sich wenigstens verlassen kann. Der Arbeitgeber hat es in der Hand, ob das Arbeitsverhältnis endet oder fortdauert. Durch seine Erklärung kann er dem Arbeitnehmer einen Kündigungstermin nehmen, während er sich entscheiden kann, ob er den früheren Kündigungstermin wahrnimmt oder die Kündigungsmöglichkeit durch seine Erklärung ausschließt. Ob der Arbeitgeber aber im Arbeitsvertrag einen zusätzlichen Kündigungstermin für sich vereinbart, oder dem Arbeitnehmer einen Kündigungstermin nehmen kann, macht rechtlich keinen Unterschied. Er hat einen zusätzlichen Kündigungstermin gegenüber dem Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer wird daher erheblich stärker in seiner Freiheit beeinträchtigt, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Die Kündigung des Arbeitnehmers wird einseitig erschwert. § 622 Abs. 6 BGB verbietet aber das Mehr an rechtlicher Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis. Die Abrede widerspricht daher dem Schutzgedanken des § 622 Abs. 6 BGB. Die Vereinbarung einer befristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers führt im Grunde auch zum Ausschluß eines "Kündigungstermins" für den Arbeitnehmer und damit zu einer Verlängerung der "Kündigungsfrist". Eine Befristungsabrede bewirkt eigentlich nichts anderes als die Vereinbarung eines späten "Kündigungstermins" und damit einer langen "Kündigungsfrist", wobei die Vertragspartner das "Kündigungsrecht" beim Vertragsschluß fiktiv "ausüben". Die Befristung ist von ihrer Natur her genauso auf die Beendigung des Vertrages gerichtet wie die Kündigung. Beide Willenserklärungen gewährleisten die Freiheit, das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu beenden, wobei die Befristung das Vertragsende von Anfang an festlegt und eine Kündigung lediglich ein flexibleres Instrument ist. Die Willens- und Beendigungsfreiheit, die normalerweise im Zeitpunkt der Kündigungserklärung von den Vertrags partnern artikuliert wird, findet ihren Ausdruck in der Befristungsabrede bei Vertragsschluß. 458 Durch die Ausübung der Option wird die beim Vertrags458 Die vor Einführung des TzBfG geltenden Voraussetzungen einer wirksamen Befristung, die aus dem Schutzzweck des KSchG abgeleitet wurden, machten die besondere Nähe von Befristung und Kündigung deutlich. BAG GS, Urteil v. 12. 10. 1962, AP Nr. 16 zu § 620
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EO
schluß erklärte "Kündigung" des Arbeitnehmers erst zu einem späteren Kündigungstermin und damit mit einer längeren Kündigungsfrist wirksam. Wahrend der Arbeitnehmer mit einer längeren Bindung rechnen muß, kann sich der Arbeitgeber überlegen, ob er von der Option Gebrauch machen möchte. Durch die Option hat der Arbeitgeber die Macht, das Vertragsende, das mit der Befristung vereinbart wurde, einseitig hinauszuzögern. Der Arbeitnehmer wird durch die Erklärungsmöglichkeit des Arbeitgebers länger an das Arbeitsverhältnis gebunden. Da die Option bis zu 2 Monate vor der eigentlich vereinbarten Beendigung des Vertrages ausgeübt werden kann,459 kann der Spieler nicht beurteilen, ob sein Vertrag verlängert wird und muß jederzeit mit der Verlängerung rechnen, ohne sie selbst herbeiführen oder Vorkehrungen für das nahende Vertragsende treffen zu können, während der Arbeitgeber frei disponieren und sich auf die ursprüngliche Befristung berufen kann. Dies belastet die "Beendigungsfreiheit" des Spielers. Die Befristungsabrede mit einseitiger Verlängerungsmöglichkeit steht daher der Vereinbarung eines späten Kündigungstermins, den der Arbeitgeber durch einseitige Erklärung ausschließen und damit die Kündigungsfrist einseitig verlängern kann, nahe. Der Arbeitnehmer wird einseitig stärker an der "Kündigung" des Arbeitsverhältnisses, die fiktiv bereits bei Vertrags schluß "ausgeübt" wurde, gehindert. Ob § 622 Abs. 6 BGB aber auf die einseitige Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses Anwendung findet, obwohl eine Kündigung überhaupt nicht möglich ist und beide Vertragspartner nach Ausübung der Option gleich an den Arbeitsvertrag gebunden sind, ist offen. Wendet man dennoch § 622 Abs. 6 BGB zum Schutz der Freizügigkeit an, ist fraglich, welche Rechtsfolgen der Verstoß nach sich zieht. Der Arbeitnehmer könnte vor der einseitigen Beendigungserschwerung und der daraus folgenden unzulässigen Beschränkung seiner Freizügigkeit durch die Nichtigkeit der Klausel nach § 134 BGB nach den Grundsätzen der verbotenen faktischen Kündigungserschwerung460 geschützt werden. Man könnte aber auch § 89 Abs. 2 S. 2 HGB analog anwenden und die Beendigungserschwerung für den Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber nach den Grundsätzen der rechtlichen Kündigungserschwerung461 überBOB Befristetes Arbeitsverhältnis; Staudinger/ Preis § 611 BOB, Rn. 33 ff.; Emum/ Hanau § 611 BOB, Rn. 35; Oroßkommentar zum Kündigungsrecht/ Backhaus § 620 BOB, Rn. 63. 459 Siehe § 9 Abs. 5 Lizenzspielervertrag, der ein Erklärung bis zum vorausgehenden 30.4. des Jahres verlangt. Die Verträge enden wegen der Transfersperre im ersten Halbjahr regelmäßig am 31.6 eines Jahres. 460 BAO, Urteil v. 11. 3. 1971, AP Nr. 9 zu § 622 BOB, BI. 1; BAO, Urteil v. 9. 3. 1972, AP Nr. 12 zu § 622 BOB, BI. 3; BAO, Urteil v. 6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BOB, BI. 2; Arbeitsrecht-Blattei! Preis / Stoffels, SD 1710, Vertragsstrafe, Rn. 65; Staudinger/ Preis § 622 BOB, Rn. 53; KR/ Spilger § 622 BOB, Rn. 120; Soergel/ Kraft § 622 BOB, Rn. 34; Münchener Kommentar / Schwerdtner § 622 BOB, Rn. 96, 97. 461 Staudinger/ Preis § 622 BOB, Rn. 57; KrameT, Kündigungsvereinbarungen im Arbeitsvertrag, S. 145; Preis/Krame" DB 1993, S. 2125, 2128; Kittner/Däubler/Zwanziger § 622 BOB, Rn. 84; Münchener Kommentar / Schwerdtner § 622 BOB, Rn. 9; Stahlhacke / Preis, Kündigung und Kündigungsschutz, Rn. 375; Palandt / Putzo § 622 BOB, Rn. 26; Erfurter
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tragen. Die Kündigungserschwerung gälte danach auch für den Arbeitgeber. Dem Arbeitnehmer müßte die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einseitige Erklärung auszuschließen. Für die Anwendung des § 89 Abs. 2 S. 2 HGB spricht, daß die einseitige Option eine rechtliche Erschwerung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführt und § 134 BGB nur in den Fällen faktischer Kündigungserschwerung angewandt wird. 462 Durch die Erklärungsmöglichkeit des Arbeitgebers wird der Arbeitnehmer rechtlich an den Vertrag gebunden. Daß es sich bei der einseitigen Option um eine rechtliche Bindung an das Arbeitsverhältnis handelt, die der Vereinbarung längerer Kündigungsfristen gleicht, zeigt auch die Verwandtschaft von Befristungs- und Kündigungsabrede. Beide begriinden eine rechtliche Bindung an das Arbeitsverhältnis. § 89 Abs. 2 S. 2 HGB regelt aber die Rechtsfolgen einseitig belastender rechtlicher Bindungen und greift daher auch bei der einseitigen Verlängerungsoption. Der Arbeitnehmer erhält folglich wie der Arbeitgeber das Recht, durch eine Erklärung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für einen bestimmten Zeitraum auszuschließen. In diese Richtung zielt auch eine Entscheidung des BAG463 , die in der Diskussion über das einseitige Optionsrecht noch nicht beriicksichtigt wird. Das BAG führt zur einseitigen Option des Arbeitgebers zur Verlängerung des Vertrages aus, daß sich keine durchgreifenden Bedenken an dieser Klausel ergäben. 464 Der Arbeitnehmer habe mangels Vereinbarung kein entsprechendes Optionsrecht, das dessen Interesse gegenüber dem Arbeitgeber an der Fortsetzung des Vertrages zu sichern bestimmt wäre. 465 Der Arbeitgeber könne daher grundsätzlich nach der Vertragslaufzeit den Vertrag auslaufen lassen. Obwohl die einseitige Lösungsmöglichkeit bedenklich wäre, würde sie nicht von einem unkontrollierten Lösungsrecht des Arbeitgebers begleitet. 466 Der Vertrag lasse erkennen, daß der Arbeitgeber von seinem Lösungsrecht als dem Recht, die Option nicht auszuüben, nur dann Gebrauch machen könne, wenn hierfür sachliche Griinde vorlägen. 467 Der Vertrag schaffe eine rechtlich gesicherte Anwartschaft des Arbeitnehmers auf Fortsetzung des Ausgangsvertrages, die nicht mit freiem Ermessen vernichtet werden könne. 468 Das BAG gelangt daher auch ohne die Anwendung des § 89 Abs. 2 S. 2 HGB zu einem dem beidseitigen Optionsrecht vergleichbaren Ergebnis. Das Arbeitsverhältnis wird fortgesetzt, da der Arbeitgeber zur Ausübung der Option im Grunde verpflichtet ist; entscheidet er sich gegen eine Ausübung der Option, so finden die Kommentar / Müller-Glöge § 622 BGB, Rn. 80; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 124, Rn. 44; KR/ Spilger § 622 BGB, Rn. 202; a.A. Küttner; Personalbuch/ Eisemann, Kündigungsfristen, Rn. 14; Kindler; NZA 2000, S. 744, 746. 462 Siehe oben 2. Kapitel, v., 2. 463 BAG, Urteil v. 27. 7. 1977, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Entwicklungshelfer. 464 BAG, Urteil v. 27. 7.1977, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Entwicklungshelfer, BI. 2. 465 BAG, Urteil v. 27. 7. 1977, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Entwicklungshelfer, BI. 2. 466 BAG, Urteil v. 27. 7. 1977, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Entwicklungshelfer, BI. 2. 467 BAG, Urteil v. 27. 7. 1977, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Entwicklungshelfer, BI. 3. 468 BAG, Urteil v. 27. 7.1977, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Entwicklungshelfer, BI. 3. 18 Ro1off
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Grundsätze der Kündigung analoge Anwendung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind daher gleich an den Vertrag gebunden, da der Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur aus sachlichen Gründen herbeiführen kann. Dabei wäre eine beidseitige Optionsregelung einfacher zu handhaben gewesen. Das Beispiel des BAG zeigt aber, daß die einseitige Option nicht nach § 134 BGB nichtig ist, sondern eine beidseitige Bindung hervorruft. Die Abrede wird § 622 Abs. 6 BGB gerecht. Da Art. 39 EG beim Bestehen besonderer Schutzvorschriften lediglich mittelbare Drittwirkung entfaltet, ist eine über § 622 Abs. 6 BGB hinausgehende Kontrolle der Bindungswirkung dieser Absprache ausgeschlossen. Die einseitige Verlängerungsoption führt nicht zur Unwirksamkeit der Verlängerungsabrede, Art. 39 EG wird jedenfalls durch die Einräumung eines beidseitigen Optionsrechts genüge getan.
(6) Besonderheiten aufgrund der Formulareigenschaft Die Formulareigenschaft des Lizenzspielervertrages könnte Abweichungen von dieser Wertung durch eine stärkere Berücksichtigung der Freizügigkeit im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung erfordern. Der Formularvertrag mit den dargestellten Klauseln ist als Lizenzspielervertrag vom Deutschen Fußballbund (DFB) ausgearbeitet worden und wird regelmäßig von den Vereinen der 1. und 2. Fußballbundesliga bei der Begründung von Anstellungsverträgen mit Lizenzfußballspielern benutzt. Allerdings wird die Verwendung dieses Formulararbeitsvertrages vom DFB nicht verbindlich vorgeschrieben. 469 Die Ausarbeitung des Lizenzspielervertrages erfolgte auch nicht aufgrund einer Beschlußfassung eines zur verbandsinternen Gesetzgebung berufenen Organs des DFB (DFB-Bundestag, DFB-Beirat oder DFBVorstand). Er wurde vielmehr vom Ligaausschuß des DFB, dem Selbstverwaltungsorgan des Lizenzfußballs im DFB, im Zusammenwirken mit einzelnen Bundesligavereinsvertretern sowie der Deutschen Angestelltengewerkschaft als dem gewerkschaftlichen Vertretungsorgan der Lizenzspieler erarbeitet. In der Praxis ist es außerdem üblich, daß einzelne Klauseln, insbesondere im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung gemäß § 9 Lizenzspielervertrag, gestrichen und zusätzliche Vereinbarungen getroffen werden. Raum hierfür bietet § 11 des Lizenzspielervertrages, der mit "sonstige Vereinbarungen" überschrieben ist. Auch die Befristung und Verlängerung des Arbeitsverhältnisses sind nicht von Anfang an vorgegeben, sondern müssen von den Parteien vereinbart und in das Formular eingetragen werden. Es handelt sich um eine einzelvertragliche Vereinbarung, auf die die Wertung des AGB-Rechts auch nach dessen Neufassung und Erweiterung auf For469 Ausdriicklich heißt es hierzu in § 5 Ziffer 2 Lizenzordnung Spieler: "Die lizenzierten Vereine oder Kapitalgesellschaften sind in der Ausgestaltung der Verträge mit Lizenzspielern grundsätzlich frei. Die Verträge dürfen jedoch keine Vereinbarung enthalten, die gegen die Satzung, dieses Statut oder die Ordnungen des DFB bzw. gegen die Satzung oder Ordnungen der Regionalverbände verstößt".
V. Anwendungsbeispiele
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mulararbeitsverträge (§ 310 Abs. 4 S. 1,2 BGB) nicht anwendbar ist. Zwar läßt es nach Ansicht des BGH den AGB-Charakter einer Vertragsbestimmung unberührt, wenn ergänzungsbedürftige Formulare im Verlaufe von Vertragsverhandlungen ausgefüllt werden, soweit es sich um unselbständige Ergänzungen handelt, die den sachlichen Gehalt der Regelung nicht beeinflussen. Anderes müsse aber bei individuell ausgehandelten Ergänzungen gelten, die den wesentlichen Inhalt der Klausel festlegten, wie die Vertragsdauer. 47o Auch das in dem Lizenzspie1ervertrag enthaltene Optionsrecht muß individuell vereinbart werden und ist nicht etwa wegen § 5 Ziffer 3 Lizenzordnung Spie1er471 Ergebnis einer Normschöpfung. 472 Die Profifuß470 BGH, Urteil v. 13. 11. 1997, NJW 1998, S. 1066, 1067 f.; BGH, Urteil v. 10.3. 1999, NJW 1999, S. 2180, 2181; Palandt/ Heinrichs § 1 AGBG, Rn. 9. 471 § 5 Ziffer 3 Lizenzordnung Spieler lautet: "Die Verträge können eine Optionsklausel enthalten, wonach Verein oder Kapitalgesellschaften und/ oder Spieler sich verpflichten, den Vertrag mindestens ein weiteres Jahr unter den bisherigen Bedingungen fortzusetzen, falls der Verein oder die Kapitalgesellschaft oder der Spieler dies verlangen. Die Vertragspartner müssen bis zum 30.4. des letzten Vertragsjahres erklären, ob sie von der Option Gebrauch machen wollen. Unterbleibt diese Erklärung, so endet der Vertrag zum vereinbarten Zeitpunkt". 472 a.A. Kindler; NZA 2000, S. 744, 747; der der Vorschrift bindende Wirkung beimißt und sich dabei selbst widerspricht. Wenn er die beidseitige Option für unwirksam hält (S. 748), müßte dies erst recht für § 5 Ziffer 3 Lizenzordnung Spieler gelten, die Vorschrift schriebe das beidseitige Optionsrecht verbindlich fest. § 5 Ziffer 3 Lizenzordnung Spieler kann dann aber keine Wirkung im Arbeitsverhältnis mehr entfalten. § 5 Ziffer 3 Lizenzordnung Spieler begründet aber an sich schon keine Bindungswirkung. Wenn die Vertragspartner die Option vereinbaren ,,können", enthält § 5 Ziffer 3 S. 1 Lizenzordnung Spieler eine mögliche Vertragsgestaltung und keine zwingende Regelung. Dafür spricht auch die Auslegung der Lizenzordnung Spieler. Satzungen von Vereinen sind aus sich heraus und einheitlich auszulegen. Die Auslegung richtet sich am Zweck des Vereins und den berechtigten Interessen der Mitglieder aus. Zu beriicksichtigen sind der manifestierte Wille des Satzungsgebers und eine entsprechende Übung (BAG, Beschluß v. 27. 11. 1964, BAGE 16, S. 329, 337; BGH, Beschluß v. 11. 11. 1985, BGHZ 96, S. 245, 250; Staudinger/Weick § 25 BGB, Rn. 16; Soergel/Hadding § 25 BGB, Rn. 32; Münchener Kommentar/ Reuter § 25 BGB, Rn. 14; Palandt/ Heinrichs § 25 BGB, Rn. 4). Ausschlaggebend für das nicht verbindliche Verständnis von § 5 Ziffer 3 S. 1 Lizenzordnung Spieler ist der manifestierte Wille des satzungsgebenden Vereins. § 5 Ziffer 3 S. 1 Lizenzordnung Spieler stellt eine Einleitung und Beschreibung des Optionsrechts dar, wohingegen die Frist in S. 2 verbindlich gilt. S. 1 hat insoweit deklaratorische Wirkung. Dieser Wille artikuliert sich besonders in dem Lizenzspielervertrag des DFB. Seine regelmäßig vom DFB genehmigte Verwendung zeigt, daß der Mustervertrag in dauernder Übung den Willen des Satzungsgebers manifestiert. In dem Lizenzspielervertrag heißt es vor § 9 Abs. 3 ausdriicklich: "Nichtzutreffendes streichen". § 9 Abs. 3 und Abs. 4 Lizenzspielervertrag lassen damit als Ausdruck des Satzungsgebers eine Spaltung und Abbedingung der Optionsregelungen zu. Das verdeutlicht auch § 9 Abs. 2 Lizenzspielervertrag, indem er die Möglichkeit der Verhinderung der automatischen Fortsetzung des Arbeitsvertrages nur beiden Beteiligten einräumt. § 5 Ziffer 3 Lizenzordnung Spieler ist somit nicht bindend. Gegen die Bindungswirkung spricht auch folgender allgemeiner Gedanke. Wenn § 5 Ziffer 3 S. 1 Lizenzordnung Spieler Wirksarnkeitsvoraussetzungen aufstellt, begründet ein gegen diese Norm verstoßender Vertrag keinerlei Bindungswirkung, so daß wiederum die Unterwerfung unter die Lizenzordnung Spieler unwirksam wäre und der Vertrag wieder wirksam
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baller werden außerdem bei den Vertragsverhandlungen von Managern und Spielervertretern begleitet, so daß sie den Inhalt und die Auswirkungen der Vertragsklausein ausreichend zur Kenntnis und Einfluß auf ihre Gestaltung nehmen können. 473 Es ist daher gerechtfertigt, trotz der Vorformulierung von einer im Wege der Verhandlung zwischen gleichstarken Vertragspartnern entstandenen Vereinbarung auszugehen, die eine gewisse materielle Gerechtigkeitsgewähr beinhaltet. Die Verwendung des Lizenzspielervertrages als Formularvertrag führt somit nicht zu einer stärkeren Berücksichtigung der Freizügigkeit des Arbeitnehmers. §§ 622 Abs. 6 und 624 BGB schützen den Arbeitnehmer ausreichend vor Beschränkungen seiner Freizügigkeit. ee) Ergebnis
Für Profisportier gelten keine besonderen Grundsätze. Sie können wie andere Arbeitnehmer auch an den Vertrag gebunden werden. Zwar verstoßen einseitige Verlängerungsoptionen gegen § 622 Abs. 6 BGB, dies führt aber gemäß § 89 Abs. 2 S. 2 HGB lediglich zu einer beidseitigen Optionsrege1ung.
f) Ergebnis
Die rechtliche Bindung an den Vertrag ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig. Die §§ 624 und 622 Abs. 6 BGB genügen der Pflicht des Gesetzgebers, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vor Beschränkungen Dritter zu schützen.
2. Faktische Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis a) Allgemein
Eine Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis kann auch durch finanzielle Nachteile oder das Vorenthalten finanzieller Vorteile im Falle der Arbeitnehmerkündigung erreicht werden. Anders als bei der rechtlichen Bindung wird der Arbeitnehmer durch finanzielle Anreize zu einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bewegt. Solche Absprachen können geeignet sein, den Arbeitnehmer dawürde. Dies begründet aber ein Pendel zwischen Wirksamkeit und Unwirksamkeit von Vertrag und Unterwerfung, die nicht vom Satzungsgeber gewollt sein kann. Ein mündlich geschlossener Vertrag wäre ansonsten wirksam und unwirksam zugleich. Er wäre mangels Erfüllen des Schriftformerfordemisses nach § 5 Ziffer 1 Lizenzordnung Spieler unwirksam, damit aber zugleich wieder wirksam, da er mangels wirksamer Unterwerfung die Vorschriften des DFB nicht in seinen VertragsinhaIt aufnähme. 473 Kelber, NZA 2001, S. 11, 13.
V. Anwendungsbeispiele
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von abzuhalten, das Arbeitsverhältnis zur grenzüberschreitenden Verlagerung seiner Arbeitskraft zu beenden. Sie können den Arbeitnehmer in seiner Freizügigkeit beschränken, sofern sie die Bindung an den Arbeitsplatz kausal verursachen. 474 Deutsche Gerichte und das Schrifttum haben die Zulässigkeit solcher Abreden bisher zwar nur am Grundsatz der Arbeitsplatzbeendigungsfreiheit aus Art. 12 GG gemessen. Da aber Art. 39 EG bei grenzüberschreitenden Vorgängen in inhaltlicher und struktureller Übereinstimmung mit Art. 12 GG die Arbeitsplatzbeendigungsfreiheit ebenfalls schützt,475 sind die Grundsätze zu Art. 12 GG bei der Einwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG zu berücksichtigen und unter dem Vorzeichen des grenzüberschreitenden Wechsels der Arbeitsmärkte zu bewerten.
b) Vertragsstrafe bei ordnungsgemäßer Arbeitnehmerkündigung Arbeitsverträge können Klauseln enthalten, die einen Arbeitnehmer im Fall einer ordnungsgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur einseitigen Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichten, ohne daß diese Zahlungspflicht auf einer vorherigen freiwilligen Leistung des Arbeitgebers beruht. Diese Verpflichtung kann die finanziellen Möglichkeiten des Arbeitnehmers übersteigen und eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließen. Jedenfalls erschwert sie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur grenzüberschreitenden Verlagerung seines Arbeitsplatzes erheblich. Sie beschränkt das Verlassen des Mitgliedstaates und dadurch die Freizügigkeit des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist durch mitgliedstaatliehe Vorschriften vor dieser Beschränkung zu schützen. Eine spezielle Schutzvorschrift für solche Absprachen kennt das deutsche Arbeits- und Zivilrecht nicht. Indes behilft sich das BAG und das arbeitsrechtliche Schrifttum mit der Anwendung des Rechtsgedankens des § 622 Abs. 6 BGB.476 Faktische Kündigungserschwerungen, die zwar nicht unmittelbar auf die Wirksamkeit der Kündigung, wohl aber auf den Kündigungsentschluss Einfluss nehmen, sind nach Ansicht des BAG unzulässig.477 Dazu zählen Klauseln, die den Arbeitnehmer im Falle einer ordentlichen Kündigung zur Zahlung einer Vertragsstrafe478 Siehe oben 1. Kapitel, V., 9. e); 2. Kapitel, 111., 5., c). Siehe oben 1. Kapitel, v., 10., e), bb). 476 BAO, Urteil v. 11. 3. 1971, AP Nr. 9 zu § 622 BOB, BI. I; BAO, Urteil v. 9. 3. 1972, AP Nr. 12 zu § 622 BOB, BI. 3; BAO, Urteil v. 6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BOB, BI. 2; Arbeitsrecht-Blattei / Preis / Stoffels, SD 1710, Vertragsstrafe, Rn. 65; Staudinger/ Preis § 622 BOB, Rn. 53; KR/ Spilger § 622 BOB, Rn. 120; Soergel/ Kraft § 622 BOB, Rn. 34; Münchener Kommentar / Schwerdtner § 622 BOB, Rn. 96, 97. 477 BAO, Urteil v. 11. 3. 1971, AP Nr. 9 zu § 622 BOB, BI. 1; BAO, Urteil v. 9. 3. 1972, AP Nr. 12 zu § 622 BOB, BI. 3; BAO, Urteil v. 6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BOB, BI. 2; Arbeitsrecht-Blatteil Preis / Stoffels, SD 1710, Vertragsstrafe, Rn. 65; Staudinger / Preis § 622 BOB, Rn. 53; KR/ Spilger § 622 BOB, Rn. 120; Soergel/ Kraft § 622 BOB, Rn. 34; Münchener Kommentar / Schwerdtner § 622 BOB, Rn. 96, 97. 478 BAO, Urteil v. 9. 3. 1972, AP Nr. 12 zu § 622 BOB, BI. 3. 474 475
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oder "Abfindung,,479 verpflichten oder eine vom Arbeitnehmer gestellte "Kaution" verfallen lassen. 48o Wenn der einseitige Vermögensnachteil zu Lasten des Arbeitnehmers auf keiner vorherigen Leistung des Arbeitgebers beruht, ist es jedenfalls unzulässig, die Kündigungslage des Arbeitnehmers durch vertragliche Absprachen zu verschlechtem. 481 Die Vereinbarung eines Vermögensnachteils führt zu einem nicht vertretbaren Ungleichgewicht der Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers und Arbeitnehmers. Die Abrede verstößt daher gegen § 622 Abs. 6 BGB, nach dessen Sinn und Zweck auch die faktische Erschwerung der Kündigung des Arbeitnehmers gegenüber der des Arbeitgebers unzulässig ist. 482 Selbst den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber treffende Zahlungspflichten verstoßen gegen § 622 Abs. 6 BGB.483 Der Arbeitnehmer wird unzulässig in seiner Kündigungsfreiheit beschränkt, auch wenn die Vertragsstrafe des Arbeitgebers noch höher ist als die des Arbeitnehmers. 484 Zwischen beiden Zahlungen besteht nach Ansicht des BAG ein grundlegender Unterschied, da die Pflicht zu Abfindungszahlungen für den Arbeitgeber eine normale Erscheinung des Arbeitslebens sei (§§ 9, 10 KSchG).485 Der Arbeitnehmer muß für die Zahlung seine wirtschaftliche Existenzgrundlage angreifen, während es dem Arbeitgeber regelmäßig nicht schwerfallen dürfte, die Abfindung aufzubringen. Die Zahlungspflicht führt daher zu unterschiedlichen Kündigungserschwerungen. Die Anwendung des § 622 Abs. 6 BGB wird der Pflicht der Mitgliedstaaten gerecht, Arbeitnehmer vor Beschränkungen ihrer Freizügigkeit zu schützen. Es dürfte sich hierbei um eine teleologische Extension des § 622 Abs. 6 BGB handeln,486 die sich aus der Pflicht zum wirksamen Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten aus Art. 12 GG und Art. 39 EG in privaten Rechtsverhältnissen ergibt. Der Arbeitgeber hat kein berechtigtes Interesse, vom Arbeitnehmer eine pauschalierte Vertragsstrafe verlangen zu können, wenn sich der Arbeitnehmer ordnungsgemäß vom Arbeitsverhältnis löst. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, den Arbeitnehmer durch eine Befristung oder verlängerte Kündigungsfristen rechtlich an das Arbeitsverhältnis zu binden. Die Abrede ist daher nach § 134 BGB nichtig. 487 Der BAG, Urteil v. BAG, Urteil v. 481 BAG, Urteil v. 482 BAG, Urteil v. 483 BAG, Urteil v. 484 BAG, Urteil v. 485 BAG, Urteil v.
6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BGB, BI. 1. 11. 3. 1971, AP Nr. 9 zu § 622 BGB, BI. 1. 11. 3. 1971, AP Nr. 9 zu § 622 BGB, BI. 1. 6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BGB, BI. 2. 6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BGB, BI. 2. 6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BGB, BI. 2. 6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BGB, BI. 2. 486 Larenzl Canaris, Methodenlehre, S. 216; kritisch Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 162, der die Ausdehnung des § 622 Abs. 6 BGB in der Rechtsprechung des BAG als allgemeines Schutzinstrument vor unangemessener Vertragsgestaltung bewertet. 487 BAG, Urteil v. 11. 3. 1971, AP Nr. 9 zu § 622 BGB, BI. 1; BAG, Urteil v. 9. 3. 1972, AP Nr. 12 zu § 622 BGB, BI. 3; BAG, Urteil v. 6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BGB, BI. 2; Arbeitsrecht-Blattei I Preis I Stoffels, SO 1710, Vertragsstrafe, Rn. 65; Staudinger I Preis § 622 479
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V. Anwendungsbeispie1e
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Gesetzgeber hat damit ein effizientes Mittel zum Schutz der Arbeitnehmer vor Vermögensnachteilen bei der ordentlichen Kündigung bereitgestellt. Die Rechtsfolge steht nicht im Widerspruch zur Lösung der rechtlichen Kündigungserschwerung, wo die abweichende Kündigungserschwerung nach oben angeglichen wird, da eine Angleichung faktischer Kündigungserschwerungen nach oben grundsätzlich nur schwer möglich ist und der Arbeitgeber ein größeres wirtschaftliches Gewicht besitzt. Die Abrede ist nach § 134 BGB LV.m. § 622 Abs. 6 BGB nichtig. Der Arbeitnehmer wird ausreichend vor Beschränkungen seiner Freizügigkeit geschützt.
c) Vorenthalten von Lohnbestandteilen bei der
Arbeitnehmerkündigung
Der Arbeitgeber kann auch versuchen, dem Arbeitnehmer im Falle einer ordnungsgemäßen Kündigung bereits verdiente Lohnbestandteile zu entziehen, indem er entstandene aber noch nicht fällige Lohnansprüche verfallen läßt oder ausgezahltes Entgelt zurückfordert. Wenn der Lohnbestandteil mit der tatsächlichen Arbeitsleistung verdient wurde, handelt es sich aber um Entgelt im engeren Sinne,488 das in Abgrenzung zur Sondervergütung nach der vertraglichen Bestimmung bereits auf den Arbeitnehmer übergegangen ist. Wird daher Entgelt im engeren Sinne zurückgefordert, ist der Arbeitnehmer stark an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehindert, der Arbeitnehmer durfte wegen der von ihm erbrachten Leistungen auf den Er- und Behalt des Entgelts vertrauen. Der Vermögensnachteil beschränkt damit die Ausübung der Freizügigkeit des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer wird einseitig in seiner Kündigungsfreiheit beschränkt und ist nach Ansicht des BAG und des überwiegenden Schrifttums durch § 622 Abs. 6 BGB zu schützen. 489 Lohn im engeren Sinne kann nicht mehr entzogen werden, weil er bereits verdient ist und es der Arbeitsplatzwahlfreiheit widersprechen würde, den Arbeitnehmer für seine Kündigung mit einem Vermögensnachteil zu bestrafen. 49o § 622 Abs. 6 BGB ist Ausprägung des Schutzgedankens des Art. 39 EG, wonach BeBGB, Rn. 53; KR! Spilger § 622 BGB, Rn. 120; Soergel! Kraft § 622 BGB, Rn. 34; Münchener Kommentar! Schwerdtner § 622 BGB, Rn. 96, 97. 488 BAG, Urteil v. 19.4. 1995, AP Nr. 172 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3; BAG, Urteil v. 11. 10. 1995, AP Nr. 132 zu § 613a BGB, BI. 2; Erfurter Kommentar! Preis § 611 BGB, Rn. 793; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 5 ff.; Gaul, Sonderleistungen und Fehlzeiten, S. 152. 489 BAG, Urteil v. 13.9. 1974, AP Nr. 84 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 1 unter Verweis auf die teilweise anders lautenden Entscheidungen BAG, Urteil v. 27. 7. 1972 AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG, Urteil v. 12. 10. 1972 AP Nr. 77 zu § 611 BGB Gratifikation; Erfurter Kommentar! Müller-Glöge § 622 BGB, Rn. 103; Erfurter Kommentar! Preis § 611 BGB, Rn. 809; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 78, Rn. 43; zur ergänzenden Vertragsauslegung beim Verlust von Provisionen, BAG, Urteil v. 20. 8.1996, NZA 1996, S. 1151 = NJW 1997, S. 541 = BB 1997, S. 579; BAG, Urteil v. 8. 9. 1998, AP Nr. 6 zu § 87a HGB, BI. 1 = NZA 1999, S. 420. 490 BAG, Urteil v. 13.9. 1974, AP Nr. 84 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 1.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
schränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit beim Verlassen nationaler Arbeitsmärkte unzulässig sind. Damit konkretisiert § 622 Abs. 6 BGB den gesetzgeberischen Willen zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten. Entgelt im engeren Sinne kann daher nicht mehr entzogen werden. Dieser Wertung ist insbesondere beizupflichten, da der Verlust von verdienten Lohnbestandteilen einer Vertragsstrafe gleichsteht. In dem einen Fall muß der Arbeitnehmer etwas bezahlen, in dem anderen verliert er etwas, was ihm bereits gehört. Für beide Abreden müssen die gleichen Grundsätze gelten. Dieses Verbot verdeutlicht eine Entscheidung des BAG aus dem Jahre 1956. Ein Tarifvertrag verpflichtete den Arbeitnehmer, den während des tarifvertraglieh eingeräumten Urlaubs erhaltenen Lohn zuriickzuzahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Jahresende löste und seinen vollen Jahresurlaub bereits in Anspruch genommen hatte. Ausgehend von § 622 Abs. 6 BGB (damals § 67 HGB und § 122 GewO) hat das BAG diese Klausel im Jahre 1956 verworfen. 491 Es leitete die Nichtigkeit aus dem Verbot der einseitigen Kündigungserschwerung für den Arbeitnehmer ab. Wenn es Sinn des § 622 Abs. 6 BGB sei, den Arbeitnehmer vor längeren Kündigungsfristen zu bewahren, dann müsse dies erst recht für den Fall gelten, daß die Kündigung für den Arbeitnehmer einseitig mit einem Vermögensnachteil verbunden sei. 492 Eine Klausel, die eine einseitige Kündigungsbeschränkung und damit zugleich eine Ungleichheit zu Lasten des Arbeitnehmers begriinde, verstoße gegen den Sinn von § 622 Abs. 6 BGB, der die gleiche Kündigungslage für beide Teile verlange. Die Rückzahlungspflicht sei als Kündigungserschwerung einzuordnen. 493 Der Arbeitnehmer habe nichts erhalten, was ihm nicht geschuldet gewesen wäre, durch die Rückzahlungsklausel werde eine neue und selbständige Zahlungsverpflichtung begriindet. 494 Dem Arbeitnehmer entstehe ein Vermögensnachteil,495 obwohl ihm der Urlaub zustehe. 496 Aus diesem Grunde verstoße die Absprache gegen die Kündigungsfreiheit und sei unwirksam. Folgerichtig hat das BAG daher die Rückzahlungspflicht des tarifvertraglich während des Urlaubs fortzuzahlenden Entgelts mit der Wertung des § 622 Abs. 6 BGB für nichtig erklärt. Der Gesetzgeber hat Arbeitnehmer somit ausreichend vor Beschränkungen der Freizügigkeit durch das Vorenthalten von Lohnbestandteilen bei der Arbeitnehmerkündigung durch § 622 Abs. 6 BGB geschützt. Da der gesetzliche Urlaubsentgeltanspruch Fortzahlung der Arbeitsvergütung für die Urlaubszeit und damit Entgelt im engeren Sinne ist,497 darf der ArbeitBAG, Urteil v. 9. 2. 1956, BAGE 2, S. 322, 325. BAG, Urteil v. 9. 2. 1956, BAGE 2, S. 322, 325. 493 BAG, Urteil v. 9. 2. 1956, BAGE 2, S. 322, 326. 494 BAG, Urteil v. 9. 2.1956, BAGE 2, S. 322, 326. 495 BAG, Urteil v. 9. 2. 1956, BAGE 2, S. 322, 325. 496 BAG, Urteil v. 9. 2. 1956, BAGE 2, S. 322, 326. 497 BAG, Urteil v. 24. 11. 1992, AP Nr. 34 zu § 11 BUrlG, Bl. 2; Erfurter Kommentar / Dömer § 11 BUrlG, Rn. 1; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 102 A, Rn. 81; Staudinger/ Preis § 611 BGB, Rn. 903; Münchener Kommentar/ Schwerdtner § 611 BGB, Rn. 388. 491
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V. Anwendungsbeispiele
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nehmer im Falle einer Kündigung nicht zur Rückzahlung verpflichtet werden. Seit 1963 verbietet § 5 Abs. 3 BUrlG die individualvertraglichen Rückzahlungspflicht des Urlaubsentgelts speziell: Individualverträge dürfen kein gewährtes Urlaubsentgelt zurückverlangen, wenn das Arbeitsverhältnis im Laufe des Jahres beendet wird. Im Grunde hätte es dieser Regelung wegen § 622 Abs. 6 BGB nicht bedurft. Der Gesetzgeber wird durch die Regelung aber auf jeden Fall seiner Schutzpflicht gerecht. Zu beachten ist auch, daß Tarifverträge nach § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG von diesem Verbot abweichen können. 498 Aber auch dies genügt der Schutzpflicht des Gesetzgebers, da der Tarifvertrag Gewähr für eine sachgerechte Gesamtlösung bietet. Dem Arbeitnehmer wird beim neuen Arbeitgeber zudem der gesetzliche Resturlaub gewährt, so daß er keinen finanziellen Nachteil erleidet. § 622 Abs. 6 BGB und § 5 Abs. 3 BUrlG schützen den Arbeitnehmer somit vor Beschränkungen seiner Freizügigkeit infolge Rückzahlungspflichten bereits verdienten Entgelts.
d) Nichtgewähr von Sondervergütungen bei der Arbeitnehmerkündigung aa) Sondervergütung mit Stichtagsklausel
82% aller westdeutschen und 70% aller ostdeutschen Unternehmen gewähren ihren Arbeitnehmern eine Sondervergütung zwischen DM 550,- und 750,- für 10 Jahre Betriebszugehörigkeit. 499 Verläßt der Arbeitnehmer vor Ablauf dieser zehn Jahre das Unternehmen, verliert er den Anspruch, da das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Stichtag Voraussetzung für die Gewähr der Gratifikation ist. Bei diesen Leistungen handelt es sich um Gratifikationen für die Betriebstreue. 500 Sie knüpfen nicht an die Arbeitsleistung an und haben damit auch keinen Entgeltcharakter im engeren Sinne. Der Arbeitnehmer wird durch das Vorenthalten der Gratifikation bei vorzeitigem Ausscheiden nur schwer von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzuhalten sein. Dem Arbeitnehmer wird kein Vermögenswert entzogen, 498 Erfurter Kommentar / Dömer § 5 BUrlG, Rn. 34; wohl enger als dort BAG, Urteil v. 23. l. 1996, AP Nr. 10 zu § 5 BUrlG, BI. 2 unter Verweis auf § 13 Abs. 2 BUriG. Das BAG änderte noch vor Erlaß des BUriG unter Hinweis auf den zurückgenommenen Kontrollmaßstab von Tarifverträgen seine Rechtsprechung und verwies auf die Gestaltungsfreiheit der Sozialpartner. Daneben hat sich das BAG nicht mehr auf § 622 Abs. 6 BGB, sondern auf Art. 12 GG gestützt: BAG, Urteil v. 27. Il. 1959, BAGE 8, S. 239, 244 = AP Nr. 55 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; BAG, Urteil v. 29. 6. 1962, AP Nr. 25 zu § Art. 12 GG, BI. 3,4. 499 Quelle: Kienbaum Vergütungsberatung, Gummersbach. 500 BAG, Urteil v. 25. 4. 1991, AP Nr. 137 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3, unter Verweis auf BAG, Urteil v. 18. l. 1978, AP Nr. 92 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2; BAG, Urteil v. 8. Il. 1978,APNr. 100 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl.l;BAG, Urteil v. 7.12.1989, AP Nr. 14 zu § 1 TVG Tarifverträge, Textilindustrie, BI. 3; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 115 ff.; Erfurter Kommentar/ Preis § 611 BGB, Rn. 793.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
sondern nur ein Vorteil vorenthalten, dessen Leistungsvoraussetzungen er noch nicht erfüllt hat. Denkt man die Gratifikationszusage hinweg, wäre der Arbeitnehmer ebensowenig in seiner Freizügigkeit beschränkt. Die Gratifikationsrege1ung ist daher nicht kausal für eine Beschränkung der Freizügigkeit. Der Beschränkungsgehalt ist so gering, daß § 622 Abs. 6 BGB nicht der Anwendung bedarf. 501 Der Arbeitnehmer könnte aber durch eine analoge Anwendung der §§ 1 und 2 BetrAVG vor einer eventuellen Beschränkung seiner Freizügigkeit geschützt werden. Dafür spricht, daß die Gratifikation und die betriebliche Altersversorgung wegen der Betriebstreue gewährt werden 502 und finanzielle Anreize für den Arbeitnehmer begründen, eine gewisse Zeit beim Arbeitgeber zu verbleiben. Beide Ansprüche entstehen erst mit dem Erreichen eines Stichtages. Das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers ist bei der Gratifikation jedoch geringer. In der Rechtsprechung werden die Vorschriften des BetrAVG daher auch nicht angewandt. 503 Vielmehr betont das BAG, daß die Prämie für die Betriebszugehörigkeit keine anwartschaftliche Sicherung im Vermögen des Arbeitnehmers erhalten hat. 504 Dieser Bewertung ist zuzustimmen, da Gratifikationen anders als Betriebsrenten ein erheblich geringeres Vertrauen und ein geringerer Vermögenswert zukommt. Die Prämie verkörpert aus der Sicht des Arbeitnehmers keinen anteilig geschützten Wert, der nicht entschädigungslos entzogen werden könnte. Die Prämien sind nicht so hoch bemessen, daß sie für den Arbeitnehmer eine zusätzliche Altersversorgung darstellen. Der Arbeitgeber muß für die Prämie keine Rücklagen bilden. Folglich bedarf es auch keines Schutzes des Arbeitnehmers vor dem Verlust über eine Unverfallbarkeit nach § 1 BetrAVG analog oder aus § 242 BGB. Eine Entscheidung des EuGH bestätigt, daß es zulässig ist, Leistungen für die Betriebstreue vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag abhängig zu machen. 505 In der Entscheidung ging es um eine nach Art. 141 EG verbotene mittelbare Diskriminierung von Frauen, die aufgrund Mutterschutzes oder Erziehungsurlaubs an einem Stichtag nicht arbeiteten und deshalb von der Weihnachtsgratifikation ausgenommen wurden. Der EuGH führt aus, daß eine Gratifikation grundsätzlich Entgeltcharakter im Sinne des Art. 141 EG hat, auch wenn sie lediglich die Betriebstreue honoriert. 506 Die Einordnung als Entgelt bedeute inGaul, Sonderleistungen und Fehlzeiten, S. 171-174. BAG, Urteil v. 10.3. 1972, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, BI. 4; Handbuch der betrieblichen Altersversorgung! Uebelhack 10, Rn. 15; Lemke, BB 1957, S. 512, 513; Wiedemann, RdA 1969, S. 244, 246; Höfer ART 2. Teil, Rn. 41; Dieterich, AuR 1971, S. 129, 131; EuGH, Urteil v. 17.5. 1990 (Barber), Slg. 11990, S. 1889, 1951, Rn. 22; Däubler, Festschrift Gnade, S. 95,104; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 45-47. 503 LAG Frankfurt, Urteil v. 8. 3. 1988, LAGE Nr. 3 zu § 242 Betriebliche Übung; LAG Köln, Urteil v. 14.5. 1993, LAGE Nr. 19 zu § 611 BGB Gratifikation. 504 BAG, Urteil v. 1l. 10. 1995, AP Nr. 132 zu § 613a BGB, BI. 3; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Hanau § 69, Rn. 24. 505 EuGH, Urteil v. 2l. 10. 1999 (Lewen), Slg. I 1999, S. 7243 ff. 506 EuGH, Urteil v. 2l. 10. 1999 (Lewen), Slg. I 1999, S. 7243, 7278, Rn. 19. 501
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V. Anwendungsbeispiele
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des nicht, daß die Vergütung für die in der Vergangenheit geleisteten Dienste gewährt würde. 507 Der EuGH unterscheidet verschiedene Gratifikationen und prüft dann alternativ die Auswirkungen auf Art. 141 EG. Werde die Gratifikation nicht für die in der Vergangenheit geleistete Arbeit gewährt, sondern hänge von einem aktiven Arbeitsverhältnis ab, würden im Erziehungsurlaub befindliche Frauen durch das Vorenthalten der Vergütung nicht diskriminiert, da es der Arbeitgeber in der Hand habe, die Gratifikation vom aktiven Bestehen des Arbeitsverhältnisses an einem Stichtag abhängig zu machen. 508 Anders verhielte es sich, wenn die Gratifikation als Entgelt für geleistete Dienste zu qualifizieren sei, da die Mutter bereits Teile des Jahres gearbeitet hatte. 509 In einem solchen Fall würde die Vergütung nur deshalb nicht gewährt, weil das Arbeitsverhältnis an einem Stichtag wegen der Schwangerschaft ruhe. 510 Frauen würden dadurch diskriminiert. Das gelte auch für Zeiten des Mutterschutzes, in denen ein Beschäftigungsverbot bestand, da diese Zeiten als Beschäftigungszeit angerechnet worden wären, wenn die Arbeitnehmerin nicht schwanger gewesen wäre. 511 Der EuGH unterscheidet somit zwischen Entgelt für Betriebstreue und Entgelt für geleistete Dienste. Das Entgelt wegen Betriebstreue erlaubt einen Ausschluß von Schwangeren und erziehenden Müttern, wenn das Arbeitsverhältnis am Stichtag ruht. Beim Entgelt für geleistete Dienste erkennt der EuGH hingegen einen Bestandsschutz an. Dieses Entgelt kann dem Arbeitnehmer wegen der tatsächlich geleisteten Arbeit nicht mehr entzogen werden. Wenn Arbeitnehmern die Gratifikation für Betriebstreue im ruhenden Arbeitsverhältnis vorenthalten werden kann, muß dies erst recht gelten, wenn das Arbeitsverhältnis wegen einer vorzeitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses endet. Die Kündigung ist ein Mehr gegenüber dem bloß zeitweilig ruhenden Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber hat daher die Gestaltungsfreiheit, Arbeitnehmer von einem Entgelt für Betriebstreue auszuschließen, wenn das Arbeitsverhältnis an einem Stichtag nicht mehr besteht. Es besteht kein besonderes Bedürfnis, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schützen. Das Anknüpfen an das bestehende Arbeitsverhältnis an einem bestimmten Stichtag kann in Ausnahmefällen, etwa wenn ein geringes Entgelt und besonders hohe Prämien versprochen werden, wenn die Gratifikation auch zur Altersversorgung bestimmt ist, Versorgungscharakter aufweist oder eine besondere Verfestigung im Vermögen des Arbeitnehmers eintritt, den Arbeitnehmer an einer Kündigung hindern. 512 Dann ist der Arbeitnehmer vor einer Beschränkung seiner FreiEuGH, Urteil v. 21. 10. 1999 (Lewen), Slg. 11999, S. 7243, 7280, Rn. 27. EuGH, Urteil v. 21. 10. 1999 (Lewen), Slg. 11999, S. 7243, 7282, Rn. 38. 509 EuGH, Urteil v. 21. 10. 1999 (Lewen), Slg. 11999, S. 7243, 7282, Rn. 39. 510 EuGH, Urteil v. 21. 10. 1999 (Lewen), Slg. 11999, S. 7243, 7282, Rn. 40. 511 EuGH, Urteil v. 21. 10. 1999 (Lewen), Slg. I 1999, S. 7243, 7283, Rn. 42. 512 Ähnlich Buchner, Anmerkung zu BAG, Urteile v. 27.7. 1972 und 12. 10. 1972, AP Nr. 75 und 77 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 4, 5. 507 508
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
zügigkeit durch die Anwendung des § 1 BetrAVG oder des § 624 BGB 513 analog zu schützen. bb) Sondervergütung mit Mischcharakter (1) Problematik
Das Verbot des einseitigen Vermögensnachteils für die Arbeitnehmerkündigung verbietet es, Entgelt im engeren Sinne, also Teile des vereinbarten Lohns, unter einer aufschiebenden Bedingung zu versprechen. 514 Problematisch ist dieser Grundsatz bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers, die an die Arbeitsleistung und an die Betriebstreue anknüpfen. 515 Diese Sondervergütung wird daher Gratifikation mit Mischcharakter genannt. 516 Sie wird unter der Voraussetzung gewährt, 513 Die Anwendbarkeit des § 624 BGB wird bei Sperr- oder Wartefristen zur Ausübung von unentgeltlich gewährten Aktienoptionen erörtert: ablehnend Küttner; Personalbuch! Bauer; Aktienoptionen, Rn. 6; Baeck! Diller; DB 1998, S. 1405, 1409; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Kreßel § 68, Rn. 105; Klahold, Aktienoptionen als Vergütungselement, S. 40 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 578; bejahend: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Hanau § 70, Rn. 27; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Kreßel § 68, Rn. 105; Mechlem! Melms, DB 2000, S. 1614, 1615 und Harrer; Mitarbeiterbeteiligungen und Stock-Option-Pläne!Tepass, Rn. 394, möchten § 622 Abs. 6 BGB anwenden, wenn die bei Optionen ein wesentliches Vergütungselement sind. Die Option kann m.E. einer beliebigen Wartefrist unterliegen, da der Erfolg des Unternehmens arn Aktienmarkt, aber nicht die Betriebstreue oder tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers honoriert werden. Die Wartefrist soll kurzfristig verursachte Aktiengewinne ausschließen. Die Zulässigkeit der Wartefrist bringt auch § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG zum Ausdruck, der eine Mindestwartefrist von zwei Jahren verlangt. Sollen die Optionen auch die Betriebstreue honorieren, dann sind sie jedenfalls an den Grundsätzen der Gratifikation mit Stichtagsklauseln zu messen und nicht an § 624 BGB. Der Arbeitnehmer hat kein besonderes Vertrauen in die Ausübung der Option. Vor Ausübung der Option und nach Ablauf der Wartefrist bedarf es keiner Anwendung des § 622 Abs. 6 BGB, da die Option keinen Verrnögenswert für den Arbeitnehmer besitzt. Sie begründet lediglich eine Chance. Anders als eine Vergütung der Betriebstreue, soll die Option den Aktienerfolg des Unternehmens belohnen. Sofern dieses Ziel nicht erreicht ist, hat der Arbeitnehmer seine Leistung nicht erbracht. Er kann nicht auf den Behalt der Option vertrauen. Der Arbeitnehmer wird durch den Wegfall der Option nicht in seiner Kündigung gehindert; so auch Münchener Handbuch! Kreßel, § 68, Rn. 105; a.A. Mechlem! Melms, DB 2000, S. 1614, 1615; Harrer; Mitarbeiterbeteiligungen und Stock-Option-P1äne! Tepass, Rn. 394; Baeck! Diller; DB 1998, S. 1405, 1408 wollen § 624 BGB anwenden. Nach Ausübung der Option dürfen keine Rückzahlungspflichten vereinbart werden. Die Voraussetzungen der Leistung sind erfüllt. Der Arbeitnehmer ist vollwertiger Aktionär. Ihm wird durch die Rückübertragungsverpflichtung ein einseitiger Verrnögensnachteil auferlegt. Der Arbeitnehmer ist durch § 622 Abs. 6 BGB vor Beschränkungen seiner Freizügigkeit zu schützen. 514 Erfurter Kommentar! Müller-Glöge § 622 BGB, Rn. 103; Erfurter Kommentar! Preis § 611 BGB, Rn. 793; zur ergänzenden Vertragsauslegung, BAG, Urteil v. 20. 8. 1996, NIW 1997, S. 541. 515 Gaul, Sonderleistungen und Fehlzeiten, S. 186.
V. Anwendungsbeispiele
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daß das Arbeitsverhältnis bis zu einem Stichtag Bestand hat und daß im Vergütungszeitraum mindestens eine bestimmte Arbeitsleistung erbracht wurde. Das Vorenthalten des Anspruchs im Falle der vorzeitigen Arbeitnehmerkündigung könnte den Arbeitnehmer von der Inanspruchnahme seiner Freizügigkeit abhalten. Dafür läßt sich anführen, daß der Zusammenhang der Gratifikation mit der tatsächlichen Arbeitsleistung zu einer Verfestigung des Anspruchs im Vermögen des Arbeitnehmers geführt haben könnte. (2) Lösung durch das BAG Das BAG hält es für zulässig, daß bei einer Sonderzahlung, die als Belohnung bisheriger Dienste und zugleich in Erwartung zukünftiger Betriebstreue gezahlt wird (Gratifikation mit Mischcharakter), beide Voraussetzungen gleichwertig ausgestaltet werden. 517 Mit einer freiwilligen Jahresleistung könnten verschiedene Zwecke verfolgt werden. Sie könne als zusätzliche Vergütung für die im Bezugsjahr geleistete Arbeit gewährt werden. Sie könne aber auch Entgeltcharakter für die in der Vergangenheit erbrachte Betriebstreue haben (ununterbrochene Betriebszugehörigkeit in der Vergangenheit) und einen Anreiz für zukünftige Betriebstreue (weitere Betriebszugehörigkeit) begriinden.518 Diese Zwecke könnten einer Jahresleistung einzeln oder auch gemeinsam zugrunde liegen. 519 Ob die eine oder die andere Zweckbestimmung oder mehrere gleichzeitig mit einer Jahresleistung verbunden würden, hänge nicht vorrangig von ihrer Bezeichnung ab. Die Bezeichnung könne allenfalls als ein zusätzliches Indiz, nicht aber als ausschlaggebendes oder gar alleiniges Merkmal für eine besondere Zielsetzung herangezogen werden. 52o Ausschlaggebend für die Bestimmung des mit der Jahresleistung verfolgten Zwecks seien in erster Linie die Voraussetzungen, unter denen sie gewährt werde. Die Gratifikationsabsprache mit Mischcharakter sei nicht unzulässig, da dem Arbeitnehmer keine "verdiente" Zuwendung genommen werde. 521 Die angekündigte Sonderzahlung werde zwar wegen der tatsächlichen Leistungen der Arbeitnehmer im Jahresverlauf gewährt. Mit der Erbringung dieser Leistung habe der Ar516 BAG, Urteil v. 19. 11. 1992, AP Nr. 147 zu § 611 BGB Gratifikation, B1. 2; Erfurter Kommentar I Preis § 611 BGB, Rn. 793; anders Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 78, Rn. 8, der Mischformen nur beim Entgelt im engeren Sinne annimmt. 517 BAG, Urteil v. 19. 11. 1992, AP Nr. 147 zu § 611 BGB Gratifikation, B1. 2; BAG, Urteil v. 25. 4.1991, AP Nr. 137 zu § 611 BGB Gratifikation, B1. 3; BAG, Urteil v. 26.10.1994, AP Nr. 167 zu § 611 BGB Gratifikation, B1. 2. 518 BAG, Urteil v. 25. 4. 1991, AP Nr. 137 zu § 611 BGB Gratifikation, B1. 3. 519 BAG, Urteil v. 25. 4. 1991, AP Nr. 137 zu § 611 BGB Gratifikation, B1. 3, unter Verweis auf: BAG, Urteil v. 18. 1. 1978, AP Nr. 92 zu § 611 BGB Gratifikation, B1. 2; BAG, Urteil v. 8. 11. 1978, AP Nr. 100 zu § 611 BGB Gratifikation, B1. 1; BAG, Urteil v. 7. 12. 1989, AP Nr. 14 zu § 1 TVG Tarifverträge, Textilindustrie, B1. 3. 520 BAG, Urteil v. 25. 4. 1991, AP Nr. 137 zu § 611 BGB Gratifikation, B1. 3. 521 BAG, Urteil v. 19. 11. 1992, AP Nr. 147 zu § 611 BGB Gratifikation, B1. 2.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
beitnehmer die Sonderzahlung aber noch nicht "verdient". Der Arbeitnehmer habe weder einen Anspruch auf eine Sonderzahlung noch könne er mit einem solchen infolge der Stichtagsklausel rechnen. Solle indes ein Ausschluß, eine Kürzung oder Quotelung der Gratifikation mit Mischcharakter für Nichtarbeit vorgenommen werden, so müsse dies bei Gratifikationen mit Mischcharakter ausdrücklich vereinbart werden. 522 Den Arbeitsvertragsparteien sei bekannt, daß der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses während eines bestimmten Zeitraumes nicht lückenlos mit Zeiten tatsächlicher Arbeit für den Betrieb ausgefüllt sei und daß Zeiten fehlender Arbeitsleistung in diesem Zeitraum für die einzelnen Arbeitnehmer in unterschiedlicher Höhe anfielen, so daß aus einer fehlenden Absprache über diese Umstände auf den fehlenden Willen zu deren Regelung geschlossen werden könne. 523 (3) Stellungnahme Dem BAG ist auch in grenzüberschreitenden Sachverhalten bei der Bewertung der Gratifikationen mit Mischcharakter zuzustimmen. Die Nichtgewähr der Gratifikation mit Mischcharakter beschränkt die Freizügigkeit des Arbeitnehmers ebensowenig wie das Vorenthalten einer Gratifikation für die Betriebstreue mit einer Stichtagsklausel. Voraussetzung ist freilich, daß die Sondervergütung keinen Entge1tcharakter im engeren Sinne besitzt. Dafür muß zwischen Entgelt, für das der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft einsetzt, und Entgelt, das dem Arbeitnehmer für Betriebstreue versprochen wird, unterschieden werden. 524 Soll die Sondervergütung in erster Linie nicht für die geleistete Arbeit, sondern für die Betriebstreue gewährt werden, kann die Auszahlung der Prämie auch von dem Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig gemacht werden. Dem Arbeitnehmer wird dann nämlich kein verdientes Entgelt entzogen, sondern ein Anreiz für das Verbleiben beim Arbeitgeber gegeben. Dieser Anreiz bindet den Arbeitnehmer nicht so stark, daß er an einer Kündigung gehindert wäre. Ihm wird lediglich ein Vorteil vorenthalten, der noch nicht zum gesicherten Bestandteil seines Vermögens zählt. Die Gratifikation mit Mischcharakter stellt daher regelmäßig ein Entgelt wegen der Betriebstreue und nicht wegen geleisteter Dienste dar. Das Erfordernis einer bestimmten Arbeitsleistung soll den Arbeitnehmer zur Betriebstreue im aktiven Arbeitsverhältnis motivieren. Die Gratifikation wird zwar unter die zusätzliche Bedingung des bestehenden Arbeitsverhältnisses gestellt. Sie vergütet aber nicht die Arbeitsleistung im engeren Sinne. Das zeigen die hohen Anforderungen des BAG an die Kürzung und die Gewähr anteiliger Ansprüche, wenn im Vorfeld keine entBAG, Urteil v. 5. 8. 1992, AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. BAG, Urteil v. 5. 8. 1992, AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 524 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Hanau § 69, Rn. 33; Gaul, Sonderleistungen und Fehlzeiten, S. 199 - 206. 522 523
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sprechende Absprache über solche Maßnahmen vereinbart wurde. Die tatsächliche Arbeitsleistung ist nur eine Minimalvoraussetzung, das maßgebliche Kriterium ist nur das bestehende Arbeitsverhältnis an einem Stichtag. Die Gratifikationsregelung entfaltet somit nur geringe Bindungswirkung. Dem Arbeitnehmer wird kein Vermögen entzogen, sondern vorenthalten. Der Arbeitnehmer wird nicht in seiner Freizügigkeit beschränkt, es bedarf keiner Anwendung besonderer Schutzvorschriften. ce) Sonderfall" Treueprämie"
(1) Ansicht des BAG Weniger eindeutig ist der folgende vom BAG entschiedene Fall. 525 Der Arbeitgeber hatte den Stammarbeitnehmern des Betriebs eine Treueprämie zugesagt. Diese betrug 20 Pfennig je geleistete Arbeitsstunde. Die Prämie sollte zu 25% im Dezember eines jeden Jahres ausgezahlt werden. Der restliche Teil sollte zu 50% im 5. Auszahlungsjahr, 75% im 10. Auszahlungsjahr und zu 100% im 15. Auszahlungsjahr ausgeschüttet werden. Von dieser Regelung profitierten nur die Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber zu Stammarbeitern ernannt hatte. Diese Ernennung konnte widerrufen werden, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigte. Der klagende Arbeitnehmer verlangte die anteilige Auszahlung seiner Treueprämie, nachdem er das Arbeitsverhältnis gekündigt und der Arbeitgeber die Ernennung zum Stammarbeiter widerrufen hatte. Das BAG legt die Zusage des Arbeitgebers so aus, daß es sich bei den Auszahlungsterminen lediglich um Bestimmungen der Fälligkeit handelte. 526 Die Treueprämie sei bereits seit Jahren verdient. Folglich stelle die Widerrufsmöglichkeit eine unzulässige Kündigungserschwerung dar, die bereits entstandene Ansprüche durch einen rückwirkenden Widerruf zunichte mache. Ein solcher Widerruf dürfe sich im Falle einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitnehmer nur auf die Zukunft erstrecken. 527 Im Rahmen der Vertragsfreiheit sei es zwar zulässig, widerrufliche Leistungszusagen auch tatsächlich zu widerrufen, indes gelte dies nur für die Zukunft. 528 Die Entschließungsfreiheit des Arbeitnehmers zur Kündigung sei wesentlich weniger beeinträchtigt, wenn eine Zuwendung noch nicht ausgezahlt sei, als wenn er zur Rückgewähr bereits gewährter und regelmäßig ausgegebener Beträge verpflichtet werde. 529 Die Rückfor525 BAG, Urteil v. 27. 7. 1972 AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG, Urteil v. 12. 10. 1972 AP Nr. 77 zu § 611 BGB Gratifikation. 526 BAG, Urteil v. 27. 7. 1972 AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3; BAG, Urteil v. 12. 10. 1972 AP Nr. 77 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 527 BAG, Urteil v. 27. 7. 1972 AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3; BAG, Urteil v. 12. 10. 1972 AP Nr. 77 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 528 BAG, Urteil v. 27. 7. 1972 AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3; BAG, Urteil v. 12. 10. 1972 AP Nr. 77 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 529 BAG, Urteil v. 27. 7. 1972 AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3; BAG, Urteil v. 12. 10. 1972 AP Nr. 77 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
derung sei nur im Rahmen eines nahen zeitlichen Zusammenhangs nach der Gewähr zulässig. Dem Arbeitnehmer werde kein künftiger Anspruch vorenthalten, vielmehr entfielen nachträglich bereits entstandene Ansprüche. Da dem Arbeitnehmer aber nur eine Betriebsbindung für begrenzte Zeiträume zugemutet werden dürfe, beschränke der zeitliche Rahmen von 15 Jahren, nach denen der Arbeitnehmer erst in den Genuß der vollen Gratifikation gelange, die Beendigungsfreiheit besonders intensiv. Folglich sei der rückwirkende Widerruf unwirksam, insbesondere wegen Verstoßes gegen § 622 Abs. 6 BGB und § 315 BGB. 530 Für das laufende Jahr, in dem der Arbeitnehmer kündigte, bestehe jedoch kein Anspruch auf eine anteilige Sondervergütung, da das Arbeitsverhältnis am Stichtag nicht bestanden habe. 53 ! Dem Arbeitgeber stehe es frei, eine Anwesenheitsprämie vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses über einen gewissen Zeitraum abhängig zu machen.
(2) Stellungnahme Der Verlust bereits verdienter aber noch nicht falliger Prämien steht einem Verlust verdienten Entgelts im engeren Sinne bei einer ordnungsgemäßen Kündigung des Arbeitnehmers gleich. In dem vom BAG entschiedenen Fall hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer verdientes Entgelt im engeren Sinne entzogen, da die Vergütungsabrede mit 20 Pfennig pro geleistete Arbeitsstunde allein an die tatsächliche Arbeitsleistung anknüpft und lediglich die Fälligkeit des Anspruch hinausschiebt. Mit der Arbeitsleistung wurde der Anspruch anteilig erworben, auch wenn der Arbeitnehmer am Stichtag das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt hatte. Dem Arbeitnehmer wurde für seine Kündigung ein einseitiger Vermögensnachteil auferlegt, der seine Kündigung erschwerte und die Freizügigkeit beschränkte. Eine solche Absprache verstößt unabhängig von der Dauer der Bindung gegen § 622 Abs. 6 BGB, der die Schutzpflicht des Art. 39 EG konkretisiert. Die erschwerende Absprache, hier der Verlust des Entgelts, ist nach § 134 BGB nichtig. Folglich erhält der Arbeitnehmer anteilig für geleistete Arbeit einen Anspruch auf die Sonderzuwendung zu dem vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt. Kritik ist aber an dem Anspruchsausschluß für das letzte Kalenderjahr angebracht, in dem der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag beendete. Sind die Ansprüche nämlich verdient und damit Entgelt im engeren Sinne, kann die Kündigung vor dem Stichtag in einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auch nicht zum Entfallen des Anspruchs im letzten Kalenderjahr führen. Folglich verstößt der Entzug des anteiligen Anspruchs für das letzte Arbeitsjahr ebenfalls gegen § 622 Abs. 6 BGB.
530 BAG, Urteil v. 27. 7. 1972 AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3; BAG, Urteil v. 12. 10. 1972 AP Nr. 77 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2. 531 BAG, Urteil v. 27. 7. 1972, AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 4.
V. Anwendungsbeispiele
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dd) Ergebnis
Beim Vorenthalten finanzieller Vorteile ist somit genau zu untersuchen, welche Verfestigung die Leistung des Arbeitgebers im Vermögen des Arbeitnehmers erfahren hat. Je näher sie dem Entgelt für die geleistete Arbeit steht und bereits verdient ist, umso weniger kann sie dem Arbeitnehmer entzogen oder unter eine zusätzliche Bedingung gestellt werden. 532 Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer das Entgelt schon erhalten hat oder zurückzahlen muß. Soll die Leistung des Arbeitgebers hingegen die Betriebstreue fördern, so kann der Arbeitgeber die Unverfallbarkeit weiter in die Zukunft verschieben. Der Arbeitnehmer wird nicht in seiner Freizügigkeit beschränkt und bedarf daher keines gesetzlichen Schutzes nach § 622 Abs. 6 BGB.
e) Verfallbarkeit von Anwartschaften aus betrieblicher Altersversorgung
Wie weit der Arbeitnehmer die Unverfallbarkeit von Sondervergütungen in die Zukunft verlegen kann, zeigen die Grundsätze zu den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Der Arbeitgeber verspricht dem Arbeitnehmer eine besondere Altersversorgung, wenn er bis zum Beginn des Rentenalters für ihn arbeitet. Diese Klauseln knüpfen nicht an die tatsächliche Arbeitsleistung, sondern an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses an einem Stichtag an und honorieren damit die Betriebstreue. 533 Wegen des großen Vertrauens, des langen Wartezeitraumes und der wachsenden Bedeutung privater Zusatzversorgung im Alter hat das BAG abweichend von den allgemeinen Stichtagsklauseln eine Unverfallbarkeit nach 20 Jahren begründet. 534 Arbeitnehmer würden wegen des Verlustes der Anwartschaft besonders intensiv an den Arbeitsplatz gebunden. Nach einem gewissen Zeitraum entfalte die Stichtagsklausel der betrieblichen Altersversorgung einseitige Bindungswirkung zu Lasten des Arbeitnehmers, da die Prämie bei jeglicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ausgezahlt wird, der Arbeitgeber aber selbst nicht an der Kündigung des Arbeitnehmers gehindert ist. Diese Bindungswirkung beschränke den Arbeitnehmer in seiner Berufsfreiheit. Die verfallbare Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung beschränkt auch die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Heute schützt § Ib BetrAVG die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vor Beschränkungen ihrer Freizügigkeit durch die anteilige Unverfallbarkeit nach fünf Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 339, 340. EuGH, Urteil v. 17.5. 1990 (Barber), Sig. I 1990, S. 1889, 1951, Rn. 22; BAG, Urteil v. 10. 3. 1972, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, BI. 4; Handbuch der betrieblichen Altersversorgung/ Uebelhack 10, Rn. 15; Lemke, BB 1957, S. 512, 513; Wiedemann, RdA 1969, S. 244, 246; Höfer ART 2. Teil, Rn. 41; Dieterich, AuR 1971, S. 129, 131; Däubler, Festschrift Gnade, S. 95, 104. 534 BAG, Urteil v. 10.3. 1972, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, BI. 5. 532 533
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Jahren. 535 Es bedarf keines weiteren Schutzes mehr über die Generalklausein des Zivilrechts. 1) Übernahme einer vom Arbeitnehmer abgeschlossenen Lebensversicherung
aa) Entscheidung des RAG
Zu einem anderen Ergebnis ist das BAG bei der Bewertung einer tarifvertraglichen Regelung gelangt, wonach Piloten zur Überbrückung der Zeit zwischen dem 61. und 65. Lebensjahr die Möglichkeit eröffnet wurde, eine überwiegend vom Arbeitgeber finanzierte Lebensversicherung abzuschließen, die der Arbeitgeber in der Höhe seiner Beiträge im Falle der Kündigung des Arbeitnehmers durch ein Bezugsrechts an sich ziehen konnte. 536 Das BAG hat eine Anwendung von § I BetrAVG a.F. (heute § lb BetrAVG) abgelehnt, da der Arbeitgeber nicht Versicherungsnehmer im Sinne des § lb Abs. 2 BetrAVG sei. 537 Das Bezugsrecht falle auch nicht unter § 622 Abs. 6 BGB, da es sich um eine tarifvertragliche Regelung handele, die keiner Billigkeitskontrolle unterliege. 538 bb) Stellungnahme
Die Entscheidung des BAG würde der Bedeutung des Art. 39 EG in einem grenzüberschreitenden Sachverhalt nicht gerecht. Der Arbeitnehmer verliert nämlich eine Anwartschaft, da er wie auch bei einer betrieblichen Altersversorgung in erheblichem Maße auf die finanzielle Überbrückung der Zeit der Arbeitslosigkeit zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr vertraut. Hinzukommt, daß die Altersgrenze bei anderen Luftfahrtunternehmen wohl ebenfalls üblich ist und der Pilot keine Möglichkeit mehr hat, bei einem anderen Unternehmen eine finanzielle Sicherung der Übergangszeit zu erlangen. Dem Arbeitnehmer wird ein später nur schwer auszugleichender Beitrag des Arbeitgebers zur Altersversorgung entzogen. Der Arbeitnehmer wird daher faktisch an einer Kündigung gehindert. Er ist durch § lb BetrAVG vor Beschränkungen seiner Freizügigkeit zu beschützen. Zwar nimmt der Arbeitnehmer entgegen § lb BetrAVG die Rolle des Versicherungsnehmers ein. Der Arbeitgeber ist aber durch das Bezugsrecht faktisch Versicherungsnehmer, so daß der Schutzgedanke des § lb BetrAVG greift. Es wäre auch zu formal, auf die Person des Versicherungsnehmers im Sinne des § I b Abs. 2 BetrAVG abzustellen. Die Anwendung des § lb Abs. 2 und I BetrAVG ist daher zum Schutz der Freizügigkeit des Arbeitnehmers geboten. Diese Lösung 535 536 537 538
Siehe oben 1. Kapitel, X., 3., c), aa). BAG, Urteil v. 10.3. 1992, AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung. BAG, Urteil v. 10. 3. 1992, AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, BI. 2. BAG, Urteil v. 10. 3.1992, AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, BI. 3.
V. Anwendungsbeispiele
291
berücksichtigt ausreichend die Interessen des Arbeitgebers, da fünf Jahre eine erhebliche Bindung an den Arbeitsplatz zulassen und die Lebensversicherung nach § 2 BetrAVG auch nur anteilig zu gewähren gewesen wäre.
g) Rückzahlung von Gratifikationen und sonstigen Sonderleistungen für Betriebstreue aa) Individualvertrag (1) Problematik
In Arbeitsverträgen werden oftmals Absprachen getroffen, daß der Arbeitnehmer Gratifikationen für Betriebstreue zurückzuzahlen hat, wenn er das Arbeitsverhältnis vor einem bestimmten Datum beendet. Anders als das Entgelt für tatsächlich geleistete Arbeit honorieren diese Zuwendungen die Betriebstreue, setzen also lediglich das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraus. 539 In Abgrenzung zu den Gratifikationen mit Stichtagsregelungen wird die Auszahlung aber nicht nur unter die aufschiebende Bedingung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt gestellt, sondern der Arbeitnehmer darf das Geld nur dann behalten, wenn das Arbeitsverhältnis nach Erhalt der Gratifikation bis zu einem weiteren Stichtag fortbesteht. Diese Rückzahlungsklauseln bewirken eine Bindung an das Arbeitsverhältnis, da der Arbeitnehmer die Gratifikation möglicherweise vor dem Stichtag ausgegeben hat und deshalb von einer Kündigung absieht. Die Absprache hindert den Arbeitnehmer dann an der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses und damit an der Ausübung seiner Freizügigkeit. Zwar könnte der Arbeitnehmer das erhaltene Geld auch ablehnen, um es keinesfalls zurückzahlen zu müssen. Die Gratifikation wird ihm aber auch als Entgelt für die bereits geleistete Betriebstreue gewährt, er hat zumindest teilweise die Voraussetzungen für ihren Erhalt geschaffen. Fraglich ist, wie der Arbeitnehmer vor der Beschränkung seiner Freizügigkeit geschützt werden kann.
(2) Lösung des BAG und des Schrifttums Nach Ansicht des BAG unterfallen Rückzahlungsklauseln freiwilliger Gratifikationen für Betriebstreue im Grunde nicht dem Verbot der einseitigen Kündigungserschwerung nach § 622 Abs. 6 BGB. 540 Zwar hätte die Vorinstanz die Rückzahlungspflicht unter Hinweis auf das Verbot der einseitigen Kündigungserschwerung 539 Zur Abgrenzung Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 120 ff.; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/ Hanau § 69, Rn. 23. 540 BAG, Urteil v. 31. 5. 1960, AP Nr. 15 zu § 611 Gratifikation, BI. 2 zur Vorgängerregelung in § 67 Abs. 4 HGB.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
für unwirksam gehalten. 54l Jedoch bewirke die Klausel keinen einseitigen Vermögensnachteil für den Arbeitnehmer. Dieser erleide bei der Kündigung nur dann einen Vermögensnachteil, wenn er von seinem Vermögen etwas opfern müßte, was ihm ohne entsprechende Absprache im Vermögen verblieben wäre und der Arbeitgeber nicht hätte in Anspruch nehmen können (z. B. die Zahlung einer Konventionalstrafe, eine Lohnkürzung oder die Rückzahlung von Urlaubsentgelt).542 Der Arbeitnehmer hätte die freiwillige Gratifikation ohne die vereinbarte Rückzahlungsklausel überhaupt nicht erhalten. Es sei ihm daher zuzumuten, das herauszugeben, was er nur behalten sollte, wenn er die getroffene Vereinbarung einhielte. 543 Die Rückzahlungspflicht sei kein einseitiger Vermögensnachteil aus Anlaß der Kündigung. Nur der Vermögensvorteil, auf dessen Erhalt der Arbeitnehmer keinen Anspruch und auf dessen Behalten er nur einen auflösend bedingten Anspruch hätte, werde rückabgewickelt. 544 Die Gratifikation sei freiwillig versprochen worden und begründe einen genau meßbaren Vorteil beim Arbeitnehmer. 545 Der Nachteil der Rückzahlungsverpflichtung sei demgegenüber gering. Dem Arbeitnehmer werde nur zugemutet, auf den Vermögensvorteil zu verzichten, den er nicht erhalten hätte, wenn er sich nicht zur Rückzahlung verpflichtet hätte. 546 Die Absprache verstoße nicht gegen § 622 Abs. 6 BGB, da die von § 622 Abs. 6 BGB intendierte Gleichheit der Kündigungsfristen seit langem nicht mehr der Gleichheit der beiderseitigen Kündigungsmöglichkeiten entspreche. 547 Der Arbeitnehmer genieße besonderen Kündigungsschutz, so daß § 622 Abs. 6 BGB lediglich untergeordnete Schutzfunktion zukomme.~48 Der Umstand, daß der Arbeitnehmer möglicherweise inzwischen das Geld ausgegeben habe, sei mißlich, rechtfertige aber keine andere Beurteilung. Wolle der Arbeitnehmer Rückzahlungspflichten vermeiden, solle er von der Annahme der Gratifikation absehen. Dennoch sei mit der Rückzahlungspflicht nicht die Möglichkeit eröffnet, den Arbeitnehmer für unbestimmte oder ungebührlich lange Zeit zu der Rückzahlung zu verpflichten. 549 Bei solchen Vereinbarungen müsse eine nach § 622 Abs. 6 BGB unzulässige Kündigungserschwerung in Betracht gezogen werden. 55o Wird der Arbeitnehmer nicht unangemessen lang an das Arbeitsverhältnis gebunden, hat das BAG über § 242 BGB eine Staffelung der Rückzahlungsbeträge BAG, Urteil v. 31. 5.1960, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. BAG, Urteil v. 31. 5.1960, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 543 BAG, Urteil v. 31. 5. 1960, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3. 544 BAG, Urteil v. 31. 5.1960, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 545 BAG, Urteil v. 31. 5. 1960, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2, 3. 546 BAG, Urteil v. 31. 5.1960, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3. 547 BAG, Urteil v. 31. 5. 1960, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3. 548 BAG, Urteil v. 31. 5. 1960, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 549 BAG, Urteil v. 31. 5. 1960, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3. 550 BAG, Urteil v. 31. 5. 1960, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3; BAG, Urteil v. 10.5. 1962, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Gratifikation. 541
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V. Anwendungsbeispie1e
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vorgenommen. Danach ist bei Individualverträgen die Verpflichtung zur Rückzahlung einer Gratifikation bis zur Höhe von DM 200,- stets unzulässig,551 die Rückzahlung eines Weihnachtsgeldes von einer Höhe bis zu einem Monatsgehalt muß ein Ausscheiden zum 31.3. ennöglichen,552 bei einer Gratifikation zwischen einem und zwei Monatsgehältern kann die Beendigung über den 31.3. des Folgejahres hinaus ausgeschlossen werden,553 und bei 2 Monatsgehältern bis zum 30. 6. des Folgejahres. 554 Diese Zeiten gälten auch für Urlaubsgratifikationen 555 und alle sonstigen Prämien, die nicht als Entgelt im engeren Sinne zu bewerten seien. 556 Dieser Rechtsprechung schließt sich das Schrifttum an. 557
(3) Stellungnahme
Diese Grundsätze genügen der Schutzpflicht aus Art. 39 EG. Die Rückzahlungsklauseln benachteiligen weder Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten noch grenzüberschreitende Vorgänge. Außerdem wird der Zugang zu fremden Arbeitsmärkten nicht als solcher ausgeschlossen. Zu kritisieren ist allein, daß das BAG die Staffelung der Rückzahlungsklauseln aus § 242 BGB ableitet und § 622 Abs. 6 BGB ohne besondere Begriindung erst bei unangemessen langen Bindungszeiten anwenden möchte. Die Lösung der gesamten Konstellation sollte einheitlich über § 622 Abs. 6 BGB erfolgen. Wenn die Rückzahlungspflicht die Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers tatsächlich beschränkt, dann ist dies ab dem ersten Tag der Rückzahlungspflicht der Fall. Die Anwendung des § 622 Abs. 6 BGB mit der Begriindung abzulehnen, daß der Arbeitgeber intensiver in seiner Kündigungsfreiheit durch das KSchG beeinträchtigt ist, geht fehl und vergleicht Äpfel mit Birnen. Das KSchG steht in keinem inneren Zusammenhang mit der Gratifikation und findet nicht auf jedes Arbeitsverhältnis Anwendung, so daß sich Verallgemeinerungen auf alle Arbeitsverhältnisse verbieten. Der Kündigungsschutz kann außerdem nicht im Sinne BAG, Urteil v. 17.3. 1982, AP Nr. 110 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 1. BAG, Urteil v. 9. 6. 1993, AP Nr. 150 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 553 BAG, Urteil v. 12. 10. 1967 Nr. 62 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG, Urteil v. 20. 3. 1974, AP Nr. 82 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. I; BAG, Urteil v. 28. 1. 1981, AP Nr. 106 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 554 BAG, Urteil v. 13. 11. 1969, AP Nr. 69 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 555 BAG, Urteil v. 15.3. 1973, AP Nr. 78 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 556 LAG Köln, Urteil v. 14.5. 1993, LAGE Nr. 19 zu § 611 BGB Gratifikation, S. 3. 557 Weinrichl Weinrich, Gratifikationen, Anwesenheitsprämien und Teueprärnien, Tantiemen, S. 86 ff.; Blomeyerl Buchner, Rückzahlungsklauseln im Arbeitsrecht, S. 27 ff.; Erfurter Kommentar I Preis § 611 BGB, Rn. 811; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 78, Rn. 46, 47; Münchener KommentarlMüller-Glöge § 611 BGB, Rn. 362, 363; ErmanlHanau § 611 BGB, Rn. 456; Staudingerl Preis § 611 BGB, Rn. 645 ff.; Hinweise auf eine mögliche künftige Veränderung wegen der neuen Fristen in § 622 BGB gibt Erfurter Kommentar I Preis § 611 BGB, Rn. 811; ablehnend LAG Hamm, Urteil v. 14. 8. 1998, AP Nr. 208 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 3. 551
552
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
des § 622 BGB frei vereinbart werden, sondern soll dem Arbeitnehmer zusätzlichen Schutz am Bestand seines Arbeitsplatzes geben. Die Unterschiede gesetzlicher und vertraglicher Kündigungserschwerung verdeutlicht bereits die Argumentation des BAG bei der Zahlungspflicht von beidseitigen "Abfindungen" im Falle ordnungsgemäßer Kündigungen, wonach sich nichts an der Unzulässigkeit der einseitigen Kündigungserschwerung ändere, wenn der Arbeitgeber ebenfalls zur Zahlung der Strafe verpflichtet sei, die im Einzelfall sogar noch höher sei als die des Arbeitnehmers. 558 Zwischen beiden Zahlungen bestehe ein grundlegender Unterschied, da Abfindungen für den Arbeitgeber eine normale Erscheinung des Arbeitslebens seien (§§ 9, 10 KSchG), für einen Arbeitnehmer hingegen keine gesetzliche Abfindungsregelung bestehe. 559 So ist auch der Kündigungsschutz eine normale Erscheinung des Arbeitslebens. Jede dem KSchG vergleichbare Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis stünde in Einklang mit § 622 Abs. 6 BGB. Die Lösung des BAG ist außerdem widersprüchlich, wenn § 622 Abs. 6 BGB erst bei besonders langer Bindungsdauer angewandt und vorher auf die GeneralklauseIn des Zivilrechts zurückgegriffen wird. Nach den Grundsätzen der Schutzpflicht aus Grundfreiheiten und Grundrechten sind die GeneralklauseIn erst anzuwenden, wenn der Gesetzgeber keine speziellen Schutzvorschriften geschaffen hat. Speziellen Schutz gewährt aber § 622 Abs. 6 BGB, der Vermögensnachteile als einseitige Kündigungserschwerungen für den Arbeitnehmer verbietet. Zwar entfalten Vermögensnachteile eine größere Bindungswirkung als Rückzahlungspflichten von Gratifikationen für zukünftige Betriebstreue. Die Rückzahlungsverpflichtung erschwert dennoch die Kündigung des Arbeitnehmers. Vorrangig müssen daher die besonderen Schutzmechanismen eingreifen, um Beschränkungen des Art. 39 EG vorzubeugen. Spezialgesetzlich greift dann aber die Wertung des § 622 Abs. 6 BGB. Die Anwendung des § 622 Abs. 6 BGB führt indes zu ähnlichen Ergebnissen wie die Lösung der Rechtsprechung. § 622 Abs. 6 BGB verbietet nämlich nur einseitige Kündigungserschwerungen zu Lasten des Arbeitnehmers. Der Vorschrift läßt sich der Rechtsgedanke entnehmen, daß eine gleichartige faktische Bindung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an das Arbeitsverhältnis zulässig ist. Wird nämlich der Rechtsgedanke des Verbots der einseitigen faktischen Kündigungserschwerung aus § 622 Abs. 6 BGB abgeleitet, so muß daraus die Zulässigkeit einer im gleichen Maße Arbeitgeber und Arbeitnehmer bindenden faktischen Kündigungserschwerung entnommen werden. Der Rechtsgedanke des § 622 Abs. 6 BGB würde ansonsten einseitig zu Lasten des Arbeitgebers übertragen. Er könnte sich nicht auf eine vergleichbare faktische Bindung an das Arbeitsverhältnis berufen, um die Folge des § 622 Abs. 6 BGB abzuwenden. Neben der Gleichheit der rechtlichen Kündigungserschwerung muß es daher auch eine Gleichheit der faktischen Kündigungserschwerung geben, auch wenn die gleiche faktische Bindung nur schwer hergestellt werden kann. 558 559
BAG, Urteil v. 6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BGB, BI. 2. BAG, Urteil v. 6. 9. 1989, AP Nr. 27 zu § 622 BGB, BI. 2.
V. Anwendungsbeispiele
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Fraglich ist, ob die Rückzahlungsklauseln eine faktisch gleiche Bindung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer an das Arbeitsverhältnis begründen. Der Arbeitnehmer ist durch die Rückzahlungspflicht an der Kündigung gehindert. Der Arbeitgeber ist auch an einer Kündigung des Arbeitnehmers gehindert, da er aufgrund der Zahlung der Gratifikation ein Interesse daran hat, daß der Arbeitnehmer weiterhin in seinem Betrieb verbleibt. Die Investition in die zukünftige Betriebstreue des Arbeitnehmers amortisiert sich für ihn nur, wenn er den Arbeitnehmer nicht vorzeitig entläßt. Folglich könnte von einer faktischen Gleichheit der Kündigungserschwerung gesprochen werden. Dies gilt indes nur dann, wenn der Arbeitgeber den Rückzahlungsanspruch bei der arbeitgeberseitigen, nicht vom Arbeitnehmer verursachten Kündigung verliert. 56o § 622 Abs. 6 BGB setzt damit voraus, daß der Arbeitgeber seine Gratifikation bei einer von ihm verursachten Kündigung nicht zurückverlangen kann. Die Rückzahlungsklauseln können sich somit nur auf die Arbeitnehmerkündigung beziehen. Der Arbeitgeber hat keinen Rückzahlungsanspruch bei einer nicht vom Arbeitnehmer verursachten Kündigung. Der Arbeitgeber ist somit faktisch durch die Auszahlung der Gratifikation an der Kündigung gehindert, da sich die Gratifikation auch für ihn lohnen soll. Die Erschwerung der Kündigung müßte für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleich sein. Um zu einer Gleichheit der faktischen Kündigungserschwerung zu gelangen, muß die kurze Bindungswirkung der Investition für den Arbeitgeber beachtet werden. Die Gratifikation entfaltet für ihn bei kleinen Beträgen überhaupt keine Bindungswirkung und bei größeren nur eine Bindung von begrenzter Dauer, da sich der Betrag schnell für ihn amortisiert. Der Arbeitgeber verliert schnell die Motivation zur Weiterführung des Arbeitsverhältnisses, da der Betrag für ihn ein wesentlich geringeres wirtschaftliches Gewicht besitzt. Bei einer langfristigen Rückzahlungsverpflichtung wird offensichtlich, daß der Arbeitnehmer stärker gebunden wird. Nur solange der Arbeitgeber die gleiche Anzahl von "Kündigungsmöglichkeiten" verkauft wie der Arbeitnehmer, ist die Vereinbarung einer Rückzahlungspflicht zulässig. Die Staffelung der Rückzahlungsklauseln trägt dieser faktischen Gleichheit der Kündigungserschwerung Rechnung. Der Verlust einer Gratifikation von DM 200,- hält den Arbeitgeber sicher nicht davon ab, den Arbeitnehmer zu entlassen. Gewährt der Arbeitgeber aber mehrere Monatsgehälter, kann durchaus eine faktische Bindung des Arbeitgebers an das Arbeitsverhältnis eintreten. Bei einer derart hohen Gratifikation wird er eher geneigt sein, den Arbeitnehmer auch bei vorübergehender wirtschaftlicher Stagnation weiterzubeschäftigen. Werden die zeitlichen Grenzen des BAG überschritten, nimmt die Bindung des Arbeitgebers ab, während der Arbeitnehmer zumindest gleich gebunden bleibt. Der 560 Diese Frage hatte das BAG bisher entgegen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 78, Rn. 45, Fn. 125, 126 noch nicht zu entscheiden. Es hat die Unzulässigkeit der Rückzahlung von Ausbildungsbeihilfen bei einer Arbeitgeberkündigung bejaht: Urteil v. 6. 5. 1998, AP Nr. 28 zu § 611 Ausbildungsbeihilfe, BI. 2; so auch Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Hanau § 69, Rn. 53, 54; a.A. Henssler, Anmerkung zu BAG, Urteil v. 25. 4. 1991, EzA Nr. 85 zu § 611 BGB Gratifikation, S. 11,21.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Verlust der Gratifikation ist dann keine Erschwerung der Kündigung für den Arbeitgeber mehr, da sich geringere Investitionen für ihn schneller amortisieren. Der Arbeitnehmer wäre einseitig stärker an das Arbeitsverhältnis gebunden. Die Absprache über die Rückzahlung verstößt dann gegen § 622 Abs. 6 BGB. Die richterrechtlichen Grundsätze des BAG sichern als Konkretisierung der Pflicht zur Gleichheit der faktischen Kündigungserschwerung aus § 622 Abs. 6 BGB den Schutz der Arbeitnehmer vor Beschränkungen ihrer Freizügigkeit. Voraussetzung der gleichen Kündigungserschwerung ist, daß der Arbeitgeber für nicht vom Arbeitnehmer verursachte Kündigungen keine Rückzahlung verlangen kann und die Bindung nicht übermäßig lange währt. (4) Bewertung der Rechtsfolgen abweichender Vereinbarungen Nach dem Grundsatz der Nichtigkeit faktischer Kündigungserschwerungen müßten abweichende Vereinbarungen nach § 134 BGB nichtig sein. Das BAG geht aber davon aus, daß die Vertragsparteien, hätten sie die Nichtigkeit die Rückzahlungsverpflichtung gekannt, 56! die zulässigen Rückzahlungsfristen vereinbart hätten, und gleicht über § l39 BGB die Rückzahlungspflicht den zeitlichen Grenzen der Rechtsprechung an. 562 Nur die Rückzahlungsklauseln über geringfügige Gratifikationen könnten nicht aufrechterhalten werden und seien nach § l34 BGB nichtig. 563 Diese Rechtsfolgen könnten in grenzüberschreitenden Sachverhalten im Widerspruch zu der Schutzpflicht des Gesetzgebers aus Art. 39 EG stehen, da die Bindung des Arbeitnehmers zum Teil aufrechterhalten wird und der Arbeitnehmer weiterhin in seiner Freizügigkeit beschränkt bleibt. Bei der Anwendung des § 139 BGB wird die Absprache der Vertragspartner aber mit der zulässigen Bindungsdauer für beide Vertragspartner wirksam. Anders als bei der Vertragsstrafe gelingt bei den Gratifikationen ein begrenzter Ausgleich der Kündigungserschwerungen. Die Privatautonomie geht insoweit der richterlichen Inhaltskontrolle vor, was § l39 BGB privilegiert berücksichtigt. Die Rückzahlungsklausel für nichtig zu erklären widerspräche offensichtlich den Interessen der Vertragspartner, die jedenfalls eine Bindungswirkung herbeiführen wollten. Gegen dieses Ergebnis wird bei vorformulierten und einheitlichen Arbeitsbedingungen zu Recht vorgebracht, daß es durch eine verbotene geltungserhaltende Reduktion erzielt wird.564 Hier sprechen gute Gründe für ein Verbot der Ang1eichung. BAG, Urteil v. 10.5. 1962, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 4. BAG, Urteil v. 12. 12. 1962, AP Nr. 25 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht I Hanau § 69, Rn. 52. 563 BAG, Urteil v. 17.3. 1982, AP Nr. 110 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 1. 564 Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 357; hierfür spricht seit dem 1. 1. 2002 auch die gesetzlich vorgeschriebene Kontrolle arbeitsrechtlicher Forrnularverträge am Maßstab der AGB-Klauselkontrolle gemäß § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, bei denen ein Verbot der ge1tungserhaltenden Reduktion anerkannt ist, vgl. Pa/andtl Heinrichs § 6 AGBG, Rn. 6. 561
562
V. Anwendungsbeispiele
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Durch die Verwendung von Formularen ist die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers erheblich geschwächt. Der privatautonomen Abrede ist dann aber unter dem Einfluß des Art. 39 EG weniger Bedeutung beizumessen, so daß eine stärkere Inhaltskontrolle zum Schutz der Freizügigkeit über die GeneralklauseIn erforderlich ist. Die Rückzahlungsklausel kann dann insgesamt nichtig sein.
bb) Besonderheiten bei Tarifverträgen
In Tarifverträgen kann nach Ansicht des BAG und des arbeitsrechtlichen Schrifttums von den Grundsätzen der gestaffelten Rückzahlungspflichten abgewichen werden. 565 So hat das BAG etwa die tarifvertragliche Rückzahlungspflicht von DM 100,- für zulässig gehalten. 566 Dies folge aus der Tarifautonomie der Verbände. 567 Haben Verbände von der Ordnungsfunktion Gebrauch gemacht, bedürfe es des Eingriffs der Gerichte nicht mehr. Die Regelung sei zu respektieren, solange sie nicht erheblich von den Grundsätzen des BAG abweiche und nicht gegen höherrangiges Recht verstieße. Das gilt nicht für Betriebsvereinbarungen. 568 Für diese Annahme sprechen auch in grenzüberschreitenden Sachverhalten gute Grunde, die sich auch für das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG durchsetzen. Der Sozialdialog im EG-Vertrag erlaubt und zwingt zu Ausnahmen von der strengen Unterwerfung von Tarifverträgen unter Art. 39 EG. Den Tarifparteien ist es daher in gewissen Grenzen erlaubt, von den Grundsätzen für Einzelverträge abzuweichen. Das gilt auch für Verweisungen aus Arbeitsverträgen, soweit diese nicht nur einzelne belastende Klauseln aus dem Tarifvertrag herausgreifen und den Tarifvertrag in seiner Gerechtigkeitswirkung als Ganzes in den Arbeitsvertrag einbeziehen. Eine Ausnahme dürfte jedoch für die Rückzahlungspflicht bei betriebsbedingter Kündigung gelten. 569 Diese erschwert einseitig die Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers, auch wenn sie im Tarifvertrag geregelt wurde. Die Gratifikation entfaltet dann keinerlei Bindungswirkung für den Arbeitgeber, der sich mit der Rückzahlungsklausel alle Vorteile sichern könnte. Die Freizügigkeit erfordert in einem solchen Fall eine Kontrolle der Rückzahlungspflicht nach § 622 Abs. 6 BGB. Der Ar565 BAG, Urteil v. 31. 3. 1966, AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2; BAG, Urteil v. 23. 2. 1967, AP Nr. 57 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 78, Rn. 48. 566 BAG, Urteil v. 31. 3. 1966, AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2; BAG, Urteil v. 23. 2. 1967, AP Nr. 57 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 567 BAG, Urteil v. 31. 3. 1966, AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2; BAG, Urteil v. 23. 2. 1967, AP Nr. 57 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2. 568 BAG, Urteil v. 16. 11. 1967, AP Nr. 63 zu § 611 BGB Gratifikation, BI. 2; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 78, Rn. 48. 569 Abweichende Prognose für die Rechtsprechung des BAG: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Hanau § 69, Rn. 53.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
beitgeber erhält ansonsten eine Kündigungsfreiheit, die nicht durch andere Vorteile zugunsten des Arbeitnehmers im Tarifvertrag ausgeglichen werden kann.
h) Rückzahlung eines Darlehens und Zinsanpassung Eine weitere Möglichkeit, den Arbeitnehmer an den Arbeitsplatz zu binden, besteht darin, dem Arbeitnehmer ein Darlehen zu gewähren, das mit der Kündigung durch den Arbeitnehmer fällig gestellt wird. 32% der Arbeitgeber in West- und 20% in Ostdeutschland gewähren ihren Arbeitnehmer betriebliche Darlehen zwischen 50.000 und 75.000 DM.57o Diese sind regelmäßig für den Fall des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Betrieb mit Rückzahlungs- und Zinsanpassungsklauseln verbunden. Auch diese Absprache ist geeignet, den Arbeitnehmer von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzuhalten. Eine Anwendung des § 622 Abs. 6 BGB wird aber abgelehnt. 571 Die Rückzahlung sei bei einem Darlehen von Anfang an ins Auge gefaßt. Es würde keine Rückzahlungspflicht für eine dauerhafte Bereicherung des Arbeitnehmers vereinbart, sondern lediglich die Überlassung des Kapitals. 572 Weiterhin müsse der Arbeitnehmer die Initiative ergreifen, um das Darlehen vom Arbeitgeber und nicht von einer Bank zu erhalten. Dieser Ansicht ist auch unter dem Einfluß des Art. 39 EG zu folgen. Der Arbeitnehmer wird nicht einseitig in seiner Kündigungsmöglichkeit und damit nicht in seiner Freizügigkeit beschränkt. Die Grundsätze der faktischen Kündigungserschwerung greifen daher nicht. Die Bindungswirkung an den Arbeitsplatz ist dadurch begrenzt, daß das Darlehen nicht dauerhaft im Vermögen des Arbeitnehmers verbleiben soll und auch kein schutzwürdiges Vertrauen auf dessen dauerhaften Behalt zu besonderen Konditionen besteht. Der Arbeitnehmer kann sich auf die Rückzahlung im Kündigungsfall einstellen, indem er einen Kredit bei einer Bank aufnimmt, um das Darlehen des Arbeitgebers zu tilgen. Ihm wird daher kein Vermögenswert entzogen, er muß allein auf den Nutzen des Darlehens verzichten. Der Arbeitgeber kann ein berechtigtes Interesse an der Rückzahlung anführen, da er dem Arbeitnehmer kein Geld überlassen möchte, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Da das Darlehen keine anwartschaftliche Sicherung im Vermögen des Arbeitnehmers erfahren hat, ist die Fälligkeit im Falle der Arbeitnehmerkündigung mit der Freizügigkeit vereinbar. Es bedarf keiner Anwendung der die Freizügigkeit schützenden Vorschriften. Quelle: Kienbaum Vergütungsberatung, Gummersbach. BAG, Urteil v. 28. 2. 1999, EzA Nr. 7 zu § 611 BGB Inhaltskontrolle, S. 3; Arbeitsrecht-Blattei! Mummenhoff, SD 1340, Rückzahlung, Rn. 51 ff.; Kania, Nichtarbeitsrechtliche Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, S. 34, 35; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 559; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Hanau 570 571
§ 71, Rn. 14.
572 Arbeitsrecht-Blattei! Mummenhoff, SD 1340, Rückzahlung, Rn. 51; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Hanau § 71, Rn. 14.
V. Anwendungsbeispiele
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Auch die sofortige Erhöhung des günstigen Zinses beschränkt die Freizügigkeit nicht unzulässig, da die Aussicht auf niedrige Zinsen nicht als Anwartschaft im Vermögen des Arbeitnehmers geschützt ist. 573 Wird im Falle der Kündigung die Pflicht zur rückwirkenden Zinsanpassung vereinbart, ist diese Abrede im Grunde eine Rückzahlungsklausel. Der günstige Zinssatz ist eine Sondervergütung des Arbeitgebers für die Betriebstreue des Arbeitnehmers, die sich auf den Unterschied zum marktüblichen Zins beläuft. Diese Sondervergütung muß der Arbeitnehmer zurückzahlen. Die Rückzahlungspflicht muß daher den Grundsätzen für die Rückzahlungsklauseln von Gratifikationen für Betriebstreue folgen 574 und ist grundsätzlich nicht nach § 622 Abs. 6 BGB unwirksam. 575 Das Darlehen und die besonderen Zinsen stehen nicht in Zusammenhang mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Folglich wird dem Arbeitnehmer kein Vermögens wert entzogen, auf den er einen unmittelbaren Anspruch hätte. Abhängig vom Wert der geforderten Zinsen bestimmt sich, ob und für welchen Zeitraum der Arbeitgeber die Zinsen rückwirkend anpassen kann. Art. 39 EG verlangt somit keinen weitergehenden Schutz bei der Rückzahlung von Darlehen.
i) Rückzahlung von Fort- und Weiterbildungskosten aa) Problematik
Arbeitgeber haben ein großes Interesse daran, ihre Arbeitnehmer fortzubilden, um mit ihnen technische Veränderungen zu meistem. Wenn der Arbeitgeber eine Weiterbildung des Arbeitnehmers finanziert, wird diese Ausbildungszeit regelmäßig mit der Verpflichtung des Arbeitnehmers verknüpft, eine gewisse Zeit für das Unternehmen weiterzuarbeiten und im Falle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die erlangten Vorteile der Ausbildung in pauschaliertem Umfang zurückzuzahlen. Solche Absprachen sind mit der Ausnahme für die erstmalige Vermittlung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses nicht per se unzulässig. Dort schützt § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. 576 Jedoch ist nicht jede Ausbildung eine Berufsausbildung in diesem Sinne. Nur die Erstausbildung, die sich an die Vollschulzeit
573 BAG, Urteil v. 23. 2. 1999, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Arbeitnehmerdarlehen, S. 3 ablehnend für die Vereinbarung des marktüblichen Zins wegen des hohen Zinsrisikos; Erfurter Kommentar 1Preis § 611 BGB, Rn. 637; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 559. 574 Kania, Nichtarbeitsrechtliche Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, S. 37; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht 1Hanau § 71, Rn. 15. 575 So aber Arbeitsrecht-Blattei 1Kania, SD 570. Darlehen, Rn. 77; Kania, Nichtarbeitsrechtliche Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, S. 37; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Hanau § 71, Rn. 15. 576 BAG, Urteil v. 25. 4. 2001, 5 AZR 509/9.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
anschließt und die berufliche Grundbildung durch Fertigkeiten, Kenntnisse und Berufserfahrung vennittelt, ist eine Berufsausbildung. 577 Die Pflicht zur Rückzahlung der entstandenen Weiterbildungskosten entfaltet eine starke Bindungswirkung, da dem Arbeitnehmer durch die Weiterbildung zunächst kein unmittelbarer finanzieller Vorteil zufließt, er aber dennoch verpflichtet wird, erhebliche Beträge zurückzuzahlen, sofern er das Arbeitsverhältnis vor einem bestimmten Zeitpunkt beendet. Er ist in seiner Freizügigkeit beschränkt.
bb) Individualvertragliche Absprache (1) Ansicht des BAG und des arbeitsrechtlichen Schrifttums
Das BAG hat die Bindungswirkung der Rückzahlungsklauseln früh an dem nationalen Verbot der unzumutbaren Bindung an den Arbeitsplatz (Art. 12 GG) gemessen und ein Schema für ihre Zulässigkeit entwickelt. Zunächst müsse die Rückzahlungsverpflichtung dem Arbeitnehmer zuzumuten sein und einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen. 578 Der Arbeitnehmer müsse mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungspflicht erhalten haben. 579 Eine angemessene Gegenleistung für den Arbeitnehmer könne ein Bewährungsaufstieg sein580 oder der Erwerb einer in der Praxis anerkannten Qualifikation. 58 ! Eine Kostenbeteiligung scheide im Gegensatz dazu aus, wenn die Weiterbildung allein im innerbetrieblichen Interesse erfolgt sei. 582 Weiterhin hänge die Zulässigkeit der Absprache von der Fortbildungsdauer ab, da der Arbeitgeber in dieser Zeit Lohn ohne Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entrichte. 583 Außerdem sei die Dauer der Weiterbildung Indiz für die erworbenen Kenntnisse des Arbeitnehmers. 584 Bei einer Lehrgangsdauer von 2 Monaten sei eine Bindung bis zu einem Jahr zulässig,585 bei einem Lehrgang von 3 bis 4 Monaten eine Bindung bis zu zwei Jahren,586 einem Lehrgang zwischen
577 Wohlgemuth/ Sarge § 1 BBiG, Rn. 3 ff.; Gilberg, Mitwirkung des Betriebsrats bei der Berufsbildung, S. 145; Erfurter Kommentar / Schlachter § 1 BBiG, Rn. 2, 3. 578 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 23 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 2; BAG, Urteil v. 16.3. 1994, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4. 579 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 23 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 2; BAG, Urteil v. 16.3. 1994, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4. 580 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 23 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 3. 581 BAG, Urteil v. 16.3.1994, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 6. 582 BAG, Urteil v. 16.3. 1994, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 6. 583 BAG, Urteil v. 16.3. 1994, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 6. 584 BAG, Urteil v. 16.3. 1994, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 6. 585 BAG, Urteil v. 15. 12. 1993, AP Nr. 17 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4. 586 BAG, Urteil v. 6. 9.1995, AP Nr. 23 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 3.
V. Anwendungsbeispiele
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sechs Monaten und einem Jahr bis zu drei Jahren587 und bei einer Weiterbildung von mehr als zwei Jahren bis zu fünf Jahren. 588 Eine Bindung über fünf Jahre hinaus sei nicht mit § 624 BGB zu vereinbaren. 589 Diese Zeiten seien indes nur Regelfälle, die sich zugunsten des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers verschieben könnten, etwa wenn eine kurze Fortbildung besonders teuer war oder wenn sie dem Arbeitnehmer ein großes Ausmaß neuer Fertigkeiten vermittelt hat. 590 Wird die Rückzahlungspflicht zeitlich gestaffelt, ist ihre Zulässigkeit indiziert. 591 Dieser Ansicht tritt das arbeitsrechtliche Schrifttum bei. 592
(2) Stellungnahme Die Kontrolle der Rückzahlungsklauseln am Maßstab des § 138 BGB wird in grenzüberschreitenden Fällen nicht den Grundsätzen der vertikal auf Privatrechtsverhältnisse einwirkenden Freizügigkeit gerecht. Vor der Anwendung der GeneralklauseIn ist nach einer spezialgesetzlichen Schutzvorschrift zu suchen. Wegen der einseitigen Rückzahlungspflicht kommt ein Verstoß gegen den Rechtsgedanken des § 622 Abs. 6 BGB in Betracht. 593 § 622 Abs. 6 BGB enthält den Grundsatz, daß lediglich die Kündigungserschwerung zu Lasten des Arbeitnehmers unzulässig ist. Fraglich ist, ob die Bindung einseitig ist oder durch eine faktische Bindung des Arbeitgebers ausgeglichen wird (Gleichheit der faktischen Kündigungserschwerung). Gegen eine einseitige Bindung des Arbeitnehmers spricht, daß auch der Arbeitgeber nach einer hohen Fortbildungsinvestition faktisch an einer Kündigung des Arbeitnehmers gehindert ist. Er hat ein besonderes Interesse, einen fortgebildeten Arbeitnehmer in seinem Betrieb zu halten, was er durch die Vereinbarung einer Rückzahlungspflicht zum Ausdruck bringt. Neben einem finanziellen hat er auch ein betriebliches Interesse, die Leistung des fortgebildeten Arbeitnehmers an den Betrieb zu binden. Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn der Arbeitgeber auch bei einer betriebsbedingten Kündigung die Rückzahlung der Kosten verlangen könnte. Dann wäre er faktisch nicht in seiner Kündigungsmöglichkeit beschränkt, BAG, Urteil v. 15. 12. 1993, AP Nr. 17 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4. BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 23 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 3; BAG, Urteil v. 16.3. 1994, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 6. 589 Arbeitsrecht-Blattei I Mummenhoff, SD 1340, Rückzahlung, Rn. 96. 590 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 23 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 3. 591 BAG, Urteil v. 16.3. 1994, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 7. 592 v. Hoyningen-Huene, Anmerkung zu BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 23 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 5; Hanaul Stoffels, Beteiligung von Arbeitnehmern an den Kosten der beruflichen Fortbildung, S. 20 ff., die sich kritisch zur schematischen Bindungsdauer äußern, S. 37; Arbeitsrecht-Blattei I Mummenhoff, SD 1340, Rückzahlung, Rn. 83 ff.; Erfurter Kommentar I Preis § 611 BGB, Rn. 647 ff.; Griebeling, Festschrift Schaub, S. 219, 222 ff.; Sclwub, Arbeitsrechtshandbuch, § 176, Rn. 18 - 24; Münchener Kommentar I Müller-Glöge § 611 BGB, Rn. 366. 593 So wohl auch Sclwub, Arbeitsrechtshandbuch, § 176, Rn. 122. 587
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
da ihm für den Verlust des Arbeitnehmers zumindest die Fortbildungskosten ersetzt würden. Die Kündigung wäre für ihn faktisch nicht erschwert. Eine solche Vereinbarung verstößt aber gegen den Rechtsgedanken des § 622 Abs. 6 BGB. Die Rückzahlungspflicht wird auch vom BAG und Schrifttum bei der betriebsbedingten Kündigung abgelehnt. 594 Freilich führt nicht jede Bindungsdauer zur gleichen faktischen Kündigungserschwerung für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer. Mit zunehmender Bindungsdauer amortisieren sich für den Arbeitgeber die Ausbildungskosten, während der Arbeitnehmer weiterhin an das Arbeitsverhältnis gebunden bleibt. Erhält der Arbeitnehmer keinen meßbaren Vorteil durch die Ausbildung, kommt die Rückzahlungspflicht einem einseitigen Vermögensnachteil oder einer Vertragsstrafe gleich. Die Abwägungsaspekte und Bindungsfristen des BAG tragen der Gleichheit der Kündigungserschwerung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechnung. Erhält der Arbeitnehmer einen meßbaren Vorteil auf dem Arbeitsmarkt, kann er für gewisse Zeiten an den Arbeitsplatz gebunden werden. Der Arbeitgeber hat ein aus der Berufs- und Unternehmerfreiheit berechtigtes Interesse, sein investiertes Kapital abzusichern. Dazu gehören auch qualifizierte Arbeitnehmer. Die Freizügigkeit des Arbeitnehmers wird auf der anderen Seite durch eine bis zu fünf Jahre dauernde und zudem gestaffelte Rückzahlungspflicht nicht über Gebühr beschränkt. Der Arbeitnehmer verbessert dadurch seine Chancen auf dem europäischen Arbeitsmarkt und kann damit leichter seine Freizügigkeit ausüben. Außerdem darf er nicht länger als fünf Jahre gebunden werden, was der Schutzpflicht ausreichend Rechnung trägt. Die gestaffelten Rückzahlungspflichten führen zu einer mit Zeitablauf stetig abnehmenden Bindungswirkung. Mit fortschreitender Amortisation der Investition für den Arbeitgeber muß der Arbeitnehmer weniger zurückbezahlen. Die Kündigungserschwerung wird für beide Teile gleichmäßig abgeschwächt. Es liegt keine einseitige faktische Erschwerung der Kündigungsmöglichkeit vor, die zu einem Verstoß gegen § 622 Abs. 6 BGB führen würde. Der individuelle Abwägungsmaßstab des BAG unter gleichzeitiger Verwendung von Richtwerten ist geeignet, die Rechtssicherheit zu gewährleisten und der vertraglichen Gestaltungspraxis Anhaltspunkte für die Vereinbarung wirksamer Klauseln an die Hand zu geben. Gegen diese Grundsätze verstoßende Absprachen sind auf das zulässige Maß zurückzuführen. 595 Art. 39 EG ist durch die Anwendung des §§ 622 Abs. 6, 624 BGB ausreichend vor Beschränkungen der Freizügigkeit durch Rückzahlungsklauseln geschützt. Eine Anwendung des § 138 BGB ist daher ausgeschlossen.
594 BAG, Urteil v. 6. 5.1998, AP Nr. 28 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 2; Erfurter Kommentar I Preis § 611 BGB, Rn. 656; Küttner, Personalbuch I Reinecke, Rückzahlungsklauseln, Rn. 18. 595 Siehe oben 2. Kapitel, v., 2., i), bb), (2) zu den Gratifikationen.
v. Anwendungsbeispiele
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ce) Tarifvertrag Für tarifvertragliche Regelungen wird eine Ausnahme von diesen Grundsätzen gemacht. 596 In einem Tarifvertrag war etwa eine feste Bindungsdauer von drei Jahren vorgesehen, die nicht in Abhängigkeit zur Dauer der Fortbildungsmaßnahme stand. Die strenge Kontrolle individualvertraglicher Absprachen beruhe auf der strukturellen Unterlegenheit des einzelnen Arbeitnehmers gegenüber dem einzelnen Arbeitgeber und der daraus folgenden ungleichen Verhandlungsstärke. 597 Tarifverträge würden von gleichberechtigten Partnern des Arbeitslebens ausgehandelt und genössen eine Institutsgarantie gemäß Art. 9 Abs. 3 GG. Wegen der Gleichgewichtigkeit der Tarifvertragsparteien sei zunächst davon auszugehen, daß bei einer Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelungen die Arbeitnehmerinteressen angemessen berücksichtigt würden. 598 Fraglich sei allein, ob diese Typisierung sich noch im Rahmen der §§ 138,242 BGB halte. 599 Die Regelung vorstoße nicht gegen die aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsätze. Die Bindungsdauer belaufe sich auf drei Jahre. Die Rückzahlungspflicht sei jährlich abgestuft. Bildungsmaßnahmen, die keine Bedeutung für die Vergütung hätten, seien nach der Auslegung des Senats nicht als Fort- oder Weiterbildung im Sinne der Tarifverträge anzusehen und lösten demnach keine Rückzahlungspflicht aus. 6OO Der Senat habe nicht verkannt, daß die Tarifvertragsparteien eine sehr grobe, wenig differenzierende Regelung getroffen hätten. Es läge nahe, die Bindungsdauer von der Dauer der Fortbildung oder den dafür aufgewandten Kosten abhängig zu machen und für die Verringerung des Rückzahlungsbetrages auf kürzere Zeiträume als nur auf volle Jahre abzustellen. 601 Die Tarifvertragsparteien haben mit der derzeitigen Regelung die Grenzen ihrer Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Die abgeschwächte Kontrolle der Tarifverträge am Beschränkungsverbot des Art. 39 EG in grenzüberschreitenden Sachverhalten wird der Schutzpflicht der Mitgliedstaaten gerecht. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wird somit nicht unzulässig beschränkt.
dd) Individualvertragliche Rückzahlungsklauseln im Profisport (l) Grundsatz
Die individualvertragliche Vereinbarung von Rückzahlungspflichten für Ausund Fortbildungskosten wird auch im Profisport angedacht, um Vereine zur Ausbildung und Förderung junger Sportler zu motivieren und ihnen beim Vereins596 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 3; Erfurter Kommentar/ Preis § 611 BGB, Rn. 653. 597 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 3. 598 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 3. 599 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4. 600 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4. 601 BAG, Urteil v. 6. 9. 1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
wechsel einen finanziellen Ausgleich des Spielers zu garantieren. Die Anwendbarkeit europäischen und nationalen Rechts ist infolge der Erklärung des europäischen Rates auch bei der Sicherung der Ausbildungsfunktion des Sportes gesichert. 602 Ob und inwieweit Ausbildungsentschädigungen mit Art. 39 EG zu vereinbaren sind, wird unterschiedlich beurteilt. Exemplarisch ist die aktuelle Debatte im Profifußball. (2) Ansicht im Schrifttum
Eine Ansicht im Schrifttum möchte das bisherige Transfersystem im Profifußball durch eine einzelvertragliche Rückzahlungspflicht der Fortbildungskosten ersetzen. 603 Wechselt ein Spieler zu einem Lizenzverein, soll dieser mit dem Spieler einen Arbeitsvertrag schließen, in dem die Rückzahlung der Ausbildungskosten vorgesehen sei, da der Verein den Spieler von diesem Zeitpunkt an zu einem Profifußballer fortbilde. 604 Zwischen Verein und Spieler werde ein vietjähriger Arbeitsvertrag geschlossen. Wenn der Spieler den Verein nach zweijähriger Vertragslaufzeit verlasse, entstehe der Rückzahlungsanspruch und verringere sich um 1/24 für jeden weiteren Monat, den der Spieler bis zum Ablauf der vier Jahre bei dem Verein verbleibe. 605 Die Entschädigungspflicht entfalle, wenn der Spieler nach zwei Jahren einen neuen aufnahmebereiten Verein gefunden habe und der alte Verein sich weigere, die Arbeitsbedingungen auf das Niveau des interessierten Vereins anzuheben. 606 Der Spieler könne dann ohne Beschränkungen den Verein wechseln. Eine solche Abrede beeinträchtige zwar die Freizügigkeit des Arbeitnehmers,607 sei indes gerechtfertigt. 608 Die Absprache verfolge eine soziale Zielsetzung, näm602 Anhang IV Nr. 11 der Schlußfolgerungen von Nizza spricht von der "Beachtung der Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten auf einzelstaatlicher und Gemeinschaftsebene". So auch die Ansicht der Kommission, IP /00/1439 v. 11. 12.2000 und FAZ v. 12. 12. 2000, S. 46; EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5063 = EuZW 1996, S. 82, 86, Rn. 73; EuGH, Urteil v. 13.4.2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2728 = EuZW 2000, S. 375, 377, Rn. 33; Tettinger; JZ 2000, S. 1069, 1074; Streinz, SpuRt 1998, S. 1,4 f.; Erklärung Nr. 29 zum Vertrag von Amsterdam; Schlußfolgerungen von Nizza H. Nr. 52, SN 400 / 00. 603 Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S. 105 ff. 604 Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S.105. 605 Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S.106. 606 Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für BerufsfußbaIlspieler, S.106. 607 Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S. 131. 608 Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S. 132 ff.
V. Anwendungsbeispiele
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lich die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der Vereine unter Wahrung der Chancengleichheit. 609 Dieser Zweck stehe im Allgemeininteresse, da er mittelbar der Förderung der Nationalmannschaft diene, die einem großen öffentlichen Interesse unterliege. 610 Zudem sichere die Rückzahlungsklausel die Attraktivität des Fußballs, da die Klausel die Einstellung und Ausbildung junger Spieler fördere, was unmittelbar der Nationalmannschaft zugute komme. 611 Der Spieler erhalte einen beruflichen Vorteil, da es die Einrichtungen des Vereins und das Training ermöglichten, daß der Spieler seine Kenntnisse und Fertigkeiten verbessere.612 Da der Arbeitnehmer vom bisherigen Arbeitgeber eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen verlangen könne, wenn ein anderer Verein ein besseres Vertragsangebots unterbreite, sei garantiert, daß dem Spieler nicht die Möglichkeit der Verbesserung seiner Vertragsbedingungen genommen werde. 613 Der Arbeitgeber müsse den Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag entlassen, wenn er die Arbeitsbedingungen des potentiell neuen Vereins nicht gewähren wolle. Die zweijährige aufge1okkerte Bindungsdauer stehe in angemessenem Verhältnis zu der Ausbildungsdauer von zwei Jahren. 614 Die Ausbildungskosten könnten pauschaliert werden, da der Aufwand für Trainer, Anlage und medizinische Betreuung zwar ermittelt, aber nicht für jeden einzelnen Spieler berechnet werden könne. 615 Dies Modell verstoße nicht gegen § 5 Abs. 2 Nr. I BBiG, da der Arbeitnehmer nach dem 18. Lebensjahr nicht mehr aus-, sondern lediglich fortgebildet werde. 616
(3) Ansicht des Österreichischen OGH Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) hatte sich mit einer ähnlichen individualvertraglichen Abrede zu befassen. 617 Im Zuge der vorzeitigen einverständlichen Lösung eines auf zwei Jahre befristeten Arbeitsverhältnisses verein609 Gebhardt. Modelle für die Reform des Transfersystems S.132. 610 Gebhardt. Modelle für die Reform des Transfersystems S.133. 611 Gebhardt. Modelle für die Reform des Transfersystems S.133. 612 Gebhardt. Modelle für die Reform des Transfersystems S.139. 613 Gebhardt. Modelle für die Reform des Transfersystems S.139. 614 Gebhardt. Modelle für die Reform des Transfersystems S.140. 615 Gebhardt. Modelle für die Reform des Transfersystems S. 141. 616 Gebhardt. Modelle für die Reform des Transfersystems S.103. 617 Österreich. OGH, Urteil v. 25. 6. 1998, SpuRt 1999, S. 62 ff.
20 Roloff
für Berufsfußballspieler. für Berufsfußballspieler, für Berufsfußballspieler, für Berufsfußballspieler, für Berufsfußballspieler, für Berufsfußballspieler, für Berufsfußballspieler, für Berufsfußballspieler,
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
barten die Parteien, daß der Arbeitnehmer einen Betrag von 150.000,- Schilling als Transfersumme an die Sportvereinigung bezahlen muß, sollte er jemals zu einem Bundesligaverein transferiert werden. Zunächst lehnt der OGH eine Bewertung der Absprache als Wettbewerbsverbot ("Konkurrenzklausel") ab, da die Absprache eine Tätigkeit bei der Konkurrenz gerade nicht verbiete. 618 Die Absprache verstoße jedoch als Knebelung gegen die guten Sitten (§ 879 ÖABGB) unter Berücksichtigung der Grundrechte (Art. 6 Abs. 1 ÖStGG), internationaler Vereinbarungen (wie der Europäischen Sozialcharta) und seit dem Beitritt Österreichs zu der EU des Art. 39 EG und der sich daraus ergebenden Freiheit der Erwerbstätigkeit. 619 Auch wenn der Verein die Beschäftigung in einem Bundesligaverein nicht verhindern wolle, so werde der Spieler doch mittelbar in seiner freien Berufswahl beschränkt, als er beim Abschluß eines Arbeitsvertrages mit einem Bundesligaverein die Transferzahlung ins Kalkül ziehen müsse. 620 Für die zulässige Vereinbarung zieht der OGH dann § 36 ÖAngG heran, der lediglich ein einjähriges Wettbewerbsverbot zuläßt. 621 Jedenfalls nach diesem Zeitraum sei eine Zahlungspflicht unzulässig. 622
(4) Kritik im Schrifttum an dieser Entscheidung In einer Anmerkung zu dem Urteil des OGH spricht sich Reissner gegen die Lösung des OGH aus. 623 Der OGH habe sich nicht zu den Rückzahlungsklauseln für Fort- und Weiterbildung geäußert. 624 Diese erlaubten aber wie im deutschen Recht auch eine bis zu fünfjährige Bindung. Voraussetzung einer zulässigen Rückzahlungsklausel sei jedoch, daß der Spieler eine echte Weiterbildung erfahren habe, die den Wert und die Attraktivität des Spielers auch für andere Vereine steigere. Beispiel hierfür wäre die Trainerschule, die mit dem Erwerb einer Lizenz abschließt. 625 Das übliche Training im Profifußball führe sicherlich nicht zu einer Ausbildung in diesem spezifischen Sinne. 626 Die Rückzahlungsklausel war daher unzulässig.
Österreich. OGH, Urteil v. 25. 6. 1998, SpuRt 1999, S. 62, 63. Österreich. OGH, Urteil v. 25. 6. 1998, SpuRt 1999, S. 62, 63. 620 Österreich. OGH, Urteil v. 25. 6. 1998, SpuRt 1999, S. 62, 63. 621 Österreich. OGH, Urteil v. 25. 6. 1998, SpuRt 1999, S. 62, 63; § 36 ÖAngG entspricht der Wertung des § 74 HGB. 622 Österreich. OGH, Urteil v. 25. 6.1998, SpuRt 1999, S. 62, 63. 623 Reissner, Anmerkung zu Österreich. OGH, Urteil v. 25. 6. 1998, SpuRt 1999, S. 64. 624 Reissner, Anmerkung zu Österreich. OGH, Urteil v. 25. 6. 1998, SpuRt 1999, S. 64. 625 Reissner, Anmerkung zu Österreich. OGH, Urteil v. 25. 6. 1998, SpuRt 1999, S. 64. 626 Reissner, Anmerkung zu Österreich. OGH, Urteil v. 25 . 6. 1998, SpuRt 1999, S. 64. 618
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V. Anwendungsbeispie1e
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(5) Ansicht im Schrifttum Auch Däubler hat sich bereits mit ähnlichen Argumenten kritisch zu den Rückzahlungsklauseln im Profisport geäußert. 627 Die Tätigkeit des Berufssportlers sei Arbeit und keine Ausbildung. 628 Der Erfolg des Profi spielers sei von vielfältigen Faktoren abhängig. 629 Ein gutes Training sei dabei nur ein Merkmal von vielen. Von einem regelmäßig stattfindenden Zuwachs an Qualifikation infolge Trainings könne nicht gesprochen werden. 63o
(6) Stellungnahme Die Rückzahlungsverpflichtung beschränkt den ProfisportIer ebenso in seiner Freizügigkeit wie jeden anderen Arbeitnehmer. Im Profisport können für Ausbildungsentschädigungen keine Besonderheiten gelten, da der Schutzpflicht der Mitgliedstaaten ansonsten nicht ausreichend Rechnung getragen würde. Fraglich ist, ob das vorgeschlagene Modell dem Schutz des Arbeitnehmers vor Beschränkungen seiner Freizügigkeit gerecht wird. Zwar verstößt die Fortbildungsvereinbarung mit Spielern, die bereits 18 Jahre alt sind, nicht gegen das Verbot, Ausbildungsverträge mit Minderjährigen in nicht anerkannten Ausbildungsberufen abzuschließen (§ 28 Abs. 2 BBiG). Die Annahme einer Weiterbildung setzt aber voraus, daß der Spieler bis zum 18. Lebensjahr ausgebildet wurde, was aber gerade ausgeschlossen ist. Zwar ist auch fraglich, ob dem Spieler überhaupt Kenntnisse im Sinne einer Weiterbildung vermittelt werden können. Nimmt man aber an, daß der Lizenzverein dem Spieler tatsächlich neue Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, handelt es sich ab dem 18. Lebensjahr um eine Berufsausbildung. Dafür spricht, daß der Spieler erst ab diesem Zeitpunkt das zur Berufsausbildung zählende Merkmal der beruflichen Erfahrung in einem Lizenzverein erwerben kann. Der mit einem 18-jährigen abgeschlossene Vertrag wäre ein Ausbildungsvertrag im Sinne des § 1 Abs. 2 BBiG und die Rückzahlungspflicht bereits nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nichtig. Geht man hingegen davon aus, daß der ProfisportIer nicht im Sinne § 1 Abs. 2 BBiG ausgebildet wird, begegnet die Vereinbarung der Rückzahlung von Fortbildungskosten ebenso großen Bedenken. Dem Arbeitnehmer müßte durch die Weiterbildung tatsächlich ein Vermögenswert zugewachsen sein und der Arbeitgeber 'müßte ein billigenswertes Interesse an der Rückzahlung haben. Ansonsten würde 627 Däubler; sport, BI. 4, 5. 628 Däubler; sport, BI. 4, 5. 629 Däubler; sport, BI. 4, 6. 630 Däubler; sport, BI. 4, 6.
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Anmerkung zu BAG, Urteil v. 15. 11. 1989, AP Nr. 6 zu § 611 BGB BerufsAnmerkung zu BAG, Urteil v. 15. 11. 1989, AP Nr. 6 zu § 611 BGB BerufsAnmerkung zu BAG, Urteil v. 15. 11. 1989, AP Nr. 6 zu § 611 BGB BerufsAnmerkung zu BAG, Urteil v. 15. 11. 1989, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Berufs-
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
die Kündigung des Arbeitnehmers einseitig faktisch erschwert. Bereits am billigenswerten Interesse des Arbeitgebers bestehen im Profisport Bedenken. Der Arbeitgeber hat in aller Regel ein Rentabilitätsinteresse für getätigte Weiterbildungskosten.631 Dieses Interesse entfällt aber auch, wenn dem Arbeitgeber bei der Fortbildung keine nennenswerten Kosten entstanden sind. 632 Der Dauer der Fortbildung kommt nur insoweit Bedeutung zu, als sie Rückschlüsse auf die vom Arbeitgeber aufgewendeten Kosten erlaubt. 633 Im Profisport werden die Arbeitnehmer aber zu keiner dauerhaften Fortbildung entsandt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Arbeitnehmern Lohn zu zahlen, ohne daß diese für ihn beruflich tätig sind. Bei der sportlichen und medizinischen Betreuung der Spieler entstehen zwar Kosten. Auch das Training ist mit einem Kostenaufwand verbunden, da Anlagen und Trainer bereitgestellt werden müssen. Diese Betreuung im weitesten Sinne steht aber in engstem Zusammenhang mit der geschuldeten vertraglichen Leistung des Arbeitnehmers, sportlich fit zu sein für die Wettbewerbe. Insoweit kann nicht von einer Kostenbelastung durch eine Fortbildung für den Arbeitgeber gesprochen werden. Auch wenn erhebliche Sachmittel für das Training und die Betreuung nötig sind, sind dies keine Fortbildungskosten, da die Tätigkeit des Spielers auf der arbeitsvertraglichen Verpflichtung und nicht auf einer Weiterbildung beruht. Die Ausgaben des Vereins für eine "Fortbildung" des Spielers stehen nicht in hinreichendem Zusammenhang mit einer Vermittlung neuer Fertigkeiten. Gravierender ist der Aspekt der fehlenden Zumutbarkeit der Rückzahlungspflicht für den Arbeitnehmer. Wie auch Reissner ausführt, werden die beruflichen Möglichkeiten des Spielers durch das Training oder die physiologische Betreuung nicht verbessert. Der Arbeitnehmer erwirbt keinerlei Qualifikationsnachweis, der ihn berechtigen würde, eine besondere berufliche Tätigkeit auszuüben. Anders mag dies sicherlich bei Trainerscheinen sein. Bei Profisportlern bestehen aber außer der Begabung und der Konstitution keine besonderen Voraussetzungen für eine Einstellung. Die beruflichen Möglichkeiten des Arbeitnehmers verbessern sich nicht notwendig durch Training und physiologische Betreuung. Selbst wenn man davon ausgeht, daß dem Arbeitnehmer ein meßbarer Vorteil zufließt, so ist dieser sehr schwierig zu berechnen. Jedenfalls verbietet sich eine pauschalierte Berechnung der Rückzahlungsklausel, die auf den Kosten der Betreuung der gesamten Mannschaft beruht. Diese Abrede zeigt, daß es im Grunde nur um eine Refinanzierung der laufenden Kosten geht und nicht um die Rückzahlung von Ausbildungskosten. Gegen eine Ausbildungsentschädigung im Profifußball bestehen massive Einwände. 631 Hanaul Stoffels, Beteiligung von Arbeitnehmern an den bildung, S. 25; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 176, Rn. 21; ler-Glöge § 611 BGB, Rn. 366. 632 Hanaul Stoffels, Beteiligung von Arbeitnehmern an den bildung, S. 25 . 633 Hanaul Stoffels, Beteiligung von Arbeitnehmern an den bildung, S. 26.
Kosten der betrieblichen FortMünchener Kommentar I MülKosten der betrieblichen FortKosten der betrieblichen Fort-
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ee) Rückzahlungsklauseln in Verbandsvorschriften des Profisports (1) Problematik
Auch Verpflichtungen zu Ausbildungs- und Förderungsentschädigungen in Verbandsvorschriften der Fußballvereine beschränken die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Diese werden nicht vom Spieler, sondern vom aufnehmenden Verein geschuldet. So begriindet etwa § 15 Ziffer 1 Lizenzordnung Spieler eine Entschädigungspflicht des neuen Vereins für die Beschäftigung von Amateurspielern oder Vertragsamateuren, die sich auf 100.000 DM für Vereine der 1. und 45.000 DM für Vereine der 2. Bundesliga beläuft. Die Vorschrift gilt indes nur für nationale Vereinswechsel. Der erforderliche grenzüberschreitende Sachverhalt ist aber bei Ausbildungsentschädigungen für internationale Transfers gegeben. Die FIFA und DEFA haben ein neues Entschädigungsmodell für Vereinswechsel eingeführt. 634 Danach werden für alle Spieler zwischen dem 12. und dem 23. Lebensjahr bei jedem Vereins wechsel zu einem Profiverein nach beendetem und aus laufendem Vertrag Ausbildungsentschädigungen vom neuen Verein bezahlt. 635 Die Summe richtet sich pauschal nach den Ausbildungskosten für den gesamten Kader der Mannschaft. 636 Von dieser Entschädigung sollen alle Vereine profitieren, bei denen der Spieler friiher gespielt hat. 637
(2) Ansicht des Generalanwalts Lenz Der Generalanwalt Lenz hat sich in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache Bosman mit der Zulässigkeit von Ausbildungsentschädigungen befaßt. 638 Die Erwägung, daß ein Klub für die von ihm geleistete Ausbildungsarbeit kompensiert und es den großen Vereinen nicht ennöglicht werden solle, sich die Friichte dieser Mühen ohne eigenen Beitrag zunutze zu machen, habe einiges Gewicht. 639 Eine solche Regelung müsse aber zwei Erfordernissen entsprechen. Erstens müßten die Ausbildungsentschädigungen auf den Betrag begrenzt sein, der von dem bisherigen 634 FIFA-Transferreglement vom 5. Juli 2001; zur Entstehung siehe FAZ v. 20. 10.2000, S. 39; siehe auch das am 31. 10. 2000 bei der Kommission vorgelegte Negociation Document der FIFA unter B. 2; so auch der Kompromiß zwischen der FIFA und der Europäischen Kommission vom 5. 3. 2001, FAZ v. 7. 3. 2001, S. 46; § 2 der Grundsätze zur Änderung des FIFA-Reglements vom 6.3. 2001. 635 Art. 13 - 20 des FIFA-Transferreglements. 636 Art. 6 der Ausftihrungsbestimmungen des FIFA-Transferreglements; Nr. 2 b) Zirkular Nr. 769 der FIFA. 637 Art. 25 FIFA-Transferreglement. 638 Generalanwalt Lenz. Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5022, Rn. 239. 639 Generalanwalt Lenz. Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Sig. I 1995, S. 4921, 5022, Rn. 239.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Klub für die Ausbildung des Spielers aufgewandt wurde. Zweitens komme eine Ausbildungsentschädigung nur in Betracht, soweit es sich um den ersten Vereinswechsels handele und der bisherige Klub den Spieler ausgebildet habe. 64o Überdies müsse diese Entschädigung für jedes Jahr, das der Spieler nach der Ausbildung bei diesem Verein verbracht hat, anteilig reduziert werden, da der Verein während dieser Zeit Gelegenheit habe, aus seiner Investition Nutzen zu ziehen. 641
(3) Ansicht der deutschen Rechtsprechung und Literatur Die deutsche Rechtsprechung und das Schrifttum haben Absprachen über die Rückzahlung von Ausbildungskosten auf verbandsrechtlicher Grundlage im Profisport an den Grundsätzen der Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten gemessen und sie für unzulässig bewertet. 642 Der Arbeitnehmer wäre auch bei der Verpflichtung des neuen Arbeitgebers im wirtschaftlichen Ergebnis selbst verpflichtet, die Entschädigung zu bezahlen. 643 In der Sache handele es sich um Transferzahlungen, die sich nach dem Wert des Spielers, nicht aber nach den Kosten der Aus- und Weiterbildung richteten. 644 Berufssportler müßten sich durch Training, Ernährung und Lebensführung in einen Zustand versetzen, der sie zu den sportlichen Leistungen befähige, die von ihnen erwartet würden. 645 Hierzu wendeten die Sportvereine zwar finanzielle Mittel auf, die aber keinen speziellen Aufwand für die Aus- oder Weiterbildung einzelner Spieler darstellten. 646 Mit der Rückzahlung von Aus- und Weiterbildungsaufwand durch den Arbeitnehmer könnten nur solche Aufwendungen zurückgefordert werden, die dem einzelnen Arbeitnehmer persönlich zugeordnet werden könnten. 647 Eine solche persönliche Zuordnung sei bei Mannschaftssportarten nicht möglich, zumal die auf den einzelnen Sportler entfallenden Aufwendungen im Rahmen der Spiele der jeweiligen Saison 640 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5022, Rn. 239. 64! Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 5022, Rn. 239. 642 BAG, Urteil v. 15. 11. 1989, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 3; BAG, Urteil v. 20. 1. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (NFV), BGHZ 142, S. 304, 312; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (DEB), NJW 2000, S. 1028, 1029; Arens, Anmerkung zu BGH, Urteil v. 27. 9.1999, SpuRt 1999, S. 239, 240; LG Berlin, Urteil v. 21. 6. 1979, NJW 1979, S. 2582, 2583; OLG Oldenburg, Urteil v. 25. 9. 1998, NZARR 1999, S. 9, 10; ArbG Hanau, Urteil v. 25. 9. 1997, NZA-RR 1998, S. 108, 109; Arens, SpuRt 1997, S. 126, 127; Stopper; SpuRt 2000, S. 1,4. 643 BAG, Urteil v. 15. 11. 1989, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 3. 644 BAG, Urteil v. 20. 1. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6. 645 BAG, Urteil v. 20. 1. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6. 646 BAG, Urteil v. 20. 1. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6. 647 BAG, Urteil v. 20. 1. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6; ArbG Hanau, Urteil v. 25. 9. 1997, NZA-RR 1998, S. 108, 109.
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sofort genutzt würden. 648 Steige der Wert eines Berufsspielers, weil er sich als besonders qualifiziert erweise, so beruhe dies wesentlich auf Talent, Konstitution sowie persönlichen Einsatz und Erfolgen, aber nicht vorrangig auf Aus- und Weiterbildung durch den Verein. 649 Die Entschädigungspflichten seien wegen ihrer Pauschalierung ohne Anknüpfung oder Anpassungsmöglichkeit an die finanziellen Gegebenheiten und Bedürfnisse des betroffenen Vereins festgelegt und damit unzulässig. 65o Ausbildungsverträge mit Minderjährigen seien in nicht anerkannten Ausbildungsberufen wie dem Fußball grundsätzlich nach § 28 Abs. 2 BBiG nichtig. Nach dieser Zeit dürften die Kosten der Ausbildung gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht zurückgefordert werden. 651 Dies betreffe nicht nur Ausbildungsverträge, sondern auch verbandsrechtliche Vorschriften, da sie eine noch stärkere Bindungswirkung entfalteten. 652 Die Rückzahlungsklauseln seien daher unwirksam. (4) Ansicht im europäischen Schrifttum Eine Ansicht im europäischen Schrifttum will Verbandsregeln unmittelbar über Art. 39 EG verwerfen, sofern sie auch bei Vertragsende Entschädigungszahlungen begründen.653 Der Spieler sei in der Ausübung seiner Freizügigkeit beschränkt, auch wenn er vor Ablauf des Vertrages den Verein wechseln könne. 654 Anders als vertragliche Abreden über Ausbildungsentschädigungen oder Vertragsstrafen für den Vertragsbruch beträfen die Verbandsvorschriften den potentiell neuen Arbeitgeber und verhinderten den Zugang des Arbeitnehmers zu neuen Arbeitsmärkten. 655 Individualvertraglich vereinbarte Ausbildungsentschädigungen seien hingegen zulässig, sofern sie sich an etwaigen Ausbildungskosten orientierten. 656 (5) Stellungnahme Alle Ansichten gelangen zu dem gleichen Ergebnis. Ausbildungsentschädigungen können nur für tatsächliche Ausbildungsleistungen verlangt werden und sie 648 BAG, Urteil v. 20. 1. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6; ArbG Hanau, Urteil v. 25. 9. 1997, NZA-RR 1998, S. 108, 109. 649 BAG, Urteil v. 20. 1. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Berufssport, BI. 6. 650 BGH, Urteil v. 27. 9. 1999, NJW 2000 (DEB), S. 1028, 1029; BGH, Urteil v. 27. 9. 1999 (NFV), BGHZ 142, S. 304, 312 = NZA-RR 2000, S. 10, 11; OLG Oldenburg, Urteil v. 25. 9. 1998, NZA-RR 1999, S. 9,10. 651 Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S. 101, 103. 652 Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S. 103. 653 Thill, Revue du MarcM Unique Europeen 1996/1, S. 89, 109. 654 Thill, Revue du MarcM Unique Europeen 1996/1, S. 89, 109. 655 Thill, Revue du Marche Unique Europeen 1996/1, S. 89, 110. 656 Thill, Revue du MarcM Unique Europeen 199611, S. 89,110.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EO
sind anteilig für die Zeit zu verringern, in der der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbracht hat. Die durch Verbandsvorschriften begründete Pflicht zur Rückzahlung von Ausbildungskosten beschränkt die Freizügigkeit nämlich besonders intensiv. Der Arbeitnehmer kann seine berufliche Karriere zwar ohne Schwierigkeiten beenden. Die Verpflichtung aller neuen Arbeitgeber zur Ausbildungsentschädigung beschränkt aber den Zugang zu fremden Arbeitsmärkten. Will der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit im Ausland fortsetzen, muß der neue Arbeitgeber erhebliche Ausbildungskosten erstatten. Während die vom Arbeitnehmer zu zahlende Ausbildungsentschädigung den Arbeitnehmer am Weggang hindert, beschränkt die Zahlungsverpflichtung den Zugang zu allen potentiellen Arbeitgebern. Fraglich ist, wie dem Schutz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer genüge getan werden kann. Zunächst verbietet § 28 Abs. 2 BBiG Ausbildungsverträge mit Minderjährigen in nicht anerkannten Ausbildungsberufen. Ausbildungsverträge mit 12-18 Jährigen dürften im Fußball daher nichtig sein. Folglich darf in dieser Zeit erst recht keine Ausbildungsentschädigung verlangt werden. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG muß diesen Fall analog erfassen, jedenfalls greift aber § 19 BBiG, der sonstige Ausbildungen ohne Arbeitsverhältnis erfaßt. Glaubt man der Argumentation der Verbände, daß tatsächlich eine Weiterbildung der Spieler bei Lizenzvereinen erfolgt, dürfte sie ab der Volljährigkeit als Berufsausbildung einzuordnen sein. Die venneintliche "Weiterbildung" ist als Ausbildung zum Lizenzspieler einzuordnen. Der Arbeitnehmer strebt das Berufsbild eines Lizenzspieler an, so daß er nur bei einem Lizenzverein die notwendige Berufserfahrung sammeln kann. Dafür spricht auch, daß ein Ausbildungsvertrag erst ab diesem Zeitpunkt wirksam abgeschlossen werden kann. Dann greift aber für die Rückzahlungspflicht das Verbot des § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG. Diese Vorschrift verbietet auch verbandsrechtliche Rückzahlungsklauseln. § 5 Abs. 2 BBiG soll in Ausprägung des Art. 12 GG die Entschlußfreiheit des auszubildenden Arbeitnehmers und die Beendigungsfreiheit des Ausbildungsverhältnisses schützen. 657 Die Entschlußfreiheit des Arbeitnehmers wird durch die verbandsrechtliche Zahlungspflicht aller potentiellen Arbeitgeber noch viel stärker beschränkt als durch eine individuelle Zahlungspflicht. Er ist nicht nur an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehindert, sondern auch an der Ausübung seines Berufs. Wenn er keinen Verein findet, der bereit ist, die Entschädigung zu bezahlen, ist ihm der Zugang zu allen ausländischen Arbeitsmärkten versperrt. Lehnt man eine Berufsausbildung ab, könnte § 75 f. HGB der Beschränkung der Freizügigkeit vorbeugen. Diese analog auch auf nichtkaufmännische Arbeitnehmer und Verbände anwendbare Vorschrift658 stellt sogenannte geheime Wettbewerbsabreden zwischen Arbeitgebern nicht klagbar und gewährt den beteiligten ArbeitgeErfurter Kommentar / Schlachter § 5 BBiO, Rn. l. BOH, Urteil v. 27. 9.1983, APNr. 2 zu § 75 f. HOB, BI. 3; Münchener Kommentar/v. Hoyningen-Huene 75 f. HOB, Rn. 3; Oemeinschaftskommentar zum HOB / Etzel § 75 f. HOB, Rn. I; Heymann/ Henssler § 75 f. HOB, Rn. 3; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58, Rn. llO; Eggen, Sperrabreden unter Arbeitgebern, S. 39,43. 657 658
V. Anwendungsbeispiele
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bern ein Rücktrittsrecht. Die Reglements der FIFA sind Absprachen von Arbeitgebern innerhalb eines Verbandes. Diese setzen die Einstellung fremder Arbeitnehmer unter die Voraussetzung der Bezahlung einer Ausbildungsentschädigung. Zwar verbietet es Art. 8 Ziffer I des FIFA-Transferreglements in der Fassung vom 5. Juli 2001, die Erteilung des Freigabescheins von Bedingungen abhängig zu machen. Das Reglement verhindert dennoch die Einstellung fremder Arbeitnehmer, da der Verein verbandsrechtlich durch Sanktionen verpflichtet werden kann, die Ausbildungsentschädigung zu entrichten (Art. 11 Ziffer 3 Ausführungsbestimmungen zum FIFA-Transferreglement in der Fassung vom 5. Juli 2001). Im Grunde verpflichten sich die Arbeitgeber, Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Ausbildungsentschädigung einzustellen. Darin ist eine indirekte Sperrabrede zu sehen, welche die Voraussetzungen des § 75 f. HGB erfüllt. 659 Die Vorschrift wird aber der Schutzpflicht des Gesetzgebers nicht gerecht. 660 Der Arbeitnehmer bleibt trotz der Regelung ohne Beschäftigung. § 75 f. HGB führt allein zu einer Möglichkeit der Arbeitgeber, sich der verbandsrechtlichen Regelung durch Rücktritt oder Vollzug zu entziehen. Die Absprache ist nach der gesetzlichen Konzeption aber nicht unwirksam. 661 Außerdem wird der verbandsangehörige Arbeitgeber den Verbandsregeln folgen, an denen er oder sein nationaler Verband mitgewirkt haben. Der Arbeitnehmer hat damit keine Aussicht, sich gegen die Regelungen mittels § 75 f. HGB zu wehren oder auf einen sich widersetzenden Arbeitgeber zu hoffen. Er wird durch § 75 f. HGB nicht ausreichend in seinem Freizügigkeitsrecht geschützt. Es ist aber anerkannt, daß Absprachen im Sinne des § 75 f. HGB nach § 138 BGB nichtig sind, wenn sie so umfassend angelegt sind, daß für den Arbeitnehmer das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes aufgehoben wird 662 oder ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeber an dieser Abrede fehlt. 663 Ein berechtigtes Interesse soll nur dann vorliegen, wenn die Absprache wettbewerbsrechtliche Interessen verfolgt. 664 Das ist bei den Absprachen im Profisport nicht der Fall. Die Arbeitgeber haben nach der Beendigung des Vertrages keine wettbewerbsrechtlichen Interessen mehr, die Tätigkeit des Spielers bei einem Konkurrenten zu verhindern, da der Arbeitnehmer über keine Betriebsgeheimnisse verfügt und nur seine persönlichen Fertigkeiten mitnimmt. Die Verbandsinteressen an einer solchen Absprache sind ebenfalls gering zu bewerten. Die finanzielle EntAusführlich hierzu Eggert, Sperrabreden unter Arbeitgebern, S. 49 ff. So bereits zu Art. 12 GG: Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1065. 661 Gemeinschaftskommentar zum HGB / Etzel § 75 f. HGB, Rn. 2; Münchener Kommentar / v. Hoyningen-Huene 75 f. HGB, Rn. 6; Arbeitsrecht-Blattei / Arens / Schelfer, SD 1480.2, Fußballsport, Rn. 284; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58, Rn. 111; Eggert, Sperrabreden unter Arbeitgebern, S. 106. 662 Münchener Kommentar / v. Hoyningen-Huene 75 f. HGB, Rn. 8; Gemeinschaftskommentar zum HGB / Etzel § 75 f. HGB, Rn. 3; Heymann/ Henssler § 75 f. HGB, Rn. 5; Eggert, Sperrabreden unter Arbeitgebern, S. 108. 663 Heymann / Henssler § 75 f. HGB, Rn. 5; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58, Rn. 111. 664 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58, Rn. 111. 659
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
schädigung der Vereine ist weder für den Bestand noch für die Betätigung des Verbands oder der Arbeitgeber notwendig. Jeder Arbeitgeber muß damit rechnen, daß dem Verein beim Weggang eines Arbeitnehmers Kapital entzogen wird. Dies kann er bei tatsächlich erfolgter Fortbildung mit individuellen Verträgen unter den aufgezeigten Voraussetzungen verhindern. Dafür bedarf es keiner Verpflichtung aller potentiellen Arbeitgeber. Die Entschädigungszahlungen garantieren auch nicht die Funktionsfähigkeit und Chancengleichheit der Vereine. Sie verfolgen den gleichen Zweck wie das alte System der Transferzahlungen. Eine Ausbildungsentschädigung setzt außerdem stets einen Vorteil auf der Seite des Arbeitnehmers voraus. Ob der Arbeitnehmer einen solchen erhält, ist bereits bezweifelt worden. 665 Bezeichnend ist insoweit, daß die FIFA und die UEFA in ihren neuen Statuten von der Rückzahlung von "Trainingskosten" sprechen,666 was den fehlenden Bezug zu einer Ausbildung der Spieler offensichtlich macht. Jedenfalls verbietet sich jede pauschale Berechnung der Ausbildungskosten und die Aufnahme von Trainingskosten. 667 Zudem wird für den Arbeitnehmer der gesamte Arbeitsmarkt versperrt, da alle potentiellen Arbeitgeber weltweit an die Absprache der FIFA gebunden sind. Das System dient somit lediglich der Refinanzierung und ist wie in der deutschen Rechtsprechung und Lehre anerkannt unzulässig. Die Absprache ist daher nach § 138 BGB zu verwerfen. Der Schutz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer vor Beschränkungen wird durch die Anwendung des § 138 BGB genüge getan. Das gilt erst recht für die Ausbildungsentschädigung aus laufenden Verträgen, wie sie in Art. 18 des FIFA-Transferreglements in der Fassung vom 5. Juli 2001 vorgesehen ist. Die Einführung dieser Entschädigungsregelung zeigt, daß die Verbände gerade mit einer Unterbrechung der vermeintlichen Fort- und Weiterbildung rechnen und der Vertrag mit dem Spieler nicht auf eine Fortbildung gerichtet ist, sondern auf das Erzielen einer Entschädigung zielt, die allein der Refinanzierung der Vereine dient und damit den im Bosman-Urteil verworfenen Transferentschädigungen entspricht. Die in den Verbandsvorschriften bestehenden Ausbildungsentschädigungen beschränken die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Dieser Beschränkung ist durch die Anwendung des § 138 BGB Rechnung zu tragen. Die Abreden sind daher unwirksam. Verbandsrechtliche Rückzahlungsklauseln von Ausbildungskosten müssen sich genau wie individualvertragliche an den tatsächlichen Kosten orientieren und die Fortbildung muß dem Arbeitnehmer einen meßbaren Vorteil verschaffen. Solange diese Voraussetzungen von den Verbandsvorschriften nicht erfüllt werden, begegnen ihrer Wirksamkeit starke Bedenken. Ob den Verbänden eine Flucht in die Tarifverträge helfen könnte, ist später zu erörtern. 668
Siehe oben 2. Kapitel, V., 2., i), dd), (6). Art. 16 des FIFA-Transferreglements in der Fassung vom 5. Juli 2001 lautet: "Die genauen Beträge für Training und Ausbildung errechnen sich gemäß den Parametern, die in den Ausführungsbestimmungen festgelegt werden." 667 So aber Art. 16 FIFA-Transferreglement in der Fassung vom 5. Juli 2001. 668 Siehe unten 2. Kapitel, v., 3., e). 665
666
V. Anwendungsbeispiele
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j) Rückzahlung von Umzugskosten aa) Grundlage
Der Arbeitnehmer kann auch mit Absprachen an den Arbeitsplatz gebunden werden, in denen sich der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der vom Arbeitgeber erstatteten Umzugskosten verpflichtet. Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer eine finanzielle Unterstützung beim Umzug, sofern der Arbeitsplatzwechsel einen solchen erfordert. Diese Kosten sollen dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer zurückerstattet werden, wenn er das Arbeitsverhältnis vorzeitig löst. Die Rückzahlungspflicht gerät in Konflikt mit dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG, da sie dem Arbeitnehmer einen finanziellen Nachteil bei der Kündigung auferlegt. Daher ist nach der Wirksamkeit solcher Absprachen zu fragen. bb) Ansicht des BAG
Das BAG hat sich bei den Rückzahlungspflichten von Umzugskosten an den Grundsätzen zur Rückzahlung von Fortbildungskosten orientiert. 669 Die Rückzahlungspflicht müsse aufgrund der Arbeitsplatzwahlfreiheit zumutbar sein. 67o Die Grundsätze über die Rückzahlung von Gratifikationen fanden keine Anwendung, da die Umzugshilfe die künftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses in den Vordergrund stelle, wohingegen die Gratifikation für die während eines zurückliegenden Zeitraums gezeigte Pflichttreue gewährt werde. 671 Daher sei eine dreijährige Bindung keinen Bedenken ausgesetzt. 672 Der Arbeitnehmer müsse ein Interesse an dem Umzug haben, etwa bessere Arbeitsbedingungen oder günstigere Aufstiegschancen. 673 Dreijährige Bindungsklauseln seien unter diesen Umständen auch ohne gestaffelte Rückzahlungspflicht zumutbar, wenn die Verpflichtung ein Monatsgehalt nicht wesentlich übersteige. 674 ce) Ansicht im Schrifttum
Der Ansicht des BAG wird im Schrifttum weitgehend gefolgt. 675 Zum Teil wird die fehlende Staffelung der Rückzahlungspflicht kritisiert, so daß die Grundsätze 669 BAG, Urteil v. 15. 12. 1974, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Umzugskosten, BI. 1; BAG, Urteil v. 24. 2. 1975, AP Nr. 50 zu Art. 12 GG, BI. l. 670 BAG, Urteil v. 24. 2. 1975, AP Nr. 50 zu § Art. 12 GG, BI. 1. 671 BAG, Urteil v. 15. 12. 1974, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Umzugskosten, BI. 1. 672 BAG, Urteil v. 15. 12. 1974, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Umzugskosten, BI. 1; BAG, Urteil v. 24. 2. 1975, AP Nr. 50 zu Art. 12 GG, BI. 1. 673 BAG, Urteil v. 24. 2. 1975, AP Nr. 50 zu Art. 12 GG, BI. 2. 674 BAG, Urteil v. 24. 2. 1975, AP Nr. 50 zu Art. 12 GG, BI. 2. 675 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 84, Rn. 15; Arbeitsrecht-Blattei / Mummenhoff, SD 1340, Rückzahlung, Rn. 205; Erfurter Kommentar/ Preis § 611 BGB, Rn. 642.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
nicht im Einklang mit der Rechtsprechung zu den Ausbildungskosten stünden. 676 Da die Investition des Arbeitgebers mit jedem Monat der Betriebstreue des Arbeitnehmers nach und nach abgegolten werde, müsse sie mit jedem Monat gemindert werden. 677 dd) Stellungnahme
Der Kritik im Schrifttum an der Rechtsprechung des BAG ist wegen der Schutzpflicht aus Art. 39 EG in grenzüberschreitenden Sachverhalten beizutreten. Es ist zulässig, Gratifikationen in der Höhe eines Monatsgehalts nur mit einer Bindungsdauer von drei Monaten zu verknüpfen. Umzugskosten können hingegen bis zu drei Jahre ohne jegliche Staffelung zurückgefordert werden. Zwar ist es richtig, daß der Arbeitnehmer über die finanzielle Hilfe beim Umzug immaterielle Vorteile erlangt, die denen der Fortbildung vergleichbar sind. Indes begründet eine drei Jahre währende Bindung durch die Pflicht zur Rückzahlung eines Monatsgehalt eine faktische Kündigungserschwerung für den Arbeitnehmer, die nicht mit einem vergleichbaren Hindernis der Kündigung für den Arbeitgeber ausgeglichen wird. Dies steht im Widerspruch zu dem Rechtsgedanken des § 622 Abs. 6 BGB. Nach spätestens einem Jahr entfaltet das bezahlte Monatsgehalt für den Arbeitgeber keine große Bindungswirkung mehr. Die Investition hat sich ausgezahlt, wenn der Arbeitnehmer die erwartete Leistung erfüllt hat. Danach ist der Arbeitgeber nicht mehr an der Amortisation interessiert. Die faktische Kündigungserschwerung für den Arbeitnehmer ist nicht mehr mit der des Arbeitgebers vergleichbar. Dem Erfordernis der gleichen Kündigungserschwerung ist durch eine Staffelung der Rückzahlungsbeträge und eine Verringerung der Bindungsdauer Rechnung zu tragen. Vergleicht man die Bindungswirkung der Umzugskosten mit der der Fortbildungskosten, so erhält der Arbeitnehmer durch einen Ortswechsel anders als durch eine Fortbildung nicht unbedingt bessere Arbeitsmarktchancen, es sei denn, er hat seinen Wohnort in ein Gebiet verlegt, in dem es für ihn ein erhöhtes Arbeitsplatzangebot gibt. Der fortgebildete Arbeitnehmer erhält hingegen wesentliche immaterielle Vorteile, die sogar zu einer im Grunde weniger langen Bindungswirkung führen dürften. Bei einer Fortbildung von einem Monat kann eine Bindung nur bis zu einem Jahr vereinbart werden. 678 Folglich besteht die Pflicht zur Rückzahlung der Umzugskosten in der Höhe eines Monatsgehalts nur bei der Kündigung innerhalb eines Jahres und die Rückzahlungspflicht ist für diesen Zeitraum monatlich degressiv zu staffeln, sofern der Arbeitnehmer überhaupt einen geldwerten Vorteil durch den Orts wechsel erwirbt. Die Rückzahlung ist bei einer betriebsbedingten 676
Erfurter Kommentar/ Preis § 611 BGB, Rn. 643; Münchener Kommentar/ Müller-Glö-
ge § 611 BGB, Rn. 365. 677
678
Erfurter Kommentar / Preis § 611 BGB, Rn. 643. BAG, Urteil v. 15. 12. 1993, AP Nr. 17 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, BI. 4.
V. Anwendungsbeispiele
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Kündigung ausgeschlossen. 679 Ansonsten ist die Absprache wegen § 622 Abs. 6 BGB zum Schutz des Arbeitnehmers vor Beschränkungen seiner Freizügigkeit unwirksam und auf das zumutbare Maß zurückzuführen.
3. Verbandsregeln im Profisport a) Transferfristen
aa) Regelungsgegenstand
In den internationalen Verbandsstatuten sind für den Vereinswechsel zeitliche Begrenzungen geregelt (Transferfristen).680 Spieler können nur während einer von zwei vom Nationalverband zu diesem Zweck festgelegten Perioden registriert werden. Auch die deutsche Lizenzordnung Spieler sieht Transferfristen vor. Diese finden durch die Unterwerfung der Lizenzspieler unter die Transferbestimmungen der FIFA und des DFB auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. 681 Sie bestimmen die Zeiträume, innerhalb derer ein Verein gewechselt werden kann. In § 4 Ziffer 2 Lizenzordnung Spieler ist festgelegt, daß Verträge nur zum 1.7 oder in der Zeit vom 1.7. bis 16.1. eines Jahres abgeschlossen werden können. Folglich besteht in der ersten Jahreshälfte ein Transferverbot. Das gilt auch für Wechsel aus dem Ausland nach Deutschland. § 4 Ziffer 7 S. 1 Lizenzordnung Spieler spricht zwar davon, daß Spieler mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsverbandes der UEFA unbegrenzt verpflichtet werden können. Die Vorschrift soll indes allein die zahlenmäßige Begrenzung europäischer Spieler ausschließen, was sich auch aus dem Zusammenhang mit § 4 Ziffer 7 S. 2 Lizenzordnung Spieler ergibt, wo der Einsatz außereuropäischer Spieler auf fünf begrenzt wird. § 4 Ziffer 7 S. 1 Lizenzordnung Spieler betrifft nicht die Transferfristen. Es ist daher auch für Spieler, die aus dem Ausland kommen, nicht möglich, Verträge außerhalb der Transferfristen zu vereinbaren. bb) Bewertung
Die Transferfristen beschränken die Arbeitnehmer in ihrer Freizügigkeit, da der Arbeitgeber nur in besonderen Zeiträumen gewechselt werden kann. 682 Wahrend 679 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 84, Rn. 15; LAG Düsseldorf {Köln, Urteil v. l. 4. 1975, EzA Nr. 1 zu § 157 BGB. 680 Art. 5 Ziffer 2 FIFA-Transferreglement; zu Transferfristen in der belgischen Basketball Profiliga: EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681 ff. = EuZW 2000,
S. 375 ff. 681 Imping, Die arbeitsrechtliche Stellung des Fußballspielers zwischen Verein und Verbänden, S. 221, 222; Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S. 5; Gramlich, SpuRt 2000, S. 89, 92.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EO
der meisten Zeit des Jahres ist den Spielern der Zugang zum fremden Arbeitsmarkt versperrt. Vor dieser Beschränkung können Arbeitnehmer nicht durch die Anwendung des § 75 f. HGB geschützt werden. Zwar sind dessen Voraussetzungen erfüllt, da die Spieler nur unter gewissen zeitlichen Voraussetzungen eingestellt werden können und damit ein geheimes Wettbewerbsverbot vereinbart ist. Die Aufhebung der Klagbarkeit der Absprache gibt dem Arbeitnehmer aber kein effektives Mittel an die Hand, um sich gegen die Beschränkung zu wehren. Dem Arbeitnehmer ist daher nach den Grundsätzen des § 138 BGB Schutz zu gewähren. Absprachen von Arbeitgebern sind nichtig, wenn sie so umfassend angelegt sind, daß für den Arbeitnehmer das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes aufgehoben wird683 oder ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeber an dieser Abrede fehlt. 684 Die Absprache ist zwar umfassend angelegt. Sie schließt die freie Wahl des Arbeitsplatzes aber nicht aus, da der Arbeitnehmer während der zweiten Hälfte des Jahres den Verein frei wechseln kann. Außerdem dienen die Fristen der Chancengleichheit aller Vereine, woran die Vereine ein berechtigtes Interesse haben. Die Fristen stellen außerdem den geordneten Verlauf der Wettkämpfe sicher. 685 Sie verhindern, daß sich der sportliche Wert einer Mannschaft innerhalb der Meisterschaft erheblich verändert. 686 Der Einsatz neuer Spieler würde finanzstarken Vereinen die Möglichkeit eröffnen, ihre Mannschaftsstärke in der Schlußphase sportlicher Wettkämpfe überproportional zu verbessern. Es besteht daher eine berechtigtes Interesse an der Abrede, die daher nicht gegen § 138 BGB verstößt. Die Vereine haben andererseits kein berechtigtes Interesse daran, internationale Transfers gegenüber nationalen schlechter zu behandeln. Das ist aber der Fall, da nach dem neuen FIFA-Transferreglement internationale Transfers nur während einer festgelegten Periode, wohingegen nationale Transfers von Juli bis Mitte Januar stattfinden könnten. Grenzüberschreitende Vorgänge würden diskriminiert, was gegen den besonderen Schutzzweck des Beschränkungsverbots verstieße. An einer solchen Diskriminierung haben die Verbände kein berechtigtes Interesse. Internationale Transfers müssen nicht schlechter behandelt werden, um ein ausgewogenes Gleichgewicht der Vereine zu erreichen. Das hat der EuGH bereits in der Entscheidung Lehtonen entschieden. 687 Dort unterlagen europäische Transfers kürzeren Transferfristen als sonstige internationale Transfers. Es lasse sich nicht begriinden, 682 EuOH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2732 = EuZW 2000, S. 375, 378, Rn. 49. 683 Münchener Kommentar I v. Hoyningen-Huene 75 f. HOB, Rn. 8; Oemeinschaftskommentar zum HOB I Etzel § 75 f. HOB, Rn. 3; Heymannl Henssler § 75 f. HOB, Rn. 5. 684 Heymannl Henssler § 75 f. HOB, Rn. 5; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58, Rn. 111. 685 EuOH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2733 = EuZW 2000, S. 375, 378, Rn. 53 - 55. 686 EuOH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2733 = EuZW 2000, S. 375, 378, Rn. 54. 687 EuOH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Sig. I 2000, S. 2681, 2734 = EuZW 2000, S. 375, 379, Rn. 58.
V. Anwendungsbeispiele
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daß der Transfer eines Spielers aus der europäischen Zeitzone eine größere Gefahr für den geordneten Spielablauf darstelle als der Transfer eines Spielers, der von einem Verband außerhalb dieser Zone her wechsele. 688 Es läßt sich ebensowenig begründen, warum der Transfer aus dem europäischen Ausland eine größere Gefahr für den geordneten Spielablauf darstellt als der Transfer eines Spielers im Inland. Der Vereinswechsel im Inland führt im Gegensatz zu internationalen Transfers nicht nur zu einer Verstärkung der eigenen Mannschaft, sondern auch noch zu einer Schwächung der gegnerischen Mannschaft. Das sportliche Gleichgewicht ist aber in allen Mitgliedstaaten gleich gefährdet. Die Abrede wäre nach § 138 BGB nichtig. Transferfristen sind daher grundsätzlich zulässig, solange sie internationale und nationale Transfers gleich behandeln. b) Internationaler Freigabeschein
aa) Grundlage
Möchte ein Spieler zu einem anderen Mitgliedsverband der FIFA wechseln, bedarf er gemäß Art. 5 Ziffer 3 FIFA-Transferreglement eines internationalen Freigabescheins. Diesen Freigabeschein benötigt ein Spieler nicht, wenn er innerhalb eines Verbandes, also innerhalb Deutschlands, Frankreichs oder Großbritanniens den Verein wechselt. Der vom abgebenden Verband auszustellende Freigabeschein kann verweigert werden, wenn der Spieler seine vertragliche Verpflichtung nicht erfüllt hat und auch kein gegenseitiges Einverständnis über eine Vertragsauflösung besteht. § 14 Ziffer 2 Lizenzordnung Spieler fordert darüber hinaus für die Freigabe aller in Deutschland befindlicher Spieler, daß der abgebende Verein keine berechtigten Einwendungen erhebt und keine sonstigen Einwendungen gegen die Aufnahme in die Transferliste bestehen. 689 Die Transferbestimmungen der FIFA und des DFB finden durch die Unterwerfung im Lizenzarbeitsvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. 69o bb) Ansicht des Generalanwalts Lenz
Der Generalanwalt Lenz hat in seinen Schlußanträgen zu Bosman für das Freigabeerfordernis einen Verstoß gegen das Diskrirninierungsverbot bejaht. 691 Der 688 EuGH, Urteil v. 13. 4. 2000 (Lehtonen), Slg. I 2000, S. 2681, 2734 = EuZW 2000, S. 375, 379, Rn. 58. 689 Dazu unten 2. Kapitel, v., 3., c). 690 lmping, Die arbeitsrechtliche Stellung des Fußballspielers zwischen Verein und Verbänden, S. 221,222; Gebhardt, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler, S. 5; Gramlieh, SpuRt 2000, S. 89,92; siehe auch § 10 Abs. 1 DFB Lizenzspielervertrag. 691 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 4988, Rn. 160, 16l.
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
Wechsel ins Ausland werde anders behandelt als der Wechsel innerhalb eines nationalen Verbands, da der abgebende Verband seine Zustimmung erteilen müsse. 692 Die Zustimmung sei keine bloße Formalie, da es keine Regelung darüber gebe, ob und wie der Spieler bei einer Weigerung des abgebenden Verbands den Schein an anderer Stelle erlangen könne, was bei einer bloßen Formalie möglich sein müsse. 693 Es sei einleuchtend, daß während der Vertragslaufzeit eine Freigabe nicht erteilt werden könne, indes würde durch die zweite Alternative eine Vielzahl anderer Fälle abgedeckt. 694 Zudem verdeutliche das Einsatzverbot eines Spielers ohne Freigabeschein, daß es sich nicht bloß um eine Formalie handele. Diese Ungleichbehandlung könne dazu führen, daß ein Spieler davon abgehalten werde, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. 695
ce) Ansicht im Schrifttum
Im Schrifttum wird eine unzulässige Beschränkung der Freizügigkeit abgelehnt, da die Freigabe nicht nach der Staatsangehörigkeit diskriminiere. 696
dd) Stellungnahme
Art. 39 EG beinhaltet neben dem Diskriminierungsverbot nach der Staatsangehörigkeit ein Verbot unterschiedslos beschränkender Maßnahmen, so daß allein mit dem Hinweis auf die fehlende Diskriminierung fremder Staatsangehöriger durch das Freigabeerfordernis ein Verstoß gegen Art. 39 EG nicht abgelehnt werden kann. Vielmehr begründet das Freigabeerfordernis für internationale Transfers eine nach dem Beschränkungsverbot unzulässige Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge. Zwar sieht Art. 6 Abs. 6 FIFA-Transferreglement inzwischen ein Verfahren vor, wie der Spieler bei einer Verweigerung der Freigabe vorgehen kann. Dennoch ist der Spieler in dieser Zeit nicht spielberechtigt. Die Freigabe ist damit eindeutig keine bloße Formalie, sondern ein effektives Mittel, um einen Vereinswechsel zu verhindern. Die Regelung beschränkt somit die Freizügigkeit der Spieler. 692 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 4988, Rn. 161. 693 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. (Bosman), Slg. I 1995, S. 4921, 4988, Rn. 161. 694 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 4988, Rn. 161. 695 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 20. (Bosman), Slg. 11995, S. 4921, 4988, Rn. 162. 6% lmping, Die arbeitsrechtliche Stellung des bänden, S. 246; lmping, EWS 1996, S. 193, 195.
9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 9. 1995 zu EuGH, Urteil v. 15. 12. 1995 Fußballspielers zwischen Verein und Ver-
V. Anwendungsbeispiele
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Internationale Transfers werden zudem durch das Freigabeerfordernis benachteiligt. Das zeigt der Vergleich eines Vereinswechse1s von Deutschland ins Ausland mit einem innerdeutschen Vereins wechsel. Der innerdeutsche Transfer setzt gemäß § 4 Ziffer 1 Lizenzordnung Spieler die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Aufnahme in die Transferliste voraus. Diese Voraussetzungen müssen für die internationale Freigabe ebenfalls erfüllt sein (Art. 6 Ziffer 5 FIFA-Transferreg1ement und § 14 Ziffer 2 lit. b) Lizenzordnung Spieler). Die Freigabe kann aber darüber hinaus verweigert werden, wenn eine Streitigkeit über das Vertragsende besteht. Ein nationaler Transfer kann in diesen Fällen nicht verhindert werden. Grenzüberschreitende Vorgänge unterliegen damit stärkeren Beschränkungen als nationale. Das Erfordernis einer Freigabeerklärung und die Möglichkeit, sie aus diversen Gründen zu verweigern, führen zu einer Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge. Dies verstößt gegen den besonderen Schutzzweck des Art. 39 EG und beschränkt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die sich bei Transfers ins Ausland höheren Hürden als bei nationalen Transfers ausgesetzt sehen. Fraglich ist, wie der Schutz der Arbeitnehmer herbeigeführt werden kann. Zwar enthält § 75 f. HGB ein Verbot der Abwerbebeschränkung zwischen Arbeitgebern, indes wird die Abrede lediglich klaglos gestellt und nicht für unwirksam erklärt. Sie kann dem Arbeitnehmer weiter entgegengehalten werden. Die Verbandsrege1 könnte aber nach § 138 BGB nichtig sein. 697 Zwar kann der Spieler ohne Freigabe innerhalb des nationalen Arbeitsmarkts den Arbeitgeber wechseln. Ihm bleibt aber der gesamte ausländische Arbeitsmarkt versperrt. Die Verbände können nur wenige berechtigte Interessen an einer solchen Regelung anführen. Zur Wahrung der Rechtssicherheit bei internationalen Transfers würde es genügen, die auch bei nationalen Transfers bestehenden Voraussetzungen zu erfüllen. Die für nationale Transfers geforderte Aufnahme in die Transferliste des DFB garantiert große Sicherheit, da sie im Internet jederzeit und für jedermann verfügbar ist und damit ein öffentliches und verläßliches Medium darstellt. Auch ein ausländischer Verband kann sich somit informieren und versichern, daß der Aufnahme eines neuen Spielers in den neuen Verband keine Hindernisse entgegenstehen. Das Recht des abgebenden Vereins, internationale Transfers verhindern zu können, wenn eine Streitigkeit im Zusammenhang mit dem Transfer des Spielers besteht, ist auch nicht durch berechtigte Interessen des Verbandes oder der Vereine gerechtfertigt. Da der Vertrag beendet sein muß, um die Freigabe zu erhalten, kann ein Transfer nach Beendigung des Vertrages verhindert werden. Eine Beschränkung der Freizügigkeit nach Beendigung des Vertrages ist aber besonders intensiv, da die vertraglichen Erfüllungspflichten erloschen sind und keine berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsbindung mehr bestehen. Die Streitigkeit muß zudem nicht von der Sphäre des Arbeitnehmers ausgehen. Der abgebende Verein hat die Möglichkeit, eine Streitigkeit anzuzetteln und dem Arbeitnehmer 697
Zu den Grundsätzen siehe oben 2. Kapitel, V., i), ee).
21 Roloff
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2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
berufliche Perspektiven zu verbauen. Das Freigabeerfordernis ist daher in seiner jetzigen Ausgestaltung nach § 138 BGB nichtig. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer steht derart beschränkenden Maßnahmen entgegen.
c) Pflicht zur Aufnahme in die Transferliste
aa) Allgemein Für die Erteilung des Freigabescheins bei internationalen Transfers dürfen nach deutschen Statuten keine Einwendungen gegen die Aufnahme in die Transferliste vorliegen (§ 14 Ziffer 2 lit. b) Lizenzordnung). Da dieses Erfordernis auch für nationale Transfers besteht, werden grenzüberschreitende Vorgänge zwar nicht diskriminiert. Durch die Verpflichtung zur Aufnahme in die Transferliste wird der Spieler aber daran gehindert, seinen Arbeitsplatz grenzüberschreitend zu verlagern, wenn er nicht auf der Transferliste steht. Das Erfordernis der Aufnahme in die Transferliste beschränkt die Freizügigkeit daher unterschiedslos und ist nach § 138 BGB unzulässig, sofern die Verbände keine berechtigten Interessen für diese Maßnahme anführen können. Für die Interessen des Verbandes an der Transferliste läßt sich die Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Verbindlichkeit der Liste anführen. Die Transferliste ist ein geeignetes Instrument, um Vereinswechsel für den sportlichen Gegner transparent zu machen und die Einhaltung der Transferperioden und der Bindung an die Arbeitsverträge zu überwachen. Das grundsätzliche Erfordernis der Aufnahme in die Transferliste entspricht somit berechtigten Interessen der Verbände und ist nicht nach § 138 BGB zum Schutz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer vor Beschränkungen unwirksam. Dem Arbeitnehmer kann aber die Aufnahme in die Transferliste unter gewissen Voraussetzungen verweigert werden. Da diese Weigerungs gründe der Aufnahme in die Transferliste und damit der Ausübung der Freizügigkeit entgegenstehen, sind sie daraufhin zu untersuchen, ob sie durch Interessen der Verbände gerechtfertigt sind. Ansonsten sind sie nach § 138 BGB nichtig.
bb) § 13 Ziffer 6lit. a) Lizenzordnung Spieler § 13 Ziffer 6 lit. a) Lizenzordnung Spieler setzt für die Aufnahme in die Transferliste eine fristgerechte Kündigung, eine einvernehmliche Vertragsauflösung oder den Ablauf der Befristung, also die ordnungsgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus. 698 Durch diese Regelung kann der Arbeitgeber den Vertrags698 Diese Regelung wird bei nationalen Transfers durch § 11 Ziffer 2 lit. c) Lizenzordnung Spieler ergänzt, der die Erteilung der Spie1erlaubnis bei bestehenden und angezeigten anderen rechtlichen Bindungen des Spielers ausschließt. Diese Regelung begründet aber nicht die eigentliche Beschränkung von Vereinswechseln, wie etwa Kelber, NZA 2001, S. 11, 15
V. Anwendungsbeispiele
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bruch des Arbeitnehmers sanktionieren. Die rechtliche Bindung an das Arbeitsverhältnis wurde aber auch für Profisportier für zulässig erachtet, sofern die Grenzen der §§ 622 Abs. 6 und 624 BGB beachtet werden. 699 Der Arbeitnehmer hat auch wegen Art. 39 EG kein Recht, vorzeitig ohne außerordentliches Kündigungsrecht aus dem Arbeitsverhältnis entlassen zu werden. Der Arbeitgeber hat hingegen ein mehr als berechtigtes Interesse, den Vertragsbruch effektiv verhindern zu können. 700 Kann ein Verein die Tätigkeit des Arbeitnehmers bei der Konkurrenz im Wege der Zwangsvollstreckung gerichtlich vereiteln,701 dann muß ihm dies erst recht mit verbandsrechtlichen Mitteln möglich sein. Die Regelung trägt daher dem berechtigten Interesse an der Durchsetzung des aus der Treuepflicht folgenden beivertraglichen Wettbewerbsverbots Rechnung. 702 Die Verweigerung der Aufnahme in die Transferliste bei bestehendem Arbeitsverhältnis ist durch ein berechtigtes Interesse der Vereine legitimiert. 703 § 13 Ziffer 6 lit. a) Lizenzordnung Spieler ist daher wirksam.
ce) § 13 Ziffer 6lit. e) 2. Alt. i. v.m. § 7 Ziffer 2 Lizenzordnung Spieler Die Aufnahme in die Transferliste kann gemäß § 13 Ziffer 6 lit. e) 2. Alt. i.Y.m. § 7 Ziffer 2 Lizenzordnung Spieler bis zum eigentlich vereinbarten Vertragsablauf verweigert werden und dem neuen Arbeitgeber kann die eigentliche Vertragslaufzeit im Rahmen von Ablöseverhandlungen entgegengehalten werden, wenn der Spieler wegen eines von ihm veranlaßten wichtigen Grundes fristlos gekündigt wurde. Der Arbeitnehmer kann somit für die weitere Vertragslaufzeit, daran gehindert werden, einen neuen Verein aufzusuchen, obwohl der Vertrag wegen der Kündigung nicht mehr besteht. Er kann aber ohne Aufnahme in die Transferliste keinen neuen Vertrag abschließen (§ 4 Ziffer I Lizenzordnung Spieler) und den Arbeitsmarkt nicht grenzüberschreitend verlassen (§ 14 Ziffer 2 lit. b) Lizenzordnung Spieler). Damit wird er für eine gewisse Zeit an der Ausmeint. Die Erteilung der Spielerlaubnis setzt nämlich zuerst die Aufnahme in die Transferliste voraus, § 11 Ziffer 2 lit. a) Lizenzordnung Spieler, und diese das Ende des Arbeitsvertrages beim ehemaligen Arbeitgeber, § 11 Ziffer 2 lit. c) Lizenzordnung Spieler. Die eigentliche Beschränkung ist in der Verweigerung der Aufnahme in die Transferliste zu sehen, die genauso internationale Transfers betrifft. 699 Siehe oben 2. Kapitel, v., 1., dd), (3). 700 Kelber, NZA 2001, S. 11, 15 verneint ein schützenswertes "Rechtsgut" des Spielers. 701 Siehe oben 2. Kapitel, v., 1., dd), (3). 702 BAG, Beschluß v. 17. 10. 1969, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht; BAG, Urteil v. 16.8. 1990, EWiR 1991, § 626 BGB, S. 141, 142; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 91; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57, Rn. 2; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht! Blomeyer § 52, Rn. 49. 703 Kelber, NZA 2001, S. 11, 15 zu der verwandten Regelung in § 11 Ziffer 2 lit. c) Lizenzordnung Spieler.
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übung seiner Tätigkeit im In- und Ausland gehindert. Der ehemalige Arbeitgeber hat an dieser Beschränkung kein berechtigtes Interesse. Er kann die Schäden der fristlosen Kündigung über § 628 Abs. 2 BGB ersetzt veriangen. 704 Ein weitergehendes Interesse an einer Vertrags bindung besteht nicht, der Verein hat den Spieler durch die Kündigung von der Bindung an den Vertrag gelöst, obwohl er grundsätzlich wählen kann, ob er einem Arbeitnehmer fristlos kündigt oder ob er den Verein bestehen läßt und versucht, den Spieler im Verhandlungswege an einen anderen Arbeitgeber zu vermitteln. Erfolgt eine fristlose Kündigung, entscheidet sich der Verein für die Beendigung des Vertrages und gegen die Vorteile, die sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis ergeben. Der Verein ist daher an seine Kündigungserklärung gebunden. Auch der Verband hat an einer fortgesetzten Bindung kein Interesse. Der Spieler ist infolge der Kündigung ausreichend bestraft. Die Transferfristen sind möglicherweise bereits abgelaufen, so daß er nur schwer sofort einen neuen Arbeitsplatz finden dürfte. Der Arbeitnehmer wird nach dem Vertragsende an der Ausübung seiner Freizügigkeit und seines Berufs gehindert, obwohl die Kündigung nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit dem Spielbetrieb erfolgen mußte. Die über das Vertragsende fortwirkende Bindung ist wegen der vorangegangenen Kündigung widersprüchlich und sanktioniert das Verhalten des Arbeitnehmers über Gebühr. § 13 Ziffer 6 lit. e) 2. Alt. Lizenzordnung Spieler führt zu einer unzulässigen Kumulierung von Vorteilen auf Seiten des Arbeitgebers. Der Verein muß dem Arbeitnehmer kein Entgelt mehr bezahlen, kann sich aber in Transferverhandlungen mit neuen Arbeitgebern begeben und diesen die ursprüngliche Vertragslaufzeit entgegenhalten. Der Arbeitnehmer wird stark in seiner Freizügigkeit beschränkt. Die Absprache ist nach § 138 BGB nichtig. 705
d) Ergebnis
Das Erfordernis fehlender vertraglicher Bindung für nationale wie internationale Transfers begegnet grundsätzlich keinen freizügigkeitsrechtlichen Bedenken. Der Vereins wechsel kann von seinem bisherigen Verein aber auch aus anderen Gründen verhindert werden. Diese Regelungen verstoßen regelmäßig gegen § 138 BGB. Die verbandsrechtlichen Abreden kumulieren die Macht der Vereine über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Das Verhandlungsgewicht des bisherigen Arbeitgebers wird durch solche Verbandsregeln in unzulässigem Maße verstärkt.
704
705
Rüsing / Schmülling, SpuRt 200 1, S. 52, 53 f. So auch Rüsing / Schmülling, SpuRt 2001, S. 52, 53.
V. Anwendungsbeispie1e
325
e) Die "Flucht in den Tarifvertrag,,706 als Ausweg? Die Vorschriften der Verbände über den Wechsel des Arbeitgebers unterliegen wie gesehen einer starken Kontrolldichte. Das hängt zum einen damit zusammen, daß sie die Freizügigkeit der Arbeitnehmer massiv beschränken. Hinzukommt aber, daß sie nicht auf einem kollektiven Zusammenspiel von Arbeitgebern und Arbeitnehmern beruhen und damit nicht den für Tarifverträge geltenden SonderregeIn unterfallen. 707 Möglicherweise könnten die Verbände durch eine "Flucht in den Tarifvertrag" von der geringeren Kontrolldichte der Tarifverträge profitieren. Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG entfaltet bei Tarifverträgen über Arbeitsbedingungen eine geringere Kontrolldichte, da Art. 3 Abs. 1 lit. c) und j) EG auf einer Hierarchieebene kollidieren. 708 Diese Grundsätze könnten auch für Tarifverträge über Transferregeln gelten. Die Transferregeln haben Auswirkungen auf den Vereinswechsel und die Gehälter der Spieler, so daß sie Arbeitsbedingungen regeln. Für die Vertragsauflösung Ausbildungsentschädigungen oder Ablösesummen verlangen zu können, senkt die Bereitschaft des neuen Arbeitgebers, höhere Gehälter zu bezahlen, und betrifft damit die Arbeitsbedingungen. Auch die Pflicht zur Aufnahme in die Transferliste oder die Pflicht des Spielers Vertragsstrafen zu bezahlen, Fortbildungskosten oder Gratifikationen zuriickbezahlen zu müssen, betrifft die Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers. Die Flucht in den Tarifvertrag könnte dann zu einer geringeren Kontrolldichte solcher Arbeitsbedingungen führen. Diese Gedanken gleichen den amerikanischen Grundsätzen zum Verhältnis von Profisport und Marktbeschränkungen. 709 Die amerikanische Rechtsprechung erkennt eine Ausnahme vom Kartellrecht für Tarifverträge an (non statutory labour exemption710), wenn die im Streit stehende Regelung lediglich die Tarifparteien beriihrt, unmittelbar die Arbeitsbedingungen betrifft und aus einer von gegenseitiger Unabhängigkeit geprägten Tarifverhandlung hervorgeht. 711 Es wird dann tendenziell von einer Sachgerechtigkeit der Regelung auszugehen sein. Ausbildungsentschädigungen und sonstige Bindungsklauseln könnten dann von den vorgenannten strengen Grundsätzen für individualvertragliche Absprachen abweichen. Die Kollision von Art. 39, 3 Abs. 1 lit. c) EG und den Art. 136 ff., 3 Abs. 1 lit. j) EG führt aber nicht zu einer kompletten Bereichsausnahme für Tarifverträge, sondern lediglich zu einer geringeren Kontrolldichte der Arbeitsbedingungen nach den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG. Den Tarifvertragsparteien dürfte weiterhin die Diskriminierung grenzüber706 707
Fikentscher, SpuRt 1995, S. 149, 151; Fleischer, WuW 1996, S. 473, 485. Fleischer, WuW 1996, S. 473, 483 spricht von einem verschleierten Tarifkonflikt im
Fall Bosman. 708 Siehe oben 2. Kapitel, III., 5., e), bb) und III., 5., 1). 709 Rechtsvergleichend zum amerikanischen und europäischen System Trommer, Die Transferregelungen im Profisport, S. 195 ff.; Fleischer, WuW 1996, S. 473, 484. 710 Fleischer, WuW 1996, S. 473, 484. 711 Übersicht bei Trommer; Die Transferregelungen im Profisport, S. 197.
326
2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
schreitender Vorgänge verwehrt und die Beschränkung des Marktzugangs nur aufgrund gewichtiger Verbandsinteressen gestattet sein. 712 Eine Totalausnahme für tarifvertragliche Vorschriften kann es bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht geben. Weiterhin gilt zu beachten, daß die Ausübung der Tarifautonomie ein stark kontradiktorischer Vorgang ist, der von heftigen Streiks und Auseinandersetzungen begleitet wird, wie die Tarifvertragsverhandlungen in den USA gezeigt haben. 713 Dieses Verfahren garantiert eine bessere Berücksichtigung der Spielerinteressen, da die Verhandlungslösung und das Gegengewicht der SpieIervertreter weniger beschränkende Regelungen zulassen. Die so zustandegekommene Regelung wäre möglicherweise bereits als Verbands vorschriften zulässig gewesen. In der Praxis dürfte der Flucht in den Tarifvertrag daher der Weg versperrt sein. Dennoch bringt die geringere Kontrolldichte von Tarifverträgen Vorteile, deren Inanspruchnahme wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.
4. Sonstige individualvertragliche Absprachen Auch in anderen Rechtsgebieten können Bindungen an den Ort des Arbeitsplatzes begründet werden, die einen grenzüberschreitenden Wechsel des Arbeitgebers beschränken. Die Vereinbarung langer Kündigungsfristen in Fitneßstudios, die Befristung von Mietverhältnissen oder der Ausschluß der Exportmöglichkeiten von Leistungen und Verträgen privater Krankenversicherungen ins Ausland führen dazu, daß der Arbeitnehmer sich nicht einfach von seinem Wohnort entfernen kann. Fraglich ist, ob solche Vereinbarungen, die nicht an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, am Beschränkungsverbot des Art. 39 EG zu messen sind. Ein anschauliches Beispiel für solche Beschränkungen bietet folgender, von einem britischen Court of Appeal entschiedener Fal1. 714 Ein deutscher Arbeitnehmer war in Großbritannien beschäftigt und hatte sich dort ein Grundstück gekauft. Um den Kaufpreis aufzubringen, mußte er ein Darlehen aufnehmen und das Grundstück mit einer Hypothek belasten. In die Sicherungsabrede wurde mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen der Bank eine Klausel aufgenommen, die es dem Grundstückseigentümer untersagte, das Grundstück ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Hypothekengläubigers zu vermieten. Der Arbeitnehmer verließ Großbritannien, um wieder in Deutschland zu arbeiten. Da das Grundstück nicht 712 Zur weiterhin unzulässigen Diskriminierung fremder Staatsangehöriger, Fleischer, WuW 1996, S. 473, 485. 713 Anschaulich zum Konfliktpotential Gould, Labored Relations - Law, Politics und the NLRB, S. 101 ff. 714 Die Gründe der Entscheidung Citybank International sind zusammengefaßt in der Anmerkung von Connor, E.L.Rev. 1999, S. 525.
V. Anwendungsbeispiele
327
veräußert werden konnte, wollte er es während seiner Abwesenheit vermieten. Als er einen Mieter gefunden hatte, ersuchte er die finanzierende Bank vergebens um ihre Zustimmung. Kurze Zeit später mußte sich der Eigentümer gegen die Zwangsvollstreckung durch die Bank in sein Grundstück wehren und verwies darauf, daß die Zustimmung zur Vermietung des Grundstücks willkürlich verweigert worden war und so seine Freizügigkeit gemäß Art. 39 EG beschränkt worden sei. Auf das Zahlungsbegehren der Bank erwiderte er mit einer Schadensersatzforderung wegen entgangener Mieteinnahmen. Der Court of Appeal lehnte die Argumentation des Arbeitnehmers ab. 715 Ausgehend von den Entscheidungen Walrave und Bosman legte er dar, daß freizügigkeitsrelevante Beschränkungen und Diskriminierungen den Abschluß von Arbeitsverträgen als solchen betreffen müßten. Erst Beschränkungen des Kerns der Freizügigkeit könnten an Art. 39 EG gemessen werden. 716 Art. 39 EG sei nicht auf eine Beseitigung von Hindernissen gerichtet, die sich aus einem Sicherungs vertrag ergäben. Folglich sei die Klausel in den AGB wirksam vereinbart worden. Das Recht, Arbeitsangebote anzunehmen, sich frei in den Mitgliedstaaten zu bewegen, in einem Mitgliedstaat zu verbleiben oder in diesem Mitgliedstaat zu arbeiten, bestehe trotz der Klausel im Sicherungsvertrag fort. 717 In einer Anmerkung wird die Begründung des Court of Appeal kritisiert. Bereits in anderen Fällen habe der EuGH auch Abreden verworfen, die nicht unmittelbar mit dem Arbeitsvertrag zusammenhingen, wie auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit. 718 Das britische Gericht hätte dem EuGH die Frage vorlegen müssen, da jedwede de facto Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit an Art. 39 EG gemessen werden könne. Dieser Ansicht ist zu folgen. Auch sonstige vertragliche Bindungen an einen Ort und die daraus folgenden Beschränkungen der Freizügigkeit lösen die Schutzpflicht des Art. 39 EG aus. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer erstreckt sich nicht nur auf arbeitsrechtliche Regelungen. Vielmehr sind auch sonstige Absprachen an den Schutzvorschriften der Grundfreiheiten zu messen. Hier wäre wohl § 9 AGBG oder § 315 Abs. 3 BGB einschlägig gewesen. Die Rechtsprechung des EuGH zeigt, daß Art. 39 EG nicht nur auf arbeitsrechtliche Absprachen anwendbar ist. Der EuGH hat auch auf dem Gebiet des Ausländer- 719 , Steuer- 720 und Sozialrechts 721 Beschränkungen der Freizügigkeit verworfen. Folg715 Die Gründe der Entscheidung Citybank International sind zusammengefaßt in der Anmerkung von Connor; E.L.Rev. 1999, S. 525, 527 f. 716 Die Gründe der Entscheidung Citybank International sind zusamrnengefaßt in der Anmerkung von Connor; E.L.Rev. 1999, S. 525, 527. 717 Die Gründe der Entscheidung Citybank International sind zusammengefaßt in der Anmerkung von Connor; E.L.Rev. 1999, S. 525, 528. 718 Connor; E.L.Rev. 1999, S. 525, 528. 719 EuGH, Urteil v. 7. 7.1988 (Stanton), Sig. 1988, S. 3877. 720 EuGH, Urteil v. 28. 1. 1992 (Bachmann), Sig. 11992, S. 249. 721 EuGH, Urteil v. 26. 1. 1999 (Terhoeve), Sig. 11999, S. 345.
328
2. Kap.: Die Bindung Privater an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG
lieh ist es grundsätzlich möglich, nichtarbeitsrechtliche Vereinbarungen an der Freizügigkeit zu messen, sofern keine speziellere Grundfreiheit greift. Die Anwendbarkeit des Art. 39 EG ist somit nicht auf arbeitsrechtliche Absprachen beschränkt.
VI. Ergebnis Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG bindet private Arbeitgeber nieht unmittelbar. Die Privatautonomie und die Funktionen der Grundfreiheiten lassen eine unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG nicht zu. Die Vielzahl von Maßnahmen Privater, die geeignet sind, die Freizügigkeit zu beschränken, sind vielmehr an den Vorschriften zu messen, die die Schutzpflicht des Gesetzgebers vor Beschränkungen der Freizügigkeit durch Private konkretisieren.
3. Kapitel
Anwendung des Beschränkungsverbots auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber I. Einleitung Ein besonderes Problem in der Drittwirkung des Beschränkungsverbot des Art. 39 EG besteht darin, ob öffentliche Arbeitgeber unmittelbar an das Beschränkungsverbot gebunden sind. Öffentliche Arbeitgeber sind als juristische Person identisch mit den Mitgliedstaaten. Folglich liegt es nahe, sie auch in ihrer Funktion als Arbeitgeber unmittelbar an Art. 39 EG zu binden. Dabei gilt es aber zu beachten, daß sie nicht hoheitlich handeln, sondern als Arbeitgeber am Privatverkehr teilnehmen. Neben den Mitgliedstaaten als Arbeitgeber kennt der EG-Vertrag öffentliche und mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgestattete Unternehmen (Art. 86 Abs. 1 EG) und Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringen oder den Charakter eines Finanzmonopols besitzen (Art. 86 Abs. 2 EG). Sie sind prinzipiell private Arbeitgeber, die aber den Mitgliedstaaten wegen besonderer staatlicher Einflußmöglichkeiten angenähert sind. Diese Unternehmen könnten gegenüber ihren Arbeitnehmern an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gebunden sein.
11. Bindung der Mitgliedstaaten als Arbeitgeber 1. Rechtsprechung des EuGH Der EuGH hat die Bindung öffentlicher Arbeitgeber an das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG ebenso wie bei normalen Privaten bejaht. 1 In der Rechtssache Bobadilla2 hat er sich mit der Bindung öffentlicher Arbeitgeber an das Beschränkungsverbot befaßt. Eine Spanierin mit ausländischen Diplomen bewarb sich um eine Stelle als Restauratorin bei dem spanischen Museum Prado, eine autonome Anstalt mit Rechtspersönlichkeit, die dem spanischen Kulturministerium zugeordnet ist. Das Museum hatte vorher in einem Firmentarifvertrag mit der Personalvertretung festgelegt, daß ein spanisches Diplom Voraussetzung der I
2
EuGH, Urteil v. 23. 2. 1994 (Scholz), Sig. 11994, S. 505, 520, Rn. 6. EuGH, Urteil v. 8.7. 1999 (Bobadilla), Sig. 11999, S. 4773 = NZA 1999, S. 861.
330
3. Kap.: Anwendung auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
Anstellung sei. Da spanische Behörden die ausländischen Diplome nicht nach den Richtlinien 89/48 und 92/51/ EWG den nationalen Diplomen gleichgestellt hatten' wurde die Bewerberin unter Hinweis auf ihre fehlende Qualifikation vom Auswahlverfahren ausgeschlossen. Es stellte sich die Frage, ob die öffentliche Einrichtung eine Einstellung ablehnen konnte oder ob sie nicht etwa aus dem Beschränkungsverbot des Art. 39 EG und den daraus abgeleiteten Verfahrensrechten zur Prüfung der Gleichwertigkeit ausländischer Diplome verpflichtet war? Der EuGH führte in seiner Entscheidung aus, daß die nationalen Behörden grundsätzlich verpflichtet sind, ausländische Diplome in einem Verfahren zu beurteilen und gegebenenfalls anzuerkennen. 4 Bestehe ein solches Anerkennungsverfahren nicht oder entspreche es nicht den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen, so habe die öffentliche Einrichtung, die eine Stelle besetzen wolle, selbst zu prüfen, ob das von dem Bewerber in einem anderen Mitgliedstaat erlangte Diplom, gegebenenfalls wegen der Berufserfahrung, dem geforderten Befähigungsnachweis gleichwertig sei. 5 Dieses Verfahren müsse den allgemeinen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an die Anerkennung von Diplomen genügen. 6 Grundsätzlich treffe die Verpflichtung zur Anerkennung fremder Diplome zwar die Behörden der Mitgliedstaaten. Doch in Ermangelung eines Verfahrens müsse die einstellende öffentliche Einrichtung die Gleichwertigkeit der Diplome prüfen. Der Arbeitgeber einer öffentlichen Einrichtung sei aus Art. 39 EG verpflichtet, ein eigenständiges Homologierungsverfahren ausländischer Diplome durchzuführen, sofern der Mitgliedstaat ein solches nicht anbiete oder dieses den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nicht entspreche. 7 Dieses Verfahren müsse wiederum den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts genügen. 8 Diese Verpflichtung gelte um so mehr, wenn die öffentliche Einrichtung den Bewerber bereits vorübergehend beschäftigt habe. 9 Dann befände sich die Einrichtung in der idealen Stellung, die tatsächlichen Fähigkeiten des Bewerbers zu bewerten. 1O Der EuGH begründet dieses Ergebnis nicht. Auf3 Bei der Anerkennung ausländischer Diplome handelt es sich um eine Ausprägung des Beschränkungsverbots, da eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 39 Abs. 2 EG bei den eigenen Staatsangehörigen ausgeschlossen ist. 4 EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4804 = NZA 1999, S. 861, 863, Rn. 33. 5 EuGH, Urteil v. 8.7. 1999 (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4804 = NZA 1999, S. 861, 863, Rn. 34. 6 EuGH, Urteil v. 8.7.1999 (Bobadilla), Slg. 11999, S. 4773, 4803 f. = NZA 1999, S. 861, 862, Rn. 24, 29 - 33. 7 EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4804 = NZA 1999, S. 861, 863, Rn. 34. 8 EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4803 = NZA 1999, S. 861, 862, Rn. 28. 9 EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. 11999, S. 4773, 4805 = NZA 1999, S. 861, 863, Rn. 35. 10 EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 (Bobadilla), Slg. 11999, S. 4773, 4805 = NZA 1999, S. 861, 863, Rn. 35.
11. Bindung der Mitgliedstaaten als Arbeitgeber
331
grund dieser Entscheidung steht aber fest, daß öffentliche Arbeitgeber ausländische Diplome anerkennen müssen und damit an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gebunden sind.
2. Ansicht des Generalanwalts Fennelly In seinen Schlußanträgen zu der Entscheidung Bobadilla befürwortet der Generalanwalt Fennelly ebenfalls eine Bindung öffentlicher Arbeitgeber an die Anerkennungsgrundsätze des Art. 39 EG, wenn sie den Zugang zur Beschäftigung unter eng beschriebenen Voraussetzungen beschränken. I I Es bestünden keine Griinde, die Grundsätze zur Anerkennung ausländischer Diplome auf staatliche Maßnahmen zu beschränken, die den Zugang zur Beschäftigung beträfen. 12 Die Rechtsprechung des EuGH beziehe sich auf zugangs beschränkende Maßnahmen des Staates und nachgeordneter Behörden. 13 Diese Grundsätze gälten ebenso für Maßnahmen intermediärer Gewalten und damit durch logische Erweiterung auch für Beschränkungen durch kollektive Vereinbarungen zwischen einer öffentlichen Einrichtung und den Arbeitnehmervertretem. 14 Wie der EuGH im Urteil Walrave entschieden habe, sei Art. 39 EG auch auf nicht öffentliche Konventionen und Regelungen anwendbar. 15 Jedenfalls die Bezugnahme auf den Tarifvertrag in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens ermögliche es, der öffentlichen Einrichtung die Beschränkung unmittelbar zuzurechnen. 16 Die öffentliche Einrichtung müsse schließlich bei der Aufstellung von Beschäftigungsvoraussetzungen die Anforderungen des Art. 39 EG beachten. 17 Entspreche das Homologierungsverfahren diesen Anforderungen nicht, dürfe der öffentliche Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht ohne weitere Priifung seiner Fähigkeiten abweisen. 18 Folglich geht auch der Generalanwalt von einer unmittelbaren Bindung öffentlicher Arbeitgeber aus. 11 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 15. (Bobadilla), Sig. 11999, S. 4773, 4791, Rn. 37 f. 12 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 15. (Bobadilla), Sig. 11999, S. 4773,4791, Rn. 37. 13 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 15. (Bobadilla), Slg. 11999, S. 4773,4791, Rn. 37. 14 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 15. (Bobadilla), Sig. 11999, S. 4773, 4791, Rn. 37. 15 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 15. (Bobadilla), Sig. I 1999, S. 4773, 4791, Rn. 37. 16 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 15. (Bobadilla), Sig. 11999, S. 4773, 4791, Rn. 37. 17 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 15. (Bobadilla), Sig. 11999, S. 4773, 4792, Rn. 39. 18 Generalanwalt Fennelly, Schlußanträge v. 15. (Bobadilla), Slg. I 1999, S. 4773, 4792, Rn. 39.
10. 1998 zu EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 10. 1998 zu EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 10. 1998 zu EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 10. 1998 zu EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 10. 1998 zu EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 10. 1998 zu EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 10. 1998 zu EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999 10. 1998 zu EuGH, Urteil v. 8. 7. 1999
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3. Kap.: Anwendung auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
3. Ansichten im Schrifttum Eine Ansicht im Schrifttum bejaht die Bindung der gesamten öffentlichen Hand an die Grundfreiheiten. 19 Der EuGH lege den Begriff des Mitgliedstaats einheitlich und für deutsche Verhältnisse sehr weit aus?O Dabei gehe der EuGH nicht nach formalen Kriterien vor, sondern orientiere sich an dem Einfluß des Staates auf den Rechtsträger und an den Rechten, mit denen dieser ausgestattet sei. 21 Beispielsweise würden öffentliche Arbeitgeber, Gesundheitsbehörden, Standesorganisationen, Körperschaften und Träger der öffentlichen Verwaltung erfaßt. Nicht jedes Privatsubjekt sei Privater im europarechtlichen Sinne. Andere Stimmen im Schrifttum gehen von einer unmittelbaren Bindung der Mitgliedstaaten bei unternehmerischer Tätigkeit aus.z 2 Bei der Diskussion um die Bindung öffentlicher Unternehmen führen sie aus, daß die Mitgliedstaaten die Grundfreiheiten stets zu beachten hätten, selbst wenn sie als Träger der öffentlichen Hand unternehmerisch tätig würden. 23 Die Grundfreiheiten enthielten keine Ausnahme von ihrem Anwendungsbereich für fiskalisches Handeln der Mitgliedstaaten. 24
4. Stellungnahme a) Kritik an der Ansicht im Schrifttum
Der weite Begriff des Mitgliedstaats begegnet Bedenken. Wenn ein Mitgliedstaat bei hoheitlichem Handeln an die Grundfreiheiten gebunden ist, bedeutet dies noch nicht zwangsläufig, daß dies auch bei fiskalischem Handeln der Fall sein muß?S So bezieht sich der EuGH in seiner Entscheidung zur Bindung öffentlicher Arbeitgeber entgegen der Ansicht von Ganten nicht auf die Rechtsprechung zur Drittwirkung der Richtlinien. Hinzukommt, daß der Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH zur Drittwirkung des Art. 28 EG Unterschiede in der Rechtsprechung nicht beachtet. 26 Übersehen wird hierbei, daß der EuGH eine unmittelbare Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 28 f. Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 28. 21 Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 29. 22 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 224; Schwarze I Holoubek Art. 49 EG, Rn. 39. 23 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 224. 24 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 226. 25 Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 29 unter Bezugnahme auf: EuGH, Urteil v. 19. I. 1982 (Becker), Sig. 1982, S. 53; EuGH, Urteil v. 12.7. 1990 (Foster), Sig. I 1990, S. 3313, 3348, Rn. 17 ff.; EuGH, Urteil v. 22. 6.1989 (Fratelli Costanzo), Sig. 1989, S. 1839, 1870, Rn. 28 ff. 26 Ausführlich Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 220 ff. 19
20
11. Bindung der Mitgliedstaaten als Arbeitgeber
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Bindung öffentlicher Unternehmen in einer jüngeren Entscheidung nicht mehr betont, sondern an die Bindung der Mitgliedstaaten angeknüpft hat. 27
b) Fehlende Abgrenzung fiskalischen Verhaltens
Den Ansichten, die eine grundsätzliche Bindung der Mitgliedstaaten fordern, muß entgegengehalten werden, daß sie nicht zwischen hoheitlichem und fiskalischem Handeln der Mitgliedstaaten unterscheiden. Diese Differenzierung muß aber Ausgangspunkt für die Auslegung des Art. 39 EG sein. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob ein öffentlicher Arbeitgeber Rückzahlungsklauseln mit seinen Arbeitnehmer vertraglich regelt oder ob er eine gesetzliche Regelung über Rückzahlungspflichten einführt und damit eine abstrakt generelle Vorschrift schafft. Die besondere Bindung der Mitgliedstaaten liegt darin begründet, daß sie einseitig hoheitlich durch abstrakt generelle Regelungen tätig werden können. Bei fiskalischem Verhalten stehen öffentliche und private Arbeitgeber gleich. Der Staat unterscheidet sich bei der Anwendung des allgemeinen Arbeitsrechts nicht von privaten Arbeitgebern. Für die Unterscheidung von fiskalischem und hoheitlichem Handeln könnte im Rahmen der wertenden Rechtsvergleichung zur Bestimmung der Drittwirkung der Grundfreiheiten sprechen, daß dies im deutschen Verfassungsrecht anerkannt ist. Hoheitliches Handeln ist stets an die Grundrechte gebunden, privatrechtliches nur, wenn es der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, die sich entweder aus öffentlichrechtlichen Verpflichtungen oder der Verfolgung öffentlicher Zwecke ergeben, dient. 28 Die Beschäftigung von Angestellten im öffentlichen Dienst ergibt sich nicht aus einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung und sie verfolgt nicht unmittelbar öffentliche Zwecke. Die Bindung öffentlicher Arbeitgeber an das Beschränkungsverbot liegt nicht unmittelbar auf der Hand. Ebenfalls verfehlt ist der Verweis auf die intermediären Gewalten. Öffentliche Arbeitgeber haben gegenüber ihren Arbeitnehmern die gleichen Befugnisse wie private Arbeitgeber und sind keine intermediären Gewalten. Das deutsche Arbeitsrecht unterscheidet zwar im Anwendungsbereich von Gesetzen, etwa BetrVG und BPersVG, zwischen privaten und öffentlichen Arbeitgebern. Dies rechtfertigt aber keine grundlegende Differenzierung, da öffentlichen Arbeitgebern keine größere Rechtsrnacht über die Arbeitnehmer verliehen wird als privaten Arbeitgebern. Der Abschluß von Tarifverträgen ist den öffentlichen Arbeitgebern ebenso wie privaten möglich. Der öffentliche Arbeitgeber tritt seinen Angestellten nicht öffentlichrechtlich entgegen, da es an öffentlich-rechtlichen Vorschriften fehlt, die das Verhältnis zwischen öffentlichem Arbeitgeber und Arbeitnehmer regeln. Folglich existiert nach dem oben gefundenen Ergebnis kein Grund für eine unmittelbare Bin27 28
EuGH, Urteil v. 18.6. 1991 (ERT), Sig. I 1991, S. 2925, 2958, Rn. 15, 18. Stern, Staatsrecht Band III/ 1, S. 1402; Maunz/ Dürig Art. 1 GG, Rn. 136.
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3. Kap.: Anwendung auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
dung des einzelnen Arbeitgebers an das staatsgerichtete Beschränkungsverbot des Art. 39 EG. Der einzelne öffentliche Arbeitgeber hat auch nicht die Möglichkeit als intermediäre Gewalt tätig zu werden, da er die Arbeitsbedingungen auch nur in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen festlegen kann. Insoweit unterscheidet er sich nicht von sonstigen privaten Arbeitgebern. Der einzige Unterschied besteht darin, daß sich öffentliche Arbeitgeber nicht auf Grundrechte berufen können?9 Dennoch bleibt es dem Arbeitnehmer unbenommen, sich auch bei Verträgen mit Arbeitgebern der öffentlichen Hand auf seine Vertragsfreiheit zu stützen. Andererseits führt die aus der unmittelbaren Bindung öffentlicher Arbeitgeber fließende Verpflichtung zum Schutz der Freizügigkeit vor Beschränkungen und zur Einrichtung bestimmter Verfahren zu einer starken Belastung öffentlicher Arbeitgeber. Wie soll etwa eine kleine Gemeinde oder ein Museum ausländische Diplome anerkennen und priifen, wenn bereits die zuständige Behörde eine Anerkennung verweigert hat? Die Pflicht zum Schutz der Freizügigkeit könnte bei öffentlichen Arbeitgebern einen Kontrahierungszwang aus Art. 10 EG auslösen, der nicht vom Beschränkungsverbot des Art. 39 EG als Garant eines freien Marktes intendiert ist. Außerdem besteht ein unüberschaubares Risiko für die Mitgliedstaaten, sich nach den Grundsätzen der europäischen Amtshaftung schadensersatzpflichtig zu machen. Art. 39 EG bezweckt in seiner Beschränkungsvariante keine Bindung privater Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr. Das gilt ebenso für öffentliche Arbeitgeber, die sich am Arbeitsmarkt wie Private verhalten. Der funktionierende Markt würde im Verhältnis zur öffentlichen Hand als Arbeitgeber zunichte gemacht. Die Mitgliedstaaten würden aufgrund der strengen Pflichten keine Arbeitnehmer mehr einstellen, da jede Maßnahme unmittelbar an Art. 39 EG gemessen würde. Damit würde die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht gefördert, sondern aufgehoben.
c) Rechtsprechung zu den Richtlinien
Die Bindung öffentlicher Arbeitgeber an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG ergibt sich ebensowenig aus der Rechtsprechung des EuGH zur Bindung der Mitgliedstaaten an europäische Richtlinien. Die Probleme der unmittelbaren Anwendbarkeit und der unmittelbaren Drittwirkung europäischen Primär- und Sekundärrechts müssen sauber unterschieden werden. 30 Betrachtet man die Rechtsprechung des EuGH zur Bindung der Mitgliedstaaten an Richtlinien genau, unterscheiden auch die Entscheidungen zwischen unmittelbarer Anwendbarkeit nicht umgesetzten sekundären Gemeinschaftsrechts 31 und der Bindung bestimmter PerStern, Staatsrecht Band III/ 1, S. 1407. Cruz, E.L.Rev 1999, S. 603, 605. 31 EuGH, Urteil v. 19. 1. 1982 (Becker), Slg. 1982, S. 53, 70, Rn. 17 - 26 zur Bindung des Mitgliedstaates und seiner Finanzbehörden an eine Mehrwertsteuerrichtlinie; EuGH, Urteil 29
30
11. Bindung der Mitgliedstaaten als Arbeitgeber
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sonen an eine nach den Grundsätzen des EuGH unmittelbar anwendbare Richtlinie. 32 Bei der Bindung öffentlicher Arbeitgeber an nicht umgesetzte Richtlinien geht es in der Rechtsprechung des EuGH um beide Aspekte. 33 Die unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie begründet der EuGH mit dem Verlust der praktischen Wirksamkeit der Norm, wenn der Mitgliedstaat verpflichtet wäre, die Richtlinie umzusetzen, der einzelne sich vor Gericht aber nicht auf sie berufen könne. 34 Der Mitgliedstaat verhalte sich widersprüchlich. Die Adressierung an den Mitgliedstaat in seiner Funktion als Arbeitgeber oder Finanzbehörde leitet der EuGH aus einem anderen Aspekt ab. Nicht oder fehlerhaft umgesetzte Richtlinien fänden gegenüber dem Staat Anwendung, unabhängig davon, in welcher Eigenschaft - als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger - er tätig werde. 35 Es müsse nämlich verhindert werden, daß der Staat daraus Nutzen ziehe, daß er Gemeinschaftsrecht nicht umsetze?6 Bei Art. 39 EG geht es aber nicht um die Sanktion einer fehlerhaften Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, da Art. 39 EG unmittelbar anwendbar ist und der Mitgliedstaat nichts mehr umsetzen muß. Er kann folglich auch keinen Nutzen mehr daraus ziehen, die Norm nicht umzusetzen. Es bedarf keiner Sanktion, um dem Gemeinschaftsrecht Wirkung zu verschaffen. Der Mitgliedstaat könnte aus einer fehlerhaften "Umsetzung" des Art. 39 EG außerdem nur Nutzen ziehen, wenn die Vorschrift offensichtlich auch an ihn als öffentlichen Arbeitgeber gerichtet wäre. In den Entscheidungen des EuGH zur Bindung öffentlicher Arbeitgeber ging es um die Umsetzung der Richtlinie 76/207 /EWG, die ausdrücklich an alle Arbeitgeber des Mitgliedstaates gerichtet war. 37 Der Mitgliedstaat zog folglich Vorteile daraus, daß er die an ihn adressierte Regelung nicht umsetzte, da er sich gegenüber seinen Angestellten auf die fehlende Anwendbarkeit der Norm berufen konnte. Ist aber Art. 39 EG ohnehin an den Mitgliedstaat als öffentlichen Arbeitgeber gerichtet, kann der Mitgliedstaat auch keinen Nutzen daraus ziehen, Art. 39 EG nicht umzusetzen. Die Bindung öffentlicher Arbeitgeber an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG hängt daher nicht von dessen unmittelbarer Anwendbarkeit, sondern V. 12.7. 1990 (Foster), Slg. I 1990, S. 3313, 3347, Rn. 16; EuGH, Urteil v. 22. 6. 1989 (Fratelli Costanzo), Slg. 1989, S. 1839, 1870, Rn. 28-32; EuGH, Urteil v. 26. 2. 1986 (MarshalI), Slg. 1986, S. 737, 748, Rn. 46. 32 EuGH, Urteil v. 12.7. 1990 (Foster), Slg. 11990, S. 3313, 3348, Rn. 18, 19; EuGH, Urteil v. 26. 2. 1986 (MarshalI), Slg. 1986, S. 737, 749, Rn. 48, 49. 33 EuGH, Urteil v. 26. 2. 1986 (MarshalI), Slg. 1986, S. 737, 748, Rn. 46 ff.; EuGH, Urteil v. 12.7. 1990 (Foster), Slg. 11990, S. 3313, 3347, Rn. 16 ff. 34 EuGH, Urteil v. 19. 1. 1982 (Becker), Slg. 1982, S. 53, 70, Rn. 23; EuGH, Urteil v. 12.7. 1990 (Foster), Slg. 11990, S. 3313, 3347, Rn. 16. 35 EuGH, Urteil v. 26. 2. 1986 (MarshalI), Slg. 1986, S. 737, 749, Rn. 49; EuGH, Urteil v. 12.7. 1990 (Foster), Slg. I 1990, S. 3313, 3348, Rn. 17. 36 EuGH, Urteil v. 26. 2. 1986 (MarshalI), Slg. 1986, S. 737, 749, Rn. 49; EuGH, Urteil v. 12.7.1990 (Foster), Slg. 11990, S. 3313, 3348, Rn. 17. 37 So bereits zehn Jahre davor EuGH, Urteil v. 8. 4. 1976 (Defrenne), Slg. 1976, S. 455, 475, Rn. 39.
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3. Kap.: Anwendung auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
von dessen Auslegung ab. Die Auslegung unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts ist aber eine von der unmittelbaren Anwendbarkeit sekundären Gemeinschaftsrechts unabhängige Frage. Die Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ist somit nicht auf die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten gegenüber öffentlichen Arbeitgebern zu übertragen.
d) Privatautonomie Die Diskussion um die Drittwirkung der Freizügigkeit gegenüber öffentlichen Arbeitgebern muß beachten, daß die Privatautonomie auch im Arbeitsverhältnis mit öffentlichen Arbeitgebern Geltung verlangt. Auch wenn sich der öffentliche Arbeitgeber als Schuldner der Grundrechte nicht auf grundrechtliche Verbürgungen berufen kann,38 so entfaltet die Privatautonomie doch als Institut und als Recht der Arbeitnehmer in jedem Arbeitsverhältnis Wirkung. Der Arbeitnehmer bedarf des Schutzes der Grundfreiheiten nur, wenn die Privatautonomie beeinträchtigt ist und der Schutz der Grundfreiheiten erforderlich wird. Die Vertragskonstellation gegenüber öffentlichen Arbeitgebern unterscheidet sich insoweit nicht von der gegenüber privaten Arbeitgebern. Der Arbeitgeber handelt nicht hoheitlich, wenn er das Arbeitsverhältnis gestaltet, sondern fiskalisch. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, im Rahmen seiner Vertragsfreiheit mit dem Arbeitgeber freie Vereinbarungen zu treffen. Die Privatautonomie steht aber einer unmittelbaren Drittwirkung entgegen, da sie durch die Bindung Privater an die Beschränkungsverbote zunichte gemacht würde. e) Art. 86 Abs. 1 EG Gegen eine unmittelbare Bindung des öffentlichen Arbeitgebers an das Beschränkungsverbot spricht Art. 86 Abs. I EG. Auch wenn die Bedeutung der Vorschrift für die Bindung öffentlicher Unternehmen an Art. 39 EG umstritten ist,39 so betont Art. 86 Abs. 1 EG den Einwirkungsgedanken des Art. 10 Abs. 2 EG. 40 Die Vorschrift geht daher, was die Mitgliedstaaten anbetrifft, von einer mittelbaren Einwirkungspflicht aus. Das zeigen die Begriffe des Beibehaltens und Treffens Stern, Staatsrecht Band HIlI, S. 1407. Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 223 ff.; Groeben! Thiesing! Ehlermann! Müller-Grajf Art. 30 EGV, Rn. 290; Grabitz! Hilf! Pernice Art. 90 EGV, Rn. 49; Jarass, EuR 1995, S. 202, 209 f.; Generalanwalt Da Cruz Vila~a, Schlußanträge v. 11. 2.1988 zu EuGH, Urteil v. 4. 5. 1988 (Bodson), Slg. 1988, S. 2479, 2497, Rn. 64; Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 23. 1. 1991, zu EuGH, Urteil v. 18. 6. 1991 (ERT), Slg. I 1991, S. 2925, 2944, Rn. 26. 40 EuGH, Urteil v. 5. 10. 1994 (Crespelle), Slg. 11994, S. 5077, 5104, Rn. 15; Callies! RujfertlJung Art. 86 EG, Rn. 4; Groeben!Thiesing! Ehlermann! Hochbaum Art. 90 EGV, 38
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Rn. 5.
11. Bindung der Mitgliedstaaten als Arbeitgeber
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von Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten, die den Art. 12 und 81 - 86 EG entgegenstehen. Dieser Ansatz bildet ein Grundstein in der Begründung der lediglich mittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten gegenüber Privaten. 41 Dieser Einwirkungsgedanke greift auch gegenüber den öffentlichen Arbeitgebern. Der Gesetzgeber muß der Freizügigkeit ausreichend Schutz gewähren. Der öffentliche Arbeitgeber und die Legislative sind nicht identisch. Die Legislative übt aber anders als der öffentliche Arbeitgeber Staatsgewalt aus. Nur der hoheitlich handelnde Mitgliedstaat ist daher unmittelbar an die Grundfreiheiten gebunden.
f) Einheitliche Behandlung aller Arbeitgeber
Da die Bindung öffentlicher Unternehmen an die Grundfreiheiten in der Rechtsprechung des EuGH unklar ist,42 erstaunt es um so mehr, daß für fiskalisches Handeln der Mitgliedstaaten eine unmittelbare Bindung angenommen werden kann. Fiskalisches Handeln der Mitgliedstaaten steht der Tätigkeit öffentlicher Unternehmen sehr viel näher als hoheitlichem Handeln. Der öffentliche Arbeitgeber ist nicht mit besonderen Rechten ausgestattet, seine Verträge mit den Arbeitnehmern haben die gleiche Reichweite wie die privater Arbeitgeber. Der Mitgliedstaat ist in seiner Funktion als Arbeitgeber Teilnehmer am Privatrechts verkehr. Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs dürfen ohne Sachgrund nicht unterschiedlich behandelt werden. Das Gegenteil führte zu gespaltenen Arbeitsmärkten, in denen Arbeitnehmer wegen des Arbeitgebers diskriminiert werden. Besonders deutlich wird dies für Gewerkschaften, die mit öffentlichen Arbeitgebern kontrahieren. Tarifverträge, die im Grunde wegen der kollektiv ausgeübten Privatautonomie keiner unmittelbaren Drittwirkung unterlägen, verlören ihre Geltung in Bezug auf Art. 39 EG, wenn sie mit Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes geschlossen würden. Es läßt sich auch nicht erklären, warum Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst einen intensiveren Schutz ihrer Freizügigkeit erhalten sollten als ihre Kollegen bei einem privaten Arbeitgeber. g) Grundrechtsdogmatik
Auch die im Wege wertender Rechtsvergleichung zu berücksichtigende Dogmatik der Grundrechte spricht gegen eine Bindung öffentlicher Arbeitgeber an 41 EuGH, Urteil v. 9. 12. 1997 (Kommission/Frankreich), Sig. 1 1997, S. 6959, 6999, Rn. 32. 42 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 220, 221; siehe die Entscheidungen EuGH, Urteil v. 13.12. 1983 (Apple and Pear), Slg. 1983, S. 4083, 4119, Rn. 17; EuGH, Urteil v. 12. 12. 1990 (Hennen Olie), Sig. 1 1990, S. 4625, 4645, Rn. 17; EuGH, Urteil v. 18.5. 1989 (Royal Pharrnaceutical Society), Sig. 1989, S. 1295, 1327, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 3. 2. 1983 (Van Luipen), Sig. 1983, S. 151, 163, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 24. 11. 1982 (KommissionIIrland), Sig. 1982, S. 4005, 4022, Rn. 23; EuGH, Urteil v. 18. 6. 1991 (ERT), Slg.1 1991, S. 2925, 2958, Rn. 15.
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Roloff
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3. Kap.: Anwendung auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
das Beschränkungsverbot. Das BVerfG hat eine unmittelbare Bindung öffentlicher Arbeitgeber an die Grundrechte nicht anerkannt. 43 Das BVerfG hatte sich mit der Verfallbarkeit betrieblicher Renten für Angestellte im öffentlichen Dienst zu befassen. Neben der späten Unverfallbarkeit traf Angestellte im öffentlichen Dienst eine zusätzliche Belastung, wenn sie das Arbeitsverhältnis beendeten. Sie erhielten nämlich nach § 18 Abs. 1 S. 1 BetrAVG keine Berechnung ihrer Ruhegeldanwartschaft nach § 2 BetrAVG, sondern wurden lediglich auf Basis des § 18 Abs. 6 BetrAVG nachversichert. Das BVerfG hat in der verfallbaren Gestaltung der Anwartschaft keinen Verstoß gegen Art. 3 und 12 GG gesehen, obwohl die Vereinbarung die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit kausal verursachte. 44 Es knüpft an ein Unterlassen des Gesetzgebers an. Art. 12 GG verpflichte den Staat, das Privatrecht so zu gestalten, daß die objektive Wertordnung des Art. 12 GG gewahrt werde. Art. 12 GG schütze den Arbeitnehmer vor einem Verfall der Anwartschaften im öffentlichen Dienst. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, einen ausreichenden Schutz der Arbeitsplatzwahlfreiheit zu gewähren. 45 Der Gesetzgeber und nicht der öffentliche Arbeitgeber ist verpflichtet, regelnd den Schutz der Grundrechte zu gewährleisten. Dies macht auch eine Folgeüberlegung deutlich. Öffentliche Arbeitgeber werden überfordert, wenn die Schutzpflichten und Verfahrensrechte aus dem Beschränkungsverbot auf sie übertragen werden, was bei einer unmittelbaren Drittwirkung gegenüber den öffentlichen Arbeitgebern angedacht werden könnte. Einer öffentlichen Einrichtung fehlen aber in aller Regel die Möglichkeiten, fremde Diplome zu homologieren. Auch kann von öffentlichen Arbeitgebern nicht verlangt werden, die Freizügigkeit vor Beschränkungen durch Dritte zu schützen.
5. Ergebnis Mitgliedstaaten unterliegen, sofern sie als öffentliche Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis tätig werden, keiner unmittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG. Für sie gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze wie für andere Private auch.
43 44 45
BVerfG, Beschluß v. 15.7. 1998, BVerfGE 98, S. 365, 395. BVerfG, Beschluß v. 15.7. 1998, BVerfGE 98, S. 365,395. BVerfG, Beschluß v. 15.7. 1998, BVerfGE 98, S. 365,397.
III. Bindung von Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EG
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111. Bindung von Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EG 1. Problemstellung Fraglich ist, ob Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. I EG an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gebunden sind. Art. 86 Abs. I EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, bei bestimmten Unternehmen keine dem EG-Vertrag und insbesondere den Art. 12 und 81 bis 89 EG widersprechenden Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten. Ausgehend von dem Verweis auf den gesamten EG-Vertrag läßt sich die Überlegung anstellen, ob die in Art. 86 Abs. 1 EG genannten Unternehmen an das Beschränkungsverbot gebunden sind.
2. Begriff des Unternehmens in Art. 86 Abs. 1 EG Art. 86 Abs. 1 EG unterscheidet öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren. Öffentliche Unternehmen sind Einheiten, die unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und auf deren Geschäftsplanung oder Tätigkeit öffentliche Hoheitsträger kraft Eigentums, der Beteiligungsverhältnisse, des Stimmrechts oder sonstiger Verhältnisse mittelbar oder unmittelbar bestimmenden Einfluß ausüben können. 46 Der bestimmende staatliche Einfluß braucht nicht mittels hoheitlicher Maßnahmen herbeigeführt zu werden. Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten sind solche Unternehmen, die in einer den öffentlichen Unternehmen ähnlichen Abhängigkeit zum Mitgliedstaat stehen. 47 Durch die Einräumung ausschließlicher Rechte werden diesen Unternehmen wirtschaftliche Tätigkeitsbereiche unter Ausschluß von Wettbewerbern vorbehalten. 48
3. Ansicht der Rechtsprechung Der EuGH hat sich bisher nicht explizit mit der Bindung von Unternehmen im Sinne Art. 86 Abs. 1 EG an die Grundfreiheiten befaßt. Dennoch sind Entscheidungen ergangen, die mit einer unmittelbaren Drittwirkung in engem Zusammenhang stehen. Der EuGH ging in friiheren Entscheidungen von einer Bindung an Art. 28 46 Callies / Ruffert / Jung Art. 86 EG, Rn. 13; Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 90 EGV, Rn. 16; Milanesi, Revue du Droit de l'UE 2000, S. 117, 127. 47 Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 90 EGV, Rn. 24; Callies / Ruffert / Jung Art. 86 EG, Rn. 15. 48 Callies / Ruffert / Jung Art. 86 EG, Rn. 16.
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3. Kap.: Anwendung auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
EG aus und hat Maßnahmen dieser Unternehmen unmittelbar an der Waren verkehrsfreiheit gemessen.49 So unterwarf er Maßnahmen einer Organisation, die zur Regelung der Standesregeln der Apotheker befugt war, unmittelbar Art. 28 EG. 50 Anders liest sich eine Entscheidung aus dem Jahre 1983, wo der EuGH allein den Mitgliedstaat an Art. 28 EG gebunden hat. 51 Er stellt auf die gesetzlichen Vorschriften ab, die das Unternehmen ermächtigen, Kontrollen bestimmter Produkte durchzuführen. 52 Im Fall der Werbung eines öffentlichen Unternehmens für nationale Produkte geht der EuGH nur auf die staatliche Maßnahme ein. 53 Auch in der Entscheidung vom 18.6. 1991 beurteilt er die Griindung eines mit ausschließlichen Rechten ausgestatteten Rundfunksenders als mitgliedstaatliche Maßnahme. 54
4. Ansicht im Schrifttum Im Schrifttum wird eine unmittelbare Bindung öffentlicher Unternehmen an die Grundfreiheiten, vor allem an Art. 28 EG aber auch an den Gleichbehandlungsgrundsatz von Art. 39 Abs. 2 EG, befürwortet. 55 86 Abs. 1 EG verlange eine Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten und der Unternehmen nach Art. 86 Abs. 1 EG. 56 Die Mitgliedstaaten stünden mittelbar hinter den Entscheidungen der Unternehmen. 57 Art. 86 Abs. 1 EG schreibe zwar keine unmittelbare Drittwirkung vor, gehe aber von dieser Wirkung aus. Die Abgrenzung öffentlicher Unternehmen von den Mitgliedstaaten sei nur schwer möglich. 58 Rein private Unternehmen und solche des Art. 86 EG seien nicht notwendigerweise gleichzubehandeln, da Art. 86 Abs. 1 EG ein Bevorzugungsverbot enthalte. 59 Im Interesse der Verbotseffektivität sei auf die Maßnahme des Unternehmens und nicht auf die Einflußnahme des Mitgliedstaats abzustellen.60 Andere leiten auch für die Unternehmen des Art. 86 Abs. 1 EG die Bindung an die Grundfreiheiten aus Art. 86 Ab. 2 EG ab. 61 49 EuGH, Urteil v. 13. 12. 1983 (Apple and Pear), Slg. 1983, S. 4083, 4119, Rn. 17; EuGH, Urteil v. 12. 12. 1990 (Hennen Olie), Slg. I 1990, S. 4625, 4645, Rn. 17. 50 EuGH, Urteil v. 18. 5. 1989 (Royal Pharmaceutical Society), Slg. 1989, S. 1295, 1327, Rn. 15. 51 EuGH, Urteil v. 3. 2.1983 (Van Luipen), Slg. 1983, S. 151, 163, Rn. 13. 52 EuGH, Urteil v. 3. 2. 1983 (Van Luipen), Slg. 1983, S. 151, 163, Rn. 13. 53 EuGH, Urteil v. 24. 11. 1982 (Kommission/Irland), Slg. 1982, S. 4005, 4022, Rn. 23. 54 EuGH, Urteil v. 18.6. 1991 (ERT), Slg. 11991, S. 2925, 2958, Rn. 15. 55 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 223 ff.; Groeben/ Thiesing / Ehlermann/ Müller-Graf! Art. 30 EGV, Rn. 290; Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 90 EGV, Rn. 49; Jarass, EuR 1995, S. 202, 209 f. 56 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 225. 57 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 225. 58 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 225. 59 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 195. 60 Groeben / Thiesing / Ehlermann / Müller-Graff Art. 30 EGV, Rn. 290.
III. Bindung von Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EG
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5. Differenzierende Ansicht Eine Ansicht im Schrifttum bejaht die unmittelbare Drittwirkung der Freizügigkeit, wenn das Individuum einem Zusammenschluß qua Gesetz angehören muß, um einen Beruf ausüben zu können ("Rechtliche Zwangsläufigkeit,,).62 Der rechtliche Zwang, der von der staatlichen Maßnahme ausgehe, bilde die Grundlage für die unmittelbare Drittwirkung. 63 Beruhe die Errichtung der privaten Institution auf einem staatlichen Hoheitsakt oder begründe der Gesetzgeber eine Zwangsmitgliedschaft, sei die Handlungsbefugnis der Institution staatsabgeleitet und damit den Grundfreiheiten zu unterwerfen.
6. Ablehnende Ansicht Andere Auffassungen nehmen eine unmittelbare Drittwirkung an, scheinen aber die Bindung nicht auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu erstrecken. 64 Art. 86 Abs. 1 EG solle die Umgehung der Grundfreiheiten der Art. 25, 28, 43 und 49 EG durch öffentliche und private Unternehmen verhindern.
7. Auffassung des Generalanwalts Lenz und Da Cruz Vila~a Die Generalanwälte lehnen eine Bindung ab. Sie vertreten, daß der Wortlaut des Art. 86 EG primär eine Bindung der Staaten begründet. 65 Für ein Eingreifen des Art. 28 EG müsse das Verhalten dem Staat zurechenbar sein. Handele es sich lediglich um eine autonome Maßnahme des Unternehmens, komme allenfalls Art. 82 EG in Betracht. 66
8. Stellungnahme a) Wortlaut und Zweck des Art. 86 Abs. 1 EG
Gegen eine unmittelbare Bindung bestimmter Unternehmen an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG spricht der Wortlaut von Art. 86 Abs. 1 EG. Er verBurgi, EuR 1997, S. 261, 284. Streinzl Leible, EuZW 2000, S. 459, 464. 63 Streinzl Leible, EuZW 2000, S. 459, 465. 64 Dauses, Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts I Emmerich, H II, Rn. 126. 65 Generalanwalt Da Cruz Vila~a, Schlußanträge v. 11. 2. 1988 zu EuGH, Urteil v. 4. 5. 1988 (Bodson), Sig. 1988, S. 2479, 2497, Rn. 64; Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 23. 1. 1991, zu EuGH, Urteil v. 18.6. 1991 (ERT), Sig. I 1991, S. 2925, 2944, Rn. 26. 66 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge v. 23. 1. 1991 zu EuGH, Urteil v. 18. 6. 1991 (ERT), Slg. 11991, S. 2925, 2944, Rn. 26. 61
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3. Kap.: Anwendung auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
langt lediglich ein Einwirken der Mitgliedstaaten auf bestimmte Unternehmen. Dieser Einwirkungspflicht hätte es nicht bedurft, wenn bereits das Unternehmen unmittelbar an die Freizügigkeit gebunden wäre. Art. 86 Abs. 1 EG ist Ausfluß der Schutzpflichten der Mitgliedstaaten und wird allgemein als Spezialvorschrift gegenüber Art. 3 Abs. 1 lit. f) EG und Art. 10 EG eingeordnet,67 da er über die in Art. 10 EG genannten Befugnisse hinausgeht und Art. 86 Abs. 3 EG eine Eingriffsmöglichkeiten der Kommission regelt, die im Gegensatz zu der grundsätzlich bei der Beeinträchtigung von Grundfreiheiten bestehenden staatlichen Schutzpflicht keinen weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten kennt. Die Vorschrift zielt damit primär auf die Verhinderung der Umgehung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften durch die Mitgliedstaaten ab. Eine Bindung öffentlicher Unternehmen an die Grundfreiheiten kann der Regelung nicht entnommen werden. Art. 86 Abs. 1 EG bezweckt auch keine Bindung öffentlicher Arbeitgeber an das Beschränkungsverbot der Freizügigkeit. Von öffentlichen Unternehmen ist in ihrer Funktion als Arbeitgeber weder eine besondere Gefrihrdung des Wettbewerbsrechts noch der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu erwarten. Bei anderen Grundfreiheiten kann das anders aussehen. Aber sogar bei der Warenverkehrsfreiheit lehnt der EuGH eine unmittelbare Bindung Privater ab. Gerade bei Art. 28 EG müßte wegen der Nähe zu Art. 86 Abs. 1 EG eine unmittelbare Drittwirkung angenommen werden. Die Ansicht des EuGH wird daher zurecht als uneinheitlich bezeichnet. 68 Problematisch ist zudem, daß der EuGH nicht auf die Vorschrift des Art. 86 EG eingeht. Er hat bisher auch noch keine Bindung öffentlicher Unternehmen an Art. 39 EG bejaht.
b) Gleichbehandlung mit fiskalisch handelndem Mitgliedstaat
Da die Mitgliedstaaten als öffentliche Arbeitgeber bereits nicht an die Grundfreiheiten gebunden sind, sind auch die öffentlichen Unternehmen nicht an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gebunden. Eine Abgrenzung öffentlicher Arbeitgeber und öffentlicher Unternehmen erübrigt sich damit. Selbst wenn die Mitgliedstaaten als Arbeitgeber unmittelbar an die Freizügigkeit gebunden wären, sind Abgrenzungsschwierigkeiten kein schlagendes Argument. Die Abgrenzung durch das Merkmal der wirtschaftlichen Einheit eines Unternehmens ist außerdem nicht völlig ungeeignet, Unternehmen von den Mitgliedstaaten abzugrenzen. Die sich ergebende Abgrenzung zeigt aber, wie bedenklich es ist, solche Unternehmen einer unmittelbaren Drittwirkung zu unterwerfen.
67 EuGH, Urteil v. 18.6. 1991 (ERT), Slg. I 1991, S. 2925, 2961, Rn. 27; Callies I Ruffertl Jung Art. 86 EG, Rn. 4. 68 Jaensch. Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 220, 221.
III. Bindung von Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EG
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c) Ungleichbehandlung privater Arbeitgeber Andererseits bedarf die Ungleichbehandlung der Unternehmen des Art. 86 Abs. 1 EG gegenüber anderen privaten Arbeitgebern eines Sachgrundes. Ein solcher ist in Art. 86 Abs. 1 EG nicht zu finden. Die öffentliche Einflußnahme, die den Sachgrund für die Regelung bildet, führt nicht zu einer größeren Gefährdung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die Mitgliedstaaten versuchen nicht, mittels öffentlicher Unternehmen Grundsätze auf die Arbeitsverhältnisse auszuweiten, die sie bei einem privatrechtlichen Angestelltenverhältnis nicht hätten vereinbaren können. Zwar werden andere Grundfreiheiten durch öffentliche Unternehmen sicherlich stärker gefährdet als durch private Unternehmen, die keinem staatlichen Einfluß unterliegen. Die Umgehungsgefahr bei der Flucht der Mitgliedstaaten ins Privatrecht fehlt aber beim Beschränkungsverbot des Art. 39 EG. Die Stellung der Vorschrift im Wettbewerbsrecht verdeutlicht, daß das Wettbewerbsrecht eine Gleichstellung privater und öffentlicher Unternehmen bezweckt. 69 Wettbewerbsrecht kann aber für die arbeitsrechtliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mangels Unternehmereigenschaft des Arbeitnehmers keine besondere Bindung der Unternehmen des Art. 86 Abs. 1 EG begriinden. Auch können sich die Unternehmen des Art. 86 Abs. 1 EG im Grunde auf grundrechtlichen Schutz berufen. 7o
d) Wertende Rechtsvergleichung Im deutschen Recht ist die Bindung öffentlicher Unternehmen an die Grundrechte ebenfalls umstritten,71 so daß sich aus diesen Grundsätzen nur bedingt Ableitungen treffen lassen. Zum Teil wird eine unmittelbare Bindung öffentlicher Unternehmen an die Grundrechte verneint, sofern der Staat nicht alle Anteile an den Unternehmen besitzt. 72 Eine Bindung öffentlicher Arbeitgeber wird jedoch nirgends vertreten. Diese Grundsätze können auf das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG übertragen werden.
9. Ergebnis Unternehmen des Art. 86 Abs. 1 EG sind nicht unmittelbar an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gebunden.
69 70 71 72
Grabitzl Hilfl Pernice Art. 90 EGV, Rn. 1. Callies I Ruffert I Kingreen Art. 6 EU, Rn. 53,54; Staatsrecht Band III/1, S. 1169. Stern, Staatsrecht Band III/1, S. 1407 ff. mit umfassenden Nachweisen. Spannowsky, ZHR 160 (1996), S. 560, 572.
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3. Kap.: Anwendung auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
IV. Bindung von Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EG 1. Problematik und Begriff der Unternehmen In Art. 86 Abs. 2 EG wird noch ein weiterer Unternehmensbegriff eingeführt. Die Vorschriften des Vertrages gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind oder den Charakters eines Finanzmonopols haben. Anders als Art. 86 Abs. I EG spricht Art. 86 Abs. 2 EG von einer Geltung der Vorschriften dieses Vertrages, insbesondere der Wettbewerbsvorschriften. Unternehmen, die mit Dienstleistungen allgemein wirtschaftlichen Interesses betraut sind, werden als Unternehmen definiert, die wirtschaftliche Aktivitäten, die ihnen durch einen Hoheitsakt übertragen wurden, nicht nur zur individuellen Sicherung von Infrastruktur, Daseinsvorsorge und öffentlicher Sicherheit verfolgen. 73 Sie sind regelmäßig, aber nicht notwendig identisch mit den öffentlichen Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EG. 74 Den Charakter eines Finanzmonopols haben Unternehmen, wenn ihnen vom Staat eine Monopolste1lung mit dem Zweck eingeräumt wurde, dem öffentlichen Haushalt eine besondere Einnahmequelle zu sichern. 75
2. Ansicht der Rechtsprechung Die Rechtsprechung gilt wiederum nicht als aussagekräftig. In einer Entscheidung hat der EuGH lediglich die Vorschrift des Art. 86 Abs. 2 EG wiederholt. 76
3. Ansicht im Schrifttum Überwiegend wird der Verweis in Art. 86 Abs. 2 EG auf die unternehmensbezogenen Vorschriften des EG-Vertrages begrenzt und damit deklaratorisch verstanden. 77 Die Unternehmen hätten die sie selbst treffenden Vorschriften zu beriick73 Lenz / Grill Art. 86 EG, Rn. 23, 24; Callies / Ruffert / Jung Art. 86 EG, Rn. 36 - 39; Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 90 EGV, Rn. 33-35; Badura, ZGR 1997, S. 291, 300. 74 Lenz/Grill Art. 86 EG, Rn. 21; Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 90 EGV, Rn. 33-35. 75 Grabitz/ Hilf/ Pemice Art. 90 EGV, Rn. 39; Lenz/ Grill Art. 86 EG, Rn. 26; Callies / Ruffert / Jung Art. 86 EG, Rn. 42. 76 EuGH, Urteil v. 6. 7. 1982 (Frankreich u. a./Kommission), Slg. 1982, S. 2545, 2575, Rn. 12. 77 Groeben / Thiesing / Ehlermann / Hochbaum Art. 90 EGV, Rn. 50; Callies / Ruffert / Jung Art. 86 EG, Rn. 44; Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 82, Fn. 323.
IV. Bindung von Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EG
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sichtigen. 78 Dadurch werde Art. 86 Abs. 2 EG auch nicht überflüssig, da er konstitutiv eine Ausnahme regele. 79
4. Ansicht im Schrifttum Im Gegensatz dazu wird Art. 86 Abs. 2 EG zum Teil als konstitutiver Verweis auf alle Vertrags vorschriften und damit auch auf die Grundfreiheiten verstanden. 8o Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift. Der Verweis verdeutliche den Umfang der anwendbaren Vorschriften. 81 Zweck des Art. 86 Abs. 2 EG sei es, eine Umgehung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten in den betroffenen Bereichen zu vermeiden. 82 Die Ausnahmen für die Bindung seien abschließend in Art. 86 Abs. 2 EG geregelt. 83 Innerhalb dieser Auffassung wird vor allem die Bindung an Art. 28 und 49 EG problematisiert. 84 Art. 39 EG ist häufig nicht erwähnt.
S. Stellungnahme Wie bereits für die Unternehmen des Art. 86 Abs. I EG festgestellt wurde, ist eine Bindung bestimmter Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EG an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG nicht erforderlich. Zwar ist bei solchen Unternehmen in wettbewerbsrechtlicher Sicht eine besondere Gefährdung zu erwarten. Indes begriindet die staatliche Nähe keine größere Gefahr für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer als sie auch von sonstigen privaten Arbeitgebern ausgeht. Primärer Zweck der Regelung ist es, den Mitgliedstaaten eine Ausnahmevorschrift an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglicht, von Vorschriften des Vertrages abzuweichen. Sind indes in Fällen des Art. 86 Abs. I und Abs. 2 EG Überschneidungen der Unternehmensbegriffe möglich,85 so ist es widerspriichlich, Unternehmen des Art. 86 Abs. 2 EG, bei denen der staatliche Einfluß geringer ist als bei denen des Art. 86 Abs. I EG, unmittelbar der Freizügigkeit zu unterwerfen. Die unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG ist aus den gleichen GriinGroeben / Thiesing / Ehlemumn / Hochbaum Art. 90 EGV, Rn. 50. Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 82. 80 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 240; Burgi, EuR 1997, S. 261,285. 81 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 241. 82 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 241. 83 Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 241. 84 Wilmowsky V. , ZHR 155 (1991), S. 545, 556 ff. 85 Ehricke, EuZW 1993, S. 211, 214, der von einem praktisch einheitlichen Anwendungsbereich des Art. 86 Abs. 1 und 2 EG ausgeht, was aber schon dem erkennbar unterschiedlichen Wortlaut der Vorschriften widerspricht. 78
79
346
3. Kap.: Anwendung auf öffentliche und diesen angenäherte Arbeitgeber
den abzulehnen, die gegen eine Bindung öffentlicher Arbeitgeber und Unternehmen gesprochen haben. Zwar spricht der Wortlaut von der Geltung der Vorschriften des Vertrages. Art. 86 Abs. 2 EG steht aber in unmittelbarem systematischen Zusammenhang mit Art. 86 Abs. I EG. Dies rechtfertigt eine Begrenzung des Verweises auf die unternehmensbezogenen Vorschriften. Zentral gegen eine Übertragung spricht auch, daß eine Anwendung der Grundfreiheiten auf besondere Unternehmen die Übertragung der Ausnahme des Art. 86 Abs. 2 EG auf die Grundfreiheiten voraussetzt. 86 Die Ausnahmen der Grundfreiheiten würden dann aber entgegen ihrer speziellen und engen Zielsetzung ausgeweitet. Zudem könnten sich Unternehmen, die nur unter Art. 86 Abs. 1 EG fallen, nicht auf diese Ausnahme berufen. Arbeitgeber im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EG sind daher nicht unmittelbar an das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG gebunden.
v. Ergebnis Öffentliche Arbeitgeber und Unternehmen unterfallen wie sonstige private Arbeitgeber keiner unmittelbaren Drittwirkung des Beschränkungsverbots des Art. 39 EG.
86
Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 82, Fn. 323.
Schluß Die "Deiche des nationalen Arbeitsrechts" werden durch das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG nicht eingerissen. Das nationale Recht entfaltet nur an wenigen Stellen relevante Beschränkungen der Freizügigkeit. Es gewährleistet vielmehr den Schutz der Arbeitnehmer vor Beschränkungen ihrer Freizügigkeit durch Dritte (§§ 624, 622 Abs. 6 BGB), ohne das ausgewogene Gleichgewicht von kollektiver und individueller Vertragsgestaltung zu stören. Das vorgeschlagene Verhältnis von Schutzpflichten und Abwehrrechten beläßt dem nationalen Arbeitsrecht seinen vollen Schutzumfang und begriindet keinen neoliberalen Wirtschaftsraum. Dabei sticht die Parallele von Art. 39 EG und der allgemeinen Berufsfreiheit ins Auge. 87 Auch dort hat das ausgewogene Verständnis den Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern größte Wirkung verschafft. Sozialstandards und Binnenmarkt lassen sich langfristig ebenso in Einklang bringen wie Marktwirtschaft und Sozialstaat - sie bedingen sich sogar gegenseitig. Während die europaweite Harmonisierung der Arbeitsbedingungen dem Beschränkungsverbot Grenzen zieht und europaweite Sozialstandards Beschränkungen der Freizügigkeit rechtfertigen, beschert die Ausübung der Freizügigkeit den Arbeitnehmern die Möglichkeit, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die vierte Begriindungserwägung der VO 1612/68 führt aus, daß "die Mobilität der Arbeitskräfte für den Arbeitnehmer eines der Mittel sein soll, die ihm die Möglichkeit einer Verbesserung seiner Lebensbedingungen garantieren und damit auch seinen sozialen Aufstieg erleichtern, wobei gleichzeitig der Bedarf der Wirtschaft gedeckt wird." Die Angleichung der sozialen Standards und die Freiheit des grenzüberschreitenden Wechsels der Arbeitsmärkte sind gemeinsam Garant für ein wirtschaftliches und politisches Zusammenwachsen der europäischen Nationen.
87 Siehe oben 1. Kapitel III., 3., e); v., 10., e), bb); 2. Kapitel, III., 5., d); V., 1. und 2.; BAO, Urteil v. 20. 11. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BOB Berufssport, BI. 6; BOH, Urteil v. 27. 9. 1999 (DEB), NJW 2000, S. 1028, 1029; BOH, Urteil v. 27. 9. 1999 (NFV), BOHZ 142, S. 304, 309; Singer; Anmerkung zu BAO, Urteil v. 20. 11. 1996, AP Nr. 12 zu § 611 BOB Berufssport, BI. 10; Tettinger; JZ 2000, S. 1069, 1074.
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Sachwortverzeichnis Abfertigung 149 Abfindung 149 Abgrenzung des Beschränkungsverbots 63 Ablösesumme 265 Adressat des Beschränkungsverbots 41 AEntG 165 Allgemeininteressen 176 Alpine Investments 90 Anerkennung ausländischer Diplome 138 Angonese 72, 191 Arbeitnehmer 59 Arbeitnehmerentsendegesetz 165 Arbeitnehmerentsendung 165 Arbeitnehmerschutz 179 Arbeitnehmerstatus 59 Arbeitsuchende 59 Assoziationsrecht 50 Ausbildung 177 Ausbildungskosten, Rückzahlung 303 Ausbildungsvertrag 299 Ausländerklauseln 190 Auslegung 33 Ausübungsregeln 93, 105 Beamte 159 Beamtenrechtliche Versorgung 159 Befristung 161 Berufsfreiheit 54, 123 Betriebliche Anwartschaften 289 Betriebsvereinbarung 234 Bindung der Gemeinschaften 42 Bobadilla 71,195,329 Bosman 81,190 Darlehen 298 Deutschen-Grundrechte 54 Dienstleistungsfreiheit 90 Diskriminierung grenzüberschreitender Vorgänge 64, 68, 77, 84
Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit 63, 188 Diskriminierungsverbot - Drittwirkung 188 - Abgrenzung vom Beschränkungsverbot 63 Domi 189 Drittwirkung der Grundfreiheiten 187 Entsendung von Arbeitnehmern 165 Faktische Bindung 276 FIFA-Statut 234, 317 FIFA-Transferreglement 309 Finalität 122 Flucht in den Tarifvertrag 325 Formulararbeitsvertrag 236 Fortbildungskosten 299 Freigabeschein 319 Gemeinschaftsbezug 48 Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung 33 Gesundheit 180 Graf 83 Gratifikation 281 Grenzgänger 53 Grenzüberschreitender Bezug 46, 49 Grenzüberschreitender Vorgang 45 Grundrechte 119 Horizontale Wirkung 187 Innerstaatliche Vorgänge 54 Intensität 121 Intermediäre Gewalten 187,204,214 Internationaler Freigabeschein 319 Karenzentschädigung 164 Kausalität 121 Keck 103 Kohärenz 178
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Sachwortverzeichnis
Kohll91 Kollidierende Grundrechte 183 Kollidierendes Verfassungsrecht 182 Konkurrenzverbot 264 Kraus 71, 140 Kündigungsausschluß 242 Kündigungsfristen 162 Lebensversicherung 290 Lehtonen 82, 195 Leistungsanspruch 146 Lizenzordnung Spieler 317, 322 Lizenzspielervertrag 253 Masgio 84 Mißbrauchsverbot 180 Nachvertragliche Beschränkung 212 Negative Freizügigkeit 148 Niederlassungsfreiheit 88 Öffentliche Unternehmen 339 Öffentliche Verwaltung 60 Öffentlicher Dienst 60 Persönlicher Anwendungsbereich 59 Privatautonomie 226 Profisport 252 Rechtfertigung der Beschränkung 170 Rechtliche Bindung 242 Rechtsfortbildung 31 Richtlinie 96/71 / EG 165 Rückzahlungsklauseln 291, 298, 299, 315 Rückzahlungspflicht 299 Schadensersatz 241 Scholz 70 Schriftform 170 Schutzpflichten 130 Schutzzweck 122 Sehrer 86 Semeraro Casa Uno 90 Sondervergütung 281
Sondervergütung mit Mischcharakter 284 Sozialabgabensystem 181 Soziale Macht 215 Sperrabreden 313 Sperrzeit 153 Sport 176 Sportliches Gleichgewicht 176 Steuersysteme 178 Stichtagsklausel 281 Systeme der sozialen Sicherheit 84 Tarifvertrag 232 Terhoeve 85 Transferfristen 317 Transferliste 322 Transferstreit 254 Treue zum Arbeitgeber 182 Treueprämie 287 Umzugskosten 315 Unmittelbare Wirkung 187 Unterlassen der Mitgliedstaaten 127 Unverfallbarkeit betrieblicher Anwartschaften 154 Verbandsvorschriften 234 Verfahrensrechte 138 Verlängerte Kündigungsfristen 244 Verlängerungsklause1 242 Verlängerungsoption 256 Vertragsbindung 242 Vertragsfreiheit 226 Vertragsstrafe 277 Vlassopoulou 141 Vordienstzeiten 191 Walrave 188 Warenverkehrsfreiheit 91 Weiterbildungskosten, Rückzahlung 299 Wertende Rechtsvergleichung 109,227 Wettbewerbsabreden 312 Wettbewerbsverbot 164 Zugangsbeschränkung 93, 105